Gesamtes Protokol
Guten Morgen, meine Damen und Herren! Die Sitzung ist eröffnet.
Ich rufe die Tagesordnungspunkte 14 a bis d auf:
a) Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD und F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (elektronische Wohnraumüberwachung)
- Drucksache 13/8650 -
Beschlußempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses
- Drucksachen 13/9642, 13/9660 - Berichterstattung:
Abgeordnete Norbert Geis Dr. Herta Däubler-Gmelin Hermann Bachmaier
Dr. Jürgen Meyer Gerald Häfner
Detlef Kleinert Jörg van Essen
b) - Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD und F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verbesserung der Bekämpfung der Organisierten Kriminalität
- Drucksache 13/8651 -
- Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verbesserung der Geldwäschebekämpfung
- Drucksache 13/6620 -
Beschlußempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses
- Drucksachen 13/9644, 13/9661-
Berichterstattung:
Abgeordnete Norbert Geis Hermann Bachmaier
Dr. Herta Däubler-Gmelin Dr. Jürgen Meyer Gerald Häfner
Detlef Kleinert Jörg van Essen
c) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Rechtsausschusses
- zu dem Antrag der Fraktionen der CDU/ CSU, SPD und F.D.P.
Telefonüberwachungen
- zu dem Antrag des Abgeordneten Manfred Such und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Schutz der Vertraulichkeit des Telekommunikationsverkehrs und des Vertrauensverhältnisses zu Berufsgeheimnisträgern
- zu dem Antrag des Abgeordneten Manfred Such und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Maßnahmen zur verbesserten Bekämpfung der Geldwäsche sowie zur Einziehung kriminell erlangter Profite
- Drucksachen 13/8652, 13/5196, 13/8590, 13/ 9644, 13/9661-
Berichterstattung:
Abgeordnete Norbert Geis Hermann Bachmaier
Dr. Herta Däubler-Gmelin Dr. Jürgen Meyer Gerald Häfner
Detlef Kleinert Jörg van Essen
d) Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 8. November 1990 über Geldwäsche so-
Präsidentin Dr. Rita Süssmuth
wie Ermittlung, Beschlagnahme und Einziehung von Erträgen aus Straftaten
- Drucksache 13/7954 -
Beschlußempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses
- Drucksache 13/9435 -Berichterstattung:
Abgeordnete Norbert Geis Dr. Jürgen Meyer
Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat zur Grundgesetzänderung einen Änderungsantrag eingebracht. Ich weise darauf hin, daß wir im Anschluß an die Aussprache über den Änderungsantrag namentlich abstimmen werden.
Die Schlußabstimmung über den Gesetzentwurf zur Änderung des Grundgesetzes wird ebenfalls namentlich durchgeführt werden. Zur Annahme dieses Gesetzentwurfes ist die Zustimmung von zwei Dritteln der Mitglieder des Deutschen Bundestages erforderlich. Für diese Abstimmung benötigen Sie außer Ihrer Stimmkarte auch Ihren Stimmausweis in der Farbe gelb. Den Stimmausweis können Sie nachher Ihrem Stimmkartenfach entnehmen.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache zwei Stunden vorgesehen. Kein Widerspruch? - Dann verfahren wir so.
Ich eröffne die Aussprache. Es beginnt der Kollege Norbert Geis.
Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Dynamik der organisierten Kriminalität in Europa und insbesondere in Deutschland ist ungebrochen und unvermindert. Weltweit haben sich kriminelle Gruppen etabliert, die vor allen Dingen in den europäischen Raum und hier wiederum insbesondere nach Deutschland vorzudringen versuchen. Es geht um Drogenhandel, um Handel mit radioaktiven Stoffen, um Kfz-Diebstähle, um Menschenhandel und vor allem um die Geldwäsche. Weltweit wurden im letzten Jahr an die 800 Milliarden Dollar in der Geldwäsche umgesetzt, davon allein in Deutschland an die 100 Milliarden Dollar. Das beweist, daß die organisierte Kriminalität mehr und mehr in unser Wirtschaftsleben vorzudringen beginnt.
Die Gefahr für unsere Gesellschaft und für unsere Wirtschaft besteht dabei nicht so sehr in der Einzeltat als vielmehr darin, daß ein großes Kapital Einfluß zu nehmen versucht auf die Entscheidungsträger und Entscheidungsvorgänge in der Gesellschaft und in der Wirtschaft sowie auf Entscheidungen, die dann demokratisch nicht mehr kontrollierbar sind.
Durch die gigantische Finanzmacht vergiftet die organisierte Kriminalität die öffentliche Verwaltung, die Justiz, die Politik und die Wirtschaft. Die Folge ist, daß die Unabhängigkeit der richterlichen Entscheidung, die Glaubwürdigkeit der Politik und die Zustimmung zu unserer Werteordnung gefährdet sind. Wer über diese große Gefahr für unser Gemeinwesen nachdenkt, der wundert sich eigentlich darüber, daß wir nicht schon längst den Schritt getan haben, den wir heute hoffentlich mit großer Mehrheit unternehmen wollen.
Die Polizei und die Staatsanwaltschaft drängen darauf, daß wir auch für den Bereich der Strafverfolgung die elektronische Wohnraumüberwachung zulassen. Die Fachleute sagen uns, wir sollten nicht allein bei der akustischen Wohnraumüberwachung stehenbleiben,
sondern auch gleich die optische Wohnraumüberwachung regeln. Wir haben uns damit nicht durchgesetzt. Ich möchte dies hier nicht weiter vertiefen, aber es heute wenigstens erwähnen.
Ich hoffe sehr, daß die kriminelle Entwicklung in Deutschland uns nicht in kürzester Frist dazu zwingt, auch dieses Mittel noch einzusetzen.
Von den Gegnern der technischen Überwachung von Wohnungen wird mit Recht angeführt, daß durch diesen Eingriff, durch diese elektronische Wohnraumüberwachung, das Grundrecht auf die Unverletzlichkeit der Wohnung beeinträchtigt wird. Wir sehen dies und achten dieses Argument. Gerade in einer Massengesellschaft braucht der Mensch einen Binnenraum, wie es das Bundesverfassungsgericht formuliert hat, in den er sich zurückziehen kann, weil erst so die Grundlage für die freiheitliche Entwicklung geschaffen wird. Das ist ein gewichtiges Gegenargument. Deswegen hat es auch so lange gedauert, bis wir uns, das heißt, SPD-, F.D.P- und CDU/CSUBundestagsfraktion, zu diesem gemeinsamen Schritt entschlossen haben.
Wir müssen aber wissen, daß dieses Recht auf die Unverletzlichkeit der Wohnung in Art. 13 Grundgesetz nie schrankenlos gewährt worden ist. Es gibt natürlich heute schon die Möglichkeit des Eingriffs, zum Beispiel durch die Hausdurchsuchung im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens. Dafür genügt die Vermutung, daß dort Beweismittel gesichert werden können.
- Es ist richtig, daß dies nicht heimlich geschieht. Eine solche Hausdurchsuchung ist auch nur von kurzer Dauer. Die Betroffenen, die dies miterleben, und auch diejenigen, die sich in der Wohnung befinden, aber überhaupt nichts mit einer eventuellen Straftat zu tun haben, empfinden diesen Eingriff als einen gewaltigen Angriff auf ihre Intimsphäre. Bei solchen Eingriffen kommt es auch zu Nervenzusammenbrüchen.
Diese Eingriffe sind schon jetzt im Rahmen der Prävention möglich. Wir alle wissen das. Niemand will
Norbert Geis
dies abschaffen. Es wäre auch ein Irrsinn, wenn wir der Polizei die Möglichkeit nehmen würden, beispielsweise bei einer Geiselnahme alle technischen - akustischen und optischen - Mittel einzusetzen.
Die Voraussetzungen für diese Eingriffe - das sage ich in Richtung all derer, die zögern, der Verfassungsänderung zuzustimmen - sind verschärft worden. Dadurch werden die Möglichkeiten der Polizei aber nicht beeinträchtigt. Das muß hinzugefügt werden.
Wir haben weiterhin jetzt schon auf Grund von Polizeigesetzen die Möglichkeit des Eingriffs in Wohnungen, wenn für die Sicherheit eines verdeckten Ermittlers eine akustische oder optische Überwachung des Raumes angeordnet ist, in dem er sich mit Verbrechern trifft, um dort bestimmte Dinge abzusprechen oder an einem Gespräch teilzunehmen.
Hierfür haben wir nun stärkere rechtsstaatliche Voraussetzungen geschaffen.
Wenn Sie gegen die Verfassungsergänzung und Verfassungsänderung sind, sind Sie auch gegen die rechtsstaatlichen Voraussetzungen, die jetzt in die Verfassung hineingeschrieben werden, damit solche Einsätze überhaupt möglich sind.
Wir haben jetzt schon die Möglichkeit, in verschiedener Form in das Recht auf Unverletzlichkeit der Wohnung einzugreifen. Dies ist verfassungsrechtlich abgesichert. Jetzt geht es um den letzten Schritt, nämlich die akustische Überwachung auch im Rahmen der Strafverfolgung zu ermöglichen.
Dem Laien müssen Sie erst einmal klarmachen, worin der Unterschied liegt. Sie müssen auch den Experten klarmachen, worin der Unterschied liegt. Denn beides, die Prävention und die Repression - wie die Juristen sagen -, also die Verhinderung und die Verfolgung von Straftaten, greift in den meisten Fällen ineinander. Hier künstlich zu unterscheiden, wie das im Augenblick in unserer Verfassung noch geschieht, halten wir für falsch.
Deswegen ist es logisch und richtig, diesen Schritt zu tun. Ich fordere all diejenigen auf, die noch zögern, diesen Schritt mitzugehen. Die Überwachung von Wohnungen wird wirklich nicht ausgeweitet. Die akustische Überwachung beruht letzten Endes auf der Sorge um die Sicherheit der Menschen.
- Lieber Herr Hirsch, auch bei der akustischen Überwachung von Wohnungen im Rahmen der Strafverfolgung geht es um nichts anderes als um die Sicherheit unserer Bevölkerung. Was wollen wir denn
damit? Wir wollen doch keinen Polizeistaat, sondern wir wollen - das müssen Sie uns abnehmen - nichts anderes als eine bessere, stärkere Bekämpfung einer großen Gefahr, die auf uns zukommt.
Die organisierte Kriminalität darf nicht verniedlicht werden. Ich habe vorhin versucht, in wenigen Sätzen darzustellen, warum das so ist. Wir werden in Kürze mit einem noch viel größeren Ansturm dieser Art von Kriminalität zu tun haben. Deswegen müssen wir uns dagegen wehren, auch in der Strafverfolgung.
Auch die Strafverfolgung hat keinen anderen Zweck, als Verbrechen zu verhindern.
Wenn Verbrechen verfolgt werden, dann wird es gefährlicher, Verbrechen zu begehen. Dadurch werden Verbrechen verhindert; das wollen wir doch erreichen.
Wenn wir die akustische Überwachung in der Prävention zulassen, lieber Herr Hirsch, dann ist es für mich nicht einsichtig, warum sie in der Verfolgung einer Straftat nicht zugelassen sein soll. Dieser Schritt ist eigentlich nur logisch. Die ganze Gesetzgebung und die verfassungsrechtlichen Grundlagen, die wir jetzt schon haben, geben diese Möglichkeiten des Eingriffs vor.
Gegen diesen Eingriff durch akustische Überwachung wird ein weitereres wichtiges Argument eingewendet, und zwar die Verletzung des Zeugnisverweigerungsrechtes und die Verletzung des damit verbundenen Vertrauensverhältnisses. Wir wollen das nicht geringachten.
Wir wissen nicht erst seit den großen Einwendungen in der Presse, im Rundfunk und im Fernsehen in den letzten Wochen, daß das Zeugnisverweigerungsrecht und das ihm zugrunde liegende Vertrauensverhältnis eine für unser Staatswesen wichtige Institution sind. Das muß hier vorausgesetzt werden.
Die Verbände der Ärzte und der Anwälte haben gefordert, daß dann, wenn es um ein Gespräch des Betroffenen mit seinem Anwalt, wenn er nicht Verteidiger ist, oder mit seinem Arzt geht, generell und von vornherein keine akustische Überwachung möglich sein darf.
Sie fordern das Erhebungsverbot. So weit können wir in dieser Frage nicht gehen, weil wir sonst gleich das ganze Unternehmen seinlassen könnten und keine große Diskussion um eine Verfassungsänderung bräuchten. Wenn wir die akustische Überwachung in diesen Bereichen grundsätzlich nicht
Norbert Geis
ermöglichen wollen, dann brauchen wir das ganze Unternehmen nicht, dann lohnt sich die Anstrengung nicht.
Deswegen können wir dieser Forderung nicht folgen. Sie mag ja aus der Sicht dieser Interessenvertreter berechtigt sein. Jeder soll seine Interessen in einer demokratischen, pluralistischen Gesellschaft vertreten. Aber wir haben hier das Ganze zusammenzubinden. Wir haben zwei Dinge zu sehen: einmal natürlich das Recht auf Zeugnisverweigerung und den Vertrauensschutz, der damit verbunden ist, auf der anderen Seite aber auch den Anspruch des Staates auf Strafverfolgung, wobei es nicht um Sühne geht, wobei es nicht darum geht, daß nun jemand endlich hinter Schloß und Riegel kommt. Vielmehr geht es - ich sage das noch einmal - um nichts Geringeres als um Verbrechensbekämpfung. Das ist das große Gut, das auf der anderen Seite steht. Da muß man einfach abwägen. Deswegen kann man nicht von vornherein sagen: Das geht nicht.
Dort, wo die Verfassung von vornherein ganz klare Regeln getroffen hat, wie beispielsweise bei der Religionsausübung im Sinne des Art. 4 des Grundgesetzes - Beichte oder seelsorgerliches Gespräch -, bei dem Gespräch mit dem Verteidiger, das ja nach unserer Verfassung, nach dem Rechtsstaatsprinzip und nach § 148 StPO geschützt ist, bei dem Gespräch mit dem Anwalt, soweit er Verteidiger ist, und auch - ob man das will oder nicht, ob man das gutheißt oder nicht, ob man sich darüber mokiert oder nicht - bei dem Gespräch mit dem Abgeordneten - hier hat die Verfassung eine eindeutige Entscheidung getroffen -, müßte man erst einmal die Verfassung ändern. Das sage ich all denen, die über uns hergefallen sind, weil sie in der Gesetzesformulierung plötzlich entdeckt haben, daß nun auch das Gespräch mit dem Abgeordneten geschützt ist. Meine sehr verehrten Damen und Herren, es steht in der Verfassung. Sie müßten erst einmal die Verfassung ändern, wenn Sie das ändern wollten. Das kann man machen; darüber kann man diskutieren. Dabei sind aber viele andere Aspekte mit zu berücksichtigen. Man kann das nicht in einem solchen Verfahren tun.
Ich bin im übrigen dagegen, das zu ändern. Ich bin der Meinung, der Volksvertreter hat, weil er vom Volk gewählt ist, eine hervorragende und herausragende Stellung. Das muß man akzeptieren, auch wenn einen das zunächst einmal, weil man selber betroffen ist, unangenehm anmutet. Ich gebe ja zu: Es betrifft auch mich, daß ich plötzlich eine Ausnahme bilden soll.
Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben einen verfassungsrechtlichen Status; dessen müssen wir uns bewußt sein. Deswegen sollten wir es auch ertragen, wenn jetzt ein paar Leute meinen, wir würden uns selber bevorzugen. Das ist ja gar nicht der Fall. Wir führen doch gar nichts ein, sondern nehmen nur das auf, was in der Verfassung steht. Wir hätten es gar nicht in das Gesetz schreiben müssen, weil es in der Verfassung schon vorgegeben ist.
Deswegen gehen diese Argumente nach meiner Auffassung ins Leere.
Dann kommen natürlich all die vielen zeugnisverweigerungsberechtigten Personen, die Wert darauf legen müssen, daß das Gespräch mit ihnen und das diesem Gespräch zugrunde liegende Vertrauensverhältnis nicht gestört werden. Auch dieses Anliegen ist ja berechtigt. Nur, ein Erhebungsverbot - das habe ich schon gesagt - von vornherein einzuführen halte ich für ausgeschlossen. Dann können wir - ich wiederhole es - das ganze Unternehmen fallenlassen. Wir haben nämlich eine ganze Reihe von zeugnisverweigerungsberechtigten Personen. Schauen Sie einmal in das Gesetz. Wir haben gerade in den letzten Jahren diese Reihe der zeugnisverweigerungsberechtigten Personen noch erweitert; ob das richtig oder falsch war, habe ich hier heute nicht zu beurteilen. Weil das aber so ist, können wir nicht von vornherein ein Erhebungsverbot zulassen, sondern müssen uns überlegen, ob es im Einzelfall richtig ist, daß die Gespräche dieser zeugnisverweigerungsberechtigten Personen mit den Betroffenen ein Übergewicht gegenüber dem Anspruch und der Verpflichtung des Staates haben, für die innere Sicherheit zu sorgen.
Diese Abwägung müssen wir treffen.
Andere Redner werden darauf noch näher eingehen; ich wollte es aber hier mit erwähnen.
Meine Damen und Herren, wir haben uns in der Gruppe aus F.D.P., CDU/CSU und SPD alle Mühe gegeben. Wir sind von gegensätzlichen Standpunkten aus aufeinander zugegangen. Der vorliegende Gesetzentwurf ist ein Kompromiß. Nicht alle unsere Vorstellungen und Positionen, die wir hatten und die wir seit zehn Jahren durchzusetzen versuchen - seit zehn Jahren kämpfen wir darum und seit exakt sieben Jahren im parlamentarischen Raum, nämlich seit dem ersten Gesetz zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität Anfang der 90er Jahre -, konnten wir durchsetzen. Ich glaube aber, daß wir zu einem vernünftigen Kompromiß gekommen sind.
Ich bedanke mich für die angenehme Atmosphäre dieser Gespräche. Ich meine, daß sich das Ergebnis sehen lassen kann.
Ich rufe den Kollegen Professor Dr. Jürgen Meyer auf.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wer den vorliegenden Vorschlag zur Neuregelung und nicht
Dr. Jürgen Meyer
etwa, wie gelegentlich fälschlich behauptet, zur Einführung der elektronischen Überwachung von Wohnräumen überzeugend und fair beurteilen will,
muß sich zuerst mit dem bisher geltenden Recht und der Rechtswirklichkeit auseinandersetzen.
Das geltende Verfassungsrecht läßt die elektronische Überwachung von Wohnräumen zur Gefahrenbekämpfung und insbesondere präventiven Bekämpfung schwerer Straftaten zu. Das steht nun nicht nur seit fast 50 Jahren in der Verfassung, sondern ist in den Polizeigesetzen der Länder konkretisiert worden. Dort finden wir - damit müssen wir uns vertraut machen; das dürfen wir nicht ausblenden - detaillierte Regelungen zur elektronischen Wohnraumüberwachung. Diese stehen nicht nur auf dem Papier. Wer das meint, sollte sich einmal die sehr ausführlichen Informationen, die auf die Große Anfrage der SPD-Bundestagsfraktion dem Bundestag zugeleitet wurden, ansehen. Diese Informationen findet man in der Bundestagsdrucksache 13/4942 vom 19. Juni 1996. Dort ist aufgeführt, welche Praxis der elektronischen Wohnraumüberwachung zur Gefahrenabwehr es in den Bundesländern gibt.
Ich persönlich kritisiere seit vielen Jahren eine gewisse Ausuferung dieser Praxis, die dadurch ermöglicht wird, daß wir keine präzisen rechtsstaatlichen Regelungen in den Polizeigesetzen haben.
Aus diesem Grunde fordere ich seit langem eine rechtsstaatliche Kontrolle und Einschränkung.
- Herr Kollege Such, wenn Sie sagen: „Auch SPD-regierte Bundesländer" , dann sage ich: Ja, auch rotgrün regierte Bundesländer haben diese Praxis.
Weil ich ein Kritiker dieser Ausuferungen bin, freue ich mich darüber, daß wir im geänderten Art. 13 der Verfassung vier Einschränkungen der präventiven Wohnraumüberwachung festlegen werden.
Ich nenne erstens den Richtervorbehalt. In diesem Zusammenhang erlaube ich mir den Hinweis, daß in einigen Bundesländern in den Fällen, in denen bei Gefahr im Verzuge eine Wohnraumüberwachung ohne Einschaltung des Gerichts durchgeführt worden ist, eine nachträgliche richterliche Kontrolle nicht vorgesehen ist. Diese Kontrolle ist künftig kraft Verfassung vorgesehen. Einzelne Polizeigesetze müssen daher geändert werden.
Ich nenne zweitens die nunmehr von der Verfassung ausdrücklich vorgesehene öffentliche Berichterstattung. Dabei haben wir uns an die amerikanischen „wire-tap reports" angelehnt. Das ist ein revolutionärer Schritt für das geltende Recht. Das gibt es bisher im gesamten Strafverfahren nicht. Diejenigen, die sich im Strafverfahrensrecht auskennen, wissen, daß bisher - das verändern wir nun - das Ermittlungsverfahren dem Grundsatz der Heimlichkeit unterliegt. In den Berichten, die in jedem Jahr zu erstatten sind, muß künftig mitgeteilt werden, aus welchem Grund und mit welchem Ergebnis eine Wohnraumüberwachung durchgeführt worden ist.
Folgender Punkt ist uns in diesem Zusammenhang sehr wichtig: Es muß auch mitgeteilt werden, ob - und wenn nein, warum nicht - der Betroffene informiert worden ist. Dieses muß notfalls jährlich wiederholt werden. Wir sind der Auffassung, daß ohne die Benachrichtigung des Betroffenen dessen Recht, sich auf dem ordentlichen Rechtsweg gegen eventuelle rechtswidrige Maßnahmen zu wehren, nichts wert ist. Wir haben also eine Benachrichtigungspflicht und die Aufnahme der Erfüllung dieser Pflichten in die „wire-tap reports" vereinbart.
- Herr Kollege Hirsch, die Festschreibung der Berichtspflicht in der Verfassung ist aus unserer Sicht geboten, weil sonst der ordentliche Rechtsweg nicht garantiert ist.
- Wir schreiben drittens in die Verfassung, daß auf Grund dieser Benachrichtigung auf der Grundlage dieser „wire-tap reports" eine parlamentarische Kontrolle durchzuführen ist, die es bisher nicht gibt.
Diese parlamentarische Kontrolle wird künftig durch Gremien, die von jedem Landtag und dem Bundestag neu einzurichten sind, durchgeführt werden.
- Sofort, Herr Kollege Hirsch. Ich will nur noch den letzten Punkt, den wir in die Verfassung geschrieben haben, nennen.
Viertens schränken wir die materiell-rechtliche Voraussetzung der elektronischen Wohnraumüberwachung im präventiven Bereich ein, indem wir sie nicht mehr zur Verhütung von Gefahren, sondern nur zur Abwehr von Gefahren zulassen. Es gibt also kein Ermitteln im Vorfeld, das sozusagen wie ein Stochern mit der Stange im Nebel wäre.
Wir schreiben ferner in die Verfassung, daß eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und nicht lediglich eine Gefahr für die öffentliche Ordnung be-
Dr. Jürgen Meyer
stehen muß, die derartige Maßnahmen von Verfassungs wegen rechtfertigt.
Bitte schön, Herr Kollege Hirsch.
Herr Kollege Meyer, gerade wegen der besonderen Bedeutung der Benachrichtigung des Beschuldigten oder des Wohnungsinhabers möchte ich Sie fragen: Räumen Sie ein, daß diese Pflicht zur Benachrichtigung des Beschuldigten oder des betroffenen Wohnungsinhabers eben nicht in der von Ihnen vorgesehenen Verfassungsänderung steht? Räumen Sie weiterhin ein, daß die von Ihnen vorgesehene Änderung der Strafprozeßordnung zuläßt, daß die Nichtbenachrichtigung selbst über die Hauptverhandlung hinaus andauern kann, mit der Folge, daß zwar die Staatsanwaltschaft und das erkennende Gericht das Lauschprotokoll kennt, nicht aber der Verteidiger und der Angeklagte? Räumen Sie das ein?
Herr Kollege Hirsch, Sie haben die vorgesehene Neuregelung unvollständig wiedergegeben.
Erstens steht in unserer Neuregelung, daß nach zwei Jahren die zuständige Strafkammer des Landgerichts entscheiden muß, ob die Nichtbenachrichtigung bestehenbleibt oder ob nunmehr benachrichtigt werden muß.
Zweitens, Herr Kollege Hirsch, schreiben wir vor, daß dann, wenn die Benachrichtigung nicht erfolgt ist, mit Begründung in die jährliche Berichterstattung für das Parlament geschrieben werden muß, warum diese nicht erfolgt ist. Eine parlamentarische Kontrolle - das werden Sie doch einräumen -, die den Rechtsschutz für den Betroffenen sichert, gibt es bisher nicht. Diese sehen wir jetzt vor. Das sollten Sie, bitte schön, auch als früherer Innenminister, weil die Polizeigesetze insoweit zu ergänzen sind, als Erfolg für den Rechtsschutz der Betroffenen werten.
Herr Professor Meyer, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage und zwar des Kollegen Schily?
Ja, bitte schön.
Herr Kollege Meyer, ist es nicht so, daß ein Abhörprotokoll wenn es vorliegt und zu den Akten kommt - das erkennende Gericht kann von einem Abhörprotokoll nur dann Kenntnis erhalten, wenn es zu den Akten kommt -, wenn es zu einer Hauptverhandlung kommt, automatisch auch den Beteiligten zugänglich gemacht werden muß?
Diese Frage beantwortet sich auf Grund des Akteneinsichtsrechts des Verteidigers, das dieser für seinen Mandanten ausübt, von selbst.
Gestatten Sie eine weitere Frage des Kollegen Hirsch?
Ja, Herr Kollege Hirsch.
