Gesamtes Protokol
Guten Morgen, meine Damen und Herren, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Sitzung ist eröffnet.
Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, möchte ich auf der Tribüne die Präsidentin der Nationalversammlung der Republik Südafrika, Frau Dr. Frene Ginwala, und ihre Delegation ganz herzlich begrüßen.
- Sie haben es dem Begrüßungsapplaus entnommen: Wir freuen uns, daß Sie unsere Einladung nach Deutschland und in den Deutschen Bundestag angenommen haben. Wir haben in den letzten Jahren mit großer Aufmerksamkeit bei vielen Kontakten die Entwicklung in Ihrem Land verfolgt. Ich brauche hier nicht noch einmal zu wiederholen, wie sehr wir diesen Prozeß in Südafrika anerkennen und bewundern und wie froh wir sind über das, was Sie in Ihrem Land neu aufbauen und gestalten. Herzlich willkommen!
Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, möchte ich dem Kollegen Engelbert Nelle zu seinem 65. Geburtstag, den er am 9. Juni feierte, nachträglich herzliche Glückwünsche aussprechen.
Sodann ist eine Nachbenennung für die verstorbene Kollegin Christine Kurzhals im Beirat der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post erforderlich. Die Fraktion der SPD schlägt als neues ordentliches Mitglied den Kollegen Gerd Rübenkönig, der bisher stellvertretendes Mitglied war, und den Kollegen Eike Hovermann als stellvertretendes Mitglied vor. Sind Sie damit einverstanden? - Kein Widerspruch. Dann sind die beiden Kollegen als Mitglied bzw. stellvertretendes Mitglied für den Beirat bei der Regulierungsbehörde benannt.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung soll die heutige Tagesordnung um folgende Ihnen in einer Zusatzpunktliste vorliegenden Punkte erweitert werden:
6. a) Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Rainder Steenblock, Michaele Hustedt, Kristin Heyne, weiteren Abgeordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Einführung einer ökologischen Besteuerung von Energie - Drucksachen 13/3067, 13/10924 -
b) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Finanzausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Rainder Steenblock, Andrea Fischer (Berlin), Kristin Heyne, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Einstieg in eine ökologisch-soziale Steuerreform - Drucksachen 13/3555, 13/10924 -
7. Beratung des Antrags der Abgeordneten Michaele Hustedt, Marieluise Beck , Franziska Eichstädt-Bohlig, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Mit der Energiesteuer Lohnnebenkosten senken - Drucksache 13/7750-
8. Beratung des Antrags der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Absenkung der Lohnnebenkosten - Drucksache 13/8591 -
9. Weitere Überweisungen im vereinfachen Verfahren
a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu der am 17. September 1997 in Montreal beschlossenen Änderung zum Montrealer Protokoll vom 16. September 1987 über Stoffe, die zu einem Abbau der Ozonschicht führen - Drucksache 13/10901 -
b) Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur steuerlichen Förderung von Wagniskapital - Drucksache 13/10990 -
10. Weitere abschließende Beratungen ohne Aussprache
a) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft zu der Verordnung der Bundesregierung: Aufhebbare Vierundneunzigste Verordnung zur Änderung der Ausfuhrliste - Anlage AL zur Außenwirtschaftsverordnung - Drucksachen 13/10745, 13/10884 Nr. 2.1, 13/10992 -
b) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit zu der Verordnung der Bundesregierung: Zustimmungsbedürftige Verordnung über die Entsorgung von Geräten der Informations-, Büro- und Kommunikationstechnik (IT-Altgeräte-Verordnung - ITV) - Drucksachen 13/10 769, 13/10 884 Nr. 2.2, 13/11024 -
c) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Rechtsausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Bericht der Bundesregierung über die praktischen Auswirkungen der im Betreuungsgesetz enthaltenen Regelungen zur Sterilisation - Drucksachen 13/3822, 13/4034 Nr. 2, 13/11033 -
Präsidentin Dr. Rita Süssmuth
11. Aktuelle Stunde auf Verlangen der Gruppe der PDS: Haltung der Bundesregierung zu den Äußerungen ihres Pressesprechers Hauser, die Hilfe beim Aufbau im Osten mit Wahlergebnissen in den neuen Bundesländern in Verbindung zu bringen
12. a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Bereinigung vermögensrechtlicher und anderer Vorschriften - Drucksachen 13/10246, 13/11041 -
b) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Rechtsausschusses
- zu dem Antrag der Abgeordneten Hans-Joachim Hacker, Rolf Schwanitz, Siegfried Scheffler, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Hemmnisse und Rechtsunsicherheiten im Immobilienrecht und beim Nutzerschutz beseitigen
- zu dem Antrag der Abgeordneten Hans-Joachim Hacker, Dr. Herta Däubler-Gmelin, Hermann Bachmaier, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Mehr Rechtssicherheit und Rechtsschutz für Nutzer von Freizeitgrundstücken in den neuen Bundesländern
- zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Uwe-Jens Rössel, Dr. Christa Luft, Rolf Kutzmutz, weiterer Abgeordneter und der Gruppe der PDS: Novellierung des Gesetzes über die Feststellung der Zuordnung von ehemals volkseigenem Vermögen
- zu dem Antrag der Abgeordneten Klaus-Jürgen Warnick, Dr. Uwe-Jens Heuer, Dr. Gregor Gysi und der Gruppe der PDS: Begrenzung der Erhöhung der Nutzungsentgelte für Erholungsgrundstücke in Ostdeutschland auf die derzeit übliche Bodenrendite
- zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Uwe-Jens Heuer, Klaus-Jürgen Warnick, Dr. Gregor Gysi und der Gruppe der PDS: Begrenzung des Anstiegs der Nutzungsentgelte für Erholungsgrundstücke in Ostdeutschland auf ein sozial erträgliches Maß - Drucksachen 13/10329, 13/7304, 13/9068, 13/10466, 13/7532, 13/11041 -
13. Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Uschi Eid, Wollgang Schmitt , Dr. Angelika Köster-Loßack und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Reform der Entwicklungszusammenarbeit - Drucksache 13/10 965 -
14. Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Uschi Eid, Wolfgang Schmitt und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Friedliche Beilegung des Konfliktes zwischen Eritrea und Äthiopien - Drucksache 13/10964 -
Von der Frist für den Beginn der Beratung soll, soweit erforderlich, abgewichen werden.
Des weiteren ist vereinbart worden, den Tagesordnungspunkt 9 - Biotechnologie - erst am Freitag nach dem Tagesordnungspunkt 19 - Sekten und Psychogruppen - aufzurufen. Die Tagesordnungspunkte 18 - Asylbewerberleistungsgesetz - und 23 k - Wahlstatistikaufhebungsgesetz - sollen in dieser Woche abgesetzt werden.
Sind Sie auch damit einverstanden? - Kein Widerspruch. Wir verfahren so.
Ich rufe die Tagesordnungspunkte 5 a bis 5 g sowie die Zusatzpunkte 6 bis 8 auf:
5. a) Abgabe einer Erklärung durch die Bundesregierung
zum Europäischen Rat in Cardiff am 15. und 16. Juni 1998
b) Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P.
Chancen der Globalisierung nutzen - Drucksache 13/10 976 -
c) Beratung der Großen Anfrage der Abgeordneten Siegmar Mosdorf, Dr. Ingomar Hauchler, Ernst Schwanhold, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD
Politische Antworten auf die wirtschaftliche Globalisierung
- Drucksachen 13/10103, 13/10 995 -
d) Beratung der Großen Anfrage der Abgeordneten Dr. Elke Leonhard, Robert Antretter, Dr. Eberhard Brecht, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD
Chancen der Globalisierung und Gestaltung der Außenwirtschaftspolitik
- Drucksachen 13/10 306, 13/10996-
e) Beratung des Antrags der Fraktion der SPD
Beratung über die Umsetzung der beschäftigungspolitischen Leitlinien anläßlich des Europäischen Rates in Cardiff am 15./16. Juni 1998
- Drucksache 13/10 602 -
f) Beratung des Antrags der Abgeordneten Marieluise Beck , Matthias Berninger, Annelie Buntenbach, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN
Für einen neuen Gesellschaftsvertrag: Kooperative und nachhaltige Beschäftigungspolitik
- Drucksache 13/10963-
g) Beratung der Großen Anfrage der Abgeordneten Kristin Heyne, Margareta Wolf , Marieluise Beck (Bremen), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Beschäftigungsfördernde und umweltverträgliche Wirtschaftsentwicklung
- Drucksachen 13/10 612, 13/10 997 -
ZP6 a) Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Rainder Steenblock, Michaele Hustedt, Kristin Heyne, weiteren Abgeordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Einführung einer ökologischen Besteuerung von Energie
- Drucksache 13/3067 -
Beschlußempfehlung und Bericht des Finanzausschusses
- Drucksache 13/10 924 -Berichterstattung:
Abgeordnete Ludwig Eich
Gisela Frick
Dr. Barbara Höll
Michaele Hustedt
Peter Rauen
Präsidentin Dr. Rita Süssmuth
b) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Finanzausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Rainder Steenblock, Andrea Fischer (Berlin), Kristin Heyne, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Einstieg in eine ökologisch-soziale Steuerreform
- Drucksachen 13/3555, 13/10924 -Berichterstattung:
Abgeordnete Ludwig Eich
Gisela Frick
Dr. Barbara Höll
Michaele Hustedt
Peter Rauen
ZP7 Beratung des Antrags der Abgeordneten Michaele Hustedt, Marieluise Beck , Franziska Eichstädt-Bohlig, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Mit der Energiesteuer Lohnnebenkosten senken
- Drucksache 13/7750 —Überweisungsvorschlag:
Finanzausschuß
Ausschuß für Wirtschaft
Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung
Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Ausschuß für Fremdenverkehr und Tourismus
ZP8 Beratung des Antrags der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Absenkung der Lohnnebenkosten - Drucksache 13/8591—Überweisungsvorschlag:
Finanzausschuß
Ausschuß für Wirtschaft
Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung
Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Es liegen zwei Entschließungsanträge der Fraktion der SPD vor.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache nach der Regierungserklärung drei Stunden vorgesehen. - Kein Widerspruch. Wir verfahren so.
Bevor ich dem Herrn Bundeskanzler das Wort erteile, weise ich darauf hin, daß wir nach dieser Aussprache über einen Antrag auf Zurückweisung eines Einspruchs des Bundesrates namentlich abstimmen werden. Für diese Abstimmung benötigen Sie neben Ihrer Stimmkarte auch Ihren Stimmausweis in der Farbe gelb. Den Stimmausweis können Sie nachher Ihrem Stimmkartenfach entnehmen.
Das Wort zur Abgabe einer Regierungserklärung hat jetzt der Bundeskanzler, Dr. Helmut Kohl.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Tagung des Europäischen Rats in Cardiff war eine wichtige Begegnung auf dem Weg zum weiteren Ausbau des Hauses Europa. Nach den Beschlüssen zur Erweiterung der Europäischen Union und zur Einführung des Euro haben wir in Cardiff eine Zwischenbilanz gezogen und vor allem über den weiteren Kurs auf dem Weg nach Europa diskutiert.
Wesentliche Fragen der europäischen Tagesordnung waren zu behandeln.
Erstens haben wir intensiv über die Fragen der wirtschaftlichen Entwicklung und der Beschäftigung gesprochen.
Zweitens haben wir eine erste und ausführliche Aussprache zwischen den Staats- und Regierungschefs über die künftige Ausrichtung und Gestaltung der Europäischen Union gehabt. Dies wurde nicht zuletzt durch den gemeinsamen Brief von Staatspräsident Jacques Chirac und mir angeregt.
Drittens haben wir ausführlich über die anstehende Fortentwicklung der europäischen Strukturpolitik, der Agrarpolitik und der Finanzen gesprochen. Dies alles verbirgt sich ja hinter dem Begriff „Agenda 2000". Grundlage der Beratungen war ein erster Zwischenbericht der britischen Präsidentschaft und des Rates. Es konnte dabei nicht um konkrete Entscheidungen gehen. Da die Kommission ihre Vorschläge zu einer künftigen Finanzwirtschaft erst im Spätherbst vorlegen wird, konnten die Gespräche nur als Zwischengespräche verstanden werden. Wichtig ist, daß wir jetzt einen Zeitplan für das weitere Vorgehen vereinbart haben.
Viertens haben wir eine Zwischenbilanz über den Stand des Erweiterungsprozesses gezogen.
Fünftens wurden gerade in der jetzigen Situation wichtige Themen der internationalen Politik besprochen, vor allem auch die Krise mit ihren bürgerkriegsähnlichen Entwicklungen im Kosovo.
Sechstens haben wir Berichte zu wichtigen Themen - organisierte Kriminalität, Drogen und Umwelt - entgegengenommen.
Meine Damen und Herren, zu den besonders wichtigen Themen in Cardiff gehörte natürlich die Erörterung der wirtschafts- und beschäftigungspolitischen Fragen. Die umfassende Debatte zu diesem Thema hat auch gezeigt, daß wir uns in Deutschland bei nahezu allen wichtigen Kennzahlen der Wirtschaftsentwicklung im Vergleich zu den EU-Mitgliedsstaaten wiederum in die Spitzengruppe vorgearbeitet haben.
Was besonders erfreulich ist: Diese Daten zeigen ja auch, daß diese Aufwärtsentwicklung weitergeht.
Das gilt ebenfalls für den schwierigen Bereich des Arbeitsmarktes. Allein in den letzten drei Monaten ist die Zahl der Arbeitslosen in Deutschland um über 600 000 zurückgegangen.
Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl
Damit wird deutlich, daß wir das ins Auge gefaßte Ziel für dieses Jahr erreichen können. Besonders kräftig ist die Arbeitslosigkeit in den alten Bundesländern gesunken. Auch am ostdeutschen Arbeitsmarkt gibt es eine Erholung, aber sie geht leider sehr viel langsamer vonstatten. Die Normalisierung im Baubereich wird in den neuen Ländern durch die dynamische Entwicklung vor allem in der Industrie zunehmend kompensiert.
In dieser Woche hat das Statistische Bundesamt mitgeteilt, daß die Zahl der Beschäftigten in den ostdeutschen Industriebetrieben im April dieses Jahres erstmals seit 1991 wieder gestiegen ist. Das ist eine höchst erfreuliche Feststellung.
Es ist unübersehbar - das ist auch in der Diskussion in Cardiff deutlich geworden und anerkannt worden -: Der Wirtschaftsaufschwung in Deutschland gewinnt weiter an Fahrt. Das ist für EU-Europa von ganz großer Bedeutung. Dabei ist es besonders erfreulich, daß zusätzlich zur dynamischen Auslandsnachfrage, zum Export, inzwischen der Investitionsmotor ebenfalls angesprungen ist. Damit erhält der Aufschwung endlich ein zweites Standbein.
Alle Prognosen der nationalen wie der internationalen Institutionen - dies sagt nicht zuletzt auch die Europäische Kommission - bestätigen, daß wir in Deutschland in diesem Jahr ein Wachstum in der Größenordnung von über 2,5 bis in die Nähe von 3 Prozent erreichen werden. Das ist eine höchst positive Entwicklung.
Hierzu wird das Wachstum von 3,8 Prozent im ersten Vierteljahr beitragen. Es ist das höchste Wachstum seit der Wiedervereinigung. Darüber können wir uns ganz besonders freuen.
Auch im europäischen Vergleich kommen wir beim Abbau der Arbeitslosigkeit voran. Dies ändert natürlich überhaupt nichts an der Tatsache, daß die Arbeitslosigkeit überall in Europa nach wie vor zu hoch ist und daß dies die große Herausforderung für die Europäische Union bedeutet. Die Europäische Kommission erwartet auf der Grundlage von Zahlen des Statistischen Amtes der Europäischen Gemeinschaften für Deutschland in diesem Jahr eine Arbeitslosenquote von unter 10 Prozent - genau 9,8 Prozent. Dabei ist es wichtig, in diesem Hause einmal darauf hinzuweisen, wie die Zahlen in anderen Ländern aussehen.
Ich nenne die Vergleichszahlen: Für Frankreich erwartet die EU-Kommission in diesem Jahr eine Arbeitslosenquote in Höhe von 11,9 Prozent, für Italien von 12 Prozent, für Spanien von 19,7 Prozent und für Großbritannien eine Arbeitslosenquote in der Größenordnung von 6,6 Prozent. Sie wissen, daß für Großbritannien vor einem Jahr - aus einem anderen
Anlaß - eine Größenordnung von über 7 Prozent erwartet wurde.
Besonders eindeutig fällt der Vergleich mit unseren Nachbarn in bezug auf die Jugendarbeitslosigkeit aus. Die Quote lag im April 1998 in Deutschland bei 10,8 Prozent und war damit nur halb so hoch wie der Durchschnitt der EU mit 21,9 Prozent.
Diese 10,8 Prozent sind natürlich noch viel zu hoch; darüber kann es keinen Zweifel geben. Aber trotzdem ist es eine sehr beachtenswerte Zahl - gerade im Vergleich zu anderen Ländern.
Selbstverständlich geben wir uns mit dieser Zahl nicht zufrieden.
Aber wenn man nun die Lage in Deutschland betrachtet, ist es schon sinnvoll, einmal darauf hinzuweisen, daß die Unterschiede zwischen den einzelnen Bundesländern auch etwas über die regionale Strukturpolitik und deren Erfolge aussagen.
Ich habe mit großem Interesse die Regierungserklärung des gerade neugewählten Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen und die Ankündigung der notwendigen Reformen zur Kenntnis genommen. In diesem Zusammenhang frage ich mich schon, warum man damit im Vergleich zu anderen Bundesländern so lange gewartet hat.
- Ich glaube nicht, Herr Abgeordneter Fischer, daß Sie zu diesem Thema jemals etwas beigetragen haben. Zwischenrufe sind so ziemlich das einzige, was Sie dazu beitragen können.
Meine Damen und Herren von der SPD, die Zahlen sprechen für sich; Sie müssen sie schon ertragen. Die Jugendarbeitslosigkeit liegt in Niedersachsen bei 11,2 Prozent, in Nordrhein-Westfalen bei 11,3 Prozent und im Saarland bei 11,4 Prozent; das ist die Trilogie, die Sie vorweisen können. In Baden-Württemberg liegt sie dagegen bei 6,6 Prozent und in Bayern bei 5,9 Prozent.
Wenn man berücksichtigt, daß die gleichen Gesetzmäßigkeiten und Grundbedingungen in der ganzen Bundesrepublik gelten, stellt sich schon die Frage - wenn wir auf den Vergleich mit anderen Ländern in Europa angesprochen werden -, was die Landesregierung in Niedersachsen in diesen ganzen Jahren getan hat
Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl
und was die Landesregierung in Nordrhein-Westfalen getan hat. Was die Landesregierung im Saarland getan hat, das wissen wir aus langer Erfahrung. Das ist so bekannt, daß man es nicht kommentieren muß.
Tatsache ist, daß es für den neugewählten Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen viel zu tun gibt, wenn er und seine Landesregierung die Erfolge von Baden-Württemberg und Bayern wenigstens annähernd erzielen wollen. Das ist ein Weg, den zu gehen ich ihn ausdrücklich ermutigen will.
Meine Damen und Herren, auch bei der Diskussion um das, was wir voneinander übernehmen können - gerade bei dem Thema Jugendarbeitslosigkeit -, haben wir viel Grund, noch einmal darauf zu verweisen, wie wichtig es ist, daß wir das duale System der Berufsausbildung beibehalten und daß wir diese Fragen in einer freiheitlichen Ordnung regeln und nicht zu einer Ausbildungsabgabe kommen. Das ist mit großer Deutlichkeit gesagt worden.
Für uns Deutsche ist bei dieser Debatte wichtig, daß ein Vorgang, der uns in unserem Lande große Sorgen machen muß, auch in den europäischen Nachbarländern zu beobachten ist. Es handelt sich um das Problem für ältere Arbeitnehmer, aus der Arbeitslosigkeit herauszukommen und einen neuen Arbeitsplatz zu finden. Ich bleibe dabei, daß das eine der Herausforderungen ist, die uns mit am meisten beschäftigen muß. Es ist unerträglich, daß jemandem, der 50 oder 51 Jahre alt ist, mitgeteilt wird, er sei für eine neue Verwendung zu alt. Ich glaube, daß insoweit eine soziale Herausforderung besteht, die außerordentlich wichtig ist. Wir haben in den beschäftigungspolitischen Leitlinien festgelegt, daß gerade diese Frage im europäischen Kontext besonders intensiv bearbeitet werden muß.
Meine Damen und Herren, auch die anderen wirtschaftlichen Grunddaten sind in Deutschland so gut wie seit langem nicht. Im Mai dieses Jahres betrug der Preisanstieg in Deutschland trotz der vorangegangenen Erhöhung der Mehrwertsteuer nur 1,3 Prozent. Ich betone das, weil wir bei der Diskussion um die Erhöhung der Mehrwertsteuer hören mußten, welche katastrophalen Preisentwicklungen uns ins Haus stehen würden. Jetzt verzeichnen wir einen Preisanstieg in einer Größenordnung, der auch im europäischen Vergleich eine Spitzenposition darstellt.
Für uns ist die Preisstabilität vor allem als Teil der Sozialpolitik wichtig. Gerade Rentner, Bezieher geringerer Einkommen und Sparer sind ganz besonders darauf angewiesen, daß ihr Geld seinen Wert behält. Im übrigen ist Preisstabilität ein wichtiger Teil einer guten Konjunkturpolitik. Auf unsere Verhältnisse bezogen bedeutet ein Prozentpunkt weniger Inflation einen Kaufkraftgewinn von rund 18 Milliarden DM pro Jahr. Deswegen ist es eine ganz wichtige soziale
Tat, wenn wir bei der Preisstabilität auf dieser Linie weiter vorankommen.
Noch etwas ist von großer Bedeutung: Die langfristigen Zinsen sind in Deutschland im Moment auf dem niedrigsten Niveau seit über drei Jahrzehnten. Das ist die beste Voraussetzung für arbeitsplatzschaffende Investitionen - übrigens nicht zuletzt im Wohnungsbau. Dazu will ich Ihnen ein konkretes Beispiel nennen. Wer heute ein Eigenheim baut, bekommt sein Baugeld für zehn Jahre zu Zinsen von unter 6 Prozent. Da jetzt oft der Zeitraum 16 Jahre genannt wird, will ich einmal darauf hinweisen, daß der Zinssatz vor 16 Jahren statt 6 Prozent 10 Prozent betrug. Das heißt ganz konkret: Ein Baudarlehen von 200 000 DM kostete damals 1 670 DM im Monat, und heute sind es 1 000 DM. Das sind nur 60 Prozent im Vergleich zu den Kosten von 1982. Ich finde, das ist eine imponierende Leistung im sozialen Bereich und fördert die Entwicklung zu Eigentum in unserem Land.
Meine Damen und Herren, all das war nur durch viel Arbeit und durch viel gemeinsames Tun möglich. Dabei ist eines vor allem wichtig: Unsere Reformen und Veränderungen tragen Früchte. Die Bundesregierung hat - wie jeder in diesem Haus weiß - diese Reformen in diesen Jahren gemeinsam mit der Koalition gegen zum Teil erbitterte Widerstände durchgesetzt. Wenn Sie noch einmal überlegen, wieviel Zeit und Kraft notwendig waren, um die Privatisierung der Post, die Liberalisierung des Telekommunikationsmarktes und vieles andere auf den Weg zu bringen, dann wissen Sie, wie richtig diese Bemerkung ist. Diese Reformen haben zu Unternehmensneugründungen geführt. Damit sind zusätzliche Impulse für neue Arbeitsplätze in diesem wichtigen Zukunftssektor geschaffen worden.
Der Präsident der Europäischen Kommission, Jacques Santer, hat bei der Tagung in Cardiff darauf hingewiesen, daß die Beschäftigtenzahl allein im Telekommunikationsbereich im Gebiet der EU um jährlich 8 Prozent zunimmt. So kann jeder erkennen, daß die notwendigen Schritte auch gute Früchte tragen.
Ich verweise in diesem Zusammenhang auf die Fortsetzung der Gesundheitsreform, die seit 1. Juli 1997 in Kraft ist, und die Rentenreform, die 1999 in Kraft treten wird. Beides sind Entscheidungen, die dazu beitragen, daß der Anstieg der zu hohen Lohnzusatzkosten, die auf Arbeitsplätzen lasten und den Arbeitsmarkt belasten, dauerhaft begrenzt wird. Einige Krankenkassen - ich will das hier feststellen - haben inzwischen Beitragssenkungen angekündigt. Ich halte all dies für gute Signale für mehr Beschäftigung in Deutschland.
Wer in diesen Tagen und Monaten diese Reformen, die - das erkennt jeder - überfällig sind, und diese Veränderungen, die notwendig sind, auf Grund von Wahlversprechen wieder rückgängig machen will, der zerstört Aufschwung und Arbeitsplätze.
Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl
Um unsere Ziele zu erreichen, müssen wir insbesondere alles tun, um unseren Standort Deutschland in der veränderten Welt für in- und ausländische Investoren attraktiver zu machen. Ich glaube, daß unsere Chancen gut sind. Wenn Sie die Entwicklung gerade in diesen Tagen, vielleicht sogar in diesen Stunden in Asien, nicht zuletzt in Japan, beobachten, dann sehen Sie, daß Deutschland ein Standort von hoher Qualität ist. Wir sollten das auch nach außen deutlich machen. Wir müssen alles tun, um unseren Sozialstaat finanzierbar zu halten, damit auch in Zukunft Wohlstand und soziale Sicherheit gewährleistet werden.
Um es einfach zu sagen: Die Bundesregierung und die Koalition von CDU/CSU und F.D.P. stehen dafür ein, daß der eingeschlagene Weg für mehr Beschäftigung und damit für die Sicherung der Zukunft fortgesetzt wird.
Auf diesem Weg sind fünf konkrete Schwerpunkte zu berücksichtigen:
Erstens. Die große Steuerreform - im Sinne der Vorlage, die gemeinsam erarbeitet wurde und die der Bundestag im übrigen beschlossen hat -, ist überfällig; sie muß endlich durchgesetzt werden.
Die täglichen Erfahrungen, die wir in Bonn und anderswo in Gesprächen mit ausländischen Investoren, vor allem auch mit Investoren aus dem Dollarbereich, machen, zeigen uns, daß die Besteuerung in unserem Land eines der entscheidenden Hindernisse für Investitionen ist. In vielen Gesprächen, die ich führe, höre ich immer wieder, daß nahezu alle Daten bei uns als erstklassig anerkannt werden: der Gemeinsinn, das Trachten und das Mittun der Arbeitnehmerschaft, der hohe Ausbildungsstandard, die Infrastruktur und vieles andere. Am Ende der Gespräche wird mir dann aber immer die Frage nach der Steuerhöhe gestellt. Die Verschleppung der Steuerreform,
die jetzt im besten Falle zum 1. Januar 2000 in Kraft treten kann, hat uns - mit allen Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt - ungeheuer geschadet.
Da es in diesen Tagen üblich ist, vor allem den Vergleich mit Großbritannien anzustellen, will auch ich das tun. Die Briten haben in ihrem Steuersystem ganz bewußt Investitionen besonders schonend behandelt. Das hat nicht nur die letzte konservative Regierung unter John Major getan; vielmehr tut es auch die New-Labour-Regierung. Auch das ist interessant. Diese Regierung hat bis jetzt nichts getan, um Investitionen zurückzuschrauben; vielmehr tut sie - dies zeigt sich auch bei den aktuellen steuerpolitischen Diskussionen in London - alles, um weitere Investitionen zu ermöglichen. Das Ergebnis ist eindrucksvoll: In den letzten Jahren wurde aus dem Dollargebiet in Großbritannien fast achtmal mehr investiert als bei uns in Deutschland. Wir brauchen in den neuen Ländern jeden Dollar und jede Mark für neue Investitionen. Durch Ihre Blockadepolitik wird das gestoppt und verhindert.
Ohne ein international wirklich wettbewerbsfähiges Steuersystem können wir unsere Ziele nicht erreichen. Deswegen bleibt unser Steuerkonzept richtig und muß durchgesetzt werden.
Meine Damen und Herren, wenn der Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen auch nur einen Teil dessen, was er gestern zugesagt hat, durchsetzen will, kann er jetzt schon sagen, daß er im Bundesrat für die große Steuerreform stimmt.
Das ist die entscheidende Voraussetzung auch für sein eigenes Land.
Zweitens. Natürlich muß auch angesichts der demographischen Entwicklung in unserem Land die Arbeit an der Rentenreform fortgesetzt werden.
Niemand will eine Politik zu Lasten der Rentner. Aber so, wie wir Verantwortung für die Rentner und die ältere Generation tragen, tragen wir ebenfalls Verantwortung für die nachfolgende Generation, der man nicht die ganze Last der Folgen der demographischen Entwicklung aufbürden kann.
Deshalb ist es absolut zwingend, die umlagefinanzierte Altersversorgung stärker durch eine kapitalgedeckte, eigenverantwortliche Vorsorge zu ergänzen. Wenn wir das machen wollen - wir müssen es machen -, dann müssen wir den Jungen auch zusagen, daß ihre Eigenleistungen im Rahmen der Steuerreform steuerlich berücksichtigt werden.
Beides gehört zusammen: Renten- und Steuerreform.
Drittens. Für die wirtschaftliche Entwicklung ist es entscheidend, daß wir eine neue Gründerwelle auf den Weg bringen. Nur so erreichen wir dauerhafte Beschäftigung. Wir haben deshalb die Startchancen für Existenzgründer und junge Unternehmer nachhaltig verbessert - zum Beispiel den Zugang zu Wagniskapital im Zuge des Dritten Finanzmarktförderungsgesetzes. Allein 1997 haben sich 530000 Menschen in Deutschland wirtschaftlich selbständig ge-
Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl
macht. Das ist die höchste Zahl seit der Wiedervereinigung.
Dabei weiß ich so gut wie Sie, daß es neben diesen Neugründungen auch eine ganze Reihe von Schließungen gegeben hat. Aber für uns ist es entscheidend, daß bei einem Vergleich dieser Zahlen immer noch ein Überschuß von knapp 100 000 zugunsten der Existenzgründungen zu verzeichnen ist. Wenn das Jahr für Jahr so geschehen würde, kämen wir auch auf diesem Wege voran.
Viertens. Wir müssen - auch das war in Cardiff ein Schwerpunktthema -, um die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen und neue Arbeitsplätze zu schaffen, Verbesserungen im Bereich von Bildung und Ausbildung durchführen. Auf der Jahrestagung der Deutschen Forschungsgemeinschaft gestern wurde jedem, der dabei war, deutlich vor Augen geführt, was jetzt geschehen muß, damit wir fähig werden, die notwendigen Entscheidungen im Bereich der Hochschulen zu treffen. Das gilt aber auch allgemein für die Forschung und die Schulen. Wir brauchen die besten Schulen. Wir können dieses Ziel nur erreichen, wenn wir zur Kenntnis nehmen, daß wir davon gegenwärtig noch ein gutes Stück entfernt sind. Das sollten wir uns alle selbstkritisch eingestehen; das gilt für den Bund und in besonders hohem Maße für die hierfür zuständigen Länder; das gilt unter Berücksichtigung der Vorbedingungen im Schulwesen auch für die Gemeinden. Deswegen ist es ganz sicher richtig, wenn ich sage: Die Reform des Bildungswesens ist eines der besonders wichtigen Themen der kommenden Jahre, wenn wir die Zukunft Deutschlands sichern wollen.
Mit dem Hochschulrahmengesetz haben wir einen ersten wichtigen Schritt in diese Richtung getan. Wir werden heute im Rahmen der Tagesordnung, wie wir zu Beginn der Sitzung gehört haben, hier im Bundestag den Einspruch des Bundesrates gegen dieses wichtige Gesetzesvorhaben zurückweisen. Meine Damen und Herren von der Opposition, ich würde es begrüßen, wenn Sie endlich Ihren Widerstand aufgeben und die notwendigen Entscheidungen mit herbeiführen würden.
Im Bereich von Forschung und Technologie gibt es ebenfalls Gutes zu berichten. Bei den Weltmarktpatenten - diese bilden die wichtigste Gruppe aller Patente - nimmt Deutschland weltweit wieder Platz eins ein. Die Zahl der Biotechnologieunternehmen in Deutschland hat sich in den letzten beiden Jahren vervierfacht. Wir müssen auf diesem Weg weiter vorankommen.
Gerade die Diskussionen im Zusammenhang mit der Volksabstimmung in der Schweiz in diesem Bereich sollten jedem in Deutschland zeigen, wohin eine Blockadepolitik führt.
Fünftens. Ich will für die Bundesregierung und für die Koalition noch einmal betonen, daß für uns der Aufbau Ost auch in Zukunft absolute Priorität hat. Ich würde es sehr begrüßen, wenn auch von seiten der Sozialdemokraten dieser Satz einmal klar ausgesprochen und durch Taten bekräftigt würde.
Morgen wird in Schwerin die Gemeinsame Initiative für mehr Arbeitsplätze in Ostdeutschland eine Zwischenbilanz ziehen. Wir haben die feste Absicht - und werden entsprechend handeln -, den Ausbau der Infrastruktur und die Förderung der Investitionen in den neuen Ländern auf hohem Niveau fortzusetzen. Dazu gehört natürlich ebenfalls, daß auch die Tarifpartner ihren Beitrag zum Beschäftigungsaufbau leisten und daß die Tarife moderat und flexibel gestaltet werden.
Auf der Tagesordnung in Cardiff stand mit der Agenda 2000 ein weiterer wichtiger Punkt, der für die Fortentwicklung der Europäischen Union von großer Bedeutung ist. Es geht darum, der Europäischen Union die innere Stabilität und die notwendigen Mittel zu geben, damit sie auch nach einer Erweiterung im nächsten Jahrhundert ihre Aufgaben erfüllen kann. Wir haben dabei klargemacht, daß sich die Europäische Union auch in diesen Fragen an den Grundsätzen von Sparsamkeit und Effizienz, Solidarität und fairer Lastenteilung orientieren muß. Wir haben zu diesen Fragen eine erste Aussprache gehabt; denn beim derzeitigen Stand der Arbeiten war - das war auch nicht anders geplant - noch keine Entscheidung in der Sache möglich.
Die Europäische Kommission hat durch ihren Präsidenten Santer zugesagt, daß sie den wichtigen Bericht über das künftige Eigenmittelsystem, der die Grundlage der Debatte bildet, Ende Oktober/Anfang November dieses Jahres vorlegen wird. Ich habe - wie auch andere Kollegen - keinen Zweifel daran gelassen, daß über die einzelnen Aspekte der Agenda 2000 nur im Rahmen eines Gesamtpakets entschieden werden kann. Dazu muß man Kompromisse finden, die sich nur aus der Gesamtschau ergeben. Es ist beabsichtigt, die ersten konkreten Gespräche beim Europäischen Rat in Wien am 11. und 12. Dezember 1998 zu beginnen. Unter deutscher Präsidentschaft von Januar bis Ende Juni nächsten Jahres werden diese Fragen weiter zu diskutieren und zu entscheiden sein.
Es ist verabredet, daß die deutsche Präsidentschaft noch vor Ostern 1999, also etwa in der zweiten Märzhälfte, eine Sondertagung des Europäischen Rates einberufen wird. Dieser Zeitplan ergibt sich zwingend auf Grund anderer zeitlicher Vorgaben: Zum einen laufen die in Edinburgh 1992 verabredeten Regeln für die Finanzverfassung der Europäischen Union Ende 1999 aus. Das heißt: Noch vor Ende des
Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl
Jahres 1999 muß der neue Finanzrahmen verabschiedet werden. Zum anderen findet die Wahl zum Europäischen Parlament zwischen dem 10. und 13. Juni des nächsten Jahres statt. Das „amtierende" Parlament muß aber die Agenda 2000 noch vor diesem Termin verabschieden. Die Lebenserfahrung zeigt, daß mindestens vier Wochen vor dem Wahltag das Parlament seine Sacharbeit einstellt, weil zu diesem Zeitpunkt schon der Wahlkampf läuft. Daraus folgt, daß der März 1999 der richtige Zeitpunkt für eine Sondertagung des Europäischen Rates ist.
Die Agenda 2000, über die im März nächsten Jahres entschieden werden soll, hat auch für die deutsche Politik eine enorme Bedeutung, weil der Finanzrahmen, der dann beschlossen wird, von 1999 bis 2006 gelten soll. Dabei werden Grunddaten für alle Bereiche der Politik in der Europäischen Union festgelegt. Deswegen ist es wichtig, daß die deutsche Präsidentschaft das Richtige tut, um das wohlverstandene Interesse Deutschlands durchzusetzen.
Wichtig ist auch, daß sich im Hinblick auf die künftige Finanzierung der Europäischen Union die große Mehrheit der Staats- und Regierungschefs in Cardiff dafür ausgesprochen hat, den derzeitigen Plafond der Eigenmittel von 1,27 Prozent des Bruttoinlandsprodukts auch im Rahmen der Erweiterung beizubehalten. Natürlich gibt es in dieser Frage auch andere Stimmen. Deutschland ist mit 28 Prozent größter Beitragszahler des EU-Haushalts und auch größter Nettozahler. Angesichts der wirtschaftlichen Lage in Europa und auch angesichts der Bedeutung unseres Landes, das hinsichtlich der Bevölkerungszahl das mit Abstand größte und hinsichtlich der Wirtschaftskraft das wichtigste Land Europas ist, ist diese Position verständlich und richtig. Und wir werden auch in Zukunft ein großer Nettozahler bleiben. Aber wir wollen angesichts der Gesamtentwicklung in Europa darauf dringen, daß auch andere begreifen, daß eine faire und gerechte Lastenteilung - auch im Interesse der deutschen Bürger - gefunden werden muß.
Viele europäische Länder haben in den letzten zwei Jahrzehnten im sozialen und wirtschaftlichen Bereich enorme Fortschritte gemacht. Der Beitritt zur Europäischen Union - man kann das so einfach sagen - war für diese Länder aus allgemeinpolitischen Gründen wichtig, und er hat sich auch gelohnt. Genau das wollten wir. Das entspricht unserer Intention bezüglich Europa.
Aber den Grundsatz der fairen Lastenteilung anzuerkennen ist das eine - die Frage, welche praktischen Konsequenzen daraus gezogen werden müssen, ist etwas ganz anderes. Dazu gab es in Cardiff unterschiedliche Auffassungen, was auch niemanden überraschen kann. - Bekanntlich gibt es ja, wenn Bund und Länder oder die Länder untereinander über Geld reden, auch ganz unterschiedliche Auffassungen. - So vertraten in Cardiff einige die Meinung, daß alle bisherigen Besitzstände erhalten bleiben müssen. Das ist eine relativ einfache Position.
Dabei kann mit Blick auf die Erweiterung jeder erkennen, daß nicht alles so bleiben kann wie bisher.
Ich will hierzu noch eine andere Bemerkung machen: Für mich ist immer wieder interessant festzustellen, daß dann, wenn wir - Kollege Waigel, ich oder andere - über dieses Thema sprechen, sofort der Vorwurf erhoben wird, wir würden die deutschen Interessen zu entschieden oder - wie es auch heißt - zu radikal vertreten. Ich verstehe nicht, wie jemand einen solchen Vorwurf erheben kann. Auch unsere Partner verstehen das nicht. Ich habe in der Europäischen Union bisher noch niemanden getroffen, der nicht ganz selbstverständlich seine Interessen vertritt. Ich habe auch noch nie festgestellt, daß jemand sagt, daß seine Interessen nicht die wichtigsten seien. Das gehört zu meinen politischen Erfahrungen. Deswegen ist es unverständlich, daß man als antieuropäisch gesonnen bezeichnet wird, wenn man hinsichtlich der EU-Finanzierung - und es geht hier um beachtliche Beträge - seine Interessen vertritt.
Diese Bundesregierung und diese Koalition lassen sich in ihrer europäischen Überzeugung von niemandem übertreffen! Das war immer so, und das bleibt auch so.
Ich glaube nicht, daß man seine europäische Überzeugung dadurch am besten vertritt, daß man die eigenen Interessen unterdrückt. Es geht darum, die deutschen Interessen mit denen unserer Freunde und Partner in Einklang zu bringen, damit das Ganze dem Fortschritt der europäischen Integration dienen kann.
Zu den Vorschlägen der Kommission zur Agrarpolitik hat die Bundesregierung bereits in der Erklärung des Kabinetts vom 18. März 1998 festgestellt, daß sie in wesentlichen Teilen den Erfordernissen der europäischen und den Notwendigkeiten der deutschen Landwirtschaft nicht gerecht werden.
Deswegen müssen wir über dieses Thema intensiv miteinander sprechen. Es ist eines der schwierigsten Themen, weil die Ausgangspositionen in den einzelnen Ländern sehr unterschiedlich sind. Das hat mit den jeweiligen Bodenqualitäten, Größenordnungen, Strukturen und Traditionen in der Landwirtschaft zu tun.
Ich will noch einmal mit aller Entschiedenheit für die Bundesregierung erklären: Hier geht es nicht um ein engstirniges, kurzfristiges Eigeninteresse einer einzelnen Bevölkerungsgruppe, hier geht es vielmehr um ein Stück gelebte Solidarität mit der deutschen Landwirtschaft; denn ohne die Bauern auf ihren Höfen wird dieses Land keine gute Zukunft haben. Sie brauchen unsere Hilfe und unsere Unterstützung.
Im übrigen konnte ich beim letzten Treffen der Bundesregierung mit den Ministerpräsidenten unserer
Bundesländer feststellen, daß ich in dieser Frage
Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl
auch die einstimmige Unterstützung der 16 Bundesländer habe.
Meine Damen und Herren, ein anderes wichtiges Thema war der Reformbedarf bei der EU-Strukturpolitik. Die Bundesregierung begrüßt grundsätzlich die Ziele der Reform. Das gilt insbesondere für eine stärkere Konzentration der Mittel. Ich glaube aber auch, daß die jetzigen Vorschläge noch viele Diskussionen erfordern, um zu einem gerechten Interessenausgleich zu kommen. Übrigens ist die Forderung nach Veränderung besonders deutlich von den deutschen Bundesländern erhoben worden. Denn es kann nicht richtig sein - dies ist dem einen oder anderen Kollegen im Europäischen Rat leider schwer verständlich zu machen -, ein so bewährtes Instrument wie unsere regionale Strukturförderung durch Vorgaben der europäischen Ebene zu unterlaufen. Dies widerspräche eklatant dem Subsidiaritätsprinzip.
In der Europäischen Union leben zur Zeit rund 370 Millionen Menschen. Ich brauche hier nicht die völlig unterschiedlichen Traditionen, die Geschichte und die Strukturen der einzelnen Länder vorzutragen. Ich halte es für völlig ausgeschlossen - dies ist gegen den Sinn der föderalen Ordnung in Europa -, daß es möglich ist, zentral von Brüssel aus zu erkennen, welche Strukturpolitik für Mecklenburg-Vorpommern, für Lappland, für Sizilien und die Kanarischen Inseln richtig ist. Wenn wir diesen Weg gehen würden, würden wir eine Überbürokratisierung und einen europäischen Zentralismus schaffen, der für die Idee der europäischen Einigung tödlich wäre. Deswegen müssen wir hier etwas tun.
Ein ganz wichtiger Punkt der nächsten Monate im Zusammenhang mit der Agenda 2000 ist die Frage der Durchsetzung des Subsidiaritätsprinzips. Auch dies war in Cardiff ein zentrales Thema. Wir haben eingehend darüber gesprochen, als wir uns mit dem Stand und den künftigen Perspektiven der Europäischen Union befaßten. Nach den Beschlüssen zur Erweiterung der Europäischen Union, nach den Beschlüssen zur Einführung des Euro und vor allem auch vor dem Hintergrund der anstehenden Fragen ist dieses ein Thema von entscheidender Bedeutung.
Ich bin dem Vorsitzenden des Europäischen Rates, Premierminister Tony Blair, und auch den anderen Kollegen dankbar, daß sie die Anregungen von Präsident Jacques Chirac und mir aufgegriffen haben.
- Ihre Anregungen können sie ja nicht aufgreifen; denn Sie haben noch nie welche gemacht. Ihre Tätigkeit in diesem Haus hat tiefe Spuren hinterlassen.
Die Diskussion hat gezeigt, daß in dieser Frage eine große Übereinstimmung besteht.
Der europäische Einigungsprozeß wird mit Sicherheit nur dann erfolgreich sein, wenn dieses Europa von den Menschen akzeptiert wird. Die Menschen müssen spüren, daß das Haus Europa für sie gebaut wird und daß es ein Haus der gemeinsamen Zukunft
sein wird.
Wir müssen uns also folgenden Fragen stellen: Erstens. Wie kann eine erweiterte Europäische Union ihre Handlungsfähigkeit nach innen und außen verbessern? Zweitens. Wie kann sie zugleich ihre demokratische Verankerung weiter stärken und ihre Bürgernähe verbessern? Jetzt, nach den Beschlüssen über den Euro und vielen anderen Entscheidungen, ist sicherlich der richtige Zeitpunkt gekommen, die notwendigen Gespräche zu führen und, falls erforderlich, auch Veränderungen vorzunehmen.
Das Ziel ist, auf einen einfachen Nenner gebracht, die Kompetenzen der Europäischen Union klarer und unter konsequenter Beachtung des Subsidiaritätsprinzips gegenüber den kommunalen, regionalen - wir würden hier von Landesinteressen reden - und nationalen Zuständigkeiten abzugrenzen. Es geht hier also überhaupt nicht um die Änderung von Verträgen: weder um eine nachträgliche Änderung des Vertrages von Maastricht noch um eine Änderung des Vertrages von Amsterdam. Vielmehr geht es darum, daß das Protokoll des letzten Vertrages realisiert wird.
In diesem Zusammenhang muß ich Ihnen doch noch einmal sagen, daß dies nicht eine beliebige Frage ist. Der dänische Kollege hat in sehr eindrucksvoller Weise über den Diskussionsstand bei der Volksabstimmung in Dänemark berichtet und dargelegt, welche Fragen dort aufgeworfen wurden. Ich konnte feststellen, daß - ungeachtet der unterschiedlichen Sprachen - die Fragen in Dänemark genau die gleichen sind wie bei uns. Vor allem geht es ganz einfach darum, daß die Menschen Fragen nach ihrer Identität stellen: Bin ich ein Deutscher in Europa? Bleibt meine Identität bestehen?
Die großartige Formulierung von Thomas Mann „Ich bin ein deutscher Europäer und ein europäischer Deutscher" ist sicherlich die Richtschnur für den Weg, auf den wir uns begeben - zumal dann, wenn wir begreifen, daß das Gefühl für Heimat, die Zugehörigkeit zu einer überschaubaren Region heute zunehmend an Bedeutung gewinnt.
Dieses Europa darf nicht fern von den Menschen sein, sondern die Menschen müssen sehen, daß in Brüssel oder Straßburg nur das entschieden wird, was man dort am besten entscheiden kann; daß im nationalen Bereich in Bonn - und später in Berlin - das entschieden wird, was dort für Deutschland am besten und bürgernah entschieden werden kann; und daß in den Landeshauptstädten, ob in München
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oder in Düsseldorf, das entschieden wird, was in Sachen Landespolitik am besten entschieden werden kann. Ich füge ausdrücklich hinzu: Ich wünsche mir, daß in diesen Dreiklang noch stärker als bisher die Gemeindeebene einbezogen wird, weil dort die Bürgernähe am besten gewährleistet werden kann.
Meine Damen und Herren, bei dieser Diskussion geht es überhaupt nicht darum, daß wir Stimmung gegen Brüssel machen oder gar die Richtung unserer bewährten Europapolitik ändern wollten. Aber es ist doch wahr, daß es Fehlentwicklungen, Überregulierungen und damit unnötige Bürokratie gegeben hat. Ich will von diesem Pult aus klar sagen: Es waren alle daran beteiligt -
ich bin gegen eine einseitige Schuldzuweisung - : die Europäische Kommission genauso wie die Parlamente - das Europäische Parlament und die nationalen Parlamente -,
die Regierungen der Mitgliedstaaten und nicht zuletzt die große Zahl von wirtschaftlichen Interessenverbänden und Lobbys.
Wir sind also gemeinsam gefordert, und wir waren uns in Cardiff einig, daß die Staats- und Regierungschefs in dieser Frage eine sehr persönliche Verantwortung haben. Unser österreichischer Kollege hat in diesem Sinne angekündigt, daß er noch vor dem EURat in Österreich, also Mitte der zweiten Jahreshälfte, zu einem informellen Treffen über dieses Thema einladen wird.
Meine Damen und Herren, alles deutet darauf hin, daß die deutsche Präsidentschaft in diesem Zusammenhang eine ganz große Bedeutung gewinnt. Kurz vor den Wahlen zum Europäischen Parlament wird eine wichtige Kursbestimmung vorgenommen. Deswegen muß jeder in Deutschland wissen, daß auch bei der Wahl zum Deutschen Bundestag mit über die Kursbestimmung entschieden wird, die dann in Europa stattfindet.
Ich füge hinzu, daß diese Diskussion natürlich nur dann vorankommt, wenn wir gemeinsam das Ziel erreichen, den Vertrag von Amsterdam in diesem Jahr zu ratifizieren. In Cardiff ist sehr gewürdigt worden, daß die Bundesrepublik der erste Mitgliedstaat war, der die Ratifikationsurkunde am 7. Mai 1998 hinterlegt hat. Ich will mich übrigens bei dieser Gelegenheit noch einmal bei allen bedanken, die daran mitgewirkt haben. Es war für unsere Position in Europa sehr wichtig, daß wir die ersten waren. Andere Mitgliedstaaten tun sich sehr viel schwerer, die Ratifikation noch in diesem Jahr vorzunehmen.
Meine Damen und Herren, es gilt also, alles zu tun, um das Prinzip der Subsidiarität, wie es im Maastrichter Vertrag und im Protokoll zum Amsterdamer Vertrag festgelegt ist, mit Leben zu erfüllen. Da es viele falsche Vorstellungen von Subsidiarität gibt und viele über Dinge reden, die sie noch nicht einmal zur Kenntnis genommen haben, will ich Art. 5 des Amsterdamer Vertrags zitieren. Dort heißt es:
In den Bereichen, die nicht in ihre ausschließliche Zuständigkeit fallen, wird die Gemeinschaft nach dem Subsidiaritätsprinzip nur tätig, sofern und soweit die Ziele der in Betracht gezogenen Maßnahmen auf Ebene der Mitgliedstaaten nicht ausreichend erreicht werden können und daher wegen ihres Umfangs oder ihrer Wirkungen besser auf Gemeinschaftsebene erreicht werden können.
Ich finde, das ist eine Definition, die jetzt mit Leben erfüllt werden muß,
und zwar ohne jede Position der Gegnerschaft zu irgendeiner europäischen Institution.
Es gab und gibt Fehlentwicklungen, was auch niemand in Brüssel und Cardiff bestritten hat. Ich will nur ein Beispiel nennen: Brauchen wir wirklich eine Richtlinie über die Erhebung statistischer Daten im Bereich des Fremdenverkehrs, die die Einführung eines umfassenden Informationssystems in der EU vorsieht? In dieser Richtlinie werden die Hoteliers verpflichtet, vierteljährlich Daten über die Anzahl der Betriebe, Zimmer und Betten, die Anzahl der Ankünfte und Übernachtungen Gebietsansässiger und Gebietsfremder mit geographischer Untergliederung sowie über die Kapazitätsauslastung zu liefern.
Meine Damen und Herren, ich habe dieses Beispiel gewählt, weil es ein besonders absurdes Beispiel ist. Es hilft keinem Menschen in Europa. Es nutzt gar nichts.
Der Fremdenverkehr wird hierdurch behindert. Die Qualität der Gastronomie wird nicht erhöht, die Preise werden nicht gesenkt. Ich kann mir keinen Nutzen für irgend jemanden vorstellen.
Bei all diesen Fragen - auch das muß klar ausgesprochen werden - geht es uns überhaupt nicht um Renationalisierung. Wir müssen notwendige Ref or-men vornehmen, weil sich die Verhältnisse verändert haben. Es muß doch möglich sein, daß wir auf der europäischen Ebene prüfen und ohne jegliche Emotion sagen, was gut gelungen und was nicht gut gelungen ist. Es geht also um eine klare Abgrenzung der Aufgaben und zugleich um die Prüfung, ob die heutige Regelungsdichte wirklich den Erfordernissen der Zukunft entspricht.
Meine Damen und Herren, es gibt auch Bereiche, in denen wir ein Mehr an Integration brauchen. Die gemeinsame Währung wird mit Sicherheit die Notwendigkeit zu weiteren Gemeinschaftsregelungen verstärken. Das gilt in besonderem Maße - jeder
Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl
spürt es doch in diesen Wochen - auch für den Bereich der Außen- und Sicherheitspolitik. Das enttäuschende Verhalten der EU im Jugoslawien-Konflikt hat doch deutlich gemacht, daß wir hier ein stärkeres, wirkungsvolleres gemeinsames Vorgehen brauchen. Bis geschichtliche Erfahrungen in tägliche Entscheidungen einfließen, braucht es seine Zeit. Aber gerade in diesen Tagen der Auseinandersetzungen im Kosovo zeigt sich doch, daß Europa mit sehr viel größerer Kraft handlungsfähig sein muß. In diesem Sinne brauchen wir mehr Integration und Gemeinsamkeit in der EU.
Ich sage dies auch - obwohl es manche nicht gem hören - für den Bereich der Innen- und Justizpolitik. Sie können aus dem in Cardiff vorgelegten Bericht ersehen: Die Bekämpfung der internationalen Kriminalität ist mit den bisherigen Mitteln allein nicht mehr zu bewerkstelligen.
Man brauchte kein Prophet zu sein, um zu erkennen, daß die Fragen des Asyls, der Immigration, der Zunahme der Gefährdung durch Drogen und internationale Kriminalität Schicksalsfragen in Europa sein werden. Hier hat Europa künftig eine besondere Aufgabe. Die Bürger werden dieses Europa auch unter dem Gesichtspunkt betrachten, ob es auf diesen Feldern handlungsfähig ist. Deswegen müssen wir hierfür ohne Zweifel mehr tun als bisher.
Ein handlungsfähiges und bürgernahes Europa muß ein Europa sein, in dem die Vielfalt der politischen, kulturellen und regionalen Traditionen gewahrt wird. Diese Vielfalt ist eine Quelle der Kraft und Dynamik für das neue Europa.
Deswegen müssen auch die Reformen der Institutionen energisch vorangetrieben werden. Wir haben in Amsterdam vereinbart, daß über die Größe und Struktur der Europäischen Kommission, die Gewichtung der Stimmen der Mitgliedstaaten und den verstärkten Gebrauch von Mehrheitsentscheidungen weiter diskutiert und entschieden werden muß. An diesen kurzen Bemerkungen läßt sich unschwer erkennen, welch eine Wucht der Auseinandersetzungen, auch der nationalen Interessen, sich hinter diesen Fragen verbirgt. Auch diese Entscheidungen stehen während der deutschen Präsidentschaft an. Deswegen ist es wichtig, daß all diese Fragen rechtzeitig vor dem Wahltermin des Europäischen Parlaments im Juni des nächsten Jahres positiv abgeschlossen und erledigt werden.
Meine Damen und Herren, wir alle sind dazu aufgerufen, als Parlamentarier in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union unseren Beitrag dazu zu leisten, daß die Wählerinnen und Wähler Europas mit einer soliden, zukunftsweisenden Erfolgsbilanz für Europa gewonnen werden. Diese Wahl ist von großer Bedeutung für die Gestaltung Europas im neuen Jahrhundert.
Unsere Zukunft, die Zukunft des vereinten Deutschland, liegt mehr als die aller anderen Länder im vereinten Europa. Nur gemeinsam mit unseren
Partnern und Freunden werden wir Frieden, Freiheit, Wohlstand und soziale Sicherheit auf Dauer sichern können. Das kann nur gelingen, wenn wir das Haus Europa weiterbauen.
Dies gilt um so mehr im Blick auf die künftige Erweiterung der Europäischen Union. Wir waren uns einig, daß in den wenigen Monaten seit den Luxemburger Beschlüssen vom Dezember 1997 zur Einleitung des Erweiterungsprozesses auf diesem Weg schon viel geleistet worden ist. Ich will der Kommission, aber auch den Beitrittskandidaten von dieser Stelle aus ausdrücklich dafür danken, daß diese sehr schwierigen Verhandlungen mit sehr viel Geschick und auch zügig vorangebracht werden.
Dabei steht außer Frage - wir sind mit diesem Thema mitten in der deutschen Innenpolitik -, daß wir in einzelnen Fragen nicht ohne langfristige Übergangsregelungen auskommen werden.
Ich denke hierbei beispielsweise an die zu Recht vieldiskutierte Frage der Freizügigkeit für Arbeitnehmer.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, die Erweiterung der Europäischen Union nach Mittel-und Osteuropa ist eine entscheidende Frage für das künftige Gesicht Europas. Wir Deutschen müssen noch mehr als andere leidenschaftlich dafür eintreten und kämpfen, daß der frühere Eiserne Vorhang nicht durch eine neue sogenannte Wohlstandsmauer ersetzt wird. Polen und Ungarn gehören genauso zu Europa wie Spanien und Dänemark. Deswegen werden wir das Notwendige auf diesem Gebiet tun.
Die Konflikte der letzten Jahre auf dem Balkan haben uns vor Augen geführt, welche Bedeutung der europäische Integrationsprozeß für den Frieden auf unserem Kontinent hat. Wir haben uns in Cardiff notwendigerweise auch mit der Frage der Entwicklung im früheren Jugoslawien beschäftigt. Auf der Grundlage der Beratungen der Außenminister haben wir eine Erklärung der Staats- und Regierungschefs zur Lage im Kosovo verabschiedet. In ihr sind konkrete Forderungen formuliert. Ich will einige davon nennen:
Beendigung der Operationen der Sicherheitskräfte gegen die Zivilbevölkerung und Abzug der hierfür eingesetzten Einheiten; Ermöglichung wirksamer und ständiger internationaler Überwachung im Kosovo; Ermöglichung der Rückkehr aller Flüchtlinge und Vertriebenen in ihre Heimat und des ungehinderten Zugangs für humanitäre Organisationen sowie ein möglichst rascher Fortschritt im Dialog mit der Führung der Kosovo-Albaner.
Meine Damen und Herren, für den Fall, daß diesen Forderungen nicht entsprochen wird, wurde ein umfangreicher Katalog von Maßnahmen in Aussicht genommen, von Maßnahmen, die auch ein militärisches Eingreifen einschließen. Wir begrüßen und unterstützen die Initiative Großbritanniens, hierzu ein Mandat des UN-Sicherheitsrats zu erreichen.
Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl
Meine Damen und Herren, bei den Gesprächen von Präsident Milosevic am 15. und 16. Juni in Moskau, die wir von unserer Seite sehr stark mit unterstützt haben - nicht zuletzt anläßlich des Besuches von Boris Jelzin letzte Woche bei uns in Bonn -, hat der jugoslawische Präsident in einer gemeinsamen Erklärung mit der russischen Regierung Verpflichtungen im Hinblick auf eine friedliche Lösung übernommen. Er selbst sagte, es seien klare Verpflichtungen.
Ich will zunächst einmal Präsident Jelzin für seine Initiative danken, aber ich will hier doch klar aussprechen, daß wir mit großem Interesse und nicht ohne Skepsis - auch das muß gesagt werden - abwarten, ob nun Präsident Milosevic seine Zusagen auch wirklich einhält.
Wenn das Ganze nur zur Verschleppung dient, ist das eine völlig inakzeptable Position - wenn es so sein sollte.
Wir werden alles aufmerksam beobachten, und wir müssen ihn an seinen Taten messen. Die täglichen Berichte von neuen Morden sind völlig unerträglich.
Ein vorrangiges Ziel der Staatengemeinschaft muß einfach sein, daß das Blutvergießen und die völlig unerträgliche Brutalität bei den Vorgängen im Kosovo beendet werden und daß die elementaren Menschen- und Minderheitenrechte endlich auch dort gewahrt werden.
Meine Damen und Herren, ungeachtet der Leiden der ganz unmittelbar betroffenen Bevölkerung ist auch die Feststellung angebracht - auch das habe ich in Cardiff gesagt -, daß unser Land, daß die Bundesrepublik Deutschland bei zunehmenden Flüchtlingsströmen mehr als alle anderen in Europa betroffen ist. Sicherlich ermöglicht dies einigen unserer Kollegen, die dort mit am Tisch sitzen, ein etwas distanzierteres Verhältnis zu dem Problem, weil sie dieses Problem nicht im eigenen Hause haben. Ich habe dort noch einmal darauf hingewiesen, daß wir aus unserer selbstverständlichen moralischen Pflicht und aus unserem Verständnis von Solidarität bereit waren, viele Flüchtlinge aus Bosnien-Herzegowina aufzunehmen. Wir haben das aus gutem Grund getan. Denn wir wissen noch um die schlimmen Verhältnisse nach dem Zusammenbruch des Naziregimes und am Ende des Zweiten Weltkrieges, als wir Hilfe von anderen erhalten haben. Es hat etwas mit der moralischen Statur unseres Volkes zu tun, daß wir ungeachtet eigener Probleme bereit sind, anderen zu helfen.
Ich weiß - ich sage ganz offen, wie ich es empfinde -: Manche sind nicht erfreut, wenn man in diesem Zusammenhang darauf hinweist, daß der deutsche Steuerzahler in Bund, Ländern und Gemeinden für diese spezielle Hilfe fast 15 Milliarden DM aufgebracht hat. Natürlich geht es hier nicht primär um diese finanzielle Seite, sondern um die moralische Pflicht, aber, meine Damen und Herren, ich habe auch gesagt: Wenn sich jetzt die Entwicklung im Kosovo so zuspitzt und an Stelle der über 200 000 Bosnien-Flüchtlinge, die Gott sei Dank wieder in ihre Heimat zurrückkehren konnten - wir hoffen, daß andere auch bald unter friedlichen Verhältnissen heimgehen können -, eine neue große Flüchtlingswelle bei uns ankommt, dann ist das eine Frage, die auch andere interessieren muß. Wir können in Europa nicht die Arbeitsteilung haben: Für diese besonderen Herausforderungen sind vor allem die Deutschen und dann noch die Österrreicher zuständig, und ansonsten schauen wir mit Gelassenheit in die Zukunft. Wir Deutschen stehen zu unserer moralischen Verpflichtung, aber ich muß schon darauf bestehen, daß man auch begreift, daß wir nicht allein eine europäische Last schultern können, sondern daß das eine gemeinsame Herausforderung für alle ist.
Im übrigen war es die völlig einmütige Meinung, daß die politische Lösung der Krise im Kosovo nur auf der Basis einer Autonomie für den Kosovo möglich ist.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, nicht zuletzt der erneute Ausbruch von Gewalt und die kriegerische Entwicklung auf dem Balkan haben uns noch einmal ins Bewußtsein gerufen, was die eigentliche Zielsetzung, was die großartige Dimension des europäischen Einigungswerks ausmacht: Die Einigung Europas ist die beste, ja die einzig wirklich dauerhafte Garantie für Frieden und Freiheit in Europa im 21. Jahrhundert, nicht zuletzt und vor allem für die Deutschen.
Die Sicherung von Frieden, Freiheit und Stabilität durch ein ganz enges Miteinander der europäischen Völker - das ist in Wahrheit der Kern des europäischen Gedankens.
Die Geschichte Europas hat sich in diesem Jahrhundert vom Schlimmen zum Guten gewendet. Wenn man sich in diesen Tagen an den 50. Geburtstag der D-Mark erinnert - das wird ja am kommenden Samstag der Fall sein - und sich noch einmal in Erinnerung ruft, wie das Land damals aussah, wie die Menschen lebten, wie die Verhältnisse waren, dann kann man mit Fug und Recht sagen: Es hat sich in diesen 50 Jahren auch für uns Deutsche - schon gar in dem letzten Jahrzehnt mit der deutschen Einheit - vom Schlimmen zum Guten gewendet, erst im Westen und dann auch im Osten.
Dies wäre nicht möglich gewesen ohne den Aufbruch gleich nach dem Krieg zum Bau des Hauses Europa.
Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl
Deshalb ist es wichtig, daß wir, ungeachtet aller Auseinandersetzungen im Bereich der Innenpolitik - die manchmal sein müssen und manchmal auch nicht -, gemeinsam mit ganzer Kraft für die Einigung Europas arbeiten. Wir wollen und wir werden das Haus Europa bauen als die Friedens- und Freiheitsordnung des 21. Jahrhunderts, als die gemeinsame Heimat kommender Generationen in Europa.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat jetzt der Fraktionsvorsitzende der SPD, der Abgeordnete Rudolf Scharping.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Daß Europa ein kluges Beispiel - wohl das einzige wirklich umfassende Beispiel - für zukunftsweisendes Lernen ist, das ist zwischen uns unumstritten. Es sollte auch unumstritten sein, daß wir diesem Beispiel klugen Lernens am besten dadurch weiterhelfen, daß wir die Tagesordnung der Bürgerinnen und Bürger in Europa zur politischen Tagesordnung machen.
Erst in dem Maße, in dem es uns gemeinsam in der Europäischen Union, in ihren Mitgliedstaaten, in den Regionen Europas gelingt, die wirklich drängenden Erwartungen, die Sorgen, die Hoffnungen der Menschen zum Hauptgegenstand der Politik zu machen, erlangt Europa neue, von ihm auch benötigte Glaubwürdigkeit.
Deshalb ist es ja ein großer Fortschritt - übrigens ein gegen die deutsche Bundesregierung errungener Fortschritt -, daß mit dem Vertrag von Amsterdam zum erstenmal eine gemeinsame Verantwortung der Europäischen Union für die Entwicklung von Beschäftigung, Wirtschaft, Wachstum, Ausbildungsplätzen und anderem festgeschrieben worden ist.
Deshalb ist es ja ein großer Fortschritt, daß das Vereinigte Königreich nach dem Wahlsieg von Tony Blair dem Sozialprotokoll der Europäischen Union beigetreten ist.
Deshalb ist es ja ein großer Fortschritt, daß in vielen Mitgliedsländern Europas das Verständnis dafür wächst, daß man nach der Entscheidung über die gemeinsame Währung jetzt den Weg zu einer besseren Zusammenarbeit und Koordination der Wirtschafts-, Finanz- und Steuerpolitik ebnen muß.
Es ist ganz deutlich, daß diese Entwicklung hin zu mehr Zusammenarbeit, hin zu mehr gemeinsamer Verantwortung, die signalisiert, daß wir als Europäer unsere gemeinsamen Interessen auch nur gemeinsam vertreten können, dem platten Neoliberalismus widerspricht, den die Bundesregierung mit ihrem
Standortgeschwafel in den letzten drei Jahren gepflegt hat.
Daß man, Herr Bundeskanzler, in einer bedrohlichen Situation auch als ausgewiesener Europäer dazu neigt, die innenpolitischen, sprich: die Wahlkampferfordernisse stärker in den Vordergrund zu rücken, ist zwar verständlich; aber das darf nie dazu führen, daß man diesen Bedürfnissen die europäischen Belange unterordnet. Genau das haben Sie aber getan.
Die wichtigsten Themen, die auf der Tagesordnung der europäischen Politik an allererster Stelle stehen müssen, sind die Beschäftigungspolitik, die Schaffung neuer Arbeitsplätze und die Garantie für die Ausbildung aller Jugendlichen.
Das, Herr Bundeskanzler, haben Sie mit Hinweisen auf Entwicklungen der letzten zwei, drei Monate anzusprechen versucht.
Ich will Ihnen sagen, daß sich jeder hier im Hause natürlich freut, wenn die Zahl der Arbeitslosen sinkt,
daß wir uns natürlich freuen, wenn sich die wirtschaftliche Lage unseres Landes - wenn auch in kleinen Schritten - verbessert.
Bei aller gemeinsamen Freude über solche Schritte in die richtige Richtung sollten wir aber vielleicht noch etwas mehr entwickeln, nämlich die gemeinsame Verantwortung dafür, daß die 4,2 Millionen Menschen, die noch immer ohne Arbeit sind, eine glaubwürdige politische Antwort erhalten. Darum geht es doch!
Trotz der Freude über den einen oder anderen Fortschritt muß ich Ihnen sagen, daß diese weiterreichende Verantwortung von der Bundesregierung nicht in dem Maße wahrgenommen worden ist, wie es erforderlich gewesen wäre. Mit Ihrem sogenannten nationalen Aktionsplan zur Beschäftigungspolitik haben Sie ein Beispiel für mangelnde Kompetenz, für mangelnde Entschlossenheit, vor allen Dingen für mangelndes Zielbewußtsein geliefert.
Das ist eine der dünnsten Suppen, die die Mitgliedstaaten abgeliefert haben.
Ich muß Ihnen sagen: Das hat auch seinen guten Grund. Sie haben einen Vergleich der Arbeitslosenzahlen in den europäischen Ländern innerhalb der letzten zwei, drei Monate angestellt; ich greife das ganz bewußt auf. Den Vergleich kann man ziehen; er ist legitim. Vollständig ist er allerdings nur, wenn
Rudolf Scharping
man die Zahlen der gesamten Wahlperiode miteinander vergleicht.
Sie sind einmal mit einer Regierungserklärung gestartet, in der Sie die Erwartung zum Ausdruck gebracht haben, Sie könnten und wollten die Arbeitslosigkeit halbieren. Tatsächlich aber ist die Arbeitslosenrate in der vergangenen Wahlperiode dramatisch gestiegen. Daran müssen Sie sich messen lassen.
Anderen Ländern gelingt es viel besser als uns in Deutschland - ich sage das mit Bedauern -, die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen und vor allen Dingen der Jugend eine bessere Chance zu geben. Wer sich anschaut, was in Europa vorgelegt worden ist, der weiß: Die Bundesregierung ist nicht so in der Lage, wie es erforderlich ist, das wichtigste Thema in Europa und in Deutschland - Schaffung neuer Arbeitsplätze, Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, die Ausbildung der Jugendlichen garantieren - an die erste Stelle der politischen Tagesordnung zu rücken.
Deshalb ist es interessant zu hören, worüber in Cardiff angeblich intensiv gesprochen worden ist. Ein gewisses Maß an Information traue ich mir zu, aber daß dort intensiv über das Hochschulrahmengesetz in Deutschland oder anderes gesprochen worden wäre,
kann ich wirklich nicht feststellen.
Die Tatsache, daß andere Länder in manchen Punkten besser sind, kann man - wie Sie es getan haben - mit einer Orientierung am Durchschnitt relativieren. Ich aber erhebe einen anderen Anspruch: Wir dürfen uns nicht am Durchschnitt orientieren. Wir müssen uns an den jeweils besten Lösungen in Europa orientieren und versuchen, sie für unser Land fruchtbar zu machen.
Ja, Europa ist ein kluges, ein zukunftsweisendes Beispiel politischen Lernens aus großen Katastrophen. Niemals zuvor in der Geschichte der Menschen haben viele Staaten so wie die europäischen Staaten aus einer wirklich großen Katastrophe Konsequenzen gezogen, von denen auch wir in Deutschland einen großen Nutzen haben. Niemals zuvor wurde die Hand zur Aussöhnung so schnell und so konsequent gereicht und wurden darauf schrittweise immer weitere Freundschaft, Integration und Zusammenarbeit aufgebaut.
Aber dieses Modell ist einem Risiko ausgesetzt. Dieses Risiko ergibt sich aus der Gestalt, die Europa jetzt hat, und aus der Art und Weise, wie die Akteure hier und da mit ihm umgehen. Es ist zu bürokratisch. Es ist zu wenig demokratisch. Es ist zu wenig konzentriert auf die wirklichen Hauptfragen der gemeinsamen europäischen Zukunft.
Wer das ändern will, kommt - bei allem Respekt vor einer breiten historischen Reminiszenz - mit der allein nicht aus.
Das historische Bewußtsein dessen, was uns in den letzten fünf Jahrzehnten gelungen ist, ist die eine Seite, die man nie vergessen darf. Aber die andere Seite ist, daraus die richtigen Konsequenzen zu ziehen. Wenn dann ein deutscher Bundeskanzler in Europa einklagt - was berechtigt ist -, daß man die Position Deutschlands im Zusammenhang mit der Finanzierung der Union in Richtung eines gerechteren Lastenausgleichs verändern müsse, müßte derselbe Bundeskanzler eigentlich das bescheidene Maß an Souveränität haben und sagen: Wir haben in den letzten Jahren einen Fehler gemacht
und hoffen auf das Verständnis der Partner, damit dieser Fehler jetzt korrigiert wird.
Herr Bundeskanzler, dieser Fehler ist derselbe Fehler wie bei der deutschen Einheit und ihrer inneren Gestalt.
Sie haben 1990/91 einen Überschwang, ich will nicht sagen: erzeugt, Sie sind ihm vermutlich sogar erlegen. Sie haben den Menschen Illusionen vorgegaukelt: Es geht ohne Steuererhöhungen, niemand wird belastet, jedem wird es auf keinen Fall schlechter, vielen bald besser gehen, blühende Landschaften und anderes.
Daß Sie das den Menschen in Deutschland gesagt haben - was falsch war, politisch und tatsächlich falsch war, von der Verantwortung im Umgang mit der Einheit falsch war -, hat leider Gottes auch noch eine europäische Konsequenz gehabt: Sie haben doch 1992 im Finanzprotokoll von Edinburgh Regelungen zugestimmt, als hätte es die deutsche Einheit gar nicht gegeben.
Sie haben Regelungen zugestimmt, die jetzt dazu führen, daß wir in Europa eine überproportionale Last tragen. Sie haben - das will ich ausdrücklich nicht kritisieren, es muß aber korrigiert werden - in einer Zeit, in der es keinen anderen Weg gab, dem britischen Beitragsrabatt zugestimmt.
Jetzt sind Sie wiederum auf dem Weg, die falsche Konsequenz zu ziehen. Es wird nichts helfen, wenn die Vorschläge des Bundesfinanzministers in die Debatte eingeführt werden. Man muß auf der Ausgabenseite der Europäischen Union zu Reformen kommen. Genau an dieser Stelle stoßen sich Ihre Interes-
Rudolf Scharping
sen als europäischer Staatsmann mit Ihren Interessen als CDU-Parteivorsitzender und Wahlkämpfer.
Wenn Sie also sagen, was ja richtig ist - ich betone es noch einmal -, daß auf der Seite der Finanzierung fairere Regelungen gefunden werden müssen, dann wäre es doch auch im Zusammenhang mit Ihrer Position und übrigens Ihrer Glaubwürdigkeit unter den europäischen Partnern wichtig, die Konsequenzen aufzuklären und darüber zu reden. Das haben Sie nicht getan. Statt dessen haben Sie versucht, eine mögliche Gruppe von Betroffenen, nämlich die deutschen Landwirte, mit einer hübschen Formulierung über die Höfe und die Kulturlandschaft abzuspeisen. Das ist erstens alles richtig, aber zweitens nicht der Kern der Sache. Wir brauchen eine Reform der Agrarpolitik.
Wir brauchen eine Reform der Strukturpolitik. Wir müssen auf der Ausgabenseite der Union etwas ändern, sonst sind wir nicht mehr in der Lage, auf die Hauptfragen der europäischen Entwicklung konzentriert zu bleiben.
Das haben Sie mit einem Brief zuzudecken versucht, den Sie gemeinsam mit dem Präsidenten der Französischen Republik geschrieben haben. Das ist ein interessanter Brief, auch deshalb, weil er versucht, etwas aufzunehmen und für die beiden Unterschriftsleistenden zu reklamieren, was in der Europäischen Union von vielen anderen schon seit längerer Zeit diskutiert wird. Ich hätte mir gewünscht, daß Sie im Zusammenhang mit einem bürgernahen Europa nicht nur ein allgemeines Ziel in gewohnt wolkiger Art beschreiben, sondern einmal sagen: Wie soll das denn jetzt konkret aussehen? Wie soll es beispielsweise - und da haben Sie doch bisher überhaupt nichts getan - aussehen mit einer Verständigung auf gemeinsame, für die Bürgerinnen und Bürger in Europa geltende Grundrechte? Warum haben wir keine Debatte über die Grundrechtscharta, die die Sozialdemokratie hier in diesem Haus und übrigens auch in Europa schon mehrfach anzustoßen versucht hat? Warum nicht?
Wenn wir die Bürgerinnen und Bürger gewinnen wollen: Faszination für ein politisches Projekt, Engagement und Glaubwürdigkeit entstehen nicht aus Märkten, sondern nur, wenn man sehen kann, daß sie so gestaltet und vorangebracht werden, daß alle in Europa eine Chance und einen fairen Anteil an der Entwicklung haben. Davon kann überhaupt keine Rede sein. Warum reden Sie nicht über europäische Verfassungsrechte? - Weil Sie nicht bereit sind, das zu tun, was andere europäische Staaten tun. Es ist doch ein eigentümlicher Widerspruch, daß Sie ein bürgernahes Europa einklagen, in Deutschland aber nicht bereit sind, den Bürgerinnen und
Bürgern die Entscheidung direkt und aus eigener Verantwortung über europäische Fragen zu ermöglichen.
Da lehnt sich dann, wie Sie ja selbst sehr gut wissen, mancher zurück und sagt: Moment, der deutsche Bundeskanzler plädiert für Subsidiarität, stärkere Rechte der Bürger, ein bürgernahes Europa - alles richtig -, aber warum führt er nicht so wie wir in Dänemark, in Frankreich oder anderenorts ein Referendum durch, wenn es um entscheidende europäische Fragen geht?
Warum verweigert er das? Der Widerspruch fällt manchen auf - uns übrigens ja auch.
Wenn wir sagen, wir wollen da etwas ändern, und Europa muß bürgernah sein - ja, Gott im Himmel, es ist ja für den Außenminister der Bundesrepublik Deutschland auch nicht unbedingt erfreulich, wenn man auf einem deutsch-französischen Gipfel sagt, man werde das Außenministerium beteiligen, und dann der französische Kollege einen Brief zitiert, von dem der deutsche Kollege nicht einmal genau weiß, daß er abgeschickt worden ist. Das ist ja nun wirklich nicht sonderlich überzeugend.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich verstehe sehr gut, daß man sich in den europäischen Fragen persönlich stark engagiert fühlt, und ich finde das auch glaubwürdig. Allerdings, wenn Sie dann beginnen, das persönliche Engagement gewissermaßen mit einer persönlichen Monopolstellung zu verwechseln, wird die Sache etwas problematischer. Denn jeder Regierungschef überfordert sich, wenn er in allen Fragen der europäischen Entwicklung, übrigens auch der Entwicklung in Deutschland, gleichermaßen gut informiert und entscheidungsfähig sein will. Wozu hat er denn dann Minister?
Daß angesichts der Qualität Ihrer Riege der Verdacht entsteht, Sie müßten alles selbst machen, ist eine naheliegende, aber unzureichende Schlußfolgerung.
Ich will nur hinzufügen: Wenn es dann um Dinge geht wie Beschäftigungspolitik, Arbeitslosigkeit, Jugendarbeitslosigkeit, dann müssen wir uns an den Besten orientieren, nicht am Durchschnitt. Wenn es darum geht, Europa bürgernah zu gestalten, dann sollten wir uns in Deutschland vornehmen, zunächst einmal bei uns einzulösen, was Sie von Europa verlangen. Das würde unsere Glaubwürdigkeit deutlich steigern - sowohl im Sinne eines kooperativen Föderalismus wie auch im Sinne einer Stärkung der Regionen oder der Verantwortung, die man dort wahrzunehmen hat, wie auch in einer Stärkung der Bürgerrechte. Alles das verweigern Sie in Deutschland. Deswegen ist Ihre Position nicht sehr überzeugend.
Rudolf Scharping
Es gibt einen dritten großen Komplex: In welchen Bereichen sollten wir uns, wenn wir Schwerpunkte bilden, in Richtung einer gemeinsamen Politik anstrengen? Über die Reform der Agrarpolitik, der Regional- und der Strukturpolitik habe ich schon gesprochen. Es wird sinnvoller sein, das bei der Ausgabenseite zu gestalten und dabei die Ziele höherer Effizienz, höherer Leistungsfähigkeit und übrigens auch höherer Umweltverträglichkeit zu verfolgen. Jeder weiß, daß die Entscheidungen im Zusammenhang mit der Agenda 2000 die Voraussetzungen dafür schaffen - oder die Schaffung solcher Voraussetzungen erschweren können -, die Europäische Union zu vervollständigen. Neben der Reform der Agrar-, der Struktur- und der Regionalpolitik, neben den Reformen auf der Ausgabenseite, neben den notwendigen Schritten zur Eindämmung und zum Zurückdrängen von Bürokratie muß ein Zweites treten, nämlich der Ausbau der Demokratie in der Europäischen Union. Es reicht nicht - ich sage das mit Blick auf manchen Trend bei der einen oder anderen, auch sozialdemokratisch geführten Regierung in Europa -, wenn nur die intergouvernementale Zusammenarbeit, also die zwischen den Regierungen, verbessert wird. Es ist gut, wenn das gelingt. Hinzukommen muß aber eine Stärkung der Rechte des Parlaments; hinzukommen muß eine stärkere Demokratisierung in Europa.
Denn gerade wir in Deutschland - das gilt aber auch für andere europäische Staaten - sollten mit einiger Sorge sehen - und wir sollten dann die richtigen Konsequenzen daraus ziehen -, daß die Wahlbeteiligung bei Wahlen zum Europäischen Parlament viel zu niedrig ist
und daß der Verdacht viel zu groß ist, daß das Europäische Parlament eigentlich nichts oder jedenfalls zuwenig zu sagen hätte.
Deshalb, Herr Bundeskanzler, halte ich es im Hinblick auf die europäische Integration für risikoreich, wenn Sie nur auf die Karte einer besseren Zusammenarbeit zwischen den Regierungen setzen, ohne die Stärkung der Rechte des Parlaments mit ins Visier zu nehmen.
Ich habe gesagt: Beides, die Reform der Institutionen und die Reform wesentlicher Politikbereiche - und zwar nach dem Grundsatz der Subsidiarität -, schafft die Voraussetzungen dafür, daß wir Europa erweitern können. Wir haben wahrscheinlich alle gestern daran gedacht, daß es am 17. Juni 1953 das erste Mal war, daß sich Bürgerinnen und Bürger in Europa, in Deutschland gegen eine kommunistische Diktatur gewandt und versucht haben, sie abzuschütteln. Es gibt andere, die das später ebenfalls versucht haben, in Ungarn und in anderen Ländern Osteuropas. Man muß heute bei einer solchen Debatte noch einmal zum Ausdruck bringen, wie bewundernswert der Mut von Bürgerrechtsbewegungen wie der „Charta 77" oder der „Solidarnosc" war. Das muß dann aber auch eine politische Konsequenz haben, die in die Zukunft weist: Europa ist nur vollständig, wenn die mittelosteuropäischen Staaten dazugehören und der Europäischen Union angehören.
Deshalb ist es auch schändlich, diese historische Perspektive in kurzatmiger Wahlkampfrhetorik zu verunklaren, wie das manchmal unter Beteiligung Ihrer Parteifreunde ja auch geschieht.
Ich habe deswegen, wohl wissend, daß man mit solchen Dingen vorsichtig umgehen soll, registriert, daß Sie einen Satz, der in Ihrem Manuskript stand, nicht vorgetragen haben, nämlich den Satz, daß der Erweiterungsprozeß zügig gestaltet werden soll.
- Wenn wir uns jetzt einig sind, dann ist es ja in Ordnung. Ich will das ja nur klären.
Deswegen sage ich - gerade mit Blick auf manche Bedenken, die ich ja eher aus dem südlichen Teil der Bundesrepublik höre, konkret: aus Bayern -:
Wer beginnt, die notwendige Reform der Europäischen Union und auch die notwendige Erweiterung der Europäischen Union zu einem Gegenstand billiger Wahlkampfrhetorik in bayerischen Bierzelten zu machen, der hat nichts von der historischen Dimension verstanden, die die Europäische Union auch behalten muß.
Übrigens, ich füge hinzu: Wer wie manche Mitglieder dieser Bundesregierung beginnt, ganz besonders schwierige, für zum Beispiel im Kosovo lebende Menschen außerordentlich bedrohliche Entwicklungen mit einem innenpolitischen Aspekt - wie jenem von den Flüchtlingsströmen - zu diskutieren, der macht denselben Fehler.
Wir brauchen eine gemeinsame Innen- und Rechtspolitik in der Europäischen Union, damit wir gemeinsam besser fähig werden, der organisierten Kriminalität, dem organisierten Verbrechen und manchen anderen Fehlentwicklungen mit Blick auf die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger gerechter zu werden, als das heute gelingt.
Das brauchen wir dringend, nicht wegen irgendeiner
äußeren Gefahr, sondern wegen der inneren Sicherheit, der Garantie von Freiheit und Unversehrtheit
Rudolf Scharping
der Bürgerinnen und Bürger, die hier in der Europäischen Union leben.
Ich komme nun zur Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik. Damit sind dann die vier großen Bereiche genannt: die Reform der europäischen Politik nach Schwerpunkten, die stärkere Demokratisierung der Europäischen Union, die Erweiterung und dann die Entwicklung gemeinsamer Politik dort, wo uns das heute noch nicht gelingt und wo es besonders dringend ist, in der Innenpolitik wie in der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik.
Wenn man aus den Erfahrungen die richtigen Konsequenzen zieht - da stimmen wir ganz offenkundig überein -, dann darf sich mit Blick auf den Kosovo und die Region auf dem Balkan nicht wiederholen, was wir in Bosnien erlebt haben, was die Menschen dort erleiden mußten, was vielen Menschen das Leben gekostet hat und wo wir nicht so klar und eindeutig waren, wie wir hätten sein sollen.
Meine Damen und Herren, es ist gut, wenn es über diese Fragen jetzt keinen Streit gibt - ich hoffe, das bleibt so -, in der Zielbestimmung einer Autonomie für diesen Teil auf dem Balkan genauso wie über das Ziel, daß dieser Konflikt nicht auf andere Regionen überschwappen darf. Denn das könnte verheerende Auswirkungen haben, nicht nur in Mazedonien, sondern auch in Bulgarien und sogar darüber hinaus.
Vor diesem Hintergrund ist es notwendig, das Allgemeine, das über den aktuellen Konflikt Hinausweisende noch einmal zu betonen: Europa sollte eine Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik formulieren und die Voraussetzungen dafür schaffen, daß man diese Politik auch durchsetzen und in internationale Organisationen und Zusammenhänge einbringen kann.
Meine Damen und Herren, wenn wir es ernst meinen mit der Europäischen Union und auch mit unseren eigenen Interessen, zum Beispiel mit unserem Interesse daran, daß man in Europa die Arbeitslosigkeit bekämpft und die Ausbildung der Jugend sicherstellt, mit unserem Interesse daran, daß wir - wir als exportorientierte Nation noch mehr als andere - unsere gemeinsamen Belange der zukünftigen wirtschaftlichen Entwicklung erkennen und entsprechend handeln, also die Koordination und Zusammenarbeit verstärken, wenn wir es ernst meinen mit einem Europa der Bürgerinnen und Bürger und den notwendigen Reformen, dann wäre das ein wichtiges gemeinsames Gut.
Ich will deswegen am Rande und zum Schluß nur anmerken, Herr Bundeskanzler, daß Sie sich bei dem Widerspruch, in dem Sie sich befinden, nämlich auf der einen Seite in Deutschland Wahlkämpfer zu sein und auf der anderen Seite Europa voranbringen zu wollen - diesen Widerspruch haben Sie sich selbst zuzuschreiben -, in Cardiff in manchen Teilen leider mehr zugunsten des Wahlkämpfers und weniger zugunsten des europäischen Staatsmannes entschieden haben. Das aber ist eine wenig überzeugende Haltung. Denn der Wahlkämpfer muß dann in Deutschland genau das erklären, wofür er Europa mißbräuchlich zu instrumentalisieren versucht.
Der Bundeskanzler hat hier eine lange, breite Rede gehalten,
eine Rede, die so überzeugend war, daß der Koalition am Ende nur noch der pflichtbewußte Beifall blieb.
Wenn ich jetzt einmal von dem absehe, was mit Europa zu tun hat, wo wir keine besonderen Streitpunkte haben, und das betrachte, was Sie zur Innenpolitik erklärt haben, dann muß ich sagen: Das hatte mehr den Charakter des Abgesangs als der zukunftsweisenden Perspektive.
Es spricht jetzt in der Debatte der Kollege Dr. Gerhard Stoltenberg.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist sicher sinnvoll, daß wir die Regierungserklärung des Bundeskanzlers nach dem Gipfel der Europäischen Union im Zusammenhang mit einer Reihe von Anträgen der Fraktionen zur wirtschaftlichen Lage - vor allem zur Außenwirtschaftspolitik und zur Globalisierung - diskutieren.
Wir, die Unionsfraktionen begrüßen die vom Bundeskanzler geschilderten Fortschritte. Wir begrüßen auch die erneut klar formulierten Prinzipien der europäischen Politik. Wenn Sie, Herr Scharping von einer langen und inhaltsschwachen Rede des Kanzlers sprachen, dann muß ich Ihnen sagen, Ihre Rede war zwar kurz, aber inhaltlich so schwach, daß die Maßstäbe, die Sie fälschlicherweise angelegt haben, auf Sie selbst zurückfallen.
Eine deutsch-französische Initiative hat - was sehr wichtig ist - das Prinzip der Subsidiarität und seine notwendige Konkretisierung erneut in das Zentrum der Beratungen der Union gerückt. Die Zuordnung der Aufgaben an die Gemeinschaft einerseits und an die nationalen Verfassungsorgane und die regionalen Körperschaften andererseits muß immer wieder einmal austariert werden. Wie mir scheint, ist dieses Bewußtsein in letzter Zeit in allen Fraktionen des Deutschen Bundestages größer geworden. In bestimmten, wichtigen Bereichen haben wir - der Bundeskanzler hat es gesagt - mit dem Amsterdamer Vertrag die Europäische Union weiter gestärkt. Zu-
Dr. Gerhard Stoltenberg
gleich geht es aber in der Tat um die Vermeidung einer Tendenz zum bürokratischen Zentralismus. Der Bundeskanzler hat das sehr eindringlich und für mich überzeugend gesagt. Er hatte für diese Tendenz Beispiele genannt, die wir alle nur ablehnen können. Deswegen sollte es eine gemeinsame Anstrengung aller Fraktionen des Hohen Hauses - gemeinsam mit den Kollegen des Europäischen Parlamentes - sein, daß diese Entwicklung geändert wird und daß sich die europäischen Organe wieder auf das Wesentliche, das Gemeinsame, das Notwendige beschränken, denn anders werden wir ein Europa der Bürger überhaupt nicht erreichen.
Die Neubestimmung der Finanzbeiträge der Mitgliedstaaten - und damit ein gerechteres und faireres System - steht nun auf der Tagesordnung.
Das ist bereits ein erster und wichtiger Erfolg, denn damit ist von allen anerkannt, daß eine Neuordnung geboten ist. Ich glaube, an dieser Stelle sollte das Engagement des Bundeskanzlers, des Bundesaußenministers und des Bundesfinanzministers anerkannt werden.
Offen gesagt habe ich, Herr Scharping, nicht verstanden, daß Sie jetzt kritisch eine Initiative zu europäischen Grundrechten und zum europäischen Verfassungsrecht anmahnen. Die Realität ist doch eine ganz andere. Die Organe der Gemeinschaft haben eine Tagesordnung mit einer Fülle bedeutender und schwierigster Themen vor sich: die Erweiterung der Europäischen Union, die Agenda 2000, die Konkretisierung der Subsidiarität, die Umsetzung des Amsterdamer Vertrages - die steht noch an, auch in den Fragen der Harmonisierung des Asylrechts und der wirksameren Bekämpfung der Kriminalität - und schließlich die Neuordnung der Finanzbeiträge. Das wird eine Arbeit sein, von der wir hoffen, daß sie in der ersten Hälfte des nächsten Jahres unter deutschem Vorsitz zu Ergebnissen führen wird. Dennoch wird sie die Organe über das nächste Jahr hinaus noch voll beschäftigen. Leisten Sie deswegen doch Ihren Beitrag dafür, daß wir in diesen Punkten zu Ergebnissen kommen! Konzentrieren wir die Kräfte und die Energien für eine gute Entwicklung in Europa!
Seit Ludwig Erhards ersten Initiativen war es immer ein wesentliches Ziel der Bundesrepublik, sich in eine freiheitliche und offene Weltwirtschaft zu integrieren. Dem entsprach auch die schon historische Entscheidung, das Engagement der Deutschen bei der Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft vor 40 Jahren, daß sie nicht ein abgekapseltes System sein wollte,
daß es nicht zu einer „Festung Europa" gekommen
ist, sondern zu einer zunehmenden Öffnung für den
weltweiten Austausch von Waren und Dienstleistungen. Das Ja zum internationalen Wettbewerb, das Ja zur Arbeitsteilung ist Deutschland insgesamt gut bekommen - seiner Preisstabilität, seinen Verbrauchern, seinen Betrieben und seinen Arbeitnehmern. Die letzten Jahre haben dann einen enormen Schub hin zu noch offeneren Weltmärkten, zur sogenannten Globalisierung gebracht. Dieser Schub war vor allem die Folge einer nachhaltigen Innovationsentwicklung, etwa bei den Verkehrstechniken, bei den Informationstechniken und bei der Globalisierung der Finanzmärkte.
Es waren aber auch politische Entscheidungen, die wir getroffen haben. Ich erinnere daran, daß 1993 die Schlußakte, die eine weitere weltweite Liberalisierung und die Gründung der Welthandelsorganisation herbeiführte, von mehr als 130 Staaten vereinbart wurde. Ich erinnere daran, daß dies fast einstimmig im Deutschen Bundestag beschlossen wurde. Man muß das hervorheben, weil wir seit einiger Zeit im Westen, vor allem aber in Deutschland und Frankreich, eine Welle des Pessimismus,
eine Welle einer geradezu depressiven und polemischen Debatte über die angeblich bedrohlichen Folgen der Globalisierung haben. Da werden düstere Szenarien entwickelt und neue Reizworte geprägt.
„Der Terror der Ökonomie" lautet der Titel eines Buches von Frau Forrester, das wie ähnliche Publikationen über Wochen auf den Bestsellerlisten stand. Ich erinnere an das Reden von der zügellosen „Gier des Marktes" von Herrn Claus Koch. Man könnte diese Liste fortsetzen. Ich habe den Eindruck, daß in diesen Büchern nicht selten alte antikapitalistische Parolen aus der Mottenkiste des Marxismus eine Rolle spielen, die uns nicht helfen werden.
Auf der anderen Seite ist es wahr, daß einige Jahre sehr langsamen Wachstums und steigender Arbeitslosigkeit in, Europa bei nicht wenigen Zukunftsängste verursachen. Auch das muß man verstehen und ernst nehmen. Aber zugleich haben wir innerhalb und außerhalb dieses Hohen Hauses vor falschen Schuldzuweisungen und dem Verschweigen der wirklichen Probleme in Europa zu warnen. Mancher schiebt heute eigenes Fehlverhalten auf den Popanz Globalisierung ab. Stabilität und Fortschritt beginnen aber noch immer zu Hause.
Ich möchte auch daran erinnern, daß, global gesehen, die Politik der immer stärkeren Marktöffnung die wirksamste Form der Entwicklungshilfe für viele notleidende Völker der dritten und vierten Welt geworden ist. Wo sollen sie denn ihre Produkte verkaufen, wenn nicht bei den wohlhabenden Nationen des Westens? Wie sollen sie die notwendige Kapitalbildung erreichen, wenn nicht mit offeneren Märkten
Dr. Gerhard Stoltenberg
und durch den Transfer von Technologie und Kapital - zum Vorteil ihrer eigenen Entwicklung?
Zahlreiche Länder außerhalb Europas haben diese Chancen genutzt. Je konsequenter sie auf Lösungen mit Mitteln der sozialen Marktwirtschaft gesetzt haben, desto bedeutender sind auch ihre Erfolge.
Uns helfen keine neuen Stimmungen eines schon recht alten Kulturpessimismus oder einer überzogenen Zivilisationskritik.
Ich möchte daran erinnern, daß vor 20 Jahren CarlFriedrich von Weizsäcker im Blick auf die kommende Zeit den Begriff der „Weltinnenpolitik" geprägt hat.
Er hat damals davon gesprochen, die gemeinsame Verantwortung in bezug auf die Menschheitsprobleme, zu denen zunehmend auch bestimmte Aufgaben des Umweltschutzes gehören, werde größer, auch für die armen und notleidenden Völker. Das hat damals bei den Intellektuellen, in den Kirchen und in den Universitäten ein starkes und positives Echo ausgelöst. Jetzt, wo dies in einigen wichtigen Bereichen zunehmend Realität wird, verfallen manche - nicht alle -, die damals klatschten, in Gejammere und Klagen. Dies hilft uns überhaupt nicht; denn wir werden die nicht einfache, aber lohnende Aufgabe, die Strukturen, Mentalitäten und Verhaltensweisen in unserem Land auf diese neuen Bedingungen einzustellen, nur meistern, wenn wir für die Menschen auch klare Zukunftskonzeptionen entwickeln.
Man muß auch bestimmte falsche Parolen ansprechen. Globalisierung ist keine Abdankung der Politik. Sie ist keine Kapitulation vor dem Großkapital oder den internationalen Konzernen. Allerdings werden die Grenzen der nationalen Politik, auch der nationalen Tarifpolitik, deutlicher. Daraus muß man Folgerungen ziehen. Die notwendigen Reformen unserer Sozialsysteme stellen keine soziale Demontage, sondern eine erforderliche Anpassung dar, die aus inneren Gründen genauso notwendig ist wie als Zurüstung auf die neuen Bedingungen des weltwirtschaftlichen Wettbewerbs.
Soziale Marktwirtschaft erfordert als internationales System auch einen rechtlichen Ordnungsrahmen. Ich bin erstaunt, wenn einige Professoren, die darüber schreiben, das vergessen haben. Zu den elementaren Grundsätzen und auch zur Handlungspraxis einer an der sozialen Marktwirtschaft orientierten Politik hat es immer gehört, gegen den Mißbrauch wirtschaftlicher Macht, für wirklichen Wettbewerb, für ein offenes Handelssystem und für den Schutz privater Rechte einzutreten. Dies kann in der Tat heute in manchen Bereichen zunehmend nur durch internationale Normen verwirklicht werden. Deswegen war es so wichtig, daß wir die schon genannte Welthandelsorganisation mit erheblichen Kompetenzen ausgestattet haben. Allerdings müssen sich auch alle an ihre Entscheidungen halten. Wenn die Welthandelsorganisation feststellt, daß die - gegen die deutsche Stimme in der EU mit Mehrheit beschlossene - Bananenverordnung rechtswidrig ist, muß die Europäische Union daraus die Folgerungen ziehen und darf die Entscheidungen nicht verzögern.
Das erfordert nicht nur das Interesse der Verbraucher, sondern auch der Respekt vor den wichtigen Normen, die wir als Elemente einer internationalen Rechtsordnung brauchen.
Vor dem Hintergrund, daß die Krise in den ostasiatischen Ländern vor allem im Banken- und Versicherungswesen schwere Folgen nach sich zieht, muß auch über die Einführung weiterer umfassenderer Regelungen in diesem Bereich gesprochen werden. Die Finanzminister erörtern zu Recht eine Erweiterung der Möglichkeiten des Währungsfonds, etwa durch ein Frühwarnsystem. Ich glaube aber, man sollte auch diskutieren, ob in Zukunft nicht wirksame nationale Gesetze zur Bankenstruktur und Bankenaufsicht zur Bedingung für die Kreditwürdigkeit beim Internationalen Währungsfonds gemacht werden.
Das ist im Grunde nichts weiter als eine erweiterte Konditionalität, die in anderen Bereichen schon besteht.
Ich beschränke mich auf diese Beispiele. Hier ist wirklich Raum für kreative Diskussionen und kreative Politik und für den Dialog zwischen Wissenschaft, Wirtschaft und Politik. Aber das alles, meine Damen und Herren, hebt nun die politische Verantwortung, Entscheidungen im eigenen Land zu treffen, nicht auf. Trotz der Globalisierung können wir nach wie vor ganz erhebliche Unterschiede und teilweise gegenläufige Entwicklungen in der westlichen Welt feststellen.
Beschäftigung. In den USA sind in den letzten Jahren 14 Millionen neue Arbeitsplätze entstanden.
Die Dynamik dort ist völlig ungebrochen. Ein namhafter Journalist hat vor kurzem die US-Volkswirtschaft als eine große Jobmaschine bezeichnet. Natürlich weiß das jeder, der jetzt hier im Saal ist. Aber ich bin der Meinung, daß wir uns gerade auch in der Politik noch ernsthafter mit den Gründen für diese Erfolge befassen müssen, anstatt sie, wie das immer noch geschieht, mit gewissen Schlagworten abzutun.
Denn in der Tat ist die Zahl der Arbeitsplätze in Westeuropa in demselben Zeitraum um 4 Millionen zurückgegangen.
Dr. Gerhard Stoltenberg
Jugendarbeitslosigkeit. Der Bundeskanzler hat dazu bereits Stellung genommen. Sie, Herr Kollege Scharping, haben in diesem Zusammenhang gesagt, anderen Ländern gelinge der Umgang hiermit sehr viel besser. Sie werden vielleicht zwei oder drei kleinere Länder finden, die eine noch günstigere Bilanz haben; aber wir befinden uns hier unverändert in der Spitzengruppe vor allem der großen Staaten. Eine Quote bei der Jugendarbeitslosigkeit von über 10 Prozent ist zu hoch. Aber wir müssen einmal darüber diskutieren, woran es liegt, daß die Quote in Frankreich seit Jahren bei erschreckenden 25 Prozent und in Spanien bei 35 Prozent liegt. Wir können gewisse Verhaltensweisen der französischen Politik nur vor diesem Hintergrund verstehen. Ich unterstreiche, was der Bundeskanzler gesagt hat: Gehen wir alle in diesem Hause schonend und verantwortungsbewußt mit unserem bewährten dualen Ausbildungssystem um!
Auch die Länder müssen ihre Verantwortung für den schulischen Bereich tragen.
Im Bereich der Teilzeitarbeitsplätze sind wir nicht an der Spitze. Zwar ist ihr Anteil jetzt auf 16 Prozent der Beschäftigten gestiegen. Die Niederlande haben aber einen Anteil von 36 Prozent.
- Das hat mehrere Gründe. Im Rahmen eines Zwischenrufes kann man dieses Problem nicht erörtern. - Die Schaffung von Teilzeitarbeitsplätzen ist natürlich zunächst einmal eine Angelegenheit der Tarifvertragsparteien. Ich erinnere mich noch an eine Zeit in den frühen 80er Jahren, als führende Funktionäre des Deutschen Gewerkschaftsbundes dies als eine Art minderwertige Arbeit für Frauen disqualifizierten.
Es gibt mittlerweile ein Umdenken bei den Tarifvertragsparteien,
das weiter gefördert werden muß. Wenn wir hinsichtlich der Rahmenbedingungen, die der Gesetzgeber zu setzen hat, noch einiges in diesem Hohen Hause zu tun haben, dann sollten wir das zu Beginn der neuen Wahlperiode in Angriff nehmen.
Ein genauerer Ländervergleich zeigt: Staaten mit einem niedrigen Staatsanteil, einer unterdurchschnittlichen Steuer- und Abgabenquote, einer vor allem - aber nicht nur - auf Stärkung der Angebotsbedingungen orientierten Politik sind in der Regel - gerade im Beschäftigungsbereich - erfolgreicher als andere. Die bekanntesten, aber nicht einzigen Bei-
spiele sind die USA und die Schweiz. Diese Erkenntnis bricht sich Bahn, so zum Beispiel bei New Labour. Der britische Erziehungsminister Blunkett, dessen Biographie durch die Gewerkschaften geprägt ist, hat vor wenigen Wochen gesagt - ich zitiere das
gerne -:
Es hat keinen Zweck, daß die soziale Sicherung für Unternehmen so kostspielig wird, daß sie auf Einstellungen verzichten oder ihre Produktionsbasis ins Ausland verlagern. Damit zerstören wir die Grundlagen unserer Arbeitsplätze, die wir doch erhalten wollen.
Wenn wir das in Verbindung mit der Standortdebatte sagen, Herr Kollege Scharping, dann reden Sie - so wie heute - von einem „Standortgeschwafel". Ich halte diese Einschätzung für vollkommen unangebracht und für einen wirklich schweren Fehler.
Diese alten Phrasen - erlauben Sie mir diese Bemerkung -, vieles, was wir von den Herren Schröder und Lafontaine zu diesen Fragen hören, und auch Ihr gemeinsames Programm
zeigen, daß Sie in bezug auf Problembewußtsein und Lösungskompetenz im Vergleich etwa zu der britischen Regierung Blair und ihren wesentlichen Exponenten weit zurück sind. Über diesen Punkt eine besondere Debatte zu führen wäre sehr lohnend,
aber die Zeit reicht nicht. Diesen Punkt wollte ich nach Ihrer Bemerkung vom „Standortgeschwafel" noch festhalten.
- Das mußte gesagt werden.
Blunkett hat auf einen ganz wichtigen Sachverhalt verwiesen: Die Politik der sozialen Sicherung auf der einen Seite und die Politik für mehr Investitionen und Arbeitsplätze auf der anderen Seite müssen in jedem Land optimal abgestimmt werden. Wenn das nicht geschieht, entsteht ein Zielkonflikt, in dem beide Seiten Schaden nehmen. Das ist die Realität.
Deshalb haben wir die schon hervorgehobenen Reformen beschlossen. Der Bundeskanzler hat sie im einzelnen geschildert. Ich brauche sie nicht zu wiederholen. Auch der erweiterte Spielraum für Tarifvertragsparteien bei der Lohnfortzahlung stieß bei Ihnen auf erbitterten Widerstand. Die Führung Ihrer Partei, die Herren Lafontaine und Schröder - in die-
Dr. Gerhard Stoltenberg
ser Reihenfolge besteht wohl die Führung und die Autorität in Ihrer Partei -,
sagen, daß sie diese Gesetze rückgängig machen wollen. Vielleicht haben Sie gelesen, daß vor wenigen Tagen der weitblickende Vorsitzende einer wichtigen Gewerkschaft, Herr Schmoldt von der IG Chemie, Sie öffentlich gewarnt hat, das zu tun. Er hat gesagt: Wir können mit diesem umstrittenen Gesetz, nachdem wir es vernünftig ausgelegt haben, leben; vielleicht muß man hier und da etwas korrigieren. Sie sind auch hier von den Vordenkern einer modernen und aufgeklärten Politik in den deutschen Gewerkschaften weit entfernt.
Ich habe mit Interesse gelesen, was Herr Lafontaine vorgestern auf einem Kongreß zur Steuerpolitik gesagt hat. Er war subjektiv ehrlich, aber die Aussage war falsch. Er hat gesagt: Wir haben keinerlei Spielraum für Steuersenkungen, wenn man zugleich bestimmte Ausgaben erhöhen will.
Steuersenkungen sind so dringend, und eine Reform des Steuersystems ist für die Zukunft so wichtig, daß man in Zukunft möglicherweise auf Ausgabenerhöhungen verzichten muß - das ist die richtige Reihenfolge der Prioritäten.
Statt dessen kündigt Herr Lafontaine eine Steuerstrukturreform ohne Steuersenkungen an, also aufkommensneutral. Ich sage - mit einigen Erfahrungen auf diesem Gebiete - einmal: Das wird nicht gelingen; das ist ein Weg in eine Sackgasse; das ist die Quadratur des Kreises. Sie müssen das wirklich einmal erläutern. Sie haben bei den Auseinandersetzungen über die Steuerreform immer wieder die starke Entlastung der unteren Einkommensgruppen gefordert. Jetzt, vor der Wahl, steht in Ihrem Programm, glaube ich, sogar etwas von einer wesentlichen Besserstellung des Mittelstandes, zur Erweiterung der Wählerbasis. Ja, wer soll denn die Rechnung im Saldo bezahlen?
Wir haben zur Zeit drei wesentliche Voraussetzungen für die beginnende wirtschaftliche Trendwende: erstens - der Bundeskanzler hat es hervorgehoben - durch ein ungewöhnlich hohes Maß an Geldwertstabilität, vor allem dank der Bundesbank, aber auch dank des - wie in den 80er Jahren - wieder besseren Zusammenwirkens von Finanzpolitik und monetärer Politik, zweitens durch die politischen Reformen der Koalition, die die Bedingungen für Investitionen verbessert haben, und drittens durch die von mir erwähnten neuen Entwicklungen in der Tarifpolitik. So gewinnt der Aufschwung jetzt beträchtlich an Kraft und Breite.
Da natürlich in solchen Debatten kurz vor Wahlen jeder dem anderen mißtraut, würde ich gerne eine Reihe von Zitaten bringen - Sie kennen sie alle, Frau Matthäus-Maier -, vom Sachverständigenrat, von der Bundesbank, von den wissenschaftlichen Instituten. Ich verweise darauf.
Im übrigen ist die Entwicklung in einer ganz klassischen Weise auf dem Wege. Erst kommt der Export. Dann kommen die privaten Ausrüstungsinvestitionen mit ganz hohen Zuwachsraten schon seit dem letzten Jahr. Das ist übrigens der stärkste Faktor für die Beschäftigungsbewegung. Dann kommt ein langsamer Anstieg der privaten Nachfrage. Noch gibt es einige im Schatten, so zum Beispiel die Bauwirtschaft. Aber es ist überhaupt nicht zu bestreiten, daß wir auf dem Arbeitsmarkt erste positive und nachhaltige Wirkungen haben. Ich unterstreiche noch einmal das, was der Bundeskanzler hierzu gesagt hat.
Dr. Gerhard Stoltenberg
Gestern gab es aus dem Bereich der neuen Länder eine Agenturmeldung von dem Institut für Wirtschaftsforschung in Halle. Dieses sehr hoch angesehene Institut - der Leiter ist Professor Pohl; er ist vielen bekannt - hat bei den Unternehmern in den neuen Ländern eine umfangreiche Befragung durchgeführt. Es hat festgestellt, daß es im Bereich der Industrie seit 1990/91 keine so optimistische Einschätzung der Zukunft gegeben hat wie zum jetzigen Zeitpunkt. Das ist ein Indikator dafür, daß der vom Bundeskanzler bereits erwähnte Prozeß einer Trendwende bei der Beschäftigung auch in den neuen Ländern begonnen hat. Darüber sollten wir uns alle miteinander freuen, unabhängig von dem, was wir hier politisch miteinander auszutragen haben.
Deshalb ist die Fortsetzung der Politik der Reformen, einer erneuerten sozialen Marktwirtschaft, für Deutschland und Europa von größter Bedeutung. Wir brauchen eine Verbindung von Kontinuität und Innovationsfähigkeit. Für diese Verbindung stehen in den nächsten Jahren die Koalitionsfraktionen mit ihrer Politik und ihren Konzepten. Dafür werden wir in den kommenden Monaten mit Perspektiven und Argumenten werben.
Meine Damen und Herren, ich wünsche mir in meiner letzten Rede hier im Deutschen Bundestag - meine erste habe ich vor 40 Jahren gehalten -, daß sich der Deutsche Bundestag über diese Wahlperiode hinaus immer wieder als ein Forum großer Debatten, klarer Alternativen, aber - wenn nötig - auch gemeinsamer Verantwortung bewährt.
Schönen Dank.
Lieber Kollege Stoltenberg, Sie haben soeben den Dank der Kolleginnen und Kollegen nicht nur der Fraktion der CDU/CSU, sondern - so wage ich zu sagen - aller Fraktionen dieses Hauses erlebt. Sie haben die Politik in Deutschland und Europa seit den 50er Jahren entscheidend mitgestaltet.
Das gilt für Parlaments- wie Regierungsämter. Sie waren einmal der jüngste Abgeordnete sowie der jüngste Minister. Besonders anerkennen möchte ich, daß Sie neben den Tagesfragen die Dinge immer wieder sehr prinzipiell angegangen sind und stets den Mut auch zu unbequemen Wahrheiten zur Unzeit gehabt haben. Herzlichen Dank für Ihre Arbeit!
Es spricht jetzt in der Debatte der Fraktionsvorsitzende des Bündnisses 90/Die Grünen, Joseph Fischer.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Verehrter Kollege Stoltenberg, gestatten Sie mir, die Gelegenheit zu nutzen, Ihnen für die Zukunft alles Gute zu wünschen. Für mich ganz persönlich geht mit Ihrem Abschied ein Stück Geschichte der Bundesrepublik Deutschland zu Ende, die ich oft in großer Konfrontation mit Ihnen persönlich erlebt habe. Der Name Brokdorf steht als Symbol in diesem Zusammenhang bis auf den heutigen Tag an oberster Stelle.
Aber es verdeutlicht einen großen Teil der politischen Kultur unseres Landes, daß wir trotz aller harten Gegensätze - auch der Vergangenheit - heute so weit sind, daß wir sagen können: Wir haben uns oft um den richtigen und besten Weg gestritten; aber insgesamt gesehen ist die Entwicklung der Bundesrepublik Deutschland mittlerweile in einem so hohen Maße konsensuell, daß der notwendige Parteienstreit diese Konsense nicht mehr überdecken kann. Darin sehe ich einen Fortschritt. Ich wünsche Ihnen persönlich alles Gute.
Gestatten Sie mir dennoch, Kollege Stoltenberg, daß ich in dieser Debatte, in der über sehr vieles geredet wird - eigentlich sollte über Cardiff geredet werden -, gleich wieder die parlamentarische Klinge aufnehme und ganz kurz auf den entscheidenden Punkt eingehe, den Sie in Ihrer letzten Rede eben angesprochen haben, nämlich die Entwicklung am Arbeitsmarkt, die Frage der Innovationsfähigkeit sowie die Frage, warum wir im Kampf gegen die Arbeitslosigkeit nicht weiter sind und warum die positive Trendwende nicht bereits strukturell erreicht worden ist.
Dazu kann ich Ihnen nur etwas sagen, Kollege Stoltenberg - Sie haben die Niederlande angeführt -, was von dieser Bundesregierung immer wieder verschwiegen wird: Wir wären heute schon weiter, wenn das niederländische Modell von dieser Bundesregierung umgesetzt worden wäre.
Ich erinnere noch einmal an den Spätwinter 1996, als ein Bündnis für Arbeit möglich gewesen wäre. Der niederländische Erfolg beruht auf einem fairen Geben und Nehmen der Tarifparteien, angeleitet, flankiert und abgesichert durch die Politik in einem Bündnis für Arbeit. Eine neue Bundesregierung muß den Stillstand überwinden, indem endlich ein solches Bündnis für Arbeit in der Bundesrepublik Deutschland zustande kommt, so daß wir die positive strukturelle Trendwende am Arbeitsmarkt erreichen können.
Joseph Fischer
Wenn Sie, Herr Kollege Stoltenberg, dann aber auch noch die Ehrlichkeit bei der Opposition im Zusammenhang mit der Steuerreform einklagen, dann kann ich Sie nur daran erinnern, daß hier ein Koalitionspartner sitzt, der in diesem Wahlkampf „mehr netto für alle" verkündet. Wie dieses „mehr netto für alle" - durch die Vorschläge der F.D.P. werden präterpropter Löcher in Höhe von 150 bis 200 Milliarden DM in den Bundeshaushalt gerissen - gegenfinanziert werden soll, darüber schweigt diese Partei bis heute. Wenn wir hier also über mehr Ehrlichkeit reden, dann sollten Sie sich erst einmal an die eigene Nase fassen. In Wirklichkeit wird die Position „mehr netto für alle" wieder das bedeuten, was dies auch bisher bei dieser Bundesregierung bedeutete: Entlastung bei den oberen und obersten Einkommen und Gegenfinanzierung bei den mittleren und unteren Einkommen. Diese Ehrlichkeit werden wir im Wahlkampf einklagen.
Herr Bundeskanzler, es ist immer wieder ein bewegendes Ereignis, eine Regierungserklärung von Ihnen hier zur Kenntnis nehmen zu dürfen, auch wenn dieses Vergnügen zeitlich begrenzt sein wird.
- Nein, das werden wir nicht mehr oft erleben. Ich wundere mich, daß ein solcher Zuruf gerade von der F.D.P. kommt. Herr Westerwelle hat doch verkündet: Kohl muß weg. Oder habe ich das falsch verstanden?
Wenn ich das richtig sehe, darf Herr Westerwelle heute an der Debatte nicht teilnehmen. Er muß im Dehler-Haus nachsitzen, weil man dem Bundeskanzler offensichtlich nicht zumuten wollte, daß er hier endgültig öffentlich ausflippt und sich wie in Halle am Ende in Richtung F.D.P.-Fraktion bewegt, so erbost, wie er - das gebe ich ehrlich zu - angesichts dieses Gipfels der Perfidie sein muß.
- Nein, es geht nicht darum, ob hier jemand schon besser war. Der F.D.P.-Generalsekretär hat öffentlich erklärt, daß dieser Bundeskanzler noch einmal gewählt werden soll, damit er dann aufs Altenteil kommt; denn er sei bereits zu lange im Amt. In der Sache hat Herr Westerwelle völlig recht. Ob es allerdings richtig ist, als Koalitionspartner so mit dem Bundeskanzler umzugehen, darüber werden sich der Bundeskanzler und die CDU/CSU sowie vermutlich auch Teile der F.D.P. selber eine Meinung bilden. Wenn dies stilbildend ist, dann ist es mit der Ehrlichkeitsparole, mit der die F.D.P. in den Wahlkampf zieht, nicht weit her.
Wir haben heute eine der bedeutendsten Regierungserklärungen von Helmut Kohl in dieser Legislaturperiode gehört; das müssen wir feststellen. Herr Bundeskanzler, ich wußte gar nicht, worüber nicht alles auf EU-Gipfeln geredet wird.
Ich stelle fest: Es wurde dort über die Versager in Niedersachsen, in Nordrhein-Westfalen und im Saarland gesprochen,
es wurde über die Lichtgestalten in Bayern und Baden-Württemberg gesprochen, es wurde über das Elend des deutschen Schulsystems gesprochen. Mich würde interessieren, was dazu die Meinung der Staatschefs war; das wäre ja eine interessante Information für das Hohe Haus gewesen. Es wurden die Erfolge der Bundesregierung gefeiert. Ich nehme an, Sie haben dort Standing ovations bekommen. Im Klartext: Was wir heute erlebt haben, war keine Regierungserklärung zu Cardiff, sondern eine halbe Stunde Wahlkampf, eine halbe Stunde Innenpolitik, die nichts mit Europapolitik zu tun hatte.
Herr Bundeskanzler, uns hätte in der Tat schon interessiert, wie Sie den Zustand Ihrer Koalition bewerten. Sie hätten im Rahmen Ihres Rechenschaftsberichts, Ihres Wahlkampfauftrittes heute zum Beispiel etwas zu Ihrer Kabinettsumbildung und auch zu diesem famosen Herrn Hauser sagen können. Aber bitte, ich möchte Sie nicht überfordern.
Nach einer halben Stunde sind Sie dann tatsächlich zum Thema gekommen - ich habe immerhin nur fünf Minuten gebraucht -, nämlich zum Gipfel in Cardiff. In der Tat, die Europapolitik verdient es, auch in diesem Wahljahr, in diesem Wahlkampf nicht innenpolitisch instrumentalisiert zu werden. Cardiff war - der Bundeskanzler hat das heute auf seine unvergleichliche Art klargemacht - europapolitisch ein Nullgipfel, ein Optionsgipfel, wie es im Bürokratendeutsch heißt.
- Nein, das hat mit Arroganz überhaupt nichts zu tun. Ich hätte mir gewünscht, daß man dort zu Ergebnissen gekommen wäre. In der Tat ist die Reform der EU-Finanzen ein drängendes Thema, aber weniger, als Sie es innenpolitisch zu instrumentalisieren versuchen unter dem Eindruck bayerischer Bierzelteuropäer und des bayerischen Wahlkampfes. Die Frage der Reform der EU-Finanzierung wird ganz entscheidend für die Osterweiterung der Europäischen Union sein. Darauf komme ich aber später noch zu sprechen.
Joseph Fischer
Was wir gegenwärtig erleben, ist eine innenpolitische Veränderung des europapolitischen Klimas auch und gerade im konservativen Lager. Was wir erleben, ist ein Stück weit die emotionale Verabschiedung von Europa, und zwar unter dem Gesichtspunkt von neuen nationalen Tönen und mehr Selbstbewußtsein. Der Begriff der deutschen Interessen steht plötzlich im Vordergrund.
Dann ist da die Frage der Nettozahler; es geht um 23 Milliarden DM. Herr Bundeskanzler, Sie wirken doch nur komisch - ich halte das eher für ein trauriges Bild -, wenn Sie jetzt plötzlich als neuer Kohl einen auf Maggy Thatcher machen: „I want my money back." Das nimmt Ihnen in Europa niemand ab. Sie wirken in diesem Punkt nicht glaubwürdig. Und ich finde es gut so, daß Sie da nicht glaubwürdig wirken.
Daß wir aber gegenwärtig die innenpolitische Instrumentalisierung dieser Finanzdebatte erleben, daß Deutschland ein zu starker Nettozahler sei, bedeutet doch entweder - da kann ich dem Kollegen Scharping nur zustimmen -, daß Sie vorher schon versagt haben, da diese Beschlüsse im Ministerrat einstimmig gefaßt worden sind, oder aber daß es sich hier um rein nationale Töne zum Zwecke der Mobilisierung des rechten Randes, zum Zwecke der Beruhigung der CSU handelt. Damit gefährden Sie die europapolitischen Intentionen, die Sie bisher verfolgt haben.
- Da wacht Michel Glos sofort zu Recht auf. Getroffene - so sage ich es in diesem Falle; ich möchte nicht den parlamentarischen Rahmen sprengen - geben Laut.
Kollege Glos, es ist doch in der Tat so, daß die Debatte nicht unter dem Gesichtspunkt geführt wird, welche strukturellen Reformen wir brauchen - auch auf der Ausgabenseite -, um die Erweiterung finanzieren zu können. Sie wird vielmehr unter dem Gesichtspunkt geführt, wie wir die deutschen Lasten zugunsten Europas senken können - und dies nur aus innenpolitischen Gründen -, damit Sie den rechten Rand Ihrer Europakritiker in der CSU beruhigen können. Das ist der entscheidende Unterschied zwischen Ihnen und uns.
Vieles in der Europapolitik ist bisher im Konsens geschehen. Ich fürchte nur, daß, wenn diese Regierung weiter im Amt bleibt, es noch ein paar andere Dinge geben wird, zu denen der Bundeskanzler konsequent schweigt, zum Beispiel darüber, daß die EUOsterweiterung Richtung Tschechien und Polen von famosen Vertriebenenfunktionären, die in den Reihen der CDU/CSU-Fraktion auch noch ein Mandat haben, plötzlich an Entschädigungsforderungen und ähnliches geknüpft wird. Da frage ich: Wie verträgt sich das denn mit Ihren bisherigen europapolitischen Positionen? Das ist ebenfalls reine Innenpolitik und eine emotionale Verschiebung hin zu verstärkten nationalen Tönen. Auch dazu schweigt der Bundeskanzler beharrlich.
Herr Bundeskanzler, Sie hätten die Gelegenheit nutzen können, uns heute Ihre Vorstellungen zur Strukturreform der EU vorzustellen. Das wäre hochinteressant gewesen. Sie haben es am Beispiel der Bürgernähe mit dem Begriff der Subsidiarität versucht. Ich habe sehr genau zugehört. Das war ein echter Helmut Kohl. Das, was am besten auf europäischer Ebene entschieden werden kann, soll auf europäischer Ebene entschieden werden. Richtig! Nur, was ist das Beste? Das hätte mich interessiert. Das, was am besten auf nationaler Ebene entschieden werden kann, soll auf nationaler Ebene entschieden werden. Richtig! Es geht aber um die Abgrenzung. Auf der Länderebene und der kommunalen Ebene ist das genauso richtig. Nur, wie sieht denn die Abgrenzung aus? Darauf ist der Bundeskanzler, darauf ist die Bundesregierung heute mit keinem Wort eingegangen.
Subsidiarität dort, wo es heißt, die Kirche im Dorf zu lassen - das ist die deutsche Übersetzung von Subsidiarität -, ist völlig richtig. Die Frage ist die Abgrenzung. Da sage ich Ihnen: Die Konsequenz, vor der wir heute stehen, ist eine europäische Verfassungsdebatte. Die Überlegungen zur Subsidiarität werden, wenn sie nicht auf Abwehr einer weiteren europäischen Integration abzielen, sondern ernst gemeint sind, auf eine europäische Verfassungsdebatte und auch auf eine weitere Demokratisierung Europas hinauslaufen müssen; sonst wird Subsidiarität nicht funktionieren können.
Eine solche Verfassungsdebatte halte ich für dringend geboten. Die Konsequenz aus der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion wird sein, daß wir endlich beginnen müssen, über die verfaßte demokratische Finalität Europas nicht nur zu diskutieren, sondern auch die ersten Entscheidungen zu treffen. Aber mich würde natürlich auch interessieren, wie die Strukturvorschläge der Bundesregierung im Rahmen der europäischen Staatschefs, bezogen auf die Osterweiterung, sind. Was die Agenda 2000 betrifft, so höre ich vor allem Ablehnung.
Nun hatten wir, Herr Bundeskanzler, das Vergnügen, hier gemeinsam dem bayerischen Ministerpräsidenten zuzuhören. Ich kann Ihnen nur sagen: Für Herrn Stoiber ist die Frage der Agenda 2000 eine Ablehnung für die weitere Osterweiterung der EU. Das heißt im Klartext: Die Finanzdebatte, die Strukturreform, die Osterweiterung werden von Teilen Ihrer Koalition, namentlich der CSU, angeführt vom bayerischen Ministerpräsidenten, nicht mehr gewollt. - Das ist der Hauptvorwurf, den ich Ihnen in diesem Zusammenhang mache: Ihre Europapolitik ist in Ihren eigenen Reihen, vor allem bei der CSU, nicht mehr mehrheitsfähig.
Joseph Fischer
Wenn ich dann noch die Äußerungen jüngerer merkwürdiger Vertriebenenfunktionäre aus Ihren Reihen hinzunehme, dann sage ich Ihnen: Es baut sich im konservativen Lager hier eine Anti-Europastimmung auf, die sich gegenwärtig noch hinter der Ablehnung der Agenda 2000 verbirgt, die in Wirklichkeit aber meint: Wir sollten es bei dem heutigen Integrationsstand belassen und sollten nicht mehr weitergehen, schon gar nicht in Richtung einer politischen Integration, einer politischen Union. Ich sage Ihnen: Wenn wir auf die politische Union verzichten - ich nehme an, da ist die Übereinstimmung zwischen uns und Ihnen mittlerweile größer als die zwischen Herrn Stoiber und Ihnen -, dann wird Deutschland zum großen Verlierer dieser nicht stattfindenden politischen Integration werden.
Gestatten Sie mir, zum Schluß noch kurz ein Thema anzureißen, das wir morgen länger und umfassender diskutieren werden. Wenn wir die Strukturreform in der EU nicht bekommen, wenn wir die Finanzreform nicht bekommen, wenn wir nicht energisch die Osterweiterung betreiben - es wird nicht einfach werden, in unserer Bevölkerung dafür Mehrheiten zu bekommen; aber um so wichtiger wird es sein, um diese Mehrheiten zu kämpfen -, dann werden wir erleben, daß Deutschland nicht nur ökonomisch, sondern auch politisch und kulturell zu den großen Verlierern gehören wird.
Wir erleben doch jetzt - da werden wir vermutlich gar nicht so weit auseinander sein -, daß wir es angesichts der Krise im Kosovo - ich fürchte, es wird nicht die letzte Krise in dieser Region sein -, daß wir es angesichts des grauenhaften Mordens in Bosnien und der Tatsache, daß dort mittlerweile unter der Präsenz einer multinationalen Friedenstruppe, aber auch unter ziviler administrativer Anleitung seitens der Europäischen Union so etwas wie ein Wiederaufbauprozeß, wie der Beginn eines Zusammenlebens, einer Überwindung der Gräben möglich war, nicht mit einer Osterweiterung in dem Sinne zu tun haben, wie es die bisherigen staatsrechtlichen Beitrittsgesuche von Tschechien, Ungarn und Polen zeigen. Vielmehr ist festzustellen, daß angesichts der verschiedenen Konfliktregionen auf dem Balkan auch Staaten wie Albanien, wie Mazedonien, die ganz unmittelbar davon betroffen sind, aber letztendlich auch Serbien eine europäische Perspektive wird eröffnet werden müssen. Wir werden von diesem Problem auf Grund unserer Lage und auch auf Grund der Situation, in der sich Deutschland nach der Wiedervereinigung jetzt innerhalb der EU befindet, nicht loskommen.
Daraus wird die Konsequenz zu ziehen sein, daß wir unserer Bevölkerung klarmachen, daß die Osterweiterung im Rahmen der EU, aber auch die Eröffnung einer europäischen Perspektive für Regionen mit hochgefährlichen Konflikten, die wir dadurch aufzulösen versuchen müssen, nicht billig sein wird und einen langfristigen Einsatz, auch und gerade einen zivilen Einsatz, erforderlich machen wird. Darauf müssen wir das demokratische und politische Be-
wußtsein der Mehrheit unserer Bevölkerung ausrichten. Da ist jede antieuropäische Polemik, da ist jede europakritische Entwicklung, wie wir sie gegenwärtig vor allem im bayerischen Wahlkampf erleben, hochgefährlich.
Denn wenn wir die Osterweiterung nicht bekommen, wenn wir einen Rückzug machen - ich meine damit nicht Nationalismus; ich sage das, damit Sie mich nicht mißverstehen - auf die Position „Deutschland zuerst; unsere Interessen zuerst", dann bleibt festzuhalten: Die alte Bundesrepublik West ist doch gut mit einer Interessenpolitik gefahren, die indirekt und nicht direkter Art war. In dem Moment, in dem Deutschland eine direkte Interessenpolitik nach der Devise betreibt „Deutsche Interessen müssen wieder stärker durchgesetzt werden" - der Bundeskanzler weiß das nur zu gut -, wird das das Gegenteil von Durchsetzungsperspektive für deutsche Interessen bedeuten, weil das Mißtrauen und die Widerstände zunehmen werden.
Deswegen finde ich, daß wir auf diese Kontinuitäten setzen müssen. Ich bin der festen Überzeugung: Die Osterweiterung ist gerade im Lichte der verschiedenen Konflikte und der hochgefährlichen Kriegsgefahren auf dem Balkan unverzichtbar.
