Gesamtes Protokol
Meine Damen und Herren! Die Sitzung ist eröffnet.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf:
Befragung der Bundesregierung
Die Bundesregierung hat als Themen der heutigen Kabinettssitzung mitgeteilt: beschäftigungspolitischer Aktionsplan der Bundesrepublik Deutschland und Jahresabrüstungsbericht 1997.
Das Wort für den einleitenden fünfminütigen Bericht hat der Bundesminister für Wirtschaft, Herr Dr. Günter Rexrodt. Bitte schön, Herr Minister.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Bundesregierung setzt mit dem nationalen beschäftigungspolitischen Aktionsplan ihre Bemühungen zur Überwindung der Arbeitslosigkeit fort.
Dieser Aktionsplan geht auf Beschlüsse von Amsterdam und Luxemburg zurück. Bei diesen Beschlüssen war in den Vordergrund gestellt worden: erstens das Bestehenbleiben der nationalen Verantwortung in der Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik und das Prinzip der Subsidiarität, zweitens die Aussage, daß wettbewerbsfähige Arbeitsplätze nur auf dem ersten Arbeitsmarkt geschaffen werden können.
Dementsprechend widmet die Bundesregierung den ersten Teil dieses Aktionsplans ausführlich ihrer wirtschaftspolitischen Strategie, wobei wir uns dabei auf sieben zentrale Punkte konzentrieren, die ich aber hier im einzelnen nicht konkretisieren, sondern nur nennen möchte - es sind die Kernpunkte unserer Reformpolitik -: Ausgabendisziplin, Steuerreform, Reform der Sozialversicherung, Privatisierungs- und Liberalisierungspolitik, eine Politik für Existenzgründungen, Förderung der Vermögensbildung und Förderung der neuen Bundesländer.
Im zweiten Teil des Aktionsplans gehen wir auf die einzelnen Maßnahmen ein und setzen uns dabei mit den 19 Luxemburger Leitlinien auseinander, die in vier Handlungsfeldern zusammengefaßt waren: erstens die Verbesserung der Beschäftigungsfähigkeit, zweitens die Entwicklung des Unternehmergeistes, drittens die Anpassungsfähigkeit der Unternehmen und ihrer Arbeitnehmer und viertens Maßnahmen für mehr Chancengleichheit.
Ich kann nun an dieser Stelle nicht auf alle Leitlinien eingehen. Ich will zunächst soviel sagen, daß bei einem nationalen Aktionsplan für mehr Beschäftigung auch die Tarifpartner, Arbeitgeber und Arbeitnehmer, eine gewichtige Rolle spielen. Deshalb war es notwendig, daß wir Gespräche mit den Tarifpartnern geführt und uns mit ihnen abgestimmt haben. Das ist durch die Kollegen Blüm und Rüttgers und durch mich geschehen. Wir haben alle Leitlinien besprochen.
Die ersten drei der 19 Leitlinien enthalten quantitative Zielvorgaben. Das waren ja auch die neuralgischen - so sage ich es einmal - Leitlinien. Ich gehe darauf kurz ein:
Erstens. Die Arbeitslosenquote unter Jugendlichen ist in Deutschland - wir stehen dabei nicht schlecht da - mit 10,3 Prozent knapp halb so hoch wie im europäischen Durchschnitt. Der Kollege Rüttgers hat mit den Sozialpartnern einen nationalen Aktionsplan „Berufsausbildung" vereinbart, der zusätzlich 25 000 Ausbildungsplätze bringen soll. - Das nur ganz kurz.
Zweitens. Bei der Langzeitarbeitslosigkeit stehen wir in Deutschland schlechter da. Wir haben 1,4 Millionen Langzeitarbeitslose. Wir müssen deshalb - das sehen wir im Aktionsplan auch vor - innerhalb von sechs Monaten allen Langzeitarbeitslosen eine aktive Maßnahme der Arbeitsmarktpolitik anbieten oder sie zumindest intensiv beraten.
Der dritte Punkt umfaßt die Vorgabe, daß mindestens 20 Prozent der Arbeitslosen durch eine Maßnahme der Arbeitsmarktpolitik gefördert werden. Das wird durch verschiedene Maßnahmen geschehen, die wir vorsehen. Unter anderem sind dies die Stärkung der aktiven Arbeitsmarktpolitik um 3,7 Milliarden DM, die Erhöhung der Sachkostenzuschüsse bei ABM, die Fortsetzung der Förderung von Existenzgründungen aus der Arbeitslosigkeit. Vieles andere mehr wäre zu nennen. Auf Befragen kann dies
Bundesminister Dr. Günter Rexrodt
noch erläutert werden. Ich kann das hier in fünf Minuten nicht alles darlegen.
Ich habe mit den Sozialpartnern über die Stärkung des Unternehmergeistes gesprochen. Für meinen Teil will ich nur sagen, daß mit beiden Sozialpartnern Übereinstimmung darüber bestand, daß die Politik der Bundesregierung richtig ist, die darauf abzielt, Existenzgründungen zu fördern und die Mittelstandsförderungsprogramme auszuweiten, das Meister-BAföG zu implementieren, Existenzgründungslehrstühle anzuregen, Wagniskapital zu fördern und vieles andere mehr.
Aus zeitlichen Gründen will ich von meiner Seite nur noch auf die Leitlinie 11 eingehen, die ja davon spricht, daß die viel zu hohe Steuer- und Abgabenbelastung gesenkt werden soll. In diesem Zusammenhang macht die Bundesregierung auch ihre Position zur Energiebesteuerung klar. Sie sagt ganz eindeutig: kein nationaler Alleingang und im Falle einer harmonisierten Regelung in Europa keine neuen Belastungen für Bürger und Wirtschaft und statt dessen eine Kompensation durch die weitere Reduzierung der direkten Steuern im Interesse von Wachstum und Beschäftigung.
Wir geben diesen Aktionsplan heute nach Brüssel und selbstverständlich an den Bundestag und an den Bundesrat. Außerdem wird er zusammen mit den anderen Aktionsplänen beim Treffen des Europäischen Rates in Cardiff im Juni eine Rolle spielen. Im Herbst erfolgt eine Überarbeitung, und dann wird er beim Europäischen Rat in Wien angenommen werden.
Danke, Herr Minister. - Die erste Frage kommt vom Kollegen Ottmar Schreiner.
Herr Minister, es ist schon erstaunlich, daß ausgerechnet das Mitgliedsland der Europäischen Union, das die schlechteste Arbeitsmarkt- und Beschäftigungsbilanz der letzten Jahre vorzuweisen hat, seine Schulaufgaben nicht macht, den vorgesehenen Termin deutlich überzieht und dann einen Plan vorlegt, der offenkundig weit von dem entfernt ist, was beim Beschäftigungsgipfel in Luxemburg gemeinsam mit der deutschen Bundesregierung vereinbart worden ist.
Vor diesem Hintergrund stelle ich meine Frage. Es war nicht zufällig, daß die Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit in Luxemburg zur ersten und obersten Leitlinie erklärt worden ist. Wie wollen Sie die erste Leitlinie national umsetzen, die besagt, daß innerhalb einer bestimmten Zeitachse jedem jungen Menschen, der arbeitslos ist, ein Ausbildungs- oder Arbeitsplatzangebot gemacht werden soll? Wie wollen Sie diese Leitlinie vor dem Hintergrund umsetzen, daß Sie in Ihrem eigenen Jahreswirtschaftsbericht, der vor Ostern im Parlament diskutiert worden ist, einräumten, daß es in Deutschland deutlich über 500 000 junge Männer und Frauen unter 25 Jahren gibt, die weder einen Ausbildungsplatz noch einen Arbeitsplatz haben, und daß es, wie das Institut für
Arbeitsmarkt- und Berufsforschung vor wenigen Tagen in einer Studie publizierte, darüber hinaus weitere etwa 150000 junge Menschen unter 25 Jahren gibt, die nicht erwerbstätig sind und von denen unklar ist, wo sie abgeblieben sind? In den Arbeitslosenstatistiken tauchen sie jedenfalls nicht auf. Wenn man beide Gruppen addiert, kommt man auf rund 700000 junge Menschen unter 25 Jahren, die weder einen Ausbildungsplatz noch einen Arbeitsplatz haben. Das sind, gemessen an der Generationsstärke, etwa 18 Prozent. Wie wollen Sie vor diesem dramatischen Hintergrund die Leitlinie 1 von Luxemburg realisieren? Ihre Aussage in bezug auf die Kinkerlitzchen, die Sie eben gemacht haben, kann ja wohl nicht Ihr Ernst sein.
Herr Minister.
Herr Kollege, zunächst einmal weise ich ganz entschieden zurück, daß wir unsere Schularbeiten nicht machten. Wir haben unsere Schularbeiten gut gemacht.
Wenn ich mir unser Aktionsprogramm anschaue und es, was die Abstimmung mit den Sozialpartnern und den Konkretheitsgehalt angeht, mit denen der anderen vergleiche, so können wir uns mit unserem Aktionsprogramm allemal sehen lassen. Daß wir den formalisierten Termin 15. April um drei Tage überzogen haben, ist im Einvernehmen mit der Kommission geschehen. Wir wollten nämlich am Ostersonntag keine Kabinettssitzung machen. Da ist nichts angebrannt. Sie wollten eine große Schau, eine große Wahlveranstaltung machen.
Wir haben fristgerecht und ordnungsgemäß ein Aktionsprogramm vorgelegt, das sich sehen lassen kann - in qualitativer, in quantitativer, in jeder Hinsicht. Alle anderslautenden Behauptungen weise ich mit großer Entschiedenheit zurück. Schauen Sie sich einmal die Aktionsprogramme der anderen Länder an,
Ich komme nun zu Ihrer eigentlichen Frage zur Leitlinie 1. Ich habe Ihnen gesagt, daß wir in bezug auf die Jugendarbeitslosigkeit an sich besser dastehen als andere Länder. Das kann noch nicht befriedigen; das ist noch nicht alles.
Ich habe gesagt, daß wir alles daransetzen und uns dazu verpflichten, die Ausbildungsplätze, die wir brauchen, zur Verfügung zu stellen. Das war auch in den vergangenen Jahren so. Es ist uns unter enormen Kraftanstrengungen der Wirtschaft, der Politik und auch der Gewerkschaften im großen und ganzen gelungen, in etwa eine Deckung zwischen Angebot
Bundesminister Dr. Günter Rexrodt
und Nachfrage bei den Ausbildungsplätzen hinzubekommen.
Der Kollege Rüttgers und ich haben riesige Anstrengungen unternommen und unternehmen sie weiter, damit das auch 1998 geschieht. Wir werden das dadurch schaffen, daß 25 000 zusätzlich benötigte Ausbildungsplätze zur Verfügung gestellt werden.
Daß die Jugendarbeitslosigkeit, in absoluten Zahlen ausgedrückt, hoch ist, wissen wir. Eine Betrachtung der relativen Zahlen bringt uns gar nichts. Wir werden alles daransetzen, das Problem über Eingliederungshilfen und das Vermeiden von Langzeitarbeitslosigkeit sowie vor allem dadurch zu lösen, daß wir unsere Reformpolitik konsequent fortsetzen und damit kleine, mittlere und auch große Betriebe wieder dazu bringen, Arbeitskräfte einzustellen. Diese Politik beginnt sich auszuzahlen. Ich habe vor wenigen Stunden eine Umfrage auf den Tisch bekommen, die der ZDH vor kurzer Zeit in seinem Bereich in bezug auf Neueinstellungen von Arbeitskräften, gerade von Jugendlichen, durchgeführt hat.
- Das müßte man der Reihe nach machen. Ich habe
von dieser Umfrage des ZDH gesprochen. In diesem
Bereich befindet sich die Masse der Ausbildungsplätze und der Arbeitsplätze bei den kleinen und mittleren Unternehmen.
Das ist eine optimistische Aussage. Ich kann Ihnen die Zahlen vortragen. Ich will darauf verzichten.
Sie haben die Großbetriebe angesprochen. Dazu muß man ja nun sagen: Es sind gerade die Großbetriebe, die wieder einstellen - beim Maschinenbau, in der chemischen Industrie, beim Fahrzeugbau. Diese Industriebereiche stellen zusätzliche Arbeitsplätze zur Verfügung.
Wir setzen unsere Politik mit langem Atem und konsequent fort. Sie beginnt sich auszuzahlen, auch und gerade für die jugendlichen Arbeitslosen. Die Jugendarbeitslosigkeit ist, in absoluten Zahlen ausgedrückt, viel zu hoch.
Herr Schreiner, was ist jetzt? Wollen Sie noch eine Zusatzfrage stellen? Hat es sich erledigt?
Ich möchte folgendes sagen: Das hat keinen Zweck. Wenn Sie jetzt keine weiteren Fragen haben, können andere Kollegen fragen. Sie können sich dann nachher noch einmal melden.
Ich erteile jetzt dem nächsten Kollegen das Wort. Herr Schwanitz.
Herr Minister, die Bundesregierung hat in den zurückliegenden Jahren mit Bezug auf Europa immer auf die eigenständigen nationalen Handlungsmöglichkeiten verwiesen. Ich möchte Sie deswegen im Hinblick auf diesen Aktionsplan fragen - nachdem wir in den letzten anderthalb Jahren eine permanent steigende Arbeitslosigkeit zu beklagen hatten, insbesondere in den neuen Bundesländern, wobei gleichzeitig die einschlägigen Instrumente, insbesondere die arbeitsmarktpolitischen Instrumente, beschnitten worden sind -, was die Bundesregierung gerade jetzt dazu motiviert hat, ein solches Aktionsprogramm vorzulegen, und warum sie es nicht bereits im letzten Jahr getan hat.
Herr Kollege, wenn ich das sagen darf: Motivation zum Handeln haben wir immer gehabt. Daß wir den Aktionsplan jetzt vorgelegt haben, ist eine Folge der Beschlüsse, die wir in Amsterdam und Luxemburg gefaßt haben. Es ist ja auch nicht so, daß wir erst mit der Vorlage dieses Aktionsplans Arbeitsmarktpolitik oder Wirtschaftspolitik betreiben würden. Wir machen seit vielen Jahren Reformpolitik. Hier werden einzelne Maßnahmen ausgebaut, und ihre zeitliche Dauer wird verlängert. Das geht dann zeitlich und inhaltlich über den Rahmen hinaus, den wir bisher hatten. Unsere Politik beginnt sich auszuzahlen; ich habe das eben schon gesagt. Die Motivation ist seit langem vorhanden. Wir brauchen aber für eine Politik, die einschneidende Reformen und Veränderungen mit sich bringt und Besitzstände in Frage stellt, schon einen langen Atem. Wir haben in diesem Hohen Hause häufig darüber diskutiert.
Ich kann Ihnen sagen - darüber bin ich sehr froh -, daß wir zumindest in den alten Ländern in diesem Jahr eine Trendwende auf dem Arbeitsmarkt haben. Das ist kein Schönreden. Ich spreche nicht von einem Durchbruch am Arbeitsmarkt; den haben wir 1998 nicht. Aber wir haben Veränderungen im positiven Sinne. Diese werden wir in absehbarer Zeit auch in den neuen Bundesländern haben. Das ist Ergebnis dieser konsequenten Politik des langen Atems und der konkreten Hilfe dort, wo es darauf ankommt, nämlich im Bereich des Kollegen Blüm und im Bereich des Kollegen Rüttgers.
Haben Sie noch eine Zusatzfrage?
Ich habe noch eine Zusatzfrage. Herr Minister Rexrodt, teilt die Bundesregierung die Aussage des CDU-Bundestagsabgeordneten Grund, die diese Woche in einer Publikation des Freistaates Thüringen zu finden ist und nach der die Kürzungen der arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen im letzten Jahr durch das Erreichen der MaastrichtKriterien motiviert worden sind und die Aktionen, die jetzt ablaufen, ihren Hintergrund in der depressiven Wählerstimmung gegenüber der Koalition in Ostdeutschland haben?
Diese Auffassung teilt die Bundesregierung nicht. Ich sage auch für die Bundesregierung, daß unsere Korrektur, die wir im Bereich der AB-Maßnahmen und der sonstigen Maßnahmen am Arbeitsmarkt durchgeführt haben und die punktuell und auch regional differenziert war, auf die Erkenntnis zurückzuführen ist - die ich hier schon vorgetragen habe -, daß wir mit solchen Maßnahmen auf Dauer keine wettbewerbsfähigen Arbeitsplätze schaffen können. Wir können mit der Arbeitsmarktpolitik, zu der wir stehen, individuelle Härten beseitigen und Brücken zum ersten Arbeitsmarkt schlagen. Aber wir können die Probleme selbst nicht lösen.
Wir müssen auch bedenken, daß wir mit einem übermäßigen Ausbau der Maßnahmen auf dem sogenannten zweiten Arbeitsmarkt dem ersten Arbeitsmarkt Probleme bereiten und den mittleren und kleinen Unternehmen, die unsubventioniert Arbeitsplätze zur Verfügung stellen, Konkurrenz bereiten. Wenn das ausufert, dann funktioniert das nicht mehr.
Das ist im übrigen auch Auffassung in den neuen Bundesländern selbst, bei den betroffenen Betrieben und bei vielen Arbeitnehmern. Ich bitte, das so differenziert zu verstehen, wie ich es sage. Wir wollen nicht die Politik in bezug auf den sogenannten zweiten Arbeitsmarkt von heute auf morgen beenden oder rigoros zurückführen. Wir sehen aber in dieser wichtigen Politik nicht die Lösung des Problems; vielmehr sehen wir darin einen Brückenschlag zum ersten Arbeitsmarkt.
Herr Schwanhold.
Herr Minister, die gemeinsame Initiative in Europa hätte eine Brücke sein können, über die auch die Bundesregierung hätte gehen können. Statt dessen sagen Sie aber in Ihrem ersten Satz, daß die Arbeitsmarktpolitik weiterhin in der nationalen Verantwortung liegt. Wenn das so ist, kann ich nur feststellen: Dann liegt auch das Ergebnis der hohen Arbeitslosigkeit in der nationalen Verantwortung, also zu erheblichen Teilen auch in Ihrer Verantwortung.
Nun geht es um den ersten Arbeitsmarkt, den Sie in den Vordergrund gestellt haben. Sie berufen sich in Ihrem Aktionsplan auf die Maßnahmen, die Sie im
Rahmen der nationalen Verantwortung schon immer dargestellt haben, nämlich Eigenkapitalhilfeprogramm, Transparenz, Risikokapital und Mittelstandsförderung. Dies sind Ansatzpunkte, die bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht gegriffen haben.
Welchen Weg sind Sie gegangen, um die Maßnahmen auf dem ersten Arbeitsmarkt in einem europäischen Harmonisierungskonzept so weit voranzutreiben, daß auf diesem Gebiet internationale Vereinbarungen und europäische Vereinbarungen greifen? Was haben Sie zur Steuerharmonisierung, insbesondere zur Unternehmensteuerharmonisierung, getan? Wo sind Ihre Aussagen und Ihre Bemühungen dazu, die konkret da hineingehören? Was tun Sie zur Belebung des Risikokapitalmarktes aus privater Hand und nicht durch öffentliche Mittel? Was tun Sie tatsächlich zur begleitenden europäischen Harmonisierung, um Steuerdumping und Sozialdumping, die zu erheblichen Nachteilen auf dem ersten Arbeitsmarkt auch in der Bundesrepublik Deutschland führen, zu vermeiden? Welche konkreten Maßnahmen haben Sie zur Senkung der Lohnnebenkosten beschlossen, und wie wollen Sie diese gegenfinanzieren?
Ich möchte zur Klärung sagen: Ihre Frage würde einen einstündigen Vortrag nach sich ziehen. Was ist die Hauptstoßrichtung Ihrer Frage?
Welche Maßnahmen sind im Zuge der europäischen Harmonisierung eingeleitet worden, und welche konkreten Schritte in den Bereichen Eigenkapital und, Senkung der Lohnnebenkosten sind wie finanziert worden?
Herr Kollege Schwanhold, wir haben gesagt, daß wir weiterhin eine nationale Verantwortung für die Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik haben und daß das Prinzip der Subsidiarität gilt. Also hat jedes Land in diesen Bereichen eigene Maßnahmen und Programme zu entwickeln - das ist gar keine Frage - sowie eigene Reformen durchzuführen, die dem jeweiligen Land entsprechen. Zweifellos verlangen aber die Beschlüsse von Luxemburg und Amsterdam und überhaupt die Europäische Union eine Harmonisierung. Die Harmonisierung sowohl im steuerpolitischen und im sozialen Bereich als auch im Bereich der Liberalisierungspolitik sind das Ergebnis der langwierigen Arbeit der Europäischen Union, der Europäischen Kommission und der Ministerräte. Soll ich Ihnen hierzu die Richtlinien, Anregungen, Beschlüsse und Entschließungen der jeweils zuständigen europäischen Räte vorlegen? Das kann ja wohl nicht gemeint sein.
Ich kann Ihnen nur sagen, daß wir uns sowohl in der Steuerpolitik als auch im Bemühen um die Senkung der Lohnnebenkosten mit unseren Partnern im
Bundesminister Dr. Günter Rexrodt
europäischen Kontext bewegen. Gerade was die Sozialsysteme, aber auch die Liberalisierungsfragen, die Förderung von Existenzgründungen und den Wagniskapitalmarkt angeht, gibt es Richtlinien und Vorgaben aus Europa. Wir haben diese - Herr Kollege Schwanhold, Sie stellen ja besonders auf Existenzgründungen und Wagniskapital ab - im Dritten Finanzmarktförderungsgesetz mit einem Bündel von Maßnahmen umgesetzt, die darauf abzielen, daß in Deutschland eine private Risikokapitalkultur entstehen kann, ob das nun die kleine Aktiengesellschaft, die veränderten Publizitätspflichten, die Einrichtung des neues Marktes oder die steuerliche Gleichbehandlung von Kapital- und Unternehmensbeteiligungsgesellschaften und vieles andere mehr betrifft. Das Dritte Finanzmarktförderungsgesetz umfaßte 32 Maßnahmen, die alle darauf abzielten, den Rahmen dafür zu schaffen, daß ein privater Wagniskapitalmarkt entsteht.
Herr Minister, Sie haben jetzt all die Maßnahmen aufgezählt, die bereits eingeleitet worden sind. In welchen Punkten gehen Sie in bezug auf Existenzgründungen auf dem ersten Arbeitsmarkt kleine und mittlere Unternehmen betreffend über die bisher eingeleiteten Maßnahmen im Rahmen des europäischen Programms hinaus?
Ganz abgesehen davon - das will ich vorab sagen -, daß zwischen der Politik und den Sozialpartnern Übereinstimmung hinsichtlich der finanziellen Ausstattung der Förderprogramme und darin bestand, daß hier genügend Maßnahmen zur Verfügung stehen, haben wir im Rahmen des europäischen Programms zum einen beispielsweise mit unserer Initiative zur Errichtung von Existenzgründungslehrstühlen eine neue Aktivität gestartet, die darauf hinausläuft, daß in unserem Bildungswesen - Sie sprechen das ja bewußt an - Selbständigkeit und Existenzgründungen ein stärkeres Gewicht erhalten als bisher. Wir statten zum anderen die Programme, die eine unternehmensbegleitende Finanzierung und die Beratung von Unternehmen in ihrer schwierigen Startphase zum Inhalt haben, mit mehr Geld aus. Was den Zugang zu Wagniskapital angeht - das habe ich schon gesagt -, werden technologieorientierte Unternehmensgründungen in besonderer Art und Weise gefördert.
Herr Kollege Schwanhold, ich wiederhole: Die finanzielle Ausstattung der Programme, die Existenzgründungen und -sicherungen betreffen, ist so hoch bemessen, daß jedenfalls in den mit mir geführten Gesprächen von keiner Seite - bisher auch nicht von Ihrer und auch nicht von den Gewerkschaften - Klage darüber geführt worden ist.
Wir brauchen eine allgemeine Aufbruchsstimmung in dem Sinne, daß man in einem Land, das seine bürokratischen Bürden ablegt, wieder eher und mehr geneigt ist als bisher, sich selbständig zu machen.
Danke. - Es ist schon 13.25 Uhr. Deswegen nun kurze Fragen und kurze Antworten. Sonst kommen diejenigen, die hier stehen, nicht mehr zum Zuge.
Herr Kollege Börnsen.
Herr Minister, ich möchte von Ihnen gerne wissen, ob der jetzt verabschiedete Aktionsplan nicht mit dem 50-
Punkte-Programm der Bundesregierung korrespondiert, das ja das Ziel hatte, strukturelle Defizite abzubauen, damit man mit einer neuen Initiative zu einer weiteren Verbesserung der Lage kommen kann?
Herr Kollege Börnsen, ich mache noch einmal deutlich: Unser Aktionsprogramm zeichnet sich dadurch aus, daß die Maßnahmen, die wir im Rahmen der Leitlinien im Bereich der Arbeitsmarktpolitik im engeren Sinne vorsehen, Bestandteil unserer Reformpolitik und unserer Wirtschaftspolitik sind, die darauf abzielt, die Bedingungen für mehr Investitionen und mehr Arbeitsplätze zu verbessern. Insofern konespondiert dieser Aktionsplan sehr wohl mit dem 50-
Punkte-Programm. Das 50-Punkte-Programm ist ein Programm, das alle wichtigen strukturrelevanten Reformen in der Bundesrepublik umfaßt. Ich darf hier einfügen: 49 von diesen Reformen haben wir verwirklicht oder auf den Weg gebracht. Eine Reform fehlt: Das ist die große Steuerreform, die Sie blockieren.
Die 49 erfüllten oder auf dem Weg befindlichen Programmpunkte korrespondieren sehr wohl mit unserem deutschen Aktionsplan für mehr Beschäftigung in der Europäischen Union.
Herr Minister, ist es nicht notwendig, wenn man diesen Aktionsplan präsentiert, noch stärker auf die Rahmenbedingungen aufmerksam zu machen, von der Preisstabilität bis hin zur Währungsstabilität?. Wenn man Aufbruchsstimmung haben will, darf man sich nicht nur auf die Frage der Arbeitslosigkeit konzentrieren, wie das einige tun, sondern dann muß man deutlich machen, daß wir in Deutschland sehr gute Standortbedingungen haben.
Herr Kollege Börnsen, Sie haben sicherlich recht. Die Tatsache, daß wir seit Jahren Preisstabilität haben, geht ein Stück unter.
Es wird als Selbstverständlichkeit konsumiert, daß wir außenwirtschaftliches Gleichgewicht haben, daß wir in dieser Beziehung keine Probleme haben und daß wir vernünftiges Wachstum haben, etwa 3 Prozent in diesem Jahr. Dies alles wird konsumiert und gemessen an der Tatsache, daß wir bei weitem zuviel Arbeitslose haben.
Ich möchte immer wieder herausstellen, daß von den vier Eckpunkten des magischen Vierecks drei er-
Bundesminister Dr. Günter Rexrodt
reicht worden sind. Ich möchte aber auch für die Bundesregierung ehrlich sein und mich um die Frage der Arbeitslosigkeit nicht herummogeln. An dieser Frage werden wir gemessen. Wir haben drei Eckpunkte erreicht und sind in ihrem Rahmen. In einem sind wir noch nicht soweit. Wir dürfen uns aber nicht irremachen lassen, sondern müssen eine Politik des langen Atems betreiben, zu der es keine Alternative gibt. Der erste Teil des Aktionsplans beschreibt das. Im zweiten Teil setzen wir noch einige zusätzliche Akzente in der Arbeitsmarktpolitik, nämlich in bezug auf Qualifizierung sowie die Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit und insbesondere dadurch, daß wir das Angebot und die Nachfrage von Lehrstellen in Deutschland wie in den vergangenen Jahren auch in diesem Jahr in Übereinstimmung bringen wollen. Das alles gehört zusammen. Wir können nur überzeugend sein und sind nur überzeugend dadurch, daß wir das im Kontext darstellen. Der Aktionsplan ist dafür ein Zeugnis.
