Gesamtes Protokol
Meine Damen und Herren! Die Sitzung ist eröffnet.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 3 sowie die Zusatzpunkte 10a und 10b auf:
3. Beratung des Antrags der Fraktion der SPD
Erleichterung des Erwerbs der deutschen Staatsangehörigkeit für Kinder ausländischer Eltern
- Drucksache 13/9941-
-P10 a) Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Erleichterung des Erwerbs der deutschen Staatsangehörigkeit durch Kinder ausländischer Eltern
- Drucksache 13/8157 -
Beschlußempfehlung und Bericht des Innenausschusses
- Drucksache 13/10 030 -Berichterstattung:
Abgeordnete Meinrad Belle - Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast Cem Özdemir
Cornelia Schmalz-Jacobsen Ulla Jelpke
b) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Innenausschusses
- zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast, Hermann Bachmaier, Herta Däubler-Gmelin, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD
Erleichterung der Einbürgerung unter Hinnahme der doppelten Staatsangehörigkeit
- zu dem Antrag der Fraktion der SPD
Neuregelung des Staatsangehörigkeitsrechts
- zu dem Antrag der Fraktion der SPD
Gesetzesinitiative der Bundesregierung zur Reform des Staatsangehörigkeitsrechts
- zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Christoph Zöpel, Freimut Duve, Rudolf Bindig, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD
Unterrichtung des Deutschen Bundestages über internationale Vereinbarungen mit besonderer Bedeutung für die Ausländer-, Asyl- und Menschenrechtspolitik
- zu dem Antrag der Abgeordneten Cem Özdemir, Kerstin Müller und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Mindestkriterien für eine Reform des
Staatsangehörigkeitsrechts
- zu dem Antrag der Abgeordneten Cem Özdemir, Kerstin Müller , Amke Dietert-Scheuer, Christa Nickels und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Klare Integrationssignale setzen: Für eine sofortige Reform des Staatsangehörigkeitsrechts
- Drucksachen 13/259, 13/2833, 13/ 7505, 13/7923, 13/3657, 13/7677, 13/ 10030 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Meinrad Belle Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast Cem Özdemir
Cornelia Schmalz-Jacobsen Ulla Jelpke
Ich weise darauf hin, daß wir nach der Aussprache über den Gesetzentwurf namentlich abstimmen werden.
Außerdem wird nach diesem Tagesordnungspunkt über einen Antrag auf Zurückweisung des Einspruchs des Bundesrates zum Straßenverkehrsgesetz ebenfalls namentlich abgestimmt werden.
Für diese Abstimmungen benötigen Sie neben Ihrer Stimmkarte auch Ihren Stimmausweis in der
Präsidentin Dr. Rita Süssmuth
Farbe Gelb. Den Stimmausweis können Sie nachher Ihrem Stimmkartenfach entnehmen.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Aussprache zum Staatsangehörigkeitsrecht eine Stunde vorgesehen. - Dazu höre ich keinen Widerspruch. Wir verfahren so.
Ich eröffne die Aussprache. Als erster spricht zu diesem Tagesordnungspunkt der Kollege Marschewski.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit den vorliegenden Anträgen wollen SPD und Grüne, in welcher Form auch immer, die generelle doppelte Staatsbürgerschaft in Deutschland einführen. Sie tun dies mit der Behauptung, die Integration aller hier geborenen Ausländerkinder sei bereits vollzogen; dies gelte auch für Jugendliche, die nur fünf Jahre in ausländischen Familien in Deutschland lebten. Ihr Vorschlag, meine Damen und Herren der SPD, ist staatspolitisch falsch und integrationshindernd. Sein Beurteilungsmaßstab widerspricht der Wirklichkeit.
- Frau Kollegin, ich zitiere gleich Ihren Antrag.
Sie sagen in Ihrem Antrag, es sei unabdingbar, Ausländer in Deutschland nicht länger als Fremde zu stigmatisieren. Ich muß Ihnen sagen, daß ich über diesen Wortlaut sehr entsetzt bin. Stigmatisieren heißt, jemanden zu brandmarken, in diskriminierender Weise zu kennzeichnen. Ist das die Wirklichkeit des Lebens von Ausländern in Deutschland, meine Damen und Herren?
Das doch wohl nicht. Haben Sie einmal bedacht, welche Wirkungen das im Ausland haben könnte? Dabei wissen Sie doch, das deutsche Ausländerrecht gibt den Ausländern mit Ausnahme des Wahlrechtes alle im Grundgesetz verankerten Rechte, die Deutsche genießen, bis hin zur friedlichen politischen Betätigung. Nein, Ihr Wort von der Stigmatisierung führt in die Irre.
Genau das Gegenteil ist richtig. Wir haben das liberalste, das ausländerfreundlichste Ausländerrecht, das es überhaupt gibt.
Das gilt für junge Menschen, für Frauen und für ältere Ausländer. Deren Lebenssituation haben wir immer wieder, zuletzt vor einem Jahr, mit dem Ziel der Integration verbessert. Das hat die Koalition aus CDU/CSU und F.D.P. geleistet.
An dieser Stelle möchte ich mich besonders bei Frau Schmalz-Jacobsen für ihre Leistungen, vor allen Dingen für ihre Kompromißbereitschaft bedanken. Wir waren nicht immer einer Meinung, Frau Kollegin; das liegt in der Natur der Sache. Dennoch herzlichen Dank!
Aber wir haben auch beschlossen: Wer als Ausländer diese Rechte erheblich mißbraucht, wer Verbrechen begeht oder sich schwerer Vergehen schuldig macht - das gilt etwa für den Drogenhandel -, der muß ausgewiesen werden.
Dazu haben Sie im Bundestag nein gesagt, deswegen ärgert Sie das. Die Grünen haben selbst im Vermittlungsausschuß zu diesem Vorschlag nein gesagt. Dies war ein Vorschlag dieser in Fragen des Ausländerrechts so bewährten Koalition von CDU/CSU und F.D.P.
Ich komme jetzt zu Ihren Anträgen: Ihre jetzigen Anträge, meine Damen und Herren, haben doch nur ein Ziel, nämlich Abgeordnete der Koalition dazu zu bringen, von dem im Koalitionsvertrag gegebenen Versprechen Abstand zu nehmen. Herr Scharping hat dies so formuliert: Sie wollten die Koalition testen. Sie wollen keine Probleme lösen, Sie wollen das sensible Ausländerrecht zur Verfolgung von rein taktischen, parteipolitischen Zielen mißbrauchen.
Das ist verwerflich. Deswegen wird der Versuch von SPD und Grünen erfolglos sein. Wir werden diese parteitaktischen Mißbräuche verhindern. Die Koalitionspartner werden das dem jeweils anderen gegebene Wort halten, auch weil wir wie die Mehrheit der Bürger unseres Landes die generelle doppelte Staatsbürgerschaft ablehnen.
Was wir vielmehr wollen, ist eine wirkliche Integration. Deswegen wollen wir die Einbürgerungsfristen verkürzen. Wir wollen mehr Anspruchseinbürgerungen schaffen. Voraussetzung der Einbürgerung sind aber insbesondere ausreichende Sprachkenntnisse, damit wir uns verstehen. Wir wollen, daß die Ausländer Art. 3 des Grundgesetzes akzeptieren: Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Wir wollen den arglistigen Erwerb der deutschen Staatsbürgerschaft ausschließen. Wer zum Erwerb der deutschen Staatsbürgerschaft zunächst zum Schein auf die ausländische Staatsbürgerschaft verzichtet und dann später die ausländische Staatsbürgerschaft wieder annimmt, der soll kraft Gesetzes die deutsche Staatsbürgerschaft wieder verlieren. Auch das wollen wir.
In Ihren Anträgen steht davon überhaupt nichts. Ihre Rumpfanträge sind unzulänglich, sachfremd und politisch nicht akzeptierbar. Darüber hinaus ist es zumutbar, auf die eigene Staatsbürgerschaft zu verzichten, wenn man eine andere erwerben möchte. Das gilt insbesondere für die türkischen Mitbürger. Damals stand das Dorfgesetz im Wege. Danach gab es leider die Möglichkeit, Grundstücke wegzunehmen oder über das Erbrecht das Erbe zu schmälern. Diese Möglichkeit haben wir in gemeinsamen Verhandlungen mit der Türkei ausgeräumt. Es ist danach durchaus zumutbar, beispielsweise auf die türkische Staatsbürgerschaft zu verzichten.
Erwin Marschewski
Dies bedeutet: Mehr als 60 Prozent der ausländischen Mitbürger könnten sich ohne Nachteile einbürgern lassen, wenn sie dies nur wollten, wenn sie auf Doppelsicherheit, sprich: auf die doppelte Staatsbürgerschaft verzichteten. Hierin liegt der Unterschied zwischen SPD und Grünen auf der einen Seite und der CDU/CSU auf der anderen Seite.
Wir setzen ein gewisses Maß an Integration voraus. Mehrstaatlichkeit ist für uns auf Dauer nicht erstrebenswert, weil es dann schwieriger ist, uneingeschränkt loyal zu sein.
Der Kollege Hirsch hat gestern in der „Welt" gesagt, daß 2 Millionen Deutsche die doppelte Staatsbürgerschaft besäßen.
Herr Kollege Hirsch, diese Zahl ist falsch. Da Sie ein Ziel verfolgen, ist das ein fahrlässiger Umgang mit der Wahrheit, Herr Kollege Hirsch. In Deutschland leben 538 000 ausländische Mitbürger mit doppelter Staatsbürgerschaft. Der größte Teil davon sind Aussiedler. Diese Menschen würden gern auf die usbekische, auf die kasachische Staatsbürgerschaft verzichten, wenn es nicht die hohen Gebühren gäbe, die diese Menschen drangsalierten. Ihre Zahl ist falsch, Herr Kollege Hirsch.
- Sie haben sich zur Zwischenfrage gemeldet, bitte schön.
Herr Kollege Hirsch.
Herr Kollege Marschewski, würden Sie dem Haus bitte sagen, woher Sie diese Zahlen haben, nachdem bisher die Auskünfte des Innenministeriums dahin gehen, daß es keine Statistik über die doppelte Staatsangehörigkeit gibt? Dies ist ein merkwürdiger Vorgang; denn wenn es ein Problem wäre, müßte man sie ja zählen. Vielleicht können Sie dem Haus offenbaren, ob es doch eine Statistik gibt, damit sie allen zugänglich wird.
Herr Kollege Hirsch, ich bin ein wenig verwundert, daß Sie nicht einmal diese Grundregeln - Sie sind ja lange Innenpolitiker gewesen - beherrschen: Wir haben einen Mikrozensus, der besagt, daß in Deutschland 538 000 Menschen die doppelte Staatsbürgerschaft besitzen. Ich will Ihnen diese Zahlen sehr gern zur Verfügung stellen.
Wichtigster Punkt unserer Politik ist natürlich, daß sich die Menschen, die Deutsche werden wollen, auf Dauer zu Deutschland bekennen müssen, daß sie sich zu Deutschland hinwenden, daß sie diese Gemeinschaft akzeptieren, daß sie umfassend mitwirken und mitgestalten. Deswegen bleibt unser Ziel - wir haben dies durch mehrfache Änderungen des Ausländerrechts verfolgt - die Integration der hier lebenden Ausländer.
Ein zweites Ziel - beide Ziele gehören zusammen - ist eine wirksame und dauerhafte Zuzugsbeschränkung durch konsequente Anwendung des Ausländerrechts und durch konsequente Anwendung des Abschiebungsrechts auf straffällige Ausländer und abgelehnte Asylbewerber. Genau das wird in Nordrhein-Westfalen und in Niedersachsen bei Herrn Schröder nicht gemacht.
Beides gehört zusammen: Zuzugsbegrenzung und Integration. Deswegen sagen wir zu Ihren Anträgen nein, weil sie einfach nicht der Integration dienen und auch nicht dienen sollen. Wir sagen deswegen nein zur generellen doppelten Staatsbürgerschaft, wie auch die ganz große Mehrheit des deutschen Volkes. Aus diesem Grunde werden und dürfen Ihre Anträge keine Mehrheit finden.
Herzlichen Dank.
Das Wort hat als nächste die Kollegin Frau Sonntag-Wolgast.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zu Ihnen, Herr Marschewski, kann ich nur sagen: Erstens. Ich habe selten erlebt, daß jemand so bewußt wider besseres Wissen Anträge mißgedeutet hat, wie Sie es mit unseren eben getan haben.
Zweitens. Wenn Sie von negativen Wirkungen deutscher Politik auf das Ausland sprechen, dann kann ich Ihnen nur entgegenhalten: Eine negative Wirkung auf das Ausland hat das äußerst restriktive Verhalten der Bunderegierung in Fragen der Einbürgerung.
Lang ist es her, seit die SPD-Bundestagsfraktion in dieser Legislaturperiode ihren ersten Antrag zu diesem Thema mit dem Titel „Erleichterung der Einbärgerung unter Hinnahme der doppelten Staatsangehörigkeit" präsentierte. Das war im Januar 1995. Schon damals war die Reform überfällig. Schon damals führten wir Gespräche mit reformwilligen Kräften aus der Koalition, um Möglichkeiten von einvernehmlichen Lösungen auszuloten.
- Doch, das gab es da. - In den folgenden Monaten
und Jahren nutzten wir aus der Opposition heraus
alle Instrumente, um das Thema in den Ausschüssen
Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast
und im Plenum überhaupt zur Sprache zu bringen, weil Sie sich pausenlos weigerten, das zu tun.
Auch nicht in meinen unerfreulichsten Träumen hätte ich mir damals vorstellen können, daß wir jetzt, auf der Zielgeraden der Legislaturperiode, noch auf dem gleichen Stand wie Anno dazumal sein könnten.
Deswegen komme ich leider zu dem Ergebnis, daß die Geschichte dieses Vorhabens eine einzige klägliche Dokumentation der Unfähigkeit dieses Regierungsbündnisses ist, ein lange vorher gegebenes Versprechen in die Tat umzusetzen.
Ich erinnere: Schon in der vorausgegangenen Legislaturperiode haben Sie aus den Koalitionsfraktionen heraus die Neuregelung des Staatsangehörigkeitsrechts angekündigt. Der Kanzler höchstpersönlich bezeichnete sie 1993 im Rahmen einer Regierungserklärung als dringlich. Herausgekommen ist aber absolut nichts. Ein Anliegen, das dieser Gesellschaft gutgetan hätte, wurde verschleppt, zerredet, zerrieben im Dauerkrach zwischen konservativen Ideologen und publicitiyfreudigen Erneuerern, die in Interviews in Aussicht stellten, was sie parlamentarisch nicht zu leisten vermochten.
Heute morgen haben Sie in dieser Wahlperiode wahrscheinlich die allerletzte Chance, wenigstens einen Schritt vorwärts zu machen; denn eine umfassende Änderung des Staatsangehörigkeitsrechts werden Sie bis zur Bundestagswahl sowieso nicht mehr zustande bringen. Deshalb beschränken wir uns - das auch als Erklärung, Herr Marschewski - mit unseren jüngsten Initiativen auf einen wichtigen Teilbereich. Es muß doch in diesem Hause möglich sein, wenigstens ein positives Signal an die Adresse der Migrantenfamilien auszusenden, die hier in Deutschland längst heimisch geworden sind.
Wir betreiben hier kein taktisches Spielchen, um die Koalition auseinanderzutreiben, obwohl uns auch das ganz recht wäre. Es geht uns vordringlich um ein wichtiges integrationspolitisches Ziel.
Noch einmal zur Klarstellung: Die SPD-Bundestagsfraktion verlangt im Einvernehmen mit dem Bundesrat die Ergänzung des Abstammungsprinzips durch das Territorialprinzip. Das heißt, Kinder ausländischer Eltern, von denen mindestens ein Partner schon hier geboren ist und hier lebt, sollen automatisch mit der Geburt Deutsche werden. Gegen diese Möglichkeit kann im ersten Jahr nach der Geburt des Kindes Einspruch erhoben werden.
Das bedeutet für die zweite Ausländergeneration: Die Eltern müssen hier mindestens fünf Jahre leben. Für solche Fälle gibt es den Anspruch auf die Einbürgerung. Dem Besitz einer weiteren Staatsangehörigkeit wird nicht widersprochen. Nicht mehr und nicht weniger sagen wir. Es ist eine wahrhaft moderate Forderung. Für viele unserer europäischen Nachbarn ist eine solche Praxis längst selbstverständlich.
Wir sagen auch nicht, daß es eine Zauberwaffe gegen Ausländerfeindlichkeit - das wahrhaftig nicht - oder eine revolutionäre Handlung ist, sondern wir betrachten es als ein Plädoyer für Normalität und Gelassenheit in dieser Frage.
Wir wollen schlicht und einfach einen Beitrag leisten, um den zunehmenden Entfremdungsprozeß gerade bei jungen Ausländern einzudämmen. Wir setzen ein Zeichen der Bereitschaft zum partnerschaftlichen Miteinander. Wir verschicken gewissermaßen eine Einladungskarte zur Integration. Das ist wahrhaftig dringend erforderlich.
Ich möchte noch einen weiteren Irrtum ausräumen. Wir von der SPD wollen nicht möglichst viele Doppelstaatler heranzüchten; aber die Mehrstaatlichkeit soll hingenommen werden. Das betrifft mehr als 2 Millionen Bürger - oder auch nicht. Die Zahlen sind interessant. Ich stütze mich immer auf die Aussagen der Ausländerbeauftragten und meine, daß sie, wenn sie von 2 Millionen spricht, dafür gesicherte Daten hat.
Ob es nun 1 oder 2 Millionen sind: Es sind erkleckliche Zahlen. Diese Menschen haben mehr als einen Paß. Unser Staatsgebilde wankt immer noch nicht.
Der Kollege Eylmann von der CDU nannte kürzlich die deutsche Auffassung, daß die Einbürgerung im Regelfalle den Verzicht auf die Staatsangehörigkeit des Herkunftslandes beinhaltet, eine „antiquierte Doktrin" . Recht hat der Mann.
Meine Damen und Herren, gäbe es eine offene Abstimmung ohne Fraktionszwänge, würde eine Allianz der Vernunft dem Gesetzentwurf des Bundesrates und einigen unserer SPD-Anträge wahrhaftig zu einer Mehrheit verhelfen.
Aber wir hören nun in den letzten Tagen Ankündigungen in finsterem Trotz, nach denen die Reihen der Koalition fest geschlossen seien. Das wundert mich überhaupt nicht. Es war uns klar, daß neun F.D.P.-Abgeordnete kürzlich bei der Abstimmung über das Vermittlungsergebnis zum großen Lauschangriff sozusagen nur einen Tagesausflug zurück in Zeiten gemacht haben, in denen der F.D.P. das Eintreten für Bürgerrechte noch etwas wert war. Mehr
Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast
war es nicht. Wenn Sie sich heute einem kleinen Fortschritt in Sachen Staatsangehörigkeit geschlossen verweigern, dann beweisen Sie insgesamt nur eines: Der Zwang zum Zusammenhalt des brüchigen Bündnisses ist Ihnen wichtiger als Ihre inhaltlichen Überzeugungen.
Geschlossenheit mit dem Ziel, jede Bewegung zu verhindern, ist eine durch und durch peinliche Darbietung. Sie sollten sich schämen!
Nun sagt der Kollege Gerhardt, diesmal sei für die F.D.P. alles ganz anders als bei der Abstimmung über den Lauschangriff. Da gebe es eine Koalitionsvereinbarung. Diese werde man einhalten. Ich frage mich nur: Welche meint denn der Kollege Gerhardt? Meint er etwa das Projekt dieser merkwürdigen Kinderstaatszugehörigkeit, an die sich alle nur noch, wenn überhaupt, mit Kopfschütteln oder Grausen erinnern? Das kann doch wohl nicht Ihr Ernst sein.
Für diese Legislaturperiode war dem Wähler eine umfassende Reform des Staatsbürgerschaftsrechts versprochen worden. An der sind Sie kläglich gescheitert. Insofern ist eigentlich auch die vielbeschworene Vereinbarung als Grundlage für Koalitionstreue dahin.
Aber wir sollten nicht nur in Richtung F.D.P. eine Verlustanzeige in Sachen Glaubwürdigkeit aufgeben. Ein ebenso wichtiger Adressat wären diejenigen Reformfreunde in der Union, die sich einmal kühn die „jungen Wilden" nannten, aber schon längst keine medienwirksamen Tänze in dieser Sache mehr aufführen, sondern brav und stumm sozusagen auf dem Aschehäufchen ihres vermeintlichen Feuereifers von einst herumhocken: nicht mehr wild, auch nicht mehr mild, sondern nur noch einfach still geworden.
Meine Damen und Herren, sollten Sie alle gegen Ihre eigenen Überzeugungen stimmen, Sie, die Sie für eine Reform sind, und unsere Anträge einschließlich des Gesetzentwurfes des Bundesrates ablehnen, dann verspreche ich Ihnen im Namen der SPD-Bundestagsfraktion in die Hand: Das Thema werden Sie nicht los.
Denn nach dem 27. September werden wir unverzüglich wieder ans Werk gehen.
Dann brauchen wir auch keine Kompromisse und keine Abweichler mehr, dann werden wir mit neuen Mehrheiten eine zeitgemäße Reform des Staatsangehörigkeitsrechts schaffen, die diesen Namen verdient. Das werden wir sehr schnell tun. Sie werden sehen, was dabei herauskommt: eine gute Sache.
Jetzt bitte ich um Geduld; die Angelegenheit ist für heute leider ausgestanden, so leid es mir tut. Es ist gescheitert an Ihrem Starrsinn.
Danke schön.
Das Wort zu einer Kurzintervention hat der Kollege Penner.
Die Kollegin Frau Schmalz-Jacobsen ist Ausländerbeauftragte der Bundesregierung und zugleich Mitglied des Innenausschusses. Bei den Beratungen des Innenausschusses hat sie bei Gelegenheit immer wieder ohne Widerspruch der anwesenden Vertreter der Bundesregierung, besonders des Bundesinnenministers, betont, daß die Zahl derer, die bei uns die doppelte Staatsbürgerschaft besitzen, 1,8 Millionen beträgt. Ich habe keinen Zweifel daran, daß die diesbezüglichen Ausführungen der Kollegin Frau Schmalz-Jacobsen auf sorgfältiger Prüfung beruhen. Ich bitte allerdings, den Widerspruch innerhalb der Bundesregierung aufzuklären, soweit er besteht.
Herr Marschewski, wollen Sie dazu Stellung nehmen? - Nein.
- Die Kollegin Cornelia Schmalz-Jacobsen wird gleich ihren Redebeitrag leisten.
Jetzt ist zunächst der Kollege Özdemir an der Reihe.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir werden heute voraussichtlich wieder Zeuge eines Schauspieles werden, wie es dieses Haus bereits mehrfach erlebt hat. Wir werden die gleichen Argumente austauschen mit den immer gleichen Resultaten: Die Koalition wird der Notwendigkeit einer Reform des Staatsangehörigkeitsrechtes zwar prinzipiell zustimmen, aber nachher nicht so abstimmen, wie sie es in ihren Reden ankündigt.
Wir werden wahrscheinlich auch wieder von Herrn Kanther anschließend das Argument hören: Die Einbürgerung steht am Ende des Integrationsprozesses; vorher kann es sie nicht geben. Nicht nur ich, sondern auch Millionen von Nichtdeutschen dieser Republik werden sich fragen: Wie sieht eigentlich jemand am Ende des Integrationsprozesses aus? Was ist mit ihm geschehen? Wie ist er germanisiert worden? Was ist mit diesem Menschen erfolgt? Ich
Cem Özdemir
glaube nicht, daß man dadurch das Problem lösen wird.
Vielleicht noch einen Satz dazu: Herr Kanther spricht richtigerweise immer davon, daß die Staatsbürgerschaft auch mit Pflichten verbunden ist. Dem stimme ich völlig zu. Nur, man sollte nicht vergessen: Die Pflichten stehen bereits am Beginn des Integrationsprozesses; die Rechte sollen Ihrer Ansicht nach am Ende stehen. Wo da die tiefere Logik ist, das verstehe ich ehrlich gesagt nicht. Ich finde, beides gehört zusammen. Wer in dieser Republik lebt und Steuern bezahlt, der muß Rechte wie Pflichten gleichermaßen haben, wie dies auch bei einem deutschen Staatsbürger der Fall ist.
- Es gibt, glaube ich, eine Zwischenfrage. Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Herr Feilcke.
Herr Kollege Özdemir, Sie sagten gerade: Wer hier lebt und arbeitet, der muß auch Rechte haben. Nun hat der Kollege Marschewski ausgeführt, daß derjenige, der hier lebt und arbeitet, alle Rechte bis auf das Wahlrecht hat.
Ich bin Abgeordneter des Bundestagswahlkreises Berlin-Kreuzberg und -Schöneberg mit 82 000 Ausländern und zusätzlich mehr als 10 000 Eingebürgerten. So werden Sie vielleicht verstehen, daß ich mit diesem Thema täglich zu tun habe.
Nun frage ich Sie folgendes: Nimmt jemand mit der Annahme einer Staatsbürgerschaft nicht das neue Land mit seiner Gegenwart, mit seiner Zukunft und auch mit seiner Vergangenheit an? Wenn Sie das bejahen: Halten Sie es für möglich, daß man sich mit mehreren Staaten so total identifizieren kann?
Herr Kollege, ich danke Ihnen für diese Frage.
Zum ersten Teil dessen, was Sie gesagt haben. Sie haben davon gesprochen, wie viele Einbürgerungen es in Ihrem Wahlkreis gibt. Ich finde das begrüßenswert. Auf diesem Weg sollten wir gemeinsam vorangehen. Ich will hier, um klarzumachen, daß es nicht um Parteienstreit geht, auch sagen: Beispielsweise Frau John, die Ausländerbeauftragte von Berlin mit CDU-Parteibuch, engagiert sich sehr stark, was die Einbürgerung angeht. Ich finde, das ist eine sehr gute und begrüßenswerte Sache.
Aber eines muß man dazu sagen, Herr Kollege: Diese Bundesregierung hat für die Öffentlichkeitsarbeit der Ausländerbeauftragten der Bundesregierung nur einen geringen Betrag vorgesehen. Ich kenne die exakte Summe gegenwärtig nicht; ich
weiß nur, daß es irgendwann einmal 100 000 DM waren. Viel mehr wird es gegenwärtig nicht sein.
- Sie stimmen mir zu. - Wenn man 100 000 DM für die Öffentlichkeitsarbeit der Ausländerbeauftragten einstellt, dann kann diese Ausländerbeauftragte vielleicht eine Broschüre zum Thema Einbürgerung drucken. Verschicken kann sie sie damit aber nicht mehr; dann muß sie sie schon selber austeilen. Die Regierung dokumentiert damit, daß sie kein Interesse daran hat, daß die Einbürgerungen zunehmen. Ich wünsche mir eine Regierung, die sagt: Mehr Einbürgerungen sind ein Ziel unserer Politik. Wir werben für Einbürgerung. Wir kommen euch entgegen. - Das wäre ehrliche Politik.
Ich wünsche mir einen Kanzler, der in einer Neujahrsansprache sagt: Wir haben soundso viel Menschen nichtdeutscher Herkunft bei uns in der Gesellschaft. Wir freuen uns darüber, daß das so ist. Wir wollen nicht sagen, daß das keine Probleme macht. Wir wollen hier nichts beschönigen. Aber es ist eine Realität, und ich wünsche mir, daß sie sich einbürgern lassen. Wir kommen ihnen entgegen. Deshalb machen wir ein neues Staatsangehörigkeitsrecht, das sich in der Mitte trifft. - Das wäre ein modernes Signal; leider werden wir darauf wahrscheinlich noch lange warten müssen.
Zum zweiten Teil der Frage; Herr Kollege, ich habe Sie lange genug stehen lassen. Sie haben gefragt, wie es sich mit Loyalität verhält. Ich will Ihnen das ganz offen sagen. Ich habe die ersten 18 Jahre meines Lebens als türkischer Staatsbürger in dieser Gesellschaft gelebt. Ich bin nicht der Meinung, daß ich in den ersten 18 Jahren meines Lebens weniger loyal war, als ich es seither bin. Ich bin in dieser Gesellschaft geboren. Ich glaube, ich hätte mich nicht schlechter entwickelt, wenn ich mit der Geburt den deutschen Paß bekommen hätte. Ich glaube, ich wäre im Gegenteil auch dann ein loyaler Bürger geworden.
Ich will Ihnen folgendes erzählen. Ich war mit meiner Fraktion vor einigen Jahren in Israel. Wir haben dort ein Gespräch mit dem israelischen Schriftstellerverband geführt. Als wir uns dort mit meinen Kollegen geäußert haben, hat ein Kollege vom israelischen Schriftstellerverband den Raum verlassen und gesagt: Ich kann mich nicht mit Deutschen über Politik, über Gegenwart unterhalten, so als ob in der Geschichte nichts geschehen wäre. In dem Moment war ich versucht zu fragen: Was habe ich denn damit zu tun? Meine Eltern kommen nicht aus Deutschland. Ich kann nichts für Auschwitz, meine Eltern auch nicht. Trotzdem bin ich der Meinung: Ich darf das
Cem Özdemir
nicht sagen. Denn ich bin Bürger dieser Gesellschaft, und wenn ich Bürger dieser Gesellschaft bin, dann muß ich mich zu allen Teilen ihrer Geschichte bekennen, und ich mache das.
Das gilt aber nicht nur für mich, das gilt auch für andere, die in dieser Gesellschaft leben. Ich will hier nichts beschönigen; aber ich glaube, das gilt für die Mehrheit der Nichtdeutschen in dieser Gesellschaft.
Danke sehr.
Herr Özdemir, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Hirsch?
Gerne.
Herr Kollege Özdemir, wenn man den Argumenten der Kollegen Marschewski und Feilcke folgen würde, glauben Sie, daß es dann jemals eine gemeinsame europäische Staatsangehörigkeit geben könnte?
Ist es nicht so, daß die Integration nicht nur von dem Ausländer, der sich einbürgern lassen will, verlangt werden muß, sondern daß es auf beiden Seiten Integrationsanstrengungen geben muß, indem beide Seiten aufeinander zugehen?
Cern Özdemir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich glaube, Herr Kollege Hirsch, daß Sie recht haben. Denn eines ist doch klar: Wir brauchen natürlich, langfristig oder mittelfristig gesehen, eine europäische Regelung für die Staatsbürgerschaft. Wir müssen beispielsweise das Problem der Drittstaatenausländer, über das wir uns noch kaum unterhalten haben, dringend mit anpacken. Es kann doch nicht sinnvoll sein, daß die drei Viertel der Nichtdeutschen, die bei uns leben und die aus Nicht-EU-Ländern kommen, nicht einmal die Rechte eines Unionsbürgers besitzen. Die Schere geht immer weiter auseinander. Ich behaupte, das ist ein Problem für unsere Gesellschaft. Das ist nicht ein Problem für die Nichtdeutschen; das ist ein Problem für die Mehrheitsgesellschaft.
Wenn wir nicht begreifen, daß ein Problem für die Mehrheitsgesellschaft existiert, dann werden wir uns noch lange darüber unterhalten und nicht weiterkommen. Deshalb stimme ich Ihnen zu: Ich glaube,
daß wir mit dieser Politik kein Staatsangehörigkeitsrecht auf europäischer Ebene hinbekommen.
Danke sehr, Herr Kollege.
Ich will noch einen Satz zu dem anbringen, was Kollege Feilcke gesagt hat, nämlich dazu, welche Vorteile es hat, was es bringt. Ich weiß nicht, ob es Ihnen bekannt ist. Es geht ja nicht nur um das Wahlrecht, das immer im Mittelpunkt der öffentlichen Diskussion steht. Es geht auch um ganz andere Dinge. Es geht darum, daß man als Nichtdeutscher nicht niedergelassener Arzt werden kann; es geht darum, daß man nicht Beamter werden kann; es geht darum, daß man als Nichtdeutscher, auch wenn man hier geboren ist und besser Deutsch als Türkisch spricht, dann, wenn man straffällig wird, unter Umständen abgeschoben werden kann. Man wird hier straffällig und soll anschließend in der Türkei oder wo auch immer resozialisiert werden.
Wo, bitte schön, liegt da die Logik? Ich weiß auch nicht, ob Ihnen bekannt ist, daß man bei uns als Nichtdeutscher nach der - halten Sie sich fest - Verordnung über das Schornsteinfegerwesen nicht Schornsteinfeger werden darf.
- Ich kann es Ihnen gerne zeigen, Herr Kollege Marschewski.
Ich kann mir nicht vorstellen, welche tiefen Geheimnisse deutsche Schornsteine bergen, so daß sie davor geschützt werden müssen, daß Nichtdeutsche darin Einblick nehmen könnten.
Ich als jemand, der sich zu dieser Gesellschaft bekennt, sage Ihnen: Damit kann man sich wirklich nirgendwo sehen lassen. Wir sollten das so schnell wie möglich - und zwar zusammen mit dem Reichs- und Staatsangehörigkeitsrecht, das jetzt 85 Jahre auf dem Buckel hat - auf dem Schrottplatz der Geschichte umweltschonend entsorgen - Abteilung Völkisches.
Heute werden wir wahrscheinlich auch wieder das Schauspiel erleben - ich habe vorhin die Kollegen von der Union angesprochen -, daß die Kollegen von der F.D.P., voran Herr Westerwelle, als Conclusio ihrer Ausführungen den Satz bringen werden, daß man es dieses Mal nicht geschafft hat, es letztes Mal auch schon nicht geschafft hat, aber es beim nächsten Mal garantiert schaffen wird. Ich sage Ihnen nur: So kommen wir nicht weiter, Herr Kollege Westerwelle. Ich glaube nicht, daß man mit einem Vertagen der Problemlösung diese Probleme in den Griff bekommen wird - einmal ganz davon abgesehen,
Cem Özdemir
wie realistisch die Perspektive ist, daß Sie in der nächsten Legislaturperiode - bei gleicher Konstellation - an einem Koalitionstisch sitzen werden. Aber darüber hat der Wähler zu entscheiden und nicht ich.
- Das glaube ich.
Ich will Ihnen zur Exegese des Reichs- und Staatsangehörigkeitsrechts - man sollte sich vielleicht gerade in diesem Jahr daran erinnern - aus den Beratungen des Reichstages aus dem Jahre 1912 zitieren. Der Abgeordnete Herzog von der Wirtschaftlichen Vereinigung - er ist nicht mit unserem Bundespräsidenten zu verwechseln - hat gesagt, daß zu hoffen sei, daß dieses Gesetz,
auf der einen Seite verhindern wird, daß weiterhin wertvolle deutsche Volkselemente dem Reiche und seiner Stellung in der Welt verloren gehen, daß das Gesetz auf der anderen Seite aber ebenso sicher verhüten möge, daß die deutsche Reichs- und Staatsangehörigkeit gewissermaßen ein Asyl wird für alle möglichen unerwünschten Elemente, die unser Volkstum gefährden und die keineswegs geeignet sind, den deutschen Namen und deutsches Wesen in der Welt zu Ehren zu bringen.
Ich sage Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen: Mit einer solchen Auffassung sollten wir Europa nicht aufbauen. Mit diesem Gesetz sollten wir so schnell wie möglich Schluß machen. Lassen Sie uns über unseren Schatten springen und endlich ein modernes europäisches, republikanisches Staatsangehörigkeitsrecht schaffen, so daß wir solche Dinge zukünftig in Museen finden können, aber nicht in einem modernen Deutschland.
Ich will gar nicht in die gewohnte Routine zurückfallen, wonach die Opposition die Regierung kritisiert und die Regierung sagt: Alles, was die Opposition macht, ist falsch. Ich habe großen Respekt - ich sage das mit vollem Ernst - vor denen in diesem Hause, die sich in den letzten drei Jahren in glaubwürdiger Weise um eine Reform bemüht haben. Ich weiß, daß das in den jeweiligen Fraktionen nicht immer einfach war. Ich will das bei der Gelegenheit auch anerkennen, auch wenn ich einräumen muß - das hat die Kollegin Cornelie Sonntag-Wolgast bereits angesprochen -, daß diejenigen Kolleginnen und Kollegen vielleicht durchaus die Möglichkeit gehabt hätten, sich stärker durchzusetzen, sich in dieser Frage stärker von ihrer Fraktion zu lösen.
Ich will hier nicht päpstlicher sein als der Papst. Ich will Ihnen nur folgendes mit auf den Weg geben. Ich habe den Eindruck gewonnen, daß die stärkste Fraktion dieses Hauses nicht die CDU/CSU-Fraktion ist, sondern daß die stärkste Fraktion die Blockadefrakfion ist, die Fraktion, die immer noch nicht verstanden hat,
daß diese Gesellschaft mit ihren sieben Millionen Nichtdeutschen es sich nicht länger leisten kann, ein weiteres Jahr verstreichen zu lassen, in dem über 100 000 Kinder auf die Welt kommen, die nur deshalb Ausländer sind, weil ihre Eltern Ausländer sind. Wenn wir heute beobachten können - Sie alle kennen ja die Berichte; ich muß Ihnen das nicht zitieren -, daß sich ein Teil dieser Jugendlichen in Richtung auf einen religiösen Fanatismus oder Nationalismus entwickelt, beklagen wir alle das. Nur, wenn dem so ist, dann dürfen wir doch nicht länger abwarten, dann müssen wir schnell handeln; dann müssen wir diesen Menschen unsere Hand entgegenstrecken und ihnen sagen: Hier ist eure Heimat; hier ist eure Gesellschaft; der Bundestag ist auch euer Parlament; hier wird auch für euch Politik gemacht, nicht in Ankara, nicht in Athen, nicht irgendwo anders.
Wenn wir das wollen, dann müssen wir gemeinsam handeln, und dann darf nicht die eine Hälfte die andere Hälfte blockieren.
Ich möchte Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, zum Schluß noch an folgendes erinnern. Wenn Sie nachher zur Abstimmung gehen, dann lassen Sie vielleicht für einen kurzen Augenblick Revue passieren, mit wem Ihre Kinder zusammen in der Schule sitzen. Dann werden Sie sicherlich - egal, welche Schulart ihre Kinder besuchen - feststellen, daß in den Schulklassen mittlerweile auch Nichtdeutsche sitzen. Wenn Sie einkaufen gehen, werden Sie sicherlich so wie auch ich und viele andere gerne bei türkischen oder anderen Gemüsehändlern einkaufen. Wenn Sie Ihren Anzug zum Ändern bringen müssen, werden beispielsweise meine Mutter und viele andere ihn zu Ihrer vollsten Zufriedenheit ändern.
Das sind alles Menschen, die dieser Gesellschaft gegenüber loyal sind und - wie beispielsweise meine Mutter - Gewerbesteuer zahlen, aber über die Verwendung der Gewerbesteuer nicht mitentscheiden dürfen. Ich sage Ihnen: Das hat mit Demokratie nichts zu tun. Wir sollten uns das nicht länger leisten.
Ich danke Ihnen.
Als nächste Rednerin die Kollegin Cornelia Schmalz-Jacobsen.
Frau Präsidentin! Meine Kolleginnen und Kollegen! Das Gegenstück zum Begriff Ausländer ist nicht Deutscher; das Gegenstück zum Begriff Ausländer ist Inländer. Genau um diese geht es bei den Anträgen, die wir heute vor uns liegen haben.
Es geht um Kinder, deren Eltern hier schon lange und rechtmäßig leben, die hier geboren wurden, die hier geboren werden, die hier aufwachsen und die zu uns gehören. Wir sollten ihnen dieses Zeichen geben: Sie sollten wissen, daß sie zu uns gehören.
Es geht nicht um eine doppelte Staatsbürgerschaft, sondern es geht um eine erleichterte Einbürgerung. Nach unserer Vorstellung erhält man für einen begrenzten Zeitraum zwei Staatsbürgerschaften, ohne die geht es nämlich nicht, und danach sollen sich die jungen Leute entscheiden. Das sieht der vorliegende Gesetzentwurf allerdings nicht vor.
Ich möchte eine Bemerkung zu den ärgerlichen Zahlen um die doppelte Staatsbürgerschaft machen. Innerhalb der Bundesregierung ist mir niemals widersprochen worden bei meinen Schätzungen. Der Mikrozensus, Herr Kollege Marschewski, deckt einen bestimmten Teil ab. Das ist richtig. Aber er deckt eben längst nicht alles ab.
- Herr Marschewski, ich habe viele Mitglieder in meiner Familie, die zwei Staatsbürgerschaften haben; sie haben sozusagen eine halbe deutsche Staatsbürgerschaft.
Sie werden in der Statistik nicht aufgeführt, weil sie nur als Deutsche gezählt werden.
- Glauben Sie es mir jetzt einfach einmal. - Es gibt andere Möglichkeiten, um zwei Staatsbürgerschaften zu erlangen, die nicht vom Mikrozensus erfaßt werden. Ich glaube aber, dieser Streit führt uns nicht weiter. Ich stelle hier nur fest: Mir ist nie widersprochen worden.
Meine Damen und Herren, in den letzten Wochen mußte man leider den Eindruck gewinnen, daß die Kinder, um die es hier geht, aus dem Blickfeld geraten sind. Es ist in der Berichterstattung und auch in der öffentlichen Diskussion immer weniger um die Kinder und um die rechnerische Mehrheit in diesem Haus gegangen, die für eine sinnvolle Einbürgerungsregelung ist. Die Berichterstattung und die Diskussion haben sich in den letzten Wochen nur noch um die Frage gedreht, ob die Koalition eine rechnerische Mehrheit hat oder nicht. Wir haben uns jahrelang bemüht, eine Novellierung auf den Weg zu bringen, die unser geltendes Recht deutlich verbessert und einer modernen weltoffenen Demokratie gerecht wird. Wir haben - das ist bekannt - dafür Bereitschaft weder beim Partner noch beim Innenminister gefunden. Wir haben keine Mehrheit in der Koalition gefunden, obwohl wir Stunden um Stunden darüber gesessen haben. Ich will hier gar nichts verkleistern, denn die Bürger sollen wissen, woran sie sind.
Monatelang haben dann einige Fraktionsmitglieder mit mir gemeinsam versucht, in diesem Hause eine fraktionsübergreifende Initiative zustande zu bringen. Nachdem aber nun die Kollegen Geißler, Altmaier und andere nicht bereit waren, ihre Unterschrift unter einen entsprechenden Gesetzentwurf zu setzen - dafür hatten sie sicherlich auch gute Gründe -, war die Lage klar. Wer hier koalitionserfahren ist - das sind fast alle -, der weiß, daß das dann so ist, wie es ist. Das war so bei Willy Brandt, das war so bei Helmut Schmidt, und das ist nicht anders bei Helmut Kohl. Als Sie, meine Kolleginnen und Kollegen, in der sozialliberalen Koalition Verantwortung hatten, hat Herbert Wehner Briefe geschrieben, die einen Komment einforderten, der alles andere in den Schatten stellte.
Zu meinem eigenen Stimmverhalten möchte ich hier folgendes deutlich machen: Ich werde nicht mit der Koalition stimmen. Ich habe versprochen, daß ich nicht gegen meine Überzeugung stimmen werde. Das werde ich auch nicht tun. Ich stimme nicht gegen Vorschläge, die den meinen näherkommen als das geltende Recht. Allerdings entsprechen sie in einem ganz wesentlichen Punkt nicht dem, was meine Fraktion und auch viele Kolleginnen und Kollegen aus der CDU/CSU-Fraktion wollen, nämlich eine Optionspflicht für eine Staatsbürgerschaft nach Erreichen der Volljährigkeit. Deswegen werde ich mit Enthaltung stimmen. Ich weiß, daß es meinen Kolleginnen und Kollegen in der Fraktion schwerfällt, hier anders zu stimmen und die Mehrheit der Koalition sicherzustellen. Aber das kommt vor. Meine Damen und Herren, ihnen zu unterstellen, daß sie nicht nach ihrem Gewissen entscheiden, das halte ich nun schlichtweg für pharisäerhaft. Denn auch sie haben natürlich abgewogen, und sie treffen ihre Entscheidung.
Zum Schluß lassen Sie mich sagen: Ich bin sicher, daß spätestens in einem Jahr in diesem Haus ein neues Staatsbürgerschaftsrecht verabschiedet wird,
das dem entspricht, was wir uns vorstellen. Es wird mit allen Stimmen der Freien Demokraten beschlossen werden. Das ist übrigens ein gutes Geschenk für den Umzug nach Berlin. Leider werde ich dann nicht mehr mitstimmen.
Das Wort zu einer Kurzintervention hat der Kollege Conradi.
Frau Abgeordnete, es ist unstrittig, daß in einem parlamentarischen System Fraktionen notwendig sind, die Meinungen bündeln und Mehrheiten schaffen, und daß die Regierungsfähigkeit einer Koalition auch davon abhängt, daß man sich aufeinander verlassen kann. Darüber besteht hier kein Streit. Es ist auch unstrittig, daß die große Mehrzahl der Gesetze, die wir hier in strittigen Abstimmungen verabschieden, nicht Überzeugungsfragen sind und nicht an das Gewissen rühren, sondern Fragen der Zweckmäßigkeit, angesichts derer man einem Gesetz auch einmal zustimmt, obwohl man eigentlich gerne etwas anderes hätte, man aber seine Fraktion bzw. Koalition beieinanderhalten will. Das haben Sie hier richtig dargestellt.