Deswegen sage ich, meine Damen und Herren: Wenn von Cardiff ein Signal ausgegangen wäre, Herr Bundeskanzler, dann hätten Sie heute vor allen Dingen auch in Richtung Ihrer eigenen Anhängerschaft klarmachen müssen, daß Deutschland nicht zuviel an Lasten geschultert hat, daß es vielleicht eine falsche Lastenverteilung innerhalb der EU gibt, daß aber die europäische Perspektive eher ein Mehr an Lasten für Deutschland bedeuten wird als ein Weniger.
Herr Kollege Fischer, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Schäuble?
Ja.
Herr Kollege Fischer, können Sie mir erklären, wie das, was Sie jetzt gerade zu der Notwendigkeit der Stabilisierung von Osteuropa gesagt haben, zu dem Beschluß Ihres Parteitages paßt, aus der NATO auszutreten, und wie das zu dem Gegröle Ihres Parteivorsitzenden anläßlich der Gelöbnisfeier der Bundeswehr in Berlin paßt?
Ich bedanke mich, Herr Kollege Schäuble, für die Gelegenheit - da Sie ja immer wieder behaupten, unser Parteitag habe beschlossen, daß wir
Joseph Fischer
aus der NATO austreten wollen -, Ihnen hier endlich einmal ein Lichtlein aufzustecken.
- Ja. - Dieser Parteitag, der Sie so umtreibt - dabei gebe ich ganz offen zu, daß es mich ärgert, daß Sie der Magdeburger Parteitag so umtreibt -,
hat beschlossen, daß wir gegen einen Austritt aus der NATO sind,
dieser Parteitag hat beschlossen, daß wir keinen Sonderweg wollen, dieser Parteitag hat Positionen beschlossen, zu denen ich von meiner Seite her sagen kann: Endlich haben wir diese Positionen beschlossen.
Herr Kollege Schäuble, wir können und werden ja morgen die Debatte darüber führen. Sie haben ja die unglaublich sinnfällige Art, hier eine Entscheidung, bei der es um eine wirklich sehr ernste Frage geht, bei der sich jeder einzelne wird prüfen müssen, nämlich um die Verlängerung des SFOR-Mandats - dazu werden wir eine sehr ernste Debatte über die Lage im Kosovo zu führen haben -, mit der Debatte über ein Gelöbnis zu verbinden. Dazu, daß Sie das diskutieren, möchte ich Ihnen sagen, daß ich das an Ihrer Stelle genauso machen würde. Die Verbindung allerdings finde ich mehr als geschmacklos - mit Verlaub gesagt.
Das andere ist viel zu ernst.
Ich sage Ihnen: Wir werden morgen die Debatte darüber führen. Für mich ist ganz entscheidend - vielleicht sind wir an diesem Punkt, Kollege Schäuble, einer Meinung -, daß wir in der Verantwortung, die wir in Deutschland für die zukünftige Gestaltung des Friedens in Europa haben, an der Osterweiterung festhalten müssen, daß diese Osterweiterung - und das müssen wir unserer Bevölkerung sagen - aber ein Mehr an Lasten für Deutschland bedeuten wird und nicht ein Weniger an Lasten.
Ich sage Ihnen: Die zukünftige Europapolitik wird sich daran festmachen - da wird die Scheidelinie sein -, wie ernsthaft die Osterweiterung der Europäischen Union betrieben wird. Zieht man sich auf die Position zurück: „Wir haben genug an Lasten zu tragen, das wollen wir nicht, das paßt uns nicht in die Politik", oder aber betreiben wir diese Osterweiterung energisch?
Ich kann dem Bundeskanzler in diesem Punkt nur zustimmen. Der Frieden und die Freiheit Europas im
nächsten Jahrhundert werden von der Frage der Osterweiterung und der Rolle, die Deutschland dabei spielt, abhängen.
Meine Kollegen, ehe ich das Wort weitergebe, möchte ich nur fürsorglich darauf aufmerksam machen - das sage ich auch für die, die über den Lautsprecher zuhören -, daß am Ende dieser Debatte eine ganze Reihe von Abstimmungen stehen wird, darunter auch eine namentliche Abstimmung. Ich sage das, damit sich alle auf die namentliche Abstimmung, die wohl nach 13 Uhr stattfinden wird, einstellen können.
Damit gebe ich jetzt dem Abgeordneten Dr. Helmut Haussmann das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Fischer, ich tue Ihnen nicht den Gefallen, Sie zum Hauptpunkt meiner Rede zu machen. Sie spielen so lange international keine Rolle, solang Sie einer Partei vorsitzen, die nicht in der Lage ist, zu zentralen internationalen und europäischen Fragen eine klare Position einzunehmen. Insofern haben Sie hier keine Legitimation.
Wer wie Herr Trittin in Berlin die Bundeswehr verhetzt, wer wie die Grünen gegen die NATO-Osterweiterung ist, der spielt auf europäischer Ebene überhaupt keine Rolle.
Wir müssen uns vergegenwärtigen, daß Europa die entscheidende Zwischenstation ist auf dem Weg, den wir erleben: von der früheren nationalen Wirtschaft zur Weltwirtschaft, von der früher national geprägten Politik zur Weltpolitik. Daher ist und bleibt die Europapolitik von Herrn Kohl und Herrn Kinkel ein wichtiges Erfolgskapitel dieser Regierung. So wird es auch bleiben.
Wenn man sich vergegenwärtigt, wie schwach die Mannschaft von Herrn Schröder ist, daß die Namen längst verklungen sind, dann sollte man sich, Herr Scharping, zurückhalten mit einer Bewertung der sogenannten Riege der Koalition. Sie haben auf diesem Gebiet auch international überhaupt nichts zu bieten.
Das wird ein ganz entscheidender Punkt sein für die Wähler, bei der Bundestagswahl erneut für diese Koalition zu votieren. Denn im Jahr 1999 werden wichtige internationale politische Entscheidungen unter deutscher Führung getroffen. Das kann man Schröder, Fischer und Co. - einschließlich der PDS - nicht anvertrauen.
Dr. Helmut Haussmann
Um es gleich am Anfang zu sagen: Auch Tony Blair kocht nur mit Wasser. Aber wir wären schon dankbar in Deutschland, wenn die Sozialdemokraten einen Tony Blair hätten.
Herr Schröder ist es nicht. Die Frage ist überhaupt, welche Beziehung er zum deutschen Parlament hat. Wo ist er heute? Wo ist Schröder?
Was kann der Grund sein, daß er an dieser entscheidenden Debatte nicht teilnimmt?
Er hat versucht, beim Bundeskongreß des DGB Beifall zu erheischen, indem er angekündigt hat, alle Reformen wieder rückgängig zu machen: volle Lohnfortzahlung, keine Flexibilisierung für den Mittelstand, 620-Mark-Jobs abschaffen, höhere Lohnzusatzkosten. Wer noch nicht begriffen hat, daß Globalisierung, Einführung des Euro und Osterweiterung den Reformdruck innenpolitisch erhöhen, daß zunehmend Reformen benötigt werden, daß man das Erreichte nicht zurücknehmen darf, der hat für die Menschen in Deutschland keine Antwort auf die Frage, wie wir dieser Entwicklung begegnen.
Herr Mosdorf, Sie durften miterleben, daß der sorgfältige Auftritt von Herrn Schröder beim BDI zum absoluten Flop geraten ist. Außer allgemeinen Sprüchen, außer Konsensgerede war da nichts. Keine Zahlen, keine Andeutungen einer Reform - überhaupt nichts! Gut, er bekommt mildernde Umstände, weil Beleuchter nicht anwesend waren beim BDI. Das hat die Wirkung natürlich ein bißchen gemäßigt.
Angesichts dessen kann man nur sagen: So wird das nicht laufen.
Auch seine Europapolitik zeigt, daß Ihr Kanzlerkandidat in wichtigen Fragen der internationalen Politik keine Rolle spielt. Ich erinnere an sein Gerede vom „Monopoly-Geld". Ich rede davon, daß er für die Verschiebung eingetreten ist. Ich rede davon, daß er in London gesagt hat, die Währungsunion komme nicht, zumindest jetzt nicht. Ich rede davon, daß Herr Schröder noch im letzten Jahr vor einer Osterweiterung gewarnt hat. Vor Bankiers in London sagte er, der dafür vorgesehene Zeitplan könne überhaupt nicht eingehalten werden.
Meine Damen und Herren, wer sich in den großen internationalen Fragen so verhält, hat nichts zu bieten. Das ist zu wenig. Er sagt, Außenpolitik lasse er durch seinen Außenminister machen, in dem Fall also durch Herrn Fischer. Man kann sich vorstellen,
welch klägliche Rolle Deutschland in Zukunft auf der internationalen Bühne einnehmen würde.
Die deutsche Wirtschaft kommt nun rechtzeitig in Schwung. Das ist Herrn Schröder natürlich äußerst unangenehm.
Er gönnt den Deutschen den Aufschwung nicht. 220000 neue Jobs sind ihm aus Wahlkampfgründen unangenehm. Ich kann voraussagen: Die nächsten Monate werden immer besser werden. Irgendwann sind die Wähler es leid, diesem Pessimismus zu folgen. Sie werden sich für Optimismus und damit auch für diese Koalition entscheiden.
Herr Scharping, jetzt kommen Sie wieder mit der alten Leier vom Neoliberalismus. Da kann ich nur sagen: Sie melden sich von jeder seriösen wirtschaftswissenschaftlichen Debatte auf internationaler Ebene ab. Haben Sie einmal in das Beschäftigungskapitel von Cardiff geschaut? Dort steht: Maßnahmen treffen, um Arbeit statt Abhängigkeit zu fördern; Flexibilisierung der Arbeitsmärkte; Erhöhung der Reaktionsfähigkeit der Industrie auf internationalen Wandel; moderne Steuersysteme. - Das ist Neoliberalismus pur. Den vertritt Herr Blair in England. Aber die SPD in Deutschland ist das Reformschlußlicht in Europa.
Selbst die französischen Sozialisten sind in Randbereichen weiter als die Sozialdemokraten in Deutschland.
Was heißt Bürgernähe? Bürgernähe heißt, daß die großen Entscheidungen in Europa - da knüpfe ich an das an, was Herr Stoltenberg zu Recht gesagt hat -, hinter denen wir von Anfang an gestanden haben - Euro-Einführung, Ostpolitik, Osterweiterung -, konkrete Vorteile für die Bürger bringen müssen.
Ich warne vor der Diskussion, die leider auch von den Ministerpräsidenten geführt wird: Wenn wir Europa auf Bürokratenschelte verengen, wenn wir nur von der Bananenordnung, von der Länge der Kälberstricke, von der Tabakwerbung reden, werden wir die Bereitschaft für mehr Reformen in Europa nicht erhöhen.
Darf ich einmal folgende Frage stellen, meine verehrten Damen und Herren: Was würde heute angesichts der Währungskrisen in Japan und in Rußland passieren, wenn wir dem gefolgt wären, was Herr Schröder und andere Ministerpräsidenten wollten, nämlich die Einführung des Euro verschieben?
Dr. Helmut Haussmann
Dann hätten große innere Probleme von zwei riesigen Volkswirtschaften zur Folge, daß die Deutsche Mark und noch mehr die kleinen Währungen in Europa sofort unter gewaltigen Druck kämen. Das heißt, der Exportaufschwung wäre gefährdet. Aber die Euro-Einführung zeigt den internationalen Märkten, daß die Europäer bei Währungskrisen in großen Volkswirtschaften einen entscheidenden internationalen Stabilitätsbeitrag leisten können. Das ist enorm wichtig.
Zur Zinspolitik. Der Bundeskanzler hat darauf hingewiesen: Wir haben die niedrigste Inflationsrate seit Jahrzehnten. Das wäre ohne den Euro, ohne europäische Politik nicht denkbar. Das sind konkrete Vorteile für jeden Bürger.
Das ist wahre Sozialpolitik.
Herr Lamfalussy hat bei seiner Verabschiedung in Frankfurt gesagt: Der Millionär, der Großunternehmer, der Konzern kann auswandern, aber Europa kann dem kleinen Mann helfen: durch stabile Preise, durch niedrige Zinsen. Das ist das Entscheidende. Das ist Bürgernähe. Das wäre ohne Europa heute undenkbar. Deshalb wendet sich meine Partei gegen Kleinstaaterei, gegen Kirchturmdenken und gegen Provinzialismus. Niemand in Europa will einen zentralistischen Staat. Jede andere Behauptung ist ein Popanz.
Herr Santer ist nicht der typische Vertreter Luxemburgs, der machtvoll alles an sich reißt. Wir müssen selbst bereit sein, die Regelungswut abzubauen. Wer auf Europa deutet, muß auch bereit sein, auf sich selbst zu deuten. Wer in Deutschland nicht zu Deregulierung, zu Privatisierung, zu Flexibilisierung bereit ist, der hat überhaupt kein Recht, auf Brüssel zu deuten.
Bürgernähe beginnt immer zu Hause. Ich kann Ihnen nur sagen: Globalisierung, Einführung des Euro und Osterweiterung werden den Reformdruck verschärfen. Sie können sich dem gar nicht mehr entziehen. Das Licht von Herrn Clement leuchtet doch nur deshalb so stark, weil er etwas selbstverständlich Liberales gesagt hat. Was Herr Clement gesagt hat, ist überhaupt nichts Neues.
Nur weil sich in Nordrhein-Westfalen 15 Jahre lang nichts mehr bewegt hat, ist er die große Hoffnung.
- Meine Damen und Herren, ich rede zu Europa und komme zum Schluß.
Gerade in Wahlkampfzeiten kommt es darauf an, die Europapolitik nicht zu instrumentalisieren, sondern die Reformbereitschaft der Bürger zu erhöhen. Deutschland muß im März 1999 entscheidende Reformen in Deutschland beschließen. Jede Partei ist aufgefordert, dafür Bereitschaft beim Bürger zu erzeugen.
Wir sind eine Partei, die sich immer für Reformen, immer für Europa eingesetzt hat. Am Ende des Prozesses muß eine liberale europäische Verfassung stehen.
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Ich gebe dem Abgeordneten Dr. Gregor Gysi das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist der Vorwurf erhoben worden, daß dies bisher gar keine Debatte zum EU-Gipfel war, sondern eher eine Wahlkampfveranstaltung. Wenn dies wirklich eine Wahlkampfveranstaltung war, habe ich allerdings das Gefühl, daß die Luft aus dem Wahlkampf raus ist oder zumindest offensichtlich neu Luft geholt werden muß.
Das Ganze zeichnete sich durch eine gewisse gähnende Langeweile aus, als ob das Desinteresse überwiegt. Das ist traurig angesichts des Themas, um das es hier geht.
Nun hat uns der Bundeskanzler die Freude gemacht, uns so gut wie nichts über das Gipfeltreffen in Cardiff zu erzählen. Es ist schwer, als Oppositionspolitiker zu einem Treffen Stellung zu nehmen, an dem man nicht teilgenommen hat. Wenn dann derjenige, der teilgenommen hat, nichts erzählt, wird es natürlich noch schwieriger.
Wenn ich es richtig verstanden habe, hat der EUGipfel zum Beispiel die gesamte Reform der Finanzierung der Europäischen Union auf den Herbst verschoben. Wenn ich das wiederum richtig verstanden habe, heißt das, daß man die deutschen Vorschläge nicht jetzt schon ablehnen wollte, um dem Kanzler bei der Wahl nicht zu schaden. Man will sie erst im Herbst ablehnen. Ich glaube, das kann man so übersetzen, unabhängig davon, wie wir zu den einzelnen Vorschlägen stehen.
Es wäre natürlich höchste Zeit, jetzt die Weichen in Richtung Osterweiterung der Europäischen Union zu stellen, wenn wir mit der europäischen Integration vorankommen wollen. Aber der Bundeskanzler hat es vorgezogen, über Innenpolitik zu sprechen. Dazu muß man natürlich einige Bemerkungen machen.
Er erwähnte laufend den Aufschwung in der Bundesrepublik Deutschland und wies auf entsprechende Zahlen hin. Dies soll bei den Wählerinnen und Wählern den Eindruck vermitteln: Jetzt läuft alles in die richtige Richtung, die Reformen beginnen zu greifen, es wäre ein großer Fehler, das Pferd zu wechseln.
Dr. Gregor Gysi
Das Problem ist nur, daß wir es mit einem leichten konjunkturellen Aufschwung zu tun haben. Danach kommt ein konjunktureller Abschwung. Der Kanzler hat nicht erzählt, wohin die Arbeitsplätze, die jetzt entstehen, wieder entschwinden werden und wie er dann mit den entsprechenden Zahlen und Fakten umgehen wird. Es geht hier um notwendige langfristige Veränderungen der Politik und nicht um kleine konjunkturelle Veränderungen rauf und runter, die zum Beispiel im Osten nicht einmal in irgendeiner Form greifen, wie wir das gegenwärtig erleben.
Der Kanzler hat die Situation in den neuen Bundesländern überhaupt nur mit zwei Bemerkungen erwähnt, und dies - wie ich finde - auch noch ziemlich albern. Er hat darauf hingewiesen, daß in der Industrie im Osten im Vergleich zum Jahre 1991 zum erstenmal wieder mehr Menschen beschäftigt worden seien. Dazu kann ich nur sagen: Der Bereich der Industrie ist in den neuen Bundesländern so winzig, daß wir kaum noch Zahlen dazu festhalten können. Das ist die eigentliche Tragik. Wir brauchen dort neue Ansätze für Beschäftigungspolitik; so wie in Europa insgesamt.
Das Problem in bezug auf Ost und West hat sich geändert. Sieben Jahre lang sind wir davon ausgegangen, daß der Westen in der Lage sei, den Osten mit hochzuziehen. Jetzt wird etwas anderes passieren: Der Osten wird den Westen runterziehen. In den alten Bundesländern werden Dinge keinen Bestand mehr haben, wenn es keinen Aufschwung im Osten gibt. Wer glaubt denn, daß der Flächentarifvertrag im Westen hält, wenn er im Osten zerstört ist? Wer glaubt denn, daß die Tarifautonomie im Westen hält, wenn es sie im Osten kaum noch gibt? Wir haben in den neuen Bundesländern einen derartigen Abbruch an Rechten, auch an sozialen Sicherungen, daß ich behaupte: Das wird das Modell für die schrittweise Umsetzung auch in den alten Bundesländern sein. Also brauchen wir auch im Interesse des Westens den Aufbau im Osten, und zwar so schnell wie möglich.
Darüber hinaus hätte ich mir sehr gewünscht, Herr Bundeskanzler, daß Sie Konzepte für Europa und für Deutschland vorgelegt hätten, wie wir im Kampf gegen die Arbeitslosigkeit wirklich weitermachen wollen. Wie verhalten Sie sich denn zu ein paar Grunderkenntnissen: Ist es richtig oder falsch, daß die Arbeitsproduktivität ständig zunimmt? Wenn es wahr ist, daß die Arbeitnehmer in immer kürzerer Zeit immer mehr herstellen, dann ist doch klar, daß wir eine Tendenz zum Abbau von Arbeitsplätzen haben. Mit dieser Tendenz können wir nur umgehen, wenn wir bereit sind, daraus die Schlußfolgerung zu ziehen, daß wir die Arbeit gerechter verteilen müssen, daß wir also die Arbeitszeit verkürzen müssen, und zwar in ganz Europa und in Deutschland. Nichts davon habe ich bei Ihnen gehört.
Sie wissen genausogut wie ich, daß wir in Deutschland 7 Millionen Beschäftigungslose haben - Erwerbslose, nicht Beschäftigungslose; zu tun haben die schon. Um so viele handelt es sich. Sie wissen auch, daß wir sie weder im öffentlichen Dienst noch in der Privatwirtschaft unterbringen werden. Warum diskutieren wir nicht - wie die US-Amerikaner - wenigstens über einen Non-Profit-Sektor, über einen Sektor, der sozusagen humanitär orientierte Dienstleistungen erbringt, der sich nicht nach Profit richtet, privatrechtlich strukturiert ist, aber öffentlich gefördert wird? Wir nennen das öffentlich geförderten Beschäftigungssektor. Dort könnten Millionen beschäftigt werden. Und bevor wir 1997 - und das Ganze 1998 und 1999 wieder -166 Milliarden DM direkt für Arbeitslosigkeit ausgeben, wäre es doch sinnvoller, davon einen solchen Sektor zu finanzieren und zu fördern. Millionen wären dann in dauerhaften Beschäftigungsverhältnissen.
Außerdem könnten wir wichtige Arbeit leisten, die so liegen bleibt: Kinder- und Jugendarbeit und vieles andere mehr.
Wir beklagen Rechtsextremismus und kürzen die Mittel für Kinder- und Jugendarbeit. Eine so reiche Gesellschaft wie die in der Bundesrepublik Deutschland ist nach wie vor nicht in der Lage, jeder Jugendlichen und jedem Jugendlichen nach Schulabschluß einen Ausbildungsplatz zu garantieren! Das ist doch das Mindeste, was man leisten muß, bevor man mit Kriminalitätsstatistiken kommt.
Ich sage Ihnen weiter: Wir haben eine Reform des Lohnnebenkostenmodells vorgeschlagen. Hier reden alle davon, die Arbeitskosten seien zu hoch, vor allem die Lohnnebenkosten. Dann lassen Sie uns doch mal eine Reform machen, aber nicht, indem wir die Mehrwertsteuer erhöhen oder die Mineralölsteuer - solche Umverschiebereien bringen doch gar nichts -, sondern indem wir sagen: Gut, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zahlen im Prinzip ihre Beiträge wie heute - wenn wir sie senken können, um so besser, und je schneller, desto besser -, aber die Unternehmen zahlen nicht mehr die anderen 50 Prozent, werden also immer dafür bestraft, daß sie besonders hohe Bruttolöhne zahlen oder besonders viele Beschäftigte haben, sondern die Unternehmen zahlen statt dessen eine Wertschöpfungsabgabe, jedes Vierteljahr, immer nach der Wertschöpfung der letzten drei Monate, höchst flexibel. Das heißt, sie zahlen nach ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit in die Versicherungssysteme, es werden aber nicht diejenigen Unternehmen besonders bestraft, die besonders viele Beschäftigte haben, während diejenigen, die über den Einsatz von Technik und Technologie riesige Profite machen, kaum noch etwas in die Versicherungssysteme einzahlen.
Das wäre eine gerechtere Lösung. Wenigstens durchrechnen lassen könnten Sie das doch einmal, um ein Signal in Richtung Arbeitsplätze zu geben.
Sie reden hier immer von einer großen Steuerreform, womit Sie ja meinen, daß Sie die Vermögenden, die Besserverdienenden immer noch weiter entlasten und den Reichtum weiter fördern wollen.
Dr. Gregor Gysi
Warum führen Sie nicht wenigstens eine kleine Reform durch? Erklären Sie heute einem Unternehmer einmal folgendes: Weshalb muß er für Geld, das im Unternehmen bleibt und das er für Investitionen einsetzen könnte, mehr Steuern bezahlen als für das Geld, das er für private Zwecke entnimmt? Solange Sie das so lassen, weisen Sie ihn darauf hin: Bitte, entnimm es und investiere es nicht! Das ist das Signal, das der Gesetzgeber setzt.
- Aber selbstverständlich ist das so.
Zweites Beispiel - wieder ein Vergleich mit der Investition -: Wenn heute einer an der Börse spekuliert und einen Gewinn von 1 Million DM macht - nach sechs Monaten; das ist die einzige Frist, die er beachten muß -,
dann bezahlt er auf diesen Reingewinn überhaupt keine Steuern. Aber fragen Sie mal den Einzelhändler, wieviel Steuern er abführen muß, wenn er einen Sakko verkauft!
Wenn Sie das miteinander vergleichen, dann wissen Sie, warum in Deutschland immer mehr Geld aus Geld und immer weniger Geld aus Produktion und Dienstleistung und damit mit Hilfe von Arbeitskräften gemacht wird. Das ist eines der Probleme, und das hätten Sie in einer Woche ändern können, wenn Sie gewollt hätten. Sie hatten dazu 16 Jahre Zeit und haben dieses Steuerrecht nicht umgestellt.
Wenn Sie ernsthaft wollen, daß auch wieder neue Arbeitsplätze in größerem Umfange entstehen, müßten Sie mehr in Bildung und Forschung investieren, als Sie es getan haben. Sie müßten darüber hinaus zulassen, daß sich die Kommunen selbst verwalten, so daß auch sie in die Lage versetzt werden, regionale Wirtschaftskreisläufe in Gang zu setzen, Arbeitsplätze zu erhalten und neue zu schaffen.
Wir brauchen einen ökologischen Umbau, weil auch er tatsächlich dazu beitragen würde, viele Arbeitsplätze zu schaffen. Letztlich bräuchten wir auch eine Förderung kleiner und mittelständischer Unternehmen. Davon redet die F.D.P., davon reden auch CDU und CSU. In Wirklichkeit aber gibt es eine solche Förderung seit Jahren nicht mehr. Vorhin mußte auch der Sprecher der CDU/CSU, Herr Stoltenberg, einräumen, daß die großen Unternehmen keine Steuern mehr zahlen. Die großen Unternehmen haben sich aus der Finanzierung der Bundesrepublik Deutschland verabschiedet. Die Bundesrepublik wird nur noch von den Lohnabhängigen und von den kleinen und mittelständischen Unternehmen, die es sich nicht leisten können, ihrer Steuerpflicht durch einen Briefkasten in Luxemburg zu entgehen, finanziert. Das ist die Realität, mit der wir es zu tun haben.
Solange die Politik so ist, wird sich daran auch nichts ändern. Hinzu kommt, daß wir endlich wieder eine Stärkung der Kaufkraft benötigen. Das heißt: Schluß mit Sozialkürzungen, Schluß mit Zuzahlungen bei Medikamenten und anderen ärztlichen Leistungen - aus humanitären und sozialen, aber auch aus ökonomischen Gründen.
Der Reichtum hat während Ihrer Regierungszeit enorm zugenommen. Schauen Sie sich einmal die Statistik der Bundesbank an. Sie besagt - an der Tatsache kommen Sie nicht vorbei; die Bundesbank ist nun wirklich nicht PDS-nah -, daß von Ende 1990 bis Ende 1997 bei 10 Prozent der Bevölkerung allein das Geldvermögen um 2000 Milliarden DM zugenommen hat.
In der gleichen Zeit wird der Staat ärmer, weil Sie die Vermögenden nicht entsprechend zur Kasse bitten und weil diese sich ihrer Steuerpflicht entziehen können.
Zur gleichen Zeit gibt es immer weniger Arbeitsplätze, weil das Geld gar nicht für Investitionen eingesetzt wird. Sie schaffen nur Reichtum, aber Sie lösen keine ökonomischen und sozialen Probleme. Deshalb wird es höchste Zeit nicht nur für einen Regierungswechsel, sondern auch für einen wirklichen Politikwechsel in der Bundesrepublik Deutschland.
Für die Bundesregierung spricht der Bundesminister der Finanzen, Dr. Theodor Waigel.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte von diesem Ort aus und bei dieser Gelegenheit meinem Vorgänger, Dr. Gerhard Stoltenberg, sehr herzlich Dank und Respekt für eine großartige politische Lebensleistung aussprechen.
Lieber Herr Kollege Stoltenberg, Sie haben sich eine ungeheure Achtung in ganz Deutschland über alle Parteigrenzen hinweg erworben. Wir danken Ihnen für das, was Sie für die CDU/CSU und für diese Koalition als Bundesminister und als Parlamentarier,
Bundesminister Dr. Theodor Waigel
aber auch als Ministerpräsident geleistet haben. Das ist eine großartige Leistung, vor der wir uns verneigen.
Der Europäische Rat von Cardiff stellt mit seinen Orientierungspunkten eine entscheidende Zwischenstation der europäischen Gestaltungsarbeit dar. Was haben wir erreicht? Die Höhe unseres Finanzbeitrages steht jetzt auf der Tagesordnung. Das ist richtig und wichtig, und es ist notwendig und gerecht.
Cardiff erteilt dem Euro-Zentralismus eine klare Absage. Insofern war die Initiative von Bundeskanzler Helmut Kohl und vom französischen Staatspräsidenten Chirac notwendig und richtig, und sie gibt der künftigen europäischen Politik Strukturen.
Unsere Wirtschafts- und Finanzpolitik erfährt durch die Empfehlungen zu den „Grundzügen der Wirtschaftspolitik" und durch die Aktionspläne zur Beschäftigungspolitik eine klare Bestätigung.
Die Gemeinsamkeit bei den internationalen Aufgaben in Asien und Rußland wurde gestärkt.
Die Finanzminister haben bei ihrer Analyse der Wirtschaftslage in Europa erfreulicherweise zunehmend positive Wirtschaftsdaten feststellen können. Insbesondere gilt dies mit Blick auf die Beschäftigung. Wir werden die Zahlen - 3,8 Prozent mehr Wirtschaftswachstum gegenüber dem Vorjahr, also etwa 1 Prozent mehr gegenüber dem Vorquartal; mehr als 200 000 Arbeitslose weniger - nicht verschweigen. Das sind ganz entscheidende Zahlen; sie sind durch unsere Politik zustande gekommen. Das ist unser Aufschwung, zu dem Sie von der SPD nichts, aber auch gar nichts beigetragen haben, außer daß Sie versucht haben, uns Knüppel zwischen die Beine zu werfen.
Das, meine Damen und Herren, werden wir der Bevölkerung in den nächsten Tagen, Wochen und Monaten in aller Klarheit auch mitteilen.
Wir haben in Cardiff die nationalen Aktionsplane der Mitgliedstaaten beraten. Diese Aktionspläne verschaffen der Wirtschaftspolitik neue Impulse im Kampf gegen die hohe Arbeitslosigkeit. Wir setzen damit in Deutschland eine als richtig erkannte Strategie fort. Der Aktionsplan ist in unsere gesamtwirtschaftliche Konzeption eingebunden. Diese ist auf Stabilität, gesunde öffentliche Finanzen und strukturelle Reformen auf den Arbeits- und Gütermärkten ausgerichtet.
Ich bin sehr dankbar, daß die Staats- und Regierungschefs die Stabilitätserklärung der Finanzminister vom 1. Mai nochmals eindeutig bekräftigt und unterstützt haben. Das ist eine Fortsetzung dessen, was wir in den Kriterien im Vertrag verankert haben, was wir durch den Stabilitäts- und Wachstumspakt zusätzlich an Stabilität erreicht haben und was durch die Stabilitätserklärung noch einmal erhärtet worden ist.
Dabei ist entscheidend: Wettbewerbsfähige Arbeitsplätze entstehen nur auf dem ersten Arbeitsmarkt. Die aktive Arbeitsmarktpolitik hat dabei eine Brückenfunktion. Aber langfristig wettbewerbsfähige Arbeitsplätze werden hierdurch nicht geschaffen.
Entscheidend sind die Rahmenbedingungen. Nicht nur die Koalition, sondern auch die Bundesbank, der Sachverständigenrat, die OECD, der IWF, die Weltbank, alle sagen: Niedrigere Steuersätze im Sinne dessen, was diese Regierung, diese Koalition, in den Petersberger Steuerbeschlüssen erarbeitet und was hier im Bundestag miteinander beschlossen wurde, sind nochmals ein entscheidender Impuls für mehr Arbeitsplätze in Deutschland. Und Sie haben das verhindert! Mit dieser negativen Verantwortung müssen Sie leben.
Meine Damen und Herren, der Steuerpolitiker Joschka Fischer wird der Bevölkerung noch einmal erklären müssen, was 5 DM für einen Liter Benzin bedeuten. Entweder stehen Sie zu dem, was Sie einmal für richtig erkannt haben - dann sollten Sie auch vor Wahlen dazu stehen -, oder Sie sind ein Opportunist. Sie reden von Populismus. Wer treibt denn den Populismus auf die Spitze und will die Bürger vor den Wahlen dazu anlügen, was er nachher für den Liter Benzin von ihnen verlangen will?
Sie müssen schon eine Antwort auf die Frage geben, wie der Bürger die notwendige Mobilität, die wir ihm zumuten, bezahlen soll.
Meine Damen und Herren, der deutsche Aktionsplan erfüllt auch die quantitativen Leitlinien. Die Jugendarbeitslosigkeit in Deutschland ist Gott sei Dank nur halb so hoch wie im europäischen Durchschnitt. Langzeitarbeitslosen wird innerhalb von sechs Monaten eine Maßnahme zur aktiven Arbeitsmarktpolitik bzw. zur intensiven Beratung angeboten. Der Anteil der aktiven Arbeitsmarktpolitik an allen Maßnahmen liegt bei über 20 Prozent.
Nur, klar muß auch sein: Die Hauptverantwortung für den Arbeitsmarkt und für die Schaffung neuer Arbeitsplätze liegt bei den Tarifpartnern. Die Politik kann die Verantwortung der Tarifpartner nicht übernehmen, sondern muß ganz klar auf diese Verantwortung hinweisen. Der Staat darf nicht zum Reparaturbetrieb für eine falsche Lohnpolitik werden.
Meine Damen und Herren, weitere Strukturreformen sind unverzichtbar. Mit der Einführung des Euro fallen Wechselkurse als Ausgleichsmechanismen fort. Der Wegfall des Wechselkursschleiers legt damit Standortschwächen und natürlich auch Standortstärken sehr offen dar.
Die Globalisierung steigert weltweit den Wohlstand; sie erhöht aber auch die internationale Arbeitsteilung und intensiviert den Wettbewerb. Die Flexibilität auf den europäischen Güter-, Dienstleistungs- und Arbeitsmärkten muß deshalb durch weitere Strukturreformen erhöht werden.
Bundesminister Dr. Theodor Waigel
Das findet sich in den Empfehlungen zu den Grundzügen der Wirtschaftspolitik wieder. Hier wird die Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit ganz eindeutig herausgearbeitet. Solche Elemente einer Strukturreformpolitik sind: bessere Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten, die Beseitigung von bürokratischen Hemmnissen, Deregulierung, Privatisierung, Senkung der Steuer- und Abgabenlast sowie Unterstützung von innovativen Unternehmen.
Diese Strukturreformen müssen mit unserer erfolgreichen, stabilitätsorientierten makroökonomischen Politik Hand in Hand gehen. Die Finanzpolitik wird deshalb unverändert auf Konsolidierung ausgerichtet sein. Die Geldpolitik der EZB wird durch Preisstabilität die monetären Grundlagen für ein inflationsfreies Wachstum legen. Für die Strukturpolitik sind die einzelnen Mitgliedsstaaten zuständig. Diese Zuständigkeiten werden wir nicht verwischen.
Nach allgemeiner Ansicht kann eine Verbesserung der Risikokapitalmärkte wichtige Impulse zum Abbau der Arbeitslosigkeit geben. In dem Zusammenhang werden wir das fortsetzen, was wir mit dem Dritten Finanzmarktförderungsgesetz begonnen haben. Wir sind - davon bin ich überzeugt - auf dem richtigen Weg und unterstützen das, was die Kornmission in ihrem Bericht dargestellt hat. Die Einführung des Euro Anfang nächsten Jahres wird die Entwicklung der gesamteuropäischen Kapitalmärkte fördern. Es ist eine der großen Chancen des Euro, daß über ihn einer der größten Finanzmärkte entsteht und der Finanzstandort Deutschland damit eine neue Chance bekommt, die wir mit aller Kraft unterstützen werden.
Wir haben das Thema Rußland angesprochen. Für uns ist es von ganz großer Bedeutung, daß dieses Land wirtschaftlich stabil ist. Deshalb unterstützt die Europäische Union - bei allen makroökonomischen Stabilisierungserfolgen - nachdrücklich die Absicht der russischen Regierung, die Wirtschafts- und Strukturreformen in enger Zusammenarbeit mit den internationalen Finanzinstitutionen zu intensivieren - besonders mit Blick auf die Stärkung der Steuerverwaltung.
Die Finanzminister haben ihre Sorge über die Lage in Japan zum Ausdruck gebracht. Das reale BIP ist zwei Quartale hintereinander gefallen; auch die Parität des Yen zum Dollar hat sich weiter verschlechtert. Insgesamt belastet diese Entwicklung die wirtschaftliche Erholung im gesamten südostasiatischen Raum. Deshalb ist eine Stärkung des Finanzsystems vordringlich; das ist aus unserer Sicht das wichtigste Element. Notwendig sind daneben Strukturreformen und die Umsetzung der angekündigten haushaltspolitischen Maßnahmen. Die japanische Regierung hat gestern angekündigt, Maßnahmen in diesen drei Bereichen beschleunigt umzusetzen. Außerdem hat es auf dem Devisenmarkt gestern Interventionen zugunsten des Yen gegeben. Wir begrüßen alle Maßnahmen, die zur Belebung der japanischen Binnennachfrage und zur Stärkung des Vertrauens von Verbrauchern und Unternehmen beitragen.
Wir hoffen des weiteren, daß die wirtschaftlichen und politischen Reformen in Indonesien zum Ziel führen und daß damit in diesem Bereich das erreicht wird, was in Korea und in Thailand mit - wie ich meine - beachtlichem Erfolg auf den Weg gebracht worden ist.
Zur künftigen Ausrichtung der Europäischen Union: Wir müssen den institutionellen Rahmen, den wir uns in der EU gegeben haben und der sich über Jahrzehnte hin entwickelt hat, einer Revision unterziehen. Wir müssen alles daran setzen, eine entscheidungs- und handlungsfähige Europäische Union zu schaffen. Dabei müssen wir die Vielfalt der kulturellen und regionalen Traditionen als eine Quelle der Vitalität und Stärke Europas bewahren. Davon hängt die Akzeptanz Europas ganz entscheidend ab. Wenn wir über das, was die Menschen in ihrer Heimat denken, hinwegehen, wenn die Identifizierung mit der Region, der Heimat, dem Land und auch der Nation und dem Vaterland nicht erhalten bleibt, dann wird die notwendige Akzeptanz Europas nicht gegeben sein. Alle drei Dinge sind notwendig: die Identifizierung mit der Heimat, das Bewußtsein in der Nation und die Notwendigkeit, zu diesem Europa der Vaterländer zu stehen. Daneben müssen wir voranbringen, was die Europäische Union bisher noch nicht wirkungsvoll genug getan hat, nämlich eine gemeinsame Außenpolitik, eine gemeinsame Sicherheitspolitik und eine gemeinsame Bekämpfung der Kriminalität. Damit können wir dem Bürger sagen, wie notwendig diese europäische Zusammenarbeit auch für die Durchsetzung der Interessen der Bürger ist.
Das hat mit Wahlkampf und mit Regionalismus überhaupt nichts zu tun.
Wir wollen keinen Zentralstaat. Trotz manchem Ärger über den Föderalismus sind wir mit dem Föderalismus gut gefahren. Wir wollen dieses bewährte Strukturelement auch in Europa zum Tragen bringen. Wir wollen kein zentralistisches, sondern ein gegliedertes Europa. Das ist unsere Vorstellung von der Zukunft in Europa.
Zur Agenda 2000. Die Kommission geht in der Agenda 2000 zusammen mit der großen Mehrheit der Mitgliedstaaten davon aus, bis zum Jahre 2006 die geltende Eigenmittelobergrenze von 1,27 Prozent des gemeinschaftlichen BSP beizubehalten. Die Bundesregierung begrüßt diese Aussage. Wir müssen aber weiter gehen. Niedrigere Ansätze als von der Kommission vorgeschlagen sind in den großen Ausgabebereichen der mittelfristigen Finanzplanung der Europäischen Union notwendig und möglich. Der nicht mit Ausgaben belegte Spielraum unterhalb der Obergrenze für die EU-Eigenmittel muß aus mehreren Gründen größer ausfallen, als von der Kommission vorgesehen.
Die Gemeinschaft muß die Konsolidierungsanstrengungen der Mitgliedstaaten durch strikte Haushaltsdisziplin unterstützen. In den letzten Haushaltsjahren haben wir hier große Fortschritte gemacht, an
Bundesminister Dr. Theodor Waigel
die wir anknüpfen müssen. Diese Notwendigkeit wird von keinem Mitgliedstaat mehr bestritten.
Auch nach Abschluß der Übergangsphase, die über das Jahr 2006 hinausreichen wird, müssen die gesamten Kosten der Erweiterung im Rahmen der geltenden Eigenmittelobergrenze finanziert werden. Die Kommission hält die Finanzierung der künftigen Aufgaben im Rahmen der geltenden Eigenmittelobergrenze für möglich und wird dabei von einer großen Mehrheit von Mitgliedstaaten unterstützt. Wie zu erwarten war, gibt es jedoch Widerstand von Spanien und Griechenland.
- Herr Präsident, wäre es möglich, daß die Beratungen des Präsidiums so erfolgen könnten, daß sich der Redner auf seine Rede und auf die Reaktion der Mitglieder des Hohen Hauses konzentrieren kann. Ich äußere nur die höfliche Bitte.
Herr Minister, ich habe für Ihre Bemerkung die Uhr angehalten.
Ich bin Ihnen zutiefst dankbar, Herr Präsident. Ich weiß das zu würdigen.
Übereinstimmung besteht aber darin, daß eine neue finanzielle Vorausschau als mittelfristiger Rahmen für Haushaltsdisziplin und Ausgabeneffizienz von wesentlicher Bedeutung ist und über Politik- und Finanzfragen der Agenda 2000 nur im Paket entschieden werden kann.
Die gegenwärtige Lastenverteilung in der Europäischen Union ist von einem Ungleichgewicht geprägt: Deutschland trägt seit Jahren mit Abstand die größte Last beim Nettoressourcentransfer über den Gemeinschaftshaushalt, den wir - trotz zuletzt großer Anstrengungen bei der Haushaltsdisziplin - immer noch zu 60 Prozent finanzieren. Im Sinne der Vereinbarung, die bereits der Europäische Rat von Fontainebleau im Jahr 1984 getroffen hat, trägt Deutschland eine zu große Haushaltslast. Diese ist integrationspolitisch nicht mehr tragfähig. Die einseitige Abhängigkeit nur von der finanziellen Leistungsfähigkeit eines Partners liegt auch nicht im Interesse der Gemeinschaft insgesamt. Deutschland sollte deshalb - im Interesse aller Partner - durch eine Korrekturmaßnahme entlastet werden.
Ich denke dabei an einen allgemeinen Korrekturmechanismus, der generell übermäßige Nettobelastungen einzelner Mitgliedstaaten vermeiden soll. Eine neue Einzelfallregelung wird von Deutschland nicht angestrebt.
Wir konnten erfreulicherweise feststellen: Mit unserem Anliegen einer faireren Lastenteilung sind wir keineswegs isoliert. Wir konnten erreichen, daß Lastenteilung von jetzt an Bestandteil der weiteren Verhandlungen ist. Es ist ja nicht so, daß uns nur vier Staaten unmittelbar unterstützen, weil auch sie selbst unmittelbar betroffen sind; vielmehr ist es so, daß auch eine Reihe anderer Staaten, wie zum Beispiel Luxemburg, Belgien oder auch Frankreich und die Europäische Kommission, anerkennen, daß diese Lastenteilung auf die Dauer nicht zumutbar ist. Wenn dies so festgestellt wird, brauchen wir Deutschen uns mit unserer Forderung nach einer gerechten Lastenteilung doch nicht zu verstecken. Vielmehr ist es ganz normal, wenn wir hier unsere legitimen und berechtigten Anliegen vertreten.
Meine Damen und Herren, vor dem Hintergrund, daß ohne eine Änderung dieses Systems Österreich in wenigen Jahren 0,8 oder 0,9 Prozent seines BIP als Nettozahlung leisten müßte, stellt sich die Frage, ob das gerecht ist gegenüber einem Land, das mit einer überzeugenden Volksabstimmung eine sehr positive Grundstimmung für den Beitritt skandinavischer Staaten zur Europäischen Union herbeigeführt hat. Insofern liegt die Korrektur dieser überproportionalen, nicht zumutbaren Belastung im Interesse der gesamten Union und muß deswegen, wie ich meine, auch vernünftig umgesetzt werden.
Die Kommission hat zugesichert, die Frage der relativen Haushaltspositionen in ihrem Bericht zum Eigenmittelsystem im Herbst dieses Jahres aufzugreifen. Ich bin dankbar, daß der Bundeskanzler diese Frage im Kreise der Chefs mit aller Klarheit und Eindeutigkeit angesprochen und für eine Änderung gefochten hat. Es handelt sich um eine schwierige Frage. Wir können auf die Frage, ob sich Deutschland aus seiner Solidarität verabschiedet, sagen: Kein anderes Land hat so viel für die Solidarität innerhalb Europas im letzten Jahrzehnt und auch zuvor getan.
Das betrifft nicht nur unseren Beitrag zur Europäischen Union oder unseren Einsatz für Bosnien-Herzegowina. Es waren über 50 Milliarden DM, die wir für den Wiederaufbau der Demokratie und die Errichtung sozialer Marktwirtschaften in Mittel- und Osteuropa gegeben haben. Es waren über 100 Milliarden DM, die wir zur Stabilisierung der Nachfolgestaaten der früheren Sowjetunion gegeben haben. Damit haben wir weit über unser nationales Interesse hinaus einen Beitrag zu Frieden und zu einer guten Entwicklung in Europa und in der Welt geleistet. Da brauchen wir uns nirgendwo zu verstecken.
Eines ist auch klar: In einer so entscheidenden Phase, in einer Zeit so wichtiger Weichenstellungen erwarten auch die Partner von uns Kontinuität und Glaubwürdigkeit. Die Vorstellung, daß in der ersten
Bundesminister Dr. Theodor Waigel
Hälfte nächsten Jahres Joschka Fischer Ratspräsident wäre, graust nicht nur den Deutschen, sondern ganz Europa.
Die nächsten Monate werden hohe Anforderung an unsere europapolitische Gestaltungs- und Durchsetzungsfähigkeit stellen. Es sind nur wenige Monate, bis unter deutschem Vorsitz auf dem Europäischen Rat im März 1999 ein Paket geschnürt werden kann. Deshalb muß im Vorfeld, noch unter österreichischem Vorsitz, soviel wie möglich geklärt werden. Wir werden eine enge Zusammenarbeit mit Osterreich suchen.
Am Ende unserer Präsidentschaft im ersten Halbjahr 1999 wollen wir folgendes erreicht haben: die Verabschiedung eines soliden Finanzrahmens der EU bis 2006 einschließlich einer fairen Lastenteilung bei den EU-Finanzen, die Konsolidierung des europäischen Einigungsprozesses, damit die EU die nächste Erweiterungsrunde bewältigen kann, und die Verwirklichung der Subsidiarität in allen Bereichen der europäischen Politik.
Meine Damen und Herren, wir befinden uns in einer Phase tiefgreifender Veränderungen und Entscheidungen.
Anfang 1999 übernimmt Deutschland die Präsidentschaft in der Europäischen Union und den Vorsitz der G-7-Staaten, der sieben wichtigsten Industrienationen der Welt. In dieser Zeit werden entscheidende Weichenstellungen für Deutschland, Europa und die Welt vorgenommen. In dieser Zeit vertrauen die Bürgerinnen und Bürger Deutschlands auf Bundeskanzler Helmut Kohl und auf diese Bundesregierung.
Ich danke Ihnen.
Ich gebe das Wort dem Abgeordneten Ottmar Schreiner.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch ich möchte zunächst die Gelegenheit nutzen, dem Kollegen Stoltenberg, den ich trotz aller politischen Gegensätze immer als einen untadeligen Parlamentarier empfunden habe, alles Gute für den weiteren Lebensweg zu wünschen.
Ansonsten geht es heute vormittag hier nicht besonders vornehm zu. Das hat wohl damit zu tun, daß keine Wahlkampfreden gehalten werden.
- Ich werde mir große Mühe geben, mich in den vornehmen Charakter dieser Debatte behutsam hineinzufinden.
Ich will ein paar Bemerkungen zu dem Zusammenhang Europa und Beschäftigung machen, weil ich glaube, das ist das zentrale Thema des Vormittags. Wenn man über Europa und Beschäftigung debattiert, muß man über die Gesamtbilanz reden, die die Bundesregierung am Ende dieser Legislaturperiode in Sachen Beschäftigung und Bekämpfung der Arbeitslosigkeit vorzulegen hat. Diese Gesamtbilanz ist allerdings verheerend. Keine Bundesregierung seit 1949 hat eine insgesamt derart verheerende Schlußbilanz zu präsentieren wie diese Bundesregierung.
Ich will Ihnen das an Hand von wenigen Beispielen deutlich machen: Wir haben am Ende dieser Legislaturperiode knapp 1 Million Arbeitslose mehr als am Ende der letzten Legislaturperiode. Wohlgemerkt: Dies ist immer vor dem Hintergrund des strategischen Zieles der Regierung zu sehen, die Arbeitslosigkeit bis zum Jahr 2000 zu halbieren. Nichts ist aber halbiert worden. Von Jahr zu Jahr stieg die Arbeitslosigkeit. Wir sind das einzige Land in der Europäischen Union, in dem die Arbeitslosigkeit in den letzten Jahren von Jahr zu Jahr gestiegen ist. Die Holländer haben eine Arbeitslosenquote von unter 5 Prozent; die Dänen haben es geschafft, sie von 13 auf unter 7 Prozent zu halbieren; die Franzosen wie auch die Briten konnten den Anstieg der Arbeitslosigkeit stoppen. Viele andere Länder haben in diesem Bereich Fortschritte gemacht. Das einzige Land, in dem die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt von Jahr zu Jahr weiterhin negativ verlief, ist Deutschland.
Die Reallöhne 1997 waren niedriger als 1990. Das ist unter anderem ein Ergebnis der hohen Abgabenlast. Wir haben einen historischen Höchststand, was die Steuer- und Abgabenbelastung der Arbeitnehmerschaft in Deutschland anbelangt. Wir haben die höchste Staatsverschuldung seit Bestehen dieser Republik.
Die Sozialversicherungsbeiträge sowohl im Osten wie auch im Westen Deutschlands haben ihrerseits einen historischen Höchststand mit einem Anteil von über 42 Prozent am Bruttoeinkommen erreicht. Das sind die wesentlichen Posten der Schlußbilanz dieser Regierung.
Der Bundeskanzler hatte in den frühen 80er Jahren die von ihm damals intendierte Abwahl der sozialliberalen Koalition im wesentlichen mit drei Motiven begründet: Erstens hat er gesagt: Diese Regierung muß abgelöst werden, weil die Arbeitslosigkeit in Deutschland viel zu hoch ist. Ich stelle fest: Wir haben heute allein in Westdeutschland eine mehr als doppelt so hohe Arbeitslosigkeit wie im Jahr 1982, im Jahr des politischen Wechsels. Wenn Helmut Kohl
Ottmar Schreiner
seine eigenen Kriterien ernst nehmen würde, müßte er schon aus diesem einen Grund seinen Rücktritt einreichen.
Zweitens. Der Bundeskanzler hat damals die politische Wende mit der These begründet, die Abgabenbelastung der Menschen sei zu hoch. Ich betone nochmals: Die Abgabenbelastung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer hat 1998 einen historischen Höchststand erreicht. Im wachsenden Maße haben viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht einmal die Hälfte ihres Bruttoeinkommens als verfügbares Einkommen. Das ist das Ergebnis einer massiven Umverteilungspolitik dieser Bundesregierung, die zu Lasten der Menschen geht.
Auch aus diesem Grund müßte Helmut Kohl, wenn er sich beim Wort nehmen würde, zurücktreten.
Drittens hat der Bundeskanzler 1982 gesagt: Ein wesentlicher Grund für den notwendigen Rücktritt des Kanzlers Helmut Schmidt und der sozialliberalen Koalition ist die viel zu hohe Staatsverschuldung. Wir haben heute eine Staatsverschuldung, die um ein Vielfaches höher ist als 1982. Auch aus diesem Grund müßte der Kanzler konsequenterweise zurücktreten, wenn er seine eigenen Erklärungen aus den frühen 80er Jahren ernst nehmen würde.
Wenn man also die Schlußbilanz dieser Regierung betrachtet, dann kann man feststellen: Keine Regierung in Europa verfügt über ein derart miserables Ergebnis am Ende der Legislaturperiode.
Nun zu dem vielbeschworenen Beschäftigungsaufschwung. Ich gehöre nicht zu denen, die ökonomische Besserungstendenzen leugnen würden. Ich gehöre auch nicht zu denen, die bestreiten, daß die Daten hinsichtlich des Wirtschaftswachstums besser geworden sind. Das ist gut so. Aber es gibt nicht den geringsten Anlaß zur Selbstbejubelung, Herr Waigel. Es gibt nicht den geringsten Anlaß, von einer grundlegenden Trendwende zu reden.
Ich will einmal aus dem Berliner „Tagesspiegel" zitieren. Das ist eine Zeitung, die, vermute ich, eher in Ihr Spektrum paßt. Im „Tagesspiegel" vom 10. Juni dieses Jahres heißt es unter der Überschrift „Aus der Statistik herausgekauft" :
Aufschwung am Arbeitsmarkt gleich Rückkehr ins Kanzleramt - damit diese Gleichung aufgeht, hat die Bundesregierung tief in die Tasche gegriffen. Im laufenden Jahr können die Arbeitsämter 11,6 Milliarden DM für sogenannte arbeitsmarktpolitische Maßnahmen ausgeben, fünf Milliarden mehr als 1997. Die Arbeitslosen werden also gewissermaßen aus der Statistik gekauft, in der sie dann im nächsten Jahr wieder auftauchen. Von einer nachhaltigen Bekämpfung der Beschäftigungskrise kann keine Rede sein.
Soweit der „Tagesspiegel" . Dieser Einschätzung ist zuzustimmen.
Auf der europäischen Ebene bekam das Thema Beschäftigung zum erstenmal im November letzten Jahres auf dem Beschäftigungsgipfel in Luxemburg eine besondere Bedeutung. Man muß der Wahrheit zuliebe sagen, daß dieser Durchbruch, das Thema Beschäftigung zu einem zentralen europäischen Thema zu machen, der deutschen Bundesregierung geradezu aufgenötigt werden mußte. Sie hat über Jahre versucht, das Thema Beschäftigung als europäisches Thema zu verhindern. Der Weg für den europäischen Beschäftigungsgipfel in Luxemburg ist überhaupt erst durch die Abwahl der beiden konservativen Regierungen in Großbritannien und Frankreich frei geworden. Die Bundesregierung konnte ihn danach nicht mehr verhindern.
Im übrigen hatten wir bereits 1993 ein hervorragendes Weißbuch der Europäischen Kommission mit dem Titel „Wachstum und Beschäftigung in Europa". Das wäre eine tolle Grundlage für einen Beschäftigungsgipfel bereits 1994 gewesen. Über Jahre hat die deutsche Bundesregierung alles getan, um den Zusammenhang Europa und Beschäftigung trotz fast 20 Millionen Arbeitsloser in der Europäischen Union zu leugnen. Das ist ein schwerer, ein kardinaler europapolitischer Fehler dieser Regierung.
Dann konnten Sie aber die Ziele, die in Luxemburg vereinbart worden sind, doch relativ deutlich verwässern. Jedenfalls ist eines festzuhalten: Von der Verbindlichkeit, mit der in Europa und vor allem von der deutschen Bundesregierung - das ist nicht zu kritisieren - um die Stabilitätskriterien von Maastricht gekämpft wurde, sind wir, was die Beschäftigungsziele anbelangt, meilenweit entfernt. Ich will versuchen, Ihnen das an der Leitlinie 1 von Luxemburg kurz zu erläutern.
Die Leitlinie 1 von Luxemburg verpflichtet die Regierungen, dafür zu sorgen, daß jeder arbeitslose Jugendliche im eigenen Land auf Grund eigener Vorschläge dieses Landes in einer angemessenen Zeit einen Ausbildungs- oder Arbeitsplatz erhält. Ich frage: Wo sind die Vorschläge der Bundesregierung im nationalen Aktionsplan, um dieses Leitziel Nr. 1 des europäischen Beschäftigungsgipfels zu realisieren? Wo sind die Instrumente? Wo ist die Stringenz analog der Stabilitätskriterien, mit der versucht werden soll, Hunderttausenden von arbeitslosen jungen Menschen in Deutschland wieder eine Arbeits- und Lebensperspektive zu geben?
Statt dessen wird dieses zentrale Problem in Deutschland von allen Rednern der Koalition kleingeredet. Der Bundeskanzler hat soeben davon gesprochen, in Deutschland seien 10,8 Prozent der jungen Leute arbeitslos; das sei weit weniger als im europäischen Schnitt.
Diese Zahlen, Herr Bundeskanzler, sind falsch. Lesen Sie den Jahreswirtschaftsbericht Ihrer eigenen Bundesregierung, über den wir vor der Osterpause hier im Parlament debattiert haben. Im Jahreswirtschaftsbericht der Bundesregierung steht, daß in Deutschland über 530 000 junge Menschen unter 25 Jahren weder einen Ausbildungs- noch einen Arbeitsplatz
Ottmar Schreiner
haben; dies sei ein höchst bedauerlicher Zustand. Punkt, Ende, nichts mehr. Diese 530 000 arbeitslosen jungen Menschen unter 25 Jahren sind 13 Prozent ihrer Generation.
Vor wenigen Wochen hat das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Öffentlichkeit eine ergänzende Untersuchung präsentiert. Tenor: Über die 530 000 hinaus gibt es weitere 140 000 junge Menschen in Deutschland unter 25 Jahren, die nicht erwerbstätig sind, aber in keinen Statistiken mehr auftauchen. Damit sind wir bereits bei fast 700 000 arbeitslosen jungen Leuten in Deutschland unter 25 Jahren. Das sind dann fast 18 Prozent ihrer Generation.
Vor diesem Hintergrund davon zu reden, hier handele es sich um kein ernstzunehmendes Problem in Deutschland, geht vollständig an der Wirklichkeit vorbei.
Deshalb sage ich Ihnen: Sie nehmen die Leitlinien von Luxemburg nicht ernst. Sie versuchen, die Probleme kleinzureden. Auch dies wäre Grund genug, am 27. September dieses Jahres dieser Bundesregierung und den sie tragenden Parteien die rote Karte zu zeigen.
Nun noch zu den nationalen Aktionsplänen. Wir sind so gut wie das einzige Land in Europa, in dem der nationale Aktionsplan diesem Parlament nicht einmal präsentiert und über den nicht einmal diskutiert wurde. Der nationale Aktionsplan ist im Stil einer geheimdienstlichen Operation nach Brüssel geschleust worden. Es hat überhaupt keine öffentliche Debatte gegeben. Die Eckpunkte sind nirgendwo präsentiert worden. Eine Diskussion über den Inhalt hat nie stattgefunden. Damit haben Sie Ihren nationalen Aktionsplan ganz bewußt kleingemacht und in der Versenkung verschwinden lassen.
Keine andere Regierung Europas hat die Verpflichtung, nationale Aktionspläne zu erstellen, so geringgeschätzt wie die deutsche Bundesregierung. Sie hat sich auf der europäischen Ebene geradezu blamiert. Die Europäische Kommission hat Sie nicht offen kritisiert. Das ist nicht der Stil der Europäischen Kommission. Aber es gibt nicht einen einzigen Punkt in Ihrem nationalen Aktionsplan, der von der Europäischen Kommission positiv bewertet worden ist. Das ist ein verheerender Verriß der Verwaltungsroutine, die Sie in Brüssel abgeliefert haben.
Ihre Redezeit!
Ich bin am Ende meiner Bemerkungen und möchte mit meiner ausdrücklichen Zustimmung zu dem Teil der Rede des Bundeskanzlers schließen, in dem er gesagt hat, die Wahl zum Deutschen Bundestag am 27. September entscheide nicht nur über die Gestaltung der Dinge in unserem Land, sondern sei auch für die weitere Kursbestimmung in Europa wesentlich. Die Bundesregierung ist das letzte Bollwerk in Europa, das sich gegen eine koordinierte Beschäftigungspolitik wendet. Die Bundesregierung ist die einzige Regierung, die über Jahre immer wieder verhindert hat, daß das Beschäftigungsthema zu einem zentralen europäischen Thema wird. Wer das Schicksal von über 20 Millionen Arbeitslosen in Europa zum Zentrum der europäischen Politik machen will, der muß das Bollwerk Bundesregierung schleifen. Dafür besteht am 27. September dieses Jahres Gelegenheit.
Für die Bundesregierung gebe ich dem Bundesaußenminister Dr. Klaus Kinkel das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Schreiner, ich will gleich am Anfang etwas zurückweisen. Sie haben behauptet, über das europäische Beschäftigungsprogramm sei hier im Deutschen Bundestag nicht diskutiert worden. Das ist eindeutig falsch. Dazu gab es eine ausführliche Debatte.
Der Bundeswirtschaftsminister beispielsweise hat darüber gesprochen und wird nachher die Einzelheiten dazu noch einmal darlegen.
Im übrigen: Daß Sie die Koalition und die Regierung als Bollwerk bezeichnen, kann nicht falsch sein.
Herr Kollege Stoltenberg, auch ich möchte mich ganz kurz an Sie wenden. Ich möchte Ihnen neben all dem Dank, der Ihnen bereits ausgesprochen wurde, für etwas ganz anderes danken, und zwar für etwas, worauf es in einem langen politischen Leben sehr stark ankommt. Ich möchte Ihnen für Solidität, für Souveränität und auch für Solidarität in schwierigsten Zeiten danken. Das war etwas, was Sie in ganz besonderer Weise ausgezeichnet hat.
Ich danke Ihnen auch als Außenminister für sehr viel, was Sie in den verschiedenen Funktionen, die Sie in Ihrem langen politischen Leben ausgeübt haben, für Deutschland nach außen getan haben. Herzlichen Dank!
Meine Damen und Herren, Euro, Erweiterung, Finanzen, Agrar- und Strukturreform- diese Stichworte sind heute vielfach genannt worden. Aber dieses
Bundesminister Dr. Klaus Kinkel
Europa ist natürlich nicht nur eine Großbaustelle, sondern ein Jahrhundertprojekt. In 562 Tagen beginnt das neue Jahrtausend. Die Bedingungen, ja die Welt, in der wir Europäer agieren, hat sich von Grund auf gewandelt. Wir müssen Abschied nehmen vom Denken und Handeln in Dimensionen, die zum 20. Jahrhundert gehören, die aber keine Antworten mehr auf die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts sind.
Die Dimensionen des 21. Jahrhunderts sind andere. Überall auf dieser Welt formieren sich neben all dem, was sich im politischen Bereich abspielt, gewaltige Wirtschaftsräume. Mit den USA im Zentrum umfassen die Zusammenschlüsse NAFTA und APEC die beiden bevölkerungsreichsten Kontinente.
Der weltweite Wettbewerb hat sich in einem Ausmaß verschärft, wie es noch vor einer Generation undenkbar gewesen wäre. Heute werden die Spielregeln für die Weltordnung des 21. Jahrhunderts gemacht, wirtschaftlich wie politisch.
Für die Exportnation Nummer zwei in der Welt - das sind wir Gott sei Dank - ist es von absolut zentralem Interesse, daß wir dabei ein gewichtiges Wort mitreden. Wir kommen im Alleingang allerdings nicht weit. Als wirtschaftsstärkste Nation Europas können wir nicht einfach im Windschatten mitsegeln, sondern wir müssen dabeisein. Wir Europäer müssen deshalb gemeinsam handeln, wenn wir auch in Zukunft eine Rolle auf dieser Weltbühne spielen wollen.
Die künftige Euro-Zone umfaßt 290 Millionen Menschen. Sie wird rund ein Fünftel der weltweiten Wirtschaftsleistung erbringen und auf einen Anteil am Welthandel von fast 19 Prozent kommen. Damit wird sie mit den USA gleichziehen und Japan den Rang als Nummer zwei der Weltwirtschaft abnehmen. Der Euro wird Europa zu einem Comeback auf der weltpolitischen Bühne verhelfen. Fundament dieser Euro-Zone ist nun einmal der Gemeinsame Markt. Wenn er, wie prognostiziert wird, jährlich um 3 Prozent wächst, gewinnt Europa Jahr für Jahr das Sozialprodukt Taiwans und damit sozusagen einen kleinen „Tiger" hinzu.
Europa braucht - das ist heute mehrfach zu Recht gesagt worden - sein Licht wahrhaft nicht unter den Scheffel zu stellen. Wir müssen uns unserer Stärken und unserer Möglichkeiten nur bewußt werden. Die Impulse der EU bei der Schaffung des neuen Welthandelssystems, unser Erfolg im Handelsstreit mit den USA, der Aufstieg der Airbus-Gruppe - dringend und zwingend erforderlich nach den industriepolitischen, Zusammenschlüssen in Amerika -, all dies beweist doch: Das Projekt Europa ist zukunftsfähig, wenn wir mit einer Stimme sprechen und alle zusammen an einem Strang ziehen.
Das zeigt am besten das Beispiel Euro. Mit ihm ist uns ein Quantensprung gelungen. Wir bündeln die europäischen Finanz- und Wirtschaftskräfte. In den
kommenden Monaten müssen wir den Zug nun auf das richtige Gleis setzen und Dampf machen. Der Kurs stimmt, aber die Union muß gewaltig an sich arbeiten, wenn sie den Globalisierungs-TÜV des 21. Jahrhunderts bestehen will.
Das ist der Hintergrund, vor dem wir das heute schon so oft beschworene Arbeitsprogramm der Agenda 2000 sehen müssen. Wir Deutsche müssen dabei Schrittmacher sein. Wir sind das mit weitem Abstand größte und wirtschaftsstärkste Land in der Europäischen Union. Es wird von uns erwartet, daß wir vorangehen. Wir müssen das vor allem ab 1. Januar 1999 tun, wenn wir die Präsidentschaft in der Union in einer nicht ganz einfachen Zeit übernehmen.
Vor uns liegt eine europapolitische Herkulesaufgabe. Die Kommission legt im Herbst ihre Überlegungen zum Finanzrahmen 2000 bis 2006 vor. Erst dann können wir abschließend über die Agrar- und Strukturreform beraten. Diese Debatte über Finanz-, Agrar- und Strukturfragen muß bis Ende März 1999 abgeschlossen sein, wenn sich das Europäische Parlament noch vor den Europawahlen im Juni 1999 mit dem Reformpaket befassen soll.
Wir haben also ein Zeitfenster von sechs Monaten. In diesen sechs Monaten wird und muß sich entscheiden, ob Europa gestärkt ins 21. Jahrhundert gehen wird oder ob wir dieses Jahrhundert in einem Zustand der Schwäche beginnen, was fatal wäre.
Die Diskussion in Cardiff hat in diesen schwierigen Fragen erste wichtige Orientierungen erbracht. Wir waren uns einig, daß wir die Agrar- und Strukturreformen brauchen. Eines ist klar: Die Vorschläge der Kommission, so wie sie jetzt vorliegen, sind, was die deutschen Bauern anbelangt, so nicht hinnehmbar. Darüber muß gesprochen werden; da werden wir deutsche Interessen vertreten. Was das Finanzsystem anbelangt, gilt das, was heute schon mehrfach gesagt wurde - das haben wir auch in Cardiff betont -: Wir brauchen und wollen eine gerechtere Lastenverteilung, insbesondere hinsichtlich der exorbitant zuungunsten Deutschlands in Unordnung geratenen Rückflüsse.
Meine Damen und Herren, das Programm der elften deutschen EU-Präsidentschaft von Januar bis Ende Juni 1999 wird so dicht wie nie in der Nachkriegszeit sein. Auf Deutschland ist in dieser Zeit noch nie eine derartige Belastung zugekommen, wie es im ersten Halbjahr 1999 der Fall sein wird.
Aller Voraussicht nach wird der Amsterdamer Vertrag in Kraft treten und damit erstmals anzuwenden sein. Wir haben - was vorher nicht möglich war - gleichzeitig mit der EU-Präsidentschaft auch die WEU-Präsidentschaft. Wir haben den Vorsitz bei G 7 bzw. G 8. Wir werden zum Europäischen Rat und zum Weltwirtschaftsgipfel nach Köln einladen. In
Bundesminister Dr. Klaus Kinkel
Berlin wird das große EU-Asean-Treffen stattfinden und in Stuttgart die Mittelmeerkonferenz Barcelona III, die wir gerade in Palermo vorbereitet haben. Deutschland hat erneut die historische Chance, natürlich im engsten Schulterschluß mit Frankreich, in einem entscheidenden Augenblick mitzuhelfen, Europa voranzubringen. Wir müssen in diesem Halbjahr unsere gesamte Erfahrung in die europäische Waagschale werfen.
Meine Damen und Herren, wir Deutsche haben die Erweiterung von Anfang an mit vorangetrieben. Sie war unser Ziel; wir tragen hier eine ganz besondere Verantwortung. Sie ist Wiedergutmachung an der Geschichte und eröffnet unserem Land Chancen, die vor der Haustür liegen. Diese Erweiterungsrunde wird so schwierig werden wie keine zuvor, und zwar deshalb, weil erstmals Länder in die Europäische Union, in ein Wertesystem martkwirtschaftlicher und demokratischer Strukturen, aufgenommen werden sollen, die über Jahrzehnte hinweg Diktatur und Kommandowirtschaft hatten.
Ich werde nicht müde, eines immer wieder zu sagen: Wir haben den Menschen in diesen Ländern - ihr Freiheitswille hat zur Wiedervereinigung beigetragen - über Jahrzehnte hinweg zugerufen: Kommt in unsere freiheitliche westliche Lebensgemeinschaft und Werteordnung! Legt Kommunismus und Marxismus ab! - Jetzt zu sagen „Für euch ist in diesem europäischen Haus kein Zimmer frei" , wäre nicht nur ungeschichtlich, sondern fatal und zutiefst undankbar - gerade von seiten der Deutschen.
Deshalb darf es keine unnötige Verzögerung im Erweiterungsprozeß geben.
Die Bundesregierung vertritt im bilateralen Verhältnis zu diesen Staaten, die in die Europäische Union wollen und sollen, deutsche Interessen mit Nachdruck. Wir werden aber den Beitritt neuer Mitgliedstaaten zur Europäischen Union nicht unzulässigerweise mit bilateralen Fragen verknüpfen.
Ein Wort zu Rußland. Rußland muß dabeisein, muß einen Platz in Europa haben. Es war eine der großen Leistungen dieser Koalition und dieser Regierung, mit dafür gesorgt zu haben, daß dies geschieht. Rußland einzubeziehen ist zentral wichtig. Das zeigt sich jetzt auch in der Kosovo-Frage: Da werden wir bei allen sonstigen Schwierigkeiten nämlich nur dann zu einer Lösung kommen, wenn wir Rußland einbeziehen. Das muß unser Ziel bleiben.
Ein Wort zur Türkei. Wir haben den Vertretern der Türkei in Cardiff gesagt, daß wir auch die Türkei in der Europäischen Union haben wollen. Es gab große Bemühungen, der Türkei zu zeigen, wie ihr der Weg nach Europa geebnet werden kann. Ich hoffe sehr,
daß die Türkei diese Bemühungen anerkennt und sich nicht selber vom europäischen Zug abkoppelt.
Ich habe in New York in der vergangenen Woche ein erstes Gespräch mit dem neuen Außenminister des Iran geführt und den Weg für einen vorsichtigen Neuanfang in unseren Beziehungen zu diesem wichtigen Land geebnet.
Meine Damen und Herren, die Bürger fragen zu Recht: Brauchen wir wirklich immer mehr Integration? Muß denn so vieles in Brüssel entschieden werden? - Diese Fragen sind legitim, weil sie zeigen, daß es den Menschen nicht egal ist, was aus Europa wird, weil Europa längst Teil ihres Alltags ist.
Wir haben in Cardiff unter dem Stichwort Subsidiarität eine offene Debatte geführt. Mir ist dabei eines wichtig: Wir müssen die Diskussion zur Subsidiarität und Kompetenzabgrenzung offen und europäisch führen. Sie darf und wird kein Vorwand sein, das auf europäischer Ebene Erreichte zu demontieren oder zurückzurudern. Für uns Deutsche bleibt die europäische Integration von zentraler Bedeutung; sie liegt in unserem vitalen Interesse. Ohne Europa würde es eiskalt um und für Deutschland. Gerade weil es für uns zu Europa keine Alternative gibt, müssen wir als größtes Land in Europa zum Wohle des Ganzen den einen oder anderen Kompromiß eingehen. Das müssen wir den Menschen offen und ehrlich sagen. Das gehört zum europapolitischen Tagesgeschäft.
Handlungsfähige und unabhängige europäische Institutionen liegen im wohlverstandenen deutschen Interesse. Renationalisierung oder Abkehr von der bewährten Integrationspolitik kommen für uns nicht in Frage. Das wird auch künftig Richtschnur deutscher Europapolitik sein - zum Wohle Deutschlands, aber auch zum Wohle Europas.
Vielen Dank.
Ich gebe das Wort dem Abgeordneten Manfred Müller.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es hat schon eine gewisse Logik, daß sich der europäische Gipfel von Cardiff hauptsächlich mit der Frage des Beitragssystems befaßte und die angesetzte Überprüfung der nationalen Aktionsprogramme zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit in den Hintergrund drängte. Unter den gegebenen politischen Vorgaben bestehen nämlich wesentlich größere Aussichten, die Nettozahlungen an den EU-Haushalt zu senken als die Zahl der Arbeitslosen.
Für die Bundesregierung hat die aufgeschobene Debatte über die nationalen Aktionsprogramme natürlich einen unübersehbaren Vorteil; denn im Bundestagswahlkampf ist es wesentlich populärer, über zu hohe deutsche Nettozahlungen an die Europäische Union zu reden als über zu hohe deutsche Arbeitslosenquoten. Mit nichts kann der Herr Bundeskanzler die Lufthoheit über die deutschen Stammti-
Manfred Müller
sche leichter zurückgewinnen als mit der Belebung des alten Stammtischvorurteils, daß uns die europäische Einigung zu teuer zu stehen käme.
Hätte in Cardiff die Debatte über die Umsetzung der beschäftigungspolitischen Leitlinien im Vordergrund gestanden, dann hätte diese Bundesregierung schlecht dagestanden, und zwar einmal weil Deutschland beim Kampf gegen die Massenarbeitslosigkeit im Vergleich zu seinen wichtigsten Partnern das Schlußlicht bildet, und zum anderen weil ihr nationaler Aktionsplan nicht nur enttäuschend, sondern geradezu peinlich ausgefallen ist. Dieser Aktionsplan kostet nichts und er bringt nichts. In freimütiger Offenheit wird dann auch unter der vielversprechenden Überschrift „Handlungsfelder" zugegeben, daß es um nichts anderes geht als um die konsequente Weiterführung der bisherigen Politik. Es werden die alten neoliberalen Wundermittel bemüht: Kostenreduzierung, Senkung von Steuern und Abgaben, Erleichterung von Existenzgründungen, mehr Druck auf Arbeitslose und Vereinfachung der Verwaltung.
Da, wo es um wirklich ernsthafte Vorgaben wie die Verbesserung von Aus- und Weiterbildung geht, bleibt der Aktionsplan bei schönen Worten, edlen Absichten und leeren Versprechungen. Auch in der heutigen Debatte kam kein Wort - weder vom Bundeskanzler noch vom Kollegen Stoltenberg - dazu, wie die Massenarbeitslosigkeit in der Bundesrepublik Deutschland bekämpft werden soll, wenn einem Wachstum von 4 Prozent eine Produktivitätssteigerung von 4,2 Prozent gegenübersteht.
In der heutigen Debatte kam auch kein Wort zu den Auswirkungen des hohen Exportüberschusses der Bundesrepublik Deutschland auf Europa. Es wurde kein Wort dazu gesagt, welche Auswirkungen die Exportüberschüsse in den Ländern haben, in die die Waren exportiert werden, ob damit nicht auch Arbeitslosigkeit exportiert wird. Dies wäre insbesondere vor dem Hintergrund der Tatsache erforderlich gewesen, daß die Möglichkeit, die Auswirkungen in diesen Ländern durch eine Währungskorrektur auszugleichen, bei einer einheitlichen europäischen Währung gleich Null sein wird.
Auf den 25 Seiten der Regierungsvorlage und in den heutigen Reden wimmelt es von Unverbindlichkeiten: Es soll geprüft werden; man wird sich bemühen; man will an unzähligen Stellen diesem oder jenem Problem besondere Aufmerksamkeit widmen. Hätte man in Cardiff wirklich über europäische Beispiele zur Bekämpfung der Massenarbeitslosigkeit gesprochen, dann wäre sichtbar geworden, daß es einige unserer Nachbarn nicht nur konkreter, sondern auch besser und erfolgreicher machen,
dann wäre sichtbar geworden, daß Dänemark seine Erfolge auf dem Arbeitsmarkt einem intelligenten Freistellungs- und Urlaubsmodell verdankt und daß sich die Niederlande beim Abbau der Arbeitslosigkeit auf ein wirkliches Bündnis zwischen Staat und Sozialpartnern stützen und sowohl Teilzeitarbeit als auch das Ausscheiden aus dem Arbeitsmarkt mit
großzügiger sozialer Abfederung verbinden, dann wäre auch zur Sprache gekommen, daß Frankreich nicht nur Versprechungen zum Abbau der Jugendarbeitslosigkeit abgibt, sondern Zielvorgaben nennt, die Kosten der Maßnahmen auflistet und sich einen präzisen Zeitplan gegeben hat, ganz zu schweigen davon, daß Frankreich in das nächste Jahrhundert mit einer gesetzlich festgelegten 35-Stunden-Woche gehen wird, während unser Arbeitszeitgesetz immer noch 60 Stunden erlaubt.
Die Bundesregierung hat ihre Hausaufgaben für Cardiff schlecht gemacht und sie weiß das. Sie hat den schludrigen Umgang mit dem Problem der Massenarbeitslosigkeit hinter der lautstarken Nettozahlerklage verbergen können. Aber wir werden Ihnen das ebensowenig durchgehen lassen wie die fadenscheinige Behauptung, Sie hätten die Trendwende auf dem Arbeitsmarkt geschafft. In Cardiff konnten Sie Ihr Versagen im Kampf gegen die Massenarbeitslosigkeit noch verbergen, im Wahlkampf der nächsten Monate wird Ihnen das nicht gelingen.
Danke schön.
Ich gebe dem Abgeordneten Dr. Heiner Geißler das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Für jeden Redner ist es bedauerlich, wenn Redezeit dafür draufgeht, daß man offensichtliche Fehler korrigieren muß, wie gerade die von Herrn Schreiner.
Die Zahlen zur Jugendarbeitslosigkeit, die Sie aus dem Jahreswirtschaftsbericht vorgetragen haben, stammen aus dem letzten Jahr. Meinetwegen war die Zahl vor vier Monaten höher. Jetzt - davon hat der Bundeskanzler geredet - sind es nach dem Statistischen Amt der EU exakt 10,3 Prozent. Wenn man irgendwelche Zahlen nennt und miteinander vergleichen will - wir reden hier ja über Cardiff, über das Nachfolgetreffen von Luxemburg, das sich ja bekanntlich mit Arbeitslosigkeit beschäftigt hat -, dann muß man auch die Eurostat-Zahlen nehmen. Die liegen nun einmal bei 10,3 Prozent. Darum geht es, und davon hat der Bundeskanzler geredet.
Jetzt will ich Ihnen noch etwas sagen - wir haben ja auch auf dem Katholikentag über Jugendarbeitslosigkeit und Lehrstellenangebote geredet -: Sie müssen, Herr Schreiner, bevor Sie hier solch ein Horrorszenario vor dem Deutschen Bundestag ausbreiten - es hören ja auch junge Leute zu -, auch hinzufügen daß 80 Prozent dieser jugendlichen Arbeitslosen innerhalb eines halben Jahres, spätestens nach sieben Monaten einen Arbeitsplatz bekommen.
Unser Problem ist ein ganz anderes. Unser Problem ist, daß ungefähr 8 Prozent der jugendlichen Arbeitslosen - das sind etwa 35 000 bis 40 000 - langzeitarbeitslos sind. Um diese müssen wir uns kümmern. Das ist allerdings richtig.
Dr. Heiner Geißler
Aber - darüber ist auch in der Schlußdiskussion mit dem BDKJ am letzten Samstag gesprochen worden - das hat nun wieder ganz andere Gründe. Dafür die Bundesregierung verantwortlich zu machen ist schon leicht komisch. Es hängt nämlich damit zusammen - ich finde das außerordentlich bedauerlich -, daß 10,6 Prozent eines Jahrganges von Schülerinnen und Schülern in Deutschland keinen schulischen Abschluß schaffen. Wenn Sie heute einmal mit Handwerkern und Berufsschullehrern reden, dann erfahren Sie, daß diese 10,6 Prozent der Schülerinnen und Schüler nicht richtig Bruchrechnen können und keinen richtigen Dreisatz rechnen können. Daß aber eine so hohe Anzahl, nämlich ein Zehntel der jungen Leute eines Jahrgangs, keinen schulischen Abschluß schafft, das erachte ich fast als eine Bankrotterklärung des deutschen Bildungssystems, und das ist mitverantwortlich dafür, daß diese jungen Leute als Minderqualifizierte oder Nichtqualifizierte keinen Zugang zum Arbeitsmarkt haben.
Herr Kollege Geißler, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Schreiner?
Bitte schön, Herr Schreiner.
Herr Kollege Geißler, es macht vermutlich wenig Sinn, jetzt herausfinden zu wollen, auf welches Material sich der Bundeskanzler genau bezog. Ich vermute einmal, mit seiner Zahl von zehn Komma noch was meinte er die Zahl der unter 21 jährigen.
Nein, der unter 25 jährigen!
Auf der europäischen Ebene bezieht man sich ausdrücklich auf die unter 25jährigen, wenn es um die Frage der Jugendarbeitslosigkeit geht. Die Bundesregierung selbst - ich sage es nochmals - geht im Jahreswirtschaftsbericht 1998 exakt von dieser Grenzziehung bei den unter 25jährigen aus. Sinngemäß heißt es im Jahreswirtschaftsbericht, es sei eine äußerst beklagenswerte Situation, daß etwa 530 000 junge Menschen unter 25 Jahren ohne Arbeits- und Ausbildungsplatz sind. Das ist dem Parlament vor der Osterpause präsentiert worden, ist also relativ frisches Material.
Herr Kollege Schreiner, Sie müssen eine Frage formulieren.
Die ergänzende Untersuchung des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, in der davon gesprochen wird, daß zu dieser Zahl von etwa 530 000 noch einmal etwa 140 000 nicht erwerbstätige Jugendliche hinzugerechnet werden müssen, ist noch jüngeren Datums als der Jahreswirtschaftsbericht. Sie wurde nämlich vor etwa
fünf Wochen der Öffentlichkeit präsentiert. Also sind beide Zahlen relativ neuen Datums.
Können Sie mir folgen, wenn ich kritisiere, daß die Bundesregierung die einzige Regierung in der Europäischen Union ist, die das Problem der Jugendarbeitslosigkeit vor sich hintreiben läßt?
Blair legt ein riesiges Sonderprogramm mit mehr als 10 Milliarden DM auf, auch die Franzosen - -
Herr Kollege Schreiner, das kann ich nicht zulassen. Das Instrument der Zwischenfrage ist dazu da, kurze Fragen zu stellen. Sie können nicht während der Rede eines Kollegen eine Kurzintervention machen.
Bitte, Herr Kollege Geißler.
Ich muß jetzt aber genausolange darauf antworten dürfen.
Ich habe Ihre Redezeit angehalten.
Ich kann Ihnen nicht zustimmen; ich kann Ihnen erst recht nicht folgen.
Ich habe mich auf die Statistik der Bundesanstalt für Arbeit, Referat III a 4, bezogen. Vielleicht erkundigen Sie sich bei Frau Engelen-Kefer, ob die Zahlen stimmen. Danach waren im Mai 422 000 Jugendliche unter 25 Jahren arbeitslos. Das ist nach Adam Riese ein Anteil von 10,1 Prozent.
Unabhängig davon lassen wir doch diese blöde Zahlenspielerei, Herr Schreiner - ist diese Zahl in jedem Fall zu hoch. Aber Sie sagen die Unwahrheit, wenn Sie behaupten, die Bundesregierung habe nichts getan. Das kann schon deswegen nicht sein, weil wir im internationalen und im europäischen Vergleich, was den Sektor der Jugendarbeitslosigkeit anbelangt, unbestrittenermaßen sehr gut dastehen. Andere Länder - die Franzosen haben 20 Prozent, die Spanier 35 Prozent - müssen deswegen vielleicht etwas mehr machen als wir, die wir eine an der unteren Grenze liegende Jugendarbeitslosigkeit haben.
Damit Sie informiert sind, will ich Ihnen sagen: Allein im Bereich des Bundesarbeitsministeriums haben wir die Mittel für jugendspezifische Leistungen 1998 weiter aufgestockt. Das gilt gerade für die Benachteiligtenförderung, betrifft also die Gruppe, um die es geht: jene 7 oder 8 Prozent aller arbeitslosen Jugendlichen, die langzeitarbeitslos sind. Denen muß unsere Sorge gelten. Die anderen bekommen ja einen Job, wenn auch mit einem zeitlichen Abstand. Die Mittel für diese Maßnahmen - berufsvorbereitende Maßnahmen, Beihilfen zur Berufsausbildung -
Dr. Heiner Geißler
sind aufgestockt worden und betragen in diesem Jahr 2,81 Milliarden DM. Das sind ungefähr 300 Millionen DM mehr als im vergangenen Jahr. Außerdem haben wir die Mittel auf der Ebene der Arbeitsämter kompatibel gemacht, indem wir ihnen die Möglichkeit gegeben haben, auf diesem Sektor zusätzlich etwas zu tun, wenn die Jugendarbeitslosigkeit in einem bestimmten Arbeitsamtsbezirk besonders gravierend ist. - Soweit, Herr Kollege Schreiner, zu Ihrer Intervention.
Wir müssen uns - das ist gar keine Frage - nach dem richten, was wir in Luxemburg beschlossen haben. Der ständige Vorwurf von Ihnen, die Bundesregierung wolle kein beschäftigungspolitisches Programm, wir hätten uns dagegen gewehrt, daß man sich in Luxemburg auf europäischer Ebene mit dem Arbeitsmarkt beschäftige, trifft nicht zu. Das ist überhaupt nicht wahr. Wir haben uns nur - und zwar völlig zu Recht - dagegen gewehrt, gegen die Arbeitslosigkeit mit schuldenfinanzierten Investitionsprogrammen auf europäischer Ebene anzugehen. Wir wissen wirklich aus eigener Erfahrung - gerade aus der Erfahrung, die wir in der Zeit machen mußten, als Sie die Regierungsverantwortung hatten -, daß man mit schuldenfinanzierten Investitionsprogrammen keine neuen dauerhaften Arbeitsplätze schaffen kann.
Dagegen haben wir die arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen selbstverständlich fortgeführt. Das ist in Luxemburg vom Bundesarbeitsminister und anderen Mitgliedern der Bundesregierung deutlich dargestellt worden.
In Ihrer Negativbilanz, Herr Schreiner, haben Sie unter anderem die Staatsverschuldung angesprochen. Dazu möchte ich Ihnen sagen: Vor neun Jahren hat ein Ereignis von welthistorischer Bedeutung stattgefunden. Wir Deutsche hatten eine Aufgabe zu erfüllen. Eine Aufgabe solcher Dimension hatte es in der Weltgeschichte bis dahin nicht gegeben. Wenn Sie schon die Zahlen auf europäischer Ebene vergleichen, müssen Sie folgendes bedenken: Die Zahlen sehen ganz anders aus, wenn Sie nur Westdeutschland betrachten. Aber wir christlichen Demokraten machen dies nicht. Wir meinen, Westdeutschland und Ostdeutschland haben eine Gesamtverantwortung zu tragen; dazu stehen wir auch.
Außerdem ist inzwischen erreicht worden, daß unsere Staatsverschuldung im mittleren Bereich liegt. Wir nehmen da keine Spitzenstellung ein, von der Sie immer reden. Es ist eine gigantische Aufgabe gewesen, die Folgen eines bankrotten sozialistischen Systems ökonomisch aufzuarbeiten. Darunter leiden wir alle bis auf den heutigen Tag. Vielleicht hat man sich in der zeitlichen Perspektive verschätzt.
Aber gerade weil wir alle miteinander diese Aufgabe zu erfüllen haben, berührt es uns in einer besonderen Weise, daß S ie in den neuen Ländern, statt zum Beispiel mit der CDU eine Koalition zu bilden, eine versteckte Koalition mit den Leuten eingehen, die sich als Nachfolgeorganisation der Partei verstehen, die den ganzen Schaden angerichtet hat. Diese Frage müssen Sie einmal beantworten.
Mich regt Ihre Zusammenarbeit mit der PDS nicht auf; ich habe da eine differenzierte Auffassung. Aber mich bewegt schon, warum Sie eine mögliche Koalition mit der CDU ablehnen. Damit hätten Sie eine sehr gute Mehrheit und Möglichkeiten, den Ländern zu helfen. Statt dessen entscheiden Sie sich für Minderheitenregierungen und lassen sich von der PDS tolerieren. Das ist die Frage, die Sie von der SPD beantworten müssen. Diese Frage gehört in diesen Zusammenhang. Wir unterhalten uns nicht mit der PDS.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist gar keine Frage und gehört zu dieser Debatte über den europäischen Gipfel: Es gibt eine grundsätzliche Wende auf dem Arbeitsmarkt. Herr Kollege Schreiner, Sie haben das in Frage gestellt. Wenn Sie über die besseren Arbeitsmarktzahlen reden, habe ich manchmal den Eindruck, daß Ihnen diese Entwicklung irgendwie leid tut, als ob Ihnen dadurch irgendein Wahlkampfkonzept abhanden käme. Ich finde, so sollten wir nicht miteinander reden.
Natürlich ist eine grundsätzliche Wende auf dem Arbeitsmarkt erkennbar. Ich kann sie Ihnen auch begründen. Nach anerkannten ökonomischen Grundsätzen können wir feststellen: Wir haben im ersten Quartal dieses Jahres zum erstenmal seit langer Zeit eine Wachstumsrate, die nicht nur bei 2,5 oder 2,8 Prozent liegt, sondern bei 3,8 Prozent. Selbst wenn Sie die paar Tage herausrechnen, an denen ein bißchen mehr gearbeitet worden ist, kommen Sie noch auf eine Wachstumsrate von 3,5 bzw. 3,6 Prozent. Dies bedeutet einen grundsätzlichen Wandel auf dem Arbeitsmarkt. Das muß fortgesetzt werden. Das geht aber nicht, wenn man all das in Frage stellt, was zu dieser Veränderung auf dem Arbeitsmarkt beigetragen hat.
Ich habe die Reden nachgelesen, die am 28. Juni 1996 hier im Parlament in der Debatte zum Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetz gehalten wurden. Mit diesem Gesetz wollen wir die Wirtschaft bis zum Jahr 2000 um insgesamt 75 Milliarden DM entlasten. Bereits ein Jahr nach dieser Debatte, also 1997, ist die Sozialquote um 0,4 Prozent zurückgegangen. Wir haben im letzten Jahr zum erstenmal einen Rückgang der Lohnzusatzkosten verzeichnen können. Wir haben die seit langem niedrigsten Lohnstückkosten.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, dies sind die Gründe für die Wende auf dem Arbeitsmarkt. Ich will diesen Zusammenhang deswegen herstellen, weil Sie, Herr Schreiner, Herr Scharping und viele andere, uns, Norbert Blüm, mir und vielen anderen, die hier Verantwortung tragen, sowie der CDU insgesamt, danach in vielen Reden Verrat an der katholischen Soziallehre vorgeworfen haben. Der alte Nell-Breuning ist zitiert worden. Man hat uns moralische Defizite vorgeworfen, weil wir eine solche Politik realisiert haben. Nell-Breuning, lieber Herr
Dr. Heiner Geißler
Schreiner, hat einmal einen Satz gesagt, der Überschrift für das ist, was wir hier machen. Er sagte: Die Arbeitslosigkeit ist die größte Ungerechtigkeit. Deswegen behaupte ich: Eine Politik der Reformen, und zwar der Reformen mit Maß, auch mit sozialem Maß, die zu dem Ergebnis führt, daß die Arbeitslosigkeit in dieser Zeit der großen Herausforderungen und Umbrüche bei uns in Deutschland - auch angesichts der nationalen Aufgabe - wieder abgebaut werden kann, ist gleichzeitig eine Politik der sozialen Gerechtigkeit. So die Definition von Nell-Breuning.
Außerdem war es eine Reformpolitik für die kleinen Leute, für die Beschäftigten. Das Geld, das wir dadurch eingespart haben, hat immerhin zu einer Stabilisierung der Beiträge für die Rentenversicherung und die Krankenversicherung geführt. Die Krankenversicherungen haben im letzten Jahr Überschüsse in Höhe von 6 Milliarden DM gemacht. Das war eine Politik zur Nettoentlastung von 35 Millionen Beitragszahlern in der Rentenversicherung, von 27 Millionen Beitragszahlern in der Arbeitslosenversicherung, von 51 Millionen Beitragszahlern in der Krankenversicherung. Die Menschen hätten heute, im Juni, netto noch erheblich mehr in der Tasche, wenn Sie die Steuerreform nicht abgeblockt hätten.
Die Steuerreform hat nicht nur die Aufgabe, die Voraussetzungen für mehr Wachstum zu schaffen und Investitionen aus dem Ausland hereinzuholen, sondern sie hat gleichzeitig die Aufgabe, das Nettoeinkommen der Menschen wieder zu erhöhen. Deswegen war die Blockade der Steuerreform auch eine Blockade für höheres Nettoeinkommen der Arbeitnehmer.
Sie wollen jetzt - das muß heute auch erörtert werden - die Voraussetzungen für das wirtschaftliche Wachstum und für mehr Arbeitsplätze offenbar wieder verändern. Ich habe mir das Wahlprogramm der SPD genau angesehen. Es wird auch im Ausland gelesen. Ich war neulich im Elsaß und habe mit den dort Verantwortlichen über die sozialen Voraussetzungen diskutiert. Die haben über die SPD gesagt: Die wollen wieder alles rückgängig machen. Denn inzwischen haben dies die Menschen dort - sie lesen auch deutsche Zeitungen - auch gelesen.
Das Problem in der Rentenversicherung entsteht dadurch, daß die Menschen eine höhere Lebenserwartung haben. Das bedeutet, daß sie mehr Jahre Rente beziehen als bisher. Wenn heute noch die Lebenserwartung bestehen würde, die im Jahre 1960 bestand, hätten wir einen Beitragssatz von 12 Prozent und kein Problem. Das Problem ist eine längere Rentenlaufzeit. Das kann jeder Simpel kapieren - auch daß es Geld kostet, wenn die Zahl der älteren Leute immer größer wird. Dafür muß ich eine Lösung finden.
Ich habe in Ihr Programm gesehen. Sie haben für dieses Problem keine Lösung. Soll ich Ihnen das einmal vorlesen? Sie geben null Antwort auf die entstehenden Fragen. Was Sie zur Entlastung der Rentenkasse aufzählen - ich kann es Ihnen vorlesen -, sind
noch nicht einmal Palliativmittel. Sie wollen umfinanzieren. Aber wenn Sie die Strukturveränderungen, die bis zum Jahr 2030 notwendig sind, ausgleichen wollen, müssen Sie die Mehrwertsteuer vier- oder fünfmal erhöhen. Das müssen Sie den Menschen schon erklären.
Dann lese ich zu meinem großen Erstaunen - uns haben Sie dafür kritisiert -: Ein Vorschlag ist die Verlängerung der Lebensarbeitszeit.
Was haben Sie damals zum Vorschlag der CDU/CSU betreffend Verlängerung der Lebensarbeitszeit gesagt? Sie müßten Ihre Reden von damals, die Sie gegen uns gehalten haben, wieder einsammeln.
Sie müssen eine Antwort auf die Finanzierungsfrage geben.
Wir geben eine Antwort darauf. Wir halten den Beitrag fest, sagen aber offen und ehrlich und reden nicht darum herum, daß wir die älteren Menschen in einer maßvollen Weise an der Finanzierung der durch ihre eigene höhere Lebenserwartung entstehenden Kosten beteiligen.
Ich sage Ihnen noch einmal: Wir machen dies dadurch, daß die Rentenerhöhung etwas geringer ausfällt, als sie ausfallen würde, wenn wir sie wie bisher ausschließlich an der Nettolohnerhöhung orientieren würden. Das ist der Beitrag der Älteren: eine etwas geringere Rentenerhöhung.
Wer einen langsameren Anstieg der jährlichen Rentenerhöhungen - darum geht es - als Rentenkürzung bezeichnet, wie Sie dies nun im ganzen Lande tun, der verletzt nicht nur die Grundregeln der Mathematik, sondern auch des menschlichen Anstandes
- das sage ich Ihnen in aller Ruhe -, weil Sie Millionen von Rentnerinnen und Rentnern verunsichern und auf Ihren Versammlungen nicht die Wahrheit sagen. Es ist keine Rentenkürzung, sondern es ist eine etwas geringere Anpassung. Ich habe Ihnen das schon einmal vorgerechnet. Wenn Herr Wiesehügel von der IG BAU bei den letzten Tarifverhandlungen 4 Prozent Lohnerhöhung verlangt hat, und in der Schlichtung, im Tarifkonsens sind 2 Prozent oder 1,5 Prozent herausgekommen, dann geht der anschließend auch nicht zu seinen Bauarbeitern und erklärt, das Ergebnis der Verhandlungen war eine 2prozentige Lohnkürzung. Dann wäre er ja bescheuert. - Sie sind bescheuert, wenn Sie so reden.
Sie machen es in der Krankenversicherung ja genauso. Sie weichen den eigentlichen Fragen aus. Der medizinische Fortschritt wird teurer, und den wollen wir ja alle. Wenn er teurer wird, müssen Sie die Finanzierungsfrage lösen. Sie können sie dadurch
Dr. Heiner Geißler
lösen, daß Sie sagen, da gehen halt die Beiträge weiter hoch. Hätten wir die Gesundheitsreform nicht gemacht, hätten wir heute einen Beitragssatz von 15 oder 16 Prozent. Und das kann doch wohl nicht richtig sein. Selbst der dümmste Sozialdemokrat vertritt nicht, daß so etwas richtig sein könnte.
Herr Abgeordneter Dr. Geißler, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Schreiner?
Nein, Entschuldigung, im Augenblick nicht.
Ich will Ihnen das mal kurz erklären. - Herr Schreiner, hören Sie mal gut zu! Vielleicht können Sie mir ja nachher in Frageform eine Antwort geben. Sie müssen doch die Frage beantworten, wie Sie das finanzieren wollen. Die Beiträge können nicht weiter steigen.
Dann haben Sie die andere Möglichkeit, nämlich die Leistungen zu beschneiden, wie zum Beispiel in England, wo Leute, die älter als 80 Jahre sind, keine Bypass-Operation und keinen Herzschrittmacher mehr bekommen, vom Dialyse-Apparat abgeschnallt werden. Das wollen wir nicht.
Wir wollen mit der Gesundheitsreform, daß alle, unabhängig von ihrem Einkommen und von ihrem Alter, das medizinisch Notwendige bekommen. Dann müssen wir aber eine Finanzierungslösung vorschlagen. Das sind die höheren Zuzahlungen, das ist wahr. Und jetzt mache ich Ihnen, Herr Schreiner, einen Vorwurf, Ihnen persönlich, aber auch vielen anderen, von denen ich erwartet hätte, daß sie dies sagen: Sie müssen bei den höheren Zuzahlungen, die zunächst einmal ein Problem sind, den Menschen sagen, daß dies sozial gerecht geregelt ist: Wer weniger verdient als 1740 DM, der zahlt nicht eine Mark zu. Das sind 22 Millionen Menschen. Kinder leisten keine Zuzahlungen. Ist jemand verheiratet, liegt die Grenze bei 2300 DM. Ein Rentnerehepaar mit einer Rente von 2300 DM leistet keine Mark an Zuzahlung für Arzneimittel, Heilhilfsmittel und Transportkosten. Und wer mehr verdient, hat eine Überforderungsklausel von 2 Prozent - chronisch Kranke von 1 Prozent - des Bruttoeinkommens. Ich erwarte jetzt endlich einmal von der Sozialdemokratischen Partei - das erwarte ich auch von den Gewerkschaften -, daß sie in ihren Versammlungen die Patienten nicht ängstigt und verrückt macht, sondern ihnen über das, was bei uns vorgesehen ist, die Wahrheit sagt. Aber was Sie machen, halte ich für unerträglich.
Herr Abgeordneter Dr. Geißler, der Herr Abgeordnete Schreiner wartet immer noch auf seine Frage. Ist sie jetzt zugelassen? Oder wollen Sie sie nicht beantworten?
Doch, doch. Er soll ruhig fragen. Jetzt ist es mir recht.
Herr Kollege Geißler, ich verzichte bewußt auf eine Kurzintervention - die könnte ich ja auch machen -, sondern möchte rückfragen, ob die Sachaussagen in unserem Wahlprogramm von Ihnen entweder vorsätzlich oder fahrlässig falsch interpretiert werden, etwa am Beispiel der von uns begrüßten Option Verlängerung der Lebensarbeitszeit als eines denkbaren langfristigen Instruments angesichts der demographischen Entwicklung, daß die Lebenserwartung der Menschen steigt, aber immer unter dem Vorbehalt, daß die Arbeitslosigkeit auf eine vertretbare Größe zurückgeführt werden kann. Das war immer die Position der SPD in den letzten 15 Jahren, von der Rentenreform 1992 über die Debatte 1996/97 bis heute, bis zum Wahlprogramm der Partei. Sie verkürzen ganz bewußt die Wahlaussage der SPD, um dann öffentlich dagegen agitieren zu können.
Ich frage Sie zweitens - da Sie uns für bescheuert erklärt haben,
ohne daß es dazu einen Widerspruch von seiten des Präsidiums gab; es ist schon erstaunlich, daß das Präsidium es hinnimmt, daß Herr Geißler die SPD als bescheuert bezeichnet -: Wie bewerten Sie denn die Aussage des Bundesfinanzministers Waigel, der vor wenigen Tagen der Öffentlichkeit mitteilte, das Beste, was der Koalition passieren könne, sei, daß der Geißler einmal 14 Tage die Klappe halte?
Dazu möchte ich sagen: Wenn der Kollege Waigel das noch einmal sagt, wird er es vielleicht bereuen.
Ich glaube, Sie haben das mehr zu fürchten als der Kollege Waigel.
Herr Schreiner, mancher argumentiert langfristig; ein anderer argumentiert mittelfristig. Aber richtig ist doch, daß man zur Lösung der zwei Probleme, die ich eben genannt habe - das ist eine wichtige Voraussetzung für die Belebung des Arbeitsmarktes; darum geht es -, diese Reformen, die Gesundheitsreform, die Reform der Krankenversicherung, die Rentenreform, brauchte. Sie waren eine wichtige Voraussetzung für die Stabilisierung der Beiträge und damit auch für die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit. Sie haben in Ihrem Programm angekündigt, daß Sie genau diese Reformen rückgängig machen wollen. Das steht dort. Gleichzeitig machen Sie aber keine Vorschläge zur Änderung der Struktur. Man kann nicht nur umschichten, sondern man muß sowohl in der Krankenversicherung als auch in der Rentenversi-
Dr. Heiner Geißler
cherung eine sozialverantwortliche Strukturveränderung vornehmen, damit man den Menschen langfristig Sicherheit geben kann.
Die Arbeitslosigkeit ist gar nicht so sehr ein Problem des ersten Arbeitsmarktes. Da sind auch von dieser Regierung die entsprechenden Voraussetzungen geschaffen worden - einige Länder haben in dieser Richtung ebenfalls etwas getan, andere weniger. Es sind Innovationen auf den Weg gebracht worden. Ich habe keine Zeit, das hier darzustellen. Mit den Problemen werden wir fertig; davon bin ich fest überzeugt.
Wir haben ein anderes Problem zu lösen, nämlich daß es in dieser neuen Welt mit ihren modernen Technologien für eine große Zahl von Menschen - es sind Millionen - keinen Arbeitsplatz mehr gibt. Sie sind nicht qualifiziert; sie sind minderqualifiziert; es handelt sich um ältere Langzeitarbeitslose. Ich bin aber der Meinung, daß in unserer Gesellschaft ein noch nicht ausgeschöpftes Potential an Arbeitsplätzen vorhanden ist, vor allem im Dienstleistungsbereich. Wir brauchen eine höhere Flexibilität in bezug auf Löhne, Arbeitszeit und Arbeitsbedingungen. Wenn in bestimmten Branchen Löhne, die oberhalb des Sozialhilfeniveaus liegen, nicht gezahlt werden können, dann brauchen wir eine Kombination von Arbeitseinkommen und zusätzlichen staatlichen Leistungen wie Sozialhilfe und Arbeitslosenhilfe. Ich meine hier den Kombi-Lohn. Das Problem ist weniger, daß die Leute solche Arbeiten nicht übernehmen wollen, sondern vielmehr, daß sich die Annahme solcher Arbeiten für sie nicht lohnt. Deshalb müssen wir Hilfe zur Arbeit anbieten; das ist der zweite Arbeitsmarkt.
Die CDU hat ein Programm vorgelegt, das wir aber auf der Bundesebene bekanntlich allein nicht umsetzen können. Vielmehr können wir das nur gemeinsam mit den Ländern und Gemeinden tun. Ich möchte Sie bitten - eine solche Debatte sollte ja auch ein Ergebnis haben -: Helfen Sie mit, daß - das gilt für das QUAS-Programm bis hin zur Frage des Kombi-Lohns - auf der Ebene der Sozialämter und der Arbeitsämter auch den Menschen geholfen werden kann, die darauf angewiesen sind, daß sie im Rahmen des zweites Arbeitsmarktes einen Arbeitsplatz bekommen.
Das Wort hat die Abgeordnete Heidemarie Wieczorek-Zeul, SPD-Fraktion.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Anlaß der Debatte von heute morgen ist ja die Bewertung des Gipfels von Cardiff. Deshalb bin ich außerordentlich dankbar, daß vorhin deutlich herausgestellt wurde, daß in bezug auf den nationalen Beschäftigungsplan die Bundesregierung bei der Überprüfung durch die EU-Kommission in der Sache durchgefallen ist. Insofern können alle Nebelkerzen, die hier zum Schluß noch geworfen wurden, nicht darüber hinwegtäuschen, daß die Bewertung der EU-Kommission für den deutschen Aktionsplan lautet: null Komma null. Das ergibt sich aus all dem, was von der Kommission dazu aufgeschrieben worden ist.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bin erstaunt, daß der deutsche Außenminister, der in einer wichtigen Frage der Vorbereitung von Cardiff umgangen worden ist, ausgebremst worden ist, hier über alles gesprochen hat, nur nicht über diese Art der Demütigung, der Entmachtung. Ich bin erstaunt, daß er nicht deutlich angesprochen hat, daß er im Zusammenhang mit dem sogenannten Subsidiaritätsbrief und der Verfahrensweise nicht nur selber entmachtet worden ist, sondern daß auch ein Stück der Europapolitik, die bisher vom Hause gemeinsam getragen wurde, verändert worden ist.
Dazu hätte er hier eigentlich etwas sagen müssen.
Stellen Sie sich doch einmal die Situation vor: Der Außenminister sitzt im Kreise seiner Kollegen und wird nach dem Brief seines Bundeskanzlers zur Bürgernähe gefragt! Ausgerechnet seinen eigenen Außenminister hat Herr Kohl nicht informiert. Da muß ich sagen: Wenn nur ein Funken von Selbstrespekt und Normalität in dieser Bundesregierung vorhanden wäre, wäre unter normalen Bedingungen ein Rücktritt angesagt gewesen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, daß diese Veränderung der europapolitischen Linie vor dem Hintergrund passiert, um der Machterhaltung in der Bundesrepublik willen bisher auch von der CDU/CSU vertretene europapolitische Positionen zurückzudrehen, wird in folgendem deutlich: Helmut Kohl hatte 16 Jahre Zeit, um die Probleme, die er hier auf einmal beklagt hat, nämlich das mangelnde Prinzip der Bürgernähe oder die Frage der EU-Finanzen, sachgerecht zu lösen.
Wenn ein Mann, der hundert Tage vor seiner Abwahl steht, solche Probleme hier anspricht, dann tut er das nicht in der Erwartung, daß er sie selber noch lösen kann, sondern weil er in dieser Frage eine Stimmung gegen die Europäische Union schüren will. Er hätte, wie gesagt, 16 Jahre Zeit gehabt, diese Probleme zu lösen.
Daß es nicht um Problemlösung, sondern um Stimmungsmache ging, wird auch aus folgendem ersichtlich: Dieser Brief ist nie vorbereitet worden. An die Adresse der Abgeordneten von CDU/CSU und F.D.P. sage ich: Ich nehme Ihre Argumentation zu mehr Bürgernähe in der Europäischen Union nur dann
Heidemarie Wieczorek-Zeul
ernst, wenn Sie heute unserem Antrag zustimmen, daß es zukünftig die Möglichkeit von Volksentscheiden und Referenden geben muß, damit sich auch die Bürgerinnen und Bürger in Deutschland mit ihrer Stimme in europapolitische Grundentscheidungen einschalten können.
Weil Sie Bürgernähe nicht wollen - Sie haben ja Angst vor dem Volk -, haben Sie zu Beginn der 90er Jahre den Maastricht-Vertrag nicht mit uns einem Volksentscheid unterziehen wollen. Damit haben Sie den Menschen den Eindruck vermittelt, hier würde etwas übergestülpt. Sie haben den Europafrust durch die Art und Weise, wie Sie Europapolitik betrieben haben, selber verursacht.
- Ich komme zu dem Punkt noch.
Da in dieser ganzen Zeit nichts gemacht worden ist, was den Bürgerinnen und Bürgern die Möglichkeit der Einflußnahme auch in europapolitischen Fragen ermöglicht hätte, geht es der Bundesregierung nach meinem Eindruck jetzt nicht um Bürgernähe, sondern um Wahlkampfnähe. Es ist schofel, wenn die Probleme zum Schluß einfach unerledigt bleiben.
Ein zweiter Punkt. Theo Waigel sagt: großer Erfolg in Cardiff! Jetzt zitiere ich einmal, wie dieser große Erfolg im Zusammenhang mit dem Nettobeitrag lautet. In den Schlußfolgerungen des Rates steht: Nach Auffassung einiger Mitgliedstaaten müssen die Lasten gerechter verteilt werden und muß ein Mechanismus zur Korrektur von Haushaltsungleichgewichten geschaffen werden, was von einigen anderen Mitgliedstaaten hingegen abgelehnt wird. - So etwas nennt Theo Waigel „Erfolg" ! Das ist auch kein Wunder, weil bei dieser Bundesregierung keine Erfolge zu verzeichnen sind. Was ihre eigene Durchsetzungsfähigkeit anlangt, so wird sie sehr gering bewertet. Das wird an diesem konkreten Text, wenn man sich damit beschäftigt, deutlich.
Ich sage noch einmal: Es hat eine grundsätzliche Verschiebung in der Europapolitik stattgefunden. Hinter dem Text von Chirac und Kohl verbergen sich unterschiedliche Konzepte. Daneben gibt es - Herr Faltlhauser spricht ja nachher - Unterschiede zwischen dem, was CDU und F.D.P. gesagt haben, und der Position der CSU.
Europa wird nicht demokratischer, wenn sich das durchsetzt, was sich perspektivisch abzeichnet, nämlich daß zukünftig allein die Zusammenarbeit der Regierungen besser werden soll. Besser soll sie ruhig werden. Europa wird aber nicht dadurch demokratischer, daß die Regierungsvertreter im Ministerrat und im Europäischen Rat unter Ausschluß der Öffentlichkeit kungeln. Vielmehr wird Europa dadurch demokratischer, daß die EU-Kommission dem Europäischen Parlament parlamentarisch und damit gegenüber den europäischen Bürgerinnen und Bürgern verantwortlich ist.
Bei der Währungsunion hatte Helmut Kohl die politische Union gefordert. Mit den Positionen, wie er sie jetzt aufgenommen hat, um seinen Machterhalt in Deutschland zu sichern, hat er die politische Union aufgegeben. Das ist eine Schande, denn er beschädigt damit sein eigenes europapolitisches Lebenswerk.
Diese Koalition hat sich europapolitisch nichts mehr zu sagen. Es ist gut, einmal die Fakten zu betrachten.
- Bleiben Sie ruhig da, Herr Waigel! -
Es wird eine hohe Regelungsdichte angedeutet, die abgebaut werden müsse. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich habe einmal herausgesucht, was in 16 Jahren Regierungszeit unter Kohl, Waigel und anderen an EU-Gesetzen und EU-Initiativen mit deren Stimme beschlossen wurde - Sie können ruhig einmal schätzen! -: Von 1983 bis 1997 gab es 932 Richtlinien, 5340 Verordnungen - also unmittelbar geltendes Recht - und 2272 Empfehlungen. Das 16 Jahre lang zu machen und sich dann nicht hinzustellen und zu sagen, man habe selber etwas falsch gemacht und hätte die eine oder andere Richtlinie nicht beschließen sollen, sondern anschließend gegen die Regelungsdichte der EU zu reden, das ist scheinheilig in allerhöchstem Maße. Das wird auch von den Bürgerinnen und Bürgern erkannt und deutlich gemacht.
Im übrigen haben Herr Santer und Herr Dehaene - beides Christdemokraten - schon gesagt, was sie davon halten: Wahlkampfgeklingel.
Das Wichtigste, was wir tun können, um dazu beizutragen, daß europäische Entscheidungen transparenter werden, ist, dafür zu sorgen, daß die Ministerräte öffentlich tagen, wenn sie EU-Gesetze beschließen. Denn dann kann sich die Lobby nicht in dem Maße durchsetzen, wie das in den letzten Jahren der Fall war.
Jetzt komme ich zu Autor und Regisseur des Stücks um die Frage des Nettobeitrags. Helmut Kohl und Theo Waigel sind nämlich Autoren und Regisseure in einem. Sie haben 1992 auf dem Gipfel von Edinburgh den Beitragsregelungen zugestimmt, und zwar unter aktiver Mitwirkung von Helmut Kohl. In der Regierungszeit von Helmut Kohl - man höre! - haben sich die Nettobeiträge mehr als verdoppelt; sie sind auf 115 Prozent gestiegen: 1987 waren es 10,4 Milliarden DM und 1996 dann 22,5 Milliarden DM. Das macht ersichtlich, daß Kohl und Waigel Regelungen beschlossen haben, die sie anschließend
Heidemarie Wieczorek-Zeul
anderen anlasten. Also gibt es auch in diesem Bereich nur Stimmungsmache und keine Lösungen.
An dieser Stelle möchte ich folgendes sagen - und wenn Sie, Herr Geißler, ehrlich sind, müssen Sie das einräumen -: Der Unterschied zwischen dem, was jetzt von Helmut Kohl zur Frage der Nettozahler öffentlich gesagt wird, und dem, was die CDU - als Volkspartei - einmal in ihrer Seele hatte, ist deutlich. Dazu will ich etwas zitieren und möchte sehen, ob Sie dann klatschen. Ich zitiere:
Ich bin strikt dagegen, daß man die gesamteuropäische Diskussion jetzt auf das Thema „Nettozahler oder Nettoempfänger in Europa" verengt. Europa ist doch mehr als ein Haushalt ... Was soll denn überhaupt diese irrsinnige Debatte? - Beifall - In keinem Haushaltsposten, auch nicht im EU-Haushalt, wird die einzig relevante Zahl ausgewiesen. Ich stelle einfach die Frage: Was kostet eine Stunde Frieden?
Das hat Jean-Claude Juncker auf dem CDU-Parteitag gesagt, und an dieser Stelle gab es Beifall. Sie sollten nur die EU nicht wegen angeblich zu hoher Nettobeitragsleistungen der Bundesrepublik Deutschland angreifen; vielmehr sollten Sie einmal deutlich sagen, daß das Geld, das die Bundesrepublik in diesen Bereich investiert, sowohl unter dem Gesichtspunkt einer friedenspolitischen Perspektive als auch dem der Schaffung von Arbeitsplätzen sinnvoll angelegt ist.
Sagen Sie das sehr deutlich!
- Heute morgen ist hier ja noch ein gewisser Anstand praktiziert worden. Aber Joschka Fischer hat doch recht, wenn er sagt: Das, was von Cardiff rüberkam, war: I want my money back. - Das ist eine schändliche Art und Weise, mit den Prinzipien der Europäischen Union umzugehen.
Ich möchte etwas zu den Perspektiven der Finanzierung sagen. Jeder von Ihnen weiß: Wer die EU-Finanzen grundlegend in Ordnung bringen und reformieren will - wir werden diejenigen sein, die das tun müssen; denn die Probleme, die Sie nicht gelöst haben, werden von uns gelöst werden müssen; Helmut Kohl hat ständig von Oktober und von März nächsten Jahres gesprochen; er muß sich keine Sorgen mehr machen, er wird die Probleme nicht mehr lösen müssen; er hat die Probleme vor die Füße der neuen sozialdemokratischen Regierung gelegt, wie übrigens alle Probleme in unserem Land; deshalb verhalten Sie sich nach dem Motto: nach uns die Sintflut -, der muß die Reform der Agrarpolitik anpacken und der muß auch die Mitgliedstaaten stärker in die Finanzierung der EU einbeziehen. Wer Subventionen nur empfängt, ohne entsprechend an ihrer Finanzierung
beteiligt zu sein, dem fällt der Abbau von Subventionen naturgemäß schwer.
Das, was Theo Waigel vorgeschlagen hat, ist weiße Salbe, weil jeder weiß, daß es das Einstimmigkeitsprinzip erfordert. Das haben Sie doch selbst in die Leitsätze hineingeschrieben. Wir brauchen also eine Regelung - unser Vorschlag beinhaltet eine solche -, die festlegt, daß es im Rat keiner Einstimmigkeit bedarf. Mit einer solchen Regelung könnten unsere Vorschläge mit einfacher Mehrheit im Ministerrat durchgesetzt werden. Das geht schnell, das funktioniert und beseitigt die Gerechtigkeitslücke, die darin besteht, daß der Agraranteil am Haushalt bei 50 Prozent liegt und die Bundesrepublik Deutschland mit einem geringen Anteil im Agrarbereich nur unterproportional davon profitiert. Deshalb müssen wir diejenigen wirtschaftsstarken Länder in die Pflicht nehmen, die selbst einen hohen Agraranteil haben und entsprechend überproportional profitieren. Wer diesen Zusammenhang aber nicht anspricht und nicht in die Diskussion einbezieht, der zeigt, daß es ihm, wie gesagt, nur um Stimmung und nicht um Lösungen geht.
Diese Regierung steht eigentlich - das ist auch auf dem Kirchentag sehr deutlich geworden - für einen Verlust von Werten und für Entsolidarisierung. Ich möchte dringend davor warnen, daß das Projekt der Europäischen Union, das für uns alle wichtig, wertvoll und auch in unserem eigenen nationalen Interesse ist, durch eine derartige entsolidarisierende Wahlkampfpolitik, wie Helmut Kohl und andere sie in der aktuellen Situation betreiben, beschädigt wird. Das Projekt Europa müssen wir bewahren, weiterentwickeln und reformieren. Sie sind dazu nicht mehr imstande.
Ich erteile das Wort dem Staatsminister des Freistaates Bayern, Professor Dr. Kurt Faltlhauser.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Bundeskanzler hat in seiner Regierungserklärung ausdrücklich betont - ich zitiere -: Es gilt, die Kompetenzen der Europäischen Union klarer ... gegenüber den kommunalen, regionalen ... und nationalen Zuständigkeiten abzugrenzen
und eine konsequentere Beachtung des Subsidiaritätsprinzips zu gewährleisten. Damit hat der Bundeskanzler nochmals die klaren Worte aus seinem gemeinsamen Schreiben mit dem französischen Präsidenten Jacques Chirac an den Präsidenten des Europäischen Rates vom 5. Juni aufgegriffen. Für diese klare Position kann man dem Bundeskanzler nur ausdrücklich danken. So klar wurde dies noch nie gesagt. Es ist gut, daß das in der heutigen Regierungserklärung noch einmal unterstrichen worden ist.
Staatsminister Dr. Kurt Faltlhauser
Ich halte den gemeinsamen Brief des Präsidenten der Französischen Republik und des Bundeskanzlers vor allem deshalb für ein bedeutendes Dokument, weil Frankreich diese Haltung vor einigen Jahren noch nicht hatte. Daß die beiden großen Länder in dieser Frage im gleichen Boot sitzen, halte ich für bedeutsam. Es wäre wünschenswert gewesen, wenn Sie sich, Herr Fraktionsvorsitzender Scharping und Frau Wieczorek-Zeul, mehr mit dem Inhalt dieses Briefes auseinandergesetzt hätten und weniger mit der Art und Weise seines Zustandekommens. Tun Sie das doch einmal und kümmern Sie sich nicht um irgendwelche Randerscheinungen!
Herr Scharping, Sie haben in Ihrer Rede wiederholt von den Bürgern und von Bürgernähe geredet; gleichzeitig haben Sie sich über bayerische Bierzelte lustig gemacht.
Ich kann Ihnen nur sagen: In diesen Bierzelten sitzen die Bürger, von denen Sie reden. Sie klatschen uns Beifall und nicht Ihren bayerischen Genossen.
Herr Fischer hat - er ist gerade nicht da, vielleicht könnten Sie das Ihrem Vorsprecher mitteilen - die Behauptung aufgestellt, daß Bayern die Osterweiterung nicht will. Das Gegenteil ist richtig; wir können es beweisen.
Vor zwei Jahren haben wir bereits ein umfangreiches Memorandum zur Agrarpolitik in Europa erstellt. Die Reform der Agrarpolitik ist eine Voraussetzung der Osterweiterung. Vor eineinhalb Jahren haben wir ein umfangreiches Memorandum zur Strukturpolitik in Europa vorgelegt - auch eine Voraussetzung für die Osterweiterung. Weiterhin haben wir viele Vorschläge dazu gemacht, wie man die Osterweiterung wirklich realisieren kann.
Ich frage Sie: Wo sind denn in dieser Zeit die Vorschläge aus den sogenannten A-Ländern geblieben? Sie sind ja auch bei dieser wichtigen Aussprache hier so außergewöhnlich präsent. Das dokumentiert ihr wirkliches Interesse an Europa. Das sieht man hier wieder; ich stelle es auch in allen Konferenzen fest.
Sie tun nichts - wir machen die Arbeit. Europa ist nicht nur eine Frage des verbalen Wolkenschiebens, sondern bedarf eben harter Arbeit. Ich kann Sie, Herr Kollege Scharping und Herr Kollege Fischer,
nur auffordern, daran mitzuwirken. Europa verdient diese Arbeit.
Der Bundeskanzler weiß, daß sich die Ländervertreter - ich war einer der Ländervertreter bei den Verhandlungen über den Vertrag von Amsterdam - besonders um das sogenannte Subsidiaritätsprotokoll bemüht haben. Nicht umsonst hat der Bundeskanzler in seiner Regierungserklärung den wichtigen Art. 5 des Amsterdamer Vertrages hervorgehoben. Wenn in Brüssel tatsächlich auf der Basis des Subsidiaritätsprotokolls gearbeitet würde, dann gäbe es tatsächlich mehr Bürgernähe, und das politische Handeln in Europa wäre demokratisch mehr legitimiert. Ich stelle aber bei Gesprächen und in der konkreten Arbeit auf europäischer Ebene bis heute fest, daß Brüssel für dieses Thema immer noch nicht ausreichend sensibilisiert ist.
Ich will nicht auf die vielen einzelnen Beispiele geradezu absurder Regelungswut abstellen, von der Badegewässerrichtlinie über die Baustellenrichtlinie und die Kälberhaltungsrichtlinie bis hin zur Fischgewässerrichtlinie, die, wenn man sie sich genauer ansieht oder sie gar laut vorliest, nur Gelächter hervorrufen. Ich will auf die permanente flagrante Ausweitung der Zuständigkeit Brüssels abstellen. Da ist als erster Punkt die ständige extensive Interpretation der Inhalte der ersten Säule des EU-Vertrages zu nennen. Zweitens ist eine Ausweitung unter verschleiernden Begriffen wie etwa „Europäisches Gesellschaftsmodell " festzustellen. Vor allem aber ist bei der Kommission eine konsequente Strategie eigenständiger Ausdehnung der Zuständigkeiten der Kommission zu beobachten. Zwei Beispiele:
Erstens. Ausweitung der Kulturpolitik. Da gibt es ein Bildungsprogramm unter der Überschrift „Für ein Europa des Wissens", das konsequent und nachweisbar über die Art. 126 und 127 hinausgeht. Da gibt es eine erst kürzlich vorgelegte „Mitteilung der Kornmission über die Lehrerausbildung mit dem Ziel der Schaffung eines einheitlichen europäischen Rechtsrahmens zur Lehrerausbildung" . Es reicht mir ja schon, wenn der niedersächsische Ministerpräsident einen Bundeskultusminister haben will. Wenn man jetzt auch noch die Zuständigkeit für die Lehrerausbildung in Brüssel haben will, dann ist es aus mit der föderalen Struktur in unserem Lande. Ich kann nur sagen: Diesen Tendenzen muß man energisch entgegentreten.
Ein zweites Beispiel. Die Mitteilung der Kommission über Leistungen der sogenannten Daseinsvorsorge, wonach die Förderung von gemeinwohlorientierten Leistungen künftig zu den Aufgaben der EU zählen soll, wurde im September 1996 vorgelegt. Dazu wäre eine Änderung des Vertrages notwendig. Was ist mit Daseinsvorsorge gemeint? Energie- und Wasserversorgung, Rundfunk, Medien, Telekommunikation, Verkehr, Wohnungen, öffentliche Schulen, Justiz, Bildung, Kindergarten, Kultur, Gesundheit? Das wäre der Startschuß für eine Allzuständigkeit Brüssels. Aus meiner Sicht sollte man eine derartige Ausdehnung der Zuständigkeit vernünftigerweise nicht durchführen.
Wenn aber die Sensibilität in Brüssel nicht sehr ausgeprägt ist, müssen wir uns in den nächsten vier bis fünf Jahren fragen, ob das Subsidiaritätsprotokoll
Staatsminister Dr. Kurt Faltlhauser
ausreicht. Ich habe festgestellt, daß der außenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, Herr Kollege Lamers, vorgeschlagen hat, ein Dokument über eine klare Kompetenzverteilung zu erstellen, weil die Zuständigkeitsaufteilung nach Subsidiaritätsgesichtspunkten in der Praxis nicht funktioniert. Ich finde diesen Vorschlag sehr positiv. Wir haben diesen Schritt bisher gescheut, Frau Wieczorek-Zeul, weil wir keine Verfassungsdebatte haben wollten. Aber wir sollten versuchen - ob wir nun von Verfassungsdebatte oder von Diskussion über ein Dokument oder über eine Charta sprechen -, eine konkrete Aufteilung der Zuständigkeiten zu erreichen, denn die Zielvorstellung lohnt.
Wir brauchen ein bürgernahes und deshalb konsequenterweise ein subsidiär gestaltetes Europa. Wir müssen den großen Zusammenhang sehen: Zum Beispiel sind die Finanzfragen, die in Cardiff so bedeutsam waren, auch im Zusammenhang mit der Subsidiarität zu sehen. Wenn wir nicht eine gerechte finanzielle Lastenverteilung erreichen, werden wir auch nie eine Begeisterung für die an der Subsidiarität orientierte Aufgabenverteilung bekommen. Erst wenn man für die Zentralisierung selber zahlen muß, wird man auf die Probleme aufmerksam - vorher nicht.
Wir brauchen auch eine Aufgabenverteilung nach dem Subsidiaritätsprinzip, weil wir nur damit das erreichen können, was ein größer werdendes Europa dringend braucht, nämlich die zunehmende Umstellung auf Mehrheitsbeschlüsse. Wer die gegenwärtige Situation ändern will, muß natürlich auch die Bereitschaft zu Mehrheitsbeschlüssen fördern. Ein in allen Bereichen zuständiges Brüssel wird aber diese Bereitschaft mit Sicherheit nicht steigern.
Nicht zuletzt brauchen wir die subsidiäre Gestaltung, weil dadurch ein vitales Interesse an der demokratischen Legitimation aufrechterhalten wird. Die dort droben in Brüssel kennt keiner, und die wählt keiner. Wir müssen möglichst viele Aufgaben denen übertragen, die gewählt und dadurch legitimiert wurden.
Meine Damen und Herren, der Bundeskanzler hat bisher die europäische Integration - wie ich meine: weitsichtig - wesentlich geprägt. Heute hat er Leitlinien für die nächsten Jahre vorgelegt, die für mich einen Schluß nahelegen: Dieser Mann muß mit seiner Mehrheit auch in der Zukunft die europäischen Geschicke steuern und verantworten.
Ich erteile das Wort dem Bundeswirtschaftsminister Dr. Günter Rexrodt.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir haben die Debatte über Cardiff und Europa bewußt mit der Debatte über die Globalisierung und speziell über die Antworten, die wir auf die Herausforderungen der Globalisierung zu geben haben, verbunden. Es ist gut, daß es zwischen diesen Punkten eine Verbindung gibt, denn Europa und die europäische Integration sind ein Stück Globalisierung und gleichzeitig ein Stück Antwort auf die Globalisierung.
Wenn wir über Globalisierung sprechen - das möchte ich an dieser Stelle tun, nach einer langen Debatte, in der es immer wieder einen Schlagabtausch zu den aktuellen Themen gegeben hat -, dann muß zunächst klar sein: Globalisierung erreicht jeden Arbeitsplatz und jeden Menschen. Wenn wir auf die Globalisierung Anworten geben wollen und sollen, sind das also Antworten, die viele Bereiche des Lebens betreffen: die Sozialpolitik, die Umweltpolitik, Sicherheitsfragen, Fragen der Freizügigkeit und das Leben jedes einzelnen insgesamt. Aber am gravierendsten ist die Arbeitswelt durch die Globalisierung betroffen. Hier müssen wir die Antworten geben, die die Menschen wollen; denn sie haben zunehmend Ängste und spüren, daß ihre Welt und ihr Arbeitsplatz mittelbar oder unmittelbar von der Globalisierung, der neuen Konkurrenz, dem Wettbewerb erreicht werden.
Wir sind gefragt worden: Was sind eure Antworten auf die Globalisierung? - Da kann ich für die Bundesregierung nur sagen: Wirtschaftspolitik am Ende dieses Jahrhunderts, an der Schwelle zum 21. Jahrhundert, bedeutet im Zeichen der Globalisierung dreierlei. Sie bedeutet erstens die Integration unserer Wirtschaft, der großen und vor allem auch der kleinen und mittleren Unternehmen, in die Weltwirtschaft. Dafür müssen wir konkrete Politik machen und einen konkreten Rahmen schaffen.
Sie bedeutet zweitens, daß wir unser Land im Inneren durch Reformen fit machen müssen, damit wir bei der Globalisierung mithalten können, damit wir dem neuen Wettbewerb standhalten können. Das ist die Reformpolitik, die jeden Tag unter den Überschriften Steuerpolitik, Reform der Sozialsysteme, Deregulierung, Privatisierung und Bildungspolitik diskutiert wird.