Der Aktionsplan ist - wenn Sie, Frau Präsidentin, gestatten, dann möchte ich das mit Blick auf die Opposition sagen - anders, als viele von Ihnen im Vorfeld behauptet haben; er ist ein Papier mit konkreten, auch quantitativ meßbaren Aussagen zur Arbeitsmarktpolitik. Wir brauchen uns mit dem, was wir hier vorgelegt haben, nicht zu verstecken. Ganz im Gegenteil: Das ist ein guter Aktionsplan.
Herr Kollege Müller.
Herr Minister Rexrodt, in der Entschließung des Europäischen Rats heißt es, das Ziel der beschäftigungspolitischen Aktionspläne sei es, „eine bedeutsame und dauerhafte Erhöhung der Beschäftigungsquote in Europa herbeizuführen" . Halten Sie vor dem Hintergrund der Zahl der Arbeitslosen in der Bundesrepublik Deutschland insgesamt die angekündigten 100 000 Arbeitsplätze wirklich für „bedeutsam"? Wenn ja, wie hoch ist der Anteil an dauerhaften, also nicht zeitlich befristeten Arbeitsplätzen in Ihrem Aktionsplan?
Herr Kollege, ich besitze nicht die Unverfrorenheit, 100 000 Arbeitsplätze als eine Quantité négligeable zu bezeichnen.
Sie sind vielmehr eine Erleichterung und eine Veränderung des Schicksals von 100 000 Familien; das ist sehr viel. Wenn wir einen solchen Einstieg vornehmen, dann muß das auch anerkannt und gewürdigt werden.
Die Bundesregierung ist in den letzten Jahren nie hergegangen und hat gesagt: Wir werden die Arbeitslosigkeit von heute auf morgen in den Griff kriegen.
Auch ich habe das - in mehr als fünfeinhalb Jahren
Amtszeit - nie getan. Ich habe gesagt: Wir brauchen
dazu eine Politik, die auf Reformen setzt, die Besitzstände in Frage stellt und die Veränderungen vornimmt, die von großem Gewicht sind. Wir werden das nur mit langem Atem zustande bringen.
Wir sind jetzt an einem Punkt angelangt, wo diese Maßnahmen greifen und dies auch quantitativ deutlich wird. Wenn wir im Aktionsplan von 100 000 Arbeitsplätzen sprechen - vorsichtig, realistisch und glaubhaft -, dann wäre es ein großer Erfolg, wenn wir das tatsächlich erreichen würden. Und wir werden es erreichen!
Darf ich einmal geschäftsleitend sagen: Auf meiner Frageliste stehen noch die Namen Dreßen, Professor Jürgen Meyer und Weiermann. Die Fragen dieser drei Abgeordneten möchte ich noch in die Regierungsbefragung aufnehmen, bevor ich sie nach deren Beantwortung schließe.
Zusatzfrage, Herr Müller.
Ich möchte meine Frage wiederholen, die nicht beantwortet worden ist: Wie viele von den 100 000 Arbeitsverhältnissen werden dauerhafte, das heißt unbefristete Arbeitsverhältnisse sein?
Das kann ich Ihnen nicht sagen, weil nicht ich die Verträge schließe, sondern die Unternehmen. Ich gehe aber davon aus, daß es um so mehr dauerhafte Arbeitsverhältnisse sein werden, je mehr wir dafür sorgen, daß in diesem Land ein Investitionsklima herrscht, das die Unternehmen ermuntert, wieder einzustellen. Gott sei Dank werden das immer mehr.
Herr Kollege Dreßen.
Herr Minister, ich möchte auf die Eingangsfrage des Kollegen Schreiner zurückkommen. Sie haben zwar recht, wenn Sie sagen, daß wir in bezug auf die Jugendarbeitslosigkeit der bis zu 20jährigen bei 10 Prozent liegen; europaweit wird die eigentliche Jugendarbeitslosigkeit aber bis zum 25. Lebensjahr gerechnet. Wir liegen dann auch schon bei 13 Prozent und im Schnitt nicht mehr so günstig, wie Sie es darstellen.
Ich möchte Sie folgendes fragen: Sie haben vorhin angesprochen, daß Sie 25 000 zusätzliche Ausbildungsplätze schaffen möchten. Nachdem von 1984 bis 1996 die Zahl der Ausbildungsplätze ständig zurückgegangen ist, im letzten Jahr um 13 200 gestiegen ist und beschwörende Appelle von der Bundesregierung und vielen anderen gemacht worden sind, frage ich mich, wie Sie jetzt zusätzlich zu diesen 13 200 Ausbildungsplätzen 25 000 Ausbildungsplätze schaffen wollen? Beabsichtigen Sie irgendwelche
Peter Dreßen
Appelle, oder wollen Sie irgendwelche steuerlichen Erleichterungen für diejenigen, die zusätzliche Ausbildungsplätze schaffen, herbeiführen?
Sprechen Sie jetzt bitte nicht wieder vom Handwerk; das ganze Haus weiß, daß das Handwerk hervorragende Arbeit auf dem Gebiet der Ausbildung leistet. Darin stimme ich Ihnen zu. Unser Problem ist, daß in Industriebetrieben Ausbildungswerkstätten geschlossen worden sind. Wie wollen Sie auf diesem Gebiet die Industrie in ihre Verantwortung zurückbringen?
Da arbeiten wir, der Bundeskanzler, der Kollege Rüttgers, der Kollege Blüm und meine Wenigkeit, gegenüber den Verbänden und den einzelnen Unternehmen schon sehr erfolgreich mit Appellen, mit Ansprache und mit Überzeugung.
- Lassen Sie mich doch bitte ausreden.
Aber das allein ist es nicht. Wir sehen auch im Bereich der überbetrieblichen und der außerbetrieblichen Ausbildung eine hohe Summe an Mitteln vor. Es ist kein Geheimnis, daß beispielsweise in den neuen Bundesländern ein sehr hoher Prozentsatz der Ausbildungsplätze
durch öffentliche Förderung getragen oder begleitet wird.
Es ist nicht so, daß die öffentliche Hand keine Mittel zur Verfügung stellt. Wir haben die Mittel für solche Einrichtungen ständig aufgestockt. Wir haben neue Berufsbilder entworfen, die einer zeitgemäßen Ausbildung gerecht werden. Das ist enorm wichtig. Wir haben dafür Sorge getragen, daß die Verfahren zur Verabschiedung solcher Berufsbilder und die Verfahren im Rahmen der Ausbildereignung vereinfacht und verbessert werden. Der Staat ist da in höchstem Maße aktiv.
Was wir nicht tun werden - darauf wollen Sie ja hinaus -, ist, eine Ausbildungsplatzabgabe einzuführen. Das machen wir nicht. Das wäre eine Bürokratisierung, eine Verschulung der Ausbildung. Das würde dazu führen, daß sich die Unternehmen aus der Ausbildung freikaufen, Ausbildung immer mehr als eine staatliche Aufgabe verstehen und sich nicht mehr im Obligo fühlen würden. Das wollen wir vermeiden. Deshalb bleibt es bei dem dualen System, das wir durch öffentliche Mittel begleiten und ergänzen. Das hat sich in der Vergangenheit bewährt, und das wird sich auch in Zukunft bewähren. Da habe ich keinen Zweifel.
Professor Meyer.
Herr Minister, vorweg möchte ich sagen: Ich finde, es ist eine gewisse Zumutung für das Parlament, daß Sie mit uns eine
Debatte über einen Aktionsplan führen, den Sie uns bis jetzt nicht zugänglich gemacht haben,
von dem Sie behaupten, er habe sieben Punkte, die Sie aber nicht konkretisieren können. Ich frage Sie deshalb, ob Ihnen Ihre rechtlichen Verpflichtungen vertraut sind. Neben Ihnen sitzt ein Staatssekretär des Justizministeriums, der Sie notfalls informieren könnte.
Die Tatsachen sind doch folgende: Die Bundesregierung hat sich durch den Bundeskanzler persönlich am 21. November 1997 verpflichtet, den Aktionsplan auszuarbeiten und bis zum 15. April 1998 vorzulegen. Dies ist unbestreitbar nicht geschehen. Es gab nicht eine Verzögerung von drei Tagen, wie Sie behauptet haben - das stimmt nicht -, sondern er ist bis heute nicht vorgelegt worden.
Ist Ihnen Art. 23 des Grundgesetzes bekannt, wonach Sie diesen Aktionsplan, ehe Sie ihn aus dem Hause geben und in Richtung Brüssel leiten dürfen, dem Parlament zugänglich machen und ihm Gelegenheit zur Stellungnahme geben müssen? Dies ist bis heute nicht der Fall. Sie haben nicht einmal - Ihr Ministerium hat uns das eben mitgeteilt - die Absprache eingehalten, den Obleuten diesen grandiosen Aktionsplan bis 12 Uhr des heutigen Tages zuzuleiten. Das ist von Ihrem Hause vorhin - darüber will ich Sie informieren - abgelehnt worden.
Ich bin der Auffassung, daß Sie sich den rechtlichen Verpflichtungen, die aus der Abmachung vom November 1997, aus Art. 23 des Grundgesetzes und aus den Vereinbarungen mit den Obleuten seitens Ihres Ministeriums entstanden sind, nicht entziehen können, indem Sie hier laut behaupten, Sie hätten Ihre Schulaufgaben gemacht. Dies ist eindeutig nicht der Fall.
Ich will Sie darauf hinweisen, daß in der Vereinbarung auf dem Luxemburger Gipfel klar gesagt worden ist - dem hat die Bundesregierung ja zugestimmt -, daß Strategien auszuarbeiten sind, um künftig jedem Jugendlichen, ehe er sechs Monate arbeitslos ist, ein Ausbildungs- oder Arbeitsplatzangebot machen zu können. Dieses Ziel soll innerhalb der nächsten fünf Jahre erreicht werden.
Die Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit soll ein Schwerpunkt der europäischen Beschäftigungsleitlinien und der Aktionspläne sein. Ihrem bisherigen Vortrag war nicht zu entnehmen, daß Sie diese ganz präzise festgelegte Fünfjahresverpflichtung in Sachen Jugendarbeitslosigkeit zu erfüllen gedenken. Ich habe Ihrem Vortrag nur entnehmen können, daß der fatale Begriff der „Sucharbeitslosigkeit", der im Vorentwurf stand, gestrichen worden ist. Ich habe ihm nicht entnehmen können, daß Sie Ihre Verpflichtungen ernst nehmen. Sonst hätten Sie versucht, nicht nur mit den Sozialpartnern - was verspätet geschehen ist -, sondern auch mit den Bundesländern zu sprechen, die - wie Sie ja wohl wissen - einen sol-
Dr. Jürgen Meyer
chen Aktionsplan mit auszuführen haben, in dem es zum Beispiel um Fragen der Kulturhoheit im Zusammenhang mit Schulabschlüssen geht. Warum tun Sie das alles nicht? Warum sind Sie so träge?
Herr Professor Meyer, was Sie hier erzählt haben,
weise ich mit aller Entschiedenheit als sachlich nicht gerechtfertigt zurück.
Erstens weise ich darauf hin, daß wir dem Parlament die Berichte selbstverständlich nur dann zuleiten können, wenn wir einen entsprechenden Kabinettsbeschluß haben. Diesen Kabinettsbeschluß haben wir heute morgen herbeigeführt. Mittlerweile - ich bekomme gerade einen Zettel - ist die Zuleitung an die Präsidentin des Hohen Hauses bereits erfolgt.
Wo ist da eine Verzögerung? Wo ist etwas, was mit der Verfassung oder der Geschäftsordnung nicht im Einklang wäre? Dieser Vorgang ist ordnungsgemäß behandelt worden.
Daß wir den Aktionsplan sechs oder sieben Tage später in Brüssel abgeben, ist mit Brüssel - wenn Sie so wollen - abgestimmt; darüber besteht Einvernehmen. Die Ursache dafür lag einzig und allein darin, daß am Ostersonntag und Ostermontag keine Kabinettssitzungen durchgeführt werden. Aus dieser Verzögerung, die im Grunde keine ist - es ist vielmehr eine formalistische Betrachtung Ihrerseits -, irgend etwas abzuleiten, hat nur etwas mit Wahlkampf zu tun, mit nichts anderem.
Wie kommen Sie, verehrter Professor Meyer, zu der Aussage, daß ich die sieben Punkte im ersten Teil des Programmes, die ich herausgestellt habe, hier nicht konkret erläutern könne?
- Darf ich das einmal zu Ende führen? - Ich habe für den Eingangsvortrag fünf Minuten Zeit. In diesen fünf Minuten hat das Parlament, haben Sie ein Anrecht darauf, zu erfahren, was neu, was konkret ist. Das bezieht sich aber auf den zweiten Teil dieses Aktionsplans, und genau darauf habe ich hingewiesen.
Ich kann Ihnen beliebig lange, auf Anforderung auch wiederholt, vortragen, was in diesen sieben Punkten zur Ausgabendisziplin, zur Steuerreform, zur Sozialversicherung usw. niedergelegt ist. Ich möchte um Verständnis bitten, daß ich das nicht getan habe; die Ursache dafür ist eine zeitliche. Jeder kann nachlesen, was wir damit meinen.
Jeder weiß dies auch, weil über diese wichtigen Punkte in diesem Hohen Hause unzählige Debatten stattgefunden haben.
Herr Professor Meyer, haben Sie noch eine Zusatzfrage? -
Bitte.
Herr Minister, kann ich Ihre Ausführungen so verstehen, daß Sie Ihr Eingangsstatement erstens insofern korrigieren, als Ihr Versäumnis nicht drei, sondern bis jetzt schon sieben Tage beträgt? Kann ich Ihre Ausführungen zweitens so verstehen, daß Sie das Parlament zwar bis 12 Uhr informieren wollten, dies aber, aus welchen Gründen auch immer, nicht geschafft haben? Und kann ich Ihre Ausführungen schließlich so verstehen - dazu haben Sie nichts gesagt -, daß Sie bisher, obwohl das für einen ernstgemeinten Aktionsplan notwendig wäre, die Zusammenarbeit, zumindest die Kontaktaufnahme mit den Bundesländern nicht gesucht haben?
Herr Kollege, das können Sie nicht.
Ich gebe Ihnen recht, daß es nicht drei Tage waren, um die wir die Frist formal überschritten haben, sondern sieben. Ich kann Ihnen auch nicht sagen, ob die Zuleitung an die Obleute um 11.45 Uhr oder um 12.03 Uhr erfolgte.
Ich werde das feststellen lassen. Vielleicht ist es dabei zu einer Säumnis von drei Minuten gekommen. Das weiß ich aber nicht genau. Ich werde Sie darüber informieren.
Was das Inhaltliche angeht, so möchte ich Ihnen sagen, daß die Abstimmung mit den Bundesländern in Vorbereitung dieses Aktionsplans in großer Ausführlichkeit stattgefunden hat.
Wir haben bei der Abfassung, im Vorfeld des Aktionsplans zahllose Gespräche mit den Vertretern der Bundesländer geführt.
Herr Kollege Meyer, ich verstehe Ihre Intervention überhaupt nicht. Wenn Sie sich auf Formalien konzentrieren, auf eine Überziehung der Frist um we-
Bundesminister Dr. Günter Rexrodt
nige Minuten, dann frage ich Sie: Wo sind wir denn hier?
Ich lasse noch eine Frage zu, und zwar vom Kollegen Wolfgang Weiermann. - Bitte schön, Herr Kollege.
Herr Minister, ist Ihnen entgangen, daß die Steuerbelastung insbesondere bei Großunternehmen in den letzten Jahren stark gesunken ist, da Sie hier immer die Steuerreform anführen, um zu weiteren Entlastungen der Wirtschaft zugunsten der Schaffung von Arbeitsplätzen zu kommen?
Ist Ihnen ferner entgangen, daß Allianz und Siemens über Jahre hinweg in Deutschland keine Gewinnsteuern gezahlt haben und daß Daimler dies auch in den nächsten Jahren nicht tun wird? Ist Ihnen nicht bekannt, daß Personenunternehmen und Selbständige im Jahre 1997 eigentlich rund 250 Milliarden DM an Steuern hätten zahlen müssen, aber nur 5,8 Milliarden DM gezahlt haben? Diese Summe liegt also nur etwas über der Einnahme aus der Schnapssteuer.
Unter dem Eindruck des Sinkens der Steuerbelastung und unter dem Eindruck Ihrer Worte, das 50-
Punkte-Programm für mehr Wachstum und Beschäftigung werde einen durchschlagenden Erfolg hinsichtlich der Schaffung von mehr Arbeitsplätzen haben, möchte ich Sie fragen: Stimmt es Sie an dieser Stelle nicht traurig, daß angesichts des Ergebnisses von dieser beabsichtigten Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt bis heute nicht das Geringste zu spüren ist? Bringt Sie dieses Ergebnis nicht dazu, einmal zu überprüfen, ob die bisherige Politik nicht doch verkehrt war?
Herr Minister.
Herr Kollege, wenn ich das einmal so sagen darf: Ihre Frage war geradezu eine Vorlage für jemanden, der die Regierungspolitik vertritt. Was die absoluten Steuerzahlungen und damit die Steuerquote angeht, haben Sie recht. Aber was ist denn die Ursache dafür, daß eine Politik der Steuervermeidung betrieben wird, daß in Deutschland versucht wird, Investitionen nicht in unserem Land, sondern dort zu tätigen, wo es andere Bedingungen im Steuerbereich gibt?
Die Ursachen liegen darin, daß wir viel zu hohe Steuersätze haben. Wenn wir die Gewerbesteuer einbeziehen, haben wir im gewerblichen Bereich eine steuerliche Belastung in der Größenordnung von 60 Prozent. In wichtigen Konkurrenzländern, also in
Ländern, die mit uns im Wettbewerb um Arbeitsplätze und Investitionen stehen, liegt die steuerliche Belastung zwischen 30 und 40 Prozent.
Wir müssen also endlich so handeln wie in Holland, in Skandinavien und in Großbritannien - vollzogen vor wenigen Wochen unter anderem auch von Tony Blair -, nämlich die Steuersätze über den gesamten Tarif senken, damit unser Land wieder attraktiv wird, so daß in Deutschland wieder Aktivitäten entfaltet werden, die sich bei dem Kollegen Waigel in den Büchern niederschlagen.
Die Tatsache, daß Steuervermeidung stattfindet, ist ja gerade die Ursache dafür, daß die Einnahmen geringer werden. Dies geschieht im übrigen in aller Regel auf legale Weise - wir haben das so gewollt - über bestimmte Steuervergünstigungen, die wir aber im Rahmen der Steuerreform abschaffen wollten. Hierin liegt die Notwendigkeit unserer Steuerreform.
Wir liegen richtig mit unserer Politik. Obwohl wir jetzt keine Debatte darüber führen, möchte ich sagen: Ihre Blockadehaltung
führt dazu, daß weniger Steuern eingenommen werden und daß dieses Land nicht mehr attraktiv für wirtschaftliche Aktivitäten in diesem Bereich ist.
Herr Kollege Weiermann, eine Zusatzfrage?
Ich sehe die Ursache dieser Entwicklung vielmehr darin, daß Sie mit Ihrer Politik über 16 Jahre - -
Herr Kollege, entschuldigen Sie bitte. Würden Sie sich darauf konzentrieren, eine Frage zu stellen? Wir haben die vorgesehene Zeit schon um fast eine Viertelstunde überschritten.
Richtig. - Herr Minister, ist es nicht die Wahrheit, daß Ihre Politik, für die Sie in der Regierung seit 16 Jahren die Verantwortung tragen, zu dieser Situation und damit zu den legalen Schlupflöchern geführt hat? Diese Schlupflöcher können letztlich nur jene für sich in Anspruch nehmen, die über das entsprechende Kapital verfügen. Auf der anderen Seite wird die Belastung - das ist für die Arbeitsmarktsituation und auch für die Binnenmarktnachfrage entscheidend - insbesondere auf die Schulter derjenigen gelegt, die nur ein kleines oder mittleres Einkommen haben.
Nein, das ist nicht so. Tatsache ist, daß das Steuerrecht, so wie es entstanden ist, Ergebnis der Steuerpolitik in Bund und Ländern über viele Jahre ist. Tatsache ist auch, daß diese Bundesregierung seit Jahren versucht, über ihre Steuerreformpolitik zu ande-
Bundesminister Dr. Günter Rexrodt
ren Regelungen zu kommen, um damit wieder mehr Steueraufkommen auch aus dem Bereich der gewerblichen Wirtschaft zu erzielen. Das würde zumindest die relative Belastung der Arbeitnehmer verändern und - da wir einen Tarif vorsehen, der im unteren und mittleren Bereich Entlastung bringt - auch die absolute Belastung. Das sind die Fakten.
Das, was aus heutiger Sicht im Laufe der Jahre in Bund und Ländern an Fehlentwicklung entstanden ist, nehmen wir auch gemeinsam auf uns. Es wäre töricht, dies nicht zu tun. Wir bemühen uns wenigstens, dies zu korrigieren - es wird aber blockiert -, und das ist das Signal, das aussteht, das wir brauchen, damit wir wieder mehr Investitionen und Arbeitsplätze in diesem Land haben.
Vielen Dank.
Ich beende damit die Befragung und rufe den Tagesordnungspunkt 2 auf:
Fragestunde
- Drucksache 13/10414 -
Wir beginnen mit dem Bereich des Bundesministers für Gesundheit. Zur Beantwortung der Fragen steht die Parlamentarische Staatssekretärin Dr. Sabine Bergmann-Pohl zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 1 der Abgeordneten Wohlleben auf:
Liegen der Bundesregierung Erkenntnisse darüber vor, ob von dem Personenkreis der nach 1978 Geborenen die angebotene Einzel- und Gruppenprophylaxe vermehrt genutzt wird und somit die von der Bundesregierung angestrebte verbesserte Zahngesundheit erreicht werden kann?
Frau Kollegin! Herr Präsident! Sowohl die schrittweise Einbeziehung individualprophylaktischer Leistungen in die vertragszahnärztliche Versorgung als auch der Ausbau der Gruppenprophylaxe haben dazu geführt, daß diese Leistungen von den berechtigten Versicherten wesentlich häufiger auch tatsächlich in Anspruch genommen werden.
Nach der Abrechnungsstatistik der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung von 1997 nahmen im ersten Halbjahr 1993 nach Erweiterung des Kreises der Inanspruchnahmeberechtigten um die Sechs- bis Elfjährigen und Einbeziehung der Fissurenversiegelung 17,3 Prozent in den alten Bundesländern und 30,7 Prozent in den neuen Bundesländern individualprophylaktische Leistungen in Anspruch.
Die Statistik belegt, daß das Inanspruchnahmeverhalten der Berechtigten seitdem von Jahr zu Jahr deutlich ansteigt. Im ersten Halbjahr 1996 nahmen von den Anspruchsberechtigten in den alten Bundesländern 25,3 Prozent, in den neuen Bundesländern 42,6 Prozent diese Leistungen in Anspruch. Auch im ersten Halbjahr 1997 setzt sich in Gesamtdeutschland dieser Trend fort.
Gleichzeitig sinkt der Kariesbefall von Jahr zu Jahr, wobei sich der Rückgang seit Ende der 80er
Jahre beschleunigt. Sowohl bei den Sechs- als auch bei den Neunjährigen und insbesondere den Zwölfjährigen haben sich bemerkenswerte Fortschritte ergeben, die vor einiger Zeit in Deutschland noch nicht für möglich gehalten wurden.
Der DMFT-Wert bei Zwölfjährigen, der international als aussagefähiger Indikator für die Zahngesundheit Jugendlicher gilt, hat sich in den letzten 17 Jahren um 65 Prozent verringert. Lag er Anfang der 80er Jahre noch bei 6,2, betrug er 1989 in den alten Bundesländern durchschnittlich 4,1 und in den neuen Bundesländern 1992 3,3. Seither ist er in den alten und neuen Bundesländern weiter zurückgegangen, so daß sich für 1997 ein mittlerer DMFT-Wert für Deutschland von 2,2 errechnet. Damit fällt Deutschland nach WHO-Kriterien in die Ländergruppe mit einem niedrigen Kariesbefall. Das WHO-Ziel für Europa - höchstens 2 DMFT - dürfte bis zum Jahr 2000 in Deutschland erreicht werden.
Vielen Dank. Sie haben eine Zusatzfrage? - Bitte schön.
Frau Staatssekretärin, kann ich Ihrer Antwort entnehmen, daß Sie auf Grund der vorgelegten Zahlen nicht daran denken, in Ihrer Gesetzgebung etwas rückgängig zu machen, was die nach 1978 geborenen Jahrgänge anbelangt?
Nein, Frau Kollegin.
Noch eine Zusatzfrage? - Nein. Dann rufe ich Ihre Frage 2 auf:
Beabsichtigt die Bundesregierung, den gesetzlichen Krankenkassen einzuräumen, für die nach 1978 Geborenen Zusatzversicherungen für Zahnersatz anzubieten und damit den jetzt bevorzugten Anbietern auf diesem Leistungsgebiet gleichgestellt zu werden?
Bitte schön.
Nein, Frau Kollegin, eine solche Absicht besteht nicht. Die Bundesregierung hält vielmehr die im Zweiten Gesetz zur Neuordnung von Selbstverwaltung und Eigenverantwortung in der gesetzlichen Krankenversicherung vorgenommene Abgrenzung zwischen erweiterten Leistungen, die jede Krankenkasse ihren Versicherten zu einem Zusatzbeitrag anbieten kann, und Leistungen, die ausdrücklich nicht von den Krankenkassen erweitert werden dürfen, wie zum Beispiel zahnärztliche Behandlung einschließlich Zahnersatz, für zutreffend.
Zahnersatz ist bei guter Mundhygiene und bei regelmäßiger Inanspruchnahme zahnärztlicher Kontrolluntersuchungen sowie gegebenenfalls prophylaktischer Maßnahmen - hierzu zählt auch die Möglichkeit einer Fissurenversiegelung der Backenzähne - weitgehend vermeidbar, so daß kein Bedürfnis dafür besteht, diese Leistung als Zusatzversicherung in-
Parl. Staatssekretärin Dr. Sabine Bergmann-Pohl
nerhalb der gesetzlichen Krankenversicherung anzubieten.
Eine Zusatzfrage?
Ja. - Frau Staatssekretärin, gedenkt die Bundesregierung dann, den Kassenärztlichen Vereinigungen und den Krankenkassen dementsprechend zu widersprechen, und das öffentlich?
Das müssen Sie jetzt etwas präzisieren.
Die Kassen wollen solche Zusatzversicherungen einräumen; das wird in der öffentlichen Diskussion so erklärt.
Das Gesetz gibt das nicht her. Es ist zwar in der Vorbereitung des 2. NOG darüber diskutiert worden, aber es besteht für jeden Versicherten bzw. für die Eltern der Jugendlichen die Möglichkeit, bei einer privaten Krankenversicherung eine Zusatzversicherung abzuschließen. Aber ich habe vorhin dargestellt, daß es auf Grund der hervorragenden Präventivmaßnahmen - Individual- und Gruppenprophylaxe - bei maximaler Zahngesundheitspflege durch den Betroffenen selbst gar nicht erst zum Zahnersatz kommen muß und sich dann solche Zusatzversicherungen durchaus erübrigen.