Herr Kollege, es tut mir leid, daß ich nach der Frage des Kollegen Schily jetzt doch noch einmal auf die Beschlüsse des Rechtsausschusses hinweisen muß, und zwar auf den § 101, die neu hinzugefügte Fassung. Ist es nicht so, Herr Kollege, daß genau diese Fassung es dabei beläßt, daß das Lauschprotokoll nicht Bestandteil der Strafakten wird, also nicht dem Verteidiger zugänglich ist, und daß im Fall der Nichtbenachrichtigung, das heißt, wenn die Staatsanwaltschaft nicht benachrichtigen will, das erkennende Gericht entscheidet, ob benachrichtigt werden soll oder nicht, so daß in diesem Fall zwar das für die Hauptverhandlung zuständige Gericht die Umstände und das Lauschprotokoll kennt, aber eben nicht der Beschuldigte und nicht der Verteidiger? Ist das nicht genau das, was aus den Beschlüssen des Rechtsausschusses, und zwar aus § 101 Abs. 1 letzter Satz, exakt hervorgeht?
Herr Kollege Hirsch, auch dies ist - es tut mir leid, das sagen zu müssen - nicht ganz zutreffend. Denn nicht das erkennende Gericht entscheidet über die Benachrichtigung oder Nichtbenachrichtigung zwei Jahre nach Abschluß der Maßnahme, sondern die Strafkammer, die auch über die Zulassung der Wohnraumüberwachung entscheidet, befindet hinterher, ob benachrichtigt werden muß oder nicht.
Ich möchte Ihnen, wenn Sie gestatten, sagen, welche Wirkung dies nach unserer Einschätzung hat.
Gelegentlich wird in bezug auf die Praxis, etwa bei Telefonüberwachungen, kritisiert, daß ein Richter, der zufällig gerade Nachtdienst hat und von Strafrecht vielleicht nichts versteht, unter Umständen relativ leichthändig eine solche Maßnahme anordnet. Dies ist künftig nicht mehr möglich. Was wir vorgesehen haben, geht auf den Vorschlag des BGH-Präsidenten Geiß zurück, der gesagt hat: Das Gericht - Sie wissen, das ist eine Strafkammer eines Landgerichts für einen ganzen Oberlandesgerichtsbezirk - muß, jedenfalls dann, wenn Zeugnisverweigerungsrechte betroffen sind - das bewegt uns ja -, die Maßnahme nicht nur zulassen, sondern dieses Gericht und nicht das erkennende Gericht muß sich, wenn solche Personen belauscht worden sind, das Protokoll ansehen und entscheiden, ob es überhaupt verwertet werden darf. Das ist ein doppeltes Instrument. Erst danach geht das Protokoll zum erkennenden Gericht. Aber ich nehme an, in der Debatte wird Gelegenheit sein, das noch zu vertiefen.
Dr. Jürgen Meyer
Ich wollte eigentlich vor allem zu dem sprechen, was uns das Wichtigste ist. Deshalb mache ich zum Thema der Wohnraumüberwachung nur noch eine Bemerkung. Es wird gelegentlich gesagt, neu sei die Wohnraumüberwachung, die repressiv, also zur Aufklärung von Straftaten, vorgesehen sei. Auch das trifft nicht zu. Ich nehme an, daß diejenigen, die sich mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs beschäftigen, wissen, daß seit etwa zwei Jahren auch die Erkenntnisse aus den zur Gefahrenabwehr durchgeführten Wohnraumüberwachungen im Strafverfahren unter der Voraussetzung benutzt werden können, daß sie polizeirechtlich rechtmäßig waren. Das heißt, die Unterscheidung - in diesem Punkt hat der Kollege Geis recht - zwischen präventiver und repressiver Überwachung ist durch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes überholt. Wir sind der Auffassung, daß es nicht Sache der Rechtsprechung in einer Von-Fall-zu-Fall-Entwicklung, des anzuwendenden Rechts ist, sondern der Verantwortung des Parlaments obliegt, zu sagen, wann auch zur Aufklärung von Straftaten solche Überwachungen durchgeführt werden können.
Ich will nur noch anmerken, daß es nach unserer Auffassung, was den Schutz von Zeugnisverweigerungsberechtigten angeht, einen nicht behobenen Dissens gibt. Wir als SPD-Fraktion hätten diesen Schutz gerne weiter gefaßt, hätten jedenfalls gerne auch diejenigen, die durch eine strafrechtlich bewehrte Schweigepflicht geschützt sind, also Anwälte und Ärzte, unter gewissen Voraussetzungen in ein Erhebungsverbot einbezogen. Das war nicht durchsetzbar. Aber dies ist eine Sache des einfachen Gesetzesrechts. Kollege Schily wird sicherlich noch ausführen, daß wir dies in Ordnung bringen werden, wenn sich die Mehrheiten verändern. Das ist unser Recht, weil dies eine Frage des einfachen Gesetzesrechts ist.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, von erheblich größerer Bedeutung als das Thema des Lauschens sind die vereinbarten neuen Instrumente zur Gewinnabschöpfung. Wie notwendig diese sind, ergibt sich schon aus der Strafverfolgungsstatistik. Ich nenne einmal eine Zahl aus dem Jahre 1995, auf die ich schon in der ersten Lesung hingewiesen habe. In jenem Jahr hat es bei insgesamt 683 000 Verurteilungen nach allgemeinem Strafrecht lediglich 682 Verfallsanordnungen gegeben. Die Relation von etwa 1 : 1000 spricht für sich. Verfallsanordnungen hat es, obwohl die Eigentums- und Vermögenskriminalität mehr als 65 Prozent der Gesamtkriminalität ausmacht, nur in 0,09 Prozent aller Urteile gegeben.
Das ist nicht in Ordnung. Deshalb haben wir vereinbart, das Recht von Verfall und Einziehung zu reformieren. Ein Diskussionsentwurf liegt vor. Wir haben vereinbart - das soll nachher in einer Abstimmung bestätigt werden; darauf haben wir uns im Rechtsausschuß verständigt -, daß der Bundestag die erste Lesung der Reform im Februar durchführen und das Gesetzgebungsverfahren bis Ende Juni dieses Jahres abschließen soll. Hier muß etwas geschehen. Darüber haben wir uns - das freut mich sehr - verständigen können.
Außerdem haben wir durchgesetzt - das war keine sonderliche Kontroverse -, daß Geldwäsche künftig keine kleinere Straftat mehr ist, die mit Freiheitsstrafe oder Geldstrafe bedroht ist. Denn die Androhung von Geldstrafe bedeutet für diejenigen, die das Riesengeschäft der Geldwäsche machen, nur, daß das ein Unkostenfaktor in der Kalkulation ihrer Geldwäschegewinne ist.
Geldstrafe gibt es nicht mehr; dafür ist künftig ausschließlich Freiheitsstrafe angedroht.
Von größter Bedeutung für uns ist die vorgesehene Gewinnabschöpfung durch das Steuermodell, das wir im Hinblick auf die hervorragenden Erfahrungen in den Niederlanden nunmehr auch für die Gewinnabschöpfung in Deutschland vereinbart haben. In den Niederlanden werden mit diesem Modell in jedem Jahr etwa doppelt so viele Gewinne abgeschöpft wie mit dem ganzen strafrechtlichen Instrumentarium.
Wir sind der Auffassung, daß diejenigen, die mit dem Strafrecht nicht um ihre Gewinne gebracht werden können, weil sie sich - das ist im Rechtsstaat so und hat so zu bleiben - auf ihre Unschuldsvermutung berufen können, da man nicht den doppelten Nachweis erstens der Begehung schwerer Straftaten und zweitens der Erlangung des Vermögens aus diesen Straftaten führen kann, wie honorige Bürger zu behandeln sind. Das bedeutet aber, daß sie wie honorige Bürger Steuern zahlen müssen. Das bedeutet auch, daß künftig bei der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens wegen Geldwäsche das zuständige Finanzamt informiert wird. Dort muß der Betroffene, wie das uns allen im Besteuerungsverfahren obliegt, mitwirken. Da muß er sagen, woher er sein Vermögen hat. Wenn er es nicht tut, kann das Einkommen geschätzt werden. Wir versprechen uns von dieser Neuregelung sehr viel.
An dieser Stelle muß ich eine kritische Bemerkung in Richtung des Bundesverbandes der deutschen Banken und auch in Richtung des Herrn Bundeswirtschaftsministers machen. Als wir diese Neuregelung berieten, ist vom Bundesverband der deutschen Banken, unterstützt vom Bundeswirtschaftsminister, ein Änderungsvorschlag dahin gehend gemacht worden, daß man diese Mitteilung an das zuständige Finanzamt nicht sofort, sondern erst dann machen solle, wenn das Hauptverfahren eröffnet sei. Was das heißt, kann sich doch jeder ausmalen. Dafür muß Anklage erhoben sein, und davon erfährt der Betroffene. Bis zur Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens ist das Geld dann über alle Berge. - Ich habe das für den schamlosen Versuch der Unterstützung
Dr. Jürgen Meyer
von Steuerhinterziehung gehalten. Das muß man hier einmal deutlich sagen.
Ich möchte abschließend noch einmal darauf hinweisen, daß wir vereinbart haben, Verbesserungen des geltenden strafrechtlichen Verfallrechts, auf die ich jetzt im einzelnen nicht mehr eingehen kann, einzuführen, die eine zum Steuermodell flankierende Funktion haben werden.
Auch von der nunmehr vorgesehenen Neuregelung im Finanzverwaltungsgesetz, wonach die Verbringung von Bargeld oder gleichgestellten Zahlungsmitteln der zollamtlichen Überprüfung unterstellt wird, versprechen wir uns einiges. Die Fälle, in denen Personen mit Geldbeträgen von 30 000 DM - das soll der Schwellenwert sein - oder mehr in das Bundesgebiet eingereist oder in das Ausland ausgereist sind, haben nach Auskunft der Innenministerien und der Zollbehörden in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen. Die nunmehr vorgesehene Anzeigepflicht ist im Falle der Nichterfüllung mit einer Geldbuße verbunden, die in schweren Fällen bis zu 100 Prozent des mitgeführten Geldes betragen kann.
Wir meinen, wer in redlicher Absicht derart große Mengen von Geld bei sich führt, muß nicht fürchten, dies auch offenzulegen. Anders verhält es sich offensichtlich bei denen, die ihre Gewinne aus Drogenhandel großen Stils oder aus Menschenhandel in andere Länder bringen oder mit dem mitgeführten Geld derartige Verbrechen finanzieren wollen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, organisierte Kriminalität muß an der Wurzel gepackt werden. Deshalb müssen wir alles tun, damit Verbrechen sich nicht lohnen. Der Kampf gegen die organisierte Kriminalität ist ein Kampf für den Rechtsstaat. Der erreichte Kompromiß ist aus unserer Sicht ein großer Schritt in die richtige Richtung.
Wir bedauern, daß es keine Zustimmung der Koalition zu dem von uns gewollten größeren Schutz von Berufsgeheimnisträgern und ihres Zeugnisverweigerungsrechtes gegeben hat. Wir werden das erneut kritisch prüfen, wenn wir nach dem 27. September eine Mehrheit dafür in diesem Hause haben.
Es ist vor allem der erreichte Fortschritt bei der Durchsetzung der Forderung „Verbrechen dürfen sich nicht lohnen", der uns Sozialdemokraten neben der verfassungsrechtlich garantierten neuen rechtsstaatlichen Kontrolle beim präventiven Überwachen von Wohnungen in einer Gesamtabwägung dazu veranlaßt, diesem Kompromiß zuzustimmen.
Ich danke Ihnen.
Das Wort hat der Kollege Manfred Such.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Bündnis 90/ Die Grünen wollen, daß sich die Bürgerinnen und Bürger in diesem Lande zu jeder Zeit frei, vor allem angstfrei, und sicher bewegen können.
Die Kriminalpolitik dieses Landes muß dringend verbessert und intelligent ausgestaltet werden. Dazu liegen konkrete Vorschläge von uns auf dem Tisch.
Meine Damen und Herren, heute stimmen wir auch über unsere Vorschläge zur Geldwäsche ab. Wir haben genügend Vorschläge auch dazu, zur Korruptionsbekämpfung und zur technischen Sicherung zur Bekämpfung von Diebstahlskriminalität vorgelegt. Ich denke an unsere Vorschläge, die wir zur Drogenpolitik vorgelegt haben, und das ist ein großes Feld des organisierten Vebrechens. Ich denke, daß Sie da ansetzen sollten, endlich tätig zu werden.
Wir haben auch Vorschläge im Bereich der Sozial-, der Jugend-, der Steuer- und der Wirtschaftspolitik vorgelegt. Sie werden sicherlich sagen: Was hat das mit Kriminalität zu tun? Ich meine, daß dort die Ursachen für die Kriminalität liegen. Und da, meine Damen und Herren, sollten Sie ansetzen, wenn Sie wirklich darangehen wollen, Kriminalität wirksam zu bekämpfen.
Weil wir eine Kriminalpolitik wollen, die zu weniger statt zu mehr Angst bei den Menschen führt, lehnen wir den großen Lauschangriff ab. Wir wollen vor allem, daß sich die Bürgerinnen und Bürger in ihren eigenen vier Wänden ohne Angst vor heimlicher Überwachung frei bewegen können.
Wenn etwa intime Gespräche unter Eheleuten in der eigenen Wohnung nicht mehr möglich sind ohne Furcht vor heimlicher Überwachung, wäre Orwells „ 1984 " mit einiger Verspätung doch noch wahr geworden.
Ein solcher Verlust an Privatsphäre würde die Menschenwürde beeinträchtigen. Es muß in diesem Land - Herr Geis, Sie haben es gesagt - Rückzugsräume geben, in denen Menschen sicher sein können
insbesondere vor heimlichen staatlichen Zugriffen. Allein die Tatsache, daß der Einbau einer Wanze möglich sein könnte - selbst wenn sie nicht da ist -, verunsichert die Menschen zutiefst. Das wird diese
Manfred Such
Republik verändern, weil es einen Eingriff in die Menschenwürde darstellt.
Wenn die Befürworter des großen Lauschangriffs proklamieren, daß es für Bandenmitglieder auch in deren Wohnung keine angstfreien Räume mehr geben dürfe, entgegne ich: Darin liegt ein unauflösbarer Widerspruch, Herr Geis. Denn erkannte Bandenmitglieder sind nach unserer Rechtsordnung festzunehmen und in einem geordneten Verfahren zu verurteilen. Wenn statt dessen ein Lauschangriff auf Wohnungen durchgeführt werden soll, zielt dieser offensichtlich weder auf solche Bandenmitglieder noch auf Gangster, von denen Herr Kanther immer so gerne spricht.
Dieser Lauschangriff zielt auf bloße Verdächtige, die aber nach der Menschenrechtskonvention zunächst als Unschuldige zu gelten haben. Da liegt der Ansatz.
- Dazu komme ich gleich, Herr Geis.
Nein, tatsächlich wird der Lauschangriff vor allem nichtsahnende, rechtstreue Bürgerinnen und Bürger treffen, entweder weil sie selbst irgendwie in Verdacht geraten sind oder weil sie unwissentlich mit einem Verdächtigen Kontakt haben. Denn auch bei einem solchen Dritten könnte nach Ihrem Gesetzesvorschlag heimlich gelauscht werden. Diese Dritten könnten zum Beispiel der Bäcker, der Gastwirt, der Friseur des Verdächtigen, möglicherweise sogar der Arbeitgeber des Verdächtigen sein.
Dort wird die Wanze angesetzt.
Die Überwachung Dritter wird aber ebenso den behandelnden Arzt, den beratenden Notar, den recherchierenden Journalisten treffen, die vielleicht Kontaktpersonen sein könnten.
Das machen Bündnis 90/Die Grünen nicht mit; wir wollen diesen Schutz bewahren.
Ich wiederhole: Mit diesem Lauschangriff werden vor allem rechtstreue Bürgerinnen und Bürger Opfer der Überwachung, wie auch Erfahrungen aus dem Ausland durchaus zeigen. Sie weisen ja immer auf Erfahrungen aus anderen Ländern hin. Diese Erfahrungen beweisen aber, daß es überwiegend Unverdächtige sind, die mit einem solchen Lauschangriff überzogen werden.
Wie konnte es hierzulande zu dieser Gefahr kommen? - Ich möchte zunächst aus der „Süddeutschen Zeitung" vom 8. Dezember 1997 zitieren. Unter der Überschrift „Scharpings arglistige Täuschung" beschrieb Heribert Prantl den Ablauf:
Phase eins: Die Parteispitze - der SPD -
stimmt der Grundgesetzänderung zu - wenn strengste Voraussetzungen erfüllt werden. Phase zwei: Ein SPD-Parteitag stimmt mit Hängen und Würgen zu, weil die Parteispitze knallharte Verhandlungen mit der Regierung garantiert. Phase drei: Die SPD-Verhandler kümmern sich darum nicht. So war es schon beim Asylrecht. Beim Lauschangriff aber kommen jetzt noch neue Kapriolen dazu.
Der jüngste SPD-Parteitag nämlich ist den Verhandlern in die Parade gefahren. Also lenkte die Fraktionsspitze zum Schein ein, gelobte Besserung - und macht jetzt trotzdem, was sie will.
Das ist also die Politik der Sozialdemokraten: Sie führen ihre Basis an der Nase herum.
Herr Abgeordneter Such, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Scharping?
Frau Präsidentin, ich möchte jetzt meine Rede im Zusammenhang vortragen. Ich werde zum Schluß gern Zwischenfragen zulassen.
Lange haben die Betreiber des großen Lauschangriffs der Öffentlichkeit weiszumachen versucht, das Vorhaben richte sich gegen die organisierte Schwerkriminalität und gegen Gangsterwohnungen.
Überall dürfen nach Ihren Vorschlägen Wanzen schon dann angebracht werden, wenn nur bestimmte Tatsachen den Verdacht begründen - wenn also noch nicht einmal ein dringender Tatverdacht vorliegt -, daß jemand eine Tat aus einem langen Katalog von Straftaten begangen haben könnte. Diese Liste umfaßt zirka 50 Einzeldelikte mit rund 100 Begehungsformen, darunter auch solche mit relativ geringer Strafandrohung. Die Eingriffsvoraussetzungen und der Straftatenkatalog stellen kaum eine Hürde für die Verwanzung dar, ebensowenig wie eine weitere Anforderung, die besagt, die Verhältnismäßigkeit müsse gewahrt bleiben. Diese Verhältnismäßigkeit bejaht die Justizpraxis bei ähnlichen Eingriffsbefugnissen regelmäßig mit so lapidaren Begründungen wie: Allein die angeordnete Maßnahme erscheint vielversprechend. - Wie es mit der Qualität der richterlichen Anordnungen aussieht, hat Herr Professor Meyer eben auch schon geschildert: nämlich daß es nicht immer so korrekt ablaufen konnte,
Manfred Such
weil die Richter angeblich überfordert seien. Das wird hier nicht anders sein.
Nach dem Willen der großen Lausch-Koalition soll es noch schlimmer kommen. Wem die Aussicht auf den Lauschangriff auf rechtsfreie Bürger noch nicht reicht, vergegenwärtige sich, daß noch nicht einmal diejenigen Berufshelfer vor einer Überwachung ihrer Arbeitsräume geschützt sind, die vor Gericht eigentlich das Zeugnis über die Inhalte ihrer Tätigkeit verweigern dürfen. Manche Berufsgeheimnisträger sind sogar bei Strafandrohung zur Wahrung der ihnen anvertrauten Informationen verpflichtet. Nun soll jedoch die Polizei diese Vertraulichkeit per Wanze und Richtmikrophon straflos aushöhlen dürfen. Das ist ein unerträglicher Widerspruch. Auf der einen Seite drohen Sie Strafen an, auf der anderen Seite höhlen Sie selber dieses Recht aber aus.
Nun sagen ja manche, insbesondere aus der SPD, die Probleme seien gebannt durch den famosen Vorbehalt, wonach der Lauschangriff regelmäßig durch ein Richterkollegium, eine sogenannte Wanzenkammer, genehmigt werden müsse.
Doch Justizpraktiker bestätigen die faktische Wirkungslosigkeit dieser Kompetenz, wie sich auch bei der Anordnung von Telefonüberwachungen deutlich gezeigt hat. Richterliche Anordnung hat nicht verhindern können, daß sich die Telefonüberwachungen von 1994 bis 1996 auf über 8000 Genehmigungen verdoppelt haben. Meine Damen und Herren, damit sind wir in der Bundesrepublik Deutschland gegenüber vergleichbaren Staaten Weltmeister im Abhören!
Praktisch niemals, Herr Professor Meyer, werden Telefonüberwachungsanträge von Richtern abgelehnt, weil der Richter die polizeilichen Vorgaben kaum überprüfen kann.
Das wird auch bei dem Lauschangriff so sein.
Die Rolle des Richters in diesen Dingen wurde zutreffend einmal so beschrieben: Dieser verteile Eintrittskarten an der Theaterkasse, ohne das eigentliche Stück zu kennen, das gespielt wird. Das ist die Problematik bei der Anordnung.
Es läßt sich festhalten: Viele Bürgerinnen und Bürger, unverdächtig oder verdächtig, dürfen nach den Wünschen von Union und SPD, natürlich auch von der F.D.P., in ihren Wohnungen belauscht werden, ohne daß hiergegen wirkungsvolle Sicherungen bestehen.
Meine Damen und Herren, befürworten Sie etwa Richtmikrophone an der Fensterscheibe einer Anwaltskanzlei? Halten Sie es für vertretbar, liebe Kolleginnen und Kollegen, daß Wanzen in ärztlichen Sprechzimmern, Drogenberatungsstellen oder Apotheken installiert werden können? Wollen Sie es außerdem hinnehmen, daß eine Medienredaktion verwanzt werden darf? Wollen Sie ernstlich zulassen, daß seelsorgerische Gespräche, deren Beichtcharakter von vornherein nicht feststeht, wo auch immer abgehört werden dürfen?
Das machen wir nicht mit, meine Damen und Herren.
Wenn nun behauptet wird, der Beichtstuhl sei jetzt wanzenfrei und genieße Beweiserhebungsverbot, ist dies allenfalls die halbe Wahrheit. Denn das setzt nach Ihrem Willen voraus, daß es sich tatsächlich um ein seelsorgerisches Gespräch mit Beichtcharakter handeln würde. Wie soll aber festgestellt werden, ob das der Fall ist? Dazu müssen erst die Mikrophone eingeschaltet werden. Dazu muß vorher verwanzt werden, sonst können Sie gar nicht beurteilen, ob es sich um ein Gespräch mit Beichtcharakter handelt.
Ich habe zur Verdeutlichung die eben genannten Beispiele bewußt etwas scharf konturiert.
Im Grundsatz aber, Kollege Geis und Kollege Marschewski, ist alles dies nach Ihrem Entwurf möglich. Nicht umsonst sind Ärzte- und Anwaltskammern sowie Journalistenverbände bereits auf den Barrikaden.
Viele Bürgerinnen und Bürger wundern sich allerdings zu Recht, daß sich Abgeordnete nun sozusagen in eigener Sache einen Abhörschutz genehmigen wollen, den sie Ärzten, Anwälten und anderen Berufsgeheimnisträgern verwehren.
Da frage ich nun die ehemalige sogenannte Bürgerrechtspartei - wovon Sie sich schon lange verabschiedet haben, meine lieben Kolleginnen und Kollegen von der F.D.P. -, wie Sie das Ihrer Klientel erklären wollen. Wenn Sie einen wirklichen Schutz für alle Berufsgeheimnisträger, wozu natürlich auch Abgeordnete gehören können, im Strafverfahren
Manfred Such
wollen, dann kann ich Sie nur auffordern, unserem entsprechenden Änderungsantrag heute zuzustimmen.
Damit ist in keiner Weise von uns Zustimmung zum Lauschangriff signalisiert. Vielmehr wird Schadensbegrenzung versucht.
Meine Damen und Herren von der SPD, ich appelliere auch an Sie: Wenn Sie den Schutz der Berufsgeheimnisträger noch wollen, dann stimmen Sie unserem Änderungsantrag zu.
Schließlich wird der Lauschangriff auch deshalb auf absehbare Zeit wirkungslos bleiben, weil sich wirklich gefährliche Kriminelle darauf einstellen können. Wenn Sie sagen, daß wir es hier mit dem organisierten Verbrechen zu tun haben, dann frage ich Sie, für wie dumm Sie die entsprechenden Damen und Herren eigentlich halten. Liebe Kolleginnen und Kollegen, machen Sie doch einmal den Versuch und starten Sie unter dem Stichwort „Lauschangriff" ins Internet. Sie werden sich wundern, wie viele technische Angebote dort zum Schutz vor Verwanzung vorliegen. Für wie unbedarft halten Sie die Spitzen des organisierten Verbrechens, wenn Sie davon ausgehen, daß sie sich dort nicht bedienen, um sich entsprechend zu schützen? Für dumm verkaufen wollen Sie tatsächlich die rechtstreuen Bürgerinnen und Bürger.
Das eigentliche Problem der Sache ist, daß Sie den Menschen vorgaukeln, hier gehe es um Schwerstkriminalität.
Ich habe schließlich langjährige Erfahrung als Polizeibeamter.
Ich weiß, welcher Vertrauensverlust der Polizei bei Bürgerinnen und Bürgern droht, wenn Polizisten zu perfekten Einbrechern werden müssen, um Wanzen zu installieren.
Die Akzeptanz der Polizei in der Öffentlichkeit wird sich nicht dadurch erhöhen, daß wir die Polizei mit immer mehr geheimdienstlichen Befugnissen ausstatten.
Dieser Lauschangriff ist eine eindeutige geheimdienstliche Befugnis; das wird zu weiterer Ablehnung gegenüber der Polizei führen. Das tut den Kollegen des Polizeidienstes nicht gut.
Ich möchte zum Schluß kommen. Sollte der große Lauschangriff in diesem Hause tatsächlich eine Mehrheit bekommen, wäre dies kein schwarzer Tag für die Verbrecher; vielmehr wäre es ein schwarzer Tag für die Grundrechte und für alle Bürgerinnen und Bürger in diesem Land.
Das wäre fürwahr ein schwarzer Freitag, den wir uns heute leisten würden. Ich hoffe, daß der Bundesrat dem einen Riegel vorschieben und das Verfassungsgericht Ihnen noch auf die Finger klopfen wird.
Ich danke Ihnen.