Das ist eine Antwort auf die Globalisierung.
Dann gibt es noch einen dritten Bereich. Wir können mit den Folgen der Globalisierung für die Arbeitsmärkte nur dann fertig werden, wenn wir neue Beschäftigungsfelder erschließen. Fazit: Wir müssen erstens in die Weltwirtschaft integrieren, zweitens Reformen machen und drittens neue Beschäftigungsfelder erschließen.
Über Reformen und Integration der Unternehmen in die Weltwirtschaft ist viel gesprochen worden, auch heute. Wir kennen die Argumente. Ich will diese beiden Punkte jetzt einmal außen vor lassen. Aus unserer Sicht ist es dringend erforderlich, daß wir die Lohnnebenkosten und die Abgaben senken
Bundesminister Dr. Günter Rexrodt
sowie überflüssige Regelungen abschaffen. Ich will diese Punkte, obwohl sie bei den Antworten auf die Globalisierung ein Kernstück sind, bewußt hintanstellen und, weil das in diesem Hause weniger geschieht, das Thema „neue Beschäftigungsfelder" aufgreifen.
Hier macht die Bundesregierung eine Politik, die konsequent darauf gerichtet ist, im Dienstleistungsbereich zu neuen Unternehmensgründungen und neuen Beschäftigungsverhältnissen zu kommen. Wenn wir uns die Entwicklung der Beschäftigung ansehen, stellen wir fest, daß diese seit 1960 in der Industrie fast linear zurückgegangen und im Dienstleistungsbereich fast linear gestiegen ist. 75 Prozent der Erwerbstätigen in Deutschland üben heute eine dienstleistende Tätigkeit aus. Deshalb ist es Aufgabe auch und gerade der Politik, dafür Freiräume zu schaffen.
Deshalb unternehmen wir enorme Anstrengungen, um die Weichen dafür zu stellen, daß im Informations- und Kommunikationsbereich neue Beschäftigungsfelder entstehen und daß das Handwerk und auch die freien Berufe ihre Beschäftigungsmöglichkeiten behalten. Da gibt es neue Bereiche, zum Beispiel Immobilien- und Gebäudemanagement, Pflegedienste, Pflege des Menschen, aber auch Pflege von Einrichtungen, von Infrastruktur. Der Tourismus spielt eine Rolle.
Neun von zehn Unternehmensgründungen sind heutzutage Unternehmensgründungen im Dienstleistungsbereich. Das sind Mosaiksteine, aber auch Bausteine dafür, daß wir mit den Herausforderungen der Globalisierung in unserem Lande, die jeden Arbeitsplatz erreichen, fertig werden.
Gott sei Dank ist in diesem Land wieder Gründerzeit. Auch das ist ein Kennzeichen der Globalisierung. Die neue Gesellschaft, die neue Arbeitswelt wird eine Arbeitswelt sein, die von sehr viel mehr Selbständigkeit geprägt ist als die heutige. In dieser durch Selbständigkeit und Selbstverantwortung geprägten Gesellschaft müssen bestimmte Bedingungen und Voraussetzungen erfüllt werden, und zwar unter anderem der Übergang von einer Fremdfinanzierungskultur zu einer Selbstfinanzierungskultur. Auch da hat die Bundesregierung Akzente gesetzt.
Ich will noch einen Aspekt aufgreifen, der für die Menschen im Zusammenhang mit der Globalisierung eine Rolle spielt. Die Menschen verfolgen, ohne sie immer genau zu verstehen, die krisenhaften Erscheinungen und Turbulenzen in Asien. Sie wollen von der Politik auch darauf Antworten haben; denn das, was dort passiert, ist Bestandteil dieser Welt und des Globalisierungsprozesses.
In der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit will ich folgendes dazu sagen: Wir befinden uns in der Weltwirtschaft - insbesondere in den Vereinigten Staaten, aber auch in Europa - in einer überaus günstigen Entwicklung. Von Asien sind jedoch auch negative Einwirkungen auf Europa und Amerika zu befürchten. Ich sage aber - dies ist eine Antwort auf die von den Menschen gestellten Fragen -: Die Probleme, die wir dort erkennen, sind eindämmbar.
Viele der Länder - die Tigerstaaten, Korea und andere -, die in den letzten Monaten in Schwierigkeiten geraten waren, haben sich auf einen guten Weg begeben, indem sie endlich die Reformen durchsetzen, die dort gebraucht werden, und zwar eine sinnvolle Überwachung des Finanzsystems, die Herstellung klarer Strukturen und eine Trennung von Staat und Wirtschaft über das hinaus, was es dort bisher gab.
Es gibt aber in Asien - wir sprechen über Globalisierung - einen Giganten, den wir angesichts der Wachstumsraten in den Tigerstaaten, die uns geblendet haben, ein Stück aus den Augen verloren hatten. Dieser Gigant ist Japan. Japan muß seine Probleme lösen. Dies sind Probleme, die darin bestehen, daß sich das Land nicht genügend geöffnet hat, daß das Finanzsystem seit zehn Jahren seine notwendigen Strukturreformen vor sich herschiebt und daß das Land nie wie wir in Europa eine Reformpolitik im Sinne einer Anpassung der Steuersysteme und der Sozialsysteme betrieben hat.
Zu den notwendigen Antworten gehört auch, daß wir den Menschen, die nach den Wirkungen der Globalisierung in unserem Lande fragen, sagen, welche Gefahren und welche Chancen von der asiatischen Entwicklung im Hinblick auf Europa und Deutschland ausgehen.
Die krisenhafte Entwicklung dort ist ernst und noch nicht zu Ende. Wir können sie aber, wenn wir in Solidarität mit den großen internationalen Einrichtungen und in Solidarität mit anderen Industrienationen - auch mit unseren europäischen Partnern - darauf hinwirken, daß dort die notwendigen Anpassungen vorgenommen werden, in den Griff bekommen. Auch das ist eine Antwort, die die Menschen erwarten. Sie kann nicht mit letzter Gewißheit gegeben werden, aber sie muß im Zusammenhang mit der Globalisierung gegeben werden.
Ich will soviel sagen: Die Menschen erwarten von der Politik, von uns in diesem Hause, daß wir ihnen ihre Ängste nehmen und daß wir ihnen die Probleme, die im Rahmen der weltweiten Konkurrenz entstanden sind, erklären. Das können wir nicht, wenn wir in der Tagespolitik jedesmal neu einen Schlagabtausch bezüglich der Steuerreform, der Sozialpolitik und was auch immer vornehmen. Das gehört zwar hierher, aber die Menschen erwarten von uns, daß wir mehr sagen können zu dem, was sie umtreibt. Die Bundesregierung tut das durch ihre Antworten und durch ihre praktische Politik.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, zur Geschäftslage darf ich Ihnen mitteilen, daß wir jetzt noch drei Rednerinnen und Redner haben. Dann kommen wir zu den Abstimmungen.
Ich erteile jetzt das Wort der Abgeordneten Dr. Elke Leonhard, SPD-Fraktion.
22224 Deutscher Bundestag - .13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Seit dem Ende des kalten Krieges vor zehn Jahren ist die Globalisierung ein Thema in Wissenschaft und Wirtschaft, ja auch schon in der Literatur. Aber die Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage der SPD-Fraktion, die wir heute diskutieren, ernüchtert in zentralen Punkten einmal mehr. Sie sagt wenig, zu wenig über Möglichkeiten einer aktiven Gestaltung der deutschen Außenwirtschaftspolitik. Sie sagt wenig, zu wenig darüber, wie die Chancen der Globalisierung genutzt werden können.
Lassen Sie mich einen Aspekt vorwegnehmen, auf den ich in meinen Ausführungen noch zurückkommen werde: Es gibt kein wirkungsvolleres Instrumentarium zur Gewinnung von Direktinvestitionen als einen effektiven auswärtigen Dienst. Verehrte Kolleginnen und Kollegen, der ruinöse Umgang mit dem Netz unserer weltweit agierenden Auslandsvertretungen ist ein Skandal.
Wer Top-Botschafter zum Grüßaugust an Flughäfen degradiert, sie aber zu den entscheidenden Gesprächen mit den Präsidenten draußen vor der Tür läßt, mag eigenes, freilich degeneriertes Machtgebaren befriedigen. Direktinvestitionen und damit den Interessen unserer Bürger dient er auf keinen Fall.
Der höhere auswärtige Dienst als eine der tragenden Säulen unseres Erscheinungsbildes im Ausland wird abgewrackt und ausgedörrt. Wer beispielsweise nur noch sieben Anwärter im Jahr in die Attachéausbildung aufnimmt, handelt Schlichtweg unverantwortlich.
Man muß wissen, daß der Unterbau, der anderen Ministerien durch die Länder zugute kommt, hier fehlt.
An dieser Stelle lassen Sie mich den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des auswärtigen Dienstes unseren Dank aussprechen. Trotz widriger Umstände und schwieriger Bedingungen vollbringen sie Tag für Tag gute Leistungen. Dafür gebührt ihnen unser Respekt.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, gewiß, die Antwort der Bundesregierung ignoriert keineswegs sämtliche Fakten. Es wäre zu billig, das zu behaupten. Sie geht in der Tat zum Teil auf diese Fakten ein, zum großen Teil aber an ihnen vorbei. Im Ergebnis ist die Antwort der Bundesregierung wenig hilfreich, weil sie vor Schönfärberei nur so strotzt.
Tatsache ist, daß der Außenhandel traditionell eine Stütze der deutschen Wirtschaft ist. Tatsache ist aber auch, daß der Export inzwischen nicht mehr die Stütze, sondern der letzte Rettungsanker für die verfehlte Wirtschaftspolitik der Bundesregierung geworden ist. Das niedrige Niveau der Binnennachfrage spricht eine beredte Sprache. Ohne die Exporterfolge der deutschen Wirtschaft stünde die Bilanz der Regierung am Ende der Ära Kohl noch mehr in den roten Zahlen. Doch lassen wir uns hier nicht täuschen: Auf den ersten Blick vermitteln die positiven Zahlen im Ausfuhrbereich den Eindruck, wenigstens hier sei die Welt noch in Ordnung. Die Statistik scheint die Stärke deutscher Unternehmen im Ausland zu beweisen. Aber bei genauer Betrachtung ist unübersehbar, daß sich auch hier die Probleme der Binnenwirtschaft widerspiegeln. Bei eingehender Analyse der Ursachen begegnen wir denselben Mängeln und Versäumnissen, die für die Binnennachfrage bezeichnend sind. Der Überschuß der Handelsbilanz beruht im wesentlichen auf dem konjunkturellen Gefälle zwischen den boomenden Ökonomien der wichtigsten Handelspartner in Nordamerika und der Europäischen Union und einer wirtschaftlich krankenden Bundesrepublik.
Dies sind Fakten, die der Antwort der Bundesregierung auf unsere Große Anfrage deutlich zu entnehmen sind. Ebenso deutlich werden trotz aller Versuche, in rosaroten Farben zu malen, die strukturellen Probleme des deutschen Außenhandels. Es sind im übrigen die gleichen Probleme, die uns aus der Binnenwirtschaft leider nur allzu bekannt sind. Traditionell liegt die Stärke in den kapitalintensiven, am Weltmarkt orientierten Branchen, die seit langem die Zeichen der Zeit erkannt haben. Sie brauchen dazu nicht den Staat.
Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen, die Bundesregierung selber aber weist auf die Problemkinder hin: den Dienstleistungsbereich, die Konsumgüterindustrie und die ostdeutsche Wirtschaft. Auf einen Nenner gebracht heißt das: Gerade dort, wo Arbeitsplätze geschaffen werden könnten und geschaffen werden müssen, ist die deutsche Wirtschaft unterrepräsentiert.
Einen Schritt weiter in der Analyse stößt man auf die eigentlichen Probleme - sie wurden heute morgen oft strapaziert -: Hohe Lohnnebenkosten und die Produktivitätslücke im Osten machen arbeitsintensive Produkte im Ausland zu teuer und erhöhen zugleich die Attraktivität von Importen.
Bezieht man in diese Problemlage den Bereich der Direktinvestitionen ein, dann erkennt man ein weiteres gravierendes Manko: die mangelnde Transparenz der Unternehmensbesteuerung. Ich frage: Welcher Investor traut sich in diesen Dschungel von zahllosen Einzelregelungen, Korrekturgesetzen und auslegungsbedürftigen Verordnungen?
Wenn es zutrifft, daß Absatzchancen, Kosten und Steuerbelastung für Direktinvestitionen entscheidend sind, dann ist die Bilanz für Deutschland erschreckend: fehlende Absatzchancen wegen lahmender Binnennachfrage - wir haben dies oft angesprochen -, zu hohe Lohnnebenkosten, ein undurchdringliches Dickicht der Unternehmensbesteuerung.
Dr. Elke Leonhard
Das alles zusammen ist der Todesstoß für jede Direktinvestition.
Mangelnde Reformbereitschaft und fehlende Visionen einer von Koalitionsstreitigkeiten und partiellen Rücksichtnahmen gekennzeichneten Wirtschaftspolitik der Bundesregierung sind zu einem Standortrisiko allererster Ordnung geworden, das dringend der Abhilfe bedarf.
Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen, was ist zu tun, um der Globalisierung als dem Rechnung zu tragen, was sie eigentlich ist, als nüchterner ökonomischer Tatsache, nicht als Schicksalsschlag oder als wohlfeiler Ausflucht für wirtschaftspolitische Inkompetenz?
Die Außenwirtschaftsförderung, verehrter Herr Außenminister, kann sich, so fürchte ich, solche Nummern wie die kürzlich vollzogene Veranstaltung mit zirka 100 Botschaften befreundeter Länder im Werk eines Flugzeugherstellers nicht leisten. Das wirkte abschreckend hilflos. Mein Rat an den Chefverkäufer: Man fliegt mit Topmaschinen und nicht mit der ältesten aller Mühlen, die beim Start dreimal Anlauf nehmen muß und bei der Ankunft auf den Flughäfen der Welt in erster Linie dadurch auffällt, daß, wenn der rote Teppich bereits ausgerollt ist und das Orchester zur Hymne ansetzt, die Türen klemmen. Das ist symptomatisch für diese Bundesrepublik.
Wer die deutsche Außenwirtschaft wirklich fördern will, der muß in vier Bereichen endlich aktiv werden: erstens Schaffung attraktiver und transparenter Rahmenbedingungen am Standort Deutschland, zweitens Verankerung von verläßlichen Regeln für den Austausch von Waren und Dienstleistungen in Europa und weltweit, drittens gezielte Förderung der Präsenz von Unternehmen, die in Deutschland produzieren, auf dem Weltmarkt und viertens - ich hatte es zu Beginn angesprochen und komme nun darauf zurück - die Reform des auswärtigen Dienstes mit dem Ziel, die Außenwirtschaft zur tragenden Säule zu machen.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, von herausragender, meist aber unterschätzter und oft übersehener Bedeutung sind ganz zweifellos die effektive Nutzung und die Vernetzung bestehender Strukturen, die dringend verbesserungsbedürftig sind. Ich denke nicht zuletzt an die enge Zusammenarbeit zwischen Botschaft, Generalkonsulat, Außenhandelskammer und BFAI vor Ort. Über eine Neuordnung und Effektivitätssteigerung muß ernsthaft nachgedacht werden. Ziel ist eine wirkungsvolle Koordination von Wirtschaftsberichterstattung und Beratung export- oder investitionswilliger Unternehmen, eine verbesserte Kommunikation mit ausländischen Unternehmen und ein optimierter Austausch mit deutschen Firmen vor Ort.
Doch es sei an dieser Stelle auch vor Patentrezepten nach dem Vorbild von Unternehmensberatungen gewarnt, die mit immer gleichen Konzepten nur scheinbar gleiche Probleme lösen wollen. So unterscheiden sich die Ansprüche von Großkonzernen, die eigene Marktforschung, Akquisition und Investitionspolitik betreiben, ganz erheblich von den Erwartungen mittelständischer und kleiner Firmen, die einen deutlich höheren Beratungsbedarf haben.
Es darf - dies ist ein weiterer Ansatzpunkt - außerdem nicht übersehen werden, daß weder unsere Auslandsvertretungen noch unsere Außenhandelskammern in nennenswertem Umfang für ausländische Investitionen in Deutschland werben. Ein wichtiger Grund ist, daß unsere Vertretungen weder über die dafür nötige Zahl von Mitarbeitern oder entsprechendes Informationsmaterial noch über die dazu erforderlichen Mittel verfügen.
Wirkungslos und daher kein Ersatz sind Hochglanzbroschüren über Land und Leute, die vom Bundeswirtschaftsministerium und von den Länderministerien, schlimmstenfalls auch noch ausschließlich in deutscher Sprache, unters Volk gebracht werden.
Setzen wir endlich das lange vorgesehene Controlling im Auswärtigen Dienst um! Reformieren wir endlich den auswärtigen Dienst und geben dabei der Außenwirtschaft den Stellenwert, der ihr zukommt!
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, der Schlüssel für die zahlreichen kleinen und mittleren Unternehmen unseres Landes - darauf kommt es an -
Frau Abgeordnete, Sie haben Ihre Redezeit weit überschritten.
- eine Sekunde -, die das Rückgrat unserer Wirtschaft bilden und damit für mehr Ausbildungs- und Arbeitsplätze sorgen, liegt in der gezielten Förderung durch unsere Auslandsvertretungen. Mein Appell: Ziehen wir endlich die Konsequenzen und stoppen wir den Aderlaß in Form des Personalabbaus im auswärtigen Dienst.
Ich danke Ihnen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bitte Sie Platz zu nehmen; denn es folgen noch zwei Redner, so daß es noch etwas dauern wird, bis wir zur Abstimmung kommen.
Ich erteile jetzt das Wort dem Abgeordneten CarlLudwig Thiele, F.D.P.-Fraktion.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir stimmen gleich namentlich über einen Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen ab. Dieser Antrag steht heute auf der Tagesordnung des Deutschen Bundestages, weil die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen dies so gewollt hat. Er und die anderen Anträge der Grünen tragen die Unterschrift des Fraktionsvorsitzenden Joseph Fischer. Beide sind von dieser Fraktion und diesem Fraktionsvorsitzenden im Deutschen Bundestag eingebracht worden.
Carl-Ludwig Thiele
Die Koalitionsfraktionen beantragen, um der Öffentlichkeit zu verdeutlichen, um was es geht, über den Antrag der Grünen auf Drucksache 13/3555 Einstieg in eine ökologisch-soziale Steuerreform - namentlich abzustimmen.
Die Partei Bündnis 90/Die Grünen hat auf ihrem Magdeburger Parteitag unter anderem den Beschluß gefaßt, den Benzinpreis auf 5 DM pro Liter in zehn Jahren zu erhöhen. Da das als „soziale Keule" - so Frau Röstel - wirkte und die „soziale Enteignungsbotschaft" - so Fraktionsvorsitzender Fischer - nicht mehr auftauchen darf, wurde der Beschluß auf dem kleinen Parteitag der Grünen verschwiegen.
In diesem Antrag, über den wir heute abstimmen, sind unter anderem folgende Forderungen enthalten: Verdoppelung des Benzinpreises in Deutschland innerhalb von vier Jahren, 5 DM pro Liter Benzin in zehn Jahren, nationaler Alleingang beim Einstieg in eine CO2-/Energiesteuer,
Kürzung der Mittel für den Bundesfernstraßenbau von derzeit 4,5 Milliarden DM um 3 Milliarden DM auf 1,5 Milliarden DM.
Das bedeutet keinen Aufbau Ost, sondern Abbruch Ost. Wer dazu klatscht, hat nicht verstanden, worum es in den neuen Bundesländern momentan überhaupt geht.
Es ist weiter beantragt: Abschaffung der Steuerbefreiung für Flugbenzin und damit drastische Verteuerung von Flugreisen.
- Nein, Herr Fischer! Nur die Grünen wollen den nationalen Alleingang. Herr Fischer, keine Wählertäuschung!
Es ist ferner beantragt, die Energiesteuer auf Heizöl, Erdgas und Strom um 7 Prozent pro Jahr zu erhöhen.
Die Bürger haben verstanden und wissen genau, was es bedeutet, wenn diese Forderungen umgesetzt würden. Auch einzelne Grüne haben dies erkannt. Deshalb wurde nach dem Magdeburger Parteitag Schadensbegrenzung nach dem Motto geübt: Es ist doch alles gar nicht so gemeint, wir wollen den Benzinpreis doch gar nicht auf 5 DM erhöhen, und wir wollen auch keine nationalen Alleingänge bei der Besteuerung von Flugbenzin.
Meine sehr geehrten Damen und Herren: Doch! Es war und es ist genauso gemeint, wie das auf dem Parteitag beschlossen wurde und wie das der heute im Deutschen Bundestag zur Abstimmung stehende Antrag ausweist. Es soll doch keiner glauben und dem Traum anhängen, daß die Grünen diese Forderungen
nicht erheben würden, wenn sie die Möglichkeit einer Regierungsbeteiligung in unserem Land hätten.
Gerade Sie, Herr Fischer, haben doch diesen Antrag unterschrieben, und gerade Sie, Herr Fischer, haben doch diesen Antrag im Deutschen Bundestag eingebracht, und gerade Sie, Herr Fischer, drängen doch darauf, daß dieser Beschluß heute im Deutschen Bundestag diskutiert wird, und gerade Sie, Herr Fischer, werden doch in der Öffentlichkeit als der große Zampano der Grünen wahrgenommen,
und gerade Sie, Herr Fischer, wollen doch Ihre Vorstellungen in Regierungspolitik umsetzen.
Oder ist das alles nur Wischiwaschi,
rein in die Kartoffeln, raus aus die Kartoffeln? Alles nach Beliebigkeit?
Herr Fischer, Ihr Wahlkampf wird eine permanente Wählertäuschung über die wahren Ziele der Grünen sein.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir müssen doch darüber diskutieren, wie die Inhalte einer Politik aussehen sollen. Und das ist mehr als eine Medieninszenierung. Weil Sie die Politik maßgeblich beeinflussen wollen und Vizekanzler und Außenminister werden wollen, ist die Frage erlaubt: Stehen Sie zu diesen Rezepten? Sie können das gleich in der namentlichen Abstimmung deutlich machen, Herr Fischer.
Deshalb sage ich: Es geht jetzt darum, ob die Grünen hier und heute im Deutschen Bundestag zu diesen abwegigen Vorstellungen stehen. Dem dient die namentliche Abstimmung. Wer in unserem Land regierungsfähig sein will, der darf diesen Antrag der Grünen nicht unterstützen.
Das Wort hat der Abgeordnete Kurt Neumann, fraktionslos.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich bin nicht erstaunt, aber ich muß betonen: Dieses chaotische Vorgehen von seiten der Koalition übertrifft das Maß der Nichtdiskussion, das wir bisher erlebt haben. Auf der
Kurt Neumann
Tagesordnung steht unter anderem der Punkt der Globalisierung.
Kaum jemand von seiten der Koalition hat sich dazu geäußert, obwohl der Wirtschaftsminister darauf hingewiesen hat, daß dieses Thema von erheblicher Bedeutung ist. Es geht hier um politisches Handeln angesichts der nicht ganz neuen, aber weiter zunehmenden internationalen Verflechtungen im Handel und zunehmend auch im Bereich der Investitionen.
Modisch und eher unzutreffend wird da von Globalisierung gesprochen. Es geht mir aber nicht um die Begriffe. Es geht um die Sache.
Ich hoffe, eines ist immer noch allgemeine Auffassung: Die kapitalistische Wirtschaft mit dem Unternehmensgewinn als Motor und dem Markt als Medium führt keineswegs im Selbstlauf zur allgemeinen Wohlfahrt der Menschen. Es war und ist vielmehr nötig, daß die Auswirkungen dieser Wirtschaftsweise durch Einschränkungen und Rahmensetzungen zumindest korrigiert und abgemildert werden. Manche sprechen insofern von „sozialer Marktwirtschaft" .
Ich nenne ohne Anspruch auf Vollständigkeit vier Bereiche. Durch Schutzvorschriften muß die Gesundheit der Menschen bewahrt und damit auch deren Arbeitskraft als Produktionsfaktor erhalten bleiben.
Systeme der sozialen Sicherung müssen die soziale Existenz der Menschen und damit auch die soziale Stabilität des jeweiligen Wirtschaftsstandortes gewährleisten.
Mitbestimmungsrechte der arbeitenden Menschen und ihrer Gewerkschaften müssen den unmittelbar produzierenden und Dienste leistenden Menschen Gestaltungsmöglichkeiten bieten und damit auch die politische Konsensfähigkeit in der Gesellschaft sicherstellen.
Die Bewahrung und die weitere Reproduktion der natürlichen Lebensgrundlagen müssen das Leben der Menschen dauerhaft und lebenswert erhalten und damit auch die Voraussetzungen für jedes weitere Wirtschaften sicherstellen.
Die soziale, die demokratisierende und die ökologische Gestaltung der Wirtschaft - wie unvollkommen und unterschiedlich sie auch realisiert wurde - konnte im wesentlichen mit Hilfe des demokratisch verfaßten Staates durchgesetzt werden. Staat ist auch heute noch im wesentlichen Nationalstaat und in zweiter Linie Europa mit seinem zwischenstaatlichen Institutionengefüge. Das modische Gerede von der Globalisierung und der Deregulierung will hier die Zeit zurückdrehen. Es wird versucht, den modernen Sozialstaat abzubauen. Dabei fällt doch jedem auf, daß gerade diejenigen die Verschlankung des Staates einfordern, die sich besonders intensiv für die Ausweitung der repressiven Möglichkeiten und Apparate des Staates starkmachen.
Internationalisierung darf demgegenüber nicht zur Entstaatlichung werden. Im Gegenteil: Es geht
darum, soziale, demokratische und ökologische Rahmenbedingungen für das internationale Wirtschaften auch international umzusetzen, vor allem über die europäischen Institutionen, auch über die Vereinten Nationen und ihre Nebenorganisationen sowie über die Welthandelsorganisation, WTO.
Dabei müssen wir darauf achten, daß nicht unter dem Deckmantel des Freihandels, insbesondere über die WTO, einmal Erreichtes zurückgedreht wird. Ich nenne beispielhaft den Gesundheitsschutz - wie beim sogenannten Hormonfleisch - oder Gesichtspunkte der aufholenden Entwicklung, wie bei der Bananenmarktordnung. Da widerspreche ich dem Kollegen Stoltenberg ganz ausdrücklich.
Ich begrüße, daß die Versuche, über die OECD ein multilaterales Investitionsabkommen zu etablieren und anderen Ländern aufzudrücken, gescheitert sind. Das MAI war schon vom Ansatz her verfehlt.
Es wollte die privaten Investitionen, teilweise auch den Handel, von den Gestaltungsmöglichkeiten der Nationalstaaten und der regionalen Zusammenschlüsse ausnehmen. Wir brauchen etwas anderes: Wir brauchen eine internationale Wirtschaftsverfassung, die sich auf Arbeit und Umwelt, auf Investitionen und Handel zugleich und gleichrangig bezieht. Solange entsprechende Abkommen nicht durchsetzbar sind, bleiben die Nationalstaaten und bleiben die europäischen Gemeinschaften die entscheidenden Adressaten und Akteure bei der menschlicheren Gestaltung des Wirtschaftens.
Soweit das Wirtschaftsleben gegenwärtig international gestaltet wird, haben wir einen ungeheuren Prozeß der Entdemokratisierung zu beklagen. Die WTO und die OECD nehmen für sich in Anspruch, gegenüber den Nationalstaaten und der Europäischen Union höheres Recht zu setzen und durchzusetzen. Ausgehandelt werden derartige Abkommen weitgehend im Verborgenen, ohne Unterrichtung oder gar Anhörung parlamentarischer Gremien.
Der Deutsche Bundestag wird sich, wenn er sich denn ernst nimmt, Gedanken darüber machen müssen, wie er zukünftig solche internationalen Verträge behandeln will, die entscheidende Auswirkungen auf unsere innere Ordnung haben. Wir brauchen für den Bereich der Internationalisierung Regelungen, die dem Art. 23 des Grundgesetzes und seinen Ausführungsgesetzen entsprechen.
Ich komme zum Schluß: Bei aller Internationalisierung muß die Setzung wirtschaftspolitischer Rahmenbedingungen in erster Linie von den nationalstaatlichen und den europäischen Institutionen erfolgen.
Ihre Redezeit ist zu Ende. Bitte kommen Sie zum letzten Satz.
Ein letzter Satz: Darüber hinausgehende internationale Wirtschaftsabkommen dürfen nicht mehr allein kapitalorientiert sein. Sie müssen zugleich sozial und ökolo-
Kurt Neumann
gisch gestaltet werden. Unverzichtbar ist, daß ihr Zustandekommen demokratisiert, das heißt insbesondere parlamentarisiert wird.
Ich bedanke mich für die hervorragende Aufmerksamkeit.
Ich schließe die Aussprache. - Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bitte Sie, zuzuhören, damit bei den Abstimmungen nichts durcheinandergeht. Ich muß Ihnen noch folgende Hinweise geben: Wir werden nachher über eine Beschlußempfehlung des Finanzausschusses zu einem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zur Ökosteuer namentlich abstimmen. Für diese namentliche Abstimmung benötigen Sie Ihren Stimmausweis noch nicht. Bitte bewahren Sie den Stimmausweis für die später folgende namentliche Abstimmung zum Hochschulrahmengesetz auf.
Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 13/10991. Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Dann ist der Entschließungsantrag mit den Stimmen der Koalition gegen die Stimmen von SPD und PDS bei Enthaltung der Fraktion der Grünen abgelehnt.
Abstimmung über den Antrag der Fraktion der CDU/CSU und F.D.P. zur Nutzung der Chancen der Globalisierung, Drucksache 13/10976. Wer stimmt für diese Antrag? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Dann ist der Antrag mit den Stimmen der Koalition gegen die Stimmen der Opposition angenommen.
Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 13/11011. Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Dann ist der Entschließungsantrag mit den Stimmen der Koalition und der PDS gegen die Stimmen der SPD bei Enthaltung von Bündnis 90/Die Grünen abgelehnt.
Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion der SPD mit dem Titel „Beratung über die Umsetzung der beschäftigungspolitischen Leitlinien anläßlich des Europäischen Rates in Cardiff am 15./ 16. Juni 1998", Drucksache 13/10602. Wer stimmt für diesen Antrag? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Dann ist der Antrag mit den Stimmen der Koalition gegen die Stimmen von SPD und PDS bei Enthaltung von Bündnis 90/Die Grünen abgelehnt.
Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit dem Titel „Für einen neuen Gesellschaftsvertrag: Kooperative und nachhaltige Beschäftigungspolitik", Drucksache 13/ 10963. Wer stimmt für diesen Antrag? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Dann ist der Antrag mit den Stimmen der Koalition gegen die Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen bei Enthaltung von SPD und PDS abgelehnt.
Wir kommen zur Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen
zur Einführung einer ökologischen Besteuerung von Energie auf Drucksache 13/3067. Der Finanzausschuß empfiehlt auf Drucksache 13/10924 unter Buchstabe a, den Gesetzentwurf abzulehnen. Ich lasse über den Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 13/3067 abstimmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Dann ist der Gesetzentwurf in zweiter Beratung mit den Stimmen von CDU/CSU, F.D.P. und SPD gegen die Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen bei Enthaltung der PDS abgelehnt. Damit entfällt nach unserer Geschäftsordnung die weitere Beratung.
Wir kommen zur Beschlußempfehlung des Finanzausschusses zu dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen zu einem Einstieg in eine ökologischsoziale Steuerreform, Drucksache 13/10924 Buchstabe b. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 13/3555 abzulehnen. Ich weise darauf hin, daß wir über die Beschlußempfehlung des Ausschusses abstimmen. Die Fraktion der F.D.P. verlangt namentliche Abstimmung. Für diese Abstimmung benötigen Sie Ihren Stimmausweis noch nicht.
Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, die vorgesehenen Plätze einzunehmen. - Auf Wunsch der Geschäftsführer möchte ich noch einmal deutlich machen, daß wir über die Beschlußempfehlung des Ausschusses abstimmen. Wer dieser Beschlußempfehlung zustimmt, muß mit Blau stimmen. - Alle Urnen sind besetzt. Dann eröffne ich die Abstimmung.
Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine Stimmkarte nicht abgegeben hat? - Das scheint nicht der Fall zu sein. Dann schließe ich die Abstimmung. Ich bitte die Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Das Ergebnis wird Ihnen später bekanntgegeben.*)
Wir setzen die Beratungen fort. Ich bitte Sie, Platz zu nehmen, sonst haben wir keinen Überblick. Es dauert eine Weile, bis wir zur zweiten namentlichen Abstimmung kommen. Es lohnt sich auf jeden Fall, sich niederzusetzen. Es verzögert die Sache nur, wenn sich niemand hinsetzt. Vorher können wir nicht weitermachen. Das gilt auch für die Regierungsbank.
Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen auf den Drucksachen 13/7050 und 13/8591 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall. Dann sind die Überweisungen so beschlossen.
Ich rufe jetzt den Tagesordnungspunkt 6 auf:
Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P.
Zurückweisung des Einspruchs des Bundesrates gegen das Vierte Gesetz zur Änderung des Hochschulrahmengesetzes
- Drucksache 13/10774 -
*) Seite 22233 C
Vizepräsidentin Michaela Geiger
Ich bitte zunächst um Ihre Aufmerksamkeit für einige Hinweise.
Über den Antrag werden wir namentlich abstimmen. Nach Art. 77 Abs. 4 des Grundgesetzes ist für die Zurückweisung des Einspruchs des Bundesrates die Mehrheit der Mitglieder des Deutschen Bundestages erforderlich, und das sind mindestens 337 Stimmen. Wer den Einspruch zurückweisen will, muß mit Ja stimmen.
Sie benötigen außer Ihrer Stimmkarte auch Ihren Stimmausweis in der Farbe gelb. Den Stimmausweis können Sie, soweit noch nicht geschehen, Ihrem Stimmkartenfach entnehmen. Bitte achten Sie darauf, daß die Stimmkarte und der Stimmausweis Ihren eigenen Namen tragen. Bevor Sie nachher Ihre Stimmkarte in die Urne werfen, übergeben Sie bitte Ihren Stimmausweis dem Schriftführer an der Urne. Die Schriftführerinnen und Schriftführer bitte ich, darauf zu achten, daß Stimmkarten nur von den Kolleginnen und Kollegen in die Urne geworfen werden dürfen, die vorher ihren Stimmausweis abgegeben haben.
Wie mir mitgeteilt wurde, wird das Wort zur Abgabe von Erklärungen gewünscht. Ich weise darauf hin, daß diese Erklärungen maximal fünf Minuten dauern dürfen.
Das Wort zur ersten Erklärung hat der Bundesminister Dr. Jürgen Rüttgers.
- Herr Minister, einen kleinen Moment! Wir müssen erst einmal ein bißchen für Ruhe sorgen. - Liebe Kolleginnen und Kollegen, setzen Sie sich bitte hin! Es kommen jetzt fünf Erklärungen. Wir müssen unseren Rednern zuhören; alles andere wäre unfair. Also bitte schön, nehmen Sie Platz und hören Sie zu!
Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Der heutige Tag hat eine große Bedeutung für die Zukunft der Hochschulen in Deutschland. Wir machen heute mit der Kanzlermehrheit den Weg frei für das neue Hochschulrahmengesetz.
Natürlich ist das neue Hochschulrahmengesetz nicht die Hochschulreform, aber sie kann heute beginnen, nachdem wir die Hochschulen vom Gängelband des Staates entlassen. Wir verschaffen den einzelnen Hochschulen mehr Freiheit, wir stärken die Leitungen der Hochschulen, wir verbessern die Lage der Wissenschaftler und Studenten, und wir ziehen einen Schlußstrich unter das überholte Dogma der Einheitsuniversität in Deutschland. In Zukunft können die deutschen Hochschulen ein eigenständiges Profil entwickeln. Es ist mehr Vielfalt möglich. Die Hochschulen haben die Chance, international attraktiver zu werden. Wir öffnen das Tor für mehr Wettbewerb.
Es ist doch völlig klar: Wenn die Gesellschaft, wenn die Wirtschaft sich auf die Globalisierung vorbereiten, wenn sie sich auf die internationale Konkurrenz im 21. Jahrhundert einstellen, dann können
unsere Hochschulen nicht abgeschottet in einem Biotop verbleiben, das nationalstaatlich organisiert ist.
Wer, liebe Kolleginnen und Kollegen, wie Lafontaine jetzt im Saarland 12 Studiengänge streicht, wer die Fächer Volkswirtschaft, Politik und Sozialwissenschaften, Geographie und gar Biologie für überflüssig erachtet, wer wie der SPD-Kanzlerkandidat in Niedersachsen bei den Hochschulausgaben auf dem vorletzten Platz aller Bundesländer liegt und wer jetzt wie die SPD gegen das Hochschulrahmengesetz stimmt, der gibt keine richtige Antwort für das 21. Jahrhundert, der läßt die Hochschulen allein. Das kann nicht so bleiben. Deshalb werden wir heute das Hochschulrahmengesetz durchsetzen.
Die Bundesregierung geht einen anderen Weg. Wir wollen nicht nur mehr Wettbewerb; wir wollen auch die Finanzausstattung der Hochschulen verbessern. Beides gehört zusammen. Die Zahl der Studierenden wird in den nächsten Jahren von 1,8 Millionen heute auf 2,3 Millionen steigen, und deshalb brauchen die Hochschulen mehr Geld. Das bedeutet, daß wir auch die Mittel des Bundes für die Hochschulen erhöhen müssen. Allerdings wollen wir diese Mittel nicht nach irgendwelchen Bund-Länder-Mechanismen, nicht nach den Vorschlägen einer Bund-Länder-Bürokratie verteilen, sondern wir wollen eine leistungsabhängige Hochschulfinanzierung: Wer in den Hochschulen etwas leistet, soll auch mehr Geld haben. Es soll nicht dabei bleiben, daß man keine Leistung sehen kann und sich nicht bewegen muß. Auch Leistung muß in Zukunft Mittel der Bewegung werden.
Deshalb werden wir die neuen Prinzipien Freiheit, Vielfalt und Wettbewerb stärken und die Hochschulen in die Eigenverantwortung entlassen. Das soll das neue Hochschulrahmengesetz jetzt ermöglichen. Deshalb ist es ein ganz wichtiger Schritt nicht nur für die Hochschulen, nicht nur für den Forschungsstandort Deutschland, sondern auch für die Studierenden an den Hochschulen. Sie sollen die Möglichkeit bekommen, ihr Studium endlich schneller zu absolvieren; sie sollen nicht länger in Studiengänge eingepfercht sein, in denen ein schnelles Studium gar nicht möglich ist. Die meisten wollen das; wir ermöglichen das heute mit diesem Hochschulrahmengesetz.
Ich fordere deshalb letztmalig die SPD auf: Stimmen Sie diesem Hochschulrahmengesetz zu! Wir haben alle Vorschriften mit den Ländern, auch den SPD-regierten Ländern, abgestimmt. Es gibt keinen Grund, heute nein zu sagen - es sei denn, Sie wollen aus ideologischen Gründen den Hochschulen die Zukunft verbauen. Das ist auf jeden Fall nicht der Weg der Koalition und der Bundesregierung.
Das Wort hat die Abgeordnete Edelgard Bulmahn, SPD-Fraktion.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kollegen und Kolleginnen! Die SPD will ein modernisiertes Hochschulrahmengesetz, damit die Hochschulgesetzgebung des Bundes nicht länger hinter den Entwicklungen, die in den Ländern bereits eingeleitet worden sind, hinterherhinkt.
Demzufolge sind auch in dem von der Bundesregierung eingebrachten HRG-Entwurf eine ganze Reihe von SPD-Initiativen aufgegriffen worden. Ich nenne die Stärkung der Autonomie der Hochschulen, die kontinuierliche Evaluierung von Lehre und Forschung, die leistungsbezogene Finanzierung von Hochschulen, die in den SPD-regierten Bundesländern eingeleitet worden ist,
die Stärkung der Frauenförderung und die Einbeziehung der Weiterbildung in den Aufgabenkatalog der Hochschulen.
Die Novelle hat aber - das ist sehr bedauerlich - gravierende Mängel. Es ist weder gelungen, in den Ausschußberatungen ein bundesweites Verbot von Studiengebühren im Hochschulrahmengesetz zu verankern, noch ist es gelungen, in den Ausschußsitzungen eine zukunftsweisende Personalstruktur-
und Dienstrechtsreform auf den Weg zu bringen; es ist nicht gelungen, eine Öffnungsklausel zu verankern; es ist nicht gelungen, die verfaßten Studentenschaften bundesweit abzusichern; es ist nicht gelungen, die Durchlässigkeit zwischen dem Bachelor-und dem Master-Studiengang zu gewährleisten, und es ist leider auch nicht gelungen, die Notwendigkeit der Zustimmung des Bundesrates im Gesetz klarzustellen. Dies ist jedoch die Grundlage für die kooperative Zusammenarbeit von Bund und Ländern in der Hochschulpolitik.
Die SPD ist davon überzeugt, daß alle jungen Menschen, unabhängig von ihrer sozialen und wirtschaftlichen Situation, die Chance bekommen müssen, eine ihren Fähigkeiten und Interessen entsprechende Ausbildung zu absolvieren.
Deshalb muß durch ein bundesgesetzliches Verbot von Studiengebühren und durch eine entsprechende Ausbildungsförderung die Chancengleichheit auch in der Hochschulbildung gewährleistet werden.
Wir bedauern, daß sich die Koalition in dieser Frage keinen Millimeter bewegt hat - und das, obwohl wir mit unserem Vorschlag im Vermittlungsausschuß für die Aufnahme eines zeitlich befristeten Verbots von Studiengebühren den Koalitionsfraktionen eine goldene Brücke gebaut haben. Wir wollten ein Verbot, das rechtlich sicher ist und das den Studierenden auch eine Perspektive gibt, auf die sie sich einstellen können. Die Koalition hat dieses Angebot abgelehnt.
Liebe Kollegen und Kolleginnen von der Koalition, lassen Sie mich eines sagen: Es ist scheinheilig, in Bundestagsdebatten für ein Verbot von Studiengebühren einzutreten und dann alle bindenden, rechtlich verläßlichen Regelungen hier im Deutschen Bundestag zu blockieren. So geht es nicht.
Sie wissen ganz genau, daß ein einfaches Verwaltungsabkommen nicht die notwendige rechtliche Sicherheit bietet. Sie wollten noch nicht einmal, daß dieses Verwaltungsabkommen für alle Bundesländer Geltung haben soll.
Auch bei der Reform der Ausbildungsförderung hat sich die Koalition keinen Millimeter bewegt. Die Neuordnung der Ausbildungsförderung ist aber genauso unverzichtbar wie die Reform der Personalstruktur und des Dienstrechtes.
16 Jahre haben Sie genau dies nicht gemacht.
Der Bundesrat hat einstimmig die Zustimmungsbedürftigkeit der HRG-Novelle festgestellt. Die Sachverständigen haben dies in der Anhörung unseres Ausschusses nachdrücklich bestätigt. Aber statt in Kooperation mit den Ländern die Hochschulreform voranzubringen, versucht diese Regierungskoalition ohne Kompromißbereitschaft, den Ländern ihre verfehlte Haltung in der Frage der Studiengebühren aufzudrücken.
Wir setzen in der Hochschulpolitik auf Kooperation und Zusammenarbeit, nicht auf Konfrontation und auf billigen Schlagabtausch, wie Sie es auch heute wieder gemacht haben.
Deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen, fordere ich Sie auf: Nehmen Sie im Interesse einer erfolgreichen und aus unserer Sicht notwendigen Zusammenarbeit von Bund und Ländern im Bereich der Hochschulpolitik die Bedenken des Bundesrates ernst.
Edelgard Bulmahn
Wir nehmen sie ernst, und wir lehnen deshalb die Zurückweisung des Bundesratseinspruches ab.
Vielen Dank.
Das Wort hat der Abgeordnete Matthias Berninger, Bündnis 90/Die Grünen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Abstimmung, die heute vor uns steht, entscheidet nicht über die Hochschulreform. Sie schreibt lediglich fest, auf welche Art und Weise diese Bundesregierung in den letzten Jahren mit diesem Thema umgegangen ist.
Ich persönlich glaube nicht, Herr Minister Rüttgers, daß mit dem, was Sie hier durchsetzen wollen, der Startschuß für die Hochschulreform gegeben wird. Im Gegenteil, ich glaube, daß am Ende dieser Legislaturperiode deutlich geworden ist, daß wir vier Jahre verschenkt haben, daß wir vier Jahre für eine Hochschulreform nicht genutzt haben.
Sie haben es als Minister nicht geschafft - das ist einmalig -, sich mit Ihren Länderkollegen zu einigen. Sie sind immer wieder mit dem Kopf durch die Wand gegangen. Sie haben die Bedenken der Länderkollegen, die Bedenken, die Ihnen von Studierenden, die auf die Straße gegangen sind, entgegengehalten wurden, immer wieder ignoriert. Ich glaube, auch das macht deutlich, daß die Politik, die Sie für die Hochschulen vorschlagen, nicht die Zukunft der Hochschulen darstellt.
Vor knapp einem Jahr sah es so aus, als würden sich Bund und Länder in einer Übereinkunft von Bürokraten auf eine Reform des Hochschulrahmengesetzes einigen. Ich bin sehr froh, daß das nicht passiert ist. Das verdanken wir vor allem dem Protest der Studierenden; aber das verdanken wir auch der Einsicht, daß die Substanz, die heute zur Abstimmung steht, nicht ausreicht, um wirklich eine Hochschulreform in Gang zu setzen. Das möchte ich im folgenden begründen.
Erster Punkt: Es wird eine Hochschulreform ohne BAföG-Reform nicht geben. Diese Bundesregierung war es, die die BAföG-Reform immer wieder blokkiert hat. Sie waren es, die nicht über Ihren Schatten gesprungen sind. Sie waren es, die verhindert haben, daß Chancengleichheit und das Recht auf Bildung in der Bildungspolitik der Bundesrepublik Deutschland wieder die angemessene Rolle spielen.
Ein zweiter wichtiger Punkt: Wie soll denn, bitte schön, eine Hochschulreform mit einer Personalstruktur aus dem letzten Jahrhundert funktionieren? Es kann doch nicht wahr sein, daß Sie allen Ernstes immer wieder von wettbewerbsfähigen Hochschulen reden und gleichzeitig von Ihrem Versäumnis ablenken wollen, daß sich im Bereich der Personalstruktur überhaupt nichts verändert hat.
Moderne Hochschulen funktionieren nur dann, wenn man es auch schafft, die nächste Generation von Professoren - vor allem Professorinnen - nach modernen Kriterien einzustellen, das heißt, sie nicht mehr zu verbeamten und sie entsprechend ihrer Leistung zu finanzieren. All diese Regelungen hätten im Hochschulrahmengesetz Platz gehabt. Sie haben sich aber gegen Herrn Kanther nicht durchsetzen können. Auch davon wollen Sie ablenken, Herr Minister Rüttgers.
Fast schon bodenlos finde ich, was Sie zum Thema Geld sagen. Diese Bundesregierung hat den Hochschuletat effektiv gekürzt. Sie haben die Mittel nicht in die Bildung investiert; Sie haben sich zurückgezogen. Gelder für den Hochschulbau, für die Sie die Verantwortung tragen, haben Sie sich zum Teil bei den Ländern geliehen. Sie stehen mit fast 2 Milliarden DM bei den Ländern in der Kreide und stellen sich nun hier hin, als seien Sie der große Hochschulreformator. Durch Ihre Politik haben Sie die Spielräume bei den Ländern eingeengt. Auch vor diesem Hintergrund finde ich es außerordentlich scheinheilig, daß Sie sich zum Abschluß dieser Legislaturperiode als großer Hochschulreformer gerieren. Das wird Ihnen niemand durchgehen lassen, Herr Minister Rüttgers.
Eine Hochschulreform ist dringend nötig. Ich glaube, daß wir eine Hochschulreform brauchen, die deutlich macht, daß in Zukunft mehr junge Menschen an die Hochschulen kommen werden. Über die Modernität unseres Landes entscheidet die Frage, wie gut unsere Hochschulen sein werden. Wir müssen - das gilt für alle Fraktionen - über viele Schatten springen; viele alte Zöpfe müssen abgeschnitten werden. Wenn man das aber schon tut, dann muß man ein klares Bekenntnis darüber abgeben, wie die Hochschule der Zukunft aussehen soll. Ich finde, die Hochschule der Zukunft muß eine Hochschule sein, die im öffentlichen Raum verankert ist. Deswegen ist die Frage der Mitbestimmung kein Larifari. Es ist die Frage, ob man den Studierenden in Deutschland die Hand reicht und ob man will, daß sie sich an der Hochschulreform beteiligen, oder ob man eine Hochschulreform über ihre Köpfe hinweg machen will.
Herr Minister Rüttgers, Sie schlagen vor, per Gesetz zu beschließen, wie kurz Studiengänge in Deutschland sein müssen. Das ist absurd! Durch Ihre Unterlassungen bei der BAföG-Reform haben Sie die
Matthias Berninger
Studienzeiten in Deutschland verlängert. Das wirft Ihnen die Hochschulrektorenkonferenz vor; das wirft Ihnen die Opposition vor; das wirft Ihnen jeder vor, der sich in der bildungspolitischen Debatte auskennt. Jetzt wollen Sie dieses Versäumnis per Gesetz vertuschen. Der entscheidende Punkt wird sein, wie man Studierende wieder dazu bringt, daß sie sich auf ihr Studium konzentrieren können. Das wird nur mit einer BAföG-Reform funktionieren. Die BAföG-Reform haben Sie blockiert.
Vor diesem Hintergrund haben Sie letzten Endes das Wesentliche versäumt: Sie haben in dieser Legislaturperiode keinen entscheidenden Impuls für die Bildungsreform und für die Hochschule im 21. Jahrhundert setzen können. Über diese Realität können Sie sich jetzt mit Kanzlermehrheit hinwegsetzen. Nach dem 27. September dieses Jahres wird das nicht mehr möglich sein. Dann wird, denke ich, der Weg für eine Bildungsreform frei, und zwar für eine, die die Hochschulen in den Mittelpunkt stellt. Dann geht es nicht mehr um die Art und Weise, wie der Bund über die Gesetzgebung versucht, von seiner Verantwortung abzulenken.
Vielen Dank.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Karlheinz Guttmacher, F.D.P.-Fraktion.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Hochschulreform kann nur durchgeführt werden, wenn es uns gelingt, das Hochschulrahmengesetz so auf den Weg zu bringen, daß wir all die Punkte, auf die die Länder und die Universitäten warten, sehr schnell regeln. Die Novellierung des Hochschulrahmengesetzes enthält für den Hochschulbereich wesentliche Elemente, die auch unseren Reformvorstellungen voll entsprechen. Deswegen wird die F.D.P.-Fraktion der Novellierung des Hochschulrahmengesetzes die Zustimmung geben. Denn zum ersten Mal sind die leistungsorientierte Finanzierung der Hochschulen und auch die Evaluierung von Forschung und Lehre unter Beteiligung der Studenten aufgenommen worden.
Wir werden diesem Gesetz unsere Zustimmung geben, weil die Freiheit der Studenten, sich entsprechend ihren Leistungen, ihren Fähigkeiten und ihren Neigungen an jeder deutschen Hochschule bewerben zu können, deutlich verbessert worden ist und weil die Hochschulen ein Mitspracherecht bekommen, so daß sie zu mindestens 25 Prozent an der Auswahl der Studenten beteiligt werden.
Die F.D.P. wird dem Hochschulrahmengesetz auch deswegen die Zustimmung geben, weil das prüfungsbegleitende Studium zukünftig wieder verstärkt wird. Wir werden bei allen Fachrichtungen eine Zwischenprüfung nach dem vierten Semester
einführen. Zum erstenmal haben die Studenten die Möglichkeit, über ein Leistungspunktesystem all ihre Studien- und Prüfungsleistungen zu kumulieren, auch diejenigen, die sie bei einem Auslandssemester erbracht haben. Wesentlich ist für uns - auch deswegen geben wir unsere Zustimmung -, weil wir neben den bekannten akademischen Abschlüssen des Diploms und des Magisters in Deutschland auch die international anerkannten Abschlüsse wie Bachelor und Master aufnehmen.
Das wird den Hochschulstandort Deutschland international attraktiv, wettbewerbs- und konkurrenzfähig machen.
Die Länder waren, wie Sie ja wissen, an der inhaltlichen Ausarbeitung des Hochschulrahmengesetzes beteiligt und haben diesem heute hier vorliegenden Reformpaket ihre Zustimmung gegeben. Das muß man an dieser Stelle auch einmal sagen. Ein Verbot der Studiengebühren fehlt in dem alten ebenso wie in dem neuen Hochschulrahmengesetz, und zwar deswegen, weil die Kompetenz zur Bildungsfinanzierung der Hochschulen im wesentlichen bei den Ländern liegt.
Klar und unmißverständlich sage ich für die Fraktion der F.D.P., daß wir uns, was den ersten Teil der akademischen Ausbildung angeht, gegen Studiengebühren aussprechen. Die Abgeordneten dieses Parlaments wissen, daß wir alle gleichermaßen gegen die Erhebung von Studiengebühren waren, und es war an diesem Parlament gelegen, begleitend zu der Novellierung des Hochschulrahmengesetzes einen Entschließungsantrag für das Verbot der Studiengebühren einzubringen. Die Kompetenz des Landes in einem Bundesrahmenplan aufzunehmen ist aber nicht möglich. Das muß auch Frau Kollegin Bulmahn von der SPD an dieser Stelle zur Kenntnis nehmen.
Wir bedauern deshalb außerordentlich, daß der Wahlkampf die SPD veranlaßt hat, die Novellierung des Hochschulrahmengesetzes auch zu einer Verfassungsfrage werden zu lassen.
Bei der Zustimmung zum Hochschulrahmengesetz wird sich die Trennung von Spreu und Weizen in bezug auf die wirklichen Reformer in diesem unserem Parlament heute zeigen. Die F.D.P.-Bundestagsfraktion stimmt der Zurückweisung des Einspruchs des Bundesrats zu.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Ludwig Elm, PDS.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir lehnen den Antrag der Koalition auf Zurückweisung des Einspruchs des Bundesrates gegen die HRG-Novelle der Bundesregierung aus folgenden Gründen ab:
Erstens. Wir teilen die Auffassung des Bundesrates, daß die von der Bundesregierung vorgelegte Novelle zum Hochschulrahmengesetz der Zustimmung der Länder, also des Bundesrates, bedarf. Die Begründung des Bundesrates für die Zustimmungspflichtigkeit halten wir für einsichtig und können uns ihr anschließen.
Zweitens. Wir unterstützen das Verlangen des Vermittlungsausschusses nach Aufnahme eines Verbots von Studiengebühren in das HRG.
Drittens. Der Antrag der Koalition verfolgt das Ziel, den Weg für die Inkraftsetzung der HRG-Novelle freizumachen. Die Gruppe der PDS hat über das fehlende Verbot von Studiengebühren hinaus weitere Gründe, die HRG-Novelle der Bundesregierung und damit auch den Koalitionsantrag abzulehnen. Zu diesen Ablehnungsgründen gehört vor allem die Nichtberücksichtigung zahlreicher berechtigter und begründeter Forderungen und Vorschläge von Studierenden und anderen Hochschulangehörigen, wie sie während der Proteste gegen die Hochschulmisere im Wintersemester 1997/98 artikuliert worden sind.
Die jüngste Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerkes belegt eindeutig, daß die Novellierung des Hochschulrahmengesetzes zum Zwecke der Reform der Hochschulen scheitern muß, wenn sie nicht mit einer Reform der Studienfinanzierung verbunden wird, die ein Studium unabhängig von elterlicher. Hilfe und Nebenjobs ermöglicht.
Die nicht zustande gekommene Verbindung dieser Reform der Studienfinanzierung, der BAföG-Reform, und der HRG-Novelle ist für uns ein weiterer Grund, den Antrag der Koalition abzulehnen.
Danke.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir kommen jetzt zur namentlichen Abstimmung. Das Verfahren mit den gelben Stimmausweisen habe ich Ihnen vorhin schon erläutert.Ich bitte jetzt die Schriftführerinnen und Schriftführer, die vorgesehenen Plätze einzunehmen und darauf zu achten, daß alle Urnen besetzt sind.Sind alle Urnen besetzt? - Das scheint der Fall zu sein. Ich eröffne die Abstimmung.Sind Mitglieder des Hauses anwesend, die ihre Stimme noch nicht abgegeben haben? - Das scheint noch nicht zweifelsfrei geklärt zu sein. - Jetzt haben alle Mitglieder ihre Stimme abgegeben.Ich schließe die Abstimmung. Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Das Ergebnis dieser Abstimmung wird Ihnen später bekanntgegeben.*)Ich gebe Ihnen jetzt das von den Schriftführern und Schriftführerinnen ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstimmung zu der Beschlußempfehlung des Finanzausschusses zu dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 13/ 10924 b „Einstieg in eine ökologisch-soziale Steuerreform" bekannt. Abgegebene Stimmen 646, mit Ja haben gestimmt 578, mit Nein haben gestimmt 47, Enthaltungen 21. Damit ist die Beschlußempfehlung des Ausschusses angenommen.Endgültiges ErgebnisAbgegebene Stimmen: 646; davonja: 578nein: 47enthalten: 21JaCDU/CSUUlrich AdamPeter AltmaierAnneliese Augustin Jürgen Augustinowitz Dietrich Austermann Heinz-Günter Bargfrede Franz Peter BastenDr. Wolf BauerBrigitte Baumeister Meinrad BelleDr. Sabine Bergmann-Pohl Hans-Dirk BierlingDr. Joseph-Theodor Blank Renate BlankDr. Heribert Blens Peter BleserDr. Norbert Blüm Friedrich BohlDr. Maria Böhmer Jochen BorchertWolfgang Börnsen Wolfgang BosbachDr. Wolfgang Bötsch Klaus BrähmigRudolf Braun Paul BreuerMonika Brudlewsky Georg Brunnhuber Klaus Bühler Hartmut Büttner
Dankward BuwittManfred Carstens Peter Harry Carstensen
Wolfgang Dehnel Hubert DeittertGertrud Dempwolf Albert DeßRenate DiemersWilhelm Dietzel') Seite 22240 BWerner Dörflinger Hansjörgen DossDr. Alfred Dregger Maria EichhornWolfgang Engelmann Rainer Eppelmann Heinz Dieter Eßmann Horst EylmannAnke EymerIlse FalkJochen FeilckeUlf FinkDirk Fischer Leni Fischer (Unna)Klaus Francke Herbert Frankenhauser Dr. Gerhard Friedrich Erich G. FritzHans-Joachim Fuchtel Michaela GeigerNorbert GeisDr. Heiner Geißler Michael GlosWilma GlücklichDr. Reinhard Göhner Peter GötzDr. Wolfgang Götzer Joachim GresKurt-Dieter GrillWolfgang GröblHermann GröheClaus-Peter GrotzManfred GrundHorst Günther Carl-Detlev Freiherr von HammersteinGottfried Haschke Gerda HasselfeldtOtto Hauser Hansgeorg Hauser
Klaus-Jürgen Hedrich Helmut Heiderich
Manfred HeiseDetlef HellingDr. Renate Hellwig Ernst HinskenPeter HintzeJosef HollerithElke HolzapfelDr. Karl-Heinz Hornhues Siegfried Hornung Joachim HörsterHubert HüppePeter JacobyVizepräsidentin Michaela GeigerSusanne JaffkeGeorg JanovskyHelmut Jawurek Dr. Dionys JobstDr.-Ing. Rainer Jork Michael Jung Ulrich JunghannsDr. Egon Jüttner Dr. Harald Kahl Bartholomäus Kalb Steffen KampeterDr.-Ing. Dietmar Kansy Manfred Kanther Irmgard Karwatzki Volker KauderPeter KellerEckart von Klaeden Dr. Bernd Klaußner Ulrich KlinkertDr. Helmut Kohl Hans-Ulrich Köhler
Manfred KolbeNorbert Königshofen Eva-Maria KorsHartmut Koschyk Manfred Koslowski Thomas Kossendey Annegret KrampKarrenbauerRudolf KrausWolfgang Krause Heinz-Jürgen Kronberg Dr.-Ing. Paul Krüger Reiner KrziskewitzDr. Hermann Kues Werner KuhnDr. Karl A. Lamers
Karl LamersDr. Norbert Lammert Helmut Johannes Lamp Armin LaschetHerbert Lattmann Dr. Paul LaufsKarl-Josef Laumann Vera LengsfeldWerner Lensing Christian Lenzer Peter LetzgusEditha LimbachWalter Link Eduard LintnerDr. Klaus W. Lippold
Dr. Manfred Lischewski Wolfgang Lohmann
Julius Louven
Sigrun LöwischHeinrich Lummer Dr. Michael LutherErich Maaß Dr. Dietrich MahloErwin Marschewski Günter MartenDr. Martin Mayer
Wolfgang Meckelburg Rudolf Horst Meinl
Dr. Michael Meister Dr. Angela Merkel Friedrich MerzRudolf Meyer Hans Michelbach Meinolf MichelsDr. Gerd MüllerElmar Müller Engelbert NelleBernd Neumann Johannes NitschClaudia Nolte Dr. Rolf Olderog Friedhelm Ost Eduard OswaldNorbert Otto
Dr. Gerhard Päselt Dr. Peter Paziorek Hans-Wilhelm PeschUlrich Petzold Anton Pfeifer Angelika Pfeiffer Dr. Gero PfennigDr. Friedbert PflügerBeatrix PhilippDr. Winfried PingerRonald PofallaDr. Hermann Pohler Ruprecht Polenz Marlies PretzlaffDr. Albert Probst Dr. Bernd Protzner Dieter Pützhofen Thomas Rachel Hans RaidelDr. Peter RamsauerRolf RauHelmut Rauber Peter Harald RauenOtto RegenspurgerChrista Reichard Klaus Dieter Reichardt
Dr. Bertold ReinartzErika Reinhardt Hans-Peter RepnikRoland RichterDr. Norbert RiederDr. Erich Riedl Klaus RiegertDr. Heinz Riesenhuber Franz Romer Hannelore Rönsch
Heinrich-Wilhelm Ronsöhr Dr. Klaus Rose
Kurt J. Rossmanith Adolf Roth
Norbert RöttgenDr. Christian Ruck ' Volker RüheDr. Jürgen RüttgersRoland Sauer Ortrun SchätzleDr. Wolfgang Schäuble Hartmut SchauerteHeinz Schemken Karl-Heinz Scherhag Gerhard Scheu Norbert Schindler Dietmar Schlee Ulrich Schmalz Bernd SchmidbauerChristian Schmidt Dr.-Ing. Joachim Schmidt
Andreas Schmidt Hans-Otto Schmiedeberg Hans Peter Schmitz
Michael von Schmude
Birgit Schnieber-JastramDr. Andreas SchockenhoffDr. Rupert Scholz Reinhard Freiherr vonSchorlemerDr. Erika Schuchardt Wolfgang SchulhoffDr. Dieter Schulte
Gerhard Schulz (Leipzig) Frederick Schulze
Diethard Schütze Clemens SchwalbeDr. Christian SchwarzSchillingWilhelm Josef Sebastian Horst SeehoferMarion Seib Wilfried SeibelHeinz-Georg SeiffertRudolf Seiters Johannes Selle Bernd Siebert Jürgen SikoraJohannes Singhammer Bärbel SothmannMargarete Späte Carl-Dieter Spranger Wolfgang SteigerErika SteinbachDr. Wolfgang Freiherr von StettenDr. Gerhard Stoltenberg Andreas StormMax Straubinger Matthäus Strebl Michael Stübgen Egon SussetDr. Rita SüssmuthMichael TeiserDr. Susanne Tiemann Gottfried TrögerDr. Klaus-Dieter Uelhoff Gunnar Uldall Wolfgang Vogt
Dr. Horst WaffenschmidtDr. Theodor WaigelAlois Graf von Waldburg-Zeil Dr. Jürgen WarnkeKersten WetzelHans-Otto Wilhelm Gert WillnerBernd WilzWilly Wimmer Matthias WissmannDr. Fritz WittmannDagmar Wöhrl Michael WonnebergerElke WülfingPeter Kurt Würzbach Cornelia Yzer Wolfgang ZeitlmannBenno Zierer Wolfgang ZöllerSPDBrigitte Adler Gerd Andres Robert AntretterHermann BachmaierErnst BahrDoris Barnett Klaus Barthel Gerd Bauer Ingrid Becker-InglauWolfgang Behrendt Hans BergerHans-Werner Bertl Friedhelm Julius Beucher Rudolf BindigAnni Brandt-Elsweier Tilo BrauneDr. Eberhard Brecht Edelgard Bulmahn Ursula Burchardt Dr. Michael Bürsch Hans Martin BuryHans Büttner Marion Caspers-Merk Wolf-Michael Catenhusen Peter ConradiChristel Deichmann Karl DillerDr. Marliese Dobberthien Peter DreßenRudolf DreßlerFreimut DuveLudwig EichPeter EndersGernot ErlerPetra Ernstberger Annette FaßeElke FernerLothar Fischer Gabriele FograscherIris FollakEva FoltaNorbert Formanski Dagmar Freitag Anke Fuchs Katrin Fuchs (Verl) Arne Fuhrmann Monika Ganseforth Iris GleickeUwe GöllnerGünter Graf Angelika Graf (Rosenheim) Dieter GrasedieckAchim Großmann Karl Hermann Haack
Hans-Joachim Hacker Klaus Hagemann Manfred Eugen Hampel Christel Hanewinckel Alfred HartenbachDr. Liesel Hartenstein Klaus HasenfratzDr. Ingomar Hauchler Jens HeinzigDieter Heistermann Reinhold Hemker Rolf HempelmannDr. Barbara Hendricks Monika Heubaum Uwe HikschReinhold Hiller Stephan HilsbergGerd HöferJelena Hoffmann Frank Hofmann (Volkach) Ingrid HolzhüterErwin HornLothar Ibrügger Brunhilde Irber Gabriele Iwersen Renate JägerIlse JanzDr. Uwe JensVolker Jung Sabine KaspereitVizepräsidentin Michaela GeigerSusanne Kastner Hans-Peter KemperKlaus Kirschner Marianne Klappert Siegrun Klemmer Hans-Ulrich KloseDr. Hans-Hinrich Knaape Walter KolbowFritz Rudolf Körper Nicolette Kressl Thomas Krüger Horst Kubatschka Eckart Kuhlwein Helga Kühn-MengelKonrad Kunick Dr. Uwe Küster Werner Labsch Brigitte LangeDetlev von Larcher Waltraud Lehn Klaus LennartzDr. Elke Leonhard Klaus Lohmann Christa LörcherErika LotzDr. Christine LucygaDieter Maaß Winfried Mante Dorle MarxUlrike Mascher Christoph MatschieHeide Mattischeck Markus Meckel Ulrike MehlHerbert Meißner Angelika MertensDr. Jürgen Meyer Ursula MoggMichael Müller Jutta Müller (Völklingen) Christian Müller (Zittau) Volker Neumann (Bramsche) Gerhard Neumann (Gotha) Dr. Edith NiehuisDr. Rolf Niese Doris Odendahl Günter OesinghausLeyla OnurManfred Opel Adolf Ostertag Kurt PalisAlbrecht Papenroth Dr. Wilfried Penner Dr. Martin Pfaff Georg Pfannenstein Dr. Eckhart Pick Joachim PoßHermann Rappe
Karin Rehbock-Zureich Margot von RenesseOtto Reschke Bernd ReuterDr. Edelbert Richter Günter RixeReinhold RobbeDr. Hansjörg Schäfer Gudrun Schaich-Walch Dieter SchanzRudolf Scharping Bernd Scheelen Siegfried Scheffler Horst SchildOtto SchilyDieter Schloten Günter SchluckebierHorst Schmidbauer
Ulla Schmidt Dagmar Schmidt (Meschede) Wilhelm Schmidt (Salzgitter) Regina Schmidt-ZadelHeinz Schmitt Dr. Emil Schnell Walter SchölerOttmar Schreiner Gisela SchröterDr. Mathias Schubert Richard Schuhmann
Brigitte Schulte Reinhard Schultz
Volkmar Schultz (Köln)
Ilse SchumannDr. R. Werner Schuster Dietmar Schütz Dr. Angelica Schwall-Düren Ernst SchwanholdRolf SchwanitzBodo Seidenthal Lisa SeusterHorst SielaffErika SimmJohannes SingerDr. Sigrid Skarpelis-SperkDr. Cornelie Sonntag-Wolgast Wieland SorgeWolfgang Spanier Dr. Dietrich Sperling Jörg-Otto Spiller Antje-Marie Steen Ludwig StieglerDr. Peter Struck Joachim TappeJörg TaussDr. Bodo Teichmann Margitta Terborg Jella TeuchnerDr. Gerald Thalheim Wolfgang Thierse Franz ThönnesUta Titze-Stecher Adelheid Tröscher Hans-Eberhard Urbaniak Siegfried VerginGünter Verheugen Ute Vogt
Karsten D. Voigt Hans Georg WagnerHans WallowDr. Konstanze Wegner Wolfgang Weiermann Reinhard Weis Matthias Weisheit Gunter WeißgerberGert Weisskirchen Lydia WestrichInge Wettig-DanielmeierDr. Norbert Wieczorek Helmut Wieczorek
Heidemarie Wieczorek-Zeul Dieter WiefelspützBerthold WittichDr. Wolfgang Wodarg Verena Wohlleben Hanna Wolf
Heidi WrightUta ZapfDr. Christoph Zöpel Peter ZumkleyF.D.P.Ina AlbowitzDr. Gisela BabelHildebrecht Braun Günther BredehornJörg van EssenDr. Olaf FeldmannGisela Frick Paul K. FriedhoffHorst Friedrich Rainer FunkeHans-Dietrich GenscherDr. Wolfgang Gerhardt Joachim Günther
Dr. Karlheinz GuttmacherDr. Helmut Haussmann Ulrich HeinrichWalter HircheDr. Burkhard HirschBirgit HomburgerDr. Werner HoyerUlrich IrmerDr. Klaus KinkelDetlef Kleinert Roland KohnDr. Heinrich L. KolbJürgen KoppelinDr.-Ing. Karl-Hans Laermann Dr. Otto Graf Lambsdorff Sabine LeutheusserSchnarrenbergerUwe LührJürgen W. Möllemann Günther Friedrich Nolting Lisa PetersDr. Günter RexrodtDr. Klaus RöhlHelmut Schäfer Cornelia Schmalz-Jacobsen Dr. Edzard Schmidt-Jortzig Dr. Irmgard SchwaetzerDr. Hermann Otto SolmsDr. Max StadlerCarl-Ludwig ThieleDr. Dieter ThomaeJürgen TürkDr. Wolfgang Weng
Dr. Guido WesterwellePDSMaritta Böttcher Andrea GysiHanns-Peter HartmannRolf KutzmutzKlaus-Jürgen WarnickDr. Winfried WolfGerhard ZwerenzFraktionslosKurt Neumann
NeinSPDDr. Herta Däubler-Gmelin Jann-Peter JanssenBÜNDNIS 90 / DIE GRÜNENGila Altmann Elisabeth Altmann (Pommelsbrunn)Marieluise Beck Volker Beck (Köln) Angelika BeerMatthias Berninger Annelie Buntenbach Amke Dietert-Scheuer Franziska Eichstädt-BohligDr. Uschi EidAndrea Fischer Joseph Fischer (Frankfurt)Rita Grießhaber Gerald HäfnerAntje Hermenau Ulrike HöfkenMichaele Hustedt Dr. Manuel Kiper Monika KnocheDr. Angelika Köster-Loßack Steffi LemkeDr. Helmut Lippelt Oswald Metzger Kerstin Müller Winfried Nachtwei Christa NickelsEgbert Nitsch Cern ÖzdemirGerd PoppeDr. Jürgen Rochlitz Halo SaiboldChristine Scheel Irmingard Schewe-Gerigk Albert Schmidt Wolfgang Schmitt
Ursula Schönberger Waltraud Schoppe Werner Schulz Marina Steindor Christian Sterzing Manfred SuchLudger VolmerHelmut Wilhelm Margareta Wolf (Frankfurt)PDSHeinrich Graf von EinsiedelEnthaltungenSPDDr. Hermann ScheerPDSWolfgang Bierstedt Petra BlässEva Bulling-Schröter Dr. Ludwig ElmDr. Dagmar EnkelmannDr. Ruth FuchsDr. Gregor GysiDr. Uwe-Jens Heuer Dr. Barbara HöllDr. Willibald Jacob Gerhard JüttemannDr. Heidi Knake-WernerRolf KöhneHeidemarie LüthDr. Günther Maleuda Manfred Müller
Rosel Neuhäuser Dr. Uwe-Jens Rössel Christina Schenk Steffen Tippach
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22236 Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998
Vizepräsidentin Michaela GeigerIch rufe die Tagesordnungspunkte 7 a bis 7 p auf: Agrarpolitische Debattea) Beratung der Unterrichtung durch die BundesregierungAgrarbericht 1998Agrar- und ernährungspolitischer Bericht der Bundesregierung- Drucksachen 13/9823, 13/9824 —Überweisungsvorschlag:Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten
Ausschuß für Arbeit und SozialordnungAusschuß für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Ausschuß für GesundheitAusschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Ausschuß für Fremdenverkehr und Tourismus Haushaltsausschußb) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten
- zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung- zu dem Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P.- zu dem Entschließungsantrag der Fraktion der SPD- zu dem Entschließungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNENAgrarbericht 1996Agrar- und ernährungspolitischer Bericht der Bundesregierung- Drucksachen 13/3680 und 13/3681 , 13/3978, 13/3977, 13/3997, 13/ 9845 -Berichterstattung:Abgeordnete Siegfried Hornung Dr. Gerald Thalheimc) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten
- zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung- zu dem Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P.- zu dem Entschließungsantrag der Fraktion der SPD- zu dem Entschließungsantrag der Abgeordneten Ulrike Höfken, Steffi Lemke, Egbert Nitsch und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN- zu dem Entschließungsantrag der Abgeordnten Dr. Günther Maleuda, Dr. Christa Luft, Eva Bulling-Schröter, Dr. Gregor Gysi und der Gruppe der PDSAgrarbericht 1997Agrar- und ernährungspolitischer Bericht der Bundesregierung- Drucksachen 13/6868 und 13/6846 , 13/7795, 13/7796, 13/7810, 13/ 7798, 13/9846 -Berichterstattung:Abgeordnete Hans-Ulrich Köhler Marianne Klappertd) Beratung des Berichts des Rechtsausschusses gemäß § 62 Abs. 2 der Geschäftsordnung- zu dem vom Bundesrat eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes
- zu dem von den Abgeordneten Hermann Bachmaier, Marianne Klappert, Brigitte Adler, weiteren Abgeordneten und der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines ... Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes
- Drucksachen 13/9723, 13/8597, 13/11032 -Berichterstattung: Abgeordneter Horst Eylmanne) Beratung der Beschlußempfehlung des Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu dem Antrag der Abgeordneten Marina Steindor, Ulrike Höfken, Dr. Manuel Kiper, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNENVerbot des Klonens von Tieren- Drucksachen 13/7160, 13/9785 -Berichterstattung:Abgeordneter Heinrich-Wilhelm Ronsöhrf) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu dem Antrag der Abgeordneten Ulrike Höfken, Steffi Lemke, Halo Saibold, Christian Sterzing und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNENUmsetzung der verbesserten Standards zur Herstellung von Tierkörpermehlen und Tiermehlen in den EU-Mitgliedstaaten zur Bekämpfung des Rinderwahnsinns- Drucksachen 13/7962, 13/10480Berichterstattung:Abgeordneter Siegfried Hornungg) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu dem Entschließungsantrag der Abgeordneten Steffi Lemke, Ulrike Höfken, Egbert Nitsch (Rendsburg) und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zu der Großen Anfrage der Abgeordneten Matthias Weisheit, HorstVizepräsidentin Michaela GeigerSielaff, Anke Fuchs , weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPDForschung und Forschungsförderung des Bundes im Bereich Ernährung, Land- und Forstwirtschaft, Fischerei und Holzwirtschaft sowie der Entwicklung ländlicher Räume- Drucksachen 13/2503, 13/3337, 13/7809, 13/9787 -Berichterstattung:Abgeordneter Siegfried Hornungh) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten
- zu dem Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P.- zu dem Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Gerald Thalheim, Anke Fuchs , Horst Sielaff, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD- zu dem Entschließungsantrag der Abgeordneten Ulrike Höfken, Steffi Lemke, Wolfgang Schmitt , Marina Steindor und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN- zu dem Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Günther Maleuda, Dr. Christa Luft, Eva Bulling-Schröter, Dr. Gregor Gysi und der Gruppe der PDS zu der Großen Anfrage der Abgeordneten Horst Sielaff, Dr. Gerald Thalheim, Anke Fuchs , weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPDZukunft der Landwirtschaft im Zusammenhang mit der EUAgrarreform, der Osterweiterung und GATT/WTO- Drucksachen 13/4205, 13/5333, 13/7428, 13/7431, 13/7427, 13/7426, 13/10236 - Berichterstattung: Abgeordneter Albert Deßi) Beratung der Großen Anfrage der Abgeordneten Dr. Gerald Thalheim, Anke Fuchs , Ernst Bahr, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPDStärkung der Einkommenssituation landwirtschaftlicher Unternehmen durch Verbesserung ihrer Situation am Markt- Drucksachen 13/8172, 13/9507 - j) Beratung des Antrags der Abgeordneten Steffi Lemke, Ulrike Höfken, Egbert Nitsch , weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNENMarktposition des ökologischen Landbaus stärken- Drucksache 13/9675 -Überweisungsvorschlag:Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten
Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheitk) Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Uschi Eid, Steffi Lemke, Dr. Angelika Köster-Loßack, Wolfgang Schmitt und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNENNachhaltige Forstwirtschaft durch Zertifizierung fördern- Drucksache 13/10 508 -Überweisungsvorschlag:Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten
Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und ReaktorsicherheitAusschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeitund Entwicklungl) Beratung des Antrags der Abgeordneten Ilse Jans, Ernst Bahr, Dr. Peter Struck, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPDSicherung der Ressortforschung des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten an den Standorten Celle, Wusterhausen und Münster- Drucksache 13/10 998 -m) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu der Unterrichtung durch die BundesregierungVorschlag für eine Verordnung des Rates zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 823/87 zur Festlegung besonderer Vorschriften für Qualitätsweine bestimmter Anbaugebiete- Drucksachen 13/10361 Nr. 2.33, 13/10684 - Berichterstattung:Abgeordnete Heidemarie Wrightn) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu der Unterrichtung durch die BundesregierungVorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 64/432/EWG zur Regelung viehseuchenrechtlicher Fragen beim innergemeinschaftlichen Handelsverkehr mit Rindern und Schweinen- Drucksachen 13/10361 Nr. 2.30, 13/10685 - Berichterstattung:Abgeordneter Matthias Weisheito) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu dem Antrag der Abgeordneten Ulrike Höfken, Steffi Lemke, Halo Saibold und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNENVerbesserungen beim Transport von Schlachttieren in Europa- Drucksachen 13/9828, 13/10825 - Berichterstattung:Abgeordneter Meinolf MichelsVizepräsidentin Michaela Geigerp) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten
- zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Gerald Thalheim, Anke Fuchs , Ernst Bahr, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPDMilchmarktpolitik ab dem 1. April 2000- zu dem Antrag der Abgeordneten Ulrike Höfken, Steffi Lemke und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNENTragfähige Neuordnung der Milchmarktpolitik- Drucksachen 13/9761, 13/10277, 13/10733 - Berichterstattung:Abgeordneter Peter BleserEs folgt die Beratung zahlreicher Vorlagen. Es liegen fünf Entschließungsanträge vor.Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache zwei Stunden vorgesehen. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist dies so beschlossen.Ich eröffne die Aussprache und erteile dem Bundeslandwirtschaftsminister, Jochen Borchert, das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wer die landwirtschaftliche Praxis kennt und wer heute mit Bauern und Bäuerinnen spricht, der weiß: In weiten Teilen unserer Landwirtschaft herrscht eine Aufbruchstimmung. Unsere Bauern haben gute Perspektiven. Sie wissen, daß wir ihre Interessen in der europäischen wie in der nationalen Agrarpolitik erfolgreich vertreten und daß sie sich auf unsere Agrarpolitik und auf die Vertretung ihrer Interessen verlassen können.
Wie in jedem Jahr gibt auch der Agrarbericht 1998 einen Überblick über die wirtschaftliche Lage und über die Entwicklungsperspektiven der Land-, Forst-und Fischereiwirtschaft. Im Mittelpunkt des allgemeinen Interesses steht dabei stets die Einkommensentwicklung. Im Wirtschaftsjahr 1996/1997 - wir sind ja jetzt fast am Ende des folgenden Wirtschaftsjahres - stieg der Gewinn der als Einzelunternehmen bewirtschafteten Haupterwerbsbetriebe in Deutschland im Durchschnitt um 3,4 Prozent. Hinter diesem Anstieg verbergen sich je nach Produktionsschwerpunkt und Region sehr unterschiedliche Entwicklungen.
An der Spitze der Einkommensskala und der Einkommensentwicklung stehen die Veredlungsbetriebe. Sie konnten vor allem wegen der hohen Schweinepreise ein deutliches Plus von 36 Prozent verbuchen. Aber nach dem Hoch folgt in diesem Wirtschaftsjahr ein Tief. Jetzt kommt es darauf an, daß wir auch im Tief die Marktposition halten, verteidigen und weiter ausbauen.
Anders ist die Situation in den Grünlandregionen. Hier mußten die Futterbaubetriebe wegen der BSEbedingten Absatzprobleme bei Rindfleisch, aber auch wegen des Preisdrucks bei Milch im Durchschnitt Einkommenseinbußen von 8,4 Prozent hinnehmen. Der Einkommensabstand zu den anderen Betriebsformen hat sich damit weiter vergrößert. Aber für das laufende Wirtschaftsjahr lassen die erholten Rindfleisch- und Milchpreise wieder eine Verbesserung der Einkommenssituation in den Futterbaubetrieben erwarten.
Der Agrarbericht ist mehr als eine Situationsbeschreibung. Er zeigt uns auf, in welchen Bereichen agrarpolitischer Handlungsbedarf besteht. Ich denke, diese Hinweise sind besonders wichtig in einer Zeit, in der mit der Agenda 2000, mit der Osterweiterung und mit den WTO-Verhandlungen Grundsatzentscheidungen über den weiteren Weg der europäischen Agrarpolitik vorbereitet werden. Die Bundesregierung hat dabei ein klares und eindeutiges Verhandlungsziel: Wir wollen Rahmenbedingungen schaffen, die den Fortbestand und die Entwicklung einer leistungsfähigen, aber auch tierschutz-
und umweltgerechten Landwirtschaft in Deutschland sichern. Unsere nationale Agrarpolitik orientiert sich schon seit Jahren an diesem Ziel. Wir unterstützen mit unserer Agrarpolitik unsere Bäuerinnen und Bauern bei der strukturellen Weiterentwicklung ihrer Betriebe und bei der Erschließung neuer Einkommensmöglichkeiten. Wir entlasten sie mit unserer landwirtschaftlichen Sozialpolitik. Wir setzen uns für die Anerkennung landwirtschaftlicher Umweltleistungen ein.
Wir haben in den letzten Jahren in all diesen Bereichen entscheidende Fortschritte erzielt. Wir haben die Wettbewerbsfähigkeit unserer Betriebe durch eine verbesserte Investitionsförderung und durch den Abbau von Investitionshemmnissen gestärkt. Wir haben insbesondere die Grenzwerte im Immissionsschutzrecht angehoben, und wir haben die Vieheinheitenstaffel im Bewertungsgesetz den heutigen Anforderungen angepaßt. Das bringt mehr Entwicklungsspielraum für unsere bäuerlichen Veredlungsbetriebe, und es trägt zur Sicherung von Marktanteilen in Deutschland bei. Auf dieses Signal haben unsere Bauern gewartet. Sie haben darauf reagiert. In Deutschland wird im Veredlungssektor wieder mehr investiert.
Auch im Sinne von mehr Umweltschutz in und mit der Landwirtschaft sind wir auf einem guten Weg. Unsere Landwirte sind bereit, über das, was gesetzlich vorgeschrieben ist, hinaus etwas für den Umweltschutz zu tun. Dies zeigt die starke Beteiligung an den Agrarumweltprogrammen. Rund 30 Prozent unserer landwirtschaftlichen Nutzfläche sind bereits darin eingebunden.
Für ein gesundes Miteinander von Landwirtschaft und Naturschutz gibt es aber wichtige Voraussetzungen. Die zusätzlichen Umweltleistungen der Landwirtschaft müssen auch zusätzlich bezahlt und honoriert werden. Deshalb kämpfen wir für die Festschrei-
Bundesminister Jochen Borchert
bung der Ausgleichsregelung im Bundesnaturschutzgesetz.
- Wenn die Länder ausgleichen, Frau Kollegin, müssen natürlich auch die Länder zahlen.
Dieser Grundsatz ist für uns unverzichtbar. Im Kern geht es hierbei um die Frage, wie mit dem Eigentum umgegangen wird. Das Eigentum ist für uns ein hohes Gut. Deshalb lehnen wir es ab, die Agrarförderung generell, wie es etwa in den Parteitagsbeschlüssen der SPD vorgesehen ist, mit zusätzlichen Umweltauflagen ohne einen zusätzlichen Ausgleich zu verbinden. Wir wollen, daß sich Bäuerinnen und Bauern am Markt behaupten und ein angemessenes Einkommen aus ihrer Arbeit erwirtschaften können.
Was die Kommission mit der Agenda 2000 vorhat, ist kein tragfähiges Konzept für die Zukunft unserer Landwirtschaft und für die Zukunft unserer ländlichen Regionen. Die wesentlichen Elemente des Kommissionskonzeptes sind Verzicht auf Mengensteuerung, drastische und unnötige Preissenkungen, ein nur teilweiser Ausgleich der Einkommenseinbußen, der Wegfall einer eigenständigen Strukturförderung des ländlichen Raumes und eine noch größere Abhängigkeit der Bauern von Prämienzahlungen. Diese Ansätze bieten den Bauern keine Perspektive. Deshalb lehnen wir die Vorschläge ab; wir können sie nicht unterstützen.
Inzwischen hat die Diskussion, entgegen einem ersten Eindruck, gezeigt, daß die Koalition mit dieser Meinung nicht allein dasteht. Die meisten meiner Kollegen aus den anderen europäischen Mitgliedstaaten sagen zu den jetzigen Vorschlägen in der Agenda 2000 nein.
Was besonders bemerkenswert ist, Herr Kollege Sielaff: Nach einem anfangs lauten Hurra der SPDBundestagsfraktion - Sie wollten im Agrarbereich viel Geld damit sparen - ist inzwischen klar, daß mit den Kommissionsvorschlägen alles noch viel teurer wird. Inzwischen hört man auch aus der SPD ganz andere Töne, im Grunde jeden Tag eine andere Stellungnahme.
Für mich ist interessant, daß Frau Simonis und Herr Stolpe mich auf den Landesbauernversammlungen nachdrücklich gebeten haben, alles zu tun, um Belastungen für ihre Bauern zu verhindern.
Nach den Landwirtschaftsministern der Länder haben in der vergangenen Woche auch die Regierungschefs aller Länder bei den Beratungen mit dem Bundeskanzler betont, daß die agrarpolitischen Vorschläge in der Agenda für die deutsche Landwirtschaft unzumutbar seien.
Wir haben der Kommission schon frühzeitig unsere Vorschläge zur Weiterentwicklung der Agrarpolitik mitgeteilt.
- Aber natürlich haben wir sie frühzeitig mitgeteilt. - Bei den weiteren Verhandlungen werden wir vor allem folgende Ziele verfolgen:
Erstens. Die Landwirte sollen ihr Einkommen auch künftig soweit wie möglich über den Markt erzielen.
Zweitens. Zur Marktstabilisierung sind auch weiterhin mengensteuernde Maßnahmen erforderlich.
Drittens. Stützpreissenkungen dürfen nur in dem Maße vorgenommen werden, wie es aus Marktgründen unvermeidbar ist. Die dadurch entstehenden Einkommenseinbußen sind vollständig auszugleichen.
Viertens. Für zusätzliche Umweltauflagen - das heißt Auflagen, die über die gute fachliche Praxis hinausgehen - ist ein gesonderter Ausgleich vorzusehen.
Fünftens. In den Marktordnungen muß ein ausreichender Außenschutz beibehalten werden. Ein angemessener Außenschutz muß bei der nächsten Welthandelsrunde verankert werden.
Meine Damen und Herren, unsere Land- und Ernährungswirtschaft will ohne Zweifel von der weltweit wachsenden Nachfrage profitieren. Sie braucht den Wettbewerb nicht zu scheuen. Voraussetzungen dafür aber sind gleiche und faire Bedingungen im internationalen Agrarhandel. Da gibt es angesichts der erheblichen Unterschiede etwa bei den Hygieneanforderungen, aber auch beim Stellenwert des Verbraucherschutzes noch viel zu tun. Deswegen werden wir weiterhin den Import von Fleisch ablehnen, das mit Hormonen produziert worden ist.
Deswegen darf in Genf nicht nur über eine weitere Marktöffnung verhandelt werden. Wir müssen in Genf internationale Produktions- und Qualitätsstandards im Interesse der Landwirte für einen fairen Wettbewerb, im Interesse der Verbraucher - um einen vorbeugenden Verbraucherschutz durchzusetzen -, aber auch im Interesse der Gesellschaft insgesamt verbindlich festlegen, damit wir über eine flächendekkende Landbewirtschaftung an allen Standorten eine Kulturlandschaft erhalten und pflegen können.
Wir wissen aus Umfragen, daß unsere Mitbürgerinnen und Mitbürger die vielfältigen Leistungen unserer bäuerlichen Landwirtschaft zu schätzen wissen und daß sie diese für die Zukunft bewahren möchten, die Leistungen einer Landwirtschaft, die wesentlich mehr bedeutet als eine möglichst kostengünstige Produktion von Nahrungsmitteln und Industrierohstoffen, einer Landwirtschaft also, die die Kulturlandschaft als unverzichtbares Kulturgut erhält und pflegt
Bundesminister Jochen Borchert
I und die die Lebens- und Entwicklungsfähigkeit ländlicher Regionen sichert.
Ich denke, dieses gewachsene und bewährte Landwirtschaftsmodell verdient es, über das Jahr 2000 hinaus bewahrt zu werden. Wir müssen dafür in den vor uns liegenden Verhandlungen in Brüssel wie in Genf die notwendigen Voraussetzungen schaffen. Dies ist und bleibt unser wichtigstes agrarpolitisches Ziel.
Gestatten Sie mir im Anschluß noch ein persönliches Wort. Die agrarpolitischen Sprecher der CDU/ CSU, Egon Susset, der F.D.P., Günther Bredehorn, und der SPD, Horst Sielaff, werden heute zum letztenmal im Bundestag im Rahmen einer Agrardebatte sprechen. Zweifellos lebt die Agrarpolitik von den Persönlichkeiten, die sie tragen und gestalten.
Du, lieber Egon, bist nicht nur eine Persönlichkeit, die Agrarpolitik gestaltet hat. Du bist in den Jahren deiner Mitarbeit im Bundestag sozusagen zu einer agrarpolitischen Instanz geworden. Nur wenige haben wie du die Agrarpolitik über Jahrzehnte geprägt. Ich möchte dir heute für das, was du hier im Interesse der Bäuerinnen und Bauern geleistet hast, sehr herzlich danken.
Ich danke aber auch dir, lieber Günther Bredehorn, sehr herzlich für die vertrauensvolle Zusammenarbeit. Du hast dein Wirken stets am eigenverantwortlichen landwirtschaftlichen Unternehmer ausgerichtet. Damit hast du für die Politik und für die Landwirtschaft wichtige Marksteine gesetzt.
Auch Sie, sehr geehrter Herr Sielaff, kandidieren nicht mehr für die nächste Legislaturperiode. Die Regierungspolitik wird bekanntlich von einer konstruktiven Oppositionspolitik belebt. Mit Ihnen, sehr geehrter Herr Kollege Sielaff, gab es eine konstruktive und auch in schwierigen Situationen faire Zusammenarbeit. Dafür möchte ich Ihnen persönlich sehr herzlich danken.
Ich wünsche mir, daß wir auch in der nächsten Legislaturperiode eine so konstruktive Oppositionsarbeit der SPD erleben.
Herzlichen Dank.
Ich gebe das von den Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstimmung über die Zurückweisung des Einspruchs des Bundesrates gegen das Vierte Gesetz zur Änderung des Hochschulrahmengesetzes bekannt. Es sind 645 Stimmen abgegeben worden. Mit Ja haben gestimmt 341, mit Nein 304, keine Enthaltung. Damit ist der Antrag auf Zurückweisung angenommen.
Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 645; davon
ja: 341
nein: 304
Ja
CDU/CSU
Ulrich Adam
Peter Altmaier
Anneliese Augustin Jürgen Augustinowitz Dietrich Austermann Heinz-Günter Bargfrede Franz Peter Basten
Dr. Wolf Bauer
Brigitte Baumeister Meinrad Belle
Dr. Sabine Bergmann-Pohl Hans-Dirk Bierling
Dr. Joseph-Theodor Blank Renate Blank
Dr. Heribert Blens Peter Bleser
Dr. Norbert Blüm Friedrich Bohl
Dr. Maria Böhmer Jochen Borchert
Wolfgang Börnsen Wolfgang Bosbach
Dr. Wolfgang Bötsch Klaus Brähmig
Rudolf Braun Paul Breuer
Monika Brudlewsky Georg Brunnhuber Klaus Bühler Hartmut Büttner
Dankward Buwitt
Manfred Carstens Peter Harry Carstensen
Wolfgang Dehnel Hubert Deittert
Gertrud Dempwolf Albert Deß
Renate Diemers Wilhelm Dietzel Werner Dörflinger Hansjürgen Doss Dr. Alfred Dregger Maria Eichhorn
Wolfgang Engelmann Rainer Eppelmann Heinz Dieter Eßmann Horst Eylmann
Anke Eymer
Ilse Falk
Jochen Feilcke
Ulf Fink
Dirk Fischer
Leni Fischer
Klaus Francke Herbert Frankenhauser Dr. Gerhard Friedrich Erich G. Fritz
Hans-Joachim Fuchtel Michaela Geiger Norbert Geis
Dr. Heiner Geißler Michael Glos
Wilma Glücklich
Dr. Reinhard Göhner Peter Götz
Dr. Wolfgang Götzer Joachim Gres
Kurt-Dieter Grill Wolfgang Gröbl Hermann Gröhe Claus-Peter Grotz Manfred Grund
Horst Günther Carl-Detlev Freiherr von
Hammerstein
Gottfried Haschke
Gerda Hasselfeldt
Otto Hauser Hansgeorg Hauser
Klaus-Jürgen Hedrich Helmut Heiderich Manfred Heise
Detlef Helling
Dr. Renate Hellwig Ernst Hinsken
Peter Hintze
Josef Hollerith
Elke Holzapfel
Dr. Karl-Heinz Hornhues Siegfried Hornung Joachim Hörster
Hubert Hüppe
Peter Jacoby
Susanne Jaffke
Georg Janovsky Helmut Jawurek Dr. Dionys Jobst Dr.-Ing. Rainer Jork
Michael Jung Ulrich Junghanns
Dr. Egon Jüttner Dr. Harald Kahl Bartholomäus Kalb Steffen Kampeter
Dr.-Ing. Dietmar Kansy Manfred Kanther Irmgard Karwatzki Volker Kauder
Peter Keller
Eckart von Klaeden Dr. Bernd Klaußner Ulrich Klinkert
Dr. Helmut Kohl Hans-Ulrich Köhler
Manfred Kolbe
Norbert Königshofen Eva-Maria Kors Hartmut Koschyk Manfred Koslowski Thomas Kossendey Annegret KrampKarrenbauer
Rudolf Kraus
Wolfgang Krause Heinz-Jürgen Kronberg Dr.-Ing. Paul Krüger Reiner Krziskewitz
Dr. Hermann Kues Werner Kuhn
Dr. Karl A. Lamers
Karl Lamers
Dr. Norbert Lammert
Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch
Helmut Lamp
Armin Laschet Herbert Lattmann Dr. Paul Laufs Karl-Josef Laumann Vera Lengsfeld Werner Lensing Christian Lenzer Peter Letzgus
Editha Limbach Walter Link Eduard Lintner
Dr. Klaus W. Lippold
Dr. Manfred Lischewski Wolfgang Lohmann
Julius Louven Sigrun Löwisch Heinrich Lummer Dr. Michael Luther
Erich Maaß Dr. Dietrich Mahlo
Erwin Marschewski Günter Marten
Dr. Martin Mayer
Wolfgang Meckelburg Rudolf Meinl
Dr. Michael Meister Dr. Angela Merkel Friedrich Merz
Rudolf Meyer
Hans Michelbach Meinolf Michels Dr. Gerd Müller
Elmar Müller Engelbert Nelle
Bernd Neumann Johannes Nitsch
Claudia Nolte Dr. Rolf Olderog Friedhelm Ost Eduard Oswald
Norbert Otto Dr. Gerhard Päselt Dr. Peter Paziorek Hans-Wilhelm Pesch
Ulrich Petzold Anton Pfeifer
Angelika Pfeiffer Dr. Gero Pfennig Dr. Friedbert Pflüger
Beatrix Philipp
Dr. Winfried Pinger Ronald Pofalla
Dr. Hermann Pohler Ruprecht Polenz Marlies Pretzlaff
Dr. Albert Probst Dr. Bernd Protzner Dieter Pützhofen Thomas Rachel Hans Raidel
Dr. Peter Ramsauer Rolf Rau
Helmut Rauber Peter Rauen
Otto Regenspurger
Christa Reichard Klaus Dieter Reichardt
Dr. Bertold Reinartz Erika Reinhardt Hans-Peter Repnik Roland Richter
Dr. Norbert Rieder
Dr. Erich Riedl Klaus Riegert
Dr. Heinz Riesenhuber Franz Romer Hannelore Rönsch
Heinrich-Wilhelm Ronsöhr Dr. Klaus Rose
Kurt J. Rossmanith
Adolf Roth
Norbert Röttgen Dr. Christian Ruck Volker Rühe
Dr. Jürgen Rüttgers
Roland Sauer Ortrun Schätzle
Dr. Wolfgang Schäuble Hartmut Schauerte
Heinz Schemken Karl-Heinz Scherhag Gerhard Scheu Norbert Schindler Dietmar Schlee Ulrich Schmalz Bernd Schmidbauer
Christian Schmidt Dr.-Ing. Joachim Schmidt
Andreas Schmidt Hans-Otto Schmiedeberg Hans Peter Schmitz
Michael von Schmude
Birgit Schnieber-Jastram
Dr. Andreas Schockenhoff Dr. Rupert Scholz Reinhard Freiherr von
Schorlemer
Dr. Erika Schuchardt Wolfgang Schulhoff
Dr. Dieter Schulte
Gerhard Schulz (Leipzig) Frederick Schulze
Diethard Schütze (Berlin) Clemens Schwalbe
Dr. Christian Schwarz-Schilling
Wilhelm Josef Sebastian Horst Seehofer
Marion Seib
Wilfried Seibel Heinz-Georg Seiffert
Rudolf Seiters Johannes Selle Bernd Siebert Jürgen Sikora
Johannes Singhammer Bärbel Sothmann Margarete Späte Carl-Dieter Spranger Wolfgang Steiger Erika Steinbach
Dr. Wolfgang Freiherr von
Stetten
Dr. Gerhard Stoltenberg Andreas Storm
Max Straubinger Matthäus Strebl Michael Stübgen Egon Susset
Dr. Rita Süssmuth Michael Teiser
Dr. Susanne Tiemann
Gottfried Tröger
Dr. Klaus-Dieter Uelhoff Gunnar Uldall Wolfgang Vogt
Dr. Horst Waffenschmidt
Dr. Theodor Waigel
Alois Graf von Waldburg-Zeil Dr. Jürgen Warnke
Kersten Wetzel
Hans-Otto Wilhelm Gert Willner
Bernd Wilz
Willy Wimmer Matthias Wissmann
Dr. Fritz Wittmann Dagmar Wöhrl Michael Wonneberger
Elke Wülfing
Peter Kurt Würzbach Cornelia Yzer Wolfgang Zeitlmann
Benno Zierer Wolfgang Zöller
BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN
Wolfgang Schmitt
F.D.P.
Ina Albowitz
Dr. Gisela Babel
Hildebrecht Braun
Günther Bredehorn
Jörg van Essen
Dr. Olaf Feldmann
Gisela Frick
Paul K. Friedhoff
Horst Friedrich
Rainer Funke
Hans-Dietrich Genscher Dr. Wolfgang Gerhardt Joachim Günther Dr. Karlheinz Guttmacher Dr. Helmut Haussmann Ulrich Heinrich
Walter Hirche
Dr. Burkhard Hirsch
Birgit Homburger
Dr. Werner Hoyer
Ulrich Irmer
Dr. Klaus Kinkel
Detlef Kleinert Roland Kohn
Dr. Heinrich L. Kolb
Jürgen Koppelin
Dr.-Ing. Karl-Hans Laermann Dr. Otto Graf Lambsdorff Sabine LeutheusserSchnarrenberger
Uwe Lühr
Jürgen W. Möllemann Günther Friedrich Nolting Dr. Rainer Ortleb
Lisa Peters
Dr. Günter Rexrodt
Dr. Klaus Röhl
Helmut Schäfer Cornelia Schmalz-Jacobsen Dr. Edzard Schmidt-Jortzig Dr. Irmgard Schwaetzer
Dr. Hermann Otto Sohns
Dr. Max Stadler Carl-Ludwig Thiele Dr. Dieter Thomae Jürgen Türk
Dr. Wolfgang Weng
Dr. Guido Westerwelle
Nein
SPD
Brigitte Adler Gerd Andres Robert Antretter
Hermann Bachmaier
Ernst Bahr Doris Barnett Klaus Barthel Gerd Bauer
Ingrid Becker-Inglau Wolfgang Behrendt
Hans Berger Hans-Werner Bertl Friedhelm Julius Beucher Anni Brandt-Elsweier
Tilo Braune
Dr. Eberhard Brecht Edelgard Bulmahn
Ursula Burchardt
Dr. Michael Bürsch
Hans Martin Bury
Hans Büttner Marion Caspers-Merk Wolf-Michael Catenhusen Peter Conradi
Dr. Herta Däubler-Gmelin Christel Deichmann
Karl Diller
Dr. Marliese Dobberthien Peter Dreßen
Rudolf Dreßler Freimut Duve Ludwig Eich Peter Enders Gernot Erler Petra Ernstberger
Annette Faße Elke Ferner
Lothar Fischer Gabriele Fograscher
Iris Follak
Eva Folta
Norbert Formanski
Dagmar Freitag
Anke Fuchs
Katrin Fuchs
Arne Fuhrmann
Monika Ganseforth
Iris Gleicke Uwe Göllner
Günter Graf Angelika Graf (Rosenheim) Dieter Grasedieck
Achim Großmann
Karl Hermann Haack
Hans-Joachim Hacker Klaus Hagemann
Manfred Hampel
Christel Hanewinckel Alfred Hartenbach
Dr. Liesel Hartenstein
Klaus Hasenfratz
Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch
Dr. Ingomar Hauchler
Jens Heinzig
Dieter Heistermann Reinhold Hemker Rolf Hempelmann
Dr. Barbara Hendricks Monika Heubaum Uwe Hiksch
Reinhold Hiller Stephan Hilsberg
Gerd Höfer
Jelena Hoffmann Frank Hofmann (Volkach) Ingrid Holzhüter
Erwin Horn
Lothar Ibrügger Brunhilde Irber Gabriele Iwersen Renate Jäger
Jann-Peter Janssen Ilse Janz
Dr. Uwe Jens
Volker Jung Sabine Kaspereit Susanne Kastner Hans-Peter Kemper Klaus Kirschner Marianne Klappert Siegrun Klemmer Hans-Ulrich Klose
Dr. Hans-Hinrich Knaape Walter Kolbow
Fritz Rudolf Körper Nicolette Kressl Thomas Krüger Horst Kubatschka Eckart Kuhlwein Helga Kühn-Mengel
Konrad Kunick Dr. Uwe Küster Werner Labsch Brigitte Lange
Detlev von Larcher Waltraud Lehn Klaus Lennartz
Dr. Elke Leonhard Klaus Lohmann Christa Lörcher
Erika Lotz
Dr. Christine Lucyga
Dieter Maaß Winfried Mante Dorle Marx
Ulrike Mascher Christoph Matschie
Heide Mattischeck Markus Meckel Ulrike Mehl
Herbert Meißner Angelika Mertens
Dr. Jürgen Meyer Ursula Mogg
Michael Müller Jutta Müller (Völklingen) Christian Müller (Zittau) Volker Neumann (Bramsche) Gerhard Neumann (Gotha) Dr. Edith Niehuis
Dr. Rolf Niese Doris Odendahl
Günter Oesinghaus Leyla Onur
Manfred Opel Adolf Ostertag Kurt Palis
Albrecht Papenroth
Dr. Winfried Penner
Dr. Martin Pfaff Georg Pfannenstein
Dr. Eckhart Pick Joachim Poß Rudolf Purps Hermann Rappe
Karin Rehbock-Zureich Margot von Renesse
Otto Reschke Bernd Reuter Dr. Edelbert Richter
Günter Rixe
Reinhold Robbe
Dr. Hansjörg Schäfer
Gudrun Schaich-Walch Dieter Schanz
Rudolf Scharping Bernd Scheelen
Dr. Hermann Scheer Siegfried Scheffler Horst Schild
Otto Schily
Dieter Schloten Günter Schluckebier
Horst Schmidbauer
Ulla Schmidt Dagmar Schmidt (Meschede) Wilhelm Schmidt (Salzgitter) Regina Schmidt-Zadel
Heinz Schmitt
Dr. Emil Schnell Walter Schöler Ottmar Schreiner Gisela Schröter
Dr. Mathias Schubert Richard Schuhmann
Brigitte Schulte Reinhard Schultz
Volkmar Schultz (Köln)
Ilse Schumann
Dr. R. Werner Schuster Dietmar Schütz Dr. Angelica Schwall-Düren Ernst Schwanhold
Rolf Schwanitz Bodo Seidenthal Lisa Seuster
Horst Sielaff Erika Simm
Johannes Singer
Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk
Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast Wieland Sorge
Wolfgang Spanier Dr. Dietrich Sperling Jörg-Otto Spiller Antje-Marie Steen Ludwig Stiegler
Dr. Peter Struck Joachim Tappe Jörg Tauss
Dr. Bodo Teichmann
Margitta Terborg Jella Teuchner
Dr. Gerald Thalheim Wolfgang Thierse Franz Thönnes
Uta Titze-Stecher Adelheid Tröscher Hans-Eberhard Urbaniak Siegfried Vergin
Günter Verheugen Ute Vogt
Karsten D. Voigt Hans Georg Wagner
Dr. Konstanze Wegner Wolfgang Weiermann Reinhard Weis Matthias Weisheit Gunter Weißgerber
Gert Weisskirchen Lydia Westrich
Inge Wettig-Danielmeier
Dr. Norbert Wieczorek Helmut Wieczorek
Heidemarie Wieczorek-Zeul Dieter Wiefelspütz
Berthold Wittich
Dr. Wolfgang Wodarg Verena Wohlleben Hanna Wolf
Heidi Wright
Uta Zapf
Dr. Christoph Zöpel Peter Zumkley
BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN
Gila Altmann Elisabeth Altmann
Marieluise Beck (Bremen) Volker Beck (Köln) Angelika Beer
Matthias Berninger Annelie Buntenbach Amke Dietert-Scheuer Franziska Eichstädt-Bohlig Dr. Uschi Eid
Andrea Fischer Joseph Fischer (Frankfurt) Rita Grießhaber
Gerald Häfner
Antje Hermenau Ulrike Höfken
Michaele Hustedt Dr. Manuel Kiper Monika Knoche
Dr. Angelika Köster-Loßack Steffi Lemke
Dr. Helmut Lippelt Oswald Metzger Kerstin Müller Winfried Nachtwei
Christa Nickels
Egbert Nitsch Cern Özdemir
Gerd Poppe
Dr. Jürgen Rochlitz
Halo Saibold
Christine Scheel
Irmingard Schewe-Gerigk Albert Schmidt Ursula Schönberger Waltraud Schoppe
Werner Schulz Marina Steindor
Christian Sterzing
Manfred Such
Helmut Wilhelm Margareta Wolf (Frankfurt)
PDS
Wolfgang Bierstedt Petra Bläss
Maritta Böttcher
Eva Bulling-Schröter Heinrich Graf von Einsiedel Dr. Ludwig Elm
Dr. Dagmar Enkelmann
Dr. Ruth Fuchs Andrea Gysi
Dr. Gregor Gysi Hanns-Peter Hartmann
Dr. Uwe-Jens Heuer Dr. Barbara Höll
Dr. Willibald Jacob Gerhard Jüttemann
Dr. Heidi Knake-Werner Rolf Köhne
Rolf Kutzmutz Heidemarie Lüth
Dr. Günther Maleuda Manfred Müller Rosel Neuhäuser
Dr. Uwe-Jens Rössel Christina Schenk Steffen Tippach Klaus-Jürgen Warnick
Dr. Winfried Wolf
Gerhard Zwerenz
Fraktionslos
Kurt Neumann
Ich gebe nun das Wort dem Abgeordneten Horst Sielaff.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Borchert, es tut mir natürlich leid, daß ich nach Ihren abschließenden freundlichen Worten nicht ganz so freundlich bleibe. Aber wir haben ja in der Sache oft hart miteinander gerungen. Das ist auch notwendig, um in der Öffentlichkeit deutlich zu machen, wo es unterschiedliche Akzente gibt.
Meine Damen und Herren, der Agrarbericht muß sicherlich differenziert betrachtet und kann auch unterschiedlich interpretiert werden. Ich glaube, dar-
Horst Sielaff
über sind wir uns einig. Sicherlich ist es selbstverständlich, wenn sich die Bundesregierung aus dem Agrarbericht die „Rosinenzahlen" heraussucht und sie rosarot zurechtinterpretiert. Aber einige Zahlen und Fakten des Agrarberichtes sprechen eine deutliche Sprache und müssen uns allen große Sorgen bereiten, wenn wir es mit der Absicht ernst meinen, eine flächendeckende, umweltfreundliche bäuerliche Landwirtschaft zu erhalten.
Leider war auch die Berichterstattung über den Agrarbericht in den Medien für die Landwirtschaft teilweise wenig hilfreich, weil oft sehr einseitig von Gewinnen berichtet wurde. Eine größere deutsche Tageszeitung berichtete im Februar von „starken Gewinnen der Bauern". Es war keine Rede davon, daß der starke Gewinnanstieg bei den Veredlungsbetrieben, den der Agrarbericht ausweist, von einem sehr niedrigen Niveau ausging. Die Aussage, die Landwirtschaft habe „abgesahnt", ist durch nichts zu rechtfertigen, meine Damen und Herren.
Im Gegenteil, die Futterbaubetriebe mußten gegenüber dem Vorjahr große Gewinnrückgänge hinnehmen. Aber davon war in der Presse kaum etwas zu lesen.
Hinter den Durchschnittsgrößen bei den erzielten Gewinnen verbergen sich mehr denn je große Streuungen und große Unterschiede zwischen den Produktionszweigen und den Betriebsformen. Eines ist aber sicher: Wo Erzeugnisse keinen einengenden Marktordnungen unterliegen, können Gewinne gemacht werden, weil Entwicklungsmöglichkeiten für die Landwirte bestehen. Diese Tatsache sollte uns mehr als zu denken geben.
In den 80er Jahren haben jährlich 2 bis 2,5 Prozent der Betriebe in der Landwirtschaft aufgegeben. Das galt damals schon als enormer Strukturwandel. Seit 1990 geben jährlich 3,5 Prozent aller Betriebe auf. Waren es in den 80er Jahren noch die Betriebe mit einer Größe von bis zu 30 Hektar, so gelten heute bereits 50 Hektar als sogenannte Wachstumsschwelle. Interessant ist auch, daß der Agrarbericht schätzt, daß in den nächsten zehn bis 15 Jahren zwischen 25 000 und 50 000 Menschen aus der Landwirtschaft ausscheiden werden. Es werden aber nur 10 000 bis 15 000 Neuzugänge erwartet. Das heißt, wir bekommen einen noch stärkeren erzwungenen Strukturwandel, weil es nicht genügend Hofnachfolger gibt.
Meine Damen und Herren, die Bundesregierung hat es versäumt, hier vorzusorgen, oder sie hat es sogar billigend in Kauf genommen.
Dies alles sind Fakten, die uns nachdenklich stimmen müssen. Natürlich konnten und können wir Strukturwandel in einem gewissen Maß nicht verhindern. In einigen Bereichen war er auch notwendig und hat eine zukunftsgerichtete Entwicklung von Betrieben ermöglicht. Wir müssen aber verhindern, daß
die Visionen einzelner wahr werden, die für die Zukunft von wenigen hochspezialisierten Großbetrieben ausgehen, die in rein industriellem Sinne auf sehr großen Flächen wirtschaften.
Wir akzeptieren die gewachsenen großen Strukturen in den neuen Ländern und wollen sie in keiner Weise behindern, wenn die Betriebe ökologisch sinnvoll wirtschaften und ihre Tiere artgerecht halten. Daran gibt es nach meiner Meinung keinen Zweifel.
Sehr große Strukturen dürfen aber nicht zur Richtschnur werden für alle, die Landwirtschaft betreiben wollen. Wir wollen kleineren und mittleren Betrieben vor allem in den benachteiligten Gebieten eine Chance geben.
Dafür brauchen wir auch in Zukunft Fördermittel in ausreichender Höhe.
Dies sichert die Erhaltung der Kulturlandschaft und die Bereitstellung von Arbeitsplätzen, übrigens auch von Ausbildungsplätzen in der Landwirtschaft.
Noch sind 1,35 Millionen Menschen in der Landwirtschaft tätig. Das sind aber wieder 4 Prozent weniger als im Vorjahr. Von den Arbeitsplätzen, die in den neuen Ländern verlorengegangen sind, und der dadurch frustrierenden Arbeitslosenquote in den ländlichen Räumen im Osten brauche ich nicht weiter zu reden. Wir alle kennen das.
Das Fehlen einer ausreichend großen Zahl von Hofnachfolgern und die verbreitete Resignation unter den Landwirten haben sicherlich vielfältige Gründe. Einer davon ist wohl die scheinbar fehlende Zukunftsperspektive für die Landwirtschaft. Den Landwirten fehlen Planungssicherheit und das Gefühl der Verläßlichkeit politischer Vorgaben wie etwa in der Milchmarktpolitik und bei der Dauerhaftigkeit von Ausgleichszahlungen.
- Lieber Siegfried Hornung, hat die Bundesregierung hier nicht Zukunftsängste geweckt bzw. bestärkt?
Ich nenne Beispiele: Die Bundesregierung sagt bei der Realisierung der Agenda 2000 Einkommensrückgänge von 15 bis 20 Prozent voraus, während unabhängige Wissenschaftler von Verlusten in Höhe von 3 Prozent ausgehen.
Entnervend für potentielle Hofnachfolger sind auch die ständigen Kürzungen, die die Bundesregierung an der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes" vor-
Horst Sielaff
nimmt. Wie sollen die Länder da noch Mittel für Investitionen zur Verfügung stellen? Ohne Investitionsförderung aber werden sich nur wenige Hofnachfolger zur Übernahme eines Betriebes bereit erklären. Damit schließt sich der Kreis.
Hinderlich für junge Landwirte ist auch das System der derzeitigen Milchquote. Hier muß ich der Bundesregierung schwere Versäumnisse zu Lasten der Milcherzeuger vorwerfen.
Lange Zeit wollte man das Problem aussitzen. Die Bundesregierung hat damit zugelassen, daß beträchtliche Geldmengen aus der Landwirtschaft abgeflossen sind. Sie haben geduldet, daß viel Kapital zum Erwerb von Quoten gebunden worden ist und damit nicht für Investitionen zur Verfügung steht. Jetzt fragen uns die Landwirte, egal wohin wir kommen: Wie sollen wir unter diesen Bedingungen Milch erzeugen? Was geschieht mit der Quote?
Zwei Drittel aller Landwirte sind direkt oder indirekt von dieser Unsicherheit betroffen. Im März 2000 läuft die jetzige Quotenregelung aus. Wie wir gestern vom EU-Agrarkommissar Fischler erfahren haben, ist eine Fortführung der Quotenregelung bis zum Jahr 2006 keineswegs gesichert, wie es die Bundesregierung gelegentlich verkündet. Es ist derzeit keine qualifizierte Mehrheit zur Fortsetzung dieser Regelung in der jetzigen Form in Sicht. Wir Sozialdemokraten waren es, die hier gedrängt und Anträge eingebracht haben, weil wir wissen, wie wichtig die Planungssicherheit für die Landwirte ist.
Herr Borchert, Sie sind im Juni 1993 angetreten mit einem künftigen Weg und viel gutem Willen, der Landwirtschaft eine Zukunft zu geben. Der gute Wille war wohl vorhanden. Leider ist es aber bei dem geblieben, was ich schon damals vermutet habe, nämlich bei einem Papiertiger - mangels wirklich neuer Ideen und sicherlich auch mangels einer notwendigen Unterstützung durch das Kabinett.
In Brüssel präsentiert sich die Bundesregierung bei der Fortentwicklung der europäischen Agrarpolitik vielfach als Verweigerer. Wir befürworten die weitere Reform der gemeinsamen Agrarpolitik. Nur so können wir eine funktionsfähige Landwirtschaft in Deutschland als wesentliches Kernelement für die Wirtschaft des ländlichen Raumes erhalten und den WTO-Verhandlungen und der EU-Osterweiterung vorbereitet begegnen. Die Bundesregierung will ebenfalls die Osterweiterung und fordert gleichzeitig höhere Rückflüsse aus der EU-Kasse. Zur gleichen Zeit aber erweckt sie in der Landwirtschaft den Eindruck, daß die derzeitigen Finanzhilfen weiter in gleicher Höhe gezahlt werden könnten.
Das kann nicht funktionieren. Das ist - wie wir alle wissen - auch nicht ganz redlich.
Die Vorschläge der EU-Kommission zur Agenda 2000 halten wir für eine Reform in Teilen für geeignet. Die Bundesregierung hat die Vorschläge dagegen kategorisch abgelehnt,
aber bisher keine eigenen Ideen vorgebracht. Die Vorlagen sind uns erst am 15. Juni zugeschickt worden.
Die Mitglieder der Welthandelsorganisation - dazu, meine Damen und Herren aus der Regierungskoalition, gehört auch die Bundesregierung - haben sich dazu verpflichtet, im Jahre 1999 Verhandlungen über den Abbau interner Stützungen und den Außenschutz aufzunehmen. Bis zum Jahre 2003 läuft noch die Friedensklausel. Vergessen wir also nicht, daß die EU-Kommission mit der Vorlage der Agenda einen Auftrag der Regierungschefs, auch des deutschen Regierungschefs, aus der Uruguay-Runde erfüllt.
Über Änderungen im Detail werden wir aber weiter mit der Kommission und auch mit der Regierungskoalition streiten müssen; da sind wir uns einig. Im Hinblick auf die WTO-Runde kommen wir also an einer Senkung der Stützpreise nicht vorbei.
Dafür muß es direkte Einkommensübertragungen zum Ausgleich der Verluste geben. Siegfried Hornung würde ich wirklich einmal empfehlen, die Papiere der WTO-Verhandlungen und des GATT zu lesen und nicht einfach dazwischenzurufen, ohne Kenntnis davon zu haben.
Wir sind uns auch darüber im klaren, daß Lebensmittel schon heute extrem preiswert und im täglichen Leben die Hauptinflationsbremse sind. Insofern ist eine Preissenkung eigentlich ein falsches Signal. Die Bedingungen des Weltmarktes lassen uns aber derzeit leider keine andere Wahl.
Bei der Umsetzung der Agenda-Vorschläge sehen wir allerdings noch Änderungsbedarf. Sie müssen in weiten Bereichen, was den bürokratischen Aufwand betrifft, abgespeckt werden; da sind wir uns einig. Die von der Kommission vorgeschlagenen Rinder-
und Kuhprämien können wir nicht akzeptieren. Wir bevorzugen statt dessen eine an der erforderlichen Arbeit orientierte Flächenprämie. Das im Gefolge der EU-Agrarreform 1992 zwischen Marktfruchtbetrieben und beschäftigungsintensiven Futterbaubetrieben entstandene Ungleichgewicht bei der Prämienzahlung muß abgebaut werden.
Preisausgleichszahlungen und Prämien müssen in ihrer Ausgestaltung die sehr unterschiedlichen strukturellen und natürlichen Ausgangsbedingungen in den Regionen Deutschlands beachten. Auch mögli-
Horst Sielaff
che Degressionen dürfen existierende Strukturen nicht behindern; das sage ich ausdrücklich.
Wir warnen davor, die Milchmenge zu erhöhen, solange wir 20 Prozent Überschüsse haben und nicht mehr Milch exportiert werden kann.
Wer die aktiven Milcherzeuger wirklich stärken will, muß ihnen Planungssicherheit auch über das Jahr 2006 hinaus geben.
Dazu müssen wir die Quoten entkapitalisieren und von den Flächen lösen. Die Flächenbindung der Tierhaltung muß aber weiterbestehen.
Wir begrüßen, daß die bisher zur Stützung der Agrarpreise eingesetzten Mittel künftig der Finanzierung von Maßnahmen im Rahmen der regionalen Strukturpolitik dienen können. Wir müssen zur Flankierung des Strukturwandels Arbeitsplätze auch außerhalb der Landwirtschaft schaffen, um den ländlichen Raum zu stärken.
- Sie haben recht, Herr Deß: Es ist nicht alles falsch, was in Bayern ist. Das gestehe ich durchaus zu. Allerdings hat Bayern eine ganz andere Ausgangsposition als andere Bundesländer. Das muß man dazusagen.
Die Agenda 2000 muß und wird kommen. Bislang treten die Meinungsverschiedenheiten zwischen den Koalitionären offen zutage:
Kinkel ist dafür, Borchert dagegen. Ich zitiere den
Außenminister: Fundamentalopposition gegen die
Agenda ist unangebracht. - Er sieht positive Ansätze.
Ich kann nur hoffen, daß diesem Gezanke rechtzeitig zum Antritt der deutschen EU-Präsidentschaft am 1. Januar 1999 durch einen Politikwechsel endlich ein Ende gemacht wird, meine Damen und Herren.
Unsere Position zu den notwendigen Reformen in der Agrarpolitik findet sich in unserem Entschließungsantrag zum Agrarbericht 1998, für den ich ausdrücklich um Ihre Zustimmung werben möchte. Das gilt auch für unseren Entschließungsantrag zur „Stärkung der Einkommenssituation landwirtschaftlicher Unternehmen durch Verbesserung ihrer Situation am Markt" .
Meine Damen und Herren, ich wiederhole: Die Bundesregierung hat seinerzeit die geltenden GATTVereinbarungen mit beschlossen. Sie zwingen uns alle dazu, eine noch stärkere Orientierung am Markt
vorzunehmen. Ich habe dies auch aus den Ausführungen des Agrarministers herausgehört.
Wir fordern, daß die in der Europäischen Union geltenden hohen sozialen und hygienischen Standards im Rahmen der anstehenden WTO-Verhandlungen abgesichert werden. Ich würde es für notwendig halten, daß wir gemeinsam über die Parteigrenzen hinweg dafür einträten und kämpften. Ich glaube, nur dann können wir erfolgreich sein.
Die Ausdehnung auf dem Weltmarkt mit den Verheißungen einer liberalen Weltwirtschaftsordnung muß sich zuerst daran messen lassen, ob sie zur Sicherung der Nahrung und der Ernährung auf der ganzen Welt beiträgt: Kann sie die Zahl der Hungernden oder die Zahl der Landlosen und Abhängigen verringern, meine Damen und Herren?
Können Liberalisierung und Globalisierung das nicht, dann brauchen wir für den Sektor Ernährung und Landwirtschaft andere Regeln und Ernährungssicherungsprogramme, um die Armen der Welt vor unberechenbaren Nahrungsmittelmärkten zu schützen.
Wettbewerbsfähigkeit darf nicht das Leitprinzip der Visionen, Strategien und Handlungen der Menschen in dieser Übergangszeit sein. Sie ist machtlos gegenüber den globalen sozioökonomischen Schlüsselproblemen wie der wachsenden Armut, der Abkoppelung der reichen Länder vom Rest der Welt und der Umweltzerstörung. - So die Gruppe von Lissabon in ihrem Papier „Grenzen des Wachstums".
Diese Maxime gilt für mich in besonderem Maße für die Nahrungssicherung und die Landwirtschaft. Hier sind neben ökonomischen insbesondere ethische und ökologische Akzente zu setzen. Unser entscheidender Erkenntnisfortschritt muß in der Einsicht liegen, daß ökonomische, soziale und ökologische Entwicklungen nicht voneinander getrennt oder gar gegeneinander ausgespielt werden dürfen. Landwirtschaft und Umwelt und Naturschutz dürfen keine Gegensätze sein.
Gerade bei uns müssen Landwirte und Umweltschützer im Grunde das gleiche Ziel haben, und wenn sie schlau sind, dann schließen sie sich zu einer Allianz zusammen.
- Lieber Herr Heinrich, Sie haben von mir nichts anderes gehört
auf Bauernveranstaltungen, auf Veranstaltungen von
Umweltverbänden oder hier im Plenum. Denn ich
Horst Sielaff
bin überzeugt: Nur miteinander haben sie bei sinkenden staatlichen Zuweisungen eine Chance, ihre gesellschaftspolitische Bedeutung zu stärken.
Wir Sozialdemokraten haben betont, daß die Auswirkungen von Umweltauflagen, die durch Produktionsbeschränkungen entstehen und zu Einkommensverlusten führen, ausgeglichen werden müssen. Die Konkretisierung der „guten fachlichen Praxis" ist, wie die Novelle des Pflanzenschutzgesetzes gezeigt hat, im Moment nicht praktikabel. Die Bundesregierung hätte sich an den Erfahrungen der Länder orientieren sollen, die größtenteils längst Entschädigungen zahlen. Aber das war wohl politisch nicht gewollt. Die Finanzierung scheitert ja lediglich daran,
daß der Streit darum, woher das Geld kommen kann, nicht beigelegt werden kann.
Es sollte uns allen ungeheuer peinlich sein
- so meine ich, Herr Heinrich -, daß dies auf dem Rücken der Landwirte und zum Schaden eines fortschrittlichen Naturschutzes ausgetragen wird und Bund und Länder sich hier gegenseitig den Schwarzen Peter zuschieben.
Wir haben, Herr Carstensen, dazu im vergangenen Jahr verschiedene Vorschläge diskutiert; denn wir sehen durchaus noch Posten im Haushalt, aus denen wir Naturschutzauflagen bedienen könnten. Hierzu bedarf es aber noch der konkreten Abstimmung mit den anderen Ressorts. Sie sehen, wir machen Ernst mit der Verzahnung der verschiedenen Politikbereiche, auch wenn es manchmal - das gebe ich zu - schwerfällt.
Künftige Förderungen in der Europäischen Union müssen prinzipiell folgende Bedingungen erfüllen - ich nenne vier -: Die knappen öffentlichen Mittel müssen vorrangig einen Beitrag zur Verbesserung einer umweltverträglichen Produktionsweise leisten. Sie müssen zur Erhaltung von Arbeitsplätzen dienen bzw. Beschäftigung sichern und zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit in Produktion und Vermarktung einen Beitrag leisten können und damit direkt Investitionen zur Erhaltung und zum Ausbau ländlicher Wertschöpfung und Beschäftigung anstoßen.
Nicht zuletzt müssen sie den künftigen WTO-Bedingungen genügen, dürfen also nicht mehr allein an die Produktion gebunden werden.
Meine Damen und Herren, bei allem Verständnis für die Probleme der Landwirtschaft in Deutschland und der EU gibt es eine andere große Aufgabe, die
die Menschheit vor ungeahnte Herausforderungen stellen wird, nämlich die Sicherung der Ernährung weltweit. Die übermäßige Intensivierung der agrarischen Produktion hat Böden weltweit in enormem Maße beeinträchtigt, hat sie versalzen lassen, hat Wasservorräte geplündert und unbrauchbar gemacht. Noch gibt es Zuwachsraten in der weltweiten Produktion; aber das wird in Zukunft nicht mehr reichen. Die Zuwächse sind nur noch halb so hoch wie beim Bevölkerungswachstum.
Die weltweite Versorgungslage ist zeitweise kritisch. Das ruft nun wieder diejenigen auf den Plan, die dies als Rechtfertigung für eine weitere Intensivierung der Produktion sehen. Das war die Strategie der letzten 40 Jahre, und sie hat da auch funktioniert. Diese Rechnung wird aber zukünftig nicht mehr aufgehen, aus vielerlei Gründen, die ich hier im einzelnen sicherlich nicht aufführen kann. In den meisten Ländern müssen die Bauern feststellen, daß bereits die maximal mögliche Düngemenge eingesetzt wird. Weitere technische Fortschritte in der Ausnutzung von Düngung und bei der Auswahl verbesserter Sorten und optimierter Anbauverfahren erlauben vielleicht noch eine gewisse Ertragsverbesserung. Wichtiger erscheint in den armen Ländern die Sicherung einer genügend großen Eigenversorgung, trotz Freihandel, Agrobusineß und Lebensmittelhilfen. Angesichts der prekären Lage müssen wir schleunigst darüber nachdenken, wie wir unsere Verantwortung hier wahrnehmen.
Lassen Sie mich ein Letztes sagen: Agrarpolitik ist keine Lobbypolitik für die Landwirtschaft mehr allein. Sie muß sich zur Politik für den ländlichen Raum und den bäuerlichen Landwirtschaftsbetrieb entwikkeln, wenn sie ihre Existenzberechtigung für die Zukunft erhalten will.
- Ich habe da ein paar andere Vorstellungen als Sie. Wenn ich mir anschaue, wer in Ihren Reihen alles Agrarpolitik macht, muß ich feststellen, daß wir da wahrscheinlich unbefangener als Sie sind.
Manche werden das wohl erst begreifen, wenn wir keine - ich gebrauche diesen Reizbegriff ganz bewußt - bäuerliche Landwirtschaft mehr haben. Landwirte, Verbraucher, Naturschützer und die Menschen, die die ländlichen Räume bewohnen, müssen sich gleichfalls in der Agrarpolitik wiederfinden. Wir müssen Agrarpolitik als Gesellschaftspolitik verstehen, nicht nur als Wirtschaftspolitik.