Keine weiteren Zusatzfragen. - Vielen Dank, Frau Staatssekretärin; Sie sind hiermit befreit.
Dann rufe ich den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr auf. Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Johannes Nitsch zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 3 des Kollegen Horst Kubatschka auf:
Welche Fahrrinnentiefe ist für den „Naturversuch" zum Donauausbau im Bereich der Ortschaft Mühlham geplant, und nach welchen Kriterien wurde diese Tiefe festgelegt?
Herr Abgeordneter, die Untersuchungsstrecke teilt sich in eine etwa 40 Meter breite provisorische Nebenfahrrinne zur Aufrechterhaltung der Schiffahrt und die etwa 40 Meter breite Versuchsstrecke mit dem Sohldeckwerk. Die Fahrrinnentiefe der Nebenfahrrinne wird 2 Meter unter RNW betragen, um eine den anschließenden Strekken gleichwertige Fahrrinnentiefe zu gewährleisten.
Für die Fahrrinne der Versuchsstrecke selbst wird die Sollhöhe des Sohldeckwerks 2,8 Meter unter Regulierungsniedrigwasserstand liegen. Für die Herstellung des Sohldeckwerks wird ein Toleranzmaß für die Sollhöhe von 0,3 Metern nach oben und 0,2 Metern nach unten angenommen. Erst nach Auswertung der Untersuchungsergebnisse können Rückschlüsse auf die tatsächlich notwendige Fahrrinnentiefe gezogen werden.
Die Sollhöhe des Sohldeckwerks wurde so gewählt, da vorgesehen ist, die Schiffahrt nach Abschluß der Baumaßnahmen und Durchführung der Versuchsfahrten wieder in die bisherige Fahrrinne zurückzuverlegen.
Das ist alles so plastisch, daß man es sich richtig vorstellen kann.
Herr Kollege, haben Sie eine Zusatzfrage?
Leider geht es in diesem Fall nicht ohne Fachchinesisch.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Wer hat diese Fahrrinnentiefe festgelegt, und wie setzt sich diese Tiefe zusammen? Welcher Sicherheitsabstand ist zum Beispiel festgelegt worden?
Da kommen wir immer tiefer in das Fachchinesisch hinein. Aber ich bin gern bereit, die entsprechenden Wassertiefen im einzelnen zu nennen.
Die Fahrrinnentiefe ist von den Gremien festgelegt worden, die diese Versuchsarbeiten vorbereiten. Wir haben Ihnen in einer schriftlichen Antwort die Gremien genannt; ich möchte sie jetzt nicht wiederholen. Der Sicherheitsabstand beträgt in diesem Fall 0,2 Meter.
Noch eine Zusatzfrage?
Herr Staatssekretär, inwieweit bestimmt die Fahrrinnentiefe des geplanten Naturversuches bereits im voraus die bautechnischen Grundlagen, die mit diesem Versuch geschaffen werden sollen?
Die bautechnischen Grundlagen werden erst nach Auswertung des Versuchs festgelegt, so daß sich Abweichungen von der jetzigen Fahrrinnentiefe nach oben und unten ergeben werden. Sie wissen, daß wir den Versuch durchführen, um Erfahrungen mit der Deckkonstruktion zu machen und auszuprobieren, wie sich das Sohldeckwerk verhält, wenn Schiffe mit rotierenden Schrauben über es hinwegfahren. Die Reaktionen des Deckwerkes auf diese Betriebsverhältnisse werden dann letzten Endes in die Auswertung einfließen und die tatsächliche Fahrrinnentiefe bestimmen.
Metadaten/Kopzeile:
20986 Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 229. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. April 1998
Jetzt kommt eine Zusatzfrage der Kollegin Irber.
Herr Staatssekretär, wurden bei der Festlegung der Kriterien für die Fahrrinnentiefe auch Erkenntnisse aus dem Versuch beim Ausbau der unteren Isar zu Rate gezogen?
Herr Staatssekretär, bitte.
Ich kann Ihnen das aus meiner persönlichen Kenntnis nicht mit einem klaren Ja beantworten, aber so, wie ich die Arbeit von Fachgremien kenne, werden vorhandene Ergebnisse immer einbezogen.
Ich rufe die Frage 4 des Kollegen Kubatschka auf:
Welche flußbaulichen Maßnahmen sollen in den „Naturversuch" zum Donauausbau einbezogen werden, und welche konkreten Ergebnisse verspricht man sich von den einzelnen flußbaulichen Maßnahmen?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Herr Abgeordneter, mit dem Naturversuch wird ein Sohldeckwerk, bestehend aus Wasserbausteinen zwischen 5 und 20 Zentimetern Durchmesser, zum Schutz der Flußsohle hergestellt. Da in der Versuchsstrecke bereits Buhnen und ein Parallelwerk vorhanden sind, werden neben den Baggerarbeiten, deren Material wieder in die Donau verklappt wird, keine weiteren flußregelnden Maßnahmen erforderlich.
Mit dem Naturversuch werden Ergebnisse zu folgenden Fragen erwartet: erstens Erkenntnisse über die technischen Möglichkeiten und die Probleme der Herstellung des Sohldeckwerks im strömenden Fluß unter Schiffahrtsbedingungen, zweitens Erkenntnisse über die erforderlichen Sicherheitsabstände zwischen Schiffsboden und Sohldeckwerk sowie Erfahrungen über die Beanspruchung und Änderung des Sohldeckwerks durch die Schiffahrt und drittens Erkenntnisse über die mit der Herstellung eines Sohldeckwerks verbundenen Eingriffe in die Ökologie.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, wie wollen Sie die ökologischen Auswirkungen des Naturversuchs erfassen, zum Beispiel die Bewegungen des Grundwassers, Absenkungen, Erhöhung bzw. die Dynamik des Grundwassers?
Indem wir die Vorgänge messen und die Ergebnisse in Meßprotokollen festhalten und später bewerten.
Noch eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, wie wollen Sie die Dynamik des fließenden Gewässers bei diesen Versuchen erfassen, vor allem, wenn man die Auswirkungen auf den Auwald und anderes bedenkt?
Die Dynamik des fließenden Wassers ist vorhanden. Wir vermessen nur die Veränderungen, die sich eventuell einstellen, was wir nicht hoffen.
Es gibt keine weiteren Zusatzfragen. Vielen Dank, Herr Staatssekretär.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau. Die Frage 5 des Kollegen Wallow wird schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Justiz auf. Zur Beantwortung der Fragen steht der Parlamentarische Staatssekretär Rainer Funke zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 6 des Kollegen Manfred Kolbe auf:
Hält die Bundesregierung die von dem Richter am Bundesgerichtshof, Falk Freiherr von Maltzahn, in seinem Leserbrief in der „Süddeutschen Zeitung" vom 20. März 1998 getätigten Äußerungen unter dem Titel "Mit parteiübergreifendem Konsens Grundrechte der Enteigneten ausgehebelt" mit dem Deutschen Richtergesetz und insbesondere dessen § 39 für vereinbar?
Herr Kollege Kolbe, ich beantworte Ihre Frage wie folgt: In dem von Ihnen angeführten Leserbrief greift der Richter am Bundesgerichtshof Freiherr von Maltzahn die Haltung der Bundesregierung zu der Frage der Entschädigung von Personen, die in der ehemaligen Sowjetischen Besatzungszone in der Zeit von 1945 bis 1949 enteignet wurden, sowie die hierzu ergangene Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts an. Dies geschieht in sehr kritischer Weise und unter Nennung von Namen und Amtsbezeichnung des Richters.Auch Richter dürfen, insbesondere außerhalb ihres Richteramts, das heißt, wenn sie als Privatperson auftreten und keine richterlichen Tätigkeiten wahrnehmen, das ihnen zustehende Grundrecht auf Meinungsäußerung nutzen und sich an der politischen Diskussion beteiligen. Dabei ist es ihnen grundsätzlich auch nicht verwehrt, eindeutig Stellung zu beziehen, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob dies mit der Auffassung der Regierung übereinstimmt oder ihr widerspricht.Es ergeben sich jedoch Einschränkungen der Meinungsfreiheit aus der Stellung des Richters und dem ihm anvertrauten Amt. § 39 Deutsches Richtergesetz
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 229. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. April 1998 20987
Parl. Staatssekretär Rainer Funkekonkretisiert dabei die mit der Rechtsstellung des Richters verbundene Pflicht zur Zurückhaltung und Mäßigung. Wesentlich für die Stellung des Richters und für das dem Amt und dem Amtsinhaber entgegengebrachte Vertrauen ist die innere und äußere Unabhängigkeit des Richters und das Vertrauen der Allgemeinheit auf diese Unabhängigkeit. Der Richter darf durch sein Verhalten keinen gegenteiligen Eindruck erwecken. Die innere und äußere Unabhängigkeit ist dabei in einem weiten Sinne als Neutralität, Unparteilichkeit und Distanz zu verstehen. Neutralität und erkennbare Distanz sollten grundsätzlich auch in aktuellen politischen Auseinandersetzungen spürbar bleiben.Der in Rede stehende Leserbrief war im übrigen am 30. März 1998 Gegenstand einer Unterredung zwischen dem Richter Freiherr von Maltzahn und dem Präsidenten des Bundesgerichtshofs. Anlaß für darüber hinausgehende Maßnahmen bestand nicht.
Eine Zusatzfrage? - Bitte schön.
Herr Staatssekretär, mir geht es weniger um die Äußerungen des Bundesrichters zu der umstrittenen politischen Frage - da wird vieles vertreten; das sei auch ihm unbenommen -, mir geht es darum, ob die Bundesregierung folgenden Satz des Richters in dem Leserbrief mit dem Deutschen Richtergesetz für vereinbar hält:
Allen Politikern geht es um den Erhalt ihrer Macht, und Machterhalt heißt in unserer Ordnung: Gewinnung von Mehrheiten. Recht oder Unrecht, Wahrheit oder Unwahrheit, Moral oder Unmoral sind insoweit belanglos.
Unterzeichnet:
Richter am Bundesgerichtshof.
Halten Sie das mit dem Amt für vereinbar?
Herr Staatssekretär, bitte schön.
Herr Kollege, ich habe hier keine Bewertung abzugeben. Wir sind ja nicht sozusagen Dienstvorgesetzte des Richters. Wir haben zu urteilen, ob der Richter die notwendige Distanz gemäß § 39 Deutsches Richtergesetz gewahrt hat. Ich glaube, dazu habe ich ausführliche Ausführungen gemacht, die ich nicht zu ergänzen habe, zumal der Herr Präsident des Bundesgerichtshofs ein dienstliches Gespräch mit seinem Richter geführt hat.
Eine weitere Zusatzfrage.
Ich muß noch einmal nachfragen: Halten Sie es mit den Pflichten für vereinbar, daß jemand mit der Unterschrift „Richter am Bundesgerichtshof" allen Politikern attestiert, daß für sie Recht oder Unrecht, Wahrheit oder Unwahrheit keine Rolle spielen? Ich fühle mich da persönlich angegriffen.
Herr Kollege, Sie haben sicherlich gemerkt, daß ich die notwendige Distanz, die auch einem Richter auferlegt ist, in diesem Fall für nicht mehr gegeben ansehe. Das hätte vielleicht anders sein können, wenn er mit „von Maltzahn" oder mit „Freiherr von Maltzahn" unterschrieben hätte. Es wäre wohl zweckmäßiger gewesen, in diesem Fall den Zusatz „Richter am Bundesgerichtshof" wegzulassen.
Zusatzfrage, Herr Kollege Schmidt.
Herr Staatssekretär, sind Sie mit mir einig, daß ein dienstliches Gespräch vor diesem Hintergrund als Maßnahme nicht ganz ausreichen könnte? Wären Sie bereit, das Haus darüber zu informieren, was aus diesem Vorgang weiterhin noch entstanden ist?
Herr Kollege Schmidt, ich habe mit meiner Antwort eben deutlich gemacht, daß mir das Gespräch zwischen dem Präsidenten und dem Richter als ausreichend erscheint. Ich habe ausdrücklich gesagt: Anlaß für darüber hinausgehende Maßnahmen bestand nicht. Die Bundesregierung ist hier auch nicht dazu da, unabhängige Richter in irgendeiner Weise zu kritisieren.
Eine Zusatzfrage, Herr Kollege Schwanitz.
Herr Staatssekretär, nachdem ich Ihren Ausführungen entnehmen kann, daß zumindest in bezug auf die Publikation eine mangelnde Distanz empfunden wird - jedenfalls sehe ich das so -, will ich die Frage stellen, ob die Bundesregierung nicht auch der Auffassung ist, daß sich die gleiche Frage für den Fall aufdrängen könnte, daß der Richter im Rahmen seiner richterlichen Tätigkeit mit einem entsprechenden Sachverhalt betraut wird.
Herr Kollege Schwanitz, das berührt schon die nächste Frage des Kollegen Kolbe, ob nämlich der Richter am Bundesgerichtshof Freiherr von Maltzahn mit einer entsprechenden dienstlichen Frage konfrontiert sein könnte, ob er also Fälle aus der Zeit von 1945 bis 1949 zu behandeln haben könnte. Herr Kollege Kolbe, vielleicht darf ich die Antwort gleich geben.
Dann rufe ich die Frage 7 auf:
Ist der Bundesrichter Falk Freiherr von Maltzahn als Richter am Bundesgerichtshof an Verfahren beteiligt, die Eigentums- und Vermögensfragen in der ehemaligen SBZ/DDR betreffen?
Diese Frage beantworte ich wie folgt: Richter am Bundesgerichtshof Freiherr von Maltzahn ist Mitglied des X. Zivilsenats, dem schwerpunktmäßig die Rechtsstreitigkeiten über Patent- und Gebrauchsmusterrecht sowie ein Teil der Rechtsstreitigkeiten über Werkverträge zugewiesen sind. An Entscheidungen, die einen Bezug zu den in seinem Leserbrief angesprochenen Eigentums- und Vermögensfragen aufweisen, wirkt der Richter nach dem Geschäftsverteilungsplan des Bundesgerichtshofs nicht mit.
Mitglieder des X. Zivilsenats vertreten nach dem Geschäftsverteilungsplan Mitglieder des I. Zivilsenats. Dessen Zuständigkeiten betreffen im wesentlichen Rechtsstreitigkeiten auf dem Gebiet des Urheberrechts und des gewerblichen Rechtsschutzes, soweit sie nicht dem X. Zivilsenat zugewiesen sind.
Ich füge noch hinzu: Sie sehen, daß hier eine gewisse Verkoppelung in bezug auf das fachliche Wissen vorhanden ist.
Die erste Zusatzfrage stellt Herr Kubatschka.
Herr Staatssekretär, Freiherr von Maltzahn ist also Richter im technischen Bereich und im Bereich der Patente. Hat er dann nicht eigentlich mit dem Hinweis, er sei Bundesrichter, eine Fachkompetenz vorgetäuscht, die gar nicht vorhanden ist? Ist es nicht ein Mißbrauch des Amtes, wenn man sich mit seinem Titel in etwas hineinmischt, um damit in der Öffentlichkeit Fachkompetenz darzustellen?
Nein, Herr Kollege. Es gibt am Bundesgerichtshof keine Richter der technischen Art oder wie immer Sie es bezeichnen möchten. Beim Bundesgerichtshof ist jeder im juristischen Sinne ein gleichwertiger Richter. Beim Bundespatentgericht - da gebe ich Ihnen recht - gibt es Richter, die mehr im technischen Bereich tätig sind. Diese sind aber in der Regel keine Volljuristen, sondern Techniker und Ingenieure, die das entsprechende Fachwissen haben. Aber ein Richter am Bundesgerichtshof ist in vollem Umfang Richter und nicht auf technische Aufgaben beschränkt.
Herr Kollege Schwanitz.
Herr Staatssekretär, besteht denn für die Zukunft die Möglichkeit, daß der Geschäftsverteilungsplan verändert wird, und kann ich, da Sie ja ausdrücklich auf diesen Geschäftsverteilungsplan abstellen, Ihre Antwort dahin gehend interpretieren, daß für den Fall eines entsprechenden Wechsels dieses Richters in einen anderen Senat die geäußerten Vorbehalte von seiten der Bundesregierung sehr wohl gesehen würden?
Herr Kollege Schwanitz, die Bundesregierung hat mit dem Geschäftsverteilungsplan des Bundesgerichtshofes überhaupt nichts zu tun.
Es würde der Gewaltenteilung widersprechen, wenn wir uns in irgendeiner Weise in diese Dinge einmischten.
Natürlich besteht jedes Jahr, glaube ich, die Möglichkeit, den Geschäftsverteilungsplan des Bundesgerichtshofs - wie im übrigen jedes anderen Gerichtes auch - zu ändern. Vielleicht sollten Sie dabei auch etwas auf die Praxis schauen: Es wäre ziemlich ungewöhnlich, wenn ein erfahrener Richter zum Beispiel im Bereich des Urheberrechts sich plötzlich mit Fragen des Strafrechts befassen müßte.
Vielen Dank. Es fällt mir schwer, die Bemerkung zu unterdrücken, daß wir geradezu von Glück sagen können, daß es sich bei diesem Richter am Bundesgerichtshof nicht um einen Offizier der Bundeswehr gleicher Gehaltsgruppe gehandelt hat.
Die Fragen 8 des Kollegen Augustinowitz, 9 und 10 des Kollegen Höfer werden schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt. Vielen Dank, Herr Staatssekretär.
Ich möchte den Geschäftsführern sagen, daß wir wahrscheinlich die Aktuelle Stunde pünktlich um 14.45 Uhr beginnen lassen könnten. Ich bitte, sich darauf nach Möglichkeit einzustellen.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes auf. Zur Beantwortung der Fragen steht Staatsminister Helmut Schäfer zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 11 des Kollegen Göllner auf
Ist die Bundesregierung bereit, aus dem Fall der Schließung des Goethe-Institutes in Island die Konsequenzen zu ziehen, daß Mittelkürzungen grundsätzlich nicht mehr im laufenden Haushaltsplanverfahren vorgenommen werden, weil die Umsetzung der Kürzungen, wie z. B. im Fall Reykjavik, m aller Regel nur durch Schließungen innerhalb der geforderten Jahresfrist zu realisieren sind, und wäre die Bundesregierung gleichzeitig bereit, zuzusichern, daß alle Fragen hinsichtlich des Bestandes des Institutsnetzes einer zumindest mittelfristigen Planung unterliegen?
Bitte schön.
Herr Kollege, die Schließung des Goethe-Instituts in Reykjavik und die Schließung anderer Zweigstellen im Ausland sind eine konkrete Folge der linearen Kürzungen im Stellenplan des Bundes. Die Bemühungen des Bundesministers des Auswärti-
Staatsminister Helmut Schäfer
gen, das Goethe-Institut und andere Kulturmittler von Stellenkürzungen freizustellen, sind - wie Sie wissen - im Bundestag bekannt. Sie haben in den Beratungen über den Haushalt 1998 leider nicht zum Erfolg geführt.
Der Bundesminister des Auswärtigen hat seither wiederholt seine Auffassung kundgetan, daß ein weiterer Personalabbau bei den Kulturmittlern im Hinblick auf unsere Auswärtige Kulturpolitik nicht mehr zu verantworten ist. Er unterstützt auch ein vom Goethe-Institut gefordertes Moratorium für die Umsetzung der für 1998 beschlossenen Personalkürzungen, um dem Institut den notwendigen Vorlauf zu geben, Auffangstrukturen an solchen Orten zu bilden, an denen sonst im Zuge der beschlossenen Personalkürzungen Schließungen unvermeidlich sind.
Sie haben eine Zusatzfrage, Herr Kollege? - Bitte.
Herr Staatsminister, wie erklärt die Bundesregierung die Tatsache, daß ihre Antwort vom 27. März dieses Jahres auf die schriftliche Frage der Kollegin Faße in bezug auf die Schließung des Goethe-Instituts in Reykjavík vom 19. März auf finanzielle Zuweisungen der Stadt Reykjavík hinweist, obwohl die Stadt Reykjavík nie die Bereitschaft erklärt hat, irgendwelche Kosten in diesem Zusammenhang zu übernehmen?
Herr Kollege, die Bundesregierung hat die Frage auf der Grundlage der uns damals vorliegenden Informationen beantwortet. Im Gegensatz zu Ihrer Behauptung muß ich Ihnen sagen: Zum Zeitpunkt der Antwort war die Sachlage so, wie sie die Bundesregierung hier auch mitgeteilt hat. Sie hat sich inzwischen verändert.
Herr Kollege Kubatschka, eine Zusatzfrage? - Bitte.
Herr Staatssekretär, wie bewertet die Bundesregierung folgenden Parlamentsbeschluß zum Goethe-Institut in Reykjavík: Das Althing beschließt mit Hinsicht auf die guten Beziehungen zwischen Deutschland und Island, den Bestrebungen der isländischen Regierung gegenüber deutschen Regierungsstellen seine Unterstützung auszusprechen, um das Fortbestehen des Goethe-Instituts in Reykjavík zu garantieren. Dieser Beschluß wurde einstimmig gefaßt und stammt vom 20. November letzten Jahres.
Herr Kollege, Sie wissen, daß die Auflösung eines Goethe-Instituts im Zusammenhang mit Entscheidungen des Goethe-Instituts selber, seines Präsidiums und seiner Mitgliederversammlung, steht; nicht die Bundesregierung schließt Goethe-Institute.
Vielmehr muß das Goethe-Institut auf der Grundlage der Mittel, die ihm zur Verfügung stehen oder nicht zur Verfügung stehen, Konsequenzen ziehen. Dies macht es, nachdem es Vergleiche und Prüfungen mit allen anderen Instituten angestellt hat.
Ich darf Ihnen sagen - insofern kommen wir der Sache wieder etwas näher; wir sind ja auch daran interessiert, daß in Island eine solche Vertretung bleibt -, daß die Bildung des Trägervereins, bei dessen Zustandekommen, Herr Kollege Göllner, die Stadt Reykjavík maßgebliche Unterstützung leisten wird, noch nicht abgeschlossen ist, aber daß die Bundesregierung in Verhandlungen über einen solchen Trägerverein steht. Er soll in Zukunft den Erhalt eines deutschen Kulturinstituts garantieren. Die Bundesregierung wird diesen Trägerverein auch projektbezogen fördern.
Jetzt kommt die Zusatzfrage der Kollegin Faße.
Herr Staatsminister, ich denke, daß Sie sich darüber im klaren sind, was die Schließung des Goethe-Instituts für Island und für die Beziehungen zu Island bedeutet. Darum frage ich Sie ganz konkret: In welcher Höhe, in welcher Form und wann wird dafür Sorge getragen, daß die angestrebte Koordinierungsstelle in Island ihre Arbeit aufnehmen kann? Ich frage Sie gerade im Hinblick darauf, daß zur Zeit 6000 Bücher in Kartons und Kisten stehen und noch nicht klar ist, wo sie untergebracht werden: Wann kriegen wir die Koordinierungsstelle als Folgeeinrichtung des Goethe-Instituts? Wieviel Geld ist die Bundesregierung in Relation zu den 350 000 DM, die wir für dieses Goethe-Institut einmal sinnvoll eingesetzt haben, auf den Tisch zu legen bereit?
Frau Kollegin, ich hatte gerade darauf hingewiesen und darf wiederholen, daß die Bundesregierung in Verhandlungen auch mit den zur Verfügung stehenden Institutionen, die den Trägerverein bilden werden, dabei ist, sicherzustellen, daß ein Institut erhalten bleibt, daß aber bis dahin natürlich noch nicht gesagt werden kann, wie hoch der Zuschuß ist, den wir dazu zu leisten haben; vielmehr müssen wir abwarten, welche Summe - auch vom Trägerverein - zusammenkommt. Das bitte ich zu berücksichtigen. Ich kann Ihnen die Summe jetzt noch nicht nennen. Aber wir sind im Gespräch. Niemand will ja die Schließung des Goethe-Instituts.
Aber wir mußten auf Grund der Kürzungen bei allen Haushaltstiteln auch des Auswärtigen Amtes und der Auswärtigen Kulturpolitik und auch des Goethe-Instituts bestimmte Schließungen vornehmen, die jedoch jeder bedauert. Ich habe Ihnen vorhin schon gesagt, das Auswärtige Amt kämpft gerade bei diesem Titel außerordentlich, und wir hoffen, daß es jetzt nicht zu weiteren Einsparungen kommen wird.
Dann rufe ich die Zusatzfrage des Kollegen Kuhlwein auf.
Herr Staatsminister, nachdem Sie eben noch einmal die Bemühungen des Bundesaußenministers unterstrichen haben, mehr Geld für den Haushalt des Auswärtigen Amtes und für die Auswärtige Kulturpolitik zu bekommen, frage ich Sie: Ist es richtig, daß der Bundesminister des Außeren auch Vizekanzler unserer Bundesrepublik ist und damit einer der Verantwortlichen für die Haushaltspolitik der Koalition? Könnte es vielleicht sein, daß er sich mit seinem Begehren, obwohl er einer der von Ihnen so genannten Leistungsträger ist, im Kabinett nicht durchgesetzt hat?
Zur Frage der Durchsetzungsfähigkeit von Vizekanzlern möchte ich mich hier nicht äußern.
Soweit ich weiß, ist dieser Titel in unserer Verfassung, Herr Kollege - der Herr Präsident wird das als Jurist sicherlich besser wissen als ich -, gar nicht vorgesehen. Ich sage das nur, weil Sie plötzlich dem Vizekanzler eine Bedeutung einräumen, als könne er gewissermaßen im Kabinett Dinge durchsetzen, die der Haushaltsausschuß des Deutschen Bundestages nicht genehmigt hat. So einfach ist es nicht.
- Wir sollten im Zusammenhang mit den Goethe-Instituten jetzt wirklich keinen Wahlkampf führen. Der Haushaltsausschuß des Deutschen Bundestages hat angesichts der nicht vorhandenen Finanzmasse Kürzungen im weitesten Umfange beschlossen, die leider - ich wiederhole das - auch unseren Kulturetat betreffen, der nicht völlig von den Kürzungen ausgenommen werden konnte, die das Amt erfahren hat. Sie wollen ja auch nicht die Schließung weiterer Botschaften und weiterer Konsulate und eine Personalausdünnung im Auswärtigen Amt betreiben. Das alles wäre die Folge, wenn Sie den Kulturetat in voller Höhe erhalten wollten, weil Sie dann Einsparungen an anderer Stelle im Auswärtigen Amt vornehmen müßten.
Ich rufe die Zusatzfrage des Kollegen Schily auf.
Herr Staatsminister Schäfer, hat die Bundesregierung einmal untersucht, ob die weitreichenden Kosten, die durch die Schließung des Goethe-Instituts indirekt entstehen, nicht weitaus höher sind als die Kosten, die Sie durch die Schließung des Goethe-Instituts einsparen?
Ich sage noch einmal, daß die Bundesregierung nicht die Schließung veranlaßt hat, sondern daß die Kürzungen im Haushalt dazu geführt haben, daß das
Goethe-Institut selbst - es ist in dieser Frage bis zu einem gewissen Grade autonom - Schließungen vornehmen mußte, die wir alle bedauern. Das GoetheInstitut bedauert es so sehr wie wir.
- Herr Kollege Schily, ich muß Ihnen trotzdem sagen: Die Beschlüsse des Goethe-Instituts sind natürlich auch im Zusammenhang mit Prüfungen des Instituts in Reykjavík und im Vergleich zu anderen zur Schließung anstehenden Instituten erfolgt. Ich hoffe, daß wir jetzt mit diesem Trägerverein zu einer Lösung kommen, die es ermöglicht, daß die deutsche Kultur auch in Zukunft in Reykjavík vertreten sein wird.