Das Wort hat der Abgeordnete Kleinert.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Was wir eben gehört haben, hatte zur Voraussetzung, daß man die Augen wirklich ganz fest vor dem verschließt, was hier als Vorlage auf dem Tisch liegt,
um dann anschließend Angriffe zu starten und bei den rechtstreuen Bürgern Panik davor zu erzeugen, daß sie abgehört werden. Die naturwissenschaftliche bzw. logische Wahrscheinlichkeit, daß in einer gegen Null gehenden Anzahl von Fällen etwas möglich ist, was wir ausdrücklich und konkret mit einer Fülle von Vorsichtsmaßnahmen und Einschränkungen zu vermeiden versucht haben, kann doch nicht dazu führen, daß Sie die Dinge von den Füßen auf den Kopf stellen,
nur um hier Ihre absolute Unwilligkeit, das Notwendige zu tun, zu bemänteln und zu versuchen, dafür Verständnis bei denjenigen Bürgern zu erwecken, die wahrlich überhaupt nicht in Gefahr sind, von solchen Maßnahmen betroffen zu werden, und die dann, wenn sie als Unschuldige einmal beteiligt sein sollten, auf jeden Fall eine Fülle von Rechten auf Information und gegebenenfalls auf Entschädigung haben.
Detlef Kleinert
Diese Vorkehrungen werden dazu beitragen, daß die Bürger nach wenigen Jahren der Praxis in den wenigen Fällen, in denen dieses Mittel überhaupt angewandt werden wird, völlig beruhigt darüber sein werden, daß es sich hier um eine äußerst vorsichtige, rechtsstaatlich abgesicherte allerletzte Maßnahme für eine kleine Anzahl von Fällen handeln wird.
Was Sie sagen, wird man weder heute noch in Zukunft sehen und erfahren können. Was man aber leider in vielen Ländern der Welt sehen und erfahren kann, das sind Schutzgettos, in die sich Familienväter mit ihren Familien zurückgezogen haben, um Leib und Leben ihrer Angehörigen und ihr Eigentum zu schützen, weil sie rundum von einer ausufernden Kriminalität bedroht sind. Diese Dinge kann man in hochzivilisierten Ländern, zum Beispiel in den Vereinigten Staaten von Nordamerika, und in einer Fülle von im übrigen durchaus ordentlich verwalteten Ländern leibhaftig betrachten.
Wir möchten, daß, bevor solche Zustände auch bei uns immer mehr um sich greifen, alles Notwendige, alles Mögliche getan wird, um solche Maßnahmen bei uns nicht notwendig werden zu lassen, damit unseren Bürgern nicht nur ihre Freiheit - das ist uns nach wie vor das Wichtigste -, sondern auch die Sicherheit, die zur Freiheit gehört, gewährleistet wird.
Das kann immer nur ein Abwägungsprozeß sein.
Wenn die Fachleute der Ermittlungen uns sagen „In einzelnen, besonders schwerwiegenden Fällen muß auch die akustische Überwachung von Wohnräumen möglich sein,
weil man international beobachten kann, daß solche Maßnahmen durchaus zu beachtlichen Ermittlungserfolgen bei schwerster Kriminalität geführt haben", dann muß man sich an solchen Beratungen beteiligen, weil es nicht über die Frage des Ob, sondern über die Frage des Wie zu streiten gilt, weil die Rechtsstaatlichkeit gewahrt werden muß: durch die Bestimmung der Eingriffstatbestände, durch die Art der Anordnung. Erstmals haben wir in einem solchen Fall das Kollegialgericht nicht nur zwingend vereinbart, sondern wir haben diese Maßnahme sogar im Grundgesetz festgeschrieben, damit sie sich allen Befürchtungen, man könne da später wieder ewas aufweichen, entzieht.
Gegenüber dem, was hier beschlossen und im Grundgesetz zur Absicherung dieser rechtsstaatlichen Anordnungen festgeschrieben worden ist, ist Ihr Vergleich mit den derzeitigen Telefonabhörmaßnahmen, mit denen wir auch nicht zufrieden sind und zu denen wir hier ausdrücklich erklärt haben - auch in der Verhandlungskommission -, daß wir sie keineswegs so unbesehen weiter hinnehmen wollen, im Hinblick auf die völlig unterschiedliche Art der Voraussetzungen und der Anordnung unzulässig und gehört nur zu den Mitteln, mit denen Sie die Öffentlichkeit verwirren und von dem ablenken wollen, was hier wirklich geschieht.
Wir müssen, wenn eine derartige Maßnahme in ganz seltenen Einzelfällen angeordnet wird, aber auch eines wissen: Wer grundsätzlich gegen das Abhören in Wohnungen ist und den damit verbundenen Sicherheitsverlust in Kauf nimmt, und zwar aus einer so grundsätzlichen Überzeugung heraus, mit dem wird man füglich nicht weiter diskutieren können. Da kann man nur sagen: Ich bin anderer Auffassung, respektiere aber auch diese Meinung. Wir werden deshalb denen, die bei uns anderer Ansicht sind, auch im Rahmen der Debatte und nicht mit endlosen persönlichen Erklärungen Gelegenheit geben, ihren abweichenden Standpunkt in einer so wichtigen Frage hier darzustellen. Das ist alles in Ordnung.
Aber wenn man sagt „Man muß abhören", dann muß man so konsequent sein, nicht eine Gebrauchsanweisung zu schaffen und gesetzlich darauf hinzuweisen, in welchen Räumen man sich risikofrei bewegen und unterhalten kann.
Das wäre zu unserem großen Bedauern der Fall, wenn man auch bei denjenigen, die Berufsgeheimnisse zu wahren haben - und das selbstverständlich weiterhin sollen -, das Abhören an sich grundsätzlich verbieten würde. Deshalb haben wir versucht, den Schutz des Berufsgeheimnisses einerseits und die lückenlose Aufzeichnung der Gespräche mit Kriminellen andererseits sicherzustellen, indem wir gesagt haben: Wir schaffen umfassende Verwertungsverbote; wir schaffen in den grundgesetzlich besonders gesicherten Verhältnissen sogar Erhebungsverbote, und die Sicherungen, die ohnehin in großer Fülle eingebaut worden sind, sind hier noch strenger.
Die Angehörigen der beratenden Berufe wie Anwälte, zu denen ich mich zähle, werden Verständnis dafür haben, daß das minimale Risiko, im Laufe langer Jahre in einem Einzelfall vielleicht einmal abgehört zu werden, gegenüber der Tatsache in Kauf zu nehmen ist, daß leider einzelne Kollegen doch der Versuchung erliegen könnten, ihre Büroräume für Verabredungen zur Verfügung zu stellen, die wir in dieser Form, noch dazu mit ausdrücklichen Hinweisen auf solche Schutzräume, nicht dulden können, wenn wir uns nicht der Inkonsequenz bei unserem Vorhaben zeihen lassen wollen.
Weil es beim besten Willen nicht anders geht, muß an dieser Stelle dieses Opfer, das sich in der Praxis auf die ganz überwältigende Zahl der Berufsangehörigen nicht auswirken wird, doch gebracht werden. Ich bin überzeugt, daß auch die weiteren Diskussionen - das alles sind Prozesse, die nicht mit der heutigen Abstimmung abgeschlossen werden - dazu führen werden, daß diese Notwendigkeit akzeptiert wird, wenn erst einmal der Umfang der Schutzmaßnahmen in seinem vollen Umfang erkannt sein wird.
Sie haben zu Recht darauf hingewiesen, daß es den Freien Demokraten, daß es den Liberalen in die-
Detlef Kleinert
sem Lande immer in besonderem Maße um die Rechtsstaatlichkeit, um die Freiheit der Bürger, um die Unverletzlichkeit ihrer Privatsphäre gegangen ist.
Erstens muß man dann aber auch die Sicherheitserfordernisse, die zu der Freiheit, sich frei zu bewegen, gehören, abwägen. Zweitens wäre es nicht gerade sehr logisch und konsequent, wenn wir nicht stolz auf das wären, was insbesondere im vorigen Jahrhundert im Kampf gegen einen bedenkenlosen überbordenden Obrigkeitsstaat geleistet worden ist. Wir müssen das, was wir an demokratischem Rechtsstaat erreicht haben, zur Grundlage unserer heutigen Betrachtungen machen; denn das ist auf Grund dieser Kämpfe unser freiheitlich gestalteter Staat. Deshalb können wir nicht die Schlachten von gestern schlagen, sondern müssen, so vorsichtig es nur irgendwie möglich ist, vertrauensvoll mit unserem eigenen Staat und seinen Behörden umgehen.
Das sind die Grundsätze, nach denen wir hier mühsam und gründlich verhandelt haben. Deshalb können wir heute mit gutem Gewissen, obwohl keineswegs mit Freude, das, was zustande gekommen ist, akzeptieren.
Herzlichen Dank.
Als nächster spricht der Kollege Gysi.
Bevor Sie sprechen, möchte ich ganz herzlich gratulieren. Sie werden heute 50 Jahre alt. Glückwunsch von uns allen!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Vielen Dank für die Glückwünsche. Aber nun zum eigentlichen, eher traurigen Gegenstand der Debatte - auch das andere mag man als traurig empfinden, zumindest tue ich das -: Es gibt eine Frage, die mich beschäftigt, seitdem die Diskussion begonnen hat, von der ich sehr gehofft hatte, daß ich auf sie heute eine Antwort zumindest aus den Reihen der SPD, aber auch aus den Reihen der Koalition höre.
Art. 13 Grundgesetz in seiner jetzigen Fassung gilt seit 1949. Ich habe mir überlegt, was die Bundesrepublik in ihrer Geschichte an Angriffen, an Auseinandersetzungen schon alles durchgestanden hat. Da gab es die gesamte Phase des Kalten Krieges. Der Bundesrepublik Deutschland standen eine durchaus hochgerüstete Sowjetunion, hochgerüstete Staaten des Warschauer Vertrags und ein gegnerischer zweiter deutscher Staat gegenüber. Es wimmelte hier von Spionagetätigkeit anderer Staaten, insbesondere der DDR, aber nicht nur der DDR,
ebenso der Sowjetunion und anderer osteuropäischer Länder.
- Moment! - Es gab, wie wir inzwischen wissen, sogar Entführungen. Alle diese Bestandsgefährdungen hat diese Bundesrepublik Deutschland überstanden, ohne einen Lauschangriff einzuführen, ohne je den Art. 13 Grundgesetz in dieser Richtung zu ändern.
Wenn Sie mit der Sowjetunion anders fertig werden konnten, können Sie niemandem erklären, daß Sie für die Bekämpfung der Russenmafia den Lauschangriff benötigen. Das ist einfach nicht nachvollziehbar.
Selbst in der Phase, als die RAF aktiv war - Sie werden doch einräumen, daß es da um schwere terroristische Verbrechen ging -, hat sich in diesem Bundestag keine verfassunggebende Mehrheit gefunden, um den Lauschangriff einzuführen.
Ich frage Sie: Was hat sich denn an der Situation so sehr verschlimmert, daß heute etwas notwendig sein soll, worauf Sie damals - trotz viel existentiellerer Gefährdungen - verzichten konnten? Das habe ich nicht begriffen, und das hat mir noch niemand in diesem Hause erklärt.
Ich wußte natürlich, daß Hinweise auf die DDR kommen. Deshalb sage ich Ihnen als jemand, der dort abgehört wurde:
Auch die haben das nicht aus Jux und Tollerei gemacht, die haben durchaus Zwecke dafür formuliert. Sie glaubten, damit die Sicherheit des Staates erhöhen zu können. Im Ergebnis sind sie auch deshalb untergegangen. Daraus sollte man lernen.
Nein, ich glaube, mit diesem Angriff werden Sie Kriminalität nicht wirksam bekämpfen, gar nicht bekämpfen können. Man muß nicht immer versuchen, über ähnliche Mittel und Methoden zu verfügen wie die Gegnerinnen und Gegner eines Rechtsstaates. Die Überlegenheit zeigt sich gerade darin, daß man Grundrechte auch gegenüber Bürgerinnen und Bürgern wahrt, die Verbrechen begehen.
Dr. Gregor Gysi
- Ich komme noch darauf. Die USA hat diesbezüglich natürlich eine ganz andere Tradition. Der CIA hat dort, genauso wie das FBI, ganz anders gewirkt.
Wenn es allerdings Ihre Zielstellung ist, sich daran zu orientieren, was es in den USA alles gegeben hat, dann kann ich nur sagen: Armes Deutschland!
Kommen wir zum Zeugnisverweigerungsrecht: Wenn man nun schon solch einen Lauschangriff einführt, dann muß man wenigstens Ausnahmen verankern, von denen man sagt, dort dürfe das nicht geschehen. Das Zeugnisverweigerungsrecht wird hier immer als so eine Art Individualrecht behandelt, als habe der Gesetzgeber damit nichts zu tun. Das Zeugnisverweigerungsrecht hat dieser Bundestag beschlossen. Er konterkariert es, wenn er den Bürgerinnen und Bürgern einerseits das Recht zugesteht, auch bei schwersten Verbrechen vor Gericht zu schweigen, aber andererseits beschließt: Wir haben das Recht mitzuhören und verwerten dann doch, worüber ihr gesprochen habt. - Das ist einfach ein Widerspruch in sich, den der Gesetzgeber hier organisiert.
Bezüglich der Ausnahmen, die Sie zugelassen haben, haben Sie eine Frage noch nicht beantwortet: Warum werden diese Ausnahmen, Herr Kollege Schily, nicht wenigstens im Grundgesetz verankert? Warum regeln Sie das nur in der Strafprozeßordnung? Ich habe dabei ein ganz ungutes Gefühl. Die SPD gibt den Weg frei für eine Änderung des Grundgesetzes und überläßt hinsichtlich der Sicherung, die Sie verhandelt haben, einer anderen Mehrheit, nämlich der einfachen Mehrheit im Bundestag, jederzeit die Änderung der Strafprozeßordnung.
Sie hätten diese Sicherung wenigstens im Grundgesetz so verankern müssen, daß zu ihrer Änderung eine Zweidrittelmehrheit erforderlich ist.
Es gibt noch einen Unterschied, auf den bisher relativ wenig eingegangen worden ist: Kollege Geis, es gibt einen Unterschied zwischen einem Zeugnisverweigerungsrecht und einer Pflicht zur Zeugnisverweigerung. Sehen Sie, es wird ja völlig absurd: Der Abgeordnete, der jetzt besser geschützt ist, hat nicht die Pflicht, der hat nur das Recht, über Gespräche mit Bürgerinnen und Bürgern die Aussage zu verweigern. Dagegen hat der Arzt oder der Anwalt, auch der, der nicht Strafverteidiger ist, die Pflicht dazu.
- Moment! - Der Gesetzgeber sagt ihm: Solltest du diese Pflicht verletzen und ohne Genehmigung des Patienten oder des Mandanten darüber reden - vor
Gericht oder wo auch immer -, dann drohe ich dir eine Strafe an. Ich aber darf mithören und das Gehörte verwerten, während ich dich bestrafe, wenn du darüber reden solltest. - Das ist verfassungsrechtlich und strafrechtlich nun wirklich nicht mehr begreiflich.
Sie konterkarieren damit das von Ihnen selbst gesetzte Recht. Im Grunde genommen müßten Sie die Strafbarkeit bei der Verletzung der Schweigepflicht aufheben. Das wäre die Konsequenz dessen, was Sie heute hier beschließen wollen.
Sie haben gesagt, Herr Geis, Sie haben die Ausnahmen dort vorgesehen, wo es um Verfassungsrechte geht, so zum Beispiel bei der Religionsfreiheit, deshalb beim geistlichen Gespräch mit Beichtcharakter.
Deshalb gibt es die Ausnahmen für Strafverteidiger und auch für den Abgeordneten, dessen Recht zur Verschwiegenheit auch im Grundgesetz geregelt ist.
- Das sage ich ja. Ich habe das verstanden. - Wenn das Ihr Maßstab ist, dann müssen Sie aber den Journalistinnen und Journalisten erklären, warum Sie sie nicht einbezogen haben; denn auch die Pressefreiheit ist genauso wie die Religionsfreiheit im Grundgesetz verankert. Sie hätten zumindest sie hinnehmen müssen.
- Sie meinen den Unterschied zwischen Kernbereichen in der Verfassung und äußeren Bereichen? Die Pressefreiheit ist für Sie kein Kernbereich. Da haben wir dann allerdings völlig unterschiedliche Auffassungen.
Dr. Gregor Gysi
Ich will auf ein weiteres Problem hinweisen. Sie schützen den Strafverteidiger, aber Sie wissen sehr genau, ab wann ein Anwalt Strafverteidiger ist.
- Ja, eben. - Wenn der Mandant zu ihm kommt und ihm von Straftaten erzählt, die er begangen hat, und er noch gar nicht weiß, daß ein Ermittlungsverfahren gegen ihn läuft, dann ist der Anwalt noch kein Strafverteidiger.
Er ist es erst, wenn er Kenntnis vom Ermittlungsverfahren hat. Das heißt, Sie schützen ihn erst zu einem Zeitpunkt, zu dem Sie über den Lauschangriff aus dem Gespräch zwischen Anwalt und Mandant erfahren haben, welche Straftaten er begangen hat. Dann könnten Sie sich dies auch schenken, das sage ich Ihnen ganz deutlich. Das ist überhaupt nicht nachvollziehbar.
Wenigstens das Gespräch zu Straftaten an sich zwischen Anwalt und Mandant müßten Sie außerhalb einer solchen Kontrollmaßnahme stellen. Dies erst ab der juristischen Fixierung als Strafverteidiger zu tun ist eindeutig zu spät.
Hinzu kommt, daß Ihr Argument, Kollege Kleinert, nicht stimmt, daß das ganz selten ist. Wenn es so wäre, hätte man wirklich nur drei, vier oder fünf der schwersten Verbrechen dort aufführen können. Sie haben aber 50 verschiedene Straftaten aufgelistet, darunter den bandenmäßigen Diebstahl. Er ist nun nichts Schönes - das ist wahr -, aber er ist auch nicht etwas, was die gesamte Republik erschüttert.
Ich finde, da stimmen einfach die Maßstäbe nicht. Es geht hier nicht um irgendeine Einschränkung, sondern um die Einschränkung eines im Grundgesetz garantierten Grundrechts. Da muß die Verhältnismäßigkeit wirklich anders aussehen, als das bisher der Fall ist.
Herr Gysi, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Schily?
Ja.
Herr Kollege Gysi, nach meiner bisherigen Berufserfahrung ist es in der Tat so, daß Strafverteidigung sich damit befaßt, in einem Ermittlungsverfahren tätig zu werden. Insofern stellt sich das Problem beim Strafverteidiger in der Tat erst, wenn ein Ermittlungsverfahren in Gang gesetzt wird und ein Mandant Rat sucht, wie er sich in einem solchen Ermittlungsverfahren gegen Anschuldigungen zur Wehr setzen kann. Strafverteidigung sieht zudem nicht immer nur so aus, daß irgendein Mandant kommt und sagt: Ich habe Straftaten begangen. Wie kann ein Freispruch erreicht werden? - Es ist wohl so, daß sich der Strafverteidiger damit zu befassen hat, ob eine Anschuldigung zutrifft oder nicht und ob, wenn eine Anschuldigung möglicherweise in der Sache zutrifft, ein mildes Urteil zu erwirken ist oder wie sonst eine Strafverteidigung zu führen ist. Insofern verstehe ich Ihr Beispiel nicht ganz.
Ich darf dazu zwei Bemerkungen machen, Herr Kollege Schily.
Erstens. Es gibt sehr wohl Fälle - die haben auch Sie mit Sicherheit schon erlebt, ich jedenfalls habe sie schon erlebt -, daß jemand kommt und sagt: Ich habe Straftaten begangen oder bin in Straftaten verwickelt. Ich weiß nicht, ob gegen mich Ermittlungen laufen. Aber ich will aufhören, ich habe davon genug, und ich will mich mit Ihnen beraten, wie ich jetzt vorgehen kann. - Dies geht hin bis zu Fragen der Selbstanzeige. Dies wäre ein Gespräch über seine Straftaten zu einem Zeitpunkt, zu dem der Anwalt noch kein Strafverteidiger ist. Das geben Sie für den Lauschangriff frei. Ich bin prinzipiell dagegen.
Zweitens. Auch etwas anderes weiß ich noch nicht. Sie schützen nur das Gespräch Beschuldigter/Strafverteidiger. Wie ist es mit dem Gespräch zwischen Strafverteidiger und Angehörigen oder mit Leuten, die sich später vielleicht als Beihelfer herausstellen, die aber zu diesem Zeitpunkt noch nicht von Ermittlungen erfaßt sind? All das ist sehr unkonkret. Solche Gespräche werden durch die vorgesehene Regelung nicht geschützt, und das macht mir Sorgen.
Das größte Problem hat der Kollege Such schon angesprochen: In der Regel weiß man erst nach der Anhörung, ob überhaupt alle Voraussetzungen erfüllt sind, die jetzt in der Strafprozeßordnung geregelt sind. Es ist also mehr eine Präventivmaßnahme als eine Bekämpfungsmaßnahme; das ist mein Problem.
Auch wenn Sie, Kollege Schily, mich nicht direkt danach gefragt haben, will ich Ihnen dennoch folgendes sagen: Es fällt ein bißchen auf, daß Sie den Kompromiß gerade bei zwei Berufen erreicht haben, die wir beide ausüben, und bei anderen nicht, nicht beim Journalisten, nicht beim Arzt, aber eben beim Strafverteidiger und beim Abgeordneten, obwohl der Abgeordnete nicht einmal unter Strafandrohung steht.
Lassen Sie mich Ihnen noch eines ganz persönlich sagen: Wissen Sie, welche Rede ich hier wahnsinnig gerne - richtig gerne, weil ich weiß, daß es ein intellektueller, dialektischer Genuß geworden wäre - gehört hätte? Ich hätte gerne die Rede gehört, die Sie im ersten Jahr Ihrer Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag gehalten hätten, wenn damals ein solcher Gesetzentwurf vorgelegt worden wäre.
Dr. Gregor Gysi
Ich möchte noch eine Bemerkung zur F.D.P. machen. In Deutschland ist eine liberale Partei so wichtig wie in keinem anderen Land. Neben den Fragen des Wirtschaftsliberalismus sind aber auch solche Fragen von ganz entscheidender Bedeutung.
Deshalb, Herr van Essen, hätte ich mich sehr gefreut, wenn man sagen könnte, daß ein solches Gesetz so lange nicht zustande kommt, solange die F.D.P. an der Regierung ist. Das war übrigens auch ein Markenzeichen der F.D.P. Dies ist aber leider seit vielen Jahren vorüber.
Ich gehöre seit 1990 diesem Bundestag an. Gestern habe ich einmal überlegt, ob es seit 1990 eine einzige Gesetzesentscheidung des Bundestages gab, mit der ein Grundrecht ausgebaut wurde oder soziale Maßnahmen verstärkt wurden. Seit 1990 gab es immer nur Einschränkungen.
Wissen Sie, was das Problem ist, seitdem die Sowjetunion - obwohl die Gefahr damals viel größer war, brauchten Sie den Lauschangriff nicht - nicht mehr existiert? Es gibt keinen internationalen Demokratiewettbewerb mehr, sondern es gibt nur noch den Standortwettbewerb. Dieser aber führt letztlich zu solchen Entscheidungen, mit denen wir es heute hier zu tun haben. Ich möchte, daß es wieder einen Wettbewerb darum gibt, wer mehr Bürgerrechte garantiert, und nicht einen Wettbewerb, wer sie schneller und effektiver abbaut, unter welchem Vorwand auch immer.
Das Wort hat der Bundesminister der Justiz, Edzard Schmidt-Jortzig.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Gesetzentwürfe, die heute zur abschließenden Beratung und Beschlußfassung anstehen, haben schon im Vorfeld Emotionen geweckt und wecken sie natürlich auch in dieser Debatte. Zum Teil überrollen diese Emotionen die Sachlichkeit völlig. Die einen feiern diese Gesetze als Vorstufe zum Sieg über das Böse. Andere feiern sie, indem sie sagen, das sei
der Beweis für den Untergang des Rechtsstaates. Von beidem kann überhaupt nicht die Rede sein.
Diese Gesetzentwürfe sind nicht mehr, aber auch nicht weniger - darum zu ringen, meine Damen und Herren Kollegen von den Grünen, lohnt sich wirklich - als ein ganz wichtiger Schritt zur Bekämpfung der internationalen organisierten Kriminalität. Die Bürger erwarten von uns, daß ihre Freiheit und ihr Eigentum wirksam geschützt werden. Ich bin davon überzeugt, daß wir hier weniger emotional diskutieren würden und uns mehr auf die Sache konzentrieren könnten, wenn sich alle etwas mehr mit der Situation der Opfer beschäftigten,
nämlich der Opfer von Schutzgelderpressungen, von Drogenhandel, von Schlepperkriminalität und Bandenkriegen. Das alles ist den Grünen offenbar völlig egal.
Diese Opfer haben ebenso ein Recht auf Sicherheit und einen Anspruch auf wirksame Kriminalitätsbekämpfung, wie die Täter bzw. Beschuldigten ein Recht auf die Unverletzlichkeit ihrer Wohnung haben.
Lieber Herr Gysi, es ist doch ein wenig amüsant, wenn Sie sich hier zum Verteidiger der Freiheitlichkeit machen.
Ich habe den Eindruck, daß Sie nicht recht verstanden haben, was Freiheit in einem Rechtsstaat bedeutet. Das bedeutet nämlich auch, daß man einen Anspruch auf Sicherung seiner Grundrechte und seiner Bürgerrechte durch den Staat hat. Das ist in einem Rechtsstaat der Fall.
Unsere schwierige Aufgabe ist es, diese beiden Bürgerrechte gegeneinander abzuwägen und eine Lösung zu finden, bei der es nur einen Sieger gibt, nämlich den Rechtsstaat.