Es gibt aber Fragen, bei denen es an die Überzeugung eines Abgeordneten geht, angesichts derer man sich fragen muß: Kann ich das verantworten? Kann ich dazu stehen? Ist mir das so wichtig, daß ich mich hier in den normalen Fraktionsdruck einbinden lasse? Das machen die Fraktionsvorsitzenden und die Parlamentarischen Geschäftsführer mit der Drohung: Wenn du anders abstimmst, ist die Koalition am Ende.
Ich habe hier mehr als einmal anders abgestimmt als meine Fraktion. Meine Fraktion meint: zu häufig. Sie hat mich das auch spüren lassen. Es ist aber auch eine Frage der Selbstachtung, wie man vor sich selbst dasteht, wenn man sich nach einer solchen Abstimmung sagen muß: Ich habe das, was mir wichtig war, was meine Grundüberzeugung war, verraten, um eine Koalition zu erhalten, die in Wirklichkeit nach dieser Abstimmung, wie immer sie ausgeht, weiterbestehen würde.
Das war auch bei Herbert Wehner so. Wir wußten doch: Die Koalition wird auch nach einer strittigen Abstimmung weiterbestehen, selbst wenn sie in einer bestimmten Frage keine Mehrheit mehr hatte.
Meine Frage an Sie und Ihre Kollegen - auch an die Abgeordneten der Union, die bei dieser Entscheidung mit sich ringen - ist: Fürchten Sie nicht , daß das Ansehen des Hauses, der Abgeordneten, das in den letzten Jahren Schaden genommen hat, weiter beschädigt wird, wenn der Eindruck entsteht, wir stimmten in solchen Fragen nicht nach unserer Überzeugung ab, sondern nach einer Koalitionsräson, das heißt nach Gründen, die nicht mit unserer tiefen Überzeugung zusammenhängen?
Möchten Sie antworten? - Nein.
Wir fahren in der Debatte fort. Als nächste hat das Wort Ulla Jelpke.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist in der Tat sage und schreibe das achte Mal, daß wir in dieser Legislaturperiode darüber diskutieren, das Staatsangehörigkeitsrecht zu modernisieren. Es wird auch das achte Mal sein, daß wir wieder nicht zu einer Änderung, zu einem Fortschritt für die Betroffenen kommen.
Das gleiche hatten wir bereits in der letzten Legislaturperiode. Ich erzähle hier nichts Neues, wenn ich sage: Die Opposition arbeitet Anträge zur Modernisierung des Staatsbürgerschaftsrechtes aus, die F.D.P. erklärt, sie sei dafür, und stimmt dagegen. Bereits 1994 hat die Presse - ich zitiere zum Beispiel aus der „taz" - geschrieben:
Die FDP folgte der Koalitionsräson und stimmte gestern gegen die Gesetzentwürfe, die sie inhaltlich trägt und begrüßt hat.
Es war nur ein gutes halbes Jahr später, daß die F.D.P. und die CDU/CSU im Koalitionsvertrag ankündigten, daß sie die sogenannte Kinderstaatsangehörigkeit durchsetzen wollten. Wir alle wissen, daß das eine rechtliche Seifenblase war, eine sogenannte Schnupperstaatsangehörigkeit. Herr Westerwelle hat jenen Koalitionsvertrag in diesen Tagen als einen schlechten Koalitionsvertrag bezeichnet. Ich bin gespannt - er wird heute hier noch einiges dazu sagen -, wie er erklärt, daß er heute wieder gegen den Gesetzentwurf stimmen wird, obwohl er eigentlich dafür ist.
Ich frage mich - ich glaube, nicht nur ich, sondern auch die Wähler und Wählerinnen, die betroffenen Bürger und Bürgerinnen fragen sich -: Für wie naiv wollen Sie sie eigentlich erklären? Wie lange soll dieses Spiel noch weitergehen? Wir haben hier gerade von Frau Schmalz-Jacobsen gehört, ganz bestimmt in der nächsten Legislaturperiode werde die Reform des Staatsangehörigkeitsrechts durchgesetzt werden. Ich weiß nicht, ob die Menschen das noch glauben dürfen. Wir werden dann wahrscheinlich neue Bedingungen hier im Bundestag haben. Aber ich denke, es ist eine Farce.
Ich möchte, ähnlich wie das der Kollege Conradi und andere hier bereits deutlich gemacht haben, sagen: Sie hatten alle Möglichkeiten, dieses Staatsangehörigkeitsrecht mit zu verändern. Ich meine, daß auch der Hinweis auf den sogenannten großen Lauschangriff, den Sie in diesen Tagen gebracht haben, weil Sie dabei die Fraktionsräson einmal nicht eingehalten haben,
sehr schlecht ist. Wir alle wissen, daß Sie von der F.D.P. zugestimmt haben, daß das Grundgesetz verändert wird. Lediglich beim Vermittlungsergebnis, bei dem es nur um kosmetische Veränderungen ging, haben Sie tatsächlich einmal die Koalition verlassen und anders gestimmt. Ich meine, daß gerade
Ulla Jelpke
in der Frage der Staatsangehörigkeit, bei der es um Millionen von Menschen geht, denen gleiche Rechte und Erleichterungen in unserer Gesellschaft hinsichtlich ihres Lebens und ihrer Arbeit verschafft werden sollen, für die Betroffenen etwas herausgekommen wäre.
Die PDS hat sehr viel weitergehende Forderungen als die, die heute zur Abstimmung stehen. Die PDS will, daß die Einbürgerung nicht erst in der dritten Generation stattfindet, sondern: Wer hier geboren ist, soll Deutsche bzw. Deutscher sein. Das muß ganz klar sein. Wir haben oft deutlich gemacht, daß Menschen ausländischer Herkunft dieselben Rechte haben wie Deutsche müssen, wenn sie ihren Lebensmittelpunkt hier sehen. Ich möchte mich nicht auf das Zahlenspiel von Herrn Marschewski einlassen. Ich stimme Frau Schmalz-Jacobsen voll zu: Etwa 2 Millionen Menschen haben die doppelte Staatsangehörigkeit, und ich weiß überhaupt nicht, warum Sie hier einen solchen Aufstand machen. Herr Marschewski hat sehr deutlich gezeigt: Ihm geht es hier reinweg um Ideologie und nicht um die Sache selber.
Wir werden - trotz Unzufriedenheit mit dem Antrag diesem heute zustimmen, auch deshalb, weil sich einige F.D.P. ler vielleicht noch überlegen, den Weg mitzugehen. Ich bin in der Tat der Meinung, daß ein Zeichen gesetzt werden muß.
Ich habe schon gestern abend in der Debatte über das Europäische Jahr gegen Rassismus 1997 gesagt: Die ausländischen Mitbürger wollen Signale, daß sie zu uns und in diese Gesellschaft gehören und daß sie dieselben Rechte haben. Das sollten wir in diesem Haus endlich umsetzen.
Danke.
Ich rufe jetzt den Kollegen Norbert Röttgen auf.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das wichtigste Ziel der notwendigen Reform des geltenden Staatsangehörigkeitsrechts besteht in der Integration der rechtmäßig und dauerhaft in Deutschland lebenden Ausländer. Es ist schon gesagt worden, und es stimmt: Es geht nicht um die Ausländer, sondern es geht um eine ganz bestimmte Gruppe unter den Ausländern, nämlich um diejenigen, die hier leben, deren Vorfahren zum Teil schon hier geboren sind und deren Zukunft in unserem Land liegt.
Weil diese Menschen Teil unserer Gesellschaft sind, ist Integration ohne vernünftige Alternative.
Dies gilt allemal für die Kinder dieser Eltern, die in die deutsche Gesellschaft hineinwachsen und deren Integrationsprozeß wir begleiten und unterstützen müssen.
Darum haben schon im Herbst 1995 rund 30 Abgeordnete der Unionsfraktion den Vorschlag der Einführung einer Kinderstaatsangehörigkeit gemacht. Wir haben vorgeschlagen, daß die Kinder der dauerhaft und rechtmäßig in unserem Land lebenden Eltern mit der Geburt die deutsche Staatsangehörigkeit erhalten, daß sie sich aber dann, wenn sie Erwachsene sind, zwischen der deutschen Staatsangehörigkeit und der Staatsangehörigkeit ihrer Eltern entscheiden müssen. Wir sind der Auffassung, daß dieser Vorschlag eine größere psychologische Wirkung gehabt hätte als eine rechtliche Veränderung. Das ist der entscheidende Punkt.
Die Umsetzung dieses Vorschlags wäre die Mitteilung an die Kinder: Ihr seid willkommen und ein Teil unserer Gesellschaft. Wir wollen, daß ihr dazugehört. Aber wir erwarten von euch, daß ihr euch dann, wenn ihr erwachsen seid, entscheidet, ob ihr die deutsche Staatsangehörigkeit oder die eurer Eltern annehmt.
Wir haben in der Union über dieses Thema einen intensiven Diskussionsprozeß initiiert und organisiert. Wir haben in der Union eine offene Arbeitsgruppe dazu gehabt; wir haben das Thema breit in der Fraktion diskutiert. Ich finde, es zeichnet die Union aus
- ich führe das gerade zu Ende, und dann beantworte ich Ihre Frage -, daß wir darüber offen diskutiert haben; denn die Probleme, die auch wir mit diesem Thema haben, sind doch die Probleme der Gesellschaft. Wir müssen das Forum sein, wo diese Debatten stattfinden können.
Ich finde es ein bißchen merkwürdig, daß bei der SPD diese Diskussion offensichtlich nicht stattfindet. Anscheinend herrscht bei Ihnen Friedhofsruhe - die Probleme der Gesellschaft werden bei Ihnen nicht diskutiert -, und es ist eine falsche Behauptung, daß die SPD für diese Themen offen sei.
Sie trauen sich doch in Wahrheit gar nicht, diese Diskussion durchzuführen. Das ist auch ein Punkt, der eine offene parlamentarische Debatte beeinträchtigt.
- In Ihrer Partei.
Frau Kollegin Sonntag-Wolgast.
Herr Kollege Röttgen, ich kann Sie in dieser Hinsicht beruhigen: Wir haben sehr intensiv und immer wieder über alle Modalitäten von Anträgen diskutiert, auch um dieses Plenum zur Behandlung dieses Themas zu zwingen.
Ich habe eben sehr aufmerksam beobachtet, wer bei Ihren Ausführungen zur Option einer doppelten Staatsangehörigkeit bis zum 18. oder 23. Lebensjahr applaudiert hat. Es fiel mir auf, daß breite Teile Ihrer Fraktion applaudiert haben. Wenn Sie sagen, daß Sie sich immer sehr bemüht haben, aber nicht zum Zuge gekommen seien, dann muß ich Sie fragen: Warum haben Sie es in den letzten Tagen, in denen sich die Auseinandersetzung noch einmal zuspitzte und in denen offensichtlich ein breiter Konsens zu existieren schien, nicht noch einmal mit einem Änderungsantrag versucht?
Ich will gerne darauf eingehen. Es ist eine Minderheit, aber eine beachtliche Minderheit, die den Vorschlag für richtig hält, daß sich die erwachsenen Jugendlichen entscheiden müssen. Das ist übrigens nicht der Inhalt des Bundesratsgesetzentwurfs.
Sie sehen eine unbefristete, generelle doppelte Staatsangehörigkeit vor, die weitervererbt wird. Das wollen wir nicht.
Darin liegt der inhaltliche Unterschied. Unsere Auffassungen sind nicht identisch.
Nun komme ich zu der Debatte und der Abstimmung heute hier im Parlament. Ich will Ihnen ganz offen sagen, wie ich das sehe, meine Damen und Herren. Sie haben jetzt einen neuen läppischen Antrag eingebracht. Es gibt zu Ihrem läppischen Antrag nur eine politische Bewertung: Ihnen geht es jetzt im beginnenden Wahlkampf nicht um das Sachanliegen der Integration. Das ist doch ein vorgeschobenes Anliegen.
Die Wahrheit ist, daß Sie dieses schwierige, auch konfliktträchtige Thema der Integration der Ausländer instrumentalisieren und für Wahlkampftaktik, Wahlkampfanliegen und machtpolitische Zwecke mißbrauchen. Sie instrumentalisieren dieses Thema, und damit dokumentieren Sie auch, was es Ihnen eigentlich wert ist. Sie wollen Wahlkampf machen,
aber bei Ihrem Wahlkampf machen wir nicht mit.
Gestatten Sie noch eine zweite Zwischenfrage?
Ja, bitte.
Darf ich meine Frage wiederholen? Sie haben sie offenkundig nicht verstanden. Ist Ihnen klar, daß der Antrag, der jetzt eingebracht wurde, die einzige Möglichkeit war, Ihre Blockadepolitik zu durchbrechen? Sie hätten nämlich die Chance gehabt, die Bundesratsinitiative bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag im Plenum zu verschieben.
Die Frage, die ich daran anschließen möchte, lautet: Ist Ihnen nicht klar, daß ich mit dem Änderungsantrag aus Ihren Reihen genau das Optionsmodell meinte, für das Sie soeben so lebhaft eingetreten sind? Es stellt den letzten parlamentarischen Versuch einer übergreifenden Einigung mit dem Ziel dar, so etwas wie eine Optionslösung in einen Antrag hineinzuschreiben. Er hat nichts mit dem Ursprungsantrag zu tun, sondern er wäre die erste originäre parlamentarische Initiative aus Ihren Reihen in dieser Legislaturperiode gewesen. Es ist doch nichts gekommen.
Frau Kollegin Sonntag-Wolgast, ich will es Ihnen noch einmal deutlich sagen: Wir sind nicht so naiv, daß wir Ihnen die hier vorgetragene scheinbare moralische Empörung abnehmen.
Wir haben in der Union einen intensiven Diskussionsprozeß erlebt. Ich sage Ihnen noch eines: Das Thema der Integration können Sie nicht ,, durchsetzen"; Sie brauchen dafür einen gesellschaftlichen Konsens, Sie brauchen dafür die Akzeptanz in der Gesellschaft. Wir machen es nicht so wie Sie: Sie stimmen in der einen Sitzungswoche dem Kompromiß zum großen Lauschangriff zu, und wenn es in der nächsten Sitzungswoche eine andere taktische Situation gibt, ist Ihre inhaltliche Position eine andere. Wir machen die inhaltliche Beliebigkeit der Sozialdemokraten nicht mit,
sondern arbeiten an einem Thema.
Ich finde es deshalb gut, daß diese Diskussionen bei uns stattfinden, weil - um es noch einmal zu sagen - das Thema der Integration ein schwieriges ist. Es ist ein Thema, ein Anliegen, das man weder verordnen noch durchsetzen kann. Wir müssen statt dessen werben. Wir müssen für die Notwendigkeit der Integration mit dem Argument, daß es zu ihr keine Alternative gibt, argumentieren.
Norbert Röttgen
Meine Damen und Herren von der SPD, ich will es noch einmal betonen: Bei dieser Abstimmung und Debatte, die Sie heute bewußt in die Wahlkampfzeit gelegt haben, geht es Ihnen nicht um das Sachanliegen. Nein, es ist die reine Heuchelei, und gerade bei diesem Thema sollten Sie nicht heucheln.
Aber wie Sie Ihren Wahlkampf organisieren, müssen Sie rechtfertigen. Sie müssen wissen, ob dieses wichtige, konfliktträchtige Thema zum Wahlkampf taugt. Ich will Ihnen nur eines sagen: Wer das Thema der Integration, wer das Thema der Ausländerpolitik zum polarisierenden und emotionalisierenden Wahlkampfthema macht, der muß wissen, daß es unter den demokratischen Parteien keine Gewinner geben wird. Die Extremen werden durch die Polarisierung gewinnen.
Diejenigen, die das tun, müssen wissen, daß sie in Wahrheit dem Sachanliegen der Integration einen Bärendienst erweisen. Dafür wollen wir nicht die Verantwortung übernehmen. Wir bleiben der Sache treu, wir treten weiter für sie ein, allerdings nicht so wie Sie. Wir machen mit ihr keinen Wahlkampf, bei dem alle Demokraten verlieren werden.
Herzlichen Dank.
Das Wort zu einer Kurzintervention hat der Kollege Schily.
Herr Kollege Röttgen, Sie haben hier die Behauptung aufgestellt, wir debattierten in Wahlkampfzeiten sehr absichtsvoll über diese schwierige Frage, von der viele junge Menschen betroffen sind und um deren Schicksal es in dieser Debatte geht.
Das war Ihre Behauptung. Nur, Herr Kollege Röttgen, wissen Sie eigentlich, daß Sie es sind, daß die Koalition es ist, die die abschließende Beratung dieser Gesetzesvorhaben im Innenausschuß über Jahre verschleppt hat?
Wir hätten schon längst über diese Fragen entscheiden können.
Nun frage ich Sie: Wer verweigert sich denn? Wir haben einen Antrag nach dem anderen vorgelegt. Den formalen Antrag, den Sie heute kritisiert haben, mußten wir doch nur einbringen, um Sie zu zwingen, daß wir heute in der Sache debattieren können. Das wissen Sie doch ebenso gut wie ich.
Präsentieren Sie dem Deutschen Bundestag doch nicht solche Unwahrheiten!
Wenn Sie anderer Meinung sind - was Ihr gutes Recht ist! -,
dann muß ich Sie fragen: Wo, bitte schön, ist Ihr Antrag?
Immer nur Versprechungen! Der Bundeskanzler persönlich hat seit Jahren aus Anlaß schmerzlicher, trauriger und schrecklicher Ereignisse eine Reform des Staatsangehörigkeitsrechtes versprochen. Wo ist die Einlösung dieses Versprechens, Herr Kollege Röttgen?
Man kann sich durch viele Interviews das Etikett „die jungen Wilden" aneignen wollen,
aber ich spüre von dieser „Wildheit" nichts, Herr Kollege Röttgen.
Wenn man diesen Anspruch erheben will, dann muß man auch heute zu seinen Überzeugungen mit einem Antrag stehen und darf nicht nur irgendwelche Wortgirlanden präsentieren.
Nun noch ein Wort zur Frage der akustischen Überwachung.
- Ich sage Ihnen dazu nur einen Satz. - Wir haben mühsam einen Kompromiß erreicht. Sie wissen aber, daß sich in den Verhandlungen unterschiedliche Auffassungen gegenüberstanden.
Bekanntlich gibt es in Bundestag und Bundesrat nun einmal unterschiedliche Mehrheitsverhältnisse. Daran haben Sie sich bis heute leider nicht gewöhnen können. Deshalb gibt es einen Vermittlungsausschuß. Es ist das gute Recht des Bundestages - er hat davon Gebrauch gemacht; ich danke den Kollegen von der F.D.P., daß es zustande gekommen ist -, die
Otto Schily
Annahme des Vermittlungsausschußergebnisses zu ermöglichen. Also: Sie müssen einmal die Verfassung studieren. Es gibt solche Möglichkeiten, und es ist politisch völlig legitim, sie zu nutzen.
Vielen Dank.
Herr Kollege Röttgen.
Herr Kollege Schily, bevor ich zur Sache komme, möchte ich einen Satz auf Ihre Person verwenden.
Die Geschwindigkeit, mit der Sie innerhalb weniger Wochen Ihre inhaltliche Position und Ihr Abstimmungsverhalten zum Thema des sogenannten großen Lauschangriffs gewechselt haben, war beachtlich. Das werde ich nicht in einer ganzen Legislaturperiode zustande bringen, Herr Kollege Schily.
Sie sind geradezu der personifizierte Ausdruck der neuen Beliebigkeit der SPD. Sie sind der Ausdruck einer opportunistischen Haltung.
Ihre Person macht es besser deutlich als viele Argumente, die man hier vortragen kann.
- Auch Ihre Empörung kann nicht darüber hinwegtäuschen, daß das der wahre Sachverhalt ist. Das Geschrei, das Sie erheben, paßt genau zu dem, was ich gesagt habe.
Zur Sache: Es geht Ihnen mit der Plazierung dieses Themas um Wahlkampf. Sie wollen das zum Wahlkampfthema machen. Der Beweis ist dieser läppische, oberflächliche Antrag. In ihm ist nicht von den Problemen und der wirklichen Thematik die Rede. Das ist ein läppisches Ding, das einfach mal so hingeschrieben worden ist und das der Sache nicht angemessen ist. Es ist kein ehrenhaftes Verfahren, was Sie hier an den Tag legen. Sie mißbrauchen dieses wichtige Anliegen. Wir nehmen diese Sache ernst. Wir tun uns auch schwer damit.
Das ist auch richtig, weil die Sache eine schwierige ist. Wir lassen uns von Ihnen nicht zu diesem billigen Wahlkampf verleiten.
Das Wort hat der Staatsminister Gerhard Bökel aus Hessen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir zwei Vorbemerkungen. Ich hätte ja, Herr Kollege Marschewski - nachdem wir uns schon etwas länger kennen -, wetten können, daß Sie diese Einbürgerungsdebatte genau mit der Behauptung beginnen, sozialdemokratische Innenminister hätten nichts anderes im Kopf, als ausländische Straftäter hierzulassen.
Meine Damen und Herren, das ist so billig!
Noch ist dies alles Bundesrecht. Sie können kritisieren, daß man bei der Gesetzgebung unterschiedliche Auffassungen hat; aber bei der Anwendung der Gesetze lassen wir uns von Ihnen weder in Hannover noch in Wiesbaden etwas zum rechtsstaatlichen Handeln erzählen.
Das ist falsch; das ist zynisch. Wer es so öffentlich immer wieder behauptet, handelt auch fremdenfeindlich, weil er etwas schürt, was in diese Gesellschaft nicht hineingehört.
Zweite Vorbemerkung. Herr Kollege Röttgen, es mag ja sein, daß Sie es so empfinden, daß hier auch Wahlkampf gemacht wird. Ich weiß, der findet bei Ihnen gar nicht statt. Es hat ja auch keinen Sinn mehr!
Aber nehmen Sie bitte zur Kenntnis, daß das Verfassungsorgan Bundesrat dem Bundestag schon vor drei Jahren eine Entschließung vorgelegt hat mit der Bitte, endlich etwas auf den Weg zu bringen. Es geschah nichts.
Dann habe ich im Bundesrat für das Land Hessen einen Gesetzentwurf eingebracht. Er hat die Mehrheit des Bundesrates bekommen. Dann hat der Bundeskanzler diesen Entwurf dem Verfassungsorgan Bundestag zur Entscheidung vorgelegt. Ich war im Innenausschuß des Bundestages, wurde aber weggeschickt. Herr Marschewski und andere haben damals gesagt: Das wird Anfang 1998 erledigt. - Wir haben Anfang 1998, und nichts geschieht.
Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Sofort. - Dann zu sagen, das sei Wahlkampf, ist eine Unverschämtheit gegenüber dem anderen Verfassungsorgan; denn Sie sind nicht bereit, im Bundestag eine
Staatsminister Gerhard Bökel
Antwort auf das zu geben, was der Bundesrat Ihnen vorgelegt hat.
Jetzt die Zwischenfrage des Kollegen Marschewski.
Herr Staatsminister, ich habe vorhin ausgeführt, daß in NordrheinWestfalen und in Niedersachsen abgelehnte Asylbewerber und straffällige Ausländer zu wenig abgeschoben würden. Ist Ihnen bekannt, wie viele straffällige Ausländer in Niedersachsen im letzten Jahr zu verzeichnen waren - nämlich 200 000 - und wie viele Herr Schröder davon abgeschoben hat? Ganze vier, Herr Staatsminister. Das ist die Wahrheit.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter Marschewski, ich habe Ihnen schon einmal in einer Debatte des Bundestages gesagt: Ich bin bereit, jeden einzelnen Fall in Hessen und in anderen Ländern durchzugehen. Dann werden wir sehen, was machbar und auch rechtlich umsetzbar ist.
Sie wissen, daß wir Verwaltungsgerichte haben, die genau dies verhindern.
Meine Damen und Herren, die Zeit läuft weg.
- Herr Seiters, Sie als ehemaliger Innenminister wissen doch sehr gut, daß es selbst dann, wenn eine Verwaltungsbehörde entschieden hat, in diesem Rechtsstaat noch Mechanismen gibt, die nicht alles das möglich machen, was man sich wünscht.
Am 2. März meldet die Deutsche Presse-Agentur:
Die Bundesregierung hat bestätigt, daß die Reform des Staatsangehörigkeitsrechts nicht mehr verwirklicht werden kann.
Meine Damen und Herren, das ist eine zeitlose Meldung von dpa. Sie ist vom Jahre 1994. Das hätte auch am 2. März 1998 gemeldet werden können - weil hier nichts geschieht. Es ist von der Opposition schon darauf hingewiesen worden, daß es schon in der Koalitionsvereinbarung von 1990 steht.
War es nicht so, meine Damen und Herren, daß noch im Oktober letzten Jahres von der CDU zu diesem Thema gesagt wurde: „Keine Hektik! Wir sollten in Ruhe beraten. Wir werden das aber noch in dieser Legislaturperiode hinbekommen. "? - Herr Abgeordneter Belle, CDU, hat im Oktober gesagt: Wir sind noch immer in der Lage, dieses Problem in der laufenden Legislaturperiode zu lösen. - Herr Röttgen, wir erwarten eine Antwort. Hierbei handelt es sich nicht um Wahlkampf, sondern um eine Anforderung dessen, was Sie in den Raum gestellt haben.
Beschränken wir uns doch einmal auf das, was der Bundesrat vorgelegt hat! Wir haben doch nichts vorgelegt oder beschlossen, was in irgendeiner Weise dem widerspricht, was Herr Röttgen und andere und auch die F.D.P. bisher von sich gegeben haben. Die Realität ist: Der Anteil der Ausländer an der Wohnbevölkerung beträgt 9 Prozent. Es ist doch keine rotgrüne Erfindung - alle Voraussagen laufen darauf hinaus -, daß er, wenn wir im rechtlichen Bereich nichts ändern, im Jahre 2040 30 Prozent betragen wird. Und das ist gar nicht mehr lange hin.
Kein Staat der Welt kann es auf Dauer hinnehmen, daß ein zahlenmäßig bedeutender Teil der Bevölkerung über Generationen hinweg außerhalb der staatlichen Gemeinschaft und außerhalb der Loyalitätspflichten ihm gegenüber steht.
Ich freue mich, daß die SPD und auch die Grünen dem Beifall zollen. Das hätten Sie ebenso tun sollen, meine Damen und Herren; denn das war ein Zitat aus einer Antwort der Regierung Kohl/Genscher auf eine Anfrage im Deutschen Bundestag aus dem Jahre 1984.
Wo ist denn die Antwort auf diese Feststellung der Regierung seit dem Jahre 1984? Haben Sie denn nicht zur Kenntnis genommen, was uns das Bundesverfassungsgericht auferlegt hat, nämlich daß wir die Wohn- und Staatsbevölkerung zusammenführen müssen und die Schere sich nicht immer weiter öffnen darf?
Es kann uns nicht gleichgültig sein, ob hier 2 Millionen oder 3 Millionen Menschen auf Dauer wohnen, die eine andere Staatsbürgerschaft haben, oder ob es 7 Millionen, 8 Millionen oder 10 Millionen sind. Genau das provozieren Sie doch, meine Damen und Herren.
Nun zur Integration. Meine Damen und Herren, wer hat denn etwas gegen Integration? Natürlich ist das ein wichtiger Eckpfeiler für die Einbürgerung, also dafür, deutscher Staatsbürger zu werden. Hier arbeiten, hier Steuern zahlen, hier Kinder bekommen und in Vereinen mitarbeiten - das ist Integration. Es
Staatsminister Gerhard Bökel
geht nicht um die Frage, ob man in diesem Land vorübergehend eine zweite Staatsangehörigkeit hat.
- Es ist doch völlig klar: Eine vorübergehende doppelte Staatsangehörigkeit kann nicht zum Maßstab unseres Handelns gemacht werden. Was Sie da aufbauen, das versteht kein Mensch.
Großbritannien: Wer dort geboren wird, ist Engländer. Frankreich: Es gibt keine Bedingung; wird man da geboren, ist man Franzose. In den Niederlanden, in Belgien, in Italien und Spanien ist es auch so. Und da sagen Sie: Der Staat bricht zusammen, wenn wir das in Deutschland genauso regeln.
Ich gebe ja zu - Herr Altmaier und Herr Röttgen hatten im November darauf hingewiesen -, daß es andere Länder gibt, in denen dies so geregelt ist wie in der Bundesrepublik: in Andorra und Liechtenstein. Aber, meine Damen und Herren, das sind doch nicht die Maßstäbe für die Bundesrepublik Deutschland.
Ich bitte Sie deshalb: Nehmen Sie die Chance an, die der Bundesrat mit einem Gesetzentwurf anbietet,
denen, die hier integriert sind, die Möglichkeit einer vorübergehenden doppelten Staatsangehörigkeit, die Möglichkeit, Deutscher zu sein, zu geben!
Der entscheidende Punkt des Gesetzentwurfes, den ich im Bundesrat eingebracht habe und der hier heute zur Abstimmung steht, ist, daß Kinder, die hier geboren sind und von denen ein Elternteil auch schon hier geboren ist - das ist die dritte Generation -, automatisch Deutsche werden. Wer kann denn gegen diese Aussage etwas haben?
Und da redet Herr Marschewski von dem Mißbrauch, der damit betrieben werden kann! Herr Marschewski, wenn ein Kind hier geboren wird, dessen Mutter oder Vater, ohne deutsche Staatsangehörige sein zu müssen, schon immer hier leben, dann kann man doch diesem Kind - das wäre doch weit weniger als das, was alle anderen Länder tun - die deutsche Staatsangehörigkeit geben. Das ist übrigens auch ein sehr unbürokratisches Verfahren.
Stellen Sie sich eine Entbindungsstation vor, auf der ein Kind von deutschen Eltern geboren wird, auf der ein Kind von einer jungen Türkin oder einer jungen Spanierin geboren wird und ein Kind von einer Frau geboren wird, die bisher in Kasachstan oder Rußland gelebt hat und die doppelte Staatsangehörigkeit hat. Warum sollen diese Kinder denn unterschiedlich behandelt werden? Wollen Sie Integrationsanforderungen schon an Kinder stellen, die noch gar nicht auf der Welt sind? Das ist der falsche Weg.
Zum Abschluß möchte ich noch einmal auf Herrn Röttgen kommen. Herr Röttgen, ich glaube, wir können uns, ohne daß ich hier jetzt für die SPD-Bundestagsfraktion oder die Opposition sprechen darf, sehr schnell verständigen. Sie haben gegen den Gesetzentwurf, den der Bundesrat eingebracht hat, im Grunde genommen keine Bedenken, sowohl was die Einbürgerung als auch was die automatische Staatsangehörigkeit für diejenigen betrifft, von denen ein Elternteil hier geboren ist. Sie sagen nur, mit der Volljährigkeit müsse die Verpflichtung verbunden sein, sich zwischen der einen und der anderen Staatsangehörigkeit zu entscheiden. Bringen Sie diesen Änderungsantrag ein, und ich bin sicher, Sie bekommen im Bundestag und im Bundesrat dafür eine Mehrheit.
Das Wort zu einer Kurzintervention hat der Kollege Eylmann.
Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Sie haben mich angesprochen, Frau Kollegin Sonntag-Wolgast. Ich möchte dazu in aller Ruhe drei Bemerkungen machen.
Erstens. Daß die Opposition in der gegenwärtigen Situation versucht, die Regierungsfraktionen auseinanderzudividieren, ist legitim. Wir würden das in der anderen Situation genauso machen. Aber genauso - jetzt seien Sie bitte mit sich ehrlich - würden Sie in dieser Situation die Reihen schließen. Daß Sie das bestreiten und von Glaubwürdigkeit reden, auch das will ich Ihnen noch zugestehen. Aber, Frau Kollegin Sonntag-Wolgast, im Gegensatz zum Kollegen Özdemir haben Sie übertrieben. Ich sage Ihnen sehr deutlich: Ich werde gegen Ihren Antrag stimmen und schäme mich deshalb nicht. Ich glaube auch, daß ich von Ihnen keinen Nachhilfeunterricht in Sachen Glaubwürdigkeit und Gewissensentscheidung benötige.
Das zweite ist eine Bemerkung an die Koalition und an meine eigene Fraktion. Ich bedauere außerordentlich, daß es nicht möglich gewesen ist, unsere Vereinbarung in der Koalition durchzusetzen, das Staatsbürgerschaftsrecht zu reformieren. Bei gutem
Horst Eylmann
Willen allerseits wäre ein Kompromiß möglich gewesen.
Ich bin auch der Meinung - das will ich ausdrücklich unterstreichen -, daß wir eine zeitlich beschränkte doppelte Staatsangehörigkeit für einen bestimmten Personenkreis in der nächsten Wahlperiode bekommen werden, und zwar ohne Rücksicht darauf, wie die Wahl ausgeht.
Es gibt eine breite Strömung in diese Richtung. Wenn eine sehr angesehene konservative Tageszeitung schreibt „Wir brauchen eine Einbürgerungsoffensive", dann spricht das für sich.
Meine dritte Bemerkung ist eine Bitte an alle, die es angeht: Seien wir vorsichtig mit diesem Thema im Wahlkampf!
Wir betreten vermintes Gelände, meine Damen und Herren. Wir betreten ein Gebiet, in dem viele Emotionen lauern, die wir nicht wecken sollten.
Die Ideologie des Nationalismus, die in den letzten beiden Jahrhunderten zu einer Unzahl von Kriegen geführt hat und Millionen von Opfern mit sich brachte,
ist nicht tot. Ich weiß, wovon ich rede, wenn ich an manche Briefe denke, die ich erhalte. Wir sollten alles daransetzen, diese schlafenden Hunde nicht zu wecken.
Herr Eylmann, kommen Sie zum Schluß.
Es ist bereits gesagt worden, daß die Integration ein gesellschaftlicher Prozeß ist, den wir nicht kommandieren sollten. Wir sollten klug handeln und versuchen, in der nächsten Legislaturperiode zu einem Konsens zu kommen.
Vielen Dank.
Frau Sonntag-Wolgast.
Herr Kollege Eylmann, ich habe einzig und allein Sie mit dem Begriff „antiquierte Doktrin" zitiert, der sich auf die von
der Bundesregierung in der Regel durchgeführte Praxis bezieht, von einem Eingebürgerten die Aufgabe seiner bisherigen Staatsangehörigkeit zu verlangen.
Ich sage noch einmal, daß wir das Thema gern früher, entschiedener und konstruktiver behandelt hätten, wenn Sie aus der Koalition die Weichen dafür gestellt hätten.
Wir haben über Jahre hinweg Anträge eingebracht. Wir haben im Innenausschuß des Bundestages darauf dringen müssen, daß die parlamentarischen Rechte der Opposition überhaupt gewahrt blieben. Bedauerlicherweise ist durch Ihr Verschulden - nicht durch Ihr persönliches, aber durch das Ihrer Fraktion - erst im Januar dieses Jahres über uralte Anträge, die zum Teil drei Jahre alt waren, überhaupt abgestimmt worden. - Soviel zum späten Zeitpunkt, Herr Eylmann. Das hat gar nichts mit dem Wahlkampf zu tun.
Den letzten Antrag haben wir Mitte Februar eingebracht. Das war der Versuch, auf diesem Wege hier eine Debatte zu erzwingen, verbunden auch mit der Hoffnung, daß die Bundesratsinitiative zum Kern der heutigen Auseinandersetzung würde.
Themen im Wahlkampf, Herr Eylmann, werden von den Menschen erfragt. Wir haben keinen Einfluß darauf - und sollten ihn auch nicht haben -, wenn ein Thema „gepusht" oder niedergedrückt wird, weil es sich angeblich nicht eignet. Es kommt darauf an, wie fair und sachlich wir mit dieser sensiblen und emotionalen Problematik umgehen. Ich wünsche uns eine sachliche, offensive und faire Auseinandersetzung zu jeder Zeit, nicht nur im Wahlkampf. Vor allem wünsche ich mir, daß wir in der nächsten Legislaturperiode mit einem guten Konzept endlich zu einer brauchbaren Regelung kommen.
Wir fahren in der Debatte fort. Das Wort hat der Kollege Dr. Guido Westerwelle.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte gegen Schluß der Debatte nur wenige kurze Bemerkungen zur Sache selbst machen:
Erstens. Frau Kollegin, natürlich wird das Thema im Wahlkampf eine Rolle spielen. Aber wir sollten alle ein Interesse daran haben, daß dieses Wahlkampfthema nicht polarisiert wird. Ich meine, Herr Kollege Eylmann hat völlig recht: Wenn man sich in einer bestimmten Zeit für dieses Thema engagiert - ich engagiere mich in diesem Bereich, seit ich politisch aktiv bin, und auch als Anwalt -, stellt man eines fest: Die vielen unflätigen Briefe sind früher anonym gekommen; heute aber schämen sich die Leute nicht einmal, diese übelsten braunen Parolen mit vol-
Dr. Guido Westerwelle
ler Namensnennung abzusenden. Das ist eine sehr gefährliche Entwicklung. Dieser Verantwortung sollten wir uns hier bewußt sein.
Deshalb möchte ich zweitens eines zur Debatte sagen, gerichtet an den Innenminister des Landes Hessen und an den Kollegen Marschewski: Bei dem, was wir heute beraten, geht es nicht darum, ob und mit welcher Entschiedenheit ausländische Straftäter abgeschoben werden müssen.
Natürlich müssen ausländische Straftäter abgeschoben werden. Sie müssen auch entsprechend bestraft werden. Aber eines geht an der Sache vorbei, nämlich zu meinen, in dieser Debatte ginge es um die Abschiebung von Ausländern. In dieser Debatte geht es nicht um kriminelle Ausländer, sondern hier geht es um die Integration der hier geborenen Kinder von Ausländern. Das ist ein fundamentaler Unterschied.
Wir sagen als Freie Demokraten:
Wir wollen, daß die Kinder, die hier geboren werden, mit einem inländischen Bewußtsein groß werden, integriert groß werden. Das ist viel besser, als wenn sie mit einer ausländischen Identität aufwachsen. Wir vergeuden Talente, wir verschenken Begabungen. Wir werden diesen Kindern nicht gerecht. Wer als Konservativer die Gettoisierung in den Städten beklagt, muß vorher die Gettoisierung in den Köpfen verhindern.
Wir glauben - das will ich als dritte und letzte Bemerkung sagen -, daß die Union hier falsch liegt.
Wir glauben, daß sie hier mehrheitlich einen falschen Weg geht, weil sie nicht bereit ist, eine Modernisierung des Staatsangehörigkeitsrechts zugunsten der Kinder zuzulassen. Wir sind auch der Meinung, daß Sie, Herr Kanther, mit Ihrer Positionierung in dieser Frage falsch liegen. Ihre Position, meine Damen und Herren Kollegen von der Union, ist mehrheitlich nicht die Position der Freien Demokraten. Wir sind aber zu Beginn der Legislaturperiode mit Ihnen einen Vertrag eingegangen, und an diesen Vertrag werden wir uns selbstverständlich halten.
Es ist die Frage gestellt worden, ob es sich hierbei um eine Gewissensfrage handelt. Ja, es handelt sich
um eine Gewissensfrage. Aber für mich gehört auch die Vertragstreue zu meinem Gewissen.
Man könnte sich von jedem Vertrag abmelden, wenn man sich nur dann an Verträge erinnert, wenn sie einem persönlich gefallen. Deswegen möchte ich folgendes hinzufügen - das ist im Privaten nicht anders als in der Politik auch -: Wenn man sich nur dann an Verträge erinnert, wenn sie einem gefallen, dann meldet man sich als ernstzunehmender Vertragspartner ab. Wir verhalten uns wie ehrbare Kaufleute und wenden uns nicht einfach von Verträgen ab, nur weil sie uns heute nicht mehr sinnvoll erscheinen.
Eine Zwischenfrage des Kollegen Conradi.
Herr Abgeordneter Westerwelle, sind Sie tatsächlich der Auffassung, daß Art. 38 des Grundgesetzes durch Verträge zwischen Kaufleuten abgedungen werden kann?
Bei allem Respekt möchte ich Ihnen folgendes sagen: Ich kenne Art. 38 des Grundgesetzes bestimmt nicht weniger gut als Sie. Ich muß für meine Gewissensentscheidung aber auch andere Gesichtspunkte mit einbeziehen.
Für mich zählt auch, daß eine Koalitionsregierung regierungsfähig ist und - vor allen Dingen - daß das Land weiß: Wenn im Deutschen Bundestag vertretene Parteien Koalitionsverträge eingehen, dann halten sie sich auch daran. Wechselnde Mehrheiten gibt es mit der Freien Demokratischen Partei nicht. Grüne und SPD würden sich bei anderen Mehrheitsverhältnissen kein bißchen anders verhalten.
In meinen Augen ist es wirklich eine peinliche Bemerkung, die Sie hier gemacht haben, weil Sie damit zeigen, daß Sie hier in Wahrheit sehr wohl ein taktisches Spielchen spielen. Es geht Ihnen darum, der Koalition die Koalitionsfrage zu stellen. Wer der Koalition die Koalitionsfrage stellt, der bekommt sie von der Koalition auch beantwortet.
Herr Westerwelle, gestatten Sie eine Frage aus Ihrer eigenen Fraktion von Graf Lambsdorff?
Ja.
Herr Kollege Westerwelle, darf ich Sie - Sie gehören ja noch nicht so sehr lange dem Deutschen Bundestag an - einmal darum bitten, sich bei Kollegen aus der sozialdemokratischen Fraktion, die schon länger hier sind, zu informieren, wie oft sie den Koalitionspartner F.D.P. vor 1982 aufgefordert haben, gegen Anträge der CDU/ CSU-Opposition, die uns gefallen haben, zu stimmen, damit die Koalition erhalten blieb?
Würden Sie sich bitte auch einmal bei Herrn Conradi erkundigen, ob er nicht miterlebt hat, wie oft Anträge der CDU/CSU zum Thema „Leitende Angestellte" gestellt wurden, denen ich liebend gerne zugestimmt hätte, denen ich aber aus Gründen der Koalitionsdisziplin mit Rücksicht auf die Bitten der Sozialdemokraten dann doch nicht zugestimmt habe?
Zunächst einmal, Graf Lambsdorff, haben Sie in einem Punkt unbestreitbar recht: Sie gehören dem Deutschen Bundestag länger an als ich - bis jetzt.
Herr Conradi, was soll denn das alles? Wir als Freie Demokraten wollten auch nicht, daß die Union Steuererhöhungen mit den Sozialdemokraten gegen den Willen der F.D.P. beschließt. In Koalitionen gilt „pacta sunt servanda". An Verträge hält man sich, sonst kann man nie wieder als Koalitionspartner ernst genommen werden. Für mich gehört das zu meiner Gewissensabwägung dazu.
Das Thema bleibt auf der Tagesordnung, und wir sagen Ihnen: Wer aus dem bürgerlichen Bereich der Meinung ist, die F.D.P. sollte die Modernisierung des Staatsangehörigkeitsrechts in den nächsten Koalitionsverhandlungen durchsetzen, der kann uns stärker machen; dann können wir auch mehr durchsetzen.
Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben noch zwei Redner. Ich bitte Sie, diese beiden Redner noch in Ruhe anzuhören. Anschließend kommen wir dann zur Abstimmung.
Ich rufe als ersten den Kollegen Wolfgang Zeitlmann auf.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir diskutieren zum wiederholten Mal ein Thema, das, so meine ich, diese Emotionalität, wie ich sie bei manchen Redebeiträgen erlebt habe, nicht verdient. Die Gespräche über eine Reform des Staatsangehörigkeitsrechts sind breit angelegt gewesen. Wir haben eine ganze Reihe von Bereichen des Staatsangehörigkeitsrechts einvernehmlich abgehakt. Ich glaube, daß die hier stattfindende Diskussion diesem Gesamtthema nicht gerecht wird.
Frau Kollegin Sonntag-Wolgast, wenn man in seiner Rede Ausdrücke wie „Grauen" und „schämen" im Zusammenhang mit dieser Thematik verwendet, Herr Kollege Özdemir, wenn Sie hier so reden, als strecke derjenige, der jetzt einem solchen Gesetzesantrag nicht zustimmt, seine Hände nicht aus, dann halte ich dies für Diskussionsbeiträge, die unter dem sachlich notwendigen Niveau liegen und deshalb nicht gerechtfertigt sind.
Ich will auf einige wesentliche Kernpunkte eingehen: die Einführung des Erwerbs der Staatsangehörigkeit mit der Geburt. Es kann nicht richtig sein, daß ich unabhängig vom Elternwillen Kindern ausländischer Eltern eine deutsche Staatsangehörigkeit - unter Umständen auch gegen ihren Willen - gesetzlich nachtrage; alle anderen Möglichkeiten möge man diskutieren. Ich glaube, daß zu einem Eintritt in eine andere Staatsangehörigkeit entweder die bewußte Entscheidung dessen, der in eine andere Staatsangehörigkeit eintritt, oder zumindest die bewußte Entscheidung der Eltern gehören muß.
Ich halte es auch für problematisch, Eltern von Staats wegen zuzumuten, daß ihre Kinder eine andere Staatsangehörigkeit als sie selbst haben; denn es gibt Probleme in dem Bereich, wie Sie an 2 Millionen zurückgekehrten Türken sehen. Was ist, wenn eine Rückkehr in das Heimatland stattfindet?
Herr Zeitlmann, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Hirsch?
Nein. Denn es hat so viel Gelegenheit zur Diskussion gegeben, daß es jetzt, unmittelbar vor der Abstimmung, unkollegial wäre, die Debatte noch zu verlängern.