Nur so können wir möglichst viele für den Erhalt von Landbewirtschaftung in der derzeitigen Form verantwortlich machen und den Landwirten in schwierigen Zeiten eine breite Solidarität erhalten. Die gesellschaftspolitische Komponente von Landwirtschaft und Agrarpolitik kommt im parlamentarischen Tagesgeschäft, so scheint es, zu kurz gegenüber der Re-
Horst Sielaff
gelung von Detailfragen, die oft nur landwirtschaftliche Insider betreffen.
Ich habe mich in meiner Funktion auch als Vermittler zwischen Landwirtschaft und Gesellschaft verstanden. Ich hoffe, trotz mancher Kritik und unterschiedlicher Einstellung zu dem einen oder anderen Problem haben auch Sie dieses durchaus so gesehen.
Zum Schluß gibt es vielen zu danken. Ich danke den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Ministeriums, die uns intensiv zugearbeitet haben. Der Minister und der Staatssekretär haben in den Ausschüssen umfangreiche Berichte abgegeben und waren jederzeit offen für unsere Anliegen.
Mein besonderer Dank gilt natürlich den Ausschußmitgliedern. Wir haben - wie übrigens auch im Plenum - oft hart und heftig um die Belange der Landwirtschaft gestritten. Ich denke aber gerne daran zurück, weil der Streit um die Sache, so meine ich, immer fair war. Das war auch ein Verdienst der Ausschußvorsitzenden, wofür ich ihnen danke. Ebenso danke ich den Ausschußmitarbeitern.
Zwei Ausschußmitglieder möchte ich namentlich nennen. Lieber Egon Susset, lieber Günther Bredehorn, wir haben nun einige Zeit Verantwortung für unsere jeweiligen Fraktionen getragen. Da gab es manche Gespräche, heftige Diskussionen und hartes Ringen um die Sache. Aber, ich glaube, wir sind uns immer mit großem, gegenseitigem Respekt begegnet. Auch das ist nicht überall selbstverständlich. Deshalb möchte ich das hier ausdrücklich vermerken.
Ich möchte meiner eigenen Fraktion Dank aussprechen, die mir diese Funktion übertragen und ihr Vertrauen geschenkt hat. Sie werden Verständnis dafür haben, daß ich ganz besonders den Mitgliedern der SPD-Fraktion und ihren Mitarbeitern danke, die mir in meiner Arbeitsgruppe Ernährung, Landwirtschaft und Forsten in schwierigen Zeiten solidarisch Freiraum gaben und manches mitgetragen haben, was nicht ihren Vorstellungen entsprach. Aber, ich glaube, wir sind gut miteinander ausgekommen. Ich bedanke mich ausdrücklich für diese Solidarität.
Ich hoffe, daß die Agrarpolitik ein wichtiges Thema deutscher Politik bleibt. Ich möchte den künftigen Agrarpolitikern viel Glück und viel Unterstützung der Gesellschaft wünschen.
Ich danke für die Aufmerksamkeit.
Herr Kollege Sielaff, der Landwirtschaftsminister hat Ihre Verdienste in diesem Hause schon dargestellt. Sie gehören dem Bundestag immerhin seit 1980 an. Sie haben die Interessen Ihres Wahlkreises Frankenthal ebenso fair, sachlich und engagiert vertreten wie die der
Landwirtschaft. Das konnten wir Ihrer Rede gerade noch einmal entnehmen. Ich möchte Ihnen den Dank des Hauses aussprechen.
Ich habe Ihnen einmal auf einer Reise versprochen, Sie im Plenum mit dem Titel Hodscha anzureden, den Sie sich damals in Samarkand ehrlich erworben hatten. Ich möchte das bei dieser Gelegenheit ausdrücklich nachholen.
Dieses vorausgeschickt gebe ich das Wort dem Abgeordneten Egon Susset.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst herzlichen Dank für die Dankesworte, die durch den Minister und den Kollegen Sielaff ausgesprochen wurden.
Wenn in der Öffentlichkeit über Landwirtschaft gesprochen wird, dann geschieht dies in der Regel pauschal. Aber mit dem vorliegenden Agrarbericht der Bundesregierung haben wir wieder ein hervorragendes Werk zur detaillierten Analyse der wirtschaftlichen Situation der deutschen Landwirtschaft zur Verfügung. Er ist nicht bloß Ritual, sondern verläßlicher Gradmesser der Entwicklung für agrarpolitische Entscheidungen. Auch deshalb möchte ich allen - von Testbetrieben bis zu den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Ministerien - danken, die diese Fleißaufgabe jedes Jahr leisten.
Der Bericht - das wurde schon gesagt - weist für den Durchschnitt der landwirtschaftlichen Betriebe eine Einkommenssteigerung von 3,4 Prozent aus. Dabei sind in den verschiedenen Produktionsbereichen große Unterschiede zu verzeichnen. Der Gewinnanstieg ist vor allem auf die gestiegenen Umsatzerlöse in der Schweine- und Geflügelhaltung sowie im pflanzlichen Bereich bei Getreide und Zuckerrüben zurückzuführen. Bedenklich sind die Einkommensverluste bei Milch- und Rindfleischprodukten. Die Futterbaubetriebe sind sowohl von den gesunkenen Milchpreisen als auch vom BSE-bedingten Preisverfall beim Rindfleisch besonders hart getroffen.
In den neuen Ländern ist die Situation laut Agrarbericht sehr unterschiedlich. Rückläufige Umsatzerlöse in der Pflanzenproduktion haben sich insbesondere in Sachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Thüringen negativ ausgewirkt.
Im Bereich der Sonderkulturen haben die Wein-
und Gartenbauern einen guten Gewinnanstieg verzeichnen können. Aber gleichzeitig muß man in diesem Zusammenhang feststellen, daß der Anbau von Sonderkulturen ohne den Einsatz ausländischer Salsonarbeitskräfte in Deutschland zusammenbrechen würde.
Deshalb sollte sich jeder für die Zukunft die damit
verbundenen Konsequenzen vor Augen führen. Viele
Betriebe, wertvolle Kulturlandschaften, aber auch
Egon Susset
viele Arbeitsplätze im verarbeitenden Bereich gingen verloren, wenn diese Arbeit nicht geleistet würde. Wir haben festgestellt, daß die anfallende Arbeit mit deutschen Arbeitnehmern allein - soweit man das bis jetzt absehen kann - nicht bewältigt werden kann.
Im laufenden Wirtschaftsjahr setzt sich - das freut uns - der positive Trend insgesamt fort. Die Gewinne der Haupterwerbslandwirte werden voraussichtlich um 1 bis 4 Prozent steigen. Höhere Erlöse sind bei Getreide, Ölsaaten und Kartoffeln sowie bei Rindfleisch und Milch zu erwarten.
Ebenso wie die übrige Wirtschaft kann die Politik auch für die Agrarwirtschaft natürlich nur Rahmenbedingungen gestalten. Dies sollte jedem immer bewußt sein. Wir wissen, daß sich unsere Landwirte und die Erwerbstätigen in der Ernährungswirtschaft gegenüber den Kollegen aus dem Landwirtschaftsbereich der übrigen EU-Mitgliedstaaten behaupten müssen. Unsere Landwirte stellen sich dieser Herausforderung. Ihre hervorragende Ausbildung ist die Voraussetzung für eine effiziente Unternehmensführung. Ihr unternehmerischer Geist sorgt auch für qualitativ hochwertige Produkte und einen marktorientierten Absatz. Ihre betriebswirtschaftlichen Fähigkeiten nutzen sie zum einen zur kostengünstigen Produktion und zum anderen dazu, neue Einkommensquellen außerhalb der Landwirtschaft zu erschließen.
Aber die Politik darf unsere Landwirte nicht allein lassen. Zusammen mit der Bundesregierung hat die CDU/CSU-Bundestagsfraktion, haben die Koalitionsfraktionen die Bedingungen für unsere Landwirtschaft kontinuierlich verbessert. Mit der Erhöhung der Durchschnittsätze für die Vorsteuer der Forst-und Landwirtschaft ab 1. Juli ist es uns gelungen, die erhöhte Vorsteuerbelastung auszugleichen.
Die Anpassung der Vieheinheitenstaffel verschafft unseren wachstumswilligen Veredlungsbetrieben mehr Luft für die Betriebsentwicklung. Der umweltgerechte Viehbesatz je Hektar und die Düngung nach der guten fachlichen Praxis werden wie bisher durch die Düngeverordnung garantiert. Folglich kann das Argument, hier würde gegen Umweltbestimmungen verstoßen, nicht zum Tragen kommen.
Die Einführung des Euro ist nun beschlossene Sache. Die Landwirtschaft hat schon lange auf eine einheitliche Währung in Europa gedrängt. Mit dem Wegfall der währungsbedingten Agrarpreissenkung und der Wechselkursrisiken steigen die Chancen der deutschen Landwirtschaft. Man darf nicht vergessen, daß 70 Prozent des deutschen Agrarexports im Wert von etwa 40 Milliarden DM in andere EU-Länder gehen.
Die Arbeit und die Produkte unserer Landwirte sind jedoch nichts wert, wenn die Produkte nicht verkauft werden können. Deshalb haben wir durch nachhaltiges Drängen eine Änderung des Kartellrechts erreicht. Die Erleichterung von Kooperationen, die Beibehaltung der Abwägungsklausel, das Verbot
von Unter-Einstandspreisverkäufen, die Einführung des Roß-und-Reiter-Prinzips sowie weitere Maßnahmen
stärken entscheidend einerseits den Absatz von landwirtschaftlichen Produkten zu fairen Preisen und andererseits die Position der überwiegend mittelständisch geprägten Ernährungswirtschaft auf dem Markt.
Was man aber durch die Verbesserung von wirtschaftlichen Rahmenbedingungen erreicht, kann man durch überzogene umwelt- und ordnungspolitische Maßnahmen wieder einbüßen. Ich glaube, ein Paradebeispiel dafür - Herr Kollege Sielaff, ich habe zwar wenig Zeit, komme aber trotzdem jetzt kurz zu Ihnen - ist die Umsetzung der FFH-Richtlinie. Die von uns geforderte Ausgleichsregelung ist doch mehr als gerecht. Staatlich auferlegte Nutzungsbeschränkungen von land- und forstwirtschaftlichem Besitz bedeuten wirtschaftliche Verluste für den einzelnen Betrieb. Wir respektieren das Bodeneigentum. Die Landwirtschaft hat keinen Nachhilfeunterricht in Naturschutz nötig. Wir betonen, daß der Schutz von Boden, Luft und Wasser ureigenes Interesse der Landwirte selbst ist.
Lieber Kollege Sielaff, die SPD treibt in dieser Frage eigentlich ein etwas durchsichtiges Spiel.
- Ich habe die SPD angesprochen, nicht unbedingt Herrn Sielaff.
- Er gehört dazu, ja, das werde ich überhaupt nicht bestreiten.
Im Ernährungsausschuß wird der Ausgleich anerkannt, aber nachher im Plenum und im Bundesrat lehnt man dies ab.
Wer wie SPD und Grüne die Landwirtschaft - und solche Reden wurden hier gehalten - in eine Museumslandwirtschaft umwandeln will, der gefährdet die Existenz vieler bäuerlicher Betriebe und vernichtet viele Dauerarbeitsplätze im ländlichen Raum.
Die Bundesrepublik ist nach wie vor der viertgrößte Agrarexporteur, und jeder achte Arbeitsplatz hängt von der Agrarwirtschaft und allen Zweigen, die damit verbunden sind, ab. Deshalb ist das auch ein Arbeitsmarktproblem.
Egon Susset
Seit März dieses Jahres liegen die Vorschläge der Kommission zur künftigen Orientierung der gemeinsamen Agrarpolitik in der Agenda auf dem Tisch. Wir sagen ja zu Reformen dort, wo sie notwendig und sinnvoll sind. Wir sagen aber nein zu unnötigem und hektischem Aktionismus, und wir sagen nein zur Abkehr von den bewährten Prinzipien der gemeinsamen Agrarpolitik. Das heißt für uns: Insbesondere die Brüsseler Politik für Rindfleisch und Milch kann so nicht hingenommen werden.
Die EU hat sich trotz unseres langjährigen Drängens auf eine Stabilisierung des Rindfleisch- und Milchmarktes und gegen die anhaltenden Einkommensverluste der Futterbaubetriebe stur und taub gestellt. Die jetzigen Vorschläge für Milch und Rindfleisch führten auf jeden Fall bei der Bullenmast und der Milcherzeugung zu existenzgefährdenden Einkommensverlusten. So sind die beabsichtigte Senkung der Stützpreise für Butter und Magenmilchpulver um 15 Prozent sowie die gleichzeitige EU-weite Aufstockung der Milchquoten um durchschnittlich 2 Prozent geradezu widersinnig.
Wenn der Kollege Sielaff soeben der Bundesregierung und uns vorgeworfen hat, in der Milchquotenpolitik keine Änderungen herbeigeführt zu haben,
so muß ich Ihnen sagen: Die Konzepte sind da. Aber wir wissen - und das hat gestern auch die Diskussion mit Herrn Fischler bewiesen -: Solange man in der Europäischen Union nicht bereit ist, die Milchquote von der Bodenbindung zu lösen, so lange kann man all das, was heute an Vorschlägen auf dem Tisch liegt,
nicht rechtskräftig durchsetzen.
Wir fordern eine Abkehr von der existenzvernichtenden Preispolitik, und wir fordern die Fortführung der Milchquotenregelung über das Jahr 2000 hinaus.
Sofern die Kommission weiter vorschlägt, daß die Gewährung von Ausgleichszahlungen an die Erfüllung zusätzlicher Umweltauflagen geknüpft werden kann, ist dies nicht nur ein System-, sondern auch ein Wortbruch gegenüber unseren Landwirten. Aber in diese Richtung gehen ja bekanntlich auch die Vorstellungen von SPD und Grünen, welche die gesamte Agrarförderung an die Erfüllung umweltorientierter Mindeststandards durch die Bauern gebunden sehen wollen.
Herr Kollege Sielaff, wir haben lange Jahre im Ernährungsausschuß manche Entscheidung im Interesse der deutschen Landwirtschaft gemeinsam getragen. Dafür drücke ich Ihnen persönlich meinen Dank und Respekt aus. Aber mit Ihrer Presseerklärung zur Agenda 2000 unter dem Titel „Fischler mit guten Ansätzen - Borchert in der Sackgasse" geben Sie natürlich der Wahrheit nicht die Ehre.
Herrn Schröders einzige mir bekannte agrarpolitische Äußerung ist die, Herr Funke sei der beste Landwirtschaftsminister Deutschlands. Das sollte wohl eine humoristische Einlage sein. Das ist genauso, als wenn Sie einen Lada zum Auto des Jahres wählen würden.
Ich kann ja verstehen, daß Sie in Zeiten des Wahlkampfs Ihren populistischen Neigungen nachgeben.
Meine Redezeit ist zu Ende. Ich möchte namens der CDU/CSU-Fraktion erklären, daß die Agrarwirtschaft auch künftig die günstigen Voraussetzungen des Agrarstandorts Deutschland wird optimal nutzen können. Wir werden die Weiterentwicklung der Betriebe unterstützen und eine flächendekkende Landbewirtschaftung auch in Zukunft ermöglichen.
Ich möchte zum Schluß noch einige Anmerkungen machen. Es wurde heute schon darauf hingewiesen: Nach 29 Jahren verlasse ich das Parlament. Ich hatte in dieser Zeit vierundzwanzigmal die Gelegenheit, zum Agrarbericht der Bundesregierung erst als Oppositionsredner und in den letzten 16 Jahren als Koalitionsredner zu sprechen. Einer meiner Nachfolger in Berlin wird das ebenfalls als Vertreter der Regierungskoalition tun.
Wir haben zusammengearbeitet. Ich möchte mich herzlich bei allen bedanken, bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Bundestages, der Ministerien, der Fraktionen und auch meines eigenen Büros. Mein Wunsch ist, daß es auch in den künftigen Legislaturperioden genügend engagierte Frauen und Männer geben möge, für die Agrarpolitik und Politik für den ländlichen Raum eine Angelegenheit ist, für die es sich lohnt, mit heißem Herzen und kühlem Verstand und mit Leidenschaft zu kämpfen. Denn unsere Landwirte, die Frauen und Männer, die Landjugend und die Bewohner des ländlichen Raums haben die Unterstützung verdient.
Ich bedanke mich.
Herr Kollege Susset, auch Ihre Verdienste hat Minister Borchert schon gewürdigt. Sie gehören dem Hause, wie Sie selber eben gesagt haben, seit 1969, also seit 29 Jahren an. Sie haben sich - das muß auch jemand sagen, der nicht in der Landwirtschaftspolitik tätig ist - mit Ihrer Arbeit in allen Fraktionen Anerkennung, Re-
Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch
spekt und - das will ich hinzufügen - auch Zuneigung erworben. Ich möchte Ihnen den Dank des Hauses aussprechen.
Damit gebe ich das Wort der Abgeordneten Ulrike Höfken.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Kollege Sielaff, Herr Kollege Susset, Herr Kollege Bredehorn, wir werden Sie im Ausschuß vermissen. Sie werden uns bei der Arbeit fehlen. Ich möchte mich auch persönlich für die gute Zusammenarbeit bedanken. Ich hoffe, daß es in der nächsten Sitzung des Ausschusses noch eine Gelegenheit geben wird, sich zu verabschieden.
Erstens. Die Agenda 2000 ist ja ein richtiges Wahlkampfgeschenk für die Bundesregierung und Minister Borchert. Etwas Besseres hätte wirklich nicht passieren können. Sie lenkt von dem Desaster ab, wie es im Grunde auch im Agrarbericht dargestellt ist. Denn auch ohne die Agenda und ihre Wirkungen mit allen möglicherweise negativen Folgen ist die Bilanz furchterregend, fahren die Bauern mit ihren Betrieben sozusagen an die Wand.
Immer mehr landwirtschaftliche Betriebe geben auf und machen dicht; von 1990 bis 1996 über 20 Prozent. 40 bis 50 Betriebe am Tag, das kann doch keine Erfolgsbilanz sein.
Zweitens. Die Einkommensentwicklung: Selbst wenn es jetzt in einigen Bereichen positive Entwicklungen gegeben hat, so ist - das Jammern ist ja nicht zu überhören - die Mehrzahl der Beschäftigten gemessen an dem Arbeitseinsatz, der pro Arbeitskraft geleistet wird, deutlich unterbezahlt und weit von dem gewerblichen Vergleichslohn entfernt.
Im Grunde ist es doch so, daß viele nicht mehr bekommen, als sie durch Sozialhilfe bekämen, würden sie denn ihre Stundenlöhne wirklich einmal ausrechnen. Herr Geißler hat heute morgen von Kombilöhnen gesprochen. Ich glaube, das würde auf die Landwirtschaft zutreffen.
Ein großer Teil der Betriebe lebt von der Substanz, wie ebenfalls dem Agrarbericht zu entnehmen ist.
Drittens. Erzeugerpreise: Minus 23 Prozent seit 1991; die Betriebsmittelpreise sind aber dafür um 7 Prozent gestiegen. Inzwischen sind Subventionen und Ausgleichszahlungen eigentlich nur noch zu Durchlaufposten geworden, die bei den Betrieben kaum mehr hängengeblieben sind. Je höher die Zahlungen, desto geringer die Erzeugerpreise.
Angesichts dessen, daß 80 Prozent der „Subventionen" bei nur 20 Prozent der Betriebe ankommen, kann man sich ungefähr ausrechnen, in welcher Situation die Betriebe - auch die mittleren Betriebe, die bis vor kurzem noch für wachstumsfähig gehalten wurden - inzwischen sind. Die Bundesregierung hat nichts getan, eine höhere Wertschöpfung für die Landwirtschaft zu erreichen. Ganz im Gegenteil: Schaut man sich die Gemeinschaftsaufgabe an, stellt man fest, daß immer es mehr Absenkungen ohne Konzept gegeben hat.
Was wir fordern, ist eine Effektivierung und eine vernünftige Förderung, um das zu erreichen, was man erreichen kann, nämlich eine Abschöpfung der Nachfrage nach qualitativ hochwertigen, auch ökologischen Produkten.
Es ist doch zu sehen, daß uns inzwischen die Nachbarländer davonlaufen: Dänemark, Schweden, Österreich usw. Frankreich geht in die Offensive. Nur Deutschland schläft weiter vor sich hin und läßt aus reiner ideologischer Verblendung zu, daß diese interessanten Märkte mit der Möglichkeit, höhere Erzeugerpreise zu erzielen, von anderen abgeschöpft werden.
Inzwischen zahlt eine Durchschnittsfamilie 1500 DM pro Jahr an Agrarsubventionen. Würde dieses Geld über höhere Erzeugerpreise an die Bauern gegeben, hätten alle etwas davon: die Steuerzahler, die Verbraucher und auch die Landwirte. Aber es gibt überhaupt keinen Ansatzpunkt, eine solche Entwicklung einzuleiten und einen wirklichen Markt zu schaffen. Auch wenn das jetzt in den Punkten, Herr Minister Borchert, die Sie genannt haben, gefordert wird: Eine solche Entwicklung einzuleiten bleibt reine Theorie.
Viertens. Arbeitsplätze: 550 000 Arbeitsplätze sind in den letzten sieben Jahren abgebaut worden. Was jetzt noch erschwerend dazukommt: Wir erleben einen Abbau der noch vorhandenen regulären Arbeitsplätze in der Landwirtschaft zugunsten von Saisonarbeitsplätzen und zugunsten von immer mehr illegaler Beschäftigung. Spargelkriege gibt es inzwischen. Nicht daß wir uns mißverstehen: Wir sind absolut dagegen, daß man Arbeitslose zu Zwangsarbeit auf den Feldern verdonnert.
Aber diese Bundesregierung hat doch die Verantwortung dafür, daß Arbeitskräfte inzwischen unbezahlbar geworden sind und daß die Landwirtschaft auf einem Einkommensniveau herumkrebst, das es nicht zuläßt, sie zu bezahlen. Das heißt, würde es hier endlich einmal zu einer Politik kommen, die Lohnnebenkosten senkt und Arbeit wieder bezahlbar macht,
Ulrike Höfken
dann hätten wir auch eine andere Situation in der Landwirtschaft.
Was dazukommen muß, ist eine Unterstützung der Ausbildung und der Anleitung in diesem Bereich. Dann ist es auch ein interessanter Job und Beruf, wie ich ihn selber habe.
Fünftens. Verbraucher: Verbraucher profitieren überhaupt nicht von dieser Entwicklung, die in den letzten Jahren eingeleitet und unterstützt worden ist. Sie haben vordergründig weniger Ausgaben, geben nur noch 13 Prozent ihres Einkommens für Nahrungsmittel aus, und das einschließlich Gaststättenkonsum. Das heißt, marginale Ausgaben nur noch für Lebensmittel. Aber Skandale prägen den Lebensmittelmarkt: Salmonellen, Antibiotika, BSE. Das sind alles noch ungelöste Probleme.
Die Bundesregierung hat keine wirklichen Konsequenzen gezogen, die an die Ursachen gehen. Vielmehr warten wir beispielsweise immer noch darauf, daß es eine Etikettierung des Herkunftsortes an der Ladentheke gibt. Alles andere ist bürokratisch auf einem Weg abgewickelt, der höchste Langsamkeit verspricht. Man hätte ja der Landwirtschaft damit eine Chance gegeben, regionale Produkte gut zu vermarkten. All das ist verpaßt und vermasselt worden.
Sechstens. Der Tierschutz: Dazu werden wir noch eine eigene Debatte führen; einiges zu diesem Thema werde ich aber schon heute sagen müssen. Es ist ein Beispiel ohnegleichen von Behinderung parlamentarischer Arbeit. Wir haben ein neues Tierschutzgesetz.
Die Koalition blockiert mit der Verhinderung der Diskussion um die Aufnahme des Tierschutzes in die Verfassung zugleich die Möglichkeit darüber, daß ein neues Tierschutzgesetz überhaupt zur Geltung gebracht werden könnte.
Das ist eine Wählerverdummung, eine Wählertäuschung. Die Mehrheit der Bevölkerung ist für die Aufnahme des Tierschutzes in die Verfassung,
weil sie ihrer ethischen Verantwortung für den Schutz der Tiere gerecht werden will. Wir reden von Forschung, Kunst und Eigentum, die im Grundgesetz stehen. Durch die Aufnahme des Tierschutzes in die Verfassung werden diese Grundrechte überhaupt nicht beeinträchtigt.
Es geht vielmehr um eine Abwägung und um eine Verankerung der Ethik.
Siebtens. Zum Thema Umwelt: In den Berichten des Landwirtschaftsministers heißt es immer, wir hätten in diesem Bereich eine Verbesserung erreicht. Wir stellen aber fest, daß es keine positive Ausgangssituation gibt. Immer noch gibt es die Nitratüberschüsse - das ist der einzige Wert, der für die Bewertung wirklich interessiert -, und wir müssen jährlich 1 Milliarde DM für Trinkwasserreinigung ausgeben, um Pestizide und Nitrat wieder aus dem Trinkwasser zu entfernen. Das ist eine absurde volkswirtschaftliche Fehlentwicklung, die es im Interesse von Umwelt, Steuerzahlern und Verbrauchern zu beseitigen gilt.
Ein Wort zur Agenda. Darüber haben wir viel diskutiert, und ich möchte nicht noch einmal auf alles im Detail eingehen. Eine Reform ist notwendig, sie muß vorangebracht und auch von der Bundesregierung unterstützt werden. Bei dieser Reform brauchen wir Planungssicherheit, eine tragfähige Finanzierung und WTO-Konformität, die wir mit der „Greenbox", also mit den Umweltstandards ausdrücklich wünschen. Wir lehnen Erzeugerpreissenkungen in der vorgesehenen Form ab, weil sie nichts mit Markt, sondern nur etwas mit Weltmarktdumping zu tun haben.
Wir sind für einen schrittweisen Abbau von Subventionen und Marktordnung, um genau die Marktgerechtigkeit, von der Herr Borchert gesprochen hat, wirklich schaffen zu können. Wir sind dafür, einen Außenschutz qualitativ zu sichern und ökologisches und soziales Dumping zu verhindern. Zudem sind wir dafür, daß im Rahmen der Agenda Arbeitsplätze geschaffen und entsprechend verankert werden. Damit meinen wir keine nominalen, sondern konkrete Änderungen in bezug auf real vorhandene Arbeitsplätze in den Betrieben. Schließlich sind wir dafür, daß die Umweltstandards auf einem hohen Niveau ausgelegt werden, so daß es in diesem Bereich das gibt, was Herr Fischler gestern gesagt hat, nämlich einen Grundlevel und nicht etwa eine Wettbewerbsverzerrung. Wenn es darüber hinaus etwas gibt, haben wir selbstverständlich nichts dagegen, aber wir sind für eine Verabschiedung von Umweltstandards durch die EU.
Milchquoten als letztes: Die jetzige Entwicklung ist fatal. Die Erhöhung der Quoten ist kontraproduktiv. Wir sind dafür, daß die aktiven Milcherzeuger - wie wir das nennen - wieder eine vernünftige Ausgangsposition bekommen, daß die Kapitalbindung der Quote endgültig abgeschafft wird und daß die regionale Bindung erhalten bleibt. Das letzte ist sicher das Allerwichtigste, damit Grünland wieder eine Zukunft erhält. Wie Herr Sielaff schon gesagt hat, brauchen wir hier - das glaube auch ich - in Zukunft einen interfraktionellen Konsens, um eine positive, konstruktive Gestaltung der Agenda vorzunehmen.
Danke schön.
Ich gebe dem Abgeordneten Günther Bredehorn das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst ein herzliches Wort des Dankes, Herr Minister, Frau Höfken, liebe Kolleginnen und Kollegen, für die guten Worte.
Zum Ende der 13. Legislaturperiode und nach 18 Jahren Arbeit als Abgeordneter im Deutschen Bundestag ziehe ich eine positive Bilanz unserer agrarpolitischen Arbeit. Unsere leistungsfähige Landwirtschaft erzeugt hochwertige Qualitätsnahrungsmittel und produziert umweltfreundliche Rohstoffe. Sie dient der Pflege und Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen. Gesundes Wasser, gesunder Boden und gesunde Luft gibt es nur mit einer funktionierenden Landwirtschaft.
Die Landwirtschaft erhält und gestaltet unsere vielfältige, in Jahrhunderten gewachsene Kulturlandschaft.
Andererseits - das muß auch gesagt werden - setzt sich der Strukturwandel fort. Mit heute 525 000 landwirtschaftlichen Betrieben hatten wir im letzten Jahr wieder einen Rückgang von 3 Prozent zu verzeichnen. Im Jahr 1980, zu Beginn meiner Tätigkeit, hatten wir noch rund 800 000 Betriebe in Deutschland. Die Zahl der Vollerwerbsbetriebe ging in dieser Zeit von rund 390 000 auf 220 000 zurück.
Ich sage hier auch ganz klar: Dieser Strukturwandel wird sich auch im nächsten Jahrhundert fortsetzen. Er hat ohne große Verwerfungen und sozialverträglich stattgefunden. Auch das ist sicherlich eine Folge unserer vernünftigen Agrarpolitik.
Die Landwirtschaft in Deutschland und in Europa steht an der Schwelle zum 21. Jahrhundert vor großen Herausforderungen. Die Öffnung der EU für die mittel- und osteuropäischen Staaten sowie die ab 1999 stattfindende zweite WTO-Runde wird zu einer weiteren Liberalisierung der Agrarmärkte führen. Die Globalisierung ist bereits heute Realität. Sie birgt Risiken; vor allem bietet sie aber auch Chancen. Wir haben das schon in der Debatte heute morgen gehört.
Die deutsche und die europäische Agrarwirtschaft müssen sich aktiv beteiligen, denn es geht um Marktanteile. Ich bin fest davon überzeugt, daß unsere gut ausgebildeten unternehmerischen Landwirte die Chancen nutzen werden. Wir sollten unsere künftige Agrarpolitik deshalb rechtzeitig auf diese Entwicklung ausrichten. Unsere Landwirte brauchen Planungssicherheit, damit sie rechtzeitig handeln und ihre betrieblichen Entscheidungen treffen können. Das ist wichtiger als Ausgleichszahlungen, Subventionen oder Prämien.
Die EU-Kommission hat ihre Vorschläge zur Weiterentwicklung der Agrarpolitik mit der Agenda 2000, die bei uns zur Zeit heftig diskutiert und auch kritisiert wird, vorgelegt. Aus meiner Sicht sind die Vorschläge der EU in der Agenda 2000 eine Fortsetzung der Agrarreform 92 und gehen einerseits im Grundsatz in die richtige Richtung.
Sie sind andererseits teilweise in sich widersprüchlich. Positiv sind sicherlich die stärkere Marktorientierung, die Öffnung zu den Weltmärkten, die Förderung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit und die verstärkten Möglichkeiten, Umweltleistungen zu honorieren, zu bewerten.
Es ist richtig und notwendig, die Subventionierung der Produktpreise zurückzunehmen und zu mehr Direktzahlungen zu kommen. Es ist nämlich nicht mehr möglich, mit dem Mittel der Agrarpreissubventionierung eine zukunftsgerichtete Agrarpolitik, Strukturpolitik, Regionalpolitik und Sozialpolitik für unsere Bauern und den ländlichen Raum zu gestalten. Auf der anderen Seite fehlt die ordnungspolitische Geradlinigkeit in den Vorschlägen, insbesondere durch die Vielzahl von Ausgleichszahlungen und Prämien. Allein bei der Milchkuhprämie gibt es vier verschiedene Varianten. Dies führt zu noch mehr Bürokratie und Kontrollaufwand. Hier bedarf es noch erheblicher Korrekturen.
Eine Totalverweigerung nützt allerdings nichts. Die Bundesregierung, vertreten durch Bundesminister Jochen Borchert, sollte mit klaren Forderungen und Zielen in die Verhandlungen gehen, um Mehrheiten zu finden. Dabei hat die Bundesregierung unsere Unterstützung.
Die Reform ist notwendig, um die weitere europäische Integration durch die EU-Osterweiterung zu verwirklichen und bei der nächsten Runde der WTOVerhandlungen positive Ergebnisse für unsere Landwirtschaft zu erreichen. Beide Prozesse können meines Erachtens nur mit einer rechtzeitigen Anpassung der Rahmenbedingungen landwirtschaftlicher Erzeugung beantwortet werden, zu der im wesentlichen die Stärkung der marktwirtschaftlichen Ausrichtung der Landwirtschaft gehört.
Zukünftige liberale Agrarpolitik will den weiteren Abbau von Protektionismus, staatlichen Interventionen und subventionierten Agrarexporten. Die Förderung der Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit der landwirtschaftlichen Betriebe hat für uns höchste Priorität, denn Landwirtschaft hat Zukunft.
Günther Bredehorn
Der Bereich der Nahrungsmittelproduktion ist einer der wichtigsten und sichersten Wachstumsmärkte in der Welt.
Die Weltbevölkerung heute mit knapp 6 Milliarden Menschen wird im Jahr 2020 auf zirka 8 Milliarden Menschen angewachsen sein. Jährlich werden mehr als 80 Millionen Menschen zusätzlich ernährt werden. Der Getreideverbrauch wird in den nächsten Jahren drastisch steigen. Der Fleischverbrauch wächst zur Zeit jährlich um 3 Prozent. Bei der Milch rechnet man in den nächsten Jahren mit einer weltweiten Zunahme des Verbrauchs um 25 bis 35 Millionen Tonnen. Der wachsende Bedarf kann nur durch eine effiziente, moderne Agragproduktion gedeckt werden. Da landwirtschaftliche Nutzflächen nicht mehr vermehrbar sind, ist in den nächsten 20 Jahren nach Aussagen von Experten ein Produktivitätszuwachs von 50 Prozent notwendig. Der steigende Verbrauch wird vor allem aus Regionen bedient werden, die durch Nutzung der Biotechnologie, durch technisch-organisatorische Fortschritte und durch strukturelle Verbesserungen Produkte zu niedrigen Kosten in hoher Qualität produzieren können.
Deutschland ist von den natürlichen Voraussetzungen her ein hervorragender Agrarstandort: Wir haben ein günstiges Klima, guten Boden und immer genügend Wasser. Wir sollten diesen Vorteil nicht durch flächendeckende Extensivierung oder durch Flächenstillegungen aufgeben.
Es ist meines Erachtens überhaupt nicht zu verantworten, hier freiwillig Marktanteile aufzugeben. Deshalb ist aus meiner Sicht der Vorschlag in der Agenda 2000, die obligatorische Flächenstillegung auf null zu senken, zu begrüßen.
Wenn wir wollen, daß die deutsche Land- und Agrarwirtschaft von der allgemein erwarteten positiven Weltmarktentwicklung profitiert, müssen wir und die EU bei den kommenden WTO-Verhandlungen die Interessen der deutschen und europäischen Agrarwirtschaft offensiv vertreten und dafür sorgen, daß Handelshemmnisse auf den Weltmärkten abgebaut werden. Ein entscheidendes Kriterium für den Erfolg auf den Weltmärkten wird die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit sein. Es muß sich dann zeigen, ob wir uns in Zukunft auch ohne Ausfuhrsubventionen auf den Märkten behaupten können.
Aber auch auf dem Binnenmarkt wird durch die zunehmende Marktöffnung der Wettbewerb stärker. Die deutsche Landwirtschaft hat in den letzten Jahren leider teilweise Marktanteile verloren. Daher ist es eine wichtige Aufgabe deutscher Agrarpolitik, die Veredelungsproduktion in Deutschland zu sichern. In der deutschen Land- und Ernährungswirtschaft und in den ihr vor- und nachgelagerten Bereichen werden über 12 Prozent des Bruttoinlandsproduktes erwirtschaftet und sind 4,2 Millionen Menschen beschäftigt. Das heißt, jeder achte Arbeitsplatz in Deutschland ist in diesem Bereich angesiedelt. Das
müssen wir einmal deutlich sagen; das wird auch in der Politik teilweise noch gar nicht so richtig wahrgenommen.
Ich will kurz auf die Milchquotenregelung eingehen. Sie kennen alle meine Meinung, daß sie ihr Ziel nicht erreicht hat.
Die seinerzeit verkündete Philosophie „Mengen runter, Preise rauf" hat sich als Flop erwiesen. Wir sollten nicht weiterhin den Eindruck erwecken - das wird immer noch von allen Seiten gemacht -, daß wir mit einer Mengenregulierung oder mit dieser Garantiemengenregelung die Herausforderungen der Zukunft bewältigen werden.
Ich kann nur hoffen, daß sich Bundesminister Borchert mit seinen Bemühungen, eine Korrektur und Neugestaltung der Milchquotenregelung zugunsten der aktiv melkenden Landwirte zu erreichen, in Brüssel durchsetzen kann. Das ist ja auch Grundlage des F.D.P.-Modells vom Mai 1996.
Er hat dabei unsere volle Unterstützung. Ich werde mich persönlich auch weiterhin immer dafür einsetzen, daß mittelfristig in diesem Bereich wieder mehr Marktwirtschaft herrscht.
Die Politik sollte eigentlich schon heute das klare Signal setzen, daß diese Milchquotenregelung, die nun wahrlich keine Erfolgsstory ist, spätestens im Jahre 2006 ausläuft.
Das derzeitige System der Ausgleichszahlungen, das durch die Vorschläge der Agenda 2000 noch weiter ausgebaut wird, ist an den Anbau bestimmter Produkte oder die Haltung von Tieren gebunden. Auch hier sollten wir uns überlegen, ob im Rahmen der Fortentwicklung der europäischen Agrarpolitik nicht alle Flächen- und Tierprämien in eine produktionsunabhängige Einheitsprämie je Hektar landwirtschaftlicher Fläche überführt werden könnten. Die Gewährung einer solchen flächenbezogenen Transferzahlung wäre ein Ausgleich für die in der EU besonders hohen Umweltanforderungen an die Agrarproduktion. Mit unserem deutschen Pflanzenschutz-, Naturschutz-, Düngemittel-, Tierschutz- und Bodenschutzgesetz und den entsprechenden Verordnungen haben wir einschneidende kostentreibende Regelungen zum Schutze der Menschen und der natürlichen Ressourcen getroffen. Die Vorteile für die Lebensqualität unserer Verbraucher auf der einen Seite bringen auf der anderen Seite erhöhte Kosten für die Landwirtschaft mit sich. Von daher ist ein gewisser Außenschutz auch in Zukunft notwendig.
Günther Bredehorn
Eine wichtige Aufgabe der Agrarpolitik im nächsten Jahrzehnt muß es sein, den ländlichen Raum funktionsfähig zu erhalten und fortzuentwickeln. - Ich möchte das jetzt ein wenig abkürzen. - Dazu haben wir die verschiedenen Förderungsmöglichkeiten über die Gemeinschaftsaufgabe „Städtebauförderung", das Dorferneuerungsprogramm und auch die Strukturfonds der Europäischen Union.
Die europäische Agrarpolitik wird sich in den nächsten Jahren auf eine Reihe einschneidender Veränderungen einstellen müssen. Ziel zukünftiger liberaler Agrarpolitik sollte es sein, die internationale Konkurrenzfähigkeit einer unternehmerischen deutschen Land- und Agrarwirtschaft zu verbessern. Dazu gehört, wie gesagt, die Förderung der Wettbewerbsfähigkeit, die Verbesserung der Verarbeitungs-
und Vermarktungsstrukturen, die aktive Erschließung von Exportmärkten und auch eine Korrektur überzogener Auflagen im Umwelt- und Baurecht.
Die jetzige EU-Agrarpolitik führt zu mehr Bürokratie, Verwaltungs- und Planwirtschaft im Agrarbereich. Daher brauchen wir eine zukunftsorientierte Agrarpolitik, die zu mehr Marktwirtschaft führt und damit den Spielraum für eine wettbewerbsfähige Agrarwirtschaft und eine gesunde unternehmerische Landwirtschaft erhöht. Landwirtschaft hat Zukunft. Dazu will die liberale Agrarpolitik einen Beitrag leisten und den Weg ebnen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, dies ist meine letzte Rede im Deutschen Bundestag. Ich möchte mich pauschal bei allen Kollegen für vielerlei Hilfe und Unterstützung, für manchen guten, freundschaftlichen Rat, auch für manche Diskussion und für das Ringen um eine gute Entscheidung - manchmal auch leidenschaftlich und hart, aber immer an der Sache orientiert - ganz herzlich bedanken. Es hat viel Spaß gemacht; es war für mich die Erfüllung meines Wunsches, meine Vorstellungen und Gedanken einmal in der Politik umzusetzen.
Ich wünsche Ihnen allen zum Schluß - das sage ich nun auf plattdeutsch meiner oldenburgischen Heimat -: Dat goat ju good.
Lieber Kollege Bredehorn, es ist ja schon mehrfach von allen Seiten darauf hingewiesen worden, welche Verdienste Sie sich in der Landwirtschaftspolitik erworben haben. Sie gehören dem Bundestag, ebenso wie der Kollege Sielaff, seit 1980 an. Man hat Ihren Reden und Ihren Entscheidungen immer angemerkt, daß Sie nicht nur die Landwirtschaftsverwaltung kennen, sondern daß Sie selbst aktiver Landwirt sind.
Ich möchte Ihnen - ich kann das nicht auf plattdeutsch tun und möchte es nicht auf sächsisch sagen
- den herzlichen Dank des Hauses aussprechen. Danke schön.
Ich gebe das Wort dem Abgeordneten Dr. Günther Maleuda.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zur Beratung steht der vierte und damit letzte Agrarbericht dieser Wahlperiode. Die Bundestagsgruppe der PDS hat dem Agrarbereich stets eine große Aufmerksamkeit gewidmet und in den zurückliegenden Jahren jährlich einen kritischen Kommentar zum Agrarbericht, Studien zur Agenda 2000 und das Agrarkonzept der PDS öffentlich gemacht.
Der Agrarbericht 1998 gibt uns die Gelegenheit, Bilanz über die Agrarpolitik der Bundesregierung in der zurückliegenden Wahlperiode und die Entwicklung der Landwirtschaft unter den durch die Regierung geschaffenen Rahmenbedingungen zu ziehen. Beide Bilanzen fallen unterschiedlich aus.
In einer Zeit gesellschaftlicher Veränderungen und struktureller Umbrüche haben sich die Bäuerinnen und Bauern in ihren Ein- und Mehrfamilienbetrieben als verantwortungsbewußte, kluge Landwirte und Unternehmer erwiesen. Mit großer Geduld und in aufopferungsvoller Arbeit haben sie die vielfältigen Demütigungen bezüglich ihrer Arbeit und ihrer Bauernehre abgewehrt und den Tisch so reich mit hochwertigen Nahrungsmitteln gedeckt wie noch nie in der Vergangenheit. Über 100 Menschen werden von einem Landwirt versorgt. Über 84 Prozent der Fläche in Deutschland werden von Bauern so gepflegt, daß Urlauber und Ausflügler in der Kulturlandschaft Erholung und Entspannung finden können. Das wird leider nicht in gebührender Weise öffentlich geachtet.
Es ist gut, daß die Bäuerinnen und Bauern in ihrem Verband eine starke Interessenvertretung haben. Ohne dessen aktive Arbeit wäre die Landwirtschaft schon zu einem Restposten geworden. Als Volkswirtschaftszweig, der bei der europäischen Einigung eine Vorreiterrolle gespielt hat, muß die Landwirtschaft die erreichten Ergebnisse heute gegen jene verteidigen, die zukünftig alle Bereiche der Gesellschaft der bloßen Kapitalverwertung unterordnen wollen.
Immer mehr findet der Appell von Bauernpräsident Sonnleitner Gehör, in dem er auffordert:
Alle Formen der Kooperation gilt es auch innerhalb der Landwirtschaft zu nutzen. Überbetriebliche Zusammenarbeit bietet eine Chance, Kosten zu senken und neue Einkommensquellen zu erschließen. Die Kooperation und Zusammenarbeit mit anderen Unternehmen ist daher ebenfalls
, entscheidend für die Zukunftsfähigkeit Deutschlands.
Ich meine, ein richtiges Wort zur rechten Zeit.
Dr. Günther Maleuda
Die ostdeutschen Bäuerinnen und Bauern haben dieses Konzept zur Grundlage des Transformationsprozesses gemacht. Ihrer Weitsicht und Hartnäckigkeit ist es zu verdanken, daß unter den komplizierten politischen und ökonomischen Bedingungen der ersten Nachwendejahre nicht alle Gemeinschaftsunternehmen auseinanderbrachen. In einem nervenaufreibenden und verlustreichen Prozeß, der bis heute nicht abgeschlossen ist, wurden kurzfristig Anpassungsstrategien entwickelt und die Unternehmen neu organisiert. Auch die allseitig unterstützten Wieder- und Neueinrichter waren überwiegend klug genug, ihre Unternehmen als Familienbetriebe oder gemeinsam in Personengesellschaften in wettbewerbsfähigen Größen aufzubauen, Infrastruktur aus DDR-Zeiten zu nutzen und mit benachbarten Gemeinschaftsunternehmen zu kooperieren.
Zwar ist in der Wahlperiode der Gewinn je Betrieb um 25 Prozent gestiegen. Angesichts eines Rückgangs der Anzahl der Betriebe um über 70 000 hat allerdings nur eine Umverteilung stattgefunden. Das ergibt sich auch daraus, daß die Nettowertschöpfung in der Landwirtschaft in der Wahlperiode im wesentlichen nicht gestiegen ist. Nach den Berechnungen des DBV liegt das Unternehmensergebnis je Familienarbeitskraft um 27 Prozent unter dem gewerblichen Vergleichslohn. Nach dem Agrarbericht erreichen nur etwa 17 Prozent der Betriebe die Vergleichsansätze. Würde die Vergütung des Faktors Arbeit in den übrigen Betrieben an das Vergleichseinkommen herangeführt, müßten ihre Einnahmen um 9 Milliarden DM höher sein. Mit diesem Betrag verbilligen sie letztlich die Nahrungsgüter der Verbraucher.
Die Bundesregierung hat damit ihren gesetzlichen Auftrag, die wirtschaftliche Existenz einer bäuerlichen Familie zu gewährleisten, nicht erfüllt. Mehr noch: Sie trägt mit ihrer Politik aktiv zum Verlust von weiteren Zehntausenden von Hofstellen in der Zukunft bei. Die Weichen dafür hat sie mit ihrer Streichung bei der Gemeinschaftsaufgabe von über 1 Milliarde DM in der zur Ende gehenden Wahlperiode eingeleitet. Statt auf Unterstützung der Kooperation setzt sie auf einzelbetriebliche Förderung der wachstumsfähigen Betriebe. Sicher wäre beides zusammen richtiger und notwendiger. Wenn ein Hof doch aufgegeben werden muß, dann sind auch die Arbeitsplätze endgültig verloren. Mit jedem Arbeitslosen entsteht der Gesellschaft aber die Last von 40 000 DM, wie der Bauernverband in seinem Situationsbericht ausgerechnet hat. Die verlorengegangenen Arbeitsplätze können auch nicht durch eine Exportorientierung der Agrarproduktion zurückgewonnen werden; denn das ist der Weg in die Intensivierungsfalle und den Kampf um die Märkte, der weitere Bauernexistenzen und Arbeitsplätze zerstören wird.
Die Alternative muß darin bestehen, auf den umfangreichen Import von Futtermitteln zu verzichten und so einen Beitrag zur Bekämpfung des Hungers in der Welt zu leisten.
Es ist auch nicht zu verstehen, warum die Bundesrepublik 1998 1 Million Ferkel aus Dänemark importieren wird. Der Zusammenbruch des Schweineexports nach Südostasien und der damit verbundene Verfall der Schweinepreise um ein Drittel gegenüber dem Vorjahr sind ein Vorgeschmack auf die Folgen, die der deutschen Landwirtschaft mit der in der Agenda 2000 verfolgten Weltmarktöffnung bevorstehen.
Wenn von Landwirtschaft die Rede ist, dann muß auch von Umweltschutz gesprochen werden. Bei diesem Thema brauchen wir eine wesentliche Versachlichung der Diskussion und eine klare Benennung der Ursachen, um einen ökologischen Umbau der Agrarproduktion herbeizuführen.
Unbestritten ist, daß die Bauern ohne verantwortungsbewußten Umgang mit der Natur keine Zukunft haben.
Unbestritten ist aber auch, daß die Vorstellungen darüber, was umweltgerecht ist, wissenschaftlich noch ungenügend untersucht sind. Wissenschaftler der Landesuntersuchungs- und Forschungsanstalten haben nachgewiesen, daß auf den verschiedensten Standorten intensive Produktion ebenso wie extensive nachhaltig sein kann, aber nicht sein muß. Die Hauptursache für die sehr unterschiedlichen Ergebnisse fanden sie in der Qualität der Leitung des jeweiligen Unternehmens. Leider war nicht Gegenstand ihrer Untersuchungen, wovon diese Qualität abhängt.
Meine Damen und Herren, da ich heute meine letzte Rede vor diesem Hohen Hause halte, erlaube ich mir, der Bundestagsverwaltung sehr herzlich für eine korrekte und umfassende Unterstützung zu danken.
Minister Borchert, ich habe es als angenehm empfunden, daß Sie selbst uns und mir gegenüber auf konkrete Fragen und Probleme korrekt geantwortet haben.
Mein besonderer Dank gilt den Mitgliedern und Mitarbeitern des Agrarausschusses, dem Vorsitzenden Peter Harry Carstensen, der Stellvertreterin Marianne Klappert und den agrarpolitischen Sprechern der Fraktionen für eine Atmosphäre, die konstruktiv und sehr offen war. Sie hat sich wohltuend von der unterschieden, die die Abgeordnetengruppe der PDS hier im Parlament vier Jahre lang ertragen mußte, einer Atmosphäre, die weitgehend von Ausgrenzung und Intoleranz geprägt war.
Ich danke Ihnen.
Herr Kollege Maleuda, Sie haben hier Ihre letzte Rede gehalten und werden nach dieser Legislaturperiode wieder
Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch
aus dem Deutschen Bundestag ausscheiden, dem Sie nur eine Periode angehört haben. Sie haben in dem anderen Teil Deutschlands eine eindrucksvolle politische Laufbahn hinter sich gebracht. Wenn man sie betrachtet, merkt man, wie unterschiedlich unsere Schicksale gewesen sind. Ich möchte Ihnen meinen Dank für Ihre politische Arbeit in diesem Hause nach der deutschen Wiedervereinigung aussprechen.
Damit gebe ich dem Kollegen Horst Eylmann das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Fraktion der SPD hat gemäß § 62 Abs. 2 der Geschäftsordnung einen Zwischenbericht des Rechtsausschusses über den Stand der Beratungen zweier Gesetzentwürfe zum Staatsziel Tierschutz beantragt. Als Vorsitzender des Rechtsausschusses erstatte ich diesen Bericht wie folgt:
Der Deutsche Bundestag hat diese beiden Gesetzentwürfe am 13. November 1997 in erster Lesung beraten und hat sie federführend dem Rechtsausschuß und zur Mitberatung drei weiteren Ausschüssen überwiesen. Die mitberatenden Ausschüsse haben noch keine Stellungnahme abgegeben.
Der Rechtsausschuß hat die Beratungen der Gesetzentwürfe am 14. Januar dieses Jahres auf genommen und zu diesen Gesetzentwürfen sowie zu zwei weiteren gleichlaufenden Gesetzentwürfen der Bündnisgrünen und der Gruppe der PDS eine öffentliche Anhörung beschlossen. Diese wurde am 1. April dieses Jahres durchgeführt. Ein früherer Termin war nicht möglich. Ich darf darauf verweisen, daß wir in diesem Jahr neben dem üblichen starken Arbeitsanfall gegen Ende der Legislaturperiode schon sieben öffentliche Anhörungen durchgeführt haben.
Es wurden zehn Personen angehört. Hinsichtlich des Ergebnisses der Anhörung nehme ich auf das Protokoll der Sitzung Bezug. Das Protokoll konnte leider erst am 25. Mai an die Mitglieder des Rechtsausschusses versandt werden, also nahezu zwei Monate später. Die starke Arbeitsbelastung des Sekretariats und die dortige personelle Situation ließen eine frühere Fertigstellung des Protokolls nicht zu. Der Stenographische Dienst steht uns, von Ausnahmen abgesehen, nicht mehr zur Verfügung.
Der Rechtsausschuß hat die Beratungen noch vor der Versendung des Protokolls am 6. Mai wieder aufgenommen und am 27. Mai, also sogleich nach Versendung des Protokolls, fortgeführt. Er hat sich auch gestern mit der Angelegenheit befaßt und mit der Mehrheit der Koalitionsfraktionen beschlossen, die Beratungen nicht mit einer Beschlußempfehlung zu beenden und auch in der nächsten Woche das Thema nicht auf die Tagesordnung zu setzen.
Meine Damen und Herren, es ist nicht meine Aufgabe als Vorsitzender, die Standpunkte der Fraktionen zu diesem Thema vorzutragen. Daß nach Lage der Dinge die Gesetzentwürfe der Diskontinuität anheimfallen und deshalb in der Sache nicht entschieden wird, bedaure ich. Dies scheint mir auch darauf zurückzuführen zu sein, daß uns die Gesetzentwürfe relativ spät zugewiesen worden sind. Das letzte halbe Jahr vor einer Wahl ist keine günstige Zeit für Verfassungsänderungen, die eine besonders sorgfältige Abwägung verlangen und andererseits ein Thema berühren, das, wie wir wissen, in unserer Gesellschaft hohe Emotionen zu wecken pflegt.
Ich danke Ihnen.
Ich gebe das Wort dem Kollegen Hermann Bachmaier.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte zunächst dem Vorsitzenden des Rechtsausschusses, Herrn Eylmann, sehr herzlich für diesen fairen und im wahrsten Sinne des Wortes unparteiischen Bericht danken.
Es ist ein Trauerspiel, daß es auf Grund des hartnäckigen Widerstandes der Koalition, vor allem von CDU und CSU, bis zum heutigen Tag nicht gelungen ist, den Tierschutz als Staatsziel im Grundgesetz zu verankern.
Seit mehr als einem halben Jahr liegen dem Bundestag Gesetzentwürfe vor, deren Ziel es ist, dieses längst überfällige Staatsziel endlich in die Verfassung aufzunehmen. Bereits in der letzten Legislaturperiode hat eine Mehrheit der Mitglieder der Verfassungskommission von Bundestag und Bundesrat die Aufnahme dieses Staatszieles empfohlen. Damals hat es neben den Verbandsäußerungen auch über 100 000 Eingaben zugunsten dieses Staatszieles gegeben.
Alle Versuche, eine Umsetzung dieser damaligen Empfehlung im Bundestag mit der notwendigen Zweidrittelmehrheit zu erreichen, wurden von CDU und CSU abgeblockt. Statt dessen hat die Koalition eine unverbindliche Entschließung durchgesetzt, deren Ziel ausschließlich darin bestand, die Verweigerungshaltung der Koalition vor der Öffentlichkeit zu verschleiern.
In Kürze wird der Tierschutz in acht Landesverfassungen verankert sein. Die erst jüngst in die bayerische Verfassung aufgenommene Formulierung - sie wurde über eine Volksabstimmung herbeigeführt - ist fast wortgleich mit den Formulierungen, die im Gesetzentwurf der SPD und des Bundesrates enthalten sind und die sich eng an § 1 des Tierschutzgesetzes anlehnen. Dort heißt es wörtlich, daß es Zweck des Tierschutzgesetzes sei, „aus der Verantwortung des Menschen für das Tier als Mitgeschöpf dessen Leben und Wohlbefinden zu schützen" . Niemand dürfe „einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen".
Diese im Tierschutzgesetz und in immer mehr Landesverfassungen verankerten Ziele bleiben aber
Hermann Bachmaier
weitgehend unverbindlich, wenn der Tierschutz nicht endlich auch im Grundgesetz festgeschrieben wird und dort seinen angemessenen Platz erhält. Nur dann kann er sich auch bei den oft schwierigen Abwägungsentscheidungen von Gerichten und Behörden gegenüber anderen verfassungsrechtlich geschützten Belangen wie der Forschungs- und Wissenschaftsfreiheit, aber auch der Berufsfreiheit und der Eigentumsgarantie, um nur einige zu nennen, im Konfliktfall wenigstens einigermaßen behaupten. Solange aber der Tierschutz noch nicht einmal als Staatsziel Eingang in das Grundgesetz gefunden hat, wird er bei schwierigen Abwägungsentscheidungen, wie dies verschiedene neuere Gerichtsurteile belegen, gegenüber verfassungsrechtlich geschützten Belangen ins Hintertreffen gelangen. Alle hehren Zielvorstellungen des Tierschutzgesetzes und der Landesverfassungen nützen dann herzlich wenig.
Zu welchen Ergebnissen dies führt, belegt der oft unverantwortliche Umgang mit Tieren. Beispiele finden wir leider allzuoft: unnötige und qualvolle Tierversuche, grausame Tiertransporte und Formen der Massentierhaltung, die jedwedem Tierschutz Hohn sprechen, neuerdings in größerem Umfang auch entsetzliche Qualzüchtungen.
Nur dann, wenn der Tierschutz Verfassungsrang erlangt, muß er in den häufigen Konfliktfällen berücksichtigt und in die Abwägungsprozesse einbezogen werden. Weder die Zielvorstellungen des Tierschutzgesetzes noch die Regelungen in den Landesverfassungen können sich gegenüber grundgesetzlich geschützten Belangen im Konfliktfall behaupten. Deshalb müssen alle, die einen wirksamen Tierschutz wollen, endlich Farbe bekennen und den Tierschutz im Grundgesetz als Staatsziel verankern.
Wer sich - wie die Koalition - bis zum heutigen Tage diesem Ziel verweigert, muß sich den Vorwurf gefallen lassen, verfassungsrechtlich wirksamen Tierschutz, der sich vor allem im Konfliktfall bewährt - das ist der entscheidende Punkt -, letztlich nicht zu wollen.
Die heutige Debatte ist der traurige Beleg dafür, daß sich vor allem CDU und CSU dem zentralen Anliegen des Tierschutzes wieder einmal verweigert haben. Trotz der Tatsache, daß Sie, meine Damen und Herren von der CDU/CSU, ganz genau wissen, daß die erdrückende Mehrheit der Bevölkerung vom Gesetzgeber die Aufnahme des Tierschutzes in das Grundgesetz schon lange erwartet, drücken Sie sich wiederum vor einer klaren Entscheidung. Vor allem die bedingungslose Unterstützung der Interessen von Wirtschaft und Forschung auf der einen Seite und die Angst vor Stimmenverlusten bei den Tierschützern auf der anderen Seite sind wohl die Ursache für diese nun schon zum wiederholten Male praktizierte Hinhaltetaktik.
Wir wissen natürlich, meine Damen und Herren, daß es auch in Ihren Reihen sehr viele Abgeordnete gibt, die lieber heute als morgen unseren Anträgen
zustimmen möchten und die ihnen vielleicht auch zugestimmt hätten, wenn Sie mit Ihrer Verfahrensmehrheit nicht bis zum heutigen Tage eine Sachentscheidung im Bundestag verhindert hätten. Auf die ständigen Versuche, Ihre wahren Absichten zu verschleiern, fällt allerdings niemand mehr herein. Alle, die Ihre taktischen Spielchen auch nur am Rande verfolgt haben, wissen nunmehr, daß Sie einen wirksamen, verfassungsrechtlich abgesicherten Tierschutz letztlich nicht wollen und de facto ablehnen. Daß alle schönen Reden und edlen Vorsätze in Landesverfassungen ohne nennenswerte Wirkung bleiben, ist Ihnen aus den Debatten der zurückliegenden Jahre hinlänglich bekannt.
Ich hoffe, meine Damen und Herren, daß wir in der nächsten Legislaturperiode - und dann möglichst bald - endlich unser Ziel erreichen und der Tierschutz den Platz in der Verfassung erhält, der ihm gebührt.
Herzlichen Dank.
Ich gebe dem Abgeordneten Meinolf Michels das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Herr Bachmaier, ich gehe gleich auf den Bereich Tierschutz ein, möchte aber zunächst, da wir eben die letzte Rede unseres Kollegen Egon Susset wie auch anderer Kollegen gehört haben, noch etwas zu Egon Susset sagen.
29 Jahre gehört Egon Susset nun diesem Parlament an. Ich glaube, Sie alle stimmen mit mir in der Feststellung überein, daß Egon Susset sich stets um Fairneß bemüht hat und stets die gesamte Politik im Zusammenhang sah und nicht nur einseitig auf Agrarpolitik fixiert war. Natürlich waren für ihn, aus einem Weinbaugebiet stammend, die speziellen Gegebenheiten des Weinbaus von besonderer Bedeutung. Ich darf hier feststellen - ich glaube, mit Ihrer aller Zustimmung -: Egon Susset hat sich als Abgeordneter um die Menschen des ländlichen Raumes verdient gemacht.
Lassen Sie mich angesichts der Kürze der Zeit nur auf drei Punkte eingehen; die allgemeine Übersicht über den Agrarbericht hat Egon Susset eben gegeben.
Mit großer Verwunderung haben wir gestern abend die Aussage von Kommissar Franz Fischler zur Kenntnis genommen, der auf präzise Nachfrage hin gesagt hat, daß die Milchquotenregelung über das Jahr 2000 hinaus keineswegs als sicher eingestuft werden könne; eine Mehrheit dafür sehe er noch nicht. Solche Unsicherheiten in einer so grundsätzlichen Frage, ausgesprochen von dem zuständigen EU-Kommissar, sind für die milchproduzierenden Landwirte alles andere als die notwendige Planungssicherheit.
Meinolf Michels
Ich weiß, sehr geehrter Herr Minister, daß Sie sich außerordentlich darum bemüht haben, hier entsprechend einzuwirken. Ich bin auch sicher, daß es Ihnen gelingt, diese Vorlage so, wie es für die bäuerliche Landwirtschaft notwendig ist, zu verändern. Aber es muß schnellstens Klarheit herbeigeführt werden. Auf keinen Fall darf bei all den Bemühungen die Quote in den einzelnen Mitgliedsländern - wie vorgesehen - unterschiedlich angehoben werden; denn wir wollen eine Stärkung der Milcherzeuger. Eine Kontingentierung bedeutet letztendlich auch eine an den Verbrauch angepaßte Menge. Ansonsten funktioniert die Quote nicht. Sowohl die Vorschläge des Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten als auch das vom Deutschen Bauernverband vorgeschlagene Modell können bei Wegfall - das ist wichtig - der Flächenbindung und der Altpachtregelung zu neuen Realitäten führen.
Auf dem Getreidesektor stehen wir zu Beginn der Ernte vor einem ganz besonderen Problem, welches einzig und allein durch die EU-Kommission selbst herbeigeführt worden ist. Bei Getreide wurden durch die zögerliche Exportpolitik insbesondere im ersten Halbjahr dieses Wirtschaftsjahres wichtige Exportmöglichkeiten nicht genutzt. Das Ergebnis sehen wir derzeit: Die Interventionsbestände sind innerhalb eines Jahres auf fast 15 Millionen Tonnen angestiegen - und dies, wie schon gesagt, zu Beginn einer neuen Ernte.
Dabei hat die Kommission teilweise ganz gezielt gegen den Markt spekuliert und sich dabei verspekuliert. Im Wirtschaftsjahr 1996/97 wurde trotz niedriger Lagerbestände 21,7 Prozent mehr Getreide exportiert als im laufenden Jahr.
Ich frage mich auch: Warum hat die Kommission Exportabgaben verlangt, obgleich sie genau wußte, daß wir dadurch mit übergroßen Beständen in die neue Ernte gehen würden? Obwohl ich weiß, Herr Bundesminister Borchert, daß Sie sich für eine verläßliche Exportpolitik eingesetzt haben, möchte ich Sie von dieser Stelle aus nachdrücklich bitten, alle Möglichkeiten zu nutzen, damit das Fehlverhalten der Kommission den ohnehin schon gedrückten Getreidepreis nicht noch weiter absacken läßt.
Bei dieser Gelegenheit möchte ich Ihnen, Herr Minister, recht herzlich dafür danken, daß Sie im letzten Jahr durch Ihre entschlossene Haltung gegenüber der Kommission erreicht haben, daß die beabsichtigte Kürzung der Flächenausgleichszahlung nicht zum Tragen gekommen ist. Ohne Ihr energisches Vorgehen hätten die Landwirte in der EU bereits in diesem Jahr weitaus geringere Ausgleichszahlungen erhalten.
Wir sehen, wie abhängig jeder einzelne von den Entscheidungen in Brüssel ist. Aus diesem Grund sind wir gegenüber den Vorschlägen der Agenda 2000 mehr als skeptisch. Es fehlt an der richtigen, langfristigen Verläßlichkeit. Bei einer siebenjährigen Laufzeit haben wir es mit einer dreijährigen Verunsicherung zu tun. Wer kann da noch investieren?
Zum Abschluß möchte ich noch einige Sätze zum Tierschutz sagen. Viele Mitbürger unterstützen in gutem Glauben die Aktion der Tierschutzverbände, den Tierschutz als Staatsziel im Grundgesetz zu verankern. Doch können wir dieser Forderung aus grundsätzlicher rechtlicher Erwägung nicht folgen.
Meine Damen und Herren, wir haben es uns bei diesem hochsensiblen Thema bestimmt nicht leichtgemacht; denn wir müssen feststellen, daß wir uns hier an der Praxis vorbei bewegen würden. Aber wir müssen auch feststellen, daß noch zu keiner Zeit Tierschutz so intensiv betrieben worden ist wie während der letzten 15 Jahre.
In keinem anderen Land der Welt muß die Regierung alle zwei Jahre über den aktuellen Stand des Tierschutzes in Form eines Tierschutzberichtes Auskunft geben. Die Bundesregierung wird auch weiterhin unablässig bemüht sein, den Tierschutz in Europa auf ein gleich hohes Niveau zu bringen. Doch zum aktiven Tierschutz ist auch jeder einzelne aufgefordert; denn nur wir alle zusammen können die Tiere schützen. Und wer die Tiere liebt, der liebt auch die Menschen.
Schönen Dank.
Ich gebe der Abgeordneten Steffi Lemke das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich bedanke mich für meine Fraktion für die Zusammenarbeit mit den Kollegen Susset, Sielaff, Bredehorn und Maleuda in den vergangenen vier Jahren. Die Arbeit im Ausschuß mit Ihnen war angenehm. Wir werden als einzige Fraktion, bei der der agrarpolitische Sprecher nicht ausscheidet, die Kontinuität im Ausschuß - sicherlich mit Ihrer Unterstützung - wahren können.
- Das hätte keiner gedacht, aber um so besser für die Agrarpolitik des Deutschen Bundestages. Ich wünsche Ihrer Fraktion, Herr Susset, da Sie die Frauen und Männer im Agrarausschuß angesprochen haben, daß Ihnen eine Frau im Amt nachfolgen möge. Ich habe allerdings meine Zweifel, ob das klappt.
Ich sagte, die Arbeit im Ausschuß ist angenehm gewesen. Gestern haben wir allerdings das Gegenteil erlebt. Die Debatte zur Aufnahme des Tierschutzes ins Grundgesetz, die gestern im Agrarausschuß gelaufen ist, hat weder dem Parlamentarismus noch dem Ansehen der Koalitionsfraktionen, noch dem Tierschutz einen Dienst erwiesen. Im Gegenteil, es ist eine traurige Debatte gewesen. Ich denke, daß insbesondere die F.D.P., die bekennt, daß sie inhalt-
Steffi Lemke
lich die Aufnahme des Tierschutzes ins Grundgesetz will, dann jedoch der Absetzung der Behandlung dieses Themas im Ausschuß zugestimmt hat,
kein gutes Bild abgegeben hat. Meines Wissens ist es üblich, daß ein mitberatender Ausschuß vor dem federführenden Ausschuß berät. Deshalb ist die Begründung, die Sie gestern dazu geliefert haben, unter der Würde des Ausschusses gewesen.
Ich möchte jetzt zu den anderen heute auf der Tagesordnung stehenden Themen zurückkommen. Der Agrarbericht 1998 ist der zweite gesamtdeutsch abgefaßte Agrarbericht; das heißt, die spezifische Entwicklung der landwirtschaftlichen Betriebe in den neuen Bundesländern wird nicht mehr gesondert ausgewiesen. Dies suggeriert eine Annährung der Situation im ländlichen Raum zwischen Ost und West, die so nicht gegeben ist. Die Bundesregierung spricht von einem weitgehend abgeschlossenen Umstrukturierungsprozeß der Landwirtschaft in den neuen Ländern.
Ich denke, daß wir uns noch einmal vor Augen führen sollten, daß wir in den neuen Bundesländern Regionen mit über 40 Prozent Arbeitslosigkeit im ländlichen Raum haben, daß dort für viele, vor allem für ältere Menschen, eine Perspektive und in gewisser Weise auch ihr Lebenswerk nicht mehr existent sind, daß die jungen Menschen dort abwandern und wir gemeinsam nach Alternativen suchen sollten. Von daher ist das, was die Koalitionsfraktionen in den vergangenen vier Jahren gemacht haben, für die Landwirtschaft in den neuen Bundesländern nicht hilfreich gewesen.
Ich erinnere an die Altschulden und an die Debatte, die wir darüber geführt haben. Die Bundesregierung hat hier Entwicklungschancen verschenkt, indem sie keine Entschuldung der Altkredite aus DDR-Zeiten vorgenommen hat. Die Landwirte in Ostdeutschland sind - so denke ich - zu Recht darüber empört, daß sie, nachdem die DDR untergegangen ist, die Kredite, die ihnen dieser Staat aufgezwungen hat, nun an eine westdeutsche Bank abbezahlen sollen. Das schafft nicht nur für die Landwirtschaft Probleme, sondern letztlich auch für den Bund und die Steuerzahler, weil so über die aufgelaufenen Zinsen nur höhere Kosten entstehen und sich lediglich die DG-Bank als lachende Dritte über die landwirtschaftlichen Altschulden saniert hat.
Wir fordern daher die Bundesregierung auf, eine schnelle Lösung der Altschuldenproblematik herbeizuführen. Von dieser Bundesregierung erwarte ich sie allerdings nicht mehr. Die Fraktion der CDU/CSU hat statt dessen viele Initiativen darauf verschwendet, für den niedersächsischen Landtagswahlkampf ein Kampfpapier unter Federführung von Verfassungsrechtler Scholz aufzulegen, das rechtlich zweifelhafte Vorschläge enthielt, die inzwischen jedoch genauso wie die zum Landwirtschaftsanpassungsgesetz wieder eingestampft worden sind. Aber das ist sicherlich richtig so.
Diese innerdeutschen Auseinandersetzungen werden insgesamt überschattet von der Diskussion um die zukünftige Ausgestaltung der EU-Agrarpolitik, wie sie von der EU-Kommission vor einem Jahr mit der Agenda 2000 vorgezeichnet worden ist. Wir sehen in dem Vorschlag zur Flächendegression, so wie er derzeit in der Diskussion ist, eine Gefährdung für die ostdeutschen Betriebe. Wir lehnen diese Degression ab. Ich denke, wir könnten nach der Agrarministerkonferenz unter den Landwirtschaftspolitikern der Fraktionen in diesem Hause eine gemeinsame Position finden, wenn das ernsthafte Bemühen um die ostdeutsche Landwirtschaft erkennbar ist.
Ich möchte zum Schluß den Antrag „Marktposition des ökologischen Landbaus stärken" ansprechen, den meine Fraktion in dieses Haus eingebracht hat. Der ökologische Landbau hat in den vergangenen zehn Jahren stark zugenommen; ich will die Zahlen im einzelnen nicht aufführen. Ich denke, auch seine Bewertung im Parlament und im Bauernverband hat inzwischen eine Wandlung erfahren. Generalsekretär Born hat dem ökologischen Landbau im vergangenen Jahr sogar eine Vorbildfunktion für die gesamte Landwirtschaft zugebilligt.
Insofern wird die Diskussion doch wesentlich anders geführt, als das noch vor wenigen Jahren der Fall war.
Doch die Bundesregierung hat daraus bisher keine Konsequenzen gezogen. Ich hoffe, daß das, was Staatssekretär Hinsken auf der Grünen Woche, wo die Thematisierung des ökologischen Landbaus in der Biomarkthalle einiges für seine Entwicklung erreicht hat, zum Ökolandbau gesagt hat, Eingang in das Handeln der Bundesregierung finden wird. Wir haben in unserem Antrag Vorschläge zur Stärkung der Marktposition vorgelegt. Dabei geht es nicht darum, eine unsinnige Dauersubvention für den Ökolandbau aufzubauen, sondern darum, den Flaschenhals „Vermarktung der Produkte des ökologischen Landbaus" im Interesse von Landwirtschaft und Verbrauchern passierbarer zu machen.
Danke.
Ich gebe das Wort dem Abgeordneten Ulrich Heinrich.
Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Die Landwirtschaft in Europa befindet sich im Umbruch. Wir in der Bundesrepublik Deutschland sind mitverantwortlich für den Rahmen, der vorgegeben wird. Da ist es um so wichtiger, daß aus unserer Verantwortung heraus nicht zusätzliche Irritationen kommen. Völlig unverständlich ist für mich deshalb die Haltung von Rotgrün in der Frage des Naturschutzes.
Ulrich Heinrich
Lieber Herr Sielaff, Sie haben in Ihrer Rede zum wiederholten Male die Bereitschaft Ihrer Bundestagsfraktion zu dem notwendigen Ausgleich für Veränderungen in der Landwirtschaft bekundet. Das attestiere ich Ihnen sehr wohl. Aber ich darf Sie doch bitten, zur Kenntnis zu nehmen, daß nicht wir alleine zuständig sind, sondern auch der Bundesrat seinen Teil beitragen muß, um dem Bundesnaturschutzgesetz zum Durchbruch zu verhelfen. Der Bundesrat ist, wie Sie wissen, von einer SPD-Mehrheit bestimmt. Insofern liegt es ausschließlich an der Bereitschaft der SPD-geführten Länder, die notwendige Ausgleichsregelung, wie sie auch von Ihnen gefordert wird, durchzusetzen.
Dem Ganzen wird noch eines draufgesetzt, wenn eine SPD-Umweltministerin wie Frau Griefahn in bezug auf diese Ausgleichsregelung sagt, dann könne man gleich ein Ladendiebstahlentschädigungsgesetz verabschieden: Lieber gebe ich dem Ladendieb Geld, als daß er klaut. - Wie verträgt sich diese Aussage mit dem, was Sie, lieber Herr Kollege Sielaff, hier sagen?
Hier muß man die Kirche schon im Dorf lassen und die Verantwortlichkeit klar benennen.
So kann man nicht Politik machen. Sie betrügen die Leute im wahrsten Sinne des Wortes.
Wenn wir von Rahmenbedingungen sprechen, haben wir uns intensiv mit der Agenda 2000 auseinanderzusetzen. Ich stelle fest, daß ihre Auswirkungen auf die Landwirtschaft und den ländlichen Raum immer mehr wahrgenommen werden und deshalb auch die Kritik lauter wird. Zudem stellen wir fest, daß nicht nur in Deutschland laute Kritik daran geübt wird, sondern in fast allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union; denn das, was die Kommission vorgelegt hat, wird ihren eigenen Zielen nicht gerecht, verfehlt ihre eigenen Ziele total.
Hier kann man sehr viele Punkte aufzählen. Einer der wichtigsten ist für mich die Frage der Finanzierung. Es wird immer wieder behauptet, wir könnten die Osterweiterung der Europäischen Union nur mit dieser Reform durchführen, weil damit Geld gespart werde. Genau das Gegenteil ist der Fall. Nach Angaben der Kommission geben wir in dem Bereich allein innerhalb der Europäischen Union mehr als 6 Milliarden DM aus. Wir sind also weit von einem Einsparpotential entfernt, das uns die Erweiterung nach Osten ermöglichen könnte.
Genausowenig stimmt das, was hier zu den erforderlichen Reformen auf dem Rindfleisch- und dem Milchmarkt gesagt worden ist. Der Rindfleischsektor, der noch immer unter der Rinderseuche BSE leidet, muß grundlegend reformiert werden. In erster Linie muß das Vertrauen der Verbraucher zurückgewonnen werden. Erst gestern wurde gesagt, daß der Rindfleischverbrauch jährlich noch um 2 bis 3 Prozent zurückgehe. Das ist eine ganz beachtliche Marge.
Wir müssen dafür sorgen, daß der Rindfleischverbrauch wieder zunimmt.
Um die Schwierigkeiten auf dem Rindfleischmarkt wirklich bewältigen zu können, ist neben der Reform der Marktordnung auch eine gewisse Beweglichkeit unserer Rindermäster erforderlich. Ich sage hier ganz klar und deutlich: Wir werden die Strukturen, die wir heute im Bullenmastbereich, im Rindermastbereich haben, nicht auf Dauer erhalten können. Deshalb müssen wir uns Gedanken darüber machen, den Betrieben mit einer Ausstiegshilfe eine soziale Abfederung zu bieten, um die notwendige Strukturreform durchführen zu können. Wir können es drehen und wenden, wie wir wollen: Wir müssen von diesem Platz aus bereit sein, die Dinge offen und klar anzusprechen, auch wenn sie unangenehm sind.
Meine Damen und Herren, wir haben in der Gen-
und Biotechnikgesetzgebung in dieser Legislaturperiode ein großes Pensum an Verbesserungen geschafft. Mit der Novellierung des Tierschutzgesetzes und des Pflanzenschutzgesetzes und mit dem Rindfleischetikettierungsgesetz haben wir dafür gesorgt, daß unser ohnehin schon sehr hoher Umwelt- und Verbraucherschutzstandard noch erhöht worden ist.
Hier sind positive Entwicklungen vorangebracht worden. Es ist aber notwendig weiterzumachen.
Zum Schluß möchte ich noch den Tierschutz ansprechen. Herr Präsident, es sei noch ein Wort erlaubt.
- Ich bin überzeugt, daß es ein gutes ist, Herr Kollege Bachmaier. Ich glaube, wir sind hier einer Meinung. Ich trete für meine Fraktion energisch für eine Verankerung des Tierschutzes im Grundgesetz ein. Ich bin mir ganz sicher, daß wir das schaffen werden - wenn nicht mehr vor der Wahl, dann danach,
und zwar mit der jetzigen Regierung; da bin ich mir völlig sicher. Ich möchte hier noch einmal deutlich unterstreichen, daß sowohl Forscher als auch Tierhalter mit einer Verankerung des Tierschutzes im Grundgesetz leben können; denn wir werden die sie begleitenden Gesetze in einer sinnvollen Art und Weise ausgestalten.
Herzlichen Dank.
Ich gebe das
Wort dem Abgeordneten Peter Carstensen.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Eines der Rituale bei der Beratung des Agrarberichts im Deutschen Bundestag ist offensichtlich die Kritik der SPD an unserem Agrarminister Jo-
Peter Harry Carstensen
chen Borchert. Ich bin immer wieder erstaunt, mit welcher Selbstgerechtigkeit diese Kritik von einer Partei erbracht wird, die selbst noch nie einen Agrarminister in einem Bundeskabinett gestellt hat
und das auch nie tun wird, lieber Herr Kollege. Denn „Gildo" Schröder hat bei der Vorstellung seiner Kernmannschaft nicht einmal Andeutungen über die Besetzung eines eigenständigen Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten gemacht. Ich verwette mein volles Haupthaar,
daß wir im Herbst dieses Jahres keinen SPD-Landwirtschaftsminister haben werden.
Wie sieht es in den Bundesländern aus? In Hessen hat der Innenminister den Part des Landwirtschaftsministers mit übernommen; im Saarland findet Agrarpolitik überhaupt nicht statt; in Schleswig-Holstein wird ein Bürgermeister, Klaus Buss - den ich sehr gut kenne und sehr schätze für seine offene und fröhliche Art -, Nachfolger von Hans Wiesen. Klaus Buss hat gesagt, daß er etwas von Landwirtschaft verstehe; er habe nämlich einmal neben einem Bauernhof gewohnt. Hans Wiesen hat man seinerzeit die gestalterische Grundlage für die Agrarpolitik genommen und an den Grünen-Umweltminister abgegeben. In Brandenburg reiht sich der ehemalige Minister Zimmermann in die Riege der Kabinettsaffären ein. Der einzige aus der SPD, der noch einigermaßen versucht, Agrarpolitik zu machen, nämlich Karl-Heinz Funke in Niedersachsen, darf im Namen der SPD zu dem Thema im Osten gar nichts und im Westen lieber nichts sagen. Ausgerechnet dem hat sein Landesvater den Etat in den letzten acht Jahren um 50 Prozent zusammengestrichen. Seine Kollegin Griefahn darf die Bauern ungestraft mit Ladendieben vergleichen. Ich finde, das ist schon ein unerhörter Zustand.
Meine Damen und Herren von der SPD, Sie sollten sich mit Ihrer Kritik an Minister Borchert etwas mehr zurückhalten. Wer nichts in die Suppe reinzukrümeln hat, sollte wenigstens nicht reinspucken.
Wie Sie beabsichtigen, Agrarpolitik zu gestalten, habe ich heute durch einen Zeitungsartikel, der mir auf den Tisch gelegt wurde, erfahren. Ich bin kein regelmäßiger Leser der „Financial Times", weil sie leider nicht auf Plattdeutsch oder Hochdeutsch erscheint. In der Ausgabe vom 2. Juni können Sie folgendes lesen:
- Ich werde das im Original vortragen, denn ich kann ja Englisch lesen, Kollege Sielaff.
Ms Wieczorek-Zeul said that a future SPD government would support radical reforms of the EU Common Agricultural Policy as part of the process of controlling the budget costs of Brussels.
Das ist es, was Sie wollen. Sie wollen die Kosten senken; Sie wollen die Agrarhaushalte herunterfahren. Trotzdem reden Sie von Mehrausgaben für die Landwirtschaft. Das ist nicht redlich.
Die Zeiten für unsere Landwirte werden wahrlich nicht einfacher werden. Mehrere Schwerter des alten Herrn Damokles schweben über unseren Bauern, Schwerter, von denen wir nicht wissen, wie und was sie schneiden werden. Wenn aber die Zeiten schwerer werden, so wird es um so notwendiger sein, der Landwirtschaft zu helfen, um sie für die Herausforderungen fit zu machen, die auf sie zukommen: erstens Entlastung von Auflagen und Wirtschaftserschwernissen; zweitens Förderung und Unterstützung wirtschaftender Betriebe; drittens Stärkung der Verarbeitung und Vermarktung bei uns in Deutschland.
Keine Landwirtschaft in Europa - und wohl auch nicht in der Welt - hat mit einer solchen Flut von Reglementierungen zu tun wie die deutsche. Unterschiedliche Auflagen und Bestimmungen in den verschiedenen Bundesländern führen zu einer Wettbewerbsverzerrung auch innerhalb Deutschlands - und das, obwohl die Wettbewerbsverzerrungen in der EU und weltweit kaum noch zu tragen sind. Dies ist für die Landwirte ein unerträglicher Zustand, der abgebaut gehört. Es ist schon bezeichnend, wenn in der Agrarministerkonferenz von der Bundesregierung ein Bericht zu dem Thema Wettbewerbsverzerrungen bestellt wird, der aber dann, wenn er vorliegt und einigen nicht paßt, - so wird es gefordert -, unter Verschluß gehalten wird. Der Bericht muß auf den Tisch und muß Grundlage für den Abbau von Wettbewerbsverzerrungen und -beschränkungen werden.
Das Menschenrecht auf Nahrung gebietet, daß der Produktion von Nahrungsmitteln ein ebenso hoher moralischer und politischer Stellenwert eingeräumt wird wie dem Naturschutz.
Wie nötig die Finanzierung eines Ausgleichs für Auflagen ist - diese Finanzierung ist auch von seiten der Bundesländer nötig, die die Auflagen ja verfügen -, zeigen auch die schon jetzt gezahlten Förderbeträge in den einzelnen Bundesländern. Ich will einmal zitieren, was dort gezahlt wird: Aus Agrarumweltprogrammen werden in Schleswig-Holstein 29 DM pro Hektar gezahlt, in Niedersachsen 42 DM pro Hektar
und in Nordrhein-Westfalen 21 DM pro Hektar. Das
alles sind Länder, die immer laut über ihre Umweltleistungen räsonieren. In Bayern werden 329 DM pro
Peter Harry Carstensen
Hektar gezahlt, in Sachsen 407 DM pro Hektar und in Baden-Württemberg - das ist die Spitze - 428 DM pro Hektar.
Meine Damen und Herren, hier sollten Sie Ihren historischen agrarpolitischen Fehler wiedergutmachen und im Bundesrat für unser Naturschutzgesetz und die Ausgleichsregelung stimmen.
Das zweite sind die öffentlichen Mittel, die wir brauchen, um die Betriebe fitzumachen. Sie kommen im wesentlichen aus der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes".
Leider trifft es zu, Herr Kollege Sielaff, daß die Mittel wegen der angespannten Haushaltslage abgebaut sind. Ich halte diese Entwicklung für außerordentlich bedenklich, weil es notwendig sein wird, den wirtschaftenden Betrieben so viel Hilfe wie möglich für ihre Entwicklung zu geben.
Wenn ich mir dann Ihre Rede anhöre und mir anschließend die Zahlen ansehe, die in den Haushalten der Länder stehen, dann kommt mir schon das Grausen. Da sind 1995 rund 147 Millionen DM nicht ausgegeben worden - und das, obwohl Bayern seinerzeit Mehrausgaben von 20 Millionen DM hatte. Knapp 90 Millionen DM gingen an den Finanzminister zurück. 1996 wurden 165 Millionen DM nicht ausgegeben, und der Bundesfinanzminister freute sich über 100 Millionen DM. So hat im Jahr 1996 das Land Nordrhein-Westfalen 13,5 Millionen DM für die Landwirte nicht ausgegeben und somit auf 8 Millionen DM Bundesmittel verzichtet. Schleswig-Holstein sparte 11 Millionen DM zu Lasten der Landwirte ein. 1997 hat allein Schleswig-Holstein nach Umschichtung, wo schon 11 Millionen DM Bundesmittel zurückgegeben wurden, zusätzlich noch auf 5,6 Millionen DM verzichtet. Das sind, zusammen mit den Eigenmitteln, 25 Millionen DM, die der Landwirtschaft nicht zuflossen. Und wenn Sie eine Investitionsrate von 25 Prozent annehmen, sind das 100 Millionen DM an Investitionen, die nicht zugunsten der Landwirtschaft stattfinden.
Dann aber, lieber Herr Sielaff, dürfen Sie dem Bundesminister hier nicht einen Vorwurf machen. Klopfen Sie Ihren Ministern in den Ländern mal ordentlich auf die Hörner, daß sie zumindest das Geld ausgeben, das Bonn hier zur Verfügung stellt.
Meine Damen und Herren, wer im Markt bestehen soll, braucht starke Marktpartner, Partner in Verarbeitung und Vermarktung. Gerade in Schleswig-Holstein sehen wir, wie es bei unserem Nachbarn Dänemark läuft.
Somit muß es ein Anliegen sein, vor der Entwicklung offenerer Märkte die Strukturdefizite, die bei uns in der Verarbeitung und Vermarktung bestehen, zu beseitigen.
Die größte Molkerei in Dänemark, MD-Foods, steht in Europa an vierter Stelle, die größte Meierei in Deutschland, die MZO, steht, glaube ich, an 22. oder 23. Stelle. Unsere Molkereikapazitäten sind nicht ausgelastet. Im Schlachthofsektor sieht es noch schlechter aus. Und ich halte es schon für kontraproduktiv, wenn hier mit staatlicher Hilfe die Überkapazitäten noch zusätzlich ausgeweitet werden.
Nein, das Gebot der Stunde heißt auch hier Kosteneinsparung durch Strukturbereinigung, Fusionen und Kapazitätsabbau.
Gleichzeitig ist es nötig, den Verarbeitern eine stärkere Wettbewerbsposition im Markt gegenüber den Handelsriesen im Lebensmittelmarkt zu ermöglichen.
Achten Sie bitte auf die Zeit!
Ja, ich bin gleich fertig, Herr Präsident.
Dieser Prozeß ist zwar in erster Linie Aufgabe der Wirtschaftsunternehmen, sollte aber von der Politik durch die entsprechende Ausgestaltung rechtlicher Rahmenbedingungen begleitet werden.
Meine Damen und Herren, wir machen Landwirtschaft in einem vom Herrgott durch Klima und Boden gesegneten Land. Wir werden Herausforderungen an die Landwirtschaft bekommen. Einer ackert bei uns, und 110 werden satt. Ich finde, das ist eine gewaltige Leistung, wofür unseren Landwirten zu danken ist.
Herzlichen Dank.
Das Wort hat die Kollegin Anke Fuchs, SPD.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte mich zunächst den Dankesworten für die ausscheidenden Kollegen Sielaff, Bredehorn, Susset und Maleuda anschließen.
Sie werden sich fragen, wieso ich heute hier rede. Ich bin als stellvertretende Fraktionsvorsitzende
Anke Fuchs
auch zuständig für den Bereich Landwirtschaft und Forsten,
Wirtschaft, Umwelt und Verkehr, und mein Kollege Sielaff hat mich gebeten, hier heute zu sprechen, was ich gern tue, weil ich ihm und den anderen Kollegen, die ausscheiden, sowie dem scheidenden Minister Borchert meinen Respekt und meine Anerkennung ausdrücken möchte.
Ich bin Horst Sielaff deswegen dankbar, weil diese Arbeitsgruppe mir als stellvertretender Fraktionsvorsitzenden die Arbeit wirklich sehr leicht gemacht hat. Denn er hat konstruktiv gearbeitet, hat Vorschläge gemacht. Deshalb darf ich, glaube ich, hier am Ende dieser Debatte Ihnen ein paar Tips geben, weil ich mir unter dem Aspekt der politischen Koordinierung die Frage stelle: Was muß eigentlich gemeinsam getan werden, damit die Landwirtschaftspolitik aus dem Verdacht herauskommt, es ginge nur um Subventionen? Wir müssen doch die Frage beantworten: Wie soll Agrarpolitik der Zukunft aussehen?
Die derzeitige Agrarpolitik ist in den 50er Jahren konzipiert worden, als es noch eine Unterproduktion gab. Jetzt gibt es eine Überproduktion. Seitdem ist hin und her gebastelt worden, mal mit einer Schlachtprämie, dann mal mit einer Flächenprämie, sogar mit der „Herodes-Prämie". Die Antworten waren immer sehr blumig, aber es hat im Kern keine transparente zukunftsorientierte Agrarpolitik gegeben. Ich würde Sie gern bitten, mit mir darüber nachzudenken, was wir gemeinsam wollen.
Diejenigen, die mich aus meiner koordinierenden Arbeit im Vermittlungsausschuß auf dem Gebiet des Naturschutzes und des Bodenschutzes kennen, wissen, daß die Landwirte keinesfalls ein Feindbild für mich sind. Vielmehr möchte ich die Frage beantworten: Was können wir tun, damit wir als Bundesrepublik Deutschland auf transparente Weise gemeinsam etwas in die Zukunft hinein für unseren ländlichen Raum erreichen können? Denn ich glaube, es geht nur gemeinsam und nicht gegeneinander.
Wir wollen eine flächendeckende Landbewirtschaftung, und wir wollen natürlich die Einkommen der Menschen, die dort tätig sind, sichern. Das heißt, sie wollen auch Geld. Hochinteressant ist es nun, wenn man sich anschaut, was F.D.P. und CDU/CSU dazu sagen. Es stellt sich ja die Frage: Welche Prinzipien gelten eigentlich? Manche sagen: Es ist der Liberalismus; darum wollen wir kein Geld ausgeben. Ich sage: Es wird darauf ankommen, daß man fragt: Nach welchen Prinzipien soll diese Politik gemacht werden? Ich finde, daß es da bei der F.D.P. ganz interessante Widersprüche gibt. Auf der einen Seite heißt es: Liberalisierung ja; auf der anderen Seite heißt es: Einkommenssicherung ja. Ebenfalls wird gesagt: Öffentliche Investitionen ja, aber Subventionsabbau soll es auch geben.
Ich denke, man muß sagen: Bundestag und Bundesrat müssen gemeinsam eine Strategie entwickeln, mit der man sich auf die europäische Entwicklung einstellen kann. Ich bedauere, daß zwischen Bundestag und Bundesrat nicht jene Übereinstimmung hergestellt werden konnte, die wir alle wollten. Beim Bundesnaturschutzgesetz lag das ja nicht daran, daß wir die Ausgleichsabgabe nicht wollen, sondern es lag daran, daß die Länder nicht mehr bereit sind - das verstehe ich -, Bundesgesetze mitzutragen, für die sie dann finanziell einstehen müssen. Das kann nicht Sinn der Geschichte sein, und deswegen waren sie an diesem Punkt zu Recht anderer Meinung als Sie.
Wir stehen zu der Idee dieser Ausgleichsabgabe. Deswegen muß es uns gemeinsam gelingen - das sage ich auch an die Adresse der Minister -, im Hinblick auf die weitere Entwicklung in der Europäischen Union eine gemeinsame deutsche Linie zu finden. Denn sonst kommen wir dort unter die Räder, und das kann auch der Landwirtschaft nicht nützen.
Frau Kollegin Fuchs, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Ronsöhr?
Aber mit Vergnügen. Vizepräsident Hans-Ulrich Klose: Bitte.
Frau Kollegin Fuchs, können Sie mir bestätigen, daß die SPDMehrheit im Bundesrat beschlossen hat, daß jede Ausgleichsmaßnahme beim Naturschutz eine Verschlechterung des Naturschutzes selbst darstelle?
Nein. Wie kommen Sie denn darauf? Ich erinnere mich an die Diskussion im Vermittlungsausschuß. Wir waren uns einig. Wir hatten sogar die Ausgleichsmechanismen miteinander besprochen. Dann haben Sie draufgesattelt, und daran ist die ganze Geschichte gescheitert. Das bedauere ich sehr. Herr Kollege, ich sage noch einmal im Namen der Sozialdemokratischen Partei: Die Fragen waren: Wie können Ausgleichsregelungen aussehen? Wer finanziert sie? Angesichts der Finanzschwierigkeiten der Länder konnten Sie von ihnen nicht erwarten, daß sie wieder einmal ein Bundesgesetz mittragen, das sie selber finanziell ausstatten müssen. Dazu sind sie nicht in der Lage.
Frau Kollegin Fuchs, gestatten Sie dem Kollegen eine weitere Zwischenfrage?
Aber sicher doch.
Frau Kollegin Fuchs, sind Sie bereit, nach dieser Debatte ein entsprechendes Protokoll des Bundesrates entgegenzunehmen, das das als Inhalt hat, was ich eben angesprochen habe?
Ich glaube nicht, daß Sie den Inhalt richtig wiedergeben.
Aber ich bin natürlich gern bereit, mir ein Protokoll anzuschauen, und werde es auch sorgfältig durchlesen.
Mein Punkt war - darauf will ich noch einmal hinweisen -: Die Agrarpolitik wollen wir in die Zukunft hinüberretten - und zwar mit einem neuen Konzept. Das ist wichtig. Deswegen ist es verkehrt, wenn Sie sagen: Mit der Agenda 2000 wird eine völlig falsche Richtung eingeschlagen. Vielmehr sollten wir für entsprechende Vorschläge offen sein, und wir sollten miteinander darüber sprechen, was wir da eigentlich einbringen wollen. Ich habe schon die flächendekkende Landbewirtschaftung und die Einkommenssicherung genannt. Als weiteren Punkt möchte ich nennen: Natürlich sagen wir zur Osterweiterung ja. Aber wir sind uns doch wohl klar darüber, daß das mit dem jetzigen Instrumentarium gar nicht funktionieren kann. Deswegen sind wir alle gehalten, zu überlegen, was wir machen können, da wir ja nicht pauschal nein sagen wollen. Vielmehr geht es darum, daß wir darüber sprechen sollten, welche vernünftigen Instrumente es da geben kann.
Die Kernaussage muß lauten: Soviel Staat wie nötig, soviel Markt wie möglich. Das gilt auch für den jetzt zur Debatte stehenden Politikbereich. Da wird man allein mit liberalen Grundsätzen nicht über die Runden kommen. Deswegen besteht, glaube ich, Übereinstimmung, daß wir öffentliche und einkommenssichernde Mittel brauchen sowie Instrumente, die die ökologische Landwirtschaft vorantreiben. Wenn das drei Punkte wären, wären wir ein Stückchen weiter.
Dann habe ich mich über die Frage des Außenschutzes sehr gewundert. Ich bitte doch die F.D.P.-Kolleginnen und -Kollegen, wirklich auf den Wirtschaftsminister einzugehen. Ich bin eine Anhängerin des Weges nach Europa, aber auch der neuen Spielregeln des freien Welthandels hin zu einem fairen Welthandel. Da ist die WTO für mich das wichtigste Instrument. Das gilt natürlich ganz besonders für die Landwirtschaft.
Aber Sie müssen sich auch entscheiden. Wollen Sie, daß die WTO, was Landwirtschaft anbelangt, Kriterien aufstellt, die Außen- und sozialen Schutz und Ausschluß von Kinderarbeit bedeuten? Ich bin dafür, aber Sie müssen auch Ihre Vertreter mit einer solchen Maßgabe in die WTO-Gremien schicken. Ich glaube, das muß man so sagen dürfen,
und dann darf Herr Rexrodt nicht immer behaupten: Alles, was bei der WTO geschieht, ist Protektionismus. Ich bin mit Ihnen hier für eine gemischte Strategie, die die internationalen Organisationen nutzt, um Kriterien aufzustellen, eine Strategie, die eine Überlebenschance für diesen Bereich und überhaupt eine Zukunftsorientierung gibt.
Ich sage Ihnen auch, warum. Sie wissen ja, daß ich von Haus aus Sozialpolitikerin bin und um manche Rechte gekämpft habe. Wenn ich Ihre Interessenvertretung wäre - was ich zusammen mit Horst Sielaff für unsere Fraktion bin - , dann ginge es mir darum, daß wir das, was wir wollen, so transparent machen, daß eine Akzeptanz in der Bevölkerung da ist;
denn die schwankt hin und her.
Ich bin mit meiner Kollegin Heidemarie Wieczorek-Zeul nicht einer Meinung. Das sage ich ganz offen. Vielmehr müssen wir wissen, daß dieser Bereich auch in Zukunft Geld braucht.
Dieser Bereich muß aber dann transparent in eine richtige Richtung orientiert werden. Daran sollten Sie mit gemischten Instrumenten herangehen. Ich glaube, das tut uns allen hier gut. In diesem Sinne will ich gerne weiter mithelfen. Der Nachfolger von Horst Sielaff wird mir dabei auch helfen.
Nehmen Sie bitte insofern mit, daß wir von JaNein-Diskussionen, von der Beschimpfung der Landwirtschaft und der Steuermittel, die dort hineinfließen, wegkommen müssen. Aber wir müssen für die Zukunft bereit sein, durch Umschichtung, aber vor allen Dingen durch andere Ideen die Balance zwischen Markt und vernünftiger Regulierung im Auge zu behalten.
Vielen Dank.
Das Wort hat der Kollege Albert Deß, CDU/CSU.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin Fuchs, ich gebe Ihnen ja recht, daß wir von der Beschimpfung der Landwirtschaft wegkommen sollten.
Leider sind es Mitglieder Ihrer Fraktion, die immer wieder unseren Berufsstand beschimpfen.
Albert Deß
Ich habe hier ein Protokoll vom 4. Februar 1993. Dort sagt die Kollegin Mehl - ich zitiere, Herr Präsident -:
Aber Naturschutz scheint ja ein Luxusthema zu sein; deshalb braucht sich ja auch kein Politikbereich in Bonn ernsthaft damit zu befassen, außer man kann Geld herauspressen, wie es die Landwirtschaft versucht.
Mich als praktizierenden Landwirt, der ich mich tagtäglich der Umwelt verpflichtet fühle, schmerzen solche Äußerungen.
Was die WTO-Verhandlungen anbelangt, Frau Kollegin Fuchs, darf ich aus einer Drucksache des Deutschen Bundestages vor den letzten WTO-Verhandlungen vom 12. Dezember 1991 zitieren. Hier hat die SPD gefordert:
Von der allgemeinen Zielsetzung, einen freien Welthandel mit offenen Grenzen zu schaffen, darf der EG-Agrarbereich nicht ausgenommen werden.
Das genau ist eine SPD-Forderung, der ich widersprechen muß.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, im Zeitraum des Agrarberichtes, dem Wirtschaftsjahr 1996/ 97, gab es starke Gewinne für die Veredelungsbetriebe. Wie schnell sich die Situation ändert, sieht man daran, daß es dort inzwischen wieder starke Einkommenseinbußen gibt.
Gegenläufig ist es bei den Futterbaubetrieben. Während hier im Berichtsjahr 1996/97 Einkommensverluste zu beklagen waren, ist im laufenden Wirtschaftsjahr mit einer positiveren Entwicklung zu rechnen. Die Schlachtvieh- und Kälberpreise haben sich etwas erholt. Auch die Milchpreise sind bei vielen Molkereien etwas angestiegen.
Bei meiner Molkereigenossenschaft ist der Milchpreis in den ersten vier Monaten des heurigen Jahres um über 4 Pfennig höher als im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Bei durchschnittlichem Fett- und Eiweißgehalt der Anlieferungsmilch erhalten unsere Bauern einschließlich Mehrwertsteuer und erwirtschafteter Nachzahlung zur Zeit 71 Pfennig Milchpreis.
Diese Zahlen zeigen, daß durchaus eine positive Preisentwicklung möglich ist. Um so unverständlicher sind die Vorschläge der EU-Kommission, die durchaus auf Preissenkung der Agrarprodukte hinauslaufen. Die EU-Kommission in Brüssel unterliegt einer für uns Bauern unverständlichen Fehleinschätzung, wenn sie der Meinung ist, daß diese Preissenkungen im Hinblick auf die geplante Osterweiterung und die nächste WTO-Runde notwendig sind. Die aktuelle Entwicklung am Getreidemarkt zeigt, daß die Kommission mit ihrer Preisdruckpolitik für die Bauern einen falschen Weg beschreitet. Wäre sie bei einem Flächenstillegungssatz von 15 Prozent oder darüber geblieben, wären am Markt wesentlich bessere Getreidepreise zu erreichen.
Wenn Dr. Fischler bei seinen Vorschlägen zur Agenda 2000 von einer Fortsetzung der Agrarreform von 1992 spricht, so entspricht das nicht der Wahrheit. Das wirkungsvollste Instrument der Agrarreform 1992 mit dem Ziel, Agrarüberschüsse in Europa abzubauen, war die Flächenstillegung. Gerade auf dieses Instrument verzichtet Dr. Fischler. Ich bin der Meinung, dieser Brüsseler Zauberlehrling ist kein Vertreter der europäischen Bauern, sondern ein Lobbyistenvertreter der Getreidegroßhändler, des Groß-
und Außenhandels und bestimmter Frachtunternehmer, die ein Interesse daran haben, daß möglichst viele landwirtschaftliche Massengüter hin und her transportiert werden.
Diese Politik von Dr. Fischler liegt nicht im Interesse unserer Bauern und Bäuerinnen und unserer Umwelt.
Er ist - wir haben ihn gestern erlebt - mit seiner Arroganz und seiner Überheblichkeit ein Negativbeispiel, das Politikverdrossenheit fördert.
Wer die europäische Landwirtschaft auf dem Altar des Weltmarktes opfert, beleidigt Millionen Bäuerinnen und Bauern, die sich tagtäglich große Mühe geben, unsere Verbraucher mit hochwertigen Nahrungsmitteln sicher zu versorgen.
In keiner Region der Welt sind hochwertige Nahrungsmittel im Verhältnis zur Kaufkraft so billig wie bei uns in Deutschland. Der bäuerliche Berufsstand hat durch seine Produktivitäts- und Leistungssteigerung einen enormen Beitrag zur Wohlstandssteigerung in unserem Land geleistet. Auch das muß einmal gesagt werden.
Umgekehrt ist es für unsere Bauern: Sie mußten 1969 30 kg Weizen verkaufen, um eine Handwerkerstunde bezahlen zu können. Heute müssen sie die zehnfache Menge, nämlich mindestens 300 kg Weizen, verkaufen, damit sie diese Handwerkerstunde bezahlen können. Wer da wie die Kommission sagt, daß die Agrarpreise weiter abgesenkt werden müssen, beschreitet einen falschen Weg.
Daß die SPD diesen Weg unterstützt, zeigt, wie wenig sie von agrarpolitischen Zusammenhängen versteht und wie widersprüchlich ihre Aussagen sind.
Da wird, Herr Sielaff, in einem SPD-Entschließungsantrag vom 24. September 1997 gefordert: „Die Vor-
Albert Deß
stellungen der EU-Kommission zur weiteren Reform der EU-Agrarpolitik gehen in die richtige Richtung, reichen jedoch nicht aus."
Dabei wissen wir alle, daß die Agenda-2000-Vorschläge mehr kosten.
Die stellvertretende SPD-Parteivorsitzende Wieczorek-Zeul forderte am 11. Juni 1997 im Deutschen Bundestag: „Es geht um Umschichtungen im EUHaushalt: weg von Agrarpreissubventionen, die Theo Waigel die ganze Zeit praktiziert und mitbeschließt, hin zu sinnvoller Strukturpolitik ... " In diesem Punkt sind wir anderer Meinung. Ich bedanke mich bei Herrn Minister Borchert und bei seinem Parlamentarischen Staatssekretär Hinsken, daß sie diese Vorschläge ablehnen.
Eine vernünftige Perspektive muß auch in der Agrarproduktion auf Mengenbegrenzungssysteme setzen. Die Wirtschaft praktiziert Mengenbegrenzung: Unsere Autofirmen zum Beispiel produzieren doch auch nicht unbegrenzt. Ein großer Anteil der Produktion - bei manchen Firmen über 90 Prozent - sind bereits verkauft, bevor die Produktion überhaupt beginnt. Brüssel muß umdenken. Solange am Weltmarkt keine Agrarpreise erzielt werden, die für eine umweltfreundliche, zu hohe Standards produzierende europäische Landwirtschaft notwendig sind, muß die Antwort lauten: Menge begrenzen statt hochwertige Agrarprodukte zu Ramschpreisen verschleudern.
Damit diese Politik in Brüssel mehrheitsfähig wird, muß das EU-Agrarfinanzierungssystem geändert werden. Statt 100 Prozent Finanzierung aus Brüssel ist ein Kofinanzierungssystem auch bei den Ausgleichszahlungen erforderlich. Damit steigt auch für die Nettoempfängerländer die Verantwortung für eine Agrarpolitik in Brüssel, die die Steuerzahler weniger kostet und den Bauern mehr bringt. Die CSU-Landesgruppe und die bayerische Staatsregierung werden einen Weg in diese Richtung einfordern. Auch in der CDU wird über einen solchen Weg diskutiert. Nicht die Freiheit des Weltagrarhandels ist das höchste Gut, sondern die Würde unserer Bäuerinnen und Bauern. Von Brüssel wird diese Würde durch die Agenda 2000 mit Füßen getreten.
Am Ende dieser Agrardebatte - gleich spricht noch der Herr Landwirtschaftsminister - darf ich mich bei Egon Susset, Günther Bredehorn, Horst Sielaff und auch Günther Maleuda für die faire Zusammenarbeit im Agrarausschuß bedanken. Gerade Egon Susset habe ich in der Fraktion sehr oft erlebt. Ich habe in den letzten acht Jahren viel von ihm gelernt.
Ich hoffe, daß wir deine Arbeit hier in Bonn fortsetzen können.
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
Das Wort hat
Herr Bundesminister Jochen Borchert.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will in der Kürze der Zeit gern noch auf einige Fragen antworten.
Herr Sielaff, Sie haben kritisiert, daß wir Einkommensrückgänge von 15 bis mehr als 20 Prozent prognostizieren, die Wissenschaft 3 Prozent. Sie wissen, wo die Unterschiede liegen. Die Wissenschaft geht davon aus, daß die Preissenkungen der Kommission nicht voll auf die Erzeugerpreise durchschlagen. Wenn aber der Kommissar in einem Interview der „Berliner Zeitung" erklärt: „Ziel der Agenda ist es, daß die Preissenkungen voll bis zu den Verbraucherpreisen weitergegeben werden", dann muß ich davon ausgehen, daß die Erzeugerpreise um mindestens den gleichen Prozentsatz sinken. Dann kommen Sie unstreitig zu den von uns prognostizierten Einkommensrückgängen.
Ihr zweiter Kritikpunkt lautet, daß wir in der Frage der Milchquote nichts unternommen hätten und das Problem aussitzen würden. Herr Sielaff, Sie wissen genausogut wie ich, daß man die rechtlichen Rahmenbedingungen der Milchquote erst immer am Ende des geltenden Rechtszeitraums regeln kann. Man kann nicht in der laufenden Periode in bestehende Verträge eingreifen.
Wir haben in Deutschland, in der Kommission und in Europa sehr frühzeitig eine Verlängerung der Quotenregelung über das Jahr 2000 hinaus gefordert. Wir haben unsere Vorschläge dafür präzisiert. Wir haben also alles andere getan, als das Problem auszusitzen.
Ich möchte gern noch zur Agenda 2000 kommen. Frau Kollegin Fuchs, ich greife gern Ihre Anregung auf. Natürlich sollten wir uns bemühen, erstens unser Vorgehen transparent zu machen und zweitens auch zu einem Konsens zu kommen. Ich begrüße es ja auch, daß wir uns in dem Ziel einig sind, eine flächendeckende Landbewirtschaftung aufrechtzuerhalten und auch einen Einkommensanspruch der Landwirte zu sichern. Unsere Schwierigkeit ist nur: Wenn wir versuchen, mit Ihnen einen Kompromiß zustande zu bringen, dann weiß ich nicht, was gilt; denn zur Agenda 2000 gibt es bei Ihnen sehr unterschiedliche Äußerungen.
- Bei uns nicht, bei uns ist die Position klar. Wir haben sie inzwischen auch mit den Landwirtschaftsmi-
Bundesminister Jochen Borchert
nistern der Länder geklärt. Bei Ihnen sind die Positionen noch sehr unterschiedlich.
- Sie sind weit davon entfernt. Frau Fuchs hat gesagt und Sie haben gesagt, die Agenda 2000 sei ein Schritt in die richtige Richtung. In Ihrem Parteiprogramm haben Sie beschlossen, daß dazu vor allem die Subventionen in der gemeinsamen Agrarpolitik der Europäischen Union drastisch gesenkt werden müssen.
- „Drastisch gesenkt werden" steht drin. - Die Agenda 2000 beinhaltet eine deutliche Aufstockung der Subventionen und keine Senkung. Auf der anderen Seite sagen Sie - ich verweise auf Äußerungen Ihres Europaabgeordneten Detlev Samland -, bei der Landwirtschaft müßten mindestens 15 Milliarden DM eingespart werden.
Frau Wieczorek-Zeul hat erklärt: Die jetzige Form der Agrarpolitik ist nicht im Interesse der Europäischen Union,
vor allen Dingen nicht im Interesse Deutschlands. Das deutsche Interesse liegt im Bereich des Handels und der Dienstleistungen. - Das heißt, daß hier die Landwirtschaft völlig abgeschrieben wird. Folglich kann es keinen Konsens geben; in dieser Frage müssen wir anderer Meinung sein. Ich denke, daß Sie erst einmal innerhalb der eigenen Partei klären müssen, was Sie wollen. Wahrscheinlich eifern Sie Ihrem Kanzlerkandidaten nach, bei dem man zu jedem Problem sowohl ja als auch nein hört.
Herr Sielaff, ich weiß nicht, wie Sie Ihre positive Darstellung der Landwirtschaft in den neuen Ländern mit dem vereinbaren wollen, was Ihr Kanzlerkandidat gesagt hat. Er hat ausweislich der Zeitschrift „Das Landvolk" in Niedersachsen im Februar erklärt:
Im Osten sind die früheren LPGs mit den Leuten besetzt, die das Wort Bauer kaum schreiben können.
Schlimmer kann man die Betriebe in den neuen Ländern nicht diffamieren.
Herzlichen Dank.
Ich schließe die Aussprache.
Interfraktionell wird Überweisung des Agrarberichts 1998 auf den Drucksachen 13/9823 und 13/ 9824 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen.
Die Entschließungsanträge der Fraktionen der CDU/CSU und der F.D.P. auf Drucksache 13/10987, der Fraktion der SPD auf Drucksache 13/11006 und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 13/11007 sollen an dieselben Ausschüsse überwiesen
werden. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall. Dann sind die Überweisungen so beschlossen.
Abstimmung über die Beschlußempfehlung des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu dem Agrarbericht 1996; das sind die Drucksachen 13/3680, 13/3681 und 13/9845 Buchstabe a. Der Ausschuß empfiehlt Kenntnisnahme. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist einstimmig angenommen.
Beschlußempfehlung des Landwirtschaftsausschusses zu dem Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und der F.D.P. zum Agrarbericht 1996 auf Drucksache 13/9845 Buchstabe b. Der Ausschuß empfiehlt, den Entschließungsantrag auf Drucksache 13/3978 anzunehmen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Opposition angenommen.
Beschlußempfehlung des Landwirtschaftsausschusses zu dem Entschließungsantrag der Fraktion der SPD zum Agrarbericht 1996 auf Drucksache 13/ 9845 Buchstabe c. Der Ausschuß empfiehlt, den Entschließungsantrag auf Drucksache 13/3977 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der SPD-Fraktion bei Stimmenthaltung von Bündnis 90/Die Grünen und PDS angenommen.
Beschlußempfehlung des Landwirtschaftsausschusses zu dem Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 13/9845 Buchstabe c. Der Ausschuß empfiehlt, den Entschließungsantrag auf Drucksache 13/3997 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen bei Stimmenthaltung von SPD und PDS angenommen.
Beschlußempfehlung des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu dem Agrarbericht 1997; es handelt sich um die Drucksachen 13/ 6868, 13/6869 und 13/9846 Nr. 1. Der Ausschuß empfiehlt Kenntnisnahme. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist einstimmig angenommen.
Beschlußempfehlung des Landwirtschaftsausschusses zu dem Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und der F.D.P. zum Agrarbericht 1997 auf Drucksache 13/9846 Nr. 2. Der Ausschuß empfiehlt, den Entschließungsantrag auf Drucksache 13/7795 anzunehmen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Opposition angenommen.
Beschlußempfehlung des Landwirtschaftsausschusses zu dem Entschließungsantrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 13/9846 Nr. 3. Der Ausschuß
Vizepräsident Hans-Ulrich Klose
empfiehlt, den Entschließungsantrag auf Drucksache 13/7796 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen von SPD und PDS bei Stimmenthaltung von Bündnis 90/Die Grünen angenommen.
Beschlußempfehlung des Landwirtschaftsausschusses zu dem Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 13/9846 Nr. 4. Der Ausschuß empfiehlt, den Entschließungsantrag auf Drucksache 13/7810 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen und PDS bei Stimmenthaltung der SPD angenommen.
Beschlußempfehlung des Landwirtschaftsausschusses zu dem Entschließungsantrag der Gruppe der PDS auf Drucksache 13/9846 Nr. 5. Der Ausschuß empfiehlt, den Entschließungsantrag auf Drucksache 13/7798 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der SPD-Fraktion gegen die Stimmen der PDS bei Stimmenthaltung von Bündnis 90/Die Grünen angenommen.
Mir ist ein Geschäftsordnungsantrag angekündigt worden. Er müßte jetzt gestellt werden. - Bitte schön, Frau Kollegin Fuchs.
Vielen Dank, Herr Präsident! Ich hätte mich in dem Moment gemeldet, in dem Sie den entsprechenden Tagesordnungspunkt aufgerufen hätten.
Ich helfe gern. Katrin Fuchs (SPD): Ich danke vielmals.
Für die SPD-Fraktion stelle ich zu dem Tagesordnungspunkt 7 d einen Geschäftsordnungsantrag, der folgenden Wortlaut hat:
Der Deutsche Bundestag wolle beschließen: Der Rechtsausschuß wird aufgefordert, den Gesetzentwurf des Bundesrates eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes sowie den von der SPD-Fraktion eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Verankerung des Tierschutzes im Grundgesetz) umgehend zu beraten und dem Deutschen Bundestag die Beschlußempfehlung so rechtzeitig vorzulegen, daß diese noch in dieser Legislaturperiode entschieden werden kann.
Vielen Dank.
Wird zu diesem Geschäftsordnungsantrag das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann kommen wir zur Abstimmung. Wer stimmt diesem Geschäftsordnungsantrag zu? - Wer stimmt dagegen? - Dieser Geschäftsordnungsantrag, Frau Kollegin Fuchs, ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Opposition abgelehnt worden.
Wir kommen jetzt zu der Beschlußempfehlung des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zu einem Verbot des Klonens von Tieren. Das ist die Drucksache 13/9785. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 13/7160 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen und PDS bei Stimmenthaltung der SPD angenommen.
Beschlußempfehlung des Landwirtschaftsausschusses zu dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zur Umsetzung der verbesserten Standards zur Herstellung von Tierkörpermehlen zur Bekämpfung des Rinderwahnsinns, Drucksache 13/10480. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 13/7962 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Opposition angenommen.
Beschlußempfehlung des Landwirtschaftsausschusses zu dem Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zur Großen Anfrage zu Forschung und Forschungsförderung im Bereich Ernährung, Land- und Forstwirtschaft, Drucksache 13/ 9787. Der Ausschuß empfiehlt, den Entschließungsantrag auf Drucksache 13/7809 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen des Hauses im übrigen angenommen.
Beschlußempfehlung des Landwirtschaftsausschusses zu dem Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und der F.D.P. zur Großen Anfrage zur Zukunft der Landwirtschaft im Zusammenhang mit der EU-Agrarreform, Drucksache 13/10236 Nr. 1. Der Ausschuß empfiehlt, den Entschließungsantrag auf Drucksache 13/7428 anzunehmen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen des Hauses im übrigen angenommen.
Beschlußempfehlung des Landwirtschaftsausschusses zu dem Entschließungsantrag der Fraktion der SPD zu der genannten Großen Anfrage; das ist die Drucksache 13/10236 Nr. 2. Der Ausschuß empfiehlt, den Entschließungsantrag auf Drucksache 13/ 7431 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschluß-
Vizepräsident Hans-Ulrich Klose
empfehlung? - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen und SPD bei Stimmenthaltung der PDS angenommen.
Beschlußempfehlung des Landwirtschaftsausschusses zu dem Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Drucksache 13/10236 Nr. 2. Der Ausschuß empfiehlt, den Entschließungsantrag auf Drucksache 13/7427 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen bei Stimmenthaltung von SPD und PDS angenommen.
Beschlußempfehlung des Landwirtschaftsausschusses zu dem Entschließungsantrag der Gruppe der PDS, Drucksache 13/10236 Nr. 2. Der Ausschuß empfiehlt, den Entschließungsantrag auf Drucksache 13/7426 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der PDS bei Stimmenthaltung von SPD und Bündnis 90/Die Grünen angenommen.
Wir kommen damit zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/ CSU und der F.D.P. auf Drucksache 13/10988. Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag? - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Entschließungsantrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen des Hauses im übrigen angenommen.
Damit kommen wir zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 13/11008. Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag? - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Entschließungsantrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen des Hauses im übrigen abgelehnt.
Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen auf den Drucksachen 13/9675 und 13/10508 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall. Dann sind die Überweisungen so beschlossen.
Dann kommen wir jetzt zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion der SPD zur Sicherung der Ressortforschung des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten an den Standorten Celle, Wusterhausen und Münster. Es handelt sich um die Drucksache 13/10998. Wer stimmt für diesen Antrag? - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Antrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen des Hauses im übrigen abgelehnt.
Beschlußempfehlung des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu einem Verordnungsvorschlag der Europäischen Union zur Festlegung besonderer Vorschriften für Qualitätsweine bestimmter Anbaugebiete, Drucksache 13/10684. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Ich stelle fest, daß diese Beschlußempfehlung den Wein betreffend einstimmig angenommen worden ist.
Beschlußempfehlung des Landwirtschaftsausschusses zu einem Richtlinienvorschlag der Europäischen Union zur Regelung viehseuchenrechtlicher Fragen beim innergemeinschaftlichen Handelsverkehr mit Rindern und Schweinen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Auch diese Beschlußempfehlung ist einstimmig angenommen.
- Das war nun nicht nötig.
Beschlußempfehlung des Landwirtschaftsausschusses zu dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zu Verbesserungen beim Transport von Schlachttieren in Europa, Drucksache 13/10825. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 13/ 9828 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Opposition angenommen.
Beschlußempfehlung des Landwirtschaftsausschusses zu dem Antrag der Fraktion der SPD zur Milchmarktpolitik ab dem 1. April 2000, Drucksache 13/10733. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 13/9761 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen von SPD und PDS bei Stimmenthaltung von Bündnis 90/Die Grünen angenommen.
Beschlußempfehlung des Landwirtschaftsausschusses zu dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zu einer tragfähigen Neuordnung der Milchmarktpolitik, Drucksache 13/10733. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 13/10277 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen von Bündnis 90/ Die Grünen bei Stimmenthaltung von SPD und PDS angenommen.
Dann rufe ich jetzt die Tagesordnungspunkte 8 a bis 8j auf:
a) Beratung der Großen Anfrage der Abgeordneten Klaus Kirschner, Horst Schmidbauer , Ingrid Becker-Inglau, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD
Qualität im Gesundheitswesen
- Drucksachen 13/9825, 13/10982 -
Vizepräsident Hans-Ulrich Klose
b) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Gesundheit zu dem Antrag der Abgeordneten Karl-Hermann Haack (Extertal), Klaus Kirschner, Susanne Kastner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD
Rehabilitation, Prävention, Kuren - für eine vernünftige und moderne Gesundheitspolitik
- Drucksachen 13/7174, 13/9494 - Berichterstattung:
Abgeordnete Antje-Marie Steen
c) Beratung des Antrags der Fraktion der SPD
Sofortmaßnahmen gegen die Krise von Kur und Rehabilitation
- Drucksache 13/10561 -
d) Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Ruth Fuchs, Dr. Heidi Knake-Werner und der Gruppe der PDS
Abschaffung des „Notopfers Krankenhaus"
- Drucksache 13/9386 -
Überweisungsvorschlag:
Ausschuß für Gesundheit
Ausschuß für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Haushaltsausschuß
e) Beratung des Antrags der Abgeordneten Horst Schmidbauer , Klaus Kirschner, Dr. Wolfgang Wodarg, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD
Nationaler Aktionsplan Diabetes - Drucksache 13/10822 -
f) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Achten Gesetzes zur Änderung des Arzneimittelgesetzes
- Drucksachen 13/9996, 13/10122 -
Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit
- Drucksache 13/11020 -
Berichterstattung:
Abgeordneter Dr. Dieter Thomae
g) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Medizinproduktegesetzes
- Drucksachen 13/10422, 13/10868 -
Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit
- Drucksache 13/11021 - Berichterstattung:
Abgeordneter Wolfgang Lohmann
h) Beratung des Antrags der Abgeordneten Monika Knoche, Marina Steindor und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Rückkehr zum Sachleistungsprinzip bei der Zahnbehandlung
- Drucksache 13/10949 -
i) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
- zu dem Entschließungsantrag der Abgeordneten Regina Schmidt-Zadel, Klaus Kirschner, Petra Ernstberger, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD
- zu dem Entschließungsantrag der Abgeordneten Heidemarie Lüth, Dr. Ruth Fuchs, Rosel Neuhäuer, Dr. Gregor Gysi und der Gruppe der PDS
zu der Großen Anfrage der Abgeordneten Regina Schmidt-Zadel, Ingrid Becker-Inglau, Dr. Ulrich Böhme , weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD
Situation der Demenzkranken in der Bundesrepublik Deutschland
- Drucksachen 13/3343, 13/5257, 13/8723, 13/8719, 13/10499 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Christa Lörcher Heidemarie Lüth
Erika Reinhardt
Irmingard Schewe-Gerigk
j) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Gesundheit zu dem Antrag der Abgeordneten Antje-Marie Steen, Dr. Ulrich Böhme (Unna), Petra Ernstberger, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD
Erweiterung des Katalogs der Früherkennungs-Untersuchungen um ein spezifisches Hörscreening im Rahmen der U 1 und U 3
- Drucksachen 13/1001, 13/11022 -Berichterstattung:
Abgeordnete Antje-Marie Steen
Es liegen zwei Entschließungsanträge der Fraktion der SPD und ein Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vor.
Interfraktionell ist vereinbart, die heutige Tagesordnung um den Zusatzpunkt 15
Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. zur aktuellen Situation bei Kuren und Rehabilitationen
- Drucksache 13/11066 -
zu erweitern. Der Antrag soll in der jetzt folgenden Gesundheitsdebatte mitberaten werden. Sind Sie mit der Erweiterung der Tagesordnung einverstanden? - Das scheint der Fall zu sein. Dann ist das so beschlossen.
Vizepräsident Hans-Ulrich Klose
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache zwei Stunden vorgesehen. - Widerspruch gibt es nicht. Dann ist so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache und gebe zunächst an den Kollegen Dr. Thomae als Berichterstatter das Wort. - Bitte.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich muß noch einen Änderungsantrag der CDU/CSU und F.D.P. hinzufügen. Es geht um Art. 2 Nr. 1 Buchstabe b des Entwurfes eines Achten Gesetzes zur Änderung des Arzneimittelgesetzes. Hiermit wird redaktionell klargestellt, daß es im Rahmen der Erinnerungswerbung außerhalb der Fachkreise, in Printmedien, bei der bisherigen Rechtslage bleibt.
Ich bedanke mich, daß Sie einverstanden sind.
Jetzt hat das Wort der Kollege Dr. Wolf Bauer, CDU/CSU.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! In den letzten Wochen haben die Urteile des Europäischen Gerichtshofes vom 28. April dieses Jahres für viel Unruhe in der deutschen Gesundheitspolitik gesorgt. Es war gut, daß unser Gesundheitsminister Horst Seehofer sofort klargestellt hat, daß die Urteile nicht auf unser Gesundheitssystem übertragbar sind. So heißt es mit Recht in einer Pressemitteilung vom 5. Juni dieses Jahres:
Nationalstaatliche Regelungen dürfen überall dort die Waren- und Dienstleistungsfreiheit einschränken, wo sie nachweisbar erforderlich sind, um einen bestimmten Umfang der medizinischen und pflegerischen Versorgung oder ein bestimmtes Niveau der Heilkunde im Inland insoweit zu erhalten, als es für die Gesundheit der Bevölkerung erforderlich ist.
Der Grund dafür, daß ich heute diese Urteile anspreche, ist, daß im Zusammenhang mit diesen Urteilen leider wieder verstärkt über die Verschärfung des Versandhandelsverbotes diskutiert wird. Ich lege daher Wert auf die Feststellung, daß aus Gründen der Arzneimittelsicherheit - diese ist nicht zuletzt auch unter „Niveau der Heilkunde" zu subsumieren - mit der Änderung des § 43 des Arzneimittelgesetzes ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung getan wird. Daran werden wir festhalten.
Wenn wir das Niveau unserer Arzneimittelversorgung aufrechterhalten bzw. noch verbessern wollen, brauchen wir als wesentlichen Teil dieser Arzneimittelversorgung die öffentlichen Apotheken als letztes Kontroll- und Beratungsorgan vor der Abgabe von Arzneimitteln an die einzelnen Patienten. Nur dann, wenn sichergestellt ist, daß ein Arzneimittel persönlich abgegeben wird, besteht die Möglichkeit, den Patienten individuell zu beraten, auf mögliche Wechselwirkungen und Gefahren hinzuweisen und einem Arzneimittelmißbrauch entgegenzuwirken.
Daher müssen wir auch anstreben, daß der Arzneimittelversand weltweit eingeschränkt wird. Um so mehr ist es verwunderlich, wenn aus Brüssel zu hören ist, daß das Versandhandelsverbot für Arzneimittel, das in Deutschland mit der 8. AMG-Novelle eingeführt werden soll, und der freie Handel über Teleshopping oder Internet nicht zusammenpassen würden - und das auf Kosten des erstgenannten.
Aber zurück zur 8. AMG-Novelle: Wie ein roter Faden, meine Damen, meine Herren, zieht sich auch durch diese Novelle das Streben nach mehr Sicherheit im Arzneimittelbereich. Bereits der Entwurf der Bundesregierung, aber auch die Stellungnahme des Bundesrates belegen das. Was den Bundesrat angeht, wurden viele Punkte aus seiner Stellungnahme in Form von Änderungsanträgen im Gesundheitsausschuß beschlossen.
Gleichwohl werden wir stets an Grenzen stoßen; denn eine absolute Sicherheit wird es nicht geben. So ist der Konflikt vorgezeichnet: Einerseits erwarten wir von der Industrie, daß sie alle Anstrengungen unternimmt, innovative Arzneimittel zur Behandlung von Krankheiten auf den Markt zu bringen, gegen die es heute noch keine wirksamen Arzneimittel gibt. Auf der anderen Seite verlangen wir ein Höchstmaß an Sicherheit. Hier ist der Gesetzgeber gefordert, einen Rahmen zu schaffen, der all diesen Aspekten so optimal wie eben möglich gerecht wird.
Um diesem Ziel näherzukommen, wird mit der 8. AMG-Novelle erreicht, daß es innerhalb der EU zu einer stärkeren Zusammenarbeit der einzelnen Behörden kommt und die Auskunfts- und Prüfungspflichten geregelt werden. Der Datenaustausch zwischen den diversen Zulassungs- und Überwachungsbehörden wird insbesondere durch ein für Bund und Länder beim Deutschen Institut für medizinische Dokumentation und Information zu errichtendes datenbankgestütztes Informationssystem erleichtert.
Wenn wir, meine Damen, meine Herren, einerseits anerkennen müssen, daß es keine absolute Sicherheit geben kann, dann müssen wir andererseits dafür Sorge tragen, daß die Fachöffentlichkeit und die Öffentlichkeit vernünftig und zuverlässig über Arzneimittelrisiken informiert werden. Trefflich läßt sich darüber streiten, wie ein Stufenplanverfahren ablaufen soll. Viel wichtiger allerdings ist, daß das Zusammenspiel zwischen Bundesoberbehörde, nachgeordneten Behörden und dem Stufenplanverfahren selbst reibungslos funktioniert. Dabei ist zu bedenken, daß vorschnelle und undifferenzierte Informationen auch zu einer Verunsicherung des Verbrauchers führen können.
Trotz aller erdenklichen und mit äußerster Sorgfalt zu treffenden Vorkehrungen wird es sich leider nicht ganz vermeiden lassen, daß es zu Zwischenfällen kommt, bei denen - ich zitiere aus § 84 AMG - „ein Mensch getötet oder der Körper oder die Gesundheit eines Menschen nicht unerheblich verletzt" wird.