Verehrter lieber Herr Kollege Meyer, ich möchte an dieser Stelle ein Wort an Sie richten: Daß Sie zu diesem Punkt dem Wirtschaftsminister, meinem Fraktionskollegen Rexrodt, vorgeworfen haben, er habe sich für die Steuerhinterzieher eingesetzt, ist natürlich nicht nur böswillig, sondern auch eine völlige Verkennung der Veranstaltung. Es ging darum, die Durchlässigkeit der Membran Staatsanwaltschaft für die Geldwäschemeldung an die Finanzbehörden zu problematisieren, und um das Problem der Sicherung der informationellen Selbstbestimmung. Es ist gar keine Frage, daß dies mit in die Abwägung einbezogen werden muß. Daß man bei der Abwägung zu anderen Ergebnissen kommen kann, ist für mich als Li-
Dr. Edzard Schmidt-Jortzig
beralen selbstverständlich. Nur das hat Günter Rexrodt bewegt, wie ich aus einem intensiven Gespräch, das ich dazu mit ihm geführt habe, weiß.
Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Meyer?
Nicht dazu, lieber Herr Meyer, zu jedem anderen Punkt, aber über den Punkt und den Anwurf gegen den Kollegen Rexrodt lasse ich nicht mit mir rechten. Dazu lasse ich keine Frage zu, es sei denn, Sie wollen Ihren Vorwurf zurücknehmen.
- So ist es.
- Also, in Gottes Namen. Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Herr Meyer.
Herr Minister Schmidt-Jortzig, weil dies von Ihnen so gewünscht wird, lasse ich den Kollegen Rexrodt außen vor und frage Sie, ob wir darin übereinstimmen, daß das Steuermodell, das wir vereinbart haben, nur effektiv sein kann, wenn eine frühzeitige Mitteilung seitens der Staatsanwaltschaft an das zuständige Finanzamt erfolgt, und daß dieses Steuermodell überhaupt nichts bringen kann, wenn die Mitteilung erst dann erfolgt, wenn der Vermögensbesitzer längst durch die Anklageschrift erfahren hat, was ihm vorgeworfen wird. Meinen Sie nicht, daß die vereinbarte Änderung gegenüber dem geltenden Recht, wonach gemäß § 10 Geldwäschegesetz die Mitteilung an die Finanzbehörden erst nach Rechtskraft der Verurteilung vorgesehen ist, außerordentlich sinnvoll ist?
Herr Kollege Meyer, zunächst akzeptiere ich, daß Sie die persönlichen Anwürfe zurückgenommen haben.
Im übrigen wissen Sie, daß ich Ihrer Bewertung der Abwägungslage und Ihrem Ergebnis zustimme. Deswegen habe ich darüber auch mit dem Kollegen Rexrodt gesprochen. Sie können aber ebensowenig bestreiten, daß bei dieser Aktion, die ich für richtig und vertretbar halte, das Datenschutzrecht der Bankkunden natürlich ein Stückchen weit eingeschränkt wird. Hier ist also wieder eine Abwägung angesagt. Hier zu anderen Ergebnissen zu kommen und sich damit auseinanderzusetzen ist nun wahrlich eines Liberalen würdig. Deswegen haben wir das in einer
solchen Diskussion ausgetragen; nicht mehr und nicht weniger.
Meine Damen und Herren Kollegen, wenn man sich der Sache ruhig und unvoreingenommen nähert, wird deutlich, daß es sich die Kollegen Schily, Däubler-Gmelin und Meyer, Kanther, Geis und Scholz, Glogowski, Behrens und Beckstein ebenso wie der Kollege Kleinert und ich für die F.D.P.-Fraktion mit dieser Abwägung wahrlich nicht leicht gemacht haben. Aber wir haben sie wenigstens angestellt und nicht von vornherein gesagt: Das interessiert uns alles gar nicht.
Wir hatten Ihnen bereits im Oktober ein ausgewogenes Ergebnis präsentiert. Das ist in den Ausschußberatungen so, wie das in einem parlamentarischen Gesetzgebungsverfahren der Fall sein soll, noch weiter verbessert worden. Eines will ich auch sagen: Wenn die Dinge tatsächlich so bedrohlich sein sollten, Herr Kollege Beck, wie es die Gegner der Initiative behaupten, dann müßten sie es erst recht bei den präventiven Lauschangriffen sein, die nach den Landespolizeirechten seit vielen Jahren zulässig sind und ohne all die Konditionen und Einschränkungen angeordnet werden können, wie wir sie jetzt für die repressiven Abhörmaßnahmen vorsehen. Dazu habe ich aber von den jetzigen Kassandras, jedenfalls von Ihnen, Herr Beck, nie etwas gehört. Es sind auch keine Skandale vorgekommen. Irgendwo stimmt diese Argumentation also nicht.
Die Gesetzentwürfe ermöglichen die akustische Wohnraumüberwachung zu Beweiszwecken, also im repressiven Bereich bei der Strafermittlung. Experten bestätigen, daß wir grundsätzlich diese Möglichkeit brauchen, um die organisierte Kriminalität effektiver, nämlich auch in der Strafermittlung effektiver, zu bekämpfen.
Damit diese Möglichkeit aber nur in engen rechtsstaatlichen Grenzen gezielt gegen die Schwerstkriminalität eingesetzt wird, haben wir schon im Grundgesetz eine Fülle genauer Voraussetzungen und Einschränkungen verankert. Zum Zwecke der Strafverfolgung darf nur abgehört werden; einen Spähangriff gibt es nicht. Das ist manchen nicht ganz recht gewesen, aber es ist jetzt jedenfalls so in der Verfassung. Auch die akustische Überwachung ist nur bei dem konkreten Verdacht besonders schwerer Straftaten und auch hier nur als Ultima ratio zulässig. Sie wird durch einen Spruchkörper mit drei Richtern angeordnet, nur im Eilfall durch einen einzelnen Richter, im übrigen nicht durch irgendeinen, sondern durch den Vorsitzenden Richter.
Ein Schwerpunkt - darauf will ich noch ein bißchen eingehen - der Diskussion gerade der vergangenen Wochen war die Frage, ob die Schutzansprüche von Zeugnisverweigerungsberechtigten hinreichend gewahrt blieben. Hier ist es - lassen Sie mich das ruhig Stück für Stück angehen - rechtssystema-
Dr. Edzard Schmidt-Jortzig
tisch schon ein Fortschritt, daß wir den Blick überhaupt nicht mehr auf die Interessenkollision bzw. deren Vermeidung bei den Zeugnisverweigerungsberechtigten beschränken, sondern ausdrücklich die bei ihnen entstehenden Vertrauensverhältnisse in den Blick nehmen, wie das, so glaube ich, auch wirklich zwingend ist, weil sich da die grundrechtliche Schutzwirkung wirklich entfaltet. Das hat bisher im Bereich des Zeugnisverweigerungsrechts herzlich wenig stattgefunden. Deswegen haben wir dieses Problem auch schon seit längerem, nicht zuletzt bei der Fernmeldeanlagenüberwachung, worauf der Innenausschuß ausdrücklich hingewiesen hat.
Diese Vertrauensverhältnisse sind durchweg grundrechtlich geschützt - sei es aus dem Persönlichkeitsrecht, sei es aus der Protektion von Ehe und Familie, aus dem Recht auf ungestörte Religionsausübung oder aus der Verbürgung spezifischer Berufsfreiheit. Es geht also um eine angemessene verfassungsmäßige Abwägung dieser Rechte gegenüber der anderen Verfassungsposition, nämlich dem Strafverfolgungsauftrag des Staates sowie den Schutzansprüchen Dritter für ihre von Kriminalität bedrohten Rechtsgüter.
Diese Abwägung haben wir im neuen § 100 d Abs. 3 StPO im einzelnen festgelegt und strukturiert. Dabei gehen wir - wie auch schon der Vorwurf gekommen ist, den man nicht ganz leicht nehmen darf - bis an die Grenzen der praktischen, realitätsnahen Nutzbarkeit der Abhörmöglichkeit. Wer hier nun von apokalyptischen Visionen, von grundsätzlicher Zerstörung und von endgültiger Aufkündigung jeder Vertrauensverhältnisse spricht, verkennt die tatsächlichen Gegebenheiten völlig.
Denn nur wenn bestimmte Tatsachen den Verdacht begründen, daß jemand eine besondere Straftat begangen hat, wie sie gesetzlich ausdrücklich aufgeführt ist, und im übrigen alle anderen Möglichkeiten -
- Herr Heuer, nehmen Sie doch einmal zur Kenntnis, daß man in einem Rechtsstaat die Gesetze ernst nehmen muß.
Nur wenn im übrigen alle anderen Möglichkeiten der Ermittlung nicht weiterführen, darf überhaupt eine Belauschung gegen Beschuldigte angeordnet werden.
Darüber hinaus muß das dann auch noch ein Kollegialgericht entscheiden, und über die Erkenntnisverwertung muß es anschließend noch einmal entscheiden. Wer danach immer noch behaupten will, daß der allgemeine Überwachungsstaat drohe, niemand mehr vor strafermittlerischer Belauschung sicher sein könne, der nimmt entweder den vorgelegten Gesetzestext einfach nicht zur Kenntnis - offenbar gehören Sie, Herr Heuer, zu dieser Kategorie -, und mißtraut prinzipiell dem ganzen Rechtsstaat.
Herr Gysi ist zu seiner Geburtstagsfeier davongegangen. Ich würde ihm gerne sagen, daß seine Vorstellungen an diesem Punkt an einem grundsätzlichen Mißverständnis zu der Staatlichkeit unter dem Grundgesetz und der, die er erlebt hat, kranken.
Herr Minister, gestatten Sie noch eine Zwischenfrage des Kollegen Hirsch?
Sekunde. -
Oder er verabschiedet sich von der Realität, und dazu würde ich Ihre Vorstellung, Herr Such, herzlich gerne rechnen; denn die hatte mit der Wirklichkeit herzlich wenig zu tun.
Sie haben sich hier zwar mit einem durchaus publikumswirksamen Gag eingeführt, was die „Wanzenkammer" betrifft, aber ich habe den Eindruck, Sie wären besser Kammerjäger geworden als jemand, der sich in Rechtspolitik versucht.
Bitte sehr.
Herr Minister, Sie sagten, wer eine solche Befürchtung habe, verabschiede sich von der Realität. Stimmen Sie mir denn nicht darin zu, daß als Voraussetzung für das Einbrechen in eine Wohnung und das Präparieren mit Wanzen genügt, daß sich derjenige, der im einfachen Tatverdacht einer schweren Straftat steht, vermutlich in dieser Wohnung aufhält? Das hat zur Folge, daß es trotz des völlig rechtmäßigen Verhaltens des Wohnungsinhabers, der davon gar nichts zu wissen braucht, ermöglicht wird, daß die Gespräche in dieser Wohnung abgehört werden. Ein völlig rechtmäßiges Verhalten schützt ihn nicht davor, daß die Arglosigkeit des Gespräches in dieser Wohnung genutzt wird. Verhält sich dies nicht so?
Lieber Herr Hirsch, zweierlei: Zum einen haben wir ausdrückliche Kautelen für das Belauschen des Beschuldigten in der Wohnung eines Dritten festgelegt. Es sind bestimmte Kautelen vorhanden, die Ihren Verdacht merklich und entscheidend minimieren.
Zum zweiten: Das Neue an der ganzen Geschichte im Gegensatz zum präventiven Lauschangriff ist doch, daß die Anordnung nur von einer Strafkammer ausgesprochen werden kann. Ich gehe davon aus, daß diese Strafkammer unsere Gesetze ernst nimmt und auch die Verfassung kennt und somit ganz zwingend die Verhältnismäßigkeit des Eingriffes in den Schutzbereich der Wohnung nach Art. 13 beurteilt. Wenn ich nicht darauf vertrauen kann, daß drei Rich-
Dr. Edzard Schmidt-Jortzig
ter in einer Strafkammer diese Abwägung korrekt treffen, wird es grundsätzlich problematisch, überhaupt daran zu glauben, daß man mit den Mitteln des Gesetzes und des Rechts Schranken ziehen kann.
Herr Minister, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage des Kollegen Rezzo Schlauch?
Herzlich gerne.
Herr Justizminister, ich komme noch einmal auf die Problematik des Zeugnisverweigerungsrechtes zurück, die Sie ja angesprochen haben. Wie lösen Sie denn den Widerspruch auf, daß einerseits die Anwaltschaft in der Rechtsordnung als Organ der Rechtspflege behandelt wird und andererseits diesem Organ ein Schutzbereich bei seiner zivilrechtlichen und steuerrechtlichen Tätigkeit verweigert wird?
Zum anderen: Halten Sie es nicht für eine Schieflage, wenn Sie auf der einen Seite - das ist natürlich verfassungsrechtlich vorgegeben - den Abgeordneten ein privilegierendes Schutzrecht zukommen lassen, aber Anwälten und Ärzten, die mit Sicherheit im jeweiligen Vertrauensverhältnis mit viel relevanteren Sachverhalten konfrontiert werden als Abgeordnete, diesen Schutz verweigern?
Herr Kollege, wir haben die Abgeordneten in keiner Weise privilegiert. Wir gehen auch nicht von der immer wieder unterstellten Vorstellung aus, daß die Abgeordneten eine ganz besondere Moral hätten. Im Gegenteil, es steht im Gesetz ausdrücklich, daß, wo immer der Verdacht aufkommt, daß sie irgendwo mitmischen könnten - es muß ja bei der organisierten Kriminalität an den Brückenkopf der Korruption gedacht werden, bei der auch Abgeordnete bevorzugte Zielobjekte sind eine absolute Ausnahme für Abgeordnete überhaupt nicht gegeben ist. Wir nehmen hier auch keine neue Privilegierung vor. Ich bitte Sie darum, ruhig und sachlich den Art. 47 und insbesondere dessen Satz 2 im Grundgesetz zu lesen. Soviel zu den Abgeordneten.
Zu Ihren übrigen Anmerkungen in bezug auf die Anwälte bzw. den Übergang ihrer Tätigkeit zum Strafverteidiger: Wir befinden uns hier nur in der Repression. Wir regeln also nur den Lauschangriff, die elektronische Wohnraumüberwachung, zu Beweiszwecken im Strafverfahren bzw. bei der Strafermittlung. Es geht also überhaupt nicht darum, irgend etwas zu regeln, was damit nichts zu tun hat. Wenn beispielsweise jemand zu einem Anwalt geht und
sich über Möglichkeiten unterhält, sein Testament besser zu gestalten, dann weiß ich gar nicht, wie jemand auf die Idee kommen kann, wir würden durch unsere Regelung die Möglichkeit zum Belauschen eröffnen.
Ich möchte bitten, daß ich jetzt meinen letzten Punkt vortragen kann. Mir ist nämlich ein bißchen - ich finde es aber gar nicht schlecht, daß Sie mich zu vielen Punkten gefragt haben - die Zeit davongelaufen.
Man wird eben nicht jede Wohnung oder jeden Arbeitsplatz eines Zeugnisverweigerungsberechtigten einfach aus der Beweiserhebung nehmen können. Hier möchte ich gerne den Verfassungsgerichtshof des Freistaates Sachsen zitieren, der diese Problematik in der auch von Ihnen oft gefeierten Entscheidung sehr kurz und bündig, wie ich finde, auf den Punkt gebracht hat. Ich zitiere:
Jeder Raum, der nach außen den Anschein absoluter Schutzwürdigkeit erweckt, kann immer in einer Weise genutzt werden, die diesen Schutz nicht verdient.
Das bedeutet nun aber überhaupt nicht, daß die Bürger überall und ständig mit einer akustischen Überwachung rechnen müssen. Der Bundesbeauftragte für Datenschutz hat dies ausdrücklich Marge-stellt. Die Aufgeregtheiten halten einer nüchternen Betrachtung schon deshalb nicht stand, weil die Entwürfe, wie bereits dargestellt, strenge Voraussetzungen für staatliche Eingriffe vorsehen.
Ich wäre gerne noch auf die zweite Säule eingegangen, nämlich auf den besseren Zugriff auf Gewinne aus Verbrechen und dubiose Vermögen. Herr Kollege Meyer hat hundert Prozent recht, wenn er sagt, daß dies ein ganz wichtiger, mindestens genauso wichtiger, vielleicht in der Praxis sogar noch wichtigerer Teil unseres Gesetzgebungspaketes ist.
Es fehlt mir aber die Zeit, darauf einzugehen. Ich schließe mich ausdrücklich den Ausführungen des Herrn Kollegen Meyer an.
Meine Damen und Herren, die vor Ihnen liegenden Gesetzentwürfe sind keine Wunderwaffe. Sie sind aber auch kein Schreckgespenst. Sie sind ganz schlicht unser Beitrag, der Beitrag des Deutschen Bundestages, zur Bekämpfung der international organisierten Kriminalität. Ich hoffe sehr, daß die Länder im Bundesrat dieses Angebot annehmen werden und zum Schulterschluß gegen das Verbrechen bereit sind.
Ich bitte Sie, meine Damen und Herren Kollegen - auch diejenigen aus der grünen Fraktion -, diesen Gesetzentwürfen zuzustimmen und den Schulterschluß gegen das Verbrechen schon heute zu vollzie-
Dr. Edzard Schmidt-Jortzig
hen, um zu zeigen, daß es uns mit der Verteidigung des Rechtsstaates gegen Angriffe ernst ist.
Vielen Dank.
Das Wort zu einer Kurzintervention hat der Kollege Häfner.
Herr Bundesjustizminister, Sie haben es für nötig und angebracht gehalten, die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen anzugreifen, und zwar in einer Weise, die ich scharf zurückweisen möchte.
Sie haben gesagt, wir hätten überhaupt keinen Blick und kein Interesse für die Opfer von Straftaten. Sie haben weiterhin gesagt, wir würden das Phänomen der organisierten Kriminalität schlicht nicht zur Kenntnis nehmen und hätten keine Antworten darauf. Ich halte das nicht nur für einen ungeheuerlichen Vorwurf, sondern auch - lassen Sie mich das so sagen - für intellektuell unredlich. Ich behaupte, daß wir manchmal den Opfern sogar näher sind als Sie. Und mit Ihnen ringen wir in diesem Parlament um den besseren Weg zur Bekämpfung der Kriminalität. Aber zu behaupten, wir hätten keinen solchen Weg, liegt nun wirklich neben der Realität.
Lassen Sie mich ein paar Sätze zur organisierten Kriminalität sagen. Was ist das eigentlich? Die organisierte Kriminalität ist ja kein neues Phänomen; es gab sie schon im Mittelalter. Die Raubritterbanden oder später dann der Räuber Kneißl oder Klaus Störtebeker stellten bereits Formen der organisierten Kriminalität dar.
Die organisierte Kriminalität bekämpft man nicht mit der Schrotflinte oder mit dem Staubsauger und auch nicht, indem man ständig laut darüber redet und überwiegend symbolische Gesetzgebung betreibt. Die organisierte Kriminalität bekämpft man vielmehr, indem man genau hinguckt, um welche Straftatbestände es sich dabei eigentlich handelt, und indem man gezielt und adäquat dagegen vorgeht. Lassen Sie mich ein paar solche Kriminalitätsbereiche nennen. Der Drogenbereich ist einer der wichtigsten Komplexe in der organisierten Kriminalität. Ein anderer ist der Bereich des Menschenhandels, der Prostitution und des Rotlichtmilieus, ein weiterer jener der Wirtschafts- und Umweltkriminalität.
Für die Bekämpfung all dieser Kriminalitätsformen haben wir Antworten, aber eben andere als Sie. Wir würden sehr gerne die Polizei von diesem völlig unsinnigen Kampf gegen die kleinen Drogensüchtigen entlasten, der gar nichts bringt. Die Polizei soll endlich gegen die, die damit die Geschäfte machen und die Fäden ziehen, vorgehen. Sie soll nicht die einbuchten, die irgendwo auf dem Marktplatz etwas konsumieren, und diese dann wieder freilassen, sondern sie soll ihre Kraft darauf richten, gegen die vorzugehen, die mit dem Drogenhandel die großen Profite machen.
Oder: Wir würden sehr gerne im Bereich der Prostitution durch eine rechtliche Anerkennung der Prostitution die betroffenen Frauen aus der Illegalität herausholen und damit endlich wirksam gegen den Menschenhandel vorgehen können, indem die Frauen, die von solchen Verbrechen betroffen sind, auch hier im Land als Zeugen gegen die Täter aussagen können, ohne Gefahr zu laufen, abgeschoben zu werden.
Sie kennen doch unsere Vorschläge. Wir haben auch in den Bereichen Wirtschaftskriminalität und Umweltkriminalität, wie ich meine, bessere Vorschläge. Lassen Sie uns doch nicht behaupten, es gebe keine Vorschläge. Lassen Sie uns feststellen: Wir ringen um die bestmögliche Lösung.
Nur noch ein Wort zu dem, was Sie hier vorschlagen. Sie tun so, als sei durch die vorgesehene richterliche Kontrolle und den Gesetzestext gesichert, daß all das, was nicht verwertet werden darf, nicht in die Materialien und Erkenntnisse der Strafverfolgungsbehörden eingeht. Warum sind Sie dann nicht unserem Vorschlag gefolgt, diesen Punkt so zu regeln, wie das in den USA der Fall ist? Sie berufen sich doch selbst immer wieder auf die USA als Beispiel. Dort ist es aber nicht wie in Ihrem Entwurf, daß der Richter am Anfang vertrauensvoll und ohne die Sache wirklich beurteilen zu können, über den Antrag entscheidet und danach aus dem Verfahren heraus ist. In den USA begleitet der Richter das Verfahren und muß jeden einzelnen Schritt genehmigen.
Was Sie wollen, führt dazu, daß aus dem intimen Bereich unzähliger Bürger Erkenntnisse, die niemanden etwas angehen, die dem privatesten Bereich angehören und die sogar dem Zeugnisverweigerungsrecht unterliegen, erst einmal in die Akten eingehen und sogar in der Hauptverhandlung -
Herr Häfner, die Redezeit ist beendet.
- ich komme zum Schluß - abgespielt und vorgeführt werden können, um anschließend festzustellen, daß sie nicht verwertet werden dürfen. Dann sind sie aber schon im Bewußtsein aller Beteiligten.
Wir wollen deshalb klare Beweiserhebungsverbote. Wir wollen, daß der Richter das Ganze begleitet. Das wollten Sie aber nicht. Deshalb gehen Sie hier einen Weg, der meines Erachtens auf dramatische Weise dazu führt, daß die Sicherheit der Bürger - die eigentlich Ihr Anliegen ist - aufs Spiel gesetzt wird und Grundrechte abgebaut werden.
Möchten Sie antworten, Herr Bundesminister?
Nein.
Ich rufe den nächsten Redner auf, den Kollegen Hermann Bachmaier.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wie Ihnen bekannt ist, spreche ich als Vertreter der Mitglieder der SPD-Fraktion, die eine Änderung des Art. 13 des Grundgesetzes und die entsprechenden Folgeänderungen der Strafprozeßordnung ablehnen
und diesem Gesetz nicht zustimmen. Im Namen meiner Kolleginnen und Kollegen gebe ich nachher bei der Abstimmung zusammen mit dem Kollegen Kuhlwein eine Erklärung zur Abstimmung zu Protokoll, der entsprechende Unterschriftenlisten angefügt sind.
Verfassungsfragen sind, insbesondere dann, wenn sie mit Eingriffen in zentrale Grundrechte verbunden sind, Gewissensfragen. Wir sind gut beraten, wenn wir die Entscheidung über diese Fragen nicht unter den Gesichtspunkten tagespolitischer Opportunität treffen. Dies ist die Grundhaltung, unter der wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten heute, ob wir der Verfassungsänderung zustimmen oder nicht, unsere Entscheidung treffen.
Diese Entscheidung haben wir uns wahrlich nicht leichtgemacht. Auf zwei Bundesparteitagen, zuletzt vor wenigen Wochen in Hannover, und in vielen Fraktionssitzungen haben wir uns intensiv mit den heute zu treffenden Entscheidungen beschäftigt.
Diejenigen von uns, die eine Änderung des Art. 13 ablehnen, tun dies aus unterschiedlichen Gründen. Dabei sollte niemand den Versuch unternehmen, uns mangelnde Entschlossenheit im Kampf gegen die Kriminalität vorzuwerfen.
Ein entschlossener Kampf auch gegen die organisierte Kriminalität läßt sich sehr wohl mit den tragenden Grundprinzipien und Freiheitsrechten unserer Verfassung in Einklang bringen.
Der Schutz der Privatsphäre gehört zum Kernbestand unserer Freiheitsrechte. Deshalb lehnen viele von uns über die heute schon möglichen Eingriffe hinausgehende Einschnitte in den Art. 13 grundsätzlich ab. Dabei haben mir manche mit auf den Weg gegeben, daß für sie auch - wie könnte dies im ver- einten Deutschland anders sein - leidvolle eigene Erfahrungen eine nicht unbedeutetende Rolle spielen.
Andere wiederum, die lange um eine richtige Entscheidung gerungen haben, wären bereit gewesen, einer Verfassungsänderung dann näherzutreten, wenn die Eingriffe, wie sie jetzt in der Neufassung des Art. 13 vorgesehen sind, verfassungsrechtlich so eingegrenzt worden wären, daß sie absolute Ausnahmefälle in extremen Situationen blieben. Von zentraler Bedeutung war dabei immer der Schutz außerordentlich vieler Menschen, die durch diese Ermittlungsinstrumente als völlig Unbeteiligte oder weil sie ihren zum Teil schwierigen Berufsaufgaben nachgehen, in Mitleidenschaft gezogen werden.
Deshalb wollten wir einen umfassenden Schutz der Personen, die nach den Regeln der Strafprozeßordnung ein Zeugnisverweigerungsrecht vor Gericht haben und sich zu einem großen Teil sogar strafbar machen, wenn sie die ihnen obliegende Schweigepflicht verletzen. Diesen Personen sollte, wenn sie nicht selbst tatverdächtig sind, für ihre unter absolutem Vertrauensschutz stehenden Gespräche Vertraulichkeit verfassungsfest zugesichert werden.
Meine Damen und Herren, die jetzt gefundene Zweiteilung in schutzwürdige und weniger schutzwürdige Gespräche ist äußerst verhängnisvoll und kann von uns keinesfalls akzeptiert werden.
Es geht nicht an, daß zwar Geistliche, Strafverteidiger und Abgeordnete für die von ihnen zu führenden Gespräche einen absoluten Abhörschutz genießen, man aber in Zukunft bei vertraulichen Gesprächen im engsten Familienkreis, im Arzt-Patienten-Verhältnis, im gesamten Beratungs- und Therapiebereich sowie im Journalisten-Informanten-Bereich nicht mehr sicher sein kann, da auch die geschützten Gespräche zunächst einmal abgehört werden können, auch wenn die Betroffenen selbst unter keinerlei Verdacht stehen.