Ich glaube auch, daß wir der Sache nicht gerecht werden, wenn wir generell so tun, als spiele die Zahl der vorhandenen Doppelstaatler - ich verwende einmal diesen Begriff - eine Rolle. Ich denke jetzt nicht an den Fall, daß jemand eine ausländische Mutter oder einen ausländischen Vater hat und kraft dieser Tatsache womöglich eine Brückenfunktion zwischen zwei Ländern darstellen kann. Aber das Problem haben wir dort, wo wir, insbesondere im Bereich der türkischen Mitbewohner, Menschen haben, die gar keinen Integrationswillen haben.
- Ob Sie dies wollen oder nicht: Es gibt Menschen, die leben seit ein oder zwei Generationen hier und haben nicht den Willen, sich zu integrieren. Einen solchen Menschen werden Sie auch durch die Verleihung eines deutschen Passes nicht integrieren. Ich sage deshalb: Die Paßverleihung hat für mich nicht automatisch eine Integrationswirkung. Sie steht nach meinem Dafürhalten am Ende des Integrationsprozesses. Dies sollte man in aller Ruhe diskutieren.
Meine Damen und Herren, meine Zeit ist abgelaufen.
Wolfgang Zeitlmann
- Da können Sie ruhig klatschen.
Eines habe ich in dieser Diskussion vermißt: daß auch nur ein einziger Kollege einmal gesagt hätte, daß es in der Frage der Staatsangehörigkeit auch darauf ankomme, die Akzeptanz der deutschen Bevölkerung zu beachten. Das spielt eine entscheidende Rolle.
Jedenfalls kann man mit dieser Thematik nicht so umgehen, wie das hier in diesem Parlament aus Wahlkampfgründen heute passiert.
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Ich bitte um Verständnis - es sind viele Kurzinterventionen zugelassen worden -, daß ich aus Zeitgründen keine weiteren mehr zulassen kann.
Als letzter in dieser Debatte hat Bundesminister Kanther das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Hier sind doch ein paar Dinge von seiten der Opposition sehr schräg
dargestellt worden. Die muß ich richtigstellen.
Erstens. Es gibt keinen vernünftigen Menschen in unserem Lande, der sich nicht für die Integration von Ausländern einsetzt, wenn diese rechtmäßig und lange hier leben und auch weiterhin hier leben wollen. Dieser Punkt ist völlig unbestritten.
Zweitens. Natürlich kann Einbürgerung ein Zeichen für Integration sein und ein Abschlußpunkt, wenn alles andere stimmt: Schule, Familie, Leben in Vereinen, Leben mit Gleichaltrigen, Ausbildung, Beruf, Sprachvermögen. Das alles sind wichtige Integrationsfaktoren, nicht aber die
juristische Frage nach einem weiteren Paß. Wenn solche Integrationsfaktoren vorliegen, kann in einem Land, in dem über 7 Millionen Ausländer lange leben - wogegen niemand etwas einzuwenden hat -, Einbürgerung ein Mittel sein, diese Integration zu bekunden, sie gleichsam zu besiegeln. Die Zahl der Einbürgerungen hat zugenommen, wogegen niemand etwas hat.
Aber diejenigen, die doppelte Staatsbürgerschaft mit Einbürgerung vermischen, leisten dem Thema einen Bärendienst; denn darum geht es nicht.
1990 hatten wir 20 000 Einbürgerungen in Deutschland und 1996 89 000. Das ist mehr als viermal soviel. So schlecht kann also das geltende Recht nicht sein, wenn es in dieser Zeit eine Vervierfachung der Zahl der Einbürgerungen erlaubt hat. 1990 hatten wir 2000 Einbürgerungen von Türken - der größten Bevölkerungsgruppe - und 1996 46 000. Das ist das 23fache - unter der Geltung des von Ihnen so lautstark befehdeten Staatsangehörigkeitsrechts. Dazu hat viel beigetragen, daß diese Bundesregierung sich bei ihren türkischen Freunden und Partnern für die Veränderung des türkischen Rechts eingesetzt hat, das die Lösung dieser Fragen in der Türkei erleichtert hat.
Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Nein, ich lasse keine Zwischenfragen zu. Wir sind jetzt am Ende einer Debatte, in der alle Argumente vorgetragen worden sind, auch in Zwischenfragen.
Etwas völlig anderes ist die doppelte Staatsangehörigkeit, die die Loyalitäten teilt und die deutlich macht, daß man sich noch nicht entscheiden will, was ja völlig in Ordnung ist. Es muß sich niemand für Einbürgerung in Deutschland entscheiden. Was die Rechte angeht, die Ausländern zugesprochen werden, haben wir ein Ausländerrecht, das in der ganzen Welt seinesgleichen sucht. Es bestehen gar keine Bedenken, daß sich ein Ausländer für die Fortführung dieses Status entscheidet. Aber Staatsbürgerschaft in Deutschland ist mehr als ein Wohnsitzattribut. Darauf gilt es auch hinzuweisen.
Das ist ein vorbehaltloses, eindeutiges Bekenntnis zum zukünftigen Leben in diesem Volk und Staat. Das ist Staatsbürgerschaft.
Dann ist darauf hinzuweisen, daß es in Deutschland beim Erwerb der doppelten Staatsangehörigkeit viele Ausnahmetatbestände gibt und auch geben soll. Es gibt Unrechtssysteme, die ihre Bürger nicht aus ihrer Staatsangehörigkeit entlassen, auch wenn man es von ihnen verlangen müßte und könnte. Es gibt Rechtsordnungen, die das nicht vorsehen. Infolgedessen gibt es in Deutschland die Möglichkeit doppelter Staatsangehörigkeit in Ausnahmefällen, wovon reichlich Gebrauch gemacht wird. Ein Viertel der Einbürgerungen in Deutschland erfolgt unter Inkaufnahme von doppelter Staatsangehörigkeit, weil es der Einzelfall gerecht erscheinen läßt. Damit fahren wir gut. Ihnen geht es um eine doppelte Staatsangehörigkeit für Kinder, die von Ausländern in Deutschland geboren werden, ohne
Bundesminister Manfred Kanther
daß die beschriebenen Integrationsattribute auch nur vermutet werden könnten.
Deshalb ist Ihr gedanklicher Ansatz falsch.
Obendrein - aber dazu ist genügend gesagt, und das belegen auch die Lautstärke und die Heftigkeit der Sprache, die Sie gewählt haben, jedenfalls viele Redner von Ihrer Seite - kann ich mir nicht erklären, wie jemand einen integrativen Ansatz wählen will, wenn er in einer Debatte so laut und unerfreulich brüllt.
Das war der Stil Ihrer Debatte, und das ist der Stil solcher, die glauben, daß sie eine Koalition, die zugegebenermaßen in diesem Punkt Schwierigkeiten miteinander hat,
öffentlich mit diesen Schwierigkeiten vorführen könnten. Deshalb brauchen Sie diese Lautstärke.
Das wird keinen Erfolg haben.
Meine Damen und Herren, ich schließe die Aussprache.Bevor wir zur Abstimmung kommen, teile ich mit, daß die Kollegin Editha Limbach, der Kollege Dr. Burkhard Hirsch, die Kollegin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger sowie die Kollegen Peter Altmaier, Franz Peter Basten, Norbert Röttgen und eine Reihe weiterer CDU-Kollegen schriftliche Erklärungen zur Abstimmung gemäß § 31 unserer Geschäftsordnung vorgelegt haben.*)Wir kommen nun zur Abstimmung über den vom Bundesrat eingebrachten Gesetzentwurf zur Erleichterung des Erwerbs der deutschen Staatsangehörigkeit durch Kinder ausländischer Eltern auf Drucksache 13/8157. Der Innenausschuß empfiehlt auf Drucksache 13/10030 unter Nr. 1, den Gesetzentwurf abzulehnen.Ich lasse über den Gesetzentwurf des Bundesrates auf Drucksache 13/8157 abstimmen. Die Fraktion der SPD verlangt namentliche Abstimmung. Für diese namentliche Abstimmung benötigen Sie Ihren Stimmausweis noch nicht. Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, die vorgesehenen Plätze einzunehmen. - Sind alle Urnen besetzt? - Da das der Fall ist, eröffne ich die Abstimmung. -Haben alle ihre Stimme abgegeben? Befindet sich noch jemand im Saal, der seine Stimme noch nicht abgegeben hat? -*) Anlage 5 und 6Ich schließe die Abstimmung und bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Das Ergebnis der namentlichen Abstimmung werde ich Ihnen später bekanntgeben.Wir fahren jetzt mit den Abstimmungen fort. Ich möchte Sie zunächst auffordern, Platz zu nehmen, weil wir sonst die Abstimmungen nicht durchführen können. Wir können erst dann weitermachen, wenn ich überblicken kann, wie die Stimmverteilung ist. Bitte nehmen Sie Platz.Ich möchte noch einmal darauf hinweisen: Nach diesen nicht-namentlichen Abstimmungen folgt eine weitere namentliche Abstimmung.Wir fahren mit den Abstimmungen fort.Wir kommen zunächst zur Abstimmung über die Beschlußempfehlung des Innenausschusses zu dem Antrag der Fraktion der SPD „Erleichterung der Einbürgerung unter Hinnahme der doppelten Staatsangehörigkeit" ; das ist Drucksache 13/10030, Nr. 2. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 13/ 259 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen der CDU/CSU und der F.D.P. gegen die Stimmen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und PDS angenommen.Beschlußempfehlung des Innenausschusses zu dem Antrag der Fraktion der SPD zur Neuregelung des Staatsangehörigkeitsrechts auf Drucksache 13/ 10030 Nr. 3. Der Ausschuß empfiehlt auch hier, den Antrag auf Drucksache 13/2833 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Diese Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen der CDU/CSU und der F.D.P. gegen die Stimmen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und PDS bei 2 Enthaltungen angenommen.Beschlußempfehlung des Innenausschusses zu dem Antrag der Fraktion der SPD zu einer Gesetzesinitiative der Bundesregierung zur Reform des Staatsangehörigkeitsrechtes auf Drucksache 13/ 10030 Nr. 4. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 13/7505 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Auch diese Beschlußempfehlung ist mit demselben Stimmenverhältnis bei 1 Enthaltung aus der F.D.P. angenommen.Beschlußempfehlung des Innenausschusses zu dem Antrag der Fraktion der SPD zur Unterrichtung des Deutschen Bundestages über internationale Vereinbarungen mit besonderer Bedeutung für die Ausländer-, Asyl- und Menschenrechtspolitik auf Drucksache 13/10030 Nr. 5. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 13/7923 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist mit demselben Stimmenverhältnis angenommen, wobei Herr Kollege Hirsch diesmal gegen die Beschlußempfehlung gestimmt hat.Beschlußempfehlung des Innenausschusses zu dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zu Mindestkriterien für eine Reform des Staatsangehö-Präsidentin Dr. Rita Süssmuthrigkeitsrechts auf Drucksache 13/10030 Nr. 6. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 13/ 3657 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Diese Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen der CDU/CSU und der F.D.P. gegen die Stimmen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und PDS bei Stimmenthaltungen aus der SPD und 1 Stimmenthaltung aus der F.D.P. angenommen.Beschlußempfehlung des Innenausschusses zu dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit dem Titel „Klare Integrationssignale setzen: Für eine sofortige Reform des Staatsangehörigkeitsrechts" auf Drucksache 13/10030 Nr. 7. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 13/7677 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen der CDU/CSU und der F.D.P. gegen die Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen und PDS bei Enthaltung der SPD und 1 Enthaltung aus der F.D.P. angenommen.Ich gebe nun das von den Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstimmung bekannt. Abgegebene Stimmen: 658; mit Ja haben gestimmt: 317; mit Nein haben gestimmt: 338; Enthaltungen: 3. Der Gesetzentwurf ist in zweiter Beratung abgelehnt.
Endgültiges ErgebnisAbgegebene Stimmen: 657; davon:ja: 316nein: 338enthalten: 3JaSPDBrigitte AdlerGerd AndresHermann Bachmaier Ernst BahrDoris BarnettKlaus BarthelIngrid Becker-Inglau Wolfgang Behrendt Hans BergerHans-Werner Bertl Friedhelm Julius Beucher Rudolf BindigLilo BlunckAnni Brandt-Elsweier Tilo BrauneDr. Eberhard Brecht Edelgard Bulmahn Ursula Burchardt Dr. Michael Bürsch Hans Martin BuryHans Büttner Marion Caspers-MerkWolf-Michael Catenhusen Peter ConradiDr. Herta Däubler-Gmelin Christel DeichmannKarl DillerDr. Marliese Dobberthien Peter DreßenRudolf DreßlerFreimut DuveLudwig EichPeter EndersGernot ErlerPetra Ernstberger Annette FaßeElke FernerLothar Fischer Gabriele FograscherIris FollakEva FoltaDagmar Freitag Anke Fuchs Katrin Fuchs (Verl) Arne Fuhrmann Monika Ganseforth Konrad GilgesIris GleickeGünter GloserUwe GöllnerGünter Graf Angelika Graf (Rosenheim) Dieter GrasedieckAchim Großmann Karl Hermann Haack
Hans-Joachim Hacker Klaus Hagemann Manfred HampelChristel HanewinckelAlfred Hartenbach Dr. Liesel HartensteinKlaus HasenfratzDr. Ingomar HauchlerDieter Heistermann Reinhold Hemker Rolf HempelmannDr. Barbara Hendricks Monika Heubaum Uwe HikschReinhold Hiller Stephan HilsbergGerd HöferJelena Hoffmann Frank Hofmann (Volkach) Ingrid HolzhüterErwin HornEike Hovermann Lothar Ibrügger Wolfgang ilteBarbara Imhof Brunhilde Irber Gabriele Iwersen Renate JägerJann-Peter Janssen Ilse JanzDr. Uwe JensVolker Jung Sabine Kaspereit Susanne Kastner Hans-Peter Kemper Klaus Kirschner Marianne Klappert Siegrun Klemmer Hans-Ulrich KloseDr. Hans-Hinrich Knaape Walter KolbowFritz Rudolf Körper Nicolette Kressl Volker Kröning Thomas Krüger Horst Kubatschka Eckart Kuhlwein Helga Kühn-Mengel Dr. Uwe Küster Werner Labsch Brigitte LangeDetlev von Larcher Waltraud Lehn Robert Leidinger Klaus LennartzDr. Elke Leonhard Klaus Lohmann Christa LörcherErika LotzDr. Christine Lucyga Dieter Maaß Winfried Mante Ulrike Mascher Christoph MatschieIngrid Matthäus-Maier Heide Mattischeck Markus MeckelUlrike MehlHerbert Meißner Angelika MertensDr. Jürgen Meyer Ursula MoggSiegmar MosdorfMichael Müller Jutta Müller (Völklingen) Christian Müller (Zittau) Volker Neumann (Bramsche) Gerhard Neumann (Gotha) Dr. Edith NiehuisDr. Rolf NieseDoris OdendahlGünter Oesinghaus Leyla OnurManfred OpelAdolf OstertagKurt PalisAlbrecht Papenroth Dr. Wilfried Penner Dr. Martin PfaffGeorg Pfannenstein Dr. Eckhart PickJoachim PoßRudolf PurpsKarin Rehbock-Zureich Margot von Renesse Renate Rennebach Otto ReschkeBernd ReuterDr. Edelbert Richter Günter RixeReinhold RobbeGerhard Rübenkönig Dr. Hansjörg Schäfer Gudrun Schaich-Walch Dieter SchanzBernd ScheelenDr. Hermann Scheer Siegfried Scheffler Horst SchildOtto SchilyDieter SchlotenGünter Schluckebier Horst Schmidbauer
Ulla Schmidt Dagmar Schmidt (Meschede) Wilhelm Schmidt (Salzgitter) Regina Schmidt-ZadelHeinz Schmitt Dr. Emil SchnellWalter SchölerOttmar Schreiner Gisela SchröterDr. Mathias Schubert Richard Schuhmann
Brigitte Schulte Reinhard Schultz (Everswinkel)Volkmar Schultz Ilse SchumannDr. R. Werner Schuster Dietmar Schütz Dr. Angelica Schwall-Düren Ernst SchwanholdRolf SchwanitzBodo SeidenthalLisa SeusterHorst SielaffErika SimmJohannes SingerDr. Sigrid Skarpelis-SperkDr. Cornelie Sonntag-Wolgast Wieland SorgeWolfgang Spanier Dr. Dietrich Sperling Jörg-Otto SpillerAntje-Marie Steen Ludwig StieglerDr. Peter StruckJoachim TappeJörg TaussDr. Bodo Teichmann Margitta Terborg Jella TeuchnerPräsidentin Dr. Rita Süssmuth Dr. Gerald Thalheim Wolfgang ThierseFranz ThönnesUta Titze-Stecher Adelheid Tröscher Hans-Eberhard Urbaniak Siegfried VerginGünter Verheugen Ute Vogt
Karsten D. Voigt Josef VosenHans Georg Wagner Hans WallowWolfgang Weiermann Reinhard Weis Matthias Weisheit Gunter WeißgerberGert Weisskirchen Jochen WeltHildegard Wester Lydia WestrichInge Wettig-DanielmeierDr. Norbert Wieczorek Helmut Wieczorek
Heidemarie Wieczorek-Zeul Dieter WiefelspützBerthold WittichDr. Wolfgang Wodarg Verena Wohlleben Hanna Wolf Heidi WrightUta ZapfDr. Christoph Zöpel Peter ZumkleyBÜNDNIS 90 / DIE GRÜNENGila Altmann Elisabeth Altmann
Marieluise Beck (Bremen) Volker Beck (Köln) Angelika Beer
Matthias Berninger Annelie Buntenbach Amke Dietert-Scheuer Franziska Eichstädt-Bohlig Dr. Uschi EidAndrea Fischer Joseph Fischer (Frankfurt) Rita GrießhaberGerald HäfnerAntje Hermenau Kristin HeyneUlrike HöfkenMichaele Hustedt Dr. Manuel Kiper Monika KnocheDr. Angelika Köster-Loßack Steffi LemkeDr. Helmut Lippelt Oswald Metzger Kerstin Müller Winfried Nachtwei Christa NickelsEgbert Nitsch Cern ÖzdemirGerd PoppeSimone ProbstDr. Jürgen Rochlitz Halo SaiboldChristine Scheel Irmingard Schewe-Gerigk Rezzo SchlauchAlbert Schmidt Wolfgang Schmitt (Langenfeld)Ursula SchönbergerWaltraud SchoppeWerner Schulz Marina SteindorChristian SterzingManfred SuchDr. Antje VollmerLudger VolmerHelmut Wilhelm Margareta Wolf (Frankfurt)PDSWolfgang BierstedtPetra BlässEva Bulling-Schröter Heinrich Graf von Einsiedel Dr. Ludwig ElmDr. Dagmar Enkelmann Dr. Ruth FuchsAndrea GysiDr. Gregor GysiHanns-Peter Hartmann Dr. Uwe-Jens Heuer Dr. Barbara HöllDr. Willibald JacobUlla JelpkeGerhard JüttemannDr. Heidi Knake-Werner Rolf KutzmutzDr. Christa LuftHeidemarie LüthDr. Günther Maleuda Manfred Müller Rosel NeuhäuserDr. Uwe-Jens Rössel Klaus-Jürgen Warnick Dr. Winfried WolfGerhard ZwerenzFraktionsloseKurt Neumann
NeinCDU/CSUUlrich Adam Peter AltmaierAnneliese AugustinJürgen Augustinowitz Dietrich Austermann Heinz-Günter Bargfrede Franz Peter BastenDr. Wolf Bauer Brigitte BaumeisterMeinrad BelleDr. Sabine Bergmann-Pohl Hans-Dirk BierlingDr. Joseph-Theodor Blank Renate BlankDr. Heribert Blens Peter BleserDr. Norbert Blüm Friedrich BohlDr. Maria Böhmer Jochen BorchertWolfgang Börnsen
Wolfgang Bosbach Dr. Wolfgang BötschKlaus BrähmigRudolf Braun Paul BreuerMonika BrudlewskyGeorg BrunnhuberKlaus Bühler Hartmut Büttner
Dankward BuwittManfred Carstens Peter Harry Carstensen
Wolfgang Dehnel Hubert Deittert Gertrud Dempwolf
Albert DeßRenate Diemers Wilhelm Dietzel Werner Dörflinger Hansjürgen Doss Dr. Alfred DreggerMaria Eichhorn Wolfgang Engelmann Rainer Eppelmann Heinz Dieter Eßmann Horst EylmannAnke Eymer Ilse FalkJochen Feilcke Ulf FinkDirk Fischer Leni Fischer (Unna)Klaus Francke Herbert FrankenhauserDr. Gerhard Friedrich Erich G. Fritz Hans-Joachim Fuchtel Michaela Geiger Norbert GeisDr. Heiner Geißler Michael Glos Wilma GlücklichDr. Reinhard GöhnerPeter GötzDr. Wolfgang Götzer Joachim Gres Kurt-Dieter Grill Wolfgang Gröbl Hermann Gröhe Claus-Peter Grotz Manfred GrundHorst Günther Carl-Detlev Freiherr vonHammersteinGottfried Haschke
Gerda HasselfeldtOtto Hauser Hansgeorg Hauser
Klaus-Jürgen Hedrich Helmut Heiderich Manfred Heise
Detlef HellingDr. Renate HellwigErnst Hinsken Peter Hintze Josef Hollerith Elke HolzapfelDr. Karl-Heinz Hornhues Siegfried Hornung Joachim HörsterHubert Hüppe Peter JacobySusanne JaffkeGeorg Janovsky Helmut Jawurek Dr. Dionys Jobst Dr.-Ing. Rainer JorkMichael Jung Ulrich JunghannsDr. Egon Jüttner Dr. Harald KahlBartholomäus Kalb Steffen Kampeter Dr.-Ing. Dietmar Kansy Manfred Kanther Irmgard Karwatzki Volker KauderPeter KellerEckart von Klaeden Dr. Bernd Klaußner Ulrich KlinkertDr. Helmut Kohl Hans-Ulrich Köhler
Manfred KolbeNorbert Königshofen Eva-Maria KorsHartmut Koschyk Manfred Koslowski Thomas Kossendey Annegret Kramp-KarrenbauerRudolf KrausWolfgang Krause Andreas Krautscheid Arnulf Kriedner Heinz-Jürgen Kronberg Dr.-Ing. Paul Krüger Reiner KrziskewitzDr. Hermann Kues Werner KuhnDr. Karl A. Lamers
Karl LamersDr. Norbert Lammert Helmut LampArmin LaschetHerbert Lattmann Dr. Paul LaufsKarl Josef Laumann Vera LengsfeldWerner Lensing Christian Lenzer Peter LetzgusEditha Limbach Walter Link Eduard LintnerDr. Klaus W. Lippold
Dr. Manfred Lischewski Wolfgang Lohmann
Julius Louven
Sigrun LöwischHeinrich Lummer Dr. Michael LutherErich Maaß Dr. Dietrich MahloErwin Marschewski Günter MartenDr. Martin Mayer
Wolfgang Meckelburg Rudolf Meinl
Dr. Michael Meister Dr. Angela Merkel Friedrich MerzRudolf Meyer
Präsidentin Dr. Rita Süssmuth Hans MichelbachMeinolf Michels Dr. Gerd MüllerElmar Müller Engelbert NelleBernd Neumann Johannes NitschClaudia Nolte Dr. Rolf Olderog Friedhelm Ost Eduard OswaldNorbert Otto
Dr. Gerhard Päselt Dr. Peter Paziorek Hans-Wilhelm PeschUlrich Petzold Anton Pfeifer Angelika Pfeiffer Dr. Gero PfennigDr. Friedbert PflügerBeatrix PhilippDr. Winfried PingerRonald PofallaDr. Hermann PohlerRuprecht Polenz Marlies Pretzlaff Dr. Albert Probst Dr. Bernd Protzner Dieter Pützhofen Thomas Rachel Hans RaidelDr. Peter RamsauerRolf RauHelmut Rauber Peter RauenOtto RegenspurgerChrista Reichard Klaus Dieter Reichardt
Dr. Bertold ReinartzErika Reinhardt Hans-Peter RepnikRoland RichterDr. Norbert RiederDr. Erich Riedl Klaus RiegertDr. Heinz RiesenhuberFranz Romer Hannelore Rönsch
Heinrich-Wilhelm Ronsöhr Dr. Klaus Rose
Kurt J. Rossmanith Adolf Roth
Norbert Röttgen Dr. Christian Ruck Volker RüheDr. Jürgen RüttgersRoland Sauer Ortrun SchätzleDr. Wolfgang Schäuble Hartmut SchauerteHeinz Schemken Karl-Heinz Scherhag Gerhard Scheu Norbert Schindler Dietmar Schlee Ulrich Schmalz Bernd SchmidbauerChristian Schmidt
Dr.-Ing. Joachim Schmidt
Andreas Schmidt Hans-Otto Schmiedeberg Hans Peter Schmitz
Michael von Schmude
Birgit Schnieber-JastramDr. Andreas Schockenhoff Dr. Rupert Scholz Reinhard Freiherr vonSchorlemerDr. Erika Schuchardt Wolfgang SchulhoffDr. Dieter Schulte
Gerhard Schulz (Leipzig) Frederick Schulze
Diethard Schütze Clemens SchwalbeDr. Christian Schwarz-SchillingWilhelm Josef Sebastian Horst SeehoferMarion Seib Wilfried SeibelHeinz-Georg SeiffertRudolf Seiters Johannes Selle Bernd Siebert Jürgen SikoraJohannes Singhammer Bärbel SothmannMargarete Späte Carl-Dieter Spranger Wolfgang SteigerErika SteinbachDr. Wolfgang Freiherr von StettenDr. Gerhard Stoltenberg Andreas StormMax StraubingerMatthäus Strebl Michael StübgenEgon SussetDr. Rita SüssmuthMichael TeiserDr. Susanne Tiemann Gottfried TrögerDr. Klaus-Dieter Uelhoff Gunnar Uldall Wolfgang Vogt
Dr. Horst WaffenschmidtDr. Theodor WaigelAlois Graf von Waldburg-Zeil Dr. Jürgen WarnkeKersten WetzelHans-Otto Wilhelm Gert WillnerBernd WilzWilly Wimmer Matthias WissmannDr. Fritz WittmannDagmar Wöhrl Michael WonnebergerElke WülfingPeter Kurt Würzbach Cornelia Yzer Wolfgang ZeitlmannBenno Zierer Wolfgang ZöllerF.D.P.Ina AlbowitzHildebrecht Braun
Günther Bredehorn Jörg van EssenDr. Olaf FeldmannGisela FrickPaul K. Friedhoff Horst Friedrich Rainer FunkeHans-Dietrich GenscherDr. Wolfgang Gerhardt Joachim Günther
Dr. Karlheinz GuttmacherDr. Helmut Haussmann Ulrich HeinrichWalter HircheBirgit Homburger Dr. Werner Hoyer Ulrich IrmerDr. Klaus KinkelDetlef Kleinert Roland KohnDr. Heinrich L. Kolb Jürgen KoppelinDr.-Ing. Karl-Hans Laermann Dr. Otto Graf Lambsdorff Uwe LührJürgen W. MöllemannGünther Friedrich Nolting Dr. Rainer OrtlebLisa PetersDr. Günter RexrodtDr. Klaus RöhlHelmut Schäfer Dr. Edzard Schmidt-Jortzig Dr. Irmgard Schwaetzer Dr. Hermann Otto Solms Dr. Max Stadler Carl-Ludwig ThieleDr. Dieter ThomaeJürgen TürkDr. Wolfgang Weng
Dr. Guido WesterwelleEnthaltenDr. Burkhard HirschSabine LeutheusserSchnarrenberger Cornelia Schmalz-JacobsenEntschuldigt wegen Übernahme einer Verpflichtung im Rahmen seiner Mitgliedschaft in der Parlamentarischen Versammlung der WEUAbgeordneter Antretter, Robert, SPDKann ich davon ausgehen, daß sich durch die Ablehnung des Gesetzentwurfs des Bundesrates eine Abstimmung über den Antrag der Fraktion der SPD zur Erleichterung des Erwerbs der deutschen Staatsangehörigkeit für Kinder ausländischer Eltern auf Drucksache 13/9941 erübrigt? - Das ist der Fall.Ich rufe den Zusatzpunkt 11 auf:Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P.Zurückweisung des Einspruches des Bundesrates gegen das Gesetz zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes- Drucksache 13/10178 -Es ist namentliche Abstimmung verlangt worden.Nach Art. 77 Abs. 4 des Grundgesetzes ist für die Zurückweisung des Einspruchs des Bundesrates die Mehrheit der Mitglieder des Deutschen Bundestages erforderlich. Das sind mindestens 337 Stimmen.Wer den Einspruch zurückweisen will, muß mit Ja stimmen. Sie benötigen außer Ihrer Stimmkarte auch Ihren Stimmausweis in der Farbe Gelb. Sofern Sie ihn noch nicht geholt haben, ist er dem Stimmkartenfach zu entnehmen. Bitte achten Sie darauf, daß Stimmkarte und Stimmausweis Ihren Namen tragen. Bevor Sie Ihre Stimmkarte in die Urne werfen, übergeben Sie bitte den Stimmausweis einem der Schriftführer an der Urne. Ich bitte die Schriftführer, auf dieses Verfahren zu achten.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 225. Sitzung. Bonn, Freitag, den 27. März 1998 20649
Präsidentin Dr. Rita SüssmuthSind die Urnen besetzt? - Das ist der Fall. Ich eröffne die Abstimmung. -
Haben alle anwesenden Mitglieder des Hauses ihre Stimme abgegeben? - Das ist der Fall. Dann schließe ich die Abstimmung und bitte die Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Das Ergebnis der Abstimmung wird Ihnen später bekanntgegeben.' )
Nach Ende der Abstimmung teile ich dem Hause mit, daß es zu diesem Punkt, über den wir gerade abgestimmt haben, eine Erklärung nach § 31 unserer Geschäftsordnung der Kollegen Bierling und Engelmann gibt, die zu Protokoll geht. ** )
Wir setzen jetzt die Beratungen fort. Ich rufe die Tagesordnungspunkte 14 a bis 14 h auf:
Wirtschaftspolitische Debatte
a) Abgabe einer Erklärung durch die Bundesregierung
Jahreswirtschaftsbericht 1998 der Bundesregierung
„Den Aufschwung voranbringen - Arbeitsplätze schaffen"
b) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung
Jahreswirtschaftsbericht 1998
„Den Aufschwung voranbringen - Arbeitsplätze schaffen"
- Drucksache 13/10107 -
Überweisungsvorschlag :
Ausschuß für Wirtschaft
Finanzausschuß
Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung
Ausschuß für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau Ausschuß für Fremdenverkehr und Tourismus Haushaltsausschuß
c) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft zu dem Entschließungsantrag der Fraktion der SPD zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung
Jahreswirtschaftsbericht 1997 der Bundesregierung
„Reformen der Beschäftigung"
- Drucksachen 13/6963, 13/6800, 13/8227 —
Berichterstattung: Abgeordneter Paul K. Friedhoff
d) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft zu dem Entschließungsantrag
*) Seite 20653 D **) Anlage 7
der Abgeordneten Ernst Schwanhold, Anke Fuchs , Hans Berger, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD zu der Großen Anfrage der Abgeordneten Dr. Uwe Jens, Anke Fuchs (Köln), Robert Antretter, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD
Insolvenzen in der deutschen Wirtschaft
- Drucksachen 13/1488, 13/2416, 13/7430, 13/ 8229 -
Berichterstattung:
Abgeordneter Hansjörgen Doss
e) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung zu dem Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Ökologisch gestalten, soziale Gerechtigkeit wahren und kommende Generationen entlasten
- Drucksachen 13/4671, 13/7152 -Berichterstattung:
Abgeordneter Peter Dreßen
f) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung zu dem Entschließungsantrag der Abgeordneten Christa Nikkels, Elisabeth Altmann (Pommelsbrunn), Marieluise Beck (Bremen), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zu der Großen Anfrage der Abgeordneten Christa Nickels, Elisabeth Altmann (Pommelsbrunn), Gerald Häfner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Gemeinsames Wort der Kirchen „Zur wirtschaftlichen und sozialen Lage in Deutschland"
- Drucksachen 13/3864, 13/5482, 13/6966, 13/ 7414—
Berichterstattung: Abgeordneter Konrad Gilges
g) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Haushaltsausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung
Bericht der Bundesregierung über die Entwicklung der Finanzhilfen des Bundes und der Steuervergünstigungen gemäß § 12 des Gesetzes zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft vom 8. Juni 1967 für die Jahre 1995 bis 1998 (Sechzehnter Subventionsbericht)
- Drucksachen 13/8420, 13/8507 Nr. 1.22, 13/ 9108 —
Berichterstattung:
Abgeordnete Adolf Roth Dr. Wolfgang Weng (Gerlingen) Karl Diller
Kristin Heyne
h) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft zu dem Antrag der Abgeordneten Wolfgang Bierstedt, Eva Bulling-
Vizepräsident Hans-Ulrich Klose
Schröter, Dr. Dagmar Enkelmann, weiterer Abgeordneter und der Gruppe der PDS
Konsequente Ausrichtung der staatlichen Instrumente zur Förderung der wirtschaftlichen Tätigkeit auf Beschäftigungswirksamkeit
- Drucksachen 13/8091, 13/10181-Berichterstattung:
Abgeordneter Manfred Koslowski
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache zweieinhalb Stunden vorgesehen.
- Widerspruch höre ich nicht. Dann ist so beschlossen.
- Darf ich die verehrten Kolleginnen und Kollegen bitten, Platz zu nehmen oder das Plenum zu verlassen.
Das Wort zur Abgabe einer Regierungserklärung hat der Bundesminister für Wirtschaft Dr. Günter Rexrodt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vor zwei Tagen haben das Europäische Währungsinstitut und die Europäische Kommission ihre Konvergenzberichte vorgelegt. Heute nimmt die Bundesbank dazu Stellung. Am Nachmittag wird sich das Kabinett mit den Berichten befassen. Sie zeigen, daß wir auf gutem Weg sind, die Europäische Wirtschafts- und Währungsunion zu begründen. Der Euro kommt. Er kommt pünktlich. Er führt zu mehr Wettbewerb, und er stellt Weichen für zusätzliche Arbeitsplätze. Der europäische Binnenmarkt erhält eine neue Qualität.
Im Jahreswirtschaftsbericht der Bundesregierung nimmt die Wirtschafts- und Währungsunion einen prominenten Platz ein. Dort wird auch gesagt, was vereinbart wurde, um den Euro zu einem nachhaltigen Erfolg zu machen. Wirtschafts- und finanzpolitische Konvergenz müssen auf Dauer angelegt sein. Eine unabhängige Zentralbank und jeweils entschlossene nationale Politik werden auf Stabilität hinwirken. Der Gefahr von Stabilitätsverlusten wird durch die Androhung von Sanktionen vorgebeugt.
Über eine so ausgelegte Politik besteht Konsens in Europa und bei allen politisch relevanten Kräften in Deutschland. Die populistischen Eskapaden des Spitzenkandidaten der SPD ordne ich bewußt nur in die Tagespolitik ein. Alles in allem sind das gute Voraussetzungen dafür, daß dieses so wichtige europäische Vorhaben gelingen kann.
Dagegen gibt es unterschiedliche Vorstellungen und Konzepte in unserem Lande, wenn es um die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit geht. Ich begrüße es ausdrücklich, daß auch der Parteivorsitzende der SPD, Oskar Lafontaine, in seiner letzten Bundestagsrede anerkannt hat, daß sich Koalition und Regierung um die Lösung dieses alles dominierenden Problems bemühen. Dieses Ringen um ein Konzept gegen die Arbeitslosigkeit anerkenne ich ausdrücklich auch für die Opposition. Aber die Unterschiede in der Sache bleiben gravierend. Die Opposition ist in ihren Aussagen gespalten und widersprüchlich. Darauf werde ich noch eingehen.
Die Wirtschaftspolitik der Bundesregierung und der Koalition zielt darauf ab, dieses Land für arbeitsplatzschaffende Investitionen attraktiv zu machen. Arbeit gibt es in Deutschland genug - überall: in den alten und in den neuen Bundesländern. Es kommt aber darauf an, daß diese Arbeit aufgegriffen wird. Dabei muß sich Deutschland im internationalen Vergleich messen lassen und dem globalen Wettbewerb stellen.
Dieser Wettbewerb ist härter geworden. Wir haben dabei gewichtige Vorteile. Deutschland ist ein guter Standort. Wir haben in diesem Wettbewerb aber auch aufzuholen. Dies ist nur möglich, wenn wir mehr Freiraum für marktwirtschaftliche Erneuerung und für Reformen in Wirtschaft und Politik bekommen. Es kann nicht oft genug nachdrücklich gesagt werden: Die Arbeitslosigkeit in Deutschland ist nicht das Ergebnis von zuviel Sozialer Marktwirtschaft, sondern von zuwenig Sozialer Marktwirtschaft.
Die Bundesregierung braucht in ihrer Politik einen langen Atem. Die Zwischenbilanz, die wir im Jahresbericht ziehen, weist Erfolge aus. Aber sie weist auch die Herausforderungen auf, die noch vor uns liegen. Daß wir auf dem richtigen Weg sind, weisen gerade die Erfolge der Länder aus, die die marktwirtschaftliche Erneuerung konsequent vorangetrieben haben.
Auf der Habenseite unserer Bilanz, mit der ich beginnen möchte, stehen: Der Aufschwung in Deutschland gewinnt an Fahrt. Die Wirtschaft wächst 1998 um 2,5 bis 3 Prozent. Die Weltmarktanteile der deutschen Exporteure nehmen zu. Die Inlandsnachfrage stützt zunehmend die Konjunktur. Der private Verbrauch zieht an. Im Osten Deutschlands hat das verarbeitende Gewerbe Tritt gefaßt. Das Haushaltsdefizit geht zurück. Es wird 1998 bei etwa 2,5 Prozent des Inlandproduktes liegen. Die Ausrüstungsinvestitionen steigen um 6 Prozent. Die Staatsquote fällt auf 48 Prozent. Wir haben Preisstabilität. Wir erreichen eine Wende am Arbeitsmarkt.
Ich spreche von einer Wende am Arbeitsmarkt und nicht von einem Durchbruch bei der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit. Am Ende des Jahres 1998 wird es bei vorsichtiger Betrachtung etwa 200 000 Arbeitslose weniger als Ende 1997 geben.
Es gibt auch eine Sollseite - ich will sie nicht verschweigen -: Deutschland ist im internationalen Vergleich der Steuersätze nicht attraktiv. Unser Bildungssystem weist Schwächen auf.
Bundesminister Dr. Gunter Rexrodt
Die Arbeitslosigkeit hat mit einem Jahresdurchschnitt von 4,4 Millionen Arbeitslosen eine unerträgliche Höhe. Das sind die Minuspunkte.
Aber Erfolge und Mißerfolge haben ihre Ursachen. Diese Ursachen müssen Maßstab für eine verantwortungsvolle Politik auch in der Zukunft sein. Daß der Turn-around geschafft wurde, ist nicht zuletzt das Ergebnis tarifpolitischer Vernunft auf beiden Seiten des Verhandlungstisches. Moderate Lohnabschlüsse haben dabei einen entscheidenden Anteil. In unseren Arbeitsmarkt ist Bewegung gekommen. Auf tarifvertraglicher und betrieblicher Ebene gibt es mehr und mehr Vereinbarungen, mit denen die Arbeitszeit vernünftig genutzt wird. Beschäftigung entsteht dadurch, daß wir atmende Betriebe haben, nicht in Regelwerken festgezurrte. Viele Betriebe haben ihre Organisation gestrafft, sie haben in Forschung und Innovation investiert, und sie haben enorme Exportanstrengungen unternommen.
Aber auch und gerade das wirtschaftspolitisch veränderte Rahmenwerk der Bundesregierung hat diese erforderlichen, diese neuen Freiräume geschaffen. Die Reformpolitik von Koalition und Bundesregierung beginnt zu greifen, stetig, Schritt für Schritt, weil wir nicht nachgelassen haben, das Richtige zu tun.
Meine Damen und Herren, wir haben die Vermögensteuer und die Gewerbekapitalsteuer beseitigt. Das war wichtig, weil Substanzsteuern Investitionen verhindern. Der Solidarzuschlag wurde gesenkt, Planungs- und Genehmigungsverfahren sind einfacher und schneller geworden. Es ist aber noch manches zu tun. Es ist jedoch schon ein Unterschied, ob man heute eine gewerbliche Baugenehmigung nach einem halben Jahr bekommt oder, wie in der Vergangenheit, nach zwei Jahren oder einem noch länger dauernden Zeitraum.
Neue Technologien, beispielsweise die Biotechnologie, haben jetzt einen verläßlichen rechtlichen Rahmen. Für neue Arbeitsplätze war es wichtig, daß der Kündigungsschutz gelockert wurde, daß das Vermittlungsmonopol der Bundesanstalt für Arbeit abgeschafft und die Arbeitsförderung reformiert wurden. Die Veränderungen bei der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall haben unstrittig zu ganz enormen Entlastungen in der Wirtschaft geführt. Die Beiträge zur Rentenversicherung und zur Krankenversicherung konnten stabilisiert werden.
Die Bedingungen für Wagniskapital sind verbessert worden. Die Vermögensbildung in Arbeitnehmerhand ist gestärkt worden, und der Wettbewerb bei Post und Telekommunikation hat teilweise explosionsartig Initiativen für neue Dienstleistungen entstehen lassen.
Der Energiesektor wird folgen.
Meine Damen und Herren, dies ist ein Land mitten in der Bewegung, ein Land, in dem sich etwas nach
vorn bewegt, und es ist ein gut Teil Ergebnis unserer Politik, daß wir diese Erfolge verzeichnen.
Eine große Reform steht aus. Die Steuerreform ist uns über die SPD-Mehrheit im Bundesrat vorerst aus der Hand geschlagen worden, eine Reform, die den Bürgern und den Unternehmen 30 Milliarden DM an zusätzlicher Kaufkraft gelassen hätte,
wie wir meinen, gerecht verteilt auf untere und obere Einkommensklassen, auf Arbeitnehmer, auf Mittelständler und auf Körperschaften. Diese Reform wäre weithin als ein Signal für zusätzliche Investitionen und Arbeitsplätze verstanden worden. Sie ist an parteitaktischen Überlegungen der SPD gescheitert.
Erst die Partei und dann das Land war Ihre Devise und nicht umgekehrt, wie Sie es propagiert hatten. Umgekehrt hatten Sie es propagiert, und anders haben Sie gehandelt.
Niemand will vergessen machen, daß es neben den Steuern auch andere Bereiche gibt, in denen Reformen erforderlich sind: In der Bildungspolitik, bei den Gesetzen und Regelwerken und in der Privatisierung steht der Beitrag vieler Länder und vieler Kommunen noch aus. Niemand kann aber übersehen - das sage ich mit großer Ruhe und großem Nachdruck -, daß Bundesregierung und Koalition auf allen Gebieten, auf denen sie nicht behindert wurden, Veränderungen und Reformen, die vor wenigen Jahren noch undenkbar erschienen, vorangebracht haben.
- Ich habe das eben vorgetragen, sehr ausführlich und gegen Ihren Protest. Soll ich das noch einmal tun? Hören Sie zu! Die Liste unserer Reformen ist ungeheuer lang. Wir haben überall da, wo wir von Ihnen nicht behindert worden sind, etwas angestoßen.
Gibt es denn Alternativen zu unserer Politik, zu unseren Reformen?
Gibt es wirklich neue Vorschläge zur Sache? - Lassen Sie mich darauf einmal eingehen: Herr Lafontaine und Herr Schröder setzen prinzipiell auf Stärkung der Kaufkraft und, wie wir hören, auf „weltweit vergleichbare Standards in der Steuer-, Sozial- und Umweltpolitik" - als ob die Stärkung der Kaufkraft nicht auch Bestandteil unserer Politik sei! Wir wollen die Massenkaufkraft stärken durch weniger Abgaben und weniger Steuern. Das bringt mehr Investitionen und mehr Arbeitsplätze, zusätzliches Einkommen und dann auch wieder zusätzliche Kaufkraft.
Bundesminister Dr. Günter Rexrodt
Das ist eine klare, konzeptionell in sich stimmige Politik.
Sie alle wissen, daß Rezepte, die an Stelle einer solchen Politik auf staatliche Kreditfinanzierung oder zusätzliche Belastung der Arbeitskosten hinauslaufen, von vornherein zum Scheitern verurteilt sind. Wir haben das in den 70er Jahren gesehen und sehen es in diesen Tagen und Wochen in Japan, wo ein Konjunkturprogramm das andere jagt, aber im Grunde nichts bewegt wird, das Land in Stagnation verharrt. Mit Konjunkturprogrammen, klassisch kreditfinanziert, können Sie nichts ausrichten. Das ist der erste Punkt.
Der zweite Punkt. Wie naiv ist eigentlich Ihre Vorstellung, daß irgendein Schwellenland sein Sozialsystem, seine Umweltvorschriften, seine Steuersätze nur deshalb den unseren anpaßt, damit wir weiterhin wettbewerbsfähig bleiben! Man mag das beklagen, aber das Gegenteil ist der Fall.
- Ihr Spitzenkandidat hat das doch gerade gestern gesagt, daß er darauf setzt. Lesen Sie das einmal nach! Das ist Ihre Partei: Keiner weiß, was der andere sagt; jeder sagt das, was er gerade für notwendig oder richtig hält.
Das ist Opportunismus, das ist Beliebigkeit!