Dr. Wolf Bauer
Weiter ist in § 84 AMG festgelegt, daß der pharmazeutische Unternehmer, der das Arzneimittel in den Verkehr gebracht hat, verpflichtet ist, dem Verletzten den daraus entstandenen Schaden zu ersetzen. Es ist für mich und sicherlich auch für viele andere meiner Kolleginnen und Kollegen eine äußerst deprimierende Erkenntnis, daß wir ganz offensichtlich mit dieser Schadensersatzpflicht auch mit der 8. AMGNovelle nicht zu einer zufriedenstellenden Lösung kommen, zu einer Lösung, mit der die Geschädigten leben können.
Was die Gefährdungshaftung angeht, so drängt sich mir der Verdacht auf, daß es für den einen oder anderen wichtiger sein könnte, daß sein juristisches Weltbild in Ordnung ist, als daß den Betroffenen schnell und effektiv geholfen wird.
Nicht zuletzt als Gesundheitspolitiker hätte ich in der 8. AMG-Novelle gerne einerseits eine Verbesserung der Beweisführung durch einen Auskunftsanspruch des Geschädigten und andererseits das Bereitstellen eines Schmerzensgeldes gesehen.
So oder so wäre zu begrüßen gewesen, wenn wir wenigstens einen Einstieg geschafft hätten. Bei einer weiteren Novellierung des AMG hätten wir dann entsprechende Verbesserungen vornehmen können.
Neben den bereits genannten gibt es aber noch eine ganze Reihe anderer interessanter Punkte in der 8. AMG-Novelle, auf die es sich einzugehen lohnt. So wird das Inverkehrbringen, das Verschreiben und Anwenden von Arzneimitteln zum Doping ausdrücklich verboten. Hierdurch soll erreicht werden, daß die Gesundheit der Sportler und insbesondere die der sporttreibenden Kinder und Jugendlichen geschützt wird.
Ein weiterer wichtiger Punkt ist eine Verfahrensvereinfachung für die klinische Prüfung von Arzneimitteln. Diese Vereinfachung soll dadurch erreicht werden, daß allein das Votum der für den Leiter der klinischen Prüfung zuständigen Ethik-Kommission genügt. Da von § 40 AMG die Berufsordnung der Ärzte ohnehin nicht betroffen ist, bleibt dieses standesrechtliche Instrument voll erhalten.
Wenn wir der pharmazeutischen Industrie hier einen größeren Spielraum geben, um mehr forschen und an neuen Arzneimitteln arbeiten zu können, so hoffen wir natürlich auch auf entsprechende Erfolge - vor allem zugunsten der Betroffenen, die Krankheiten haben, gegen die es noch keine Arzneimittel gibt.
Einen breiten Raum in der Diskussion um die 8. AMG-Novelle nahmen die Arzneimittel der besonderen Therapierichtungen ein. Die öffentliche Anhörung vom 1. April dieses Jahres hat gezeigt, daß die Meinungen der verschiedenen Sachverständigen nach wie vor weit auseinandergehen. Der grundsätzliche Streit - Schulmedizin kontra bestimmte Therapierichtungen - prägte auch diese Diskussion. Da meine Fraktion die Palette der unterschiedlichen Therapierichtungen erhalten will, kamen wir nahezu zwangsläufig zu der Erkenntnis, daß die alte Formulierung die beste ist.
Den Anhängern der Phytotherapie, der Homöopathie und der Anthroposophie muß an dieser Stelle allerdings ganz deutlich gesagt werden, daß ihre Arzneimittel zuallererst einer von der SPD geforderten Positivliste zum Opfer fallen würden. Unsere Fraktion hingegen lehnt auch aus diesem Grund eine Positivliste ganz entschieden ab.
Die Therapievielfalt ist eine Stärke unseres Gesundheitswesens. Wir wollen sie erhalten.
Noch eine kurze Bemerkung zur Änderung des Medizinproduktegesetzes. Wichtigste Ziele sind hier, neben einer Abverkaufsregelung für Medizinprodukte und einer Abgrenzung vor allem zwischen Arzneimittel und Medizinprodukt die Schaffung einer Eilverordnungsermächtigung zur Abwehr von Risiken zu erreichen.
Interessant wäre natürlich auch, noch auf das Heilmittelwerbegesetz einzugehen, weil wir hier eine Angleichung der Printmedien an die audiovisuellen Medien erreichen wollen.
Meine Damen, meine Herren, in Verbindung mit der Arzneimittelsicherheit sprach ich bereits von dem Rahmen, den der Gesetzgeber schaffen muß, um allen Aspekten so optimal wie eben möglich gerecht zu werden. Unser Gesundheitsminister, Horst Seehofer, formulierte es einmal so:
Die neuen Rahmenbedingungen im Gentechnikgesetz, Transplantationsgesetz und im Arzneimittelrecht helfen mit, daß Deutschland in der Medizin eine Spitzenstellung behält und die medizinische Forschung eine zukunftsgerichtete Perspektive hat.
Das ist eine erfolgreiche Gesundheitspolitik, die wir auch in der 14. Legislaturperiode fortsetzen werden. Den vorliegenden Gesetzesänderungen stimmt die CDU/CSU-Fraktion zu.
Das Wort hat die Kollegin Gudrun Schaich-Walch, SPD.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Dieses Parlament beschäftigt sich zum letztenmal mit der Gesundheitspolitik der Bundesregierung. Wir müssen feststellen, daß die finanziellen Probleme der gesetzlichen Krankenversicherungen trotz einer Flut von Verordnungen und Gesetzen offensichtlich nicht geregelt sind.
Das Minus von 580 Millionen DM in den Kassen ist zwar bis jetzt noch nicht der letzte Stand. Aber zur Beruhigung tragen diese Zahlen beim besten Willen nicht bei. Die Beitragssätze sind zwar stabil geblie-
Gudrun Schaich-Walch
ben. Aber wir müssen letztlich fragen, zu welchem Preis und auf wessen Kosten das geschehen ist.
Herr Seehofer, Sie werden nicht müde, immer wieder zu betonen, daß wir die notwendige medizinische Versorgung und den Fortschritt nur dann noch bezahlen können, wenn Versicherte kräftig zuzahlen.
Statt in diesem Bereich einmal nachzuschauen, wie es denn wirklich aussieht, haben Sie sich eindeutig auf die Seite derer geschlagen, die Leistungen anbieten und die sich darauf verlassen konnten, daß sie nicht in entsprechender Art und Weise kontrolliert wurden. Statt dort tätig zu werden, haben Sie den Krankenkassenbeiträgen letztlich noch drastische Zuzahlungen durch die Versicherten hinzugefügt. Das ist das, was ich besonders ärgerlich finde. Es wird in der Debatte hier immer so getan, als wären die Zuzahlungen das einzige, was die Kranken zu leisten hätten, als würden sie nicht schon sehr hohe Versicherungsbeiträge zahlen; und ansonsten kämen die Segnungen des deutschen Krankenhaus- und Gesundheitswesens glatt über sie.
Sie haben in der Beantwortung der Großen Anfrage meiner Fraktion zur Qualitätssicherung festgestellt, daß wir Ihnen bei Ihrem Vorhaben nicht zur Seite gestanden haben. Ich bekräftige das: Wir werden nie jemandem zur Seite stehen, der die Lasten einseitig verteilt
und unsere solidarische gesetzliche Krankenversicherung aushöhlt.
Statt dessen werden wir im Herbst alle Kraft darauf verwenden, die notwendigen strukturellen Veränderungen herbeizuführen und die Schieflage, in der wir uns zur Zeit befinden, zu beseitigen;
denn Qualität und Wirtschaftlichkeit - das sagen Sie in der Antwort - sind zwei Seiten einer Medaille. Da bin ich mit Ihnen einer Meinung. Aber die Frage ist doch, welche Schlüsse Sie daraus ziehen. Das bleibt für uns und für die Patientinnen und Patienten leider im dunkeln.
Obwohl wir ein grundsätzlich hervorragendes Gesundheitswesen haben,
verfügen wir immer noch nicht über Erkenntnisse,
die uns aufzeigen, wo denn die Qualitätsmängel im
System liegen und wo Unwirtschaftlichkeiten auszumachen sind. Daran haben Sie letztlich nichts geändert. Wie ich aus der Antwort herauslesen kann, haben Sie auch nicht vor, daran etwas zu ändern; denn darin führen Sie aus - ich zitiere wörtlich -: „Qualitätssicherung ist keine Aufgabe des Staates." Diese Aussage durchzieht die Antwort wie ein roter Faden. Sie verweisen auf die zuständige Kooperation der Selbstverwaltung und vertrauen - wie in dieser Antwort immer wieder zu lesen ist - den Kräften des Marktes.
In einem Bereich stimme ich Ihnen zu: Wir Politiker dürfen und können nicht die Inhalte der Leitlinien und Standards bestimmen. Aber die Regierung hat die Aufgabe, den gesetzlichen Rahmen festzulegen, in dem alle, die im Gesundheitswesen tätig sind, gemeinsam handeln können und damit die Maßnahmen erst herbeiführen, die zur Sicherstellung der Qualität notwendig sind.
Eines aber muß ganz deutlich und sehr klar sein: Qualitätssicherung in unserem Gesundheitswesen kann nicht einseitig nur eine Aufgabe der Ärzteschaft sein.
Aus dieser Antwort kommt auch heraus: Der aktuellen Gesundheitspolitik liegt die Annahme zugrunde, daß Wettbewerb auch in der sozialen Krankenversicherung Effizienz und Qualität der Versorgung verbessern kann. Sie befürworten den Wettbewerb insbesondere da, wo er sich zum Nutzen der Patienten und Versicherten auswirkt, sagt die Regierung in ihrer Antwort.
- Na wunderbar. - Dann tun Sie doch etwas, damit dieser Wettbewerb tatsächlich unter fairen Bedingungen stattfindet. Es reicht nämlich nicht aus, den Krankenkassen die Verhandlungen um immer billigere Leistungen nahezulegen, ihnen jedoch die Möglichkeiten der Einflußnahme, die sie brauchen, nicht zu geben. Denn die Krankenkassen müssen in der Lage sein, die Leistungen auszuwählen, und sie müssen dann, wenn die Qualität der Leistungen nicht hinreichend ist, auch in der Lage sein, diese Leistungen abzulehnen, sie nicht in Anspruch zu nehmen oder sie nicht zu bezahlen.
Wenn Sie glauben, daß Sie dieses Angebot und dieses System über Nachfrage verbessern können, dann müssen Sie tatsächlich den Sachwaltern der Interessen der Versicherten mehr Rechte einräumen, als das jetzt der Fall ist.
Sie müssen ihnen die Möglichkeit geben, die Qualität zu prüfen und dann entsprechend zu handeln. Wenn man das tatsächlich will, dann geht es nicht, daß man diese Möglichkeiten durch die Einführung
Gudrun Schaich-Walch
der Kostenerstattung, wie zum Beispiel im Bereich des Zahnersatzes, herbeiführt.
Was hat denn jetzt Ihre Kostenerstattungsregelung gebracht? Patientinnen und Patienten müssen sich dann, wenn sie unsicher sind, eines Gutachters bedienen. Dafür müssen sie erst einmal kräftig in die Tasche langen und zuzahlen.
Sie sind verunsichert, sie haben bei Zahnarztrechnungen das Problem, daß - wie ich aus der Pressemitteilung des Ministers entnehmen konnte - ein Drittel aller Rechnungen überhöht sind. Die Kassen können dann ihren Patienten zu Hilfe eilen, aber sie müssen ihren Patienten nicht zu Hilfe kommen,
weil Sie ihnen den Privatversichertenstatus gegeben haben, und Sie haben ihnen so den notwendigen Schutz schlicht und einfach geraubt.
- Wenn Sie den Kassen das Recht zur Beratung wegnehmen, wenn Sie sie in einen Wettbewerb zwingen, der unsinnig ist, weil es letztlich nicht um die Qualität der Leistungen geht, und wenn die Krankenkassen dann auch nicht dafür Sorge tragen können, daß der Patient und die Patientin die Leistungen, die sie brauchen, tatsächlich bekommen, dann ist das doch der Dreh- und Angelpunkt, an dem wir hier sind.
Sie nehmen jetzt einfach das ganz erstaunt zur Kenntnis, was passiert ist, aber Sie haben nicht den Mut, wirklich einzuschreiten. Dann gibt es noch einen anderen Punkt, Herr Minister, bei dem Sie jetzt erstaunt zur Kenntnis nehmen, was passiert. Sie schauen nämlich auf das EuGH-Urteil zu Kohl und Decker und rufen laut: Unsere Krankenversicherung ist gefährdet. Sie schauen nicht nach den Chancen, die es dort vielleicht gibt. Sie sagen allerdings auch: Dieses Urteil gilt nicht für unser Land; dieses Urteil ist für Luxemburg gesprochen worden. Luxemburg hat ein Kostenerstattungssystem. Das haben wir ja letztlich nicht. Infolgedessen kann dieses Urteil nicht für uns gelten.
Ich denke, es ist schon sehr erstaunlich, wenn man sich das reinziehen muß - so sage ich das wirklich einmal.
- Es ist einfach so, und es ist meiner Einschätzung nach auch locker gesprochen; denn Sie sind ja letztlich diejenigen, die das Sachleistungsprinzip, von dem Sie selber sagen, daß es das Bollwerk gegen eine unerwünschte Harmonisierungsbestrebung ist, zerlöchert haben. Das ist ungefähr so, als würden Sie Löcher in Ihre Hose schneiden und hinterher erstaunt reagieren, daß sie jetzt kaputt ist.
Mit dieser Haltung werden Sie aber auf die weitere Entwicklung Europas keinen Einfluß nehmen. Es ist nicht Politikgestaltung, wenn man darauf wartet, daß man durch ein deutsches Urteil gezwungen wird, etwas zu tun, sondern Politikgestaltung ist es, wenn ich wirklich zur Kenntnis nehme, daß der freie Warenverkehr und der Dienstleistungsverkehr in Zukunft in Europa - und dieses Europa hat doch Ihre Partei auch immer gewollt - die Normalität sein werden. Dann wird es die Aufgabe der Politik sein, Qualitätsanforderungen an diesen Warenverkehr und an diesen Dienstleistungsverkehr zu knüpfen. Es ist doch auch gar nicht so, daß wir noch gar nichts hätten. Wir haben die Richtlinie für Medizinprodukte, wir haben inzwischen eine gemeinsame Zulassung im Arzneimittelsektor, wir haben gemeinsame Richtlinien für die Ausbildung in den medizinischen Berufen. Es ist doch nicht so, daß es in anderen Bereichen keine Qualität gäbe und daß eine Bedrohung gegeben wäre.
Dieses Urteil besagt doch nicht, daß wir harmonisieren müssen. Dieses Urteil besagt einfach, daß auch in diesem Bereich die Regeln des Warenverkehrs anzuwenden sind.
Die Ausgestaltung unseres Gesundheitssystems ist und bleibt nach wie vor unsere Aufgabe in diesem Land.
Frau Kollegin Schaich-Walch, gestatten Sie dem Kollegen Lohmann eine Zwischenfrage?
Ja. Vizepräsident Hans-Ulrich Klose: Bitte.
Frau Kollegin Schaich-Walch, es würde uns sicher gemeinsam helfen, wenn in der Öffentlichkeit manches deutlicher würde. Sie haben eben gesagt, wir hätten den Krankenkassen das Recht zur Beratung geraubt. Könnte man sich darauf einigen, zu sagen: „Wir haben dafür gesorgt, daß die Krankenkassen kein Genehmigungsrecht mehr haben. Aber selbstverständlich dürfen sie in der Verantwortung für ihre Versicherten eine Beratung anbieten"?
Die Beratung haben die Versicherten sehr wohl; da haben Sie recht. Nur, die Frage ist einfach, wie und wo man die Beratung letztendlich durchsetzen kann. Erst einmal muß man zahlen, und dann muß man auf privatrechtlicher Ebene sein Recht durchzusetzen versuchen. Und eben das kann doch nicht sein. Dies muß einfach in der Verpflichtung der Krankenkasse bleiben und mit dem notwendigen Druck durchgesetzt werden. Der Heil- und Kostenplan muß vorher bekannt sein; das darf nicht alles erst irgendwann hinterher kommen.
Er muß verbindlich sein und bleiben. Es darf nicht im Risiko desjenigen liegen, der zum Zahnarzt geht, daß er das Ganze selbst herbeiführen und vielleicht sogar einklagen muß.
In Sachen Europa möchte ich noch sagen: Die Elemente der Privatisierung haben Sie in unser System eingeführt, alles stückweise im letzten Jahr. Sie haben die Zuzahlungen erhöht und damit letztendlich ein Stück weit die Solidarität dieses Systems untergraben. Jährlich sind 20 Milliarden DM an Zuzahlungen zu leisten. Von einer hälftigen Finanzierung kann da nicht mehr die Rede sein. Auf das, was im Bereich Kur und Rehabilitation passiert ist, will ich gar nicht eingehen.
In der Summe komme ich zu dem Ergebnis: Dieses Gesundheitssystem ist nicht von Europa bedroht, sondern der Feind sitzt hier, in Gestalt dieser Bundesregierung.
Daß das so ist, kann man an einigen Punkten der Privatisierung belegen. Ich rege mich ganz furchtbar über den Tatbestand auf, daß alle, die nach dem 31. Dezember 1978 geboren sind, keinen Zahnersatz mehr bezahlt bekommen. Darüber rege ich mich ganz maßlos auf. Das ist eine starke Form der Leistungsausgrenzung, bei der keiner mitreden konnte. Das ist einfach so passiert. Sie selbst und der Minister haben doch noch vor kurzer Zeit hier die Auswüchse im Bereich der Zahnersatzleistungen beklagt. Diese Regelung muß einfach zurückgeführt werden, und das werden wir tun. Wir werden das Sachleistungsprinzip in diesem Bereich wieder einführen. Dann ist klar geregelt, wer die Qualitätskontrolle übernimmt und wer der Sachwalter der Interessen von Patientinnen und Patienten ist.
Ein weiterer Problembereich sind die Arzneimittel. Bei rund einem Viertel der Arzneimittel übersteigen die Zuzahlungen die Apothekenpreise.
Zu was hat das geführt? Die Selbstmedikation ist - darüber hat sich die F.D.P., haben vielleicht auch Sie sich sehr gefreut - gewaltig angestiegen. Aus Kreisen der Ärzte höre ich aber auch, daß viele Patientinnen und Patienten anfangen, an ihren Krankheiten selbst herumzukurieren. Dies ist eindeutig auf den Verlust bei der Verordnung von Arzneimitteln und bei der Arzneimitteltherapie zurückzuführen. Sie machen die Patientinnen und Patienten zu Selbstheilern. Konsequenz werden unter Umständen gesundheitliche Schäden sein. Die Folgekosten wiederum werden die Krankenversicherungen zu zahlen haben.
Das Ganze überschreiben Sie mit einem Mehr an Eigenverantwortung. Eigenverantwortung ist etwas anderes. Die Eigenverantwortung gestärkt hätte man, wenn Sie dazu beigetragen hätten, den ganzen Präventionsbereich sauber zu organisieren, zu strukturieren
und vorhandene Auswüchse zu vermeiden. Dies hätte dazu beigetragen, daß die Menschen eigenverantwortlich zum Wohle ihrer Gesundheit handeln könnten.
Auch an diesem Punkt haben Sie doch den notwendigen Gestaltungswillen vermissen lassen. Das ist aber nicht der einzige Bereich.
Damit haben Sie letztendlich den Rückzug aus der Verantwortung in der Gesundheitspolitik begonnen. Das werden wir im Herbst zurückzuführen haben. Wir werden dazu beitragen, daß aus unserer gesetzlichen Krankenversicherung wieder das wird, was sie einmal war: eine solidarische Krankenversicherung, die mit entsprechenden Strukturreformen wetterfest für die Zukunft gemacht wird.
Das Wort hat die Kollegin Monika Knoche, Bündnis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Herren und Damen! Als wenn es noch eines Beweises bedurft hätte, wie völlig unstrukturiert, uneinheitlich und ohne Rechtsklarheit die Gesundheitspolitik in den letzten Jahren verlaufen ist, zeigt die Auseinandersetzung um das EuGH-Urteil in Verbindung mit der innenpolitischen Auseinandersetzung um den Zahnersatz ganz klar: Es gibt keine qualitative Steuerung ohne Sachleistungsprinzip. Kostenerstattung und Qualitätssicherung gehen nicht zusammen.
Ich finde es sehr erstaunlich, daß unser Bundesgesundheitsminister mit großer, theatralischer Rhetorik den Zusammenbruch des deutschen Solidarsystems
Monika Knoche
am Beispiel der Kostenerstattung beim Zahnersatz hinsichtlich des EuGH-Urteils beklagt. Er selbst hat das deutsche Sachleistungssystem mit der Kostenerstattung zur Disposition gestellt. Er hat den Weg beschritten, daß Krankheitsversorgung einen Warencharakter bekommt, daß es das auf betriebswirtschaftliche Ergebnisse reduzierte Dienstleistungsgeschehen Gesundheitswesen gibt.
Was spielt sich denn konkret in der Auseinandersetzung um die Regelung des Zahnersatzes und die Kostenerstattung ab? Sie haben ein Gesetz gemacht, mit dem Sie unter anderem gesagt haben: Der Zahnersatz ist kein Sachleistungsbereich mehr; ihr, meine sehr verehrten Versicherten, habt nicht mehr den Rechtsschutz der gesetzlichen Krankenkassen.
Ihr seid Privatkunden und habt mit den Zahnärzten auszuhandeln, welche Möglichkeiten, Qualität und Preis zusammenzubringen, es gibt. - Dafür gibt es schlichtweg keine Regelung. Die Versicherten sind dem Marktgeschehen unterworfen.
Die Zahnärzte haben sehr wohl begriffen, daß sich hier ein Sektor eröffnet, in dem das Prinzip „Krankheit als Ware" festgelegt worden ist. Jetzt wirken natürlich die Wirkungen des EuGH-Urteils auf Deutschland zurück. Es wird befürchtet, daß diese Leistungen auch im europäischen Ausland eingekauft werden können.
Damit wird eine große Gefahr beschworen.
Ich kann Ihnen nur eines sagen: Wenn Sie das deutsche Gesundheitswesen qualitativ steuern wollen, wenn Sie diese Entwicklungen nicht haben wollen, dann nehmen Sie Ihre Gesetze zurück. Das ist eine ganz einfache Regelung: Nehmen Sie das Prinzip „Krankheit als Ware" zurück, und führen Sie den Sachleistungskatalog wieder ein. Geben Sie den Versicherten diesen Leistungsanspruch zurück. Dann haben Sie dieses desolate Geschehen im Bereich der zahnmedizinischen Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland ein für allemal beendet, und die Versicherten wissen wieder, was Recht ist und was ihr Anspruch ist. Das, was Sie jetzt gemacht haben, schafft doch keine Rechtsklarheit.
Wenn es in der Gesundheitspolitik um ein ganz wichtiges Prinzip geht, dann ist es tatsächlich die Qualitätssicherung und qualitative Erneuerung. Es stellt sich natürlich die Frage: Wie werden die Gelder
verteilt, und wie wird die finanzielle Solidität des Systems wiederhergestellt?
Wenn Sie aber das System der Umverteilung nach unten einführen, so daß Kranke die Folgen der Einnahmeimplosion durch Arbeitslosigkeit zu bezahlen haben, dann haben Sie vor allen Dingen eines gemacht: Sie haben die Arbeitgeber aus der Verantwortung für die Sozialstaatlichkeit entlassen und alles weitere Geschehen den Versicherten und den Kranken übertragen.
Das ist der Systembruch, den Sie eingeleitet haben. Er wirkt sich jetzt auf fatale Weise aus.
Glauben Sie nicht, daß die Versicherten nicht verstanden haben, welchen Placeboeffekt Sie sich mit Ihrer Überschrift „erfolgreiche Gesundheitspolitik" selbst geben. Alle wissen, was sie zu zahlen haben. Alle erleben an den Apothekenkassen, daß sie, weil sie krank geworden sind und das Solidarsystem in Anspruch nehmen müssen, zusätzlich zahlen müssen. Das sind Bestrafungsrituale, die als solche erkennbar sind.
Kommen Sie mir bitte nicht mit dem scheinheiligen Argument, Sie hätten die große soziale Absicherung erreicht, weil 20 Millionen Menschen nicht zuzahlen müssen. Die große Gefahr besteht in diesem Zusammenhang darin, daß Sie die Akzeptanz in bezug auf das Solidarsystem aushöhlen. Die große Gefahr besteht darin, daß Menschen von einem paritätisch organisierten System, in das sie einzahlen, eine Absicherung erwarten und dann erfahren müssen, daß, wenn sie krank sind, dieses System die Sachleistungen nicht mehr gewährleistet. Wenn das eintritt, schwindet die Akzeptanz. Das ist gesellschaftspolitisch in der Tat eine sehr große Gefahr, die Sie ohne ökonomische Not in dieses System hineingetragen haben.
Das haben die Menschen sehr wohl verstanden.
Was ich an dieser Stelle noch hinzufügen möchte, ist ein Gedankengang, der mich und meine Partei sehr stark beschäftigt und viel mit qualitativer Versorgung, Patientenrechten und -schutz zu tun hat. Durch die Art der Privatabrechnung und der Ausgliederung sowie Ausgrenzung von Leistungsbereichen, die medizinisch notwendig und unabdingbar sind und auch wirtschaftlich erbracht werden könnten - das haben Sie im Zahnbereich schon exemplarisch eingeführt -, hat die deutsche Ärzteschaft begonnen, den Weg über die IGEL-Liste zu gehen. Wenn diese sogenannten individuellen Gestaltungsleistungen zur Grundlage für Privatabrechnungen bei den Kran-
Monika Knoche
ken oder Patienten werden, dann kann gar kein System und kein Gesetz mehr garantieren, daß die verordneten Leistungen wirklich indikationsbezogen, notwendig, wirtschaftlich und qualitativ auf hohem Niveau sind. Damit nehmen Sie den Versicherten auch ein Stück Sicherheit im System. Wir wollen nicht, daß die Gesellschaft diesen Preis bezahlen muß. Deshalb muß es das Bestreben sein, diese Gesetze alsbald rückgängig zu machen.
Danke.
Das Wort hat der Kollege Dr. Dieter Thomae, F.D.P.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das zweite Neuordnungsgesetz in der gesetzlichen Krankenversicherung hat den Kurs „Weg von der Budgetierung" eingeleitet. Denn die Budgetierung bedeutet einen Weg in die Sackgasse. Globale Budgetierung bedeutet letztlich Rationierung von Gesundheitsleistungen. Wenn Sie dies wollen, müssen Sie auch sagen, wie Sie das Problem der Altersgrenze angehen wollen. In allen Staaten, in denen es eine lange Tradition mit Globalbudgets gibt, ist diese Frage so beantwortet worden: Es gibt dort Altersgrenzen. Das müssen Sie den deutschen Bürgern sagen: Bitte, entscheiden Sie sich zwischen Altersgrenze oder Eigenverantwortung.
Die Koalition ist den Weg der Eigenverantwortung gegangen. Das bedeutet - das bekenne ich -, daß die Patienten mit einer Eigenbeteiligung einbezogen werden, aber wir haben - im Gegensatz zu den Vorstellungen in bezug auf ein Globalbudget - auch eine Härtefallregelung und eine Überforderungsregel eingeführt. Das bedeutet also, daß wir den sozial Schwachen schützen und niemanden ausgrenzen. Das macht den himmelweiten Unterschied zu der Thematik „Globalbudgets und Eigenverantwortung" deutlich.
20 Millionen Bürger, darunter auch chronisch Kranke, fallen unter die Härtefallregelung und können die Überforderungsregel und außerdem die Regelung für chronisch Kranke in Anspruch nehmen. Das ist zu verantworten.
Ein weiterer wichtiger Punkt. Wir wollen die ambulante Versorgung stärken, weil sie preislich günstiger ist und eine hohe Qualität hat, und wir damit Kosten einsparen können. Das heißt, daß wir im Krankenhausbereich Betten abbauen müssen, die nicht notwendig sind, und daß das Geld der Leistung folgen muß. Um dies umzusetzen, haben wir Strukturverträge und Modellversuche auf den Weg gebracht. Sie werden staunen, wie im Rahmen des Wettbewerbs der Krankenkassen Modellversuche und Strukturverträge zu Kosteneinsparungen führen werden, obwohl die Qualität auf keinen Fall verändert wird. Wenn Sie sich diese Modellversuche und Strukturverträge anschauen - sei es nun der Bereich der Ärzte, der Krankenhäuser oder der Rehabilitation -,,dann werden Sie feststellen, daß hier erfolgreiche Wege beschritten werden.
Ich will nun die nächste Thematik „Kostenerstattung oder Sachleistungssystem" ansprechen. Wir haben im Zahnersatzbereich die Kostenerstattung eingeführt. Daß es Anfangsschwierigkeiten gab, daß die Krankenkassen nicht begeistert waren, war klar, war auch mir klar. Dennoch denke ich, daß der Weg in die Kostenerstattung auf Grund der Alterspyramide und des technischen Fortschritts auf Dauer einfach nicht aufzuhalten ist. Wir werden sicherlich darüber nachdenken müssen, auch in anderen Bereichen die Kostenerstattung einzuführen, zumal auch wir wollen, daß der Patient endlich erfährt, welche Kosten entstehen. Damit hat er auch eine Kontrolle, welche Leistungen erbracht worden sind. Dies wollen wir unbedingt realisieren.
Ich will gar nicht verhehlen, daß es in verschiedenen Bereichen noch Probleme gibt. Es gibt auch Probleme im Bereich der Rehabilitation und der Kuren. Wir hatten das Problem, daß wir die Beitragssätze stabil halten müssen. Das Ziel war sogar: keine weitere Steigerung! Dies haben wir durch unsere Gesetzgebung realisiert. Wir hatten im letzten Jahr keine Steigerung, wir haben in diesem Jahr keine Steigerung, und wir werden, wie es aussieht, auch im nächsten Jahr keine Steigerung des Beitragssatzes haben.
Das ist das Entscheidende, um Arbeitsplätze in Deutschland zu sichern.
Ein weiterer Punkt ist, meine Damen und Herren, daß wir uns auf das medizinisch Notwendige konzentrieren müssen. Die medizinischen Leistungen in Deutschland sind umfangreich. Schauen Sie sich in Europa um! Welches gesetzliche System bietet eine Rehabilitation? Sie finden kein gesetzliches System, das Kur und Reha überhaupt bezahlt. Wir haben im Jahr 1996 in der gesetzlichen Krankenversicherung 5,3 Milliarden DM ausgegeben, in der Rentenversicherung von 1991 bis 1995 9,8 Milliarden DM, im Jahr 1997 waren es 4,3 Milliarden DM in der Krankenversicherung und in der Rentenversicherung 7,9 Milliarden DM.
Daß das vielleicht problematisch war, bekenne ich. Sie wissen aus meinen Reden, daß ich lieber eine Stufenregelung realisiert hätte. Aber dafür habe ich in meiner Partei und in unserer Koalition nicht die Mehrheit gefunden. Ich stehe zu den getroffenen Entscheidungen.
Dennoch sage ich Ihnen: Wenn Sie es ganz nüchtern betrachten, meine Damen und Herren, stellen
Dr. Dieter Thomae
Sie fest: Wir haben heute in der Anschlußheilbehandlung wieder eine Steigerung zu verzeichnen.
- Moment, nicht so heftig! Wir haben in der Anschlußheilbehandlung eine Steigerung, weil wir es durch vernünftige Konzepte geschafft haben, die Liegezeiten im Krankenhaus zu verkürzen. Dies ist von der Koalition gewollt, weil es kostengünstiger, effektiver und sicherlich auch von der Qualität her nicht schlechter ist, sondern eher besser.
Probleme gibt es im Bereich der Rehabilitation chronisch Kranker. Hier haben wir noch keine optimale Lösung gefunden. Aber die Modellversuche, die gegenwärtig beispielsweise im Bereich Diabetes, im Bereich Psychosomatik, im Bereich Rheuma angepackt werden, zeigen, daß wir dort im Rahmen der Modellversuche auf einem guten Weg sind. Die Krankenkassen gehen neue Wege, und hier in diesem Bereich - das möchte ich betonen -, wenn es medizinisch notwendig ist, muß die Vierjahresfrist nicht eingehalten werden. Vielmehr kann man in solchen Fällen - wenn es medizinisch notwendig ist - die medizinische Rehabilitation früher in Anspruch nehmen. Wir müssen auch nicht die Dreiwochenfrist einhalten; das ist eine Richtlinie.
- Wir müssen das nicht machen, sondern es steht im Gesetz: Wenn es medizinisch notwendig ist, wird es gemacht - so die Ausnahmeregelung.
Ich bekenne: Budgets gehören nirgendwo in das Gesetz, auch nicht in die Rentenversicherung. Sie wollen es ja überall haben. Wir werden nach der Bundestagswahl darüber nachdenken, wie wir die Budgets abschaffen und durch intelligentere Lösungen in allen Bereichen ablösen können, sowohl in der Krankenversicherung wie in der Rentenversicherung. Wir sind da ganz ruhig und optimistisch. Budgets wollen Sie! Wir müssen den Bürgern sagen: Wenn die SPD Budgets will, werden sie noch weniger medizinische Leistungen sowohl in der Rehabilitation im Rahmen der Rentenversicherung als auch in der Krankenversicherung in Anspruch nehmen können. Was Sie über Budgets versprechen, werden Sie nie einhalten können, weil Sie dabei die Alterspyramide und den technischen Fortschritt nie berücksichtigen. Oder Sie reduzieren die Leistungen und die Honorierung der Leistungsträger; dann wird die medizinische Versorgung in Deutschland erheblich schlechter. Sie müssen draußen deutlich sagen, wie Sie dieses Problem lösen wollen.
Weiter zum Thema Rehabilitation. Für den Bereich der chronisch Kranken sagte ich: Ich möchte, daß die Ergebnisse der Modellversuche mehr in die Praxis umgesetzt werden. Wir können neue Wege gehen. Aber ich möchte - ich sage das sehr deutlich - verstärkt die Krankenkassen auffordern, auch im ambulanten Bereich mit den Versicherten die entsprechenden Möglichkeiten zu nutzen.
Herr Dr. Thomae.
- Moment. - In der Tat ist die ambulante Kur eine der preisgünstigsten. In diesem Bereich gibt es einen derart nennenswerten Rückgang, daß wir in der Tat gegensteuern müssen. Dazu bekenne ich mich. Wir werden innerhalb der Koalition, aber auch mit den Versicherten und den Krankenkassen uns darüber verständigen, wie wir hier aktiv werden können. Ich nenne nur das Stichwort „Kompaktkuren". Das ist ein wichtiger Bereich, den wir anpacken werden.
Ist es Ihnen jetzt genehm, eine Zwischenfrage zuzulassen?
Bitte schön.
Bitte, Herr Dr. Schuster.
Herr Kollege Thomae, ich verstehe, daß in der vorletzten Sitzungswoche vor der Sommerpause der Wahlkampf in den Vordergrund tritt und die ideologischen Unterschiede deutlich werden. Bevor wir über Leistungseinschränkungen reden,
sollten wir uns mit aller Macht darum bemühen, Wirtschaftlichkeitsreserven, die bisher brachliegen, durch eine verbesserte Zusammenarbeit auszuschöpfen.
Anders formuliert: Warum streiten wir uns über unterschiedliche Konzepte, statt uns zusammenzusetzen und da etwas zu machen, wo wirklich ohne Leistungseinbußen etwas zu erben ist, und durch Zusammenarbeit Synergieeffekte nutzbar zu machen?
Herr Schuster, das ist vielleicht ein interessanter Vorschlag. Aber ich sage Ihnen: Die gesundheitspolitischen Vorstellungen von Ihnen und uns sind völlig unterschiedlich, so daß ich im Grunde genommen kaum Chancen dafür sehe, hier zusammenzuarbeiten. In der Tat behaupten Sie, es gebe noch große Wirtschaftlichkeitsreserven in allen Bereichen. Ich sage: Ich sehe diese großen Wirtschaftlichkeitsreserven eben nicht mehr. Daß es hier und da noch welche gibt, mag sein.
Die Koalition war ja auch intelligent genug, Strukturverträge und Modellversuche auf den Weg zu bringen, um gerade in diesen Bereichen diese Möglichkeiten zu nutzen. Wir nutzen sie ja auch. Ich darf Ihnen einmal ein Beispiel nennen, an dem Sie sehen, daß es noch Möglichkeiten gibt: Diabetes wird bisher
Dr. Dieter Thomae
in der Regel, wenn sie nicht ambulant behandelt wird, stationär im Krankenhaus behandelt. Viele sind der Auffassung, man könnte das besser in einer Spezial-Rehaklinik machen.
Die Krankenkassen, die dieser Auffassung sind, praktizieren das jetzt auch. Eine Krankenkasse in Deutschland beispielsweise hat jetzt ein Konzept entwickelt, nach dem sieben Zentren bundesweit aufgebaut werden sollen. Sie erwartet nennenswerte Einsparungen in diesem Bereich. Die Qualität und der Grad der Versorgung sind deswegen nicht schlechter. Wenn eine einzige Krankenkasse mit einer solchen Konzeption 300 Millionen DM einspart, dann frage ich Sie, welche Einsparmöglichkeiten wir noch nutzen können, wenn wir andere Indikationen heranziehen.
Ich bekenne, daß es da noch Einsparmöglichkeiten gibt. Das sage ich ja auch deutlich. Aber Sie können nicht mehr pauschal sagen: In jedem Krankenhaus gibt es Wirtschaftlichkeitsreserven. Das wäre aber der Fall, wenn Sie ein Globalbudget vorlegen, weil man mit einem Globalbudget alle trifft. Wir wollen aber an jedes Haus einzeln herangehen, weil wir glauben, daß wir dieses Problem auf diese Weise gerechter lösen können.
Das ist der himmelweite Unterschied zwischen Ihrem Ansatz und unserem Ansatz. Wir sind mit Modellversuchen und Strukturverträgen auf dem richtigen Weg. Ihn werden wir weiter verfolgen, weil dieser Weg adäquater ist.
Wir haben in dieser Wahlperiode die Vertragsgestaltungsmöglichkeiten verbessert. Wir haben eine Quorumsregelung eingeführt. Verträge zwischen den einzelnen Krankenkassen können im ambulanten Sektor abgeschlossen werden. Man muß darüber diskutieren, ob das ein realistischer und vernünftiger Weg ist oder ob wir den einzelnen Krankenkassen noch mehr Freiheit geben können. Aber eines sage ich ebenfalls: Es wird keine Einkaufsmodelle mit dieser Koalition geben.
Vielmehr verbleibt der Sicherstellungsauftrag bei der kassenärztlichen Vereinigung und der kassenzahnärztlichen Vereinigung. Wir werden also die Einkaufsmodelle, die Sie wollen, nicht mitmachen.
Dann gibt es die große Thematik der Positivliste. Sie glauben, da das Heil zu finden. Sie glauben, Sie würden in großem Umfang Einsparungen erzielen. Ich sage Ihnen, warum wir gegen die Positivliste sind. Der entscheidende Grund ist: Ich möchte, daß im Einvernehmen zwischen Patient und Arzt unterschiedliche Therapiemöglichkeiten bestehen, um die Krankheitsbilder zu bekämpfen.
Ich möchte dem Patienten diese Freiheit lassen.
Wenn Sie schon über die Positivliste reden, dann müssen Sie den Bürgern auch sehr deutlich sagen, daß ein ganz großer Teil der Naturheilmittel - das betrifft fast alle - ausgegrenzt und nicht mehr über die gesetzliche Krankenversicherung finanziert würde.
Dann haben Sie den Mut, den Bürgern zu sagen, daß die Therapiemöglichkeiten so eingeengt werden, daß der Staat diese quasi vorgibt. Das paßt nicht zu einem freiheitlichen System, zu einem freiheitlichen Denken wie in unserem Lande. Von daher lehne ich die Positivliste rigoros ab.
Meine Damen und Herren, ein weiterer Punkt, den ich hier zum Schluß ansprechen möchte.
Wollen Sie noch eine Zwischenfrage des Kollegen Schmidbauer zulassen?
Nein.
Ich komme zum Thema Europa. Meine Damen und Herren, wir sollten hier nicht in große Hektik verfallen. Das Urteil des Europäischen Gerichtshofes hat uns in zwei Bereichen Vorgaben gemacht. Ich persönlich bin der Meinung, daß dieses Urteil zu akzeptieren ist. Meine Damen und Herren, wenn Sie mit Fachleuten sprechen - ich habe das an der deutschholländischen Grenze getan und dort sehr intensiv diskutiert -, dann sehen Sie, daß es im Grunde genommen überhaupt keine Schwierigkeiten gibt. Also besteht auch kein Anlaß, in große Aktionen zu verfallen. Vielmehr befinden sich an der deutsch-holländischen Grenze Krankenkassen, Krankenhäuser und Ärzteschaft in einem sehr guten Kooperationsverhältnis.
Ich kenne die Sorgen des Ministers. Wenn wir das Urteil des Europäischen Gerichtshofes auf alle anderen Bereiche übertragen, entstehen natürlich große Probleme. Ich nenne nur folgende Stichworte: Bedarfsplanung, Vertragsarzt/Nichtvertragsarzt; wenn wir noch weiter denken, kommt das Thema duale/ monistische Finanzierung auf, ebenso das Thema Qualität.
- Auch Kuren.
Das sind natürlich schwierige Probleme, dennoch sage ich: Auch wenn Probleme vor der Tür stehen, können wir das deutsche Gesundheitswesen mit seiner Größe, können wir das Gesundheitswesen der Bundesrepublik Deutschland mit Gütern und Dienstleistungen nicht gegenüber Europa abschotten. Es wird keine Harmonisierung geben - das wollen wir nicht -, aber daß es Koordinierungsmaßnahmen geben muß, ist für mich selbstverständlich. Wir müssen das Thema ruhig und besonnen anpacken. Rom ist auch nicht an einem Tag erbaut worden. Wir werden
Dr. Dieter Thomae
dieses Thema innerhalb der Koalition vielleicht auch mit Ihnen vernünftig in den Griff bekommen.
: Das kann
man mit Ihnen überhaupt nicht machen! -
Zuruf von der SPD: Aber nicht mit Ihnen!)
- Ich denke, Sie werden unseren Vorschlägen zustimmen. Ich habe die Koalition hinter mir; keine falschen Hoffnungen.
Letzter Punkt, der mir ebenfalls am Herzen liegt, den auch Frau Schaich-Walch genannt hat: Wir reden permanent über Rehabilitation. Dabei denken wir an die Rehabilitation, bezahlt durch die Rentenversicherung, und an die Rehabilitation, bezahlt durch die Krankenversicherung. Ein Thema müssen wir unbedingt anpacken: Rehabilitation vor Pflege.
Ich denke, das ist ein entscheidendes Thema, das wir in der nächsten Wahlperiode angehen müssen.
Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
Das Wort hat die Kollegin Dr. Ruth Fuchs, PDS.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber Kollege Thomae, dem letzten Satz, den Sie gesagt haben: Reha vor Pflege, kann ich absolut zustimmen. Gerade deshalb verstehe ich Ihre Politik bezüglich des Kurwesens nicht.
Doch zum Thema. Spezielle Maßnahmen einer Qualitätsanalyse und Qualitätssicherung, eines besonderen Qualitätsmanagements oder auch Leitlinien sowie Standards für die medizinische Arbeit sind heute notwendiger, ja unverzichtbarer geworden. Das ist vor allem deshalb so, weil es ansonsten kaum noch möglich ist, das unüberschaubar gewordene, jeweils aktuelle und gesicherte medizinische Wissen dem einzelnen Patienten tatsächlich zugute kommen zu lassen. Vordergründige ökonomische Gesichtspunkte, die zweifellos auch eine Rolle spielen, sollten stets hinter das vorrangige Ziel der Qualitätserhöhung beim unmittelbaren Handeln am Patienten zurücktreten.
Man kann die Entwicklung auf diesem historisch relativ jungen Gebiet mit großen Erwartungen oder auch mit einer guten Portion Skepsis betrachten. Sicher ist, daß die angesprochenen Leitlinien und Standards im Zuge des medizinischen, wissenschaftlichen und technischen Fortschritts unvermeidlich geworden sind und daß sich verantwortliche Gesundheitspolitik klar zur Förderung dieser im eigenen Land oft noch unterentwickelten Instrumentarien bekennen muß.
Allerdings - auch das sollte im Rahmen einer grundsätzlichen Betrachtung nicht untergehen - dürfte
ihre Funktion im medizinischen Bereich eher die von
mehr oder weniger nützlichen Hilfsmitteln sein. Wunder sollten von ihnen nicht erwartet werden. Denn das ärztliche Denken und Handeln läßt sich nur im begrenzten Umfang in das Korsett vorgegebener Handlungsanweisungen zwängen. Der Mensch ist Gott sei Dank nun einmal keine Maschine;
kein Patient gleicht dem nächsten und kein Krankheitsbild exakt einem anderen. Gerade die Erkennung und Behandlung des einzelnen Krankheitsschicksals in seiner unverwechselbaren Individualität macht seit jeher das Wertvollste und Kreativste des ärztlichen Handelns aus.
Herr Lohmann, wenn Sie mich beschimpfen, dann habe ich nichts dagegen; wenn Sie aber Tausende von Ärzten, die auch in der DDR eine gute Gesundheitspolitik im Interesse der Patienten gemacht haben, angreifen, dann müssen Sie das selber verantworten.
Eine Gesellschaft, die aus Standards oder Leitlinien auch nur im Ansatz Fesseln für das ärztliche Denken werden läßt, wird sich eines Tages wundern, welche unerwünschte und gewissermaßen entseelte Art der Medizin dabei herauskommen kann.
Zu einem weiteren Moment, das beachtet werden sollte. Wenn die grundlegenden Rahmenbedingungen für eine qualitativ hochstehende Medizin nicht stimmen, dann müssen alle noch so gut gemeinten Maßnahmen einer Qualitätssicherung zu erheblichen Teilen ins Leere laufen und am Ende möglicherweise mehr Frustration als berufliche Befriedigung erzeugen. Gewährleistet beispielsweise ein Gesundheitswesen nicht mehr für alle Menschen gleiche Zugangschancen, dann erledigt sich für viele die Frage nach der Qualität ihrer medizinischen Versorgung von selbst.
Wir alle wissen, daß falsche ökonomische Anreize seit längerem das ärztliche Handeln permanent in eine völlig irrationale Mengendynamik treiben. Aber damit sind nicht nur die Hauptansatzpunkte für die Nutzung der großen Rationalisierungsreserven des Systems benannt. Die Besonderheit der gegenwärtigen Situation besteht darin, daß mit ihrer Erschließung entscheidende Voraussetzungen für die Sicherung und Erhöhung der Qualität der medizinischen Arbeit geschaffen würden, weil erstens die Mengendynamik für die Patienten längst risikobehaftet und potentiell qualitätsgefährdend geworden ist und weil es zweitens nicht darum geht, freiwerdende Mittel einfach einzusparen, sondern darum, sie sinnvoller im Interesse einer qualitativ besseren Versorgung der Bevölkerung einzusetzen. Dabei muß naturgemäß vor allem an jene Gebiete gedacht werden, auf denen bisher noch immer Unterversorgung vorherrscht und die mit gravierenden Qualitätsminderungen des Gesamtsystems einhergehen. Ich nenne
Dr. Ruth Fuchs
in diesem Zusammenhang nur die Versorgung durch Hausärzte, den Mangel an Pflegepersonal und an langjährig berufserfahrenen Ärzten in den Krankenhäusern, die psychosoziale Betreuung und die Prävention und Gesundheitsförderung.
Natürlich besteht eine der elementarsten Voraussetzungen für die Qualität der Medizin in einem hohen und gesicherten Niveau der Aus-, Weiter- und Fortbildung der Ärzte und der Personen, die in anderen Gesundheitsberufen stehen. Aber gerade auf diesen Gebieten liegt infolge jahrelanger Versäumnisse bekanntlich vieles im argen. Darüber besteht ausnahmsweise ein so breiter Konsens in diesem Hohen Hause, daß es sich wohl erübrigt, dies im einzelnen zu belegen.
In der zurückliegenden Legislaturperiode haben fast alle politischen Eingriffe und sogenannten Reformansätze im Gesundheitswesen die Arbeit der Ärzte und anderer Beschäftigter zunehmend erschwert und die Voraussetzung für Qualitätsarbeit in der Medizin tendenziell verschlechtert. Das Beitragsentlastungsgesetz und die Gesetze zur dritten Stufe der Gesundheitsreform markieren dabei traurige Höhepunkte. Steigende Selbstbeteiligung und Leistungskürzungen,
die weitere Einführung von Kostenerstattungen in die gesetzliche Krankenversicherung und ein das Leistungsgeschehen nicht fachlich steuernder, sondern fiskalisch knebelnder Koppelungsmechanismus zwischen Beitrags- und Zuzahlungserhöhungen - das ist die Erfolgsbilanz der Regierung Kohl und ihres Gesundheitsministers Seehofer bei der Qualitätsentwicklung in der medizinischen Versorgung.
- Ja, weil die Versicherten mittlerweile schon zwei Drittel dessen bezahlen, was ausgegeben wird, und zwar leider nur diejenigen Versicherten, die chronisch krank sind. Das „leider" möchte ich nicht falsch verstanden wissen. Ich meine das in dem Sinne, daß sie besonders belastet sind.
Das Kur- und Rehabilitationswesen wurde mit politisch verfehlten und handwerklich stümperhaften Maßnahmen in die schwerste Krise seiner Existenz getrieben. Die Anträge der SPD-Fraktion, die darauf abzielen, mit raschen Hilfen wenigstens das Schlimmste zu verhüten, finden unsere Unterstützung. Die Einführung der Kostenerstattung bei Zahnersatz, die dem Minister dann auch noch aus dem Ruder gelaufen ist, hat eine schwere Bresche in das Sachleistungssystem geschlagen und damit den Weg für weitere Privatisierungen medizinischer Behandlungen frei gemacht.
Der vorliegende Antrag der Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen, der die sofortige Rückkehr zum Sachleistungsprinzip fordert, setzt deshalb völlig berechtigt an einem für die gesamte GKV zentralen Punkt an.
Als ein besonderer Treppenwitz wird das inzwischen berühmt-berüchtigte „Notopfer Krankenhaus" in die Geschichte der bundesdeutschen Sozial-
und Gesundheitspolitik eingehen. In einer von der PDS beantragten Aktuellen Stunde ist von allen Oppositionsparteien noch einmal seine ganze Absurdität deutlich gemacht worden.
Ich appelliere hier an die Koalitionsfraktionen, und ich hoffe, daß dies der letzte Appell an Sie als die die Regierung stützenden Fraktionen ist: Wahren Sie wenigstens einen Rest Ihres Gesichtes, und ziehen Sie dieses „Meisterwerk" gesundheitspolitischer Kabarettkunst noch aus eigener Kraft aus dem Verkehr!
Der Antrag der SPD, einen Nationalen Aktionsplan Diabetes ins Leben zu rufen, findet natürlich unsere Unterstützung. Allerdings müssen Sie mir schon die Bemerkung gestatten, daß all das, was jetzt für die Bundesrepublik unter Berufung auf die St.Vincent-Deklaration gefordert wird, im Diabetikerbetreuungssystem der DDR schon jahrzehntelang Praxis war. Dieses System wurde übrigens von dem in der Nachkriegszeit international führenden und weltberühmten Diabetologen Professor Katsch aus Greifswald gemeinsam mit seinen Schülern entwikkelt - was es jedoch ebenfalls nicht davor bewahren konnte, mit gnadenloser Arroganz zerschlagen zu werden. Richtig wäre es, endlich einmal in bezug auf dieses und vergleichbare Gebiete auf jene und andere Mitarbeiter des Gesundheitswesens in den neuen Bundesländern zuzugehen, die für bestimmte Betreuungsformen die Erfahrungs- und Leistungsträger waren.
Herr Kollege Thomae, Sie haben gesagt, die sieben Zentren, die jetzt im Rahmen der Diabetikerbetreuung eingerichtet werden, hätten schon jetzt 300 Millionen DM gespart.
- Erwartet man. Wir haben die Statistik. Das wäre schon möglich gewesen. Sie hätten im Prinzip schon sieben Jahre lang in diesem Bereich Millionen sparen können.
Sie hätten auch die Diabetespatienten vor schweren Folgeerscheinungen schützen können.
Ein besonders bedrückendes Kapitel der Gesundheitspolitik der Koalition beinhaltet der heute ebenfalls zur Abstimmung anstehende Entwurf eines Achten Gesetzes zur Änderung des Arzneimittelgesetzes. Diese Bewertung gilt auch dann, wenn man kei-
Dr. Ruth Fuchs
neswegs übersieht, daß viele der neuen Regelungen nützlich sind.
Frau Kollegin Dr. Fuchs, gestatten Sie dem Kollegen Dr. Thomae eine Zwischenfrage?
Gerne, Herr Kollege Thomae, Ihnen gestatte ich das.
Bisher war es nur möglich, Patienten, die an Diabetes erkrankt sind und nicht mehr ambulant behandelt werden können, ins Krankenhaus einzuweisen. Eine andere Möglichkeit gab es nicht. Durch unser Reformwerk, in das wir Modellversuche eingebaut haben, ist dieser neue Weg möglich. Auf diese Art und Weise hoffen wir, finanzielle Mittel einsparen zu können.
Jetzt müssen Sie aber zur Frage kommen.
Könnten Sie mir also zustimmen, daß es erst durch die Gesetzgebung dieser Koalition möglich ist, diese neuen Wege zu gehen?
Lieber Kollege Thomae, Sie werden sich wundern: Ich stimme Ihnen zu; aber ich habe darauf hingewiesen, daß Sie im Prinzip schon acht Jahre lang die ambulante Betreuung von Diabetikern in der Bundesrepublik Deutschland hätten einführen können, wenn man an dieser Stelle wirklich diese Betreuung übernommen hätte.
Ich glaube, in einem Bundesland gibt es auch noch diese Dispensairbetreuung; sie gibt es auch bei Rheumakranken und anderen. Von daher ist mein Hinweis zu verstehen, daß man vielleicht doch einmal darüber nachdenken sollte, weil es wirklich Geld sparen würde. Der Diabetikerbund selber hat von Reserven in der Größenordnung von 30 Millionen oder 30 Milliarden DM - genau weiß ich das nicht mehr - gesprochen, die durch eine ordentliche, flächendeckende ambulante Betreuung von Diabetikern eingespart worden wären.
Ich komme noch einmal zurück zum Arzneimittelgesetz. Ich hatte gesagt, daß die achte Novelle zum Arzneimittelgesetz im Prinzip ein bedrückendes Kapitel in der Gesundheitspolitik darstellt, auch wenn viele Regelungen, die darin vorgesehen sind, gut sind. Schlimm finde ich aber, daß der von allen Parteien dieses Hauses gemeinsam getragene Auftrag des 3. Untersuchungsausschusses zu HIV-Infektionen mit Blut und Blutprodukten, das bisherige Arzneimittelhaftungsrecht noch in dieser Legislaturperiode zugunsten der durch Arzneimittel geschädigten Opfer zu verändern, nicht erfüllt wurde, obwohl wir alle eigentlich etwas tun wollten. Da muß sich die F.D.P., auch wenn ich Sie vorhin gelobt habe, Herr Kollege Thomae, daß Sie nach acht Jahren einsichtig geworden sind, fragen lassen, was ihr das Leid der
Betroffenen gegenüber den Interessen der Versicherungswirtschaft und der Pharmaindustrie wert ist.
Wir werden der Novellierung des Arzneimittelgesetzes nicht zustimmen können, weil eben diese Seite nicht geklärt worden ist.
Die Änderungen am Medizinproduktegesetz sind durchgehend sinnvoll und werden auf diesem Gebiet künftig eine sachgerechtere Arbeit ermöglichen. Allerdings ist entgegen dem ursprünglichen Entwurf daraus ein Artikelgesetz geworden, in dem nun auch Sachverhalte aus dem Bereich des BSHG und weiteren Gebieten des Sozialrechts neu geregelt werden.
Frau Kollegin Dr. Fuchs, Sie müssen jetzt zum Schluß kommen.
Ich komme zu meinem letzten Satz. - Deshalb wird von unserer Gruppe am Schluß dieser Debatte eine Erklärung zum Abstimmungsverhalten abgegeben werden.
Danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Das Wort hat jetzt der Kollege Johannes Singhammer, CDU/CSU.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich anläßlich der vorliegenden Anträge zum Kur- und Rehabereich die drei Ziele darlegen, die wir mit unserer Politik verfolgen.
Erstens. Wenn Kur- und Rehamaßnahmen medizinisch notwendig sind, dann müssen sie auch gewährt werden. Die Behauptungen, Patienten müßten immer nach drei Wochen eine Kur- oder Rehaeinrichtung verlassen oder eine neue bzw. wiederholende Kur sei ausnahmslos erst nach vier Jahren möglich, sind Unsinn.
Tatsache ist, daß es keine starren Fristen gibt. Das Gesetz sieht Regelfristen vor; Kuranträge dürfen aber nicht unter Hinweis auf diese Fristen abgelehnt werden. Entscheidend bei der Genehmigung von Kuranträgen ist allein die dringende medizinische Notwendigkeit einer Maßnahme.
Soweit aus gesundheitlichen Gründen eine Kur, die länger als drei Wochen dauert, notwendig ist, muß sie gewährt werden. Ebenso muß dann auch das Vierjahresintervall nicht abgewartet werden. Allein der Arzt entscheidet.
Zweitens. Wir wollen einen Anstieg der Beiträge zu den Sozialversicherungen vermeiden. Alles, was für Kur- und Rehamaßnahmen ausgegeben wird, muß zuvor auch einbezahlt werden. Bezahlt wird
Johannes Singhammer
über die Lohnnebenkosten. Mittlerweile ist auch dem letzten klargeworden, daß es einen negativen Zusammenhang zwischen dem Anstieg der Lohnnebenkosten, dem Standort Deutschland und der Sicherung und Neuschaffung von Arbeitsplätzen gibt. Zwischen 1991 und 1996 sind die Leistungsausgaben in der Krankenversicherung beispielsweise um 77 Prozent und in der Rentenversicherung um 46 Prozent angestiegen. Solche Steigerungsraten sind nicht allein medizinisch begründbar. Deshalb war eine Reform notwendig.
Jetzt haben wir bei den Ausgaben in der Rentenversicherung etwa wieder das Niveau des Jahres 1993 und in der Krankenversicherung das Niveau des Jahres 1994 erreicht. Wohl niemand kann seriöserweise behaupten, daß Deutschland in den Jahren 1993 oder 1994 eine Kur- oder Rehabilitationswüste gewesen wäre. Wer dagegen allen alles verspricht und ein „Weiter so!" propagiert, der wird am Schluß nichts von seinen Versprechungen halten können.
Drittens. Wir wollen die Kurorte und Heilbäder unterstützen, wo immer das möglich ist. Für eine Reihe von Heilbädern hat der Rückgang der Kuren vom hohen Niveau der Jahre 1995 und 1996 schwerwiegende Probleme aufgeworfen. Der Hauptgrund war aber, daß die Zahl der Anträge auch deshalb zurückgegangen ist, weil viele der potentiellen Antragsteller befürchten mußten oder befürchtet haben, daß sie möglicherweise Nachteile an ihrem Arbeitsplatz erleiden, wenn sie einen Kurantrag stellen und dann diese Kur wahrnehmen.
Seit Beginn dieses Jahres sind 500 000 neue Arbeitsplätze in Deutschland geschaffen worden. Die zunehmende Entspannung des Arbeitsmarktes wird auch Auswirkungen auf die Anzahl der gestellten Anträge haben. Allein bei den bayerischen Landesversicherungsanstalten ist die Zahl der Anträge im ersten Quartal 1998 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 10 Prozent gestiegen. Dieser Vorgang spiegelt auch die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt wider. Je besser sich der Arbeitsmarkt entwickelt, desto mehr Kuranträge werden gestellt. Hier sind wir auf einem hervorragenden Weg.
Wir brauchen aber auch eine Neuorientierung vor Ort. Durch konkurrenzfähige Produkte und professionelle Vermarktung sollen mehr selbstzahlende Gäste für deutsche Gesundheitsleistungen in den Bädern gewonnen werden. Wir brauchen neue Marketingstrategien, zum Beispiel: Buchung von Kuren unmittelbar in Reisebüros, Schnupperwochenenden, Pauschalangebote, Kuren für spezielle Berufsgruppen, Sonderkonzepte für Selbsthilfegruppen. Hier gibt es eine Menge zu tun, und der Kreativität sind wenig Grenzen gesetzt.
Wir bedauern, daß eine gleichmäßige Auslastung von privaten Kureinrichtungen und Einrichtungen der Landesversicherungsanstalten und der Bundesversicherungsanstalt durch Gesetz nicht möglich war, denn das geplante Ergänzungsgesetz zum Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetz
wurde - wen wundert es - von der SPD-Mehrheit im Bundesrat blockiert.
Herr Kollege Singhammer, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Irber?
Aber sehr gerne.
Bitte.
Herr Singhammer, Sie haben gerade gesagt, es sei notwendig, neue Vermarktungsstrategien zu fahren, andere Gäste zu werben, Direktbuchungen im Reisebüro zu ermöglichen und Berufsgruppen für Kuren zu gewinnen. Wie soll das finanziert werden? Aus welchen Ministerien gibt es Geld für eine solche Marketingstrategie? Oder sollen die Kureinrichtungen diese Mittel selber aufbringen? Gibt es hierfür Mittel für die Fremdenverkehrsverbände? Können Sie mir sagen, aus welchem Etat diese Maßnahmen bezahlt werden sollen?
Frau Kollegin Irber, zunächst ist es natürlich Aufgabe der einzelnen Heilbäder und der Kurorte selbst, Werbemaßnahmen zu ergreifen. Dabei werden sie unterstützt. Die Unterstützung ist von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich. In Bayern gibt es meines Wissens eine Reihe von Zuschüssen, die gewährt werden.
Es wird auch logistische Unterstützung gewährt, um spezielle Kurangebote in Gang zu bringen und mehr Kurgäste zu gewinnen. Ich denke, daß wir auf einem richtigen Weg sind. Das kann natürlich nicht heißen - das sage ich auch -, daß alle diese Maßnahmen von öffentlichen Geldgebern finanziert werden. Es muß im Einzelfall entschieden werden.
- Aber gerne.
Mich würde schon interessieren, Herr Kollege Singhammer, warum gerade im Bayerischen Landtag vier Anträge gestellt werden, um den Zustand vor der Gesetzesänderung wieder herbeizuführen. Es sind Ihre Kollegen von der CSU, die diese Anträge gestellt haben, und nicht die gegnerischen Kollegen.
Frau Kollegin Irber, es ehrt Sie, daß Sie sich über die Geschlossenheit der CSU Gedanken machen. Wir wissen, daß die Geschlossenheit ein sehr wichtiges Gut ist. Wir werden daran festhalten. Davon können Sie ausgehen.
Johannes Singhammer
Wir werden zu einer geschlossenen Haltung kommen. Ich wünsche Ihnen, Frau Irber, diese geschlossene Haltung auch bei der Abstimmung über das Asylbewerberleistungsgesetz.
Gestatten Sie noch eine Zwischenfrage?
Jawohl. Frau Limbach, bitte sehr.
Herr Kollege, könnten Sie mir zustimmen, daß es durchaus erlaubt ist, eine Kur privat zu absolvieren, wie es auch unsere Freunde in den Partnerländern in der Europäischen Union tun?
Frau Kollegin Limbach, ich stimme Ihnen hier uneingeschränkt zu und begrüße das: Je mehr Gäste im privaten Bereich gewonnen werden, desto besser geht es unseren Kur- und Heilorten.
Lassen Sie mich noch einen Satz zum Schluß sagen. Wir bedauern, wenn von der Opposition in der Öffentlichkeit verunsichernd der Eindruck erweckt wird, die Kuren würden nicht mehr im bisherigen Umfang gewährt; es habe keinen Sinn mehr, Anträge zu stellen. Das Gegenteil ist richtig: Wir müssen dazu ermuntern und auffordern, daß Kuranträge gestellt werden. Diejenigen, die Kuren brauchen, werden sie auch erhalten. Machen wir das gemeinsam: Werben wir für Kuranträge; das ist das Beste, was wir für die Kur- und Heilorte tun können.
Danke schön.
Das Wort hat jetzt der Kollege Horst Schmidbauer, SPD.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ob geplant oder nicht: Es sieht so aus, daß die Qualitätssicherung der gemeinsame Nenner für die heutige Debatte ist, weil es schon einen gewissen Sinn macht, wenn man den Gemischtwarenladen, der heute von Reha über Qualitätssicherung und Diabetes letztendlich bis zum Medizinproduktegesetz reicht, unter dieser Oberschrift behandelt.
Aber logisch ist für uns natürlich, daß wir beim Anforderungsprofil der Qualitätssicherung auch die achte AMG-Änderung und den nationalen Diabetes-plan auf den Prüfstand stellen. Wenn man einmal die Meßlatte der Qualitätssicherung, wie wir sie in der Großen Anfrage der SPD formuliert haben, bei der achten Änderung des Arzneimittelgesetzes anlegt, kann man feststellen, daß die Änderung erstens nichts mit Qualitätsverbesserung im Arzneimittelbereich, zweitens nichts mit einem besseren Patienten-
und Verbraucherschutz, drittens nichts mit Innovationen im Arzneimittelbereich, viertens nichts mit einem sozialstaatlichen Haftungsrecht, das wir angestrebt haben, und fünftens schon gar nichts mit einer Rechtsdurchsetzungsparität für die Opfer von Arzneimittelschäden zu tun hat.
Die SPD hatte Ihnen Hilfestellungen gegeben. Wir haben im Gesundheitsausschuß sieben Änderungsanträge und einen Haftungsrechtsgesetzentwurf eingebracht, also ein Angebot unterbreitet. Aber man mußte den Eindruck gewinnen, daß Sie in diesen zentralen Fragen keinen Konsens wollten. Deshalb haben Sie unsere Vorschläge abgebügelt.
Wenn wir uns also heute bei der Abstimmung zur achten Änderung des AMG der Stimme enthalten, dann hängt das vor allem damit zusammen, daß davon Bereiche betroffen sind, die wir unterstützen und geregelt haben wollen, ob es der Dopingbereich oder das Verbot des Versandhandels ist, um nur zwei Beispiele zu nennen. Wir stimmen den Regelungen grundsätzlich zu, enthalten uns aber, weil keine Fortentwicklungen in Richtung Verbraucherschutz stattgefunden haben.
Wir wollen mit unserem Entschließungsantrag deutlich machen, wie es mit der Blockadehaltung der Koalition beim Patientenschutz bestellt ist. Das wollen wir auch nach draußen dokumentieren.
Zurück zur Qualitätssicherung. Auch von internationaler Seite erhält das deutsche Gesundheitswesen keine guten Noten mehr. Die OECD stellt in ihrem Wirtschaftsbericht 1997 erstmals fest, daß die deutschen Gesundheitsausgaben im Vergleich zu den Ausgaben im OECD-Durchschnitt erhöht sind, die Gesundheitsergebnisse allerdings nur dem OECDDurchschnitt entsprechen. Für die Bundesregierung mag das - wie aus der Antwort zu ersehen ist - eine Überraschung sein, für Insider aber sicherlich nicht. Beispiele gibt es genug, die dieses Insiderwissen belegen.
Ich möchte aus dem Fachbereich der operativen Gynäkologie ein Beispiel herausgreifen, das mich bewegt hat. Denn es ist besonders makaber, daß ausgerechnet der Bundesminister für Gesundheit in diesen Tagen zu diesem Bereich eine Studie zur Qualitätssicherung veröffentlicht hat. Renommierte Wissenschaftler, vor allem die zuständige Fachgesellschaft, haben festgestellt, daß 20 Prozent aller Muttermundoperationen und zirka 40 Prozent aller Operationen an den Eierstöcken und Eileitern nicht erforderlich waren.
Noch extremer ist ein Beispiel aus Hamburg: Dort hat
ein Gynäkologe die schockierende Zahl veröffentlicht, daß von 400 kleinen Eierstockzysten, die im
Horst Schmidbauer
Laufe eines Jahres von einem ambulanten Operateur zur Untersuchung geschickt worden waren, ganze drei krankhaft verändert waren.
Ich finde, das ist schlimm, vor allem wenn man an das Schicksal der Frauen denkt, die einen unnötigen Eingriff erfahren haben. Wenn man weiterdenkt - das ist ja unsere Aufgabe -, ist zu fragen: Wie können wir durch Qualitätssicherung solche Fehlentwicklungen für die Zukunft vermeiden?
Das Gesundheitswesen ist, wenn man solche Beispiele betrachtet - man könnte aus vielen medizinischen Bereichen Beispiele anführen -, weniger effizient geworden. Es ist punktuell schlechter geworden. Diese Schwächen und Mängel beruhen nicht nur auf den allseits erkannten strukturellen Mängeln der Versorgung. Es fehlt vielmehr ein wirkungsvolles Qualitätsmanagement. Da bin ich ausnahmsweise mit dem Gesundheitsminister einer Meinung, der 1992 bei der Beratung des Gesundheitsstrukturgesetzes sagte - ich zitiere ihn -:
Eine wesentliche Ursache sind unwirtschaftliche Strukturen. Die vorhandenen Strukturen führen zu Irrationalitäten. Deshalb müssen wir sie durchbrechen.
So, wie der Minister redet, wird zur Zeit viel geredet. Es wird schon zu lange nur geredet und zu wenig gehandelt.
Dabei sollte Qualitätssicherung bereits seit langem ein selbstverständlicher Bestandteil des medizinischen Handelns sein.
Aber man hat den Eindruck, daß der Akteur im Bundesministerium nach dem Motto handelt: Es muß etwas geschehen, aber es darf nichts passieren.
Es ist noch dramatischer: Nach 1996 sieht es so aus, als ob den Herrn Minister in Sachen Qualitätssicherung die Sprachlosigkeit befallen hätte. 1996 stellte er letztmals fest - ich zitiere aus der „Welt am Sonntag" vom 4. Februar 1996 -: „Wir könnten 25 Milliarden sparen, aber wir haben versagt".
Ja, es ist richtig: Wir könnten 25 Milliarden DM sparen. Richtig ist auch, Herr Minister: Sie haben bei der Qualitätssicherung versagt.
Vielleicht verstehen Sie jetzt, daß für uns Sozialdemokraten Qualitätssicherung eine große Herausforderung ist und für uns eine zentrale Aufgabe nach dem 27. September dieses Jahres werden wird.
Für uns ist klar: Wer Qualitätsprobleme in den Griff bekommt, senkt die Kosten. Wer nur spart, senkt die Qualität.
Basis für die Qualitätssicherung ist die „evidence based medicine". Dadurch wird die Versorgung der Bevölkerung erheblich verbessert. Die Einhaltung und Kontrolle all der Erfordernisse einer „evidence based medicine", also die Qualität, kostet natürlich Geld. Fehler jedoch verursachen weitere unnötige Mehrkosten.
Fehler verteuern die Versorgung. Fehler führen zu Unwirtschaftlichkeit. Wer also Qualitätsprobleme in den Griff bekommt, senkt die Kosten. Wer nur spart, senkt die Qualität.
Nicht nur die Ethik im Sinne des Nürnberger Ärzte-Codes verpflichtet alle, medizinisches Handeln an Qualitätskriterien auszurichten. Qualitätsmanagement ist der entscheidende Beitrag zur Mobilisierung von Wirtschaftlichkeitsreserven im Gesundheitswesen, die von Seehofer mit 25 Milliarden DM beziffert werden. Das ist für uns der wesentliche Deckungsbeitrag für die Veränderungen, die wir im Gesundheitswesen brauchen, um in Zukunft der üblen Abkassiererei ein Ende bereiten zu können.
Aber, meine Kolleginnen und Kollegen, im Umkehrschluß müssen die Krankenkassen mehr Handlungsspielraum erhalten und neue Wege in der Versorgung ihrer Versicherten gehen können.
Die Medaille Qualitätssicherung hat zwei Seiten. Die eine besagt: Die unwirtschaftlichen Strukturen müssen trockengelegt werden, weil erhebliche Ressourcen verschwendet werden. Die zweite Seite der Medaille besagt: Unnötige und überflüssige medizinische Leistungen verursachen viel menschliches Leid. Beide Seiten der Medaille kann man besonders an der Diabetes-Versorgung darstellen.
Heute ist ein ganz besonderer Tag, weil es das erste Mal ist, daß das Anliegen von 6 Millionen Menschen das Plenum des Deutschen Bundestages erreicht. 6 Millionen Menschen ist eine abstrakte Zahl. Aber auf jeden erkannten Zuckerkranken kommt nach Schätzung von Experten ein unerkannter oder eine unerkannte. Jeder fünfte Bürger wird im Laufe seines Lebens mit Diabetes konfrontiert werden. Der Anteil der Personen in der bundesdeutschen Bevölkerung mit dieser Erkrankung wird sich bis zum Jahr 2010 nahezu verdoppeln. Aber schon vor neun Jahren hat die Weltgesundheitsorganisation festgestellt, daß sich in Mitteleuropa und insbesondere in Deutschland der Diabetes mellitus zu einer Volkskrankheit entwickelt hat. Europaweit signalisieren
Horst Schmidbauer
explodierende Zahlen dringenden Handlungsbedarf. Statt der heute angenommenen 20 Milliarden DM droht nun eine Kostenlawine von mehr als 40 Milliarden DM auf das Gesundheitswesen zuzurollen.
1989 verpflichtete sich die Bundesregierung mit der Unterzeichnung der St. Vincent-Erklärung, daß die diabetesbedingten Amputationen um die Hälfte reduziert werden und die Erblindungen und die Fälle von Nierenversagen um ein Drittel reduziert werden, daß die Sterblichkeitsrate zurückgeht und daß die Diabetikerinnen kein höheres Schwangerschaftsrisiko als Nichtdiabetikerinnen haben sollten. Heute ist die Situation aber genau ins Gegenteil verkehrt. Die Versorgung der Diabeteskranken ist heute nicht besser geworden, sondern hat sich verschlechtert - verschlechtert, weil jede dritte Neuerblindung einen Diabetiker oder eine Diabetikerin trifft, verschlechtert, weil seit 1990 zwei Drittel aller in Deutschland durchgeführten Amputationen bei Diabetikern durchgeführt wurden, weil jede bzw. jeder zweite neuandialysierte Patientin bzw. Patient eine Diabetikerin oder ein Diabetiker ist.
Mein persönliches Schlüsselerlebnis war ein Besuch der Universität Düsseldorf. Die dortige diabetische Fußambulanz stand in einem direkten fünfjährigen Vergleich mit dem Krankenhaus in Ratingen, das 25 Kilometer entfernt ist. Bei der gleichen Diagnose verließ in Ratingen nur noch ein Drittel der Patienten mit ihrem Bein das Krankenhaus, bei der kompetenteren Versorgung in Düsseldorf zwei Drittel. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist ein Skandal, weil es zu Lasten schlecht behandelter Zukkerkranker geht. Schlecht behandelte Zuckerkranke kostet die Krankheit zwischen acht und zehn Jahre ihres Lebens. Schlecht behandelte Zuckerkranke kosten die Solidargemeinschaft der Krankenkassen Milliardenbeträge, die besser eingesetzt oder gespart werden könnten.
Wenn eine optimale Versorgung möglich ist, dann haben Menschen mit Diabetes die gleiche Lebenserwartung wie der Durchschnitt der Bevölkerung. Das ist der entscheidende Punkt, auf den wir abheben müssen.
Wenn wir in Deutschland die Mittel, das Wissen und die Instrumente, über die wir verfügen, nicht einsetzen, dann stellt sich die Frage, ob wir uns nicht der Körperverletzung schuldig machen. Ziel muß es sein, daß jeder Diabetiker eine wohnortnahe, interdisziplinäre und fachlich kompetente Versorgung bekommt. Ziel muß ein Netz aus kooperierenden Hausärzten, qualifizierten Fachärzten und Krankenhäusern sowie der selbstbewußte Patient sein. Verantwortliche Politiker müssen mehr Weitblick entwikkeln. Prävention muß das Feuerlöscherprinzip ersetzen. Verantwortliche Politiker müssen Verantwortung übernehmen. Der Gewinn liegt bei den Lebensjahren, die diabeteskranke Patienten gewinnen. Der Gewinn liegt bei den Milliardenbeträgen für vermiedene Folgekosten.
Unser Motto heißt deswegen, liebe Kolleginnen und Kollegen: Wer ernten will, muß vorher säen. Wir
als SPD wollen nach all den Jahren der Tatenlosigkeit endlich handeln, endlich säen. Wir wollen hier und heute aber auch ein Bekenntnis zum nationalen Diabetikerplan. Ich denke, wir sind uns in diesem Hause einig: Die Menschen warten darauf, und sie haben es verdient, daß ihnen geholfen wird.
Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Marina Steindor, Bündnis 90/ Die Grünen.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Am Ende der Legislaturperiode bearbeiten wir ein wahres Sammelsurium von Anträgen. Ich hätte mir weiß Gott mehr Redezeit gewünscht, um die Gesundheitspolitik dieser Legislaturperiode noch einmal Revue passieren zu lassen
und Ihre rein fiskalische und schrittweise privatisierende, jedoch nicht an Gesundheitszielen orientierte Gesundheitspolitik zu durchleuchten.
Ich möchte mich auf drei Punkte beschränken. Der erste Punkt meiner Rede gilt dem Kur- und Rehabilitationswesen.
Sie haben sich, den bayerischen Landtagswahlkampf fest vor Augen, die Mühe gemacht, hier im Parlament noch einen längeren Entschließungsantrag vorzulegen.
Ich muß wirklich sagen: Ich hatte Ihnen, ehrlich gesagt, mehr politische Klugheit zugetraut. Ich habe mir gar nicht vorstellen können, daß Sie ein derartiges Dokument der Unbelehrbarkeit in dieses Parlament einbringen, wie Sie es zu Beginn dieser Debatte getan haben.
Was zunächst auffällt, ist, daß Sie in diesem Antrag nur noch feststellen. Sie stellen überhaupt keine parlamentarischen Forderungen. Politisch sind Sie derart unter Druck, daß Sie mit semantischen Tricks arbeiten müssen. So zitieren Sie beispielsweise, daß Parteien, Gewerkschaften und Arbeitgeber der übereinstimmenden Überzeugung seien, daß man die Lohnnebenkosten nicht weiter steigen lassen dürfe. Wollen Sie damit etwa suggerieren, daß die Gewerkschaften einer Lohnnebenkostensenkung zustimmen würden, die mit Massenarbeitslosigkeit erkauft wird? Das ist doch keine politische Korrektheit mehr, sondern ein unglaublicher semantischer Trick.
Sie wissen genau, daß es andere Wege gibt, die
Lohnnebenkosten zu senken, als die sozialen Siche-
Marina Steindor
rungssysteme kaputtzusparen oder zu privatisieren, wie Sie es tun,
beispielsweise durch eine ökologische Steuerreform, auf die Bündnis 90/Die Grünen zur Lösung dieses Problems setzt.
In Ihrem Antrag nennen Sie, semantisch formuliert, die durch Ihre Regierungspolitik hervorgerufene Arbeitslosigkeit - da gibt es nichts zu lachen - zynischerweise „Umstellungsprozeß". Und dann unterstellen Sie der Opposition, daß sie mit ihrem Protest den Kur- und Rehabilitationseinrichtungen mehr geschadet habe als Sie mit Ihrer Regierungspolitik.
Das darf doch wohl nicht wahr sein. Sie haben doch mit Ihrer Mißbrauchsdebatte Kuren und Rehabilitationen derart schlechtgeredet, daß sich die Bürgerinnen und Bürger gar nicht mehr getraut haben, Anträge zu stellen.
In Ihrem Entschließungsantrag wagen Sie es nach all den Jahren Debatte weiterhin, die falschen Zahlen zu präsentieren. Sie reden noch immer davon, daß es damals keine medizinischen Gründe für die Steigerungsraten gab.
Sie verschweigen noch heute, daß ungefähr ein Drittel der Steigerungsraten durch die deutsche Einigung bedingt ist,
weil man in den ostdeutschen Kur- und Rehabilitationseinrichtungen aufgebaut hat
und diese von den Bürgerinnen und Bürgern in Anspruch genommen worden sind.
Des weiteren verschweigen Sie in Ihrem Antrag noch heute, daß ungefähr 20 Prozent des Anstiegs durch eine gesetzesinduzierte Ausweitung der Kosten in der Rentenversicherung auf Grund Ihrer 10. AFG-Novelle zustande gekommen sind. Auch die übrigen sachlich-faktisch vorliegenden Gründe für die damalige Steigerung negieren Sie weiterhin.
Die besondere Pikanterie ist, daß Sie den demographischen Wandel, der für ein Fünftel der Steigerung verantwortlich ist, einfach vernachlässigen. Wenn
Sie aber die Zuzahlungen im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung begründen wollen, dann vergessen Sie den demographischen Wandel nicht. Darüber sollten Sie einmal nachdenken.
Im Rest Ihres Antrages verfallen Sie in Beschwichtigungs- und Aufschwungsrhetorik nach dem Motto: Es wird ja alles besser. Das alles ist hier schon vorgetragen worden. Ich gehe davon aus, daß Ihnen das auch die Bürgerinnen und Bürger in Bayern nicht abnehmen. Fakt ist, daß Sie einen florierenden personenbezogenen Dienstleistungssektor schwer beschädigt haben und dort Massenarbeitslosigkeit hervorgerufen haben.
Ich möchte jetzt zum zweiten Teil meiner Rede kommen, nämlich zu der einfachen Frage: Was hat die Regierungskoalition für den Patientenschutz in dieser Legislaturperiode zustande gebracht?
Kurz zusammengefaßt könnte man sagen: ein Abkassiermodell und Leistungseinschränkungen, sonst ist nichts dabei herausgekommen.
Sie haben es trotz der Anträge und der qualitativ hochrangigen Anhörung, die wir im Bundestag hatten, tatsächlich fertiggebracht, die Verbesserung der Haftungsregelungen im Arzneimittelgesetz die ganze Legislaturperiode über zu verschleppen. Sie haben in diesem Bereich nichts getan. Statt den Schutz der Patienten zu erhöhen, verringern Sie den Schutz durch die Änderung des § 40 in der 8. AMGNovelle sogar noch. Sie nennen das Verfahrensvereinfachung.
Ich kome zu meinem dritten Punkt. Sie werden mit Ihrer Politik der rasanten Entwicklung der modernen Biologie und Medizin nicht gerecht. Wahrscheinlich meinen Sie, daß Sie durch eine Streiterei über die Ratifizierung der Bioethik-Konvention schon den bioethischen Notwendigkeiten gerecht würden. Aber nicht überall dort, wo Bioethik draufsteht, ist auch Bioethik drin. Gerade bei der klinischen Prüfung muß ein Land wie die Bundesrepublik Deutschland, das so viele forschende Arzneimittelhersteller hat, ganz besonders klarmachen, daß es nicht die Politik ist, Patientenschutzinteressen hinter Industrieinteressen zu stellen, sondern daß genau andersherum Politik gemacht werden muß.
Durch den immensen wirtschaftlichen Druck im Bereich der klinischen Prüfungen, die mittlerweile sogar Hauptgrund für Fusionen von Pharmakonzernen sind, gerät die ethische Begutachtung und geraten die Ethik-Kommissionen in den Fokus von Wirtschafts- und Standortpolitik. Da sind Sie bereit, die Interessen der Patientinnen und Patienten sowie der Probanden auf dem Altar Ihrer Standortpolitik zu op-
Marina Steindor
fern. Damit werden Sie noch nicht einmal der europäischen Regelung gerecht, sondern Sie überreagieren in Ihrem Vorschlag, wie Sie es auch bei der 5. AMG-Novelle gemacht haben, mit der Sie uns durch eine Überreaktion all diese Probleme mit den besonderen Therapierichtungen eingehandelt haben, die Sie jetzt zu korrigieren versuchen.
An dieser Stelle wird erneut klar, daß Sie in der Gesundheitspolitik verdeckt Wirtschaftspolitik betreiben und daß Sie die bioethischen Belange einer zukunftsorientierten Politik nicht wahrnehmen.
- Selbstverständlich nicht!
In den nächsten Jahren - ich sage das hier mit großem Ernst - wird die Zahl der klinischen Prüfungen sehr stark zunehmen und damit auch die sogenannten unerwünschten Ereignisse. Dahinter verstecken sich auch vermeidbare Todesfälle. Sie leisten es sich als Staat weiterhin, überhaupt nicht zu wissen, wie viele solcher unerwünschten Ereignisse es gibt; denn Sie weigern sich wiederum, in der Bundesbehörde einen Meldekopf einzurichten, um überhaupt einen Überblick darüber zu bekommen. Das ist um so skandalöser, als das auch schon Gegenstand der Beratung in der letzten Legislaturperiode war. Man sieht daran ganz klar, daß Sie die Interessen der Pharmaindustrie in den Vordergrund stellen.
Sie nehmen auch keine Rücksicht darauf und versuchen nicht zu durchleuchten, wie stark die Arzneimittelbegutachtungen und klinischen Prüfungen schon jetzt durch finanzielle Zuwendungen der Pharmaindustrie manipuliert sind. Das ist kein Weg für die Zukunft. Das ist nicht unsere Politik. Deshalb werden wir uns dagegen wenden.
Ich erteile das Wort jetzt dem Bundesgesundheitsminister Horst Seehofer.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zur Stunde findet im Saarland die Konferenz der Gesundheitsminister der Länder statt. Ich habe das Gremium um Verständnis dafür gebeten, daß ich mit Respekt vor diesem Parlament erst anschließend dorthin fliegen werde.
Vor diesem Hintergrund halte ich es für eine grobe
Unhöflichkeit, daß die Kollegin Knoche hier eine
Rede mit massiven Angriffen gegen die Bundesregierung hält und anschließend an der Debatte nicht mehr teilnimmt.
Frau Kollegin Schaich-Walch, mit Ihnen möchte ich beginnen; denn Sie haben die These aufgestellt, die finanziellen Probleme in der deutschen Krankenversicherung seien noch nicht gelöst. Dazu möchte ich einige Fakten anführen, die man auch in Wahlkampfzeiten nicht ganz unter den Tisch kehren sollte.
Erstens. In meinem ersten Ministerjahr 1993 lag der durchschnittliche Beitragssatz in der gesetzlichen Krankenversicherung Deutschland West bei 13,4 Prozent; jetzt liegt er bei 13,6 Prozent. Wir werden auch im Jahre 1998 Beitragssatzstabilität haben. Ich kann mich nicht erinnern, daß in der jüngeren Geschichte der deutschen Krankenversicherung sechs Jahre nacheinander stabile Beitragssätze geherrscht haben.
- Lassen Sie mich erst die Zahlen nennen. Dann erübrigt sich vielleicht die Zwischenfrage; denn die kann ja nur lauten: Wer hat die Beitragssatzstabilität finanziert?
Zweitens: Rücklage in der gesetzlichen Krankenversicherung West zum 31. Dezember 1997 7,7 Milliarden DM. Das sind 90 Prozent mehr, als die gesetzliche Mindestrücklage beträgt, die bei 4 Milliarden DM liegen würde. Die positive Botschaft, die sich damit verbindet, ist - das möchte ich einmal der Kollegin Fuchs sagen -, daß die gesetzlichen Krankenkassen West auf Grund dieser hohen Rücklage in der Lage sind, den gesetzlichen Krankenkassen Ost mit der Folge zu helfen, daß es im Osten auch stabile Beitragssätze und gleichwohl erstklassige Medizin und Pflege für die Menschen dort gibt.
Dritte Bemerkung zu den Fakten. Es heißt, es gebe nur die Versicherten oder die Patienten, die belastet seien. Die Leistungsausgaben in der gesetzlichen Krankenversicherung sind in ganz Deutschland in den ersten drei Monaten dieses Jahres praktisch nicht gestiegen. Hier gibt es eine bescheidene Zuwachsrate von 0,1 Prozent. Das ist als Botschaft deshalb wichtig, weil sich dahinter verbirgt, daß alle Beteiligten im deutschen Gesundheitswesen - die Ärzte, die Apotheker, die Pharmaindustrie, die Krankenhäuser - massiv gespart und damit ihren Beitrag zur Stabilität der Beiträge geleistet haben.
Meine Damen und Herren, wir verschweigen gar nicht, daß wir auch die Selbstbeteiligung erhöht ha-
Bundesminister Horst Seehofer
ben. Die Selbstbeteiligung zahlen in der Tat die kranken Menschen.
Aber man muß hinzufügen, daß wir ohne diese Selbstbeteiligung die Erreichung unseres obersten politischen Zieles, nämlich erstklassige Medizin und Pflege für kranke Menschen in Deutschland, in den letzten Monaten nicht hätten sicherstellen können.
Auch die Selbstbeteiligung ist solidarisch gestaltet.
30 Prozent der Versicherten sind von jeder Zuzahlung zu Arzneimitteln völlig befreit; in den neuen Bundesländern sind es 34 Prozent. Selbst beim bösesten Willen wird man vor dem Hintergrund, daß ein Drittel der Bevölkerung von jeder Zuzahlung bei Arznei- und Heilmitteln befreit ist, nicht behaupten können, daß wir auf die kleinen Leute und insbesondere auf die kleinen Rentner nicht Rücksicht genommen hätten.
Jetzt möchte ich einmal an die Adresse der Anhänger der Positivliste etwas sagen. Frau Steindor, richten Sie bitte der Frau Kollegin Knoche aus: Gäbe es eine Positivliste, also eine Liste, die nach Ihren Vorstellungen Arzneimittel in einer Größenordnung von 6 Milliarden DM aus dem Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung ausgrenzte, wären damit zwei Botschaften verbunden. Erstens müßte man dann der Bevölkerung sagen, daß alle Naturheilrichtungen aus dem Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung verschwinden würden. Alle!
Zweitens: Wenn man 6 Milliarden DM einsparen wollte, hieße dies im Klartext, in der Größenordnung von 6 Milliarden DM würden Arzneimittel für die Menschen nicht mehr verordnet, das heißt weniger Arzneimittel.
Jetzt sage ich Ihnen einmal: Die Erhöhung der Selbstbeteiligung, die wir durchgeführt haben, bringt der Krankenversicherung 5 Milliarden DM, und Sie möchten Leistungen in der Größenordnung von 6 Milliarden DM ausgrenzen, die dann die Versicherten zu 100 Prozent selbst zu bezahlen hätten. Deshalb setzen Sie sich wieder hin, und halten Sie uns keine Vorträge über die soziale Ausgewogenheit.
Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Steindor?
Obwohl ich sehr diskussionsfreudig bin, lasse ich jetzt aus den Reihen der Grünen eine Zwischenfrage nicht zu, weil ich es als ungeheuerlich empfinde, daß hier eine Rede abgeliefert, anschließend der Saal verlassen und der Diskussion mit uns ausgewichen wird. Das halte ich für ungeheuerlich.
- Nein, trotz Gesundheitsministerkonferenz habe ich nicht gesagt, die Parlamentarische Staatssekretärin solle mich vertreten, obwohl sie das ganz hervorragend gemacht hätte, sondern ich habe gesagt, der Respekt vor diesem Thema gebietet es, daß ich hierbleibe. 16 Minister warten im Saarland auf mich.
Nun zu Ihnen, Frau Fuchs. Ich halte es für sehr gut, daß wir ein Sonderprogramm zur Deckung des Nachholbedarfs im Bereich der Krankenhausinvestitionen in den neuen Ländern aufgelegt haben und daß wir die 20 DM erheben, damit die Instandhaltung der Krankenhäuser in den neuen Ländern stattfinden kann. Aber eines kann man nicht machen: die aus unserer Sicht notwendigen Hilfen in Milliardenhöhe zur Reparatur dessen, was dort 40 Jahre vernachlässigt worden ist, in Anspruch nehmen und anschließend hier vor dem Deutschen Bundestag den Finanzierungsweg kritisieren. Das geht nicht.
Damit, Frau Fuchs, kein falscher Zungenschlag entsteht: Ich halte das im Interesse einer guten Versorgung der Menschen in den neuen Ländern für notwendig und richtig. Aber Sie müssen sagen, wie das finanziert wird, ohne daß die Arbeitskosten erhöht werden. Wir haben die Antwort gegeben.
Zum Europäischen Gerichtshof. Es gibt zwei Eckpunkte; ansonsten stimme ich dem Ergebnis der Analyse von Dieter Thomae zu, das Thema in Ruhe zu diskutieren. Der erste Eckpunkt ist und bleibt für mich und die CDU/CSU: Wir wollen kein zentralistisch-bürokratisches Europa, das in Brüssel entscheidet, wo in Deutschland welche Arztpraxis besteht und welches Krankenhaus an der Versorgung teilnimmt.
Der zweite Eckpunkt: Wie lösen wir das Spannungsverhältnis zwischen einem freien Waren- und Dienstleistungsverkehr einerseits und der von uns gewollten nationalen Gestaltungskompetenz in der Sozialpolitik auch in der Zukunft andererseits? Wir wollen, daß diese Problematik, die es unzweifelhaft gibt, politisch aufgearbeitet wird und nicht durch ständige Entscheidungen der Kommission und des Europäischen Gerichtshofes verwaltet wird, was nur dazu führen kann, daß es zu tiefen Fehlentwicklungen auf diesem Sektor kommt.
Bundesminister Horst Seehofer
Es ist schon überraschend:
Die saarländische Gesundheitsministerin und derzeitige Vorsitzende der Gesundheitsministerkonferenz ..., Barbara Wackernagel-Jacobs ,
- die ich sehr schätze -
hat sich für die Kostenübernahme von Gesundheitsleistungen im EU-Ausland durch die Kassen ausgesprochen.
Meine Damen und Herren, man kann uns in Deutschland - heute wieder hier im Parlament - nicht vorhalten, die Einführung der Kostenerstattung beim Zahnersatz sei sozialer Kahlschlag, wenn die Vorsitzende der Gesundheitsministerkonferenz die Kostenerstattung für ganz Europa als Zukunftsmodell vorstellt. Das geht nicht.
Das werden wir auch nicht durchgehen lassen.
In geraden Wochen sagt die SPD: Wir haben in Deutschland so viele Ärzte, das ist das Hauptproblem; dieser lahme und schwache Gesundheitsminister schafft es nicht, das Problem zu lösen.
In den ungeraden Wochen sagt die gleiche SPD: Obwohl wir in Deutschland so viele Ärzte haben und das die Ursache für die Kostendynamik im deutschen Gesundheitswesen ist, können alle Ärzte in Europa an der Versorgung der deutschen Bevölkerung teilhaben, und die deutsche Krankenkasse bezahlt das. Diese Logik wird in Bayern nicht einmal an einer Grundschule gelehrt. Wir wollen sie hier im Deutschen Bundestag auch nicht einführen.
Frau Kollegin Schaich-Walch, wenn Sie sagen, weil wir die Kostenerstattung beim Zahnersatz eingeführt haben, gebe es dieses Problem auf Europaebene, so ist das falsch. Wir haben das gleiche Thema bei den Brillen. Da gibt es keine Kostenerstattung, und trotzdem treten manche Kassen und manche SPD-Politiker für die Übertragung des Systems ein.
Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Kirschner?
Jetzt kommt der Kollege Kirschner. Ja.
Bitte schön, Herr Abgeordneter.
Herr Minister, ich habe großes Verständnis dafür, daß Sie im Hinblick auf die bayerische Landtagswahl glauben, Sie müßten hier schon eine Wahlkampfrede halten.
Aber ich habe die gleiche Agenturmeldung da, die auch Sie in Händen halten. Ich kann leider nicht erkennen, daß die Frau Ministerin Barbara Wackernagel-Jacobs da erklärt, daß das Kostenerstattungsprinzip das beste sei. Vielmehr hat sie lediglich darauf hingewiesen - ich bitte Sie, mir zu sagen, ob das stimmt oder nicht -, daß das Urteil des Europäischen Gerichtshofes nichts anderes bedeutet, als daß die Patientinnen und Patienten einen Anspruch darauf haben, die Kosten für solche Leistungen im Ausland erstattet zu bekommen. Es geht hier um Zahnersatz und um Brillen.
Noch einmal:
Die saarländische Gesundheitsministerin und derzeitige Vorsitzende der Gesundheitsministerkonferenz... hat sich für die Kostenübernahme von Gesundheitsleistungen im EU-Ausland durch die Kassen ausgesprochen.
- Ich bin noch nicht fertig.
Wackernagel-Jacobs widersprach damit Bundesgesundheitsminister Horst Seehofer , der bei einer EU-weiten Kostenerstattung
- jetzt geht es um die Kostenerstattung -
eine Zunahme der Arztbesuche und damit steigende Kosten vorhergesagt hatte.
Im Saarländischen Rundfunk sagte Wackernagel-Jacobs ... Ohne der rechtlichen Klärung einer möglichen Kostenerstattung durch die Krankenkassen vorzugreifen sei derzeit kein Grund erkennbar, den Patienten die Inanspruchnahme von kostengünstigeren Leistungen zu verwehren.
Das ist für politische Verhältnisse eine sehr klare Äußerung.
Sie können uns nicht vorhalten, daß die Kostenerstattung in Deutschland unsozial sei, wenn Ihre Sprecherin, die Vorsitzende der Gesundheitsministerkonferenz, heute erklärt, sie sei im Gegensatz zum Gesundheitsminister dafür, daß die Kostenerstattung EU-weit angewandt wird. So einfach ist das.
Jetzt komme ich zu den Kuren. Auch hier zu den Fakten: In den Jahren 1991 bis 1996 sind die Ausgaben der Krankenkassen für Kuren und Rehabilitationsleistungen um knapp 80 Prozent von 3 Milliarden DM auf 5,3 Milliarden DM gestiegen. Nach Inkrafttreten des Beitragsentlastungsgesetzes sind die Aus-
Bundesminister Horst Seehofer
gaben im Laufe des Jahres 1997 um 1 Milliarde DM zurückgegangen. Jetzt haben wir also wieder Ausgaben von 4 Milliarden DM. Diese 4 Milliarden DM liegen immer noch um 40 Prozent über den Kurausgaben des Jahres 1991. Dazu kommt, daß im ersten Quartal dieses Jahres, 1998, die Kur- und Rehabilitationsausgaben in Deutschland um 4 Prozent gestiegen sind. Über einen Zeitraum von sechs Jahren haben wir in diesem Bereich eine jährliche Steigerung von im Durchschnitt 6 Prozent.
Deshalb teile ich uneingeschränkt die Auffassung des Kollegen Singhammer, der sagt: Wenn 1 Milliarde DM eingespart wird und wir damit in etwa wieder das Ausgabenniveau des Jahres 1994 erreichen - was wir politisch wollen, weil das Dazwischenliegende medizinisch nicht indiziert war -, dann kann man nicht von einem sozialen Kahlschlag reden. Das war ein notwendiger Konsolidierungskurs.
Ich teile auch seine Meinung, die These haben wir immer vertreten -, daß der Rückgang der Kuranträge auch und vor allem mit der hohen Arbeitslosigkeit in der Bundesrepublik Deutschland zusammenhängt, weil viele in Sorge um ihren Arbeitsplatz überhaupt keinen Kurantrag gestellt haben.
Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Halo Saibold?
Nein.
Deshalb ist die beste Antwort die Frucht unserer Politik, nämlich daß innerhalb von zwei Monaten des Jahres 1998 die Zahl der Arbeitslosen um 500 000 zurückgegangen ist. Deshalb werden auch wieder mehr Kuranträge gestellt.
Ich bin sehr dafür - dieses Bekenntnis lege ich auch heute wieder ab -, daß die Kur- und Rehabilitationsleistungen einen hohen Stellenwert behalten, sowohl in der Rentenversicherung wie auch in der Krankenversicherung. Wir wollen, daß eine Kur oder Rehabilitation dort, wo sie medizinisch notwendig ist - nach einem Schlaganfall, nach einer schweren Operation, nach einem Herzinfarkt -, zur Vermeidung der Erwerbsunfähigkeit und zur Vermeidung der Pflegebedürftigkeit gewährt wird, und das mit hoher Qualität.
Deshalb teile ich jede Meinung, die davon ausgeht, daß bei der Gewährung einer Kur oder Rehabilitation die Regelfrist von drei Wochen und die Wiederholungsfrist von vier Jahren zwar eine Orientierung im Gesetz sind, daß es aber primär auf die medizinische Notwendigkeit ankommt, was wir bewußt ins Gesetz geschrieben haben.
Ich würde mir wünschen, daß wir im Gesundheitswesen endlich wieder dazu kommen, daß auch bei der Gewährung von Rehabilitationsleistungen die
medizinische Notwendigkeit und nicht irgendwelche Budgets oder ökonomische Orientierungsgrößen im Vordergrund stehen. Wir haben den Krankenkassen die Möglichkeit gegeben, bestimmte Indikationen zu definieren, damit dem Bürger nicht zugemutet werden muß, im Einzelfall ein Gutachten einzuholen, nach dem beurteilt werden kann, ob eine Frist von drei oder vier Wochen bzw. drei oder vier Jahren richtig oder falsch ist. Das ist möglich. Ich fordere die Selbstverwaltung auf, endlich die Definition der Indikationen vorzunehmen, damit das Verfahren auf diesem Sektor unbürokratischer wird.
Es ist sicher richtig, daß es trotz der Steigerungsraten über sechs Jahre hinweg eine Strukturverschiebung innerhalb der einzelnen Sektoren gegeben hat: starke Rückgänge bei den ambulanten Kuren, weniger starke Rückgänge bei den stationären Kuren - im Moment fast eine Stagnation - und massive Zuwächse bei der Anschlußheilbehandlung von zur Zeit 19 Prozent.
Ich muß jetzt aber auch einmal sagen: Es ist nicht der Bundesgesundheitsminister, der eine bestimmte Kur verordnet bzw. bewilligt, sondern das machen die Ärzte und die Krankenkassen. Wenn sich die Krankenkassen als Anwälte ihrer Versicherten verstehen, sollen sie die Strukturen so gestalten, daß die ambulante Badekur wieder eine größere Chance hat, und nicht die Zuschüsse für die ambulante Badekur zusammenstreichen. Das ist der Punkt.
Die Krankenkassen sind Anwälte ihrer Versicherten. Keine Kur wird ohne Zustimmung der Krankenkasse genehmigt. Es ist nicht wie bei einem Arzneimittel, das ein Arzt verordnet und die Krankenkasse bezahlen muß. Bei einer Kur und Rehabilitation ist die Genehmigung der Krankenkasse notwendig. Wir haben im Gesetz alle Möglichkeiten gegeben. Wir haben sogar gesagt: Der medizinische Versorgungsbedarf geht der Beitragssatzstabilität vor. Diese Möglichkeiten muß man nutzen. Soviel zu den Kuren.
Ich wünsche Frau Wackernagel-Jacobs und Ihnen viel Vergnügen: Nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs die Auslandsleistungen zuzulassen ist der Todesstoß für die deutschen Kurorte.
Wir werden in den nächsten Wochen draußen sagen, daß die SPD-Bundestagsfraktion die Inanspruchnahme der Gesundheitsleistungen im Ausland für richtig hält. Ich brauche kein Prophet zu sein, um zu sehen, daß im Zweifel eine Kur an der Algarve oder in der Toskana einer Kur im Bayerischen Wald vorgezogen wird, und dies zu Lasten der Krankenversicherung. Begreifen wir doch endlich: Jede Million, die ins Ausland geht, fehlt für die Versorgung der Bevölkerung im Inland.
Jetzt noch zu einigen Wahrheiten: Angeblich gibt es keine Kostenübernahme mehr beim Zahnersatz für Menschen unter 18 Jahren. Das ist falsch. Wir ha-
Bundesminister Horst Seehofer
ben die Prophylaxe stark verbessert. Wir haben eine geschlossene Prophylaxe vom Kleinstkind bis zum Erwachsenen - übrigens mit riesigem Erfolg: Heute gibt es 70 Prozent weniger Karies als 1980. Der Zahnersatz wird auch für Jugendliche weiter bezahlt, wenn Grundlage des Zahnersatzes ein Unfall oder eine Erkrankung der Mundhöhle mit Zahnverlust ist oder wenn eine Kieferfehlstellung korrigiert werden muß, was nur durch Zahnverlust erfolgen kann. In diesen drei Fällen wird der Zahnersatz weiter bezahlt. Im übrigen ist die einfachste Antwort auf diese Fragen der Kinder und Jugendlichen und damit auch von uns Eltern: Der zuzahlungsfreie Zahnarztbesuch und die Prophylaxe bei Kindern und Jugendlichen sind der beste Schutz gegen späteren Zahnersatz.
Ich prüfe immer, ob das, was die SPD hier im Bundestag sagt, mit dem übereinstimmt, was in ihrem Wahlprogramm steht, das Gerhard Schröder geschrieben hat.
Er hat die Bundestagsfraktion dabei völlig ausgeblendet, weil er die politische Mitte erreichen will. Ich habe geprüft, ob das, was Gerhard Schröder ins Wahlprogramm geschrieben hat, mit dem, was hier gesagt und beantragt wird, übereinstimmt. Ich stelle fest - das werden wir in den nächsten Wochen immer wieder sagen -: An keiner einzigen Stelle im SPD-Wahlprogramm steht die Rücknahme der Kurmaßnahmen durch die SPD. An keiner einzigen Stelle steht die Aufhebung des Krankenhausnotopfers.
An keiner einzigen Stelle steht die generelle Rücknahme der Zuzahlung. An keiner einzigen Stelle steht, daß der Festzuschuß und die Kostenerstattung beim Zahnersatz zurückgenommen werden. An keiner einzigen Stelle steht, daß der Koppelungsmechanismus Beitragserhöhung/Zuzahlungserhöhung zurückgenommen wird.
Wir müssen mit dieser Politik der Beliebigkeit Schluß machen:
Hier im Bundestag sagt man, wie stark man ist und was man alles machen will. Wenn es aber um den Kanzlerkandidaten geht, der die politische Mitte erreichen will, hat man nicht den Mut, das in der Öffentlichkeit zu sagen, weil man weiß, daß man dann die Beiträge erhöhen muß. Wenn man die Beiträge erhöht, bekommt man aber keine einzige Stimme vom Mittelstand, vom Handwerk und vom leistungsbereiten Arbeitnehmer mehr.
Das gleiche habe ich auf dem Katholikentag erlebt. Da geht Herr Müntefering, immerhin Wahlkampfmanager der SPD, zu einer privaten Veranstaltung der Krankenversicherung in Würzburg und erklärt: Mit uns kommt eine Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze nicht in Frage. Jetzt wird auf dem AOK-Bundeskongreß darüber diskutiert, und andere
sagen: Natürlich kommt eine Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze. Ich glaube, der „Wum" hat im Fernsehen immer gesagt: Wie denn? Wo denn? Was denn? - Also: Was denn, SPD? Ich kenne mich nicht mehr aus. Ich weiß nicht, was Sie wollen.
Herr Minister, es besteht schon wieder der Wunsch nach einer Zwischenfrage.
Herr Professor Pfaff, natürlich. Er ist aus dem Freistaat Bayern. Er ist zwar ein Schwabe, aber trotzdem erhält er die Möglichkeit zu einer Zwischenfrage.
Bitte schön, Herr Kollege Pfaff.
Ich hätte mir ja gewünscht, Herr Bundesminister, daß Sie aus der Lektüre unseres Wahlprogramms mehr Nutzen gezogen hätten. Darin steht nämlich erstens: Wir werden die solidarische Krankenversicherung erhalten und wiederherstellen.
Darin steht zweitens: Wir werden alle Zuzahlungen überprüfen. Es steht drittens drin: In einem ersten Schritt werden wir die Zuzahlungen für chronisch Kranke und ältere Menschen zurücknehmen. Ich frage Sie: Wer zahlt denn die Zuzahlungen? Sind es die Jungen, die Gesunden? Alles andere, was Sie ansprechen, werden Sie zu einem guten Teil im Regierungsprogramm, nicht im Wahlprogramm finden. Sind Sie bereit, dies zur Kenntnis zu nehmen?
Herr Professor Pfaff, „Wir werden die solidarische Krankenversicherung erhalten" - ein furchtbar aufregender Satz! Das ist ungefähr so, als würde man hineinschreiben: Wir garantieren, daß man Krankenversicherung auch künftig mit K schreibt.
Was soll denn eine solche Aussage?
Wenn Sie der Öffentlichkeit sagen, Sie nehmen für Rentner und chronisch Kranke etwas zurück, dann möchte ich klipp und klar wissen: in welcher Höhe? Das muß nachprüfbar sein, meine Damen und Herren. Diese nebulösen Aussagen wie „Wir prüfen mal die Zuzahlung" reichen mir nicht. Das Regierungsprogramm reicht mir auch nicht, weil Sie nie in die Lage kommen werden, dieses Regierungsprogramm zu realisieren. So einfach ist das.
- Jetzt keine Zwischenfrage mehr.
Meine Damen und Herren, noch ein Wort zum Kollegen Schmidbauer. Herr Kollege Schmidbauer, was
Bundesminister Horst Seehofer
die Arzneimittelhaftung betrifft, nur eines, damit sich keine Legenden bilden: Wir als Koalition haben Ihnen ein Angebot gemacht, die Arzneimittelhaftung gemeinsam zu gestalten. Sie haben dieses Angebot rundweg abgelehnt; es hat nicht einmal eine Verhandlung darüber gegeben. Nur zur historischen Wahrheit!
Zweitens. Sie haben sicher recht: Natürlich gibt es in jedem System, auch im deutschen Gesundheitswesen, Fehler, auch Qualitätsmängel, Kunstfehler von Ärzten. Aber, Herr Kollege Schmidbauer, erstens dürfen wir durch diese pauschale Feststellung, wie Sie sie getroffen haben, nicht die ganz große Mehrheit von Ärzten, Ärztinnen, Schwestern und Pflegern beleidigen, die nach Ihren Ausführungen eigentlich glauben müßten, im deutschen Gesundheitssystem sei jeden Tag alles marode. Das ist falsch.
Zweitens. Wenn wir Qualität verbessern wollen, ist die erste und wichtigste Voraussetzung, daß wir die Approbationsordnung für Ärzte verändern, mit dem Ziel, daß eine praxisorientiertere Ausbildung der Ärzte erfolgt, daß die Ärzte, die ausgebildet werden, auch an den Patienten herankommen. Die Bundesregierung hat die Approbationsordnung verabschiedet. Sie liegt im Bundesrat. Die Gesundheitsminister der Länder unterstützen sie. Die Kultusminister machen Schwierigkeiten. Die Mehrheit bei den Kultusministern haben Sie. Deshalb fordere ich Sie auf: Lösen Sie das Problem, indem Sie der Approbationsordnung über die SPD-Länder im Bundesrat zustimmen. Dann haben wir kein Problem mehr.
Herr Minister, eine weitere Zwischenfrage wird gewünscht.
Er ist auch ein Bayer, aber ein Franke.
Herr Minister, Sie haben die Frage der Haftung angesprochen. Können Sie bestätigen, daß das, was Sie uns als Angebot vorgelegt und wozu Sie erklärt haben, daß es inhaltlich keine Veränderung erfahren darf, in der Wirkung nicht den Ansprüchen gerecht wird, denen das Parlament durch seine gemeinsame Empfehlung Rechnung getragen hat, nämlich: Nicht nur in der Überschrift soll stehen, daß die Menschen in Zukunft Anspruch auf Schmerzensgeld haben; und die Hürden sollen nicht so aufgebaut werden, daß die Menschen letztendlich keinen Schmerzensgeldanspruch realisieren können.
Nein, diese Meinung teile ich nicht. Denn wenn es keine Verbesserung wäre, hätten wir den Gesetzentwurf nicht eingebracht.
Wir haben das verhandelt.
Herr Kollege Schmidbauer, in allem Ernst: Sie werfen uns vor, in dieser Periode nicht gehandelt zu haben. Diesen Vorwurf muß ich zurückweisen. In Ihrer Anwesenheit habe ich Ihnen das Angebot gemacht. Sie haben mit uns nicht einmal darüber verhandelt.
Sie hätten ja auch aus Ihrer Sicht zu 80 Prozent Richtiges mittragen können. Ab dem 27. September - wenn Sie an das glauben, was Sie uns täglich erzählen - hätten Sie dann die restlichen 20 Prozent realisieren können. Aber daß es nicht einmal zu diesen 80 oder 70 Prozent kam, haben Sie zu verantworten, weil Sie unser Verhandlungsangebot ausgeschlagen haben.
Wollen Sie noch eine weitere Zwischenfrage beantworten, Herr Minister?
Ich habe damit begonnen; jetzt mache ich auch weiter.
Ihre Redezeit ist ohnehin zu Ende.
Herr Minister, ich möchte noch einmal feststellen - ich denke, Sie können das bestätigen -: Sie haben in dem Gespräch erklärt, daß es eine inhaltliche Veränderung nicht gibt und daß darüber nicht verhandelt werden kann. Ich bitte Sie darum, daß Sie dem Parlament bestätigen, daß dem so ist.
Wissen Sie, Sie sind ja doch ein alter Fuhrmann.
- Nein.
Sie haben rundweg nein gesagt. Sie haben nicht ja gesagt und dann hinzugefügt: Man müßte über dieses oder jenes reden. Nein haben Sie gesagt. Das kann ich Ihnen bestätigen.
Meine letzte Bemerkung. Bei allem Streit über Einzelfragen sollten wir nicht ganz aus dem Auge verlieren, daß unser deutsches Gesundheitswesen einen Standard aufweist, um den uns viele auf dieser Welt beneiden. Wenn wir über Gesundheitspolitik reden, sollten wir immer an die Betroffenen denken, an die Kranken, die auf dieses Gesundheitswesen angewiesen sind. Wir sollten nicht ständig den Eindruck erwecken, als müßte man sich davor fürchten, auf dieses deutsche Gesundheitswesen angewiesen zu sein.
Bundesminister Horst Seehofer
Die Deutschen, die im Ausland erkranken, haben einen Wunsch, nämlich in die Obhut des deutschen Gesundheitswesens zurückzukommen. Das ist eine viel schönere Einschätzung durch die Bevölkerung, als das jede Einlassung der Opposition sein kann.
Ich erteile zu einer Kurzintervention das Wort der Abgeordneten Marina Steindor.
Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Minister! Sie haben dadurch, daß Sie meine Zwischenfrage nicht zugelassen haben, bewirken können, daß ich ungefähr 15 Minuten später zu Wort komme als vorgesehen. Ich halte es für eine sehr gute parlamentarische Gepflogenheit, daß es Ministern nicht möglich ist, Abgeordnete mundtot zu machen.
Ich möchte als ersten Punkt meines Beitrags die von Ihnen angesprochene Abwesenheit meiner Kollegin thematisieren. Meine Kollegin Monika Knoche nimmt derzeit an einem fraktionsübergreifenden Treffen von Frauen in diesem Hohen Hause teil. Daran nimmt auch die Präsidentin des Parlaments teil. Es geht um eine Initiative mit dem Thema: 50. Jahrestag des Grundgesetzes aus frauenpolitischer Sicht. Sie hat in diesem Zielkonflikt so entschieden. Das kann man persönlich bewerten. Ich bin der Auffassung, daß man das respektieren muß.
Ich wollte Ihnen eigentlich die Frage stellen, ob Ihnen bekannt ist, daß sich Bündnis 90/Die Grünen vehement für die Stärkung der besonderen Therapierichtungen einsetzen.
Gerade in der Stellungnahme des Bundesrates zu der von Ihnen ausgearbeiteten 8. AMG-Novelle wurden Sie mit Änderungsanträgen des rotgrün regierten Landes Hessen im Bereich der besonderen Therapierichtungen konfrontiert, in denen eine weitere Ausweitung der Zahl der zulässigen Medikamente gefordert wurde.
Ich möchte an dieser Stelle des weiteren darauf hinweisen, daß Bündnis 90/Die Grünen öffentlich - das konnte man nachlesen, auch Sie, Herr Minister - für eine Positivliste eintreten, auch im Bereich der besonderen Therapierichtungen. Es ist dabei von uns von vornherein thematisiert worden - das haben Sie hier festgestellt -, daß dann, wenn man nur eine
wählt, die besonderen Therapierichtungen selbstverständlich hinten herunterfallen können.
Wenn Sie, verehrter Herr Minister, hier rhetorische Spitzen gegen politische Parteien vorzubringen wagen, die bereits jetzt ein Programm vorgelegt haben, auf das Sie sich beziehen können und mit dem Sie dann hier versuchen können, alle gegeneinander auszuspielen, dann möchte ich doch darauf hinweisen, daß die Unionsparteien auf Grund interner Differenzen bislang noch gar nicht in der Lage waren, ein Programm vorzustellen.
Vielen Dank.
Herr Minister, möchten Sie antworten? - Dann erteile ich das Wort zu einer weiteren Kurzintervention dem Abgeordneten Schmidbauer. Bitte schön.
Meine Kolleginnen und Kollegen! Ich will zu der Darstellung von Herrn Seehofer folgendes anmerken: Erstens. Wir haben im Parlament nach dem Arzneimittelskandal im Zusammenhang mit den Blutpräparaten und Aids einstimmig eine Empfehlung beschlossen und sind damit den Empfehlungen des 3. Untersuchungsausschusses gefolgt. Daraus ergibt sich, denke ich, für den Minister die Verpflichtung - genauso wie wir sie als Parlamentarier haben -, diesen Empfehlungen des Parlaments Rechnung zu tragen.
Wenn ein Gesetzentwurf, den er vorlegt, diesen nicht annähernd entspricht, dann darf er nicht umgekehrt der Opposition, die einen Gesetzentwurf vorgelegt hat, der den Empfehlungen des Parlaments voll entspricht, den Vorwurf machen, sie hätte eine unzureichende Lösung für die Aufgabenstellung vorgeschlagen.
Zum zweiten. In dem Gespräch, das mit den Ministern stattfand, wurde von ihm auf mein Befragen hin ausdrücklich erklärt, daß beim Vorschlag der Regierung keine inhaltlichen Änderungen mehr möglich sind.
Zum dritten darf ich feststellen, daß wir uns gestern im Gesundheitsausschuß bemüht haben, unsere Kompromißbereitschaft an den Tag zu legen, weil es uns darum ging, auch in dieser Legislaturperiode eine Regelung zu finden. Wir haben ausdrücklich dem Kompromißvorschlag des Kollegen Scheu zugestimmt, dafür allerdings nicht die Mehrheit gefunden, die wir erwartet haben. Ich denke, man muß die Dinge hier deutlich benennen: In Wirklichkeit ist kein Bestreben vorhanden, auf der inhaltlichen Seite
Horst Schmidbauer
für Opfer eine Regelung zu finden, die ihren Problemen auch wirklich gerecht wird.
Wir müssen aus mehreren Arzneimittelskandalen endlich einmal Lehren ziehen. Wir haben zwei in der Republik erlebt. Ich möchte nicht den dritten erfahren, bei dem letztendlich der Staat eine sozialstaatliche Regelung bezahlen muß, weil wir keine ordentliche Individualhaftung im Lande geschaffen haben.
Außerdem darf ich feststellen, daß ich in meinem Beitrag mit keiner Silbe erwähnt habe, daß eine Verletzung oder eine Verunglimpfung der Ärzteschaft oder des Pflegepersonals in diesem Lande stattgefunden hat. Ich habe auf Situationen aufmerksam gemacht, die der Minister selbst durch sein Ministerium publiziert hat.
Ich denke, es ist unsere Aufgabe im Parlament, zumindest die Dinge offenzulegen, die der Minister selbst in eigenen Qualitätsstudien dargestellt hat. Damit gehen keinerlei Verletzungen irgendeiner Berufsgruppe einher. Im Gegenteil: Ich denke, wir haben alle Respekt vor dem, was in Deutschland im Gesundheitswesen geleistet wird.
Herr Minister Seehofer, möchten Sie antworten?
Nein.
Das ist nicht der Fall. Dann erteile ich jetzt der Abgeordneten Susanne Kastner, SPD-Fraktion, das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Gestern gab es eine große Konferenz des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes zur Situation im Kur- und Rehabereich sowie über die Auswirkungen auf Rehakliniken, Hotels und Gaststätten.
Herr Minister Seehofer, in diesem Zusammenhang hätte ich mir gewünscht, daß von der Bundesregierung nicht immer nur der Wirtschaftsminister anwesend ist, sondern daß sich vielleicht auch einmal der Gesundheitsminister darüber informiert, nicht nur wie die Stimmung, sondern auch wie die Sachlage in diesem Bereich ist.
Herr Minister Seehofer, ich muß Ihnen sagen: Das, was Sie gerade erklärt haben, schien mir sehr demagogisch. Sie haben von der Zunahme der Zahl der Rehakuren gesprochen, in diesem Zusammenhang aber verschwiegen, daß es sich um Zahlen von 1991 bis 1995 gehandelt hat.
- Jetzt lassen Sie mich doch einmal ausreden. - In diesem Zusammenhang beinhaltet das natürlich auch die Zahlen der neuen Bundesländer.
Herr Minister Seehofer, Sie waren einer von denjenigen, die den Bau der Rehakliniken in den neuen Bundesländern favorisiert und gewollt haben, und die dann durch das Gesetz für mehr Wachstum und Beschäftigung genau diesen Kliniken das Aus gesetzt haben, im übrigen auch mit Bürgschaftsbeteiligung des Wirtschaftsministeriums.
Zu Ihrer Aussage, daß die Deutschen jetzt zur Rehamaßnahme in die Toskana und an die Algarve fahren: Lieber Herr Minister Seehofer, Ihnen müßte eigentlich bekannt sein, daß die Bezahler von Rehamaßnahmen die Kranken- und Rentenversicherungsträger sind. Diese haben Qualitätsprogramme, die Kuraufenthalte im Ausland verbieten. Wir in Deutschland haben nämlich ein hohes Qualitätsniveau. Herr Minister Seehofer, ich hätte eigentlich erwartet, daß Sie das an dieser Stelle einmal sagen.
Tatsache ist aber, daß die von der Bundesregierung mutwillig und bewußt herbeigeführte Krise in den Heilbädern und Kurstätten fortschreitet. Mehr als 250 Kliniken haben ihre Tore bereits geschlossen. Die nächste Schließungswelle steht an.
Die Sanatorien und die Kurkliniken verzeichnen fast ein Drittel weniger Übernachtungen. Ihre Bettenauslastung sank von 81,9 Prozent auf 57,9 Prozent. Fragen Sie doch einmal die Rehaklinikbetreiber, ob sie mit dieser Auslastung das nächste Jahr noch überstehen können. Ich glaube, nicht.
Bürgermeister, die sich nicht nur mit den menschlichen Schicksalen der Arbeitsplatzverluste in ihren Gemeinden, sondern auch mit der Schließungswelle von Sanatorien und Kurkliniken auseinandersetzen müssen, erzählen uns, daß sie finanziell vor dem Aus stehen. Sie sind Schlichtweg pleite und haben keine Möglichkeit, die notwendige Infrastruktur in ihren Gemeinden aufrechtzuerhalten. Man kann in der Hauptsaison durch die Kurorte laufen und muß mit Entsetzen feststellen, daß viele Läden kurz vor der Schließung stehen oder schon geschlossen sind und daß viele Hotels nur noch zu 28 Prozent ausgelastet sind - auch Sie wissen, daß ein Hotelbetrieb mit 28 Prozent Auslastung nicht möglich ist - und damit kurz vor dem Konkurs stehen.
- Nein, die werden nicht von den Beitragszahlern bezahlt, sondern von den Besuchern derer, die in den Rehakliniken sind, sehr geehrte Frau Kollegin Babel.
- Entschuldigung!
Die Wirtschaftskraft in den Kur- und Heilbädern ist nachhaltig geschädigt. Besonders schwer wirkt sich die Krise auf dem Arbeitsmarkt in diesen strukturschwachen Gebieten aus. Durch die Kurpolitik der Bundesregierung haben bereits mehr als 80 000 Men-
Susanne Kastner
schen ihren Arbeitsplatz verloren. Herr Minister Seehofer, da muß man doch einmal eine Rechnung aufmachen. Sie haben damals gemeinsam mit dem Ministerium von Minister Blüm geplant, in diesem Bereich 3,2 Milliarden DM einzusparen. Wenn man den Aussagen von Herrn Jagoda glauben kann, nach denen ein Arbeitsloser 40 000 DM kostet, dann wird die auf diese Weise eingesparte Summe durch die von Ihnen verursachte Arbeitslosigkeit jetzt aus der Arbeitslosenversicherung finanziert. Ich möchte doch einmal wissen, wo da das wunderbare Sparmodell der Bundesregierung ist.
Nun haben Sie uns heute einen druckfrischen Antrag vorgelegt. Sie weisen in diesem Antrag darauf hin, daß die Situation auf die unverantwortliche Panikmache vor allem der SPD und der sie unterstützenden Organisationen zurückzuführen sei.
Wenn ich, Frau Kollegin Limbach, die Äußerungen der Bayerischen Staatsregierung und von CSU-Landtagsabgeordneten in den letzten Monaten betrachte, dann kann das für mich eigentlich nur heißen: Die Bayerische Staatsregierung ist nach Ihrer Auffassung also eine Unterstützerorganisation der SPD. Anders kann ich mir das nicht erklären.
Noch schlimmer aber empfinde ich die Situation, wenn man sieht, wie inzwischen mit den Patienten, den rehabedürftigen Menschen, umgegangen wird, weil der Kampf zwischen den privaten Rehakliniken und denen der Rentenversicherungen jetzt auch bei der Anschlußheilbehandlung voll entbrannt ist. Herr Minister Seehofer, auch bei diesem Thema muß man einmal mit einer Legende aufräumen. Die Zahl der Anschlußheilbehandlungen ist in der Vergangenheit auch deshalb so gestiegen, weil viele Verantwortliche die Leute nicht mehr in Rehamaßnahmen gesteckt - deswegen sind die entsprechenden Zahlen auch gesunken -, sondern gleich in Anschlußheilbehandlungen geschickt haben, weil die für die Patienten preiswerter sind und die Rehakliniken gefüllt haben.
Schließlich haben die meisten Rehakliniken eine Doppelbehandlung in der Anschlußheilbehandlung und in der Rehabehandlung. Welche Blüten das treibt, wird an folgendem Beispiel deutlich: Ein Anschlußheilbehandlungs-, also ein Rehapatient wird in eine private Rehaklinik überwiesen. Als er in dieser privaten Klinik ankommt, erklärt ihm der Rentenversicherungträger, er könne nicht in dieser Klinik bleiben und müsse in eine rentenversicherungseigene Klinik überwiesen werden. Zwei Tage später fährt dieser Patient in eine andere Kurstadt in eine LVAKlinik, ohne daß sich jemand darum kümmert, wie er
das gesundheitlich verkraftet und wer die Kosten dafür übernimmt.
Es gibt die Aussage eines F.D.P.-Abgeordneten, der folgendes gesagt hat: „Mit der notwendigen Reform des deutschen Kur- und Heilbäderwesens wurde über das Ziel hinausgeschossen. Diese Überreaktion wirkte sich als verhängnisvolle Vollbremsung aus." Recht hat er, der Herr Feldmann, seine Aussage ist absolut zutreffend. Allerdings hat er diese Gesetze immer brav mit verabschiedet.
Das Chaos, das die Herren Blüm und Seehofer zu verantworten haben und das Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen der Koalition, mitgetragen haben, erinnert mich fatal daran, wie schlecht Sie Politik machen und wie wenig Sie Politik im Dialog betreiben. Ich glaube, es täte Ihnen einmal ganz gut, innezuhalten und darüber nachzudenken, wie die Situation in den deutschen Kur- und Heilbädern für die Patienten, für die Arbeitnehmer und für die Kommunen tatsächlich ist.
Ich glaube, eines muß man Ihnen erklären: Sie sagen immer wieder, die Reduzierung von Kuren würde zu Einsparungen führen. Es gibt aber Berechnungen der BfA, die zeigen, daß Prävention und Rehabilitation zur Vermeidung von Berufsunfähigkeits-
und Erwerbsunfähigkeitsrenten führen. 1989 waren dies immerhin 2,5 Milliarden DM. Die erfolgreich Rehabilitierten waren nach der Reha in der Lage, weiterhin Beiträge in Höhe von 2,4 Milliarden DM zu leisten. Dem standen Reha-Ausgaben von 2,7 Milliarden DM gegenüber. Wenn man halbwegs rechnen kann, dann weiß man, daß durch eine vernünftige und sinnvolle Rehabilitation allein die BfA im Jahr 1989 ein Plus von 2,2 Milliarden DM erzielt hat.
Machen Sie also Schluß mit diesem Quatsch, immer wieder zu erzählen, daß die Rehabilitation, wenn man sie ändern würde, wieder teurer würde. Sie rechnet sich.
Wir diskutieren heute einen Antrag, der dem Gesundheitsausschuß zwar schon lange vorliegt, den Sie aber aus wahltaktischen Gründen nicht hatten einbringen wollen. Der Herr Kollege Feldmann hat gestern davon gesprochen, daß die heutige Debatte eine Show-Veranstaltung werde.
Vielleicht hat er damit die Regierungskoalition gemeint. Ich bin fest davon überzeugt, daß die Situation für die lieben Kolleginnen und Kollegen von der CSU besonders fatal ist. Ich hätte sie heute einzeln namentlich begrüßen können, weil so wenige da sind. Im Bayerischen Landtag werden in diesen Tagen die Anträge der CSU-Abgeordneten Miller, Kobler, Kiesel und Neumeier, mit denen sich die CSU im Landtagswahlkampf von ihrem eigenen Bundesgesundheitsminister deutlich absetzt, diskutiert und sicherlich auch verabschiedet.
Susanne Kastner
Einer dieser Anträge lautet „Kurgewährung nach medizinischer Indikation". Warum wird im Bayerischen Landtag dieser Antrag gestellt, wenn Sie sagen: Das ist längst möglich? Attestieren Sie Ihren Kollegen im Bayerischen Landtag, daß sie die Gesetze des Herrn Seehofer nicht begriffen haben?
Unter anderem steht in diesem Antrag:
Der Landtag wolle beschließen: Die Staatsregierung wird gebeten, auf der Bundesebene initiativ zu werden mit dem Ziel, daß
1. anstelle des bisher geltenden vierjährigen Wiederholungsintervalls und der dreiwöchigen Regelkurdauer bei der Gewährung von Kuren in Zukunft ausschließlich auf die medizinisch notwendige Indikation abgestellt wird und
2. der Zuschuß zur ambulanten Badekur von bisher 15 DM je Tag auf 25 DM erhöht wird.