Sie können nur darauf hoffen, daß das zur Entscheidung befugte Gericht den aufgezeichneten Inhalt nicht zur weiteren Verwertung zuläßt. Dies ist ein schwacher Trost. Dies hat eine verheerende Wirkung auf den Vertrauensschutz der Gespräche, die in höchst sensiblen Bereichen - denken wir nur an Therapieverhältnisse oder Suchtberatungen - geführt werden.
Diese Gespräche brauchen ebenso wie die abhörsicher ausgestalteten privilegierten Gespräche von
Geistlichen, Strafverteidigern und Abgeordneten ab-
Hermann Bachmaier
soluten Vertrauensschutz zu dem Zeitpunkt, zu dem diese Gespräche geführt werden.
- Lassen Sie doch Ihre wegelagernden Äußerungen sein, Herr Dr. von Stetten. Das können wir miteinander im Wahlkreis aushandeln. Jeder merkt doch, welche Geschäfte Sie hier betreiben.
Nur dann, wenn dieser absolute Vertrauensschutz gewährleistet ist, kann erwartet werden, daß sich rat-oder hilfesuchende Menschen ihren Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartnern rückhaltlos offenbaren. Erst dann können Gespräche mit Vertrauenspersonen ihre heilsame und häufig auch befriedende Wirkung entfalten. Es nützt nichts, aber auch gar nichts, wenn diese Gespräche zwar zunächst abgehört und aufgezeichnet werden können, über ihre Verwertung aber erst später von einer Staatsschutzkammer in den jeweiligen Oberlandesgerichtsbezirken nach Gesichtspunkten der Güterabwägung entschieden wird.
Dieser Schutz hätte für alle Formen des Einsatzes technischer Mittel in der Verfassung festgeschrieben werden müssen, nachdem der Lauschangriff durch die vorgesehene Verfassungsänderung als normales Strafverfolgungsinstrument installiert werden soll und dadurch die seit Jahren sukzessiv eingeführten verdeckten Strafverfolgungsinstrumente eine neue grundrechtsrelevante Qualität erhalten sollen.
Aber auch über die mangelnde Absicherung der Personen hinaus, die für ihre höchst sensiblen Gespräche absoluten Vertrauensschutz genießen, weist der Gesetzentwurf gravierende und für uns inakzeptable Mängel auf. Der Straftatenkatalog ist nach wie vor viel zu weit und ausufernd gefaßt. Nach der jetzt vorgesehenen Fassung des Grundgesetzes darf der Lauschangriff nicht nur als denkbar letztes Mittel bei der Strafverfolgung eingesetzt werden. Der präventive polizeiliche Lausch- und Spähangriff wird eben nicht strikt auf die Abwehr einer gemeinen Gefahr oder einer Lebensgefahr begrenzt. Vielmehr wird man nach der jetzt gefundenen Lösung die Landespolizeigesetze kaum substantiell ändern müssen.
Unserer Forderung, die Zuständigkeit für die Einsetzung und Kontrolle des Lauschangriffes einem Vorsitzendensenat der Oberlandesgerichte zu übertragen, wurde ebenfalls nicht entsprochen, obwohl die besondere Nähe des Schutzes der Privatsphäre zum Schutz der Menschenwürde in Art. 1 des Grundgesetzes eine derartig hochangesiedelte Kompetenz geboten hätte.
Eine umfassende richterliche Verlaufskontrolle findet nicht statt, lediglich eine richterliche Sichtung und Bewertung der aufgezeichneten Gespräche der zeugnisverweigerungsberechtigten Personen, die an und für sich überhaupt nicht abgehört und aufgezeichnet werden dürften.
Auch der neugeschaffene Art. 13 Abs. 5, der die Verwendung technischer Mittel zum Schutz der im Einsatz tätigen Personen regelt, ist außerordentlich konturenlos und weit gefaßt und könnte so zu einem gefährlichen Einfallstor weitreichender und in großem Umfang verwertbarer Lausch- und Videoaufnahmen führen.
Meine Damen und Herren, wie auch ein kürzlich veröffentlichtes Interview des Generalbundesanwaltes zeigt, ist der Nutzen dieser Eingriffsinstrumente zu Lasten des bestehenden grundrechtlichen Schutzes der Privatsphäre nach wie vor umstritten. Es ist sehr fraglich, ob man mit diesen neugeschaffenen Strafverfolgungsinstrumenten tatsächlich entscheidende Erfolge im Kampf gegen das organisierte Verbrechen erzielen wird.
Die Gefahr ist nicht von der Hand zu weisen, daß eine Vielzahl völlig unbeteiligter und völlig unschuldiger Menschen in Mitleidenschaft gezogen wird, während sich die hochprofessionell agierenden Köpfe des organisierten Verbrechens durch technische und andere Maßnahmen wirkungsvoll vor diesem Zugriff schützen.
Abschließend, meine Damen und Herren: Wir sollten den Satz von Hans-Jochen Vogel beherzigen, daß vom Staat auch bei der Bekämpfung von Verbrechen äußerste Grenzen nicht überschritten werden dürfen. Hier kommen wir diesen Grenzen gefährlich nahe. Ich meine, die Kontrollen sind zu schwach, so daß die Gefahr besteht, daß die Grenzen überschritten werden.
Hermann Bachmaier
Ich danke Ihnen für Ihre etwas geteilte Aufmerksamkeit.
Es spricht jetzt der Kollege Rupert Scholz.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte zunächst mit der Feststellung beginnen, daß ich meinerseits ausdrücklich begrüße, daß wir eine Einigung erreicht haben. Das Thema ist schwierig. Wir haben über viele, viele Jahre diese Fragen diskutiert. Wir haben in diesen Jahren um eine Lösung gerungen und einen Kompromiß gefunden. Ein Kompromiß erfüllt nie die Wünsche von jedermann; das ist völlig klar. Das gilt auch für unsere Position. Ich denke aber, daß wir insgesamt einen guten, einen effektiven und vor allem einen verfassungskonformen Kompromiß erzielt haben.
Wenn ich Sie ansprechen darf, Herr Meyer - Sie haben angekündigt, Herr Schily würde sich später in dieser Richtung äußern -: Sie haben vorhin gesagt, daß Sie, gesetzt den Fall, Sie bekämen eine Mehrheit - das wird jedoch nicht passieren -, zu Änderungen schreiten würden. Ich halte das für keinen guten Schritt. Wir haben gut zusammengearbeitet. Wir haben zusammen diskutiert und gerungen. Jetzt sollten wir auch gemeinsam dazu stehen und nicht schon in dieser Stunde, in der wir darüber zu entscheiden haben, ankündigen: Gibt es eine andere Mehrheit, geht das Ganze in eine andere Richtung. Das kann es nicht sein.
Meine Damen und Herren, ich möchte zum Geldwäschegesetz nur kurz Stellung nehmen.
Auch dies ist eine gute, in konstruktiver Zusammenarbeit entstandene Regelung, die in diesem Bereich der besonders schweren Kriminalität zu dem Modernsten gehört, das es international gibt. Hier kann ich nur sagen: Dies ist gut und sinnvoll. Davon können wir uns wirklich Erfolg versprechen.
Bitte, Herr Meyer.
Herr Professor Scholz, Sie gestatten eine Zwischenfrage?
Ja.
Herr Kollege Scholz, stimmen Sie mir zu, daß wir uns darauf verständigt haben, in der nächsten Legislaturperiode
von der Bundesregierung einen Erfahrungsbericht bezüglich der Neuregelung vorgelegt zu bekommen, und sind Sie mit mir der Meinung, daß, wenn sich die Regelung - es gibt ja unterschiedliche Einschätzungen - in dem einen oder anderen Punkt nicht bewährt, Veränderungen in der nächsten Legislaturperiode sehr wohl begründet sein könnten?
Herr Meyer, das ist eine ganz andere Argumentation. Wenn Sie auch vorhin so verstanden werden wollten, dann sage ich: Ich bin damit einverstanden. Wir haben uns ja sehr bewußt darauf verständigt, daß wir einen Weg gehen, den man sorgfältig beobachten muß. Es können sich aus Erfahrungen, die wir im Laufe der Zeit sammeln, Änderungsnotwendigkeiten ergeben; das ist selbstverständlich. Das ist vereinbart worden; dazu stehe ich. Aber ich habe Sie vorhin anders verstanden. Wenn Sie es vorhin so gemeint haben, wie Sie das jetzt darstellen, dann sage ich: Ich höre es sehr gern.
Herr Professor Scholz, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage, diesmal vom Kollegen Beck?
Nein. Ich denke, ich fahre jetzt in meiner Rede fort. Wenn ich etwa an die Ausführungen von Herrn Such von vorhin denke, fällt es mir etwas schwer, diese Zwischenfrage zuzulassen, weil ich denke, daß hier vergleichbare Argumente oder Scheinargumente vorgebracht werden.
Das bezieht sich auch entscheidend auf Art. 13 des Grundgesetzes. Dazu komme ich jetzt.
Art. 13 Grundgesetz schützt die räumliche Privatsphäre - das ist in der Tat ein ganz wichtiges Grundrecht -, er steht aber von vornherein - übrigens seit 1949 - auch unter dem Vorbehalt der öffentlichen Sicherheit. Die Diskussion über dieses Grundrecht ist völlig falsch geführt worden. Das beginnt mit der Diskreditierung unserer Vorschläge, wenn man von einem „Lauschangriff" spricht. Es geht nicht um Angriffe, sondern es geht um die Rechtssicherheit und die Kriminalitätsbekämpfung. Ich unterstreiche nachdrücklich das, was der Bundesjustizminister vorhin gesagt hat:
Es geht um den Schutz von Opfern. Es geht um den Schutz von Freiheiten der Bürger vor Kriminalität, um nichts anderes.
Natürlich muß man Gratwanderungen bestehen, auch solche verfassungsrechtlicher Art. So respektiere ich durchaus denjenigen, der in einer sachlichen Auseinandersetzung durch sachlich vorgetragene Kritik eine andere Auffassung vertritt. Aber wer
Dr. Rupert Scholz
mit Polemik, mit Rabulistik, mit Verfälschung operiert
und Scheinargumente vorbringt, der verdient wahrhaftig kein Gehör in einer Debatte, die eine Bedeutung wie die heute zu führende hat.
Meine Damen und Herren, zugespitzt hat sich bekanntlich - mit dieser Frage möchte ich mich schwerpunktmäßig befassen - die von mir zitierte Gratwanderung, die zu treffende Güterabwägung, ganz wesentlich in der Frage: Wie sieht es mit dem aus, was wir als Beweiserhebungsverbot und/oder Beweisverwertungsverbot zugunsten bestimmter Berufsgruppen und privat-persönlicher Vertrauensverhältnisse bezeichnen?
Dabei war für uns von Anfang an selbstverständlich, daß etwa Beichtgespräche gerade bei jenen Religionsgemeinschaften, die - das möchte ich unterstreichen - über den staatskirchenrechtlichen Sonderstatus von Art. 140 Grundgesetz in Verbindung mit Art. 137 der Weimarer Verfassung verfügen und damit unserem Staat ja schon von vornherein in einem Verhältnis der Koordination gegenüberstehen, einen besonderen grundrechtlichen Schutz genießen und demgemäß nicht abgehört werden können. Dies mußte im Grunde nicht eigens klargestellt werden - es wurde damit implizit ja in Zweifel gezogen -, sondern war bei klarer Würdigung der Verfassung selbstverständlich.
Allerdings muß man - darauf möchte ich auch hinweisen - sehr sorgfältig hinschauen, wenn man sich mit diesen notwendigen Fragen der Güterabwägung auseinandersetzt. Art. 137 der Weimarer Verfassung besagt, daß auch diese Religionsgemeinschaften dem Vorbehalt der allgemeinen Gesetze unterliegen. Ich wiederhole: der allgemeinen Gesetze. Das ist kein absolut rechtsfreier Raum. Zu den allgemeinen Gesetzen gehören bekanntlich ganz entscheidend auch die Normen des Strafrechts und des Strafprozeßrechts.
Wir haben, auch wenn wir immer wieder die technische Wohnraumüberwachung gefordert haben, nie in Frage gestellt, daß die Unverletzlichkeit der Wohnung ein hohes verfassungsrechtliches Gut ist.
Genauso zweifelsfrei ist aber auch, daß Art. 13
Grundgesetz, der eben jene räumliche Privatsphäre
schützt, weder einen a priori rechtsfreien Raum begründet noch einen Schutzraum für Kriminalität oder kriminelle Handlungen erschließt. Das Grundrecht des einzelnen auf Schutz der räumlichen Privatsphäre besteht nicht absolut; es wird vielmehr relativiert durch das Grundrecht des einzelnen wie der Allgemeinheit auf Rechtssicherheit. Rechtssicherheit ist notwendig die komplementäre Seite der Freiheitsgarantien unserer rechtsstaatlichen Ordnung. Das heißt, der Bürger hat einen Anspruch auf effektiven Schutz vor Kriminalität, insbesondere im Bereich der Schwerkriminalität. Darum bemühen wir uns. Hier mußten Abwägungen vorgenommen werden. Diese Abwägungen sind verfassungskonform vorgenommen worden. Die Unverletzlichkeit der Wohnung gilt nicht absolut. Sie kann aber nur unter äußerst eng begrenzten und unter wirksamen justitiellen Voraussetzungen eingeschränkt werden.
Verfassungsrechtlich Bestand haben insbesondere auch die sorgfältig ausdifferenzierten Regelungen zu jenen Beweiserhebungs- und Beweisverwertungsverboten. Sie korrespondieren mit entsprechenden Zeugnisverweigerungsrechten, wie wir sie bisher schon kennen. Es wäre allerdings, meine Damen und Herren, verfassungsrechtlich verfehlt, wenn man annehmen wollte, daß diesen Zeugnisverweigerungsrechten im vorliegenden Zusammenhang allein mit Beweiserhebungsverboten Genüge getan werden könnte. Gerade das ist nicht richtig und entspricht nicht der Verfassungslage.
Freiheit findet ihre Grenzen bekanntlich immer am Mißbrauch. Wer Freiheit zur Kriminalität mißbraucht, der mißbraucht die Freiheit. Das ist ein allgemein geltender Rechtsgrundsatz. Dieser Grundsatz gilt auch in diesem Bereich. Das haben wir ausdrücklich in § 100 d Abs. 3 StPO zum Ausdruck gebracht.
Meine Damen und Herren, Beweiserhebungs- und Beweisverwertungsverbote können beide nicht in Betracht kommen, wenn jenes Vertrauensverhältnis, das grundsätzlichen Schutz genießt, zur Begünstigung, zur Strafvereitlung, zur Hehlerei, also zu strafbaren Handlungen, mißbraucht wird. Das heißt, jeder, der unter Beweiserhebungsverbot oder Beweisverwertungsverbot steht - wohlgemerkt jeder, auch der Abgeordnete, das möchte ich deutlich klarstellen -, hat natürlich keinen Schutz, wenn er sich verdächtig macht, seinerseits strafbare Handlungen zu begehen oder sich an solchen zu beteiligen.
Verfassungsrechtlich unbedenklich, ausgewogen sind die hier behandelten Gesetzesergänzungen auch hinsichtlich der Beweisverwertungsverbote. Betrachtet man den einschlägigen Katalog der Zeugnisverweigerungsrechte in der Strafprozeßordnung, so stellt man fest, daß damit nicht nur Pressevertreter, Ärzte und Rechtsanwälte begünstigt werden, sondern auch Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, Zahnärzte, Apotheker, Hebammen usw. Schon die Quantität dieser Berufsgruppen zeigt, daß man hier nicht pauschal mit Beweiserhebungsverboten hätte operieren können.
Nun wird aber - und die Diskussion kennen wir, sie wird mit einiger kräftiger Begleitmusik von eini-
Dr. Rupert Scholz
gen Berufsgruppen in der Öffentlichkeit gefahren - aus vermeintlichen Verfassungsgründen ein weitergehendes Beweiserhebungsverbot gefordert. Meine Damen und Herren, dazu möchte ich gerne einiges sagen: Wenn man die verfassungsrechtlichen Positionen jener Berufsgruppen - von Anwälten über Ärzte bis hin zu all denen, die ich hier zitiert habe - näher betrachtet, so ist ganz eindeutig, daß es eben keine absoluten Beweiserhebungsverbote geben kann.
Nehmen wir als Beispiel einmal die Pressefreiheit: Sie ist unbestreitbar wichtig, unbestreitbar verfassungsrechtlich garantiert; sie besitzt hohen Verfassungsrang. Dennoch kann kein Zweifel daran bestehen - wie vom Bundesverfassungsgericht sehr deutlich ausgeführt worden ist -, daß die Freiheit der Presse, zu der natürlich der Schutz der Informationsbeschaffung und damit auch Vertraulichkeit gehören, nicht ohne Schranken besteht. Auch die Pressefreiheit findet ihre Grenzen am Vorbehalt der allgemeinen Gesetze.
Hierzu zählt die Strafprozeßordnung in den Worten des Bundesverfassungsgerichts - ich zitiere wörtlich - die prinzipielle Verpflichtung
für jeden Staatsbürger, zur Wahrheitsermittlung im Strafverfahren beizutragen und die im Gesetz vorgesehenen Ermittlungshandlungen zu dulden.
Das Bundesverfassungsgericht sagt weiter:
Der Gesetzgeber ist weder gehalten, noch steht es ihm frei, der Presse- und Rundfunkfreiheit absoluten Vorrang vor anderen wichtigen Gemeinschaftsgütern einzuräumen. Er hat insbesondere auch den Erfordernissen einer an rechtsstaatlichen Garantien ausgerichteten Rechtspflege Rechnung zu tragen, deren Aufgabe es ist, in dem ihr vorgegebenen verfahrensrechtlichen Rahmen die Durchsetzung von Gerechtigkeit zu ermöglichen.
Meine Damen und Herren, das ist ein wörtliches Zitat des Bundesverfassungsgerichtes. Auch das ist für uns verbindlich, wenn wir hier eine verfassungsrechtliche Güterabwägung gesetzlich umzusetzen haben.
Das Interesse an einer möglichst umfassenden Wahrheitsermittlung im Strafverfahren ist, wie das Bundesverfassungsgericht uns sehr deutlich gezeigt hat, ein außerordentlich hohes Verfassungsgut. Die Aufklärung von Straftaten ist es, aber natürlich auch die Verhinderung von Straftaten. Alles dies gehört zusammen. Es gehört zum Kernbestand unseres Rechtsstaatsprinzips. Dem haben wir uns nicht nur zu stellen, mit dem haben wir uns nicht nur auseinanderzusetzen, sondern dem haben wir auch gerecht zu werden. Jetzt ist die Stunde der Entscheidung, die heute zu treffen ist, ist die Stunde der rechtsstaatlichen Bewährung einer verfassungskonformen Lösung, die wir gefunden haben und die, wie ich denke, jegliche Unterstützung verdient.
Lassen Sie mich noch einmal das Bundesverfassungsgericht zum Thema Zeugnisverweigerungsrechte zitieren. Das Gericht sagt wörtlich:
Sie
- die Zeugnisverweigerungsrechte -
stellen Ausnahmen von der Pflicht zur umfassenden Aufklärung der materiellen Wahrheit dar und bergen demzufolge die Gefahr in sich, daß die Gerichte ihre Entscheidungen auf mangelhafter Tatsachengrundlage treffen. Die Begründung und Erweiterung solcher Rechte bedarf daher stets einer Legitimation, die vor dem Rechtsstaatsprinzip Bestand hat.
Genau das ist die Wahrheit, meine Damen und Herren! Und das gilt auch für die Frage des Beweisverwertungsverbots oder des Beweiserhebungsverbots. Diese verfassungsrechtliche Vorgabe zwingt - das will ich deutlich dazu sagen - zu einer abgestuften Regelung, wie wir sie in mühsamem Ringen, in einem mühsamen Diskussionsprozeß, aber auch in einer stets an konstruktiver Lösung orientierten Atmosphäre gefunden haben.
Aus diesem Grunde denke ich, daß wir allen Grund haben, diesen Kompromiß, diese kriminalpolitisch grundsätzlich erforderlichen und verfassungsrechtlich eindeutig rechtsstaatskonformen Regelungen heute mit der nötigen Mehrheit zu verabschieden.
Ich danke Ihnen.
Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, F.D.P.-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Bundestagsfraktion der F.D.P. hat mir Redezeit eingeräumt, um für jene Minderheit der Fraktion sprechen zu können, die den heute zur Abstimmung stehenden Gesetzentwürfen nicht zustimmen wird.
Die Gründe für dieses Abstimmungsverhalten meiner Kollegen und Kolleginnen sind unterschiedlich. Aber keinem kann die Ernsthaftigkeit, gegen organisierte Kriminalität vorzugehen, abgesprochen werden.
- Herr Marschewski, wir haben nie „immer nein" gesagt. Wenn Sie sich ansehen, was mit den Kollegen
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger
und Kolleginnen der F.D.P.-Bundestagsfraktion in den letzten Legislaturperioden beschlossen worden ist, dann wissen Sie, daß dieser Vorwurf nicht zutrifft.
- Ich bewerte Ihren Zwischenruf als eine Frage, so daß er nicht auf meine Redezeit angerechnet wird.
Trotz der seit Jahren hin und wieder aufflammenden Debatten um den Lauschangriff beginnt die Öffentlichkeit in ihrer ganzen Breite, erst jetzt zu verstehen, daß wir heute eben nicht über irgendein, sondern über ein ganz bestimmtes Gesetz befinden, das die konstitutiven Grundlagen unserer freiheitlichen Ordnung nachhaltig beeinträchtigen wird.
Zu Recht befürchtet man, daß die vage Eingrenzung des vom Lauschangriff potentiell betroffenen Personenkreises über kurz oder lang nicht nur zu einer deutlichen Ausweitung der Abhörpraxis führen wird - das bestätigen die Ergebnisse der Telefonüberwachungen -, sondern auch mit einer massiven Beeinträchtigung der zwischenmenschlichen Vertrauensverhältnisse und des Vertrauens des Bürgers in den Staat einhergeht.
Erstens wird deutlich, daß es eben nicht nur die Gangster sind, die mit dem Abhören ihres privat gesprochenen Wortes zu rechnen haben. Jetzt wird deutlich, daß es überhaupt nicht die Gangster, sondern allenfalls unter der Unschuldsvermutung stehende Beschuldigte sind, die Zielpersonen des Lauschangriffs werden können - Beschuldigte, die zudem nicht unter dringendem Tatverdacht, sondern lediglich unter Anfangsverdacht stehen müssen, eine Straftat begangen zu haben.
Auch wird deutlich, daß es nicht nur deren Wohnungen, sondern auch die Wohnungen eines prinzipiell unbegrenzten Kreises unbeteiligter Menschen sind, in die zum Zwecke des Belauschens heimlich eingedrungen wird.
Nicht zuletzt wird jetzt jedem deutlich, daß eben nicht nur die Gespräche des Beschuldigten abgehört werden, sondern potentiell alle Gespräche, die - unabhängig von der Anwesenheit der eigentlichen Zielperson - in den belauschten Wohnungen, von wem auch immer, geführt werden.
Zweitens stellt sich heraus, daß es nicht nur die organisierte Kriminalität ist, gegen die sich der Lauschangriff richtet. Der Begriff der organisierten Kriminalität, der jahrelang zur Begründung dieses Eingriffs in die Grundrechte gedient hat, ist - außer
in der Überschrift -, in den Gesetzestexten und im Straftatenkatalog in keiner Weise zu finden. Ohne die Beschränkung auf organisiert begangene Kriminalität wird der Lauschangriff zu einem Standardinstrument der Strafverfolgung,
zumal er bei Straftaten auch jetzt schon auf der Grundlage eines umfänglichen Katalogs angewandt und einfachgesetzlich beliebig ausgeweitet werden kann.
Kurzum: Aus all dem wird deutlich, daß es jeden treffen kann, auch solche Personen, die aus beruflichen und guten - rechtsstaatlichen - Gründen verpflichtet sind, ihre beruflich erlangten Informationen vertraulich zu behandeln, also Personen, deren zum Schutz des Vertrauensverhältnisses gewährte Zeugnisverweigerungsrechte weder geschmälert noch unterlaufen werden sollten.
Das ist einer der Gründe, weshalb viele Kollegen und Kolleginnen, für die ich hier sprechen kann, diesem vorgelegten Verhandlungsergebnis nicht zustimmen werden. Sie wollen politisch nicht, daß es diese inkonsequente Trennung von Personen in diesem Bereich gibt: Die einen dürfen grundsätzlich nicht abgehört werden, und bei den anderen läuft es letztendlich auf die Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes hinaus.
Es geht hier nicht um eine Frage der Quantität, Herr Geis. Dieses Verhandlungsergebnis zeigt viel- mehr, wohin diese Entwicklung führt: daß bei Abwägungen, wenn man diese Richtung einmal eingeschlagen hat, im Zweifel immer zugunsten von mehr Möglichkeiten für den Staat entschieden wird.
Wir wollen nicht, daß das so kommt. Das ist einer der Hauptgründe, weshalb meine Kollegen und Kolleginnen - ich bin von ihnen ausdrücklich darum gebeten worden, das zu sagen - nicht zustimmen können.
Aber über diese Kritik an den einzelnen Ausgestaltungselementen der Gesetzentwürfe hinaus werden einige Kollegen und Kolleginnen - dazu gehört Bundestagsvizepräsident Hirsch - wegen grundsätzlicher Bedenken mit Nein stimmen. Wir sind der Ansicht - in diesem Punkt mit dem Präsidenten des BGH -, daß mit dem großen Lauschangriff ein weiterer verhängnisvoller Schritt zur Umdeutung der Grundrechte getan wird,
Umdeutung dahin, daß Schutzpflichten des Staates - und damit korrespondierende Schutzrechte des Bürgers - zwangsläufig zu immer weiteren Eingriffen in Grundrechte führen müssen. Wenn die Ansprüche der Bürger auf Einschreiten des Staates vorrangig sind, dann wird das zwangsläufig zu Einschränkungen der Grundrechte führen.