Was steht in Ihrem Parteiprogramm wirklich Neues? Sie sprechen von moderner Wirtschaftspolitik, von gerechter und zukunftsorientierter Politik. Was heißt das eigentlich? Das ist alles und nichts zugleich. Jeder, der den Anspruch moderner Wirtschaftspolitik erhebt, muß sich auch fragen lassen, wie das Folgende zusammenpaßt: Mehr Investitionen auf der einen Seite und Verweigerung bei der Steuerreform auf der anderen; mehr Ausbildungsplätze hier und eine Ausbildungsplatzabgabe dort. Sie fordern niedrige Lohnzusatzkosten, aber Sie wollen die Rentenreform mit Ihren entlastenden Wirkungen ruck-gängig machen.
Sie fordern mehr Arbeitsplätze und wollen die Reform beim Kündigungsschutz, die auf mehr Einstellungen zielt, rückgängig machen.
Da lesen wir etwas von „marktwirtschaftlichem Leistungswettbewerb", und in von Ihnen regierten Ländern werden gesunde Unternehmen wie beispielsweise die Preussag Stahl reverstaatlicht.
Sie wollen ein modernes Bildungssystem und lassen die Hochschulreform an der Frage der Studiengebühren auflaufen. - Das sind die Fakten.
Sie müssen sich auch fragen lassen, wie Sie die versprochene Erhöhung des Bundeszuschusses zur Rentenversicherung von 45 Milliarden DM finanzieren wollen - und die Erhöhung des Kindergeldes um 5,6 Milliarden DM und das Studentengehalt und die zusätzlichen Ausgaben für Wissenschaft und Forschung.
Meine Damen und Herren, die Bundesregierung wird sich von ihrem klaren, stimmigen Konzept der marktwirtschaftlichen Erneuerung nicht abbringen lassen.
Im Jahreswirtschaftsbericht erläutern wir unsere Reformpolitik.
Darüber hinaus setzen wir einen weiteren Schwerpunkt bei der Erschließung neuer Beschäftigungsfelder. Diese liegen ganz überwiegend im Dienstleistungssektor. Wir haben im Dienstleistungssektor in den letzten Jahren ein kleines Beschäftigungswunder erlebt. Dennoch gibt es gerade bei Dienstleistungen bei uns in Deutschland erheblichen Nachholbedarf.
In der Informationstechnologie haben wir mit der Aktion „Schulen ans Netz", mit unseren liberalisierten Rahmengesetzen, mit der Förderung des „electronic commerce" wichtige Akzente gesetzt. Deutschland nimmt hier wieder einen führenden Platz ein. Wer in den letzten Tagen auf der CeBIT war, wird das bestätigt sehen.
Dienstleistungsbetriebe entstehen im Telebanking, bei Online-Bibliotheken, bei Verkehrsleitsystemen. Telearbeit wird mehr und mehr Alltag. Neue Dienstleistungsarbeitsplätze gibt es in Logistikzentren, in Transportunternehmen, im Bereich der Sicherheit, im Pflege- und Gesundheitsbereich, im Tourismus, in der Finanzberatung, bei freien Berufen und in neuen Betrieben des Handels und Handwerks.
Wie das im einzelnen aussieht, entscheidet der Markt. Dieser Markt kann sich aber nur dann entf alten, wenn er den richtigen Rahmen erhält: durch moderne Berufsbilder, liberale Zugangsbedingungen und grenzüberschreitende Regelwerke.
Die Bundesregierung hat hier mehr - wenn man fair ist, muß man das feststellen - als nur ihre Schularbeiten gemacht - auch in der Existenzgründungsund Förderpolitik.
Bundesminister Dr. Günter Rexrodt
Neue Beschäftigungsfelder in Deutschland können nur erschlossen werden, wenn unsere Volkswirtschaft in ein offenes Weltwirtschaftssystem und in freie Märkte eingebettet bleibt. Die Bundesregierung setzt sich in ihrer Außenwirtschaftspolitik - auch in ihrer Förderpolitik - entschieden dafür ein, daß das bestehende Handelssystem durch ein Abkommen ergänzt wird, das weltweit Investitionsfreiheit gewährt. Unsere Außenwirtschaftspolitik öffnet deutschen Unternehmen Türen für die Teilhabe am Wachstum auf den nach wie vor expandierenden Märkten in Asien, in Lateinamerika und in anderen Teilen der Welt. Wir haben dabei große Erfolge auch und gerade in Mittel- und Osteuropa.
Meine Damen und Herren, kleine und mittlere Unternehmen erhalten bei der Teilnahme an Auslandsmessen umfangreiche Förderung durch Garantien und Beratungen. Das System der Auslandshandelskammern wird ausgebaut. Deutsche Häuser sind sichtbares Zeichen dafür, daß auch der Mittelstand bei Export und Investitionen unterstützt wird.
In Zukunft kommt es darauf an, den Export von Dienstleistungen mehr zu fördern. Die Bundesregierung drängt deshalb darauf, das umfassende Betreiber-Know-how von Stromerzeugern, Flughäfen, Häfen und Gesundheitseinrichtungen im Ausland besser einzusetzen und zu vermarkten. Andere machen damit Milliardenumsätze. Wir haben Nachholbedarf.
Meine Damen und Herren, wer Offenheit erwartet, muß aber auch Offenheit bieten. Protektionismus kommt für uns nicht in Frage, auch nicht unter dem Vorwand von gleichen Standards in der Steuer-, Sozial- und Umweltpolitik.
Lassen Sie mich zum Abschluß - last, but not least - noch einige Ausführungen zu den neuen Bundesländern machen. Das gesamtwirtschaftliche Wachstum ist 1997 erstmals hinter dem im Westen zurückgeblieben. Möglicherweise bleibt das auch 1998 so. Dies ist unbefriedigend und soll in keiner Weise beschönigt werden. Wer aber meint, der Anpassungsprozeß im Osten sei zum Stillstand gekommen, der sieht die Dinge falsch. Diese Wachstumsdelle,
: Die hatten wir
schon mal, die Wachstumsdelle! - Anke
Fuchs [Köln] [SPD]: Der Dellenminister!)
die sich auch auf dem Arbeitsmarkt niederschlägt - leider! -, hat ihre Ursachen wesentlich im Baubereich. Dessen Anteil an der gesamtwirtschaftlichen Wertschöpfung ist im Osten dreieinhalbmal so hoch wie im Westen.
Diesem Einbruch im Baubereich steht eine fast unerwartet günstige Entwicklung im verarbeitenden Gewerbe gegenüber. Dort gibt es Wachstumsraten bei Produktion und Aufträgen um 10 Prozent. Der Export wächst um 20 Prozent. Hier und im künftig wieder wachsenden Dienstleistungsbereich liegen die Potentiale für die Zukunft in den neuen Bundesländern.
In Ostdeutschland gibt es mittlerweile 510 000 selbständige Existenzen, Freiberufler und Unternehmer - quasi aus dem Nichts entstanden. Meine Damen und Herren, es gibt aber auch Pleiten und Liquidationen. Wer wollte das verschweigen? Aber noch wichtiger ist, daß der Saldo aus Betriebsgründungen und Betriebsschließungen in den neuen Ländern nach wie vor positiv ist. Vom ostdeutschen Mittelstand, einem neuen Mittelstand, sind weiterhin Wachstumsimpulse zu erwarten.
Die Bundesregierung hat die Förderung der ostdeutschen Länder im Jahre 1997 neu geordnet. Die Landesregierungen haben daran, im übrigen unabhängig von ihrer politischen Couleur, sehr konstruktiv mitgewirkt. Die Förderung der neuen Länder wird auf hohem Niveau fortgesetzt. Wer sich in den neuen Ländern fair und unvoreingenommen umschaut, der wird erfassen, daß sich dieser Teil unseres Landes auf einem guten Weg befindet.
Meine Damen und Herren, der Jahreswirtschaftsbericht zeichnet ein nüchternes Bild der wirtschaftlichen Entwicklung. Er zeigt unsere Erfolge. Er zeigt die Widerstände, die es zu überwinden gilt. Er zeigt, daß diese Regierung einem Konzept folgt, zu dem es keine überzeugende Alternative gibt. Er zeigt, daß dieses Land dabei ist, seine Strukturen zu verändern, um im weltweiten Wettbewerb vorne zu bleiben. Diesen Weg werden wir auch in Zukunft gehen.
Ich bedanke mich.
Bevor ich die Aussprache eröffne, gebe ich das von den Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstimmung zur Zurückweisung des Einspruches des Bundesrates gegen das Gesetz zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes, Drucksache 13/10178, bekannt.
Abgegebene Stimmausweise: 650. Abgegebene Stimmen: 652. Mit Ja haben gestimmt: 342, mit Nein: 266. Enthaltungen: 44.
Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 651; davon:
ja: 342
nein: 265
enthalten: 44
Ja
CDU/CSU
Ulrich Adam
Peter Altmaier
Anneliese Augustin
Jürgen Augustinowitz Dietrich Austermann Heinz-Günter Bargfrede
Franz Peter Basten Dr. Wolf Bauer
Brigitte Baumeister Meinrad Belle
Dr. Sabine Bergmann-Pohl Hans-Dirk Bierling
Dr. Joseph-Theodor Blank Renate Blank
Dr. Heribert Blens Peter Bleser
Dr. Norbert Blüm Friedrich Bohl
Dr. Maria Böhmer Jochen Borchert
Wolfgang Börnsen Wolfgang Bosbach
Dr. Wolfgang Bötsch Klaus Brähmig
Rudolf Braun
Vizepräsident Hans-Ulrich Klose
Paul Breuer
Monika Brudlewsky
Georg Brunnhuber Klaus Bühler Hartmut Büttner
Dankward Buwitt
Manfred Carstens Peter Harry Carstensen
Wolfgang Dehnel Hubert Deittert Gertrud Dempwolf Albert Deß
Renate Diemers Wilhelm Dietzel Werner Dörflinger Hansjürgen Doss Dr. Alfred Dregger Maria Eichhorn
Wolfgang Engelmann Rainer Eppelmann Heinz Dieter Eßmann Horst Eylmann
Anke Eymer
Ilse Falk
Jochen Feilcke Ulf Fink
Dirk Fischer Leni Fischer (Unna)
Klaus Francke Herbert Frankenhauser
Dr. Gerhard Friedrich
Erich G. Fritz Hans-Joachim Fuchtel Michaela Geiger Norbert Geis
Dr. Heiner Geißler Michael Glos Wilma Glücklich
Dr. Reinhard Göhner
Peter Götz
Dr. Wolfgang Götzer Joachim Gres Kurt-Dieter Grill Wolfgang Gröbl Hermann Gröhe Claus-Peter Grotz Manfred Grund
Horst Günther Carl-Detlev Freiherr von
Hammerstein
Gottfried Haschke
Gerda Hasselfeldt
Otto Hauser Hansgeorg Hauser
Klaus-Jürgen Hedrich Helmut Heiderich Manfred Heise
Detlef Helling
Dr. Renate Hellwig Ernst Hinsken Peter Hintze
Josef Hollerith Elke Holzapfel
Dr. Karl-Heinz Hornhues Siegfried Hornung Joachim Hörster
Hubert Hüppe Peter Jacoby
Susanne Jaffke Georg Janovsky Helmut Jawurek Dr. Dionys Jobst
Dr.-Ing. Rainer Jork Michael Jung Ulrich Junghanns
Dr. Egon Jüttner Dr. Harald Kahl Bartholomäus Kalb Steffen Kampeter
Dr.-Ing. Dietmar Kansy Manfred Kanther Irmgard Karwatzki Volker Kauder
Peter Keller
Eckart von Klaeden Dr. Bernd Klaußner Ulrich Klinkert
Dr. Helmut Kohl Hans-Ulrich Köhler
Manfred Kolbe Norbert Königshofen Eva-Maria Kors Hartmut Koschyk Manfred Koslowski
Thomas Kossendey Annegret Kramp-
Karrenbauer Rudolf Kraus
Wolfgang Krause Andreas Krautscheid
Arnulf Kriedner Heinz-Jürgen Kronberg Dr.-Ing. Paul Krüger
Reiner Krziskewitz Dr. Hermann Kues Werner Kuhn
Dr. Karl A. Lamers
Karl Lamers
Dr. Norbert Lammert Helmut Lamp
Armin Laschet Herbert Lattmann Dr. Paul Laufs Karl-Josef Laumann
Vera Lengsfeld Werner Lensing Christian Lenzer Peter Letzgus Editha Limbach
Walter Link Eduard Lintner
Dr. Klaus W. Lippold
Dr. Manfred Lischewski Wolfgang Lohmann
Julius Louven Sigrun Löwisch Heinrich Lummer Dr. Michael Luther
Erich Maaß Dr. Dietrich Mahlo
Erwin Marschewski Günter Marten
Dr. Martin Mayer
Wolfgang Meckelburg Rudolf Meinl
Dr. Michael Meister Dr. Angela Merkel Friedrich Merz
Rudolf Meyer
Hans Michelbach Meinolf Michels Dr. Gerd Müller Elmar Müller
Engelbert Nelle
Bernd Neumann Johannes Nitsch
Claudia Nolte Dr. Rolf Olderog Friedhelm Ost Eduard Oswald
Norbert Otto
Dr. Gerhard Päselt
Dr. Peter Paziorek Hans-Wilhelm Pesch
Ulrich Petzold Anton Pfeifer Angelika Pfeiffer Dr. Gero Pfennig
Dr. Friedbert Pflüger Beatrix Philipp
Dr. Winfried Pinger
Ronald Pofalla
Dr. Hermann Pohler Ruprecht Polenz Marlies Pretzlaff
Dr. Albert Probst Dr. Bernd Protzner
Dieter Pützhofen Thomas Rachel Hans Raidel
Dr. Peter Ramsauer
Rolf Rau
Helmut Rauber Peter Rauen
Otto Regenspurger
Christa Reichard Klaus Dieter Reichardt
Dr. Bertold Reinartz
Erika Reinhardt Hans-Peter Repnik
Roland Richter
Dr. Norbert Rieder
Dr. Erich Riedl Klaus Riegert
Dr. Heinz Riesenhuber Franz Romer
Hannelore Rönsch
Heinrich-Wilhelm Ronsöhr Dr. Klaus Rose
Kurt J. Rossmanith Adolf Roth Norbert Röttgen
Dr. Christian Ruck Volker Rühe
Dr. Jürgen Rüttgers
Roland Sauer Ortrun Schätzle
Dr. Wolfgang Schäuble Hartmut Schauerte
Heinz Schemken Karl-Heinz Scherhag Gerhard Scheu Norbert Schindler Dietmar Schlee Ulrich Schmalz Bernd Schmidbauer
Christian Schmidt Dr.-Ing. Joachim Schmidt
Andreas Schmidt Hans-Otto Schmiedeberg Hans Peter Schmitz
Michael von Schmude
Birgit Schnieber-Jastram
Dr. Andreas Schockenhoff Dr. Rupert Scholz
Reinhard Freiherr von
Schorlemer
Dr. Erika Schuchardt Wolfgang Schulhoff
Dr. Dieter Schulte
Gerhard Schulz (Leipzig) Frederick Schulze
Diethard Schütze Clemens Schwalbe
Dr. Christian Schwarz-Schilling
Wilhelm Josef Sebastian Horst Seehofer
Marion Seib
Wilfried Seibel Heinz-Georg Seiffert
Rudolf Seiters Johannes Selle Bernd Siebert Jürgen Sikora
Johannes Singhammer Bärbel Sothmann Margarete Späte Carl-Dieter Spranger Wolfgang Steiger Erika Steinbach
Dr. Wolfgang Freiherr von
Stetten
Dr. Gerhard Stoltenberg Andreas Storm
Max Straubinger Matthäus Strebl Michael Stübgen Egon Susset
Dr. Rita Süssmuth Michael Teiser
Dr. Susanne Tiemann Gottfried Tröger
Dr. Klaus-Dieter Uelhoff Gunnar Uldall Wolfgang Vogt
Dr. Horst Waffenschmidt
Dr. Theodor Waigel
Alois Graf von Waldburg-Zeil Dr. Jürgen Warnke
Kersten Wetzel
Hans-Otto Wilhelm Gert Willner
Bernd Wilz
Willy Wimmer Matthias Wissmann
Dr. Fritz Wittmann Dagmar Wöhrl Michael Wonneberger
Elke Wülfing
Peter Kurt Würzbach Cornelia Yzer Wolfgang Zeitlmann
Benno Zierer Wolfgang Zöller
BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN Antje Hermenau
F.D.P.
Ina Albowitz
Hildebrecht Braun
Günther Bredehorn Jörg van Essen
Vizepräsident Hans-Ulrich Klose
Dr. Olaf Feldmann Gisela Frick
Paul K. Friedhoff
Horst Friedrich
Rainer Funke
Hans-Dietrich Genscher Dr. Wolfgang Gerhardt Joachim Günther
Dr. Karlheinz Guttmacher
Dr. Helmut Haussmann Ulrich Heinrich
Walter Hirche
Dr. Burkhard Hirsch Birgit Homburger Dr. Werner Hoyer Ulrich Irmer
Dr. Klaus Kinkel
Detlef Kleinert Roland Kohn
Dr. Heinrich L. Kolb Jürgen Koppelin
Dr.-Ing. Karl-Hans Laermann Dr. Otto Graf Lambsdorff Sabine LeutheusserSchnarrenberger Uwe Lühr
Jürgen W. Möllemann Günther Friedrich Nolting
Dr. Rainer Ortleb Lisa Peters
Dr. Günter Rexrodt Dr. Klaus Röhl
Helmut Schäfer Cornelia Schmalz-Jacobsen Dr. Edzard Schmidt-Jortzig Dr. Irmgard Schwaetzer
Dr. Hermann Otto Sohns Dr. Max Stadler
Carl-Ludwig Thiele Dr. Dieter Thomae Jürgen Türk
Dr. Wolfgang Weng
Dr. Guido Westerwelle
Nein
SPD
Brigitte Adler
Gerd Andres
Hermann Bachmaier Ernst Bahr
Doris Barnett
Klaus Barthel
Ingrid Becker-Inglau Wolfgang Behrendt Hans Berger
Hans-Werner Bertl Friedhelm Julius Beucher Rudolf Bindig
Lilo Blunck
Anni Brandt-Elsweier Tilo Braune
Dr. Eberhard Brecht Edelgard Bulmahn Ursula Burchardt Dr. Michael Bürsch Hans Martin Bury
Hans Büttner Marion Caspers-Merk Wolf-Michael Catenhusen Peter Conradi
Dr. Herta Däubler-Gmelin Christel Deichmann
Karl Diller
Dr. Marliese Dobberthien Peter Dreßen
Rudolf Dreßler
Freimut Duve
Ludwig Eich
Peter Enders
Gernot Erler
Petra Emstberger Annette Faße
Elke Ferner
Lothar Fischer Gabriele Fograscher
Iris Follak
Eva Folta
Dagmar Freitag Anke Fuchs Katrin Fuchs (Verl) Arne Fuhrmann Monika Ganseforth Konrad Gilges
Iris Gleicke
Günter Gloser
Uwe Göllner
Günter Graf Angelika Graf (Rosenheim) Dieter Grasedieck
Achim Großmann Karl Hermann Haack
Hans-Joachim Hacker
Klaus Hagemann Manfred Hampel Christel Hanewinckel Alfred Hartenbach Dr. Liesel Hartenstein Dr. Ingomar Hauchler Dieter Heistermann Reinhold Hemker Roll Hempelmann
Dr. Barbara Hendricks Monika Heubaum Uwe Hiksch
Reinhold Hiller Stephan Hilsberg
Gerd Höfer
Jelena Hoffmann Frank Hofmann (Volkach) Ingrid Holzhüter
Erwin Horn
Eike Hovermann Wolfgang Ilte
Barbara Imhof
Brunhilde Irber Gabriele Iwersen Renate Jäger
Jann-Peter Janssen Ilse Janz
Dr. Uwe Jens
Volker Jung Sabine Kaspereit Susanne Kastner
Klaus Kirschner Marianne Klappert Siegrun Klemmer Hans-Ulrich Klose
Dr. Hans-Hinrich Knaape Walter Kolbow
Fritz Rudolf Körper Nicolette Kressl Volker Kröning Thomas Krüger Horst Kubatschka Eckart Kuhlwein Helga Kühn-Mengel Dr. Uwe Küster
Werner Labsch Brigitte Lange Detlev von Larcher Waltraud Lehn Robert Leidinger Klaus Lennartz
Dr. Elke Leonhard Klaus Lohmann Christa Lörcher
Erika Lotz
Dr. Christine Lucyga
Dieter Maaß Winfried Mante Ulrike Mascher Christoph Matschie
Ingrid Matthäus-Maier Heide Mattischeck Markus Meckel
Ulrike Mehl
Herbert Meißner Angelika Mertens
Dr. Jürgen Meyer Ursula Mogg
Siegmar Mosdorf
Michael Müller Jutta Müller (Völklingen) Christian Müller (Zittau) Volker Neumann (Bramsche) Gerhard Neumann (Gotha) Dr. Edith Niehuis
Dr. Rolf Niese Doris Odendahl
Günter Oesinghaus
Leyla Onur
Manfred Opel Adolf Ostertag Kurt Palis
Albrecht Papenroth
Dr. Wilfried Penner Dr. Martin Pfaff Georg Pfannenstein
Dr. Eckhart Pick Joachim Poß
Rudolf Purps
Karin Rehbock-Zureich Margot von Renesse
Renate Rennebach Otto Reschke Bernd Reuter
Dr. Edelbert Richter
Günter Rixe
Reinhold Robbe Gerhard Rübenkönig
Dr. Hansjörg Schäfer Gudrun Schaich-Walch Dieter Schanz
Bernd Scheelen Siegfried Scheffler Horst Schild
Otto Schily
Dieter Schloten Günter Schluckebier
Horst Schmidbauer
Ulla Schmidt Dagmar Schmidt (Meschede) Wilhelm Schmidt (Salzgitter) Regina Schmidt-Zadel Heinz Schmitt (Berg)
Dr. Emil Schnell Walter Schöler Ottmar Schreiner Gisela Schröter
Dr. Mathias Schubert Richard Schuhmann
Brigitte Schulte Reinhard Schultz
Volkmar Schultz (Köln)
Ilse Schumann
Dr. R. Werner Schuster Dietmar Schütz Dr. Angelica Schwall-Düren Ernst Schwanhold
Rolf Schwanitz Bodo Seidenthal Lisa Seuster
Horst Sielaff
Erika Simm
Johannes Singer
Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk
Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast Wieland Sorge
Wolfgang Spanier Dr. Dietrich Sperling Jörg-Otto Spiller Antje-Marie Steen Ludwig Stiegler
Dr. Peter Struck Joachim Tappe Jörg Tauss
Dr. Bodo Teichmann
Margitta Terborg Jella Teuchner
Dr. Gerald Thalheim Wolfgang Thierse Franz Thönnes
Uta Titze-Stecher Adelheid Tröscher Hans-Eberhard Urbaniak Siegfried Vergin
Günter Verheugen
Ute Vogt
Karsten D. Voigt Josef Vosen
Hans Georg Wagner
Hans Wallow Wolfgang Weiermann
Reinhard Weis Matthias Weisheit Gunter Weißgerber
Gert Weisskirchen Jochen Welt
Hildegard Wester Lydia Westrich
Inge Wettig-Danielmeier
Dr. Norbert Wieczorek Heidemarie Wieczorek-Zeul Dieter Wiefelspütz
Berthold Wittich
Dr. Wolfgang Wodarg
Verena Wohlleben
Hanna Wolf
Heidi Wright Uta Zapf
Dr. Christoph Zöpel
Peter Zumkley
BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN
Rezzo Schlauch
Albert Schmidt
PDS
Wolfgang Bierstedt
Petra Bläss
Eva Bulling-Schröter Heinrich Graf von Einsiedel
Vizepräsident Hans-Ulrich Klose
Dr. Ludwig Elm
Dr. Dagmar Enkelmann Dr. Ruth Fuchs
Andrea Gysi
Dr. Gregor Gysi
Hanns-Peter Hartmann Dr. Uwe-Jens Heuer Dr. Barbara Höll
Dr. Willibald Jacob
Ulla Jelpke
Gerhard Jüttemann
Dr. Heidi Knake-Werner Rolf Kutzmutz
Dr. Christa Luft
Heidemarie Lüth
Dr. Günther Maleuda Manfred Müller Rosel Neuhäuser
Dr. Uwe-Jens Rössel Klaus-Jürgen Warnick Dr. Winfried Wolf
Gerhard Zwerenz
Fraktionslose
Kurt Neumann
Enthalten
BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN
Gila Altmann Elisabeth Altmann
Marieluise Beck (Bremen) Volker Beck (Köln) Angelika Beer
Matthias Berninger
Annelie Buntenbach
Amke Dietert-Scheuer Franziska Eichstädt-Bohlig Dr. Uschi Eid
Andrea Fischer Joseph Fischer (Frankfurt) Gerald Häfner
Kristin Heyne Ulrike Höfken Michaele Hustedt Dr. Manuel Kiper Monika Knoche
Dr. Angelika Köster-Loßack Steffi Lemke
Dr. Helmut Lippelt
Oswald Metzger Kerstin Müller Winfried Nachtwei
Christa Nickels
Egbert Nitsch Cern Özdemir
Gerd Poppe
Simone Probst
Dr. Jürgen Rochlitz
Halo Saibold Christine Scheel
Irmingard Schewe-Gerigk Wolfgang Schmitt
Ursula Schönberger Waltraud Schoppe
Werner Schulz Marina Steindor Christian Sterzing
Manfred Such Dr. Antje Vollmer Ludger Volmer
Helmut Wilhelm Margareta Wolf (Frankfurt)
Entschuldigt wegen Übernahme einer Verpflichtung im Rahmen seiner Mitgliedschaft in der Parlamentarischen Versammlung der WEU
Abgeordneter Antretter, Robert, SPD
Es wird Ihnen nicht entgangen sein, daß es zwischen der Zahl der abgegebenen Stimmausweise und der Zahl der abgegebenen Stimmen eine Differenz gibt. Sie ist aber für das Ergebnis unerheblich. Der Antrag ist angenommen.
Ich eröffne jetzt die Aussprache. Das Wort hat der Kollege Ernst Schwanhold, SPD.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wer wollte leugnen, daß sich die Regierung bemüht, den Wirtschaftsstandort zu verbessern und die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen? Wer wollte leugnen, daß der Bundeswirtschaftsminister diesen Satz in jeder Debatte zum Jahreswirtschaftsbericht gleichermaßen erwähnt? Und wer wollte leugnen, daß das Ergebnis seiner Politik zur Beseitigung der Arbeitslosigkeit
von Jahr zu Jahr dürftiger wird? Wir haben eine steigende Arbeitslosigkeit. Das ist der Maßstab, an dem Sie sich messen lassen müssen, Herr Wirtschaftsminister.
In jeder Debatte sagen Sie uns, was zu tun, was zu verbessern ist. Das Ergebnis Ihrer Politik ist, daß Sie in den letzten acht Jahren in keinem Jahr erreicht haben, daß es nur einen zusätzlichen Arbeitsplatz und damit einen Arbeitslosen weniger gibt. Das ist das Ergebnis Ihrer Politik.
Dabei ist manches eingeleitet worden; das wollen wir nicht verkennen. Darunter sind Schritte, die wir gemeinsam gehen können und gehen müssen. Ihr entscheidender Fehler aber war, die gutwilligen Kräfte der Gewerkschaft zu verprellen und ihnen zu sagen: Ihr werdet für diesen Umbauprozeß nicht gebraucht; wir verzichten auf eure Dienstleistung. Sie haben mutwillig das „Bündnis für Arbeit" zerstört. Wir hätten ein gutes Stückchen weiter sein können, als wir es heute sind.
Ich möchte gerne mit dem Zitat eines geschätzten Kollegen aus diesem Haus beginnen. Er stellte fest:
Wir haben in ... Deutschland Massenarbeitslosigkeit ... Wir haben 600 000 Kurzarbeiter. Es gibt ... 700 000 Bürger, die arbeiten wollen, sich aber gar nicht mehr registrieren lassen, weil sie keine Aussicht mehr sehen, ... eine Arbeit ... zu bekommen ... Diese Arbeitslosigkeit ist doch nicht über Nacht über uns gekommen, sondern sie ist das Ergebnis einer lang angelegten Wachstumskrise, Strukturkrise, Innovationskrise.
Der Kollege fährt fort:
Diese Regierung ist aus eigener Schuld, auf Grund eigener Versäumnisse zu einer Regierung der Arbeitslosigkeit geworden.
Danach heißt es:
Ich möchte einmal die Frage stellen: Was ist denn das für eine Gesellschaft, in der sich diejenigen am besten durchsetzen können, die die stärksten Ellenbogen haben, die Großindustrie gegen den Mittelstand, die Arbeitsfähigen gegen die alten Leute und diejenigen, die einen Arbeitsplatz haben, gegen die Arbeitslosen? Das ist keine Gesellschaft, die mit den Grundwerten unserer Verfassung übereinstimmt.
Recht hat der Redner. Es war Heiner Geißler im Jahre 1982 zur Bundesregierung Schmidt.
Zum heutigen Zeitpunkt mit fast 5 Millionen Arbeitslosen und weitaus mehr Menschen, die resigniert haben, mit weitaus weniger Innovationen, mit weitaus weniger Investitionen, mit weitaus weniger Fortschritt innerhalb des Strukturwandels stellen Sie
Ernst Schwanhold
sich hierher und versuchen, das schönzureden, was Sie als Ergebnis Ihrer Politik zu verantworten haben. Dieses Ergebnis ist in hohem Maße unglaubwürdig und entspricht nicht dem, was Sie selbst sich vorgenommen haben.
Zu dem Zeitpunkt, als diese Rede gehalten wurde, betrug die Arbeitslosigkeit weit unter 2 Millionen. Es war die Debatte zum Jahreswirtschaftsbericht 1982. Ich bin außerordentlich froh, daß Sie heute den letzten Jahreswirtschaftsbericht Ihrer Amtszeit abgegeben haben, Herr Minister.
Ich frage die CDU/CSU und Herrn Geißler, welchen Befund sie heute bei 5 Millionen Menschen ohne Arbeit formulieren würden. Was ist mit den Grundwerten der Verfassung, wie werden sie durchgesetzt? Wie wollen Sie die hohe Massenarbeitslosigkeit, die hohen Konkurswellen Arbeitnehmern und Arbeitslosen sowie dem Mittelstand erklären? Wie wollen Sie in Ostdeutschland angesichts der Krise der Bauwirtschaft und angesichts der Konkurse in diesem Bereich die Vernichtung von Kapital erklären, das vorher mit öffentlicher Förderung aufgebaut worden ist?
Wenn Sie von der Koalition im Jahre 1982 von einer Innovationskrise gesprochen haben - einem Jahr, in dem Deutschland noch eine führende Rolle bei neuen Märkten und neuen Technologien spielte -, wovon reden Sie heute, nachdem wir in den letzten Jahren den Anschluß in solchen Bereichen verloren haben?
„Was hat diese Regierung in den 16 Jahren getan?", müßte man Herrn Geißler fragen. Daß er sich dieser Frage nicht stellt, ist ja auch bezeichnend.
Zu Beginn der 80er Jahre war Deutschland mit den USA das Land mit den höchsten Ausgaben für Forschung und Entwicklung, gemessen an der Wirtschaftsleistung. Heute liegt Deutschland auf Platz neun hinter der Schweiz, Südkorea und Israel. Diese Regierung hat die Forschungsansätze in den vergangenen Jahren systematisch zurückgedreht und hat erst auf unseren massiven Druck hin wieder etwas daraufgelegt. Aber wer Forschung reduziert, reduziert Zukunftschancen, Chancen für Innovationen, Investitionen und neue Arbeitsplätze.
Die Schwerpunkte in der Forschungs- und Entwicklungspolitik, in der wir zurückgefallen sind, sind nicht erkennbar, sondern nach wie vor diffus. Sie gehen mit Schulen ans Netz. Wo ist die Universität, die ebenfalls am Netz ist? Wo ist das Angebot, Vorlesungen von international renommierten Wissenschaftlern im Internet zu haben? Dies wäre ein Schwerpunkt, dem sich der Bundesforschungsminister widmen müßte.
Herr Kollege Schwanhold, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Rüttgers?
Nein, ich möchte im Zusammenhang vortragen. Vielleicht zu einem etwas späteren Zeitpunkt, wenn dieser Gedanke zu Ende ist.
Diese Regierung hat zugesehen, wie das Forschungspersonal in der Wirtschaft in nur fünf Jahren von 1991 an von 322 000 auf 274 000 zurückgegangen ist. Viele Forscher sind in die USA abgewandert und mit ihrer guten Hochschulausbildung dem Standort Deutschland untreu geworden, weil es Ihnen nicht gelungen ist, ihnen auch die materiellen Voraussetzungen zu geben, um aus ihren guten Forschungsergebnissen Arbeitsplätze zu schaffen. Wo ist Ihre Initiative für Chancenkapital? Sie reden davon; aber noch immer müssen Wissenschaftler abwandern, weil die Finanzierungsbedingungen schlecht sind.
Diese Regierung hat zugesehen, wie selbst beim Staat und in Forschungseinrichtungen das Forschungs- und Entwicklungspersonal in fünf Jahren von 91 000 auf 75 000 abgebaut worden ist.
Nach 16 Jahren kommen Sie nun das erste Mal auf den Gedanken, den Jahreswirtschaftsbericht mit Überschriften zu versehen, mit denen diese Regierung nun auf innovativ macht. Sie wollen plötzlich so tun, als seien Sie nach 16 Jahren der Versäumnisse, nach 16 Jahren des Aussitzens die Innovatoren in unserem Land?
Wir Sozialdemokraten haben uns stets für eine breite Forschungspolitik, für neue Technologien, neue Kommunikationstechniken, neue Werkstoffe, neue Umwelttechnologien und neue Energietechniken eingesetzt. Im Jahreswirtschaftsbericht schreiben Sie, die Investitionen in Deutschland stärken zu wollen. Das ist lobenswert und findet unsere Unterstützung. Nur frage ich Sie: Warum haben Sie dann diesen Standort über Jahre hinweg schlechtgeredet, obwohl er gut war und vorzügliche Bedingungen hatte?
- Ich kann Ihnen die Zitatstellen dafür vorlegen.
Warum haben Sie in den letzten Jahren zugesehen, wie Deutschland in eine tiefe Innovationsschwäche geraten ist und der Standort schlechtgeredet wurde - und das in einer Zeit, in der die Massenarbeitslosigkeit von Negativrekord zu Negativrekord gestiegen ist?
Herr Kollege Schwanhold, sind Sie im Augenblick generell gegen Zwischenfragen? Dann brauche ich Sie nicht dauernd zu unterbrechen.
Ich lasse im Moment keine Zwischenfragen zu.
Die Zahlen sprechen eine entlarvende Sprache: Seit dem Wiedervereinigungsboom sind die realen Ausrüstungsinvestitionen gemessen am Bruttoinlandsprodukt von 10,8 Prozent auf 8,6 Prozent in 1997 abgesackt. In 1997 haben die industriellen Investitionen erneut fast stagniert. Unsere europäischen Partnerländer haben 1997 bei den Industrieinvestitionen zum Teil zweistellige Zuwachsraten zu verzeichnen.
Die Anlageinvestitionen in Deutschland haben seit 1994 real nur um 5 Prozent zugenommen, aber nicht etwa pro Jahr - was normal gewesen wäre -, sondern um 5 Prozent in fünf Jahren. Das ist viel zuwenig für einen Beschäftigungsaufschwung. Im internationalen Vergleich von 19 Nationen liegt Deutschland auf dem letzten Platz. Auch das ist das Ergebnis Ihrer Politik, Herr Minister Rexrodt, und dieses Kabinetts insgesamt.
Deutsche Großunternehmen melden Rekordgewinne, der Dax klettert in unerreichbare Höhen. Kapital ist also in ausreichendem Maße vorhanden. Was tun Sie, damit Gewinne und Anlagekapital in reale Investitionen fließen? Was tut diese Bundesregierung, damit nicht verspekuliert wird, sondern auf breiter Front in junge Technologieunternehmen investiert wird?
Die SPD hat schon vor drei Jahren im Deutschen Bundestag konkrete Konzepte vorgelegt, wie Chancenkapital zu mobilisieren ist. Die Koalition hat diesen Antrag verschleppt. Das und nicht Ihr dauerndes Lippenbekenntnis, etwas für mehr Chancenkapital tun zu wollen, ist die Wahrheit. Sie verhindern seit drei Jahren die Beratung dieses Antrags.
Das Heer der Arbeitslosen wächst auf 5 Millionen. Die abhängig Beschäftigten verzeichnen sogenannte negative Realeinkommenszuwächse. Arbeitszeitregelungen, Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und Kündigungsschutz sind zu Lasten sozial Schwächerer verändert worden. Der soziale Friede wird an der einen oder anderen Stelle brüchig. Dabei wissen Sie, daß sozialer Friede neben guter Ausbildung, neben vorzüglichen Hochschulen und neben einer guten Infrastruktur ein wirklich wichtiger Standortfaktor ist. Die Angebotspolitik, die Sie seit zwei Jahren betreiben, kommt nicht wirklich der Beschäftigung oder der Selbständigkeit zugute.
Die Zahl der Selbständigen - das ist auch ein Ergebnis Ihrer Politik - ist heute deutlich niedriger als vor 10 oder 15 Jahren, als zu Zeiten der sozialliberalen Koalition. Im internationalen Vergleich liegen wir außerordentlich schlecht. Wir haben 9 Prozent Selbständige. Im internationalen Vergleich betrachtet müßten wir 15 bis 16 Prozent Selbständige haben. In
den letzten Jahren hat sich niemand getraut, sich selbständig zu machen. Auch das beruht auf mangelndem Vertrauen in die Politik dieser Regierung.
- Auch wenn Sie sagen, es stimme nicht: Die Zahlen sind so, wie ich sie nenne. Sie können sich hier hinstellen und versuchen, das Gegenteil zu beweisen. Das werden Sie nicht schaffen.
In Deutschland machen sich immer mehr Menschen aus dem Staube, die eine gute Hochschulausbildung haben und sich gern hier selbständig machen würden. Das Wegbrechen der Konjunktur, die hohe Pleitenrate und Konkurswelle in Ostdeutschland sind ein Beleg dafür. 1997 sind durch Konkurse 250000 Arbeitsplätze mehr abgebaut worden, als wir durch Neugründungen haben aufbauen können. Auch dies hat etwas mit Politik zu tun und ist kein normaler wirtschaftlicher Prozeß, zumal diese Pleiten in besonderem Maße in Ostdeutschland, in der Bauwirtschaft und bei Unternehmen eingetreten sind, die wir schon einmal gefördert haben. Hier wird Kapitalvernichtung betrieben. Das ist ein falscher Ansatz.
Der Sachverständigenrat für Wirtschaftsfragen hat Ihnen dies auch mehrfach ins Stammbuch geschrieben. Er hat Ihnen gesagt: Wir brauchen Verläßlichkeit in der Finanzpolitik, wir brauchen Verläßlichkeit in der Steuerpolitik, wir brauchen niedrige Steuersätze. Aber was wir zuallererst brauchen, ist eine Korrektur der falschen Politik der Umwälzung der Lasten der deutschen Einheit auf die Lohnnebenkosten, die den Faktor Arbeit so teuer gemacht haben. Dies geht zu Lasten der Klein- und Mittelbetriebe, die eigentlich mehr Spielräume und mehr Erträge bräuchten. Da stimmen wir überein.
Welche Schlußfolgerungen zieht die Bundesregierung? Hier ein paar Mark mehr für ABM, dort ein Zinsverbilligungsprogramm, was wir für richtig halten. Das allein sind doch wirkungslos verpuffende Tropfen auf den heißen Stein.
Sie versuchen - was schlimmer ist -, mit zwei Programmen erneut eine Wählertäuschung vorzubereiten. Sie machen ein kurzfristiges ABM-Programm mit dem Zielwert von einem halben Jahr. Sie ziehen ein paar privat finanzierte Investitionen vor, die hinterher teuer bezahlt werden müssen, nur damit Sie zum Wahltag die Zahl der Arbeitslosen um 100 000 oder 200 000 Menschen senken können.
Dieses Vorgehen ist keine auf Nachhaltigkeit angelegte Wirtschafts- und Beschäftigungspolitik; vielmehr schielt sie nur darauf, bis zum Wahltag über die Runden zu kommen. Es handelt sich um den zweiten oder sogar dritten Versuch des Wählerbetrugs.
Wir brauchen eine neue Politik, einen neuen strategischen Ansatz einer modernen Wirtschaftspolitik aus einer sinnvollen Kombination von Angebots- und Nachfrageseite. Dazu gehört auch die Erschließung neuer Märkte im Bereich der Dienstleistungen, der
Ernst Schwanhold
Kommunikationsdienstleistungen, der Haushaltsdienstleistungen und der sozialen Dienstleistungen. Dazu gehört ein gezieltes Bündel für Ostdeutschland: industrielle Investitionen mit mehr Zielgenauigkeit fördern, den Absatz ostdeutscher Produkte eben nicht nur auf Messen möglich zu machen, sondern auch einem After-sale-service über einen längeren Zeitraum eine Hilfe zu geben, die ostdeutsche Bauindustrie im Bereich der Stadtbausanierung und der Altbausanierung zu fördern und die Forschungslandschaft in Ostdeutschland zu retten und wiederaufzubauen.
Das wären die Hauptfelder einer aktiven Wirtschaftspolitik für die neuen Bundesländer, um das Abkoppeln, das die Bundesregierung ja offenkundig so hinnimmt, zu beenden.
Lösungsansätze dieser Regierung? Keine. Man wartet ab. Es wird auf Mittelfristigkeit der getroffenen Maßnahmen verwiesen - eine Mittelfristigkeit, die jetzt schon 16 Jahre andauert. Deutschland kann nicht mehr warten, und Millionen Arbeitslose wollen dies auch nicht.
Arbeitsplätze schaffen muß erste Priorität in einer neuen Wirtschaftspolitik sein. Dazu gehört das, was der Sachverständigenrat angemahnt hat: Verläßlichkeit in der Finanzpolitik, nachhaltige Stärkung der Investitionen der Unternehmen und Erhöhung der Flexibilität der Märkte.
Zu einer Verbesserung der Wachstumsbedingungen in Deutschland gehört aber auch, Bildung und Ausbildung zu verbessern, Technologie und Innovationen voranzutreiben, den Mittelstand in Handwerk, Handel, Gewerbe und Dienstleistungen zu stärken. Das sind die wichtigsten Handlungsfelder einer modernen Angebotspolitik. Insoweit macht die Bundesregierung noch nicht einmal eine schlüssige Angebotspolitik. Würden Sie diese betreiben, dann müßten Sie nämlich mehr für Forschung, Bildung und den Mittelstand tun.
Ein nachhaltiger Abbau der Massenarbeitslosigkeit kann nur durch die Teilnahme aller Akteure an einem runden Tisch erreicht werden. Das Zusammenwirken von Geld-, Finanz-, Wirtschafts- und Tarifpolitik kann den Teufelskreis von Wachstumsschwäche und Massenarbeitslosigkeit durchbrechen. Deswegen brauchen wir einen Beschäftigungspakt von Regierung, Wirtschaft, Tarifpartnern und Bundesbank. Diesen einzuleiten wird unsere erste Maßnahme nach dem 27. September sein.
Wir brauchen eine europäische Beschäftigungsinitiative und die Bund-Länder-Absprachen zur Schließung von Steuerschlupflöchern, die legal genutzt werden; denn ohne finanzielle Handlungsfähigkeit des Staates gibt es keine Steuererleichterungen für Investitionen, keine neuen Mittel für Bildung, Forschung, Infrastruktur und für Existenzgründungen.
Die Abwärtsspirale aus Massenarbeitslosigkeit, Steuerausfällen, Nachfrageschwäche, Konkursen und weiterem Arbeitsplatzabbau muß umgekehrt werden. Dazu brauchen wir einen anderen Politikansatz der Angebots- und Nachfragepolitik. Ein solchen Ansatz werden wir nach dem Regierungswechsel verfolgen.
Das starre Festhalten der Regierung an der Angebotspolitik im Bereich der Wirtschaft gefährdet den sozialen Frieden. Einen Wettlauf mit den Billiglohnländern auf Kosten der deutschen Arbeitnehmer können wir nur verlieren; wir werden ihn nicht gewinnen. Ein hoher Export allein reicht nicht zur Stärkung der Inlandsnachfrage. Woher soll diese denn kommen? Für mehr Beschäftigung ist die Stärkung der Inlandsnachfrage wichtig. Wenn die Bonner Regierung dies weiterhin nicht berücksichtigt, dann werden Zeiträume verstreichen, die wir dringend benötigen.
Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die Gewerkschaften haben mit moderaten Tariflohnabschlüssen seit langer Zeit die entsprechenden Voraussetzungen geschaffen. Es ist daher nicht verwunderlich, wenn deren Geduld am Ende ist.
Die Regierung zerstört das soziale Gleichgewicht. Doch gerade diese soziale Stabilität bildet die Basis für einen nachhaltigen wirtschaftlichen Aufschwung. Die SPD wird ein Bündnis für Arbeit, Innovation und Gerechtigkeit schmieden.
Die Jugendarbeitslosigkeit, einhergehend mit einem Mangel an Ausbildungsplätzen, spricht für sich. Deutschland braucht eine Politik, in der ausbildende Unternehmen aktiv gefördert werden und in der diejenigen, die sich nicht an der Ausbildung beteiligen, dafür wenigstens einen Beitrag in Form von Zahlungen leisten.