Dann rufe ich die Frage 12 des Kollegen Göllner auf:
Ist die Bundesregierung bereit, möglichst kurzfristig einen Gutachterausschuß einzusetzen, der insbesondere eine Bestandsaufnahme der Aktivitäten und Zuständigkeiten der mit Auswärtiger Kulturpolitik befaßten Ministerien und Mittler vornimmt, und sieht die Bundesregierung konkrete Möglichkeiten, die heute umfangreichen Verwaltungskoordinierungsverfahren in diesem Bereich zu straffen?
Bitte.
Herr Kollege, dem Bundestag liegt der zweite Jahresbericht der Bundesregierung zur Auswärtigen Kulturpolitik vor. Er stellt die Anstrengungen zu den in der Frage angesprochenen Sachverhalten eingehend dar. Derzeit prüft der „Operative Gesprächskreis", an dem alle mit Auswärtiger Kulturpolitik befaßten Ressorts und Mittlerorganisationen beteiligt sind, zusätzliche Möglichkeiten der Straffung und Verbesserung der Koordinierung mit dem Ziel einer weiteren Effizienzsteigerung der Auswärtigen Kulturpolitik. Die Bundesregierung sieht gegenwärtig keinen Bedarf für die Einsetzung eines Gutachterausschusses.
Zusatzfragen, Herr Kollege? - Bitte.
Herr Staatsminister, schließen Sie für den Fall, daß die Effizienzprüfung zu Einsparmöglichkeiten führt, und für den Fall, daß Ihre die Regierung tragende Mehrheit die nächste Bundestagswahl übersteht, aus, daß das Goethe-Institut in Reykjavik wieder eingerichtet wird?
Herr Kollege, ich bin überrascht, daß Sie uns die Möglichkeit des Überstehens der nächsten Bundestagswahl schon so früh einräumen.
Ich freue mich darüber; ich bin Ihnen sehr dankbar.
Staatsminister Helmut Schäfer
- Herr Schily ist mit dieser Formulierung gar nicht einverstanden; aber das macht nichts.
Ich freue mich, daß die Bundesregierung möglicherweise auch in Zukunft Verantwortung trägt. Aber bevor diese Entscheidung gefallen ist, kann ich Ihnen nur sagen: Wir tun alles, um ohne zusätzliche Enquete-Kommissionen und ohne zusätzliche Gutachter die vorliegenden Beschlüsse und Erkenntnisse einer jahrelangen Arbeit vorangegangener EnqueteKommissionen umzusetzen. Wir stehen in einem ständigen Kontakt mit dem Unterausschuß Auswärtige Kulturpolitik, um gemeinsam mit dem Parlament immer wieder Fragen zu erörtern, die die Auswärtige Kulturpolitik in diesen Bereichen betreffen und Verbesserungen ermöglichen.
Herr Kubatschka, bitte Ihre Zusatzfrage.
Herr Staatsminister, nachdem Sie verneinen, daß wir einen Gutachterausschuß brauchen, können Sie mir doch sicher sagen, welche Auswirkungen die Schließung von GoetheInstituten auf das Bestreben ausländischer Studenten hat, in Deutschland zu studieren?
Ob ausländische Studenten in Deutschland studieren, ist nicht allein von der Existenz von GoetheInstituten im Ausland abhängig. Sie wissen, daß auch in Deutschland Goethe-Institute bestehen, daß ausländische Studenten an Goethe-Instituten in Deutschland die deutsche Sprache lernen. Hätten wir nur im Ausland in der bisherigen Zahl Goethe-Institute, würde sicher der Bedarf derjenigen, die Deutsch lernen wollen, in keiner Weise gedeckt. Denken Sie bitte an die anderthalb Goethe-Institute in Rußland angesichts der Ausdehnung dieses Landes und dem millionenfachen Bedarf russischer junger Leute, Deutsch zu lernen. Das läßt sich allein mit den Goethe-Instituten nicht bewältigen.
Ich halte es für vollkommen falsch, immer auf das Goethe-Institut abzustellen. Sie müssen ganz klar sehen, daß wir uns natürlich auch der modernen Medien bedienen müssen, indem wir zum Beispiel in einem Medienverbund das Erlernen der deutschen Sprache über Fernsehen, Begleitmaterial und Unterricht anbieten. All das wird in Zukunft viel mehr zu nutzen sein. Das hängt ja nicht von der Existenz eines Goethe-Institutes allein ab, dessen Aufgabe zwar auch Sprachvermittlung ist, das aber nicht nur für Sprache zuständig ist. Ausländische Studenten, die in Deutschland studieren und vorher Deutsch lernen müssen, haben dazu auch andere Gelegenheiten.
Die Frage 12 des Kollegen Göllner bezieht sich auf die Vorstellungen der Bundesregierung zur Organisation dieses Bereichs. Der Sachzusammenhang ist nur sehr mühsam herzustellen. Dieses vorausgeschickt rufe ich die Zusatzfrage von Herrn Schily auf.
Aber es geht doch um Auswärtige Kulturpolitik.
Nein, es geht um die Organisation der Bundesregierung in diesem Bereich. Ich muß Sie wirklich bitten, diesen Zusammenhang zu beachten.
Herr Staatsminister, ich will die Frage stellen, ob Sie mir zustimmen, daß die GoetheInstitute im Rahmen der wirtschaftlichen Beziehungen Deutschlands zu vielen Staaten der Welt eine wichtige Pionierfunktion erfüllen und daß es gerade aus diesem Grunde notwendig wäre, Goethe-Institute nicht zu schließen, sondern neue zu eröffnen. Ist es unter diesem Blickwinkel nicht sehr viel vernünftiger, dort das Geld zu investieren, das sich dann zigfach wieder lohnen wird?
Herr Staatsminister, ehe Sie antworten, möchte ich feststellen: Auch hier besteht kein Sachzusammenhang. Ich stelle Ihnen frei, ob Sie antworten wollen. Ich werde in dieser Sache keine Frage außerhalb des Sachzusammenhanges mehr zulassen.
Bitte schön.
Herr Präsident, ich darf trotzdem antworten, da ich Herrn Schily ungern auf Fragen nicht antworte. Unser Verhältnis als Fragender und Antwortender hat sich in der Vergangenheit so bewährt, daß ich ihm auch diesmal antworten will.
Herr Kollege Schily, es ist ganz klar, wir stimmen hier völlig überein; und zwar nicht nur wegen der Wirtschaftsförderung. Wir haben zeitgenössische Kultur aus Deutschland zu vermitteln, die gelegentlich auch in der Politik ein bißchen unterschätzt wird. Ich finde, daß Goethe-Institute nicht zu Sprachinstituten degenerieren sollten. Sprache kann man auch auf andere Weise verbreiten; das habe ich bereits angedeutet. Sie müssen vielmehr etwas von dem vermitteln, was in Deutschland an Kultur zur Zeit stattfindet und dazu einladen, daß Menschen im Ausland das miterleben können. Hier liegt ganz zweifellos die bedeutende Aufgabe der Goethe-Institute.
Wir sind uns in dieser Frage völlig einig: Es wäre besser, Goethe-Institute zusätzlich zu eröffnen, was ja im Osten Europas geschehen ist, statt Goethe-Institute auf Grund der Haushaltslage schließen zu müssen. Ich hoffe, daß sie sich wieder bessert und wir dann mehr Goethe-Institute unterhalten können. Ihre Anzahl ist zweifellos auch in so großen Ländern wie Rußland in keiner Weise ausreichend.
Frau Faße,
dazu? Versuchen Sie bitte, den Sachzusammenhang zu beachten.
Wenn in den unterschiedlichsten Gremien über die weiteren Strukturen entschieden wird, ist die Kostenfrage sicherlich ein Kriterium; das ist auch mir klar. Ich frage Sie deshalb: Wie gehen Sie mit Entwürfen um, die diesen Bereich betreffen, die von 75 000 DM sprechen, im Verhältnis dazu sich aber die Entscheidung auf 350 000 DM belief, in einem Vertrag zwischen einer Stadt und einem noch zu gründenden Verein zum Beispiel? Wie gehen Sie damit um angesichts der Tatsache, daß Sie kein Geld haben, aber Entscheidungen treffen müssen? Wenn man sich statt für ein Angebot von 75 000 DM für eines in Höhe von 350 000 DM entschieden hat, wie werden die entscheidenden Gremien so etwas beachten?
Die entscheidenden Gremien - ich darf wiederum darauf verweisen; daß das Goethe-Institut seine eigenen Gremien hat, die letztlich selber über die Schließung oder Öffnung von Instituten entscheiden - müssen sich mit all diesen Fragen beschäftigen.
Über diese spezielle Frage, die Sie gestellt haben -350 000 DM zu 75 000 DM - bin ich nicht informiert.
- Ich bin gerne bereit, Ihnen alles, was mir an zusätzlichen Detailinformationen vorliegt, schriftlich zukommen zu lassen. Ich bitte aber um Verständnis, daß ich jetzt nicht ein solches Detail aus dem Stand erörtern kann. Uns liegt daran - ich darf das betonen und werde das auch bei meiner Reise nach Island in diesem Sommer öffentlich ansprechen -, daß in Reykjavík nicht der Eindruck entsteht, Island interessiere uns nicht, und daß die deutsche Kultur, die mit Island eine gewisse Verwandtschaft hat - zumindest gibt es hier im Altnordischen, wie Sie wissen, ja enge Beziehungen - dort nicht völlig verschwindet. Wir müssen alles tun, trotz der Schließung des Institutes, daß deutsche Kultur auch in Zukunft repräsentiert wird.
Vielen Dank.
Die Fragen 13 und 14 des Kollegen Gernot Erler werden schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Damit rufe ich die Frage 15 der Kollegin Dr. Leonhard auf:
Welchen Inhalts und an welche Verfassungsorgane der Russischen Föderation gerichtet waren die Protestnoten der Bundesregierung als Reaktion auf das Bundesgesetz, welches völkerrechtswidrig kriegsbedingt verlagerte Kulturgüter zu russischem Eigentum erklärt?
Frau Kollegin Leonhard. Die Bundesregierung war und ist - wie im übrigen auch Präsident Jelzin - überzeugt, daß das sogenannte Beutekunstgesetz gegen Völkerrecht und geltende bilaterale Abkommen verstößt. Sie hat deshalb bereits vor den Abstimmungen in der russischen Duma und im Föderationsrat auf allen Ebenen, so auch der Bundeskanzler und der Bundesaußenminister in ihren Kontakten mit Präsident Jelzin und Außenminister Primakow, nachdrücklich für eine Lösung geworben, die dem Völkerrecht, den bilateralen Abkommen und dem Stand der deutsch-russischen Beziehungen entspricht.
Bitte schön. Dr. Elke Leonhard : Vielen Dank.
Die Redewendung war also „nachdrücklich dafür geworben" . Ich fordere aber weiter hartnäckig offiziellen Protest. In diesem Zusammenhang weise ich auf einen inhaltsreichen Artikel von Karl Feldmeyer vom 9. April dieses Jahres in der FAZ hin. Er beklagt, wie die SPD-Bundestagsfraktion, daß auch Polen und die Ukraine ihre Vertragspflichten verletzen, indem sie Kunstschätze nicht zurückgeben. Wann werden Sie endlich unseren Freunden „verdeutlichen" - ich weiß, das ist nicht sehr diplomatisch ausgedrückt -, daß es in diesen Fällen um Vertragstreue, Rechtssicherheit und um nationale Würde geht und daß es zunehmend schwerer wird, in unserer Bevölkerung um Akzeptanz in dieser Frage zu werben.
Frau Kollegin Leonhard, in Rußland kämpft zumindest der Präsident dafür, gegen eine Entscheidung seines Parlaments und gegen eine Entscheidung des russischen Verfassungsgerichtes. Wir hoffen, daß es hier zu einer den internationalen Konventionen entsprechenden Lösung kommt. Aber wir müssen natürlich auch Wert darauf legen, daß es in Polen nicht anders geschieht. Es ist ganz zweifellos notwendig, auch gegenüber Polen deutlich zu machen, daß sich ein Land, das die Mitgliedschaft in der Europäischen Union anstrebt, äußern muß zu einer Fülle - dies wurde im Artikel erwähnt - von ganz wichtigen Handschriften, von ganz bedeutenden Beständen der Berliner Museen, insbesondere aber auch der Preußischen Staatsbibliothek, die seinerzeit, im Dritten Reich, noch in das damalige Ostdeutschland verbracht wurden und die dort von den Polen schlicht und einfach einbehalten worden sind. Ich meine, das kann kein Endzustand sein. Ich hoffe sehr - wir sollten das im Auswärtigen Ausschuß sehr bald einmal ansprechen --, daß im Hinblick auf die Verhandlungen über den Beitritt zur Europäischen Union auch diese Themen einmal ernsthaft mit Polen besprochen werden.Hinsichtlich der Ukraine ist der Fall etwas anders gelagert. Sie soll - zumindest vorläufig - nicht in die Europäische Union aufgenommen werden. Dessen ungeachtet haben wir zur Ukraine ein sehr enges Verhältnis, wie auch zu Polen. Ich finde, daß man unter Freunden natürlich dann solche Themen ansprechen muß - auch wenn es unterschiedliche Forderungen gibt. Ich halte den gegenwärtigen Zustand für nicht befriedigend.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 229. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. April 1998 20993
Zweite Zusatzfrage.
Es gibt ein klares Problembewußtsein: Wir müssen beide die Hausaufgaben machen und auf Parlamentsebene entsprechende Vorlagen einbringen. Was den anderen Bereich angeht, so, glaube ich, sollten wir geschlossen und einig an die vor uns liegenden Aufgaben herangehen. Ich habe keine weitere Zusatzfrage.
Ich bedanke mich.
Vielen Dank, Herr Staatsminister. Damit sind wir am Ende dieses Geschäftsbereichs.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Inneren auf. Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Eduard Lintner zur Verfügung.
Die Frage 16 des Kollegen Wallow wird schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Damit komme ich zur Frage 17 der Kollegin Dr. Leonhard:
Wie hoch beziffert die Bundesregierung die bisherigen Anwalts- und sonstigen Kosten zur Klärung der Eigentumsfrage eines Gothaer Gemäldes, mit der sich der High Court in London ab dem 8. Juni dieses Jahres befassen wird, und gedenkt die Bundesregierung in Zukunft alle durch Briefkastenfirmen den internationalen Auktionshäusern angebotenen Einzelstücke und Kunstgegenstände aus dem Bestand der kriegsbedingt verlagerten Kulturgüter auf diese Weise „zurückzukaufen"?
Frau Kollegin Dr. Leonhard, die Antwort lautet wie folgt: Für die von der Stadt Gotha im Jahre 1991 angestrengte Zivilklage vor dem High Court in London gegen eine Firma und ein Auktionshaus sind bisher insgesamt zirka 1,5 Millionen DM Anwalts- und sonstige Kosten angefallen. Davon haben einvernehmlich der Bund 45 Prozent, der Freistaat Thüringen 45 Prozent, die Kulturstiftung der Länder 5 Prozent - das sind einmalig 70 000 DM - und die Stadt Gotha 5 Prozent getragen.
Die Bundesregierung wird den Verlauf des Rechtsstreits eng begleiten. Sein Ergebnis wird in die weiteren Überlegungen der Bundesregierung zur Rückführung der während oder nach dem zweiten Weltkrieg in die ehemalige Sowjetunion verbrachten deutschen Kunstgegenstände einfließen.
Ihre Zusatzfrage.
Wenn ich feststelle, daß wir uns über die Notwendigkeit, im Londoner Prozeß eine Grundsatzentscheidung zu erreichen, um ein Einsickern der - wie Sie sagten - verlagerten Kulturgüter in den grauen Kunstmarkt zu verhindern, einig sind, dann bleibt trotzdem die Frage offen, warum der Rückführungsproblematik in den sonstigen Kulturbeziehungen relativ wenig Bedeutung beigemessen wird.
Ich füge die zweite Zusatzfrage gleich hinzu: Wie beurteilt die Bundesregierung die Auffassung, daß die Rückführung als berechtigtes Interesse der Bundesrepublik und in Anbetracht der hier verhandelten kulturellen Werte als integraler Bestandteil in die auswärtige Kulturpolitik eingebunden werden sollte?
Frau Kollegin, wir befinden uns jetzt voll und ganz im Zuständigkeitsbereich des Auswärtigen Amtes. Trotzdem will ich versuchen, Ihnen hierauf eine Antwort zu geben.
Zunächst einmal zeigt die Position der Bundesregierung in diesem konkreten Prozeß, daß wir dieser Angelegenheit eine wirklich hohe Bedeutung beimessen. Aus dem Kontakt mit Ihren Fraktionskollegen des Haushaltsausschusses, wo diese Frage ausführlich erörtert worden ist, wissen Sie vielleicht, daß man auch deshalb ein Urteil anstrebt und im übrigen bisher Vergleiche, die nicht befriedigend waren, abgelehnt hat, weil man dazu beitragen will, daß eine Art grauer Kunstmarkt am Haupthandelsplatz für die Kunst der Welt, nämlich in London, entsteht, der von Beutekunststücken aus dem Bereich des ehemaligen Ostblocks gespeist wird.
Tatsache ist, daß wir entsprechende, völkerrechtlich verbindliche Vereinbarungen mit den betreffenden Ländern Osteuropas haben, jedoch nicht mit den betreffenden westlichen Ländern, den früheren Alliierten. Bei ihnen sind wir auf den zivilrechtlichen Weg angewiesen. Genau den beschreiten wir hier.
Zweite Zusatzfrage.
Ich habe keine weitere Zusatzfrage.
Die Frage 18 des Kollegen Augustinowitz wird schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Dann rufe ich die Frage 19 der Kollegin Hanna Wolf auf:
Welche Folgerungen zieht die Bundesregierung aus der in der „Süddeutschen Zeitung" vom 1. April 1998 geäußerten Ansicht, es stelle keine außergewöhnliche Härte im Sinne des neuen § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des Ausländergesetzes dar, wenn eine von ihrem Ehemann regelmäßig massiv geschlagene Ehefrau mit kleinen Kindern aus Deutschland ausgewiesen wird, nachdem sie sich von dem Ehemann hat scheiden lassen?
Frau Kollegin Wolf, die Antwort lautet: Die zitierte Ansicht in dem Presseartikel nimmt Bezug auf eine Äußerung des bayerischen Innenstaatssekretärs Regensburger, welcher sich zu einem konkreten Einzelfall äußerte. Zuständig für die Anwendung des § 19 des Ausländergesetzes im Einzelfall sind gemäß Art. 83 des Grundgesetzes allein die jeweiligen Bundesländer.
Parl. Staatssekretär Eduard Lintner
Auf Grund dieser verfassungsmäßigen Kompetenzverteilung kann die Bundesregierung bezüglich Einzelentscheidungen schon mangels Kenntnis der genauen Hintergründe des Einzelfalls keine Folgerungen ziehen.
Ihre Zusatzfrage, bitte schön.
Herr Staatssekretär, ich habe um die Auslegung eines Bundesgesetzes gebeten. Alle sind sich einig, daß in § 19 des Ausländergesetzes die Situation von Ehefrauen, die Gewalt ausgesetzt sind, geregelt wird. Es kann doch nicht wahr sein, daß sich die Bundesregierung nicht um die Folgen eines Bundesgesetzes in einem Bundesland kümmert, wenn der eigentliche Sinn des Gesetzes so gravierend verfälscht wird. Können Sie mir das erklären?
Frau Kollegin Wolf, ich glaube, ich habe mich korrekt ausgedrückt. Es ist so, daß diese Gesetze im Einzelfall von den Landesregierungen bzw. den Landesverwaltungen auszulegen und anzuwenden sind. Es wäre wirklich nicht angemessen, wenn ein Vertreter der Bundesregierung, ohne die Details des Einzelfalls zu kennen, eine Einzelfallentscheidung kommentieren würde. Deshalb nehme ich zu diesem Einzelfall nicht Stellung.
Im übrigen darf ich zu der Auslegung ganz generell sagen, daß § 19 Abs. 1- inklusive der Erläuterung nach Nr. 4 - von sich aus Hinweise gibt, wann eine solche außergewöhnliche Härte vorliegt. Das wäre insbesondere dann der Fall, wenn außergewöhnlich harte Fälle beispielsweise drohen, wenn der mittlerweile geschiedene Ehepartner in sein Heimatland zurückgeschickt würde.
Dann kommt die Zusatzfrage des Kollegen Schily.
- Bitte schön, Ihre zweite Zusatzfrage, Frau Wolf.
Ich bitte Sie noch einmal um eine Interpretation des von uns beschlossenen Gesetzes: Was definieren Sie als besonderen Härtefall? In dem Gesetz sind Beispiele genannt, zu denen auch der bayerische Fall zählen würde. Ich bitte Sie, zu erläutern, was aus Sicht der Bundesregierung eine besondere Härte ist.
Frau Kollegin, besondere Härte wäre beispielsweise dann gegeben, wenn einem ausländischen Ehepartner, der nicht mehr mit einem Deutschen verheiratet ist, bei der Rückführung in sein Heimatland Gefahr für Leben und Gesundheit drohen würde. Es sind weitere Beispiele genannt, so auch die Trennung von den ehelichen Kindern. Aber das alles hat nichts mit diesem Einzelfall zu tun.
Herr Kollege Schily, Ihre Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung nicht daran interessiert, daß es in den Bundesländern - unabhängig von der verfassungsrechtlichen Zuständigkeit, die Sie richtig geschildert haben - zu einer einheitlichen Anwendungspraxis der entsprechenden Vorschriften kommt? Ist es insofern nicht wichtig, daß die Bundesregierung zu erkennen gibt, daß beispielsweise die Auslegung, es müsse eine Körperverletzung mit Folgen gegeben sein, bei der auch einzelne Körperteile verlustig gehen, mit dem Gesetzestext nicht vereinbar ist?
Herr Kollege Schily, im Prinzip ja.
Aber bezogen auf den Einzelfall verweise ich noch einmal auf meine bisherigen Einlassungen.
Sie würden mir in einem privaten Gespräch sicher zugestehen, daß ich Einzelfälle, deren genaue Sachlage ich nicht kenne, nur unzulässigerweise und ungenügenderweise kommentieren kann. Deshalb lehne ich die Kommentierung des Einzelfalls ab.
Frau Kollegin Schmidt, bitte Ihre Frage.
Herr Staatssekretär, ich gehe davon aus, daß Sie wissen, wie schwierig die Verhandlungen auch im Vermittlungsausschuß waren, und daß es ein ausdrückliches Ergebnis des Vermittlungsausschusses war, daß - ich zitiere da Ihren Kollegen Marschewski -
hinter der Person des ausländischen Ehepartners eine außergewöhnliche Härte auch dann gegeben sein kann, wenn er wegen physischer oder psychischer Mißhandlung durch den anderen Ehegatten die eheliche Lebensgemeinschaft aufgehoben hat ...
Meine Frage ist: Welche Gründe haben die Bundesregierung bewogen, darauf zu verzichten, daß wir bundeseinheitlich eine gleiche Auslegung dieses Tatbestandes haben? Warum sorgen wir nicht dafür, daß das, was wir hier in langen Debatten diskutiert und dann beschlossen haben, durch Bundesgesetz geregelt wird, daß also die außergewöhnliche Härte nicht nur gegeben ist, wenn die Ehefrau im Heimatland Schwierigkeiten zu erwarten hat, sondern auch dann, wenn sie die eheliche Lebensgemeinschaft hier nur aufgegeben hat, weil ihr körperliche und seelische Mißhandlungen angetan wurden oder damit gedroht wurde, ihr also dann nicht zugemutet werden kann, ins Ausland abgeschoben zu werden?
Frau Kollegin, ich bin mir sicher, daß sich auch SPD-regierte Bundesländer dagegen verwahren würden, wenn die Bundesregierung ver-
Parl. Staatssekretär Eduard Lintner
suchte, die Rechtsüberlegungen der zuständigen Landesbehörden dadurch einzuschränken, daß sie die Auslegung, orientiert am Gesetz, im Detail festlegt. Das ist verfassungsmäßig nicht zulässig. Deshalb werden wir das nicht tun können.
Im übrigen darf ich Ihnen sagen, daß es Ausländerrichtlinien gibt, die gemeinsam von Bund und Ländern erarbeitet werden. Sie sind noch nicht endgültig formuliert und deshalb nicht fertig. Dieses Instrument soll dem Ziel dienen, das Sie angesprochen haben - aber eben immer in Zusammenarbeit mit den Bundesländern, nie einseitig seitens des Bundes.
Wir kommen zur Zusatzfrage der Kollegin Niehuis.
Herr Staatssekretär, abgesehen von dem Einzelfall möchte ich Sie nach der allgemeinen Auslegung des neuen § 19 Abs. 1 Satz 2 des Ausländergesetzes fragen.
Der Kollege Marschewski hat gesagt, es müßten physische und psychische Mißhandlungen vorliegen. Dann sei der Fall außergewöhnlicher Härte gegeben. So wurde dies im Vermittlungsausschuß behandelt.
Der Deutsche Bundestag - das ist Ihre Interpretation als Bundesregierung - hat ein Mißhandlungsverbot im Rahmen der Kindschaftsrechtsreform beschlossen. Dort hat die Bundesregierung dankenswerterweise interpretiert, was unter einer Mißhandlung zu verstehen ist. In der Drucksache der Bundesregierung steht wortwörtlich:
Der Begriff der körperlichen Mißhandlung wird in der Rechtsprechung einheitlich angewendet. Dort wird nach allgemeiner Meinung unter einer körperlichen Mißhandlung eine üble, unangemessene Behandlung verstanden, durch die das Opfer in seinem körperlichen Wohlbefinden in mehr als nur unerheblichem Grade beeinträchtigt wird. Dieser Mißhandlungsbegriff ist flexibel.
Stimmen Sie mir zu, daß dieser Begriff der körperlichen Mißhandlung, wie die Bundesregierung die Rechtsprechung auslegt, auch für § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 zutrifft?
Frau Kollegin, ich kann Ihnen schon deshalb nicht zustimmen, weil in § 19 Abs. 1 Satz 2 ein ganz anderer Begriff verwendet wird,
nämlich der Begriff der außergewöhnlichen Härte. Wie Sie schon an diesem anderen Begriff merken, handelt es sich nicht um gleichgelagerte Fälle.
Im übrigen darf ich Ihnen noch sagen, daß der Kollege Marschewski damit natürlich nicht gemeint hat, daß jedwede Form dieser Gewalt schon zur Folge des § 19 führen kann. Psychische oder physische Gewalt
sind Mittel, die, interpretiert an Hand des Einzelfalls, diese Folge auslösen können.
Wir kommen zur Zusatzfrage der Kollegin von Renesse.
Herr Staatssekretär, sind Sie mit mir der Meinung und wird die Bundesregierung bei der Ausarbeitung der Richtlinien darauf Wert legen, darauf zu achten, daß der Begriff der außergewöhnlichen Härte, wie er im Gesetzestext vorkommt, mit den Fallbeispielen, die in der Begründung, die wir alle kennen, aufgeführt sind, unter Verbindung durch das Wort „insbesondere" nicht etwa so zu interpretieren ist, daß es sich bei diesen Fallbeispielen um einen exklusiven Katalog einziger möglicher Ausfüllungen handelt, sondern um einen Maßstab, der das Gewicht und die Bedeutung der dort aufgeführten Handlungen zur Grundlage dessen macht, was außergewöhnliche Härte im Sinne von § 19 des Ausländergesetzes ist?