Heißt das denn nun, daß Sie Ihren bayerischen Kollegen nicht beigebracht haben, daß das alles schon möglich ist? Oder heißt es umgekehrt, daß die bayerischen Kollegen vielleicht doch recht haben, Herr Minister Seehofer, und eine medizinische Indikation im Augenblick noch nicht möglich ist? Ich glaube, daß letzteres der Fall ist.
Ein anderer Antrag der CSU lautet „Überforderungsklausel für medizinische Reha" . Darin steht:
Die Staatsregierung wird gebeten, über den Bundesrat darauf hinzuwirken, daß die Zuzahlungen bei medizinischen Rehabilitationsmaßnahmen und Müttergenesungskuren in die Überforderungsklausel nach § 62 SGB V einbezogen werden.
Außerdem wird die Förderung der ambulanten Badekur durch die Sozialkassen gefordert. Der SPD wirft man dagegen immer wieder vor, Regionalpolitik über Sozialkassen zu betreiben.
Die zuständige bayerische Sozialministerin Stamm läuft bereits seit Monaten durch die bayerischen Regionen und erklärt, daß sie eine Bundesratsinitiative einbringt. Sie hat es bis heute nicht getan. Wir haben bereits im April unseren Antrag „Sofortmaßnahmen gegen die Krise von Kur und Rehabilitation" eingebracht und freuen uns natürlich, daß die Bayerische Staatsregierung jetzt gleiches fordert. Wenn sich die Kolleginnen und Kollegen der CSU heute einmal die Mühe machen, darüber nachzudenken, was in dieser Frage in Bayern passiert, dann fällt es ihnen vielleicht nicht allzuschwer, die Hand auch für den SPD-Antrag zu heben.
Wir wollen Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU, heute mit unserem Antrag noch einmal die Chance geben, die richtigen Einsichten Ihrer Bayerischen Staatsregierung und Ihrer Landtagskollegen auch in die Tat umzusetzen. Ein einfaches Handheben an der richtigen Stelle reicht uns völlig aus. Sollten Sie jedoch wieder einmal kneifen und sollte Ihnen wieder einmal egal sein, wie die Arbeitsplatzverluste in strukturschwachen Regionen aufgefangen werden können und wie die betroffenen mittelständischen Betriebe über die Runden kommen, dann bleibt den Bürgerinnen und Bürgern nur die Hoffnung -
Sie müssen zum Schluß kommen.
- auf einen Regierungswechsel in Bonn am 27. September. Ich denke, auch Frau Stamm wird sehr froh sein, wenn die Sozialdemokraten in Bonn an der Regierung sind.
Ich gebe das Wort der Abgeordneten Editha Limbach.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auf eines können Sie sich bestimmt verlassen, Frau Kastner: Die bayerische Ministerin wird sich auf keinen Fall freuen, wenn Sie regieren würden. Aber da Sie ja nicht regieren werden, wird diese Behauptung hinterher gar nicht zu überprüfen sein.
Bei der Diskussion über die Gesundheitspolitik heute im Deutschen Bundestag merken wir ganz deutlich, daß es bei den Meinungsverschiedenheiten zwischen CDU/CSU und Rotgrün nicht so sehr darum geht, wie man Organisationsformen effektiver macht oder welche Maßnahmen am vordringlichsten sind, sondern eigentlich darum, welche Rolle der Staat im Gesundheitswesen zu übernehmen hat.
Davon haben wir offensichtlich eine ganz andere Vorstellung, weil wir ein ganz anderes Menschenbild als Sie haben.
Es ist wichtig, sich das einmal unvoreingenommen anzuschauen, damit es auch die Bürgerinnen und Bürger erkennen.
Wenn man Ihre Große Anfrage unvoreingenommen liest, stolpert man über einen Satz, der ähnlich erhellend ist wie Ihre Aussage, daß die soziale Krankenversicherung
erhalten bleiben muß. Er heißt:
Die Patientinnen und Patienten müssen im Mittelpunkt des Gesundheitswesens stehen.
Freilich, für wen sonst bräuchten wir es? Sie sagen, die Patientinnen und Patienten stehen im Mittelpunkt; wenn es aber um die Realisierung von Maßnahmen und um Entscheidungen geht, dann trauen
Editha Limbach
Sie plötzlich den Bürgerinnen und Bürgern überhaupt nichts zu.
Sie trauen ihnen nicht zu, daß sie fähig sind, selbstverantwortlich zu handeln. Sie trauen den Selbstverwaltungsgremien der Krankenkassen nicht zu, daß sie in der Lage sind, selbstverantwortlich zu handeln. Sie trauen den Ärzten und anderen Leistungserbringern nicht zu, zum Beispiel über die Selbstverwaltungsorgane der Ärzte selbstverantwortlich zu handeln. Sie trauen ihnen all das nicht zu, sondern meinen, nur wenn der Staat die Aufgaben übernimmt, kann es richtig und gut sein. Das meinen wir nicht.
Diese Meinung teilen wir deshalb nicht, weil die Geschichte gezeigt hat, daß überall da, wo so etwas versucht worden ist - zum Beispiel in sehr stark staatlich regulierten Gesundheitssystemen, aber erst recht in sozialistischen Gesundheitssystemen -, die Patientinnen und Patienten auf der Strecke geblieben sind. Im Gegensatz zu uns versuchen Sie, den Bürgern durch von Ihnen geschürte Ängste oder durch Argumente, die nichts mit der Wahrheit zu tun haben, einzureden, es gehe bei der Politik dieser Bundesregierung und der sie tragenden Koalitionsparteien damm, Leistungsausgrenzung und Zwei-KlassenMedizin zu betreiben. Sie bauen da doch einen Popanz auf!
Zwei-Klassen-Medizin gibt es bei uns nicht. Sie wissen genausogut wie ich und wie die anderen hier im Saal, daß allein schon nach dem Sozialgesetzbuch die Versorgung dem aktuellen Stand des ärztlich-medizinischen Wissens entsprechen und den Menschen, die gesetzlich krankenversichert sind, ohne Ansehen von Alter, Geschlecht und Herkunft zur Verfügung gestellt werden muß. Über 90 Prozent der Menschen in der Bundesrepublik Deutschland sind in diesem System krankenversichert. Sie wissen ganz genau, daß die medizinische Versorgung fest geregelt ist. Über diesen Punkt gibt es eigentlich keinen Streit. Ich frage mich nur: Warum reden Sie den Menschen ein, daß es bezüglich der medizinischen Versorgung Meinungsverschiedenheiten gibt?
Man kann im Gegenteil feststellen: In den Staaten, in denen es Budgetierungen und weitere Reglementierungen gibt, kommt man immer an eine Grenze des Systems, an der gefragt werden muß: Muß ausgegrenzt werden?
Wir wollen eben nicht ausgrenzen.
Wir wollen, daß auch in Zukunft derjenige, der eine teure Dialyse oder einen teuren Herzschrittmacher braucht, diese Leistungen bekommt.
- Ganz richtig, unabhängig vom Alter oder vom Geldbeutel. - Weil wir das wollen, müssen wir natürlich überlegen: Wie können wir das auch in Zukunft erreichen?
Es ist ganz unbestreitbar, daß wir uns eigentlich einig sind - das ist einer der wenigen Punkte, in denen ich noch keine Widersprüche zwischen den einzelnen Rednern der SPD und uns feststellen konnte -, daß höhere Lohnzusatzkosten für den Arbeitsmarkt und damit für das Beitragsaufkommen der sozialen Sicherungssysteme schädlich sind. Deshalb wollen wir eine Steigerung der Lohnzusatzkosten, zum Beispiel in Form von Beitragserhöhungen, vermeiden.
Auf der einen Seite haben wir das Ziel, bestimmte Leistungen allen Versicherten anzubieten. Auf der anderen Seite haben wir das gleichwertige Ziel, die Lohnzusatzkosten nicht steigen zu lassen. Der Minister hat ausgeführt, wie gut es uns gelungen ist, die Beitragssatzstabilität zu halten. Wenn man aber diese beiden Ziele erreichen will, dann muß man fragen: Wo kommt das Geld her? Sie haben auf Wirtschaftlichkeitsreserven hingewiesen. Ich erinnere mich noch an Zeiten, als uns beim Versuch, Wirtschaftlichkeitsreserven zu mobilisieren, vorgeworfen wurde, wir würden das Gesundheitssystem ausquetschen, uns totsparen und - so wurde weiter gesagt - das ganze System kaputtsparen.
Entscheidungen müssen gefällt werden. Ich halte es für richtig und ehrlich, den Menschen zu sagen, welche Lösungen machbar sind. Sie diffamieren die notwendigen Maßnahmen als Abzockerei oder Abkassiererei. Ich kann Ihnen dazu nur sagen: Ich finde es verantwortungsvoller und auch richtiger, den Menschen folgendes zu sagen: Weil wir auf der einen Seite eine demographisch schwierige Situation und auf der anderen Seite - erfreulicherweise - Fortschritte in der Medizin haben, die aber Geld kosten und allen zur Verfügung stehen sollen, muß man bei den Leistungen, bei denen es zumutbar und sozial verträglich ist, über den Beitrag hinaus eine Eigenleistung verlangen.
Das halte ich für besser als das, was Sie machen: Herr Schmidbauer erklärt vor den Apothekern, es gebe kein Einkaufsmodell. Aber Herr Dreßler sagt, es gebe eins. Herr Müntefering sagt vor dem passenden Publikum, nämlich den privaten Krankenversicherungen, die Beitragsbemessungsgrenze werde nicht angehoben. Aber von anderen prominenten Vertretern der SPD hört man, daß sie für eine Anhebung sind.
Ich finde es besser, wir sagen den Menschen ehrlich, wofür wir sind und welche Maßnahmen wir durchführen wollen. Wir müssen leider Selbstbeteiligungen verlangen. Der Minister hat vorhin schon darauf hingewiesen - aber ich will es wiederholen,
Editha Limbach
weil Sie es offenbar nicht glauben wollen -, daß wir diese Selbstbeteiligungen sozialverträglich gestalten. Wenn über 20 Millionen Versicherte, also 30 Prozent der Versicherten - -
- Selbstverständlich sind auch Kinder darunter. Sind die denn nicht versichert?
- Lieber Herr Kirschner, vergessen Sie bitte nicht: Die Kinder, die natürlich nichts zuzahlen - das ist auch richtig so; das war unser Wille -, zahlen keinen Beitrag. Sie sind nämlich bei ihren Eltern mitversichert. Diese Tatsache müssen Sie in Ihre Rechnungen einbeziehen. Sie sagen doch immer, die Maßnahmen seien unsozial. Nein, diese Maßnahmen sind sozial! Auch Geringverdiener sind ausgenommen. Uns wurde gerade vom Gericht bestätigt, daß dieses Zuzahlungssystem sozial verträglich ist.
Natürlich sind Zuzahlungen nicht erfreulich. Meinen Sie, wir hätten Spaß daran, diese zu beschließen? Wir würden lieber sagen: Hört zu, liebe Wähler und Wählerinnen, ihr bekommt alles, und zwar umsonst. Allerdings muß ich eines sagen: Das würden uns die Wählerinnen und Wähler genausowenig glauben, wie sie Ihnen glauben, daß Sie alles besser machen, aber alles weniger kostet. Das geht nämlich nicht; das liegt weit neben dem Möglichen.
Ich möchte noch etwas dazu sagen, daß es gelegentlich auch konstruktive Zusammenarbeit über Parteigrenzen hinweg gibt. Ich habe zwar bedauert, daß das nur manchmal möglich ist, aber heute haben wir einen solchen erfreulichen Fall, nämlich die Erweiterung der Früherkennungsuntersuchungen um ein Hörscreening. Das war eine Initiative aus Ihren Reihen, Frau Steen; ich will das gar nicht verschweigen. Aber wir sind im Gesundheitsausschuß zu einem gemeinsamen Antrag gekommen, den wir auch gemeinsam beschließen können. Dies ist etwas, was Familien mit Kindern, speziell den Kindern, zugute kommt. Wir hoffen, daß die Modellversuche dazu führen, daß das bald ein normaler Bestandteil der Früherkennungsuntersuchungen sein wird.
Ich bin ganz sicher: Auch im kommenden Bundestag werden gesundheitspolitische Themen kontrovers diskutiert werden, und es werden notwendige Entscheidungen getroffen werden müssen. Ich wünsche mir zugunsten der Versicherten, zugunsten der Patientinnen und Patienten sowie zugunsten der Beitragszahler insgesamt, daß wir auch in Zukunft nach den gerechten Grundprinzipien der Krankenversicherung vorgehen. Sie beinhalten Solidarität, aber auch Subsidiarität sowie ein ausgewogenes Verhältnis zwischen den notwendigen staatlichen Rahmenregelungen, die der Fürsorgepflicht des Staates Rechnung tragen, und der erforderlichen Eigenverantwortung der Menschen, auf die die Demokratie auch im Gesundheitswesen nicht verzichten kann.
Frau Kollegin Limbach, Sie setzen den Reigen der Abgeordneten fort, die hier ihre letzte Rede halten und am Ende dieser Legislaturperiode aus dem Bundestag ausscheiden, dem Sie seit 1987 angehören. Man muß dazu sagen, daß Sie eigentlich eine im Pulverdampf ergraute Kommunalpolitikerin sind; denn von 1975 bis 1990 waren Sie im Rat der Stadt Bonn - was sich viele auf Grund Ihrer Aktivitäten denken können -, wo Sie auch stellvertretende Fraktionsvorsitzende waren. Sie haben sich durch Ihre engagierte Arbeit auf vielen Gebieten die Achtung aller Fraktionen erworben. Ich möchte Ihnen für Ihre parlamentarische Arbeit den Dank des Hauses aussprechen.
Damit gebe ich das Wort dem Abgeordneten Dr. Rolf Olderog.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vielleicht am Schluß noch einige Anmerkungen aus meiner Sicht als Tourismuspolitiker. Auch ich hätte es lieber gesehen - ich bekenne mich schuldig -, wenn wir den Stopp nicht so abrupt und plötzlich vorgenommen hätten, sondern ein bißchen Zeit zur Anpassung gewährt hätten. Nun gut, es ist anders gewesen. Wir haben es heute mit Überkapazitäten zu tun. Für mich als Tourismuspolitiker ist die Frage: Gibt es Möglichkeiten, diese Potentiale für Selbstzahler zu nutzen und damit Arbeitsplätze zu erhalten oder wiederzugewinnen? Meine Antwort ist: Ja.
Wir können den Verantwortlichen Mut machen. Es gibt sicher keine Patentrezepte, aber es gibt für Kliniken und Hotels durchaus alternative Angebote für Selbstzahler.
Daß das so ist, haben wir gerade auf der jüngsten Tagung des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes in Bad Breisig vorgeführt bekommen. Dort gab es eine Reihe von Einzelbeispielen, die uns vorgestellt worden sind und die das belegt haben. Da geht es um kombinierte Angebote, gemeinsam erstellt von Kliniken und Hotels. Da geht es insbesondere auch um die Angebote der Deutschen Zentrale für Tourismus, die jetzt im Rahmen gesundheitsorientierter Angebote im Ausland vermarktet werden, und es geht um vereinzelte Angebote für privat bezahlte stationäre Kuren.
Ich möchte darauf hinweisen, daß es bei den soeben genannten Angeboten um medizinisch substantielle Angebote geht, aber nicht um verdeckte Hotelangebote durch Kliniken. Die gibt es leider auch. Daß solche Angebote unter Preis gemacht werden, wird vom Gastgewerbe in Deutschland zu Recht
Dr. Rolf Olderog
als Ärgernis empfunden. Das ist nicht in Ordnung; das ist nicht zulässig.
Für die Kliniken gibt es eine Reihe von gesetzlichen Sonderregelungen. Sie brauchen keine Verbrauchsteuer zu zahlen. Sie erhalten besondere Zuschüsse und Subventionen im Rahmen ihrer Investitionen. Ich kann verstehen, daß sich das Hotel- und Gaststättengewerbe mit dieser Wettbewerbsverzerrung nicht abfinden will.
Nun zu den erwünschten Selbstzahlerangeboten. Es gibt in Deutschland eine bemerkenswerte Bereitschaft, in eigener Verantwortung etwas für die Gesundheit zu tun und dafür auch selbst zu zahlen. Das Kieler Institut für Tourismus- und Bäderforschung in Nordeuropa hat dies untersucht. Befragt wurden Interessenten für eine der üblichen Kuren in Deutschland. Von diesen haben 18 Prozent, also fast jeder Fünfte, bekundet, daß sie notfalls bereit wären, ihre Kur auch selbst zu bezahlen. Das finde ich sehr bemerkenswert. Das sollten wir uns merken. Das sind seriöse Zahlen.
- Jetzt geht es um die Frage: Wie lösen wir das Problem der leerstehenden Kapazitäten?
Also, es gibt diese Bereitschaft tatsächlich. Viele Kliniken haben sich Gedanken gemacht, wie sie Selbstzahlerangebote entwickeln können. Vieles ist im Fluß. Wichtig ist, daß man den Verantwortlichen in den Kliniken sagt, daß die Angebote ein Stück attraktiver sein müssen als das, was man normalerweise als Patient im Krankenhaus erlebt. Man will Gast sein; man will sich als Gast aufgenommen und behandelt fühlen, und zwar wie in einem Hotel und nicht wie in einem Krankenhaus. Gefühle der Lebensfreude, der Vitalität und der menschlichen Kontaktbereitschaft sollten angesprochen werden.
Vielleicht wäre es sinnvoll, wenn sich Fachleute aus dem Bereich Touristik und aus den Bereichen Medizin und Sport einmal zusammensetzten und darüber sprächen, wie gemeinsam Angebote erarbeitet werden können, die vielleicht noch ein Stück besser sind als das, was gegenwärtig auf dem Markt ist.
Herr Kollege Olderog, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Steen?
Ja, gerne.
Frau Kollegin, bitte sehr.
Herr Dr. Olderog, würden Sie mir zugestehen, daß wir in Ostholstein - wir beide vertreten ja diesen Wahlkreis - ein ganz anderes Angebot haben, nämlich eines, das sich auf eine
klinische Rehabilitation bezieht, und daß wir dort vor ganz schweren Problemen stehen, da in unserem Fall das, was Sie soeben geschildert haben, gar nicht zutrifft? Welche Empfehlungen geben Sie der Klinik Mühlenberg in Malente, die zwar eine Nachsorgeklinik, aber auch eine Klinik mit einem weit umfangreicheren medizinischen Angebot ist, in bezug auf eine Umstrukturierung, um zum Beispiel eine Art Hotelbetrieb zu werden? 160 Arbeitsplätze stehen dort auf dem Spiel. Sie wissen ganz genau, daß es dort Betriebsschließungen geben wird. Halten Sie das von Ihnen soeben Geschilderte wirklich für ein adäquateres Angebot als das, was wir in unserem Antrag fordern, nämlich wieder zu Prävention und Rehabilitation zurückzukehren?
Ich behaupte nicht, Frau Steen, daß jede Klinik in ein Hotel umgewandelt werden sollte. Ich sage auch nicht, daß es eine Patentlösung gibt. Gerade im Rahmen der DehogaTagung haben wir erlebt, daß es auf Kreativität ankommt. Uns wurden ganz erstaunliche Beispiele geschildert. Es gibt vergleichbare Kliniken, die inzwischen auch Selbstzahler aufgenommen haben. Aber ich räume ein: Für jede Klinik bietet sich das nicht an, ist das nicht die geeignete Antwort auf die jetzige Entwicklung.
Aber ich finde, es ist wichtig, jetzt nicht zu resignieren, sondern den Leuten Mut zu machen, kreativ nach Lösungen zu suchen. Das war gestern die entscheidende Parole auf der Dehoga-Fachtagung. Am Vormittag dieser Tagung hat nicht ein einziger der Diskussionsteilnehmer die Forderung erhoben, wir sollten zu der alten Regelung zurückkehren.
Herr Kollege Olderog, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Kastner?
Ja, gerne.
Bitte schön, Frau Kollegin.
Herr Kollege Olderog, sind Sie bereit, den Kolleginnen und Kollegen hier im Hohen Hause, besonders dem Kollegen Singhammer, einmal zu sagen, welche finanziellen Anstrengungen diese Bundesregierung unternimmt, um die von Ihnen so gepriesene Marketing-Umstrukturierung zu bewältigen? Sind Sie auch bereit, zu sagen, daß die Bundesregierung weder im Wirtschaftsetat noch in anderen Etats eine müde Mark dafür zur Verfügung stellt, sondern dies der Deutschen Zentrale für Tourismus, dem Deutschen Bäderverband und den Kurstädten aufhalst, die dann ja doppelt bezahlen?
Wir stellen der Deutschen Zentrale für Tourismus einen Betrag von über 35 Millionen DM zur Verfügung, damit sie deutsche touristische Angebote im Ausland vermarktet. Im Rahmen dieses hohen Millionenbetrages wird auch
Dr. Rolf Olderog
der angesprochene Bereich finanziert. Ich würde mich allerdings freuen - wir bemühen uns ja gemeinsam darum -, wenn für diese spezielle Aufgabe noch zusätzlich Geld zur Verfügung gestellt würde. Dafür treten wir nachdrücklich ein.
Ich möchte Ihnen nur sagen, daß die DZT dort ein sehr interessantes Angebot auf die Beine gestellt hat. Sie hat es tatsächlich geschafft, Kliniken und Hotels zusammenzuführen, die nun gemeinsam Angebotspakete schnüren. Ich freue mich darüber, daß diese Angebote im Ausland offensichtlich auf große Aufmerksamkeit und auf großes Interesse gestoßen sind. Für uns kommt es jetzt darauf an, einen entscheidenden weiteren Schritt zu machen, nämlich diese Angebote auch in Deutschland zu vermarkten und hierauf einen Schwerpunkt der Vermarktung zu setzen. Damit würden wir den Betroffenen einen noch größeren Dienst erweisen.
Meine Damen und Herren, viele Hotels sind betroffen, insbesondere die Hotels, in denen Gäste gewohnt haben, die ambulante Kuren in Anspruch genommen haben, oder in denen Angehörige bei Besuchen oder dann übernachtet haben, wenn sie ihre kurenden Verwandten begleitet haben. Auf der angesprochenen Tagung in Bad Breisig habe ich erfreulicherweise feststellen können, daß die Herausforderung für diese Hotels eher leichter zu bewältigen ist. Wir haben eine Reihe von Beispielen vor Augen geführt bekommen, die ich so ermutigend fand, daß man eigentlich allen nur zuraten kann, sich auch auf dieses Feld zu begeben und kreative Angebote zu entwickeln. Es gibt, liebe Frau Kastner, durchaus auch Chancen für kleine und mittlere Hotels. Ihnen ist zu empfehlen, daß sie sich zu Kooperationen zusammenschließen und ihre Angebote gemeinsam vermarkten.
Meine Damen und Herren, ich bin sicher, daß es bei Reha und Kuren kein Zurück zu der alten Regelung geben wird. Ich erinnere mich daran - Frau Kastner, vielleicht darf ich auch das noch einmal sagen -, daß Herr Lafontaine gesagt hat, als er vor zwei Jahren gefragt wurde, wo er sparen wolle: Bei den Kuren sollen wir sparen. Das war am 3. Mai 1996 in einer dpa-Meldung und am 8. Mai 1996 in der „Bild"-Zeitung zu lesen.
Herr Kollege Olderog, Ihre Redezeit ist abgelaufen.
Herr Präsident, ich komme zum Schluß.
Auch im Bereich Reha und Kuren kommen wir nicht umhin, an den gesundheitsorientierten Bürger zu appellieren, in finanzieller Eigenverantwortung etwas für seine Gesundheit zu tun. Wir appellieren an die Verantwortlichen in den Kliniken und in den betroffenen Hotels, mit attraktiven Angeboten für Selbstzahler, um gesundheitsorientierte Bürger in Deutschland und im Ausland zu werben.
Herzlichen Dank.
Damit schließe ich die Aussprache.
Wir kommen zu den Abstimmungen und Überweisungen, die in großer Zahl vor uns stehen.
Wir beginnen mit der Abstimmung über die Beschlußempfehlung des Ausschusses für Gesundheit zu dem Antrag der Fraktion der SPD zu Rehabilitation, Prävention und Kuren, Drucksache 13/9494 Nr. I. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 13/7174 abzulehnen. Wer der Beschlußempfehlung des Ausschusses zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Dann stelle ich fest, daß die Beschlußempfehlung des Ausschusses mit den Stimmen der Koalition gegen die Stimmen des Hauses im übrigen angenommen worden ist.
Wir kommen zur Abstimmung über die Beschlußempfehlung des Ausschusses für Gesundheit unter Nr. II auf Drucksache 13/9494. Wer der Beschlußempfehlung des Gesundheitsausschusses zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Dann stelle ich fest, daß die Beschlußempfehlung mit der gleichen Mehrheit angenommen worden ist.
Dann kommen wir zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion der SPD zu Sofortmaßnahmen gegen die Krise von Kur und Rehabilitation, Drucksache 13/10561. Wer dem Antrag der Fraktion der SPD zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Dann stelle ich fest, daß der Antrag mit den Stimmen der Koalition gegen die Stimmen des Hauses im übrigen abgelehnt worden ist.
Interfraktionell wird die Überweisung des Antrages der Gruppe der PDS zur Abschaffung des „Notopfers Krankenhaus" auf Drucksache 13/9386 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? - Ich sehe und höre keinen Widerspruch. Dann ist die Überweisung so beschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion der SPD zu einem Nationalen Aktionsplan Diabetes auf Drucksache 13/10822. Wer dem Antrag der Fraktion der SPD zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Ich stelle fest, daß der Antrag mit den Stimmen der Koalition bei Stimmenthaltung der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen des Hauses im übrigen abgelehnt worden ist.
Dann kommen wir zur Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurf zur Änderung des Arzneimittelgesetzes; Drucksachen 13/9996, 13/10122 und 13/11020. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschußfassung mit der von den Berichterstattern vorgetrage-
Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch
nen Berichtigung zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Ich stelle fest, daß der Gesetzentwurf in zweiter Beratung mit den Stimmen der Koalition gegen die Stimmen der Gruppe der PDS bei Stimmenthaltungen des Hauses im übrigen angenommen worden ist.
Damit treten wir ein in die
dritte Beratung
und Schlußabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Dann stelle ich fest, daß der Gesetzentwurf in dritter Lesung mit demselben Stimmenverhältnis wie eben angenommen worden ist.
Dann kommen wir zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 13/11058. Wer dem Entschließungsantrag der Fraktion der SPD zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Ich stelle fest, daß der Entschließungsantrag mit den Stimmen der Koalition gegen die Stimmen des Hauses im übrigen abgelehnt worden ist.
Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 13/11059. Wer diesem Entschließungsantrag zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Dann stelle ich fest, daß dieser Entschließungsantrag mit den Stimmen der Koalition gegen die Stimmen des Hauses im übrigen abgelehnt worden ist.
Wir kommen zu dem von der Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurf zur Änderung des Medizinproduktegesetzes; Drucksachen 13/10422, 13/10868 und 13/11021.
Frau Kollegin Dr. Höll, Sie wollen dazu einen Antrag zur Geschäftsordnung stellen? - Bitte schön.
Danke, Herr Präsident! Ich möchte hiermit nach § 82 Abs. 3 der Geschäftsordnung die Rücküberweisung der vom Präsidenten genannten Drucksachen an die Ausschüsse beantragen, und zwar zur Mitberatung an den Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung, den Innenausschuß und den Rechtsausschuß.
Ich begründe das wie folgt: In seiner gestrigen abschließenden Beratung hat der Ausschuß für Gesundheit eine Reihe von Änderungen zu dem Gesetzentwurf beschlossen. Insbesondere die neu eingefügten Art. 2 - Änderung des Bundessozialhilfegesetzes - und Art. 4 - Änderung des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch, Verwaltungsverfahren - berühren die fachliche Zuständigkeit der von mir genannten Ausschüsse, die aber nicht mehr mitberatend beteiligt wurden.
Entsprechend den Gepflogenheiten bei der Überweisung von Anträgen und Gesetzentwürfen in diesem Hause wäre der vorliegende Gesetzentwurf, hätte er bei der ersten Lesung die gestern noch eingefügten Änderungen bereits enthalten, nicht zur alleinigen Beratung dem Gesundheitsausschuß überwiesen worden, sondern auch den anderen genannten Ausschüssen zur Mitberatung.
Üblicherweise wird es der letztlichen Entscheidung des federführenden Ausschusses überlassen, ob bei einem zwischenzeitlichen Draufsatteln weiterer Artikelgesetze andere Ausschüsse beteiligt werden. Üblicherweise gilt diese Verfahrensweise für Änderungen, Ergänzungen und Hinzufügungen, die in einem sachlichen Zusammenhang mit dem ursprünglichen Gesetzentwurf stehen.
Die vorliegende Beschlußempfehlung entspricht diesem Usus jedoch nicht; denn in der Beschlußempfehlung des Ausschusses selbst wird darauf hingewiesen, daß die Einfügungen, insbesondere die genannten Art. 2 und 4, in keinem sachlichen Zusammenhang mit dem behandelten Gesetzentwurf stehen. Ich zitiere aus der Beschlußempfehlung:
Die ... in anderen Rechtsmaterien vorgenommenen Änderungen stellten notwendige Anpassungen an die jeweiligen Entwicklungen dar ...
Der Ausschuß selbst sieht damit keinen sachlichen Zusammenhang. Die Änderung des Medizinproduktegesetzes wäre auch ohne diese Hinzufügungen realisierbar. Der Ausschuß hat als einzige Begründung Zeitnot angeführt. In der Beschlußempfehlung heißt es weiter, daß eigentlich „Novellierungen der jeweiligen Rechtsbereiche" vorgenommen werden müßten, daß dies aber „aus zeitlichen Gründen" in dieser Legislaturperiode nicht mehr erfolgen könne. Deshalb habe der Ausschuß diese Änderungen einfach mitbeschlossen.
Ein solches Draufsatteln aus rein zeitlichen Motiven entspricht nicht dem Usus der Geschäftsordnung. Wir sollten uns dem schon verpflichtet fühlen. Tatsächlich handelt es sich um relativ weitreichende Änderungen im arbeitsmarktpolitischen und rechtsstaatlich-demokratischen Bereich, vor deren Beschlußfassung ein Votum der Fachausschüsse unabdingbar ist.
Wir beantragen daher die Rücküberweisung an die bezeichneten Ausschüsse. Eine abschließende Beratung wäre dann immer noch in der nächsten Sitzungswoche möglich.
Ich danke Ihnen.
Sie haben den Geschäftsordnungsantrag auf Rücküberweisung gehört. Wird dazu das Wort gewünscht? - Das ist erkennbar nicht der Fall.
Dann treten wir in die Abstimmung ein. Wer dem Rücküberweisungsantrag der Gruppe der PDS zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Ich stelle fest, daß der Antrag gegen die Stimmen der Gruppe der PDS bei Stimmenthaltung der Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen mit den Stimmen der übrigen Mitglieder des Hauses abgelehnt worden ist.
Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch
Frau Dr. Höll, Sie haben das Wort.
Herr Präsident, ich danke Ihnen für die Worterteilung.
Herr Ramsauer, Sie sollten sich noch einmal der Geschäftsordnung und dann vielleicht meinen Worten widmen.
Da Sie eben unseren Antrag auf Rücküberweisung abgelehnt haben, beantrage ich jetzt mündlich, aus der Beschlußempfehlung den Art. 2 - Änderung des Bundessozialhilfegesetzes - zu streichen.
Ich begründe das wie folgt:
Wir stimmen grundsätzlich darin überein, daß die Gewährung von Lohnkostenzuschüssen ein sinnvolles Instrument sein kann, um Sozialhilfeberechtigte bei der Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen oder selbständigen Beschäftigung zu unterstützen. Das ist aber bereits nach der geltenden Rechtslage möglich. Tatsächlich sind es zwei Änderungen, denen wir - zumindest ohne Beratung im für arbeitsmarktpolitische Fragen zuständigen Ausschuß - nicht zustimmen können.
Erstens wird in Art. 2 statt der bisherigen Kann-Bestimmung eine Soll-Vorschrift eingeführt. Den Kommumen wird eine - Zitat Beschlußempfehlung - „weitgehende Verbindlichkeit" auferlegt, aktiv fördernd tätig zu werden. Wir halten diese Soll-Vorschrift für verfehlt, weil sie ein konkurrierendes Nebeneinander von Arbeits- und Sozialämtern fördert und den Sozialhilfeträgern weitere arbeitsmarktpolitische Kompetenzen und Aufgaben überträgt, und zwar ohne daß eine verbindliche Kooperation mit den Arbeitsämtern eingefordert wird und ohne daß den Kommunen für die zusätzlichen Aufgaben auch zusätzliche finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt werden. Die Kommunen dürfen hier nicht zu Ersatzakteuren für die Bundesregierung und nicht zu Ersatzarbeitsämtern für Arbeitslose zweiter Klasse gemacht werden.
Zweitens enthält die Neufassung eine Öffnungsklausel, die es ermöglicht, von der Bindung der Förderung an eine sozialversicherungspflichtige oder selbständige Tätigkeit befristet abzusehen und auch einen Zuschuß bei der Aufnahme einer geringfügigen Beschäftigung vorzusehen.
Wir halten es grundsätzlich und ordnungspolitisch für verfehlt, mit öffentlichen Geldern 620- bzw. 520-DM-Jobs zu fördern, denn diese Förderung trägt nur dazu bei, daß die solidarische Grundlage sozialstaatlicher Regelungen, das Solidar- und Beitragssystem, weiter ausgehöhlt und geschmälert wird. Die Flucht aus der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung wird damit auch noch mit öffentlichen Zuschüssen honoriert.
Die im Gesetzentwurf und in der Begründung vorgesehenen Einschränkungen - „ausnahmsweise", „befristet" und „als Zwischenschritt mit dem Ziel einer umfassenderen Erwerbstätigkeit" - stellen in ihrer Unbestimmtheit lediglich Kosmetik dar, mit der die Ausnahme zur Regel gemacht wird.
Die Streichung des Art. 2, der zudem in keinem sachlichen Zusammenhang mit den Regelungsangelegenheiten des Medizinproduktegesetzes steht, würde es auch uns möglich machen, dem eigentlichen Gesetzentwurf zuzustimmen.
Weil wir dem eigentlichen Gesetzentwurf zustimmen wollen, möchte ich hier auch noch begründen, warum wir beantragen, neben Art. 2 auch Art. 4 der Beschlußempfehlung, Änderung des Zehnten Sozialgesetzbuches, zu streichen.
Ich habe das Gefühl, daß viele gar nicht wissen, worüber hier abgestimmt wird, und daß es nicht „nebenbei" ist.
Eine Sekunde, Frau Kollegin. Ich möchte Sie - ich meine das Haus - wirklich darauf aufmerksam machen, daß nach der Geschäftsordnung jeder Abgeordnete berechtigt ist, in zweiter Lesung Änderungsanträge einzubringen und sie auch kurz zu begründen. Ich bitte, das zu respektieren.
Frau Kollegin Dr. Höll, Sie haben das Wort. Bitte schön.
Danke. - Durch die Neufassung von § 68 Satz 1 SGB X werden die Sozialleistungsbehörden in umfassendem Maß zu Erfüllungsgehilfen der Strafverfolgungsbehörden gemacht. Völlig unspezifisch wird vorgeschrieben - ich zitiere hier noch einmal -: „Zur Erfüllung von Aufgaben der Polizeibehörden, der Staatsanwaltschaften und Gerichte, der Behörden der Gefahrenabwehr, der Justizvollzugsanstalten ... " sei im einzelnen Fall die Weitergabe von persönlichen Daten, Anschriften und Arbeitgebern zulässig.
Das betrifft bei der vorliegenden Formulierung alle Aufgaben der Strafverfolgungsbehörden und alle Aufgaben aller weiteren Behörden, die in irgendeiner Weise etwas mit der Abwehr irgendeiner Gefahr zu tun haben. Praktisch bedeutet dies, daß die Sozial-
Dr. Barbara Höll
leistungsbehörden hier wirklich zu Erfüllungsgehilfen gemacht werden,
wobei den Verfolgungs- und Abwehrbehörden die Definitionsmacht darüber zukommt, zur Erfüllung welcher Aufgaben die Datenweitergabe - ein Telefonanruf usw. - erforderlich ist.
In der Begründung der Beschlußempfehlung wird populistisch auf den Straftäter abgestellt, der heute - Zitat - „auf Grund unterschiedlicher Auffassungen in der Praxis" darauf vertrauen könne, „daß die Polizei von dem Besuch" - auf dem Sozialamt - „nichts erfährt".
Das ist natürlich an sich schon Unsinn; denn dann, wenn die Praxis unterschiedlichen Auffassungen folgt, also unterschiedlich ist, kann niemand auf eine bestimmte Praxis vertrauen.
Es ist aber auch nicht einzusehen, warum das nicht hingenommen werden kann -
Frau Kollegin, ich muß Sie jetzt bitten, zum Schluß zu kommen.
- ja -, wie das in der Beschlußempfehlung ausgedrückt wird.
Wir verwahren uns dagegen, daß eine solche weitreichende Übertragung von Daten an die Polizei und eine Zusammenarbeit möglich sind, ohne daß das diskutiert ist und ohne daß tatsächlich näher definiert ist, wie dies geregelt werden soll.
Aus diesem Grund beantrage ich hier auch die Streichung des Art. 4.
Herr Präsident, ich danke Ihnen.
Es sind zwei Änderungsanträge gestellt worden. Wird dazu das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich nehme an, Frau Dr. Höll, daß Sie damit einverstanden sind, daß wir über die beiden Änderungsanträge gemeinsam abstimmen. - Dann stelle ich die beiden Änderungsanträge gemeinsam zur Abstimmung. Wer den Änderungsanträgen der Gruppe der PDS zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Dann stelle ich fest, daß die Änderungsanträge abgelehnt worden sind mit den Stimmen des Hauses bei Stimmenthaltung der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen der Gruppe der PDS.Dann kommen wir zur Abstimmung über den Gesetzentwurf in der Ausschußfassung. Wer dem Gesetzentwurf in der Ausschußfassung zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Dann stelle ich fest, daß der Gesetzentwurf in zweiter Lesung mit den Stimmen der Koalition und der Fraktion der SPD bei Stimmenthaltung der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen der Gruppe der PDS angenommen worden ist.Wir treten damit in diedritte Beratungund Schlußabstimmung ein. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Dann stelle ich fest, daß der Gesetzentwurf in dritter Lesung mit demselben Stimmenverhältnis angenommen worden ist.Dann kommen wir zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion der SPD auf der Drucksache 13/11060. Wer dem Entschließungsantrag der Fraktion der SPD zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Dann stelle ich fest, daß der Entschließungsantrag bei Stimmenthaltung der Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen und gegen die Stimmen der Fraktion der SPD abgelehnt worden ist.Dann rufe ich die Abstimmung über den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zur Rückkehr zum Sachleistungsprinzip bei der Zahnbehandlung auf; das ist die Drucksache 13/10949. Wer diesem Antrag zustimmt, bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Dann stelle ich fest, daß der Antrag mit den Stimmen der Koalition gegen die Stimmen des Hauses im übrigen abgelehnt worden ist.Dann rufe ich die Beschlußempfehlung des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zu dem Entschließungsantrag der Fraktion der SPD zu der Großen Anfrage zur Situation der Demenz-kranken in der Bundesrepublik Deutschland, Drucksache 13/10499 Nr. 1, auf. Der Ausschuß empfiehlt, den Entschließungsantrag auf Drucksache 13/8723 abzulehnen. Wer der Beschlußempfehlung des Ausschusses zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Dann stelle ich fest, daß die Beschlußempfehlung mit den Stimmen der Koalition bei Stimmenthaltung der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen des Hauses im übrigen angenommen worden ist.Dann rufe ich die Beschlußempfehlung des Familienausschusses zu dem Entschließungsantrag der Gruppe der PDS zu der genannten Großen Anfrage auf; das ist die Drucksache 13/10499 Nr. 2. Der Ausschuß empfiehlt, den Entschließungsantrag auf Drucksache 13/8719 abzulehnen. Wer der Beschlußempfehlung des Ausschusses zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Dann stelle ich fest, daß die Beschlußempfehlung mit den Stimmen der Koalition und der Fraktion der SPD bei Stimmenthaltung der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen der Gruppe der PDS angenommen worden ist.Dann rufe ich die Beschlußempfehlung des Ausschusses für Gesundheit zum Antrag der Fraktion der SPD zur Erweiterung des Katalogs der Früherkennungs-Untersuchungen, Drucksache 13/11022, auf. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache
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Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998 22305
Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch13/1001 für erledigt zu erklären. Wer dieser Beschlußempfehlung zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Dann stelle ich fest, daß die Beschlußempfehlung mit den Stimmen des Hauses angenommen worden ist.Ich rufe eine weitere Empfehlung auf: Der Ausschuß für Gesundheit empfiehlt in seiner Beschlußempfehlung auf Drucksache 13/11022 des weiteren die Annahme einer Entschließung. Wer dieser Beschlußempfehlung des Ausschusses für Gesundheit zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Dann stelle ich fest, daß auch diese Beschlußempfehlung einmütig angenommen worden ist.Zusatzpunkt 15: Abstimmung über den Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. zur aktuellen Situation bei Kuren und Rehabilitationen; Drucksache 13/11066. Wer diesem Antrag zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Dann stelle ich fest, daß der Antrag mit den Stimmen der Koalition gegen die Stimmen des Hauses im übrigen angenommen worden ist.Ich rufe die Tagesordnungspunkte 22a bis c und die Zusatzpunkte 9 a und b auf:Überweisungen im vereinfachten Verfahren22. a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Protokoll vom 30. Oktober 1997 zum Abkommen über die Zusammenarbeit und eine Zollunion zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Republik San Marino- Drucksache 13/10737 —Überweisungsvorschlag:Ausschuß für Wirtschaft Finanzausschußb) Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes- Drucksache 13/10989 —Überweisungsvorschlag: Finanzausschußc) Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Angelica Schwall-Düren, Michael Müller , Wolfgang Behrendt, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPDDas Flammschutzmittel Tri(2-chloräthyl)phosphat aus dem Verkehr ziehen- Drucksache 13/10853 —Überweisungsvorschlag:Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Ausschuß für WirtschaftZP9 Weitere Überweisungen im vereinfachten Verfahren
a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu der am 17. September 1997 in Mont-real beschlossenen Änderung zum Montrealer Protokoll vom 16. September 1987 über Stoffe, die zu einem Abbau der Ozonschicht führen.- Drucksache 13/10901 —Überweisungsvorschlag:Ausschuß für Umwelt, Naturschutzund Reaktorsicherheit
Ausschuß für VerkehrAusschuß für Bildung, Wissenschaft, Forschung,Technologie und Technikfolgenabschätzungb) Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur steuerlichen Förderung von Wagniskapital- Drucksache 13/10990 —Überweisungsvorschlag:Finanzausschuß
RechtsausschußAusschuß für WirtschaftAusschuß für Arbeit und SozialordnungAusschuß für Bildung, Wissenschaft, Forschung, Technologie und Technikfolgenabschätzung Haushaltsausschuß gemäß § 96 GOInterfraktionell wird vorgeschlagen, die Vorlagen an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse zu überweisen. Sind Sie damit einverstanden? - Ich sehe und höre keinen Widerspruch. Dann sind diese Überweisungen so beschlossen.Wir kommen zu den Tagesordnungspunkten 23 a bis z und 24 a bis q sowie zu den Zusatzpunkten 10 a bis 10c. Es handelt sich um die Beschlußfassungen zu Vorlagen, zu denen keine Aussprache vorgesehen ist.Herr Kollege Beck möchte als Berichterstatter zu den Punkten 23 d und 24 f das Wort nehmen. Ich möchte das vor die Abstimmungen ziehen.Bitte, ich gebe Ihnen das Wort zur Berichterstattung.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In aller Kürze: Bei dem Punkt 23d geht es um einen Gesetzentwurf unserer Fraktion zur Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare. Wir haben diesen Gesetzentwurf mit zwei Zielsetzungen eingebracht: Gleichberechtigung für diese Bevölkerungsgruppe zu erreichen und massive Rechtsprobleme homosexueller Lebensgemeinschaften endlich einer rechtlichen Klärung zuzuführen.
Die Mehrheit der Bevölkerung stimmt diesem Vorschlag inzwischen zu. Das haben wir auch im Ausschuß so erörtert. Der Bundesrat wird sich morgen ebenfalls mit diesen Fragen beschäftigen. Wir haben eine Anhörung im Rechtsausschuß durchgeführt, in der die Mehrheit der Sachverständigen unserer Auffassung zugestimmt hat, daß unser Vorschlag verfassungsrechtlich zulässig ist. Eine noch größere Mehrheit - eigentlich alle bis auf einen Sachverständigen - hat Handlungsbedarf bei diesem Thema angemahnt. Damit ist deutlich, daß es um eine Frage des politischen Willens und nicht des verfassungsrechtlich Möglichen geht, wenn wir heute über diesen Gesetzentwurf beschließen.
Volker Beck
Beim Tagesordnungspunkt 24f haben wir es mit mehreren Anträgen zu tun, die sich mit der Frage der Gleichberechtigung der Schwulen und Lesben in allen gesellschaftlichen Bereichen und unter anderem mit der Unterrichtung über eine Entschließung des Europäischen Parlaments in dieser Frage, die 1994 verabschiedet wurde, beschäftigen.
In der Bundesrepublik Deutschland - das hat die Bundesregierung in ihrer Antwort auf die Große Anfrage auch deutlich gemacht - ist diese Entschließung bis zum heutigen Tage ohne Konsequenzen für die Politik, ohne Konsequenzen für die Situation von Schwulen und Lesben in Deutschland geblieben. In anderen EU-Staaten hat es mittlerweile umfangreiche Reformgesetzgebungswerke gegeben, zum Beispiel in Schweden und in den Niederlanden, wo die eingetragene Partnerschaft eingeführt wurde, so daß dort für schwule und lesbische Lebensgemeinschaften faktisch das gleiche Recht mit dem Gang zum Standesamt wie für Ehepaare gilt.
Die Oppositionsfraktionen und auch die Fraktion der F.D.P. haben im Ausschuß deutlich gemacht, daß Handlungsbedarf besteht, daß der Gesetzgeber hier endlich tätig werden muß. Wir haben auch in Berichterstattergesprächen zwischen den Fraktionen versucht, unterhalb der Ebene der Gesetzesvorschläge unserer Fraktion für Einzelprobleme Lösungen zu finden: im Bereich der binationalen Partnerschaften, wo es darum geht, daß das Aufenthaltsrecht für den ausländischen Lebenspartner möglich ist, und im Bereich des Mietrechtes, weil homosexuelle Lebensgemeinschaften noch nicht einmal den gleichen rechtlichen Schutz wie nichteheliche heterosexuelle Lebensgemeinschaften genießen. Leider war hier auf Grund der Blockadepolitik der CDU/ CSU kein Vorankommen möglich, obwohl die Oppositionsfraktionen bereit waren, von ihren weitergehenden Vorstellungen zugunsten einer kleineren Reform abzugehen.
Herr Kollege, ich möchte Sie bitten, sich an die Berichterstattung zu halten und keinen Debattenbeitrag zu liefern.
Ich habe den Beratungsverlauf geschildert. - Die Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen haben daraufhin im Ausschuß - hier bitte ich die Kollegen der SPD noch einmal um Aufmerksamkeit - einen gemeinsamen Antrag gestellt, in dem wir die Kernpunkte der Entschließung des Europäischen Parlaments auf deutsche Verhältnisse herunterdekliniert haben. Diesen Antrag stellen wir heute unter Tagesordnungspunkt 24 f noch einmal zur Abstimmung. Leider hat die Fraktion der SPD ihn nicht unterzeichnet. Aber ich hoffe, daß sie dem Antrag, den wir im Ausschuß gemeinsam gestellt haben, die Zustimmung nicht verweigern wird und daß hier deutlich wird, wo Reformen, auch wenn sie nur noch von einer Minderheit im Hause getragen werden, möglich sind.
Die Bundesregierung hat auf die Große Anfrage über die europäische Rechtsentwicklung berichtet.
Herr Kollege, ich mahne Sie noch einmal, sich an die Berichterstattung zu halten. Es ist keine Debatte vorgesehen. Wenn Sie so fortfahren, muß ich Ihnen das Wort nehmen.
Ein letzter Satz, Herr Präsident. - Wir haben berichtet bekommen, daß sich in den Niederlanden die eingetragene Partnerschaft gesetzlich durchgesetzt hat. Die dortigen Koalitionspartner haben vor wenigen Wochen auch die Öffnung der Ehe beschlossen. Wir hoffen, wir kommen auch in diesem Hause in diesem Punkt ein Stück weiter, vielleicht aber erst ab September.
Wenn Sie damit einverstanden sind, lasse ich über die Tagesordnungspunkte, über die hier eben gesprochen worden ist, zuerst abstimmen. Dann haben wir den Sachzusammenhang erhalten.
Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 23 d:
Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Volker Beck , Marieluise Beck (Bremen), Matthias Berninger, weiteren Abgeordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts
- Drucksache 13/2728 -
Beschlußempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses
- Drucksache 13/10795 - Berichterstattung:
Abgeordnete Dr. Dietrich Mahlo Margot von Renesse
Volker Beck
Der Rechtsausschuß empfiehlt auf Drucksache 13/ 10 795, den Gesetzentwurf abzulehnen.
Ich lasse über den Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 13/2728 abstimmen und bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Dann stelle ich fest, daß der Gesetzentwurf in zweiter Lesung mit den Stimmen der Koalition bei Stimmenthaltungen aus der Gruppe der PDS gegen die Stimmen des Hauses im übrigen abgelehnt worden ist. Damit entfällt nach unserer Geschäftsordnung die weitere Beratung.
Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch
Ich rufe Tagesordnungspunkt 24 f auf:
Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Rechtsausschusses
- zu dem Entschließungsantrag der Abgeordneten Volker Beck , Rita Grießhaber, Joseph Fischer (Frankfurt), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN zu der Großen Anfrage der Abgeordneten Volker Beck (Köln), Marieluise Beck (Bremen), Matthias Berninger, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Bürgerrechtssituation von Schwulen und Lesben in der Bundesrepublik Deutschland im Vergleich mit der rechtspolitischen Entwicklung in den Nachbarländern
- zu dem Antrag des Abgeordneten Volker Beck und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN
Gleichberechtigung von Schwulen und
Lesben in der Bundesrepublik Deutschland
- zu der Unterrichtung durch das Europäische Parlament
Entschließung zur Gleichberechtigung von Schwulen und Lesben in der EG
- Drucksachen 13/2719, 13/5456, 13/8062,
13/1822, 12/7069, 13/725 Nr. 33, 13/10522 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Horst Eylmann
Dr. Dietrich Mahlo Margot von Renesse Volker Beck Jörg van Essen
Beschlußempfehlung des Rechtsausschusses zu dem Entschließungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zu der Großen Anfrage zur Bürgerrechtssituation von Schwulen und Lesben, Drucksache 13/10522 Buchstabe a.
Der Rechtsausschuß empfiehlt, den Entschließungsantrag auf Drucksache 13/8062 abzulehnen.
Dazu liegt ein Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vor, über den wir zuerst abstimmen. Wer dem Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 13/10958 zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Dann stelle ich fest, daß der Änderungsantrag mit den Stimmen der Koalition gegen die Stimmen des Hauses im übrigen abgelehnt worden ist.
Wir kommen nun zur Abstimmung über die Beschlußempfehlung des Rechtsausschusses in der vorgelegten Form. Wer der Beschlußempfehlung, den Antrag abzulehnen, zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Dann stelle ich fest, daß die Beschlußempfehlung des Rechtsausschusses mit den Stimmen der Koalition bei zwei Stimmenthaltungen der Fraktion der F.D.P. gegen die Stimmen des Hauses im übrigen angenommen worden ist.
Beschlußempfehlung des Rechtsausschusses zu dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zur Gleichberechtigung von Schwulen und Lesben, Drucksache 13/10522 Buchstabe b. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 13/1822 für erledigt zu erklären. Wer der Beschlußempfehlung zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Dann stelle ich fest, daß die Beschlußempfehlung mit den Stimmen der Koalition gegen die Stimmen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen bei Stimmenthaltung im übrigen angenommen worden ist.
Beschlußempfehlung des Rechtsausschusses zur Unterrichtung durch das Europäische Parlament über eine Entschließung zur Gleichberechtigung von Schwulen und Lesben, Drucksachen 12/7069 und 13/ 10 522 Buchstabe c. Der Ausschuß empfiehlt Kenntnisnahme. Wer der Beschlußempfehlung zustimmt, den bitte ich um dass Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Dann stelle ich fest, daß die Beschlußempfehlung einmütig angenommen worden ist.
Wir fahren nun fort mit Tagesordnungspunkt 23 a: Abschließende Beratungen ohne Aussprache
Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Bundeserziehungsgeldgesetzes
- Drucksache 13/7384 -
Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
- Drucksache 13/10 611 - Berichterstattung:
Abgeordnete Maria Eichhorn Rita Grießhaber
Heidemarie Lüth
Hildegard Wester
Der Ausschuß für Familie, Senioren, Frauen und Jugend empfiehlt auf Drucksache 13/10 611 unter Nr. 1, den Gesetzentwurf abzulehnen.
Ich lasse über den Gesetzentwurf des Bundesrates auf Drucksache 13/7384 abstimmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist in zweiter Beratung mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen bei Stimmenthaltung des Hauses im übrigen abgelehnt. Damit entfällt nach unserer Geschäftsordnung die weitere Beratung.
Tagesordnungspunkt 23b:
Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
- zu dem Antrag der Abgeordneten Hildegard Wester, Christel Hanewinckel,
Vizepräsident Hans-Ulrich Klose
Hermann Bachmaier, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD
Elterngeld und Elternurlaub für Mütter und Väter
- zu dem Antrag der Abgeordneten Rita Grießhaber und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN
Mehr Zeit und Geld für Kinder
- zu dem Antrag der Abgeordneten Rita Grießhaber, Marieluise Beck , Matthias Berninger, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Elternurlaub als Zeitkonto gestalten
- zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung
Bericht der Bundesregierung zu der Frage einer Inanspruchnahme des Erziehungsurlaubs durch den Vater während der Mutterschutzfrist
- Drucksachen 13/6577, 13/711, 13/4526, 13/7206, 13/10611 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Maria Eichhorn Rita Grießhaber
Heidemarie Lüth
Hildegard Wester
Zunächst die Beschlußempfehlung des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zu dem Antrag der Fraktion der SPD zu Elterngeld und Elternurlaub für Mütter und Väter auf Drucksache 13/ 10 611 Nr. 2. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 13/6577 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen des Hauses im übrigen angenommen.
Beschlußempfehlung des Familienausschusses zu dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit dem Titel „Mehr Zeit und Geld für Kinder", Drucksache 13/10611 Nr. 3. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 13/711 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der SPD gegen die Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen und PDS angenommen.
Beschlußempfehlung des Familienausschusses zu dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zu „Elternurlaub als Zeitkonto gestalten", Drucksache 13/10611 Nr. 3. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 13/4526 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der SPD gegen die Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen und PDS angenommen.
Beschlußempfehlung des Familienausschusses zu dem Bericht der Bundesregierung zu der Frage einer Inanspruchnahme des Erziehungsurlaubs durch den Vater während der Mutterschutzfrist, Drucksachen
13/7206 und 13/10611 Nr. 4. Der Ausschuß empfiehlt Kenntnisnahme. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist einstimmig, so scheint mir, angenommen.
Tagesordnungspunkt 23 c:
Beratung des Antrags der Abgeordneten Hildegard Wester, Anni Brandt-Elsweier, Hans Büttner , weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD
Vorlage eines Berichts zur wirtschaftlichen Situation junger Familien unter besonderer Berücksichtigung des Erziehungsgeldes und des Erziehungsurlaubs
- Drucksache 13/10 560 -
Wer stimmt für diesen Antrag? - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Antrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen des Hauses im übrigen abgelehnt.
Tagesordnungspunkt 23 e:
- Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Viertes Gesetzes zur Änderung des Strafvollzugsgesetzes
- Drucksache 13/10 245 -
- Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines ... Gesetzes zur Änderung des Strafvollzugsgesetzes
- Drucksache 13/117 -
- Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Strafvollzugsgesetzes
- Drucksache 13/3129 -
Beschlußempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses
- Drucksache 13/11016 - Berichterstattung:
Abgeordnete Ronald Pofalla Erika Simm
Volker Beck
Jörg van Essen
Wir stimmen zunächst ab über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Strafvollzugsgesetzes, Drucksachen 13/10245 und 13/11016 Buchstabe a. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschußfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist in zweiter Beratung mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der SPD-Fraktion
Vizepräsident Hans-Ulrich Klose
bei Stimmenthaltung von Bündnis 90/Die Grünen und PDS angenommen.
Dritte Beratung
und Schlußabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist damit in dritter Lesung angenommen. Die Mehrheitsverhältnisse sind wie vorher.
Beschlußempfehlung des Rechtsausschusses zu dem Gesetzentwurf des Bundesrates zur Änderung des Strafvollzugsgesetzes, Drucksache 13/11016 Buchstabe b. Der Ausschuß empfiehlt, den Gesetzentwurf auf Drucksache 13/117 für erledigt zu erklären. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist einstimmig angenommen.
Beschlußempfehlung des Rechtsausschusses zum Gesetzentwurf des Bundesrates zur Änderung des Strafvollzugsgesetzes, Drucksache 13/11016 Buchstabe c. Der Ausschuß empfiehlt, den Gesetzentwurf auf Drucksache 13/3129 für erledigt zu erklären. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist einstimmig angenommen.
Tagesordnungspunkt 23 f:
Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Rechtsausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Ulla Jelpke und der Gruppe der PDS
Änderung des Strafvollzugsgesetzes
- Drucksachen 13/1443, 13/11016 -Berichterstattung:
Abgeordnete Ronald Pofalla Erika Simm
Volker Beck
Jörg van Essen
Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 13/1443 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN und der SPD gegen die Stimmen der PDS angenommen.
Tagesordnungspunkt 23 g:
- Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Anpassung von Dienst-
und Versorgungsbezügen in Bund und Ländern 1998
- Drucksachen 13/10722, 13/10942 -
aa) Beschlußempfehlung und Bericht des Innenausschusses
- Drucksache 13/11018 - Berichterstattung:
Abgeordnete Meinrad Belle
Thomas Krüger Rezzo Schlauch Dr. Max Stadler Maritta Böttcher
bb) Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung
- Drucksache 13/11038 - Berichterstattung:
Abgeordnete Dr. Klaus-Dieter Uelhoff Ina Albowitz
Uta Titze-Stecher
Oswald Metzger
Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschußfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist in zweiter Beratung einstimmig angenommen worden.
Dritte Beratung
und Schlußabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist einstimmig angenommen.
Tagesordnungspunkt 23 h:
- Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines ... Gesetzes zur Änderung des Beamtenrechtsrahmengesetzes und anderer dienstrechtlicher Vorschriften
- Drucksache 13/8934 -
Beschlußempfehlung und Bericht des Innenausschusses
- Drucksache 13/11018 - Berichterstattung:
Abgeordnete Meinrad Belle
Thomas Krüger Rezzo Schlauch Dr. Max Stadler Maritta Böttcher
Der Innenausschuß empfiehlt auf Drucksache 13/ 11018 Buchstabe b, den Gesetzentwurf abzulehnen. Ich lasse über den Gesetzentwurf des Bundesrates auf Drucksache 13/8934 abstimmen und bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen der SPD-Fraktion bei Enthaltung der PDS abgelehnt. Damit entfällt nach der Geschäftsordnung die weitere Beratung.
Vizepräsident Hans-Ulrich Klose
Tagesordnungspunkt i:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Wirtschaftsplans des ERP-Sondervermögens für das Jahr 1999
- Drucksache 13/10723 -
Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft
- Drucksache 13/11014 - Berichterstattung:
Abgeordneter Jürgen Türk
Der Ausschuß für Wirtschaft empfiehlt auf Drucksache 13/11014, den Gesetzentwurf unverändert anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung einstimmig angenommen.
Dritte Beratung
und Schlußabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist damit einstimmig angenommen.
Tagesordnungspunkt 23j:
Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Statistik im produzierenden Gewerbe
- Drucksache 13/10342 -
Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft
- Drucksache 13/10925 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Jelena Hoffmann
Der Ausschuß für Wirtschaft empfiehlt auf Drucksache 13/10925, den Gesetzentwurf unverändert anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung einstimmig angenommen.
Dritte Beratung
und Schlußabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist damit einstimmig angenommen.
Tagesordnungspunkt 231:
Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 29. Januar 1998 zwischen der Regierung Kanadas, Regierungen von Mitgliedstaaten
der Europäischen Weltraumorganisation, der Regierung Japans, der Regierung der Russischen Föderation und der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika über Zusammenarbeit bei der zivilen internationalen Raumstation
-Drucksache 13/10713 -
aa) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Bildung, Wissenschaft, Forschung, Technologie und Technikfolgenabschätzung
- Drucksache 13/11026 - Berichterstattung:
Abgeordnete Christian Lenzer Lothar Fischer
Dr. Manuel Kiper
Dr.-Ing. Karl-Hans Laermann Wolfgang Bierstedt
bb) Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung
- Drucksache 13/11037 - Berichterstattung:
Abgeordnete Dieter Schanz Steffen Kampeter
Antje Hermenau
Dr. Wolfgang Weng
Der Ausschuß für Bildung, Wissenschaft, Forschung, Technologie und Technikfolgenabschätzung empfiehlt auf Drucksache 13/11026, den Gesetzentwurf unverändert anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der SPD-Fraktion gegen die Stimmen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Stimmenthaltung der Gruppe der PDS angenommen.
Tagesordnungspunkt 23 m:
Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 16. Dezember 1993 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und dem Obersten Rat der Europäischen Schulen über die Europäischen Schulen in Karlsruhe und München
- Drucksache 13/10115 -
Beschlußempfehlung und Bericht des Auswärtigen Ausschusses
- Drucksache 13/10999 - Berichterstattung:
Abgeordneter Claus-Peter Grotz
Dr. Elke Leonhard Waltraud Schoppe Ulrich Irmer
Vizepräsident Hans-Ulrich Klose
Der Auswärtige Ausschuß empfiehlt auf Drucksache 13/10999, den Gesetzentwurf unverändert anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist einstimmig angenommen.
Tagesordnungspunkt 23 n:
Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Wolfgang Freiherr von Stetten, Gert Weisskirchen (Wiesloch), Reinhold Hiller (Lübeck) und weiterer Abgeordneter
Visumfreiheit für die baltischen Staaten
- Drucksachen 13/9390, 13/10689 - Berichterstattung:
Abgeordneter Klaus Francke
Gert Weisskirchen
Gerd Poppe
Ulrich Irmer
Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 13/9390 anzunehmen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist einstimmig angenommen.
Tagesordnungspunkt 23 o:
Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung
Familien und Familienpolitik im geeinten Deutschland - Zukunft des Humanvermögens
- Fünfter Familienbericht -
- Drucksachen 12/7560, 13/725 Nr. 141, 13/ 4677 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Anke Eymer Christel Hanewinckel Irmingard Schewe-Gerigk
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger Heidemarie Lüth
Der Ausschuß empfiehlt Kenntnisnahme. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist einstimmig angenommen.
Der Familienausschuß empfiehlt unter Nr. 2 seiner Beschlußempfehlung auf Drucksache 13/4677 die Annahme einer Entschließung. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist einstimmig angenommen.
Tagesordnungspunkt 23 p:
Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
- zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung
- zu dem Entschließungsantrag der Fraktion der SPD zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung
- zu dem Entschließungsantrag der Abgeordneten Christina Schenk, Heidemarie Lüth, Rosel Neuhäuser, Petra Bläss und der Gruppe der PDS zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung
Dritter Bericht der Bundesregierung über die Gleichstellungsstellen in Bund, Ländern und Kommunen
- Drucksachen 13/4021, 13/6497, 13/6494, 13/ 7056-
Berichterstattung:
Abgeordnete Ilse Falk Christina Schenk
Irmingard Schewe-Gerigk Hanna Wolf
Der Ausschuß empfiehlt, die Unterrichtung auf Drucksache 13/4021 zur Kenntnis zu nehmen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist einstimmig angenommen.
Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 13/ 11009. Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Entschließungsantrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen des Hauses im übrigen abgelehnt.
Beschlußempfehlung des Familienausschusses zu dem Entschließungsantrag der Fraktion der SPD zum Gleichstellungsbericht der Bundesregierung, Drucksache 13/7056 Nr. 2 Buchstabe a. Der Ausschuß empfiehlt, den Entschließungsantrag auf Drucksache 13/ 6497 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen von Bündnis 90/ Die Grünen und SPD sowie eines Teils der PDS bei einer Stimmenthaltung aus den Reihen der PDS angenommen.
Beschlußempfehlung des Familienausschusses zu dem Entschließungsantrag der Gruppe der PDS zu dem genannten Bericht, Drucksache 13/7056 Nr. 2 Buchstabe b. Der Ausschuß empfiehlt, den Entschließungsantrag auf Drucksache 13/6494 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der SPD-Fraktion gegen die Stimmen der PDS bei Stimmenthaltung vom Bündnis 90/Die Grünen angenommen.
Vizepräsident Hans-Ulrich Klose
Tagesordnungspunkt 23 q:
Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung
Europäisches Rahmenentwicklungskonzept
- Erster offizieller Entwurf -
- Drucksachen 13/8726, 13/8751 Nr. 1.1, 13/ 10304 -
Berichterstattung:
Abgeordneter Walter Schöler Hans-Wilhelm Pesch
Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist einstimmig angenommen.
Tagesordnungspunkt 23 r:
Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Auswärtigen Ausschusses
- zu dem Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Eberhard Brecht, Gert Weisskirchen , Brigitte Adler, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD
- zu dem Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Eberhard Brecht, Dr. Helmut Lippelt, Christa Nickels, Wilhelm Schmidt , Gert Weisskirchen (Wiesloch) und der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN
- zu der Großen Anfrage der Abgeordneten Gert Weisskirchen , Dr. Eberhard Brecht, Brigitte Adler, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD
Reform der Vereinten Nationen
- Drucksachen 13/5055, 13/6773, 13/7915, 13/ 7941, 13/10477 -
Berichterstattung:
Abgeordneter Armin Laschet Dr. Eberhard Brecht
Dr. Helmut Lippelt
Ulrich Irmer
Der Ausschuß empfiehlt, den Entschließungsantrag auf Drucksache 13/7941 anzunehmen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist einstimmig angenommen.
Beschlußempfehlung des Auswärtigen Ausschusses zu dem Entschließungsantrag der Fraktion der SPD zur Großen Anfrage zur Reform der Vereinten Nationen, Drucksache 13/10477. Der Ausschuß empfiehlt, den Entschließungsantrag auf Drucksache 13/ 7915 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der SPD bei Stimmenthaltung von Bündnis 90/Die Grünen und PDS angenommen.
Tagesordnungspunkt 23 s:
Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
- zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung
Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament
Europäischer Freiwilligendienst für Jugendliche
Vorschlag für einen Beschluß des Europäischen Parlaments und des Rates zur Einführung des Gemeinschaftlichen Aktionsprogramms „Europäischer Freiwilligendienst für Jugendliche"
- zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung
Pilotaktion: Europäischer Freiwilligendienst für Jugendliche
Zweiter Zwischenbericht
- Drucksachen 13/7216 Nr. 2.19, 13/9477 Nr. 2.10, 13/10337 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Matthias Berninger
Klaus Hagemann Helmut Jawurek Rosel Neuhäuser
Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist einstimmig angenommen.
Tagesordnungspunkt 23 t:
Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau zu der Unterrichtung durch das Europäische Parlament
Entschließung des Europäischen Parlaments zum Bericht der Kommission über die Bauproduktenrichtlinie
- Drucksachen 13/9819 Nr. 1.9, 13/10423 -Berichterstattung:
Abgeordnete Dieter Maaß Josef Hollerith
Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen, der SPD und von Bündnis 90/Die Grünen und bei Stimmenthaltung der PDS angenommen.
Tagesordnungspunkt 23 u:
Beratung des Berichts des Ausschusses für
Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung zu dem Überprüfungsver-
Vizepräsident Hans-Ulrich Klose
fahren des Abgeordneten Rolf Kutzmutz gemäß § 44 b Abs. 2 des Abgeordnetengesetzes
- Drucksache 13/10498 -
Ich gehe davon aus, daß Sie von dem Bericht Kenntnis genommen haben.
Tagesordnungspunkt 23 v:
Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung
- zu dem Antrag der Abgeordneten Andrea Fischer , Monika Knoche, Marieluise Beck (Bremen), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Solidarische Finanzierung der Sozialversicherung erhalten
- zu dem Antrag der Abgeordneten Marieluise Beck , Elisabeth Altmann (Pommelsbrunn), Matthias Berninger, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Die Arbeitsfähigkeit der Bundesanstalt für Arbeit und der Arbeitsämter wieder herstellen
- Drucksachen 13/7086, 13/7521, 13/10571 - Berichterstattung:
Abgeordnete Ulrike Mascher
Zunächst zur Beschlußempfehlung des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung zu dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zum Erhalt der solidarischen Finanzierung der Sozialversicherung, Drucksache 13/10571 Buchstabe a. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 13/7086 für erledigt zu erklären. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der SPD-Fraktion gegen die Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen und PDS angenommen.
Beschlußempfehlung des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung zu dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zur Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit der Bundesanstalt für Arbeit und der Arbeitsämter, Drucksache 13/10571 Buchstabe b. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 13/7521 für erledigt zu erklären. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der SPD-Fraktion gegen die Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen und PDS angenommen.
Tagesordnungspunkt 23 w:
Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung zu dem Antrag der Gruppe der PDS
Leistungsgesetz für Menschen mit Behinderung
- Drucksachen 13/8477, 13/10608 -Berichterstattung:
Abgeordnete Birgit Schnieber-Jastram
Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 13/8477 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen, der SPD-Fraktion und von Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen der PDS angenommen.
Tagesordnungspunkt 23 x:
Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung
Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Kraftfahrzeuge und Kraftfahrzeuganhänger zur Beförderung bestimmter Tierarten und zur Änderung der Richtlinie 70/156/EWG in bezug auf die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen und Kraftfahrzeuganhängern
- Drucksachen 13/8615 Nr. 2.55, 13/10746-Berichterstattung:
Abgeordneter Manfred Heise
Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist einstimmig angenommen.
Tagesordnungspunkt 23 y:
Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung
Entwurf für eine Verordnung des Rates über die statistische Erfassung des Güterkraftverkehrs
- Drucksachen 13/9312 Nr. 1.1, 13/10747 -Berichterstattung:
Abgeordneter Claus-Peter Grotz
Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist einstimmig angenommen.
Tagesordnungspunkt 23 z:
Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung
Vorschlag für eine Verordnung des Rates über die Anerkennung des Unterschei-
Vizepräsident Hans-Ulrich Klose
dungszeichens des Zulassungsmitgliedstaats
von Kraftfahrzeugen und Kraftfahrzeuganhängern im innergemeinschaftlichen Verkehr
- Drucksachen 13/8615 Nr. 2.83, 13/10748 -Berichterstattung:
Abgeordneter Claus-Peter Grotz
- Das ist ein Sprachproblem. - Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist einstimmig angenommen.
Tagesordnungspunkt 24 a:
Weitere abschließende Beratungen ohne Aussprache
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes betreffend die Anrufung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften im Wege des Vorabentscheidungsverfahrens auf dem Gebiet der polizeilichen Zusammenarbeit und der justitiellen Zusammenarbeit in Strafsachen nach Artikel 35 des EU-Vertrages
- Drucksache 13/10429 -
Beschlußempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses
- Drucksache 13/10967 - Berichterstattung:
Abgeordnete Peter Altmaier Dr. Jürgen Meyer
Der Rechtsausschuß empfiehlt auf Drucksache 13/10967, den Gesetzentwurf unverändert anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung einstimmig angenommen.
Dritte Beratung
und Schlußabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist einstimmig angenommen.
Tagesordnungspunkt 24 b:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Haftungsbeschränkung in der Binnenschiffahrt
- Drucksache 13/8446 -
Beschlußempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses
- Drucksache 13/11031-
Berichterstattung:
Abgeordnete Dr. Wolfgang Götzer Dr. Eckhart Pick
Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschußfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung bei Stimmenthaltung von Bündnis 90/Die Grünen mit den Stimmen des Hauses im übrigen angenommen.
Dritte Beratung
und Schlußabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist damit in dritter Lesung angenommen. Abstimmungsverhältnisse wie zuvor.
Tagesordnungspunkt 24 c:
Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Straßburger Übereinkommen vom 4. November 1988 über die Beschränkung der Haftung in der Binnenschiffahrt
- Drucksache 13/8220 -
Beschlußempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses
- Drucksache 13/11031 - Berichterstattung:
Abgeordnete Dr. Wolfgang Götzer Dr. Eckhart Pick
Der Rechtsausschuß empfiehlt auf Drucksache 13/11031 Buchstabe a, den Gesetzentwurf unverändert anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist bei Stimmenthaltung von Bündnis 90/Die Grünen mit den Stimmen des Hauses im übrigen angenommen.
Tagesordnungspunkt 24 d:
Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Beseitigung von Erwerbsbeschränkungen für ausländische Investoren und Staaten
- Drucksache 13/10534 -
Beschlußempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses
- Drucksache 13/10966 -Berichterstattung:
Abgeordnete Dr. Dietrich Mahlo Dr. Eckhart Pick
Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschußfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung bei
Vizepräsident Hans-Ulrich Klose
Stimmenthaltung der Gruppe der PDS mit den Stimmen des Hauses im übrigen angenommen.
Dritte Beratung
und Schlußabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist angenommen, Mehrheitsverhältnisse wie zuvor.
Tagesordnungspunkt 24 e:
Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung
Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über Sicherheitsanforderungen für Flugbegleiter und die Bescheinigung der Befähigung von Flugbegleitern in der Zivilluftfahrt
- Drucksachen 13/8615 Nr. 2.95, 13/10749 -Berichterstattung:
Abgeordneter Lothar Ibrügger
Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist gegen die Stimmen der Gruppe der PDS mit den Stimmen des Hauses im übrigen angenommen.
Tagesordnungspunkte 24 g bis 24 0:
g) Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses
Sammelübersicht 348 zu Petitionen
- Drucksache 13/10630 -
h) Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses
Sammelübersicht 349 zu Petitionen
- Drucksache 13/10647 -
i) Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses
Sammelübersicht 350 zu Petitionen
- Drucksache 13/10834 -
j) Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses
Sammelübersicht 351 zu Petitionen - Drucksache 13/10835-
k) Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses
Sammelübersicht 352 zu Petitionen
- Drucksache 13/10836 -
l) Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses
Sammelübersicht 353 zu Petitionen - Drucksache 13/10837 -
m) Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses
Sammelübersicht 354 zu Petitionen
- Drucksache 13/10838-
n) Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses
Sammelübersicht 355 zu Petitionen - Drucksache 13/10839-
o) Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses
Sammelübersicht 356 zu Petitionen - Drucksache 13/10840 -
Wir stimmen ab über die Beschlußempfehlungen des Petitionsausschusses, Tagesordnungspunkte 24 g bis o, Sammelübersichten 348 bis 356. Wer stimmt diesen Punkten zu? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Sammelübersichten 348 bis 356, Tagesordnungspunkte 24 g bis 24 o sind mit den Stimmen der Koalitionsfraktion gegen die Stimmen des Hauses im übrigen angenommen.
Wir kommen jetzt zur Abstimmung über die Punkte p und q:
p) Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses
Sammelübersicht 357 zu Petitionen
- Drucksache 13/10841 -
q) Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses
Sammelübersicht 358 zu Petitionen - Drucksache 13/10842 -
Wir stimmen jetzt zunächst über den Tagesordnungspunkt 24 p ab. Wer stimmt der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses zu? - Gegenprobe! - Enthaltungen? Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen des Hauses im übrigen - -
- Wie hat die F.D.P. gestimmt?
: Zustimmung! -
Zurufe von der SPD und der PDS)
- Sie haben zugestimmt: also mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen des Hauses im übrigen angenommen.
- Entschuldigen Sie, es geht um die Beschlußempfehlung des Petitionsausschuß. Haben Sie da zugestimmt?
- Ja, also; dann stimmt das doch!
- Aha! - Dann ist die Beschlußempfehlung gegen die Stimmen der CDU/CSU-Fraktion mit den Stimmen des Hauses im übrigen abgelehnt.
Vizepräsident Hans-Ulrich Klose
Zu der Sammelübersicht 357 gibt es schriftliche Erklärungen zur Abstimmung nach § 31 unserer Geschäftsordnung der Kollegen Singhammer und Dehnel und 18 weiterer Kolleginnen und Kollegen aus dem Bereich der CDU/CSU.*)
Dann gibt es eine Erklärung zur Abstimmung, auch schriftlich, der Kollegin Rosel Neuhäuser, PDS.* )
Wir kommen jetzt zur Empfehlung des Petitionsausschusses zu Tagesordnungspunkt 24 q. Wer stimmt für die Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Empfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der SPD-Fraktion gegen die Stimmen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und PDS angenommen.
Tagesordnungspunkt 24 h:
Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses
Sammelübersicht 349 zu Petitionen
- Drucksache 13/10647 -
Hierzu liegt ein Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 13/10994 vor, über den wir zuerst abstimmen. Wer stimmt für den Änderungsantrag? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? Der Änderungsantrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der SPD-Fraktion gegen die Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen und PDS abgelehnt. Wer stimmt für die Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Sammelübersicht ist damit mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der SPD-Fraktion gegen die Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen und PDS angenommen.
Tagesordnungspunkt 24 i:
Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses
Sammelübersicht 350 zu Petitionen
- Drucksache 13/10834 -
Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Sammelübersicht 350 ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der SPD-Fraktion bei Stimmenthaltung von Bündnis 90/Die Grünen und PDS angenommen.
Tagesordnungspunkt 24j:
Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses
Sammelübersicht 351 zu Petitionen
- Drucksache 13/10835 -
*) Anlage 5 **) Anlage 6
Wer stimmt dafür? - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Sammelübersicht 351 ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der SPD-Fraktion gegen die Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen und PDS angenommen.
Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 24 k:
Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses
Sammelübersicht 352 zu Petitionen - Drucksache 13/10836 -
Wer stimmt dafür? - Gegenprobe! - Enthaltungen?
- Sammelübersicht 352 ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der SPD-Fraktion gegen die Stimmen der PDS bei Stimmenthaltung von Bündnis 90/Die Grünen angenommen.
Wir kommen zum Tagesordnungspunkt 241:
Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses
Sammelübersicht 353 zu Petitionen - Drucksache 13/10837 -
Wer stimmt dafür? - Gegenprobe! - Enthaltungen?
- Sammelübersicht 353 ist einstimmig angenommen.
Tagesordnungspunkt 24 m:
Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses
Sammelübersicht 354 zu Petitionen
- Drucksache 13/10838 -
Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Sammelübersicht 354 ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen des Hauses im übrigen angenommen.
Tagesordnungspunkt 24 n:
Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses
Sammelübersicht 355 zu Petitionen
- Drucksache 13/10839 -
Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Sammelübersicht 355 ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen und SPD bei Stimmenthaltung der PDS angenommen.
Tagesordnungspunkt 24 o:
Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses
Sammelübersicht 356 zu Petitionen - Drucksache 13/10840 -
Vizepräsident Hans-Ulrich Klose
Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Sammelübersicht 356 ist gegen die Stimmen der SPD-Fraktion mit den Stimmen des Hauses im übrigen angenommen.
Tagesordnungspunkt 24 p:
Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses
Sammelübersicht 357 zu Petitionen - Drucksache 13/10841 -
- Ich bitte um Nachsicht. Über Sammelübersicht 357 haben wir schon abgestimmt.
Tagesordnungspunkt 24 q:
Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses
Sammelübersicht 358 zu Petitionen - Drucksache 13/10842-
Wer stimmt für diese Empfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Sammelübersicht 358 ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der SPD-Fraktion gegen die Stimmen von Bündnis 90/ Die Grünen und PDS angenommen.
Zusatzpunkt 10 a:
Weitere abschließende Beratungen ohne Aussprache
Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft zu der Verordnung der Bundesregierung
Aufhebbare Vierundneunzigste Verordnung zur Änderung der Ausfuhrliste
- Anlage AL zur Außenwirtschaftsverordnung
- Drucksachen 13/10745, 13/10884 Nr. 2.1, 13/ 10992 -
Berichterstattung: Abgeordneter Erich G. Fritz
Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen und SPD bei Enthaltung der PDS angenommen.
Zusatzpunkt 10b:
Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit zu der Verordnung der Bundesregierung
Zustimmungsbedürftige Verordnung über die Entsorgung von Geräten der Informations-, Büro- und Kommunikationstechnik
- Drucksachen 13/10769, 13/10884 Nr. 2.2, 13/ 11024 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Steffen Kampeter Marion Caspers-Merk
Dr. Jürgen Rochlitz
Birgit Homburger
Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen des Hauses im übrigen angenommen.
Tagesordnungspunkt 10 c:
Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Rechtsausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung
Bericht der Bundesregierung über die praktischen Auswirkungen der im Betreuungsgesetz enthaltenen Regelungen zur Sterilisation
- Drucksachen 13/3822, 13/4034 Nr. 2, 13/ 11033 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Dr. Wolfgang Frhr. von Stetten Margot von Renesse
Der Rechtsausschuß empfiehlt auf Drucksache 13/ 11033 Buchstabe a Kenntnisnahme. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist einstimmig angenommen.
Der Rechtsausschuß empfiehlt unter Buchstabe b seiner Beschlußempfehlung auf Drucksache 13/ 11033 die Annahme einer Entschließung. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Die Gegenprobe? - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist einstimmig angenommen.
Ich rufe jetzt den Zusatzpunkt 11 auf: Aktuelle Stunde
auf Verlangen der Gruppe der PDS
Haltung der Bundesregierung zu den Äußerungen ihres Pressesprechers Hauser, die Hilfe beim Aufbau im Osten mit Wahlergebnissen in den neuen Bundesländern in Verbindung zu bringen
Vizepräsident Hans-Ulrich Klose
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat die Kollegin Petra Bläss, PDS.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Von einem neuen Regierungssprecher wird zweifellos viel erwartet,
vor allem, daß er seine Worte abwägt. Doch es geht um weit mehr als nur um den Regierungssprecher. Solange Kanzler Kohl den Wahlerpressungsversuch und die unsägliche Gleichsetzung von PDS mit NSDAP unwidersprochen läßt und gar - Zitat - „in Ordnung" findet, muß man davon ausgehen, daß der Regierungssprecher tatsächlich im Namen seines Chefs gehandelt hat.
Auch ist Herr Hauser bei weitem nicht der erste Unionspolitiker, der dem Osten mit Liebes- und Geldentzug droht. Hausers Worte haben in bemerkenswerter Klarheit deutlich gemacht, daß nun auch das Bundespresseamt in den sogenannten Richtungswahlkampf integriert ist, den die CDU auf ihrem Leipziger Parteitag eingeläutet hat.
Da macht ein Regierungssprecher die weitere Solidarität mit den neuen Bundesländern frank und frei vom politischen Wohlverhalten der Ostdeutschen abhängig. Wer nicht im Sinne der CDU wählt, dem droht Hilfsentzug. Diese anmaßend angedrohte Aufkündigung der Solidarität der alten mit den neuen Bundesländern für den Fall der Wahl der PDS spaltet nicht nur zwischen Ost und West, sondern zeugt auch von einem nicht vorhandenen Demokratieverständnis.
Oder wie soll man sonst den erklärten Willen interpretieren, Menschen dafür zu bestrafen, daß sie ein Grundrecht in Anspruch nehmen?
Meine Kolleginnen und Kollegen von der Koalition, als ehemalige Vorsitzende der Wahlkommission der DDR zu den ersten freien und geheimen Wahlen in der DDR im März 1990 weiß ich nur zu gut, wie heiß wir uns im Osten freie Wahlen erkämpft haben.
Den Willen der Wählerinnen und Wähler zu respektieren halte ich für die allererste Pflicht von allen in der Politik Tätigen. Das heißt, auch zur Kenntnis zu nehmen, daß in Sachsen-Anhalt mehr als 55 Prozent der Wählerinnen und Wähler mit ihrer Entscheidung das Magdeburger Modell und damit vier Jahre ernsthafte Politik bestätigt haben.
Wie peinlich und kleinkariert ist dagegen der Popanz, den Sie gegenwärtig aufbauen. Aber das eigentlich Gefährliche, das Sie mit dieser denunziatorischen und kriminalisierenden Vorgehensweise anrichten, ist, daß Sie die Stichworte geben für eine
Radikalisierung, für die Rechtsextremisten in diesem Land.
Ich verweise auf die gestrige Veranstaltung mit Gregor Gysi in Wülfrath, wo es inzwischen ein Rechtsbündnis zwischen CDU und Rechtsradikalen gibt, das eine antisemitische Hetze gegen einen Abgeordneten dieses Parlaments betreibt. Da gab es keinen Aufschrei, auch von den anderen Parteien hier im Parlament nicht. Ich verweise auch auf die geplanten Aufmärsche Rechtsradikaler, zum Beispiel am kommenden Samstag in Berlin.
Die Union sieht derzeit im Osten ihre Felle wegschwimmen und sich offenbar so in der Klemme, daß ihr die miserable Wirkung solcher Sprüche im Osten total egal ist und sie nur noch auf den Westen sieht.
Die Regierenden werden nicht müde, die Kosten der Einheit herauszustreichen. Damit demütigen sie die Ostdeutschen, und den Westdeutschen reden sie fälschlicherweise ein, daß es ihnen ohne die Zahlungen an die neuen Bundesländer viel besser ginge. Sie scheinen noch immer nicht begriffen zu haben, daß die Fördermilliarden für den Osten keine beliebig disponiblen Almosen sind, daß fast jede zweite Mark des Nettotransfers auf gesetzlich festgeschriebene Sozialausgaben entfällt, daß nach wie vor ganz normale Regelleistungen als zusätzlicher Transfer gelten und daß den Nettotransferleistungen ein Eigentumswechsel von Ost nach West in dreistelliger Milliardenhöhe gegenübersteht.
Fest steht: Die Ostdeutschen sind nicht mit leeren Händen in die Einheit gekommen. Wer sie als Bittstellerinnen und Bittsteller und Almosenempfängerinnen und Almosenempfänger behandelt, wird sehen, was er davon hat.
Auch wir von der PDS leugnen doch nicht, daß im Osten in den vergangenen acht Jahren eine Menge geschehen ist, und das vor allem dank der Milliardentransfers aus dem Westen, die aber bekanntlich - auf diesen Geburtsfehler haben wir immer wieder verwiesen - vorwiegend von den abhängig Beschäftigten zu leisten waren, aber auch und vor allem durch den unglaublichen Mut, den enormen Erneuerungswillen, die hohe Einsatzbereitschaft und Flexibilität der Ostdeutschen.
Fakt ist: Herr Hauser versteht von Land und Leuten im Osten soviel wie die meisten hier im Deutschen Bundestag von der Vermehrung von Schildkröten.
Daher bin ich fast versucht, unter den ostdeutschen Abgeordneten zu sammeln, um Ihnen eine Bildungsreise durch Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Thüringen, Berlin, Brandenburg und Sachsen-Anhalt - als Spitzenkandidatin der PDS des Landes Sachsen-Anhalt bin ich durchaus bereit, Sie persönlich zu begleiten - zu finanzieren. Demnächst, wenn Sie
Petra Bläss
nicht mehr Regierungssprecher sind, haben Sie auch genug Zeit dafür.
Hausers Äußerungen sind im übrigen von soviel Schlichtheit, daß man im Osten vor lauter Staunen gar nicht mehr den Mund zubekommt, daß so etwas Regierungssprecher in Bonn sein kann - noch, denn die Zeit ist überreif für einen Regierungswechsel.
Das Wort hat der Kollege Dietrich Austermann, CDU/CSU.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In den letzten zwei Wochen gab es Irritationen in einem Teil der Presse über ein Interview, das der Regierungssprecher einer Zeitung in den neuen Bundesländern gegeben hat. Sie gab es vor allem deshalb, weil der neue Sprecher offensichtlich noch nicht die Routine hat, viel zu sagen, ohne etwas zu sagen. Das aber wird von ihm hoffentlich nicht erwartet, und das erwarten auch wir nicht.
Wir erwarten, daß er Klares sagt. Wir erwarten von ihm - das zeigt die Solidarität, die Präsenz unserer Fraktion - eine selbstbewußte Darstellung und Erläuterung der guten Regierungsarbeit. Ich habe keinen Zweifel, daß dies wahrgenommen wird.
Irritationen gab es bei einigen Journalisten vor allem deshalb, weil der Regierungssprecher zwei Fragen - er hat ja keine Feststellung getroffen - aufgeworfen hat. Die eine Frage bezog sich auf den Vergleich - nicht auf die Gleichsetzung - zweier totalitärer Regime unter totalitären, also diktatorisch vorgehenden Parteien. Die Haltung der Bundesregierung zu diesem Vergleich, die nicht zwangsläufig Gleichsetzung bedeutet, hat der Bundeskanzler ja deutlich gemacht. Aber interessanterweise haben Sie dies nicht zum Thema der Aktuellen Stunde gemacht. Trotzdem möchte ich es Ihnen nicht ersparen. Diese Frage wäre berechtigt.
In dieser Woche wurde der Schlußbericht der Enquete-Kommission „Überwindung der Folgen der SED-Diktatur im Prozeß der deutschen Einheit" vorgelegt. Diese Folgen sind noch heute nicht nur finanziell spürbar. Es gibt eine Dokumentation über Aufarbeitungsinitiativen und Opfergruppen, die Beratung und Hilfe bei der Bewältigung der Folgen der SED-Diktatur leisten können. Daß dies möglich ist und daß dies nötig ist, ist Schuld vor allem einer einzigen Partei, die in ihr Programm geschrieben hat, sie habe sich für nichts zu entschuldigen.
Die PDS besteht laut Verfassungsschutzbericht noch immer überwiegend aus ehemaligen Mitgliedern der SED, die mit ihrer Partei Bautzen, Mauermord und Unfreiheit erst möglich gemacht hat. Gegen sie hat sich die friedliche Revolution von 1989 gerichtet.
Die Partei PDS hat das finanzielle Erbe der SED wie selbstverständlich angetreten. Sie hat einen verurteilten Wahlfälscher zum Ehrenvorsitzenden ernannt. Die Partei unterstützt Autonome und Gewalttäter am „revolutionären 1. Mai" und billigt das Zerstören von Bahngleisen.
Sie fördert linksextremistische Strukturen in ihren Reihen. Angestrebt wird ein zweites Parlament. Mit der PDS zusammenzuarbeiten
- hören Sie zu -, das heißt, die Diktatur von 1949 bis 1989 nachträglich mitzutragen.
Dies kann weder durch Ostalgie noch durch Amnesie, durch Gedächtnisverlust, gegenüber der DDR hinweggewischt werden.
Die andere Fragestellung, die Sie zum Gegenstand der Aktuellen Stunde machen wollten, war folgende Frage eines Zeitungsvertreters: „Findet ein solcher Linksruck im Westen Verständnis?" Gemeint war Sachsen-Anhalt. Die Antwort lautete: „Kaum. Das ist ganz schwer zu vermitteln." Der Regierungssprecher hat dann festgestellt:
Die Westdeutschen unterstützen den Osten weiterhin, auch wenn manche das mit der Faust in der Tasche tun.
Wer da alles schon seit Jahren seine Faust in der Tasche ballt, liegt auf der Hand. Bereits 1990 hat im Landtagswahlkampf in Niedersachsen der SPD-Bewerber um das Amt des Ministerpräsidenten gesagt, wer für die Einheit nicht zahlen soll:
Es darf keine weiteren Belastungen unserer Arbeitnehmer und Rentner geben ... Es darf keine Steuersenkung für Unternehmen geben.
Offensichtlich ging er davon aus, daß sein Freund Krenz, dem er ja im Jahre 1986 so schön geschrieben hat, das dann schon alles gerichtet hätte. Er hat suggeriert, die Einheit sei ohne Steuererhöhung zu Lasten der Arbeitnehmer und der Unternehmen im Westen möglich. Wer sollte sie dann finanzieren? Sollte mit dieser Position nicht zum Ausdruck gebracht werden, daß man sich gegen einen steuerfinanzierten Wiederaufbau des vom Sozialismus ruinierten Teils unseres Vaterlandes wendete? Wurde damit bei vielen in der Bevölkerung nicht der Eindruck geschürt, ihnen solle Unrecht geschehen, wenn sie Solidarität bewiesen? Es wurden Gräben aufgerissen. Immer wieder wurde von der SPD durch Kritik an hohen Sozialabgaben im Westen das Zusammenwachsen der Menschen in beiden Teilen des Landes gestört. Otto Hauser hat die von Schröder und Lafontaine geschürte Stimmung nur beschrieben.
Meine Damen und Herren, natürlich ist das auf einzelnen politischen Veranstaltungen zu spüren.
Dietrich Austermann
Umfragen machen übrigens deutlich, daß viele Menschen durchaus Verständnis für das haben, was gesagt worden ist. Der sachsen-anhaltinische Ministerpräsident hat durch gewünschte Zusammenarbeit mit den Erben des Kommunismus in seinem Bundesland die Gemeinsamkeit aller Demokraten aufgekündigt,
die bisher darin bestand, daß ein Zusammengehen mit extremistischen Parteien abgelehnt wurde. Der Regierungssprecher hat sicher die Erfahrungen in seinem eigenen Bundesland, in Baden-Württemberg, im Kopf, wenn er - wie auch der Bundeskanzler - dieses Vorgehen kritisiert. Seinerzeit verzichtete Ministerpräsident Teufel in Stuttgart auf eine Wiederwahl mit den Stimmen der REPs und entschied sich für eine große Koalition.
Von diesem Ausbrechen Höppners soll nun durch überzogene Kritik an einem Interviewauszug Hausers mit massiver Unterstützung linker Medien abgelenkt werden. Dabei muß besonderes Befremden das Verhalten einzelner in den linken Medien hervorrufen. Offensichtlich erinnert sich niemand an Klaus Bölling, den Prototypen des parteipolitisch beeinflußten Propagandisten. Als Regierungssprecher hat er keinen Hehl aus seiner linken Gesinnung gemacht. Ich glaube nicht, daß die Bundespressekonferenz ihn jemals gebeten hat, er möge zum Rapport kommen, um das zu erklären, was er in der Pressekonferenz gesagt hat. Diesem Klaus Bölling wurde vom Bundesverfassungsgericht zu reichliche Wahlpropaganda bescheinigt. Auch dafür gab es keine Einbestellung vor die Bundespressekonferenz.
Denken Sie bitte an die Zeit.
Ja. - Ich erinnere an das, was einzelne aus dem Hofstaat Schröders in der ARD zu bestimmten Themen sagen: die Krauses, die Kunzes, die Schöllers, die Pleitgens, die Schulzes, die Engerts, die Wickerts, die von Haarens usw.,
„Bericht aus Bonn", „Presseclub", „Bonn direkt". Ist das alles öffentlich-rechtliche Aufklärung, objektiv, unabhängig und unvoreingenommen, oder tun die einfach nur etwas, was sie eigentlich gar nicht dürften?
Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluß. Wir lassen uns in der Hilfestellung für die neuen Bundesländer durch eine Regierung, die auch aus den Vertretern aus den neuen Bundesländern besteht -
Herr Kollege, bitte!
- letzter Satz -, und als Abgeordnete, die auch aus den neuen Bundesländern kommen, bei der Aufbauarbeit in den neuen Bundesländern von niemandem übertreffen, bei einer Aufbauarbeit, die nur nötig ist, weil die SED-Diktatur -
Herr Kollege Austermann, bitte!
- dies offensichtlich notwendig gemacht hat.
Das Wort hat der Kollege Dr. Willfried Penner, SPD.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Manche Begebenheiten wiederholen sich auch im politischen Leben: Im Jahr 1982 wechselte die damalige Bundesregierung den seinerzeitigen Pressesprecher aus. Klaus Bölling wurde gewissermaßen sein eigener Nachfolger, und doch konnte er nicht verhindern, daß die sozialliberale Koalition auseinanderbrach. Jetzt ist es wieder soweit. Auch diesmal hat die Bundesregierung ihren Pressesprecher ausgetauscht; das wird nach menschlichem Ermessen ihr Ende in gut drei Monaten nicht aufhalten.
Aber Klaus Bölling ist nicht Otto Hauser; denn Otto Hauser ist einzigartig, Otto Hauser ist ein Solitär.
Er ist nach wenigen Wochen schon zur fleischgewordenen culpa in eligendo des Bundeskanzlers Helmut Kohl gereift. Otto Hauser hat es binnen kürzester Zeit geschafft, die Politik von Bundeskanzler Helmut Kohl auf den Radius des politischen Bierdeckels festzulegen.
Otto Hauser hat es eben in sich und an sich. Otto Hauser kennt sich aus im Küchenkabinett des Bundeskanzlers Dr. Helmut Kohl, aus dem Hausers CSUAmtsvorgänger Hausmann ausgesperrt war.
Offen gesagt: Zum allerwenigsten kann man Otto Hauser dafür tadeln, daß er in seinem Wirken die Regierungspolitik in so schöner Offenheit so verkörpert, wie sie wirklich ist, mit einem Wort: „hauserig".
Ich könnte sehr gut verstehen, wenn Wolfgang Schäuble und andere Granden der Union Klage darüber führten, daß es Otto Hauser wohl an der Kraft gebräche, die Regierung in einem Licht erscheinen zu lassen, in dem sie sich allen widrigen Realitäten zum Trotze von Stunde zu Stunde unbeirrbarer werdend wähnt.
Dr. Willfried Penner
Als politischer Mensch, der kein politischer Eunuch sein will, hat sich der treffliche Otto Hauser am 3. Juni der Toga des Regierungssprechers kraftvoll entledigt, um sich auf die Suche nach seinem pädagogischen Eros zu machen.
Er wurde fündig. Objekt seiner politpädagogischen Gelüste: das mißliebige und undankbare Wahlvolk in den ostdeutschen Landen. Adressat von Ottos ruhmreichem Wirken: das Zahlvolk oder, anders ausgedrückt, der Steuer- und Beitragszahler der Bundesrepublik alt. Mittel der pädagogischen Aktion: der Geldhahn, je nach Wahlverhalten des ostdeutschen Wahlvolkes auf- und abzudrehen.
Spätestens an dieser Stelle ist der Hinweis nötig, daß Otto Hauser die Klaviatur der politischen Klippschule souverän beherrscht.
Er habe ja nicht als solcher, als Regierungssprecher nämlich, sondern an sich, als Bundestagsabgeordneter nämlich, gesprochen. Ein politischer Eunuch sei er schon gar nicht, hat er die Kundigen im Volk wissen lassen und damit zugleich feinen politischen Stil, sicheren Umgang mit dem Syndrom der politischen Bewußtseinsspaltung - „hier bin ich an sich, dort bin ich als solcher" - durchblicken lassen.
Aber entspricht das wirklich den Tatsachen? Ist es tatsächlich so abwegig, daran zu glauben, daß hier doch der Interpret der Gedanken des Kanzlers, der Regierungssprecher, am Werke war, wo doch jedermann, insonderheit der Bundeskanzler, weiß, daß ein Hochjazzen einer bestimmten BHE-Befindlichkeit, eines gesamtdeutschen Urgefühls also, immer zu den Unterlegenen und Verlierern zu gehören, gerade in Ostdeutschland wie ein Lebenselixier zugunsten der PDS wirkt? Wir brauchen die Frage nicht zu beantworten. Ein Blick auf den triumphierenden Gysi und seine Formation offenbart: Besser kann man es nicht meinen mit der PDS
und ihren politischen Tinkturen aus der Steinzeit sowie den politischen Jeremiaden von heute, als es der CDU-Vorsitzende Dr. Helmut Kohl getan hat. Erst das Göttergeschenk der Händchen-Kampagne von Pfarrer Hintze, was nach Gysis Worten schon hart genug erarbeitet war, und dann noch das Sahnehäubchen Hauserscher Düsterdrohung gen Osten als Draufgabe - das fordert Dankbarkeit heraus, Herr Dr. Gysi. Sie sollten diesen Dank Herrn Dr. Kohl und seinen Ohrenbläsern und Gebärdenspähern auch abstatten, und zwar an Ort und Stelle, hier im Plenum des Bundestages, ungeniert und freimütig. Der Vorsitzende der CDU, Herr Dr. Kohl, hat denselben redlich verdient, bevor er endgültig abtritt.
Nachrede. Ich frage den Großmeister des Lehenswesens in Deutschland, ich frage den Bundeskanzler Herrn Dr. Kohl: Erinnern Sie sich wenigstens bei dieser Ihrer wahrscheinlich letzten kostspieligen Personalrochade Hausmann-Hauser daran, daß Sie auch bei dieser nicht einen einzigen Pfennig Ihres eigenen Geldes einsetzen?
Schönen Dank für die Geduld.
Das Wort hat der Kollege Werner Schulz, Bündnis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Eigentlich sind dieses Thema, dieses Problem und dieser Mann selbst keine Aktuelle Stunde wert. Seine Äußerungen sind schon einige Tage her; die Bundespressekonferenz hat ihn einbestellt und hat ihn auf Hausmann-Format gebracht. Der Leutnant der Reserve - das sind Sie ja wohl - hat sich also nicht als Geheimwaffe, sondern als Rohrkrepierer erwiesen. Im Wahlkampf wirkt er offensichtlich nicht.
Sie, Herr Hauser, amüsieren sich dort hinten so schön. Schmeichelhaft ist doch, was Ihre Kollegen aus Ihrer Fraktion über Sie sagen, und es ist interessant mitzubekommen, wie über Sie in der eigenen Fraktion gedacht wird: der Schnösel aus Esslingen, Regierungsschwätzer, Regierungsschwächer. Ich weiß nicht, ob Ihnen das einmal öffentlich gesagt wurde. Wolfgang Schäuble hat das auf seine Art und Weise unmißverständlich getan: Ich bin nicht dafür, daß ein Abgeordneter größeren Blödsinn erzählen darf als ein Regierungssprecher. Deutlicher kann man das wirklich nicht sagen.
Eigentlich hätte ich dem nichts hinzuzufügen, wenn nicht dieses furchtbar fruchtbare Zusammenspiel zwischen Ihnen und der PDS ablaufen würde, was ja beabsichtigt ist.
Es geht doch um die indirekte Aufwertung der PDS durch negative Übertragung. Sie beschimpfen die PDS und bringen sie damit ins Gespräch; man möchte sie auf eine gewisse Art und Weise ständig in den Medien halten. Dadurch schaffen Sie es, daß sich viele im Osten plötzlich mit der PDS solidarisieren. Diese Menschen sehen das berechtigterweise anders als Sie. Sie haben davon wirklich keine Ahnung, keinen blassen Dunst - davon nicht und von vielen anderen Dingen offenbar auch nicht.
Werner Schulz
- Hören Sie doch einmal zu! Sie könnten an dieser Stelle etwas lernen, was Ihnen vielleicht in Ihrer Wahlkampfstrategie hilft. Ihre Wahlkampfstrategie steckt in dieser Frage in der Klemme; denn Sie möchten die PDS aufwerten. Das geschieht. Im Moment liegt die PDS in den Umfragen vor Ihnen. Noch drei Hauser-Äußerungen, und sie wird Ihnen noch weiter davongaloppieren. Das werden Sie schaffen.
In Leipzig konnten Sie das beobachten: Nach dem fulminanten Abschneiden Ihres Oberbürgermeisterkandidaten hat man dort plakatiert: So viel PDS hat die Stadt nicht verdient. Daraufhin ist die CDU noch weiter nach unten gerutscht, die PDS aber ist nach oben geklettert. Das geschieht durch die Methode Hauser, durch die Methode der negativen Übertragung.
Ich sage Ihnen: Was Sie und Ihr Regierungssprecher hier treiben, ist eine abgestimmte Wahlkampfstrategie. Das ist eine ganz raffinierte Zweitstimmenkampagne für die PDS.
Das sind die eigentlichen Effekte, die Sie erzielen wollen.
Das andere ist völlig uninteressant. Was der Regierungssprecher ansonsten beizutragen hat, werden wir sehen. Sie werden sich heute als Abgeordneter im Plenum über die Lage als Regierungssprecher äußern. Ich bin sehr gespannt darauf, wie Sie diese Gratwanderung bestehen werden.
Mein erster Reflex war, daß sich Helmut Kohl für Sie eigentlich stark machen bzw. Sie zurückziehen müßte. Aber Sie sind für uns ein echter Schatz-Hauser; das muß ich Ihnen ehrlich sagen. Denn endlich sagt einmal jemand offen, wie in diesem Kabinett tatsächlich gedacht wird. Daß dort mit der Faust in der Tasche in Richtung Osten gedacht wird, ist für mich eine neue Variante. Ich glaube nicht, daß der Bundeskanzler so denkt. Aber ich weiß, daß Sie und einige andere bei Ihnen so denken. Entsprechende Zwischenrufe habe ich bei ähnlichen Diskussionen hier schon gehört. Lummer und andere bei Ihnen haben geäußert: Wofür geben wir das Geld? Jetzt wählen die noch dieses und jenes. - Es ist interessant, daß die Ostdeutschen an ihrem Wahlverhalten gemessen werden, was den Aufbau Ost anlangt. Für diese Feststellung, Kollege Hauser, bedanken wir uns recht herzlich.
Das Wort hat der Kollege Jürgen Koppelin, F.D.P.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will gar nicht spekulieren, ob der Regierungssprecher es mit seiner Aussage wirklich so gemeint hat, wie er es gesagt hat, oder ob er sich nur mißverständlich ausgedrückt hat. Ich will für die Freien Demokraten feststellen, daß wir in unserer Solidarität mit den neuen Bundesländern auf keinen Fall nachlassen werden.
So haben die Koalitionsfraktionen auch den Antrag „Wachstum und Beschäftigungspolitik für die neuen Bundesländer fortsetzen" auf Drucksache 13/10821 eingebracht, worin dieses wichtige Anliegen noch einmal eindeutig unterstrichen werden soll.
Wir Freien Demokraten stehen dazu, daß die neuen Bundesländer in den nächsten Jahren wie bisher auf staatliche Förderung und Unterstützung angewiesen sind und auch damit rechnen können, daß wir sie ihnen gewähren.
Ein Beleg, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist der Perspektivbericht Aufbau Ost: Seit 1991 sind mehr als 1 Billion DM in die neuen Bundesländer geflossen. Für 1998 stehen Investitionszuschüsse in Höhe von 6,4 Milliarden DM für die Regionalförderung Ost zur Verfügung; der Beteiligungsfonds Ost wird um 2 Milliarden DM, der Konsolidierungsfonds um 250 Millionen DM aufgestockt. Das sind Zahlen, die sich sehen lassen können. Das sind die richtigen Signale. Die F.D.P. bekennt sich dazu, daß diese Signale notwendig sind. Bundesminister Rexrodt hat dies auch mehrfach deutlich gemacht.
Die Freien Demokraten werden auch bei den Beratungen zum Bundeshaushalt 1999 darauf achten, daß genügend Mittel für Investitionen in den Bereichen Straßenbau, Schienenwege, Wohnungs- und Stadterneuerung für die neuen Bundesländer zur Verfügung gestellt werden.
Wir sehen es als zentrale Aufgabe an, daß auch mit dem Bundeshaushalt 1999 weiter alle Möglichkeiten, die wir seitens der Politik haben, ausgeschöpft werden, um die Arbeitslosigkeit in den neuen Bundesländern zu bekämpfen.
Wir Freien Demokraten machen unsere Solidarität mit den neuen Bundesländern nicht vom Wahlverhalten der Bürgerinnen und Bürger in den neuen Bundesländern abhängig.
Wir werden allerdings gerade in den nächsten Wochen deutlich machen, daß eine Partei wie die PDS kein Interesse an einem Zusammenwachsen der alten und der neuen Bundesländer haben kann, daß die Politik der PDS darauf gerichtet ist, daß es möglichst viele Probleme und Schwierigkeiten beim Zusammenwachsen von Ost und West geben muß; denn allem davon profitiert die PDS, und deswegen schürt sie Unzufriedenheit.
Natürlich weiß die PDS: Je schneller Ost und West zusammenwachsen, je mehr Arbeitsplätze wir in den neuen Bundesländern schaffen, je mehr die Wirt-
Jürgen Koppelin
schaft in den neuen Bundesländern an Dynamik gewinnt, desto mehr wird der PDS der Boden für Agitation entzogen. Deswegen wollen wir weiterhin alle Kraft einsetzen, um die neuen Bundesländer zu unterstützen.
- Nun warten Sie doch ab! Seien Sie doch ganz ruhig! Sie haben nie Geduld. Das ist Ihr Problem. Sie werden bei der Bundestagswahl erleben, daß die Koalition gewinnt, weil Sie einfach keine Geduld haben.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, es soll Eltern geben, die ihren Kindern, wenn sie nicht so richtig parieren, das Taschengeld kürzen. So etwas würde ich als Vater nie tun; das ist nicht mein Stil. Ich halte auch nichts davon, in der Politik so zu verfahren. Ich meine, die Aussage des Regierungssprechers, über die wir jetzt diskutieren, hat etwas von dem Verhalten solcher Eltern, die gern das Taschengeld ihrer Kinder kürzen, um sie zu disziplinieren. Ich sage noch einmal: Davon halten wir nichts. Für die F.D.P. ist die Herstellung gleicher Lebensverhältnisse in Ost und West Verfassungsauftrag und nicht abhängig vom Wahlverhalten.
Regierungssprecher Hauser kommt aus BadenWürttemberg. Dort im Landtag sitzt, Herr Kollege Hauser, eine rechtsradikale Partei, die die Wählerinnen und Wähler in Baden-Württemberg gewählt haben.
Wenn Regierungssprecher Hauser das gemeint hat, was er wohl in Richtung neue Bundesländer gesagt hat, dann müßte er allerdings genauso sein Bundesland Baden-Württemberg in seine Bemerkungen mit einbeziehen.
Die Freien Demokraten - das haben wir auch öffentlich gemacht - haben die Aussagen des Regierungssprechers kritisiert.
Auch - das will ich bei dieser Gelegenheit betonen - ist der Vergleich der PDS mit der NSDAP nicht zu billigen.
Ignatz Bubis, unser Parteifreund, hat sehr richtig gesagt, daß er davon überzeugt sei, daß sich die PDS als SED-Nachfolgerin bisher nicht zu einer demokratischen Partei gewandelt hat. Aber angesichts des millionenfachen Mordes unter der Nazidiktatur verbietet sich für jeden anständigen Politiker der unsägliche Vergleich der NSDAP mit der PDS.
Meine Damen und Herren, wir Freien Demokraten bekennen uns uneingeschränkt mit den Menschen in
den neuen Bundesländern solidarisch. Wir werden alles in unseren Kräften Stehende tun, um die Situation in den neuen Bundesländern weiter zu verbessern. Vieles ist bereits erreicht worden.
Wir wollen erfolgreich für bessere Bedingungen in den neuen Bundesländern arbeiten. Wir werden dieses Ziel erreichen, und je schneller wir es erreichen, desto weniger Resonanz wird die PDS zukünftig bei den Wählern finden. Das ist unser Ziel.
Vielen Dank für Ihre Geduld.
Vizepräsident Hans-Ulrich Klose: Das Wort hat der Bundesminister Friedrich Bohl.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als Chef des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung möchte ich zu dieser Debatte folgendes sagen. Wenn man die Aussagen des Kollegen Hauser in der „Freien Presse" vorurteilslos liest, wundert man sich, was auch in der heutigen Debatte daraus gemacht worden ist.
Meine Damen und Herren, um das ganz deutlich zu sagen: Im Zentrum dieser Äußerungen - das ist unstreitig zu belegen - steht die Sorge um die Solidarität in Deutschland. Der Ausgangspunkt der Fragen und der Antworten war die Regierungsbildung in Magdeburg. Es kann gar keine Frage sein, daß diese Regierungsbildung in Magdeburg ein Angriff auf die Solidarität in Deutschland und ein Verstoß gegen die gebotene Solidarität der Demokraten ist.
Bisher galt über alle Parteigrenzen hinweg: keine Bündnisse mit Extremisten von rechts oder links. Das hat die SPD in Magdeburg über Bord geschmissen;
das ist ein Verrat an der Bürgerrechtsbewegung, die gegen die SED auf die Straße gegangen ist, und das beschädigt die innere Einheit Deutschlands - ein Ziel, das Willy Brandt auf den Satz gebracht hat:
„Jetzt wächst Das ist unsolidarisch gegenüber denjenigen Ost
und West, die immer die Einheit wollten. Kurt Biedenkopf hat recht, wenn er sagt: „Die PDS ist der organisierte Widerstand gegen den Erfolg der deutschen Einheit. "
Meine Damen und Herren, der erneute Händedruck der SPD mit der PDS ist der eigentliche Skandal.
Bundesminister Friedrich Bohl
Vor diesem Hintergrund ist auch das zu verstehen, was Otto Hauser gesagt hat, und das treibt viele im Westen wie im Osten um. Unsere Sorge muß doch sein, meine Damen und Herren, daß die Bereitschaft zur Solidarität, auch zur finanziellen Solidarität, nicht nachlassen darf. Eine solche Sorge öffentlich anzusprechen, das ist nicht nur erlaubt, sondern - wie ich finde - auch geboten.
Meine Damen und Herren, Otto Hauser hat selbst öffentlich gesagt, daß er gute Ratschläge annimmt.
Er hat es - das sollte an der Stelle auch einmal gesagt werden - öffentlich gesagt. Ich finde, man sollte ihm vor diesem Hintergrund auch die Chance der fairen Behandlung in dieser Debatte heute geben und sie nicht in der Form führen, wie Sie es hier getan haben.
Noch eines: Diejenigen, die jetzt den Regierungssprecher attackieren, ihm einen Mangel an Neutralität vorwerfen, darf ich daran erinnern, daß auch Sprecher von SPD-Regierungen - Herr Kollege Penner hat darauf ja schon abgestellt - nicht zimperlich waren. „Auch als Regierungssprecher höre ich nicht auf, Sozialdemokrat zu sein", so Klaus Bölling, der hier vom Kollegen Penner schon genannt wurde.
Meine Damen und Herren, ich will an der Stelle auch ein Wort zu dem Thema NSDAP und SED sagen. Es ist völlig richtig: Hier ist keine Gleichsetzung vorzunehmen. SED und NSDAP sind verschiedene Parteien und sind differenziert zu betrachten. Dennoch haben wir den Bericht der Enquete-Kommission „Aufarbeitung von Geschichte und Folgen der SEDDiktatur in Deutschland" hier im Deutschen Bundestag verabschiedet:
In der Diskussion zwischen den Professoren ... wurde Einvernehmen darüber erzielt, daß ein Vergleich beider Diktaturen zulässig ist ... Beide verletzten systematisch Menschen- und Bürgerrechte, beiden fehlte die Begrenzung der Macht durch Recht und Gesetz.
Seite 282.
Dieser von der SPD unterschriebene Text kann doch nicht nur deshalb falsch sein, weil ihn der Sprecher der Bundesregierung, Otto Hauser, wiederholt.
Meine Damen und Herren, ich finde, daß Otto Hauser Anspruch auf faire Behandlung hat. Ich kann Ihnen nur sagen: Er hat die volle Unterstützung durch mich als Chef des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung. Ich bin ganz sicher, daß er in seiner Aufgabe Erfolg haben wird.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir sollten gemeinsam über die Solidarität in Deutschland nachdenken, um gegen Vorurteile anzugehen und die innere Einheit Deutschlands zu stabilisieren. Das bedeutet nicht, daß die Leistungen für die neuen Länder zurückgefahren oder vom Stimmverhalten an der Urne abhängig gemacht würden. Das hat niemand behauptet, auch Otto Hauser nicht. So haben wir hier erst vor kurzem gemeinsam beschlossen, die Förderung der neuen Länder bis 2004 auf hohem Niveau fortzusetzen. Der Aufbau Ost hat für uns unverändert höchste Priorität. Das hat der Bundeskanzler in den letzten Monaten mehrfach wiederholt und mit Nachdruck bekräftigt. Das wird er auch morgen auf dem Wirtschaftstag in Schwerin tun.
Eine solche Aussage, daß der Aufbau Ost höchste Priorität hat, habe ich bisher von Herrn Schröder nicht gehört. Von Herrn Schröder habe ich vielmehr gehört: Wir können den Osten nicht an Polen abtreten.
Meine Damen und Herren, ich muß schon sagen: Wir haben keine Belehrungen von der SPD und Herrn Schröder in Sachen Aufbau Ost nötig.
Tatsache ist, daß die Bundesregierung handelt. Der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" steht in den neuen Ländern im Jahre 1998 ein Bewilligungsrahmen von 6,4 Milliarden DM zur Verfügung. Der Beteiligungsfonds Ost - bisheriges Volumen: 1,5 Milliarden DM - wird über 1998 hinaus verlängert und mit jeweils 1 Milliarde DM aufgestockt. Der Konsolidierungsfonds für die neuen Länder wird, sofern diese zustimmen, um 250 Millionen DM erhöht. Die Verkehrsprojekte Deutsche Einheit werden ohne Abstriche umgesetzt. In den kommenden Jahren sind für die neuen Länder rund 43 Prozent aller Verkehrsinfrastrukturinvestitionen vorgesehen; das sind rund 9 Milliarden DM jährlich. Die Sanierung der ökologischen Altlasten wird auf hohem Niveau fortgesetzt. Für den Zeitraum 1998 bis 2002 werden weitere 6 Milliarden DM zur Verfügung stehen.
Allein 1998 werden für arbeitsmarktpolitische Maßnahmen in den neuen Ländern 20,3 Milliarden DM angesetzt. Wenn Sie angesichts dieser Zahlen und der Tatsache, daß die ostdeutsche Wirtschaft in den vergangenen Jahren deutlich an Wettbewerbsfähigkeit gewonnen hat und die Exportwirtschaft der neuen Länder derzeit Zuwachsraten von rund 20 Prozent verzeichnet, davon sprechen, daß die Bundesregierung ihre Unterstützung der neuen Länder von Wahlwohlverhalten abhängig mache, so ist das geradezu absurd.
Friedrich Bohl
Gestern gedachten wir des 45. Jahrestages des 17. Juni 1953. Damals walzten sowjetische Truppen den Volksaufstand in der DDR nieder, um das verhaßte SED-Regime zu retten. Dank der friedlichen Revolution verlor die SED 1989 die Macht. Ohne die Menschen in den neuen Ländern, aber auch ohne diesen Kanzler und seine Regierung gäbe es die Einheit nicht. Für diese Koalition hat der Aufbau Ost unverändert oberste Priorität. Das ist so und das bleibt so.
Das Wort hat der Kollege Rolf Schwanitz, SPD.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Bohl, ich bin enttäuscht. Wenigstens etwas an kritischen Bemerkungen gegenüber dem, was da gelaufen ist und was der Regierungssprecher nicht einmal, sondern mehrmals, dann auch noch betonend, vom Stapel gelassen hat, hätte ich mir eigentlich gewünscht.
Es ist ja nicht so, daß es in Ihren eigenen Reihen keine Kritik gäbe. Das sieht man nicht zuletzt an der zahlreichen Teilnahme der CSU an dieser Debatte. Vielleicht heben die Kollegen der CSU einmal die Hände; ich sehe überhaupt niemanden von der CSU. Es gibt tiefe Probleme. Das sollte man einfach nicht verleugnen.
Sie haben Sachsen-Anhalt angesprochen. Ich tue mich gar nicht schwer, hier zu bekennen, daß ich damit durchaus meine Schwierigkeiten hatte. Sie wissen das, da gab es öffentliche Äußerungen. Aber zur Wahrhaftigkeit gehört natürlich auch etwas anderes. Sie von der CDU haben in der letzten Legislaturperiode interfraktionelle Anträge mit der PDS in den sachsen-anhaltinischen Landtag eingebracht. Wenn Sie hier dann noch nicht einmal ein Gespräch akzeptieren, zeigt das, daß Sie überhaupt kein Interesse daran hatten, daß eine große Koalition zustande kommt.
Es paßte nicht in Ihre Wahlkampfstrategie. Das war die Situation.
Die öffentliche Entrüstung über die Aussagen von Herrn Hauser ist die eine Seite der Medaille. Ich will etwas zu der zweiten Seite der Medaille sagen. Ich bin der Auffassung, daß es sich hier nicht um einen rhetorischen Ausrutscher eines einzelnen gehandelt hat. Ich meine, daß diese Gleichsetzung der PDS mit der NSDAP und die These, man könne Transfers oder Unterstützungen vom Wohlverhalten und von der Artigkeit der Ostdeutschen an der Wahlurne abhängig machen, keine einfältigen Behauptungen und Thesen einer Einzelperson waren.
Das hat viel zu lange gedauert und war in der Form, in der es abgelaufen ist, viel zu dreist.
Nein, man muß sich fragen: Worauf zielte denn das? Wem nützte denn das, was dort passiert ist? Die Antwort auf diese Fragen kann man aus dem Ergebnis selbst ablesen: Der Osten wurde ganz massiv provoziert. Ich habe in den letzten acht Jahren zu keinem Thema einen vergleichbaren Aufschrei erlebt.
Es gab einen ganz massiven Mitleidseffekt gegenüber der PDS in Ostdeutschland - ich behaupte, auch in Teilen von Westdeutschland. Es gab so etwas wie eine Sympathiebewegung gegenüber der PDS infolge dieser Aussagen.
Das sind die Ergebnisse dieser unseligen Tage von Herrn Hauser.
Das wirft die Frage auf: Warum macht das die CDU? Der Grund ist, so denke ich, ganz klar: Es geht ganz einfach um simple Wahlarithmetik. Die CDU weiß: Es wird keine sozialdemokratisch geführte Bundesregierung geben, die von den Stimmen der PDS abhängig ist.
- Selbstverständlich ist das so. Die CDU weiß das ganz genau. Wenn Sie Zweifel an diesen Aussagen hätten, dann würden Sie eine intensive Auseinandersetzung mit der PDS führen und keine Unterstützungskampagne machen. Das ist die Situation.
Sie haben - das ist der Kern - den Osten parteipolitisch abgeschrieben. Sie haben den Osten abgeschrieben. Sie setzen eindeutig auf die Wählerstimmen in den alten Bundesländern, und dort möglichst am westdeutschen Stammtisch. Es ist einfach taktisch sinnvoll für Sie, die PDS in Ostdeutschland zu stärken. Das tun Sie auch auf dem Rücken und zu Lasten Ihrer eigenen Landesverbände in Ostdeutschland. Die Kronzeugen dafür sind doch nicht bei uns zu finden. Ich muß wohl Herrn de Maizière oder Herrn Heitmann zitieren oder auf die Weigerung des sächsischen CDU-Landesverbandes hinweisen, dort Ihre Hände-Kampagne zu vollziehen. Das sind die Kronzeugen dafür, daß das der tiefere Kern Ihrer Kampagne ist. Deswegen prophezeie ich Ihnen noch einen massiven Widerstand in Ihren eigenen Reihen in Ostdeutschland.
Herzlichen Dank.
Das Wort hat der Kollege Dr. Paul Krüger, CDU/CSU.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Be-
Dr.-Ing. Paul Krüger
zugspunkt der heutigen Debatte ist ein Interview des Regierungssprechers, dessen Kernsatz lautet: „Bei uns hat der Aufbau Ost weiter Vorrang. " Das ist ein Zitat aus diesem Interview.
Die heutige Debatte - das macht mich besorgt - birgt die Gefahr, Verunsicherung über den Fortgang der gemeinsamen Aufbauanstrengungen in Ost und West zu schüren. Ich bedaure dies, weil eine solche Verunsicherung zuallererst den ostdeutschen Interessen schadet. Warum tun Sie das, meine Damen und Herren von der linken Seite? Ich befürchte Schaden für die Motivation der Menschen im Osten genauso wie für die Solidaritätsbereitschaft der Menschen im Westen.
Deswegen scheint es mir notwendig, noch einmal ausdrücklich festzuhalten, daß niemand so sehr Garant für die innerdeutsche Solidarität zwischen Ost und West war und ist
wie diese Bundesregierung unter Führung des Bundeskanzlers Helmut Kohl.
Jeder, der ein wenig Ahnung hat, weiß, wie sehr sich Helmut Kohl immer wieder persönlich hierfür eingesetzt hat und dies auch heute noch tut.
Erinnern wir uns: Die Schaffung der Wirtschafts-
und Währungsunion vor acht Jahren war ein wichtiger Schritt, war eine wichtige Entscheidung für die Menschen in den neuen Bundesländern. Unsolidarisch haben sich damals das Saarland und Niedersachsen verhalten. Herr Schröder und Herr Lafontaine haben gegen die Wirtschafts- und Währungsunion gestimmt.
Herr Schwanitz, damals haben Herr Schröder und Herr Lafontaine den Osten im Stich gelassen, nicht diese Bundesregierung.
Seit der Wiedervereinigung ist ein kontinuierlicher Aufbauprozeß gestaltet worden.
Der Bund hat mit Nettotransfers von über 600 Milliarden DM die Hauptlast getragen, während die alten Länder nur einen bescheidenen Beitrag von etwas über 70 Milliarden DM getragen haben.
Die Kollegin Justizministerin Schubert hat Anfang dieses Jahres, am 24. Februar 1998, in der „Welt" gesagt:
Leider hat sich Niedersachsen im Gegensatz beispielsweise zu den Ländern Rheinland-Pfalz oder Baden-Württemberg, die in Sachsen personelle Aufbauhilfen leisten, längst aus der Helferstellung herausgeschlichen.
Hier hat Herr Schröder bewiesen, wie er zu den neuen Bundesländern steht.
Trotz ständiger Unkenrufe von Ihrer Seite haben wir in den Hilfen für die neuen Bundesländer nie nachgelassen: Wir haben bei den Nettotransfers in diesem Jahr einen Spitzenwert von 139 Milliarden DM erreicht. Wir haben vor einigen Wochen das Sonderwohngeld Ost hier erneut in voller Höhe verlängert. Wir haben arbeitsplatzwirksame Investitionen in den neuen Ländern wo immer möglich forciert. Herr Bohl hat hier eben einige Beispiele genannt.
Wir haben die steuerliche Wirtschaftsförderung als Kernbereich der Förderung bis zum Jahre 2004 kontinuierlich fortgeschrieben.
Das ist das Ergebnis einer kontinuierlich guten Arbeit dieser Bundesregierung für die neuen Bundesländer.
Diese Arbeit beginnt Früchte zu tragen: Wir hatten im letzten Monat in den neuen Bundesländern etwa 100 000 Arbeitslose weniger. Das ist der höchste Rückgang der Arbeitslosigkeit in den neuen Bundesländern seit der Wende. Wir haben im letzten Monat erstmals einen Anstieg der Beschäftigung im verarbeitenden Gewerbe gehabt.
Wir haben im ersten Vierteljahr 1998 das höchste gesamtdeutsche Wirtschaftswachstum. Diesmal hat das Wachstum im Osten das im Westen erstmals seit langer Zeit überholt. Leistungsträger im Osten ist mittlerweile das verarbeitende Gewerbe, das im ersten Quartal ein Plus von 20 Prozent verbucht hat. Erstmals seit 1991 trug das verarbeitende Gewerbe einen größeren Beitrag zur Bruttowertschöpfung in Ostdeutschland bei als das Baugewerbe. Dies sind alles Erfolge, die wir mittlerweile erreichen.
Im verarbeitenden Gewerbe war im letzten Monat ein Auftragsplus von über 30 Prozent zu verbuchen.
Es geht - auch dank unserer Hilfen - im Osten wieder
voran. Das lassen wir uns von Ihnen nicht kaputtreden.
Allerdings bleibt es eine Daueraufgabe der Politik, den Bürgern zu erklären, daß mit dem Steuergeld verantwortlich umgegangen wird. Hier muß man immer wieder an die Verantwortung der Länder für die Strukturpolitik und für die Schaffung von Arbeitsplätzen erinnern. Wenn Sie sich die Entwicklung der neuen Länder anschauen, sehen Sie, daß es sich dort ähnlich wie in den alten Ländern verhält. Überall dort, wo die CDU regiert oder an der Regierung beteiligt ist, haben wir die höchste Erwerbstätigen-quote. Wir haben leider in Sachsen-Anhalt, wo seit einigen Jahren die SPD zusammen mit der PDS regiert, den höchsten Rückgang der Erwerbstätigenquote. Das wirtschaftliche Wachstum ist dort völlig zum Erliegen gekommen. In diesem Sinne ließe sich noch eine ganze Reihe von Beispielen aufzählen.
Dr.-Ing. Paul Krüger
Meine Damen und Herren, das Fazit lautet: Die Politik der Bundesregierung und der CDU-regierten Länder für wirtschaftliches Wachstum und für mehr Arbeitsplätze ist in der Sache ohne Alternative.
Achten Sie bitte auf die Zeit!
Ja, Herr Präsident. Ich bin gleich zu Ende. - Hierüber hatten wir auch schon Konsens. Leider wurde dieser Konsens zunehmend verlassen. Deshalb kann man nur sagen: Wir sollten versuchen, wieder an diesen Konsens, den wir zum Beispiel bei der steuerlichen Wirtschaftsförderung erreicht hatten, anzuknüpfen. Statt die Menschen zu verunsichern und zu demotivieren, ist es richtiger und besser, den Menschen in Ost und West weiter Mut zu machen, den Wiederaufbau in den neuen Bundesländern weiterhin kontinuierlich voranzubringen.
Vielen Dank.
Das Wort hat der Kollege Dr. Gregor Gysi, PDS.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Austermann, Sie haben gesagt, was die Geschichte der SED und der DDR betrifft, habe die PDS in ihrem Programm stehen: Wir haben uns für nichts zu entschuldigen.
- Das ist eine glatte Unwahrheit. Es gibt nicht ein einziges Programm der PDS, in dem ein solcher Unsinn steht. In unserem Parteiprogramm gibt es einen ganzen Abschnitt der kritischen Auseinandersetzung mit der Geschichte. Das kann ungenügend sein. Damit mögen Sie sich auseinandersetzen; das wäre Ihr gutes Recht. Aber zu behaupten, daß wir einen solchen Unsinn geschrieben hätten, das ist einfach falsch. Das steht in keinem einzigen Programm der PDS.
Meine Vorrednerinnen und Vorredner, insbesondere Bundesminister Bohl, aber auch Sie, Herr Austermann und Herr Koppelin, haben sich zu der NSDAP-Äußerung des Regierungssprechers verhalten. Deshalb will ich auch dazu etwas sagen. Da ist kein Vergleich angestellt worden, wobei man auch Vergleiche für unzulässig halten kann; denn die haben ja einen bestimmten Sinn. Formal kann man theoretisch alles vergleichen, aber es geht ja um den politischen Sinn von Vergleichen. Aber das war kein Vergleich.