Dabei ist auch die Verantwortung der Unternehmen einzufordern; lieber wäre es uns, wir müßten diese nicht einfordern. Vorbildlich ist hier das deutsche Handwerk zu nennen, dessen Ausbildungsleistung ausdrücklich gelobt werden muß. Aber wo ist denn die Initiative des Bundeswirtschaftsministers, vergleichbar mit der Initiative von Herrn Clement oder von Herrn Schröder, in den jeweiligen Ländern dafür zu werben, daß zusätzlich ausgebildet wird?
Sie reden nur darüber. An Initiativen mit intensiven Bemühungen ist nichts festzustellen.
Wohin wird uns diese Bonner Regierung führen? Betrachten wir einmal die sogenannten Perspektiven. Sie sprechen vom Aufschwung 1998. Es soll eine Verbesserung auf dem Arbeitsmarkt geben. Dabei wird eine gleichbleibend hohe Anzahl von 4,4 Millionen Menschen nicht in Lohn und Brot stehen. In Ostdeutschland wird die Arbeitslosenquote die 20-Prozent-Marke erreichen. Das Wort „Aufschwung" scheint von seiten Ihrer Regierung neu definiert worden zu sein.
Ernst Schwanhold
Sie sprechen von günstigen Rahmenbedingungen, einer weiteren dynamischen Konjunktur unserer Handelspartner. Aber was ist, wenn die Konjunktur gerade in den USA abflacht und wenn die Risiken aus Fernost auch zu uns überschwappen? Dafür ist keine Vorsorge getroffen. Sie verkennen die AsienKrise. Welche Auswirkungen die Aufwertung der D-Mark auf Export und Import hat, wird unter den Teppich gekehrt. Sie verkennen die möglichen negativen Auswirkungen der schwachen deutschen Bauwirtschaft, welche sich bekanntermaßen noch in der Konsolidierungsphase befindet. Sie vergessen die möglichen Zinsharmonisierungen im Zusammenhang mit dem Euro. Das alles schlägt sich in einer moderaten Entwickung des BIP nieder, welches Sie wie im letzten Jahr wiederum mit 3 Prozent prognostizieren. Gelandet sind Sie im letzten Jahr bei 2,2 Prozent.
Ein Rettungsanker soll die erhöhte private Nachfrage sein. Warum soll ausgerechnet in diesem Jahr die Vorjahressituation übertroffen werden? Sie wissen es selbst nicht, wo es herkommen soll. Wie gut oder wie schlecht Sie die wirtschaftliche Entwicklung einschätzen können, zeigt sich an Ihren Vorjahresprognosen. Der Arbeitsmarkt entwickelte sich schlechter, als von Ihnen erwartet. Die Investitionen entwickelten sich deutlich schlechter. Zu guter Letzt überschätzen Sie die Entwicklung der Bruttoeinkommen aus unselbständiger Arbeit.
Dies alles wird nicht dazu beitragen, mit den Problemen fertigzuwerden. Herr Minister, es ist gut für dieses Land, daß es Ihre letzte Rede zum Jahreswirtschaftsbericht war.
Das Wort zu einer Kurzintervention hat der Kollege Dr. Rüttgers.
Herr Kollege Schwanhold, ich habe die ganze Zeit versucht, in Ihren etwas wirren Ausführungen eine Konstante zu finden, um zu erkennen, worauf Sie eigentlich hinauswollen. Weil mir das nicht gelungen ist, will ich wenigstens zu drei Punkten Stellung nehmen, bei denen ich Ihnen vorwerfen muß, daß Sie sich, bevor Sie hier geredet haben, hätten informieren sollen.
Sie haben im Zusammenhang mit meinem Projekt „Schulen ans Netz" gefragt: Wo bleibt denn die Initiative für die Universitäten? Verehrter Herr Schwanhold, ist Ihnen nicht bekannt, daß es in Deutschland ein Deutsches Forschungsnetz gibt, mit 5000 km Backbone-Leitung, inzwischen auf 155 Megabit, gerade in Arbeit zur Hochrüstung auf 622 Megabit, mit ersten Teilnetzen für 1,1 Gigabit, in wenigen Wochen das nächste Teilnetz für 2,6 Gigabit? Das ist das modernste Intranet für Hochschulen, das es auf der Welt gibt, weit vor den USA und vor allen Ländern Europas. Interessanterweise haben sich Rußland, China und die westeuropäischen Länder unserem Netz angeschlossen und nicht dem amerikanischen Netz. Sie hätten sich informieren sollen, bevor Sie darüber reden.
Ist Ihnen nicht bekannt, Herr Schwanhold, daß die Infrastruktur in Sachen Multimedia in Deutschland die beste ist, die es weltweit gibt? Ist Ihnen nicht bekannt, daß wir die modernsten Rahmenbedingungen in Sachen Multimedia haben? Ist Ihnen nicht bekannt, daß die Zahl der Anschlüsse an das Internet im vergangenen Jahr um 72 Prozent gestiegen ist? Ist Ihnen nicht bekannt, daß wir im letzten Jahr erstmals mehr Computer als Autos in diesem Land verkauft haben? Wer die deutsche Seele kennt, weiß, was das heißt.
Sie haben einen zweiten Punkt genannt. Sie haben davon gesprochen, daß es in diesem Land keine Initiativen für Chancenkapital gibt. Ist Ihnen nicht bekannt, Herr Schwanhold, daß der Seed-CapitalMarkt in Deutschland inzwischen der führende in Europa ist? Ist Ihnen nicht bekannt, daß das mobilisierte Beteiligungskapital im BTU-Programm in den vergangenen drei Jahren um 400 Prozent gestiegen ist?
Ist Ihnen nicht bekannt, daß die Anzahl der BioTech-Firmen in Deutschland sich von 1995 auf 1996 verdoppelt, von 1996 auf 1997 noch einmal verdoppelt hat und sich von 1997 auf 1998 wahrscheinlich noch einmal verdoppeln wird?
Sie zeichnen ein Bild von diesem Land, das Sie natürlich zu völlig falschen Schlüssen führen muß. Deshalb haben Sie auch keine Konzeptionen. Deshalb ist der Kern dessen, was Sie hier vorgetragen haben, wie immer: big government - der Glaube daran, daß der Staat alles richten könne, anstatt darauf zu vertrauen, daß die Menschen in diesem Land selbst aktiv werden, daß sie versuchen, High-Tech umzusetzen, daß sie neue Arbeitsplätze schaffen, daß sie die Strukturreform anpacken. Deshalb weiß man im Ausland inzwischen auch, daß es keinen besseren BioTech-Standort in Europa gibt als Deutschland. Deshalb kommen Forscher und Unternehmer wieder zurück nach Deutschland. Die Wahrheit ist eben anders, als Sie sie dargestellt haben.
Herr Kollege Dr. Rüttgers, Sie haben sich auf die Abgeordnetenbank als Abgeordneter begeben. Infolgedessen haben Sie drei Minuten Redezeit. Die sind überschritten.
Okay. Dann will ich nur noch darauf hinweisen -
Noch einen Satz.
Das ist der letzte Punkt. - Ich will noch darauf hinweisen, daß sich die Selbständigenquote, sehr verehrter Herr Kollege Schwanhold, inzwischen von 8,8 auf 10 Prozent erhöht hat, was zeigt, daß der richtige Weg eingeschlagen worden ist und die Erfolge auf dem Arbeitsmarkt in diesem Jahr kommen. Ich bin sicher: 500 000 neue Arbeitsplätze bis zur Sommerpause. Sie werden es erleben.
Herr Kollege Schwanhold, bitte.
Herr Kollege Rüttgers, zu den drei Punkten, die Sie angesprochen haben, möchte ich folgende Bemerkungen machen.
Erstens. Es gibt in den USA 36 Internet-Universitäten; davon habe ich gesprochen. Bei uns gibt es ein erstes ganz dürftiges Modellprojekt. Sie reden hier von Einrichtungen, für die Sie die Vorbereitungen getroffen haben. Das Ergebnis ist: Es gibt noch keinen Forschungsminister in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, der auf so viel Geld verzichtet hat, dem so viel Geld gestrichen worden ist und der so dürftige Erfolge im internationalen Wettbewerb vorzuweisen hat.
36 Internet-Universitäten in den USA, keine einzige komplette in der Bundesrepublik Deutschland.
Ein zweiter Punkt, auf den Sie mich angesprochen haben, ist der Bereich der Biotechnologien. Ja, es gibt erste Bewegungen der Biotechnologieunternehmen, zu uns zurückzukommen.
- Das ist nicht wahr. Dafür hat es einen Rahmen gegeben, über den zu diskutieren war. Es war gut, diesen Rahmen zu diskutieren, in dem bei uns Bio- und Gentechnologien betrieben werden können, weil dieses - wenn man den Rahmen vorher festlegt - am Ende dann auch Planungssicherheit bedeutet.
Es ist aber noch immer eine Schwäche dieses Standortes, daß es nicht ausreichend Kapital für diejenigen gibt, die aus den Hochschulen heraus sich selbständig machen wollen. Es gibt eine Anfangsfinanzierung; aber schauen Sie sich die Ergebnisse der Studie, die McKinsey in dem Pilotprojekt in München und Hamburg vorgelegt hat, an. Es gehen hinterher wieder viel zu viele Unternehmen in Konkurs, und zwar deshalb, weil es keine ausreichende Begleitung durch Venture-Kapitalisten gibt, die nicht nur ein Interesse an Chancenkapital haben, sondern auch daran, daß aus diesen Unternehmen ein Erfolg wird. Gerade dort haben wir große Einbrüche von Unternehmen, die am Markt bleiben könnten.
Es gehen deshalb viele Menschen aus diesem Land in die USA, weil die Bedingungen in den ersten fünf bis zehn Jahren dort besser sind. Wir könnten hier weitaus besser sein angesichts sehr guter Ergebnisse in den Hochschulen, was die Umsetzung der Forschungsergebnisse in die Praxis angeht. Auch dies ist ein Versäumnis, welches ich Ihnen und dem Wirtschaftsminister gleichermaßen vorwerfe.
Die dritte Bemerkung. Ich danke Ihnen ausdrücklich für die Bestätigung der 9 Prozent oder meinetwegen auch 9,5 oder 9,8 Prozent. Sie haben sie nach oben schöngerechnet, ich habe sie aus meiner Sicht nach unten „verfälscht" - dies gebe ich zu -, mit 0,5 Prozent. Die entscheidende Aussage ist: Im vergleichbaren europäischen Ausland haben wir eine Selbständigenquote von 14 oder 15 Prozent. Wir haben in Deutschland deutlich unter 10 Prozent.
Diese Entwicklung müßten wir durch mehr Existenzgründungen, durch bessere Bedingungen für Existenzgründungen umkehren. Davon rücken wir auch nicht ab. Die größten Erfolge hat das Land Nordrhein-Westfalen, übrigens mit der Meisterprämie zum Selbständigmachen von Handwerkern. Dort können Sie sich anschauen, was aktive Wirtschaftspolitik ausmacht - im Unterschied zum Reden über aktive Wirtschaftspoliltik.
Das Wort für eine weitere Kurzintervention hat der Kollege Michelbach.
Herr Kollege Schwanhold, Sie haben mich vorhin zu keiner Fragestellung kommen lassen. Da wollte ich eigentlich die Frage stellen: Was ist Ihr Ansatz für mich als mittelständischen Unternehmer, um mehr Wachstum und Beschäftigung in meinem Betrieb zu erreichen? Ich muß Ihnen attestieren: Worthülsen, Worthülsen, Worthülsen.
Warum machen Sie eigentlich bei einer solchen wichtigen Rede zum Jahreswirtschaftsbericht den Standort Deutschland nur schlecht,
mit Negativbeispielen, die Sie hier immer wieder nennen? Dabei haben Sie insbesondere vergessen, die Negativbeispiele aus Ihren rotgrün regierten Bundesländern darzustellen. Denn letzten Endes liegen viele Dinge, die Sie moniert haben, genau in dieser Zuständigkeit. Sie müssen doch einsehen, daß zur Wirtschaftspolitik auch eine aktive Strukturpolitik der Länder gehört, um die Arbeitslosigkeit abzubauen. Hier haben alle rotgrünen Länder - das ist der klare Beweis - deutlich verloren, deutlich versagt. Das ist die Situation. Schauen Sie sich die Arbeitslosigkeit im Vergleich an! Schauen Sie sich die Selbständigenquote im Vergleich an! Schauen Sie sich die Bildungsausgaben im Vergleich an! Überall da
Hans Michelbach
gibt es große Unterschiede zu den CDU/CSU-regierten Ländern.
Das ist die Situation, die wirklich besteht.
Ich kann Ihnen nur sagen: Es müssen bei den mittelständischen Unternehmern alle Alarmglocken läuten,
wenn Sie immer wieder mit Staatsinterventionismus, mit Staatswirtschaft, mit Staatssubventionen an die Macht kommen wollen. Das ist die Situation, die man deutlich machen muß: Sie wollen ein Steuererhöhungsprogramm und werden damit natürlich weniger Investitionen und mehr Arbeitslose ernten. Sie sind das Standorthemmnis, das wir haben.
In meinem Betrieb und im Bereich der mittelständischen Unternehmer muß ich deutlich machen, daß Sie die Mindeststeuer als Strafsteuer für Investoren einführen wollen und daß wir als Mittelstand dies nicht gebrauchen können. Das wird für uns in der Zukunft zur Existenzfrage. Wir brauchen weniger Staat, mehr Eigenverantwortung, neue Ideen und Innovationen sowie neue Märkte. Das brauchen wir und nicht Ihre staatswirtschaftlichen, staatsinterventionistischen Ansätze. Deswegen ist dieser Ihr Ansatz ein Irrweg. Das kann ich Ihnen aus praxisnaher Erfahrung verdeutlichen.
Herr Kollege Schwanhold.
Herr Präsident, ich will die Antwort recht kurz machen und auf den Teil, in dem vorgefertigte Vorwürfe wiederholt worden sind, nicht eingehen.
Die Frage, was wir für den Standort und für den Mittelstand in diesem Land tun wollen, will ich Ihnen mit fünf Bemerkungen beantworten.
Erstens. Wir werden die Lohnnebenkosten für den beschäftigungsintensiven Mittelstand sofort senken und ihn von jenem Anteil befreien, den Sie durch die falsche Finanzierung der deutschen Einheit daraufgepackt haben. Dies war eine Verschlechterung der Bedingungen für den Mittelstand.
Zweitens. Wir werden die Ungleichgewichte, die in Ihrem Steuersystem entstanden sind, nämlich daß die mittelständische Wirtschaft im Durchschnitt einen deutlich höheren Steuersatz zu zahlen hat als die Großindustrie, sofort durch Veränderung der Abschreibungsbedingungen korrigieren, die dazu führen, daß einige sich von ihrer Steuerlast befreien
können und andere dafür Aufwendungen tätigen, um die Infrastruktur zu finanzieren. Dies geht zu Lasten des Mittelstandes. Wir werden den Steuersatz für die mittelständische Wirtschaft deutlich senken.
Drittens. Wir werden die Nachfragesituation durch eine Senkung der Steuersätze im kompletten Tarifverlauf deutlich verbessern, damit die Menschen in diesem Land durch ihre Nachfrage dafür sorgen, daß die mittelständische Wirtschaft und der Handel Zuwachsraten haben und zu mehr Beschäftigung kommen.
Viertens. Wir werden die Finanzierung von Existenzgründungen, übrigens auch die Wachstumsfinanzierung und die Finanzierung des Zuganges zu den Märkten - das ist die entscheidende Frage für viele Mittelständler im globalisierten Wettbewerb - durch eine Exportoffensive für die mittelständische Wirtschaft deutlich verbessern. Hier gibt es Schwächen, insbesondere in Ostdeutschland, wo man nicht schlechte Produkte produziert, sondern keinen Zugang zu den Märkten gefunden hat. Dies hat nichts mit Staatsinterventionismus zu tun, sondern dabei handelt es sich um eine abgestimmte Angebots- und Nachfragepolitik.
Eine letzte Bemerkung. Es gibt keinen Sozialdemokraten, der nicht in den vergangenen Jahren, als Sie sich hier hingestellt und gesagt haben, daß in Deutschland die Menschen zuviel krankfeiern, daß in Deutschland die Löhne zu hoch sind, daß in Deutschland die Lohnnebenkosten zu hoch sind, daß in Deutschland die Ausbildung schlecht ist, daß in Deutschland zuwenig gearbeitet wird - das sind Ihre Reden gewesen -, betont hätte: In Deutschland ist die Infrastruktur gut, in Deutschland gibt es die am besten ausgebildeten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, es gibt sozialen Frieden, es gibt Verläßlichkeit, wir haben gute Produkte; laßt uns die Schwächen des Standortes ausmerzen und die Stärken betonen. Als Sie noch diesen Standort kaputtgeredet haben, haben wir Sie davor gewarnt und haben versucht, den Menschen in diesem Land Hoffnung angesichts einer Regierung zu machen, die ihnen gesagt hat, sie seien die eigentliche Ursache für die Arbeitslosigkeit.
Das Wort hat der Kollege Hans-Peter Repnik, CDU/CSU.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Verehrter Herr Kollege Schwanhold, ich habe selten eine Rede hier im Plenum gehört, die so von Ignoranz geprägt war wie Ihre Rede.
Hans-Peter Repnik
Ich möchte deshalb ganz kurz auf Sie eingehen.
Wer sich mit dem Jahreswirtschaftsbericht auseinandergesetzt hat, wer die Rede unseres Bundeswirtschaftsministers gehört hat,
wer die Kurzintervention des Bundeswissenschaftsministers Rüttgers gehört hat, der kann sich schlechterdings nicht hier hinstellen und Behauptungen aufstellen, die nicht der Realität entsprechen. Aber dies genau entspricht sozialdemokratischer Politik: Man zimmert sich ein Bild zurecht; man orientiert sich nicht an der Realität, und entsprechend sind dann auch Ihre Ergebnisse.
Ich orientiere mich in solchen Fällen immer an einem sehr guten und schlüssigen biblischen Grundsatz. Wenn eine Behauptung aufgestellt wird, dann wird sie nachgeprüft nach dem Motto: An ihren Früchten werden wir sie erkennen.
Ich will mich nur auf zwei Behauptungen von Ihnen beziehen.
Erstens haben Sie das Hohelied auf die Existenzgründer in Nordrhein-Westfalen gesungen. Ich kann dazu nur sagen: In Bayern beträgt der Anteil der Existenzgründer - bezogen auf die gesamte Bevölkerung, nicht auf die Erwerbstätigen - 4,7 Prozent, in Nordrhein-Westfalen sind es 3,3 Prozent. Damit liegt es am Ende der Skala. Ich kann dazu noch eine andere Zahl anführen. Wenn in den letzten Jahren in Nordrhein-Westfalen eine ähnlich konsequente Existenzgründungspolitik betrieben worden wäre wie in Bayern, dann hätten wir in Nordrhein-Westfalen 177 000 zusätzliche selbständige Betriebe. Das ist nicht eingetreten. Folglich stimmt Ihre Zahl nicht.
- Jetzt bin ich dran. Sie haben soviel Unsinn geredet und an der Wahrheit vorbeigeredet, daß jetzt einmal ein paar Fakten auf den Tisch gelegt werden müssen.
Zweitens. Sie haben der Bundesregierung vorgehalten, im Bereich von Wissenschaft und Forschung nicht genügend getan zu haben.
Ich finde, unser Minister Rüttgers hat überzeugend das Gegenteil belegt. An diesen Fakten kommen Sie nicht vorbei.
Aber ich will eine weitere Zahl nennen. Es ist ja ein offenes Geheimnis, daß in unserem föderativen Staat Wissenschaft und Forschung in erster Linie bei den Ländern in den Universitäten angesiedelt sind. Wenn ich mir jetzt die statistischen Angaben über Ausgaben für Wissenschaft und Forschung vor Augen halte,
dann stelle ich fest: Auf Platz 9 liegt das Land, das von Ihrem Parteivorsitzenden regiert wird, das Saarland; auf Platz 10 liegt das Land, das von Ihrem Kanzlerkandidaten regiert wird, Niedersachsen; auf Platz 11 liegt das Land, das von Ihrem zukünftigen Hoffnungsträger Clement demnächst regiert werden wird, Nordrhein-Westfalen; danach kommen Rheinland-Pfalz und Brandenburg. Die ganze Phalanx sozialdemokratischer Länder findet sich am Ende. Die Länder, denen man ausweislich der Zahlen Versagen attestieren kann, werden von Sozialdemokraten regiert. Das ist die Wahrheit und nichts anderes.
- Verehrte Frau Kollegin Fuchs, Ihre Zwischenrufe sind von derselben Ignoranz geprägt wie der Redebeitrag des Kollegen Schwanhold.
Wo Heiner Geißler recht hat, hat er recht. Deshalb möchte ich das Zitat aus dem Jahr 1982, das er gebracht hat, noch einmal unterstreichen.
Herr Kollege Schwanhold, Sie haben natürlich auch unterschlagen, was sich zwischen 1982 und 1989 getan hat.
Unter dieser Koalition, unter diesem Kanzler Helmut Kohl wurden in diesen Jahren netto über 3 Millionen neue zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen. Dies ist doch die Wahrheit; sie kann doch nicht geleugnet werden.
Sie mißbrauchen die Gelegenheit, hier an diesem Pult zu reden, um die Öffentlichkeit mit Ihren Daten hinters Licht zu führen. Dies werden wir nicht zulassen.
Lassen Sie mich noch etwas zum Thema Selbständige sagen. Es ist doch ganz spannend, da einmal ein paar andere Grunddaten anzusprechen.
- Hören Sie mir bitte zu, damit Sie das nächste Mal hier nicht denselben Unsinn reden.
Hans-Peter Repnik
Erstens. Sie haben gesagt, wir hätten das Umfeld und die Möglichkeiten für Selbständige in den letzten Jahren verschlechtert. Fragen Sie doch einmal den Kollegen Scherhag! Er ist Präsident einer Handwerkskammer; er weiß, daß die Zugänge größer als die Abgänge sind.
Zweitens. Ich darf darauf hinweisen, daß wir im vergangenen Jahr im Zusammenhang mit der Erbschaftsteuer eine ganz schwierige Diskussion geführt haben. Wir wissen ganz genau, daß in vielen Fällen der Übergang von der Elterngeneration auf die Nachfolger deshalb schwierig ist, weil die Finanzierung nicht gesichert ist. Wir fanden Sie nicht an unserer Seite, als es darum ging, ein für Betriebsübergaben freundliches Erbschaftsteuerrecht zu machen. Wir haben es dann schlußendlich durchgesetzt, aber nicht mit Ihren, sondern gegen Ihre Stimmen.
Zum Thema Gewerbesteuer: Was belastet, Herr Schwanhold, unseren mittelständischen Handwerksbetrieb mehr als die Gewerbesteuer?
Sie haben sich geweigert, eine mittelstandsfreundliche Senkung der Gewerbesteuer mit uns durchzuführen. Hier haben Sie sich uns verweigert.
Gewerbekapitalsteuer: Wie lange hat es gedauert, bis wir die Gewerbekapitalsteuer vom Tisch hatten? Das kann doch überhaupt nicht bestritten werden.
Deshalb, meine sehr verehrten Damen und Herren, haben wir hier keinen Nachholbedarf und schon gar keine Nachhilfe von Ihnen nötig. Nein, wir sind - dies zeigt dieser Jahreswirtschaftsbericht - auf dem richtigen Weg. Dies ist doch die entscheidende Botschaft. Die Politik dieser Koalition unter dem Bundeskanzler Helmut Kohl hat zur Stärkung der Investitionskraft und der Leistungsfähigkeit der deutschen Wirtschaft beigetragen, und sie beginnt Früchte zu tragen.
Ich darf jetzt noch auf einen Punkt hinweisen, bei dem Sie, wie ich finde, nicht fair mit den Gefühlen von Menschen umgehen. Sie haben gesagt, wir sollen den Standort nicht zerreden. Nein, wir haben den Standort nicht zerredet.
- Verehrte Frau Kollegin Fuchs, die Politik sozialdemokratischer Regierungen hat doch über Jahre hinweg dazu geführt, daß ab dem Oktober 1982
zuerst eine Bestandsaufnahme gemacht werden mußte, auf der entsprechende Reformen aufgebaut werden konnten.
Jetzt müssen wir feststellen, daß es in einer ganzen Reihe von Fragen einen nachhaltigen Reformbedarf gibt,
im Bereich der Tarifpartner genauso wie im Bereich des Staates. Diesen Reformbedarf haben wir analysiert, festgestellt und mit dem 50-Punkte-Programm Stück für Stück in Gesetze umgesetzt.
Jetzt befinden wir uns in der Situation, um die Früchte zu ernten.
3 Prozent Wirtschaftswachstum und damit die höchste Wachstumsrate innerhalb der OECD-Staaten ist doch ein positives Datum. Das ist doch dieser Regierung und dieser Politik zuzuschreiben. Wir haben einen hohen Auslastungsgrad im verarbeitenden Gewerbe.
- Herr von Larcher, da gibt es doch überhaupt nichts zu lachen.
Wir sollten uns vielmehr freuen, daß wir zunehmend Erfolg haben.
Das Übergreifen der guten Exportkonjunktur auf die Binnennachfrage ist ein gutes Zeichen, wie auch die stabile Preisentwicklung und das historisch niedrige Zinsniveau.
Ich möchte ein anderes Datum nennen, das wichtig für die Zukunft ist: In den Patentstatistiken rangiert Deutschland wieder an erster Stelle vor Japan und den Vereinigten Staaten. Dies sagt doch etwas über unsere Forschungspolitik aus.
Ein anderes wichtiges Datum ist die Biotechnologie: Deutschland hat wieder den Anschluß an die Weltspitze hergestellt. Es trifft eben nicht das zu, was Sie gesagt haben. Wir haben zum erstenmal auch hier eine Trendwende. Das heißt ganz konkret: Die Unternehmen verlagern ihre Forschungs- und Produktionsstätten und damit ihre Arbeitsplätze wieder zurück nach Deutschland. Das ist doch ein gutes Datum. Dies müssen wir der Bevölkerung vermitteln.
Hans-Peter Repnik
Sie kommen doch an einer anderen Zahl nicht vorbei: Rund 400 000 offene Stellen belegen doch, daß es aufwärtsgeht. Ich finde es nicht korrekt, wenn Sie hier mit den Gefühlen der Menschen spielen.
Sie wissen ganz genau, daß viele, zu viele Menschen in der Bundesrepublik Deutschland nach Arbeit nachsuchen und hoffen, in Arbeit zu kommen. Diesen Menschen müssen wir doch mit diesen Zahlen Mut machen
und die Lage nicht miesmachen. Das ist doch die Parole, um die es heute geht.
Ich will Sie an einem anderen Punkt stellen; denn es ist mir wichtig, dies in diesem Zusammenhang zu nennen. Wenn es um Arbeitsplätze geht, dann wissen wir doch - das sagen uns alle Experten; das sagt uns die internationale Finanzwelt: Das Thema Steuerreform spielt hier eine ganz entscheidende Rolle.
Die Steuerreform ist ein Baustein für Wachstum, für Investitionen, für Konsum und damit für Arbeitsplätze. Sie haben diese Steuerreform ausschließlich aus wahltaktischen Gründen vereitelt. Eiskaltes Kalkül und blanker Zynismus haben auf dem Rücken von Millionen von Arbeitslosen Regie geführt.
- Sie sollten sich darüber gar nicht aufregen. Das ist nicht nur meine Meinung. Sie wird von anderen geteilt.
Vielleicht darf ich hier einen Zeugen in den Zeugenstand rufen, der nicht im Verdacht steht, in seiner Kritik mit dieser Koalition zimperlich umzugehen. Der Präsident des Bundes der Steuerzahler, Karl Heinz Däke, hat zum Thema Steuerreform und Blokkade folgendes gesagt - ich darf ihn hier zitieren -:
Das liegt an der Blockade der SPD.
- Das sind die Worte von Herrn Däke, nicht meine. Ich zitiere den Präsidenten des Bundes der Steuerzahler.
Offenbar ist die Steuerreform so gut gewesen, daß die SPD sie einfach ablehnen mußte, weil die Koalition auf Grund der Steuerentlastung sonst die nächste Wahl gewonnen hätte. Die SPD trägt die Verantwortung für das Scheitern der Reform.
So Herr Däke. Ich will ihm nicht widersprechen.
Verehrte Frau Kollegin Fuchs, die Wahrheit tut weh. Das ist wohl wahr.
Deshalb will ich Ihr geschätztes Parteimitglied, unseren früheren Kollegen Hans Apel - er war immerhin einmal Finanzminister -, zitieren,
der in diesem Zusammenhang im „Handelsblatt" gesagt hat:
Es darf nicht sein, daß der Bundesrat seine Mehrheit nutzt, um sachkundige Lösungen zu blockieren.
Daß den Akteuren der SPD - deshalb auch Ihre Nervosität am heutigen Vormittag - angesichts der einhelligen Kritik in dieser Frage zunehmend weniger wohl ist, zeigen Äußerungen, die gleichzeitig die Konzeptionslosigkeit in einer für den Arbeitsmarkt zentralen - den haben Sie zu Recht in den Mittelpunkt Ihrer Ausführungen gestellt - innenpolitischen Frage deutlich machen. Was sagt die SPD zu diesem zentralen Feld? Im Wahlprogramm der SPD wird ein Spitzensteuersatz von 49 Prozent gefordert. Scharping, Ihr Fraktionsvorsitzender, konnte sich auch schon 40 Prozent vorstellen.
Lafontaine sieht wenig Spielraum und stellt auch diesen noch unter einen Finanzierungsvorbehalt.
Clement fordert 43 bis 45 Prozent und wird sofort, kaum hat er dies gefordert - denn er weiß, daß dies im Hinblick auf eine positive Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt wichtig ist -, wieder in das Korsett der Parteidisziplin gepreßt. Dies ist Ihre Politik.
Was sagt der Kanzlerkandidat Schröder zu dieser Frage?
Ich will die Antwort gar nicht geben. Die Antwort hierzu, was Schröder insgesamt zur Politik sagt, hat Erhard Eppler im „Spiegel" gegeben.
Erhard Eppler hat gesagt: „Schröder, das ist reine Lotterie." Ich kann nur sagen: Der Standort Deutschland darf nicht zu einem Glücksspiel verkommen.
Hans-Peter Repnik
Deshalb dürfen wir ihm in dieser Frage auch nichts anvertrauen.
Die SPD ist doch nicht ohne Not dabei, Ihre Blokkadespuren auf diesem wichtigen innenpolitischen Feld zunehmend zu verwischen und zu vertuschen. Die Diskussion der letzten Monate hat gezeigt: Alle Sachverständigen, die Wirtschaft, der Steuerzahlerbund und die ausländischen Experten fordern eine Steuerreform.
Nachdem offensichtlich wieder Bewegung in die sozialdemokratische Diskussion kommt, frage ich Sie ganz förmlich, und offiziell,
ob es nicht angesichts der Zahl der Arbeitslosen denkbar ist, Frau Kollegin Fuchs,
daß wir uns noch einmal zusammensetzen, daß wir uns Gedanken machen, ob wir nicht vielleicht doch noch eine Reform zustande bringen, die ein ganz wesentliches Signal und einen Impuls für Investitionen und für den Konsum geben würde und die damit am Arbeitsmarkt fruchten würde.
Ich habe bewußt unseren Gesetzentwurf mitgebracht. Wir haben ihn diskutiert, und wir haben ihn in diesem Hohen Haus verabschiedet.
Jeder Sachverständige sagt, wenn der Gesetzentwurf nicht im Bundesrat blockiert worden wäre, wären wir beim Abbau der Arbeitslosigkeit in der Bundesrepublik Deutschland einen gewaltigen Schritt weiter.
Ich weiß sehr wohl, daß ich Ihnen jetzt etwas zumute. Heute in einem halben Jahr ist Bundestagswahl. Ich sage Ihnen trotzdem: Wenn es Ihnen mit der Verbesserung der Standortbedingungen, mit der Verbesserung der Investitionsbedingungen, mit dem Abbau der Arbeitslosigkeit und der Schaffung von Arbeitsplätzen so ernst ist, wie Sie heute früh hier den Eindruck vermittelt haben, dann lassen Sie uns über diesen Steuerreformentwurf reden. Er ist doch da, und wir haben ihn über ein Jahr diskutiert. Wir sind bereit, mit Ihnen auch über ein Inkrafttreten zum 1. Januar 2000 zu reden. Wir sind bereit, mit Ihnen noch einmal über ein stufenweises Herantasten in dieser Frage zu reden. Aber wir müssen den Menschen deutlich machen, daß wir, und zwar im Sinne der Lösung des zentralen Problems in dieser Republik, des Abbaus der Arbeitslosigkeit, über Parteigrenzen hinweg eine sinnvolle Reform durchführen.
Ich kann nur sagen, meine sehr verehrten Damen und Herren von der SPD: Ich habe viele positive Kommentare zu der Rede in Erinnerung, die unser Bundespräsident Roman Herzog in Berlin gehalten hat, wo er davon sprach: „Ein Ruck muß durch Deutschland gehen. "
- Ich widerspreche ihm ja nicht; dieser Ruck geht, und das ist gut so. - 49 von 50 Punkten unseres Programms für mehr Wachstum und Beschäftigung haben wir bereits umgesetzt. Aber wenn der letzte, zentrale Ruck in dieser Frage erfolgen soll, dann schaffen wir das nur gemeinsam.
Deshalb mein Angebot und meine Bitte fernab jeglicher Parteipolemik und des Wahlkampfs: Lassen Sie uns dieses Papier noch einmal in die Hand nehmen und schauen, was der Bundesrepublik Deutschland, der Bevölkerung, dem Arbeitsmarkt und nicht zuletzt den Arbeitslosen guttut.
Ich möchte noch zwei, drei Daten nennen und zum Schluß ein Zitat bringen; das sei mir gestattet. Sie haben gefragt: Was ist alles schon gelaufen? Ich will noch ein paar Erfolge in den Vordergrund rücken: Die Staatsquote ist in den letzten zwei Jahren nachhaltig gesunken. Sie wird Ende des Jahres bei 48 Prozent sein - ein Erfolg dieser Regierung. Die Lohnzusatzkosten sind zum erstenmal gesunken, weiter fallende Tendenz. Die gesamtwirtschaftliche Arbeitsproduktivität ist 1997 um 3,7 Prozent gestiegen. Die Lohnstückkosten sind zurückgegangen, im Gegensatz zum Trend in allen unseren Konkurrenzstaaten. Der Weltmarktanteil der deutschen Exporte ist wieder gestiegen. Mit 11 Prozent ist der Export real stärker gewachsen als der Welthandel.
Das heißt konkret: Den Unternehmen ist es gelungen, Weltmarktanteile zurückzuerobern. Das hat etwas mit dieser Politik zu tun, und es führt ganz konkret zu neuen Arbeitsplätzen und sichert vorhandene Arbeitsplätze.
Was würde geschehen, wenn Ihr Programm und Ihre Politik umgesetzt würden? Ich möchte zum Schluß einen Herrn zitieren, der in dieser Woche häufig von Ihnen zitiert wurde
und der ebenfalls unverdächtig ist, dieser Regierung in den letzten Monaten viel Freude bereitet zu haben; das ist der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie, Herr Henkel. Herr Henkel hat - ich habe ihn gehört - am Mittwoch früh im Deutschlandfunk folgendes zu Ihrer Politik gesagt:
Ich muß mal daran erinnern, daß die SPD ja im Augenblick vorhat, die Vermögensteuer wieder einzuführen. Wissen die, was das bedeutet für die Kapitalflüsse? Man überlegt sich, eine Lehrlingsteuer einzuführen. Haben die wirklich einen
Hans-Peter Repnik
Überblick über die Kostenstrukturen des Mittelstandes und was das für den bedeutet?
Was bedeutet es, wenn man die Rentenreform zurückdreht? Was für Folgen auf die Lohnnebenkosten, die die SPD ja auch senken will, hat es eigentlich, wenn man die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall wieder auf 100 Prozent stellt?
Der deutsche Mittelstand ist um zirka 10 bis 15 Milliarden DM entlastet worden dadurch.
Henkel weiter:
Wenn das Programm à la Lafontaine in der SPD jetzt in die Tat umgesetzt wird, dann wird eine Richtung, und zwar eine falsche, eingeschlagen. Wenn Sie dann noch das Programm der Grünen nehmen, dann stehen wir in der Tat vor einem großen Problem.
Das ist wohl wahr.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, diese Koalition - das sagt der Jahreswirtschaftsbericht aus - hat in den vergangenen vier Jahren ihre Hausaufgaben gemacht. Es liegt jetzt an uns - ich möchte auch Sie dazu einladen -, den Bürgern in dem jetzt beginnenden Wahlkampf deutlich zu machen, daß nur eine ehrliche Bilanz und die daraus abgeleiteten Maßnahmen zum Ziel führen.
Was wir den Bürgern zumuten - das ist wohl wahr -, ist nicht bequem, sondern anstrengend. Aber die Bürger spüren, daß es einen Reformbedarf gibt.
Wir müssen ihnen diese Anstrengungen zumuten, um den Standort Deutschland auch für die Zukunft wettbewerbsfähig zu machen, um Arbeitslosigkeit zurückzuführen und um der jungen Generation Zukunftschancen zu geben. Dies ist unser Ziel. Auf diesem Weg werden wir voranschreiten.
Das Wort zu einer Kurzintervention hat der Kollege Joachim Poß.
Herr Kollege Repnik, Sie haben hier mit der Aggressivität eines angeschlagenen Boxers
- übrigens steht Ihnen diese Aggressivität nicht - den unzutreffenden Vorwurf der Blockade der SPD wiederholt. Sie begeben sich damit in die Gefahr einer zweiten großen Steuerlüge,
[SPD]: Sehr richtig! -
Widerspruch bei der CDU/CSU - Ulrich
Heinrich [F.D.P.]: Ha! Ha!)
weil all die Segnungen, die mit Ihrer Steuerreform angeblich verbunden sind, jedenfalls von den Aussagen der Sachverständigen nicht gedeckt werden. Zu diesem Ergebnis kommt man, wenn man sich die Protokolle der Anhörungen des Finanzausschusses anschaut. Sie blockieren sich in der Tat selbst.
Mit Ihrer Bitte, doch erneut ins Gespräch zu kommen, haben Sie die Kakophonie in Ihren Reihen allerdings komplett gemacht. Bis vor wenigen Tagen hat der F.D.P.-Vorsitzende Gerhardt gefordert, die gescheiterte Steuerreform in dieser Legislaturperiode noch einmal einzubringen.
Herr Schäuble hat gestern in einem Interview der „Wirtschaftswoche" dazu kategorisch nein gesagt.
Bundeskanzler Kohl hält dagegen an den gescheiterten Petersberger Beschlüssen der Koalition fest und warnt davor, eine Steuerreform zu planen, die hinter diesen Beschlüssen zurückbleibt. So sagte er auf der Jahresveranstaltung der gewerblichen Wirtschaft am 25. März.
Die F.D.P. wiederum hat längst den Boden der Petersberger Beschlüsse verlassen und angekündigt, sie wolle auf ihrem Parteitag am 19. April ihr altes Steuerstufenmodell beschließen und damit in den Bundestagswahlkampf ziehen. Der F.D.P.-Stufentarif führt nach Angaben der Bundesregierung zu jährlichen Steuerausfällen von über 80 Milliarden DM. Aber auch deutlich geringere Steuerausfälle sind für den Fraktionsvorsitzenden Schäuble schon viel zu viel. Selbst eine weitere Senkung des Solidaritätszuschlags „geht schon deshalb nicht, weil wir die Neuverschuldung bis an die Grenze des Artikels 115 Grundgesetz gefahren haben". Angesichts dieser Sachlage, Herr Repnik, dürfte der Öffentlichkeit wohl klargeworden sein, wie seriös ihr Gesprächsangebot heute morgen war.
Zweitens. Die Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer war für uns nie das Thema.
Für uns war das Thema, den Kommunen auf Dauer eine eigenständige Finanzierungsquelle zu sichern, was wir erreicht haben. Für uns war das Thema, den Gemeinden einen finanziellen Ausgleich zu sichern. Das haben wir auch im Interesse und mit Unterstützung der CDU-geführten Kommunen erreicht.
Joachim Poß
Sie werden es uns angesichts ihrer schwierigen Finanzsituation danken.
Drittens. Nach Ihrer wirtschaftspolitischen Philosophie müßte doch die Zahl der Arbeitsplätze in Ostdeutschland anwachsen, denn dort gab es nie die Gewerbekapitalsteuer und die Vermögensteuer. In diesem Jahr wird die Vermögensteuer auch im Westen nicht mehr erhoben, und die Gewerbekapitalsteuer ist abgeschafft. Aber wo ist denn der Arbeitsplatzzuwachs? Sie haben doch in den Debatten des Deutschen Bundestags im letzten Jahr den Eindruck erweckt, die Gewerbekapitalsteuer sei der Arbeitsplatzkiller Nummer eins. Nehmen Sie doch einmal die Fakten zur Kenntnis, Herr Repnik, und schieben Sie dieses ideologische Gewäsch beiseite. Das führt uns nicht weiter. Das nützt dem Standort wirklich nicht.
Die drei Minuten sind vorbei, Herr Kollege Poß. Einen Satz noch.
Im gemeinsamen Interesse sind wir wirklich bereit, alles zu tun, um Arbeitsplätze zu schaffen. Daß wir jedoch unseren Staat systematisch ruinieren, indem wir abenteuerliche Pläne verfolgen, können Sie von uns Sozialdemokraten nicht verlangen.
Herr Kollege Repnik, möchten Sie erwidern?
- Das ist nicht der Fall.
Dann hat jetzt die Kollegin Margareta Wolf, Bündnis 90/Die Grünen, das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Repnik, Sie haben soeben gesagt, an Ihren Früchten sollen wir Sie messen. Das tun wir. Wir haben den historischen Höchststand von 5 Millionen Arbeitslosen, und im „Handelsblatt" der letzten Woche - ich bitte Sie jetzt zuzuhören, was die Früchte anbelangt - war nachzulesen:
Die gesamtwirtschaftlichen Daten und die Steuerstatistik zeigen zwischen 1992 und 1997 folgende Entwicklung: Beim Anstieg des Bruttoinlandprodukts um 16,9 Prozent erhöhten sich die Einkommen aus Unternehmertätigkeit und Vermögen netto um 46,8 Prozent, die Lohn- und Gehaltssummen netto um 3,1 Prozent. Die Zahl der Beschäftigten ging um 2,1 Millionen zurück, und trotzdem lag das Aufkommen aus veranlagter Einkommen-, Körperschaft-, Kapital- und Vermögensteuer mit einem Minus von 6,9 Prozent unter dem Niveau von 1992. Das Lohnsteueraufkommen lag hingegen bei einem Plus von 20 Prozent gegenüber 1992.
Meine Damen und Herren, das sind die Früchte, die Sie jetzt zu ernten haben. Das bedeutet, Sie haben eine Gerechtigkeitslücke in diesem Land produziert, die atemberaubend ist.
Herr Rexrodt, Sie haben heute davon gesprochen, man müsse auf langen Atem setzen; Sie seien optimistisch. Auf langen Atem setzt die F.D.P. als Regierungspartei schon seit 29 Jahren. In der Debatte um den letzten Jahreswirtschaftsbericht haben Sie sich siegesgewiß gegeben. Ich möchte an einen Ihrer Sätze erinnern, mit dem Sie uns 1997 konfrontiert haben:
Ich bleibe aus guten Gründen bei unserer Prognose. Am Endes des Jahres 1997 wird es weniger Arbeitslose und mehr Beschäftigte als am Ende des Jahres 1996 geben.
Es ist inzwischen tatsächlich nicht mehr zu zählen, in wie vielen Jahreswirtschaftsberichten in Folge Sie, Herr Minister, die Trendwende am Arbeitsmarkt beschworen haben. Was ist geschehen? Nichts ist geschehen.
Tatsache ist, daß Sie es in den letzten Jahren nicht geschafft haben - darauf hat der Kollege Schwanhold hingewiesen -, netto auch nur einen Arbeitslosen mehr in Lohn und Brot zu bringen. 1997 hat es mehr Arbeitslose und weniger Beschäftigte - fast eine halbe Million - gegeben als 1996. Ebenso hat es 1996 400 000 mehr Arbeitslose gegenüber 1995 gegeben. Hier von einer positiven Trendwende am Arbeitsmarkt zu reden, halte ich für relativ unverfroren.
Vor diesem Hintergrund, Herr Minister, ist es doch ausschließlich ein Zeichen von Hilflosigkeit, wenn Sie in Zweckoptimismus schwelgen und wie ein artiger Schüler all das aufzählen, was Sie getan haben. Ihre Parole des schlichten „Weiter so", die Sie ausgeben, greift nicht mehr. Auch wenn Sie ständig wiederholen, Sie seien auf einem guten Weg - das haben Sie im vorletzten Jahr gesagt und im letzten Jahr und heute wiederholt -, kann ich Ihnen nur sagen: Sie stehen seit Jahren am Ende einer Einbahnstraße, und das Fatale ist, daß Sie es überhaupt noch nicht gemerkt haben.
Herr Bundeskanzler, ich fand das Happening geradezu grotesk und zynisch, das Sie und die Herren Verbandsvertreter uns am Rande der Handwerksmesse in München vorgeführt haben.