Das heißt, daß auch dann, wenn nicht eines dieser Fallbeispiele im wörtlichen Sinne vorliegt, meinetwegen aber eine jahrelange Versklavung in Form von Aushungernlassen, Frierenlassen, fortgesetzten Körperverletzungen als gefährlicher Körperverletzung, Ausbeutung durch Arbeit und dergleichen, die Voraussetzungen erfüllt sein können.
Frau Kollegin, Sie sprechen eine Selbstverständlichkeit aus. Wenn Sie mir zugehört haben, dann konnten Sie feststellen, daß ich schon erläutert habe, daß diese Begriffe an Hand des Einzelfalls interpretiert werden müssen. Deshalb ist es selbstverständlich, daß die Zielsetzungen des Gesetzgebers dabei maßgebend sind.
Im übrigen muß ich auf folgenden Punkt hinweisen: Die Zielrichtung hinsichtlich der außergewöhnlichen Härte bezieht sich insbesondere auf das, was der Betroffene in seinem Heimatland zu erwarten hat. Das ist in erster Linie die Zielrichtung des Gesetzes, und das wird bei der Auslegung eine Rolle spielen.
Ich rufe die Frage 20 der Kollegin Wolf auf:
Teilt die Bundesregierung in diesem Zusammenhang die Auffassung, daß „nur bei Verlust eines wichtigen Gliedes, bei Verfallen in Siechtum, Lähmung oder Geisteskrankheit oder auch bei dauernder Entstellung", also nur bei einer schweren Körperverletzung, ein so hinreichend schwerer Eingriff in die Integrität eines Menschen vorliege, und sieht sie hier ggf. gesetzgeberischen Handlungsbedarf?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Die Frage, wann im konkreten Einzelfall die vom Gesetz geforderte außergewöhnliche Härte vorliegt, kann nicht für alle Fälle gleichermaßen schematisch beantwortet werden. Eine solche kann ausweislich der Begründung des ursprünglichen Gesetzentwurfs, welcher zur Änderung des § 19
Parl. Staatssekretär Eduard Lintner
des Ausländergesetzes führte - das ist die Drucksache 13/4948-, insbesondere in Fällen der schweren Körperverletzung vorliegen. Damit ist jedoch eine konkrete Festlegung für den zu entscheidenden Einzelfall gerade wegen der nur beispielhaften Erwähnung nicht erfolgt, sondern lediglich eine Leitlinie aufgestellt worden.
Daher sieht die Bundesregierung keine Notwendigkeit erneuter gesetzgeberischer Aktivitäten, da sowohl die Gesetzesbegründung als vor allem auch die im weiteren Gesetzgebungsverfahren eingefügte Legaldefinition der außergewöhnlichen Härte in § 19 Abs. 1 Satz 2 ausreichend Möglichkeiten bietet, die verschiedenartigen Einzelfälle sachgerecht zu entscheiden.
Frau Kollegin, Sie haben zwei Zusatzfragen. Ihre erste bitte.
Herr Staatssekretär, Sie haben eben bestätigt, daß die Beispiele, die die Kollegin von Renesse aufgezählt hat, voll unter die Härtefallregelung des Ausländergesetzes fallen würden. Ich bin natürlich sehr dankbar, daß Sie zu dieser Auslegung kommen. Es handelt sich aber um Mißhandlungen aus dem Katalog von Menschenrechtsverletzungen, die dieser Frau in Bayern sozusagen zugemutet wurden. Dazu meine Frage: Kann es sein - weil es abgestimmte Richtlinien noch nicht gibt -, daß ein Bundesland zu einer anderen Bewertung dieses Katalogs kommt?
Die Länderverwaltungen sind in ihren Entscheidungen selbständig und dürfen bei der Anwendung des Ausländergesetzes durch den Bund nicht bevormundet werden. Deshalb, Frau Kollegin, kann es selbstverständlich zu der von Ihnen geschilderten Folge kommen.
Zweite Zusatzfrage.
Ich muß sagen: Das finde ich ungeheuerlich. Das würde eine Interpretation der Menschenrechte in unserem Land bedeuten. Jedes Bundesland könnte dann Sklaverei zu einem alltäglichen Bestandteil des Familienlebens uminterpretieren. Es kann doch wohl nicht wahr sein, daß in Bayern Menschenrechte dieser Art keine Gültigkeit haben. Ich glaube, Sie beleidigen vielleicht sogar die Bayerische Staatsregierung, wenn Sie der Meinung sind, daß ein Bundesland die Möglichkeit hat, Menschenrechte unterschiedlich auszulegen.
Ich denke, dann hätten wir im Parlament ein Gesetz verabschiedet, das nicht mehr den Sinn erfüllt, nämlich Frauen vor Gewalt und nicht Gewalttäter zu schützen. Ich frage deshalb: Bleiben Sie bei Ihrer Auslegung, daß ein Bundesland ein Interpretationsrecht hinsichtlich der Menschenrechte hat?
Frau Kollegin, Sie interpretieren jetzt Ihre eigenen Worte, aber nicht meine Antwort. Das Vorgehen der Länder ist überhaupt nicht streitig. Sie müssen einmal bei Verwaltungen in SPD-regierten Ländern nachfragen, ob sie es sich bieten lassen würden, daß der Bund den Länderbehörden bei der Ausführung der Bundesgesetze im Detail einzelne Vorschriften macht.
Ich habe außerdem darauf hingewiesen - deshalb verwahre ich mich gegen den Vorwurf, die Bayerische Staatsregierung habe hier menschenrechtsunwürdig gehandelt -, daß der Einzelfall von mir deshalb nicht kommentiert werden kann, weil mir die entsprechenden Unterlagen nicht zur Verfügung stehen. Das zu berücksichtigen ist im Grunde genommen eine Selbstverständlichkeit im Umgang miteinander. Nicht mehr und nicht weniger habe ich gesagt. Sie können mir nicht unterstellen, ich hätte eine derartige Bewertung der bayerischen Entscheidung vorgenommen.
Eine Zusatzfrage der Kollegin Niehuis.
Herr Staatssekretär, habe ich Sie richtig verstanden, daß Sie als Hauptkriterium bezüglich der außergewöhnlichen Härte die Situation im Heimatland heranziehen? Stimmt dann das, was die Bayerische Staatsregierung anführt, die nämlich sagt, die Menschenrechtsverletzungen in Deutschland reichten nicht aus? Würden Sie sagen, jede Menschenrechtsverletzung in Deutschland ist keine außergewöhnliche Härte im Sinne von § 19?
Nein, das habe ich nicht gesagt. Ich habe darauf hingewiesen, daß insbesondere die zu erwartende Situation im Heimatland eine Rolle spielt. Aber diese außergewöhnliche Härte und ihre Beurteilung setzt sich auch aus einer inländischen Komponente zusammen.
Frau Kollegin Schmidt, bitte.
Herr Staatssekretär, würden Sie denn jetzt, wie ich Ihren Ausführungen entnehmen kann, so weit gehen, zu sagen, daß der Verhandlungsführer der CDU/CSU-Fraktion, der Kollege Marschewski, nicht befugt war oder hier wissentlich etwas Falsches gesagt hat, als wir uns im Bundestag darauf geeinigt haben, daß es eine bundeseinheitliche Auslegung des Begriffes „außergewöhnliche Härte" gibt? Ein Punkt dieser außergewöhnlichen Härte besteht darin, daß ein Ehepartner die eheliche Gemeinschaft auflösen kann, wenn er physisch und psychisch mißhandelt wird - eine Ursache, die im Inland liegt. Stimmen Sie mir zu, daß der Kollege Marschewski dann auch nicht berechtigt war, zu sagen: Wenn dies bundeseinheitlich nicht so wäre, dann würden wir dieses Gesetz wieder ändern?
Frau Kollegin, ich sehe zwar keine Möglichkeit mehr, das Verhalten des Kollegen Marschewski zu würdigen, weil die Bundesregierung ausdrücklich in der Fragestunde dazu nicht befugt ist, aber erlauben Sie mir den Hinweis, daß ich ja bei diesen Verhandlungen zum Teil dabei war und deshalb sehr genau weiß, was der Kollege Marschewski gemeint hat. Sie interpretieren ihn jetzt falsch. Er hat ein Beispiel genannt, das dann auf den Einzelfall angewandt werden muß. Nicht mehr und nicht weniger müssen die Länderregierungen tun.
Wenn Sie selbst andere Vorstellungen hatten, was ich gut verstehe und was ich auf Grund der Vorgeschichte auch annehme, dann ist es Ihr Problem, daß diese Erwartungen im Gesetz keinen Niederschlag gefunden haben.
Entschuldigen Sie, Frau Kollegin Schmidt. Wir müssen uns schon an die Geschäftsordnung halten.
Jetzt die Zusatzfrage der Frau von Renesse. Bitte schön.
Herr Staatssekretär, mein Interesse richtet sich noch einmal auf die Frage, was die Bundesregierung bei der Auslegung meint, bzw. welchen Inhalts in Zukunft die unter ihrer Beteiligung zu entwickelnden Auslegungsrichtlinien sein werden. Und meine Frage ist wie folgt: Sind Sie mit mir der Meinung, daß insbesondere aus den Fallbeispielen, die unter den Spiegelstrichen in der Begründung des Bundestages enthalten sind, eine gewisse Zweigleisigkeit deutlich wird, nämlich die, daß auf der einen Seite das Schwergewicht auf der Bedrohung bei Rückkehr ins Heimatland liegt und auf der anderen Seite - beim ersten Spiegelstrich; ich denke dabei nur an die Bedrohung der persönlichen Freiheit, die da genannt ist, die möglicherweise gerade durch die Rückkehr bedroht ist - das Schwergewicht auf den Rechtsübergriffen gegen den ausländischen Ehegatten liegt?
Es kann natürlich nicht beides im Vordergrund stehen, aber beide Elemente sind in dieser Bestimmung enthalten.
Wir sind damit am Ende dieses Geschäftsbereiches.
Ich rufe nun den Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen auf. Zur Beantwortung steht die Parlamentarische Staatssekretärin Irmgard Karwatzki zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 21 des Kollegen Wilhelm Schmidt auf:
Sieht die Bundesregierung im Zusammenhang mit dem Verkauf der ehemaligen bundeseigenen Salzgitter AG im Jahr 1989 an die Preussag AG, wobei auch der Immobilienbesitz mitverkauft worden ist, und dem 1998 durchgeführten Verkauf der Preussag Stahl AG durch die Preussag AG eine Verletzung des damals geschlossenen Vertrages, und wenn ja, welche?
Herr Kollege Schmidt, der von der Preussag AG vorgenommene Verkauf eines Einzelunternehmens aus dem umfangreichen Konzernverbund der ehemaligen Salzgitter AG allein stellt keine Verletzung des am 7. Dezember 1989 geschlossenen Kauf- und Abtretungsvertrages dar.
Zusatzfrage? - Bitte schön.
Frau Staatssekretärin, denken Sie, es ist richtig, daß wir trotzdem die ganze Sache noch einmal untersuchen, und zwar nicht nur vor dem Hintergrund des Vertragstextes, sondern auch von Aussagen, die der Bundesfinanzminister gegenüber dem früheren Kollegen Sauer, CDU, in einem Brief vom 12. Dezember und die der frühere Staatssekretär Tietmeyer im Finanzausschuß im Jahre 1989 getätigt hat? Diese Aussage will ich gern zitieren:
Wir haben in den Verhandlungen mit dem Käufer erreicht, daß durch den Gesellschafterwechsel in bezug auf die soziale Verantwortung, die mit dem Wohnungsbesitz des Konzerns verbunden ist, keine Änderung eintritt. Bei den Wohnungsgesellschaften sind keine größeren Wohnungsverkäufe beabsichtigt. Dieses Wohnungsvermögen muß vielmehr Bestandteil des Konzerns bleiben.
Diese Aussage vor dem Finanzausschuß müßten Sie, finde ich, im Lichte des Vertrages bewerten. Sind Sie dazu in der Lage und bereit?
Herr Kollege Schmidt, wir haben Schritte zur Klärung der Frage eingeleitet, in welchem Umfang tatsächlich Wohnungsverkäufe aus dem 1989 veräußerten Bestand der Salzgitter AG von der Preussag vorgenommen worden sind. Erst bei zweifelsfreier Sachlage und nach juristischer Absicherung kann diese Frage beantwortet werden.
Ihre zweite Zusatzfrage. Bitte schön.
Das ist genau das, was inzwischen bekanntgeworden ist: daß nun auch Sie sich umsehen und umhören, nachdem das Ganze öffentlich Wellen geschlagen hat. Sind Sie in der Lage, mir zu sagen, mit welchen Möglichkeiten Sie ausgestattet sind, um in der heutigen Zeit die damals geschlossenen Verträge nicht nur zu überprüfen, sondern daraus auch Schlußfolgerungen zu ziehen, wie zum Beispiel Änderungen des damaligen Vertrages im nachhinein herbeizuführen?
Herr Kollege Schmidt, ich habe gerade ausgeführt: Sobald wir die Antwort der Preussag AG vorliegen haben, werden wir die Vertragstexte noch einmal überprüfen und gegebe-
Metadaten/Kopzeile:
20998 Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 229. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. April 1998
Parl. Staatssekretärin Irmgard Karwatzkinenfalls, wenn es erforderlich ist, rechtliche Schritte einleiten.
Dann rufe ich Ihre Frage 22 auf:
Hat die Bundesregierung beim Verkauf der Salzgitter AG an die Preussag AG selbst gegen die Vorschriften des Grundgesetzes und der Bundeshaushaltsordnung verstoßen, indem sie ggf. den Wert des Immobilienbesitzes um ein Vielfaches zu niedrig im Verhältnis zum Versicherungs- oder Marktwert angesetzt hat?
Bitte schön.
Die Bundesregierung hat im Zusammenhang mit dem Verkauf ihrer Beteiligung an der Salzgitter AG weder gegen die Vorschriften des Grundgesetzes noch gegen die Vorschriften der Bundeshaushaltsordnung verstoßen. Sie hat unter Einschaltung externen Sachverstandes, wie generell bei Privatisierungen auf Bundesebene üblich, die Beteiligung an dem Unternehmen zu seinem vollen Wert im Sinne des § 63 Abs. 3 BHO veräußert.
Erste Zusatzfrage.
Frau Staatssekretärin, wie erklären Sie sich dann aber die großen Unterschiede in der Bewertung? Zum Beispiel wird im Gutachten der Treuarbeit vom Oktober 1989 über den Immobilienbesitz der damaligen Salzgitter AG der Wert mit 147,9 Millionen DM angegeben, während der wahrscheinliche Verkauf von 5300 Wohnungen - also ungefähr nur eines Sechstels des Wohnungsbestandes, von unbebauten Grundstücken ganz zu schweigen -, der inzwischen zugestanden worden ist, allein 400 Millionen DM ergeben haben dürfte?
Herr Kollege Schmidt, wir können den Ball jetzt noch ein bißchen hin und her werfen. Aber ich muß mir erst einmal die Angaben geben lassen, um daraus Urteile für uns selbst zu erwägen, bevor ich Ihnen eine präzise Antwort geben kann.
Zweite Zusatzfrage?
Ja. - Sehr schön; ich wollte Sie durch meine Fragen auch auf einige Knackpunkte aufmerksam machen. Hinzuzufügen ist natürlich die Frage: Was könnte mit dem Immobilienbesitz, der jetzt in der Hand der Preussag AG ist, passieren, wenn sich Vertragsverstöße ergeben? Könnte es sein, daß er in Verbindung mit dem alten Konzern auf die Preussag Stahl AG, also die künftige neue Salzgitter AG, zurückgeführt wird? Ist so etwas nach Ihrer Auffassung möglich?
Durchaus möglich, ja.
Vielen Dank.
Dann rufe ich die Fragen 23 und 24 des Kollegen Krziskewitz auf. Sie werden schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt. Dann kommt die Frage 25 der Kollegin Mehl:
Welche Zusagen hat Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl dem Präsidenten des Deutschen Naturschutzringes hinsichtlich der Veräußerungen von bundeseigenen Flächen, die in Nationalparks und Naturschutzgebieten Ostdeutschlands liegen, gemacht, und wann sollen diese Zusagen umgesetzt werden (s. Frankfurter Rundschau vom 16. April 1998)?
Frau Kollegin Mehl, sind Sie damit einverstanden, daß ich beide Fragen im Zusammenhang beantworte?
Ja.
Ich rufe auch Frage 26 auf:
Welche Maßnahmen will die Bundesregierung aufgrund dieser Zusage ergreifen, und ab wann sollen die Flächenverkäufe von bundeseigenen naturschutzwürdigen oder bereits unter Naturschutz stehenden Flächen vorläufig eingestellt werden?
Die Bundesregierung stellt seit Februar dieses Jahres sicher, daß bei Verkauf von Naturschutzflächen in den neuen Bundesländern größte Zurückhaltung geübt wird. Diese gehen vorrangig durch Kauf oder Tausch auf die neuen Bundesländer oder von diesen benannte Träger von Naturschutzprojekten über. Flächen, die in Nationalparks und Naturschutzgebieten Ostdeutschlands liegen, werden an Privatpersonen grundsätzlich nicht verkauft. Eine entsprechende Zusage hat der Bundeskanzler dem Präsidenten des Deutschen Naturschutzringes e.V., Herrn Professor Engelhardt, gegeben.
Die Bundesregierung sucht gemeinsam mit den neuen Bundesländern nach Wegen, wie der Erwerb von Naturschutzflächen durch die neuen Bundesländer oder von diesen benannte Träger von Naturschutzprojekten erleichtert werden kann. In diesem Rahmen soll auch geklärt werden, wie die Ausweisung der Flächen beschleunigt und damit ihr Schutzstatus geklärt werden kann.
Ihre erste Zusatzfrage, bitte.
Das klingt ganz erfreulich, ist aber ein neuer Zustand. Ab wann gilt der?
Ich habe gesagt, daß
Parl. Staatssekretärin Irmgard Karwatzki
wir bereits seit Februar sehr zurückhaltend vorgehen. Mit der Aussage des Herrn Bundeskanzlers ist dies auf den Weg gegeben.
Zweite Zusatzfrage.
Ich frage deshalb, weil es eine Reihe von Flächen in Naturschutzgebieten gibt - der Bund hat insbesondere in Mecklenburg-Vorpommern eine ganz erhebliche Anzahl von Flächen in Besitz; man geht davon aus, daß die naturschutzrelevanten Flächen zu 72 Prozent in Bundeshand liegen -, bei denen die Verkaufsverhandlungen bereits abgeschlossen oder im Gange sind. Heißt das, daß diese jetzt gestoppt sind?
Frau Kollegin Mehl, ich habe gerade gesagt, daß wir in Verhandlungen mit den Ländern eingetreten sind. Geben Sie mir freundlicherweise noch ein wenig Zeit, um auch Sie über den Ist-Stand und über die Einigungsmöglichkeiten mit den Ländern zu informieren. Wir sind nicht allein verantwortlich.
Ihre dritte Zusatzfrage.
Sie wissen, daß das zu erheblichen Diskussionen geführt hat und daß das auch der Anlaß war, mehrfach nachzuhaken. Darf ich Sie bitten, die Antworten auf die Fragen - die Weiterentwicklung ist im Schwange -, ab wann für welche Gebiete dieses Moratorium in Kraft tritt, an uns weiterzuleiten, nachdem Sie Klarheit darüber erzielt haben?
Dazu gehört die Frage: Wie lange dauert dieses Moratorium? In dem Artikel blieb es unklar, ob es einen generellen oder einen dauerhaften Verkaufsstopp geben wird - so hat es Herr Engelhardt verstanden - oder ob es sich nur um einen zeitlich begrenzten handelt.
Ich sage Ihnen das gern zu, Frau Kollegin Mehl.
Vielen Dank. - Jetzt kommt die Zusatzfrage von Herrn Kuhlwein.
Frau Staatssekretärin, ist die Bundesregierung bereit, auf die Privatisierung von dauerhaft unter Naturschutz gestellten ehemaligen Bundeswehrliegenschaften in Westdeutschland, zum Beispiel des Schießplatzes Höltigbaum im Kreis Stormarn in Schleswig-Holstein, zu verzichten, damit Stiftungen, Naturschutzorganisationen oder Gebietskörperschaften diese Flächen übernehmen können?
Das kann ich Ihnen nicht zusagen.
Vielen Dank. - Wir sind damit am Ende dieses Geschäftsbereichs.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung auf. Die Fragen 27 und 28 des Kollegen Klaus Lennartz sowie die Frage 29 des Kollegen Egon Jüttner werden schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Damit schließe ich die Fragestunde. Ich rufe den Zusatzpunkt 1 auf: Aktuelle Stunde
auf Verlangen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Haltung der Bundesregierung zu Forderungen, den Solidaritätszuschlag vollständig abzuschaffen
Ich eröffne die Aussprache und gebe dem Abgeordneten Werner Schulz das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auf dem F.D.P.-Parteitag letzten Sonntag in Berlin haben die Delegierten das wirklich ernst genommen, was Sie und der Vorstand der F.D.P. schon seit langem verkünden. Das war kein Ausrutscher, kein Fehler der Parteitagsregie, wie Sie das jetzt in der Zeitung versuchen darzustellen. Hier hat die Basis der Führung klargemacht, was Besserverdienende wirklich wollen: die Abschaffung des Solidaritätsbeitrags, ganz klar.
Wer das Blaue vom Parteitagshimmel herunter verspricht, der muß sich überhaupt nicht wundern, wenn dieser glücklose Wirtschaftsminister, wie er da sitzt und sich freut, als Gelackmeierter auf dem Parteitag dasteht. Das haben Sie sich selbst eingebrockt.
Das Signal ist auch im Osten ganz klar verstanden worden, wie es Frau Pieper befürchtet hat und wie es Bernhard Vogel als Ministerpräsident von Thüringen auf den Punkt gebracht hat. Das ist der Entzug der Solidarität. Das ist die Aufkündigung der Solidarität mit dem Osten. Da hilft es überhaupt nicht, wenn Sie jetzt versuchen, so zu tun, als seien die Aufbauhilfen für den Osten nicht abgeschafft. Demnächst muß der große politische Illusionist Gerhardt den Zaubertrick vorführen, wie man dem Osten den Hahn schon an der Quelle abdreht und trotzdem alles weiterfließt.
Mir fällt zum Kürzel „F.D.P." nur noch ein: frech, dreist und platt! Das ist das, was Sie hier tun.
Werner Schulz
Wo war denn die große Steuersenkungspartei am 1. April, als die Mehrwertsteuer erhöht wurde? Wo waren Sie denn da?
Dafür haben Sie aber am 19. April verkündet: Wir schaffen den Soli ab. Sie sind also eine „April, April!" -Partei.
- Nein. Das, was Sie tun, ist billig. Da haben Sie vollkommen recht. Ich kann Ihnen nur zustimmen. Das wird haften bleiben, das wird leider von einer liberalen Partei übrigbleiben, egal, was Herr Genscher im Kopf oder unter dem gelben Pullunder trägt. Das wird übrigbleiben.
Ich sage Ihnen: Sie betreiben eine Politik wider besseres Wissen, wenn Sie derzeit durch SachsenAnhalt ziehen, Wahlkampf machen und den armen gebeutelten Verwandten auf die Schultern klopfen und sagen: Das ist schon nicht so schlimm; das wird besser. Ihr habt Schlimmeres durchgemacht. Wir helfen euch, aber wir entziehen euch das, was eigentlich für euch gedacht war.
Die Argumentation zur Abschaffung des Solidaritätsbeitrages ist doch völlig beliebig. Unser schlauer Guido hat festgestellt, daß der Soli in der Staatskasse versickert. Er versickert in der Staatskasse. Dabei haben Sie es doch in der Hand, die Zweckbindung des Soli einzuführen. Das ist doch eine ganz klare Sache.
Das ist die einzige gerechte Steuer, die Sie in 16 Jahren bei all den Steuererhöhungen, die Sie in diesem Land verkündet und mitgemacht haben, überhaupt eingeführt haben.
Ursprünglich ist der Soli - so war auch Ihre Argumentation - zur Tilgung des Erblastentilgungsfonds eingeführt worden. Solange wir eine Erblast in Höhe von 380 Milliarden DM haben - übrigens ist das nicht nur eine Erblast der DDR, sondern auch eine Erblast Ihrer Regierungstätigkeit -, so lange werden wir den Soli brauchen, weil Sie ansonsten sagen müßten, wie Sie denn die Tilgung dieser Erblast bewerkstelligen wollen, die Sie ja schon einmal gestreckt haben.
Ich weiß nicht, wie lange sich die Union dieses üble Spiel noch bieten lassen wird.
Sie sind ja oft genug mit dem Soli erpreßt worden,
um durch eine Senkung ein Wahlkampfgeschenk zu
machen. Da wird immer die alte Wunderkiste mit den Wahlkampfgeschenken aufgemacht. Ich glaube, diesmal ist Ihnen der Deckel auf die Finger gefallen. Meine Frage an Sie lautet: Wie lange lassen Sie sich erpressen und machen Sie dabei mit, daß der Soli einmal eingeführt und einmal abgeschafft wird? Genutzt hat das überhaupt nicht. Es hat dem Aufbau Ost im Gegenteil geschadet. Zumindest hat die Verläßlichkeit gelitten, da die Menschen im Osten auf das Geld bauen und es brauchen.
Ich weiß nicht, was die Regierung und der Bundeskanzler dazu sagen und was sich demnächst im 100-
Tage-Programm finden läßt; aber ich nehme an, daß das nicht das Programm für die auslaufenden 100 Tage sein soll, sondern für die ersten 100 Tage.
Ist denn damit zu rechnen, daß unter Ihrer Regierung der Soli kurz- oder mittelfristig abgeschafft wird? Dazu sollten Sie sich äußern.
Ich sage klipp und klar: Er wird gebraucht und ist notwendig für den Aufbau Ost. Er ist als Signal für den Osten wichtig, und er ist wichtig, um die Unterkapitalisierung - das ist ja ein Grund für die Arbeitslosigkeit im Osten - zu beheben, die Produktivitätslücke zu schließen und den Modernisierungsbedarf zu decken.
Dafür wird er gebraucht.
Gebraucht wird eine Partei wie die Ihre, die sich auf Kosten der Solidarität profiliert, schon nach dem nächsten Koalitionspartner schielt und sich hier absetzt, weder in Sachsen-Anhalt noch im Bund.
Damit gebe ich das Wort dem Abgeordneten Dr. Paul Krüger.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bedaure, daß diese Debatte heute in so einer Art geführt werden soll, wie es der Kollege Schulz bei seiner Eröffnungsrede vorgemacht hat.
Dr.-Ing. Paul Krüger
Die Antragsteller verfolgen offensichtlich den Zweck - das hat Herr Schulz eben demonstriert -, die Menschen in den neuen Ländern zu verunsichern.
Er versucht, hier den Eindruck zu erwecken, daß sich die F.D.P. mit den Menschen in den neuen Bundesländern entsolidarisieren möchte.
Sie haben wörtlich gesagt: Es geht um den Entzug der Solidarität. Ich zitiere Sie nur. Ich muß Ihnen sagen, Herr Schulz: Was Sie hier gemacht haben - auch hier zitiere ich Sie wieder, weil ich nicht im gleichen Stil wie Sie hier vortragen möchte -, war blanke Polemik und war - ich zitiere Sie noch einmal - frech, dreist und platt.
Fakt ist, daß der Soli-Zuschlag nichts mit dem Volumen des Transfers in die neuen Länder zu tun hat; das wissen alle, die ein wenig Ahnung von Politik haben.