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger
Wir wollen in diesem Spannungsfeld, daß bei der Abwägung die Abwehrrechte Vorrang haben. Das ist modern und nicht nostalgisch. Mit dem Bundesverfassungsgericht wollen wir, daß die Würde des Menschen einen unantastbaren, letztendlich jeder öffentlichen Einwirkung entzogenen Bereich hat. Der Mensch braucht eine Ecke, wo er in Ruhe gelassen wird. Deshalb stimmen wir aus unterschiedlichen Gründen diesen Gesetzentwürfen nicht zu.
Vielen Dank.
Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Otto Schily, SPD-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Kollegen! Zunächst einmal - das tue ich sehr bewußt - möchte ich daran erinnern, daß die gesetzlichen Neuregelungen, über die wir heute zu beschließen haben, eine erhebliche Verbesserung des Zugriffs auf kriminell erworbenes Vermögen zum Inhalt haben.
Das ist für uns ein wesentlicher Bestandteil der mit der Koalition getroffenen Vereinbarungen. Ich sage sogar: Das ist für uns die Hauptsache und nicht eine bloße Zugabe.
Wir haben uns in diesem Bereich mit wichtigen Forderungen durchsetzen können, und das gehört wahrlich nicht zum Kleingedruckten und darf nicht aus der öffentlichen Wahrnehmung ausgeblendet werden. Mein Freund Jürgen Meyer hat das im einzelnen ausgeführt. Aber angesichts einer gewissen Schieflage in der öffentlichen Debatte werde ich mich in meinem Beitrag im wesentlichen mit der vorgesehenen Änderung des Art. 13 Grundgesetz und den entsprechenden Folgegesetzen befassen.
Es ist bekannt, daß der SPD die Verfassungsänderung gewiß nicht leichtfällt.
Es gibt in unserer Fraktion - warum sollten wir das verschweigen - tiefgehende Meinungsverschiedenheiten. Ich sage: Es gereicht einer demokratischen Partei durchaus zur Ehre, wenn sie sich nicht leichtfüßig auf Verfassungsänderungen einläßt,
zumal es sich bei Art. 13 Grundgesetz nicht um irgendeine Verfassungsbestimmung handelt, sondern um ein hochrangiges Grundrecht.
Ich wiederhole das, was ich bei früherer Gelegenheit schon einmal gesagt habe: Ein Rechtsstaat unterscheidet sich von einem totalitären Staat dadurch,
daß er sich nicht das Recht anmaßt, in jedes private Lebensverhältnis einzudringen, sondern sich Grenzen setzt. Ich füge jedoch hinzu: In bestimmten Ausnahmefällen - wir können sie auch Dilemma nennen - muß der Schutz der Privatsphäre zurückstehen, wenn es um den Schutz von Leben und Freiheit der Bürgerinnen und Bürger geht.
Das ist auch nach der bestehenden Verfassungslage so, über die sich der Kollege Such nicht im klaren ist.
Nun ist ein heftiger Streit darüber entbrannt, ob der Staat bei verdeckten Ermittlungen mit technischen Mitteln an der Wohnungstür haltmachen muß. - Bekanntermaßen muß er das bei offenen Ermittlungsmaßnahmen, beispielsweise Durchsuchungen und Festnahmen, nicht, obwohl auch das natürlich einen Eingriff in die Privatsphäre darstellt. -
Auch eine beachtliche Zahl meiner eigenen Fraktionskolleginnen und -kollegen lehnt verdeckte Ermittlungen mit technischen Mitteln in Wohnungen grundsätzlich ab. Das ist zu respektieren, und wenn das in anderen Fraktionen artikuliert wird, so ist das selbstverständlich auch zu respektieren. Nur, an die Adresse dieser Kolleginnen und Kollegen sage ich: Sie müssen auch die Verantwortung für die Konsequenzen tragen, die mit der Aufrechterhaltung des bestehenden Verfassungszustands verbunden sind.
Diese heißen - das bitte ich gründlich zu überdenken -: Erstens. Nach der geltenden Fassung des Art. 13 Grundgesetz kann die Polizei aus eigener Machtvollkommenheit ohne eine Gerichtsentscheidung und ohne die von uns in der Neufassung des Art. 13 Grundgesetz vorgesehene materielle Einschränkung Überwachungsmaßnahmen zu präventiven Zwecken vornehmen.
Herr Kollege Schily, lassen Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Such zu?
Im Moment lasse ich keine Zwischenfragen zu.
Zweitens. Wer es bei dem gegenwärtigen Vefassungszustand belassen will, muß wissen, daß er damit den Strafverfolgungsbehörden die Möglichkeit nimmt, Erkenntnisse, die bei einer akustischen Überwachungsmaßnahme zu präventiven Zwecken gewonnen werden, zur Überführung von Schwerverbrechern zu verwenden. Wenn die Polizei beispielsweise bei einem präventiven Einsatz von akustischen Überwachungsmaßnahmen zur Verhinderung einer schweren Straftat erfährt, daß die Überwachten bereits einen Mord begangen haben, kann dies nach geltender Verfassungslage nicht verwertet werden.
Otto Schily
Übrigens: Jede begangene Mordtat birgt die Gefahr der Wiederholung in sich.
Auch das Recht auf Leben ist ein Grundrecht, und die Verhinderung von Mordtaten ist eine Aufgabe des Staates.
Drittens. Die beschriebenen Konsequenzen wiegen um so schwerer, als Art. 13 des Grundgesetzes einen weitgefaßten Wohnungsbegriff zugrunde legt. Danach sind auch Bordelle, Spielsalons und Hotelzimmer Wohnungen, die der organisierten Kriminalität als Rückzugsräume dienen können, wenn akustische Überwachungsmaßnahmen zu Beweissicherungszwecken unterbleiben müssen.
- Das hat man versucht, Herr Kollege Gysi. Da ist man aber nicht weit gekommen. Eine Abgrenzung vorzunehmen ist schwierig.
Viertens. Kriminalsachverständige weisen darauf hin: Wenn man Beweissicherung durch akustische Überwachungsmaßnahmen nicht zuläßt, erhöht man die Zahl von Einsätzen verdeckter Ermittler, was für die ermittelnden Beamten mit erheblichen Gefahren verbunden ist und weitere Schattenseiten hat.
Ich wiederhole: Ich respektiere - es wäre ganz schön, wenn ähnlicher Respekt auch einmal in der umgekehrten Richtung geäußert würde -, daß ungeachtet dieser Konsequenzen die Gegner der Verfassungsänderung bei ihrem Standpunkt bleiben. Wir müssen aber ehrlich miteinander umgehen und dürfen diese Konsequenzen nicht verschweigen. Mit Verlaub: Es ist wahrlich nicht widerspruchsfrei, wenn diejenigen, die einerseits ihre Besorgnisse vor Übergriffen des Staates besonders betonen, es andererseits bei der bloßen Zuständigkeit bei der akustischen Überwachung von Wohnungen zu präventiven Zwecken belassen wollen und dem großen Fortschritt, der - mit einer durchgängig gerichtlichen Kontrolle - auch im präventiven Bereich erreicht wird, kein großes Gewicht beimessen.
Wenn man schon sagt, man habe große Sorgen vor staatlichen Übergriffen, dann muß man doch froh sein, daß wir im präventiven Bereich jetzt durchgängig eine gerichtliche Kontrolle vorgesehen haben. Sonst ist doch eine solche Argumentation nicht schlüssig.
„Das Wahre ist das Ganze", hat Hegel gesagt. Deshalb müssen wir alle - ob Befürworter oder Gegner der Verfassungsänderung - die Folgen unseres Handelns bedenken.
An dieser Stelle erscheint es mir angebracht, angesichts der beträchtlichen Verwirrung, die in der öffentlichen Debatte entstanden ist und die leider von einigen sogar noch mutwillig ausgeweitet wird, noch einmal in aller Klarheit auszusprechen, daß wir die akustische Überwachung von Wohnungen nicht einführen - sie ist nach geltendem Verfassungsrecht zu präventiven Zwecken bereits zulässig -, sondern lediglich die Anwendungsmöglichkeit erweitern, und zwar zur Sicherung von Beweismitteln. Das ist gewiß keine Kleinigkeit.
Deshalb haben wir uns bemüht, ein Optimum an rechtsstaatlichen Sicherungen zu erreichen, damit akustische Überwachungsmaßnahmen nur bei schwersten Straftaten, im Ausnahmefall und als letztes Mittel eingesetzt werden.
Eine akustische Maßnahme darf, wie in der Verfassung festgelegt wird, nur von einem Kollegialgericht angeordnet werden. Das heißt, drei Berufsrichter müssen darüber entscheiden. Wir haben im Gesetz festgelegt, daß dies eine spezielle Strafkammer - und nicht ein beliebiges Gericht - sein soll.
- Herr Such, Ihre Fähigkeit zu reden ist beachtlich, aber jene zum Zuhören ist offenbar unterentwickelt.
Wir haben eine strenge Prüfungsfolge festgelegt, die so aussieht: Es muß auf Grund bestimmter Tatsachen
- man kann also nicht einfach im Nebel herumstochern - ein begründeter Verdacht gegen einen Beschuldigten bestehen, daß er eine im Gesetz einzeln aufgeführte, besonders schwere Straftat begangen hat. Dazu gehören beispielsweise Menschenhandel, Drogenhandel und Waffenhandel. Die akustische Überwachungsmaßnahme darf nur angeordnet werden, wenn alle anderen Ermittlungsmöglichkeiten ausgeschöpft sind bzw. versagen - das sogenannte Ultima-ratio-Prinzip. Die akustische Überwachungsmaßnahme darf nicht angeordnet werden, wenn sie gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verstößt. Sie darf nicht angeordnet werden, wenn dadurch andere Verfassungsnormen verletzt werden. Sie darf nicht gegen Art. 1 des Grundgesetzes verstoßen, es darf also nicht etwa in den intimsten Bereich eingegriffen werden. Sie darf auch nicht Art. 4, Art. 5, Art. 6 oder Art. 20 oder Art. 47 des Grundgesetzes verletzen. Eine akustische Überwachungsmaßnahme
Otto Schily
darf nach den vorgesehenen gesetzlichen Bestimmungen nicht angeordnet werden, wenn von vornherein zu erwarten ist, daß sämtliche Erkenntnisse, die gewonnen werden, einem Beweisverwertungsverbot unterliegen. Sie darf nicht angeordnet werden, wenn in ein berufliches oder sonstiges Vertrauensverhältnis in unverhältnismäßiger Weise eingegriffen wird. Das zuständige Kollegialgericht prüft in zwei Schritten: einmal bei der Entscheidung, ob eine akustische Überwachungsmaßnahme stattfinden darf, und in einem zweiten Schritt, ob bei einer eventuellen akustischen Überwachungsmaßnahme die dabei gewonnenen Erkenntnisse verwertet werden dürfen. Wir haben eine präzise Berichterstattung vorgeschrieben, es gibt ein eigenständiges parlamentarisches Gremium.
Das ist nun wirklich ein sehr dichtes rechtsstaatliches Kontrollsystem. Gleichwohl sehen einige Kritiker immer noch Mängel bei der Absicherung von Vertrauensverhältnissen und Zeugnisverweigerungsrechten. Ich weiß, daß das eine komplizierte Frage ist.
Ich muß an dieser Stelle ganz offen bekennen: Wir hatten in den Verhandlungen Formulierungen vorgelegt, die nach unserer Auffassung Zeugnisverweigerungsrechte und berufliche Vertrauensverhältnisse besser absichern. Damit hat sich die Koalition leider nicht einverstanden erklärt. Es ist das Wesen eines Kompromisses, daß nicht alles so geregelt werden kann, wie es den Vorstellungen einer Seite entspricht. Aber ich darf auf folgendes aufmerksam machen: Es besteht seit jeher ein Spannungsverhältnis zwischen Zeugnisverweigerungsrechten und verdeckten Ermittlungen. Zeugnisverweigerungsrechte begründen, wie der Name sagt, nur das Recht, vor Gericht eine Zeugenaussage zu verweigern. Damit verbunden sind eigens geregelte sogenannte Beschlagnahmeverbote. Weitere Vorschriften wie Beweiserhebungs- und Beweisverwertungsverbote im Hinblick auf die in den §§ 53 und 53 a der Strafprozeßordnung geschützten Vertrauensverhältnisse sind dem geltenden Recht nicht zu entnehmen. So sieht etwa § 100a der Strafprozeßordnung für die Überwachung des Fernmeldeverkehrs keinerlei Beschränkungen im Sinne des § 97 der Strafprozeßordnung vor, der demzufolge auch keine analoge Anwendung findet. Das wird von Kritikern häufig übersehen. Die Justizminister der Länder und des Bundes haben sich seit Jahren mit der Frage befaßt, ob zur Lösung dieses Problems eine generelle gesetzliche Regelung erforderlich sei. Sie haben das bisher mit Mehrheit verneint. Soweit ich weiß, hat auch der grüne Justizminister, mein Freund Rupert von Plottnitz, dazu bisher keine passende Formel gefunden. Man darf sich die Dinge also nicht leichter reden, als sie sind.
Zum Vorschlag, den die Grünen in diesem Zusammenhang als Änderungsantrag vorlegen, kann ich nur sagen: Wer nun - angefangen bei § 52 und § 53 der Strafprozeßordnung - allen Zeugnisverweigerungsrechte zubilligen will, so daß zum Beispiel, wenn eine Verlobte im Spielsalon anwesend ist, jede Überwachungsmaßnahme unterbunden ist, sollte es lieber gleich lassen. Dann kann man jede Maßnahme von vornherein ins Leere laufen lassen.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, wir alle werden unsere Entscheidungen sorgfältig abzuwägen haben. Kritische Einwände gegen die vorgelegten Gesetzentwürfe sind selbstverständlich willkommen. Aber etwas weniger Überschwang und etwas mehr Nüchternheit und Sachbezogenheit würden der Debatte nicht schaden. Wer übrigens in der Debatte mitreden will, sollte zumindest den Text der geltenden Verfassung kennen. In dieser Woche hat uns ein verdienstvoller und von mir hochgeschätzter Professor schlechte Zensuren wegen angeblich mangelhafter Arbeit erteilt. Dessen Kritik wird allerdings schon deshalb fragwürdig, da ihm offenbar nicht einmal das in Art. 47 des Grundgesetzes verbürgte Aussageverweigerungsrecht der Abgeordneten geläufig ist.
Ich hoffe sehr, daß die Debatte nicht weiter aufgeheizt wird. Sie hat bisweilen leider sehr giftige Formen angenommen. Nehmen Sie es mir bitte nicht übel: Mitunter muß man den Eindruck haben, die eigentliche Gefahr für die Bürgerinnen und Bürger unseres Staates gehe nicht von der organisierten Kriminalität, sondern von den staatlichen Institutionen, von der Polizei, von den Staatsanwaltschaften und von den Gerichten, aus. Das ist ja wohl absurd.
Exaltiertheiten und Aufgeregtheiten sollten nicht ins unendliche gesteigert werden. Es ist doch eine ebenso unsinnige wie bösartige Unterstellung, Polizei, Staatsanwaltschaft und Gerichte hätten nichts anderes im Sinn, als Redaktionsräume, Anwaltskanzleien, Arztpraxen und eheliche Schlafzimmer auszuhorchen. Wenn sich der Pulverdampf verzogen hat, werden sich alle wieder beruhigen und feststellen, daß alle Schreckenszenarien mit der Realität nicht das geringste zu tun haben.
Die Pressefreiheit bleibt bestehen, die Anwalts- und Arzttätigkeit bleibt ungestört, das Beichtgeheimnis bleibt gewahrt, und die familiären Beziehungen bleiben unangetastet.
Das, was wir beschließen werden, ist in Belgien, Dänemark, Italien, Frankreich, Luxemburg, Spanien, England und den USA längst Gesetz.
Das alles sind demokratische Staaten, in denen die Pressefreiheit besteht - in vielen Staaten sehr viel länger als bei uns -
und in denen Anwälte, Seelsorger und Drogenberater nichts zu befürchten haben. Auch in Deutschland haben wir eine demokratische Justiz, eine demokratische Polizei und eine demokratische Staatsanwalt-
Otto Schily
schaft, denen wir vertrauen dürfen. Irgendeine deutsche Hochnäsigkeit und Arroganz ist völlig unangebracht.
Deshalb ist es eine schlimme Entgleistung, wenn unsere Justiz und Polizei in einer aufgeregten Debatte mit der ehemaligen DDR-Staatssicherheit verglichen werden.
Meine Damen und Herren, ich rate zu Augenmaß, zu Gelassenheit und zur Besonnenheit. Dann kommen wir auch zu einer fairen Beurteilung der vorgelegten Gesetzentwürfe.
Ich danke Ihnen.
Wir haben jetzt den Wunsch nach zwei Kurzinterventionen. Die erste Kurzintervention kommt von Volker Beck, Bündnis 90/Die Grünen.
Lieber Kollege Otto Schily, ein Problem haben Sie elegant zu umschiffen versucht, und zwar etwas, was vorhin in dem Dialog zwischen den Kollegen Schulz und Meyer offensichtlich wurde, daß nämlich nicht einmal die minimalen Beweisverwertungs- und -erhebungsverbote, die nun im Gesetz stehen, verfassungsfest sind. Vielmehr kann nach Überprüfung der jetzigen Praxis die jeweilige Seite des Hauses, die die Mehrheit hat - die SPD hat das heute ja auch schon angekündigt -, dieses Gesetz in der Strafprozeßordnung dahin gehend ändern, daß diese Verbote aufgehoben werden. Ich erinnere an die Erfahrungen, die wir bei der Hauptverhandlungshaft haben. Die Koalition hatte in einer ähnlichen Situation die Hauptverhandlungshaft zurückgezogen. Dann haben Sie das in dieser Wahlperiode unter Wortbruch wieder auf den Tisch des Hauses gelegt und beschlossen. Dies zeigt, wie sicher das ist, was Sie hier beim Thema Zeugnisverweigerungsrechte ausgehandelt haben. Das ist das Papier nicht wert, auf dem es geschrieben steht.
Im Hause bestehen grundsätzliche Differenzen über die Frage, ob der Zweck der Verbrechensbekämpfung das Mittel des großen Lauschangriffes heiligt. Wir als Bündnisgrüne sagen grundsätzlich nein. Es sollte Ihnen zu denken geben, daß auch ausdrückliche Befürworter des großen Lauschangriffes als Instrument uns als Abgeordnete empfehlen, heute gegen den Gesetzentwurf zu stimmen, weil er für das Zeugnisverweigerungsrecht keinen Schutz bietet.
Sie haben übrigens heute die Möglichkeit, Ihrem Parteitagsbeschluß zum Durchbruch zu verhelfen, wenn Sie dem Änderungsantrag zusammen mit den
Gegnern und Gegnerinnen des Lauschangriffes aus der F.D.P. zu einer einfachen Mehrheit verhelfen. Dann steht er künftig in der Verfassung. Es ist an Ihnen, dies zu tun.
Ich möchte hier einen Hinweis von Herrn Pfeiffer auf einen Aspekt vortragen, der in der Debatte viel zu kurz kommt, nämlich die Ausgestaltung des Richtervorbehalts. Dieser Richtervorbehalt wird hier zwar dauernd zitiert, aber er ist völlig lasch ausgestaltet und schützt vor nichts. Pfeiffer weist auf die Praxis in den USA hin:
Das Wichtigste hat der Gesetzgeber nicht geregelt: die Berichtspflicht des Richters. In den USA etwa muß der Richter, der einen Lauschangriff genehmigt, anschließend detailliert Bericht erstatten und wird so laufend konfrontiert mit den Folgen seiner Genehmigung. Außerdem hat er einen Haufen Arbeit damit. Wenn er einen Lauschangriff dagegen ablehnt, sagt er nur schlicht „Nein" und muß es nicht weiter begründen. Das hat zu einer erfolgreichen Selbstregulierung des Systems in den USA geführt.
Die praktische Behandlung des Richtervorbehalts bei der Telefonüberwachung kennen wir schon. Dazu hat der Herr Asbrock festgestellt:
... der Richtervorbehalt konnte nicht verhindern, daß die Anzahl der Telefonüberwachungen in Deutschland zügellos zunimmt.
Ihre Redezeit ist zu Ende.
Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: 1996 hatten wir 8112 Telefonüberwachungen. Man muß sich dagegen anschauen - womit ich zum Schluß komme -, wie oft die Telefonüberwachung abgelehnt wird: 1992 gab es in Baden-Württemberg 562 Anträge auf Telefonüberwachungen, aber nur eine einzige Ablehnung durch die Richter. 1996 gab es in Bremen bei 150 Telefonüberwachungen überhaupt keine Ablehnung. Dies zeigt eindeutig, daß mit dem Richtervorbehalt weiße Salbe ins Gesetzbuch geschmiert wird. Das wird uns alles nichts nützen.
Vielen Dank.
Herr Abgeordneter Schily, möchten Sie gleich antworten oder erst nach der zweiten Kurzintervention? - Bitte.
Herr Kollege Beck, wir sind immer froh, wenn die Grünen die SPD ermuntern, ihre Parteitagsbeschlüsse einzuhalten. Das werden wir künftig bei euch auch machen. Aber das nur nebenbei.
Es ist in der Tat eine schwierige Frage, was man in die Verfassung hineinschreibt, was man an eine qua-
Otto Schily
lifizierte Mehrheit bindet. Allerdings bin ich schon der Meinung, daß wir die Systematik in der Hierarchie der Normen beibehalten sollten, das heißt, Grundgesetzänderungen an eine qualifizierte Mehrheit und Änderungen einfacher Gesetze nur an eine einfache Mehrheit zu binden. Ich halte es für sehr schwer denkbar, diese Hierarchie aufzulösen, vor allem weil wir dann eine Strafprozeßordnung zustande brächten, bei der einzelne Bestimmungen an einfache Mehrheiten gebunden sind und die anderen an eine Zweidrittelmehrheit. Dann gibt es eine langwierige Debatte darüber, was in der Strafprozeßordnung eine einfache Mehrheit und was eine Zweidrittelmehrheit erfordert.
- Langsam. Ich habe geduldig zugehört, lieber Volker Beck. Nun bitte ich um ein wenig Geduld beim Zuhören. Sonst kann man nicht gegeneinander argumentieren. Ein bißchen Geduld, dann geht das alles viel besser.
Natürlich stehen in der Strafprozeßordnung hochrangige Regelungen, zum Beispiel das Beweisantragsrecht der Verteidigung. Hierüber sagen die Strafverteidiger mit Recht: Das ist die Magna Charta des Strafprozesses. Dies ist ein wichtiges Prinzip in der Strafprozeßordnung. Eine Änderung ist aber nur an die einfache Mehrheit gebunden. Das ist nichts Ungewöhnliches.
Ich glaube, wir waren gut beraten, daß wir das an eine einfache Mehrheit gebunden haben, gerade weil wir - was der Kollege Jürgen Meyer angesprochen hat - nach einem bestimmten Zeitraum überprüfen wollen, ob die Regelung vielleicht an der einen oder anderen Stelle nicht so ist, wie wir sie uns vorgestellt haben. Niemand ist in seiner Prognosefähigkeit absolut unanfechtbar. Deshalb haben wir den parlamentarischen Bericht, um zu prüfen, ob irgend etwas in die falsche Richtung geht, damit wir es dann mit einem einfachen Gesetz korrigieren können.
Nun zur richterlichen Kontrolle: Wir haben nun einmal ein anderes Justizsystem als die Vereinigten Staaten, ich glaube, in einigen Fällen sogar ein besseres.
Denken wir einmal an bestimmte große Schwurgerichtsprozesse. Ob wir uns die hier nach Deutschland wünschen, kann man ja in Frage stellen.
Wir haben ein anderes Justizsystem. Deshalb müssen die Regelungen, die wir treffen, mit unserem Justizsystem vereinbar sein, verehrter Kollege Volker Beck. Deshalb können wir nicht einfach Regelungen, die es in den Vereinigten Staaten gibt, hier nahtlos übernehmen.
Es ist interessant, daß Professor Pfeiffer - den ich, wie gesagt, sehr schätze; er ist einer meiner politischen Freunde - auch diesen Vorschlag gemacht hat. Ich habe ihn dann gebeten, mir dazu einmal eine Formulierung vorzulegen. Auf die Formulierung warte ich noch heute.
Im übrigen haben wir - ich bin beim letzten Satz, Frau Präsidentin; das war eine Langintervention, und deshalb folgt auch eine lange Antwort - eine doppelte gerichtliche Kontrolle vorgesehen - davon habe ich gesprochen -: einmal bei der Entscheidung und in einem zweiten Schritt auch bei der Frage, ob alles verwertet werden kann, was an Erkenntnissen gewonnen worden ist.
Die Bedenken des Kollegen Volker Beck liegen leider neben der Sache.
Das Wort zu einer Kurzintervention erteile ich jetzt dem Abgeordneten Burkhard Hirsch, F.D.P.-Fraktion.
Herr Kollege Schily, ganz ohne Aufregung, wie Sie es wünschen: Wenn Sie die rechtlichen Kontrollen bei den präventiven Rechten der Landespolizeien verbessern wollen, steht dem nichts entgegen. Dazu brauchen Sie die Wanze nicht einzuführen. Wenn Sie sagen, daß es der Polizei verboten sei, rechtmäßig erlangte Erkenntnisse zur Verhinderung oder Bekämpfung von Straftaten zu verwenden, dann ist diese Aussage schlicht und ergreifend falsch.
Wenn Sie sich darauf berufen, daß bei der Einführung der Wanze drei Berufsrichter die Kontrolle ausüben, dann ändert das überhaupt nichts daran, daß diese drei Berufsrichter an die gesetzlichen Grenzen gebunden sind, die wir hier beschließen. Grenzen lassen es nun einmal zu, daß die Wanze nicht nur - wie dauernd fälschlich behauptet wird - gegen Ganoven eingesetzt wird, sondern daß der einfache Tatverdacht gegen einen Beschuldigten oder einen Verdächtigen ausreicht, wenn vermutet wird, daß dieser sich in einer Wohnung befindet, die einem völlig anderen Menschen gehören kann. Das heißt, daß auch das rechtmäßige Verhalten eines Menschen nicht davor schützen wird, daß die Arglosigkeit seines Gespräches ausgenutzt wird, zum Beispiel die Arglosigkeit eines Gespräches von Ehepartnern, Eltern mit Kindern, die Arglosigkeit eines Gespräches in einer Anwalts- oder Arztpraxis, in einer Beratungsstelle oder wo immer.