- Nicht alle. - Um Sie, Herr Kanzler, herumdrapiert verkünden Herr Hundt, Herr Henkel, Herr Stihl und Herr Philipp, es werde bis September Manna regnen. Auch Herr Repnik hat gesagt: Im Sommer wird es über diesem Land Manna regnen. Ich kann nur sagen: Lassen Sie diese Geschichten!
Der eine, Herr Hundt, sieht 500 000 neue Arbeitsplätze auf Grund der Konjunkturentwicklung entste-
Margareta Wolf
hen, und Herr Philipp - ich habe gedacht, ich höre nicht richtig - sieht 500 000 neue Arbeitsplätze entstehen, wenn nur jeder seine Handwerkerrechnung von der Steuer absetzen könnte. Das fordert ein Verbandspräsident bei einer Gesamtverschuldung des Staates - Bund, Länder und Kommunen - in Höhe von 2,2 Billionen DM. Ich glaube, ich habe sie nicht mehr alle.
Wir haben einen Höchststand an Arbeitslosigkeit in diesem Land, wir haben einen Höchststand an Pleiten, einen Höchststand an Staatsverschuldung und einen Höchststand an Abgaben, und dann verkünden diese Herren in dieser dramatischen Situation, in der unser Gemeinwesen zur Disposition steht, solche Geschichten. Als wären wir beim Karneval im Rheinland.
Durch diesen von Ihnen evozierten Parteilobbyismus zerstören wir die Grundlagen unseres Verbändestaates. Wir brauchen in dieser Situation starke Verbände, nicht aber Parteilobbyisten.
Noch eine Bemerkung zu dem angesprochenen Herrn Henkel, verehrter Herr Kollege Repnik: Der Herr Minister hat vorhin gesagt, wir sollten endlich aufhören, den Standort schlechtzureden. Wer redet denn in diesem Land seit Jahren den Standort schlecht? Wer fährt denn mit dem Minister durch die ganze Welt und beklagt, wir hätten in Deutschland ein Kostenproblem, ein Infrastrukturproblem, ein Bildungsproblem? Wer sagt denn seit 1989 jedes Jahr Weihnachten im Fernsehen, Herr Blüm sei ein verträumter Weihnachtsengel, ein Standortrisiko für Deutschland, wir bräuchten die Aufgabe des Flächentarifvertrages? - Dieser Mann, den ich für eines der Standortrisiken überhaupt halte - obwohl er eigentlich Strahlkraft für ausländische Investitionen in Deutschland ausüben sollte -, sagt heute: Wenn es am 27. September 1998 einen Politikwechsel gebe, werde endlich der Morgenthauplan realisiert, ziehe das eine Deindustrialisierung nach sich.
Dieser Mann ist das Standortrisiko par excellence. Daß Sie sich mit dem zusammen im Fernsehen zeigen und sich hier auf ihn beziehen, wird Ihnen noch schwer auf die Füße fallen.
- Bestätigen Sie sich nur ständig selbst. Ihre Partei regiert seit 29 Jahren. Eine solch hohe Arbeitslosenquote hatten wir noch nie.
Noch nie haben so wenige Ausländer in Deutschland investiert wie in dieser Zeit. Schauen Sie sich Hessen an, ein rotgrün regiertes Land - von dort komme ich -: Dort gibt es den Aufschwung.
- Sie können gleich noch reden, Herr Solms. Sie brauchen sich jetzt nicht auf meine Kosten warmzureden.
Wir brauchen einen Politikwechsel in diesem Land, wir brauchen eine Verantwortungsdemokratie, und wir brauchen einen Generationenwechsel in den Verbänden und der Politik.
Die Tarifparteien haben ihre Hausaufgaben gemacht. Sie haben Lohnzurückhaltung geübt. Das hat ihnen auch der Sachverständigenrat bescheinigt - übrigens die einzige positive Bescheinigung des Sachverständigenrates in diesem Jahresgutachten.
Angesichts des Problemstaus, den Sie, meine Damen und Herren von der Koalition, zu verantworten haben, verwundert es nicht, daß die Trendwende am Arbeitsmarkt bislang ausgeblieben ist. Beschwörungen alleine nutzen da überhaupt nichts. Sie haben es versäumt, verläßliche Voraussetzungen für Investitionen zu schaffen, die notwendig sind, damit zukunftsfähige Arbeitsplätze in einem Umfang entstehen können, daß von einer Trendwende am Arbeitsmarkt tatsächlich gesprochen werden kann.
Es ist bedauerlich - ich glaube, Helmut Schmidt ärgert sich noch heute darüber -: Der Jahreswirtschaftsbericht ist zum Ritual degeneriert. Er enthält vor allen Dingen warme Worte zur Beschönigung der Lage. Das ist aus unserer Sicht völlig unangemessen. Deutlich wird dies auch, wenn man einen Blick auf die Zahlen wirft, die immer ganz am Ende des Wirtschaftsberichts versteckt sind. Vergleichen wir die Prognose für 1997 mit den realen Zahlen, so wird deutlich: Alle Werte haben sich schlechter entwikkelt, als der Herr Minister und sein Bundeswirtschaftsministerium das vorhergesagt haben: weniger Konsumnachfrage, die Investitionen haben praktisch stagniert, mehr Arbeitslose, weniger Wachstum. Was sich positiver entwickelt hat, sind lediglich die Gewinne und der Außenhandel.
Mir scheint es notwendig, an dieser Stelle noch einmal auf das Jahresgutachten der Sachverständigen hinzuweisen, das ja alles andere als eine Lobeshymne für Sie, Herr Minister, war; das werden Sie wohl zugeben. Da schrieben die fünf Weisen der Bundesregierung ins Stammbuch - Zitat -:
Orientierungslos in der Durchführung gab sie im Jahre 1997 nicht mehr nur Rätsel auf wie im vorangegangenen Jahr, sondern hat ... die Kraft verloren, die notwendigen Strukturreformen auf der Ausgabenseite und der Einnahmenseite der öffentlichen Haushalte einzuleiten.
Margareta Wolf
Kein Wort dazu in Ihrem Jahreswirtschaftsbericht, Herr Minister, obwohl er den Auftrag hat, das Jahresgutachten der Sachverständigen angemessen zu würdigen - nichts!
Einen Durchbruch am Arbeitsmarkt wird es nur geben, wenn die zentralen Reformprojekte endlich realisiert werden. Eine Reform der Einkommensteuer muß klare Rahmenbedingungen für Investitionen in Deutschland schaffen. Insofern finde ich das Angebot von Herrn Repnik zwar überaus attraktiv. Aber wie er angesichts der Haushaltslage eine Nettoentlastung von 30 Milliarden DM erreichen will, ist mir ein völliges Rätsel. Eine ökologisch-soziale Steuerreform muß endlich Anreize für arbeitsplatzschaffende Investitionen und Neueinstellungen in diesem Land setzen.
Ihnen, meine Damen und Herren von der Koalition, möchte ich nunmehr gerne einen Ausschnitt aus einem sehr spannenden Text vortragen, den ich dieser Tage gelesen habe. Ich bitte um Aufmerksamkeit.
Nachhaltigkeit steht für die Suche nach zukunftsfähigen Lösungen unter Berücksichtigung der wechselseitigen Einflüsse von Ökonomie, Ökologie und Sozialem. ... Die Bewahrung der natürlichen Lebensgrundlagen ist Voraussetzung und Basis für die wirtschaftliche Entwicklung einer Volkswirtschaft. Nur durch eine nachhaltige Entwicklung kann auf Dauer der Wirtschaftsstandort Deutschland erhalten werden. ... Aus umweltpolitischer Sicht ist dafür Sorge zu tragen, daß die mit dem Wirtschaften verbundene Nutzung von Umweltgütern und Ressourcen künftig nicht zu Knappheiten führt, die einer nachhaltigen Entwicklung entgegenstehen und zukünftige Generationen schlechterstellen. Ressourcenverbrauch und Umweltbelastung müssen langfristig deutlich weiter von der wirtschaftlichen Entwicklung entkoppelt werden.
Das ist kein Zitat aus dem inkriminierten grünen Bundestagswahlprogramm - mitnichten! Das ist ein Ausschnitt aus dem Jahreswirtschaftsbericht, der uns hier heute vorliegt. Was folgt daraus? Nichts folgt bei Ihnen daraus. Sie beziehen sich überhaupt nicht auf diesen von Ihnen dort so schön dargestellten Tatbestand.
Im Endeffekt heißt das, was Sie dort haben aufschreiben lassen, doch nichts anderes, als daß der Faktor Umwelt zu billig und der Faktor Arbeit zu teuer ist. Das haben Sie in Ihrem Jahreswirtschaftsbericht wunderschön aufgeschrieben.
- Das sagt auch Herr Repnik. Aber wir befinden uns derzeit im Wahlkampf, jetzt sagt auch Herr Repnik das nicht mehr. - Das ist der Grund, warum wir es auf der einen Seite mit 5 Millionen Arbeitslosen zu tun haben und auf der anderen Seite mit einem nahenden Klimakollaps.
Wenn auch die Bundesregierung diese Probleme erkannt hat, warum sind Sie dann, so frage ich Sie -, nicht bereit, endlich zur Kenntnis zu nehmen, daß wir nur mit einer ökologisch-sozialen Steuerreform die Energiekosten verteuern und die Arbeitskosten verbilligen können? Herr Kollege Schwanhold, das frage ich auch Sie. Ich bin sehr dankbar, daß Frau Kollegin Fuchs nachher noch redet.
- Ja, aber Sie haben einen Kanzlerkandidaten, der dazu nie etwas sagt.
Aus dem Dilemma von gleichzeitig steigender Arbeitslosigkeit und steigendem Ressourcenverbrauch kommen Sie nur durch eine ökologische Steuerreform heraus.
Statt diese Einsicht umzusetzen, statt endlich den Einstieg in diese Ökosteuerreform zu wagen, lassen Sie Ihren Generalsekretär Hintze los. Meine Damen und Herren, ich weiß, daß Herr Hintze traurig ist, daß eine Rote-Socken-Kampagne in diesem Wahlkampf nicht mehr greift. Ich weiß auch, daß er traurig ist, daß der Spruch „Freiheit statt Sozialismus" nicht mehr in diesen Wahlkampf paßt.
Statt dessen macht er jetzt eine Tankstellenkampagne. Respekt, Herr Kollege Hintze! Aber Sie vergessen, daß die Menschen in diesem Land nicht blöde sind. Die Menschen wissen, Herr Kollege Hintze - Sie sind mit dieser Initiative ja auch relativ rasch auf den Bauch gefallen -, daß die Zukunft nicht im 25-Liter-Straßenkreuzer liegt. Das ist kein Reputationsprojekt. Das war es vielleicht einmal in den Sixties. Weder die Mineralölindustrie noch die Automobilindustrie war so blöde, sich an Ihre Kampagne dranzuhängen. Ganz im Gegenteil: Diese Kampagne hat für Sie ein Negativimage bedeutet.
Genausowenig sind Ihnen der Kollege Geißler und die Kollegin Merkel gefolgt. Der Sachverständigenrat für Umweltfragen sagt - ich nehme die Antwort gleich voraus -: Wir brauchen 5 DM für den Liter Benzin, und zwar jetzt. Wir sagen: Das brauchen wir in zehn Jahren. Frau Merkel sagt: Wir brauchen 3,80 DM für das Benzin jetzt. Wir sagen: 5 DM als Zielgröße in zehn Jahren.
Das Umweltbundesamt sagt: 4,80 DM jetzt. Aus wahlkampftaktischen Gründen machen Sie diese Mätzchen, weil Ihnen einfach nichts anderes einfällt und Sie am Ende sind.
Frau Kollegin Wolf, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Schauerte?
Gerne.
Frau Kollegin, man kann Kampagnen ja ganz unterschiedlich bewerten; das ist möglich und hin und wieder auch geboten. Aber wenn ich die Zahlen richtig im Kopf habe, war es so, daß am Ende dieser Kampagne in Schleswig-Holstein gewählt worden ist.
Frage!
Wenn ich auch die Zahl richtig im Kopf habe, muß ich Sie fragen, ob es stimmt, daß die Zahl Ihrer Wähler von 142 000 auf 91000, also um fast 50 Prozent, gesunken ist. Offensichtlich war die Kampagne doch wirkungsvoll.
Sehr geehrter Herr Schauerte, ich möchte weder das Ergebnis in Schleswig-Holstein beschönigen, noch möchte ich beschönigen, daß wir die Leute verschreckt haben. Wir korrigieren das. Aber ich möchte Sie auch an Ihre Umfragen erinnern.
Ich habe gerade auf die Tankstellenaktion von Herrn Hintze repliziert. Sie müssen mir doch bitte konzedieren, daß sie am Montag vorgestellt und am Mittwoch schon beerdigt worden ist, weil Sie offensichtlich wirklich in den Sechzigern leben und noch nicht in den Neunzigern angekommen sind.
Ich möchte noch ein paar Dinge zur Steuerreform sagen, meine sehr geehrten Damen und Herren, verehrter Herr Repnik. Ich erinnere mich noch sehr gut, daß wir im Rahmen des Vermittlungsverfahrens zur Steuerreform sehr pragmatische und praktikable Vorschläge für den Einstieg in eine Ökologisierung unseres Steuersystems unterstützt haben. Um eine Absenkung der Beiträge zur Renten- und Arbeitslosenversicherung um jeweils einen Prozentpunkt zu finanzieren, haben wir die Idee Ihres Fraktionsvorsitzenden Schäuble aufgegriffen, die Mineralölsteuer um 15 Pfennig zu erhöhen. Wir waren bereit, eine Erhöhung der Mehrwertsteuer um einen Prozentpunkt in Kauf zu nehmen.
Woran ist denn dieser Vorschlag gescheitert? Herr Repnik, seien Sie doch ehrlich! Das Vermittlungsverfahren ist an Ihnen gescheitert und nicht an den Ländern. Ich kann es nicht mehr hören, wenn Sie ständig gebetsmühlenartig wiederholen, daß es an den Ländern gescheitert ist. Es ist an der Partei gescheitert, die letztes Jahr noch von der Gefälligkeitsdemokratie geredet hat.
Ich muß noch einmal an Sie appellieren, auch an I die SPD, vor allen Dingen an Herrn Schröder. Wenn Sie sagen: Lohnnebenkosten senken!, dann müssen Sie auch erklären, wie Sie das machen wollen. Wenn Sie die Mehrwertsteuer in den Vordergrund dieser Finanzierung rücken und nicht eine höhere Belastung des Energieverbrauchs, dann führen Sie das fort, was die anderen seit Jahren tun, meine lieben Freundinnen und Freunde von der SPD: In die eine Tasche wird es ihnen gegeben, und aus der anderen Tasche wird es ihnen wieder genommen.
In Dänemark, in den Niederlanden und in Skandinavien können Sie sehen, was ein Einstieg in eine konsequente Einkommensteuerreform und in eine Ökosteuerreform bringt. In diesen Ländern gibt es quasi Vollbeschäftigung und einen hohen gesellschaftlichen Konsens.
Wir müssen uns einmal fragen - diese Frage richtet sich jetzt wieder an die Koalition -: Warum beurteilen die Euro-Chambers, die europäische Variante des DIHT, alle europäischen Länder besser als die Bundesrepublik Deutschland? Die Euro-Chambers haben vor etwa vier Wochen - ich habe das „Handelsblatt" leider nicht dabei - gesagt: Es wird in allen europäischen Ländern einen Beschäftigungszuwachs geben, nur in der Bundesrepublik Deutschland nicht. Da nützt es auch nichts, nur weil Wahlkampf ist, sich hier hinzusetzen und zu sagen: Alles ist wunderbar, kein Problem.
Ich möchte auf einen weiteren Punkt hinweisen. Wenn man viel durch die Lande reist, stellt man fest, daß es einen unglaublichen Politikverdruß gerade bei den Facharbeitern gibt, von denen man früher immer gesagt hat und es auch heute noch sagen sollte: Sie finanzieren die soziale Marktwirtschaft, sie sind die Stabilisatoren der sozialen Marktwirtschaft.
Diese Menschen in den mittleren Einkommensschichten haben in den letzten Jahren einen Nettoverlust von 9 Prozent hinnehmen müssen. Deren Abgabenniveau hat sich um 20 Prozent erhöht.
Angesichts eines Nettolohnrückgangs von nahezu 10 Prozent in ihren Portemonnaies müssen Sie, so glaube ich, den Menschen einmal erklären, wie es kommt, daß Sie dem Daimler-Benz-Konzern, der im vergangenen Jahr glänzend verdient hat - das konnten wir überall lesen -, auf Grund Ihrer noch immer so skurrilen Steuergesetzgebung eine Differenz von 2,9 Milliarden DM zurückzahlen müssen. Das müssen wir der Bevölkerung erklären. Dafür gibt es keine Akzeptanz mehr in diesem Land.
Sie hätten Ihre Petersberger Beschlüsse nicht so halbherzig machen sollen. Sie hätten frühzeitig auf den DIHT hören sollen, der gesagt hat: Eine Entlastung in Höhe von 30 Milliarden DM können wir angesichts der Haushaltslage nicht unterstützen. Dann hätten wir inzwischen eine Einkommensteuerreform, unterstützt von der SPD und auch von uns, vorgenommen. Sie haben immer auf Unternehmensentlastungen in einer Größenordnung von 30 Milliarden DM gesetzt. Diese ist Ihnen auf die Füße gefallen.
Margareta Wolf
Was haben wir jetzt? Wir haben eine Gerechtigkeitslücke. Ich halte das für ausgesprochen bedauerlich, meine Damen und Herren.
Das Wort hat der Kollege Paul Friedhoff, F.D.P.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir debattieren heute darüber, mit welcher Wirtschaftspolitik wir die Voraussetzungen für mehr Arbeitsplätze in Deutschland schaffen wollen. Diese Frage kann man sicherlich nicht mit Effekthascherei oder auch mit dem Verwischen von ökonomischen Realitäten beantworten, sondern hier muß man klar Farbe bekennen. Es geht um viel: Es geht um Arbeitsplätze, um den Wohlstand dieses Landes, um die Sicherheit der Renten und um die Zukunftschancen der nächsten Generationen.
Wer sich dieser Verantwortung nicht gewachsen zeigt, dem darf man die Geschicke der Wirtschaftspolitik auch nicht anvertrauen.
Das, was sich in den letzten Wochen als Politik eines möglichen rot-grünen Bündnisses abzeichnet, ist ein Katastrophenszenario für die Bundesrepublik Deutschland. Davor kann man die Menschen nur eindringlich warnen.
Die Wirtschaftspolitik der Koalition - der Bundeswirtschaftsminister hat das eben noch einmal deutlich, sachlich und klar vorgetragen - basiert auf einer ganz eindeutigen Konzeption. Das, was wir als angebotsorientierte Politik bezeichnen, läßt sich im Kern auf einfache und zwingende Grundelemente zurückführen: Für Arbeitsplätze braucht man Unternehmen, die Aufträge bekommen. Aufträge bekommt man nur, wenn man konkurrenzfähig ist. Dafür müssen eben die Rahmenbedingungen stimmen. Mit anderen Worten: Es gibt nur einen Weg, um Investitionen und Jobs in unser Land zu holen: den Standort Deutschland wettbewerbsfähiger machen.
Deutschland steht vor der Entscheidung, ob das Land seine Spitzenposition behaupten kann oder in die zweite Liga absteigt. Deshalb werden die nächsten Jahre auch so entscheidend sein. Deshalb gibt es zur Reformpolitik der Koalition keine Alternative. Deshalb müssen wir den Wirtschaftsstandort Deutschland durch eine Verbesserung der Rahmenbedingungen stärken.
Wir sind mit unserem Reformprogramm für mehr Arbeitsplätze - auch das ist hier bereits gesagt worden - schon ein gutes Stück vorangekommen. Die Vermögensteuer wird nicht mehr erhoben, die Erbschaft- und die Schenkungsteuer wurden mittelstandsfreundlich reformiert, die Gewerbekapitalsteuer abgeschafft und der Solidaritätszuschlag um 2 Prozentpunkte gesenkt. Wir haben das Arbeitsrecht reformiert, die Wachstumsmärkte von Post und Telekommunikation geöffnet und den Finanzplatz Deutschland gestärkt. Die Privatisierung des Beteiligungsbesitzes des Bundes ist eine eindrucksvolle Erfolgsstory.
Insbesondere die Börsenplazierung der Deutschen Telekom ist in breiten Bevölkerungsschichten auf großes Interesse gestoßen und hat der Aktienkultur in Deutschland einen enormen Auftrieb verschafft.
Auch die schwierige Privatisierung in Ostdeutschland ist inzwischen weitgehend abgeschlossen. Dabei konnten private Investitionszusagen von mehr als 207 Milliarden DM sowie Beschäftigungszusagen für 1,5 Millionen Arbeitnehmer erreicht werden. So steinig dieser Weg auch war, Arbeitsplätze sind eben auf Dauer nur sicher, wenn sie wettbewerbsfähig sind und nicht am Subventionstropf hängen.
Das sind konkrete Erfolge unseres Reformprogramms für mehr Arbeitsplätze. Vieles könnte man noch hinzufügen, und vieles muß auch noch Schritt für Schritt in beharrlicher, seriöser Arbeit geleistet werden.
Die Opposition hingegen propagiert einen grundlegenden Politikwechsel hin zu rotgrüner Wirtschaftspolitik. Rotgrün, meine Damen und Herren, wäre der Super-GAU für die deutsche Wirtschaft, für die Arbeitsplätze und den Wohlstand in unserem Land.
Wer die Automobilindustrie in unserem Land erstikken und die Transportwege zerhacken will, den kann man doch wohl nur als Sicherheitsrisiko für die Arbeitsplätze in unserem Land betrachten.
Alle Zahlen belegen daß die Reformpolitik der Koalition immer besser greift. Unsere Unternehmen befinden sich in einer guten Verfassung. Das Bruttoinlandsprodukt wird 1998 kräftig wachsen. Die deutsche Wirtschaft hält die Prognose des Bundeswirtschaftsministers von 2,5 bis 3 Prozent Wachstum eher für zu vorsichtig. Auch die meisten Institute sehen das Wirtschaftswachstum trotz der Asienkrise in Richtung der 3-Prozent-Marke.
Der Aufschwung in Deutschland gewinnt an Breite und an Dynamik. Neben dem Export werden in diesem Jahr auch die Investitionen zum Wachstumsmotor. In diesem Zusammenhang ist es besonders aufschlußreich, sich einmal die Entwicklung bei den Ausrüstungsinvestitionen anzuschauen. Sie sind einer der aussagekräftigsten Indikatoren für die wirtschaftliche Lage. Die Ausrüstungsinvestitionen sind 1997 real um 3,9 Prozent gewachsen, doppelt so stark wie 1996. In seinem jüngsten Konjunkturbericht rechnet das Kieler Institut für Weltwirtschaft für 1998 mit einem Wachstum von 6,5 Prozent bei den Ausrüstungsinvestitionen.
Paul K. Friedhoff
Diese Zahlen werden durch die traditionelle Frühjahrsumfrage des DIHT bei mehr als 25 000 Unternehmen eindrucksvoll bestätigt. Anders als im vergangenen Herbst stocken jetzt nicht nur exportorientierte Betriebe ihre Investitionen auf, sondern auch Zulieferer, Dienstleistungsunternehmen, der Großhandel und das Verkehrsgewerbe wollen ihre Investitionsbudgets deutlich ausbauen. Es geht also aufwärts mit der deutschen Wirtschaft. Das wird sich auch am Arbeitsmarkt mehr und mehr bemerkbar machen.
Im Januar und Februar lag die Arbeitslosenzahl im Westen bereits unter dem Vorjahresniveau. Wir wären bei der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit schon weiter, wenn die SPD im Bundesrat nicht alles blok-kiert hätte, was es hier zu blockieren gab.
Mit unserer Steuersenkungsreform wären Bürger und Unternehmen um jährlich 30 Milliarden DM entlastet worden. Wir wollen die Binnennachfrage stärken, aber eben nicht durch zusätzliche Staatsausgaben und neue Schulden.
30 Milliarden DM Nettoentlastung für alle Bürger. - Findet man eine entsprechende Aussage im SPD-Wahlprogramm? Fehlanzeige! Wir wollen den Höchststeuersatz für gewerbliche Einkünfte von 47 Prozent auf 35 Prozent senken, den bei der Körperschaftsteuer für einbehaltene Gewinne von 45 Prozent auf ebenfalls 35 Prozent. Nennt die SPD in ihrem Wahlprogramm dazu irgendeine Zahl? Fehlanzeige! Wir wollen den Eingangssteuersatz für Niedrigverdiener von heute 25,9 Prozent auf 15 Prozent senken.
Wir sollten den Menschen in unserem Land klipp und klar sagen: Wenn die SPD - auch wenn Ihnen, Herr Larcher, das nicht gefällt - die Steuersenkungsreform nicht blockiert hätte, dann hätten gerade die kleinen Leute schon längst erheblich mehr in ihrer Tasche.
Arbeitsplätze werden durch wettbewerbsfähige Unternehmen geschaffen. Das ist das erste Element unserer Politik für mehr Arbeitsplätze.
Das zweite Element heißt: Wir müssen vor allem an die Kosten für den Faktor Arbeit heran. Arbeit ist in Deutschland zu teuer und kann nicht flexibel genug eingesetzt werden. Deshalb wollen wir Freien Demokraten die Flächentarifverträge modernisieren. Arbeit ist in Deutschland vor allem wegen der hohen Lohnzusatzkosten zu teuer.
Auch deshalb haben wir die Rentenreform verabschiedet. Beitragssatzstabilität ist auch für die Rentner das absolut vorrangige Ziel: denn ihre Renten sind langfristig nur dann sicher, wenn es genügend Beitragszahler in Lohn und Brot gibt.
Die SPD hat gegen die Rentenreform gestimmt und angekündigt, sie rückgängig zu machen.
Arbeit ist in Deutschland zu teuer. Deshalb haben wir die gesetzliche Lohnfortzahlung reformiert. Daraus resultiert eine geschätzte Kostenentlastung für die deutschen Betriebe von bisher etwa 15 bis 20 Milliarden DM.
Die SPD will auch diese Reform rückgängig machen.
Arbeit ist in Deutschland zu teuer und kann nicht flexibel genug eingesetzt werden. Deshalb haben wir das Kündigungsschutzgesetz reformiert und damit vor allem kleineren Betrieben geholfen. Allein der ZDH spricht von zusätzlichen 20 000 Arbeitsplätzen seit dem Inkrafttreten dieses Gesetzes.
Die SPD will auch diese Reform mit dem Hinweis rückgängig machen, sie bringe den kleinen Betrieben ohnehin nichts.
Unser Konzept lautet also: Arbeitsplätze durch wettbewerbsfähige Unternehmen und durch eine Kostenentlastung der Arbeit in Deutschland. Das ist die Linie unserer Politik. Das ist der Weg, der international überall dort, wo er eingeschlagen worden ist, zu mehr Arbeitsplätzen geführt hat. Diese Politik zeigt Wirkung. Die Arbeitslosigkeit wird sinken.
Der Präsident des Arbeitgeberverbandes schätzt den Zuwachs an neuen Arbeitsplätzen in den nächsten Monaten auf 500 000. Der DIHT hat angekündigt, daß Industrie und Handel die Zahl der neuen Lehrverträge in diesem Jahr noch einmal deutlich steigern werden.
Wie lautet denn das wirtschaftspolitische Konzept der SPD? Ich kann keines, zumindest kein eindeutiges, erkennen.
- Doch, sehr zweideutig, Herr Uldall. Dazu gibt es sehr unterschiedliche Aussagen.
Paul K. Friedhoff
Statt dessen unterhält der Kanzlerkandidat die Öffentlichkeit mit einem grotesken Populismus: Vor drei Tagen hat er der deutschen Wirtschaft einen zweijährigen Entlassungsverzicht vorgeschlagen. Der Generalsekretär des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks hat das mit dem Hinweis kommentiert, der Vorschlag Schröders wäre nur realistisch, wenn er den 800 000 Handwerksbetrieben die nötigen Aufträge garantieren könnte. Hier gibt es einen Zusammenhang, der durch diese Form von Populismus einfach übersehen wird und auf den man immer wieder hinweisen muß.
An Herrn Schröder gerichtet sage ich: Sachkompetenz ist halt doch etwas anderes als Medienpräsenz. Das wird den Bürgern in unserem Land schon noch auffallen; darauf können Sie sich verlassen.
Bei den Grünen weiß man ja nun endlich, woran man ist.
Es bedarf keiner besonderen Vorstellungskraft, um sich auszumalen, was mit unserem Land passieren würde, falls die wirtschaftspolitischen Geisterfahrer von Bündnis 90/Die Grünen in die Regierungsverantwortung kämen. Der Präsident des BDI hat mit Blick auf das Wirtschaftsprogramm der Grünen von einer Neuauflage des Morgenthauplans gesprochen, von der drohenden Deindustrialisierung unseres Landes.
- Sie nehmen ihn doch ernst, Herr Schwanhold. Immer wenn er etwas sagt, was Ihnen paßt, dann ist er doch voll auf Ihrer Seite. Wenn er etwas anderes sagt, dann nehmen Sie ihn nicht ernst.
Ein rotgrünes Bündnis in Bonn würde den Wirtschaftsstandort Deutschland ruinieren und den Wohlstand unseres Landes gefährden. Daran kann nach den letzten Wochen endgültig kein Zweifel mehr bestehen.
Eines ist klar: Herr Schröder will dieses Bündnis; dazu hat er sich ausnahmsweise eindeutig geäußert. Er hat öffentlich erklärt, er wolle ein rotgrünes Bündnis nach der Bundestagswahl, selbst wenn eine solche Regierung nur eine Stimme Mehrheit haben würde.
Daß die Grünen auf dem Weg dahin selbstverständlich noch viel an der Garderobe abzugeben hätten, hat er ebenfalls erklärt. Ich bin einmal gespannt, wie nackt sie dann hier ankommen.
Das Konzept der Koalition lautet: Arbeitsplätze durch Wettbewerbsfähigkeit. Die Alternative zur Fortsetzung des Reformkurses für mehr Arbeitsplätze
wäre eine rotgrüne Geisterfahrt ohne Sicherheits- gurt. Vor dieser Wahl werden die Bürgerinnen und Bürger am 27. September 1998 stehen. Ich bin mir ziemlich sicher, daß sie sich so entscheiden werden, daß sie eine Geisterfahrt nicht zulassen.
Ich danke Ihnen.
Das Wort hat der Kollege Roll Kutzmutz, PDS.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei der Rede von Herrn Rexrodt fiel mir das Sprichwort ein: Der Ruhm vieler Propheten beruht auf dem schlechten Gedächtnis ihrer Zuhörer.
Schon aus diesem Grund lohnt es sich, einen Blick in Ihren vor über einem Jahr vorgelegten Bericht zu werfen. Die Prognose der Bundesregierung für 1997 wich praktisch in allen bedeutenden Positionen erheblich, und zwar negativ, von den tatsächlichen Entwicklungen ab. Ich erwähne die Zahl der Beschäftigten, die Lohnentwicklung bei den abhängig Beschäftigten, die Verwendung des Bruttoinlandprodukts und insbesondere die Einnahmen und Ausgaben des Staatssektors, jenen Bereich, den die Regierungskoalition mit ihren Beschlüssen maßgeblich beeinflußt, also nicht irgendeine von ihr nicht beeinflußbare Konjunktur oder Globalisierung.
Nur ein Bereich wurde von der Bundesregierung - zum wiederholten Male - erheblich unterschätzt: die Einkommen aus Unternehmertätigkeit und Vermögen. Statt avisierter 7 gab es dort sogar 8,9 Prozent Zuwachs. Da kann ich nur - auch das zum wiederholten Male - fragen: Wo bleiben denn nun die versprochenen Arbeitsplätze, wenn die von Ihrer Partei, Herr Rexrodt, ernannten Leistungsträger nur ordentlich mehr verdienen? Erstmals in der Geschichte der neuen Bundesrepublik schrumpfen sogar die Nettoeinkommen der Masse der Bevölkerung, in den alten Ländern um 1,6 Prozent, in den neuen sogar um 3,2 Prozent.
Für die massive Umverteilung von unten nach oben trägt die Bundesregierung die Hauptverantwortung: durch ihre politischen Entscheidungen und durch ihr massives ideologisches Trommelfeuer auf eine der beiden Tarifparteien; denn dieses Trommelfeuer ist Ideologie.
Wie wollen Sie erklären, daß es bekanntlich auch 1995 einen deutschen Rekordaußenhandelsüberschuß gab, obwohl in jenem Jahr - anders als heuer - die Mark deutlich teurer geworden ist und die Löhne gestiegen sind? Steigende Löhne richten diesen Standort gewiß nicht zugrunde, sehr wohl aber Ihre Politik, die an den Reallöhnen und damit an der privaten Kaufkraft, der tragenden Säule der Binnennachfrage, sägt.
Rolf Kutzmutz
Herr Minister, Sie begeistern sich im Jahreswirtschaftsbericht an einer Wende bei den Ausrüstungsinvestitionen. Sicherlich ist das gut. Aber was nutzen neue Maschinen, was nutzen selbst neue Produkte, wenn nicht genügend Menschen sie kaufen können?
Zudem attackieren Sie die Binnennachfrage gleich noch von einer zweiten Seite. Schließlich wurden im Maastricht-Wahn auch noch die öffentlichen Investitionen um 9,4 Prozent gekürzt. Dabei könnte gerade ein öffentlich finanziertes Investitionsprogramm auf der einen Seite einen Beschäftigungseffekt und auf der anderen Seite einen strukturellen und ökologischen Lenkungseffekt bewirken.
Meine Damen und Herren von der Koalition, wenn Sie über den Standort Deutschland fabulieren, dann schauen Sie nicht dauernd in die weite Welt hinaus. Nehmen Sie endlich einmal zur Kenntnis, daß nach wie vor knapp zwei Drittel des Bruttosozialproduktes ohne jede außenwirtschaftliche Verflechtung zustande kommen. Nehmen Sie endlich von einer Politik Abschied, die allein eine Minderheit der wirtschaftlichen Tätigkeit im Visier hat.
Orientieren Sie sich nicht länger an Aktienkursen, sondern an Menschenschicksalen, Herr Heinrich.
Das betrifft auch und im besonderen Maße den Umgang mit dem Euro. In diese Kritik muß ich leider auch die beiden anderen Oppositionsparteien einschließen. Wir hören gebetsmühlenartig: Der Euro kommt. Durch ihn werde der Binnenmarkt vollendet, durch ihn würden Arbeitsplätze gesichert, weil westeuropaweit Geldwertstabilität erreicht, Währungsspekulationen erschwert und Transaktionskosten wegfallen würden.
Was sind denn die volkswirtschaftlichen Tatsachen, ganz egal, wie die sogenannten Konvergenzkriterien erfüllt wurden? Die Geldwertstabilität steht in den Sternen; denn sie hängt nicht von der bisherigen, sondern von der künftigen Finanzpolitik der Mitgliedstaaten und der Geldpolitik der Europäischen Zentralbank ab. Allen gegenteiligen Bekundungen zum Trotz haben dazu die heutigen Voraussagen den Wert von Lotterietips.
Wer außer Großbanken und multinational agierenden Unternehmen profitiert massiv von wegfallenden Währungstransaktionskosten? Profitieren Kleinunternehmer, Handwerker, Selbständige oder Existenzgründer, die überwiegend rein regional tätig sind, hierzulande aber fast zwei Drittel aller Arbeiter und Angestellten und 80 Prozent aller Auszubildenden beschäftigen? Profitieren die kleinen Leute, von denen bisher höchstens die Hälfte und auch dann nur einmal im Jahr ins künftige Euro-Land verreisen? Wer bezahlt die Kosten für die Umstellung auf den Euro, von der Brüsseler Kommission intern vorsichtig auf umgerechnet mindestens 300 Milliarden DM beziffert? - Letztlich allein diese kleinen Leute, sei es über Preise für Waren und Dienstleistungen, sei es über Abgaben und Steuern.
Was aber erwerben sie dafür? - Eine Währung ohne Flankierung durch homogene Steuern, Umwelt- und Sozialstandards, die deshalb einen gnadenlosen Wettlauf um niedrigste Kosten provoziert und ihren Arbeitsplatz einer noch größeren Unsicherheit aussetzt. Klingt es nicht wie eine Drohung, wenn ein Konjunkturexperte des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung feststellt:
Mit der Abschaffung der Wechselkurse zwischen den EU-Ländern wird den Lohnabschlüssen eine viel größere Bedeutung zukommen.
Und im übrigen: Eine Angleichung der Arbeits- und Lebensverhältnisse in Ostdeutschland an den Standard der alten Länder dürfte dann endgültig passé sein - aber vielleicht ist der umgekehrte Weg ja auch von den vehementen „EURO - jetzt"-Verfechtern beabsichtigt.
Vermutlich jede Kollegin und jeder Kollege dürfte am Dienstag das Buch „Perspektiven der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion" von Professor Reimut Jochimsen erhalten haben. Ihnen ist also auch der Begleitbrief des Präsidenten der Landeszentralbank NRW und Mitglieds des Zentralbankrates der Bundesbank bekannt.
- Wenn er es nur an die Opposition geschickt hat, war es ein Fehler. Deshalb zitiere ich um so lieber:
Die so sehr notwendige Konvergenz im Wollen, Denken und Handeln unter den Mitgliedsländern der EU ist noch immer nicht erreicht. Auch die im Maastrichter Vertrag angelegten Qualifikationsnormen können allenfalls durch den Griff in die Trickkiste erfüllt werden. 1998 darf nicht zum Jahr des „Augen zu und durch" werden, das viele Menschen frustriert und resignierend be fürchten. Mehr denn je verdient die Einführung dieser unkündbaren Solidargemeinschaft eine kritische Begleitung.
Ich kann uns alle nur davor warnen, diese Begleitung zu verweigern. Der europäischen Idee und damit allen betroffenen Volkswirtschaften droht ansonsten ein Schaden, der ungleich größer sein wird als bei jeder noch so langen Verschiebung des Euro.
Die Tatsachen des Jahres 1997 und die Entwicklung in den ersten Monaten dieses Jahres sagen schon viel über die wahrlich miserablen Voraussetzungen bei der Binnenkonjunktur, auf denen eine wirtschaftliche Entwicklung 1998 aufbauen muß. Vor diesem Hintergrund sind die Prognosen dieses Jahreswirtschaftsberichts schon erstaunlich und laufen Gefahr, daß sie dasselbe Schicksal wie die vorjährigen ereilt.
Mit seiner „stabilen" Arbeitslosenprognose hatte der Bundeswirtschaftsminister wenigstens die Courage, dem wildgewordenen Kohl-Wahlkämpfer Hundt in die Parade zu fahren. Jemand, der sich Ar-
Rolf Kutzmutz
beitgeberpräsident nennt, aber höchstens die Verantwortung für den Arbeitsplatz seiner Sekretärin übernehmen kann und dennoch 500 000 neue Jobs binnen Monatsfrist verspricht, ist reif für den Ruhestand.
Die Probleme sind viel zu groß und zu ernst, als daß man damit so leichtfertig umgehen kann. Dabei - das weiß jeder - gibt es keinen Königsweg, und es werden keine Wunder, auch keine Wahlwunder geschehen. Deshalb müssen alle Vorschläge kritisch nach ihren Inhalten und nicht, wie es so oft geschieht, zuerst nach ihrem Absender geprüft werden.
Wir haben vor einem halben Jahr erneut einen Antrag mit einem Wirtschaftsförderungskonzept eingebracht. Er wurde - anders als vergleichbare PDS-Initiativen - Anfang März im federführenden Wirtschaftsausschuß von den übrigen Oppositionsparteien nicht einfach abgelehnt. Ich bin gespannt, meine Damen und Herren von der SPD und den Bündnisgrünen, ob Sie das auch heute so sehen können. Ich gehe - damit Sie mich nicht mißverstehen - nicht davon aus, daß Sie zustimmen. Im Interesse des Arbeits- und Lebensstandorts wäre es schon toll, wenn Sie auch nur Teile davon aufnehmen und demnächst in Regierungspolitik umsetzen würden.
Am Montag beispielsweise veranstaltete die CDU/ CSU-Fraktion eine hochinteressante Konferenz: „Deutschland, ein guter Wirtschaftsstandort" . Nicht nur diesen Tenor, auch die ihn begründenden Argumente der dort aufgebotenen Manager hätten von der Koalition schon im Oktober in unserer Analyse nachlesen können: die Bundesrepublik Deutschland als relativ großer Binnenmarkt, der im Zentrum eines der wichtigsten Wirtschaftsräume der Welt liegt, der sich durch eine hervorragende materielle und soziokulturelle Infrastruktur, eine sehr gute Qualifikation der Beschäftigten und soziale Stabilität auszeichnet. In den Konsequenzen aus dieser mittlerweile übereinstimmenden Analyse unterscheiden wir uns natürlich von der Koalition. Wir teilen aber auch nicht alle Positionen der anderen Oppositionsparteien.
Eben weil der ökologische Umbau von allen Menschen bewältigt werden muß und nicht nur von einem neuen Mittelstand, muß an seinem Anfang eine massive Steuerentlastung der sozial Schwachen stehen, nicht 5 DM für den Liter Benzin. Im übrigen würde das von uns favorisierte Konzept der Mengenregulierung nicht erneuerbarerer Rohstoffe tatsächlich die Umweltentlastung garantieren. Durch seine wesentlich stärkere marktwirtschaftliche Ausrichtung dürfte es dennoch weniger soziale Härten als eine Ökosteuer hervorrufen. Es ist auch praktikabel und durchsetzbar; schließlich funktionieren das deutsche Branntweinmonopol und diverse Quotenregelungen im Agrarsektor auch.
Noch etwas: Ich meine, daß es darauf ankommt, das Programm-Dickicht bei der Förderung auszulichten, nicht wie Sie, Kollegen und Kolleginnen von der SPD, durch zusätzliche Institutionen besser verwalten zu wollen, denn dann marschieren wir unseres Erachtens bei der Wirtschaftsförderung in die falsche Richtung.
Wir hingegen wollen die unzähligen Kredit- und Zuschußprogramme sowie Steuervorteile in vier Instrumenten zusammenfassen. Mit ihnen könnten dennoch die vielen unterschiedlichsten Herausforderungen im Wirtschaftsleben gemeistert werden, die öffentliche Unterstützung rechtfertigen; und dies bei weniger Bürokratie und ohne Verstaatlichung, sondern durch Entscheidungen vor Ort durch die Betroffenen in den regionalen Verflechtungsräumen und Unternehmen selbst.
Herr Schäuble und Herr Uldall präsentierten am Montag beispielsweise AMD Dresden als leuchtendes Standortbeispiel. Pikanterweise haben wir schon im November letzten Jahres im Material zu unserem Antrag ausgerechnet an dieser auch von uns sehr begrüßten Neuansiedlung den Vorschlag einer sogenannten stillen Beteiligung der öffentlichen Hand illustriert. Auch nach unserem Modell hätten die Amerikaner 0,8 oder sogar 1,8 Milliarden DM vom Staat bekommen, cash und zur freien Verfügung, ohne Möglichkeit der Rückforderung des Geldes oder der Einflußnahme auf das Geschäft.
Daß die Amerikaner diese atypische stille Beteiligung baldmöglichst aufgeben würden, wäre dennoch sicher; denn solange auch nur eine Mark Steuergeld im Betrieb steckt, müßte AMD nicht nur einen Betriebsrat zulassen; Betriebsräte und Gewerkschaftsvertreter würden solange auch mindestens die Hälfte der Sitze im Aufsichtsgremium der Firma - hier die Gesellschafterversammlung der GmbH - innehaben. Sie würden auch allein über die Ernennung des für Personal- und Beschäftigungsfragen zuständigen Mitglieds der Geschäftsleitung entscheiden.
Eine solche Wirtschaftsförderung ist vor den berüchtigten Mitnahmeeffekten gefeit, denn auf sie greifen Unternehmer gewiß nur zurück, wenn sie das nötige Kapital nicht anderswo beschaffen können. Ihr Mechanismus ist keineswegs utopisch, weil er der geltenden Montan-Mitbestimmung entlehnt ist und bis hinunter in Kleinunternehmen praktizierbar wäre. Anders als heute würde Minister Rexrodts Lieblingsmotto „Wirtschaft findet in der Wirtschaft statt" dann tatsächlich zutreffen, aber mit wirklich allen Beteiligten.
Unser Konzept, das wir vorlegen, meine Damen und Herren, ist gesamtdeutsch. Es wuchs aus den ostdeutschen Erfahrungen und knüpfte an diese an. Deshalb muß ich zum Schluß noch auf Minister Rexrodts Bemerkung zurückkommen, dank der Politik der Bundesregierung befänden sich die neuen Länder auf gutem Weg.
Die Eckzahlen des Jahreswirtschaftsberichts sprechen eine andere Sprache, und dies, obwohl die Angebotspolitik in Ostdeutschland nahezu ideale Bedingungen erhalten hat: geringe Tarifbindung, niedrige Regulierungsdichte, hohe Förderintensität der Investitionen, Steuervorteile und günstige Abschreibungsbedingungen. Der dennoch wachsende Rückstand der neuen gegenüber den alten Ländern beweist das Scheitern Ihrer Konzeption. Wer solche Empfehlungen weiter propagiert, der verfestigt für den Osten nur die Perspektive als Rückstandsregion
Rolf Kutzmutz
Deutschlands und der EU, die künftig nicht nur territorial am Rande des Eurolandes liegen bleiben wird.