Er ist ein reines Refinanzierungsinstrument für den Bundeshaushalt wegen der fehlenden Solidarität der Westländer, die sich ja insbesondere aus SPD-regierten Ländern rekrutieren. Da diese damals nicht bereit waren, im Solidarpakt ihren Beitrag zu leisten, hat man dem Bund gestattet, als Refinanzierungsinstrument den Soli-Zuschlag aufzustocken.
Der Beweis, daß der Soli-Zuschlag nichts mit den Transfers in die neuen Bundesländer zu tun hat, ist erst jüngst erbracht worden, und zwar von der Bundesbank, die nachgewiesen hat, daß, obwohl der Soli-Zuschlag im letzten Jahr für dieses Jahr um 2 Prozentpunkte gesenkt wurde, die Nettotransfers in die neuen Länder in diesem Jahr wiederum steigen.
Die Nettotransfers haben also nichts mit der Höhe des Soli-Zuschlags zu tun. Eine Entsolidarisierung hat also nicht stattgefunden und wird auch nicht stattfinden. Es gibt allerdings momentan - das sage ich auch - kein gutes Signal bezüglich der schwierigen Wirtschaftssituation in den neuen Bundesländern.
Meine Damen und Herren, Herr Schulz, die Menschen in den neuen Ländern erwarten nicht, daß wir uns hier herumstreiten. Die Menschen erwarten vielmehr, daß wir die Probleme lösen, die darin bestehen, daß wir in den neuen Ländern Arbeitsplätze zu schaffen haben. Arbeitsplätze - das wissen wir - schaffen wir durch mehr Initiativen für Existenzgründungen, durch Investitionen, durch Innovation und durch Infrastruktur. Dies alles kann man unter dem Motto subsumieren: Investitionen gleich Arbeitsplätze.
Arbeitsplätze werden nicht durch den Staat geschaffen. Auch das muß man immer wieder sagen. Arbeitsplätze werden durch Unternehmen geschaffen.
Deshalb muß die Politik Rahmenbedingungen schaffen, die es für Unternehmen lukrativ machen, sich in den neuen Bundesländern anzusiedeln und zu wachsen. Wir haben Rahmenbedingungen für Wirtschaftswachstum und für Ansiedlungen zu schaffen. Wir haben das im letzten Jahr mit einem 50-Punkte-Programm für mehr Wachstum und Beschäftigung versucht, und wir haben - immer wieder gegen den Widerstand der Opposition - eine ganze Palette von Schritten durchsetzen können.
Das Wachstum greift ja bereits in den alten Bundesländern. Wegen der schwierigen wirtschaftlichen Basis greift es nicht in den neuen Bundesländern. Dort gibt es nicht in großem Umfang Unternehmen, die wachsen können. Deswegen ist das Wachstum für die neuen Länder von so elementarer Wichtigkeit. Vor allem aber die Ansiedlung, insbesondere die Ansiedlung von Unternehmen aus dem Ausland, ist wichtig. Diese kann es nur geben, wenn wir die dringend notwendige Steuerreform durchsetzen, wenn wir die Steuern als im internationalen Vergleich wichtigstes Argument für die Ansiedlung senken.
Hier, meine Damen und Herren, hat sich die Opposition als Hemmnis erwiesen; vor allem die SPD-regierten Länder haben die von uns hier im Bundestag beschlossene Steuerreform, das, was wir für mehr Arbeitsplätze in den neuen Ländern beschlossen haben, blockiert.
Investitionen aus dem Ausland kommen den neuen Bundesländern insbesondere deshalb zugute, weil wir dort im Moment günstigere Förderbedingungen haben, und zwar auch auf Grund der Transfers, die wir für Wirtschaftsansiedlungen leisten.
Dr.-Ing. Paul Krüger
Wenn also Sie, meine Damen und Herren von der Opposition und insbesondere von der SPD, die Sie die Steuerreform immer wieder blockiert haben,
heute Solidaritätsentzug geltend machen, kann ich Ihnen nur sagen: Niemand hat den neuen Ländern mehr Solidarität für mehr Arbeitsplätze entzogen als die SPD, indem diese die Steuerreform blockiert hat.
Aber, meine Damen und Herren, nicht nur bei der Steuerreform, sondern auch direkt haben Sie dazu beigetragen, daß Investitionen in die neuen Bundesländer verhindert werden. Die Koalition hat dafür gesorgt, daß von 1991 bis 1998 606 Milliarden DM Nettotransfer in die neuen Länder gegangen sind. Mit den alten Bundesländern, die ja überwiegend SPD-regiert sind, haben wir nur 77 Milliarden DM Transfer realisiert. Wenn man die neuen Länder bezüglich der Investitionsquoten und der Arbeitslosenquoten untereinander vergleicht - wir reden ja immer von Arbeitslosigkeit -, dann stellt man fest, daß dort, wo die CDU regiert, in Sachsen nämlich, die höchsten Investitionsquoten und die niedrigsten Arbeitslosenquoten zu verzeichnen sind und daß beispielsweise in Sachsen-Anhalt, wo ja jetzt gewählt wird, die höchste Arbeitslosenquote verbunden mit der niedrigsten Investitionsquote besteht.
Die SPD ist nicht die Partei, die die Probleme lösen kann. Die SPD könnte im wahrsten Sinne des Wortes Solidarität mit den neuen Bundesländern beweisen, wenn sie endlich ihre Blockadehaltung aufgäbe.
Herr Kollege, Sie müssen zum Schluß kommen.
Die Probleme lösen werden wir nur, wenn wir als Koalition weiter die Chance erhalten, die wirtschaftspolitischen Konzepte, die wir begonnen haben, in Zukunft weiter umzusetzen.
Vielen Dank.
Ich gebe dem Abgeordneten Joachim Poß das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber Kollege Krüger, wie weit sind Sie als Interessenvertreter Ostdeutschlands doch gesunken, nach diesem Vorgang so zu reden, wie Sie geredet haben!
Gestern haben Sie noch vom Bruch der Koalitionsvereinbarungen gesprochen, und heute verteidigen Sie
um des nackten Machterhalts willen diese KlientelPartei. Das geht doch wohl nicht zusammen.
Der Umgang der Koalition mit dem Soli ist geradezu ein Musterbeispiel für das Hin und Her in der Steuerpolitik von CDU/CSU und F.D.P. Man muß an die Vorgeschichte des Soli erinnern. Diese Vorgeschichte ist als Steuerlüge bekannt. Der Bundeskanzler hat nämlich im Jahre 1990 die Kosten für den Aufbau im Osten als völlig unbedeutend dargestellt; sie seien aus der Portokasse zu zahlen. Daß er dies zu Wahlkampfzwecken und zur eigenen Sympathiewerbung im Osten getan hat, ist hinlänglich bekannt. Als dann aber die Rechnungen präsentiert wurden und sich zeigte, wie falsch die Darstellung des Bundeskanzlers und wie groß die Täuschung war, wurde der Solidaritätszuschlag eingeführt. Er sollte allerdings nicht zu teuer erscheinen. Deswegen wurde er auch bereits nach einem Jahr wieder abgeschafft. Aber es dauerte nicht lange, da wurde er wieder eingeführt - immer noch als Ausdruck und Zeichen der Solidarität der westdeutschen Bevölkerung und Wirtschaft mit den ostdeutschen Bürgern zur Finanzierung staatlicher Aufgaben in den neuen Ländern. Obwohl es sich rechtlich, Herr Krüger, um eine zeitlich begrenzte Ergänzungsabgabe des Bundes zur Finanzierung eines besonderen Bedarfs für den Bundeshaushalt handelt, erfand die Bundesregierung den plakativen Werbetitel vom Solidaritätszuschlag. Damit sollte propagandistisch der zusätzliche Finanzbedarf des Bundes in eine Solidaritätsaktion für Ostdeutschland umgemünzt werden.
- Aber das weiß ich doch, Frau Kollegin; sehr wahrscheinlich etwas besser, als Sie das wissen.
Die Bundesregierung meinte, das lasse sich so gut bei unseren Bürgern im Osten verkaufen. Jetzt wundert man sich in der Koalition, daß es noch Menschen in Deutschland gibt, die das Wort von der Solidarität ernst nehmen und diesen Inhalt noch vor alle Steuersenkungsversprechen stellen.
Der Anlaß für die heutige Aktuelle Stunde ist ein abermaliges Hin und Her, ein Vor- und Zurückrudern innerhalb der Koalition über die Fortführung oder den Abbau des Solidaritätszuschlags. Daß die Begeisterung von Herrn Waigel über die Wahlkampfaktion der F.D.P. nicht groß war, ist nicht verwunderlich. Bei den von ihm zu verantwortenden Milliardenschulden und den Netto-Steuerausfällen durch die vorgesehene Steuerreform in Höhe von kassenmäßig 50 Milliarden DM pro Jahr, die auch wieder nur zu höheren Haushaltslöchern führen, ist seine Reaktion auf die neuen Parteitagsbeschlüsse der F.D.P. aber erstaunlich zurückhaltend - oder soll ich sagen: unverantwortlich still? - gewesen, übrigens nicht zum erstenmal.
Joachim Poß
Wenn der CSU-Parteivorsitzende und Bundesfinanzminister die Steuersenkungsvorschläge seines Koalitionspartners vom vergangenen Parteitag schon nicht als lächerlich und absurd bezeichnet, dann müßte er den forcierten Marsch in den Schuldenstaat, den die Steuersenkungspartei F.D.P. dort propagiert hat, wenigstens laut anprangern. Doch was hört man von Waigel? - Funkstille!
Es paßt offensichtlich überhaupt nicht in das Wahlkampfkonzept der Koalition und auch der Union, daß die gemeinsame Grundlage der Steuerpolitik der Koalition, nämlich die Petersberger Beschlüsse, vom Koalitionspartnèr F.D.P. verlassen worden ist.
Diese gemeinsame Plattform hat die F.D.P. geräumt. Sie hat diese Vorschläge doch von Anfang an nicht gerne mitgetragen. Das war doch der Grund für die monatelange koalitionsinterne Blockade durch die F.D.P., die der CDU/CSU-Fraktionsvorsitzende Schäuble wiederholt aufzubrechen versucht hat.
Mit der gemeinsam von F.D.P. und Union beschlossenen Nettoentlastung, so fürchtet die F.D.P., könne man sie nicht mehr wahrnehmen. Also hat sie ein Programm beschlossen, das 150 Milliarden DM an Steuerausfällen oder sogar noch mehr bedeutet.
Hier zeigt sich, daß die Bonner Steuersenkungspartei keinerlei Skrupel hat, durch unverantwortliche Steuersenkungen neue Schuldenlöcher von 150 Milliarden DM oder mehr aufzureißen.
Deshalb sollte sich die F.D.P. wirklich überlegen, ob sie sich nicht auch förmlich den Titel „Schuldenerhöhungspartei" zulegt.
Offensichtlich schätzt die Koalition ihre Wahlchancen in Ostdeutschland in der Zwischenzeit so schlecht ein, daß weder F.D.P. noch CDU glauben, auf die Wähler in Ostdeutschland Rücksicht nehmen zu müssen. Wie anders ist es zu verstehen, daß die große Solidaritätsaktion im Rahmen des Föderalen Konsolidierungsprogramms von 1993 - der erste gesamtdeutsche Finanzausgleich - bereits nach vier Jahren rigoros abgebaut werden soll? Das sind die Vorstellungen von Herrn Stoiber und von Herrn Teufel, die von Herrn Waigel und von Herrn Schäuble begrüßt worden sind. Das ist die Verabschiedung aus der gesamtdeutschen Solidarität durch die gesamte Koalition, nicht nur durch die beiden zitierten Ministerpräsidenten.
Herr Kollege Poß, Ihre Redezeit ist abgelaufen.
Hier zeigt sich, wie gering das Interesse führender Bonner Unionspolitiker an ostdeutschen Problemen inzwischen geworden ist und daß sie sich in die Reihe der Unsolidaritätspartei F.D.P. einreihen.
Ich gebe das Wort dem Abgeordneten Dr. Guido Westerwelle.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch in Wahlkampfzeiten sollten die Parteien redlich und bei der Wahrheit bleiben.
Der Abbau des Solidaritätszuschlages ist kein Abbau der Solidarität. Da SPD-Politiker wie Gerhard Schröder und Oskar Lafontaine die Wirtschafts- und Sozialunion 1990 im Deutschen Bundestag abgelehnt haben und die grüne Partei noch bis 1990 die staatliche Einheit bekämpft hat, haben sie mit Sicherheit keinerlei Recht, die Regierungspartei an gesamtdeutsche Interessen zu erinnern. Sie haben die deutsche Einheit nicht gewollt, alle beide nicht.
Die Freie Demokratische Partei ist die erste gesamtdeutsche Partei,
während die Grünen noch 1990 die staatliche Einheit unseres Vaterlandes bekämpft haben. Wir haben mit über 3 000 kommunalen Mandatsträgern und 400 Bürgermeistern in den neuen Ländern keine Belehrungsversuche im Hinblick auf gesamtdeutsche Interessen nötig. Die Grünen tun der politischen Kultur mit dieser auf Verunsicherung der Ostdeutschen angelegten Kampagne keinen Gefallen.
Nicht die Grünen werden die Ernte dieser Verunsicherungskampagne einfahren, sondern die braunen Protestparteien. Niemand darf daran Interesse haben.
Diese Aktuelle Stunde auf Antrag der Grünen ist der durchsichtige Versuch der Volksverdummung. Der Solidaritätszuschlag ist nicht der Gradmesser für die Solidarität mit den neuen Bundesländern. Er ist eine Sondersteuer, die von den Bürgerinnen und Bür-
Dr. Guido Westerwelle
gern in West und Ost gezahlt wird. Er drückt die Konjunktur als Teil der zu hohen Steuer- und Abgabenlast auch und gerade in den neuen Bundesländern. Steuersenkungspolitik ist das beste Beschäftigungsprogramm und damit der klügste Beitrag zum Aufbau Ost.
Die Leistungen für die neuen Bundesländer werden nicht abgebaut. Sie wurden auch nicht abgebaut, als zum 1. Januar dieses Jahres der Solidaritätszuschlag von 7,5 Prozent auf 5,5 Prozent abgesenkt worden ist. Im Gegenteil: Die Deutsche Bundesbank hat in dieser Woche veröffentlicht, daß die Bruttoleistungen für Ostdeutschland 1998 die Rekordhöhe von 189 Milliarden DM erreichen.
Selbst nach Abzug der Steuereinnahmen des Bundes in den neuen Ländern ergibt sich beim Nettotransfer mit 141 Milliarden DM ein neuer Höchstwert.
Mir gehen diejenigen auf die Nerven, die heute nur noch fragen, was die deutsche Einheit kostet, aber nicht mehr sagen, was die deutsche Einheit uns wert ist.
Angriffe gegen die F.D.P. in dieser Debatte sind nicht sachlich motiviert. Sie sind reine Wahlkampftaktik. Diese Spekulation wird nicht aufgehen; denn - das zeigen alle Umfragen - auch die Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger in Ostdeutschland ist für die Rückführung des Soli-Zuschlages. Viele im Westen wissen überhaupt nicht, daß der Solidaritätszuschlag auch im Osten gezahlt werden muß.
Wir haben auf unserem Bundesparteitag beschlossen: Der Solidaritätszuschlag ist im Zuge einer großen Steuerreform abzuschaffen, ohne die Transferleistungen in die neuen Bundesländer einzuschränken.
Der Wortlaut der Petersberger Steuerbeschlüsse der Koalition lautet:
Der Solidaritätszuschlag soll aber so schnell wie möglich in Stufen zurückgeführt und schließlich ganz abgeschafft werden.
Beide Beschlüsse sagen das gleiche. Wir Freien Demokraten bedauern deshalb, daß auch einige Regierungschefs der Union aus Ostdeutschland nicht der Versuchung widerstehen konnten, die Beschlüsse der F.D.P. zu kritisieren, obwohl sie im letzten Jahr dasselbe beschlossen haben.
Die Solidarität mit den neuen Ländern darf nicht von dem Solidaritätszuschlag abhängig gemacht werden. Der Solidaritätszuschlag als Ergänzungsabgabe wird schon aus verfassungsrechtlichen Gründen in absehbarer Zeit auslaufen müssen.
Die Solidarität mit den neuen Ländern wird aber noch viele Jahre darüber hinaus notwendig bleiben. Wenn der Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, Reinhard Höppner, die Solidarität mit Ostdeutschland vom Solidaritätszuschlag abhängig machen will, schadet er deshalb den langfristigen Interessen der Bürgerinnen und Bürger in den neuen Ländern, nur weil er kurzfristig Wahlkampf machen will.
Entscheidend für den Aufbau Ost ist die Höhe der Mittel, die vor Ort ankommen. Der internationale Vergleich zeigt eines: Die Länder, die die Steuern massiv gesenkt haben, konnten ihre Arbeitslosigkeit tatsächlich halbieren. Nur wer Arbeit hat, kann Steuern zahlen. Deswegen ist die Steuersenkungspolitik nicht nur der Schlüssel zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, sondern auch die Voraussetzung für die Konsolidierung der Staatsfinanzen.
Die Opposition sagt: Wir können uns in Deutschland Steuersenkungen nicht leisten.
Wir Freien Demokraten antworten: Wir können es uns nicht leisten, in Deutschland auf Steuersenkungen zu verzichten. Wenn die amerikanische Steuersenkungsreform die niedrigste Arbeitslosigkeit seit 24 Jahren und zum erstenmal seit Jahrzehnten wieder einen ausgeglichenen Haushalt hervorgebracht hat, dann sollten wir nicht mit teutonischer Ignoranz darüber hinweggehen, sondern begreifen: Die Steuern zu senken ist das beste Beschäftigungsprogramm für Deutschland. Steuersenkungspolitik - das ist ein Beitrag zum Aufbau Ost. Die Solidarität mit den neuen Ländern hat mit dem Solidaritätszuschlag nichts, aber auch gar nichts zu tun.
Ich gebe der Abgeordneten Dr. Barbara Höll das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Westerwelle, viele Worte - und trotzdem haben Sie mit Ihrer Forderung nach Abschaffung des Soli-Zuschlages nur das Zeichen gesetzt, daß Ihnen der Osten gleichgültig ist.
Ihre Beteuerung, daß diese Abschaffung nicht das Ende der Transferleistungen bedeuten würde, ist heuchlerisch. Denn obwohl es im Bundeshaushalt keine Zweckbindung des Soli-Zuschlages gibt, wurde dies in der Öffentlichkeit immer so dargestellt. Daher wäre es notwendig gewesen, wenigstens neue Finanzierungsquellen aufzuzeigen. Die Haushaltslage ist angespannt; sie wird auch im Hinblick auf die Einführung des Euro angespannt bleiben. Sie er-
Dr. Barbara Höll
reichen mit der Abschaffung des Soli-Zuschlages nur eines: eine weitere Umverteilung von unten nach oben.
Die Senkung des Soli-Zuschlages um 2 Prozentpunkte seit 1. Januar 1998 bedeutet bei einem zu versteuernden Jahreseinkommen von 30 000 DM eine Entlastung von 72 DM pro Jahr . Das wird den Konsum aber mächtig anregen! Andererseits ist seit dem 1. April 1998 - übrigens auch mit Zustimmung der SPD; das muß gesagt werden - eine Erhöhung der Mehrwertsteuer um 1 Prozentpunkt erfolgt. Das bedeutet zum Beispiel für einen alleinstehenden Rentner, daß er im Monat 15 DM mehr für seine Lebensführung ausgeben muß. Das heißt, auf ein Jahr umgerechnet, gut das Doppelte dessen, was die Entlastung durch die Absenkung des Solizuschlags bringt.
Bei einem Einkommen von 150 000 DM kommt es durch eine Absenkung des Soli-Zuschlages um 2 Prozentpunkte schon zu einer Entlastung von 1070 DM, eine Summe, die tatsächlich spürbar wird. - Jegliche Senkung oder Abschaffung des Soli-Zuschlages entlastet nur sehr gut Verdienende, Banken und Versicherungen. Die Mehrheit der Bevölkerung aber haben sie durch die Erhöhung der Mehrwertsteuer zusätzlich belastet.
Eines muß hier klar gesagt werden - dies hört man auf einmal auch bei der F.D.P. -: Der Soli-Zuschlag ist nicht, wie es der Name insinuieren soll, nur eine Leistung, die die Bürgerinnen und Bürger der alten Bundesländer für die neuen Bundesländer aufbringen. Er wird vielmehr von allen, die ein bestimmtes zu versteuerndes Einkommen haben, gezahlt, und zwar in Ost und in West.
Natürlich ist das Durchschnittseinkommen im Osten leider noch um etwa 20 bis 30 Prozent unter dem in den alten Bundesländern. Die Betriebe sind plattgemacht worden. Viele Menschen würden den Soli-Zuschlag sehr gerne zahlen, wenn sie die Möglichkeit hätten, sich selber ein Einkommen zu erarbeiten.
Man muß eine Alternative aufzeigen; man darf nicht weiter Schindluder mit dem Begriff „Solidarität" treiben. Darum geht es!
Es geht darum, daß bei niedrigen und mittleren Einkommen tatsächlich eine Entlastung erfolgt. Wir haben deshalb schon seit langem eine Umwandlung des Soli-Zuschlages in eine Abgabe für wirklich Besserverdienende in Höhe von 10 Prozent der Steuerschuld vorgeschlagen. Das würde dann sozial gerecht sein. Wir hoffen, daß das Eigentor, das Sie hiermit als F.D.P. geschossen haben, auch tatsächlich -vor allem am kommenden Wochenende anläßlich der Wahlen in Sachsen-Anhalt - wirkt.
Noch ein Wort zur SPD - denn ich bin schon ein wenig verwundert -: Entgegen sonstiger parlamentarischer Gepflogenheit haben Sie mir nichts, dir nichts auf Ihre für heute beantragte Aktuelle Stunde verzichtet, damit die Grünen so die Möglichkeit haben, zu einer medienwirksameren Zeit ihre Aktuelle Stunde zu gestalten.
Heimlich behalten Sie sich in Sachsen-Anhalt - auch das muß gesagt werden - noch immer die Option einer großen Koalition vor, aus Angst, vielleicht weiter eine Tolerierung durch die PDS aushalten oder eine Koalition mit der PDS schließen zu müssen. Das heißt: Sie behalten sich die Option vor, lieber mit der CDU eine unsoziale Politik zu gestalten, als mit der PDS die Möglichkeit zu nutzen, eine soziale Politik zu gestalten, die diesen Namen wirklich verdient. Das muß hier einmal deutlich gesagt werden.
Wir sind gegen diese Vorschläge, die die F.D.P. hier so medienwirksam herüberzubringen versucht. Wir sind der Meinung: Solange in den neuen Bundesländern die Rahmenbedingungen für eine sich selbst tragende Wirtschaft noch nicht geschaffen sind, ist es notwendig, daß eine kontinuierliche Transferleistung aus dem Bundeshaushalt erfolgt, die sozial gerecht ausgestaltet ist.
Deshalb sind eine Umkehr der derzeitigen Politik, eine Umkehr der Umverteilung von unten nach oben und eine sozial gerecht gestaltete Politik notwendig.
Ich danke Ihnen.
Das Wort hat jetzt der Parlamentarische Staatssekretär Hansgeorg Hauser.
Frau Präsidentin! Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen! Herr Schulz, ich kann Sie durchaus verstehen. Wenn man eine so katastrophale Niederlage bei der Oberbürgermeisterwahl in Leipzig erlebt hat wie Sie, dann ist natürlich klar, daß man hier mit einer solchen Verbitterung Gift und Galle spuckt. Aber Sie sollten vielleicht besser Ihrem roten Wunschpartner erzählen, welches Interesse der neue Oberhäuptling - ich meine damit Herrn Schröder, damit klar ist, wer das ist - am Aufbau Ost hat. Lesen Sie einmal nach, was er schon alles gesagt hat; er sagt viel, insofern ist das etwas kritisch. Ein Zitat aus der „Leipziger Volkszeitung", die Sie ja alle kennen: „Wir können die ja schließlich nicht an Polen abtreten. " Oder ein ähnliches Zitat aus demselben Artikel: „Manchmal wünschte man den Südkoreanern eine Wiedervereinigung mit dem Norden, damit die auf den Weltmärkten etwas schwächer werden." Wenn man eine solche Einstellung zum Aufbau Ost hat, dann sollte man sehr ruhig sein.
Parl. Staatssekretär Hansgeorg Hauser
Meine Damen und Herren, im Herbst des vergangenen Jahres hat die Koalition nach der wahltaktisch bedingten Blockade der Steuerreform und gegen den Widerstand der Opposition die Senkung des Solidaritätszuschlags um zwei Punkte von 7,5 auf 5,5 Prozent durchgesetzt. Die Gegenfinanzierung ist ausschließlich im außersteuerlichen Bereich vorgenommen worden. Familien, Arbeitnehmer und Unternehmer werden seit dem 1. Januar 1998 um rund 7,5 Milliarden DM netto entlastet. Zusammen mit dem Wegfall der Vermögensteuer und der Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer war das ein wichtiger Schritt zur Unterstützung der Konjunkturerholung und zur Schaffung von wettbewerbsfähigen Arbeitsplätzen. Damit hat die Koalition ihre wirtschafts- und finanzpolitische Kompetenz in schwierigen Zeiten der unverändert notwendigen Haushaltskonsolidierung bewiesen.
Meine Damen und Herren von der Opposition, es wird Ihnen nicht gelingen, in der Frage der Rückführung des Solidaritätszuschlags einen Keil zwischen die Koalitionsparteien zu treiben.
Ich sage Ihnen in aller Deutlichkeit: In der Koalition gibt es keinen Dissens über die Senkung des Solidaritätszuschlags.
- Bevor Sie hier herumkrakeelen, hören Sie einmal
zu! Das tut Ihnen sicher gut - und Ihrer Stimme auch.
Oberstes Ziel der Bundesregierung in der Steuerpolitik sind die Entlastung der Bürger und Unternehmen von leistungsfeindlichen direkten Steuern und Abgaben und die Verbesserung von Investitionsbedingungen zur Schaffung von neuen und zukunftssicheren Arbeitsplätzen. Hierzu haben wir mit den „Petersberger Steuervorschlägen" ein schlüssiges Konzept vorgelegt: Wir halten daran fest, die Steuersätze über den gesamten Tarifverlauf hinweg abzusenken und die Steuerpflichtigen um rund 30 Milliarden DM netto zu entlasten - und nicht um rund 50 Milliarden DM, Herr Poß. Sie wissen ganz genau, daß wir eine Nettoentlastung von 30 Milliarden DM anstreben.
Unser Finanzierungskonzept dazu liegt ebenfalls auf dem Tisch. Wir wollen die Bemessungsgrundlage verbreitern. Wir wollen die Steuervergünstigungen, Sonderregelungen und Ausnahmetatbestände abbauen, damit das Steuerrecht gerechter und transparenter wird und einfacher gestaltet werden kann. Wir wollen, daß auch die Millionäre, von denen Sie andauernd reden, wieder Steuern bezahlen. Das Ziel müßten doch auch Sie haben.
Damit wird die Erosion der Steuereinnahmen gestoppt. Die Haushalts- und Finanzplanung wird auf eine sichere und vorhersehbare Grundlage gestellt. Dieses sozial ausgewogene Konzept ist der richtige Weg, die Einnahmen des Staates zu sichern. Wir werden nicht einseitig nur die Unternehmen belasten. Alle Bevölkerungsgruppen werden entlastet. Alle
werden einen gleichgewichtigen Beitrag zur Finanzierung leisten.