Ich lese Ihnen jetzt nicht aus einem Interview vor, sondern Sie haben als Regierungssprecher auf der Bundespressekonferenz wörtlich folgendes gesagt:
Die NSDAP hat während der nationalsozialistischen Zeit Schlimmes gemacht. Da ist nichts entschuldbar. Aber -
schon dieses „aber" ist sehr merkwürdig -
auf der anderen Seite hat die SED genauso Schlimmes gemacht.
- Sie sagen auch noch „sehr richtig" ! Das müssen Sie sich mal überlegen: Das ist kein Vergleich mehr, das ist eine völlige Gleichsetzung von Unrecht in der DDR und Unrecht in der Nazizeit. Das ist schlimm und hat zwei verschiedene Aspekte.
Der eine Aspekt ist - das kann ich nicht lustig finden, und ich kann auch nicht satirisch darüber reden -: Wir haben eine Menge ganz alter Mitglieder, die noch im KZ gesessen haben oder noch in der Emigration waren. Sie müssen sich mal überlegen, was es für diese Menschen bedeutet, wenn Sie einen solchen Satz sagen.
Der zweite Aspekt ist - und das ist noch viel entscheidender -: Daß die SED Unrecht begangen hat, das ist wahr. Daß man das verurteilen darf, ist auch wahr. Aber wenn Sie sagen „genauso Schlimmes", dann sagen Sie auch: Die NSDAP hat nichts Schlimmeres gemacht als die SED. Das heißt, Sie bagatellisieren die Verbrechen der Nazizeit in ungeheuerlicher Art und Weise!
Es gab in der DDR kein Auschwitz, es gab keinen zweiten Weltkrieg durch die DDR.
- Es gab kein Auschwitz in der DDR, selbstverständlich! Sie haben ja überhaupt keine Ahnung, was da in der Nazizeit gelaufen ist.
Ihr Regierungssprecher hat auch noch gesagt, die Tolerierung der SPD-Regierung in Sachsen-Anhalt durch die PDS sei in etwa so, als ob eine Nachfolgeorganisation der NSDAP hier in der alten Bundesrepublik nach 1945 mitregiert hätte. Darf ich Ihnen dazu sagen: Wenn Sie dieses Thema ansprechen, sollten Sie vorsichtig sein; denn die CDU/CSU hatte nie Schwierigkeiten damit, alte Nazis nach 1945 mitregieren zu lassen.
Das ist einfach eine Wahrheit, und das kriegen Sie auch nicht weg. Ich kann Ihnen hier die Namen aufzählen, und Sie kennen sie auch alle selbst.
Auch die Äußerung zu Ostdeutschland, Herr Austermann, haben Sie absichtlich unvollständig zitiert. Denn an der Stelle geht es weiter. Da sagt nämlich Herr Hauser:
Die Menschen in Ostdeutschland sollten aber wissen, daß die Hilfsbereitschaft mit der Wahl von Extremisten nicht überstrapaziert werden darf.
Dr. Gregor Gysi
Das ist doch eine glatte Drohung! Denn vorher hat er ja klar gesagt, daß er mit Extremisten die PDS meint. Damit sagt er doch: Wenn die PDS gewählt würde, wäre das eine Überstrapazierung, und dann gäbe es eine Reduzierung von Solidarität oder von Hilfsbereitschaft, wie er das formuliert, und damit der Mittel für Ostdeutschland. Das heißt: Eine demokratisch gewählte Regierung, die im Osten gerade dafür plädiert, daß man sich an Demokratie gewöhnt, daß man alles überwindet, was mit Diktatur zu tun hat, stellt sich hin und sagt: Wenn ihr aber nicht so wählt, wie wir es wollen, dann hat das Folgen für euch! - Das ist natürlich das Gegenteil einer demokratischen Wahl, das ist die Ersetzung einer demokratischen Wahl durch Erpressung!
Ich füge noch etwas hinzu.
Es wird im übrigen auch ganz falsch dargestellt. Sie tun so, als ob der Aufbau Ost über Spenden finanziert würde. Der Solidaritätszuschlag ist eine knallharte Steuer, die man in Ost und West bezahlen muß, unabhängig davon, ob man sich besonders solidarisch verbunden fühlt oder nicht. Das heißt, nur Sie als Gesetzgeber hätten die Möglichkeit, die Belastung zu reduzieren. Sie appellieren an ein Gefühl, um das es im Zusammenhang mit dieser Frage nie ging. Sie haben doch niemanden gefragt, als Sie den Solidaritätszuschlag eingeführt haben, sondern Sie haben das mit Mehrheit im Bundestag beschlossen. Also: Nur Sie haben die Möglichkeit, diese Art der Solidarität zu reduzieren. Folglich drohen Sie mit Gesetzesänderungen für den Fall, daß nicht so gewählt wird, wie Sie sich das vorstellen. Das ist ungeheuerlich. Deshalb hoffe ich, daß genügend Menschen soviel Stolz besitzen und sagen: dann erst recht.
Herr Koppelin, eines muß ich Ihnen auch noch sagen. Sie haben gesagt: Aufbau Ost bleibt Priorität. Sie haben außerdem gesagt: Mehr Arbeitsplätze und mehr Aufschwung werden dazu führen, daß die PDS - die ja angeblich davon lebt, daß dieses alles noch nicht eingetreten ist - weniger gewählt wird. Deshalb bleibe dies auch weiterhin Ihre Priorität. Wenn das so stimmt, dann haben wir auf jeden Fall einen Sinn. Denn mit Ihren Äußerungen erklären Sie ja, daß es ohne die PDS diese Anstrengungen der Regierung nicht geben würde. Aber wegen uns werden Sie sich weiterhin bemühen müssen. Wenn das stimmt, dann gab es uns in den letzten acht Jahren nicht umsonst. Ich glaube, daß das so auch in den nächsten Jahren bleibt.
Das Wort hat der Kollege Erich Maaß, CDU/CSU.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Dreistigkeit von Herrn Gysi verschlägt einem die Sprache.
Ich bin selber mit meiner Mutter 1947 „schwarz" über die Grenze in Walkenried im Harz gegangen; ich habe am Todesstreifen gelebt und habe alles miterlebt. Wenn Sie sich heute hier mit reinem Gewissen hinstellen wollen und sagen, daß Sie Ihre Hände in Unschuld waschen können, dann ist das eine Unverschämtheit und eine Dreistigkeit! Denken Sie doch bitte an Buchenwald! Das ist ein Symbol für die Nachfolgepartei, die Sie heute noch verkörpern. Entschuldigen Sie bitte, aber wenn ich mir Ihr Verhalten in der Enquete-Kommission „Aufarbeitung von Geschichte und Folgen der SED-Diktatur in Deutschland" unter dem Vorsitzenden Rainer Eppelmann betrachte, dann möchte ich Rainer Eppelmann in diesem Zusammenhang zitieren:
Eine Partei, die sich so zu den Opfern der SEDDiktatur äußert, hat den Boden des antitotalitären Konsenses der demokratischen Parteien noch nicht erreicht und kommt deshalb bis auf weiteres für parlamentarische Bündnisse und Absprachen auf Regierungsebene nicht in Betracht.
Aber was ist in Magdeburg geschehen? Was hat Herr Höppner dort gemacht? Dort wird der PDS die Hand gereicht zum Vergessen. Das ist der wahre Skandal. Die Sozialdemokraten kündigen hier den über die Parteigrenzen hinausgehenden Konsens auf, der darin besteht, daß keine Bündnisse mit Rechts- und Linksextremisten geschlossen werden. Sie haben die PDS salonfähig gemacht.
Ihr Bundesgeschäftsführer Müntefering hat ein weiteres fatales Signal gesetzt, als er gesagt hat, daß er das Magdeburger Modell noch auf andere Bundesländer übertragen will. Es ist schon schlimm, wie man hier versucht, Desinformationen in die Öffentlichkeit hineinzutragen.
Ich möchte noch einen weiteren Punkt ansprechen. Der Kanzleramtsminister hat es vorhin schon gesagt: Die PDS - hier zitiere ich Kurt Biedenkopf - ist der organisierte Widerstand gegen den Erfolg der deutschen Einheit. Das ist genau der Punkt, bei dem die Demokraten aufpassen müssen. Ich fordere die SPD auf, wieder auf die Grundposition der Demokraten zurückzukommen.
Folgendes gehört ebenfalls zu diesem Konsens. Über das muß auch noch gesprochen werden.
- Herr Catenhusen, Sie können soviel schreien, wie Sie wollen - Recht bleibt Recht.
Im jüngsten Urteil des Bundesgerichtshofes bekommt der Ministerpräsident Stolpe ebenfalls eine Quittung dafür. Ein so hohes Amt wie das des Ministerpräsidenten darf nicht ins Zwielicht geraten. Es gehört zur demokratischen Hygiene, daß so etwas aufgearbeitet und nicht unter den Teppich gekehrt wird.
Erich Maaß
- Auch wenn Sie noch soviel schreien und versuchen, die Sachen noch so sehr zu verdrehen, sage ich Ihnen trotzdem eines: Die Wahrheit zu ertragen tut weh.
Vorhin hat der Kanzleramtsminister gesagt, wie sich Gerhard Schröder in der „Leipziger Volkszeitung" am 15. Januar geäußert hat: „Wir können die ja schließlich nicht an Polen abtreten." Er hat am selben Tag noch einen draufgesetzt: „Manchmal wünschte man den Südkoreanern eine Wiedervereinigung mit dem Norden, damit die auf den Weltmärkten etwas schwächer werden." Das ist die Gesinnung und der Geist Ihres Kanzlerkandidaten.
Meine Damen und Herren, Sie können noch soviel versuchen: Ein Helmut Kohl geht als Kanzler der Wiedervereinigung in die Geschichte der Bundesrepublik Deutschland ein. Wir werden nicht nachlassen, unserer Aufgabe gerecht zu werden.
Ich fordere Sie an dieser Stelle auf: Statt Zwietracht zu streuen, kommen Sie wieder auf die Basis der Demokraten zurück, die Sie in Magdeburg beginnen zu verlassen!
Das Wort hat unser Kollege Uwe Küster, SPD.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der PDS wird völlig zu Recht vorgeworfen, daß sie sich als SED-Nachfolgepartei zu ihrer SED-Vergangenheit nicht deutlich genug verhält, nicht in die Verantwortung eintritt und die Vergangenheit nicht konsequent aufarbeitet. Es gibt dort Versuche, aber die Partei als Ganzes steht noch nicht deutlich genug da, wo sie hin muß. Mein Kollege Stephan Hilsberg hat gestern deutlich in der Debatte zum 17. Juni gesagt, wie wir uns eine Geschichtsaufarbeitung seitens der PDS vorstellen. Aber auch niemand aus den ehemaligen Ostparteien CDU, LDPD, NDPD und der Bauern-SED, niemand dieser ehemaligen SED-Funktionäre hat sich entsprechend verhalten und versucht, Aufarbeitung zu betreiben.
Wichtige ehemalige DDR-Funktionäre sitzen heute für die CDU und für die F.D.P. im Bundestag, aber auch in den Landtagen und in den Landesregierungen.
Hand in Hand mit der SED haben diese Funktionäre ihren Teil der Verantwortung für die Unterdrükungsmechanismen in der DDR getragen.
Seien Sie doch einmal ganz ehrlich, meine Herren: Das waren doch keine Opfer des Systems.
CDU-Funktionäre und Funktionäre der Bauern-SED waren Stellvertreter Honeckers und stellvertretende Präsidenten der Volkskammer. Die Ost-CDU rechtfertigte und unterstützte die Niederschlagung des Arbeiteraufstands von 1953, den Mauerbau von 1961, die Einführung des Wehrkundeunterrichts an den Schulen im Jahre 1978,
die Fälschung der Kommunalwahl im Jahre 1989 und das Massaker auf dem Platz des Himmlischen Friedens in Peking im Jahre 1989. Lesen Sie die Zeitzeugen nach.
Meine Damen und Herren, die Bürgerrechtsbewegung der DDR hielt sich aus gutem Grund von der Ost-CDU fern. Ihr sächsischer Minister Arnold Vaatz kann Ihnen davon ein Lied singen. Alle Aufarbeitungsversuche der CDU in Ostdeutschland sind an den Ost-Kadern gescheitert, die Sie dort haben. Sie haben aus der Vergangenheit keine Konsequenzen gezogen.
Für die vielen Blockparteifunktionäre, die auch heute noch hohe Verantwortung tragen, möchte ich stellvertretend zwei nennen. Ulrich Junghanns: Er trat 1974 in die Bauern-SED ein und war unter anderem führendes Mitglied des Parteivorstandes des Demokratischen Bauernverbandes der DDR. Ihr Kollege Junghanns verteidigte noch am 3. Juli 1989 - ich wiederhole: des Jahres 1989 - die Mauer. Ich zitiere:
Was die Mauer betrifft, so lassen wir uns nicht deren Schutzfunktion ausreden - ganz einfach, weil wir den Schutz spüren vor all dem, was hinter der Mauer an brauner Pest wuchert.
Wie gesagt, 1989 Ihr Fraktionskollege.
Ihr Kollege Rolf Rau, der seit 1976 Ost-CDU-Mitglied ist.
Seit 1987 saß er im Hauptvorstand der Ost-CDU - wirklich an der Spitze - und gehörte auch zum Nationalrat der Nationalen Front der DDR. Wissen Sie, was der Nationalrat war? Das war die Volksfront in der DDR. Dort hat er gesessen.
Am 13. Oktober 1989, also zu einem Zeitpunkt, zu dem schon viele Menschen unterwegs waren, unterzeichnete Ihr Kollege mit anderen Vertretern der Volksfront in der DDR folgendes:
Alle Parteien und Massenorganisationen legten
Vorstellungen dar, wie der in Gang gesetzte Dia-
Dr. Uwe Küster
log im Bezirk in der Breite geführt werden muß. Dafür haben wir alle erforderlichen Formen und Foren der sozialistischen Demokratie.
Gratulation! Weiter heißt es an anderer Stelle:
Ein untauglicher Platz für jedes Gespräch ist die Straße, ist die öffentliche Demonstration.
Das ist ein klares Bekenntnis gegen die Montagsdemonstrationen.
Ihr Kollege Rolf Rau stand noch im Oktober 1989 dort, wo er politisch immer gestanden hat: fest und treu an der Seite der SED.
Bundeskanzler Helmut Kohl hat offenbar keine Probleme damit gehabt, sich 1990 und 1994 von diesen ehemaligen Volksfront-Funktionären zum Kanzler wählen zu lassen - wählen zu lassen von jenen Abgeordneten, die ihre Loyalität zur SED-Diktatur auch noch bekundeten, als die Menschen längst auf der Straße waren, um für Freiheit und Demokratie zu kämpfen.
Ich fordere die CDU - die CSU hat sich davon ja schon distanziert - und auch die F.D.P. auf: Bekennen Sie sich zu Ihrer eigenen Vergangenheit! Leisten Sie Ihren überfälligen Beitrag zur Aufarbeitung Ihrer DDR-Geschichte!
Weisen Sie nicht mit Ihrem spitzen Finger immer nur auf die eine Partei! Sie haben die ganzen Blockisten geschluckt. Die DDR-Funktionäre sitzen in Ihren Reihen.
Das Wort hat der Kollege Volker Kauder, CDU/CSU.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit der Wiedervereinigung von alter Bundesrepublik Deutschland und ehemaliger DDR ist ein neues Land entstanden. Das neue, wiedervereinigte Deutschland hat ganz neue Herausforderungen zu bestehen und steht in seiner Gesamtheit vor anderen Aufgaben als die alte Bundesrepublik Deutschland und die ehemalige DDR früher. Wir tragen gemeinsam Verantwortung für den Aufbau Ost, aber auch für die weitere Entwicklung der alten Bundesländer. Jede dieser Aufgaben hat ihre speziellen Probleme. Das sind aber die Probleme der Menschen im Westen und im Osten.
Wir werden die Herausforderungen der Zukunft nur dann bewältigen, wenn wir sie als eine gemeinsame Aufgabe betrachten und nicht als eine, die einmal die im Osten und einmal die im Westen betrifft. Deshalb dürfen wir nicht zulassen, daß die Menschen in unserem Land auseinandergetrieben werden. Genau das hat der Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt aber getan.
Er hat die Menschen mit dem Argument getrennt, daß die letzten 40 Jahre die gemeinsame Substanz weitgehend zerstört hätten. Es kann sich doch jeder selbst ausmalen, welche Wirkungen eine solche Aussage auf die Menschen im Westen Deutschlands haben kann.
Wenn die SPD dann mit denjenigen gemeinsame Sache macht, die diese nationale Spaltungstendenz zum politischen Programm erhoben haben, so ist das ein Angriff auf die nationale Solidarität.
Darauf hat Regierungssprecher Hauser mit seiner Äußerung in der Chemnitzer „Freien Presse" hingewiesen. Die Reaktionen der Bevölkerung zeigen, daß die von Otto Hauser ausgesprochene Sorge begründet ist. Es ist doch wahr, daß das Kapital aus dem Westen im Osten nicht einen neuen Sozialismus aufbauen will, wie es die „FAZ" vor einigen Tagen formuliert hat.
Regierungssprecher Hauser hat genau auf diesen Sachverhalt gezielt; er hat den Menschen nicht mit dem Entzug der Aufbauhilfe Ost gedroht. Er hat aber ausdrücklich darauf hingewiesen, daß der Aufbau Ost oberste Priorität für diese Bundesregierung hat.
Ich betone noch einmal: Wir haben allen Grund, ernst zu nehmen, wie die Bevölkerung in ganz Deutschland auf die Beteiligung derjenigen reagiert, die das ganze Unglück in der ehemaligen DDR zu verantworten haben.
Die Bevölkerung sieht in ihrer Mehrheit mit Sorge und Bestürzung, daß die SPD mit der Partei zusammenarbeitet, die die großen Geldmittel für den Aufbau Ost negiert und vor allem versucht, den Menschen im Osten den berechtigten Stolz auf die großartige Aufbauleistung auszutreiben.
Die PDS will den Erfolg der deutschen Einheit nicht, weil sie weiß, daß dies ihr Ende ist. Mit einer solchen Partei arbeitet die SPD zusammen. Wie weit sind Sie in der SPD gesunken, wenn Sie dies auch noch rechtfertigen?
Glauben Sie denn wirklich, daß ein solches Verhalten der SPD - mit denen zusammenzuarbeiten, die den Erfolg der deutschen Einheit nicht wollen - die Solidarität der Menschen in Ost und West stärkt?
Volker Kauder
Die Aussagen Höppners, daß die letzten 40 Jahre die gemeinsame Substanz weitgehend zerstört hätten, und die enge Zusammenarbeit der SPD mit der PDS in den neuen Ländern gefährden das Verständnis der Menschen in Ost und West füreinander. Diesen Sachverhalt hat Otto Hauser beschrieben. Daher haben diejenigen, die diesen Sachverhalt herbeigeführt haben, die zu einer Entsolidarisierung der Menschen in Deutschland beitragen, überhaupt keinen Grund, denjenigen zu beschimpfen, der diesen Sachverhalt nur feststellt.
Der SPD rufe ich zu: Nehmen Sie sich ein Beispiel an Ministerpräsident Erwin Teufel von der CDU in Baden-Württemberg!
Lassen Sie ab von Extremisten, arbeiten Sie nicht mit ihnen zusammen, und denken Sie an Ihre eigene Geschichte! Wer mit Extremisten zusammenarbeitet, der macht sie hoffähig. Genau dies tun Sie in Sachsen-Anhalt. Sie brauchen sich nicht zu wundern, wenn die Menschen sagen: Es ist doch nicht in Ordnung, daß mit denjenigen zusammengearbeitet wird, die diesen ganzen Schlamassel in der ehemaligen DDR herbeigeführt haben. Dies ist ein Akt des Verlassens der Solidarität der Demokraten.
Das Wort hat der Kollege Hans Georg Wagner, SPD.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Soviel Heuchelei wie heute abend habe ich selten erlebt.
Ich habe noch keine Distanzierung Ihrer Blockflöten von der Allparteienregierung in der ehemaligen DDR gehört. Es ist bisher kein Wort dazu gesagt worden. Der Kollege Küster hat ja einige Namen vorgelesen. Die Distanzierung Ihrer Blockflöten, die Bundeskanzler Kohl gewählt haben, von der ehemaligen Allparteienregierung in der DDR hat es bis heute nicht gegeben.
- Herr Kollege Koppelin, wenn Sie hier Tränen vergießen, indem Sie sagen, wir hellen den neuen Ländern, dann frage ich Sie: Wer will denn den Solidarzuschlag abschaffen? Sie doch! Den zur Finanzierung der deutschen Einheit in den neuen Ländern benötigten Solidarzuschlag wollen Sie doch abschaffen. Sie Heuchler!
Wenn Herr Austermann vorhin gesagt hat, daß die Solidarität der CDU/CSU in diesem Punkt gegeben ist, dann muß ich feststellen, daß kein einziger CSUKollege im Saal war. Ich begrüße, daß jetzt Herr Spranger als Minister da ist.
- Sie sind wesentlich später gekommen. Ich habe Sie doch genau gesehen.
Sie haben Heuchelei betrieben, als Sie behauptet haben, Sie würden sich nicht mit Extremisten verbinden. Herr Bohl, zumindest Sie müßten sich doch erinnern können, wie es 1969 war, als es zwei Kandidaten für das Amt des Bundespräsidenten gab. Der eine war Herr Schröder von der CDU/CSU, der andere war Gustav Heinemann. Herr Schröder wäre sich nicht zu fein gewesen, sich mit NPD-Stimmen zum Bundespräsidenten wählen zu lassen. Wären nicht CDU-Mitglieder dagewesen, die Heinemann gewählt haben, dann wäre es so gekommen. Das müssen Sie doch genau wissen; Sie waren damals sicherlich schon dabei.
Das ist die geschichtliche Wahrheit. Wenn Sie jetzt heucheln, die PDS sei eine extremistische Partei, mit der die CDU nichts zu tun habe, dann kündigen Sie doch die unzähligen kommunalen Bündnisse in den neuen Ländern, wo Sie bis zum Gehtnichtmehr mit der PDS kungeln.
Warum haben Sie im Landtag von Sachsen-Anhalt so viele Anträge gemeinsam mit der PDS eingebracht? CDU und PDS haben Anträge gegen die Regierung von Reinhard Höppner eingebracht. Das ist die Wahrheit. Da können Sie machen, was Sie wollen.
Eine weitere Frage: Vorige Woche, am Montag und am Dienstag - Herr Bohl, Sie waren sicherlich auch dabei -, war der letzte große bedeutende Kommunist der ehemaligen Sowjetunion, Boris Jelzin, hier in Bonn. Warum haben Sie denn Herrn Jelzin hier empfangen, wenn man mit Kommunisten nicht reden darf? Oder warum jubeln Sie Herrn Gorbatschow zu, wenn der nach Deutschland kommt? Ich frage mich: Waren das keine ehemaligen Kommunisten? Wenn Sie, die Sie, zumindest die 25 ehemaligen Blockflöten hier im Saal, in einer Allparteienregierung mit der ehemaligen SED gesessen haben, dann auch noch die SED bzw. die PDS mit den Nazis gleichstellen, dann frage ich mich: Mit wem haben Sie, meine Damen und Herren Blockflöten hier im Saale, damals eigentlich überhaupt paktiert in der ehemaligen DDR?
Zurück zu Herrn Hauser. Es hat mich bald vom Stuhl gehauen, daß sich Herr Hauser, ein CDU-Abgeordneter aus Baden-Württemberg, einem Land, das nach Bayern den Bundeshaushalt melkt wie eine Kuh,
Hans Georg Wagner
hinstellt und den Menschen in den neuen Ländern Angst einjagen will, daß man ihnen, weil sie in demokratischen Wahlen nicht die CDU gewählt haben, das Geld abknöpfen will. Das ist - ich sage das so - eine ausgemachte Sauerei.
- Vielen Dank für das Stichwort Saarland, Herr Kollege Krüger. Sie haben es vielleicht nicht mitbekommen, daß das Saarland das erste Bundesland war, das sich zur Bundesrepublik Deutschland bekannt hat - lange vor 1989. Wir haben den Mut gehabt, während der französischen Besatzungszeit zu sagen, wir gehen nach Deutschland. Das war am 23. Oktober 1955. Da können Sie sagen, was Sie wollen: Es war damals so. Deshalb sollten Sie das Saarland bei Ihren Betrachtungen außen vor lassen. Das Saarland zahlt für die neuen Länder genau wie alle anderen Westländer, über 2 Milliarden DM, obwohl der Haushalt schon schlecht war, als wir ihn von der CDU und F.D.P. im Jahre 1985 übernommen haben. Da können Sie blöde lachen oder nicht lachen, aber das ist die Wahrheit.
Ich verlange von Ihnen, daß Sie sich für den Spaltungsversuch von Herrn Hauser entschuldigen. Herr Bohl, Sie haben zu Recht Willy Brandt zitiert: „Jetzt wächst zusammen, was zusammengehört. " Herr Hauser hat genau das Gegenteil gemacht. Er versucht, Deutschland erneut zu spalten, und Ihrem Geschrei zufolge im Auftrag der CDU/CSU und F.D.P. Er hat ja als Regierungssprecher gesprochen. Er hat als Sprecher der Bundesregierung angedroht: Ihr bekommt Geld abgezogen. Das ist nun einmal so. Er war Regierungssprecher und kann sich aus dieser Situation nicht so einfach verabschieden.
Ich meine also, meine Damen und Herren, daß sich erstens Ihre Blockflöten von der ehemaligen Allparteienregierung distanzieren sollten, und zwar möglichst schnell und möglichst bald, und sich Herr Hauser zweitens bei den Bürgern in den neuen Ländern entschuldigen sollte.
Schönen Dank.
Das Wort hat der Kollege Dr. Friedbert Pflüger, CDU/CSU.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich gehöre dem Vorstand des Vereins „Gegen Vergessen - Für Demokratie e.V." an.
Der Vorsitzende ist Hans-Jochen Vogel, und HannaRenate Laurien von meiner Partei ist stellvertretende Vorsitzende. Das Ziel dieses Vereins ist es, die Hinterlassenschaft und die Geschichte von zwei deutschen Diktaturen aufzuarbeiten. Ich bin gerne in dem Verein. Niemand in dem Verein und, wie ich glaube, auch niemand hier bestreitet oder relativiert die Shoa, den Holocaust. Die industrielle Vernichtung von sechs Millionen Juden ist das Furchtbarste, was in der deutschen, ja wahrscheinlich in der Menschheitsgeschichte geschehen ist. Niemand relativiert das. Niemand verkennt die Unterschiede zwischen den beiden Diktaturen. Die gibt es natürlich.
- Ich komme gleich zu dem, was Sie ansprechen.
Aber auch wenn es Unterschiede zwischen den Diktaturen gibt, so gibt es doch auch Gemeinsamkeiten zwischen beiden Diktaturen. Diese dürfen wir nicht verschweigen.
Eine wesentliche Gemeinsamkeit besteht darin, daß beide Einparteiensysteme waren. Beide Systeme kennen keine Gewaltenteilung. Beide Systeme kennen kein Mehrparteiensystem, dafür aber Unterdrükkung und Bespitzelung der Opposition. Wir haben eine Kollegin in unseren Reihen,
die es erdulden mußte, daß sie der eigene Ehemann bespitzelte. Das war die Realität im SED-Staat.
Wir wissen um die unendlich vielen Opfer des Stalinismus in Osteuropa.
Es ist gerade ein Schwarzbuch darüber herausgekommen. Auch dort hat es Massenmorde gegeben. Es hat auch Mord als Instrument der Führung und der Diktatur in Ostdeutschland gegeben: Bautzen, Mauer und Stacheldraht stehen dafür. Dieses Unrecht darf man doch nicht verschweigen.
In dem Moment, wo ich dieses Unrecht benenne, begehe ich doch nicht den Fehler zu sagen, alle Diktaturen sind gleich. Aber in beiden Diktaturen finden sich auch sehr ähnliche totalitäre Elemente. Deswegen hat der Totalitarismusbegriff seine Berechtigung.
Dr. Friedbert Pflüger
Wenn ich in der „FAZ" von heute lese: „Bisky entschuldigt sich für SED-Unrecht", so glaube ich, daß man das erst einmal ernst nehmen sollte. Gleichzeitig lese ich aber, daß Herr Brie, der PDS-Wahlkampfchef, sagt, daß
zahlreiche ... PDS-Mitglieder ihr antiquiertes Bild vom 17. Juni nicht ändern könnten ...
Viele seien unfähig, sich von dem offiziellen SEDGeschichtsbild zu lösen ...
Ich habe in der Demokratie gelernt - das sollten wir doch alle gelernt haben -, daß man vor dem Hintergrund der deutschen Diktaturen eines nicht mehr machen darf, nämlich die Grenzen zwischen Demokratie und Diktatur verschwimmen zu lassen
und keine klare Linie zu ziehen. Sie haben diese Linie nicht gezogen; Sie haben sich als PDS direkt in die Tradition der SED gestellt. Das werfen wir Ihnen vor; das werden wir Ihnen immer vorwerfen, Herr Gysi.
Ich möchte noch sagen, daß Herr Höppner nach der Wahl einen, wie ich finde, großen und folgenschweren Fehler gemacht hat. Die Erkenntnis aus der Weimarer Republik und aus den deutschen Diktaturen dieses Jahrhunderts sollte sein: Die Diktaturen sind nicht entstanden, weil es zu viele Nazis oder zu viele Kommunisten gab, sondern sie sind entstanden, weil es zu wenige kampfbereite Demokraten im Zentrum gegeben hat, die im Moment der Bedrohung der Demokratie zusammengehalten haben.
Deshalb hätte Herr Höppner am Wahlabend sagen müssen: Zwar mag ich die Vertreter der CDU nicht, aber angesichts von 13 Prozent der Stimmen für die DVU und 19 Prozent der Stimmen für die PDS ist es für mich eine Selbstverständlichkeit, daß wir jetzt als Demokraten zusammenarbeiten, uns gegen die Ränder verbünden und eine Politik für Sachsen-Anhalt und für Deutschland machen. Das wäre staatsmännische und verantwortungsvolle Politik gewesen.
Wir bestreiten nicht, daß es zwischen den Diktaturen Unterschiede gibt. Wir bestreiten aber auch nicht, daß es Gemeinsamkeiten gibt. Vor diesem Hintergrund der Gemeinsamkeiten und auch des schrecklichen Unrechts der SED-Diktatur glauben wir, daß Sie als PDS den falschen Weg gewählt haben, als Sie sich in die Tradition dieser Partei gestellt haben. Wir glauben ferner, daß Herr Höppner den falschen Weg gewählt hat, als er sich mit diesen Leuten verbündet hat und somit nicht mit uns zusammen Deutschland voranbringt.
Die Aktuelle Stunde ist beendet.
Bevor ich den nächsten Tagesordnungspunkt aufrufe, muß ich auf den Abstimmungsmarathon zurückkommen, den wir vorhin durchgeführt haben. Ich habe einen Fehler gemacht. Ich habe am Anfang versucht, über die Sammelübersichten des Petitionsausschusses gemeinsam abstimmen zu lassen, was natürlich gar nicht geht. Dieser Fehler ist danach aber geheilt worden, weil wir dann über die einzelnen Sammelübersichten abgestimmt haben, so daß es über die Abstimmungsergebnisse keine Unklarheit geben kann. Ich bitte diesen Fehler zu entschuldigen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 10 auf:
Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des 2. Untersuchungsausschusses nach Artikel 44 des Grundgesetzes
- Drucksache 13/10900 - Berichterstattung:
Abgeordnete Dr. Wolfgang Götzer Friedhelm Julius Beucher
Antje Hermenau
Dr. Klaus Röhl
Wolfgang Bierstedt
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Aussprache eine Stunde vorgesehen. - Widerspruch höre ich nicht. Dann ist es so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Kollege Volker Neumann, SPD.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben Ihnen heute morgen den Abschlußbericht des Untersuchungsausschusses „DDR-Vermögen" vorgelegt. Daß die entsprechende Debatte erst so spät stattfindet, liegt sicher nicht an den Anwesenden.
Gegenstand unserer Untersuchungen waren offengebliebene Fragen des Untersuchungsausschusses „Kommerzielle Koordinierung" und des Untersuchungsausschusses „Treuhandanstalt" der letzten Wahlperiode. Daneben sind weitere Fragen aufgetaucht, die wir zum Teil intensiv, wie etwa die Vorgänge um die Bremer Vulkan Verbund AG, oder nur ansatzweise, wie die Fragen zur Privatisierung von Leuna-Minol, oder gar nicht, wie die Privatisierung der Banken und LPGs, untersuchen konnten. Wir haben von Anfang an versucht, darauf zu achten, daß die Erwartungen an den Untersuchungsausschuß
Volker Neumann
nicht zu hoch gesteckt wurden. Sensationen waren von Anfang an nicht zu erwarten.
Untersuchungsausschüsse nach Art. 44 des Grundgesetzes ersetzen nicht die Ermittlungsbehörden, die Justiz- und die sonstigen Behörden, die sich mit den zivilrechtlichen Ansprüchen zu befassen haben. Das bedeutet aber nicht, daß sich aus den Ergebnissen des Untersuchungsausschusses nicht in vielfältiger Weise Hinweise sowohl für strafrechtliche Ermittlungen wie auch für Möglichkeiten zur Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche ergeben würden. Gerade den letzten Gesichtspunkt haben wir nie aus den Augen verloren; denn es ging um das Geld der Bürger. Es ging um die Frage, ob vertragliche oder Schadensersatzansprüche gegenüber denjenigen durchgesetzt werden können, die uns alle durch Untreuehandlungen geschädigt haben.
Ich möchte zunächst all denen danken, die an diesem Ausschuß mitgewirkt haben: dem Sekretariat mit Frau Dr. Mockenhaupt-Gordon und Dr. Markus und ihren Mitarbeitern, den Mitarbeitern der Fraktionen Manfred Poburski, Ali von Wangenheim, Rudolf Seiler, Dr. Lohs, Dr. Treulieb und Professor Gretchen Binus.
Danken möchte ich auch den Mitarbeitern der Bundesregierung, der BvS und der sonstigen Behörden, die uns begleitet haben. Besonders bedanken möchte ich mich für die kollegiale und faire Zusammenarbeit mit den Kollegen, bei denen allen das Bemühen erkennbar war, den gemeinsam erteilten Auftrag des Deutschen Bundestags zu erfüllen und parteipolitische Auseinandersetzungen, soweit es möglich war, zu vermeiden.
Wir haben mit der Arbeit der Enquete-Kommission, die gestern diskutiert worden ist, einen wichtigen Beitrag geleistet, ein Stück Zeitgeschichte aufzuarbeiten.
Wir legen den Untersuchungsausschußbericht vor, der deutlich macht, wie Menschen vor und nach der Wende ohne Rücksicht auf die Verantwortung gegenüber der Gesellschaft versucht haben, ihre privaten Vermögensinteressen zu befriedigen. Der Begriff der alten und neuen Seilschaften wird in vielfältiger Weise dokumentiert. Aber wir müssen bescheiden genug sein, zu sagen, daß wir möglicherweise nur einen geringen Teil des Phänomens aufgedeckt haben.
Wir haben in 96 Sitzungen 92 Zeugen und Anhörpersonen gehört, wobei sich nicht alle gleichermaßen der Wahrheit verpflichtet gefühlt haben. Man kann grundsätzlich sagen: Je mehr die Zeugen in dem System der DDR verwoben waren, etwa als Mitarbeiter des MfS, desto weniger waren sie bereit, bei der Aufklärung der Sachverhalte mitzuhelfen.
Als besonders bemerkenswert empfand ich es, daß die gesamte Führungsspitze der PDS unter Hinweis auf § 55 StPO bei Fragen nach Vermögensverschiebungen die Aussage umfassend verweigert hat, weil nach ihrer Meinung die wahrheitsgemäße Aussage möglicherweise strafrechtliche Konsequenzen gehabt hätte.
Was ich nicht kritisieren kann und will, möchte ich aber festhalten: Viele frühere Funktionäre der DDR, die ihren Bürgern den Rechtsstaat vorenthalten haben und die den unseren bekämpft haben, nutzen nunmehr jede Möglichkeit dieses Rechtsstaates aus.
Obwohl sich der Kollege der PDS bemüht hat, im Ausschuß kollegial mitzuarbeiten, wenn es nicht um das Vermögen der SED/PDS ging, war unverkennbar, daß er sich jedenfalls bei der Feststellung von Sachverhalten, die seine Partei oder die SED betrafen, weniger der Objektivität als seiner Partei verpflichtet fühlte. Insbesondere gilt das für den Komplex, in dem es um nahezu 500 Millionen DM geht, den Komplex „Novum" . Dabei wird deutlich, daß alte Verbindungen oder vielleicht auch neue Verpflichtungen zur Kommunistischen Partei Österreichs geblieben sind - vielleicht auch ein Beispiel für alte und neue Seilschaf ten.
Nahezu selbstverständlich ist, daß die CDU die Privatisierung durch die Treuhandanstalt bei der Bewertung als einen großen Erfolg darstellt, wenn auch Finanzminister Waigel ehrlicherweise zugestehen mußte, daß wir alle Menschen sind und auch dort Fehler unvermeidlich waren. Folgerichtig mußte die Opposition, nämlich meine Partei, die Finger auf die Wunden der Versäumnisse legen, die sowohl von seiten der Treuhandanstalt und der BvS als auch von seiten des Bundesfinanzministers zu beklagen sind. Die hohe Zahl der Firmenzusammenbrüche und die hohe Arbeitslosigkeit in den neuen Bundesländern sind nicht gerade ein Beweis für eine Erfolgsstory.
Aber wir sollten nicht vergessen, daß wir nur die Schattenseiten der deutschen Einheit untersucht haben und daß diese viel weniger bedeuten als die Tatsache, daß wir die Wiedervereinigung erleben durften und mithelfen konnten, daß - wie Willy Brandt sagte und was heute zum drittenmal zitiert wird - zusammenwächst, was zusammengehört.
Besonders wichtig erscheint mir, noch auf folgendes hinzuweisen. Gemeinsam ist es uns gelungen, die Verjährungsfrist für Straftaten der mittleren Kriminalität bis zum Jahr 2000 zu verlängern. Dennoch läßt sich voraussehen, daß auch innerhalb dieser Frist die strafrechtliche Aufarbeitung, jedenfalls im Bereich der Wirtschaftskriminalität, nicht möglich sein wird.
Die Justiz ist nicht in der Lage, die schweren Wirtschaftsstraftaten mit dem jetzigen Personal kurzfristig abzuarbeiten.
Lassen Sie mich ein kurzes Fazit der Arbeit der drei Untersuchungsausschüsse in den letzten sieben Jahren ziehen. Erstens. Das wirtschaftskriminelle Unrecht, die Vermögensverschiebungen, die Untreuehandlungen, die Betrügereien, zum Teil mit konspirativen Methoden des Staatssicherheitsdienstes, sind erst unzureichend aufgearbeitet worden.
Volker Neumann
Zweitens. Der Staat - da meine ich den Bund und die Länder - hat am Anfang den Umfang der Veruntreuungen sicher unterschätzt. Spätestens aber seit 1993 bzw. 1994 war der Umfang bekannt. Effektive Maßnahmen wären notwendig gewesen, sind aber nicht oder zu spät eingeleitet worden.
Letztlich wird das Land Berlin - wenn nicht ein Wunder geschieht - bei der Aufarbeitung dieser Straftaten und der zivilrechtlichen Fragen möglicherweise weitgehend allein bleiben. Ich habe eine Zeitlang das Gefühl gehabt, daß bei Bund und Ländern - ohne ein Parteibuch zu nennen - der entschlossene Wille gefehlt hat, alles zu tun, das veruntreute Vermögen zu sichern.
Herr Kollege, achten Sie auf Ihre Redezeit.
Ich komme zum Schluß. - Wir schließen unsere Arbeit auf jeden Fall in der Gewißheit ab, daß mehr Fragen offengeblieben sind, als wir beantwortet haben. Herr Gres hat dies bereits bei der Einsetzung des Untersuchungsausschusses richtig vorausgesehen.
Wir bitten, die Ansprüche an den Untersuchungsausschuß nicht zu hoch zu schrauben. Wir haben zu Dokumenten des Untersuchungsausschusses „Kommerzielle Koordinierung" im Umfang von zirka 1,5 Millionen Seiten noch nahezu 250 000 weitere Seiten hinzubekommen, die zu sichten waren. Zeugen waren zu vernehmen, Verfahrensfragen zu beraten. Alle Kolleginnen und Kollegen aus allen Fraktionen und alle Mitarbeiter haben das getan, was möglich war.
Vielen Dank.
Das Wort hat der Kollege Joachim Gres, CDU/CSU.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Untersuchungsausschuß „DDR-Vermögen" hat - Herr Neumann hat das schon ausgeführt - insgesamt eine erfolgreiche Arbeit geleistet. Er hat seinen Untersuchungsauftrag erfüllt, jedenfalls soweit er dies im Hinblick auf die Fülle der Themen des Untersuchungsauftrages überhaupt konnte. Denn es war in der Tat von Anfang an klar, daß der Untersuchungsausschuß über die Feststellungen der beiden bereits in der letzten Wahlperiode arbeitenden Untersuchungsausschüsse hinaus in vielen Bereichen keine wesentlichen neuen Erkenntnisse würde erzielen können.
Wir haben uns im Ergebnis damit befaßt, eine Reihe von zusammengetragenen Dokumenten zu einem Untersuchungsbericht zusammenzufassen und damit im Grunde genommen ein Dokument der Zeitgeschichte zu verfassen, das in großer Klarheit die Schwierigkeiten und die Verwerfungen, die Erfolge,
aber auch die Mißerfolge, bei der Überwindung eines 40 Jahre bestehenden realen Sozialismus darstellt.
Einer der Schwerpunkte der Tätigkeit war die Nachforschung nach weiteren Unternehmen des Bereichs „Kommerzielle Koordinierung" über die bereits vom Untersuchungsausschuß der letzten Wahlperiode festgestellten zirka 160 Unternehmen hinaus. Die vielfältigen Verflechtungen des Bereichs „Kommerzielle Koordinierung" mit dem Parteiapparat der SED, dem Ministerium für Außenhandel und dem MfS haben eine konkrete Zuordnung von Unternehmen und Vermögenswerten zu einer bestimmten Institution und die Ermittlung und Rückführung von Vermögenswerten erschwert.
Um so erfreulicher ist es aber, daß die Treuhandanstalt bzw. die BvS, unterstützt durch die Arbeitsgruppe „Koordinierte Ermittlungen", bis Februar 1998 immerhin zirka 3,7 Milliarden DM aus Liquidation, Konkursquoten und Verwertungen des Unternehmensbereichs „Kommerzielle Koordinierung" in den Bundeshaushalt zurückführen konnte. Ich finde, wir können ein wenig stolz darauf sein, daß dies durch die gebündelten Maßnahmen aller Beteiligten erreicht werden konnte.
Meine Damen und Herren, die Feststellungen im Bereich des Vermögens des MfS haben sich demgegenüber sehr viel schwieriger gestaltet. Da sich ein Bereich wie das Ministerium für Staatssicherheit der DDR der staatlichen Kontrolle weitgehend zu entziehen versucht, ist die Auflösung eines solchen Bereiches natürlich um so schwerer zu kontrollieren. Die rasante politische Entwicklung ab Herbst 1989 hat die Auflösung des MfS und des Amtes für nationale Sicherheit eingeleitet, beschleunigt und die Begleitumstände dafür geschaffen. Aber der Regierung des letzten SED-Ministerpräsidenten Modrow ist durchaus vorzuwerfen, daß sie nicht dafür gesorgt hat oder nicht dafür hat sorgen wollen, daß die Auflösung des MfS und der HVA staatlich nachvollziehbar begleitet und kontrolliert wurde.
Daß dadurch Freiräume geschaffen wurden, die - davon müssen wir nach Lage der Dinge wohl ausgehen - auch für Vermögensverschiebungen genutzt wurden, und daß die konspirativen Strukturen des MfS bestens dazu geeignet waren, zum Beispiel Gelder und andere Vermögenswerte dem Zugriff des Staates zu entziehen, liegt auf der Hand. Wir haben eine ganze Reihe von Beispielen zur Kenntnis nehmen müssen, bei denen einiges sehr merkwürdig abgelaufen ist, so zum Beispiel legendierte Konten, die von HVA-Offizieren unter Pseudonym geführt wurden, oder auch Schwarzgeldkassen, MfS-Grundstücke, Häuser unter Legendierungen etc.
Untersuchungsausschüsse sind nicht dazu da, strafrechtlich relevante Vorwürfe zu bestätigen oder zu verneinen. Zahlreiche strafrechtliche Verdachtsmomente sind aber Gegenstand der Ermittlungen von Strafverfolgungsbehörden des Landes Berlin oder anderer Bundesländer, die damit Vermögenswerte zu sichern haben.
Joachim Gres
Wir haben darüber hinaus die Privatisierungstätigkeit der Treuhandanstalt und der BvS untersucht und haben festzustellen, daß die Treuhandanstalt bis Ende 1994 15 102 Unternehmen und Unternehmensteile privatisiert hatte. Der BvS oblag Ende 1997 die Bearbeitung und Überwachung von 40 865 Privatisierungsverträgen. Investitionen in Höhe von 211,1 Mil-harden DM sind in Aussicht gestellt worden; davon sind 156,6 Milliarden DM vertraglich zugesichert worden. Bei den Verträgen, deren Überprüfung abgeschlossen ist, wurden insgesamt mehr Arbeitsplätze geschaffen und aufrechterhalten als vertraglich vereinbart. Auch bei den bis Ende 1997 vorzunehmenden Investitionen kam es, was die Arbeitsplätze angeht, zu Übererfüllungen. Dies ist wohl die positive Seite dieser Medaille, was wir hier quer durch alle Fraktionen auch einmal feststellen sollten.
Herr Neumann hat gesagt, daß ein Untersuchungsausschuß aus Sicht der Opposition insbesondere die problematischen Fälle aufgreifen sollte. Das ist das gute Recht der Opposition. Dennoch glaube ich, daß die vom Ausschuß näher beleuchteten problematischen Privatisierungen den Blick auf das Gesamtergebnis nicht verstellen dürfen. Die Privatisierung der Unternehmen der DDR ist eine Erfolgsgeschichte, die insgesamt den notwendigen und erfolgreichen Umbau der ostdeutschen Wirtschaft eingeleitet hat. Einige mißglückte und fehlgeschlagene Privatisierungen, von denen ich hier gar nicht ablenken will, dürfen den Blick auf diese Erfolge, die in Erfüllung einer beispiellosen Aufgabe erzielt wurden, nicht verstellen.
Meine Damen und Herren, ein besonders dunkles Kapitel, mit dem sich der Untersuchungsausschuß beschäftigen mußte, waren die Vermögensverschiebungen der SED/PDS in der Zeit zwischen der Wende in der DDR und der Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990. Hier ist der Untersuchungsausschuß in seiner Aufklärungsarbeit durch die Obstruktionshaltung der damals und teilweise auch noch heute Verantwortlichen dieser Partei massiv behindert worden. Es war schon ein Lehrstück für die im SED-System typischen konspirativen Verhaltensweisen, das uns die Herren Gysi, Bisky und Brie, die ja auch heute noch an prominenter Stelle für die PDS wirken, anläßlich ihrer Zeugenvernehmungen im Ausschuß abgeliefert haben. Die zwischen diesen Zeugen ganz offenkundig abgesprochenen Aussageverweigerungen waren nach Auffassung des Ausschusses unbegründet und erfolgten nach unserer Meinung nur, um die Ausschußarbeit zu torpedieren. Damit haben die Verantwortlichen der PDS auch die Chance versäumt, zu einer lückenlosen Aufklärung der Vermögensverschiebungen der SED/PDS beizutragen. Dies wiederum paßt zu der Taktik, der die PDS in diesem Bereich insgesamt gefolgt ist: nur zugeben, was hieb- und stichfest nachgewiesen ist, das dann auch noch schönreden und den Rest verschleiern. Das ist keinesfalls der schonungslose und bußfertige Umgang mit der eigenen Vergangenheit, den die PDS der Öffentlichkeit sonst so gerne versprechen oder vermitteln will.
Es ist dem Untersuchungsausschuß dennoch gelungen, mit der Unterstützung der UKPV und der Beziehung von Akten ein wenig Licht in das Dickicht der SED/PDS-Schiebereien zu bringen. Ich denke, daß die Feststellungen des Ausschusses zu dieser Thematik, die - mit Ausnahme der PDS - einvernehmlich getroffen werden konnten, eine lesenswerte Lektüre sind. Dies gilt auch und ganz besonders für diejenigen, die uns inzwischen weismachen wollen, die PDS sei nicht mehr die alte Kaderpartei SED.
Die Beweisaufnahme des Ausschusses hat zum Beispiel gezeigt, daß die einzelnen bei den Vermögensverschiebungen der SED/PDS angewandten Methoden von der Führungsspitze dieser Partei abgesegnet, ja teilweise sogar dort erdacht worden waren. Bei einzelnen besonders spektakulären Aktivitäten hat der Untersuchungsausschuß auch eine aktive Rolle von Personen aus der Parteiführung der SED/PDS festgestellt. Ein Beispiel hierfür war der Versuch von Herrn Gysi, nachdem der sogenannte Putnik-Deal in der Öffentlichkeit aufgeflogen war, die im Rahmen dieses Deals nach Moskau verschobenen 107 Millionen DM doch noch für die Partei zu sichern und weiterhin dem Zugriff der UKPV zu entziehen. Gysi selbst ist nach Moskau gereist und hat dort mit der KPdSU Verhandlungen geführt, um diese zu einer Aufrechterhaltung der von der PDS ersonnenen Legende zu bewegen, obwohl er wußte, daß dies alles ein klarer Verstoß gegen das Parteiengesetz der DDR war.
Auch die Rolle von Professor Bisky, der als Mitbegründer von dubiosen Mediengesellschaften in Berlin und Luxemburg fungierte, in die PDS-Gelder in Höhe von mehr als 14 Millionen DM flossen und die praktisch einen verdeckten Parteisender der PDS betreiben sollten, ist ein deutlicher Beleg für die aktive Verstrickung der damals und größtenteils auch heute noch Verantwortlichen der PDS in illegale Machenschaften in dieser Zeit.
Eine konstruktive Zusammenarbeit der PDS mit der UKPV bei der Feststellung des Altvermögens der SED hat ebenfalls nicht stattgefunden. Im Gegenteil, die SED hat versucht, die UKPV ganz bewußt zu täuschen. Aufschlußreich sind hierbei zum Beispiel zwei Schreiben der PDS, für die die Unterschrift von Herrn Gysi vorgesehen war, in denen die Eigentümerstellung der PDS für die Schweizer Firmen Corefina und ORVAG gegenüber den Verwaltungsräten dieser Firmen reklamiert wird. Interessant in diesem Zusammenhang ist aber vor allen Dingen die Begründung der PDS für ihre Eigentümerstellung. Zitat: Die SED habe im Zusammenhang mit ihrer Politik doch lediglich ihren Namen geändert. Dieser Meinung sind viele Menschen in unserem Lande; aber daß es die PDS hier, wo es um die eigenen Vermögensinteressen geht, ausnahmsweise einmal selbst bestätigt, ist durchaus bemerkenswert.
Ich will noch einige Worte auf die Praktiken der SED verwenden,
Gelder mittels Darlehen, Spenden und in anderer
Form an Recht und Gesetz vorbei zu sichern. So geht
Joachim Gres
die UKPV allein in diesem Bereich der von der PDS ausgereichten Darlehen an die ihr nahestehenden Dritten, nämlich ohne Zinsen mit Laufzeit von mehreren Jahrzehnten, von einem Schaden in Höhe von zirka 100 Millionen DM aus. Besonders inakzeptabel und ärgerlich ist nicht nur die Chuzpe, mit der die Verantwortlichen der PDS hier vorgegangen sind, sondern vor allem auch der Umstand, daß diese Gelder für ihren rechtmäßigen Zweck, nämlich dem Aufbau in den neuen Bundesländern zugeführt zu werden, verlorengehen. Dies zeigt, daß die PDS wirklich die allerletzte politische Gruppierung ist, die für sich in Anspruch nehmen könnte, Wahrerin der ostdeutschen Interessen zu sein.
Der Untersuchungsausschuß hat sich auch mit dem Komplex der Leuna/Minol-Privatisierung befaßt, obwohl das Thema von der Opposition erst relativ spät aufgegriffen wurde. Zeugenvernehmungen und die Auswertung der beigezogenen Akten haben dem Ausschuß Gelegenheit gegeben, sich von dieser Privatisierung ein Bild zu machen. Mit der Leuna/ Minol-Privatisierung ist ein wesentlicher Schritt zum Erhalt des Chemiedreiecks von Sachsen-Anhalt geglückt. Die Strategie, Leuna und Minol im Verbund zu privatisieren, ist in vollem Umfang aufgegangen. Die Privatisierung ist positiv durchgeführt. Die Raffinerie Leuna 2000 hat nach Investitionen in Höhe von 4,3 Milliarden DM ihre Arbeit aufgenommen und zeigt die erwarteten positiven Effekte für die Neuansiedlung weiterer Unternehmen und die Schaffung und Erhaltung von Arbeitsplätzen im Chemiedreieck.
Das damals für die Privatisierung von Leuna/Minol zuständige Vorstandsmitglied der Treuhandanstalt, der heutige sachsen-anhaltinische Wirtschaftsminister Schucht von der SPD, hat die Privatisierung damals maßgeblich bestimmt und hat sich dabei, wie er selber sagt, auf den politischen Rückhalt des Bundeskanzlers stützen können, der den Menschen im Chemiedreieck zugesichert hatte, daß er sich für den Erhalt der Arbeitsplätze einsetzen werde.
Reale und belastbare Hinweise auf Unregelmäßigkeiten, über die in der Presse spekuliert wurde und die die SPD aufzugreifen versucht hat, konnten vom Ausschuß nicht festgestellt werden. Dank der erfolgreichen Arbeit der Treuhandanstalt und des Engagements der Bundesregierung für das Chemiedreieck ist es vielmehr gelungen, mit der neuen Raffinerie Leuna die Ansiedlungen weiterer Chemiebetriebe zu bewirken.
Zusammenfassend stelle ich fest, daß der Untersuchungsausschuß seinen Auftrag erfüllt hat. Die von manchen erhofften Sensationen hat er erwartungsgemäß nicht zutage gefördert. Weitere Befassungen mit den Themen des Untersuchungsausschusses sollten den zuständigen Behörden überlassen bleiben, soweit dies noch erforderlich ist.
Meine Damen und Herren, am Ende der Tätigkeit eines Untersuchungsausschusses ist es üblich, den Kollegen im Untersuchungsausschuß für die doch über weite Strecken konstruktive und gute Zusammenarbeit zu danken. Ich schließe insbesondere den Vorsitzenden des Untersuchungsausschusses ein. Herr Neumann, Sie haben Ihre Arbeit mit Bravour und einer gewissen Grandezza gemeistert. Wir haben immerhin drei Jahre in einem Ausschuß gesessen, haben drei Jahre unseres Lebens die Donnerstage für diesen Bericht geopfert. Ich glaube, wir haben alles insgesamt sehr gut hinbekommen.
Ich danke gleichzeitig dem Sekretariat, den Mitarbeitern der Fraktionen, den Mitarbeitern meiner eigenen Fraktion ganz besonders.
Ich danke insbesondere aber auch der Bundesregierung und allen Mitarbeitern, die uns bei der Aufklärung und Erfüllung unserer Arbeit rückhaltlos geholfen haben. Danke für Ihr Interesse.
Ich will hinzufügen, daß dies vielleicht meine letzte Rede im Bundestag gewesen ist. Insgesamt war es eine sehr schöne Zeit. Daß ich insgesamt an zwei Untersuchungsausschüssen habe teilnehmen dürfen, in dieser und in der letzten Legislaturperiode, war sozusagen das Salz in der Suppe.
Herzlichen Dank.
Das Haus hat Anlaß, auch Ihnen, Herr Kollege Gres, sehr herzlich zu danken. Wir haben persönlich nie eng zusammengearbeitet, was ich im nachhinein bedaure. Ich glaube, viele hier im Hause werden Sie vermissen.
Das Wort hat die Kollegin Antje Hermenau, Bündnis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach so viel Harmonie traut man sich fast gar nicht mehr, noch irgend etwas Kritisches zu sagen. Es tut mir leid, Herr Gres, ich teile Ihren Blickwinkel nicht, ich habe ganz andere Beobachtungen gemacht als Sie. Ich hoffe, das Publikum versteht das.
Wenn Sie, Herr Gres, hier feststellen, Sie hätten in dem Ausschuß vor allen Dingen gesehen, was für eine große historische Verwerfung die 40 Jahre DDR bedeuten, muß ich Ihnen sagen: Ich habe bei der Arbeit im Ausschuß vor allen Dingen erkannt, welche großen, vor allem ökonomischen Verwerfungen in den letzten neun Jahren entstanden sind. Ich will dies auch begründen.
Sehen Sie, die Treuhandidee bestand einmal darin, zu sagen: Wir wollen das gesamte Volksvermögen aufteilen. - Herausgekommen als Treuhandrealität ist dann allerdings, daß das Betriebsvermögen aufgeteilt wurde, und zwar zu 6 Prozent an Ossis und zu 85 Prozent an Westdeutsche. Da sind wir bei der neuen Verwerfung der Vermögenslage bzw. bei der Vermö-
Antje Hermenau
gensschieflage in den fünf neuen Ländern. Ich rede nicht nur von Betriebsvermögen, sondern ich rede auch von privatem Vermögen.
Die Regierung hat verschlafen, das Problem der Vermögensbildung, das ich, was die Entwicklung der fünf neuen Länder betrifft, heute für ein Kernproblem halte, zu lösen. Sie von der Koalitionsseite haben hier immer gegen die Enteignungen in der ehemaligen DDR polemisiert. Sie haben gesagt, Rückgabe muß vor Entschädigung gehen. Im Prinzip sind das die falschen politischen Vorgaben für die Treuhandanstalt respektive für die BvS gewesen. Sie haben damit ein Korsett erzeugt, das dazu geführt hat, daß diese Anstalten gar nicht richtig arbeiten konnten, unabhängig vielleicht von den Schlampigkeiten einzelner Angestellter.
Wenn Sie sich jetzt im Jahre 9 nach der Wende trauen, im Bundeskabinett ein Programm zur Eigenkapitalhilfe aufzulegen, nachdem Sie neun Jahre lang verschlafen haben, dafür zu sorgen, daß eine vernünftige Vermögensbildung und Eigenkapitalbasis für die ostdeutschen Unternehmen geschaffen wird, dann frage ich mich: Warum haben Sie nicht früher auf Frau Breuel, von der Sie auch als Koalition sehr viel halten, gehört? Sie hat nämlich bereits 1994 gesagt - ich zitiere -:
Ich habe tatsächlich nie verstanden, warum es in den letzten Jahren keine Vermögensbildungsprogramme speziell für den Osten gegeben hat. Meiner Meinung nach ist die Vermögensbildung eines der wichtigsten wirtschaftspolitischen Themen überhaupt.
Ich bin mit Frau Breuel selten einer Meinung; aber in
diesem Punkt hat sie vollkommen recht: Sie haben das politisch verschlafen.
Ich möchte das einmal an einem Beispiel festmachen. Frau Breuel hat von einem Fall erzählt, in dem man versucht hat, eine Abfallentsorgungsanlage in Zeitz, einer Region, die strukturell sehr benachteiligt ist, zu installieren. Man hat sich viel Mühe gegeben, ein Konzept dafür zu entwerfen - es ging um Kunststoffrecycling - und das über den Grünen Punkt abzuwickeln. Nun stellt sich heraus, daß dieses Projekt an die BASF vergeben wird. Wo hat sie diese Bude gebaut? In Ludwigshafen. Wer hat da seinen Wahlkreis? Unser Bundeskanzler. - Das ist die Realität.
Sie haben Leuna als positives Beispiel erwähnt. Auch da ist mein Blickwinkel ein anderer, Herr Gres. Wenn ich an Leuna denke, wird mir ganz anders. Ich hätte mir gewünscht, wir würden dort viele einzelne Pilotprojekte machen und einen innovativen ökologischen Bereich schaffen. Statt dessen haben Sie jetzt Elf Aquitaine am Hacken.
Schauen wir uns in der nächsten Legislaturperiode einmal an, wie es ausgeht. Wir werden sehen, wer von dem Bestechungsskandal betroffen sein wird. Ich schaue mir das dann gerne an. Am liebsten
würde ich es selber mit untersuchen. Wir werden sehen, wer bei Elf Aquitaine alles mit angefaßt wurde und in wessen Taschen was gelangt ist. Ich halte das für einen Untersuchungsgegenstand. Da sind Sie von der Koalition stark betroffen.
Die BvS stellt in ihrem Bericht, den sie uns im Februar dieses Jahres zugeleitet hat, ihre eigene Unfähigkeit unter Beweis, indem Sie zum Beispiel auf Seite 8 ausführt, daß sie zu durch Gesamtvollstrekkungen und Konkurse eingetretenen Verlusten an öffentlichen Fördermitteln und Arbeitsplätzen keinerlei Angaben machen könne. Angesichts dessen frage ich mich, was diese Truppe in den letzten vier Jahren eigentlich getrieben hat, wenn in jedem Vertrag festgelegt war, welche Arbeitsplatzquote ein Privatiseur zu erfüllen hat, und sie nicht einmal eine Statistik dazu führen können.
Ich denke, daß die Regierung ganz drastisch sowohl ihre Fach- als auch ihre Dienstaufsicht verschlafen hat. Wissen Sie, woran das liegt? Ich habe das für mich einmal so zusammengefaßt: Das ist, wie ich finde, am Bremer-Vulkan-Skandal am deutlichsten geworden. Da haben sich nämlich viele kleine Versäumnisse und Skandälchen aneinandergekettet. Deswegen wirkte es auch nicht - plauz! - wie ein großer Skandal, sondern es wurde ein zähflüssiger Brei, bei dem keiner so richtig wußte, wo man den Haken ansetzen sollte, um das Ganze hochzuheben.
Was waren die kleinen Perlen, die auf der Kette aufgefädelt worden sind? Die Regierung hat immer von nichts gewußt und wollte erst recht nichts zugeben. Wenn Sie sagen, wir hätten große Unterstützung von der Regierung bekommen, kann ich nur sagen: Die Beamten hockten auf den Akten wie die Hennen auf den Eiern.
Akten, die bei uns im Ausschuß vertraulich behandelt worden sind, für die ich einen neuen Safe in mein Büro einbauen lassen mußte, um sie zu verstekken, waren im Bremer Untersuchungsausschuß und im Untersuchungsausschuß in Mecklenburg-Vorpommern öffentlich. Da wurde das anders geregelt. Hier wurde wirklich jede kleine Anwesenheitsliste unter Verschluß gehalten. Das halte ich schon für einen ziemlich merkwürdigen Vorgang.
Das nächste ist: Es gab einen Investor, dem man offensichtlich alles glauben wollte und der natürlich die Gelegenheit nutzte. Er konnte einfach nicht widerstehen; das war so klasse. Es gab eine Regierung, die ihrer Kontrollpflicht - das wird ja immer gesagt - nur sehr mangelhaft nachkam. Ich finde, daß sie ihr gar nicht nachgekommen ist. Es war eine so passive Haltung, daß ich sie nur darauf zurückführen kann:
Antje Hermenau
Der Aufbau Ost wurde der Bundesregierung immer lästiger.
Es war eine mühsame Angelegenheit, sie hat sich zeitlich immer mehr gestreckt. Es flutschte nicht so, wie man sich das gedacht hatte, und man mußte immer mehr Arbeit hineinstecken. Da verloren die Leute die Lust.
Ich mache es nur einmal am Bremer Vulkan fest. Da gab es einen Referatsleiter, der vor Weihnachten, als der Konkurs gerade bekannt wurde, leider nicht hinterlassen hatte, wo man ihn erreichen konnte. Er war aber schon seit Jahren damit betraut und dafür zuständig, den BVV, den Vulkan, im Auge zu behalten. Er wußte, daß ein Konkurs drohte, fuhr aber dennoch in den Weihnachtsurlaub. Das Fax darüber, daß der Konkurs eingetreten war, erreichte sein Referat am 22. Dezember. Der gute Mann fand es am 4. Januar vor.
So stark hat sich das Wirtschaftsministerium um das gekümmert, was beim Bremer Vulkan eigentlich läuft. Das Wichtige an der Sache ist: Das Wirtschaftsministerium saß selber mit in den gesamten Beratungsgremien, die seit drei Monaten nichts anderes diskutierten als den drohenden Konkurs des Bremer Vulkans.
Soviel vielleicht zur Arbeitsweise der Regierung und ihrer Verletzung der Dienst- und Rechtsaufsicht, wie ich es wahrgenommen habe. - Sie müssen das schon aushalten, Herr Gres, daß ich Ihre Meinung nicht teile. Ich habe Sie in den meisten Teilen der Arbeit des Untersuchungsausschusses auch als konstruktiv empfinden können, aber heute abend war das nicht der Fall.
Schönen Dank.
Das Wort hat der Kollege Dr. Klaus Röhl, F.D.P.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Schon im Juni 1995, als die Fraktion der SPD die Einsetzung des Untersuchungsausschusses beantragte und auch ich wegen des öffentlichen Interesses meine Zustimmung gab, habe ich meine Zweifel bezüglich des Nutzens und der Effektivität der zu leistenden Ausschußarbeit nicht verhehlt. Diese Zweifel gründeten sich im wesentlichen auf die Annahme, daß der Ausschuß Sachverhalte mit zum Teil unsicherer Genese aufzuarbeiten hatte, deren Wahrheitsgehalt nicht mehr sicher feststellbar zu sein schien. Wenn ich dann noch bemerkte, aus der Arbeit würde möglicherweise ein Stück zeitgeschichtliche Aufarbeitung resultieren, so muß ich heute feststellen, daß ich besonders mit meiner letzten Prognose recht behalten habe.
Gerade die zeitgeschichtlichen Aspekte der Ergebnisse des Untersuchungsausschusses zum Thema „Veruntreuung von DDR-Vermögen" sind ein bedeutender Beitrag zur Aufarbeitung der DDR-Geschichte. Sie zeigen mit ihren nicht nur aufschlußreichen, sondern auch brisanten Ergebnissen die zweite Seite des Verhaltens von Vertretern der SED-Diktatur. Man muß es miterlebt haben - man kann es aber auch im Bericht nachlesen -, das bei einem Teil unfaßbar arrogante und bei einem anderen Teil wiederum widerlich erbärmliche Auftreten von hochchargierten Vertretern des ehemaligen MfS, Mitgliedern der vergangenen DDR-Regierung und der ehemaligen SED, der nunmehrigen PDS.
Es zeugte von völligem Unverständnis für rechtsstaatliche Verhältnisse und Verhaltensweisen, aber auch von deren völliger Ablehnung. Die Grenzen zwischen moralischem und unmoralischem, rechtsstaatlichem und kriminellem Verhalten wurden teils überhaupt nicht erkannt, teils bewußt und absichtlich überschritten - bis hin zu skrupellosem Handeln.
Unter diesen Aspekten betrachtet sind die Ergebnisse des Untersuchungsauschusses „Veruntreutes DDR-Vermögen" die zweite Säule zu unserem gestrigen Thema „Überwindung der Folgen der SED-Diktatur". Doch nicht nur Angehörige der ehemaligen SED, des MfS oder der verflossenen DDR-Regierung haben sich am Ausplündern des von diesen Exponenten so hochgeheiligten Volkseigentums und am Währungsumstellungsbetrug beteiligt. Auch Raubritter unterschiedlicher Couleur aus der alten Bundesrepublik, aus Österreich und aus anderen Staaten haben sich beteiligt.
Nur zwei herausragende Beispiele in Stichworten: Michael Rottmann, Chematec-Wärmeanlagenbau Berlin; Lomer und Co. Schweiz, Außenhandelsbetrieb BIEG, Konsortialdarlehen Dresden.
Im Zuge der Beweisaufnahme wurde sehr deutlich, daß beachtliche Teile des Vermögens der ehemaligen DDR durch Machenschaften mit zum Teil erheblicher krimineller Energie abgezweigt wurden. Es ist jedoch auch evident, daß der Untersuchungsausschuß trotz der durchaus positiven Intention und hohen Aktivität der meisten Ausschußmitglieder kaum dazu beitragen konnte, verschwundene Teile des ehemaligen DDR-Vermögens aufzudecken und zurückzuführen, die nicht schon in hohen Summen von den Bundesbehörden, Staatsanwaltschaften festgestellt und gesichert worden waren.
Zu diesem Ergebnis kam es maßgeblich auch deshalb, weil die überwiegende Zahl der Zeugen bei ihrer Aussage entweder ihre Hände in Unschuld wuschen oder einfach ihre Aussage verweigerten und damit die Aufklärungsarbeit eklatant behinderten, obwohl ihnen der Ausschuß ein solches Recht aus guten Gründen ausdrücklich nicht eingeräumt hatte.
Es ist schon eine Ungeheuerlichkeit, aber auch charakteristisch, was sich die Damen und Herren von der PDS da geleistet haben. Sie zeigten durch abgestimmtes Zusammenwirken, daß sie von rechtsstaatlichen Institutionen nichts halten. Dem aufmerksamen Beobachter konnte nicht entgehen, wie rechtsstaats-
Dr. Klaus Röhl
feindlich diese Partei noch ist und wie wenig sie sich von der Diktaturpartei SED entfernt hat.
An dieser Stelle ist deutlich geworden, wie tief die PDS im Sumpf der Verschiebung von SED-Geldern sitzt und wie weit sie in diese dunklen Machenschaften verstrickt ist. Ich brauche an dieser Stelle nur an das SED-Unternehmen Novum zu erinnern, bei dem die beteiligten Personen alle nur erdenklichen Anstrengungen unternommen haben, um einen Zusammenhang mit der SED/PDS zu verschleiern. Das hehre Volkseigentum der DDR wurde zum Eigentum der SED, dann „treuhänderisch" - welch ein Hohn - zum Eigentum der Firma Novum, die nun angeblich Eigentum der KPÖ ist und damit in der Verfügungsgewalt einer Frau Rudolfine Steindling liegt. Es ist schon unglaublich.
So verdichtete sich für den Ausschuß, daß die SED/ PDS Geschäfte fingiert hat - ich erwähne hier nur als ein Beispiel von vielen den Putnik-Deal -, um sich entgegen den Regelungen des Parteiengesetzes der DDR Geld zu sichern.
Es bleibt nur der Schluß: Die SED, die fließend, glatt in die PDS übergegangen ist, hat sich hemmungslos am Volksvermögen bereichert. Auch die Verantwortlichen aus dem Bereich KoKo, dem MfS, der HVA, die alle eng mit der SED verbunden waren, haben die Phase seit Herbst 1989 bis zur Wiedervereinigung in ihrem Sinne genutzt und - vermutlich hohe - Summen verschoben und in die eigene Tasche gewirtschaftet.
Ich erinnere an die „Bankfachgeschichte" von Frau Sigrid Schalck-Golodkowski, bei der auch leitende Mitarbeiter der im Bericht aufgeführten Scheurmann Bank eine sehr unklare Rolle gespielt haben. Man beachte die merkwürdigen Wiedergutmachungszahlungen, die sonderbaren Darlehnsausreichungen, die eigenartigen Stiftungen und Anstalten.
Auf Grund der Komplexität der Aktivitäten und der Verwobenheit der Fälle wäre es meiner Meinung nach klüger gewesen, die konsequente, akribische und professionelle Ermittlungsarbeit den speziellen Ermittlungsbehörden wie den Staatsanwaltschaften, der ZERV und den anderen zuständigen Behörden zu überlassen und diese zu unterstützen. Es wäre dazu bitter notwendig gewesen, daß alle Bundesländer ihrer Verpflichtung zum Entsenden von Strafverfolgungspersonal sowohl im Hinblick auf die Qualifikation als auch auf die Anzahl nachgekommen wären. Ihre Pflicht nicht erfüllt haben die kleinen Länder Bremen und Schleswig-Holstein. Aber sehr schlimm ist das Nichterfüllen durch die großen Länder Bayern, Nordrhein-Westfalen und - von der Zahl her - ganz besonders Niedersachsen.
Leider haben auch von der Opposition initiierte überzogene Anforderungen von vermeintlichen Ermittlungsmaterial zum zusätzlichen Binden von Ermittlungspotential bei den zuständigen Behörden geführt. Durch diese Überaktivität wurde auch die Arbeit der BvS in hohem Maße gestört.
Um so befriedigender ist die Tatsache, daß die THA/BvS in dem weit überwiegenden Teil der Fälle gute Arbeit geleistet hat, an der die Opposition gerne viel mehr Angriffsflächen gefunden hätte; jede Kritik sollte sich an dem Hintergrund der Probleme der damaligen sehr schweren Zeit orientieren. Wir können heute mit einer gewissen Genugtuung als Ergebnis festhalten, daß die Privatisierung von über 15 000 Unternehmen und Unternehmensteilen eine Erfolgsgeschichte der Wiedervereinigung geworden ist, obwohl - auch das will ich an dieser Stelle nicht verschweigen - teils erhebliche Mißbrauchsfälle aufgetreten sind, die nicht hätten passieren dürfen. Das trübt jedoch bei der großen Anzahl der erfolgreichen Privatisierungen das Gesamtbild nur sehr wenig.
Auf ein besonders gravierendes Thema möchte ich noch eingehen: den Privatisierungsfall Bremer Vulkan. Die Opposition versucht an dieser Stelle immer wieder - das haben wir eben erlebt -, durch verfälschende Bewertungen in den Köpfen der Menschen ein falsches Bild zu zeichnen, das mit der Wirklichkeit nichts zu tun hat. Es muß klar unterschieden und auch bezeichnet werden, wer Täter und wer Opfer war, wer Veruntreuer und Geschädigter war.
Dr. Christine Lucyga [SPD]: Waigel war
Opfer!)
Bei der Privatisierung der Ostwerften konnte die THA annehmen - insbesondere wegen des von der Bremer Vulkan Verbund AG und den Wirtschaftsprüfern vermittelten Eindrucks -, daß sowohl Bonität als auch Seriösität gegeben seien. Insbesondere auf Grund der positiven Gutachten einer renommierten Wirtschaftsprüfungsgesellschaft bestand auch in der Folge für die THA/BvS kein Anlaß zu Mißtrauen.
Daß man vorsätzlich hinters Licht geführt wird, wie es hier nachweislich durch den Vorstand des Bremer Vulkan Verbund - nachdem dieser Kenntnis von Liquiditätslücken und der Gefährdung der Rückzahlung von Geldern aus dem Cash-Management hatte - geschehen ist, dagegen ist kein Kraut gewachsen. Dies ist ein ungeheuerlicher Vorgang, bei dem wir Opfer und Täter nicht verwechseln lassen. Die Schuldigen müssen eindeutig benannt werden und sind vermutlich unter den Verantwortlichen des Bremer Vulkan Verbund zu finden; insbesondere nenne ich hier den ehemaligen Vorstandsvorsitzenden.
Der Versuch der SPD, zum Schluß der Ausschußarbeit bei anderen Privatisierungsfällen eventuelle Mißstände und Versäumnisse der Bundesbehörden aufzudecken, scheiterte. Man konnte auch hieran erkennen, daß es der SPD oftmals eigentlich mehr darum ging, politisches Kapital aus dem verfassungsrechtlichen Instrument des Untersuchungsausschusses zu schlagen, und erst danach um das Auffinden und Wiederbeschaffen von veruntreutem Vermögen. Insgesamt aber kann festgestellt werden, daß der Untersuchungsausschuß gute Arbeit geleistet hat.
Herr Präsident, erlauben Sie mir noch ein paar Worte in eigener, in persönlicher Sache. Auch ich
Dr. Klaus Röhl
scheide mit Ablauf dieser Wahlperiode aus eigenem Entschluß aus dem Deutschen Bundestag aus.
- Bewahren Sie doch einmal ein bißchen Stil!
Ich möchte an dieser Stelle die Gelegenheit nutzen, mich bei allen Kollegen, die mich in den letzten acht Jahren begleitet haben, für die gute Zusammenarbeit zu bedanken.
Ich muß sagen - und ich kann nicht anders -: Die Zeit vom Herbst 1989 an, vom 9. November 1989, über das Jahr 1990 mit dem Wiedergewinnen der Einheit und die Jahre im gemeinsamen Deutschen Bundestag waren, abgesehen von ganz persönlichen privaten Ereignissen und Zeiten, die glücklichsten Jahre, die ich erlebt habe.
Noch im Frühjahr 1989 haben wir im engen Familienkreis, beim Besuch von Verwandten, damals gemeinsam in Warnemünde, nur über die bescheidene Hoffnung gesprochen, uns als Rentner im „Westen" zu treffen. Mit dem heutigen Tage leben wir schon neun Jahre im einheitlichen und freien Deutschland. Ich frage Sie: Gibt es etwas Glücklicheres?
Das Glas ist nicht halb voll. Das Glas ist auch nicht halb leer. Es ist wahrhaftig zu 80 bis 85 Prozent voll, und wir streiten, wie wir es zu 90 bis 95 Prozent voll bekommen können. Das ist unser Streit.
Ich möchte schließen und mich verabschieden mit den Worten aus dem Faust: „Nur der verdient sich Freiheit und das Leben, der täglich sie erringen muß."
Herzlichen Dank für alles.
Lieber Herr Kollege Dr. Röhl, ich nutze die Gelegenheit, um auch Ihnen sehr herzlich für Ihre immer sehr zuverlässige und sehr sachliche Mitarbeit in diesem Hause zu danken. Ich wünsche Ihnen für die Zukunft alles Gute. Wir danken Ihnen auch für Ihre Abschlußworte.
Das Wort hat jetzt der Kollege Wolfgang Bierstedt, PDS.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit der heutigen Debatte über den Abschlußbericht des 2. Untersuchungsausschusses stellt sich natürlich die Frage, ob der Ausschuß die gestellte Aufgabe im vorgegebenen Sinne erfüllt hat. Darüber hinaus stellt sich auch die Frage, ob die formulierte Aufgabenstellung - zurückblickend - dem gebotenen politischen Auftrag des Deutschen Bundestages entsprach oder ob nicht die eine oder andere Erweiterung oder Ergänzung des Untersuchungsauftrages, die in der damaligen Einsetzungsdebatte zur Sprache kam, hätte berücksichtigt werden müssen.
Die Mehrheitsmeinung stellt sich wie folgt dar: Untersuchungsauftrag im wesentlichen erfüllt. Ich möchte dieser Gesamteinschätzung widersprechen, nicht ohne zu würdigen, daß insgesamt eine mehr als umfangreiche Arbeit geleistet wurde. Zeitlich war einfach nicht mehr drin. Aber genau da liegt das Problem. Der Komplex „Bremer Vulkan" hätte wegen seines Umfangs, seiner politischen Bedeutung und wegen des eigentlich unbefriedigenden Ergebnisses eines eigenen Ausschusses bedurft.
Dann die Schwerpunktsetzung im Ausschuß selbst: Zweifelsfrei galt es, den Arbeitsergebnissen der Ausschüsse in der 12. Wahlperiode folgend, noch offene Fragen zu klären. Der vorliegende Abschlußbericht vermittelt auch Erkenntnisse zu einer Fülle komplexer Themen mit vielen Details hinsichtlich der noch zu klärenden Fragen der Strukturen des KoKo- und des MfS-Bereichs. Aber er gibt kein abgerundetes Bild zu den Veruntreuungen von DDR-Vermögen. Zweifelsfrei ist beispielsweise der Verkauf eines Ferienbungalows zu einem Preis von 4270 DDRMark unter dubiosen Umständen unter dem Gesichtspunkt der rechtlichen Bewertung zu prüfen. Aber diesen Sachverhalt und ähnlich gelagerte Fälle zu einem Schwerpunkt in der Ausschußtätigkeit zu erklären halte ich im nachhinein für nicht den gegebenen gesellschaftlichen Interessenlagen geschuldet.
Wie der Ausschuß leider nur ansatzweise feststellen konnte, haben im Zusammenhang mit Treuhand-und BvS-Privatisierungen - mit oder ohne Beteiligung von Treuhand- oder BvS-Mitarbeitern - erhebliche Vermögensveruntreuungen stattgefunden. Nicht nur, daß es hierbei um erheblich größere Summen als die oben genannte Beispielssumme ging, aus diesen Untreuehandlungen, an denen im übrigen alte und neue Seilschaften beteiligt waren, ergaben sich erhebliche gesamtgesellschaftliche Probleme. Ich meine die direkt oder indirekt dadurch verursachte hohe Arbeitslosigkeit.
Da hilft auch nicht die Beteuerung der Vertreter der Regierungskoalition, daß es sich, bezogen auf die große Masse der Privatisierungsfälle, um Einzelfälle handelt. Erstens ist dies schlichtweg unwahr, und zweitens sind es eben auch die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, die derartigen kriminellen Energien Auslauf bieten. Für diese Rahmenbedingungen tragen nun einmal Sie von der Regierungskoalition die volle Verantwortung. Darüber hinaus finde ich es einfach eine Frechheit und Unverschämtheit, wenn Sie formulieren, „daß die Geschichte der Privatisierung der Unternehmen der ehemaligen DDR insgesamt eine Erfolgsgeschichte geworden ist".
Ich gebe Ihnen sogar recht, daß es eine Erfolgsgeschichte ist, allerdings nicht für die Menschen, die in
Wolfgang Bierstedt
langen Schlangen vor ostdeutschen Arbeitsämtern stehen oder in schlecht bezahlten, unsicheren Arbeitsverhältnissen leben. Es ist die Erfolgsgeschichte der Leute in den Aufsichtsräten, in den Chefetagen, in den Banken und in den mit lukrativen Liquidationsaufgaben betrauten Anwaltskanzleien. Und es ist die Erfolgsgeschichte der großen Unternehmen, denen nicht nur lästige Konkurrenz abhanden kam, sondern die darüber hinaus noch Steuermilliarden als Investitionsbeihilfen für Verlustübernahmen, Entschuldungen und Freistellungen von zweifelsfrei vorhandenen ökologischen Lasten erhielten.
Das könnte man insgesamt noch gutheißen, aber die daraus entstandenen Arbeitsplätze sind einfach nicht ausreichend, von den Ausbildungsplätzen ganz zu schweigen.
Kritikwürdig ist allemal, daß sich bei den sogenannten Großinvestoren nicht nur eine Bedienungsmentalität entwickelt hat, sie haben sich dabei auch noch auf legale oder illegale Weise zu Lasten der Allgemeinheit bereichert. Hier hätte der eigentliche Schwerpunkt des Untersuchungsausschusses liegen müssen.
Darüber hinaus hätten wir Zeit gebraucht, um den Komplex der Privatisierung der ehemaligen DDR-Banken und der DDR-Versicherungen tiefgründiger zu überprüfen. Die Blockade der Aufnahme dieses Komplexes gerade seitens der Vertreter der Regierungskoalition hat - wie erste Prüfungsergebnisse durch den Bundesrechnungshof bereits im Ansatz zeigten - schon seinen Grund gehabt. Es mag irgendwo irgendeine zweifelhafte gesetzliche Grundlage geben, mit denen die Milliardengewinne der großen westdeutschen Banken und Versicherungen bei der Übernahme der DDR-Einrichtungen zu rechtfertigen sind, moralisch zu rechtfertigen ist dies allemal nicht. Oder die Honorare für die Liquidatoren der ostdeutschen Betriebe: Nur der Einspruch des Bundesrechnungshofs hat noch Übleres verhindert, obwohl das Ergebnis nach wie vor nicht befriedigend ist. Rechtfertigen Sie vor den Betroffenen einmal eine Honorarobergrenze von 3 Millionen DM und maximal 20 Verfahren pro Liquidator ohne ausreichende Vorgaben der fachlichen und moralischen Befähigung!
Apropos Moral: Gerade diese Flagge halten Sie so gern hoch - und noch höher, wenn es um das Vermögen der SED geht. Das Finanzgebaren der SED sehe ich vielleicht noch viel kritischer als Sie, weil auch damit eine für mich immer noch große Idee diskreditiert wurde.
Daß die PDS in ihrer Anfangszeit auf diesem sensiblen Gebiet eine Reihe von Fehlern zugelassen hat, ist auch unstreitig.
Aber daß Sie diese nun mehrfach auch von Gerichten
bewerteten Fälle immer wieder im Wahlkampf als
Keule schwingen, ist auch ein Zeichen für die politische Voreingenommenheit, mit der der Ausschuß ins parlamentarische Leben geschickt wurde. Ich zitiere auch nicht permanent Ihre jetzige Kollegin Frau Lengsfeld, meine Herren von der CDU, die noch am 28. September 1995 die Überprüfung des Finanzgebarens der ehemaligen DDR-CDU gefordert hat - die im übrigen nie stattgefunden hat.
Ein Beweis für die politische Voreingenommenheit ist auch die im Bericht erwähnte Auslobungsaktion „Verschwundene DDR-Milliarden gesucht". Sie diente allein dem Zweck, die PDS politisch zu diskreditieren. Wenn schon Auslobungsaktion, dann eine in der Art, mit der Betriebsräte in Verbindung mit Gewerkschaften auf beabsichtigte oder vollzogene Aushöhlung ihrer Betriebe hätten aufmerksam machen können. Das hätte Sinn gehabt.
Als Beispiel will ich Ihnen nur den außerordentlich engagierten Betriebsrat der Wärmeanlagenbau Berlin GmbH vorhalten. Ohne seinen Einsatz für die von skrupellosen Geschäftemachern betrogenen Kollegen gäbe es heute keinen Prozeß. Hätten sie früher Gehör gefunden, hätten einige nicht in der entscheidenden Institution „gepennt", hätten die Kollegen vielleicht noch ihren Arbeitsplatz.
Abschließend möchte ich aus unserem Resümee zitieren:
Der reale Umfang des Verschleuderns von DDRVermögen zu Lasten der Menschen im Osten, aber auch im Westen ist noch nicht erfaßt.
Wir empfehlen dem neu zu wählenden Bundestag, einen Ausschuß mit einer gezielten Aufgabenstellung zur Aufdeckung der Veruntreuung von DDR-Vermögen durch die Privatisierungspolitik von Treuhandanstalt und BvS und der jetzigen - das heißt, der dann ehemaligen - Bundesregierung zu etablieren.
Besten Dank.
Als nächsten Redner rufe ich den Kollegen Friedhelm Julius Beucher auf.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist bedauerlich und auch der Sache nicht angemessen, daß wir uns zu dieser mitternächtlichen Stunde mit einem so wichtigen Kapitel deutsch-deutscher Geschichte beschäftigen müssen.
Dabei hätte der Deutsche Bundestag heute die Chance gehabt, der Öffentlichkeit deutlich zu machen, daß das Parlament seine Aufgaben - insbesondere seine Kontrollfunktion - über den Tellerrand des tagespolitischen Geschehens hinaus wahrnimmt. Wir hätten die Chance gehabt, in großer Einigkeit ein Dokument vorzulegen, das beweist, daß wir die Aufarbeitung der jüngsten deutschen Geschichte
Friedhelm Julius Beucher
ernst nehmen und daß wir uns dabei auch vor unangenehmen Wahrheiten nicht drücken. Diese Chance ist vertan.
Der 2. Untersuchungsausschuß „DDR-Vermögen", der eigentlich richtig heißen müßte „Veruntreutes DDR-Vermögen", gibt heute einen Bericht ab, hinter dem die SPD zum weit überwiegenden Teil steht. Er ist das Ergebnis einer über Jahre dauernden mühevollen Arbeit. An dieser Stelle ist es deshalb mehr als angebracht, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Sekretariats für das über das normale Maß hinausgehende Arbeiten zu danken.
Ich danke auch dem Vorsitzenden für seine faire und ausgleichende Ausschußführung. Mein - allerdings eingeschränkter - Dank gilt auch den Vertretern der Bundesregierung im Ausschuß, die sich in weiten Teilen redlich bemüht haben, ihren Job zu machen, allerdings auch dort verzögerten, wo es politisch gefordert war.
Damit bin ich beim ärgerlichen Teil dieses Ausschusses: Wir haben unseren Auftrag einfach nicht vollständig erledigt, obwohl das möglich gewesen wäre. Doch Bundesregierung und die Mitglieder der Koalition im Ausschuß haben blockiert, gemauert, verzögert, verschleppt - kurz: Sie haben sich viele Tricks und Finten gegen die Aufklärung einfallen lassen. So war es beim Bremer Vulkan, beim Konsortialdarlehen Dresden, beim Wärmeanlagenbau Berlin und bei vielen anderen skandalösen Fällen. Zu oft waren Sie Erfüllungsgehilfe der Bundesregierung - die Funktion eines Untersuchungsausschusses haben Sie dabei nicht verstanden. Aufgabe ist es doch, die Regierung zu kontrollieren, nicht aber, der Regierung nach dem Mund zu reden.
Deswegen halte ich im übrigen auch das Herunterrechnen des Schadens - ohnehin eine unseriöse Diskussion - für lächerlich: Sie selbst haben noch in der vergangenen Legislaturperiode darauf hingewiesen, daß die Schäden allein bis 1992 bei Treuhand und Transferrubel schon 6 Milliarden DM betragen haben.
Jetzt will ich auch noch auf den Fall Leuna/Minol eingehen. Die Freude über die geschaffenen Arbeitsplätze darf den Blick für die Fehler bei dieser Privatisierung nicht vernebeln. Hier geht es um die Erschleichung von öffentlichen Fördermitteln und Subventionsbetrug. Hier geht es um seltsame Vorgänge bei der Auswahl des Käufers und um Einschaltung dubioser Vermittler bei den Verhandlungen. Und es geht auch noch um mehr, nämlich um den Grund für Ihr beispielloses Verhalten am Ende dieses Ausschusses.
Aus französischen Medien wissen wir, es gebe Hinweise auf Schmiergeldzahlungen in Millionenhöhe an die CDU. Und es sind ja nicht gerade Revolverblätter, die das geschrieben haben. „Le Monde" gehört doch sicherlich nicht zur „linken Kampfpresse". Ich will bei solch ungeheuerlichen Vorwürfen einfach nicht zur Tagesordnung übergehen, ich will aufklären. Das aber wollen Sie nicht. Also haben Sie, als die CDU in den Mittelpunkt der Leuna-Affäre
kam, mit Hilfe der Bundesregierung Zeugenvernehmungen verschleppt, Beweisanträge vertagt, Untersuchungen verzögert. Deshalb frage ich Sie ganz konkret: Warum haben Sie verhindert, daß in dieser noch lange nicht aufgeklärten Geschichte weiter untersucht wird? Nennen Sie mir doch einen vernünftigen Grund, der Sie dazu bewogen hat, uns die Akten unzugänglich zu machen!
Was hätte Ihnen denn passieren können? Sie hätten sich an der Recherche ja nicht einmal beteiligen müssen. Wir hätten das schon für Sie gemacht. Ich kann das nur verstehen, wenn etwas an den Vorwürfen dran ist. Ich kann das aber nicht verstehen, wenn, wie Sie behaupten, an den Vorwürfen nichts dran ist. In Ihrem eigenen Interesse hätten Sie sich doch darum bemühen müssen, daß diese Geschichte aufgeklärt wird. Aber das Gegenteil geschieht: Sie retten sich über die Zeit und schließen die Aktendekkel vorzeitig. Meine Damen und Herren von der CDU, Sie machen sich damit einfach nur verdächtig. Deshalb frage ich Sie: Wie bewerten Sie folgenden vertraulichen Vermerk aus einem Gespräch zwischen Thyssen- und Elf-Aquitaine-Vertretern? Ich zitiere: „im Dezember 1991 in Paris ... abgestimmte Vorgehensweise bezüglich der Bearbeitung der politischen Seite in Bonn".
Damit kann doch nicht, Herr Gres, die Bearbeitung der Blumenbeete im Kanzleramt gemeint gewesen sein. Dort wurde mehr in Sachen Leuna/Minol verhandelt - und vor allem entscheidend verhandelt -, als Sie uns eben glauben machen wollten. Selbst die Treuhandanstalt hat das beklagt. Dieses Zitat, Herr Gres, habe ich aus Unterlagen des „Focus". Dies schreibt immerhin ein Thyssen-Manager im Zusammenhang mit den im gleichen Magazin zitierten 38 Millionen für sogenannte nützliche Ausgaben. Ich halte das für sehr deutliche Worte. Die Öffentlichkeit wird schon bewerten können, ob mit solchen Hinweisen ein Verdacht auf Schmiergeldzahlungen erhärtet wird oder nicht.
Ich hätte mich zum Abschluß unserer gemeinsamen Arbeit gerne freundlicher geäußert, doch die skandalöse Untergrabung parlamentarischer Rechte, die Sie hier betrieben haben, läßt das nicht zu.
Es folgt der Kollege Dr. Wolfgang Götzer.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die CDU/CSU-Fraktion hat sich dem Ansinnen, insbesondere dem der SPD, einen Untersuchungsausschuß einzusetzen, der sich mit der weiteren Aufarbeitung der Themenkomplexe „Kommerzielle Koordinierung" und „Privatisierungen durch die Treuhandanstalt" befassen sollte, nicht verschlossen. Wir haben uns um eine konstruktive Zusammenarbeit bemüht und in vielen
Dr. Wolfgang Götzer
Fragen einvernehmlich Untersuchungsergebnisse erzielen können.
In diesem Zusammenhang sind etwa die Feststellungen zum sogenannten Novum-Komplex hervorzuheben. Die intensiven Nachforschungen des Ausschusses zu dieser Thematik haben bestätigt, daß diese Firma, die immerhin einen Wert von zirka 500 Millionen DM hat, zum SED-Vermögen gehört. Der Ausschuß ist trotz der vielfältigen Verschleierungsversuche der Zeugen aus dem Bereich der SED, die hierzu befragt wurden, einvernehmlich - natürlich mit Ausnahme der PDS - zu diesem Ergebnis gelangt.
Weitere Beispiele für die konstruktive Zusammenarbeit im Ausschuß sind die Ergebnisse der Nachforschungen nach weiteren Unternehmen des Bereichs KoKo oder auch die Untersuchungen zum Verhältnis des Bereichs KoKo zum MfS und zum Verbleib des MfS-Vermögens. Aus dem Bereich des KoKo-Vermögens konnten durch die Treuhandanstalt/BvS bislang 3,7 Milliarden DM realisiert werden. Mit weiteren Erlösen in Milliardenhöhe ist zu rechnen.
Hier fand der Ausschuß im übrigen weitere Bestätigungen dafür, daß der Bereich KoKo das MfS finanziell unterstützte und von diesem nachrichtendienstlich genutzt wurde. Bezüglich des Verbleibs des MfS-Vermögens konnte der Ausschuß feststellen, daß trotz zahlreicher Versuche von MfS-Angehörigen, Vermögenswerte beiseite zu schaffen, durch die Arbeit der Bundesbehörden zirka 3 Milliarden DM gesichert werden konnten.
Leider wurde die Arbeit des Ausschusses aber auch dadurch beeinträchtigt, daß die SPD an einige Themen in sehr tendenziöser Weise heranging. Dies betraf beispielsweise die von der ZERV in die Welt gesetzte Behauptung, daß durch die Regierungs-
und Vereinigungskriminalität ein Schaden von angeblich 26 Milliarden DM entstanden sei. Obwohl sich diese Zahl schon am Anfang der Tätigkeit des Untersuchungsausschusses als völlig unrealistisch und aus der Luft gegriffen herausstellte - weil nämlich in allen seriösen Schätzungen allenfalls ein diesbezüglicher Schaden in einstelliger Milliardenhöhe für möglich gehalten wurde -, sind Kollegen von der SPD immer wieder mit dieser Horrorzahl durch die Lande gezogen, um Stimmung gegen die erfolgreiche Privatisierungspolitik der Bundesregierung zu machen. Natürlich darf der tatsächlich eingetretene Schaden nicht verharmlost werden; das ist schon richtig. Es dürfen aber auch die außerordentlich schwierigen Umstände bei der Umgestaltung einer Wirtschaftsordnung nicht außer acht gelassen werden, die nach 40 Jahren praktiziertem Sozialismus völlig ruiniert war.
In diesem Zusammenhang ist besonders darauf hinzuweisen, daß die Zuständigkeit für Strafverfolgungsmaßnahmen bei den Ländern liegt. Was die Unterstützung der Staatsanwaltschaft II beim Landgericht Berlin und der Zentralen Ermittlungsstelle für Regierungs- und Vereinigungskriminalität auch in personeller Hinsicht angeht, kann und muß man feststellen: Der Bund hat seine Verpflichtungen erfüllt so
manches Bundesland - ein besonders negatives Beispiel ist hier Niedersachsen - nicht.
Vor diesem Hintergrund klingen die Vorwürfe, die der Kollege Beucher in der Presse in diesem Zusammenhang an die Adresse der Bundesregierung richtet, besonders hohl. Da würde er entsprechende Vorhaltungen doch besser an seine Genossen, die in den Ländern Verantwortung tragen, richten. Die Bundesbehörden - nur deren Kontrolle obliegt ja dem Bundestag - haben auch darüber hinaus in ihrem jeweiligen Zuständigkeitsbereich die Strafverfolgungsbehörden mit großem Erfolg unterstützt. Als Beispiel sei hier nur die unter dem Vorsitz des Bundesfinanzministeriums eingerichtete Arbeitsgruppe Koordinierte Ermittlung aus Vertretern des BMI, der BvS, der UKPV, des BKA und der ZERV genannt. Wir sehen keine Veranlassung, die Zusammenarbeit zwischen den beteiligten Behörden zu bemängeln.
Meine Damen und Herren, ausführlich beschäftigt hat uns das Konsortialdarlehen Dresden. Dazu ist folgendes festzuhalten: Das BMF ist in diesem Fall völlig korrekt und an Recht und Gesetz orientiert vorangegangen und hat sowohl die Interessen der Stadt Dresden als auch die des Bundes in optimaler Weise gewahrt. Die Polemik der SPD geht völlig an der Sache vorbei.
Tatsache ist, daß das BMF und die Stadt Dresden bis Mitte 1996 gar keine Möglichkeit hatten, eine Rückzahlung des Darlehens an die Firma Lomer zu verhindern, weil es bis zu diesem Zeitpunkt keine belastenden Hinweise auf einen Währungsumstellungsbetrug oder ein Scheingeschäft bei dem der Darlehensgewährung vorangegangenen Festplattenspeichergeschäft zwischen der Firma Lomer und dem DDR-Kombinat Robotron gab. Allein dies aber hätte eine Beschlagnahme des Geldes ermöglicht. Die Staatsanwaltschaft Berlin hatte mehrfach und über Jahre hinweg in dieser Angelegenheit ermittelt und die entsprechenden Ermittlungsverfahren immer wieder eingestellt, weil sich der Verdacht jeweils nicht erhärten ließ. Erst die nach dem Vergleichsabschluß zwischen der Stadt Dresden und der Firma Lomer aufgetauchten neuen Erkenntnisse haben es ermöglicht, daß das BMF die Rückzahlung des Darlehens noch stoppen und das Geld beschlagnahmt werden konnte.
- Das haben nicht Sie verursacht, Herr Kollege Beucher.
Eine endgültige Bewertung des Falles kann aber erst nach Abschluß des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens erfolgen.
Ein finanzieller Schaden durch den Vergleichsabschluß ist aber in jedem Fall nicht entstanden, da auch für den Fall, daß die Rechtmäßigkeit der Darlehensforderung der Firma Lomer festgestellt wird, der günstigere Währungsumstellungssatz von 1:3 vereinbart wurde. Deshalb, verehrte Kollegen von der SPD, eignet sich dieser Fall nun wirklich nicht für irgendwelche parteipolitischen Profilierungsversuche. Da sollten Sie vielleicht eher mal mit Ihren Genossen
Dr. Wolfgang Götzer
in Sachsen-Anhalt sprechen. Vielleicht finden die bei ihren Bündnisgenossen von der PDS noch DDR-Vermögen. Die PDS war ja ganz groß im Geschäft bei den Vermögenverschiebungen, und ihr Vermögen konnte bis zum heutigen Tag auf Grund ihrer Verweigerungshaltung nicht vollständig aufgeklärt werden.
Meine Damen und Herren, so manches von der SPD hochgespielte Thema enthielt viel heiße Luft, führte aber zu immensem Arbeitsaufwand des Untersuchungsausschusses, wenn ich zum Beispiel an die Angelegenheit mit den Computerdisketten denke, die der ehemalige MfS-Offizier Willy Koch an den BND übergeben hat. Das Ergebnis war enttäuschend.
Viel Zeit, die zur Aufklärung von anderen wichtigen Fragen notwendig gewesen wäre, wurde vertan. Dies gilt auch für das hektische Aufgreifen von Privatisierungsfällen durch die SPD gegen Ende der Untersuchungstätigkeit. Der Erfüllung unseres Untersuchungsauftrages war das sicher nicht dienlich. Der SPD ging es offensichtlich darum, nachdem die bis dahin durchgeführten Beweiserhebungen nicht zu den von ihr erhofften Sensationen geführt hatten, irgendwelche publikumswirksamen Skandale zu präsentieren. Dies hatte mit sachgemäßer Aufklärung und Durchführung des seinerzeit einvernehmlich formulierten Untersuchungsauftrages nichts zu tun.
Abschließend möchte ich noch einige Worte zu den abweichenden Bewertungsteilen der Opposition sagen. Meine Damen und Herren, bei der Lektüre des Bewertungsteiles der Kollegen von der SPD-Fraktion und von Bündnis 90/Die Grünen ist mir aufgefallen, daß zu den Vermögenverschiebungen der SED/PDS auffallend kurz Stellung genommen wird. Hier wäre eine deutlichere Auseinandersetzung mit der SED und der PDS angebracht gewesen. Aber dies entspricht wohl nicht Ihrer derzeitigen Interessenlage.
Um so erschreckender fällt die Lektüre der abweichenden Darstellung und Bewertung der PDS aus. Dieses Elaborat macht einmal mehr deutlich, daß die PDS tatsächlich der organisierte Widerstand gegen den Erfolg der deutschen Einheit ist. Es liest sich wie das Handbuch der sozialistischen Planwirtschaft, ergeht sich in ewig gestriger DDR-Nostalgie und zeigt, daß die PDS die Wiedervereinigung als Unglück ansieht, was sie für die SED zweifellos auch gewesen sein mag.
Wenn man diesen Bericht liest, wird deutlich, was von den kürzlich von dem PDS-Vorsitzenden Bisky gemachten Bekundungen zu dem angeblich mittlerweile geläuterten Verhältnis der PDS zu diesem Staat mit seiner demokratischen Grundordnung zu halten ist: nichts, aber auch gar nichts. Den Kollegen der SPD empfehle ich diesen Teil zur intensiven Lektüre, damit sie wissen, mit wem sie sich da einlassen.
Abschließend möchte auch ich allen Mitarbeitern, allen Vertretern der Bundesregierung und allen um die Wahrheitsfindung bemühten Kollegen danken.
Herr Götzer, gestatten Sie noch eine Zwischenfrage des Abgeordneten Bierstedt?
Nein, das muß er schon aushalten, der Herr Kollege von der PDS. Daß er jetzt zuhören muß, ist ein pädagogischer Akt.
Natürlich möchte ich auch unserem Vorsitzenden dafür danken, daß er diesen Ausschuß fair, souverän und mit Noblesse geleitet hat. Der Ausschuß hat seine Arbeit gut gemacht.
Ich bedanke mich.
Zu einer Kurzintervention hat der Abgeordnete Dr. Willibald Jacob das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Mein Vorredner hat einen pädagogischen Akt vollziehen wollen. Dabei hat er vergessen, daß Erwachsenenbildung nicht in dieser Art und Weise geschehen kann,
wie Sie das eben exemplarisch vorgeführt haben, Kollege Dr. Götzer, sondern durch Lebensvorgänge.
Unsere Biographien sind nicht nur durch 40 Jahre DDR-Geschichte geprägt, sondern auch durch die letzten zehn Jahre. Deshalb bezieht sich meine persönliche Erklärung - diese Kurzintervention - auf eine Dimension, die Sie verdrängen, nämlich auf außerdemokratische Vorgänge, die die Menschen mehr beeindrucken als parlamentarische Debatten. Ich spreche als Unterstützer der damaligen Initiative ostdeutscher Betriebsräte, die von 1990 bis 1993 um den Erhalt ostdeutscher Betriebe gekämpft hat. Wenn der Abschlußbericht die Privatisierung pauschal als Erfolgsgeschichte bezeichnet, dann ist das zu hinterfragen. Ich finde das schon bemerkenswert. In gewisser Weise stimme ich zu. Die Frage ist nur, für wen das eine Erfolgsgeschichte war. Für die Kalikumpel von Bischofferode, um die es mir konkret geht - wir könnten Hunderte solcher Geschichten erzählen -, war sie es ganz bestimmt nicht.
Sie wurden als Folge der Privatisierung in die Arbeitslosigkeit geschickt und warten heute noch auf die 700 bis 1000 versprochenen neuen Dauerarbeitsplätze.
Darf ich fragen, auf wen Sie jetzt antworten?
Bitte?
Auf wen bezieht sich Ihre Kurzintervention?
Auf den letzten Redner.
- Auf den letzten Redner, den Kollegen Dr. Götzer.
Erfolgreich waren dagegen die Aktionäre der Kali und Salz AG Kassel.
- Ich erzähle Ihnen diese Geschichte, um Ihnen etwas ins Gedächtnis zu rufen.
- Ja, gewiß. - Das ist ein Paradigma für Erfolg
und für eine beeindruckende Geschichte, die uns sehr nachdenklich macht. K+S hat die Privatisierung der DDR-Kalindustrie letztlich zu ihren Gunsten in schamloser Weise genutzt,
um mit der Schließung des Kalistandortes Bischofferode,
eines wirtschaftlich gesunden Betriebes - das möchte ich betonen -,
einen Konkurrenten aus dem Markt zu drängen.
Das geht nun nicht mehr.
Zweitens erhielt K+S von der Treuhand Zuschüsse von über 1 Milliarde DM - angeblich zur Sanierung der Ostbetriebe.
Die Kurzintervention ist beendet.
Natürlich wurde das eigene Unternehmen damit aus den roten Zahlen gebracht.
Selbst wenn Sie mir jetzt nicht zuhören: Auch um Mitternacht gelten noch für alle diejenigen Regeln, die am Tage gelten. Ihre Redezeit ist zu Ende. Mit einer Kurzintervention hat Ihr Vortrag nichts zu tun.
Es war schlicht eine Unverschämtheit, -
Jetzt kommen Sie zum Schluß, sonst stelle ich das Mikrofon ab.
- was dort passierte. Das ist mein letzter Satz.
Danke sehr.
Als nächster Redner hat der Kollege Hans-Joachim Hacker das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Auftrag des 2. Untersuchungsausschusses „DDR-Vermögen" lautete, festzustellen, inwieweit in Vorbereitung und im Vollzug der deutschen Einheit finanzielle und materielle Werte unrechtmäßig beiseite geschafft wurden und wer die Begünstigten waren oder heute noch sind.
Selbstverständlich mußte sich der Untersuchungsausschuß auch mit der Privatisierungspolitik der Treuhandanstalt sowie ihrer Nachfolgerin, der BvS, beschäftigen. Gescheiterte Privatisierungen, Beispiel Vulkan, forderten geradezu heraus, die Ursachen und Verantwortlichkeiten für diese Schäden an verlorenen Steuergeldern zu benennen.
Der Untersuchungsausschuß „DDR-Vermögen" hat die Arbeit an Untersuchungskomplexen fortgeführt, die bereits vom Untersuchungsausschuß ,,Kommerzielle Koordinierung" in der 12. Legislaturperiode bearbeitet wurden. Dazu gehört das Schicksal der Mülldeponie Schönberg, die heute unter dem neuen Namen Deponie Illenberg betrieben wird. Die Art und Weise der Privatisierung des VEB Deponie Schönberg, der Gestaltung der Verträge über die Vermarktung und die Betreibung der Deponie sowie die Folgekosten sind ein klassisches Beispiel für das Fortbestehen alter Ost-West-Seilschaften, die jetzt zu Lasten des Landes Mecklenburg-Vorpommern und damit seiner Bürgerinnen und Bürger gehen.
Bereits 1992 war klar, daß der von der Treuhandanstalt beschäftigte Geschäftsführer auf der Deponie Schönberg unter Ausnutzung und in Überschreitung seiner Kompetenzen dem alten und neuen Partner Hanseatisches Baustoffkontor Bad Schwartau durch Änderungen im Gesellschaftervertrag Vorteile verschaffte. Ich frage die Bundesregierung, namentlich das Bundesfinanzministerium als Fachaufsichtsbehörde der Treuhandanstalt: Wie konnten diese Vorgänge geduldet werden, und warum wurden nicht 1992 und 1993 personelle Konsequenzen gezogen? Warum war es möglich, daß dieser Geschäftsführer bis zu Beginn dieses Jahres sein Spiel weitertreiben und dabei nach alter KoKo-Manier Untergeschäfte zum eigenen Vorteil am Wegesrand schließen konnte?
Der Bericht der Berliner Staatsanwaltschaft II im Ermittlungsverfahren Mülldeponie Schönberg vom
Hans-Joachim Hacker
17. Februar 1998 ist ein Offenbarungseid. Er belegt genau das, was die Mitglieder meiner Fraktion in den Untersuchungsausschüssen „Kommerzielle Koordinierung" und „DDR-Vermögen" immer wieder kritisiert haben, nämlich daß die polizeilichen und Justizmaßnahmen notleidend sind. Diese Mängel hätten abgestellt werden können, ja, sie hätten abgestellt werden müssen; denn es ging hierbei nicht um die Bearbeitung von Bußgeldbescheiden, sondern um die Ahndung milliardenschwerer Wirtschaftskriminalität im Zuge der deutschen Einheit und danach.
Im laufenden Ermittlungsverfahren geht es jedoch nicht nur um die Prüfung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit von Mitarbeitern aus dem Deponiebereich, sondern auch um die Verantwortung des Alleingesellschafters der Deutschen Abfallwirtschaftsgesellschaft, Adolf Hilmer, und mehrerer Mitarbeiter der ehemaligen Treuhandanstalt. Die Verstrickung von Mitarbeitern der Treuhandanstalt hinterläßt nicht nur einen faden Beigeschmack, sondern führt zu den Fragen: Wie konnten die Verflechtungsstrukturen des Müllhandels aus der Zeit der deutschen Teilung den Untergang der DDR überstehen, und wodurch war es möglich, daß diese undurchschaubaren Geschäftsstrukturen weiter existierten und existieren? Meine Antwort: Die Treuhandanstalt und damit auch das Bundesministerium der Finanzen haben in grober Weise ihre Kontroll- und Aufsichtspflichten zum Schaden der Steuerzahler verletzt. Gewinne wurden und werden kräftig privatisiert, die Verluste werden sozialisiert. Sie sind von den Bürgerinnen und Bürgern des Landes Mecklenburg-Vorpommern zu tragen.
In der Öffentlichkeit ist mehr als einmal die Frage nach dem Ergebnis der Arbeit dieses Untersuchungsausschusses aufgeworfen worden. Allein ein Vorgang, mit dem sich der Untersuchungsausschuß lange Zeit beschäftigt hat, ist geeignet, beispielhaft zu belegen, daß der Ausschuß nicht nur einen Beitrag zur Analyse der tatsächlichen wirtschaftlichen Situation der DDR am Ende ihrer Existenz geliefert hat. Wir haben durch unsere Untersuchungstätigkeit den politischen Druck erzeugt, damit notwendige Untersuchungen vorangetrieben wurden, und auch einen Beitrag dazu geleistet, daß Veruntreuung von Vermögenswerten aufgedeckt werden und das Geld den Berechtigten, in vielen Fällen den neuen Ländern, zufließen konnte.
Ein Beispiel hierfür ist der Fall der Firma Novum, deren Vermögen von über 500 Millionen DM unter Umgehung des Parteiengesetzes der DDR ins Ausland gerettet werden sollte. Der Untersuchungsausschuß - mit Ausnahme des Mitglieds der PDS - ist nach sorgfältiger Prüfung der zur Verfügung stehenden Unterlagen zu der Auffassung gekommen, daß die Novum SED-Vermögen war und somit unter die Regelungen des § 20a und b des Parteiengesetzes der DDR fällt. Herr Dr. Götzer, wir brauchen keine Lehrstunde; Sie können nachlesen, daß wir dieser Bewertung ausdrücklich zustimmen. Wir haben diesen Teil der Bewertung mitgetragen.
Zur Aufklärung der Umstände der Vermögensverschiebung nach der Beseitigung der Unterlagen über
die tatsächlichen Eigentumsverhältnisse hat die PDS leider nicht beigetragen. Das ist hier heute mehrfach angesprochen worden. Ich muß dieses hier auch so deutlich benennen. Vielmehr hat sie das Handlungsdrehbuch der SED und KPO fortgeschrieben, die über Jahrzehnte die tatsächlichen Eigentumsverhältnisse verschleierten.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich glaube, der Optimismus ist gerechtfertigt, daß das anstehende Berufungsverfahren vor dem Berliner Oberverwaltungsgericht zu dem Ergebnis führt, daß das veruntreute Geld der Firma Novum den Berechtigten, nämlich den neuen Ländern, zufließt. Bei allen Schattenseiten der Veruntreuung im KoKo- und MfSBereich und bei den Fehlern der Privatisierung der Treuhandanstalt ist das ein hoffnungsvoller Lichtblick, wie ich meine.
An dieser Stelle mein Dank all denen, die uns geholfen haben und die mit dazu beigetragen haben, diesen Bericht zu erstellen. Mein besonderer Dank geht an Frau Dr. Mockenhaupt und Frau Hoffmann.
Ich danke Ihnen.
Das Wort hat jetzt die Kollegin Dr. Christine Lucyga.
Frau Präsidentin! Meine Kolleginnen und Kollegen! Ihnen allen miteinander wünsche ich einen guten Morgen und hoffe, daß Sie noch nicht einschlafen,
denn ich setze mich noch einmal mit Ihrer Euphorie in bezug auf die Arbeit der Treuhandanstalt auseinander, die man beim besten Wille nicht gutheißen kann. Ich habe eher den Eindruck, daß man im Wahljahr Erfolgsmeldungen braucht. Getreu dieser Devise hat die BvS vor zwei Tagen eine reichlich schöngerechnete Bilanz der Privatisierungen im Lande Mecklenburg-Vorpommern vorgelegt, in der von den Böcken, die geschossen wurden, auch nicht eine Spur zu finden ist. Es findet sich viel Selbstlob, und die peinlichen Pannen und Schäden in Milliardenhöhe, die von der Treuhand/BvS zu verantworten sind, werden im Vertrauen auf das schlechte Gedächtnis der Menschen glattweg totgeschwiegen.
Aus dem Abschlußbericht des 2. Untersuchungsausschusses geht allerdings hervor, daß der größte Schönheitsfehler dieser schöngerechneten Bewertungen eben die Nichtübereinstimmung mit der Realität ist. Als Beispiel bietet sich einmal mehr die Privatisierung der ostdeutschen Werften durch den Verkauf an den Bremer Vulkan Verbund an, die dem Land eine tiefgreifende Werftenkrise und den Werften eine nachhaltige Existenzgefährdung beschert hat. An den Folgen trägt das Land übrigens heute noch: im Landeshaushalt und in der Arbeitslosenstatistik.
Dr. Christine Lucyga
Diese Probleme hätten wenigstens zum Teil vermieden werden können, wenn die Treuhand/BvS und der für die Rechts- und Fachaufsicht zuständige Bundesfinanzminister nicht so nachlässig mit einem Problem von derartiger Tragweite umgegangen wären. Dieses Fehlverhalten beginnt mit einer unzureichenden Bonitätsprüfung, setzt sich fort mit zu großzügigen Vorabmittelfreigaben und einem mangelhaften bzw. nicht gegebenen Vertragsmanagement und Controlling. Darauf geht die SPD in ihrem Bewertungsteil ausführlich ein.
Der Fall Bremer Vulkan Verbund ist kein Einzelfall. Der Untersuchungsausschuß hatte sich mit weiteren Skandalen zu befassen. Man kann davon ausgehen, daß im Zuge der Privatisierung Milliardenbeträge beiseite geschafft wurden. Das hätte nicht passieren müssen und dürfen, wenn die Rechts- und Fachaufsicht ordnungsgemäß wahrgenommen worden wäre. Im übrigen ist der Bundesrechnungshof zu einer analogen Bewertung gekommen. Das besagt klar, daß Treuhand/BvS und Bundesregierung sich ihrer Mitverantwortung für den Vulkan-Skandal und für die daraus folgenden existenzgefährdenden Entwicklungen für den Schiffbau in Mecklenburg-Vorpommern nicht entziehen können.
Es geht in dieser Situation nun nicht um nachträgliche Besserwisserei, sondern um die Einsicht in Fehler und darum, diese Fehler bei der laufenden Privatisierung zu vermeiden, um die Werften in Wismar, Rostock und Stralsund und vor allen Dingen auch das Rostocker Dieselmotorenwerk, dessen Zukunft als europaweit konkurrenzloser Zulieferer für Großdiesel uns in Deutschland eigentlich besonders am Herzen liegen muß, nicht auch noch zu gefährden.
Ob es bei BvS und Bundesregierung zu dieser Einsicht gekommen ist, vermag ich nicht zu beurteilen. Es bleibt aber festzustellen, daß es sich die Bundesregierung eine ganze Menge hat kosten lassen, ihre Fehler und Versäumnisse im Falle Vulkan zunächst einmal auszusitzen. Denn trotz massiver Warnungen, darunter auch höchst besorgte Anfragen der Landesregierung Mecklenburg-Vorpommern und Anfragen einzelner Abgeordneter, zu denen auch ich gehöre, kam immer die Bleichlautende Beruhigungspille: keine Zweckentfremdung; die Investitionen gehen planmäßig voran - und das zu einem Zeitpunkt, als Bundesregierung und BvS eigentlich schon hätten wissen müssen und wahrscheinlich auch wußten, daß diese Aussagen falsch waren. Statt Flagge zu zeigen, zu handeln und damit wenigstens einen Teil der für die Ostwerften bestimmten Mittel zu retten, wurde von der Bundesregierung wieder einmal Vogel-Strauß-Politik betrieben.
Die SPD hat im 2. Untersuchungsausschuß die Aufnahme des Vulkan-Komplexes in den Untersuchungsauftrag durchgesetzt, weil es uns darum geht, aufzuklären, wie es dazu kommen konnte, daß - gewissermaßen unter den Augen von BvS und damit auch der Bundesregierung - derart mit öffentlichen Mitteln in dieser Größenordnung umgegangen werden konnte, und wie es möglich war, daß diese Veruntreuungen nicht rechtzeitig gestoppt und weitere verhindert werden konnten.
Unsere Anfangsvermutung, daß BvS und BMF ihrer Kontroll- und Aufsichtspflicht nicht nachgekommen sind, wurde im Ausschuß voll und ganz bestätigt. Für diesen Fall gab es die immer wiederkehrenden Erklärungen, man habe auf Zusicherungen vertraut, man habe keine ausreichenden Kontrollmöglichkeiten gehabt, man sei in einer schwachen Position mangels Alternativen gewesen, und man habe keinen Einfluß auf die Verwendung der Mittel gehabt.
Mir ist bis heute unverständlich geblieben, daß die Treuhand, die Milliardenbeträge auf den Tisch blättert und die die Schiffbaubetriebe, ihre Zulieferer und den dazugehörigen Markt für einen goldenen Handschlag abgibt, gegenüber dem Empfänger in einer so schwachen Position gewesen sein soll, daß nicht einmal die Kontrolle über die sachgerechte Verwendung der Mittel möglich war, während jeder kleine Handwerker, der gerade mal einen Kredit von 20 000 oder 30 000 DM braucht, hochnotpeinlich auf Kreditwürdigkeit durchleuchtet wird. Aber offenbar sind Geschäfte nach Ansicht der BvS um so unverdächtiger, je höher die Beträge sind; denn seit Schneider wissen wir immerhin, daß Milliardenbeträge Peanuts sind. Nur, meine Damen und Herren von der Koalition, das sollten Sie einmal der Krankenschwester, dem Polizisten und der Einzelhändlerin klarmachen, die mit ihren Steuergroschen genau diese unglaubliche Schlamperei der BvS finanzieren.
Ihre Redezeit ist zu Ende.
Nach Insider-Schätzungen hat bereits die überhastete Privatisierung der Ostwerften weitaus höhere Kosten verursacht, als nach dem ursprünglich von der Treuhandanstalt bereits gebilligten Sanierungskonzept der DMS angefallen wären - nicht eingerechnet der später durch Veruntreuung entstandene Schaden, den wir alle zu tragen haben.
Ich komme zum Schluß, Frau Präsidentin. Der Vulkan-Skandal ist mehr als nur eine endlose Geschichte von Pleiten und Pannen. Er zeigt durch den Mangel an Verantwortung bei den Entscheidungsträgern die schweren moralischen Defizite dieser Politik. Es wird abzuwarten sein, ob sich die Bürgerinnen und Bürger das über den 27. September hinaus gefallen lassen.
Ich danke Ihnen.
Das Wort zu einer Kurzintervention hat Herr Bierstedt.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Ich beziehe mich in meiner Kurzintervention auf die Rede des Kollegen Hacker, den ich ansonsten sehr schätze, und zwar auf seine Aussage, die den Eindruck erwecken könnte, daß ich im Komplex Novum eine Schlacht für die KPÖ oder speziell für Frau Rudolfine Steindling schlage. Ich möchte Sie daran erinnern, daß ich sowohl in den Redaktionssitzungen als auch im Minderheitenvotum der PDS darauf hingewiesen habe, daß wir uns in bezug auf den Komplex Novum auf das derzeit aktuelle Gerichtsurteil gestützt haben, und das besagt etwas anderes. Die derzeit laufende Anklage der BvS ist mir nicht bekannt, so daß ich die einzelnen Argumentationen, die Sie in diesem Zusammenhang angeführt haben, nicht nachvollziehen kann. Aus diesem Grunde habe ich mich ausschließlich auf die derzeit aktuelle Rechtslage bezogen. Das ist etwas völlig anderes als eine Verteidigung.
Ich möchte hinzufügen, weshalb ich in diesem Zusammenhang Bedenken habe. Sie haben in Ihrem Votum geschrieben, daß beispielsweise das Vorhandensein einer Betriebsnummer ein wesentliches Indiz sei. Sie haben ausgeführt, daß ausländische Unternehmen keine Betriebsnummern gehabt hätten, und das als Beweis angeführt. Die Aeroflot hatte in der DDR eine Betriebsnummer und war kein DDR-Unternehmen. Die SDAG Wismut hatte eine Betriebsnummer und war ebenfalls kein DDR-Unternehmen. Die Betriebsnummer von Novum kam folgendermaßen zustande: 1980 gab es einen Unfall eines Kraftfahrers der Novum. Weil die Versicherung nur gezahlt hat, wenn das Unternehmen eine Betriebsnummer hatte, haben wir der Novum eine Betriebsnummer verpaßt.
Aber das ist eine völlig andere Geschichte. Ich wollte nur darauf hingewiesen haben, daß ich mich hier nicht als Verteidiger von Frau Rudolfine Steindling abstempeln lassen möchte. Ich habe nur das derzeit geltende Gerichtsurteil verteidigt, mehr nicht.
Danke schön.
Sehr geehrter Herr Bierstedt, ich danke für Ihre wertschätzenden Worte. Aber es hätte mich wirklich mehr gefreut, wenn Sie diese Hintergrundinformationen, die Sie heute vortragen, in Ihre Untersuchungstätigkeit einbezogen und vor allem dem Untersuchungsausschuß vorgelegt hätten.
Denn Fakt ist doch: Das Geld, mit dem die Novum gegründet wurde, stammte aus dem Außenhandel der DDR und aus dem Bereich der SED. Die Zentrag war eine SED-Firma. Die Zessionserklärungen haben vorgelegen und sind im Zuge der Wendeproblematik vom Ministerium der Justiz der DDR beiseite geschafft worden - dies alles mit Wissen von Insidern aus dem SED-Bereich.
Genau dieses Wissen haben wir immer angemahnt. Wir haben gemahnt: Legen Sie die Karten auf den Tisch; in Ihrem Apparat sitzen Leute, die von den damaligen Verantwortlichkeiten wußten und die Hintergründe kannten. Ihr Wissen hätten Sie spätestens heute offenlegen können, und wenn nicht Sie, dann Herr Gysi oder sonstwer. Sie haben leider Defizite zugelassen, und das muß ich Ihnen ankreiden. Ich bleibe dabei: Sie haben in dem Bereich nicht objektiv genug mitgewirkt. Sie hätten einen Beitrag leisten können, am Ende auch für die Bürgerinnen und Bürger, für die Sie hier im Hause immer sprechen wollen.
Als letzter Redner zu diesem Tagesordnungspunkt spricht der Kollege Joachim Gres.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Abgeordnete Beucher hat es für richtig gehalten, noch eine gewisse Schärfe in die Debatte zu bringen. Das bringt mich dazu, auf ihn zu erwidern.
Herr Beucher, Sie haben gemeint, hier kritisieren zu müssen, daß es seltsame Methoden bei der Auswahl des Käufers von Leuna/Minol gegeben habe. Haben Sie eigentlich vergessen, was der Zeuge Schucht uns im Ausschuß dazu gesagt hat? Der Zeuge Schucht hat bestätigt, daß er als Mitglied des Vorstands der Treuhandanstalt persönlich die Entscheidung für Elf-Aquitaine getroffen hat. Er hat bestätigt, daß von keiner Seite Einfluß auf ihn ausgeübt worden ist. Er hat gesagt, dies sei der beste Bieter gewesen, und er habe sich persönlich dafür eingesetzt. Wissen Sie, welches Parteibuch Herr Schucht hat? Er ist heute bekanntlich Wirtschaftsminister des Landes Sachsen-Anhalt von der SPD.
Ich kann nicht verstehen, wie Sie sich hier nachts hinstellen und wilde Verdächtigungen gegen irgendwelche Prozeduren hervorbringen können, die durch nichts belegt sind.
Herr Abgeordneter Beucher, Sie haben gerade einen Hinweis auf Schmiergeldzahlungen an deutsche Parteien gebracht und Presseartikel kolportiert, die Ihnen angeblich von dritter Seite übermittelt worden sind. Ich hätte es für richtig gehalten, daß Sie, da Sie die Unterlagen offenbar haben, diese sofort dem Ausschuß geben. Ich weiß nicht, seit wann Sie sie haben, und ich weiß nicht, welche Qualität sie haben. Es kann aber nicht so gehen, daß Sie Unterlagen haben, die Sie dem Ausschuß nicht zur Verfügung stellen, und hier dann aus irgendwelchen dubiosen Quellen zitieren, deren Wahrhaftigkeit und Richtigkeit wir nicht kontrollieren können. Das ist parlamentarisch nicht in Ordnung.
Joachim Gres
Die Abgeordnete Lucyga hat es darüber hinaus für richtig gehalten, den Bereich BVV AG, Bremer Vulkan Verbund AG, in einer bestimmten Art und Weise darzustellen. Es hätte der Ordnung halber ebenso dazugehört, Frau Lucyga, darzustellen, in welch schwierigem wirtschaftlichen Umfeld diese Privatisierung stattfinden mußte. Nach 40 Jahren sozialistischer Mißwirtschaft waren die maroden Ostwerften völlig am Boden. Sie waren in keiner Weise für den Weltmarkt gerüstet und sahen sich - das wissen Sie doch genau - dem Wegbrechen der Märkte im Osten ausgesetzt.
Herr Gres, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Beucher?
Gleich, im Anschluß. Lassen Sie mich den Gedanken noch zu Ende führen.
Es kann doch nicht richtig sein, daß Sie einfach ausblenden, welche Stimmungslage damals, 1990, bestand. Der Bezirksleiter der IG Metall Küste, Frank Teichmüller, hat im Untersuchungsausschuß als Zeuge ausdrücklich erklärt, daß der niedersächsische Ministerpräsident Schröder ihm gegenüber die Auffassung vertreten habe, man solle den ostdeutschen Schiffsbau am besten schließen, statt mit Staatsgeldern eine Konkurrenz für den Westen am Leben zu erhalten. Das sagte Ihr Ministerpräsident Schröder, der Kanzlerkandidat der SPD!
Das war die Stimmungslage, die er damals ausgedrückt hat. Wir haben uns diesem Appell des Herrn Schröder nicht gefügt. Wir haben vielmehr alles in Bewegung gesetzt, damit die Ostwerften gerettet werden konnten, weil sie für Mecklenburg-Vorpommern wichtig sind. Das hier nicht zu erwähnen ist schon ein starkes Stück.
Bitte, Herr Beucher.
Herr Kollege Gres, wollen Sie bitte zur Kenntnis nehmen, daß es in den Unterlagen, die uns im Falle Leuna/Minol zugänglich waren, einen Vermerk der Treuhandanstalt gegeben hat, mit dem man sich beklagt hat, daß im Kanzleramt ständig an der Treuhandanstalt vorbei verhandelt worden sei? Wollen Sie des weiteren zur Kenntnis nehmen, daß die von mir Ihnen heute vom Rednerpult aus gezeigten Unterlagen des Nachrichtenmagazins „Focus" Ihnen und dem Ausschuß deshalb nicht vorher zur Kenntnis gegeben werden konnten, weil ich sie erst seit heute in den Händen halte und Sie durch Mehrheitsbeschluß sichergestellt haben, daß in Sachen Leuna/Minol nicht mehr weiter untersucht werden darf?
Herr Beucher, ich nehme zur Kenntnis, daß Sie aus Unterlagen zitieren,
die Sie heute bekommen haben wollen. Ich kann auch das nicht nachprüfen, nehme aber an, daß es richtig ist. Es entspricht aber, so glaube ich, parlamentarischen Gepflogenheiten, daß man nach mehreren Jahren der Untersuchungstätigkeit nicht ausgerechnet aus einem Dokument zitiert, das man heute erhalten hat. Das ist nicht fair, weil wir alle uns damit nicht beschäftigen konnten. Es wäre im übrigen genug Gelegenheit gewesen, mir das Dokument heute morgen, heute mittag oder heute nachmittag - noch vor zwei Stunden; wir haben ja mittlerweile einen neuen Tag - zu zeigen. So geht man normalerweise in solchen Fällen miteinander um.
Herr Gres, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage der Kollegin Lucyga?
Ja, gerne.