Gerade aus ostdeutscher Sicht ist kein bloßer Macht-, sondern ein tatsächlicher Politikwechsel nötig. Wenn das für Herrn Rexrodt, wie er vorhin von der Regierungsbank bemerkte, eine gräßliche Vorstellung ist, dann sollten alle dies als Ansporn sehen, die diesen Regierungs- und Politikwechsel tatsächlich wollen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Peter Ramsauer, CDU/CSU-Fraktion.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Was die Opposition heute bislang zum Jahreswirtschaftsbericht vorgetragen hat, das kann man auf folgenden einfachen Nenner reduzieren: Man schürt aus wahltaktischen Überlegungen die Ängste der Menschen in unserem Land; man beklagt die hohe Arbeitslosigkeit, ohne die Mitverantwortung der SPD oder der Opposition insgesamt in Form von Blockadepolitik und Verweigerungskurs zu nennen; man verschweigt, daß vieles von der Koalition auf einen guten Weg gebracht worden ist und es wirtschaftlich aufwärts geht. Ich glaube, das sind die drei ganz wesentlichen Punkte, die man aus all diesen Aussagen der Opposition herauskristallisieren kann.
Sosehr uns allen die hohe Arbeitslosigkeit in Deutschland Sorge bereitet, sowenig besteht heute Grund zum Pessimismus. Die deutschen Unternehmen haben schmerzhafte Anpassungsprozesse durchlaufen; das kann man nicht leugnen. Diese Anpassungsprozesse haben aber ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit in erheblichem Maße verbessert. Die Tarifpartner sind 1996 und 1997 auf den Weg der Mäßigung und Flexibilität eingeschwenkt; etwas, was noch in den 80er Jahren fast ausgeschlossen war, wird jetzt im Tarifgeschehen Gott sei Dank mehr und mehr zur Selbstverständlichkeit.
Die Bundesregierung hegt mit den wirtschaftspolitischen Annahmen ihres Jahreswirtschaftsberichts aber auch keinesfalls übertriebene Erwartungen. Wir sind Realisten. Der DIHT geht für dieses Jahr sogar von einem Wirtschaftswachstum von gut 3 Prozent aus. Das Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung in Essen prognostiziert für 1999 sogar 3,5 Prozent. Falls dies jemand vergessen haben sollte: Dies sind die höchsten Wachstumsraten seit der Wiedervereinigung und dem Wiedervereinigungsboom im Jahre 1991.
Noch einige Glanzlichter — ich nenne sie bewußt Glanzlichter, weil sie Dinge sind, von denen eigenartigerweise nicht mehr gesprochen wird, obwohl sie großartige Verdienste sind —: Man nimmt es als selbstverständlich hin, daß die Preise in Deutschland stabil sind; es herrscht Preisstabilität: Seit 1995 haben wir bei der Inflationsrate eine 1 vor dem Komma.
Die Kapitalmarktzinsen sind so dauerhaft niedrig wie nie zuvor.
Deutschland erfüllt mit einem Defizit von 2,7 Prozent ein ganz wesentliches Kriterium für die Schaffung der einheitlichen europäischen Währung. Die Exporte der deutschen Wirtschaft wachsen mit zweistelligen Raten.
Die deutschen Unternehmen haben ihre Position bei Spitzentechnologien ausgebaut; in Dresden entsteht ein deutsches Silicon Valley in Form eines führenden Kompetenzzentrums für Mikroelektronik. Die Automobilindustrie wird 1998 ihren bisherigen Höchststand bei der Fahrzeugproduktion aus dem Jahre 1992 brechen.
Lassen Sie mich aber noch eine Weile beim Thema Arbeitslosigkeit bleiben, weil es auch von Ihnen in der Opposition in dieser Debatte vorgetragen worden ist. Ich glaube, auch hier ist die Wende da, zumindest in Westdeutschland. Im Februar lag die Zahl der Arbeitslosen zum zweitenmal hintereinander bei der monatlichen Berichterstattung unter dem jeweiligen Vorjahresstand. Die Zahl der offenen Stellen lag zuletzt um gut 50 000 höher als vor einem Jahr. Das sind ganz wichtige Frühindikatoren für einen sich positiv entwickelnden Arbeitsmarkt. Seit Monaten kommen vermehrt Meldungen aus Unternehmen und Handelskammern, wonach wieder zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen werden.
Am 19. Februar schrieb die „Wirtschaftswoche": Fast jedes fünfte Unternehmen stockt zur Zeit Personal auf.
In der deutschen Computer- und Telekommunikationsbranche sollen in den nächsten beiden Jahren 100 000 zusätzliche Arbeitsplätze entstehen.
In der Umwelttechnik werden bis zum Jahr 2000 150 000 Arbeitsplätze geschaffen. In der Bio- und Gentechnik gibt es ein Potential von 70000 neuen Jobs. Die Automobilbranche stellt wieder ein.
Das vor drei Jahren eingeführte Meister-BAföG ist ein absoluter Renner.
Jährlich werden sich etwa 20 000 der Meister-BAföGEmpfänger selbständig machen. Dadurch werden etwa 60 000 neue Arbeitsplätze geschaffen.
Dies alles kann uns noch nicht zufriedenstellen, aber es zeigt, daß die Richtung stimmt: Es geht aufwärts auf dem Arbeitsmarkt. Deswegen gilt es jetzt,
Dr. Peter Ramsauer
Kurs zu halten und die wichtigen Reformen voranzubringen.
Ich bleibe weiter beim Thema Arbeitsmarkt. Ich schaue mir immer die wirtschaftliche Praxis draußen im Lande an; ich mache Unternehmensbesuche, spreche mit Unternehmern und bin in Arbeitsämtern.
- Herr von Larcher, bevor sich etwas ändern kann - und es wird sich etwas ändern -, tut man gut daran, Gespräche mit den Beteiligten vor Ort zu führen,
mit den Praktikern in den Arbeitsämtern - was ich regelmäßig tue -, mit Unternehmern, mit Gewerkschaftern - mit Gewerkschaftern allerdings am besten unter vier Augen, weil sie dann viel offener über die wirtschaftlichen Realitäten und die Realitäten des Arbeitsmarktes sprechen,
als wenn man sie in einem größeren Kreis anspricht, weil der Meinungs-Herdentrieb beispielsweise Gewerkschafter daran hindert, die Wahrheit zu sagen.
Die Wahrheit, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist, daß die Unternehmen und Betriebe oft die Facharbeiter überhaupt nicht bekommen, die sie dringend brauchen.
Dauernd werden Klagen, beispielsweise aus der Baubranche, dahin gehend geäußert, daß Arbeitskräfte nicht zu bekommen sind, obwohl man sie händeringend sucht. Jeder von uns hört solche Klagen. Ich habe mir einmal einen diesbezüglichen Bericht aus dem „Münchner Merkur" der letzten Woche ausgeschnitten. Ich würde diesen Bericht, Herr Kollege Schwanhold, hier nicht anführen, wenn ich diesen Sachverhalt nicht noch einmal ganz genau recherchiert hätte. Es geht darum, daß eine große bayerische Baufirma für den Ausbau von Gleisanlagen in Südbayern zusätzliche Arbeitskräfte benötigte.
Jetzt zitiere ich aus dem Bericht:
Trotz spürbarer Arbeitslosigkeit konnten die umliegenden Arbeitsämter keinen einzigen Mann vermitteln.
So schreibt der Unternehmer.
Mit dem Arbeitsamt in München habe das Bauunternehmen unter 50 Arbeitslosen versucht, geeignete Baufachleute zu finden.
Jetzt sagt der Unternehmer:
Als wir unsere Anforderungen geschildert hatten, verließ etwa die Hälfte der Bewerber den Raum ...
So schilderte der Unternehmer die Suche.
Nach Einzelgesprächen mit dem Rest der Teilnehmer seien zehn Kandidaten verblieben. Die Hälfte davon sei nicht zur Arbeit erschienen, und von den übrigen fünf sei heute noch ein Mann, der aus Österreich stamme, da. Einer befreundeten Firma sei es in München ähnlich ergangen.
- Hören Sie sich das einmal an; das ist die Realität auf dem Arbeitsmarkt. Und das ausgerechnet in der Baubranche!
Weiter heißt es in dem Bericht:
Von 120 Kandidaten blieben einige Wochen später noch zwei neue Mitarbeiter.
Jetzt wieder Zitat:
Was uns öffentlich aus Bonn und Nürnberg berichtet wird, gehört in das Reich von Grimms Märchen.
So kommentiert der Unternehmer seine Erfahrung mit den Arbeitsämtern.
Meine Damen und Herren, das ist ein Teil der Realität auf dem Arbeitsmarkt. Ich gehe so weit, zu sagen, daß man dann, wenn man sich diese Erfahrungen anschaut, festhalten muß, daß ein großer Teil der arbeitslos Gemeldeten in Wirklichkeit dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung steht.
Man muß hier vorsichtig formulieren, weil Sie einem ja das Wort im Munde umdrehen: Sie stehen in Wirklichkeit nicht zur Verfügung. Das Beispiel, das ich eben geschildert habe, belegt, wie es in der Praxis aussieht.
In dem Regierungsprogramm der SPD - es ist ja ein Entwurf - schreiben Sie dazu - ich zitiere -:
Sollten angebotene Arbeitsplätze ohne wichtigen Grund nicht angenommen werden, so müssen die bestehenden gesetzlichen Vorschriften zur Kürzung der Sozialhilfe angewandt werden.
Offensichtlich kommt es Ihnen sehr entgegen, daß wir in diesem Bereich Reformen beschlossen haben, und zwar nicht nur im Bereich des Arbeitsförderungsrechts, wo wir die Grenze der Zumutbarkeit für die Annahme von Arbeit verschärft haben, sondern auch bei der Sozialhilfe.
Sie reden jetzt von der Rücknahme von Reformen. Hier schreiben Sie aber, daß dann, wenn von Arbeitslosen Arbeitsplatzangebote nicht angenommen werden, die gesetzlichen Vorschriften zur Kürzung von
Dr. Peter Ramsauer
Lohnersatzleistungen usw. Anwendung finden müssen. Daran werden wir Sie erinnern. Welche Reformen wollen Sie denn zurücknehmen? Diese Reformen waren außerordentlich wichtig, notwendig und richtig, aber noch lange nicht hinreichend. Wir wären, wenn Sie uns bei diesem ursprünglich zustimmungspflichtigen Gesetz zur Reform des Arbeitsförderungsrechts nur gelassen hätten, in Wirklichkeit noch viel weiter gegangen, um ein noch moderneres Arbeitsförderungsgesetz zu schaffen. Wir wollten die Strukturen im Bereich der Arbeitsverwaltung wirklich zukunftsträchtig gestalten. Sie haben uns leider daran gehindert. Das tut einem leid.
Herr Schröder hat weiter einen zweijährigen Entlassungsstopp vorgeschlagen. Darüber, meine Damen und Herren, lacht nun wirklich jeder Wirtschaftsfachmann. Ich kann mich gut an den Beginn meines wirtschaftswissenschaftlichen Studiums an der Universität München erinnern. Dort lernt jeder angehende Diplom-Kaufmann oder Diplom-Volkswirt im Grundstudium, was man in der Wirtschaft mit Preisstopp oder Entlassungsstopp oder ähnlichen Instrumenten anrichtet. Man muß sich die Folgen überlegen: Ein Entlassungsstopp hat unweigerlich auch einen Anwerbestopp an anderer Stelle zur Folge - das ist doch vollkommen klar -, wenn ich die Wirtschaft sozusagen in eine Zwangsjacke stecke oder unter Zwangsverwaltung stelle. Damit sperren Sie auch an anderer Stelle des Arbeitsmarktes Menschen, die in den Arbeitsmarkt hinein wollen, vom Arbeitsmarkt aus. Das ist eine Form der Aussperrung vom Arbeitsmarkt und ein Stück Ellenbogengesellschaft auf dem Arbeitsmarkt, Herr Kollege Schwanhold. Sie haben uns vorhin vorgehalten, wir würden mit Ellenbogen arbeiten.
Nein, es ist Ellenbogengesellschaft, wenn man mit einem Entlassungsstopp auf der einen Seite bewirkt, daß auf der anderen Seite Leute nicht mehr eingestellt werden.
Wenn einer wie Schröder das vorschlägt, dem nachgesagt wird, er verstehe etwas von Wirtschaft, dann muß ich entgegnen: Es stimmt irgend etwas nicht.
Ich habe die von Ihnen genannten Zahlen, Herr Schwanhold, vorhin ganz genau verfolgt. Sie haben uns Vergleichszahlen zu den heutigen Arbeitsmarktzahlen vorgehalten, die sich auf Westdeutschland bezogen haben. Sie müssen natürlich Gleiches mit Gleichem vergleichen. Da Sie vorhin westdeutsche Zahlen genannt haben, ohne sie als solche zu kennzeichnen, und so getan haben, als bezögen sich die Arbeitslosenzahlen in der Größenordnung von unter 2 Millionen aus den 80er Jahren auf - -
- Na ja, es war für die Öffentlichkeit bewußt mißverständlich formuliert. - Wenn ich mich auf Westdeutschland beziehen würde, dann könnte ich auch sagen, wie es aussehen würde, wenn wir keinen Arbeitskräftezuzug aus dem Ausland und vor allen Dingen aus den nichteuropäischen Ländern gehabt hätten. Wir haben das innerhalb der CSU-Landesgruppe ganz genau durchgerechnet. Durch Zuwanderung haben wir von 1988 bis Mitte 1996 - -
- Hören Sie sich die Zahlen einmal an, Herr Kollege Schwanhold.
Darf der Herr Abgeordnete vielleicht einen Satz sprechen, ohne daß Sie dazwischenrufen?
Ich gebe die Antwort, Frau Präsidentin. Ich weiß, daß er ruhig sein kann, um mich reden zu lassen. So gut kennen wir uns.
Durch die Zuwanderung von außerhalb der Europäischen Union von 1988 bis Mitte 1996 hat sich die Zahl des möglichen Erwerbspersonenpotentials in Deutschland um 1,2 Millionen Menschen erhöht; das sind jährlich 200 000 bis 250 000 zusätzliche Personen von außerhalb der Europäischen Union, die nicht nur zuwandern, sondern auch den Arbeitsmarkt belasten. Das heißt im Umkehrschluß: Wenn wir diese Zuwanderung von Arbeitskräften vor allen Dingen aus osteuropäischen Ländern, Türkei usw., nicht gehabt hätten, lägen heute in Westdeutschland die Arbeitslosenzahlen auch unter 2 Millionen. Ich stelle diesen Zusammenhang einmal ganz bewußt her, damit nicht so getan wird, als fänden in Deutschland nur Entlassungen statt und würden keine neuen Arbeitsplätze geschaffen.
Wo kommen wir denn hin? Wir rennen auf Grund der Zuwanderung aus dem Ausland auf den deutschen Arbeitsmarkt, die Sie mit Ihrer Politik ja noch befürworten, der Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt dauernd hinterher. Wir können in Deutschland nicht nur neue Arbeitsplätze für diejenigen schaffen, die aus dem Ausland zuwandern. Wir müssen, bevor wir diese Zuwanderung zulassen, erst einmal diejenigen in Lohn und Brot bringen, die in Deutschland arbeitslos sind. Das sind nicht nur Deutsche, sondern auch Ausländer, die schon in zweiter oder dritter Generation hier sind. Bei Ausländern besteht eine Arbeitslosenquote, die in etwa doppelt so hoch ist wie die von Deutschen.
Dr. Peter Ramsauer
Ich wollte dies ergänzen, weil es außerordentlich wichtig ist, auch einmal auf diesen Zusammenhang hinzuweisen.
Meine Redezeit läuft leider Gottes davon. Ich möchte noch auf einige weitere Unstimmigkeiten Ihres Wahlprogrammes hinweisen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD. Sie schreiben in Ihrem Entwurf, der übrigens schwer überarbeitungsbedürftig ist:
Wir bauen auf die echten Unternehmer. Wir werden unternehmerischen Geist und unternehmerische Tatkraft überall und bei jedem in Deutschland ermutigen und fördern.
So weit, so gut. Man reibt sich erstaunt die Augen.
Dann kommt ein Stück weiter die Forderung nach „Ausbau der Mitbestimmung am Arbeitsplatz und im Betrieb, Sicherung der Mitbestimmung in den Unternehmen und Ausbau der Mitbestimmungsrechte in Europa". Dazu muß ich sagen: Das ist ein ideales Lockmittel für ausländische Investoren! Wo wollen Sie denn eigentlich noch hin angesichts des Mitbestimmungsstandards, den wir in Deutschland haben? Es ist ja recht so. Aber wir verschrecken ja schon heute ausländische Investoren.
Weiterhin ist in Ihrem Wahlprogramm die Forderung nach Einführung einer Verbandsklage zu lesen. Die können Sie einführen; aber dann erreichen Sie nur eines, nämlich daß Sie notorischen Querulanten, die schon heute viele Investitionen verhindern, noch stärker den Weg ebnen und Investitionen sowie neue Arbeitsplätze torpedieren, statt sie zu befördern.
Meine Damen und Herren, ich wiederhole für den, der es noch nicht begriffen hat: Wenn Rotgrün ans Ruder kommt, bekommen wir eine Regierung, die alles andere als wirtschaftsfreundlich ist. Sie handelt nach dem Motto: Staatsknete für alle statt Leistung, Straßendemos statt Arbeit, Drogenfreigabe statt Fleiß, Fahrradfahren statt Autofahren.
Herr Abgeordneter, die Redezeit ist zu Ende.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, Schwulenehen statt Familie, Transvestit statt Transrapid - das werden die Realitäten in Deutschland sein, wenn Sie die Wahl gewönnen. Aber haben Sie keine Sorge, das werden wir mit einer vernünftigen Politik zu verhindern suchen.
Vielen Dank.
Das Wort hat der Abgeordnete Detlev von Larcher, SPD-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Poß, Sie hatten schon recht damit, daß Sie die Aggressivität von Herrn Repnik und Herrn Rüttgers wahrgenommen haben. Diese Aggressivität darf einen nicht wundern. Denn wir sprechen heute über den letzten Jahreswirtschaftsbericht der Regierung Kohl.
Es ist kein Wunder, daß die Leute aggressiv reagieren.
- Sie können das nicht oft genug hören.
Herr Repnik, Sie haben ja Herrn Henkel zitiert. Ich gebe Ihnen den guten Rat, sich doch einmal in der Koalition zu einigen, ob man nun Herrn Henkel und Herrn Hundt ernst nehmen kann oder nicht. Denn mir liegen Zeitungsmeldungen vor, in denen Herr Glück über Herrn Henkel sagt, daß er ein Manager des Typs sei, der nirgendwo zu Hause ist außer beim Profit. Er wirft ihm atemberaubenden Opportunismus vor. Herr Hundt bekommt von Herrn Glück gesagt: Diese Herren sollten sich gründlich überlegen, was sie sagen.
Das geschah nur, weil sie die Bemerkung gemacht haben - die in einer Demokratie selbstverständlich ist -, daß die Arbeitgeberverbände natürlich mit jeder Regierung, gleichgültig, welche Partei sie stellt, zusammenarbeiten können. Bei Herrn Glück ist die Aufregung dann gleich sehr groß.
Zu Herrn Repnik möchte ich noch sagen: Sie haben uns immerzu Unwahrhaftigkeit vorgeworfen. Nehmen Sie doch bitte zur Kenntnis, daß wir der Ausdehnung des Erbenkreises im Rahmen der Vergünstigungen bei der Vererbung von Betriebsvermögen immer zugestimmt haben. Das haben wir nicht abgelehnt. Bevor Sie hierherkommen, sollten Sie sich erst einmal schlau machen.
Wir sprechen heute also über den letzten Jahreswirtschaftsbericht der Regierung Kohl. Er ist ein eindrucksvolles Dokument. Ich finde diese Dokumentation der wirtschafts- und finanzpolitischen Unfähigkeit dieser Bundesregierung sehr eindrucksvoll. Es handelt sich hier um eine Ansammlung von Glaubensbekenntnissen, unwahren Behauptungen und Wahlkampfrhetorik. Keine Spur von einer ernsthaften Auseinandersetzung mit den Ursachen der katastrophalen Massenarbeitslosigkeit! Auch in den Reden kommt sie eigentlich kaum vor. Herr Ramsauer, wenn Sie hier zitieren und Ihre Beispiele bringen, widerspreche ich diesen Beispielen nicht. Aber ich könnte Ihnen antworten und mit Namen und Adressen Leute nennen, die sich zehnmal, zwanzigmal, dreißigmal beworben haben und keine Chance ha-
Detlev von Larcher
ben. Auch das ist doch die Wahrheit in unserem Land.
Soll ich denn Ihren Ausführungen entnehmen, daß 5 Millionen Arbeitslose faul und unqualifiziert sind?
Oder was sollten Ihre Beispiele hier beweisen?
- Oder daß es die Ausländer sind?
Also noch einmal: keine Spur von einer ernsthaften Auseinandersetzung mit den Ursachen der katastrophalen Massenarbeitslosigkeit.
Zur Lösung der anstehenden Probleme fällt Ihnen, meine Damen und Herren des Kabinetts, nichts anderes ein, als genau die Politik fortzusetzen, die uns die Probleme beschert hat, wahrlich eine Meisterleistung an Einfallslosigkeit und an Hilflosigkeit. Sie wollen unbeirrt mit Ihrer unsozialen, finanzpolitisch unsoliden und wirtschaftspolitisch unvernünftigen Politik der Umverteilung von unten nach oben weitermachen, einer Politik, die darauf setzt, daß Steuergeschenke an Spitzenverdiener Investitionen anschieben und Arbeitsplätze schaffen werden. Mit diesem Irrglauben erreichen Sie nun seit Jahren immer neue Rekordmarken bei der Arbeitslosigkeit, eine immer höhere Steuer- und Abgabenbelastung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und immer neue Rekorde bei der öffentlichen Verschuldung.
Diese Politik ist gescheitert, und Sie wissen das. Weil Sie es wissen, haben Sie uns im letzten Jahr mit den Petersberger Beschlüssen eine sogenannte Steuerreform aufgetischt, von der Sie selbst nie wollten, daß sie in Kraft tritt.
Ich habe Ihnen das damals schon in der zweiten und dritten Lesung gesagt. Sie haben ein Konzept mit einem 50-Milliarden-DM-Loch vorgelegt, das die Länder aus staatspolitischer Verantwortung ablehnen mußten. Ihr einziges Ziel war es, Ihren Blockadevorwurf aufzubauen.
Es ist schon ein starkes Stück, daß Sie diesen Blokkadevorwurf jetzt auch - in etwas gesetzteren Worten - im Jahreswirtschaftsbericht erheben, um ihm einen amtlichen Stempel aufzudrücken. Ebenso dreist war schon Ihr Einlegeblatt in die Informationsschrift des Bundesfinanzministeriums „Einkommen- und Lohnsteuer". Ich möchte einmal wissen, was CDU-Wahlpropaganda in einer amtlichen Schrift des Bundesministeriums zu suchen hat.
Aber mit welchen Mitteln Sie es auch immer versuchen: Der Blockadevorwurf fällt auf Sie selbst zurück. Das merken Sie ja selber an den Reaktionen in der Bevölkerung. Sie haben Ihre Steuerreform selbst blockiert. Ihre Politik hat unser Land immer tiefer in die Krise geführt. Sie sehen keine Chance mehr für
sich außer durch leere Versprechungen. Ich bin sicher, die Wählerinnen und Wähler werden nicht darauf hereinfallen.
Wir haben ein Konzept für eine Steuer- und Abgabenreform vorgelegt, das realistisch ist und das wir deshalb nach der Bundestagswahl umgehend umsetzen wollen.
- Sie können mir eine Zwischenfrage stellen, Herr Staatssekretär, dann kann ich Ihnen außerhalb der Redezeit antworten.
Wir versprechen keine unfinanzierbaren Tarifsenkungen, aber wir können durchschnittlich verdienenden Arbeitnehmern eine Entlastung um 2500 DM im Jahr versprechen.
Wir werden die Steuersätze in allen Tarifbereichen maßvoll senken. Wir werden das steuerfreie Existenzminimum anheben. Wir werden die Beiträge zur Renten- und Arbeitslosenversicherung senken.
Sie haben einen dramatischen Rückgang der realen Nettoarbeitseinkommen zu verantworten. Darum sind unsere Maßnahmen dringend geboten.
Dies ist notwendig, um die Kaufkraft der Arbeitnehmer und der Familien zu erhöhen und damit endlich auch die Binnenkonjunktur wieder in Gang zu bringen.
Um es klar zu sagen: Eine solche Steuerreform ist nur ein Baustein unserer Politik für mehr Beschäftigung, mit einer durchaus begrenzten Wirkung auf dem Arbeitsmarkt. Ihre aber - so lautete beispielsweise das Urteil von Professor Walter in der Anhörung - war nicht einmal das, sondern eine beschäftigungspolitische Mogelpackung.
Um so unverfrorener ziehen Sie jetzt durch die Lande und versuchen, uns Ihr völliges Versagen bei der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit in die Schuhe zu schieben. Sie tun auch noch so, als könnten Sie zaubern: Ihre Steuerreform sollte in den wesentlichen Teilen bekanntlich erst 1999 in Kraft treten, aber selbstverständlich - so wollen Sie die Menschen glauben machen - hätte der Arbeitsmarkt dadurch schon heute in Ordnung gebracht werden können. Gerade haben wir es wieder von Herrn Friedhoff gehört. Täuschen und Tricksen war schon immer Ihre Hauptbeschäftigung. Aber selbst Ihre Tricks werden immer schlechter.
Um diese neue Steuerlüge verbreiten zu können, konnten Sie natürlich nichts mit einer gelungenen Steuerreform anfangen. Deshalb haben Sie von vornherein ein finanzpolitisches Harakiri-Konzept vorge-
Detlev von Larcher
legt. Deshalb haben Sie auf jedes Kompromißangebot unsererseits mit neuen Forderungen reagiert.
Zuletzt haben Sie sich zu der Forderung verstiegen, das Verhältnis zwischen direkten und indirekten Steuern müsse korrigiert werden, und der Anteil der indirekten Steuern müsse steigen. Tatsächlich ist dieser Anteil ausweislich des Finanzberichts 1998 seit 1991 um vier Prozentpunkte gestiegen. 1995 lag der Anteil der indirekten Steuern schon bei 53,4 Prozent. Er ist noch weiter gestiegen. Denn Sie haben schon in der Vergangenheit systematisch Verbrauchsteuern erhöht, um die Steuerausfälle zu kompensieren, die Sie mit Ihren Steuergeschenken an Spitzenverdiener verursacht haben.
Die Menschen haben verstanden, daß es diese Koalition selbst ist, die einer Steuerreform im Wege steht. Deswegen versuchen Sie jetzt auf Nebenkriegsschauplätze auszuweichen. Da brüsten Sie sich beispielsweise auch in Ihrem Jahreswirtschaftsbericht mit dem heldenhaften Kampf gegen das Steuerdumping in Europa. Wenn ich daran denke, wie lange wir Ihnen im Finanzausschuß zugeredet haben, daß man Absprachen treffen müsse, und wie lange Sie uns ausgelacht haben, bis Sie endlich begriffen haben, daß es gemacht werden muß, dann finde ich es wirklich unverfroren, daß Sie sich damit rühmen.
Ein weiteres Manöver, um vom Scheitern Ihrer Steuerpolitik abzulenken, ist die Forderung der Herren Stoiber und Teufel nach einer Korrektur des Solidarpakts durch eine Änderung des Länderfinanzausgleichs. Dies ist ein Angriff auf die Finanzen der neuen Bundesländer.
Ich will noch eine Bemerkung zu den Arbeitslosen machen. Wenn hier behauptet wird, wir werden eine sinkende Zahl von Arbeitslosen und eine steigende Zahl von Arbeitsplätzen bekommen, kann ich nur sagen: Schauen Sie sich einmal die Situation in den neuen Ländern an! Ich glaube, Herr Ramsauer, wenn wir dort ein ausreichendes Arbeitsplatzangebot von Baufirmen hätten, dann würde man auch genug Menschen für diese Arbeit finden.
Die Diskussion über den Länderfinanzausgleich, die es verdient, sozusagen auseinandergenommen zu werden - dazu reicht mir aber die Zeit nicht -, ist ein pures Ablenkungsmanöver. Im Kern handelt es sich um die Aufkündigung der Solidarität mit den neuen Bundesländern.
Wenn wir uns Ihren Jahreswirtschaftsbericht anschauen, dann kann man abschließend feststellen: Sowohl in der Wirtschaftspolitik als auch in der Arbeitsmarktpolitik, in der Sozialpolitik und in der Steuerpolitik ist eine negative Bilanz zu ziehen. Wie
gut, daß das der letzte Jahreswirtschaftsbericht der Regierung Kohl ist.
Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Dr. Hermann Otto Solms, Vorsitzender der F.D.P.-Fraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will die fortgeschrittene Debatte nicht über Gebühr verlängern und deswegen nur ganz wenige Bemerkungen machen.
Wichtig ist, daß der Jahreswirtschaftsbericht eine ausgesprochen positive Perspektive bietet. Das ist entscheidend. Das Bruttoinlandsprodukt wird um 2,5 bis 3 Prozent steigen. Die Binnennachfrage steigt. Die Investitionen in bezug auf Investitionsgüter gehen hoch. Der Export ist weiter stabil, und das angesichts der schwierigen Situation in Asien. Die Trendwende auf dem Arbeitsmarkt ist sichtbar; ich will zugeben: im Westen stärker als im Osten.
Im Osten ist die Lage, insbesondere die Lage in der Bauwirtschaft, noch sehr schwierig. Aber die Preisstabilität ist gesichert. Der Preisanstieg ist von 1,9 Prozent auf 1,5 Prozent gesunken.
Wir sind insgesamt auf einem guten Weg. Das zeigen auch die hervorragenden Zahlen, die beim Erfüllen der Bedingungen für das Erreichen der Europäischen Währungsunion erzielt worden sind. Das bestätigt den Kurs, den die Koalition eingeschlagen hat.
Es geht darum, zwei Dinge zu erreichen: Einerseits müssen die Kosten für Arbeitsplätze gesenkt werden, und andererseits müssen gleichzeitig die Nettoeinkommen der Arbeitnehmer steigen. Die Frage ist: Wie ist das zu erreichen? Das geht eben nur dadurch, daß auf der einen Seite die Steuerbelastung für Unternehmen und Arbeitnehmer gesenkt wird, damit netto mehr in der Tasche bleibt,
damit das verfügbare Einkommen steigt und so mehr Nachfrage entstehen kann.
Auf der anderen Seite müssen die Lohnzusatzkosten gesenkt werden, damit die Arbeitskosten begrenzt werden. Dadurch hätten die Arbeitnehmer ein höheres Nettoeinkommen. Die Arbeitskosten könnten also ohne eine Senkung der Lohnkosten reduziert werden.
Das geht eben nur durch Reformen in den sozialen Sicherungssystemen, denn diese lösen durch ihre
Dr. Hermann Otto Sohns
Beitragssätze die hohen Lohnzusatzkosten aus. Sie kommen um die Strukturreformen nicht herum, so unbequem das auch ist und so gern man sich um die eine oder andere Sache herumdrücken möchte. Das geht uns genauso wie Ihnen.
Deswegen lautet die Botschaft: „mehr netto für alle" durch eine angebotsorientierte Politik, die die Arbeit günstiger, weniger kostenintensiv macht, dadurch Investitionen in Arbeitsplätze auslöst und den Arbeitnehmern gleichzeitig ein höheres Nettoeinkommen verschafft. Das ist genau der Weg, den wir gehen. Ihn müssen wir konsequent weitergehen.
Man kann die alten Vorwürfe, zum Beispiel den der Steuersenkung für Spitzenverdiener, den auch Herr von Larcher gemacht hat, eigentlich nicht mehr hören. Es ist ja lächerlich. Er muß sich doch nur anhören, was seine Wirtschaftshoffnung als Ministerpräsident in Nordrhein-Westfalen, Herr Clement, gerade geäußert hat. Er hat gesagt: 35 Prozent für die Gewerbebetriebe - das ist das gleiche, was in den Petersberger Beschlüssen steht - und 43 bis 45 Prozent für die übrigen Einkünfte. Auch damit ist er nicht sehr weit von uns entfernt. Die Spitzenverdiener will doch auch er entlasten.
Beim Eingangssteuersatz haben Sie unseren Vorschlag abgeschrieben. Sie waren vorher bei 22 Prozent, und jetzt haben Sie in Ihren neuen Programmentwurf 15 Prozent hineingeschrieben. Das finde ich in Ordnung. Man kann voneinander lernen, insbesondere Sie von uns. Wenn Sie das tun, muß man das auch loben.
Diese Steuerreform - ich greife das auf, was der Kollege Repnik gesagt hat - ist durchberaten und hat die Mehrheit im Deutschen Bundestag gefunden. Wir können sie unverändert einbringen und an einem Tag in erster, zweiter und dritter Lesung wieder verabschieden. Wir wollen nur eine Zusicherung: nämlich daß Sie das, was Herr Clement und Herr Schröder landauf, landab erklären und in Aussicht stellen, mit Ihren Bundesländern im Bundesrat dann auch bestätigen. Sonst macht es keinen Sinn.
Wenn natürlich Herr Lafontaine diese Aussagen am nächsten Tag spontan einsammelt und sagt, unter 49 Prozent können wir nicht gehen, ist diese Diskussion müßig. Das ist nun einmal so.
Jetzt stellt sich die Frage: Für wen sind Herr Clement und Herr Schröder verantwortlich? Gegenwärtig sind sie für ihre Bundesländer und für die Interessen der Arbeitnehmer und Unternehmen in ihren Bundesländern verantwortlich. Nun erkennen sie selbst, daß eine solche Steuerreform mit einer so deutlichen Steuersenkung notwendig ist. Herr Clement hat gesagt, er braucht sie, um die Arbeitslosigkeit in Nordrhein-Westfalen bis zum Jahre 2000 halbieren zu können. Das ist das gleiche wie das, was der Bundeskanzler für die Bundesrepublik gesagt hat. Um das zu erreichen, brauchen wir die Steuerreform. Das sagt er auch. Also, dann machen wir sie doch.
Dafür stehen wir zur Verfügung. Wir brauchen dann aber die verbindliche Erklärung, daß Sie das, was Sie dem Land und den Bürgern verkünden, auch einhalten. Dann sind wir dazu bereit.
Das war der Kern dessen, was ich zum Ausdruck bringen wollte. Wir sind auf einem guten Weg. Wir gehen diesen Weg konsequent weiter. Die Arbeitslosigkeit wird in diesem Jahr deutlich sinken. Herr Hundt hat keine mutige Erklärung abgegeben, denn wir werden die Zahl von 500 000 mehr Beschäftigten im Sommer dieses Jahres erreichen.
Dann werden wir vor diesem Hintergrund den Wahltag erleben, und der Wähler soll entscheiden.
Ich sage Ihnen allerdings voraus: Selbst wenn Sie an die Regierung kämen und eine einigermaßen vernünftige Politik machen wollten, so sind Sie dennoch mit dem Mühlstein der Grünen an Ihrem Hals zum Untergang verurteilt.
- Sie sind hier gar nicht mehr präsent. Frau Wolf telefoniert, ich weiß nicht, mit wem. Sie ist die einzige Grüne, die hier noch präsent ist. Vor dem Hintergrund der Beschlüsse von Magdeburg sollte man sich auch vor der Öffentlichkeit verstecken.
Ich sage Ihnen: Ihre Option ist die Option rotgrün, und Sie müssen sich die Argumente gegen das Magdeburger Programm der Grünen vorwerfen lassen. Ich weiß, daß Sie einiges davon nicht umsetzen werden. Aber ich weiß auch, daß das ein schwieriges Experiment werden würde.
Vielen Dank, meine Damen und Herren.
Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Ulrich Petzold, CDU/CSU.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich kann ja verstehen, daß diese heutige Debatte für
Ulrich Petzold
die SPD ein Dilemma darstellt. Auf der einen Seite möchte sie die Bundesregierung angreifen,
weil die den Standort Deutschland angeblich herunterwirtschaftet.
Auf der anderen Seite möchte sie die Koalition beschimpfen, weil die den Standort Deutschland angeblich nur herunterredet.
Was ist denn nun wahr, meine sehr geehrten Damen und Herren?
Vielleicht hilft Ihnen das folgende: „Der Wirtschaftsstandort ist gut. "
Wenn das die wirtschaftspolitische Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion des Bundeslandes mit den schlechtesten Konjunkturdaten aller neuen Bundesländer von ihrem Land, nämlich Sachsen-Anhalt, vor 14 Tagen behauptet hat, dann ist das wohl kaum mehr als ein Pfeifen im Walde.
So kurz vor ihrer Landtagswahl sollte die rot-rotgrüne Regierungskoalition in Magdeburg endlich mit dem Schönreden aufhören und die Karten auf den Tisch legen.
Im Landtagswahlkampf 1994 hatte Herr Höppner, der auch dieses Mal wieder als Vorkämpfer der linken Koalition antritt, versprochen, die Arbeitslosigkeit in Sachsen-Anhalt um 5 Prozent zu senken. Aus dieser Senkung wurde nichts. Sie stieg um das Doppelte. Diesen Spitzenplatz bei der Arbeitslosigkeit hat sich die Regierung Höppner nicht nehmen lassen; vielmehr hat sie ihn deutlich ausgebaut.
- Vorwürfe in Richtung Bonn kann ich nur mit dem Hinweis auf andere neue Bundesländer beantworten, die denselben wirtschaftlichen Rahmen hatten. Ein Wirtschaftswachstum von 0,1 Prozent bzw. 0,0 Prozent im zweiten Jahr hintereinander ist ein dramatisches Alarmsignal. Sachsen-Anhalt ist das Land, das mit seinen miserablen Ergebnissen das durchschnittliche Wachstum des Bruttoinlandsproduktes in den neuen Bundesländern ganz wesentlich drückt.
Auch dieses Problem wird leichthin als Altlast abgetan, und man versucht, es der CDU/CSU in die Schuhe zu schieben. Ganz und gar verdrängt wird dabei, daß das Land Sachsen-Anhalt in der ersten Legislaturperiode unter der CDU-F.D.P.-Koalition Spitzenpositionen beim Wachstum des Bruttoinlandsproduktes einnahm.
An einer Stelle kann sich die so verantwortungslose Regierung Höppner nicht aus der Verantwortung stehlen: Mit den Landeshaushalten der letzten Jahre verspielt sie die Zukunft des Landes zwischen Stendal und Naumburg.
Die Investitionsquote sank von mehr als 30 Prozent auf 23 Prozent; gleichzeitig erreichte die Pro-KopfVerschuldung mit 1 487 DM Spitzenwerte.
Im Vergleich dazu handelt der Freistaat Sachsen mit einer um zwei Drittel geringeren Pro-Kopf-Verschuldung eindeutig zukunftsorientiert.
Jeder Bürger Sachsens, vom Säugling bis zum Greis, hat eine um 1 000 DM geringere Verschuldung zu tragen, und das bei einer um 50 Prozent höheren Investitionsquote.
Investitionen von heute sind Arbeitsplätze von morgen.
Nicht allein die Inanspruchnahme von Wirtschaftsfördermitteln, sondern auch der Umfang der damit angeregten Investitionen sind entscheidend für die Qualität der Wirtschaftspolitik eines Landes.
Schon allein die Ausreichung von Fördermitteln macht dem rot-rot-grünen Musterländle Probleme. In den Jahren 1994 bis 1997 wurden 1,9 Milliarden DM an Fördermitteln aus dem Landeshaushalt nicht ausgegeben.
Bei einem durchschnittlichen Fördersatz hätten damit ein Investitionsvolumen von etwa 8 Milliarden DM angeschoben und etwa 100 000 Arbeitsplätze gerettet bzw. neu geschaffen werden können. Aber für diese Landesregierung war es schon immer leichter - auch wenn man selbst Sozialaufgaben kürzt -, nach dem zweiten Arbeitsmarkt und nach Bonn zu schreien.
Dabei gäbe es in Sachsen-Anhalt sehr viel zu tun.
In allen neuen Bundesländern hat es in den vergangenen Jahren einen enormen Anstieg der Konkurse
Ulrich Petzold
gegeben. Aber in Sachsen-Anhalt kommen auf 100 Firmenneugründungen 89 Gewerbeabmeldungen, 10 Prozent mehr als in Sachsen.
Großspurig im Haushalt einen Konsolidierungsfonds für Unternehmen zu verankern, ihn dann aber nicht mit einer einzigen Mark zu versehen - das kann man kaum anders als Potemkinsche Dörfer, Trugbilder nennen.
Der klammheimliche, unheimliche Magdeburger Koalitionspartner PDS stellt dazu selbst fest, daß die Unterstützung der in der Umstrukturierung befindlichen Unternehmen durch die Höppner-Regierung halbherzig und völlig unzureichend ist.
Dafür wird in sogenannte weiche Standorte investiert.
- In sogenannte weiche Standortfaktoren. Konsumlive Ausgaben, wie für die Einführung eines 13. Schuljahres oder das Bildungsfreistellungsgesetz, bestimmen das Bild. Gibt es denn in Sachsen Anhalt, gibt es in den neuen Bundesländer keine dringenderen Probleme?
Dabei bleibt die Planung der Landesentwickung im tiefen Dunkel. Vor vier Jahren wurde von der damaligen CDU-Regierung noch ein Landesentwicklungsprogramm auf den Weg gebracht.
Herumgewerkelt wurde an diesem Entwurf viel. Was dabei herauskam, ist nach vier Jahren zwar noch immer kein Gesetz; aber es kann sich toll sehen lassen: Die Fläche, auf der das größte Chemiewerk meines Wahlkreises seit über 85 Jahren steht, ist als Vorranggebiet „Landwirtschaft" ausgewiesen. Ein Industriegebiet, auf dem zur Zeit 3 000 Menschen arbeiten, wurde so einfach aus Versehen zur landwirtschaftlichen Nutzfläche. Milliardeninvestitionen der Treuhandanstalt und des Investors wurden an dieser Stelle kurz übersehen. Nur wer Milliardeninvestitionen in das Chemiedreieck Sachsen-Anhalts so einfach übersehen kann, kann mangels eines überzeugenden Wahlprogramms in den dümmlichen Ruf „Kohl muß weg" einstimmen. Der Bundeskanzler war es, der mit höchstem persönlichen Einsatz große Investoren nach Buna, Leuna und Bitterfeld geholt hat und sie unter widrigen Umständen bei der Stange gehalten hat. Viele Medienvertreter erinnern sich daran nur, wenn es gilt - wie im Fall Elf Aquitaine -, mit Schmutz zu werfen.
Bevor die Magdeburger Landesregierung mit den höchsten Auslandsinvestitionen der neuen Bundesländer prahlt, sollte sie die von der Bundesregierung und die von der CDU-Landesregierung angestoßenen Investitionen abziehen, und das Bild würde sich wesentlich ernüchternder darstellen.
Sich mit fremden Federn zu schmücken scheint der Landesregierung Höppner und Co. auf Grund fehlender eigener Leistungen sehr wichtig zu sein. Wenn Bundesverkehrswegebau vom Wirtschaftsministerium des Landes als eigene Infrastrukturmaßnahme gefeiert wird, ist das schon stark. Wenn das Bau- und Verkehrsministerium dieses Landes in einer Zeit, in der es den eigenen Verkehrswegebau drastisch beschneidet, mit einer Eigenbeteiligung von 63 Millionen DM innerhalb von fünf Jahren, die Behauptung aufstellt, den Bundesverkehrswegebau in Sachsen-Anhalt dramatisch vorangebracht zu haben, so ist das eine deutliche Unverfrorenheit. 63 Millionen DM gegenüber 4,3 Milliarden DM Bundesmittel - das sind gerade einmal 1,5 Prozent der Summe, die das Bundesverkehrsministerium in der gleichen Zeit in die Verkehrsinfrastruktur Sachsen-Anhalts investiert hat.
In ähnlicher Weise lassen sich fremde Federn im Magdeburger Sozialministerium zum Beispiel jetzt wieder neu bei der Förderung junger Menschen ohne Berufsabschluß und auch in weiteren Landesprogrammen finden.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Schulze?
Aber immer.
Herr Kollege, können Sie mir zustimmen, daß für das Land Sachsen-Anhalt im Bundeshaushalt für das Jahr 1998 rund 660 Millionen DM vorgesehen sind, daß das Land im Bereich der Infrastruktur die absolute Spitzenposition bei der Förderung durch den Bund einnimmt und daß die Landesregierung im gleichen Zeitraum, nämlich bis zum Jahre 2004, trotz anderer großartiger Ankündigungen für Unterstützung und Vorfinanzierung nur 63 Millionen DM ausgibt - Sie sprachen die Zahl selber an -, was 1,5 Prozent der gesamten Investitionen des Bundesverkehrsministeriums in die Verkehrsinfrastruktur Sachsen-Anhalts ausmacht? Stimmen Sie mir zu, daß das die wahren Zahlen sind und daß man sich gerne mit fremden Federn schmückt?
Ich stimme Ihnen voll und ganz zu.
Es ist tatsächlich so, daß sich das Land Sachsen-Anhalt immer wieder mit diesen fremden Federn
Ulrich Petzold
schmückt. Das ist, glaube ich, das Ärgerliche an der ganzen Sache.
Deswegen ist es, glaube ich, auch ganz wichtig, daß wir das hier einmal ganz deutlich und klar herüberbringen.
Herr Abgeordneter, es besteht der Wunsch nach einer weiteren Zwischenfrage, diesmal vom Kollegen Mosdorf.