Wir wollen auch nicht, liebe Frau Scheel, acht neue Steuer- und Abgabenarten einführen - wie es die SPD und die Grünen vorschlagen -: eine Energiesteuer, eine Kerosinsteuer, eine Devisensteuer, die Wiedereinführung der Vermögensteuer, eine Schwerverkehrsabgabe, eine Lastenausgleichsabgabe, eine Ausbildungsabgabe und eine Mindeststeuer. Auf diese könnten sich nämlich gerade diejenigen zurückziehen, die zur Zeit die Steuerschlupflöcher nutzen können.
Wir werden vielmehr um die Zustimmung zu unserem Steuerkonzept ringen. Ich bin überzeugt: Die Bundestagswahl am 27. September wird die Entscheidung für unsere Steuerreform bringen.
Meine Damen und Herren, zu dieser Steuerreform gehört mittelfristig selbstverständlich auch der Abbau des Solidaritätszuschlages. Er war von Anfang an als befristete Abgabe eingeführt worden. Das ist eine Frage der Finanzierung und der Steuerreform.
Ich möchte ein Wort an die Bürgerinnen und Bürger in den neuen Bundesländern richten. Ich versichere Ihnen ausdrücklich: Es besteht kein Anlaß zu Befürchtungen, die Rückführung des Solidaritätszuschlages bedeute die Aufkündigung der Solidarität mit den neuen Ländern. Diese Besorgnisse sind unbegründet.
Ein deutlicher Beweis dafür ist die Höhe der Transferleistungen. Ich betone nochmals: Es besteht kein Zusammenhang zwischen der Solidarität mit den neuen Ländern und der Höhe des Solidaritätszuschlages.
Die Leistungen sind vom Kollegen Westerwelle sehr deutlich herausgestrichen worden. Man kann das im Bundesbankbericht nachlesen. Wir haben 1997 ein Höchstmaß an Leistungen für die neuen Länder erbracht: 141 Milliarden DM Nettoleistungen 1997 im Vergleich zu 106 Milliarden DM 1991. Das ist eine deutliche Steigerung. Die Bundesbank erkennt ausdrücklich an: Das bis zuletzt auf sehr hohem Niveau gehaltene Volumen der Transferleistungen und der Wirtschaftsförderung hat in den neuen Bundesländern vieles angestoßen und beschleunigt. Allerdings muß man der Kritik der Deutschen Bundesbank zustimmen, die sagt: Eine intensive Unterstützung der ostdeutschen Wirtschaft ist nur so lange zu rechtfertigen, wie noch Wettbewerbsnachteile ostdeutscher Unternehmen bestehen. In Bereichen, in denen es bereits Sättigungseffekte gibt, zum Beispiel im privaten Wohnungsbau, ist die Förderung bereits erheblich reduziert worden. Abschreibungsmodelle bei Bürogebäuden und im Mietwohnungsneubau werden nicht mehr gefördert.
Für die weitere steuerliche Förderung in den neuen Ländern haben wir schon frühzeitig Klarheit
Parl. Staatssekretär Hansgeorg Hauser
geschaffen. Sie wird bis zum Jahr 2004 auf hohem Niveau weitergeführt. Das Gesetz zur Fortsetzung der wirtschaftlichen Förderung in den neuen Ländern vom 18. August 1997 enthält steuerliche Förderinstrumente mit einem Fördervolumen von nahezu 35 Milliarden DM - unabhängig vom Solidaritätszuschlag, um das einmal deutlich zu sagen.
Damit werden die Investitionstätigkeit gefördert und die Eigenkapitalsituation der gewerblichen Unternehmen verbessert. Für Investitionsentscheidungen besteht damit über einen langen Zeitraum Planungssicherheit. An diesen Rahmenbedingungen wird sich nichts ändern.
Daß diese Anstrengungen Früchte getragen haben, sieht man an einer Studie, die gerade vom Institut für Wirtschaftsforschung in Halle gemacht wurde. In dieser Studie äußert sich nahezu die Hälte der ostdeutschen Unternehmen sehr positiv und blickt optimistisch in die Zukunft.
Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Dr. Matthias Schubert, SPDFraktion.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Krüger, Sie haben in Ihrem Beitrag vorhin dem Kollegen Schulz vorgeworfen, die Grünen-Debatte verunsichere die Ostdeutschen. Ich möchte Ihnen etwas aus der „Süddeutschen Zeitung " von gestern vorlesen. Ich zitiere:
Der Sprecher der ostdeutschen CDU-Abgeordneten im Bundestag, Paul Krüger, sagte im Berliner Info-Radio, der Beschluß des F.D.P.-Parteitages bedeute einen klaren Bruch der Koalitionsvereinbarung zwischen Union und F.D.P. Darin sei eine Senkung des Solidaritätszuschlages erst vorgesehen, wenn die Angleichung der Lebensverhältnisse in Ost und West erreicht sei. Davon könne aber noch nicht die Rede sein.
Herr Kollege Krüger, ich folge selbstverständlich Ihrer gestrigen Meinung und bin ebenfalls der Ansicht, daß die Pläne der F.D.P., den Solidaritätszuschlag abzuschaffen, nicht nur finanzpolitischer Unsinn sind; vielmehr demontieren sie auch den gesamtdeutschen Solidaritätsgedanken zum Aufbau der ostdeutschen Bundesländer.
Herr Kollege Westerwelle, auch Sie sollten sich bemühen, endlich dieses Märchen zu entzaubern, das da heißt, die Transferleistungen des Bundes in die neuen Länder seien ausschließlich Gnadengeschenke.
In Wirklichkeit sind zum Beispiel in den 95 Milliarden DM Transfers für 1997 Leistungen enthalten, die es für die alten Länder genauso gibt.
Oder meinen Sie etwa, der Ausbau von Straßen und Eisenbahn, die Arbeitslosenhilfe, die Sozialversicherung und die Bundeswehr fänden nur im Osten statt?
Allerdings hat sich in den letzten Jahren der wirtschaftliche Aufholprozeß im Osten in eine Rezession umgekehrt, die den Abstand zu den Altbundesländern vergrößert hat. Die neuerdings zu beobachtende langsame Erholung der ostdeutschen Wirtschaft hat bisher noch nicht dazu geführt, diesen gewachsenen Abstand zu verringern. Unbestreitbare Erfolge bei der Kostendämpfung in der Industrie in den neuen Ländern sind zum großen Teil durch einen noch immer anhaltenden Personalabbau erkauft. Eine wirkliche Konsolidierung von Unternehmen bei gleichzeitigen Neueinstellungen ist noch die Ausnahme, nicht die Regel.
Diese Situation wirkt sich nun dramatisch auf den Arbeitsmarkt aus. 1,5 Millionen arbeitslose Frauen und Männer bedeuten eine Quote von 20 Prozent; sie ist damit doppelt so hoch wie im Westen. Entsprechend entfallen zwei Drittel der öffentlichen Bruttotransfers des Bundes nach Ostdeutschland auf Sozialleistungen, nur ein Viertel entfällt auf Investitionen. Das ist ein Rückfall in die Situation des Jahres 1991!
Von den 30,8 Milliarden DM des Bundes für Arbeitslosenhilfe und ABM gehen in diesem Jahr 10,6 Milliarden DM nach Ostdeutschland.
Hinzu kommen 14,1 Milliarden DM an die Bundesanstalt für Arbeit zur Finanzierung der Arbeitslosigkeit in den neuen Ländern. Diese hohen Transfers sind eine direkte Folge der arbeitsmarktpolitischen Kahlschlagpolitik der Bundesregierung des Jahres 1997,
die in Kauf nahm, daß zum Beispiel jede zweite ABM-Stelle im Osten gekappt wurde.
Im Vergleich zu 1997 muß der Bund in diesem Jahr für die gesamte Arbeitsmarktpolitik in Ostdeutschland 5,8 Milliarden DM mehr aufbringen. Bei einem Einnahmeverlust aus der Absenkung des Solidaritätsbeitrages von etwa 7,5 Milliarden DM bedeutet das, daß 1998 vom Bund knapp 14 Milliarden DM mehr aus eigenen Mitteln allein für die Arbeitsmarktpolitik in den neuen Ländern aufgebracht werden müssen als 1997. Da der Prozeß der Angleichung der Lebensverhältnisse noch Jahre andauern wird, zeigt sich auch langfristig der finanzpolitische Unsinn der F.D.P.-Forderung nach Abschaffung des Soli.
Dr. Mathias Schubert
Daß die Menschen in Ostdeutschland diese Forderung darüber hinaus auch als Demontage des gesamtdeutschen Solidaritätsgedankens ansehen, begreift jeder, der politisch und nicht nur in Steuersenkungskategorien denkt.
Die Reaktionen der ostdeutschen Ministerpräsidenten sind eindeutig. Auf den Punkt gebracht hat es der thüringische Ministerpräsident Vogel. Er hat gesagt: „Wer den Soli abschaffen will, erweckt den Eindruck, daß Schluß sein könne mit der Solidarität."
Das ist kein Popanz, wie der F.D.P.-Vorsitzende glauben machen will, sondern eine zutreffende Antwort aus den Erfahrungen der letzten Jahre. Wer, wie Kollege Solms, hier von Verleumdung spricht, dem steht nicht nur das Wasser bis zum Hals; er offenbart auch eine beachtliche Ahnungslosigkeit bezüglich der Situation und der Befindlichkeiten in den neuen Ländern.
Es ist ja gerade die Idee des Soli, daß West- und Ostdeutsche einen gemeinsamen und greifbaren Beitrag zur Finanzierung der deutschen Einheit leisten. Für diese Gemeinsamkeit nicht nur des Geldes, sondern auch der Verantwortung für den Aufbau Ost sind wir Ostdeutschen den Menschen in den alten Ländern sehr dankbar. Der Soli als ein besonderes Zeichen der Solidarität ist uns in Ostdeutschland sehr wohl im Bewußtsein.
Wenn die F.D.P. also bei ihrer Forderung bleibt, dann propagiert sie nicht nur finanzpolitischen Unsinn. Sie bricht auch mit dem Konsens der gemeinsamen politischen Verantwortung für den Aufbau Ost. Dieser offene Solidaritätsbruch wird uns im Bewußtsein bleiben. Insofern vielen herzlichen Dank für Ihre Wahlkampfhilfe!
Ich erteile der Abgeordneten Dagmar Wöhrl, CDU/CSU-Fraktion, das Wort.
Sehr verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Ich will Ihnen gleich zu Anfang meiner Rede sagen, daß ich diese ganze Debatte für eine unsinnige Phantomdebatte halte.
Ich glaube auch nicht, daß man damit irgendeinen
Blumentopf gewinnen kann. Nach fast vier Jahren,
die ich diesem Haus angehöre, tue ich mich noch immer sehr schwer, mich an diesen reinen Populismus der Oppositionsparteien zu gewöhnen. Das sage ich hier ganz offen und ehrlich.
Liebe Kollegen, es handelt sich bei dem Beschluß der Abschaffung des Soli-Zuschlags um einen Parteitagsbeschluß der F.D.P., nicht um eine Koalitionsvereinbarung.
Jede Partei kann ungehindert ihr Wahlprogramm aufstellen. Wir werden uns hüten, der F.D.P. in diesem Bereich Ratschläge zu erteilen. Insofern ist es lächerlich, hier von Differenzen zwischen den Parteien zu sprechen.
Wenn Sie genau aufgepaßt haben, dann wissen Sie auch, daß der Vorschlag der F.D.P. nicht für die laufende Legislaturperiode gilt. Und über Vereinbarungen für die nächste Legislaturperiode werden wir uns unterhalten, sobald wir die Wahl im September gewonnen haben.
Ich bin wirklich verwundert, wie hier Äpfel mit Birnen verwechselt werden.
Beim Solidaritätszuschlag - das wissen Sie alle - handelt es sich um eine Ergänzungsabgabe bei Lohn-, Einkommen- und Körperschaftsteuer. Er fließt ohne formale Zweckbindung in den Bundeshaushalt.
Der Solidaritätszuschlag ist für den Aufbau Ost ebensowenig zweckgebunden wie die Kfz-Steuer für den Straßenbau oder die kommunale Hundesteuer für die Beseitigung des Hundekots. So ist das nun einmal.
- Herr Kollege, benehmen Sie sich doch bitte endlich wie ein Parlamentarier! Das würde Ihnen sehr gut anstehen.
- Gern geschehen. Ich kann es Ihnen bei Gelegenheit auch schriftlich geben.
Dagmar Wöhrl
Die Abschaffung des Solidaritätszuschlages würde nur den Bundeshaushalt treffen, sonst nichts.
Vor einer wichtigen Entscheidung am Sonntag im Osten hier in der Öffentlichkeit bewußt das Gegenteil zu behaupten, wie es geschehen ist, ist purer Populismus und eine unverschämte Wahlkampftaktik seitens der Opposition.
Liebe Kollegen, noch einmal zum Mitschreiben, weil ich glaube, daß Sie das noch immer nicht verstanden haben: Zwischen dem Solidaritätszuschlag und den Leistungen der Bundesregierung für die neuen Länder - ich vermeide bewußt das Wort „Transferleistung" - besteht kein Zusammenhang. Das zeigt sich auch an den immensen Nettoleistungen in diesem Jahr in Höhe von 141 Milliarden DM. Das ist der höchste Betrag seit der deutschen Einheit - und das, obwohl der Solidaritätszuschlag dieses Jahr um 2 Prozent gesenkt worden ist.
Allein das zeigt schon, daß hier kein Zusammenhang besteht. Die Leistungen aus dem Bundeshaushalt betragen das Fünffache der Einnahmen aus dem Solidaritätszuschlag. Dies zeigt auch etwas anderes. Es zeigt nämlich, wie wichtig die neuen Länder für uns sind und auch bleiben werden.
Daß der Solidaritätszuschlag in Stufen zurückgeführt werden soll, sobald es finanziell machbar ist - er ist nicht als Dauerfinanzierungsquelle angelegt; das war auch nicht der Sinn der Einführung des Solis -, glaubte ich bis jetzt nicht extra erwähnen zu müssen. Wir wissen genau, daß ein Ausstieg aus der Förderung der neuen Länder zum jetzigen Zeitpunkt unverantwortlich wäre. Ich glaube, das weiß keine Partei besser als die Koalitionsparteien.
Deswegen haben wir das Förderkonzept für die Jahre 1999 bis 2004 gemeinsam, also mit der F.D.P., beschlossen.
Die gespaltene Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt in Deutschland - im Westen hat sich schon eine Trendwende gezeigt, im Osten leider noch nicht - spricht eine deutliche Sprache. Die Deutsche Bundesbank konstatiert, daß eine neue Etappe im Anpassungsprozeß durch einen im Verhältnis zur Produktivität zu hohen Tariflohn sehr erschwert wird. In dieser Situation werden wir aber die neuen Länder nicht im Stich lassen.
In diesem Zusammenhang muß ich noch bemerken, daß ich mich sehr freuen würde, wenn die Tarifparteien endlich einmal wieder dazu übergehen würden, zu wettbewerbsfähigen Wirtschaftsstrukturen beizutragen,
anstatt die großen Leistungen, die die Bundesregierung in diesem Bereich erbracht hat, durch eine verfrühte Anpassung der Tarife an das Westniveau ständig zu konterkarieren.
Ihre Redezeit ist zu Ende.
Ja. - Ich möchte noch einmal die enormen Leistungen unseres Finanzministers hervorheben.
Noch ein Schlußsatz und dann ist Ihre Redezeit vorbei.
Ja, in Ordnung. - Man sollte nicht mit Steinen werfen, wenn man im Glashaus sitzt, und man sollte nicht Ziele verfolgen, die es nicht gibt.
Wir haben ein Ziel: Wir werden den Aufbau Ost weiterhin unterstützen. Er bleibt eine historische Aufgabe, der sich vor allem der Kanzler und auch wir immer gestellt haben und weiterhin stellen werden.
Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Christine Scheel, Bündnis 90/ Die Grünen.
Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Die F.D.P. ist auf den Hund gekommen, und die CSU assistiert. Nur so, Frau Wöhrl, ist Ihr eigenartiger Vergleich zwischen dem Soli-Zuschlag und der Hundesteuer zu erklären.
Vorab eine Bemerkung zu den Transferleistungen, die schon von Herrn Westerwelle und auch von Herrn Staatssekretär Hauser angesprochen worden sind. Es gibt Pflichtleistungen. Diese Pflichtleistungen gelten selbstverständlich für die Menschen im Westen wie für die Menschen im Osten gleichermaßen. An diesem Punkt muß man aber einmal differenzieren: Auf der einen Seite gibt es die Pflicht-
Christine Scheel
leistungen, die in den letzten Jahren auf Grund gesetzlicher Vorgaben zu Recht gestiegen sind,
und auf der anderen Seite Investitionen, die im Verhältnis dazu zurückgegangen sind. Sie müssen den Menschen in den neuen Bundesländern einmal erklären, welche wirtschaftspolitischen Ziele Sie dabei verfolgt haben.
- Ich lasse mich nicht aus meinem Konzept bringen. Das glauben Sie nur.
- Nein.
Ich möchte Ihnen klipp und klar sagen, wie der Zustand der Koalition ist. Er ist verheerend: Auf der einen Seite wird hü und auf der anderen Seite wird hott gesagt.
Diesen Bruch der Koalitionsvereinbarungen haben Sie zu verantworten. Die CDU/CSU muß schon sagen, wie sie damit umgehen will.
Es geht nicht nur um die Abschaffung des SoliBeitrages und damit um Steuerausfälle von 20 Milliarden DM. Es geht auch um eine Absenkung der Gewerbeertragsteuer
- Abschaffung, danke - mit Steuerausfällen in Höhe von 40 Milliarden DM. Es geht weiterhin um ein Stufenmodell mit drei Steuersätzen, das Sie von seiten der F.D.P. vorgeschlagen haben und das Steuerausfälle von 80 Milliarden DM bedeuten würde.
- Da klatschen Sie. - Unter dem Strich haben wir, meine Damen und Herren von der F.D.P., Steuerausfälle in Höhe von 150 Milliarden DM. Das bedeutet eine massiv ansteigende Staatsverschuldung. Sie sollten in diesem Zusammenhang einmal Ihre Haltung in der gestrigen Sitzung des Finanzausschusses erklären, in der Sie sagten:
Wir wollen nicht, daß die Nettoneuverschuldung ansteigt. - Sie können keine solide Finanzpolitik vorlegen.
Sie haben in den letzten Jahren eine Nullaussage zur Gegenfinanzierung gemacht. Auch die CDU und die CSU haben dies vorgenommen.
Sie versprechen die ganze Zeit Steuersenkungen, obwohl Sie in den letzten 16 Jahren - das wissen Sie ganz genau - massive Steuererhöhungen durchgesetzt haben. Dies müssen Sie den Leuten einmal erklären.
Ich nenne Ihnen einmal drei Beispiele:
Die Anhebung der Mehrwertsteuer ist nur eine Geschichte. Aber wir haben ja in den letzten Jahren seit der Wiedervereinigung auch eine massive Anhebung der Mineralölsteuer gehabt, und zwar eine Anhebung um 38 Pfennige, meine Damen und Herren.
Diese 38 Pfennige mit einem Volumen von 21,6 Milliarden Mark -21,6 Milliarden Mark! - haben Sie voll in den Haushalt eingesackt, um Löcher zu stopfen. Sie haben diese Einnahmen nicht benutzt, um die Lohnnebenkosten zu senken, wie wir - SPD und Bündnisgrüne - das getan hätten.
Zum zweiten: Diese Koalition hat es in den letzten Jahren durch verschiedenste Maßnahmen geschafft
- das müssen Sie sich einmal sehr ernsthaft anhören -, die Belastung der Familien massiv zu vergrößern. Von 1990 bis heute ist die Belastung der Familien um knapp 61 Milliarden DM gestiegen.
Auf der anderen Seite haben Sie in Unternehmensbereichen, und zwar dort, wo es nicht unbedingt notwendig gewesen wäre, drastische Steuersenkungen vorgenommen, indem nämlich Unternehmen ihrer sozialen Verantwortung überhaupt nicht mehr gerecht werden, sondern ihr Kapital ins Ausland gebracht und dementsprechend gearbeitet haben.
- Sie haben die Belastung um netto 61 Milliarden Mark erhöht. Die Anhebungen des Existenzminimums und des Kindergeldes sind da voll eingerechnet. Das ist ein Nettobetrag, meine Damen und Herren.
Dann muß man auch noch folgendes sehen, was gerade Familien und Kinder betrifft, weil Sie uns ja immer mit der ökologischen Geschichte kommen.
Ihre Redezeit ist beendet, Frau Kollegin.
Ein letzter Satz, Frau Präsidentin. - Im ÖPNV-Bereich haben wir in der Ära Kohl eine Steigerung der Kosten um 50 Prozent. Dies trifft auch die Familien mit Kindern über Gebühr. Das müssen Sie hier additiv dazusagen.
Ich kann hier nur den Spruch von Herrn Schulz aufgreifen: Die F.D.P. ist frech, dreist und platt, und das zeigt sich in ihren ganzen steuerpolitischen Entscheidungen.
Das Wort hat jetzt Bundesminister Dr. Günter Rexrodt.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Kollegin Scheel, nach Ihrem Beitrag ist man eigentlich geneigt, hier in eine allgemeine steuerpolitische Diskussion einzutreten.
Ich will das nicht tun. Ich will Ihnen nur sagen - ich habe Ihr Programm gelesen -:
Ihre steuerpolitischen Vorstellungen laufen darauf hinaus, 100 Milliarden von den Bürgern und von den Unternehmen abzocken zu wollen.
100 Milliarden Mark, das ist die Nettosumme Ihres Programmes. Nun treten Sie hier mal nicht so auf, und tun Sie nicht so, als ob diese Koalition nicht das Gegenteil wollte. Wir wollen eine Nettoentlastung.
Aber wir wollen ja über den Solidarzuschlag sprechen. Herr Schulz, ich sage Ihnen einmal in großer Ruhe: Wenn Sie sich hier herstellen - bitter, gallig, wie ich meine, für einen Parlamentarier im Stil unglaublich -
und hier eine Debatte aufziehen, die den Leuten weismachen will, daß eine Absenkung des Solidarzuschlages gleichbedeutend sei mit einem Abbau der Solidarität im Osten,
dann liegen Sie falsch mit Ihrer bitteren, galligen Art und Weise. Mit Ihrer bitteren Art werden Sie da keine Punkte machen, auch nicht bei den Leuten in den neuen Bundesländern.
Meine Damen und Herren, wir wissen alle, die Leistungen des Bundes für die neuen Länder werden ohne rechtliche und wirtschaftliche Verknüpfung mit der Höhe des Solidarzuschlages aus dem allgemeinen Bundeshaushalt finanziert.
- Darum geht es. Es geht heute um den Zusammenhang zwischen Finanzierung der Leistungen für die neuen Länder und Solidarzuschlag. Sie erwecken den Eindruck, als ob ein solcher Zusammenhang bestünde. Er besteht nicht.
Das Jahr 1998 ist dafür der beste Beweis. Der Solidarzuschlag wurde auf unsere Initiative hin in diesem Jahr gesenkt,
und die Leistungen für die neuen Länder wurden erhöht.
Im Jahre 1998 beträgt der Solidarzuschlag 20 Milliarden DM; die Leistungen des Bundes für die neuen Länder belaufen sich auf 90 Milliarden DM. Und dann kommt dieser Herr Schulz hierher
und sagt: Wir wollen eine Zweckbindung des Solidarzuschlags an die Leistungen für die neuen Länder. Meine Damen und Herren, die neuen Länder stünden sehr schlecht da, wenn wir eine solche Zweckbindung einführen würden.
Sie, Herr Schulz, haben noch nicht einmal das Prinzip des Solidarzuschlags verstanden und stellen sich hierhin und machen Polemik.
Bundesminister Dr. Günter Rexrodt
Sie setzen noch eins drauf, wenn Sie behaupten, daß diese Koalition und diese F.D.P. die Leistungen für die neuen Länder zurückführen und abbauen wollten und damit einen Mangel an Solidarität erkennen ließen.
Was ist denn Faktum? Wir haben im Jahre 1997 die steuerliche Förderung der neuen Länder in einer Art und Weise neu geordnet, die Sicherheit und Kalkulierbarkeit für die nächsten sechs Jahre mit sich bringt.
Wir haben das auf der Basis von mehr als 6 Milliarden DM jährlich getan - ein Betrag, der keinesfalls selbstverständlich ist,
ein Betrag, der es einem Investor möglich macht, abzuschätzen, was er in den nächsten Jahren bekommt, wenn er Investitionen in Arbeitsplätze in den neuen Ländern tätigt.
- Das sind doch Fakten. Da gibt es gar nichts zwischenzurufen.
Das ist die Leistung der Koalition, und das ist die Leistung der F.D.P.
Was haben wir im Jahre 1997 gemacht? Wir haben die Förderung von Forschung und Entwicklung auf eine neue Grundlage gestellt. Wir haben produktionsnahe Dienstleistungen in die Förderung einbezogen.
Der Wirtschaftsminister war es, der dafür gesorgt hat, daß die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" für die neuen Länder auf hohem Niveau fortgeschrieben werden konnte.
Das verbinden Sie mit der Anschuldigung, wir täten nichts für die neuen Länder! Meine Damen und Herren, das ist eine Geisterdebatte.
Das ist nichts anderes als billige Wahlpropaganda.
Herr Schulz, Sie wollen kurz vor der Sachsen-Anhalt-Wahl, wo Ihnen die Leute weglaufen,
noch ein paar Punkte machen. Das wird Ihnen nicht gelingen.
Herr Poß, nun will ich etwas zu Ihnen sagen. Ihre Haltung zum Solidarzuschlag ist so wechselhaft wie das Wetter.
1993 haben wir den Solidarzuschlag mit den Stimmen der SPD eingeführt. Damals stimmte die SPD mit der Koalition darin überein, daß er aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht auf Dauer erhoben werden darf.
1994 waren Sie es, der den Solidaritätszuschlag als wirtschaftspolitisch verfehlt bezeichnet hat. Nun stilisieren Sie, derselbe finanzpolitische Sprecher, den Solidaritätszuschlag zum Prüfstein der Solidarität mit den neuen Ländern;
Sie lehnen eine Senkung dieser Ergänzungssteuer ab.
Was ist denn das für ein Kurs?
Wollen Sie den Leuten glaubhaft vermitteln, daß Sie für Transfers in die neuen Länder, für Solidarität eintreten?
Nicht mit einer solchen parteitaktischen Haltung!
Bundesminister Dr. Günter Rexrodt
Das sind die Fakten.
Diese Diskussion wird mit keinem anderen Ziel geführt, als in Sachsen-Anhalt ein paar Stimmen zu machen. Wir stehen zu unseren Leistungen, zu unseren Reformen, zu unseren Maßnahmen und zu unseren neuen. Initiativen, was die Förderung der neuen Länder angeht. Die Koalition hat 1997 und 1998 in der Ressortverantwortung des F.D.P.-Wirtschaftsministers diese Initiativen gestartet und unter Dach und Fach gebracht. Das sind die wirklichen Ergebnisse.
Im übrigen - lassen Sie mich auch das einmal sagen - hat die Steuerreformkommission der Bundesregierung eine Senkung der Lohn-, Einkommen- und Körperschaftsteuer über den gesamten Tarif vorgesehen, wie Sie wissen. Der Solidarzuschlag wurde 1998 um 2 Prozent gesenkt. Von Anfang an war klar - auch die Petersberger Beschlüsse spiegeln das wider -, daß der Solidarzuschlag so schnell wie möglich in Stufen zurückgeführt und schließlich ganz abgeschafft werden soll. Das ist die Aussage der Koalition, der Petersberger Beschlüsse seit vielen Monaten.