Es kann mir keiner sagen: Hab doch keine Sorge, das wird ganz selten passieren.
Das Grundrecht, daß ein Mensch einen Raum haben muß, in dem er sich offenbaren, sich jemandem anvertrauen kann, ist doch keine Frage der Statistik. Es wird doch jedes einzelne Gespräch geschützt, und zwar unabhängig davon, ob es nun viele sind, deren Vertrauen verletzt wird, oder ob es wenige sind.
Sie sagen, daß wir doch in einem Rechtsstaat lebten, in dem man den staatlichen Organen vertrauen
Dr. Burkhard Hirsch
könne. Das ist richtig. Dieses Vertrauen beruht aber nicht darauf, daß Sie und ich im Parlament sitzen, sondern darauf, daß es rechtliche Grenzen gibt, über die der Staat nicht hinausgehen kann.
Was wir hier tun, ist, genau diese rechtlichen Grenzen weniger hoch anzusetzen. Eines der wesentlichen Kriterien ist, daß der einfache Gesetzgeber in Zukunft den Katalog der Straftaten, die relevant sind, vergrößern kann. Das ist ja schon in der Beratung geschehen.
Einer der wesentlichen Fehler ist, daß die Verpflichtung zur Benachrichtigung des Betroffenen - nicht des Parlamentes, des einzelnen Betroffenen - in den neuen Strafprozeßordnungsbestimmungen nicht gewährleistet ist, daß es möglich ist - ich habe Ihnen das vorhin schon vorgehalten -, daß selbst die Hauptverhandlung durchgeführt werden kann, wenn die Staatsanwaltschaft und das Gericht das Lauschprotokoll kennen, der Verteidiger und der Beschuldigte aber nicht.
Darum bin ich der Überzeugung, daß die Regeln der Strafprozeßordnung, die hier vorgelegt werden, einer verfassungsrechtlichen Nachprüfung nach Art. 1, 2 und 20 unserer Verfassung nicht standhalten werden. Deswegen lehne ich und lehnen manche andere mit Recht diese Vorschläge ab.
Herr Abgeordneter Schily, bitte, Ihre Antwort.
Herr Kollege Hirsch, ich bedanke mich für die sachliche Form, in der Sie diese Kurzintervention vorgebracht haben. Ich versuche, in der gleichen sachlichen Form darauf einzugehen.
Ich teile nicht Ihre Auffassung - um gleich beim letzten anzufangen -, daß dann, wenn ein erkennendes Gericht und die Staatsanwaltschaft im Rahmen einer Hauptverhandlung Zugang zu Abhörprotokollen bekommen, die Verteidigung und der Angeklagte davon nichts erfahren können. Das halte ich für unzulässig. § 147 StPO wird nicht außer Kraft gesetzt.
Ich glaube, daß da bei Ihnen ein Mißverständnis vorhanden, ist. Wir können das noch einmal an anderer Stelle ausdiskutieren. Diese Fachdebatte können wir jetzt nicht im Rahmen einer Kurzintervention fortführen.
Sie haben darauf hingewiesen, daß bei einer solchen Überwachungsmaßnahme auch Nichtbetroffene erfaßt werden können. Das ist das Wesen jeder Strafverfolgungsmaßnahme. Das ist leider so. Deshalb spreche ich auch nicht - das wissen Sie aus der ersten Lesung - von Gangsterwohnungen, ich spreche auch nicht von Gangstern, sondern ich spreche von Beschuldigten. Es kann sich ja auch bei einem Beschuldigten, der im Verdacht steht, ein Gangster zu sein, herausstellen, daß der Vorwurf nicht zutrifft.
Auch das ist bekanntlich möglich. Deshalb lassen Sie
uns bei einer nüchternen Betrachtungsweise bleiben.
Sie haben einen Einwand in bezug auf den Verdachtsgrad gemacht. Auch Ihr Freund Caesar aus Rheinland-Pfalz würde lieber den dringenden Tatverdacht als Grundlage sehen. Beim dringenden Tatverdacht will ich aber eine akustische Überwachungsmaßnahme erst gar nicht zulassen, denn dann wäre das Prinzip der Ultima ratio nicht gewahrt. Bei einem dringenden Tatverdacht kann ich jemanden in Untersuchungshaft nehmen und ihn sogar anklagen. Dann kommt eine akustische Überwachungsmaßnahme überhaupt nicht in Betracht.
Wir wollen eine akustische Überwachungsmaßnahme nur als letztes Mittel zulassen. Ich wundere mich, daß Sie diese Argumentation wählen.
Es geht natürlich nicht damm, den staatlichen Institutionen blind zu vertrauen. Wenn ich das sagen würde, wäre das ja ein Witz. Staatliche Institutionen kontrollieren sich gegenseitig. Deshalb ist es gut, wenn ein Gericht über die Tätigkeit der Polizei wacht, wenn die Staatsanwaltschaft eingeschaltet ist und auch die Anwaltschaft als Kontrollinstrument eingesetzt ist. Deshalb ist es nicht nur eine Frage des materiellen Rechts, sondern auch der institutionellen Gegebenheiten, ob Grenzen, die die Verfassung setzt, eingehalten werden. Das nennen wir auch Grundrechtsschutz durch Verfahren. Das kann man nicht einfach beiseite schieben.
Sicher haben Sie recht, daß Statistik nicht die Hauptrolle spielt. Auch eine einzige Grundrechtsverletzung ist sehr ernst zu nehmen. Wir haben ja nun diese Schwierigkeit - da werbe ich um Ihr Verständnis; Sie waren ja einmal Innenminister eines Landes, ein sehr guter, wie ich meine, Herr Kollege Hirsch -,
daß wir abwägen müssen, ob uns der Schutz der Wohnung oder in dem Fall der Schutz des Lebens mehr wert ist. Wir haben das bei der präventiven akustischen Überwachung. Natürlich gelten auch da, wo wir jetzt die Befugnisse erweitern, die Grundrechte fort, genauso wie, wenn bei der Durchsuchung einer Wohnung ein Tagebuch gefunden wird, Art. 1 zu berücksichtigen ist. Sie kennen die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts dazu.
Herr Abgeordneter, denken Sie an die Zeit.
Ich bin bei meinem letzten Satz.
Es müssen natürlich bei der Entscheidung, ob eine akustische Überwachungsmaßnahme stattfinden darf, auch Art. 1 und die anderen Artikel des Grundgesetzes beachtet werden. Das kann dazu führen, daß sie von vornherein unterbleiben muß. Also bleiben wir doch im Gefüge der Verfassung.
Ich erteile das Wort jetzt dem Bundesminister des Innern, Manfred Kanther.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Es geht um die Bekämpfung der organisierten Kriminalität in unserem Land. Ich will einige Aspekte der Debatte aufgreifen.
Es geht um ein Kriminalitätsphänomen, das in den letzten zehn Jahren leider in gewaltiger Weise zugenommen hat: zahlenmäßig in bezug auf die Methoden und die Gruppen, die daran beteiligt sind. Die Zusammensetzung dieser Gruppen führte zu immer schwierigeren Ermittlungen. Neue Deliktsbereiche sind hinzugekommen, die wir vor zehn Jahren zum Teil kaum oder gar nicht kannten. Die Erträge wurden immer höher, die größere Aktivitäten in der Umwälzung dieser riesigen Gewinne ermöglichten. Das hat Auswirkungen auf das legale Geschäftsleben dort, wo illegales Geld eingesetzt wird.
Es geht um die Bekämpfung dieser neuen und verstärkten Form von Kriminalität. Jenseits aller feinen Juristerei, die gewiß wichtig ist, muß darauf hingewiesen werden, daß es die Aufgabe der Politik ist, die Bürger vor dieser Kriminalität zu schützen. Das ist eine Bringschuld des Staates.
Deshalb halte ich es für falsch, in erhitzten Debatten Teilthemen in ihrer Bedeutung so zu überhöhen, daß sie zu Glaubensfragen werden.
Es ist doch nicht wahr, verehrte Frau Kollegin Leutheusser-Schnarrenberger, daß es bei der Abwägung zwischen Privatsphäre und der Frage von Leben und Tod letzte Refugien in Form von Wohnungen gebe. Herr Kollege Schily hat es doch ausgeführt. Es gibt doch im polizeilichen Bereich die Überwachung des Telefons aus einer Wohnung. Es gibt doch den verdeckten Ermittler in der Wohnung, der vor Gericht aussagen darf.
Es gibt doch den ganzen vorbeugenden Bereich. Wie wollten wir denn einem Mitbürger den Umstand erklären, daß die Polizei von der Verabredung eines schweren Verbrechens in einer Wohnung zwar weiß,
zuhören könnte, aber bei entsprechenden Regelungen nicht zuhören dürfte, und daß deshalb das schwere Verbrechen vielleicht geschieht. Es ist doch schlichtweg falsch, wenn nach jeder schwierigen Abwägung zwischen der Privatsphäre und dem Abhören der Wohnung die Wohnung grundsätzlich und unantastbar geschützt wäre.
Herr Kollege Bachmaier, wir haben doch vor einem Jahr - ich weiß nicht, ob Sie zugestimmt haben - mit der SPD der Neufassung des Bundeskriminalamtsgesetzes zugestimmt. Diese Neufassung enthält die Möglichkeit, daß das Bundeskriminalamt zum Schutz der eingesetzten Bediensteten im Wohnungsbereich präventiv tätig werden kann. Sie haben doch beispielsweise zugestimmt, für die Eigensicherung verdeckter Ermittler auch Möglichkeiten der visuellen Überwachung einzusetzen, von denen wir in der heutigen Debatte gar nicht reden. Diese Entscheidung ist erst ein Jahr alt. Sie ist richtig, weil durch sie die Abwägung zwischen dem Leben des Polizeibeamten, der in eine Wohnung hochverdächtiger Krimineller geschickt wird, dort sein Leben aufs Spiel setzt und deshalb eine minimale Absicherung braucht, und dem Schutz dieser Wohnung zugunsten der Abwendung der Gefahr für das Leben des Polizeibeamten entschieden worden ist.
Warum überhöhen wir eine solche Debatte so sehr? Warum sprechen wir von dieser Frage des Einsatzes technischer Mittel in Wohnungen ausschließlich so, als sei damit eine Schlüsselfrage für den Bestand des Rechtsstaates gestellt?
Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Such?
Nein, das möchte ich jetzt nicht.
Gilt das für die ganze Rede?
Das werde ich im Einzelfall entscheiden. Im Augenblick möchte ich im Zusammenhang reden.
Es gilt doch etwas ganz anderes: Das Abhören von Wohnungen verdächtiger Gangster ist doch nur eine Maßnahme der Kriminalitätsbekämpfung. So wie wir das Verfahren ausgestaltet haben, ist es doch ein selten anzuwendendes und rechtlich sehr abgesichertes Verfahren. Jeder, der den Menschen vormacht, damit sei der Königsweg zur Kriminalitätsbekämpfung gefunden, erzählt ihnen doch die Unwahrheit.
In dieser sehr wichtigen Debatte wird aber über die Frage der wesentlichen Verschärfung der Geldwäschebekämpfung kaum gesprochen.
Bundesminister Manfred Kanther
- Leider kaum gesprochen. Die Debatte stellt doch die Tatsachen auf den Kopf.
Die Verschärfung der Bestimmungen in bezug auf die Bekämpfung der Geldwäsche ist für die angewandte Praxis der Strafverfolgung wesentlich bedeutsamer als die Frage des Abhörens von Gangsterwohnungen.
Herr Kollege Bachmaier, Sie ziehen äußerste Grenzen beim Schutz der Wohnung. Aber auf dem gleichen Parteitag, auf den Sie sich beziehen, wurde zum Beispiel die Umkehr der Beweislast beschlossen. Ich sage Ihnen: Im System des Rechtsstaats wäre die Frage der Umkehr der Beweislast mit der Außerkraftsetzung der Unschuldsvermutung sehr viel weitergehender
als alles, was wir selbst bei einer großzügigen Handhabung des Abhörens von Wohnungen - wir haben mit Recht eine eingeschränkte gewählt - überhaupt tun könnten. Herr Bachmaier, Sie haben sich von diesem Aspekt richtigerweise abgewendet. Ich erkenne nicht alle Motivationen. Das braucht hier auch nicht ausgetragen zu werden. Ich glaube, vorherrschend ist die Einsicht der verantwortlichen sozialdemokratischen Rechtspolitiker, daß die Außerkraftsetzung der Unschuldsvermutung den Rechtsstaat so sehr im Kern treffen würde, daß das völlig undenkbar ist. Deshalb war das für mich immer unvorstellbar.
Daher ist so wichtig, was wir an guten, vom Kollegen Meyer dargestellten Möglichkeiten und Instrumentarien im Bereich der Geldwäschebekämpfung geschaffen haben, ganz neue Möglichkeiten auf der Basis der Erkenntnis, daß das geltende Recht, das wir vor fünf Jahren geschaffen haben, unzureichend ist. Das nenne ich zukunftsgewandte, richtige Kriminalpolitik. Zu einer wirkungsvollen Bekämpfung der Gefahren gehört auch, daß man sich, wenn es nötig ist, selbst korrigiert. Beim Thema Zeugnisverweigerung erinnere ich mich daran, daß vor fünf Jahren eine ähnliche Debatte geführt worden ist: Es ging damals um die Einbeziehung der rechts-, steuer- und wirtschaftsberatenden Berufe in den Bereich der Geldwäschebekämpfung.
Das war eine nicht gleiche, aber vergleichbare Debatte. Das mußte sein, sonst hätten wir die ganze Sache sein lassen können. Fünf Jahre später erweist sich: Die Vorschriften sind unzureichend und müssen nachgebessert werden. Das ist wirklich ein entscheidender Gesichtspunkt.
Warum laden wir soviel auf die Verfassung? Warum wird sie immer ausladender? Das ist nicht nur ein verfassungshygienischer Aspekt. Wir laden zum Beispiel mit der gefundenen Regelung zu den Zeugnisverweigerungsrechten, Verwendungs- und Verwertungsverboten auch massenhaft Text ins Gesetz. Ich trage die gefundene Regelung mit. Wir haben das über viele Stunden miteinander ausgetragen. Das war eine der glücklichen sachlichen Begegnungen in der Politik, für die ich mich bei den Sozialdemokraten besonders bedanke.
Das Mißtrauen gegen die Generalklauseln - das kam auch hier wieder zum Ausdruck - ist außerordentlich problematisch. Die Verfassung mit immer mehr Einzelheiten aufzuladen - Art. 16 a, Art. 23, jetzt Art. 13 - ist sehr problematisch. Was wir zu den Zeugnisverweigerungsrechten ins Gesetz geschrieben haben, mag dort stehen. Ich sage Ihnen: Zur materiellen Rechtslage, die heute gilt, ist nichts hinzugekommen, wenn man den Aspekt der Verhältnismäßigkeit als direkt geltendes Verfassungsrecht, ins Strafprozeßrecht wirkend, beachtet.
Wo ist denn, Herr Kollege Hirsch, der Mißbrauch der heutigen Mittel, etwa beim Abhören von Gewerberäumen, das zulässig ist, oder im präventiven Bereich, wenn man auf Wohnungen zugreifen kann? Wo ist der Mißbrauch des Verwanzens - ein unsägliches Wort, wie ich finde - von Beichtstühlen? Wer kann denn ein Beispiel für die Wanze im Beichtstuhl nennen?
- Nein. Ich will jetzt nicht in einen Streit um Beichtstuhl als Wohnung oder nicht eintreten. Das ist jetzt gar nicht mein Gegenstand. Ich sage Ihnen: Es gibt doch gar nicht die Mißbrauchsfälle, die Sie befürchten.
Was für eine sonderbare Haltung, ein Gesetz mit solchem Mißtrauen zu überziehen, dessen Einhaltung einer besonders ausgewählten Strafkammer mit drei Berufsrichtern übertragen wird!
Warum nicht gleich ein generelles Mißtrauen gegen das Judiz einer solchen Strafkammer? Warum nicht die Befürchtung, daß unsere Justiz generell, wenn sie mit drei Berufsrichtern antritt, Fehlurteile produziert, wenn das Mißtrauen einer Kammer gilt, die da Beschlüsse faßt? Nicht einmal bei drei Richtern kann man ausschließen, daß sie sich irgendwann einmal irren, wohl wahr. Aber warum überlassen wir denn beispielsweise die Inhaftierung eines Menschen - für mich noch immer der schärfste Eingriff in die persönliche Freiheit - mit Recht und auch aus Praktikabilitätsgründen am Samstagabend dem Einzelrichter? Warum ist die Inhaftierung eines Menschen weniger bedeutsam als das Abhören seiner Wohnung bei Verdacht auf eine schwere Straftat?
Bundesminister Manfred Kanther
Meine Damen, meine Herren, achten wir doch um Gottes willen in dieser Debatte darauf, daß die Dimensionen nicht völlig verschwimmen.
Ein Weiteres: Zu der Geldwäschegesetzgebung, die wir heute verabschieden werden, wird etwas hinzutreten, was zu meinem Bedauern hier ebensowenig besprochen wird. Nach einem Jahrzehnt des Herumschaffens und einer unbefriedigenden Handhabung werden wir im Zusammenhang mit diesem Paket die Vorschriften über Einziehung und Verfall - der Justizminister hat dafür, angelehnt an andere Rechtsordnungen, das Wort „Konfiskation" benutzt, was ich sehr gut finde - neu ordnen.
Wir werden dafür sorgen, daß inkriminiert erworbenes Vermögen leichter eingezogen werden kann. Wir werden unseren Strafverfolgungsbehörden die Last dieser Arbeit zwingend aufbürden, weil wir gerade den Zugriff auf das kriminell erworbene Vermögen für entscheidend wichtig halten. Das gehört mit zu unserem Kompromiß.
Ich merke zwei Aspekte an. - Damit nehme ich dem Kompromiß nichts von seiner Bedeutsamkeit und Ihnen, Herr Kollege Schily und anderen, nichts von Ihrer Bemühtheit. - Erstens. Dieses Ergebnis kommt zustande, nachdem wir als Unionsparteien seit sieben Jahren dafür ringen. Fünf Jahre haben wir bis zum Asylkompromiß gebraucht. Ich sage Ihnen: Angesichts der Gefährdungslage der Republik, was Straftaten angeht, sind diese epischen Fristen für die Zukunft unbrauchbar.
Aus diesem Vorgang sollte etwas gelernt werden. Was wir jetzt erarbeitet haben, hätten wir auch vor sieben Jahren in juristischer Hinsicht und in der Intensität der Aussprache miteinander anstellen können.
Dann wären wir vor sieben Jahren mit Sicherheit zu der gleichen Lösung gekommen. Ich akzeptiere, daß es Auseinandersetzungen um solche Fragen gibt. Aber die - jedenfalls von einigen - selbst bewilligten Fristen sind nicht erträglich.
Zweitens. Ich hoffe, daß dieses Gesetz, die Verfassungsänderung, hier die notwendige große Mehrheit erhält. Aber sie muß sie auch im Bundesrat erhalten. Ich möchte deshalb die Bitte an die Kollegen von der SPD richten, es mit der Abstimmung hier nicht sein Bewenden haben zu lassen. Es kann nicht sein, daß unter Berufung auf grünrote Landesregierungen und Stimmenthaltungen ohne weiteres eine Freizeichnung von der weiteren Behandlung des Themas im Bundesrat stattfindet.
Das ist ein wichtiger Prüfstein für die innere Sicherheit. Die Frage ist von einer solchen Bedeutsamkeit, daß nicht unter dem Gesichtspunkt landläufiger Enthaltungsklauseln in Koalitionsverträgen aus einer
solchen Debatte opportunistisch ausgestiegen werden kann.
Deshalb fordere ich Sie als Partei auf, auch im Bundesrat dafür Sorge zu tragen, daß eine Mehrheit für die Verfassungsänderung gesichert ist.
Vielen Dank.
Ich erteile jetzt dem Innenminister des Landes Niedersachsen, Gerhard Glogowski, das Wort.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es geht darum, eine Verbrechensart zu bekämpfen, die mit einer hohen Sozialschädlichkeit den einzelnen Bürger, aber auch den ganzen Staat in seiner freiheitlichen Existenz betreffen kann. Es gibt Länder in der Welt, die teilweise oder zur Gänze in den Händen der organisierten Kriminalität sind. Dies ist eine Kriminalitätsform, die darüber hinaus in den letzten Jahren zugenommen hat und die, Herr Kollege Kanther, von daher natürlich auch die Notwendigkeit einer Lösung verstärkt hat.
Wir haben also eine organisierte Kriminalität, die durch die Öffnung der Grenzen zum Osten in ganz besonderer Weise zusätzliche Nahrung bekommen hat und die darüber hinaus internationalisiert ist. Dies bedeutet, daß wir sie polizeilicherseits oder mittels der Strafverfolgungsbehörden international nur auf ähnlicher Rechtsgrundlage bekämpfen können. Es nützt nichts, wenn in einem Land bestimmte Maßnahmen getroffen werden. Wir müssen dies internationalisieren. Das ist eine Aufgabe, die wir in den nächsten Jahren noch vor uns haben; denn 70 Prozent derjenigen, die in der organisierten Kriminalität tätig sind, sind Ausländer. Dazu gehören auch Deutsche, die in anderen Ländern als Ausländer in der organisierten Kriminalität agieren. - Wir haben es also mit einer hohen Sozialschädlichkeit zu tun.
Darüber hinaus handelt es sich um eine Organisationsform, die mit sehr unterschiedlichen Qualifikationen ausgestattete Teilnehmer hat. Von daher ist das Mittel der elektronischen Beweissicherung eines, das hier funktioniert.
Sie haben vorhin die Frage angesprochen: Warum hatte man früher, als die Bedrohung durch die RAF bestand, nicht solche Mittel? Damals hatten wir es mit einer ganz anderen Kriminalitätsform und auch mit ganz anderen Teilnehmern zu tun. Dieses Mittel ist gerade deshalb möglich, weil viele mitwirken müssen, um die Verhinderung der illegalen Geldbeschaffung zu erreichen. Das ist ganz wichtig.
Die Debatte in der Öffentlichkeit und auch heute hier ist so geführt worden, als würden wir die Wohnraumüberwachung flächendeckend einführen. Diese Sorge ist nicht begründet. Sie ist deswegen nicht be-
Minister Gerhard Glogowski
gründet, weil dies kein quantitatives, sondern ein qualitatives Mittel der Kriminalitätsbekämpfung ist. Es geht darum, besonders sozialschädliche Kriminalität zu bekämpfen. Von daher wird es immer nur in wenigen Bereichen eingesetzt werden, aber in Bereichen, in denen wir die Kriminalität anders nicht bekämpfen können.
Es ist also ein wesentliches Mittel, das aber nicht massenhaft eingesetzt wird. Das verbietet schon die Kostensituation und der Aufwand: Wenn wir das Telefon abhören, brauchen wir für eine Minute Aufzeichnung im Schnitt etwa drei Minuten für die Auswertung. Das heißt: Dies ist in erheblichem Maße personalintensiv. Von daher wird dieses Mittel nur sehr sparsam genutzt werden können.
Zugegebenermaßen wirft das Spannungsverhältnis zwischen den verdeckten Ermittlungsmethoden und den Zeugnisverweigerungsrechten unter rechtsdogmatischen Gesichtspunkten erhebliche Probleme auf. Das ist aber in der Auseinandersetzung mit der organisierten Kriminalität wegen der Anwendungshäufigkeit nur ein Randproblem. An Hand des schon seit Jahren zulässigen Bereichs der Wohnraumüberwachung zu Gefahrenabwehrzwekken läßt sich dies auch belegen. Wenn man sich in der Bundesrepublik Deutschland umhört, wieviel bisher in diesem zulässigen Bereich abgehört worden ist, dann erfährt man, daß dies nur in geringem Umfange geschehen ist. Zeugnisverweigerungsberechtigte sind kaum tangiert worden, in Niedersachsen überhaupt nicht. In Niedersachsen haben wir dieses Mittel seit 1994. In diesen dreieinhalb Jahren ist es nur einmal eingesetzt worden. Das heißt also, daß es auch in den nächsten Jahren sparsam eingesetzt werden wird.
Auf einer unlängst durchgeführten Tagung der Leiter der mobilen Einsatzkommandos aus allen norddeutschen Ländern sind die Fälle erörtert worden, bei denen die Wohnraumüberwachung hätte in Betracht kommen können. Wenn man eine solche Befugnis gehabt hätte, beliefe sich die Zahl solcher Fallgestaltungen für den Bereich Niedersachsen auf eine Handvoll. Bei dieser Handvoll handelt es sich aber um eine hohe Sozialschädlichkeit. Es sind also Fälle, die aufgeklärt werden müssen und die hätten aufgeklärt werden können, wenn es dieses Mittel gegeben hätte. Viele Menschen hätten vor Leid geschützt werden können. - Ähnliche Schlußfolgerungen lassen sich aus der Rechtstatsachensammlung ableiten, die beim BKA eingerichtet worden ist.
Es gibt praktische Hindernisse für eine flächendeckende Anwendung der Wohnraumüberwachung. Darum sollten wir dies hier in seiner Funktion diskutieren und nicht über Gebühr aufbauschen.
Bei aller Relativierung bleibt allerdings festzustellen, daß wir den Interessengegensatz zwischen Zeugnisverweigerungsrechten und Strafverfolgungsnotwendigkeiten nicht auflösen können. Es ist natürlich klar, daß wir immer dann, wenn wir in ein Grundrecht eingreifen, ein Grundrecht verändern, andere tangieren. Es wird immer einen Abwägungsprozeß geben. Dieser ist allerdings in den Diskussionen und Verhandlungen vorgenommen worden.