Herr Gres, ich möchte Ihnen mitteilen, daß ich schon etwas länger als Sie mit dem Problem der Privatisierung der ostdeutschen Werften befaßt bin und daß ich schon dabei war, als es noch ein anderes Konzept gab, nämlich das Konzept der DMS. Entgegen den Aussagen der Bundesregierung, die ihre Entscheidung selbstverständlich verteidigen muß, halte ich nach wie vor an den Meinungen der Experten fest, die begründet festgestellt haben, daß die überhastete Privatisierung aus einem laufenden Sanierungsprozeß heraus, der im Jahre 1994 abgeschlossen sein sollte, wesentlich teurer geworden ist.
Frage!
- und daß es politisch sehr wohl gewollt war, einen starken ostdeutschen Schiffsbau zu verhindern. Meine Frage: Das war Ihnen doch sicher bekannt?
Frau Abgeordnete Lucyga, mir ist das DMS-Konzept sehr wohl bekannt. Nur sollten Sie der Komplettheit halber hinzufügen, daß die Verwirklichung dieses Konzepts dazu geführt hätte, daß alle Werftbetriebe in den neuen Bundesländern als Staatsbetriebe fortgeführt worden wären - mit unabsehbaren finanziellen Konsequenzen. Sie wissen ganz genau, daß dies ein falscher Weg gewesen wäre. Sie wissen, daß die Privatisierung in anderen Fällen, nämlich beim Kvaerner-Konzern, die unter gleichen Bedingungen wie die des Bremer Vulkan Verbunds stattgefunden hat, sehr gut gelaufen ist.
Frau Lucyga, da Sie nun auch Verantwortung für die neuen Bundesländer, insbesondere für Mecklenburg-Vorpommern, haben, wäre es gut, wenn Sie ein bißchen intensiver der Frage nachgehen würden, ob Ihr jetziger SPD-Spitzenkandidat Schröder damals, 1990, tatsächlich alle Werften plattmachen wollte,
Joachim Gres
weil er im Interesse seiner eigenen Werften offenbar der Meinung war - so jedenfalls der Zeuge Teichmüller -, daß es sich nicht lohnt, das Geld westlicher Steuerzahler in diese Standorte zu investieren. Er hat dies zwar mittlerweile - durch Sie, Herr Neumann, angeregt - in einem Zweizeiler mit den dürren Worten „Das habe ich so nie gesagt" dementiert. Nur, entweder hat der Zeuge Teichmüller vor dem Untersuchungsausschuß gelogen oder Herr Schröder. Dieser war nicht Zeuge, weil er uns erst zwei Jahre später gesagt hat, daß er diese Aussage nicht getroffen hat. Das wissen Sie ganz genau. In dieser Frage sollten Sie sich entscheiden. Sie sollten dieser Frage einmal nachgehen, weil sie für die ostdeutsche Bevölkerung sehr interessant ist.
Vielen Dank.
Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung über die Beschlußempfehlung des 2. Untersuchungsausschusses nach Art. 44 des Grundgesetzes, Drucksache 13/ 10900. Der Ausschuß empfiehlt Kenntnisnahme. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Damit ist die Beschlußempfehlung einstimmig angenommen.
-Drucksache 13/6398 -
Beschlußempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses
- Drucksache 13/11042 -Berichterstattung:
Abgeordnete Norbert Geis
Dr. Wolfgang Freiherr von Stetten
Dr. Eckhard Pick
Alfred Hartenbach
Margot von Renesse
Detlef Kleinert Volker Beck (Köln)
b) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Rechtsausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Eckhart Pick, Dr. Herta Däubler-Gmelin, Hermann Bachmaier, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD
Entlastung der Zivilgerichtsbarkeit durch vor- bzw. außergerichtliche Streitbeilegung
- Drucksachen 13/1749, 13/11042 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Norbert Geis
Dr. Wolfgang Freiherr von Stetten
Dr. Eckhard Pick Alfred Hartenbach Margot von Renesse
Detlef Kleinert
Volker Beck
Ich gebe bekannt, daß die Kollegen Norbert Geis, Wolfgang Freiherr von Stetten, Alfred Hartenbach, Volker Beck, Detlef Kleinert,*) Professor Uwe-Jens Heuer, Minister Edzard Schmidt-Jortzig und Staatsminister Günter Meyer ihre Reden zu Protokoll gegeben haben.**)
Es liegen Änderungsanträge der Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen vor.
Ich lasse zunächst über den vom Bundesrat eingebrachten Gesetzentwurf zur Vereinfachung des zivilgerichtlichen Verfahrens und des Verfahrens der freiwilligen Gerichtsbarkeit abstimmen, Drucksachen 13/6398 und 13/11042 Buchstabe a. Die Fraktion der SPD hat Einzelabstimmung über eine Reihe von Vorschriften verlangt.
Ich rufe Art. 1 bis 8 in der Ausschußfassung auf und bitte diejenigen, die zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit sind die Art. 1 bis 8 mit den Stimmen von CDU/CSU, SPD und F.D.P. bei Gegenstimmen von Bündnis 90/Die Grünen und Enthaltung der PDS angenommen.
Wir kommen zu Art. 8 a. Dazu liegt je ein Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 13/11061 und der Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 13/11062 vor. Mit den beiden inhaltsgleichen Änderungsanträgen wird beantragt, Art. 8 a zu streichen.
Ich lasse über die beiden Änderungsanträge gemeinsam abstimmen und bitte diejenigen, die zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Die Änderungsanträge sind mit den Stimmen von CDU/CSU und F.D.P. gegen die Stimmen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und PDS abgelehnt.
Ich rufe nun Art. 8a in der Ausschußfassung auf und bitte diejenigen, die zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Damit ist Art. 8 a mit den Stimmen von CDU/CSU und F.D.P. bei Gegenstimmen von SPD, Bündnis 90/ Die Grünen und PDS angenommen.
Ich rufe Art. 9 und 10 in der Ausschußfassung auf und bitte diejenigen, die zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Damit sind die Art. 9 und 10 mit den Stimmen von CDU/CSU, SPD und F.D.P. bei Enthaltung von Bündnis 90/Die Grünen und PDS angenommen.
*) Redebeitrag lag bei Redaktionsschluß noch nicht vor. **) Anlage 7
Präsidentin Dr. Rita Süssmuth
Ich rufe Art. 11 in der Ausschußfassung auf und bitte diejenigen, die zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Damit ist Art. 11 mit den Stimmen von CDU/CSU, F.D.P. und PDS gegen die Stimmen der SPD bei Enthaltung von Bündnis 90/Die Grünen angenommen.
Ich rufe Einleitung und Überschrift in der Ausschußfassung auf und bitte diejenigen, die zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Damit sind Einleitung und Überschrift mit den Stimmen von CDU/CSU, SPD, F.D.P. und PDS bei Enthaltung von Bündnis 90/Die Grünen angenommen.
Damit ist die zweite Beratung abgeschlossen.
Dritte Beratung
und Schlußabstimmung: Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Damit ist der Gesetzentwurf mit den Stimmen von CDU/ CSU und F.D.P. gegen die Stimmen von SPD und PDS bei Enthaltung von Bündnis 90/Die Grünen angenommen.
Beschlußempfehlung des Rechtsausschusses zu dem Antrag der Fraktion der SPD zur Entlastung der Zivilgerichtsbarkeit durch vor- bzw. außergerichtliche Streitbeilegung, Drucksache 13/11042 Buchstabe b. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 13/1749 für erledigt zu erklären. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist einstimmig angenommen.
Ich rufe die Zusatzpunkte 12a und b auf:
a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Bereinigung vermögensrechtlicher und anderer Vorschriften
- Drucksache 13/10246 -
Beschlußempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses
- Drucksache 13/11401 - Berichterstattung:
Abgeordnete Dr. Michael Luther Dr. Dietrich Mahlo
Hans-Joachim Hacker
b) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Rechtsausschusses
- zu dem Antrag der Abgeordneten Hans-Joachim Hacker, Rolf Schwanitz, Siegfried Scheffler, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD
Hemmnisse und Rechtsunsicherheiten im Immobilienrecht und beim Nutzerschutz beseitigen
- zu dem Antrag der Abgeordneten HansJoachim Hacker, Dr. Herta Däubler-Gmelin, Hermann Bachmaier, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD
Mehr Rechtssicherheit und Rechtsschutz für Nutzer von Freizeitgrundstücken in den neuen Bundesländern
- zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. UweJens Rössel, Dr. Christa Luft, Rolf Kutzmutz, weiterer Abgeordneter und der Gruppe der PDS
Novellierung des Gesetzes über die Feststellung der Zuordnung von ehemals volkseigenem Vermögen
- zu dem Antrag der Abgeordneten Klaus-Jürgen Warnick, Dr. Uwe-Jens Heuer, Dr. Gregor Gysi und der Gruppe der PDS
Begrenzung der Erhöhung der Nutzungsentgelte für Erholungsgrundstücke in Ostdeutschland auf die derzeit übliche Bodenrendite
- zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. UweJens Heuer, Klaus-Jürgen Warnick, Dr. Gregor Gysi und der Gruppe der PDS
Begrenzung des Anstiegs der Nutzungsentgelte für Erholungsgrundstücke in Ostdeutschland auf ein sozial erträgliches Maß
- Drucksachen 13/10329, 13/7304, 13/9068, 13/10466, 13/7532, 13/11041 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Dr. Michael Luther Dr. Dietrich Mahlo
Hans-Joachim Hacker
Es liegt ein Änderungsantrag der SPD vor.
Die Debattenbeiträge der Kollegen Dr. Michael Luther, Hans-Joachim Hacker, Gerald Häfner, Hildebrecht Braun, Professor Uwe-Jens Heuer und des Bundesministers Edzard Schmidt-Jortzig sind zu Protokoll gegeben. )
Wir kommen zur Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurf zur Bereinigung vermögensrechtlicher und anderer Vorschriften, Drucksachen 13/10246 und 13/11041 Buchstabe a. Die Fraktion der SPD hat Einzelabstimmung über eine Reihe von Vorschriften verlangt.
Ich rufe Art. 1 bis 5 in der Ausschußfassung auf. Ich bitte diejenigen, die zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Art. 1 bis 5 sind einstimmig angenommen.
Ich rufe Art. 6 Abs. 1 in der Ausschußfassung auf. Ich bitte diejenigen, die zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Art. 6 Abs. 1 ist mit den Stimmen der CDU/CSU,
*) Anlage 8
Präsidentin Dr. Rita Süssmuth
Bündnis 90/Die Grünen und F.D.P. bei Gegenstimmen von SPD und PDS angenommen.
Ich rufe Art. 6 Abs. 2 in der Ausschußfassung auf. Ich bitte diejenigen, die zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Art. 6 Abs. 2 ist mit den Stimmen der CDU/CSU, SPD und der F.D.P. bei Enthaltungen der PDS und Bündnis 90/Die Grünen angenommen.
Wir kommen zum Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 13/11063 . Mit diesem wird die Einfügung der neuen Absätze 4 und 5 in Art. 6 beantragt. Wer stimmt für den Änderungsantrag der SPD? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Damit ist der Änderungsantrag mit den Stimmen der CDU/CSU und F.D.P. bei Zustimmung der SPD, Bündnis 90/Die Grünen und PDS abgelehnt.
Ich rufe jetzt Art. 7 in der Ausschußfassung auf. Ich bitte diejenigen, die zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Art. 7 ist einstimmig angenommen.
Ich rufe Art. 8 in der Ausschußfassung auf. Ich bitte diejenigen, die zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Art. 8 ist einstimmig angenommen.
Ich rufe Art. 9 auf. Wer stimmt dafür? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Damit ist Art. 9 mit den Stimmen von CDU/CSU, Bündnis 90/Die Grünen, F.D.P. und PDS bei Gegenstimmen der SPD angenommen.
Ich rufe auf: Einleitung und Überschrift. Ich bitte diejenigen, die zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Die aufgerufenen Vorschriften sind angenommen. Damit ist die zweite Beratung abgeschlossen.
Wir kommen zur
dritten Beratung
und Schlußabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. - Wer ist dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist mit den Stimmen der CDU/CSU, der F.D.P. und von Bündnis 90/Die Grünen bei Gegenstimmen der SPD und Stimmenthaltung der PDS angenommen.
Beschlußempfehlung des Rechtsausschusses zu dem Antrag der Fraktion der SPD zur Beseitigung der Hemmnisse und Rechtsunsicherheiten im Immobilienrecht und beim Nutzerschutz, Drucksache 13/ 11041 Buchstabe b. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 13/10329 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen der CDU/CSU und der F.D.P. bei Gegenstimmen von SPD und PDS sowie bei Enthaltung von Bündnis 90/Die Grünen angenommen.
Beschlußempfehlung des Rechtsausschusses zu dem Antrag der Fraktion der SPD zu mehr Rechtssicherheit und Rechtsschutz für Nutzer von Freizeitgrundstücken in den neuen Bundesländern, Drucksache 13/11041 Buchstabe c. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 13/7304 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? -
Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen der CDU/CSU und F.D.P. gegen die Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen bei Enthaltung der SPD und PDS angenommen.
Beschlußempfehlung des Rechtsausschusses zu dem Antrag der Gruppe der PDS zur Novellierung des Vermögenszuordnungsgesetzes auf Drucksache 13/11041 Buchstabe d. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 13/9068 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen der CDU/CSU und F.D.P. gegen die Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen und PDS bei Enthaltung der SPD angenommen.
Beschlußempfehlung des Rechtsausschusses zu dem Antrag der Gruppe der PDS zur Begrenzung der Erhöhung der Nutzungsentgelte für Erholungsgrundstücke in Ostdeutschland, Drucksache 13/ 11041 Buchstabe e. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 13/10466 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Damit ist diese Beschlußempfehlung mit den Stimmen von CDU/CSU, Bündnis 90/Die Grünen und F.D.P. bei Enthaltung von SPD und PDS angenommen.
Beschlußempfehlung des Rechtsausschusses zu dem Antrag der Gruppe der PDS zur Begrenzung des Anstiegs der Nutzungsentgelte für Erholungsgrundstücke in Ostdeutschland auf Drucksache 13/11041 Buchstabe f. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 13/7532 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Damit ist die Beschlußempfehlung mit den Stimmen von CDU/CSU, Bündnis 90/Die Grünen und F.D.P. gegen die Stimmen von PDS bei Enthaltung der SPD angenommen.
Der Rechtsausschuß empfiehlt unter Buchstabe g seiner Beschlußempfehlung auf Drucksache 13/ 11041 die Annahme einer Entschließung. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist einstimmig angenommen.
Ich rufe die Tagesordnungspunkte 12a bis 12t sowie die Zusatzpunkte 13 und 14 auf:
12. Entwicklungspolitische Debatte
a) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
- zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Winfried Pinger, Anneliese Augustin, Jochen Feilcke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Roland Kohn, Dr. Irmgard Schwaetzer und der Fraktion der F.D.P.
Mikrofinanzierung als Mittel der Armutsbekämpfung
- zu dem Antrag der Abgeordneten Adelheid Tröscher, Brigitte Adler, Klaus Bar-
Präsidentin Dr. Rita Süssmuth
thel, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD
Armutsbekämpfung durch Mikrofinanzierung in der Entwicklungszusammenarbeit
- Drucksachen 13/9601, 13/10027, 13/ 10921 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Dr. Winfried Pinger Adelheid Tröscher
Dr. Uschi Eid
Roland Kohn
b) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
- zu dem Antrag der Abgeordneten Armin Laschet, Christian Schmidt und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Günther Friedrich Nolting, Dr. Irmgard Schwaetzer, Ulrich Irmer, Roland Kohn und der Fraktion der F.D.P.
Verstärkung deutscher Beiträge zur Krisenprävention und Friedenspolitiik
- zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Uschi Eid, Wolfgang Schmitt , Dr. Angelika Köster-Loßack, Winfried Nachtwei und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Maßnahmen der Entwicklungszusammenarbeit als Beitrag zu einer Politik der Krisenprävention und zivilen Konfliktbearbeitung
- Drucksachen 13/6389, 13/6713, 13/10799 -Berichterstattung:
Abgeordnete Armin Laschet Dr. Uschi Eid
Dr. Irmgard Schwaetzer Hans Wallow
c) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Uta Zapf, Günter Verheugen, Brigitte Adler, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD
Priorität für eine Politik der zivilen Krisenprävention und Konfliktregelung
- Drucksachen 13/6999, 13/10457 - Berichterstattung:
Abgeordnete Dr. Friedbert Pflüger Gert Weisskirchen Ludger Volmer
Ulrich Irmer
d) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Steffen Tippack, Heinrich Graf von
Einsiedel, Andrea Gysi, weiterer Abgeordneter und der Gruppe der PDS
Zivile und nichtmilitärische Konfliktbearbeitung und Friedenssicherung
- Drucksachen 13/9643, 13/11019 -Berichterstattung:
Abgeordneter Steffen Tippach
e) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
- zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Winfried Pinger, Detlef Helling, Dr. Bernd Klaußner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Roland Kohn, Dr. Irmgard Schwaetzer und der Fraktion der F.D.P.
Weiterentwicklung des Zentrums für Internationale Zusammenarbeit in Bonn
- zu dem Antrag der Abgeordneten Adelheid Tröscher, Dr. R. Werner Schuster, Ingrid Matthäus-Maier, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD
Weiterentwicklung des Zentrums für Internationale Zusammenarbeit Bonn
-Drucksachen 13/10018, 13/9769, 13/10898 -Berichterstattung:
Abgeordnete Dr. Winfried Pinger
Adelheid Tröscher
Dr. Uschi Eid
Roland Kohn
f) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. R. Werner Schuster, Adelheid Tröscher, Brigitte Adler, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD
Förderung der Nichtregierungsorganisationen in der Entwicklungszusammenarbeit
- Drucksachen 13/9603, 13/10885 - Berichterstattung:
Abgeordnete Dr. Winfried Pinger Dr. R. Werner Schuster
Wolfgang Schmitt Dr. Irmgard Schwaetzer
g) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. R. Werner Schuster, Dr. Emil Schnell, Adelheid Tröscher, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD
Für mehr Verstetigung, Flexibilität und
Transparenz der Finanzierung deutscher
Präsidentin Dr. Rita Süssmuth
Entwicklungszusammenarbeit
- Drucksachen 13/9412, 13/10886 -Berichterstattung:
Abgeordnete Dr. Winfried Pinger Dr. R. Werner Schuster
Wolfgang Schmitt Dr. Irmgard Schwaetzer
h) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung zu dem Antrag der Abgeordneten Gert Weisskirchen (Wiesloch), Brigitte Adler, Robert Antretter, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD
Ziviler Friedensdienst - Expertendienst für zivile Friedensarbeit
- Drucksachen 13/6204, 13/10887 - Berichterstattung:
Abgeordnete Armin Laschet Gert Weisskirchen Dr. Uschi Eid
Dr. Irmgard Schwaetzer
i) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung zu dem Antrag der Abgeordneten Adelheid Tröscher, Dr. R. Werner Schuster, Michael Müller (Düsseldorf), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD
Reformvorschläge zur Struktur der Entwicklungszusammenarbeit und Entwicklungspolitik
- Drucksachen 13/10230, 13/10922 -Berichterstattung:
Abgeordnete Dr. Winfried Pinger Adelheid Tröscher
Wolfgang Schmitt Roland Kohn
j) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung zu dem Antrag der Abgeordneten Adelheid Tröscher, Reinhold Hemker, Brigitte Adler, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD
Entwicklungspolitische Bildung im Zeitalter der Globalisierung
- Drucksachen 13/9607, 13/10897 - Berichterstattung:
Abgeordnete Alois Graf von Waldburg-Zeil Adelheid Tröscher
Dr. Uschi Eid
Roland Kohn
k) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung zu dem Antrag der Abgeordneten
Dr. R. Werner Schuster, Brigitte Adler, Klaus Barthel, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD
Systematische Erfolgskontrolle von Projekten und Programmen der bilateralen Entwicklungszusammenarbeit
- Drucksachen 13/4120, 13/10857 -Berichterstattung:
Abgeordnete Dr. Winfried Pinger Dr. R. Werner Schuster
Wolfgang Schmitt Roland Kohn
l) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft
- zu dem Antrag der Abgeordneten Wolfgang Schmitt , Dr. Uschi Eid und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Für ein sozial, ökonomisch und ökologisch nachhaltiges multilaterales Investitionsabkommen und eine transparente parlamentarische Begleitung des Verhandlungsverfahrens
- zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Winfried Wolf, Roll Kutzmutz, Dr. Willibald Jacob, weiterer Abgeordneter und der Gruppe der PDS
Veröffentlichung des Vertragsentwurfs zu dem Multilateralen Investitionsabkommen
-Drucksachen 13/10410, 13/10083, 13/11015 -Berichterstattung:
Abgeordneter Ernst Schwanhold
m) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Freimut Duve, Dr. R. Werner Schuster, Joachim Tappe, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD
Europas gemeinsame Verantwortung für Afrika
- Drucksachen 13/10035, 13/10693 -Berichterstattung:
Abgeordnete Alois Graf von Waldburg-Zeil Joachim Tappe
Gerd Poppe
Dr. Irmgard Schwaetzer
n) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Fraktionen CDU/CSU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und F.D.P.
Unterstützung der neuen Friedensinitiative zur Beilegung des Westsaharakonflikts
- Drucksachen 13/10025, 13/10692 -
Präsidentin Dr. Rita Süssmuth
Berichterstattung:
Abgeordnete Anneliese Augustin
Dr. Eberhard Brecht Dr. Helmut Lippelt Dr. Burkhard Hirsch
o) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Uschi Eid und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Den politischen Neuanfang und den Wiederaufbau in der Demokratischen Republik Kongo unterstützen - die humanitäre Hilfe verstärken
- Drucksachen 13/7708, 13/10584 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Alois Graf von Waldburg-Zeil Dr. R. Werner Schuster
Dr. Uschi Eid
Roland Kohn
p) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Willibald Jacob, Heinrich Graf von Einsiedel, Andrea Gysi, weiterer Abgeordneter und der Gruppe der PDS
Aufnahme der Entwicklungszusammenarbeit zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Kuba
- Drucksachen 13/10067, 13/10927 - Berichterstattung:
Abgeordnete Armin Laschet Gabriele Fograscher
Wolfgang Schmitt Roland Kohn
q) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung zu dem Antrag der Abgeordneten Dagmar Schmidt (Meschede), Dr. Christoph Zöpel, Adelheid Tröscher, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD
Stärkung demokratischer Institutionen und der Rolle von Nichtregierungsorganisationen in den palästinensischen Autonomiegebieten
- Drucksachen 13/9249, 13/10858 -Berichterstattung:
Abgeordnete Michael Wonneberger Dagmar Schmidt
Dr. Angelika Köster-Loßack
Dr. Irmgard Schwaetzer
r) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung zu dem Antrag der Abgeordneten Gabriele Fograscher, Adelheid Tröscher, Ingrid Becker-Inglau, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD
Aktive Bevölkerungspolitik als Schwerpunkt in die Entwicklungszusammenarbeit aufnehmen
- Drucksachen 13/9608, 13/10771 -Berichterstattung:
Abgeordnete Anneliese Augustin Gabriele Fograscher
Dr. Uschi Eid
Dr. Irmgard Schwaetzer
s) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
- zu dem Bericht des Ausschusses für Bildung, Wissenschaft, Forschung, Technologie und Technikfolgenabschätzung gemäß § 56a der Geschäftsordnung
Technikfolgenabschätzung
hier: Auswirkungen moderner Biotechnologien auf Entwicklungsländer und Folgen für die zukünftige Zusammenarbeit zwischen Industrie- und Entwicklungsländern
- zu dem Antrag der Abgeordneten Wolfgang Bierstedt, Dr. Ruth Fuchs, Dr. Ludwig Elm, weiterer Abgeordneter und der Gruppe der PDS
Zum Endbericht des Technikfolgenabschätzung-Projektes „Auswirkungen moderner Biotechnologien auf Entwicklungsländer und Folgen für die zukünftige Zusammenarbeit zwischen Industrie-
und Entwicklungsländern"
- Drucksachen 13/4933, 13/7902, 13/10552 - Berichterstattung:
Abgeordnete Dr. Bernd Klaußner Brigitte Adler
Wolfgang Schmitt Roland Kohn
t) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung zu dem Antrag der Abgeordneten Wolfgang Schmitt (Langenfeld), Dr. Uschi Eid und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Ablehnung einer Weltbankbeteiligung am Tschad/Kamerun Öl- und Pipelineprojekt
- Drucksachen 13/8321, 13/11017 -Berichterstattung:
Abgeordnete Dr. Christian Ruck Ingrid Becker-Inglau
Wolfgang Schmitt Roland Kohn
Präsidentin Dr. Rita Süssmuth
ZP13 Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Uschi Eid, Wolfgang Schmitt , Dr. Angelika Köster-Loßack und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Reform der Entwicklungszusammenarbeit - Drucksache 13/10965 -
ZP14 Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Uschi Eid, Wolfgang Schmitt und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Friedliche Beilegung des Konfliktes zwischen Eritrea und Äthiopien
- Drucksache 13/10964 —
Überweisungsvorschlag:
Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
Auswärtiger Ausschuß
Es liegt ein Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vor.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Aussprache eine Stunde vorgesehen.. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann verfahren wir so.
Ich eröffne die Aussprache. Es beginnt der Kollege Dr. Pinger.
- Schade, daß Sie gehen. Sie können ruhig noch hierbleiben. - Herr Dr. Pinger.
Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Eine Entwicklungspolitik, die konsequent auf die Schwerpunkte Armutsbekämpfung, Bildungsförderung, Umweltschutz und vor allem auch auf Hilfe zur Selbsthilfe ausgerichtet ist, ist in der Umsetzung sehr viel schwieriger und langwieriger als die hergebrachte Entwicklungszusammenarbeit.
An dieser Stelle möchte ich daher dem verantwortlichen Bundesminister Carl-Dieter Spranger und seinen Mitarbeitern im Ministerium dafür danken, daß sie diesen schwierigeren Weg auch in der staatlichen Entwicklungszusammenarbeit eingeschlagen haben und ihn verwirklichen, und zwar in Übereinstimmung mit den Mitgliedern des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und im Sinne einer effektiveren, wirksameren Entwicklungspolitik.
Von daher ist es auch nicht erstaunlich, daß in der Entwicklungspolitik - das halte ich für einen ganz großen Vorzug - zwischen den Fraktionen in den grundsätzlichen Fragen der Entwicklungszusammenarbeit weitgehend Einigkeit herrscht.
Dies ist im Interesse der Menschen wichtig, um die es uns geht. Ich glaube - darin sind wir uns ja auch einig -, daß das ein wichtiger Punkt ist, daß wir uns wirklich auf die Aufgabe konzentrieren, die uns gestellt ist.
Meine Damen und Herren, unter den Bedingungen der Globalisierung der Wirtschaft in der Welt
verschärfen sich die Anforderungen an die Entwicklungspolitik. Es besteht die Gefahr, daß die Kluft zwischen armen und reichen Staaten, zwischen einer kleinen Schicht wohlhabender Menschen in den Entwicklungsländern und der Masse der armen Bevölkerung, daß die Lücke zwischen denen, die die Chancen der Globalisierung wahrnehmen können und Vorteile daraus ziehen, und den anderen, die im verschärften Wettbewerb das Nachsehen haben, immer größer wird. Wenn sich nicht die Entwicklungsländer und wenn sich insbesondere nicht die Entwicklungszusammenarbeit verstärkt dieser Herausforderung stellen, wird es Konflikte in den Ländern geben, wird es Konflikte zwischen den Ländern geben und wird es zerstörerische Auseinandersetzungen mit globalen Rückschlägen für alle geben.
Es geht also um die Konzentration der Anstrengungen auf das, was wir selbsthilfeorientierte Armutsbekämpfung nennen. In dieser Frage sind wir uns unter den Fraktionen des Deutschen Bundestages erfreulicherweise einig.
Bewiesen wird dies erneut dadurch, daß wir heute gemeinsam eine Beschlußempfehlung verabschieden werden zum Thema der verstärkten Förderung der Mikrofinanzierung, das heißt des Zuganges zu Sparen und Kredit für arme und ärmste Bevölkerungsschichten. Damit tragen wir der Erkenntnis und der Erfahrung Rechnung, daß arme und sogar ärmste Bevölkerungsschichten in viel größerem Umfang, als wir dies jemals für möglich gehalten haben, in der Lage sind, Klein- und Kleinstkredite sinnvoll produktiv einzusetzen.
Dabei müssen wir allerdings feststellen, daß es bisher in der deutschen Entwicklungszusammenarbeit kein Instrument und keine Organisationen mit dem Auftrag gibt, alle die vielfältigen und Tausende von Initiativen in den Entwicklungsländern, die Tausende von Kreditinstitutionen ausfindig zu machen und zu erfassen, die sich dieser Aufgabe widmen, um dann mit diesen zusammen festzustellen, wie wir sie verstärkt fördern können. Das muß sich in der Zukunft ändern.
Im übrigen erwarten wir, daß die Bundesregierung in dem Selbsthilfebericht, der regelmäßig erstellt wird, gerade auch über die Ergebnisse dieser Anstrengungen berichtet.
Meine Damen und Herren, viele Geberländer, die Weltbank, UNDP und andere multilaterale Organisationen haben sich das Ziel gesetzt, innerhalb von zehn Jahren 100 Millionen Familien, das heißt mindestens 600 Millionen Menschen, die in absoluter Armut leben, den Zugang zu Sparen und Kredit zu eröffnen. Wir sind sicher, daß sich die Bundesrepublik an dieser Zielsetzung beteiligt. Deshalb wünschen wir uns auch, daß die Bundesregierung Mitglied im Council des Microcredit Summit wird, um mit den anderen zu überlegen, was zu tun ist, und vor allen Dingen die beachtlichen konzeptionellen Leistungen
Dr. Winfried Pinger
der Bundesregierung auf diesem Gebiet einbringen zu können.
Meine Damen und Herren, zu einer Globalisierung der Wirtschaft, die allen Menschen zugute kommt, gehört es, daß sich diese nicht weiter unter den Prinzipien vollzieht, die heute als Neoliberalismus bezeichnet werden. Wenn sich der Nationalstaat, wenn sich die internationale Staatengemeinschaft weiter aus der notwendigen Ordnungsfunktion, die sich gerade auch auf die Wirtschaft erstrecken muß, zurückzieht, wird sich dies bald sehr negativ auswirken. Die Marktwirtschaft wird sich dann auch international zu dem entwickeln, was als Manchesterkapitalismus und Frühkapitalismus zu bezeichnen ist.
Ich glaube, daß wir viel mehr unsere Ordnungsvorstellungen, gerade auch die soziale Marktwirtschaft, international diskutieren sollten. Dazu gehört gerade die Sicherung des Leistungswettbewerbes. Dazu gehört aber auch das Merkmal „sozial" - wahrlich anders als im Sinne der Weiterentwicklung eines Systems, das unter Bismarck entstanden ist und sich bei uns verwirklicht hat, nämlich vielmehr im Sinne eines sozialen Elements, das sehr viel stärker darauf gerichtet ist, daß in den Entwicklungsländern alle Arbeit und Einkommen haben, daß alle ihre produktiven Fähigkeiten einsetzen. Dazu gehört nicht zuletzt dieser Antrag zur Mikrofinanzierung.
Es gibt einen weiteren Antrag, den wir heute gemeinsam verabschieden. Es ist der Antrag betreffend die Nachhaltigkeit der Entwicklungszusammenarbeit; die Partizipation ist eine Voraussetzung für den Erfolg der Nachhaltigkeit.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum Schluß kommen und eine Vision vortragen. Meine Vision ist, daß die Entwicklungszusammenarbeit und die internationalen Anstrengungen sich so verstärken, daß der Skandal, daß ein Fünftel der Menschheit in absoluter Armut lebt, daß dieses gewisse Scheitern der Entwicklungszusammenarbeit überwunden wird, daß vielleicht in zehn Jahren die Hälfte der absolut Armen aus diesem Elend heraus ist und vielleicht in 20 Jahren alle aus der absoluten Armut heraus sind. Ich denke, daß dies durch eine verbesserte Entwicklungszusammenarbeit und durch gewaltige Anstrengungen aller möglich sein müßte.
Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.
Ich weiß es nicht anders, als daß der Kollege Pinger noch einmal kandidiert.
- Das ist aber nur wahrscheinlich, wenn Sie nicht noch einmal kandidieren. Deshalb sage ich nichts - auch nicht unter Vorbehalt.
Wir kommen zum nächsten Redner. Bitte, lieber Kollege Professor Ingomar Hauchler.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dies ist aber wirklich meine letzte Rede in diesem Hohen Hause. Ich kandidiere nicht mehr. Ich verlasse den Deutschen Bundestag, ohne, so fürchte ich, ein Weiser geworden zu sein. Ich ziehe mich aber auch zurück, so hoffe ich, ohne mich zum Zyniker gewandelt zu haben. Das ist gar nicht so einfach nach 16 Jahren in diesem Hohen Hause.
Ich will deshalb noch einmal deutliche Worte zur internationalen Politik in Deutschland und insbesondere zur Entwicklungspolitik sagen. Nach 16 Jahren, die ich in diesem Hause verbracht habe, ziehe ich folgendes Resümee: Deutschland hat seine geschichtliche Erfahrung und seine ökonomische Stärke nicht genutzt, um den ihm möglichen Beitrag zur Lösung internationaler Probleme zu leisten.
Jahrzehnte nach dem zweiten Weltkrieg, nach außen nicht wirklich souverän, hat sich das Land auf das Innere konzentriert. Das hieß zuallererst: auf das Ökonomische. Hieraus hat es ein neues Selbstbewußtsein gezogen. Nach dem Fall der Mauer endlich souverän, öffnete sich das Land aber nicht zur Welt. Es wurde durch eine neue Binnenschau absorbiert. Das ist zum Teil verständlich. Nach der Wiedervereinigung galt es, die innere Einheit herzustellen. Wieder dominierte hier vor allem die Ökonomie.
Zwischen diesen beiden Phasen, dem ökonomisch bestimmten Wiederaufbau und der ökonomisch bestimmten Vereinigung, lag in den 70er Jahren eine Zeit, in der Deutschland über die Ökonomie hinaus weltweit Anerkennung gewann. Die Friedenspolitik Willy Brandts, die maßgeblich zur Entspannung zwischen West und Ost und schließlich auch maßgeblich zur Aushöhlung kommunistischer Diktatur beitrug, und die Öffnung des Blicks auf globale Herausforderungen im Verhältnis zwischen dem Norden und dem Süden waren weltpolitische Orientierungen, die unserem Land weltweit Anerkennung gebracht haben.
Dies hat viele Menschen in Deutschland zu politischem Engagement motiviert, auch mich. Ich trat damals in die Sozialdemokratische Partei ein. Ich wollte mithelfen, daß sich unser Land nach der Schuld, die es durch den Weltkrieg weltpolitisch auf sich geladen hatte, und nach seinem Rückzug auf den inneren wirtschaftlichen Aufbau in Zukunft international bewährt und durch konstruktive Initiativen für Frieden und internationale Entwicklung auszeichnet.
Dr. Ingomar Hauchler
Das Kapitel, das Willy Brandt eröffnet und Helmut Schmidt aufgeschlagen hatte, wurde wieder geschlossen.
Das von der sozialliberalen Koalition international erarbeitete Kapital wurde in den 80er und 90er Jahren durch die konservativ-neoliberale Koalition wieder verspielt.
Die konservative Regierung stellte sich nicht der Aufgabe, den ihr möglichen Beitrag zu einer die Nationen übergreifenden internationalen Ordnung zu leisten. Die internationale Politik Deutschlands geriet in den Schatten kurzsichtiger nationaler Interessen und nationalen Prestiges. Ein Sitz im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen erschien wichtiger als deren innere Reform und Stärkung
- hören Sie sich das an; das ist das, was ich wirklich denke -, um globale, wirtschaftliche und soziale, ökologische und sicherheitspolitische Probleme zu lösen.
Im Zeichen der Globalisierung setzte deutsche Politik immer mehr auf eine national-ökonomische Kampfstrategie, die die soziale Spaltung innerhalb der Länder und zwischen den Ländern vertieft und über globale ökologische Risiken hinweggeht. In Europa spielte Deutschland immer mehr den ökonomischen Zuchtmeister, statt alle Kraft auf die großen Aufgaben der politischen und sozialen Integration zu richten und besonders auch vis-à-vis den USA eine eigenständige europäische Identität im Konzert der Weltregionen aufzubauen.
Gegenüber den Entwicklungsländern gefiel sich deutsche Politik immer mehr in der Attitüde eines Schulmeisters und reinen Sponsors, statt mit ihnen in eine wirkliche Partnerschaft zu treten, um globale Probleme, die auch uns zunehmend betreffen, gemeinsam zu lösen.
Die Unterbewertung globaler Fragen gegenüber nationalstaatlicher Innenschau zeigte sich besonders kraß in der deutschen Entwicklungspolitik. Ihre Relevanz in der politischen Diskussion ging gegen Null. In der Regierung und im Parlament geriet sie mehr und mehr ins Abseits. Wer erwartet hatte, eine vor allem altruistische und paternalistische Sicht von bilateraler Sozial- und Nothilfe bilde sich zu einer wirklichen Politik globaler Entwicklungen fort, die neben finanziellen Transfers und einzelnen, auch guten Projekten unsere eigene Wirtschafts-, Handels- und Umweltpolitik einschließt und multilateral ausgerichtet ist, sah sich getäuscht.
Entwicklungspolitik wurde von der großen Politik aufs Abstellgleis geschoben. Sie versprach weder wirtschaftlichen Profit noch politische Karrieren oder Wählerstimmen. Auch im Wahlkampf 1998 werden die Parteien nicht darum ringen, sich vor den Bürgerinnen und Bürgern durch zukunftsfähige Lösungen globaler Probleme auszuzeichnen.
- Einiges dazu.
Von einer neuen, natürlich sozialdemokratisch geführten Bundesregierung erwarte ich nun, daß sie aus der innerdeutschen Provinz ausbricht, in die die konservativ-neoliberale Regierung die deutsche Politik und Gesellschaft eingemauert hat.
Ich erhoffe mir in Deutschland wieder eine Ära internationaler Politik, die an die Welt- und Weitsicht Willy Brandts anknüpft.
In diesem Zusammenhang muß auch die deutsche Entwicklungspolitik neue und stärkere Akzente setzen:
Erstens. Entwicklungspolitik muß integraler Bestandteil deutscher Außen- und Sicherheitspolitik, Wirtschafts- und Umweltpolitik werden. Nur dann macht sie wirklich Sinn.
Sie muß sich von national fixierter Projektpolitik zu internationaler Strukturpolitik wandeln. Sie muß im Parlament und Regierung eine Querschnittsfunktion wahrnehmen,
die auch auf eine entwicklungsverträgliche und global verantwortliche Reform der eigenen Gesellschaft und Wirtschaft drängt, sich aber gleichzeitig für weltwirtschaftliche Strukturen einsetzt, die den sozialen Ausgleich zwischen den Weltregionen fördert, die globalen Ressourcen dauerhaft schützt und so langfristig die Voraussetzungen für Frieden schafft.
Zweitens. Entwicklungspolitik muß als multilaterale Anstrengung konzipiert werden. Statt eines Rückfalls in nationale Sonder- und Teillösungen, die parallel nebeneinanderstehen, statt einer arroganten Übertragung westlicher Entwicklungsmodelle auf andere Weltregionen und statt einer einseitigen Instrumentalisierung von Entwicklungsprojekten für nationale Interessen müssen multilaterale Institutionen und Regime gestärkt werden, die ein globales Gewissen repräsentieren und im Sinne gemeinsamer globaler Interessen - also auch unserer Interessen -
Dr. Ingomar Hauchler
effizient arbeiten. Hier muß Europa mit einer Stimme sprechen und seine eigenen Vorstellungen gegen hegemoniale Ansprüche von Supermächten wirksam vertreten.
Drittens. Entwicklungspolitik muß gesamtgesellschaftliche Aufgabe werden. Die Ziele und Initiativen des Staates müssen von Öffentlichkeit und Medien, von Wirtschaft und Wissenschaft und vom globalen Wissen und Engagement der Bürgerinnen und Bürger und ihren zivilgesellschaftlichen Organisationen getragen werden. Dies setzt voraus, daß globale Herausforderungen und globale Interdependenz zu großen Themen im öffentlichen Diskurs, zu einem wichtigen Gegenstand wissenschaftlicher Arbeit und auch zu Kernfragen schulischer Bildung werden.
Dies setzt allerdings voraus, daß das Parlament und die Parteien die Probleme internationaler Politik und insbesondere auch die Entwicklungspolitik nicht weiter totschweigen •
- und etwas früher diskutieren. Wenn in einem wohlhabenden Industrieland keine unmittelbar betroffene Wählerbasis für Entwicklungspolitik existiert, weil Entwicklungspolitik vornehmlich auf Zukunft und auf für viele Menschen zunächst ferne Räume zielt, also nicht kurzfristige und naheliegende Wählerinteressen berührt, ist es - wie kaum auf einem anderen Felde - unverzichtbar, daß hier die Politik eine Aufklärungs- und Führungsrolle übernimmt. Nur so kann sich in der Gesellschaft globales Bewußtsein - auch in den Medien - und breite Einsicht für globales Gemeininteresse ausbilden.
In dieser Zeit ist viel von Innovation in Wissen und Technologie die Rede; das ist richtig. Unser Land braucht diese Erneuerung und diesen Fortschritt, um Wohlstand, Arbeit und sozialen Ausgleich zu sichern. Genauso dringlich sind aber politische Innovationen, also neues Denken und neue Formen hinsichtlich der Ziele und der Organisation von Staat und Weltgesellschaft.
Angesichts ökonomischer Globalisierung erscheint nationalstaatliches Denken antiquiert. Die dringlichste Innovation, ohne die Politik ihre Handlungsfähigkeit und die Demokratie ihren Handlungsraum verlieren, wäre die Entwicklung eines weltbürgerlichen Bewußtseins und der Aufbau einer globalen politischen Ordnung, die den Frieden durch ausgleichende Gerechtigkeit zwischen den Völkern und Weltregionen sichert.
Ich habe im Bundestag vor allem für diese Innovation zu arbeiten versucht, zusammen mit Kolleginnen und Kollegen aus allen Fraktionen, denen ich ganz
herzlich für die Zusammenarbeit und die Toleranz danke, daß sie mich ertragen haben.
Ich danke auch dem Bundesminister, der sich als lernfähig und engagiert erwiesen und auch mit der Opposition den Dialog gesucht hat. Ich scheide aus in der Hoffnung, daß neue und jüngere Kolleginnen und Kollegen die Ansätze, die wir - oft gemeinsam - hier erarbeitet haben, weiterentwickeln und dann auch wirklich - dann hoffentlich unter einer sozialdemokratisch geführten Regierung; nur so wird es gehen - in die Tat umsetzen.
Vielen Dank.
Herr Kollege Hauchler, herzlichen Dank. Es waren viele Jahre, die Sie hier waren. Ich finde es gut, wenn ein Abgeordneter in seiner letzten Rede das tut, was ihm das Parlament ermöglicht: als freier Abgeordneter in freier Rede zu sagen, was er im Rahmen der Entwicklungspolitik sagen möchte. Daß dieser Bereich kontrovers ist, das wissen wir doch alle. Ich denke, es ist das Beste, was man mitnehmen kann, zu sagen: Ich habe als freier Abgeordneter in freier Rede hier meine letzte Rede gehalten und das Parlament auch wieder verlassen. Herzlichen Dank!
Frau Abgeordnete Kollegin Uschi Eid. - Dies ist nicht die letzte Rede.
- Ja.
Frau Präsidentin, ich möchte heute abend zwei Regionen Afrikas zum Thema machen, weil beide zur Zeit für Schlagzeilen sorgen und weil ich mich beiden persönlich besonders verbunden fühle. Es handelt sich um Burundi, das für positive Schlagzeilen sorgt, und es handelt sich um Eritrea und Äthiopien, zwei Länder, die durch einen mir völlig unverständlichen, absurden und irrationalen Grenzkrieg für negative Schlagzeilen sorgen.
Zunächst zu Burundi. Sie wissen, daß drei Monate nach den ersten freien Wahlen 1993 der erste demokratisch gewählte Präsident, Melchior Ndadaye, ermordet wurde, daß in der Folge Hunderttausende Menschen, darunter über 20 frei gewählte Abgeordnete, umgebracht wurden. Und im Juli 1996 putschte Major Buyoya. Der Deutsche Bundestag hat auf mein beharrliches Drängen die Entwicklungen intensiv verfolgt und mit den unserem Parlament zur Verfü-
Dr. Uschi Eid
gung stehenden Mitteln versucht, positiv zur Verständigung zwischen den verfeindeten und sich verteufelnden Parteien beizutragen. Ich danke Ihnen, Frau Bundestagspräsidentin, ganz herzlich, daß Sie die parlamentarischen Aktivitäten von Herrn Tappe, Herrn Dr. Schuster, Frau Dr. Schwaetzer, Graf Waldburg-Zeil und mir vorbehaltlos unterstützt haben.
Ich freue mich, daß ich heute hinzufügen kann: Der runde Tisch vom Juni 1996 mit jeweils fünf FRODEBU- und fünf UPRONA-Abgeordneten, den ich zusammen mit Dr. Winrich Kühne von der Stiftung Wissenschaft und Politik zweieinhalb Tage moderierte - die Kollegin und Kollegen, die ich vorhin erwähnt habe, waren zum Teil auch kurze Zeit dabei -, trägt Früchte, aber etwas verspätet. Wir hätten die Früchte eigentlich früher erwartet. Die zehn Abgeordneten verließen damals Bonn mit einem ermutigenden Fazit ihrer Gespräche. Sie sagten bei ihrem Abschied:
Wir müssen in Bujumbura weiter darüber nachdenken, wie wir zu einer Keimzelle der Versöhnung werden können.
Heute, genau zwei Jahre später, sind Abgeordnete aus beiden Parteien, die damals in Bonn dabei waren, Motoren im Prozeß des Zustandekommens der neuen Übergangsverfassung und der politischen Plattform von letzter Woche.
Ich möchte in diesem Zusammenhang besonders dem Generalsekretär der FRODEBU, Augustin Nzojib wami, und dem Vorsitzenden der UPRONA-Parlamentsfraktion, Frederic Ngenze buhoro, für ihre sehr positive Rolle danken.
Ich appelliere gleichzeitig an den Parteivorsitzenden der UPRONA, Herrn Mukasa, sowie an den Parteivorsitzenden der FRODEBU, Herrn Dr. Minani, sich diesem eingeleiteten Prozeß nicht zu widersetzen, sondern ihn zum Wohle Burundis und seiner Menschen zu befördern, die so viel in den letzten Jahren gelitten haben. Besonderer Dank gebührt dem burundischen Parlamentspräsidenten, Herrn Leonce Ngendakumana, der mit einem hohen Maß an persönlichem Mut und Einsatzbereitschaft diesen ersten Schritt zur Versöhnung gemacht hat und maßgeblich an dem Zustandekommen des internen Dialogs zwischen Regierung und Nationalversammlung beteiligt war. Daß er endlich sein Land zu einer Auslandsreise verlassen durfte, werten wir als positives Zeichen. Es ist für den Deutschen Bundestag eine Ehre, daß seine erste Auslandsreise über Arusha nach Bonn führte und wir ihn gestern hier begrüßen konnten.
Ich möchte an Sie, Herr Minister Spranger, appellieren, diese wichtigen Schritte zur Kenntnis zu nehmen und dafür zu sorgen, daß auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Ihrem Hause, die an führender Stelle Entscheidungen treffen, diese Schritte zur
Kenntnis nehmen und sich ein Beispiel an der Bundestagspräsidentin nehmen, die nämlich die Kooperation mit dem Parlament wieder ermöglicht hat. Sie sagen immer - ich bitte Sie darum, das auch in diesem Fall umzusetzen -, daß die Entwicklungszusammenarbeit positive Schritte belohne. Hier ist ein Land, das sich in den letzten 14 Tagen im Rahmen seiner Positionen bewegt hat, wie nur ganz wenige andere vor ihm. Männer und Frauen, die sich vorher umbringen wollten, haben sich zusammengerauft und sitzen nun zusammen. Dieser Prozeß muß von der internationalen Staatengemeinschaft unterstützt werden. Deshalb appelliere ich eindringlich an Sie: Sorgen Sie bitte in Ihrem Haus dafür, daß dies so gesehen wird und daß diese positiven Schritte der Menschen in Burundi auch von uns entsprechend unterstützt werden.
Ich möchte nun noch einige Worte zum Konflikt zwischen Eritrea und Äthiopien sagen, vor dem ich fassungslos stehe und für den es meines Erachtens keine rationale Erklärung gibt. Ich appelliere an Sie, vorsichtig mit Schuldzuweisungen zu sein; denn die Informationen, die uns zur Verfügung stehen, sind widersprüchlich. Leider habe ich bisher nur im „Economist" eine ausgewogene Darstellung des Sachverhaltes gelesen und eine Karte mit den umstrittenen Grenzregionen gesehen. Die Berichterstattung in den deutschen Medien hat sich bisher der äthiopischen Interpretation des Konflikts angeschlossen.
Wir sollten an beide Konfliktparteien appellieren, alle militärischen Aktivitäten einzustellen, rhetorisch abzurüsten, die Bürgerinnen und Bürger im eigenen Lande mit der Staatsbürgerschaft des jeweils anderen nicht zu behelligen, Vermittlungsbemühungen der internationalen Staatengemeinschaft ernst zu nehmen und eigene Deeskalationsschritte einzuleiten.
Jeder von uns ist gefordert, sämtliche uns zur Verfügung stehenden Mittel zu nutzen, um den beiden mit der Bundesrepublik befreundeten Ländern - das hat sich ja gezeigt; der Bundespräsident war in beiden Ländern zu Gast - zu helfen, damit sie zu einer friedlichen und gutnachbarschaftlichen Koexistenz zurückfinden können.
Ich danke Ihnen.
Es spricht jetzt der Kollege Roland Kohn.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nur, um das aufzuklären: Dies ist nicht meine letzte Rede. Manche müssen mich morgen noch einmal ertragen.
Roland Kohn
Ich möchte die letzte entwicklungspolitische Debatte in dieser Legislaturperiode zum Anlaß nehmen, mich bei zwei Kollegen besonders für die hervorragende Zusammenarbeit, die wir im Ausschuß hatten, zu bedanken. Das bezieht sich zum einen auf den Kollegen Pinger, den Obmann und Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, der, wie wir heute gelernt haben, wahrscheinlich dem nächsten Parlament nicht mehr angehören wird. Es war außerordentlich erfreulich, in der Koalition mit dem Kollegen Pinger und seiner Gruppe zusammenzuarbeiten. Ich möchte dafür ganz ausdrücklich ein Wort des Dankes sagen.
In gleicher Weise möchte ich mich bei Herrn Professor Hauchler bedanken, der ja zu Beginn dieser Legislaturperiode der Obmann und Sprecher seiner Fraktion für wirtschaftliche Zusammenarbeit gewesen ist. Wir haben in dieser Zeit außerordentlich konstruktiv auch im Obleutegespräch gearbeitet. Ich sage das jetzt, ohne Ihnen zu schmeicheln: Sie haben sehr substantielle Beiträge auch aus wissenschaftlicher Perspektive zur Erhellung des Problems geleistet. Dafür und für Ihr großes Engagement möchte ich Ihnen persönlich ein herzliches Dankeschön sagen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich möchte gerne die Zeit, die mir zur Verfügung steht, dazu benutzen, einige Dinge zu sagen, die in der Öffentlichkeit, glaube ich, häufig falsch gesehen werden. Es wird häufig falsch gesehen, was eigentlich die Motivation für unsere Entwicklungspolitik ist. Es gibt Übereinstimmung bei uns im Ausschuß, daß wir durch unsere Arbeit einen Beitrag zur Zukunft dieser einen Welt, in der wir leben, leisten wollen. Wir wollen, wie es auch hier gesagt wurde, einen Beitrag leisten zum Frieden, zur wirtschaftlichen Zusammenarbeit und zur Sicherung der natürlichen Lebensgrundlagen.
In der Öffentlichkeit wird manchmal der Eindruck erweckt, die Entwicklungspolitik habe keine Erfolge vorzuweisen. Dies ist wirklich völlig falsch. Wir haben erfreulicherweise sehr positive Entwicklungen, wenn auch noch lange nicht alle Blütenträume gereift sind. So ist zum Beispiel seit Mitte der 60er Jahre die Geburtenrate weltweit um ein Drittel zurückgegangen. Die Kindersterblichkeit sank um die Hälfte. Doppelt so viele Länder wie vor 30 Jahren sind heute in der Lage, sich selbst zu ernähren. Gegenüber den 80er Jahren hat sich das durchschnittliche jährliche Wachstum des Bruttosozialproduktes in den Entwicklungsländern verdoppelt. Ich glaube, dies sind Erfolge, die wir zu Recht auch auf eine richtig angelegte Konzeption der Entwicklungspolitik in unserem Lande zurückführen können.
Wir halten es weiterhin für richtig, die Probleme an der Stelle zu bekämpfen, wo sie entstehen; das heißt, vor Ort. Wir tun dies aus einer ethisch-humanitären Überzeugung heraus. Aber ich bekenne mich dazu,
klar zu sagen: Wir tun es auch deshalb, weil eine vernünftige Entwicklungspolitik in unserem wohlverstandenen nationalen Interesse liegt. Denn wir können uns doch vor den Folgen von Armut, von Umweltzerstörung, von Bürgerkriegen und anderen politischen Instabilitäten nicht abschotten. Deswegen haben wir guten Grund dazu, in der Öffentlichkeit offensiv für unseren Politikbereich zu werben.
Für die Zukunft heißt dies: Wir brauchen mehr Kohärenz zwischen den einzelnen Politikbereichen.
Dies gilt insbesondere für unsere Agrar- und Handelspolitik auch auf europäischer Ebene, wenn sie den entwicklungspolitischen Zielsetzungen nicht entspricht. Das ist leider in vielen Bereichen der Fall.
Man muß ebenfalls offen aussprechen: Entwicklungspolitik funktioniert als weltweite Sozialpolitik nicht. Statt dessen müssen wir in den Entwicklungsländern die notwendigen Strukturen schaffen, damit ökonomischer, politischer und sozialer Fortschritt möglich wird. Deswegen sind die Kriterien Rechtsstaatlichkeit, Korruptionsbekämpfung, Nachhaltigkeit und gute Entwicklungsführung der Regierungstätigkeit sowie ganz konsequente Marktwirtschaft wichtige Punkte für die Art und Weise, wie wir unsere Entwicklungspolitik anlegen.
Marktwirtschaft muß aber nicht nur auf dieser Ebene, sondern sie muß auf allen Ebenen der politischen Zusammenarbeit gelten. Deswegen sage ich: Wir brauchen mehr Transparenz und Wirksamkeit im Bereich der staatlichen und privaten Entwicklungszusammenarbeit, verbesserte Kooperation und Koordination zwischen den Projektträgern. Wir brauchen mehr Wirksamkeitsanalysen und mehr Erfolgskontrollen. Auch die Vergabe von Fördermitteln sollte im Wettbewerb der Durchführungsorganisationen bei Geber- und Partnerländern erfolgen.
Es führt kein Weg daran vorbei, daß in Zukunft der Einzelplan 23 noch stärker umstrukturiert werden muß mit klaren sektoralen und regionalen Schwerpunktsetzungen. Das erfordert auch eine stärkere Konzentration auf Förderungsmöglichkeiten mit geringem Zuschußanteil, zum Beispiel die Förderung privater Existenzgründungen, privatwirtschaftliche Infrastrukturprojekte und den verstärkten Einsatz revolvierender Fonds. Ein Förderungsschwerpunkt sollte weiterhin auf dem Aufbau leistungsfähiger und funktionierender Finanzsektoren liegen, eine alte liberale Forderung. Meine frühere Kollegin Ingrid Walz hat die Initiativen dazu ergriffen. In diesen Zusammenhang gehört der Antrag, der heute zum Thema Mikrokreditprogramme vorliegt.
Inzwischen fließt fast sechs Mal so viel privates Kapital in die Entwicklungsländer wie Mittel der öffentlichen Entwicklungszusammenarbeit. Das kann aber nur dann sinnvoll sein, wenn wir gleichzeitig dafür sorgen, daß wir unsere eigenen Märkte für Produkte
Roland Kohn
aus diesen Partnerländern öffnen. Denn sonst macht diese Art von Politik keinen Sinn.
Die Eliten in den Entwicklungsländern müssen wir immer wieder daran erinnern und müssen sie mahnen, daß vor allem sie für die Entwicklung in ihren Ländern verantwortlich sind.
Deshalb müssen sie in denjenigen Ländern, die bisher für privates Kapital nicht attraktiv sind, die entsprechenden rechtlichen, politischen und sozialen Rahmenbedingungen schaffen.
Leider erlaubt es mir die Zeit nicht, an dieser Stelle auf den mehrfach in die Diskussion eingeführten Begriff des Neoliberalismus einzugehen, der in einen völlig falschen Zusammenhang gestellt worden ist: Als wäre es ein Widerspruch, sich zu neoliberalen Prinzipien auf der einen Seite und zu einer konsequenten marktwirtschaftlichen Ausrichtung auf der anderen Seite zu bekennen!
Diese beiden Begriffe gehören zusammen. Sie auseinanderreißen zu wollen führt zu einer systematischen Verzerrung der Wirklichkeit. Insofern, Herr Kollege Hauchler, habe ich am Ende Ihrer Rede zwar aus Respekt für Ihre Arbeit in diesem Hause applaudiert. Nach dem sehr verzerrten Bild, das Sie von der Realität und von den Strukturen der Entwicklungspolitik gezeichnet haben, ist mir das aber - offen gestanden - nicht ganz leicht gefallen. Ich bekenne es.
Nicht zuletzt will ich betonen, daß wir in Zukunft die Frauen noch stärker als bisher in die Planung und Durchführung von Entwicklungsprojekten einbeziehen müssen.
Denn es ist einfach die Wahrheit, daß in vielen Ländern die Frauen die eigentlichen Träger von Entwicklungsorientierung sind.
Zum Schluß möchte ich Ihnen, Herr Entwicklungsminister Spranger, und Ihrem Haus für die vertrauensvolle Zusammenarbeit danken. Ebenso möchte ich der Arbeitsgruppe der CDU/CSU für die gute Kooperation in der Vergangenheit sowie allen Obleuten der Fraktionen danken.
Entwicklungspolitik kann auf Dauer - davon bin ich fest überzeugt - nur erfolgreich sein, wenn wir die Zustimmung unserer Bürger finden. Eine erfolgreiche Entwicklungszusammenarbeit fördert politische Stabilität und hilft, aus Entwicklungsländern starke Wirtschaftspartner zu machen. Damit liegt sie mittel- und langfristig auch in unserem eigenen Interesse. Wir Liberalen kämpfen darum, daß diese erfolgreiche Politik auch nach dem 27. September dieses Jahres in partnerschaftlichem Geist von dieser erfolgreichen bürgerlich-liberalen Koalition fortgesetzt wird.
Denn Entwicklungspolitik ist und bleibt globale Zukunftspolitik.
Vielen Dank.
Auch Ihnen, Herr Kollege Kohn, ganz herzlichen Dank - nicht nur für die Jahre Ihres Hierseins, sondern für Ihre Arbeit. Ich fand das gerade ein schönes Beispiel: Herr Hauchler und dann Herr Kohn - das ist Parlament. Herzlichen Dank und Ihnen alles Gute.
Das Wort hat jetzt der Bundesminister Carl-Dieter Spranger.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die 13. Legislaturperiode geht zu Ende.
- Dazu werden Sie nichts hören, auch keine Andeutungen. Lesen Sie „Die Welt" von heute, dann können Sie lesen: „Alles klingt nach Aufbruch. " So soll es auch sein.
Ich glaube, die Bilanz, die wir vorzeigen können, ist eine Perspektive. Wir haben nicht zurückzublikken, sondern nach vorne zu schauen; denn wir können eine erfolgreiche Bilanz ziehen. Darauf können wir für die Zukunft aufbauen. In der letzten Woche hat sich der Entwicklungsausschuß der OECD im Rahmen seiner üblichen Überprüfungen beim Deutschlandexamen mit der deutschen Entwicklungspolitik beschäftigt. Die Kernaussage dieses international anerkannten Gremiums lautet:
Das deutsche System der Entwicklungszusammenarbeit ist eines der umfassendsten in der Welt und was seine Reichweite, seine Ziele und seine Leistungsfähigkeit angeht, sehr beeindruckend.
Ich glaube, das ist eine klare Antwort auf einzelne Kritikpunkte, die in den letzten Wochen und auch in einigen Anträgen heute der Entwicklungspolitik der Bundesregierung entgegengebracht werden. Der kundige Beobachter weiß, daß dies alles in Wirklichkeit Wahlkampfgeplänkel ist. Ich freue mich darüber, daß auch die Oppositionsfraktionen die Grundlinien der deutschen Entwicklungspolitik mittragen, wohl wissend, daß es dazu eine sinnvolle Alternative nicht gibt. So heißt es im Antrag der SPD zu Reformvorschlägen in der Entwicklungspolitik, die Entwicklungspolitik sei in den letzten Jahrzehnten erfolgreicher gewesen als vielfach angenommen. Lieber Herr Hauchler, vielleicht sollten Sie Ihre Analysen dessen,
Bundesminister Carl-Dieter Spranger
was Herr Kohl meines Erachtens richtig beschrieben hat, überprüfen.
Wenn wir das, was Sie als Reformen vorschlagen, überprüfen, dann können wir feststellen, daß sie entweder bereits verwirklicht oder schon auf den Weg gebracht sind. Beim Ausbau Bonns zu einem Zentrum für internationale Zusammenarbeit sind wir durch die Ansiedlung verschiedener UN-Institutionen ein gutes Stück vorangekommen. Die Zusammenarbeit mit der Wirtschaft wurde in den letzten Jahren wesentlich vertieft. Ein Schwerpunkt unserer Politik ist die Förderung demokratischer Gesellschaftsstrukturen geworden. Die innere Reform des BMZ ist eingeleitet. Die seit kurzem vorliegenden Vorschläge einer Arbeitsgruppe werden zur Zeit breit diskutiert und, soweit kurzfristig möglich, auch umgesetzt.
- Nein, nicht vor der Wahl; vielmehr haben wir das getan, was möglich ist. Auch in der Personalversammlung am Dienstag haben wir im Einvernehmen mit den Mitarbeitern klargestellt, daß einzelne Dinge der Diskussion mit den Ressorts und mit dem Parlament bedürfen. All das können wir nicht in der verbleibenden Zeit bis zu der Bundestagswahl schaffen.
Was wir ablehnen, ist die erneute Forderung nach einem entwicklungspolitischen Gesetz. Das lautet, frei nach Heinz - nicht Ludwig - Erhardt: „Noch'n Gesetz! " - Als wenn wir nicht schon genug Gesetze und Verordnungen hätten! Die Einrichtung neuer Institutionen, Bürokratisierung und Reglementierung ist das Rezept von gestern. Wir setzen auf Innovationsfähigkeit, Pragmatismus, Flexibilität und Erfolgsorientierung.
Die klare Botschaft des Entwicklungsausschusses der OECD lautet: Die deutsche Entwicklungszusammenarbeit funktioniert, und sie hat Erfolg. Die genannten Beispiele - eine überzeugende moderne Konzeption, die besondere Hervorhebung der Armutsbekämpfung, Krisenprävention und enge Zusammenarbeit mit Nichtregierungsorganisationen -ließen sich noch um viele Punkte ergänzen.
Nehmen wir nur den Umweltsektor. Bei Maßnahmen des Waldschutzes und der Wasserwirtschaft halten wir weltweit anerkanntermaßen die Spitzenposition. Es gibt keinen großen Industriestaat, der so konsequent wie wir der Einsicht folgt, daß globaler Umweltschutz in Entwicklungs- und Transformationsländern kostengünstiger und wirksamer als in Industrieländern betrieben werden kann. Viele kennen aus der Entwicklungszusammenarbeit mit China nur den U-Bahn-Bau, der im übrigen auch zum Umweltschutz beiträgt.
Wer aber weiß, daß im Energiesektor derzeit Projekte
mit einem Wert von 1,6 Milliarden DM laufen, die
überwiegend der Modernisierung von Kraftwerken
dienen? Und wer weiß, daß wir in China allein 240 Millionen DM für Aufforstung und Walderhaltung einsetzen?
Von den genannten 1,6 Milliarden DM im Energiesektor werden 776 Millionen DM im Wege der Verbundfinanzierung vom privaten Kapitalmarkt zur Verfügung gestellt. Insgesamt gelang es mit diesem Konzept der Verbundprojekte, den finanziellen Handlungsspielraum des BMZ um bisher mehr als 3 Milliarden DM zu erweitern. Auch dies zähle ich angesichts der finanziellen Rahmenbedingungen zu einem der wichtigsten Erfolge unserer Arbeit. Ich möchte mich hier in besonderer Weise bei den Kolleginnen und Kollegen des Bundestages, ohne die wir dieses neue, wirkungsvolle Instrument nicht hätten, bedanken.
Durchaus sichtbar, aber im einzelnen schwer meßbar ist der Einfluß, den die deutsche EZ auf die Verwirklichung von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in unseren Partnerländern genommen hat. Inzwischen werden jährlich 200 Millionen DM im Rahmen der staatlichen EZ allein für Vorhaben des Menschenrechtsschutzes, der Rechtsreform und anderer Positivmaßnahmen aufgewendet. Die Zahl der Regierungen in den Entwicklungsländern, die aus freien Wahlen hervorgegangen sind, ist in den letzten zehn Jahren von 40 auf 60 Prozent gestiegen. Deutschland ist weltweit drittgrößter Geber. Deshalb nehmen wir mit Recht für uns in Anspruch, zu diesem Ergebnis und zu anderen globalen Erfolgen der Entwicklungspolitik, zum Beispiel der Rückführung der Geburtenrate und Kindersterblichkeit, der Steigerung der Lebenserwartung, der Erhöhung der Einschulungsrate und der Ernährungssicherung aus eigener Kraft maßgeblich beigetragen zu haben.
Deutschlands Zukunft als Wirtschaftsnation liegt zu einem großen Teil in den Entwicklungs- und Übergangsländern. Entwicklungspolitische Zusammenarbeit hilft mit, dieses Potential für unsere Wirtschaft zu erschließen. Deshalb merken immer mehr Menschen, daß Entwicklungszusammenarbeit in unserem ureigenen Interesse liegt und sich für uns alle lohnt.
Unmittelbare wirtschaftliche Vorteile ergeben sich aus den Rückflüssen aus der Entwicklungszusammenarbeit; über 80 Prozent der für Projekte und Programme eingesetzten Gelder fließen in Form von Aufträgen an die deutsche Wirtschaft zurück. Allein an ostdeutsche Firmen wurden von 1991 bis 1997 Aufträge in Höhe von 2,5 Milliarden DM aus dem Haushalt des BMZ vergeben, davon 700 Millionen DM im Jahre 1997. Das trug dazu bei, ostdeutschen Firmen neue zukunftsträchtige Märkte zu erschließen und Arbeitsplätze in den neuen Bundesländern zu sichern.
Meine Damen und Herren, die Entwicklungszusammenarbeit ist ein einzigartiges Gestaltungselement in unseren auswärtigen Beziehungen. Sie kann - wie in der Ausländerpolitik und bei der Rückführungsproblematik - unsere Innenpolitik wirksam flankieren. Sie kann, wie bereits dargelegt, unsere Bemühungen, den Wirtschaftsstandort Deutschland zu stärken, unterstützen. Die Verbindung der Ent-
Bundesminister Carl-Dieter Spranger
wicklungspolitik mit diesen anderen Politikbereichen ist ihre große Chance, ihre Bedeutung im Rahmen der deutschen Gesamtpolitik darzustellen und ihren Stellenwert zu erhöhen.
Gleichzeitig wird dadurch auch ihre Abhängigkeit von anderen politischen Entscheidungen deutlich. Dies ist der eigentliche Grund für die Kohärenzdebatte, die wir in dieser Legislaturperiode vorantreiben konnten, die jedoch sicher noch weitergehen muß.
Mein Ziel war und ist es, unsere Entwicklungspolitik als ein vielseitig einsetzbares, effizientes, flexibles und erfolgreiches Instrument zur Wahrung deutscher Interessen zu stärken und dabei nach klaren Prinzipien und nachvollziehbaren Kriterien zu verfahren. Diesen Weg werden wir weiter konsequent verfolgen.
Als nächsten rufe ich den Abgeordneten Dr. Willibald Jacob auf.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die großen Stichworte der Entwicklungspolitik in den letzten vier Jahren waren Armutsbekämpfung, Hilfe zur Selbsthilfe und Wirtschaftsberatung. Um diese zentralen Stichworte rankte sich ein Kranz von Aufgaben und Problemen. Ich greife in der Kürze der Zeit ein Problem heraus.
So große Bedeutung wie diesen zentralen Stichworten kam der Proklamation eines Paradigmenwechsels in der Entwicklungspolitik am Anfang dieses Jahres durch Herrn Bundesminister Spranger und durch Arbeitgeberpräsident Henkel zu.
Die deutsche Privatwirtschaft wurde zum vornehmsten Entwicklungshelfer erklärt. Unbeantwortet steht die Frage im Raum: Wie soll das geschehen, Herr Bundesminister? Verarmung, Unterentwicklung, Hunger, das Verlernen der Selbsternährung, Flucht, Apathie und Revolte von Völkern werden durch die permanente Wirtschaftspolitik der privaten Geschäftsbanken und multinationalen Großbetriebe verursacht. Auch die Verschuldung und Überschuldung von Entwicklungs- und Schwellenländern hat in dieser Wirtschaftspolitik ihre Ursache. Woher soll Veränderung kommen?
Die Strukturanpassungspolitik der großen Finanzinstitutionen, der Weltbank und des Internationalen Währungsfonds, hat die Misere verstärkt. Die asiatische Finanzkrise hat die oft genannten Vorbilder von Entwicklung beseitigt. Was bleibt? Genau in dieser Situation ist die Hauptsorge der weltweit und kontinental, regional und lokal agierenden Wirtschaftseinheiten von Betrieben und Banken die Absicherung ihrer Gewinne. Ihnen würde ja schon genügen, wenn nationale Parlamente und Regierungen ihr Gewinnstreben durch ein global wirksames Wirtschaftsrecht absichern. Das multilaterale Abkommen zur Sicherung von Investitionsgewinnen, MAI, wäre der entscheidende Schritt dazu - ohne Rücksicht auf vitale Bedürfnisse und Rechte von Bevölkerungen.
Was Globalisierung von Interessen heißt, wissen wir seit 1848 durch einschlägige Dokumente und Manifeste. Was wir nur zum Teil wußten, ist, daß die globalen Spieler nichts dazulernen. So scheint es. Sie verfügen über flexibles Kapital, aber die betroffenen Menschen - von Chiapas bis Osttimor - nur über ihre Empörung. Schuld sind am Ende die, die sich empört haben und verlieren.
Für mich stellt sich die Frage: Wann wird eine deutsche Regierung endlich daran arbeiten, daß die Ursachen für Ausbeutung und Ausgrenzung, für Empörung und Gegengewalt beseitigt werden? Dies wäre ein Beitrag zur zivilen Konfliktbearbeitung in vielen Regionen der Welt.
Die zukünftige Bundesregierung steht vor der enormen Aufgabe, Hoffnungszeichen zu setzen. Deshalb stellt die PDS folgende Forderungen an eine zukünftige Bundesregierung - sie wird damit
- die PDS -, wenn die Wahlen entsprechend verlaufen, die SPD in die Pflicht nehmen -: eine neue Entwicklungspolitik als wirkliche Querschnittsaufgabe; vollständiger und sofortiger Schuldenerlaß für arme Entwicklungsländer, einschließlich des Erlasses der Schulden, die gegenüber der damaligen DDR entstanden waren; Realisierung der alten Zusage von 0,7 Prozent des Bruttosozialproduktes für öffentliche Entwicklungshilfe; Ablehnung des vorliegenden MAI-Vertragstextes; Ernährungssicherheit in den Entwicklungsländern bei kritischer und zurückhaltender Anwendung von Bio- und Gentechnologien;
zivile Konfliktvorbeugung durch gezielte Entwicklungshilfe; Beginn der staatlichen Entwicklungszusammenarbeit mit allen Entwicklungsländern, in denen entsprechend der Schwerpunktsetzung deutscher Entwicklungspolitik Hilfe und Unterstützung geleistet werden kann, also auch mit Kuba.
Wer wie die Bundesrepublik Deutschland durch Exportgewinne sein Leben sichert, ist zu diesen Schritten verpflichtet, als Zeichen dafür, daß auch die Reichen dazulernen könnten, und sei es unter dem Druck der Verhältnisse. Dies gilt allerdings auch für das Leben eines Landes nach innen, also auch in der Bundesrepublik Deutschland selbst. Wer gewinnt, ist den Verlierern verpflichtet. Das ist das soziale Gesetz des Menschen, gegen das wir nicht ungestraft verstoßen können. Auf diese Weise kann die Entwicklungspolitik zur Querschnittsaufgabe für alle Politikberei-
Dr. Willibald Jacob
che werden. Die PDS wird nicht nachlassen, dies zu unterstreichen und zu fordern.
Ich danke Ihnen.
Das war Ihre letzte Rede im Deutschen Bundestag. Sie werden für sich selbst entscheiden, welche Erfahrungen Sie aus diesem Parlament mitnehmen. Wir wünschen Ihnen alles Gute, Herr Jacob.
Ich rufe jetzt die Kollegin Anneliese Augustin auf.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Jacob, das Jammerbild, das Sie von unserer Entwicklungspolitik gezeichnet haben, nachdem wir in unserem Ausschuß in vielen Jahren Hervorragendes geleistet haben, entspricht in keiner Weise der Wirklichkeit.
Ich will auch sonst nicht weiter auf Ihre Rede eingehen.
Ich möchte davon reden, wie gut wir insgesamt, quer durch alle Fraktionen, in diesem Ausschuß gearbeitet haben. Ich stelle fest: Eigentlich hat jeder von uns Themen, die ihn über viele Jahre begleitet haben und die ihm sozusagen ans Herz gewachsen sind. Eines dieser Themen ist für mich das weltweite Bevölkerungswachstum und die Frage, wie wir als Menschheit darauf reagieren. Deshalb freue ich mich, daß ich dieses Thema in meiner letzten Rede vor dem Hohen Hause noch einmal ansprechen darf. Dies tue ich um so lieber, als wir wirklich Erfolge zu verzeichnen haben.
So nehmen viele Staaten in Afrika, Asien und Amerika die Kairoer Konferenz äußerst ernst. Sie verstärken ihre Anstrengungen in diesem Feld, was leider nicht immer gebührend gewürdigt wird. Auch bei uns hat sich in den vergangenen Jahren eine Menge getan. Wir haben uns nach Kräften bemüht, diesen Bereich der Entwicklungszusammenarbeit zu stärken. Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit hat hierzu ein umfassendes Konzept erarbeitet, die Finanzmittel zur Umsetzung wurden erheblich aufgestockt und die zuständigen UN-Organisationen gestärkt. Nicht zuletzt hat unser Bemühen dazu beigetragen, daß dieses Thema auch in der Europäischen Union Bedeutung gewonnen hat.
So gesehen rennt der vorliegende SPD-Antrag, aktive Bevölkerungspolitik als Schwerpunkt in die Entwicklungszusammenarbeit aufzunehmen, Türen ein, die eigentlich seit langem offenstehen, und er
bleibt auch hinter dem zurück, was wir bereits im Jahre 1994 in diesem Haus gemeinsam beschlossen haben.
Von dieser Stelle aus möchte ich mich ausdrücklich bei allen Nichtregierungsorganisationen, Initiativen, Journalisten und Einzelpersonen bedanken, die sich dieses Themas in den letzten Jahren angenommen haben.
Exemplarisch möchte ich die Deutsche Gesellschaft für die Vereinten Nationen sowie die Deutsche Stiftung Weltbevölkerung nennen.
Nicht zuletzt durch deren Bildungsarbeit und Öffentlichkeitsarbeit hat in unserem Land ein Bewußtseinswandel in der Hinsicht stattgefunden, daß Bevölkerungspolitik, Familienplanung und Entwicklung zu den Grundpfeilern einer Welt zählen müssen, die überleben will. Wenn ich an Kairo denke, gewinne ich die Überzeugung: Diese unsere Welt will überleben.
Es gibt bei uns ein geflügeltes Wort, das heißt: einmal Afrika, immer Afrika.
Dies trifft für einige Kolleginnen und Kollegen in unserer Runde zu, und es trifft auch für mich zu.
Wenn man Afrika liebt, schmerzen einen die blutig ausgetragenen Konflikte und Rückschläge um so mehr. Doch wer mich kennt, kennt auch meinen Optimismus und meine positive Einstellung zum Leben. So schaue ich auch mehr auf die Erfolge und die Mut machenden Entwicklungen auf diesem Kontinent.
Zwei Anmerkungen seien mir jedoch gestattet. Die eine richtet sich an unsere eigene Adresse: Ich möchte sie in eine Bitte kleiden, nämlich daß Afrika in diesem Parlament auch künftig die gebührende Beachtung erfährt
und sich auch in der kommenden Legislaturperiode Kolleginnen und Kollegen aus allen Fraktionen finden, die diesen Kontinent auf seinem Weg in eine friedliche und damit bessere Zukunft begleiten.
Die zweite Bitte richtet sich an die Eliten und Machthaber in Afrika. Mögen sie sich ihrer Verantwortung für die Entwicklung aller Regionen ihres Landes, aller dort lebenden Menschen und des gesamten Kontinents bewußt werden.
Anneliese Augustin
Das Stichwort Verantwortung möchte ich auch im Zusammenhang mit dem Referendum in der Westsahara nennen. Was wir dazu beitragen können, werden wir beitragen. Ich appelliere eindringlich an die beiden betroffenen Parteien, konstruktiv und fair an der Vorbereitung und Durchführung des Referendums mitzuwirken und das Ergebnis des Referendums vorbehaltlos anzuerkennen.
Ich wünsche mir allerdings auch, daß beide Seiten intensiver als bisher über den Tag nach dem Referendum nachdenken. Vor allem sollten sie Sorge tragen, daß der unterlegenen Partei die Akzeptanz des Ausgangs der Wahl erleichtert wird. Je verantwortungsvoller in diesem Kontext gehandelt wird, desto größer wird auch unsere Bereitschaft sein, Hilfe zu leisten.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sollten unsere Arbeit als Entwicklungs- und Außenpolitiker nicht zu gering schätzen. Denn es reift nicht zuletzt durch unsere Arbeit die Erkenntnis, daß wir Menschen nur diese eine Welt haben, die es gemeinsam zu erhalten gilt. Ich bin dankbar, daß ich in den letzten Jahren hierzu ein wenig beitragen durfte.
Ich möchte mich bei meinen Kolleginnen und Kollegen von der Fraktion, aber auch fraktionsübergreifend ganz herzlich dafür bedanken, daß sie mich auf diesem Weg so freundschaftlich begleitet haben.
Liebe Kollegin Augustin, auch Ihnen ganz herzlichen Dank für Ihren Optimismus, Ihre positive Sicht der Dinge und Ihr Vermächtnis, mit dieser Grundeinstellung weiterhin Entwicklungspolitik zu betreiben. Herzlichen Dank.
Als nächste spricht die Kollegin Adelheid Tröscher.
Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich hätte nie gedacht, daß ich zu dieser Nachtstunde so viele Abschiedsreden hören würde.
- Nein, Nachtstunde. Das stimmt doch. Das habe ich mir genau überlegt.
Nehmen Sie es mir nicht übel, daß ich nach soviel Lob der Kolleginnen und Kollegen der CDU/CSU und der F.D.P., nach dem Lob von Herrn Pinger und von Herrn Kohn sowie dem Eigenlob von Herrn Spranger ein bißchen kritischer sein werde. Wir wollen ein Fazit der letzten vier Jahre ziehen und gleichzeitig den Blick auf unsere künftige Arbeit richten. Denn so, wie wir einen allgemeinen Politik- und damit auch einen notwendigen Regierungswechsel in Deutschland brauchen, braucht auch die deutsche Entwicklungspolitik und Entwicklungszusammenarbeit eine neue Ausrichtung. Sie ist reformbedürftig.
Die jetzige Bundesregierung ist nicht in der Lage, zu einer nationalen Politik beizutragen, die die gegenwärtigen internationalen Strukturprobleme löst und damit eine nachhaltige Entwicklung fördert.
Minister Spranger trägt die politische Verantwortung dafür, daß das BMZ zu einem reinen Projektministerium geworden ist.
Er trägt die Verantwortung dafür, daß es in der Geschichte des BMZ erstmals einen absoluten Rückgang des BMZ-Haushaltes gibt und der Anteil des BMZ am Gesamthaushalt seit 1982 ständig gesunken ist. Das ist doch wahr. Minister Spranger trägt auch dafür die Verantwortung, daß wir unsere entwicklungspolitische Meinungsführerschaft im internationalen Bereich verloren haben und daß sich die Bundesrepublik bei der Entschuldung armer Länder wie bei der Frage der Beiträge an internationale Institutionen in eine zunehmende Isolierung begeben hat.
Schließlich trägt Minister Spranger die Verantwortung auch dafür, daß die groß angekündigte Strukturreform des BMZ bis jetzt nicht Wirklichkeit geworden ist.
Denn acht Jahre, Herr Minister, hatten Sie für ein Durchführungskonzept Zeit. Nichts ist daraus geworden. Dies ist die dürre Bilanz Ihrer Arbeit. Es ist an der Zeit, daß es im BMZ einen politischen Wechsel gibt.
- Das werden Sie noch rechtzeitig erfahren. Seien Sie nicht so ungeduldig. Bei uns ist Entwicklungspolitik Chefsache.
Heute, unter den Bedingungen der Globalisierung, kommt der Entwicklungspolitik eine zentrale Rolle zu, um zu einer menschenwürdigen, nachhaltigen und zukunftsfähigen Entwicklung beizutragen. Es ist die entwicklungspolitische Kernfrage zu lösen: Wie können die Industrieländer und die internationalen Organisationen dazu beitragen, die Entwicklungsländer so zu unterstützen, daß sie ihre Entwicklungschancen besser nutzen und in dem Prozeß der Globalisierung nicht ausgegrenzt und ausgenutzt werden?
Adelheid Tröscher
Wer die politischen, wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Rahmenbedingungen wirklich verbessern will, wer Armut und Hunger wirklich überwinden will, wer den Umweltschutz intensivieren und zur Krisenvorbeugung wirklich beitragen will, der kommt nicht um die Antwort herum, daß wir unsere Strukturen verändern müssen und eine grundsätzliche Reform der Entwicklungszusammenarbeit und der Entwicklungspolitik brauchen.
Ich nenne einige Beispiele. Erstens ist Entwicklungspolitik stärker als bisher als Querschnittsaufgabe zu organisieren und gesetzlich zu regeln; denn nur wenn verschiedene Politikbereiche wie die Außen-, Wirtschafts-, Sicherheits-, Finanz-, Umwelt-, Handels- und Entwicklungspolitik miteinander vernetzt werden, werden wir dem Politikziel einer international nachhaltigen und zukunftsfähigen Entwicklung gerecht.
Zweitens brauchen wir eine verstärkte aktive Diskussion um politische Schwerpunkte und Zielvorstellungen internationaler Organisationen wie der Weltbank, des Internationalen Währungsfonds und der Organisationen der Vereinten Nationen. Es ist bedauerlich und ein großer politischer Fehler gewesen, daß Minister Spranger nicht die deutsche Federführung bei den großen Weltkonferenzen der letzten Jahre beansprucht hat. Dies muß und wird sich unter einer sozialdemokratisch geführten Bundesregierung ändern.
- Warum nicht?
Drittens ist eine notwendige Reform des BMZ von Herrn Minister Spranger nicht auf den Weg gebracht worden. Das Ministerium muß sich zukünftig auf die politische Führung und Leitung konzentrieren und die Umsetzung kompetenten Durchführungsorganisationen überlassen. Dazu gehört auch, eine pluralistische Durchführungsstruktur zu erhalten, knappe Mittel effizient einzusetzen und eine verstärkte Kooperation zwischen staatlichen und nichtstaatlichen Durchführungsorganisationen anzustreben.
Viertens müssen dem zuständigen BMZ auch Aufgabenbereiche anderer Ressorts übertragen werden, die zur Erfüllung seiner spezifischen Aufgaben notwendig sind. Diese Aufgabe hat Minister Spranger in den letzten Jahren sträflich vernachlässigt. Um mehr Kompetenz muß eben einfach gekämpft werden.
Schließlich, liebe Kolleginnen und Kollegen, brauchen wir eine verbesserte Zusammenarbeit und Ausrichtung der Wirtschaft auf eine nachhaltige Entwicklung und neue Ansätze zur Förderung einer Zivilgesellschaft.
- Herr Kohn, seien Sie doch ruhig. Ich war bei Ihrer Rede auch ruhig.
Kurz: Wir brauchen eine Bundesregierung, die ihren internationalen Verpflichtungen gerecht wird, die die organisatorischen Weichen für eine Strukturreform der deutschen Entwicklungspolitik und Entwicklungszusammenarbeit stellt, und eine Bundesregierung, die die Mittel für entwicklungspolitische Aufgaben erhöht und die vorhandenen Mittel effizienter einsetzt. Wir brauchen Konsequenzen aus längst vorhandenen Einsichten. Die SPD ist dazu bereit, und Sie wissen das.
Zum Schluß meiner Rede möchte ich mich bei meinem Kollegen Ingomar Hauchler sehr herzlich für die faire Zusammenarbeit in all den Jahren bedanken. Ingomar Hauchler war viele Jahre entwicklungspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion. Er hat der Fraktion, aber auch dem AWZ viele Impulse gegeben. Ich möchte mich auch ausdrücklich für seine Rede bedanken, die im Gegensatz zu anderen Reden hier einige Visionen aufgezeigt hat.
Er weiß, daß Entwicklungspolitik ein langsamer Prozeß ist, bei dem viele Verbündete, rechts wie links, gebraucht werden. Ich hoffe, daß du, lieber Ingomar, uns weiterhin von außen als Berater zur Seite stehen wirst.
Bedanken möchte ich mich bei allen Obleuten, mit denen wir eine faire Zusammenarbeit hatten. In der Tat, Herr Pinger, sind wir in einigen Bereichen ja doch einer Meinung gewesen und konnten auch einiges zusammen auf den Weg bringen. Das sage ich aber nicht, um etwa die Kritik am Hause des BMZ zu schmälern.
- Nein, das habe ich auch nicht gesagt. Ich will nur nicht die zuvor geäußerte Kritik relativieren.
Herzlichen Dank.
Jetzt spricht der Kollege Helmut Jawurek.
Guten Morgen, Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Trotz der fortgeschrittenen Stunde möchte ich noch ein sehr ernstes Thema ansprechen, das uns alle angeht, nämlich die Bewältigung von Krisen und Konflikten, deren Ursachen sehr häufig in ethnischen und religiösen Gegensätzen sowie innerstaatlichen Spannungen, aber auch in Armut zu sehen sind. Die Flüchtlingsbewegungen, die als Folge daraus entstehen, machen natürlich nicht halt vor staatlichen Grenzen. Das haben wir auch bei uns mitten in Europa erlebt. Der schreckliche Krieg im ehemaligen Jugoslawien hat uns dies deutlich vor Augen geführt. Über 400 000 Bürgerkriegsflüchtlinge und Vertriebene haben bei uns in Deutschland zumindest vor-
Helmut Jawurek
übergehend Aufnahme gefunden. Darum haben wir eine Initiative zur Verstärkung deutscher Beiträge zu Krisenprävention und Friedenspolitik eingebracht.
Eine Anhörung im Deutschen Bundestag hat im November 1997 die Möglichkeiten, die Bedeutung, aber auch die Grenzen von Konfliktprävention und zivilem Friedensdienst sehr deutlich herausgestellt. Uns allen ist bewußt, daß Entwicklungszusammenarbeit nicht in jedem Fall Konflikte verhindert. Oftmals hat es sogar, wenn wir ehrlich sind, vor dem Ausbruch von gewalttätigen Auseinandersetzungen sehr erfolgreiche entwicklungspolitische Projekte und Entwicklungen in den jeweiligen Ländern gegeben.
In anderen Fällen wurde erst Nothilfe geleistet und danach die Entwicklungszusammenarbeit aufgenommen.
Als Ergebnis der erwähnten Anhörung kann man zusammenfassen, daß es in beiden Fällen Lücken gibt, wo Handlungsbedarf vorhanden ist. Zweifellos kann ein ziviler Friedensdienst diese Lücke theoretisch zumindest teilweise schließen. Die Anhörung hat aber ebenfalls sehr deutlich ergeben, daß der zivile Friedensdienst wie zum Beispiel in den Fällen Ruanda oder Burundi auch berechtigte Bedenken aufwirft. Problematisch sind auch die Fälle, wo die Politik sozusagen versagt hat und wir einerseits die Entwicklungshelfer abziehen, andererseits aber zivile Friedenshelfer in den Konflikt geschickt werden sollen. Daher haben wir ein Paket von Vorschlägen entwickelt, damit wir unterhalb der Schwelle von Gewaltanwendung Krisenprävention und Friedenspolitik verstärkt betreiben können. Dies möchte ich aber auf Grund der kurzen Redezeit nicht im einzelnen vortragen.
Wir begrüßen den Beitrag, den Nichtregierungsorganisationen auf nationaler und internationaler Ebene zur Prävention von Krisen und zur Sicherung des Friedens leisten und leisten können. Aktive Entwicklungs- und Friedenspolitik bedeutet aber auch innerhalb der Bundesministerien, Herr Minister, eine verstärkte Politikkoordinierung und ein dringend nötiges Weiterentwickeln der Kompetenzen des BMZ als Querschnittsministerium.
Die heutige Debatte hat gezeigt, daß in diesem Haus zumindest bei denen, die um diese mitternächtliche Stunde noch anwesend sind, der Wille vorhanden ist, Sie in diesem Bestreben zu unterstützen, obwohl wir alle - das müssen wir uns ehrlich eingestehen - in unseren eigenen Fraktionen noch viel Überzeugungsarbeit leisten müssen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Friedensdienst ist sicher kein Patentrezept zur Konfliktvermeidung. Ich gestehe ehrlich ein, daß ich selber nicht geringe Zweifel hege, ob ein solches Instrument in der Praxis wirklich in allen Fällen eine breite Wirkung entfalten kann. So kann ich mir kaum vorstellen, daß sich der Hauptverantwortliche in dem schrecklichen Krieg im ehemaligen Jugoslawien, Milosevic, durch irgendeine nichtmilitärische Option hätte abhalten lassen,
sein Werk zu vollenden. Im Gegenteil, ich bin sogar fest davon überzeugt, daß erst die militärische Ebenbürtigkeit der vermeintlichen Opfer, der Moslems und Kroaten, sowie die militärische Entschlossenheit auch nach langem Zögern der Vereinten Nationen und der NATO das monate- und jahrelange Taktieren beendet haben.
Ich hoffe - ich glaube, wir alle hoffen dies -, daß den Kosovo-Albanern das Schicksal der Menschen in Bosnien-Herzegowina erspart bleibt. Leider aber zeichnen sich so manche Parallelen ab. Trotz aller Skepsis sollten wir bei jeder Art von Konflikt im Vorfeld auch alle nichtmilitärischen Optionen nutzen. Da kann auch der zivile Friedensdienst einen Beitrag leisten.
Daß Konfliktverhütung und Friedenserhaltung gerade auch für Afrika ein Schwerpunktthema bleiben müssen, brauche ich nicht besonders zu betonen; Frau Kollegin Augustin hat das bereits getan.
Lassen Sie mich abschließend kurz einige Worte zum Multilateralen Investitionsabkommen im Rahmen der OSZE sagen. Wir haben heute im Ausschuß darüber debattiert - ich bin der SPD-Fraktion sehr dankbar, daß sie ihren Entschließungsantrag zurückgezogen hat -, daß wir die Erörterung und die Anhörungen im Herbst noch abwarten und uns dann bemühen, eine gemeinsame Haltung zu finden. Der vorliegende Entwurf ist, wie ich glaube, sehr gut geglückt. Es ist ein ausdrückliches Verbot vorgesehen, bei Investitionsanwerbungen umweit- und sozialpolitische Standards zu senken. Es sind gute Ansätze vorhanden. Von daher sehen wir den Beratungen mit Zuversicht entgegen.
Vielen Dank.
Als letzter in der Debatte redet der Kollege Dr. Werner Schuster.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Für mich endet die 13. Wahlperiode im Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit mit der erfreulichen Erfahrung, daß es in der Entwicklungszusammenarbeit selbst bei einem so komplexen und schwierigen Thema wie der nachhaltigen Wirksamkeit parteiübergreifend zu einem Konsens kommen kann. Das allerdings ist leider die Ausnahme.
Die SPD hat in dieser Wahlperiode einige grundsätzliche Vorschläge für einen höheren Stellenwert bei der Entwicklungszusammenarbeit und eine effektivere Vorgehensweise eingebracht. Ich erinnere Sie an das entwicklungspolitische Gesetz, an die stärkere Unterstützung der Arbeit der Nichtregierungsorganisationen - auch zu verstehen als innenpolitische Lobbyarbeit -, an die Vorschläge zur Verstetigung und Flexibilisierung des knappen BMZ-Budgets oder aber an die bereits erwähnten Reformvorschläge zur Struktur der EZ und ähnliches.
Dr. R. Werner Schuster
Diese Vorschläge haben leider nicht die Zustimmung der Regierungskoalitionen erfahren, teilweise mit einer Begründung, die mich an eine Volksweisheit erinnert: Mögen täte ich schon, aber dürfen darf ich nicht.
Selbst die für die Region Bonn wichtige Forderung, Bonn als Zentrum für internationale Zusammenarbeit auszubauen, wird heute nur deshalb einstimmig beschlossen, weil wir als SPD Ihnen nachgegeben haben.
Leider hat auch diese Legislaturperiode erneut bestätigt, daß durch politische Rituale die Unterschiede im Milligrammbereich die grundsätzlichen Übereinstimmungen im Tonnenbereich verdecken. Dies ist - da stimme ich Herrn Pinger zu - angesichts der uns allen bewußten Not von 80 Prozent der Weltbevölkerung beschämend für unsere Politikkultur. Ich wünsche mir für die nächste Wahlperiode einen Entwicklungsminister oder eine Entwicklungsministerin, der oder die es sich leisten kann, sich der parteiübergreifenden konstruktiven Kritik des AWZ bzw. des Parlaments souverän zu stellen, und eine Regierungskoalition, welche die von der Verfassung vorgesehene Arbeitsteilung von Exekutive und Legislative auch wirklich ernst nimmt.
Vor diesem Hintergrund bin ich Ihnen, meine Damen und Herren von den Regierungsfraktionen, insbesondere Herrn Pinger, außerordentlich dankbar, daß Sie beim Thema Nachhaltigkeit und Evaluation die Empfindlichkeiten des BMZ - diese waren ja nicht zu überhören - hintanstellen.
Zweifellos hat unser ursprünglicher Antrag zur systematischen Erfolgskontrolle durch den gemeinsam mit vielen Betroffenen geführten Diskussionsprozeß, nicht zuletzt durch den Workshop im Herbst letzten Jahres, eine deutliche Akzentverschiebung erhalten. Das ist gut so. Wir haben uns gemeinsam auf einige Grundsätze für die zukünftige Entwicklungszusammenarbeit verständigt, deren Langzeitwirkung für die praktische Arbeit des BMZ und seiner Durchführungsorganisationen nicht hoch genug eingeschätzt werden kann.
Da ist die Erkenntnis, daß die geförderten Zielgruppen in den Entwicklungsländern die eigentlichen Träger und Garanten von nachhaltiger Entwicklung sind und daß sie deshalb bereits bei der Planung, der Durchführung und der Evaluation von EZ-Maßnahmen mit eingebunden werden müssen. Da ist darüber hinaus die Erkenntnis, daß auch die Kriterienkataloge zur Überprüfung von nachhaltiger Wirksamkeit trägerübergreifend, das heißt von GTZ/ KfW über Kirchen, politische Stiftungen, bis hin zu den Nichtregierungsorganisationen, genauso notwendig sind wie standardisierte Methoden zur internen und externen Evaluation.
Da ist aber auch die Erkenntnis, daß die Ergebnisse von externen Evaluationen zentral in einer vom BMZ unabhängigen Institution als institutionellem Gedächtnis für alle in der EZ engagierten Institutionen zur Verfügung gestellt werden müßten. Damit wollen wir deutlich machen, daß Entwicklung einen Prozeß darstellt, welcher den Partnern auf beiden Seiten, den Geber- wie den Nehmerländern, die manchmal schmerzhafte Bereitschaft zum interaktiven Lernen abverlangt.
Schließlich gibt es dabei die Erkenntnis, daß nachhaltige Wirksamkeit in der Entwicklungszusammenarbeit nur möglich ist, wenn wir uns im Norden unserer Vorbildfunktion bewußt werden
und damit die Verpflichtungen von Rio in Form der Lokalen Agenda 21 auch bei uns konsequent und unverzüglich umsetzen.
Meine Damen und Herren, wenn wir diese Erkenntnisse in den nächsten Jahren gemeinsam umsetzen, könnten wir Entwicklungspolitiker auch ein Modell für andere Politikbereiche schaffen. Warum eigentlich sollten Konzepte der nachhaltigen Wirksamkeit und einer systematischen Erfolgskontrolle nicht auch für Sozialpolitik, Gesundheitspolitik oder gar auch Verteidigungspolitik gelten? Erfolgskontrolle darf in Bonn kein unbekanntes Wesen mehr bleiben.
Aus der Entwicklungszusammenarbeit lernen - in diesem doppelten Sinne, meine Damen und Herren -, das scheint mir für die nächste Legislaturperiode für uns eine überaus lohnenswerte Aufgabe zu werden.
Ich bedanke mich.
Ich schließe die Aussprache.
Ich denke, wir haben heute abend gelernt, daß dies ein guter Ausschuß mit einem guten Vorsitzenden ist. Vielen Dank für die Arbeit.
- Je früher die Stunde, desto besser die Beteiligung.
- Ich habe gerade gedacht, wir verlegen am besten immer den Beginn der Sitzung von 9 Uhr auf 2 Uhr.
Wir kommen zu den Abstimmungen, und zwar zunächst zu Tagesordnungspunkt 12 a: Beschlußempfehlung des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung zu den Anträgen der Fraktion der CDU/CSU und der F.D.P. sowie der Fraktion der SPD zur Armutsbekämpfung auf Drucksache 13/10921. Der Ausschuß empfiehlt, die Anträge auf Drucksache 13/9601 und 13/10027 zusammengefaßt in der Ausschußfassung anzunehmen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Ich stelle fest: Die Beschlußempfehlung ist einstimmig angenommen.
Präsidentin Dr. Rita Süssmuth
Wir kommen zur Abstimmung über den Tagesordnungspunkt 12b: Beschlußempfehlung des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung zu dem Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und der F.D.P. zur Verstärkung deutscher Beiträge zur Krisenprävention und Friedenspolitik auf Drucksache 13/10799 Buchstabe a. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 13/6389 anzunehmen. Wer stimmt für die Beschlußempfehlung? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen der CDU/CSU und der F.D.P. gegen die Stimmen der PDS bei Enthaltung von SPD und Bündnis 90/Die Grünen angenommen.
Beschlußempfehlung des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung zu dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zu Maßnahmen der Entwicklungszusammenarbeit als Beitrag zu einer Politik der Krisenprävention und zivilen Konfliktbearbeitung auf Drucksache 13/10799 Buchstabe b. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 13/6713 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen der CDU/CSU und der F.D.P. gegen die Stimmen der SPD, des Bündnisses 90/Die Grünen und der Gruppe der PDS angenommen.
Tagesordnungspunkt 12 c: Beschlußempfehlung des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Fraktion der SPD „Priorität für eine Politik der zivilen Krisenprävention und Konfliktregelung", Drucksache 13/10457. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 13/6999 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen der CDU/CSU und der F.D.P. gegen die Stimmen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und PDS angenommen.
Tagesordnungspunkt 12 d: Beschlußempfehlung des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Gruppe der PDS zur zivilen und nichtmilitärischen Konfliktbearbeitung und Friedenssicherung, Drucksache 13/11019. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 13/9643 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen von CDU/CSU, SPD, Bündnis 90/Die Grünen und F.D.P. gegen die Stimmen der PDS angenommen.
Tagesordnungspunkt 12 e: Beschlußempfehlung des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung zu dem Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und der F.D.P. zur Weiterentwicklung des Zentrums für internationale Zusammenarbeit in Bonn, Drucksache 13/10898 Buchstabe a. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 13/ 10018 anzunehmen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen der CDU/ CSU, der SPD und der F.D.P. gegen die Stimmen eines Teils der PDS bei zwei Enthaltungen von Bündnis 90/Die Grünen und einer Enthaltung von der PDS angenommen.
Beschlußempfehlung des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung zu dem Antrag der Fraktion der SPD zur Weiterentwicklung des Zentrums für Internationale Zusammenarbeit, Drucksache 13/10898 Buchstabe b. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 13/9769 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen der CDU/ CSU und der F.D.P. gegen die Stimmen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen bei Enthaltung der PDS angenommen.
Tagesordnungspunkt 12 f: Beschlußempfehlung des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung zu dem Antrag der Fraktion der SPD zur Förderung der Nichtregierungsorganisationen in der Entwicklungszusammenarbeit, Drucksache 13/10885. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 13/9603 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen der CDU/CSU und der F.D.P. gegen die Stimmen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und PDS angenommen.
Tagesordnungspunkt 12 g: Beschlußempfehlung des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung zu dem Antrag der Fraktion der SPD zur Finanzierung deutscher Entwicklungszusammenarbeit, Drucksache 13/10886. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 13/9412 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen der CDU/CSU und der F.D.P. gegen die Stimmen der SPD bei Enthaltung von Bündnis 90/Die Grünen und PDS angenommen.
Tagesordnungspunkt 12 h: Beschlußempfehlung des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung zu dem Antrag der Fraktion der SPD zu einem zivilen Friedensdienst, Drucksache 13/ 10887. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 13/6204 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen der CDU/CSU und der F.D.P. gegen die Stimmen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und PDS angenommen.
Tagesordnungspunkt 12 i: Beschlußempfehlung des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung zu dem Antrag der Fraktion der SPD zu Reformvorschlägen zur Struktur der Entwicklungszusammenarbeit, Drucksache 13/10922. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 13/ 10230 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegenstimmen! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen der CDU/CSU und F.D.P. gegen die Stimmen der SPD bei Enthaltung von Bündnis 90/Die Grünen und PDS angenommen.
Tagesordnungspunkt 12j: Beschlußempfehlung des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung zu dem Antrag der Fraktion der SPD zur entwicklungspolitischen Bildung im Zeital-
Präsidentin Dr. Rita Süssmuth
ter der Globalisierung auf Drucksache 13/10897. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 13/ 9607 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegenstimmen! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen der CDU/CSU und F.D.P. gegen die Stimmen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und PDS angenommen.
Tagesordnungspunkt 12 k: Beschlußempfehlung des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung zu dem Antrag der Fraktion der SPD zu einer systematischen Erfolgskontrolle von Projekten und Programmen der bilateralen Entwicklungszusammenarbeit auf Drucksache 13/10857. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 13/ 4120 in der Ausschußfassung anzunehmen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegenstimmen! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen von CDU/CSU, SPD, Bündnis 90/ Die Grünen und F.D.P. bei Enthaltung der PDS angenommen.
Tagesordnungspunkt 121: Beschlußempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft zu dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zu einem sozial, ökonomisch und ökologisch nachhaltigen multilateralen Investitionsabkommen auf Drucksache 13/ 11015 Buchstabe a. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 13/10410 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegenstimmen! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen der CDU/CSU, SPD und F.D.P. gegen die Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen bei Enthaltung der PDS angenommen.
Beschlußempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft zu dem Antrag der Gruppe der PDS zur Veröffentlichung des Vertragsentwurfs zu dem Multilateralen Investitionsabkommen auf Drucksache 13/ 11015 Buchstabe b. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 13/10083 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegenstimmen! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen von CDU/CSU, SPD, Bündnis 90/ Die Grünen und F.D.P. gegen die Stimmen der PDS angenommen.
Tagesordnungspunkt 12m: Beschlußempfehlung des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Fraktion der SPD zu Europas gemeinsamer Verantwortung für Afrika auf Drucksache 13/10693. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 13/ 10035 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegenstimmen! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen der CDU/CSU und F.D.P. gegen die Stimmen der SPD bei Enthaltung von Bündnis 90/Die Grünen und PDS angenommen.
Tagesordnungspunkt 12 n: Beschlußempfehlung des Auswärtigen Ausschusses zu dem gemeinsamen Antrag der Fraktionen CDU/CSU, SPD, Bündnis 90/ Die Grünen und F.D.P. zur Unterstützung der neuen Friedensinitiative zur Beilegung des Westsaharakonflikts auf Drucksache 13/10692. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 13/10025 anzunehmen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist einstimmig angenommen.
Tagesordnungspunkt 12 o: Beschlußempfehlung des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung zu dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zur Unterstützung des politischen Neuanfangs und des Wiederaufbaus in der Demokratischen Republik Kongo auf Drucksache 13/ 10584. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 13/7708 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegenstimmen! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen der CDU/CSU und F.D.P. gegen die Stimmen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und PDS angenommen.
Tagesordnungspunkt 12p: Beschlußempfehlung des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung zu dem Antrag der Gruppe der PDS zur Aufnahme der Entwicklungszusammenarbeit mit Kuba, Drucksache 13/10927. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 13/10067 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Damit ist die Beschlußempfehlung mit den Stimmen von CDU/ CSU, SPD, Bündnis 90/Die Grünen und F.D.P. gegen die Stimmen der PDS angenommen.
Tagesordnungspunkt 12 q: Beschlußempfehlung des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung zu dem Antrag der Fraktion der SPD zur Stärkung demokratischer Institutionen und der Rolle von Nichtregierungsorganisationen in den palästinensischen Autonomiegebieten, Drucksache 13/10858. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 13/9249 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen von CDU/CSU und F.D.P. gegen die Stimmen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und PDS angenommen.
Tagesordnungspunkt 12 r: Beschlußempfehlung des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung zu dem Antrag der Fraktion der SPD zu einer aktiven Bevölkerungspolitik als Schwerpunkt in der Entwicklungszusammenarbeit, Drucksache 13/10771. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 13/9608 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen von CDU/CSU und F.D.P. gegen die Stimmen von SPD und PDS bei Enthaltung des Bündnisses 90/Die Grünen angenommen.
Tagesordnungspunkt 12s: Beschlußempfehlung des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung zu dem Bericht über die Auswirkungen moderner Biotechnologien auf Entwicklungsländer, Drucksachen 13/4933 und 13/ 10552 Buchstabe a. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen von CDU/CSU, SPD und F.D.P. gegen die Stim-
Präsidentin Dr. Rita Süssmuth
men von Bündnis 90/Die Grünen und PDS angenommen.
Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 13/10993. Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Entschließungsantrag ist mit den Stimmen von CDU/CSU und F.D.P. bei Enthaltung der SPD und Zustimmung des Bündnisses 90/Die Grünen und der PDS abgelehnt.
Noch Tagesordnungspunkt 12s: Beschlußempfehlung des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung zu dem Antrag der Gruppe der PDS zu dem Endbericht über die Auswirkungen moderner Biotechnologien auf Entwicklungsländer, Drucksache 13/10552 Buchstabe b. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 13/7902 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Damit ist diese Beschlußempfehlung mit den Stimmen von CDU/ CSU, SPD und F.D.P. bei Enthaltung des Bündnisses 90/Die Grünen gegen die Stimmen der PDS angenommen.
Tagesordnungspunkt 12 t: Beschlußempfehlung des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung zu dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zur Ablehnung einer Weltbankbeteiligung am Tschad/Kamerun-Öl- und -Pipelineprojekt, Drucksache 13/11017 Buchstabe a. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 13/ 8321 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Damit ist diese Beschlußempfehlung mit den Stimmen von CDU/CSU und F.D.P. bei Enthaltung der SPD gegen die Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen und PDS angenommen.
Der Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung empfiehlt unter Buchstabe b seiner Beschlußempfehlung auf Drucksache 13/11017 die Annahme einer Entschließung. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist einstimmig angenommen.
Zusatzpunkt 13: Abstimmung über den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zur Reform der Entwicklungszusammenarbeit, Drucksache 13/10965. Wer stimmt für diesen Antrag? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Antrag ist mit den Stimmen der CDU/CSU, F.D.P. bei Enthaltung der SPD gegen die Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen und PDS abgelehnt.
Zusatzpunkt 14: Interfraktionell wird Überweisung des Antrags der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zur friedliche Beilegung des Konflikts zwischen Eritrea und Äthiopien auf Drucksache 13/10964 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Die Federführung soll allerdings beim Auswärtigen Auschuß liegen. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung beschlossen.
Ich rufe die Tagesordnungspunkte 13 a und 13 b auf:
a) Erste Beratung des von den Abgeordneten Cem Özdemir, Gerald Häfner, Manfred Such, weiteren Abgeordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes
- Drucksache 13/9301 —
Überweisungsvorschlag:
Innenausschuß
Rechtsausschuß
Ausschuß für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Ausschuß für die Angelegenheiten der Europäischen Union
b) Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes
- Drucksache 13/9338 —
Überweis ungsvorschlag:
Innenausschuß
Rechtsausschuß
Ausschuß für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Ausschuß für die Angelegenheiten der Europäischen Union
Die Fraktionen sind zwischenzeitlich übereingekommen, die Redebeiträge zu diesem Tagesordnungspunkt zu Protokoll zu geben. Das gilt für die Kollegen Erwin Marschewski, Dr. Ekkehard Wien-holtz, Cem Özdemir, Dr. Max Stadler, Ulla Jelpke.*)
Interfraktionell wird Überweisung der Gesetzentwürfe auf den Drucksachen 13/9301 und 13/9338 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Gibt es dazu anderweitige Vorschläge? - Das ist nicht der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen.
Ich rufe die Tagesordnungspunkte 14 a und 14 b auf:
a) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft
- zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Friedbert Pflüger, Kurt-Dieter Grill, Gunnar Uldall und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Detlef Kleinert , Walter Hirche, Günther Bredehorn, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der F.D.P.
EXPO 2000
- zu dem Antrag der Abgeordneten Edelgard Bulmahn, Gerd Andres, Arne Börnsen , weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD
EXPO 2000
*) Anlage 9
Präsidentin Dr. Rita Süssmuth
- zu dem Antrag der Abgeordneten Steffi Lemke, Dr. Helmut Lippelt, Gila Altmann , weiterer Abgeordneter und der Fraktion der BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
EXPO 2000
- zu dem Antrag der Abgeordneten Rolf Köhne, Dr. Gregor Gysi und der Gruppe der PDS
Auflösung der Verträge zur Weltausstellung EXPO 2000
- Drucksachen 13/4367, 13/4887, 13/5058, 13/ 4668, 13/7964 -
Berichterstattung:
Abgeordneter Ernst Schwanhold
b) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Bildung, Wissenschaft, Forschung, Technologie und Technikfolgenabschätzung zu dem Bericht des Ausschusses für Bildung, Wissenschaft, Forschung, Technologie und Technikfolgenabschätzung (19. Ausschuß) gemäß § 56a der Geschäftsordnung
Technikfolgenabschätzung
hier: Machbarkeitsstudie zu einem „Forum für Wissenschaft und Technik"
- Drucksachen 13/6451, 13/8755 -Berichterstattung:
Abgeordnete Erich Maaß Edelgard Bulmahn
Dr. Manuel Kiper
Dr. Karlheinz Guttmacher
Wolfgang Bierstedt
Auch hier wurden die Beiträge - der Kollegen Dr. Friedbert Pflüger, Edelgard Bulmahn, Dr. Helmut Lippelt, Walter Hirche, Rolf Köhne und des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. Heinrich Kolb - zu Protokoll gegeben.*)
Wir kommen zur Beschlußempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft zu den Anträgen zur Expo 2000. Der Ausschuß für Wirtschaft empfiehlt unter Nr. I seiner Beschlußempfehlung auf Drucksache 13/7964 die Annahme einer Entschließung. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegenstimmen! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen der CDU/CSU, SPD und F.D.P. gegen die Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen und PDS angenommen.
Beschlußempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft zu dem Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und der F.D.P. zur Expo 2000, Drucksache 13/7964 Nr. II. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 13/4367 für erledigt zu erklären. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegenstimmen! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist einstimmig angenommen.
*) Anlage 10
Beschlußempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft zu dem Antrag der Fraktion der SPD zur Expo 2000, Drucksache 13/7964 Nr. II. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 13/4887 ebenfalls für erledigt zu erklären. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegenstimmen! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist einstimmig angenommen.
Beschlußempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft zu dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zur Expo 2000, Drucksache 13/7964 Nr. III. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 13/5058 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegenstimmen! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen der CDU/CSU, SPD und F.D.P. gegen die Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen und PDS angenommen.
Beschlußempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft zu dem Antrag der Gruppe der PDS zur Auflösung der Verträge zur Weltausstellung Expo 2000, Drucksache 13/7964 Nummer III. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 13/4668 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und F.D.P. gegen die Stimmen der Gruppe der PDS bei Enthaltung der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen angenommen.
Beschlußempfehlung des Ausschusses für Bildung, Wissenschaft, Forschung, Technologie und Technikfolgenabschätzung zu der Machbarkeitsstudie zu einem „Forum für Wissenschaft und Technik", Drucksachen 13/6451 und 13/8755. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, Bündnis 90/Die Grünen und F.D.P. gegen die Stimmen der Gruppe der PDS angenommen.
Ich rufe die Tagesordnungspunkte 15a bis 15c auf:
a) - Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung der Bundesnotarordnung und anderer Gesetze
- Drucksache 13/4184 -
- Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Verordnung über die Tätigkeit von Notaren in eigener Praxis
- Drucksache 13/2023 -
Beschlußempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses
- Drucksache 13/11034 - Berichterstattung:
Abgeordnete Alfred Hartenbach Detlef Kleinert
Dr. Bertold Reinartz
Margot von Renesse
Präsidentin Dr. Rita Süssmuth
b) - Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Bundesrechtsanwaltsordnung, der Patentanwaltsordnung und anderer Gesetze
- Drucksachen 13/9820, 13/10123 -
- Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Bundesrechtsanwaltsordnung
- Drucksache 13/9610 -
Beschlußempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses
- Drucksache 13/11035 - Berichterstattung:
Abgeordnete Horst Eylmann Joachim Gres
Alfred Hartenbach
Margot von Renesse
Detlef Kleinert
c) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Umwandlungsgesetzes
- Drucksache 13/8808 -
Beschlußempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses
- Drucksache 13/10955 - Berichterstattung:
Abgeordnete Joachim Gres Peter Enders
Detlef Kleinert
Auch hier sind die Beiträge zu Protokoll gegeben worden. Es handelt sich um die Beiträge der Kollegen Horst Eylmann, Dr. Bertold Reinartz, Alfred Hartenbach, Volker Beck, Detlef Kleinert,*') Uwe-Jens Heuer und Bundesminister Dr. Edzard Schmidt-Jortzig.**)
Wir kommen zur Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurf zur Änderung der Bundesnotarordnung und anderer Gesetze, Drucksachen 13/4184 und 13/11034 Buchstabe a. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschußfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Damit ist der Gesetzentwurf in zweiter Beratung mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/
*) Redebeitrag lag zu Redaktionsschluß noch nicht vor. **) Anlage 11
CSU, SPD und F.D.P. bei Enthaltung der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und der Gruppe der PDS angenommen.
Dritte Beratung
und Schlußabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist in dritter Beratung mit demselben Stimmenverhältnis wie eben angenommen.
Beschlußempfehlung des Rechtsausschusses zu dem Gesetzentwurf des Bundesrates zur Änderung der Verordnung über die Tätigkeit von Notaren in eigener Praxis, Drucksache 13/11034 Buchstabe b. Der Ausschuß empfiehlt, den Gesetzentwurf auf Drucksache 13/2023 für erledigt zu erklären. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist einstimmig angenommen.
Wir kommen zur Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurf zur Änderung der Bundesrechtsanwaltsordnung, der Patentanwaltsordnung und anderer Gesetze, Drucksachen 13/9820, 13/10123 und 13/11035 Buchstabe a. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschußfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist in zweiter Beratung mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, Bündnis 90/ Die Grünen und F.D.P. bei Enthaltung der Gruppe der PDS angenommen.
Dritte Beratung
und Schlußabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist mit demselben Stimmenverhältnis wie eben angenommen.
Beschlußempfehlung des Rechtsausschusses zum Gesetzentwurf des Bundesrates zur Änderung der Bundesrechtsanwaltsordnung, Drucksache 13/11035 Buchstabe b. Der Ausschuß empfiehlt, den Gesetzentwurf auf Drucksache 13/9610 für erledigt zu erklären. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist einstimmig angenommen.
Tagesordnungspunkt 15 c: Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Umwandlungsgesetzes, Drucksachen 13/8808 und 13/10955. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschußfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Damit ist der Gesetzentwurf in zweiter Beratung mit den Stimmen von CDU/CSU, SPD, F.D.P. und PDS bei Enthaltung von Bündnis 90/Die Grünen angenommen.
Dritte Beratung
und Schlußabstimmung. Ich bitte diejenigen die dem
Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. -
Präsidentin Dr. Rita Süssmuth
Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist mit demselben Stimmenverhältnis angenommen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 16 auf.
Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
- zu dem Antrag der Fraktionen CDU/CSU und F.D.P.
Gewässer schützen - Kosten senken
- zu dem Entschließungsantrag der Fraktion der SPD zur Großen Anfrage der Abgeordneten Susanne Kastner, Michael Müller , Hermann Bachmaier, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD
Umwelt- und sozialverträgliche Abwasserbehandlung und -vermeidung
- zu dem Antrag der Abgeordneten Eva-Maria Bulling-Schröter, Dr. Uwe-Jens Rössel, Dr. Dagmar Enkelmann, weiterer Abgeordneter und der Gruppe der PDS
Ökologische und bezahlbare Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung
- Drucksachen 13/3490, 13/1057, 13/3095, 13/ 3512, 13/3494, 13/11023 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Kurt-Dieter Grill Susanne Kastner
Dr. Jürgen Rochlitz
Birgit Homburger
Auch hier sind Debattenbeiträge zu Protokoll gegeben worden: von Kurt-Dieter Grill, Susanne Kastner, Dr. Jürgen Rochlitz, Birgit Homburger und Ulrich Klinkert.') Die PDS - so steht es hier - wird die Rede nachreichen.
- Entschuldigen Sie, die Rede von der PDS wird nicht nachgereicht, die PDS möchte reden. Bitte schön.
Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Sie wissen, daß es üblich ist, daß die PDS zu dem einzigen Tagesordnungspunkt, den sie in einer Sitzungswoche bestimmen kann, auch spricht, selbst wenn es 2.30 Uhr ist. Wir tun das.
Das Thema, welches ansteht und nun zu einer sehr ungünstigen Zeit beraten wird, ist aber trotzdem ein sehr dringendes und verdient eigentlich mehr Aufmerksamkeit. Die Explosion der Abwassergebühren und -beiträge im ländlichen Raum in den neuen Bundesländern bringt seit Jahren Tausende von empörten Bürgerinnen und Bürgern auf die Straße. Fehlplanungen und Korruption führten auf Kosten der Verbraucherinnen und Verbraucher zu Überdimen-
*)Anlage 12
sionierung und sinnlosen Zentralisationen, also zu Mercedes- statt zu Vernunftslösungen. Untersuchungs- und Sonderausschüsse genauso wie Scharen von Rechtsanwälten in den neuen Ländern müssen sich nun mit diesem Dilemma befassen.
Vielleicht ist es möglich, daß Sie noch den letzten Moment aushalten.
Dann kommen wir ohnehin zur Ruhe: Gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Homburger?
Ja, gerne.
Frau Kollegin, Sind Sie nicht auch der Meinung, daß ein Vortrag nachts um 2.35 Uhr im Plenum dieses Hauses nicht kontinuierliche und fundierte Arbeit in der Sache ersetzen kann?
Frau Kollegin, ich bin der Meinung, daß der Zeitpunkt der Debatte erst einmal nichts damit zu tun hat, was Sie mir mit der Frage versuchen zu unterstellen; denn wir haben genau in diesem Gebiet eine sehr kontinuierliche Arbeit geleistet.
Die PDS stellt sich oftmals leider als einzige Partei diesem Problem. Sie wissen daß es in den Landtagen inzwischen Untersuchungsausschüsse gibt, zum Beispiel in Sachsen. Deshalb spreche ich jetzt auch hier.
Wir haben im Bundestag versucht, diese Problematik, die natürlich auf Länderebene behandelt wird, zu thematisieren. Wir dürfen uns auf Bundesebene nicht aus der Verantwortung stehlen. Genau deshalb steht dieser Punkt jetzt auch auf der Tagesordnung.
Der starke Anstieg der Abwassergebühren und teilweise tatsächlich absurde Anschlußbeiträge führen bei zehntausenden Familien im ländlichen Raum zu einem tiefen Griff in die Haushaltskasse oder sogar zu kalter Enteignung. Das Bonner Raumschiff hat dieses Problem schnell und mit gebotener Schärfe erfaßt. Immerhin können wir nun heute abschließend beraten.
Dieser Antrag schmorte in den Ausschüssen. Wir müssen feststellen, daß es selbst in dieser Woche kurz vor dem Ende der Legislaturperiode so aussah, als ob die abschließende Beratung und Abstimmung im Umweltausschuß gekippt werden sollte. Es gab nämlich im zuständigen Ausschuß keine Aussprache zu diesem wichtigen Thema. Genau das, daß Sie sich
Dr. Barbara Höll
auch noch der Diskussion im Ausschuß verweigert haben, wird die Bürgerinitiativen interessieren. Vielleicht hat das irgendwie damit zu tun, daß gewisse Leute in bestimmten Bereichen zusätzlich privat engagiert sind. Ich möchte anmerken, daß Untersuchungen darauf hinweisen, daß Untersuchungsausschüsse arbeiten und daß das Problem der Abwasserentsorgung im Zweckverband ArzbergBeilrode im sächsischen Landtag eine immense Rolle spielt.
Das Engagement für die Abwasserproblematik im Osten ist sehr ungleich verteilt. Während in den Ländern - meistens zwangsläufig auf massiven Druck von Bürgerinitiativen - die Parlamente aktiv wurden, zog sich die Bundesregierung weitgehend aus ihrer Verantwortung zurück und hat sich auf ihre Rahmenkompetenz beschränkt.
- Wie bitte? Frau Präsidentin, wenn ich das richtig verstanden habe, dann bitte ich darum, daß das Protokoll nachgelesen und daß entsprechend ein Ordnungsruf erteilt wird.
Ich habe nichts verstanden.
Das war jetzt ein bißchen unter der Gürtellinie.
- Ich habe nichts zu bitten? Das kann ja wohl nicht wahr sein. Ich kann als Abgeordnete und Rednerin eine Bitte aussprechen. Das ist eine Form des demokratisch-kulturvollen Umgangs, den Sie auch in den frühen Morgenstunden durchaus wahren könnten.
Aber vielleicht geht Ihnen das ab; das weiß ich nicht.
Jetzt unterbreche ich. Das ist nicht in Ordnung. Vielleicht können wir noch die letzten fünf Minuten hinbekommen, damit wir dann zum Abschluß kommen.
Ich darf daran erinnern, daß gerade das BMU äußerst aktiv war, als es galt, Wasserwirtschaftsbetriebe der ehemaligen DDR als Sozialismus zu brandmarken und zu zerschlagen. Das Ergebnis sehen wir heute. Beispielsweise wurden aus den drei funktionierenden Wasserwirtschaftsbetrieben, die für das Gebiet Thüringen zuständig waren, plötzlich 107 Zweckverbände. In Brandenburg sind es 120. Dabei ist nicht die Zahl an sich das Problem, sondern die Tatsache, daß von vornherein feststeht, daß mindestens ein Drittel davon wirtschaftlich nicht überlebensfähig ist.
Das BMU ist äußerst aktiv gewesen und auch noch aktiv, wenn es darum geht, die Privatisierung der Abwasserentsorgung zu puschen. Demonstrationsvorhaben wurden unterstützt und Gutachter gut bezahlt, um die phantastischen Konstruktions-, Betreiber-, Kooperations- und Fondsmodelle voranzubringen. Das ist ein Unterfangen, an dem Herr Hirche seinerzeit in Niedersachsen flächendeckend gescheitert ist. In Ostdeutschland sollte es nun flächendekkend durchgesetzt werden.
Ich frage - genau das betrifft die Bundesverantwortung -: Welche Demonstrationsvorhaben zu dezentralen, naturnahen Abwasserentsorgung hat die Bundesregierung in der ganzen Zeit auf die Beine gebracht? Wo war die Orientierung auf realistische Mengengerüste und schlanke technische Lösungen? Noch heute sieht die Koalition in ihrem Antrag ihr Heil in der Wahl der Organisationsform - natürlich am besten in privater. Die PDS ist deshalb der Meinung, daß die Bundesregierung eine gehörige Verantwortung für das Abwasserdesaster in Ostdeutschland trägt.
Deshalb soll sich der Bund gemeinsam mit Ländern und Kommunen an einem Solidarfonds beteiligen. Dieser muß den Bürgerinnen und Bürgern Ostdeutschlands garantieren, daß die Wasser- und Abwassergebühren bzw. -entgelte sowie die Anschlußbeiträge die im Durchschnitt in Westdeutschland existierenden Belastungen der Privathaushalte mit diesen Abgaben nicht übersteigen. Das ist der Kernpunkt unseres Antrages. Sie von der Koalition haben immer die Angleichung der Lebensverhältnisse angemahnt, das war Ihre Zielvorstellung: In diesem Fall haben wir die umgekehrte Situation, weil nämlich die Belastung im Abwasserbereich im Osten vielfach höher ist. Wir verlangen nur die Angleichung der Lebensverhältnisse - nicht mehr, aber auch nicht weniger.
Jetzt ist die Redezeit abgelaufen.
Frau Präsidentin, ich wurde mehrmals unterbrochen.
Alle Unterbrechungen habe ich eingerechnet.
Ich denke, eines ist in unserem Antrag klar: Anschlußbeiträge für Rentnerhaushalte von 50 000 DM, Abwassergebühren von 15 DM pro Kubikmeter - das kann nicht die Angleichung der Lebensverhältnisse sein. Wir meinen, wir müssen in diesem Bereich unserer Bundesverantwortung gerecht werden.
In diesem Sinne steht die PDS zu ihrem Antrag und wird sich in der Abstimmung entsprechend verhalten.
Ich bedanke mich.
Ich schließe die Aussprache.
- Ich habe die Meldung, daß die Beiträge der Kollegen Kurt-Dieter Grill, Susanne Kastner usw. zu Protokoll gegeben sind.
- Sie haben Ihren Beitrag nicht zu Protokoll gegeben? Sie möchten also jetzt reden?
Wenn Herr Grill reden möchte, dann kann ich ihn nicht daran hindern.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich verstehe, daß die Kolleginnen und Kollegen dies zu diesem Zeitpunkt vielleicht nicht akzeptieren. Da ich wußte, daß die PDS das sagen würde, was sie hier jetzt gesagt hat, möchte ich gerne zwei Bemerkungen machen.
Erstens. Es ist unheimlich verwunderlich, daß die PDS, die uns eine Landschaft mit solchen Wasserverunreinigungen und Wasserverschmutzung hinterlassen hat, die Chuzpe besitzt, sich hier hinzustellen und uns zu ermahnen, etwas für die Wasserreinhaltung in Deutschland zu tun. Was Sie hier heute abend abgegeben haben, ist unglaublich.
Zweitens. Ich habe heute mittag die Regierungserklärung der Landesregierung von Sachsen-Anhalt durchgesehen. Wenn man weiß, was in Ostdeutschland an Abwasserpreisen gezahlt wird, dann kann ich Ihnen nur sagen: Weder Sie noch die SPD in Sachsen-Anhalt - das gilt im großen und ganzen auch für die anderen Bundesländer - haben irgendein Programm, mit dem Sie den Menschen in Ostdeutschland eine Perspektive in bezug auf die Gebühren unter sozialen, ökologischen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten liefern.
Das, was der Bundeskanzler und die Ministerpräsidenten im Juni 1993 vereinbart haben, hat sich in der Länderzuständigkeit verloren und ist nicht umgesetzt worden. Sie lassen die Menschen im Stich. Die PDS hat an keiner Stelle in Ostdeutschland den Beweis dafür geliefert, daß das, was Sie an diesem Pult heute nacht gesagt haben, von Ihnen in irgendeiner Weise umgesetzt worden ist. Sie haben mit Ihren Behauptungen Propaganda und Wahlkampf betrieben; aber für die Menschen in Ostdeutschland haben Sie real nichts geleistet. Deswegen bestehen wir auf unserem Antrag.
Herzlichen Dank.
Jetzt schließe ich mit Ihrer aller Zustimmung die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über die Beschlußempfehlung des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit zu dem Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. mit dem Titel „Gewässer schützen - Kosten senken", Drucksache 13/11023 Nr. 1. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 13/3490 in der Ausschußfassung anzunehmen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen von CDU/CSU und F.D.P. gegen die Stimmen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und PDS angenommen.
Abstimmung über die Beschlußempfehlung des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit zu dem Entschließungsantrag der Fraktion der SPD zur Großen Anfrage zur Umwelt- und sozialverträglichen Abwasserbehandlung und -vermeidung, Drucksache 13/11023 Nr. 2. Der Ausschuß empfiehlt, den Entschließungsantrag auf Drucksache 13/3512 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen von CDU/CSU und F.D.P. gegen die Stimmen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und PDS angenommen.
Abstimmung über die Beschlußempfehlung des Umweltausschusses zu dem Antrag der Gruppe der PDS zu einer ökologischen und bezahlbaren Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung, Drucksache 13/11023 Nr. 3. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 13/3494 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen der CDU/CSU, SPD und F.D.P. gegen die Stimmen der PDS bei Enthaltung von Bündnis 90/Die Grünen angenommen.
Präsidentin Dr. Rita Süssmuth
Wir sind damit am Schluß unserer heutigen Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf den heutigen Freitag, den 19. Juni 1998, 9 Uhr - in wenigen Stunden - ein.
Ich bedanke mich ganz herzlich bei unseren Saaldienern und Mitarbeitern, die bis zu dieser Stunde ausgehalten haben.
Die Sitzung ist geschlossen.