Das hat nichts mit der Aufgabe der Solidarität mit den Menschen in den neuen Bundesländern zu tun. Für dringend notwendige Investitionen und Arbeitsplätze ist die Senkung der Steuerbelastung notwendig.
Das ist das Signal, auf das die Wirtschaft und die Bürger in Ost und West setzen. Dieses Signal kann deshalb nicht gegeben werden, weil Sie es wider besseres Wissen aus rein parteitaktischen Gründen seit Monaten im Bundesrat blockieren. Das ist die Wahrheit, und das sollen die Menschen wissen, auch in Sachsen-Anhalt.
Das Wort hat der Abgeordnete Johannes Selle, CDU/CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Mit dem heutigen Antrag der Grünen wird wieder Wasser auf die Mühlen derjenigen geleitet, die behaupten, daß wir uns im Plenum um des Kaisers Bart streiten und die wichtigen Sachfragen keiner Lösung zuführen. Auf Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen befassen wir uns nämlich mit einem einzigen Satz aus dem Wahlprogramm der F.D.P.
Wahrlich, es ist ein weites Betätigungsfeld, sich mit den Wahlprogrammaussagen einzelner Parteien zu beschäftigen. Wenn wir das als Fraktion genauso machen wollten, dann könnten wir den Rest der Legislaturperiode damit zubringen, die Gräßlichkeiten Ihres Wahlprogramms zu diskutieren, die da lauten: Erhöhung der Erbschafts- und Schenkungssteuer, Benzinpreis von 5 DM, Schwerverkehrsabgabe, Aus für die Magnetschwebebahn, zusätzliche Abgabe zur Sanierung der Altlasten, Rücknahme aller bisherigen Reformen usw.
Ich darf festhalten: Die Umsetzung eines Wahlprogramms geschieht nach der Wahl. Offensichtlich können Sie sich bei Ihrem Antrag nicht vorstellen, daß in so schwierigen und reformbedürftigen Zeiten eine andere Regierung als die Koalition von CDU/ CSU und F.D.P. regieren kann.
Zur Sache: Der F.D.P.-Bundesvorstand hat am 20. April den Parteitagsbeschluß bekanntgegeben:
Der Solidaritätszuschlag ist im Zuge einer großen Steuerreform abzuschaffen, ohne die Transferzahlungen in die neuen Bundesländer einzuschränken.
Mit dieser Forderung der F.D.P. wird zunächst einmal ein Ziel markiert, das auch wir erreichen wollen: die Steuerreduzierung.
Über die Höhe der Steuer- und Abgabenlasten und ihre bedrückenden Auswirkungen auf Wirtschaft und Bürger ist in diesem Hause oft diskutiert worden. Dabei gab es jedesmal die weitgehende Übereinstimmung, daß eine deutliche Senkung dieser Lasten dringend geboten ist.
Die Gretchenfrage liegt darin, welche Konsequenzen aus dieser Erkenntnis gezogen werden. Ihre Konsequenzen, meine Damen und Herren von den Grünen, sind bekannt und in der Öffentlichkeit diskutiert worden. Sie lauten: acht neue Steuern und damit Steuererhöhungen.
Unseren Weg einer großen Steuerreform mit gravierenden Nettoentlastungen für Bürger und Unternehmen, von Experten im In- und Ausland als der richtige Weg erkannt und gelobt, haben Sie dagegen in unverantwortlicher Weise gemeinsam mit anderen Oppositionsparteien blockiert. Wären Sie über Ihren damals in Steuerfragen immerhin erkennbaren Schatten gesprungen, wären wir heute alle ein Stück weiter.
Lassen Sie uns zum Wahlprogramm der F.D.P. zurückkommen. Die F.D.P. will wie die CDU/CSU eine große Steuerreform mit einer Nettoentlastung in Höhe von 30 Milliarden DM. Dieses Ziel werden wir - daran habe ich überhaupt keinen Zweifel - in der
Johannes Selle
nächsten Legislaturperiode als erneute Koalitionspartner erreichen.
Meine Damen und Herren, die Einführung des Solidaritätszuschlags im Jahre 1991 und die Wiedereinführung im Jahre 1995 hatten den gleichen Hintergrund. Die Mehrheit der alten Bundesländer fürchtete sich vor der Übernahme eines zu hohen Anteils der Kosten der deutschen Einheit.
Die Wiedervereinigung hatte für Deutschland entscheidende Strukturveränderungen gebracht. Wir leiden im Osten deshalb heute noch an einer fast dreimal so hohen Arbeitslosigkeit wie in den alten Ländern. Es war richtig, ein solidarisches Opfer aller Bevölkerungsgruppen zur Angleichung der Lebensverhältnisse und zur Vollendung der Einheit - wie es hieß - einzuführen. Der Solidarzuschlag war dazu auch unter dem Gesichtspunkt der Steuergerechtigkeit der richtige Lösungsweg. Er belastet ohne Beschränkung durch Einkommensgrenzen jeden Steuerpflichtigen entsprechend seiner individuellen Leistungsfähigkeit. Der Charakter als Ergänzungsabgabe macht deutlich, daß er nicht auf Dauer angelegt ist, sondern dem Erreichen dieses Zieles dient.
Eine Abschaffung müßte allerdings den Eindruck erwecken, daß das Ziel erreicht ist. Das entspricht angesichts der derzeitigen Lage nicht der Realität. Das ist ein Grund dafür, warum ich glaube, daß wir den Solidaritätszuschlag noch einige Zeit haben werden. Ein zweiter Grund ist der, daß ich mir nicht ganz sicher bin, ob eine Entlastung in Höhe von 20 Milliarden DM in diesem Paket von 30 Milliarden DM enthalten ist oder ob es insgesamt 50 Milliarden DM wären.
Deshalb fehlt mir im Wahlprogramm der F.D.P. eine Aussage zur Gegenfinanzierung.
In meinem Heimatland Thüringen würde sich eine Abschaffung mit 120 Millionen DM allein im Haushalt auswirken. Wenn man das in Bauaufträge ummünzen könnte, würde es einen Verlust von 1000 Arbeitsplätzen bedeuten.
Auf Grund dieser beiden genannten Gründe glaube ich, daß der Zuschlag uns noch eine Legislaturperiode erhalten bleiben wird, und halte es deshalb mit Wolfgang Gerhardt, der in der „Schweriner Volkszeitung" heute gesagt hat, daß die Forderungen der F.D.P. nie so lupenrein in die Koalitionsverträge kommen.
Das Wort hat
jetzt der Abgeordnete Detlev von Larcher, SPD-Fraktion.
Sehen Sie, Herr Westerwelle, jetzt haben Sie zu früh geklatscht.
- Sie haben bei Herrn Selle geklatscht, und zum Schluß sind Sie blaß geworden.
Meine Damen und Herren! Frau Präsidentin! Dies ist schon eine sehr seltsame Debatte. Das Thema lautet „Haltung der Bundesregierung zu Forderungen, den Solidaritätszuschlag vollständig abzuschaffen" . Was macht der Finanzstaatssekretär? Er hackt zum einen auf der SPD herum, und zum anderen beschwört er die Petersberger Beschlüsse als das Allheilmittel gegen die Arbeitslosigkeit; nur zur Forderung der F.D.P. nimmt er keine Stellung.
Dabei ist es doch klar, daß ich dann, wenn ich die Petersberger Beschlüsse so hoch halte, damit feststelle, daß es in dieser Koalition keine gemeinsame Grundlage für Steuerpolitik mehr gibt.
Guido Westerwelle -
nomen est omen - fordert Redlichkeit ein. Gleichzeitig sagt er aber wider besseres Wissen, die SPD sei gegen Steuersenkungen, weil sie sie nicht für finanzierbar hält. Er verschweigt, daß wir genau für diejenigen, die am stärksten belastet sind, eine Steuerentlastung in Höhe von 2500 DM in unserem Steuerreformprogramm vorsehen.
Die größte Unverschämtheit ist, daß er hier sagt: Wer die F.D.P. und ihre Vorschläge kritisiert, fördert die Braunen in den neuen Bundesländern.
Guido der Unredliche sollte er genannt werden.
Repnik kritisiert die F.D.P.-Steuervorschläge, der Unions-Fraktionsvize sagt, „abweichende Konzepte
Detlev von Larcher
sorgen nur für Verwirrung". Was macht also Herr Repnik? - Herr Westerwelle, Sie können fortfahren.
So etwas kommt heraus, wenn besserverdienende Maulhelden zusammensitzen und Beschlüsse fassen: Hohle Wahlversprechungen, 150 Milliarden DM Steuerausfälle, Stufentarif: 80 bis 90 Milliarden DM, Soli: 20 Milliarden DM, -
Herr Abgeordneter, „Maulheld" ist kein parlamentarischer Ausdruck.
- Gewerbeertragsteuer: ungefähr 40 Milliarden DM. Nimmt man noch die nachgelagerte Besteuerung der Alterseinkünfte hinzu, die Sie ja auch beschlossen haben, kommen in den Übergangsjahren noch einmal Steuerausfälle in Höhe von 60 Milliarden DM jährlich hinzu. Das macht 200 Milliarden DM.
Die Gegenfinanzierung bleibt völlig offen. Wie gut, daß Sie den Wahrheitsbeweis für Ihre hohlen Wahlversprechen nicht antreten müssen!
Sie wollen den Solidaritätszuschlag sofort absetzen. Natürlich erhalten Sie Zustimmung von Wirtschaftsverbänden. Henkel hat jetzt endgültig die Liebe zur F.D.P. entdeckt.
Aber die ostdeutschen Bürgerinnen und Bürger verstehen das als Ausgabenkürzung und Leistungskürzung im Osten, und die Ministerpräsidenten, und zwar alle vier, geben dem beredt Ausdruck. Für Herrn Solms sind diese natürlich eine Viererbande der Verleumder.
Zur Aufkündigung der Solidarität mit dem Osten sagt Herr Biedenkopf mit Recht,
wahrscheinlich sei die F.D.P. zu diesem Beschluß gekommen, weil sie im Osten sowieso keine Hoffnung mehr habe.
Beinahe hätte die F.D.P. auf ihrem Parteitag auch noch die Vorschläge zum Länderfinanzausgleich von Stoiber und Teufel aufgenommen. Nur die F.D.P.-Landesvorsitzende Sachsen-Anhalts hat sie davor bewahrt. Das, was die Ministerpräsidenten von BadenWürttemberg und Bayern vorschlagen, bedeutet ebenso eine Aufkündigung der Solidarität mit dem Osten wie die Vorschläge der sogenannten Liberalen zur Abschaffung des Solidaritätszuschlages.
Dabei war der Begriff „Solidaritätszuschlag" psychologisch gewählt. Herr Poß hat darauf hingewiesen. Nun müssen aber die Bürgerinnen und Bürger in den neuen Bundesländern sehen, wie brüchig die Solidarität dieser Koalitionsparteien mit den ostdeutschen Ländern ist.
Solidaritätszuschlag: Die Bürgerinnen und Bürger in den ostdeutschen Bundesländern müssen zur Kenntnis nehmen, daß sich die F.D.P. von der Solidarität verabschiedet und zum großen Zuschlagen ausholt. Wie gut, daß ihr am 27. September der Hammer aus der Hand fällt.
Das Wort hat der Abgeordnete Heinz-Georg Seiffert, CDU/CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich will mich nach den Beiträgen, die zuletzt hier abgeliefert worden sind, wieder mehr der Sachlichkeit zuwenden. Es ist ja fast grausam, wie hier parteitaktisch polemisiert wird, völlig am Thema vorbei, in einer Neidhammeldiskussion.
Da können wir uns ja in den nächsten Monaten auf einiges gefaßt machen!
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich will mich bemühen, ein paar Tatsachen und Fakten zu nennen.
Der Solidaritätszuschlag ist eine Sonderbelastung, der Lohn- und Einkommensteuerzahler und Unternehmen auf Zeit verpflichtet. Er ist ein Sonderbeitrag der Steuerzahler zu den Sondermitteln, die der Bundeshaushalt für die Schadenbeseitigung in den neuen Bundesländern vorhalten muß, und zwar - ich sage das ausdrücklich -
zur Beseitigung von Schäden, die die Sozialisten, also das SED-Regime, hinterlassen haben.
Dabei ist mir die Klarstellung besonders wichtig, daß nur ein Anteil an den Transferleistungen durch diesen Solidaritätszuschlag abgedeckt ist.
1997 haben wir rund 27 Milliarden DM im Bundeshaushalt vereinnahmt. Insgesamt sind netto - ich glaube, wir sollten redlicherweise von den Nettozahlen reden -136 Milliarden DM abgeflossen.
Nun verstehe ich die Debatte um die Zweckbindung nicht, die verschiedene Kollegen hier geführt haben. Eine Zweckbindung könnte dann sinnvoll und sogar notwendig sein, wenn die Gefahr bestünde, daß die Einnahmen höher wären als die Aus-
Heinz-Georg Seiffert
gaben. Aber diese Gefahr besteht in allernächster Zeit wirklich nicht. Deshalb ist es irreführend und verschleiernd, von der Notwendigkeit einer Zweckbindung zu reden.
Ich halte es auch für sachlich falsch, daß, wenn über den Solidaritätszuschlag geredet wird, sofort auch vom Ende der Solidarität gegenüber den neuen Bundesländern die Rede ist. Alle miteinander sollten wir uns anstrengen, nicht so genervt und aufgeregt zu reagieren.
Es bleibt bei dem, was diese Koalition in ihrem Regierungsprogramm am 11. November 1994 festgelegt hat. Der Solidaritätszuschlag wird zurückgeführt, wenn es die finanziellen Rahmenbedingungen zulassen. Daß wir, CDU/CSU und F.D.P. übrigens, uns daran halten, ist doch zum 1. Januar dieses Jahres bewiesen worden; der Solidaritätszuschlag ist doch tatsächlich von 7,5 auf 5 Prozent gesenkt worden.
Damit haben die Steuerzahler wieder über 7 Milliarden DM mehr zur Verfügung, und das kommt doch der Binnennachfrage zugute. Damit wird die Kaufkraft der Bürger gesteigert,
und man beläßt den Unternehmen ein wenig mehr Investitionskapital.
Natürlich wird man immer unterschiedlicher Meinung sein können, wann nun die finanziellen Rahmenbedingungen eine weitere Senkung des Solidaritätszuschlags zulassen. Ich sage Ihnen als ehemaliger Stadtkämmerer ganz offen: Das wird auch nie Ohne Druck aus dem Parlament gehen. Wenn wir als Parlament darauf warten, daß der Finanzminister oder der Kämmerer einer Gemeinde vorschlägt, auf Einnahmen zu verzichten, weil er sie nicht mehr braucht, dann müßten wir lange warten.
Insofern ist dieses Drängen aus dem Parlament heraus ganz sicher notwendig.
Wahr ist ebenfalls, daß der Solidaritätszuschlag langfristig schon deshalb abgeschafft werden muß, weil wir wieder eine bessere Balance zwischen direkten und indirekten Steuern brauchen. Sie kann man dadurch herstellen, daß man immer mehr indirekte Steuern erhöht, wie Sie von der Opposition es wollen.
Sie fügen immer hinzu - damit niemand erschrickt -:
Das geschieht aufkommensneutral. - Wir wollen
diese Balance auch dadurch wiederherstellen, daß
wir Steuern, und zwar die direkten, senken. Das ist der richtige Weg.
Problematisch ist auch, daß der Soli vor allem zu einer Belastung für die Leistungsträger in dieser Gesellschaft geworden ist. Durch die Anhebung des steuerfreien Existenzminimums für kleine und mittlere Einkommen auf 12 365 DM fällt zum Beispiel bei Verheirateten mit zwei Kindern, die deutlich über 5000 DM brutto im Monat verdienen, überhaupt kein Solidaritätszuschlag an. Das ist auch gut so.
Es gibt also viele gute Gründe, die dafürsprechen, aus dem Soli keine Dauereinnahmequelle zu machen. Nur - und das sage ich mit dem gleichen Nachdruck -: Jetzt und in naher Zukunft können wir auf den Soli nicht verzichten; wir können ihn nicht zurückfahren oder gar ganz abschaffen, weil wir das Geld brauchen. Der Bundeshaushalt ist auf dieses Geld derzeit angewiesen, weil auch die neuen Länder Hilfe brauchen. Wir haben 1998 nach wie vor die Sonderabschreibungen; wir haben ab 1999 die Investitionsförderung. Die Solidarität mit den neuen Bundesländern wird also nicht angetastet. Deshalb können wir die Steuerzahler derzeit noch nicht entlasten.
Vielen Dank.
Das Wort hat der Abgeordnete Rolf Schwanitz, SPD-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich will drei Bemerkungen vorausschicken und mich dabei auf drei Redebeiträge beziehen, die vor mir gehalten wurden.
Die erste zu Frau Wöhrl. Ich sage das an dieser Stelle ganz unpolemisch: Ich bitte Sie einfach darum - meine Kollegin von Bündnis 90/Die Grünen hat das auch schon getan -, daß Sie über den Vergleich mit der Hundesteuer und dem Hundekot, den Sie in einer Debatte, in der wir über den Solidaritätszuschlag reden, gezogen haben
- ja, ja -, in aller Ruhe noch einmal nachdenken sollten. Ich glaube, das ist völlig unangemessen.
Rolf Schwanitz
- Herr Westerwelle, ich meine, daß man an dieser Stelle kein Gespür dafür gezeigt hat, welche Probleme als drängend empfunden werden . Wenn man solche Vergleiche in diese Debatte einführt, das ist ein Problem.
Meine zweite Bemerkung möchte ich an die Adresse von Herrn Krüger richten. Herr Krüger, Sie haben der Opposition vorgeworfen, mit dieser Aktuellen Stunde die Menschen in den neuen Bundesländern zu verunsichern. Ich habe das hier schon seit vielen Jahren, so lange, wie ich im Bundestag bin - es sind acht Jahre -, erlebt, daß immer dann, wenn soziale Probleme aufgezeigt und thematisiert werden, die Koalition und die Regierung sagen: Das ist eine Verunsicherung; hier wird eine Neidkampagne gestartet.
„Neid" und „Verunsicherung" werden immer als Gegenargument angeführt. Herr Krüger, ich weise das in aller Ruhe zurück. Nicht derjenige, der Probleme thematisiert und Lösungen vorschlägt und einklagt, verunsichert, sondern derjenige, der die Probleme schafft.
Eine Bemerkung, die Sie selbst betrifft, Herr Krüger, kann ich mir auch nicht verkneifen. Herr Kollege Schubert hat es gesagt: Wo ist die Kritik geblieben, die noch gestern in der Zeitung zu lesen war?
Ich möchte bei Ihnen einmal erleben, daß das, was gestern ausgesprochen worden ist, heute noch gilt,
und daß man sich nicht freudestrahlend für den - Entschuldigung - Bockmist prügeln läßt, den andere verzapft haben, sondern daß man seine eigene Meinung, die man mutig in ein Mikrophon gesprochen hat, auch hier im Deutschen Bundestag ausspricht.
Eine weitere Bemerkung, die ich machen möchte, betrifft Herrn Westerwelle. Herr Westerwelle, Sie haben - Sie haben es nicht genauso gesagt, aber das war Ihren Worten zu entnehmen - der Opposition vorgeworfen, den braunen Bodensatz in den neuen Bundesländern unter anderem auch mit diesen Debatten zu fördern.
Herr Westerwelle, ich will das als eine Entgleisung werten, die mit Ihrer eigenen Betroffenheit über das, was jetzt auf Ihrer Seite los ist, erklärt werden kann.
Wir hoffen sicherlich gemeinsam, daß es am kommenden Sonntag nicht solche Wahlergebnisse gibt, was die DVU betrifft. Aber ich lege Ihnen nahe: Denken Sie einmal darüber nach, wieso die Menschen eine solche Verunsicherung empfinden, wieso diese tiefe Enttäuschung über acht Jahre Vereinigungspolitik da ist, wieso es überhaupt keine Identifikation vieler in Ostdeutschland mit der derzeitigen Regierungspolitik gibt. Das sind Ursachenkomponenten, die Sie zunächst einmal im Kopf wälzen sollten, bevor Sie einen solch absurden Vergleich aufstellen.
Ich möchte noch so viel sagen, aber mir rennt die Zeit weg.
- Gott sei Dank, sagen Sie; das ist ja auch in Ordnung. Ich hätte mir von Ihrer Seite den einen oder anderen eigenkritischen Ton gewünscht. Solche kamen doch selbst auf Ihren Parteitagen, Herr Rexrodt. Es war doch nicht so, daß die F.D.P. da freudestrahlend gesagt hätte: „Das ist toll, das machen wir jetzt! ", sondern da gab es doch
Einsprüche, und da gab es Kritik.
Ich führe mir nur einmal vor Augen, was auf Ihrem Parteitag, der übrigens in Berlin stattfand - man geht nach Ostdeutschland und macht dann ein Programm West pur; das ist schon ein ganz tolles Kabinettsstückchen -, gelaufen ist: Annahme des Vorschlags, den Solidaritätszuschlag vollständig abzuschaffen; gerade mal verhindert, daß die unselige Diskussion über den Länderfinanzausgleich sogar ins Programm kommt; dann noch - fünf Monate vor der Bundestagswahl als ein politisches Thema entdeckt - eine Arbeitsgruppe „Aufbau Ost" eingesetzt. Das ist eine Glanzleistung der Liberalen! Da wäre - dies hätte die Glaubwürdigkeit gefördert - zumindest das eine oder andere Kritische auch aus den eigenen Reihen angemessen gewesen.
Die Ostdeutschen sind nicht die dummen Lämmer. Es fehlen 20 Milliarden DM, wenn Ihr Vorschlag vollzogen wird. Sie haben nichts zur Erklärung dessen gesagt.
Die Ostdeutschen sind nicht die dummen Lämmer, die sich den Metzger, der sie anschließend zur Schlachtbank führt, noch selber aussuchen. Das werden Sie am kommenden Sonntag in Sachsen-Anhalt zu spüren bekommen.
Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Gerhard Schulz, CDU/CSU-Fraktion.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Schwanitz, man muß schon sehr bösartig sein, um eine derartige Interpretation des Gesagten vorbringen zu können; das muß ich deutlich sagen.
Die Menschen in Ostdeutschland haben beim Aufbau ihrer Heimat Großartiges geleistet; darauf sind wir hoffentlich alle Mann stolz.
Sie haben eine Wandlungsfähigkeit bewiesen, die beispielgebend ist.
Diese Bundesregierung, vor allem der Bundeskanzler, hat ebenfalls Großartiges für den Aufbau Ostdeutschlands geleistet; das muß immer wieder gesagt werden.
Die vom Bundeswirtschaftsminister im März dieses Jahres vorgelegte Bilanz beweist das - ich nenne nur drei Punkte -: 76 Milliarden DM für neue Straßen, Schienen- und Wasserwege; 50 Milliarden DM für neue Telefonanschlüsse und den Aufbau einer Netzinfrastruktur;
36 Milliarden DM für die Erschließung neuer Industrie- und Gewerbegebiete. Das sind insgesamt 162 Milliarden DM für Investitionen in die Infrastruktur der neuen Bundesländer. Das ist eine Leistung, die sich sehen lassen kann. 510 000 mittelständische Unternehmen - die meisten von ihnen wurden nach der Wiedervereinigung neu gegründet - beschäftigen heute 3,2 Millionen Menschen.
In meiner Heimatstadt Leipzig existieren bereits 1000 Medienunternehmen, von denen zwei Drittel ebenfalls erst nach 1990 gegründet wurden. Sie beschäftigen insgesamt 33 000 Menschen.
Meine Damen und Herren, der Wandel von einer sozialistischen Monowirtschaft in eine soziale Marktwirtschaft und eine moderne Industrie- und Dienstleistungsgesellschaft ist in vollem Gange. Nur ein Ignorant kann das Gegenteil behaupten.
Aber wir wissen auch, daß die bisherigen Bemühungen noch nicht ausgereicht haben, um gleiche Lebensverhältnisse in Ost und West herzustellen.
Der Angleichungsprozeß ist ins Stocken geraten. Die westdeutsche Konjunktur floriert; der Arbeitsmarkt zieht wieder an. In Ostdeutschland dagegen wird das hohe Wachstum der Industrie durch die Flaute der Bauwirtschaft überdeckt.
Das Resultat kennen wir alle: eine unakzeptable hohe Arbeitslosigkeit. Dies ist unbestritten.
Ich muß gestehen, daß mich die Debatte um die Transferzahlungen für Ostdeutschland maßlos ärgert. Die Deutsche Bundesbank, von der ich eher eine Versachlichung der Debatte erwartet hätte, hat unglücklicherweise - wie auch schon andere vor ihr - in Deutschland übliche Transferleistungen mit den für Ostdeutschland zusätzlich erforderlichen Leistungen summiert und damit eine völlig unnötige Debatte angestoßen. Ich kann und will nicht begreifen, daß das immer wieder geschieht.
Wir brauchen eine verläßliche Förderpolitik für mehr Investitionen und mehr Arbeitsplätze. Wir brauchen keine SPD-Parteiprogramme, die unter Finanzierungsvorbehalt stehen.
Liebe Sozialdemokraten, mit bloßer Rhetorik und Phrasendrescherei löst man die Probleme nicht.
Wir alle wissen: Der Aufbau der neuen Länder hat für die Regierungskoalition, die Regierungsfraktionen und für den Bundeskanzler absolute Priorität.
Das zeigen die letzten Jahre ganz eindeutig.
Die Menschen in Ostdeutschland können sich auf unsere uneingeschränkte Solidarität verlassen.
Bezüglich der Ergebnisse brauchen wir uns beim besten Willen nicht zu verstecken.
Unser Programm für den Osten steht nicht - ich sage es noch einmal - wie bei der SPD unter Finanzierungsvorbehalt.
Wir entscheiden nicht nach Haushaltslage, welche Mittel in den Osten fließen. Die Finanzierung des Aufbaus Ost hat bei uns vielmehr Priorität.
Gerhard Schulz
Bei nüchterner Betrachtung des bislang Erreichten müssen wir feststellen, daß bis zur Schaffung gleicher Lebensverhältnisse in Ost und West sicherlich noch viele Jahre vergehen werden. Genauso lange benötigen wir Mittel für die Finanzierung dieses Aufbaus. Ich sage ganz ehrlich: Mir ist es egal, woher die Mittel kommen; Hauptsache, sie sind da.
Wenn wir es schaffen, daß wir genügend Mittel aus anderen Steuern erhalten, so daß wir es uns leisten können, den Solidaritätszuschlag in Stufen abzubauen, habe ich damit kein Problem.
Der erneute Vorschlag der F.D.P., diesen Zuschlag abzuschaffen, um eine Steuerentlastung zu erreichen, wäre nicht nötig, meine Damen und Herren von der SPD, wenn Sie im Bundesrat nicht die Steuerreform der Regierungskoalition und damit eine Entlastung aller Steuerpflichtigen blockiert hätten.
Sie haben diesem Land damit aus reinem machtpolitischen Kalkül Steuerentlastungen und Wachstum vorenthalten. Sie haben damit die Schaffung von neuen Arbeitsplätzen insbesondere in Ostdeutschland verhindert. Wir werden Sie und die deutsche Bevölkerung immer daran erinnern.
Schönen Dank fürs Zuhören.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Aktuelle Stunde ist beendet. Wir sind damit am Schluß unserer heutigen Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, 23. April 1998, 9 Uhr ein.
Die Sitzung ist geschlossen.