Aber gerne. Bitte, Herr Mosdorf.
Ich wollte den lieben Kollegen nur fragen, worauf er nach diesem fulminanten Engagement des Bundes für Sachsen-Anhalt die schlechten Prognosen für die Landtagswahl zurückführt.
Ich höre von 24 und 22 Prozent für Ihre Partei; es wird immer ein bißchen weniger.
Das ist ungefähr die Hälfte von dem, was Herr Repnik in Konstanz hat. Worauf führen Sie es denn zurück, daß Sie bei diesem fulminanten Programm so fürchterlich abstürzen?
Die Landesregierung Sachsen-Anhalt
verkauft alles mögliche in ihrem Namen; das habe ich gerade gesagt.
Denken Sie zum Beispiel an die A 38! Die A 38 ist von der rot-grünen Seite des Landes Sachsen-Anhalt, die heute die Landesregierung stellt, unwahrscheinlich bekämpft worden. Jetzt aber stellt sich genau diese Landesregierung bei Eröffnung dieser Straße neben Bundesminister Wissmann und erläutert der Bevölkerung, was alles Schönes sie geleistet hat.
Gerade weil dies von der Landesregierung immer auf so unmögliche Weise verkauft wird, ist es wichtig, in diesem Punkt einmal die Wahrheit zu sagen. Für mich ist es unwahrscheinlich wichtig, das bei der
Bevölkerung in Sachsen-Anhalt wirklich einmal herüberzubringen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, was ist zu tun, um die positiven Wachstumssignale, die gerade in den neuen Bundesländern aus der Industrieproduktion und dem Export kommen, noch zu verstärken? Wir brauchen dort erstens eine produktivitätsorientierte Tarifpolitik, die die individuelle Leistungsfähigkeit der Unternehmen berücksichtigt, zweitens eine wachstumsorientierte Prioritätensetzung in den Finanzhaushalten, drittens eine wachstumsorientierte rechtliche Rahmensetzung und viertens eine zukunftsorientierte Bildungs- und Wissenschaftspolitik und kein 13. Schuljahr - insgesamt also den Rahmen, wie er von dem vorliegenden Jahreswirtschaftsbericht der Bundesregierung vorgegeben wird.
In enger Zusammenarbeit mit den Bundestagsabgeordneten der Koalition aus den neuen Bundesländern hat die Bundesregierung im Frühjahr 1997 für die neuen Bundesländer ein mittelfristiges Förderkonzept bis zum Jahr 2004 verabschiedet. Dieses Förderkonzept bietet den Landesregierungen der neuen Bundesländer, unabhängig von den ungedeckten Schecks im SPD-Wahlprogramm, eine sichere Perspektive auf hohem Förderniveau: eine gute Perspektive für die neuen Bundesländer, aber auch eine gute Perspektive für Sachsen-Anhalt.
Ich danke Ihnen.
Das Wort hat die Abgeordnete Sabine Kaspereit, SPD-Fraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Petzold, nur zwei Bemerkungen: Erstens, Thema verfehlt. Zweitens, unsachliche und - ich muß das so sagen - falsche Darstellung.
Ich will dies an einem Beispiel verdeutlichen: Die Höhe der Investitionsquote beträgt zum Beispiel in Mecklenburg-Vorpommern 26,1 Prozent, in SachsenAnhalt 28,3 Prozent
und in Sachsen 31 Prozent. Sachsen-Anhalt steht hinsichtlich der Investitionsquote in den neuen Ländern an der zweiten Stelle - dies aber nur nebenbei.
Hoffentlich haben Sie gemerkt, Herr Petzold, daß Sie mit Ihrer Rede, mit Ihren Diffamierungen Ihrem Heimatland keinen guten Dienst geleistet haben.
Ich erinnere nur an die Standortdebatte. Das muß, glaube ich, einmal gesagt werden.
Sabine Kaspereit
Politik muß sich am gesamtgesellschaftlichen Interesse orientieren und nicht an den Interessen einzelner Gruppen, so berechtigt diese mitunter auch sein mögen. Politik hat allen Menschen zu dienen. Sie soll allen Menschen die Chance auf die Teilhabe am wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Leben eröffnen. Das ist der Grundgedanke der sozialen Marktwirtschaft.
Mit Blick auf den Jahreswirtschaftsbericht 1998 nützt es daher nichts, sich rechtfertigend ausschließlich hinter die Doktrin der reinen Angebotspolitik zu flüchten oder sich bei Ausgabenkürzungen im Sozialbereich mutig hinter den Äußerungen eines Sachverständigenrates zu verstecken. Es nützt auch nichts, den ausgestreckten Zeigefinger gegen die Länder zu richten, wenn man selbst die Chancen einer modernen Wirtschaftspolitik versäumt hat. Der Jahreswirtschaftsbericht 1998 zeigt, daß die Bundesregierung versucht, positive Konjunkturdaten als Erfolgsstory ihrer Politik zu verkaufen. Sie surfen lediglich auf Konjunkturwellen, meine Damen und Herren.
Rund 20 Prozent der deutschen Bevölkerung kommen aus den neuen Bundesländern. Diese Tatsache spiegelt sich aber nicht im Jahreswirtschaftsbericht wider. Vielmehr hat man in weiten Teilen des Berichts den Eindruck, als machte sich betretenes Schweigen breit, weil der selbsttragende Aufschwung noch immer ausgeblieben ist. Wenn im Bericht auf konkrete Zahlen verwiesen wird, beziehen sie sich in den meisten Fällen auf die alten Länder. An manchen Stellen des Berichtes lese ich Sätze wie diesen: „Ermutigende Signale zeigen sich vor allem in Westdeutschland. " Das hören wir alle zweifellos gern. Aber interessant ist natürlich, was dort nicht steht, weil, wenn es dort stünde, es oft nicht so erfreulich wäre.
So steht dort zum Beispiel nicht, daß zahlreiche Beschäftigungsinitiativen in den ostdeutschen Kommunen durch die arbeitsmarktpolitische Berg- und Talfahrt dieser Bundesregierung zerstört worden sind. Die Betroffenen merken das doch, genauso wie sie es merken, wenn die Bundesregierung aus wahltaktischen Überlegungen mal eben ein kurzfristiges Aktionsprogramm auflegt, um die Arbeitsmarktstatistik bis zum Wahltag zu schönen. Solche Aktionsprogramme - vielleicht sollte ich besser „Reaktionsprogramme" sagen - sind doch nicht Ausdruck einer verläßlichen Politik; sie sind vielmehr Ausdruck dessen, daß Ihre Politik versagt hat und nun schnell der Schaden begrenzt werden muß, den die Regierung selbst angerichtet hat.
Meine Damen und Herren, in einer ganzen Reihe ostdeutscher Kommunen beträgt die Arbeitslosenquote mehr als 30 Prozent. Die betroffenen Men-
schen brauchen eine Regierung, die es damit ernst meint, sie wieder am wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Leben teilhaben zu lassen, und keine Regierung, die ihnen unterstellt, sie wollten gar nicht arbeiten, wie Herr Ramsauer es hier sagte.
Doch Ihre eingeleiteten „Reaktionsprogramme" tragen nicht weit, nur eben bis zur Bundestagswahl.
Übrigens sind die Arbeitsämter auch nicht gerade glücklich mit dem überraschenden Geldsegen. Sie müssen sich nämlich nun auf die Schnelle um Projekte bemühen, die erst vor einem knappen Dreivierteljahr durch das AFRG von der Bundesregierung zerschlagen worden sind. Was die Menschen wirklich brauchen, sind wettbewerbsfähige, langfristig gesicherte Arbeitsplätze und nicht Kosmetik an der Arbeitsmarktstatistik.
Übrigens, diese Arbeitsplätze braucht auch unsere Volkswirtschaft per saldo sehr nötig.
Es geht auch ohne Kosmetik. Daß in Sachsen-Anhalt 1997 jedem Ausbildungsplatzbewerber ein Ausbildungsplatz zur Verfügung gestellt werden konnte, verdanken wir nicht der Bundesregierung,
sondern einer Landesregierung, die Bündnisse einhält und ernst nimmt.
Die gemeinsame Initiative für mehr Ausbildungsplätze in Sachsen-Anhalt ist ein Beispiel dafür. Im Gegensatz zu dem von Ihnen im Jahreswirtschaftsbericht so sehr gepriesenen Bündnis für Arbeit Ost zeigt sie, daß es geht, wenn wirklich alle ihren Verpflichtungen nachkommen.
Auf Bundesebene vermisse ich diesen Willen zur Zusammenarbeit. Jedenfalls ist die Industrie ihren vollmundigen Versprechungen in puncto Ausbildungs- und Arbeitsplätze nicht nachgekommen, jedenfalls noch nicht. Vielleicht hat sie ja noch ein kleines Wahlgeschenk für die Koalition in der Tasche
und hat nur ein bißchen gewartet, weil ja nach Meinung mancher Politiker das Gedächtnis des Wählers ziemlich kurz ist. Aber täuschen Sie sich nicht!
Die Baukonjunktur sieht alles andere als gut aus. Insbesondere in Ostdeutschland verzehrt die Lage am Bau die zaghaften Erfolgsansätze anderer Branchen. Daß es so weit gekommen ist und kommen mußte, müssen Sie doch gewußt haben. So wies Ihr Fraktionskollege Kolbe bereits 1995 darauf hin, daß das Wachstum in Ostdeutschland mit 45 Prozent deutlich überproportional auf die Bauwirtschaft zurückgeht, die üblicherweise nur mit 15 Prozent zum Wachstum beiträgt. Nun frage ich Sie, was Sie seitdem unternommen haben, um der jetzigen Lage in
Sabine Kaspereit
Ostdeutschland vorzubeugen, welche Schlüsse Sie gezogen und welche wirtschaftspolitischen Präventivmaßnahmen Sie umgesetzt haben.
Statt konkrete Antworten zu geben, zucken Sie die Schultern, weisen auf die Überkapazitäten und die Strukturanpassungen hin und bezeichnen das als einen unvermeidlichen Schrumpfungsprozeß oder als eine Wachstumsdelle, wie Herr Rexrodt es so schön nennt. Daß Sie, Herr Minister, die positive Rolle der Länder erwähnen, freut mich natürlich. Aber was bleibt den Ländern auch anderes übrig?
In Sachsen-Anhalt wurde gehandelt und durch eine Investitionspauschale ein beachtliches Infrastrukturprogramm aufgelegt. Daher ist es Sachsen-Anhalt als einzigem ostdeutschen Land gelungen, für eine Zunahme des Umsatzes am öffentlichen Bau zu sorgen. Dies sage ich in Richtung des Herrn Michelbach.
Daß wir in Ostdeutschland eine so miserable Baukonjunktur haben, liegt wohl kaum daran, daß es nichts mehr zu tun gäbe. Die ostdeutsche Bauwirtschaft hätte eigentlich noch auf Jahre hinaus - auch mit höheren Kapazitäten - genügend Arbeit. Auch fehlt es nicht an Kreditmöglichkeiten für Infrastrukturinvestitionen. Nein, es fehlt an Ko-Finanzierungsmöglichkeiten der öffentlichen Hand, sprich: der Kommunen, denen die fiskalisch ausgerichtete Bundespolitik immer mehr soziale Finanzlasten aufgebürdet hat. Unter diesem Druck können die Kommunen einfach keine größeren Bauinvestitionen mehr anschieben. Die staatliche Nachfrage auf kommunaler Ebene ist nicht zuletzt durch den Bund faktisch erdrosselt worden.
Nicht nur die staatliche Nachfrage, auch die Nachfrage der Privathaushalte trägt immer weniger zur Stärkung der Binnenkonjunktur bei. Seit 1991 sind die Löhne und Gehälter netto real um 8 vom Hundert gesunken. Daher spüren sowohl die Privathaushalte als auch der Einzelhandel sehr deutlich die Last dieser Wirtschaftspolitik.
Das, meine Damen und Herren, steht natürlich nicht im Jahreswirtschaftsbericht. Genausowenig steht dort etwas über die von der Bundesregierung ohne Not losgetretene Standortdebatte, die Deutschland weltweit ein Negativimage eingebracht hat. Zum Beispiel muß der für die Anwerbung ausländischer Investoren tätige Industrial Investment Council enorm viel Kraft aufwenden, dieses Negativimage aufzubessern und ausländische Investoren für den Standort Deutschland und vor allen Dingen für die neuen Bundesländer zu interessieren. Übrigens stehen bei den Investitionsentscheidungen der ausländischen Investoren nicht so sehr die Höhe der Steuern im Vordergrund, sondern die bürokratischen Hürden.
Daß auf diesem Feld eine Menge getan werden kann, solche Hemmnisse abzubauen, zeigen die Genehmigungszeiten in Sachsen-Anhalt, wo mit Bündelung, Parallelbearbeitung und Projektbegleitung die kürzesten Genehmigungsverfahren in Deutschland erreicht wurden.
Nachdem die Bundesregierung den Standort Deutschland jahrelang zerredet hat, kommt die Positivdarstellung im vorliegenden Jahreswirtschaftsbericht einfach zu spät. Damit setzt sich die Bundesregierung auch dem Verdacht aus, daß der Bericht geschönt ist.
Noch ein Wort zu Forschung und Technologie. Im Jahreswirtschaftsbericht sprechen Sie zu Recht vom hohen Ausbildungsstand und von der Technologiekompetenz Deutschlands und davon, daß Deutschland damit einen komparativen Vorteil im internationalen Wettbewerb hat. Sie haben recht. Aber um so weniger verständlich ist es, daß und wie Wissenschaft und Forschung in den neuen Bundesländern abgewickelt wurden.
Daß hier trotz des unermeßlichen Schadens, der in der Forschungslandschaft angerichtet wurde, noch immer bzw. wieder ein großes Potential vorhanden ist, zeigen ermutigende Beispiele auch in Sachsen-Anhalt, Herr Petzold, so zum Beispiel die Biotechnologie-Region Halle-Leipzig. Dies ist sicher kein Verdienst der Bundesregierung, sondern vor allem ein Erfolg der Wirtschaftsförderung in Sachsen-Anhalt.
Es gäbe im Hinblick auf die neuen Bundesländer noch eine erkleckliche Anzahl weiterer diskussionswürdiger Punkte des Jahreswirtschaftsberichts. Angesichts der vielen Probleme wäre es wohl richtig gewesen, den Aufbau Ost zur Chefsache zu machen. Das ist nicht passiert. Statt dessen beschränkte sich die Regierungskoalition auf Versprechungen und auf das Aussitzen. Das werden wir ändern. Wir werden den Aufbau Ost nach der Regierungsübernahme durch das Einsetzen eines Koordinators mit Kabinettssitz zur Chefsache machen. Darauf können Sie sich verlassen.
Ich erteile dem Kollegen Gunnar Uldall das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Da die Debatte nun seit vier Stunden läuft, wollen wir uns jetzt auf das Wesentliche konzentrieren.
Das Wesentliche ist, daß der Kollege Schwanhold heute angekündigt hat: Ab sofort treten wir in einen Wettstreit darüber ein, wer am besten über den Standort Deutschland redet. Herr Kollege Schwanhold, dieser Wettkampf ist eröffnet. Ich möchte jetzt einen ersten Beitrag dazu leisten, Gutes und Richtiges über den Standort Deutschland zu sagen, damit Sie das mit nach Hause nehmen können, um am Wochenende in Ihrem Wahlkreis Loblieder über die Re-
Gunnar Uldall
gierung, über ihre Wirtschaftspolitik und über den Standort Deutschland zu singen.
Meine Damen und Herren, ich wende mich dem schwierigsten Punkt innerhalb der Standortdiskussion zu, nämlich den Arbeitskosten. Wir wissen, daß wir - ungeachtet all der Punkte, in denen wir unseren Nachbarländern und Wettbewerbern überlegen waren - ihnen gegenüber hinsichtlich der Arbeitskosten einen großen Nachteil hatten. Nun sehen wir uns einmal an, wie sich dies in der letzten Zeit entwickelt hat. Die Höhe der Arbeitskosten ist wichtig. Aber noch wichtiger ist, was man in einer Stunde produziert, für die man Arbeitskosten aufzuwenden hat. Insofern ist es wichtiger, daß man die Lohnstückkosten miteinander vergleicht.
Hier habe ich eine hochinteressante Entwicklung aufzuzeigen. Die Lohnstückkosten haben sich in Deutschland zunächst von Jahr zu Jahr kräftig nach oben entwickelt: 1992 waren es plus 5,8 Prozent, 1993 plus 3,4 Prozent. Dann kommt ein Knick: 1994: minus 0,1 Prozent; 1995: noch etwas über 1 Prozent; 1996: minus 0,3 Prozent; 1997: minus 1,9 Prozent; 1998: minus 1,0 Prozent.
Wir erkennen, daß der Aufwärtstrend hinsichtlich der Lohnstückkosten bei uns in Deutschland einen Knick hat, daß die Kosten sinken und daß wir hiermit an Wettbewerbsfähigkeit gewinnen. Das zeigt: Der Turn-around für den Standort Deutschland ist erreicht worden.
Es wäre ein Fehler, Defizite zu beschönigen. Aber noch falscher wäre es, den Standort Deutschland schlechter darzustellen, als er tatsächlich ist. Wer die Entwicklung der vergangenen zwei Jahre betrachtet hat, der kann feststellen, daß die Maßnahmen, die wir eingeleitet haben, jetzt anfangen, zu greifen. Darauf sollten wir stolz sein. Wir sollten daraus die Schlußfolgerung ziehen, diesen Weg konsequenter fortzuführen.
Deswegen müssen wir in einer solchen Debatte - auch wenn wir uns zeitlich beschränken müssen - den Blick nach vorn richten. Ich sehe vier Punkte, hinsichtlich deren wir in der Wirtschaftspolitik unsere Bemühungen und unsere Anstrengungen intensivieren müssen.
Erstens. Die Kosten je Arbeitsstunde müssen weiter verringert werden. Zweitens. Eine Steuerreform muß die Differenz zwischen brutto und netto verringern; sie muß Arbeitnehmer und Unternehmer deutlich entlasten. Drittens. Die Flexibilität bei Arbeitsrecht und Arbeitszeiten muß erweitert werden. Viertens. Deregulierung und Privatisierung müssen konsequent weitergeführt werden.
Wenn es jetzt nicht zwölf Minuten nach zwei Uhr wäre, dann würde ich diese vier Punkte ausführlich unter dem Aspekt erläutern, was wir bereits gemacht haben und was noch alles notwendig ist.
- Nein, liebe Freunde, ich lasse mich jetzt nicht darauf ein. Wer voller Ungeduld danach fiebert, der möge in mein Büro kommen; dort bekommt er das Manuskript meiner Rede.
Der fortgeschrittenen Zeit angemessen werde ich nun zu einigen Punkten konzentriert Stellung nehmen. Hinsichtlich der Arbeitskosten müssen wir auf folgendes achten: Wir stellen immer wieder fest, daß die Jobzahl in den USA deutlicher als in Deutschland steigt. Daher müssen wir uns fragen: Was ist eigentlich in der Hinsicht der Kernunterschied zwischen diesen beiden Ländern? - Ich möchte die Antwort darauf auf den Punkt bringen: Egal, in welcher Situation man sich in den USA befindet, egal, ob man Arbeitsloser, Kranker, Vorruheständler oder Sozialhilfeempfänger ist, man verdient in den USA in einer solchen Lage immer weniger, als wenn man arbeiten würde. In Deutschland ist dies nicht immer der Fall.
Wenn wir in Deutschland zu einer echten Bekämpfung der Probleme auf dem Arbeitsmarkt kommen wollen, dann muß es so sein, daß derjenige, der arbeitet, immer mehr Einkommen zur Verfügung hat als derjenige, der nicht arbeitet; sonst sind unsere Bemühungen vergeblich.
Zur Steuerreform ist viel gesagt worden. Ich möchte an die Kollegen von der SPD appellieren, mit uns eine Reform zu machen, die beide Seiten entlastet: Arbeitnehmer und Unternehmer.
Wenn wir die Ausnahmeregelungen für die Unternehmen streichen, dann müssen die Steuersätze so abgesenkt werden, daß am Ende keine höhere Steuerbelastung für die Unternehmen herauskommt. Genau diese Sorge hat mich aber beim Studium der SPD-Vorschläge befallen. Wer so agiert wie Sie, der erhöht faktisch die Steuerlast für die Betriebe und treibt die Betriebe mitsamt ihren Arbeitsplätzen ins Ausland. Das können wir nicht machen!
In der Diskussion und im Streit „Neidgefühle gegen Arbeitsplätze" setzen wir ganz eindeutig auf Arbeitsplätze.
Schließlich möchte ich noch einen weiteren Satz zur Steuerreform sagen. Die Steuerreform darf nicht dazu verkommen, daß aus der Überlegung über bessere Gestaltungsmöglichkeiten am Ende nur ein Bündel neuer Steuern entsteht: eine neue Ökosteuer, eine neue Vermögensteuer, eine neue Lehrlingsteuer. Wenn Sie neue Steuern einführen - selbst wenn Sie vorher verkünden, daß die Einnahmen aus dieser oder jener neuen Steuer benutzt werden sol-
Gunnar Uldall
len, um andere Steuern zu senken -, dann bedeutet das immer eine höhere steuerliche Belastung. Es wäre das erste Mal in der Finanzgeschichte, daß neue Steuern zu einer niedrigeren Steuerbelastung führen. Deswegen dürfen diese Pläne auf keinen Fall verwirklicht werden.
Hinsichtlich der guten Punkte, die im jetzt beginnenden Wettstreit über das Positivreden über den Standort Deutschland bitte zu verbreiten sind, müssen wir immer mehr hervorheben, was uns in den letzten Jahren bei der Arbeitszeitflexibilisierung gelungen ist. Wir haben vor zwei oder drei Jahren hier im Parlament - ich will nicht sagen, gegen wessen Widerstand - entsprechende Gesetzesvorhaben beschlossen.
- Nein, wir wollen nicht, daß es für sie jetzt zu peinlich wird.
Der Vorsitzende des Gesamtbetriebsrates eines großen internationalen Konzerns hat mir kürzlich gesagt: „Was wir in den letzten zwei Jahren bei der Arbeitszeitregelung erreicht haben, entspricht einer Kulturrevolution. "
Genau das müssen wir immer wieder darstellen. Wir haben auf der Fachkonferenz vom vergangenen Montag, die von verschiedenen Kollegen schon erwähnt wurde, von verschiedenen Investoren gehört, wie positiv sich die Arbeitszeitregelungen entwickelt haben. BMW hat eine Vielzahl von Möglichkeiten zur variablen Verteilung der Arbeitszeit geschaffen. Insgesamt gibt es bei BMW rund 200 verschiedene Arbeitszeitmodelle.
Die Zeiten in Deutschland sind vorbei, als die Arbeitszeit feststand und sich der Arbeitsanfall nach der Arbeitszeit zu richten hatte. Bei uns ist es jetzt auch so wie in unseren Konkurrenzländern, daß sich die Arbeitszeitregelung nach dem Arbeitsanfall richtet und nicht umgekehrt. Ich will Ihnen ein Beispiel bringen: Die zehn größten amerikanischen Unternehmen in der Bundesrepublik haben durch das konsequente Anwenden dieser Regelung in den letzten zwei Jahren 45 000 Arbeitsplätze neu geschaffen und gesichert. Das zeigt: Gesetzliche Maßnahmen, die von der Opposition als Maßnahmen gegen die Arbeitnehmer verteufelt wurden, sind in Wirklichkeit Maßnahmen zugunsten der Arbeitnehmer.
Der Jahreswirtschaftsbericht kann nur eine Zwischenbilanz sein. Die Zwischenbilanz zeigt, daß wir auf dem richtigen Wege sind. Wenn sich der Wirtschaftsminister am Jahresende hier im Parlament hinstellt und erneut einen Rückblick über das gibt, was im Jahre 1998 wirtschaftspolitisch geschehen ist,
dann wird die Bilanz, die er ziehen wird, folgendermaßen ausfallen: Wir haben 300 000 bis 500 000 neue Stellen mehr als vor einem Jahr,
die Rentenversicherungsbeiträge sinken, die Krankenversicherungsbeiträge sinken, die Arbeitslosenversicherungsbeiträge können abgesenkt werden. Das wird die Bilanz sein, die man dann für das Jahr 1998 insgesamt ziehen wird.
Das zeigt: Wir sind mit unserer Wirtschaftspolitik auf einem guten Weg. Es wäre fatal, wenn man diesen Kurs ändern würde. Deswegen müssen unsere politischen Vorstellungen weiter konsequent umgesetzt werden.
Herr Kollege Mosdorf, Sie haben jetzt das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal muß man uns loben, daß wir hier solange aushalten; denn die Debatte über den Jahreswirtschaftsbericht ist eine wichtige Debatte.
- Ich weiß. Deshalb mache ich es ganz kurz.
Lassen Sie mich am Anfang sagen: Ich finde, wir sollten nicht in Vergessenheit geraten lassen, was heute morgen gelungen ist. Es ist auch im Interesse des Landes, daß die beiden Schlichter ein gutes Ergebnis für den Bereich des öffentlichen Dienstes erzielt haben. Ich glaube, man kann ihnen nur Beifall zollen: Hans Koschnick und Herrn Wagner. Das ist eine wichtige Entscheidung.
Ich hoffe sehr, daß sich die Tarifvertragsparteien auf dieses Ergebnis einigen, weil es den staatlichen Bereich nicht so belastet, wie es wäre, wenn man sich dort nicht geeinigt hätte, wenn es möglicherweise Arbeitskampfmaßnahmen oder ähnliche Dinge mehr gegeben hätte. Ich begrüße den Schlichterspruch ausdrücklich. Wir reden hier auch über die staatliche Wirtschaftspolitik. Dazu gehört auch Modernisierung des Staates. Da muß ein solcher Punkt auch einmal positiv hervorgehoben werden.
Herr Rexrodt, Sie haben einen Jahreswirtschaftsbericht vorgelegt, der zeigt, daß wir durchaus eine gespaltene wirtschaftliche Entwicklung haben: nicht nur was Ost-West angeht - darauf ist schon von Frau Kaspereit hingewiesen worden -, sondern auch, was die Zielvorgaben des Stabilitätsgesetzes selber betrifft. Sie wissen genausogut wie ich, daß wir natürlich mit der Inflationsrate, also mit der Preisstabilität, zufrieden sind.
Wir sind auch mit der Außenwirtschaftsentwicklung zufrieden, wobei wir nüchtern sehen müssen, daß da viele Währungsfaktoren eine große Rolle spie-
Siegmar Mosdorf
len. Das hat sich in den letzten Jahren verändert. Das ist nicht eine Sache, die wir wirtschaftspolitisch angeschoben haben. Vielmehr haben sich da die Relationen verändert.
- Sowohl - als auch, aber der Punkt mit der Währung war schon kniffliger, in der Zwischenphase der 90er Jahre. Das hat uns alle massiv betroffen, sowohl mit europäischen als auch mit anderen Währungen.
Der dritte Punkt ist: Wir sind, hoffe ich - das habe ich der Debatte entnommen -, nicht zufrieden mit der Arbeitsmarktentwicklung. Ich will das jetzt nicht polemisch auf Ihre Person zuspitzen, Herr Rexrodt, aber Sie müssen sehen: Während Ihrer Amtszeit, von 1992 bis jetzt, haben sich die Arbeitslosenzahlen verdoppelt. Ich sage nicht, daß das Ihre Schuld ist. Aber es ist natürlich ein gravierender Punkt, der uns alle belastet; denn es ist ja so, daß wir schauen müssen, daß 5 Millionen Menschen wieder in Arbeit kommen.
Ich darf einmal Ludwig Erhard zitieren. Er hat gesagt:
Das ist der soziale Sinn der Marktwirtschaft, daß jeder wirtschaftliche Erfolg, wo immer er entsteht, daß jeder Vorteil aus der Rationalisierung, jede Verbesserung der Arbeitsleistung dem Wohle des ganzen Volkes nutzbar gemacht wird.
Es sollen also alle etwas davon haben, weil wir uns auf Dauer 5 Millionen Arbeitslose wirklich nicht leisten können. Ich glaube, das ist ein wichtiger Punkt, den wir hervorheben sollten.
Es gibt natürlich eine Reihe von Fragen, die kritisch sind, die wir ansprechen müssen und die uns insgesamt beschäftigen. Politisch ist es so, daß wir im Moment eine interessante Beobachtung machen können. In der CDU gibt es eine intensive Diskussion darüber - Herr Repnik, Herr Uldall, liebe Kollegen -, ob sie nicht die Wirtschaftskompetenz verloren hat.
Ich will einmal daran erinnern: Wir hatten eine ähnlich schwierige Situation in der SPD. 1976 fing eine neue CDU-Führung an, und eine neue soziale Frage wurde thematisiert - das waren Biedenkopf und Geißler - mit dem klaren Ziel, die CDU über das Wirtschaftsspektrum hinaus auch sozialpolitisch zu profilieren, sie als eine moderne Volkspartei breiter anzulegen. Das war damals die Absicht. Die ist übrigens gelungen. Sie sind mehrheitsfähig geworden.
Diese enormen Anstrengungen, die Sie damals unternommen haben, um mehrheitsfähig zu werden, unternehmen wir - das beobachten Sie ja auch mit Interesse - jetzt im wirtschaftspolitischen Feld. Wir hatten, nachdem die wichtigen Kapitäne der Wirtschaftspolitik der 70er und 80er Jahre wie Helmut Schmidt, Alex Möller oder auch Karl Schiller - alles Leute, die wirtschaftspolitisch was zu bieten hatten - von Bord gegangen waren, eine Debatte, die sich stark auf die Verteilung konzentrierte. Jetzt wollen wir uns sehr stark auf die Frage konzentrieren: Was
passiert eigentlich mit der Wertschöpfung? Hier dürfen wir nicht nur konjunkturpolitisch diskutieren, sondern müssen auch strukturpolitisch diskutieren.
Wenn man sich über die Wertschöpfungsfrage unterhält, dann kommt man zu einer ganzen Reihe wichtiger Ergebnisse. Wir sind zum Beispiel zu dem Ergebnis gekommen - das sollte man nicht vergessen -, daß auch wir der Auffassung sind, daß eine Substanzbesteuerung nicht sinnvoll ist. Deshalb waren wir für die Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer.
Deshalb waren wir für die Abschaffung der Vermögensteuer.
Ich will das noch einmal sagen, weil sich Herr Schäuble in der heutigen Ausgabe der „Wirtschaftswoche" geäußert hat. Das ist ein sehr bemerkenswertes Interview, das müssen Sie einmal lesen; so keß habe ich die „Wirtschaftswoche" noch nicht erfahren. Auf verschiedene Bemerkungen antworteten die Fragesteller mit flotten Sprüchen: Allein werden Sie die Wahl wohl nicht gewinnen. Was haben Sie denn substantiell zu bieten? - Schäuble geht auf die Frage der Vermögensteuer ein und sagt: Das ist natürlich Gift, wenn man die wieder einführt. Das geht nicht, ohne gleichzeitig investiertes Kapital einer Substanzbesteuerung zu unterwerfen. Damit würde die SPD dringend notwendiges Kapital und Arbeitsplätze aus Deutschland verjagen.
Sie wissen genausogut wie wir, genausogut wie ich, daß wir natürlich keine erneute Substanzbesteuerung vornehmen wollen.
- Das ist völlig eindeutig. Da sollte man nichts verwirren. Da hat auch keiner etwas gesagt. Kein einziger ist dafür, daß wir die Vermögensteuer auf das Kapital wieder einführen.
- Nein, da kann ich Sie beruhigen.
Jetzt lassen Sie mich noch einen Satz zu den Lohnstückkosten sagen, die Herr Uldall eben schon angesprochen hat. Das ist in der Tat ein wichtiger Punkt. Es ist klar: Wenn man die Weltwirtschaft so verändert, daß 3 Milliarden Menschen in die Marktwirtschaft einbezogen werden, dann entstehen völlig neue Wettbewerbsbedingungen. Da spielen Kostenfragen natürlich eine Rolle. Aber, lieber Gunnar Uldall, es gab eine Fixierung auf die Kostenfrage. Ich halte den Grundsatz „Wer zu spät an die Kosten denkt, ruiniert ein Unternehmen, und wer zu früh an die Kosten denkt, der tötet Kreativität", diesen Balancesatz für wichtig. Man muß schon die Kosten im Auge behalten; man mußte auch deutlich korrigieren. Das hat die Wirtschaft auch getan. Was Sie von BMW erzählt haben, was Sie von Mercedes oder anderen Unternehmen erzählt haben, waren Wirtschaftsaktivitäten, die die Unternehmen gemeinsam mit den Betriebsräten eingeleitet haben.
Siegmar Mosdorf
Aber was mir bei Ihnen fehlt, ist der innovative Teil. Wir werden diese Wirtschaftskrise nicht bewältigen, wenn wir nicht neben der Kostenfrage auch die Innovationsfrage im Zusammenhang mit der Entwicklung vor allem im Bereich der neuen Produkte, der neuen Technologien und der Dienstleistungen, die darum herum entwickelt werden, berücksichtigen. Das ist übrigens auch ein Geheimnis des Erfolgs der USA. Wir wissen beide, Gunnar Uldall, daß in Amerika die Kostenfrage zwar ein Punkt ist, daß aber vor allem entscheidend ist, daß in Amerika Jobs entstanden sind, die es vorher gar nicht gab, die wir teilweise noch gar nicht kennen. Insofern müssen wir eine Doppelstrategie verfolgen. Meine Kritik ist, daß Sie den Teilbereich Innovation vernachlässigen, vergessen.
- Wenn ich das noch sagen darf: Ich merke eine deutliche Differenz zwischen den Akzenten, die zum Beispiel Herr Wissmann setzt - er ist ja jetzt zum Wirtschaftsexperten ernannt worden, nachdem man einen Rettungsanker brauchte; Matthias Wissmann ist ein sehr guter Jurist und ein guter Golfspieler; ich bin nicht sicher, daß er das gleiche Handicap wie im Golfspielen auch in der Wirtschaftspolitik erreicht -, und den Akzenten, die Herr Rüttgers setzt, was die Innovationspolitik angeht. Der eine argumentiert eher klassisch, konjunkturpolitisch - das habe ich auch bei Gunnar Uldall ein bißchen herausgehört -, der andere kümmert sich um die Frage: Wie sehen eigentlich die neuen Tätigkeitsfelder aus? Wie sehen die neuen Technologien aus? Wie sehen die neuen Arbeitsplätze von morgen aus? Diese Differenz ist evident. Ich glaube, wir müssen auf beide Sektoren setzen.
Aber jetzt will ich nicht länger reden. Gunnar Uldall muß sonst zu lange stehen.
Herr Uldall.
Herr Kollege, kann ich aus der Formulierung, die Sie eben gebraucht haben - Sie alle seien gegen eine Substanzbesteuerung und gegen die Wiedereinführung der Vermögensteuer -, schließen, daß Sie sich alle gegen Ihr Parteiprogramm stellen,
gegen „Arbeit, Innovation und Gerechtigkeit"? Siegmar Mosdorf : Das ist jetzt unter Niveau. Gunnar Uldall (CDU/CSU): Nein. Ich zitiere - -
Ich habe gesagt: Die private Vermögensteuer können wir sehr wohl einführen. Aber die betriebliche Vermögensteuer, die wir immer abschaffen wollten, die wir mit euch gemeinsam abgeschafft haben, die werden wir nicht wieder einführen - damit das klar ist.
Herr Kollege, darf ich fragen: Sind wir einer Meinung: Die SPD bleibt bei einer Substanzbesteuerung - -
Nein. Die SPD wird eine betriebliche Vermögensteuer nicht wieder einführen.
Nein! Nein!
Die haben wir selber abgeschafft.
Dann sind wir uns einig, daß die SPD eine Substanzbesteuerung der privaten Vermögen einführen will?
Wir sind uns nicht einig, wenn Sie unterstellen, lieber Kollege, daß wir die betriebliche Vermögensteuer wieder einführen wollen.
Wir werden folgendes machen - damit das klar ist; das ist ganz simpel; das kann man jedem erklären -: und zwar als erste Maßnahme nach dem 27. September, wenn wir regieren - -
- Das ist wirklich Wortklauberei. Aber ich will das jetzt höflich beantworten.
Wenn wir regieren, werden wir eine große Steuerreform machen. Ich sage Ihnen, welche Akzente die hat.
Erstens sagen wir: Wir müssen beim Eingangssteuersatz deutlich runter, weil wir wollen, daß die Arbeitnehmer nicht in die Schwarzarbeit flüchten, und weil wir Brücken in den ersten Arbeitsmarkt bauen wollen.
Zweitens sagen wir: Wir wollen die Progression möglichst entschärfen. Die armen Leute zahlen im Moment fast keine Steuern. Die reichen haben meist einen guten Steuerberater. Die Hauptabgaben- und -steuerlast liegt bei den Facharbeitern, bei den Meistern, bei den Technikern: beim Arbeitnehmer im Mittelstand; den wollen wir entlasten.
Wir senken auch die Spitzensteuersätze; das ist völlig klar. Dabei weiß jeder, daß ich für eine Stufenlösung bin,
und zwar für ein Konzept, das auch finanzpolitisch nachhaltig wirkt.
Siegmar Mosdorf
- Ja. Aber Sie wissen: Da gab es noch ein paar andere, die - -
- Nein! Nein! Herr Repnik, Sie haben - -
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Hauser?
Nein, lieber Herr Hauser.
Lieber Herr Repnik, Sie wissen genau so gut wie ich, daß Sie ein paar spezielle Freunde haben, die Ihre speziellen Vorschläge zur Steuerreform verhindert haben.
Lassen Sie mich zum Schluß zwei Bemerkungen machen, weil ich das nicht endlos fortsetzen will. Ich habe in der Zeitung ein wörtliches Zitat von Herrn Michelbach gelesen - ist er noch da? -, der über Hans-Olaf Henkel folgendes gesagt hat: Seine Äußerung, daß er unser Wirtschaftsprogramm für interessant hält, sei unmöglich. Dann hat Herr Michelbach wörtlich gesagt: Dieser Mann ist für das politische Geschäft völlig ungeeignet, weil er politisch keine Richtung hat. - Ich habe die herzliche Bitte, daß Sie ihm vielleicht einmal sagen, daß wir immer noch davon ausgehen, daß sich die Wirtschaftsverbände in Deutschland neutral verhalten sollen. Das gilt für den DIHT, für den BDI.
- Oh, ist das kleinkariert.
Ich habe die herzliche Bitte, daß man Herrn Michelbach einmal sagt, daß man auch mit den Spitzenvertretern der Verbände so nicht umgehen kann, sondern daß man ordentlich mit ihnen umgehen sollte und sie nicht in gewisse politische Ecken hineinmanövriert. Herr Michelbach kann nicht davon ausgehen - und Sie auch nicht -, daß der BDI sozusagen automatisch für die CDU marschiert.
Ich komme zum Schluß. - Herr Rexrodt mußte schon gehen; es ist Kabinettssitzung. Das ist völlig klar. - Ich wollte nur sagen: Das wird der letzte Wirtschaftsbericht gewesen sein, den Herr Rexrodt vorstellen konnte.
Ich möchte ihm - das macht man schon allein aus Gründen der Kollegialität - herzlichen Dank sagen, auch für die Bemühungen, die er unternommen hat. Er hat sich wirklich bemüht. Aber wir brauchen ein bißchen mehr als nur Bemühungen. Wir werden das dann im September angehen.
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
Ich schließe die Aussprache.
Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf Drucksache 13/10107 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. - Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen.
Tagesordnungspunkt 14 c: Wir kommen zur Abstimmung über die Beschlußempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft zu dem Entschließungsantrag der Fraktion der SPD zum Jahreswirtschaftsbericht 1997, Drucksache 13/8227. Der Ausschuß empfiehlt, den Entschließungsantrag auf Drucksache 13/6963 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? -
Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Damit ist die Beschlußempfehlung mit den Stimmen der CDU/CSU und der F.D.P. gegen die Stimmen der SPD und der PDS bei Enthaltung von Bündnis 90/Die Grünen angenommen.
Tagesordnungspunkt 14 d; Beschlußempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft zu dem Entschließungsantrag der Fraktion der SPD zur Großen Anfrage zu Insolvenzen in der deutschen Wirtschaft, Drucksache 13/8229. Auch hier empfiehlt der Ausschuß, den Entschließungsantrag auf Drucksache 13/ 7430 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen der CDU/ CSU und F.D.P. gegen die Stimmen der SPD und Bündnis 90/Die Grünen bei Enthaltung der PDS angenommen.
Tagesordnungspunkt 14 e; Beschlußempfehlung des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung zu dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit dem Titel „Ökologisch gestalten, soziale Gerechtigkeit wahren und kommende Generationen entlasten", Drucksache 13/7152. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 13/4671 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen der CDU/CSU und der F.D.P. gegen die Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen und bei Enthaltung der SPD und der PDS angenommen.
Tagesordnungspunkt 14 f; Beschlußempfehlung des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung zu dem Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen zu der Großen Anfrage zum Gemeinsamen Wort der Kirchen „Zur wirtschaftlichen und sozialen Lage in Deutschland", Drucksache 13/7414. Der Ausschuß empfiehlt, den Entschließungsantrag
Präsidentin Dr. Rita Süssmuth
auf Drucksache 13/6966 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Dagegen? - Enthaltungen? - Damit ist die Beschlußempfehlung mit den Stimmen der CDU/CSU und der F.D.P. gegen die Stimmen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen bei Enthaltung der PDS angenommen.
Tagesordnungspunkt 14 g; Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses zu dem 16. Subventionsbericht der Bundesregierung auf Drucksache 13/9108. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Die Beschlußempfehlung ist mit Zustimmung aller Fraktionen und der Gruppe der PDS angenommen.
Tagesordnungspunkt 14 h; Beschlußempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft zu dem Antrag der Gruppe der PDS zur konsequenten Ausrichtung der staatlichen Instrumente zur Förderung der wirtschaftlichen Tätigkeit auf Beschäftigungswirksamkeit, Drucksache 13/10181. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 13/8091 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Wie haben Sie gestimmt?
Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen aller Fraktionen bei Gegenstimmen der PDS angenommen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 15 auf:
Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Protokoll vom 19. Juni 1997 auf Grund von Artikel K.3 des Vertrags über die Europäische Union und von Artikel 41 Absatz 3 des Europol-Übereinkommens über die Vorrechte und Immunitäten für Europol, die Mitglieder der Organe, die stellvertretenden Direktoren und die Bediensteten von Europol
- Drucksachen 13/9084, 13/9370 -
Beschlußempfehlung und Bericht des Innenausschusses
- Drucksache 13/10201 - Berichterstattung:
Abgeordnete Erwin Marschewski Hans-Peter Kemper
Manfred Such
Dr. Max Stadler
Ulla Jelpke
Es liegt je ein Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. sowie der Fraktion der SPD vor.
Die Redner Erwin Marschewski, CDU/CSU, Dr. Jürgen Meyer, SPD, Manfred Such, Bündnis 90/ Die Grünen, Dr. Max Stadler, F.D.P., und Ulla Jelpke, PDS, sowie der Parlamentarische Staatssekretär Eduard Lintner von seiten der Bundesregierung haben ihre Redebeiträge zu Protokoll gegeben*). Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall.
') Anlage 8
Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf des Europol-Immunitätenprotokollgesetzes auf den Drucksachen 13/9084 und 13/9370. Der Innenausschuß empfiehlt auf Drucksache 13/10 201 Buchstabe a, den Gesetzentwurf unverändert anzunehmen. Bevor ich die Abstimmung vornehme, teile ich mit, daß die Kollegin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger und der Kollege Dr. Burkhard Hirsch zu ihrem Abstimmungsverhalten eine Erklärung nach • 31 der Geschäftsordnung abgegeben haben* )
Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist mit den Stimmen der Koalition bei Gegenstimmen von Bündnis 90/Die Grünen und PDS und Enthaltung der SPD angenommen.
Der Innenausschuß empfiehlt unter Buchstabe b seiner Beschlußempfehlung auf Drucksache 13/ 10201 die Annahme einer Entschließung. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegenprobe? - Enthaltungen kann es dann nicht mehr geben. Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen der Koalition gegen die Stimmen von SPD und Bündnis 90/ Die Grünen angenommen.
Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und der F.D.P. auf Drucksache 13/10202. Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag? - Gegenprobe! - Enthaltungen dann keine mehr. Der Entschließungsantrag ist mit den Stimmen der Koalition gegen die Stimmen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und PDS angenommen.
Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 13/10203. Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag?
Gegenprobe! - Enthaltungen? - Damit ist der Entschließungsantrag mit den Stimmen der CDU/CSU und F.D.P. gegen die Stimmen der SPD bei Enthaltung von Bündnis 90/Die Grünen und PDS abgelehnt.
- Betrifft das jetzt noch die Abstimmungen? Die sind nämlich beendet.
Zu Protokoll?
*) Anlage 9
Ich möchte zu Protokoll geben, daß bei der Abstimmung über den Jahreswirtschaftsbericht und den folgenden Abstimmungen nur ein abstimmungsberechtigter Sozialdemokrat im Raum war.
Ich halte fest: Der Tagesordnungspunkt 16- Milchmarktpolitik - ist gestern behandelt worden. Tagesordnungspunkt 17 ist abgesetzt worden. Damit sind wir am Schluß unserer Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Mittwoch, den 1. April 1998, 13 Uhr ein. Ich wünsche Ihnen einen guten Heimweg und ein anregendes Wochenende.
Die Sitzung ist geschlossen.