Diejenigen, die in diesem Bereich eine absolute, jedem staatlichen Zugriff entzogene Schutzzone schaffen wollen, müssen eine Antwort auch darauf geben können, wie denn die Strafverfolgungsinteressen des Staates oder die Interessen potentieller Opfer zu bewerten sind, die dann notwendigerweise auf der Strecke bleiben werden. Das ist ja die Frage: Sind die Rechte der Opfer eigentlich geringer zu bewerten als die Rechte derjenigen, die wir nun einmal als Tatverdächtige zu bezeichnen haben? Es ist nun einmal so, daß auch die Berufsausübung nicht ungehindert sein kann, sondern Grenzen gesetzt bekommen muß. Wir müssen das Interesse auf ungehinderte Berufsausübung gegen die Opferinteressen abwägen. Ich sage: Dieser Staat tut gut daran, wenn er in einer solchen Debatte den Fragen der Opfer ebenfalls den notwendigen Raum gibt.
Es genügt nicht, eine an einem Absolutheitsanspruch ausgerichtete Prinzipiendiskussion zu führen. Prinzipien haben alle den gleichen Stellenwert und blockieren letztlich nur jede Debatte. Ein Interessenausgleich ist da nicht möglich. Dieser ist aber zwingend erforderlich. Auch wenn die Wohnraumüberwachung nur als letztes Mittel angewendet werden darf und daher auf ganz wenige Fälle beschränkt bleibt, muß sie möglich gemacht werden, damit unser Staat dieser Kriminalitätsform überhaupt ein Abwehrmittel entgegensetzen kann. Wer absolute Beweiserhebungsverbote für das gesamte Spektrum aller Zeugnisverweigerungsberechtigten fordert, muß dann auch die Garantie dafür geben können, daß dieses Recht nicht als staatlich garantierte Schutzzone für Schwerverbrecher mißbraucht werden kann. Diese Gefahr ist ganz deutlich gegeben.
Man muß sich einmal den Kreis der nach den §§. 52 und 53 a Strafprozeßordnung Berechtigten ansehen. Hierzu gehören Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, Setzerlehrlinge, Zeitungsausträger, Hebammen. Auch die Funktion eines Verlobten ist auslegungsfähig. All dieses kann nicht geschützt werden. Ohne große Phantasie entwickeln zu müssen, kann ich doch sagen: Die Schaffung absoluter Beweiserhebungsverbote würde geradezu eine Handlungsanleitung dafür bieten, wie man seine Verbrechen am besten ungehindert von staatlichen Ermittlungen planen kann.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Staat hat hier eine Aufgabe. Wir haben die Debatte über die Unverletzlichkeit der Wohnung sehr grundsätzlich geführt. Die rechtsstaatlichen Regelungen, die hier dargestellt worden sind, sind so umfassend, daß ein Mißbrauch nach meiner Einschätzung kaum möglich sein wird. Auf jeden Fall ist festzuhalten: All diejenigen, denen jetzt Angst gemacht wird, sie könnten sozusagen in ihrem privaten Umfeld mit einer solchen Maßnahme belegt werden, werden niemals solche Ängste haben müssen. Das, was Herr Schily gesagt hat, will ich nachdrücklich unterstreichen. Aus der Praxis der Polizeien der Länder kann ich Ihnen nur sagen: Der einzelne Bürger wird davon letztlich nicht tangiert werden, weil es auf wenige Fälle beschränkt bleibt. Es werden solche Personen
Minister Gerhard Glogowski
abgehört werden, die in der organisierten Kriminalität an Stellen arbeiten, von denen man sagen muß, daß es sich lohnen würde, wenn man sie abhört. Wir werden hier - da bin ich ganz sicher - auch zu einer entsprechenden Eingrenzung kommen. Wie gesagt, es ist ein qualitatives und kein quantitatives Mittel.
Es macht auch keinen Sinn, wenn der stark gestiegenen Schwerkriminalität im wesentlichen mit der Erhöhung des Strafrahmens begegnet werden soll. Rednern der Grünen, die hier entsprechende Vorschläge für Gesetze gemacht haben, entgegne ich: Wenn man den Spielraum für Ermittlungen selber einengt, dann nützen auch noch so gute Strafgesetze überhaupt nichts, weil wir an die Täter gar nicht herankommen und weil wir dann die Ermittlungsbehörden gar nicht in den Stand versetzen können, daß sie wirkungsvoll arbeiten können. An einem lediglich symbolischen Strafrecht kann jedoch letztlich niemand ein Interesse haben.
Ich möchte auf eines hinweisen, was in der Berichterstattung der Medien leider viel zu kurz gekommen ist: Die Wohnraumüberwachung ist nur ein Teil des Gesamtpaketes, in dem die beabsichtigten Maßnahmen zur Verbesserung der Gewinnabschöpfung nach meiner Auffassung und nach der meiner Kollegen den wesentlicheren und wichtigeren Teil ausmachen. Wir müssen in den Mittelpunkt der Diskussion das stellen - es ist an den Rand gedrängt worden -, was an Zugeständnissen im Kompromißwege zwischen der Koalition und der Sozialdemokratie in der Frage erreicht wurde, wie man das Schmiermittel der organisierten Kriminalität, nämlich das Geld, treffen kann.
Nach neuem Recht erhalten die Finanzbehörden die für sie relevanten Erkenntnisse zum frühestmöglichen Zeitpunkt, nämlich schon bei der Einleitung des Strafverfahrens. Das hat nicht nur den Vorteil, daß in aller Regel noch besteuerbare Vermögenswerte vorhanden sind. Vielmehr verfügen die Finanzbehörden auch über einen speziellen Sachverstand und über ein weitreichendes Instrumentarium; es ist übrigens besser als das der Polizei. Das hat das Beispiel Amerika gezeigt. Al Capone ist auch von den Steuerbehörden zur Strecke gebracht worden. Auch in der Bundesrepublik Deutschland ist dieses Instrument ganz entscheidend. Der Informationsverbund zwischen Polizei und Steuerbehörden stellt aus meiner Sicht eine ganz wesentliche Komponente bei der Bekämpfung der Geldwäsche dar. Ich freue mich sehr, daß es nach hartnäckigen Verhandlungen gelungen ist, die Gegenseite davon zu überzeugen, daß hier entscheidende Schritte getan werden müssen.
Ein weiterer wesentlicher Fortschritt besteht darin, daß die Vermögenswerte leichter durch die Strafverfolgungsbehörden sichergestellt und länger festgehalten werden können. Zusätzlich hat die Innenministerkonferenz auf mein Betreiben hin eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die prüft, ob auf der Basis der Gefahrenabwehrrechte noch eine weitere Absenkung der Voraussetzungen für die Sicherstellung möglich ist. Es ist völlig klar: Geld in den Händen der organisierten Kriminalität ist eine Gefahr. Wir haben über
die Gefahrenabwehrrechte die Möglichkeit, daß derjenige, bei dem das Geld sichergestellt wird, an der Beseitigung der Gefahr mitwirken muß - anders als im Strafrecht. So haben wir eine andere wirkungsvolle Möglichkeit, die wir über die Gefahrenabwehrrechte der Länder verbessern können.
Wenn jetzt die Bankenaufsicht weiter verstärkt und die Steuerbehörden in ganz anderem Maße eingesetzt werden, wird der Druck, kriminelle Gelder in bar zu transportieren, erheblich wachsen. Wenn dann auch noch der Zoll sehr weitreichende Kontrollbefugnisse bis hin zur Anzeige- und Nachweispflicht der Betroffenen erhält, so haben wir, glaube ich, ein System von Maßnahmen zur Verfügung, das im Verbund deutlich erhöhte Wirkungen zeigen wird.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, dieses werden wir in den nächsten Jahren deutlich machen. In der Praxis wird sich die Debatte relativieren. Wichtig ist aber, daß die erforderlichen Mehrheiten im Bundestag und im Bundesrat erreicht werden; denn nur bei entsprechenden Mehrheiten werden wir in den Stand gesetzt, die organisierte Kriminalität wirkungsvoll zu bekämpfen.
- Ich hatte gerade gesagt: im Bundesrat und im Bundestag, ansonsten nutzt es uns nichts. Wir wollen uns ja nicht Arbeit über einen langen Zeitraum machen, um dann an der entscheidenden Stelle nicht die entsprechenden Mehrheiten zu erhalten. Wir werden daran arbeiten müssen.
Der Grund, warum wir auch nach dem Parteitagsbeschluß von Hannover noch einmal verhandelt haben, war, daß hier noch zusätzliche Verabredungen getroffen werden sollten. Sie sind auch nach meiner Auffassung erreicht worden, so daß der Geist der Beschlüsse mit in die Verhandlungen eingebunden worden ist. Es war zugegebenermaßen ein Aufeinanderzugehen aller Seiten.
Weil wir alle wissen, daß es in der Verbrechensbekämpfung keinen Königsweg gibt, will ich deutlich machen, daß wir keine Wunderwaffe geschaffen haben.
Wir haben aber das Machbare realisiert. Ich glaube, hier haben wir wirklich entscheidende Fortschritte erzielt. Das stimmt mich als Praktiker außerordentlich zuversichtlich. Wir haben die Instrumente des Staates geschärft. Ich denke, daß die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes nunmehr mit größerem Respekt dem Staat gegenübertreten können, weil sie wissen, daß ihre Sorgen, Opfer einer Straftat zu werden, wahrgenommen und ernst genommen werden und daß der Staat nicht nur debattiert, sondern auch handelt. Das ist eine ganz wesentliche Aussage.
Ich bleibe bei meiner Einschätzung, daß der Tag der Realisierung des gesamten Maßnahmenbündels ein guter Tag für die rechtstreuen Bürgerinnen und Bürger in unserem Lande ist. Aber es ist ein schwar-
Minister Gerhard Glogowski
zer Tag für die Verbrecher in unserem Lande. Ich
denke, es ist schön, daß wir daran mitwirken können.
Ich erteile das Wort dem Staatsminister des Innern des Freistaates Bayern, Dr. Günther Beckstein.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Frau Präsidentin! Meine hochverehrten Damen und Herren Abgeordneten! Lassen Sie mich einige Bemerkungen aus der Sicht des Freistaats Bayern zu dem Thema der elektronischen Wohnraumüberwachung machen.
Organisierte Kriminalität ist kein Phantasieprodukt obrigkeitsstaatlicher Fanatiker, sondern ein trauriges Problem der Realität der Sicherheitslage in den meisten Ländern der Welt und insbesondere auch in der Bundesrepublik Deutschland. Nahezu 100 Morde im Zusammenhang mit vietnamesischen Zigarettenbanden im Raum Berlin und in den neuen Bundesländern, Tausende Opfer von Schutzgelderpressungen chinesischer Triaden und türkischer PKK sind eine Realität.
- Herr Kollege Fischer, daß Sie keine Ahnung von den Sicherheitsthemen haben, weiß jeder in diesem Land.
Lassen Sie mich auch sagen: Mir scheint es schon als Gipfel der Verhöhnung der Menschen in Deutschland, wenn sich ausgerechnet Herr Gysi als der Vertreter der Bürgerrechte heute früh darstellt, wo seine Partei verantwortlich dafür ist, daß millionenfach abgehört worden ist. Eine besondere Sachkunde scheint er ja im Bereich der Einhaltung von Schweigeverpflichtungen innerhalb seines Berufsstandes zu haben; aus den Diskussionen über „IM Notar" wissen wir das. Aber daß man dieses Problem ernst nehmen muß, das weiß jeder, der im Bereich der Sicherheitsbehörden tätig ist.
Es ist Faktum, daß durch eine hohe Abschottung in Form von konspirativer Tätigkeit, durch die ethnische Zusammensetzung der entsprechenden Tätergruppen und eine professionelle Verbrechensplanung die Schwierigkeiten für alle Sicherheitsbehörden erhöht werden.
Deswegen gibt es nahezu keinen Fachmann, der nicht den Einsatz technischer Überwachungsmittel als einen wichtigen Baustein für die Sicherheitsbehörden ansieht. Wir sind deswegen im Bereich der Innenministerkonferenz, die sich ausschließlich aus Personen zusammensetzt, die jetzt Verantwortung tragen, die die heutigen Kriminalitätsformen kennen und die Einsätze der Polizeibehörden zu verantworten haben - bis hin zu einem liberalen Linken wie Herrn Glogowski oder Herrn Wienholtz - einstimmig, über die Parteigrenzen hinweg und ohne jede Ausnahme, dafür, daß technische Überwachungsmittel eingesetzt werden.
Selbstverständlich ist das nicht der Königsweg; dennoch muß es doch für jeden Sachverständigen ein wichtiger Hinweis sein, wenn italienische Sicherheitsbeamte und Politiker darauf hinweisen, daß bei mehr als drei Vierteln aller Großverfahren gegen die italienische Mafia
die Frage technischer Überwachung eine Rolle gespielt hat.
Daß wir auch im Kampf gegen kriminelle Vermögen einen wesentlichen Fortschritt erzielt haben, will ich hier ausdrücklich hervorheben. Ich halte das für einen wichtigen Fortschritt; auch diese Maßnahme ist von großer Bedeutung.
Nächster Punkt. Eine wesentliche Voraussetzung dafür - ich hebe das ausdrücklich hervor -, daß der Freistaat Bayern dem gefundenen Kompromiß zustimmen kann, ist, daß die präventiv-polizeiliche Wohnraumüberwachung nach den materiellen Voraussetzungen im wesentlichen im bisherigen Umfang erhalten bleibt. Es ist in der Zwischenzeit ja dargestellt worden, daß es nicht so ist, daß das neu eingeführt wird; vielmehr haben wir diese Maßnahmen bereits - in Bayern übrigens seit mehreren Jahren und damit länger als in Niedersachsen.
Wir haben auch eine deutlich höhere Anzahl von entsprechenden Fällen, weil gerade im Bereich der organisierten Kriminalität Gemengelagen zwischen Strafverfolgung und präventiv-polizeilichen Maßnahmen existieren. Bayern würde keinem Kompromiß zustimmen, durch den eine wesentliche Beeinträchtigung bei präventiv-polizeilichen Maßnahmen erfolgen würde. Das betrifft ausdrücklich auch die Frage der Videoüberwachung.
Einsichtig wird dies durch den Fall, der vom Bundesgerichtshof auf Klage in Bayern hin entschieden worden ist, in dem ein Serienbrandstifter durch die Videoüberwachung seiner Wohnungstüre davon abgehalten werden konnte, weitere Brandstiftungen durchzuführen. Eigentlich sollte jeder in diesem Hause einsehen, daß das erforderlich ist. Denn wie sonst sollen wir gegen die Taten extremistischer Se-
Staatsminister Dr. Günther Beckstein
rienbrandstifter gegen Ausländerwohnheime erfolgreich vorgehen können?
Wir haben - ich hebe das ausdrücklich hervor - in Landesgesetzen bereits hohe rechtsstaatliche Sicherheitsschwellen eingebaut. Es ist eine wesentliche Voraussetzung des Kompromisses, dem wir zugestimmt haben, daß die formalen Voraussetzungen hierfür, grundgesetzlich abgesichert, wesentlich verschärft worden sind. Das wird dazu führen, daß wir auch das bayerische Polizeiaufgabengesetz ändern müssen, wie, glaube ich, fast alle anderen entsprechenden Ländergesetze.
Wer diesem Kompromiß heute nicht zustimmt, der muß sich dann auch darüber im klaren sein, daß selbstverständlich diese einschränkenden formalen Beschränkungen nicht dasein werden, wenn dieses Gesetz nicht verabschiedet wird.
Herr Staatsminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Bulling-Schröter, PDS?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ja.
Herr Minister Beckstein, ich möchte Sie gerne fragen, ob Sie der Meinung sind, daß, wenn dieser große Lauschangriff schon eher eingeführt worden wäre, die Steuerhinterziehungen des Bäderkönigs Zwick, oder, um ein anderes Beispiel zu nennen, das Hinterziehen von Spendengeldern durch den CSU-Stadtrat Bletschacher - , einem Parteifreund von Ihnen - hätten verhindert werden können.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Frau Abgeordnete, es tut mir leid, daß ich eine so dumme Zwischenfrage zugelassen habe.
Daß ausgerechnet von einer Partei, die millionenfaches rechtswidriges Abhören zugelassen hat, die Forderung gestellt wird, daß der Rechtsstaat ernsthaft etwas gegen Schwerkriminalität tun muß, halte ich für eine Verhöhnung der Bürger in unserem Land.
Wir akzeptieren die schärferen formalen Voraussetzungen, die Gegenstand des Kompromisses sind. Jeder, der diesen Kompromiß ablehnt, muß wissen, Herr Abgeordneter Hirsch, daß die Verfahrenssicherungen im präventiv-polizeilichen Bereich nicht gelten wie im Rahmen dieses Kompromisses.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Hirsch?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ja.
Bitte schön, Herr Dr. Hirsch.
Herr Kollege Beckstein, wenn Sie das, was zu den Polizeirechten - also auch für das bayerische Polizeirecht - in diesem Gesetzentwurf steht, für akzeptabel und für besser halten als das geltende Recht: Was hindert Sie daran, das in Bayern durchzusetzen? Sie brauchen dazu doch nicht auf unsere Gesetzgebung zu warten.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Aber Herr Abgeordneter Hirsch, ich habe deutlich gesagt, daß wir bereits heute wirksame rechtsstaatliche Voraussetzungen haben, beispielsweise den Einzelrichter, der bei uns genehmigt. Ein anderes Beispiel dafür ist, daß die Genehmigung in Eilfällen allein im Verwaltungsbereich durch den Dienststellenleiter erfolgen muß. Wir halten das für rechtsstaatlich ausreichend. Es gibt bisher keinen einzigen Fall - obwohl wir das in aller Regel mitgeteilt haben -, bei dem uns der Vorwurf gemacht wurde, daß das rechtswidrig oder materiell falsch gewesen sei.
Aber wir haben der Einführung einer besonderen Strafkammer des Landgerichts für den repressiven Bereich zugestimmt, um auf diese Weise den Kompromiß mitzutragen. Wir werden aber unter keinen Umständen - es sei denn, der Kompromiß erfordert das - zu Erschwernissen für die polizeiliche Arbeit beitragen.
Zweiter Punkt. Ein besonderes Anliegen war für mich die Frage des Personenschutzsenders. Es muß um den Schutz der Beamten im Bereich der Schwerkriminalität gehen. Hier wurde eine befriedigende Regelung getroffen, die in Art. 13 Abs. 5 des Grundgesetzes ihren Niederschlag gefunden hat.
Herr Staatsminister, ich muß Sie schon wieder stören. Der Abgeordnete Manfred Such meldet sich zu einer Zwischenfrage.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Nein. Ich bitte um Nachsicht.
Gut, jetzt keine weiteren Zwischenfragen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Darin ist geregelt, wann Beamte Personenschutzsender tragen dürfen. In diesen Fällen werden Beamte freiwillig, wenn auch mit einer Identität, die andere täuscht, in eine Wohnung hineingelassen. In der Regel meint der Beschuldigte, er habe es mit einem Mittäter zu tun. In Wirklichkeit handelt es sich um einen
Staatsminister Dr. Günther Beckstein
Polizeibeamten. Jeder, der in der Praxis tätig ist, weiß aber um die außerordentlichen Gefährdungen für die Polizeibeamten, die im Auftrage, unsere Sicherheit zu gewährleisten, im Auftrage, mögliche Opfer zu schützen, tätig werden. Wir haben die Verantwortung, diese Menschen wenigstens durch einen Personenschutzsender zu schützen.
Ein solcher Beamter geht in die Wohnung des Verdächtigen. Dann wird aus der Wohnung heraus übertragen, was gesprochen wird. Die gewonnenen Erkenntnisse sind zu verwerten, wenn die richterliche Feststellung der Rechtmäßigkeit der Maßnahme auch für Strafverfolgungszwecke erfolgt. Dies ist unserer Auffassung nach sorgfältig nach dem Verhältnismäßigkeitsprinzip zu begründen, aber nicht an die Voraussetzungen des Art. 13 Abs. 3 und 4 des Grundgesetzes gebunden.
Ich widerspreche in diesem Punkt ausdrücklich einer mißverständlichen Interpretation in der Begründung im Rechtsausschuß des Bundestages. Es entspricht nicht dem Verhandlungsergebnis vom 7. Januar 1998, wenn wir hier ausschließlich eine Verwertung für Katalogstraftaten zulassen würden. Gerade Erkenntnisse im Bereich der Nichtkatalogtaten wie Kinderpornographie, Vergewaltigung oder Raub können verwertet werden, wenn beispielsweise im Rotlichtmilieu ein verdeckter Ermittler davon erfährt und das über Personenschutzsender dokumentiert wird.
Das letzte Thema, das ich ansprechen will: Der Schutz der besonderen Vertrauensverhältnisse zeugnisverweigerungsberechtigter Personen und Berufe ist gewährleistet. Ich halte die Debatte darüber für schief. Wir wissen, welche Bedeutung das Vertrauensverhältnis zeugnisverweigerungsberechtigter Personen hat. Ich war früher als Anwalt tätig und weiß, welche Bedeutung solche Vertrauensverhältnisse gerade bei zeugnisverweigerungsberechtigten Personengruppen haben.
Es kann aber doch nicht richtig sein, das am Wohnraum festzumachen; statt dessen muß doch das Vertrauensverhältnis entscheidend sein. Es kann nicht richtig sein, ein totales Erhebungsverbot in den Kanzleiräumen durchzusetzen und eine totale Erhebungsmöglichkeit beispielsweise in den Gewerberäumen des Mandanten oder im Flughafenrestaurant, sollte er sich dort mit seinem Anwalt treffen, einzuräumen. Es geht vielmehr darum, daß nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und den verfassungsmäßigen Prinzipien im Einzelfall abgewogen wird, ob es angesichts der gefährdeten Rechtsgüter verantwortbar ist, das Vertrauensverhältnis zu durchbrechen. Diese Abwägung wird bereits von Polizeibehörden und der Staatsanwaltschaft sehr sorgfältig vorgenommen. In all diesen Fällen sind später massive öffentliche Auseinandersetzungen zu erwarten. Um so mehr wird die richterliche Kontrolle helfen, dies wirklich auf die schwerwiegendsten Fälle zu beschränken. Aber das ist keine Erfahrung der polizeilichen Alltagspraxis.
Ich hebe hervor: Auch die Behauptung, die Telefonüberwachung würde weit übergreifend angewandt, entspricht nicht der Realität. Ein Vergleich
der Zahlen aus den USA und der Bundesrepublik kann hierfür nicht angeführt werden. Die Statistik in den USA geht davon aus, daß pro Kriminalfall eine Zählung registriert wird, während bei uns jeder einzelne Überwachungsantrag für eine Nummer gezählt wird, so daß beispielsweise in dem Kriminalfall „Aktion Goldfisch" bis zu 100 Anträge auf Telefax- und Telefonüberwachung liefen. Das würde in den USA nur als ein Fall gezählt. Wenn man das nicht in seine Überlegungen einbezöge, würde man die Realität völlig verkennen.
Meine Damen und Herren, die überwältigende Mehrheit der Bürger in unserem Land hat nicht Angst vor der Polizei in einem demokratischen Rechtsstaat, sondern sie fragt sich, ob die Polizei heute noch in der Lage ist, den Bürger vor den Verbrechern zu schützen.
Mit den Maßnahmen, die wir heute beschließen und die, Herr Kollege Glogowski, hoffentlich in Kürze auch im Bundesrat beschlossen werden, erhalten wir unsere Bürgerrechte. Auch die Landesbehörden fühlen sich den Bürgerrechten in besonderer Weise verpflichtet. Die Bürgerrechte von möglichen Opfern müssen jedoch Vorrang vor den Bürgerrechten von Straftätern haben. Deshalb ist das Gesetz eine wichtige Maßnahme im Kampf gegen die Schwerkriminalität.
Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Fritz Rudolf Körper, SPD.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Im Vorfeld der Beratungen zur elektronischen Überwachung habe ich gemeinsam mit dem Kollegen Beckstein eine Diskusson bei einem Rundfunksender geführt. Bürgerinnen und Bürger konnten dazu beim Sender anrufen. Ich als jüngerer Abgeordneter, der weit im Westen geboren wurde, war darüber überrascht, daß es erstens zahlreiche Anrufer gegeben hat und diese zweitens fast ausschließlich aus den neuen Bundesländern kamen. Die Anrufer aus den neuen Bundesländern hatten praktische Erfahrungen damit abgehört zu werden.
Weil man für einen demokratischen Rechtsstaat werben muß, bin ich sehr dankbar dafür, daß wir heute nach langen und guten Beratungen ein sorgfältiges, aber auch ein rechtsstaatlich einwandfreies Ergebnis auf den Tisch legen können.
Meine Damen und Herren, wie groß der Regelungsbedarf war, geht daraus hervor, daß es beispielsweise ein BGH-Urteil gibt, das für Fachleute sehr interessant ist. Denjenigen, die in dem Thema nicht so sehr drin sind, muß man das erklären: Das BGH-Urteil hat zum Inhalt, daß präventiv gewonnene Erkenntnisse - immer unter der Voraussetzung, daß sie polizeirechtlich rechtmäßig gewonnen wurden - in ein Strafverfahren eingeführt werden kön-
Fritz Rudolf Körper
nen. Das hat Fachleute dazu gebracht, den präventiven und den repressiven Bereich gemeinsam zu regeln. Dies war auch notwendig. Deswegen kann sich das Ergebnis sehen lassen.
Ich bin sehr dankbar, daß man in der Debatte bisher nicht leichtfertig mit den Gefühlen der Menschen umgegangen ist. Zum Schluß dieser Diskussion kamen ja einige Innenpolitiker zu Wort, die wohlweislich ein bißchen der Annahme entgegengetreten sind, wir hätten es bei dieser Thematik ausschließlich mit juristischen Fragen zu tun. In der öffentlichen Diskussion ist leider zu kurz gekommen, daß es in erster Linie um die Frage geht, wie man organisierte Kriminalität wirksam bekämpfen kann.
Organisierte Kriminalität ist nicht ein abstraktes Etwas, das uns nicht betrifft.
- Danke! Es ist schwer, Frau Präsidentin, das ist richtig.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir waren bisher so diszipliniert. Ich bitte doch um ein bißchen Aufmerksamkeit für die letzten beiden Redner.
Ich gehe davon aus, daß Sie auch mich noch ertragen können.
Ich war gerade dabei, darauf hinzuweisen, welch enormen „Umsatz" die Kriminalität macht. Man schätzt die entsprechende Summe immerhin auf sage und schreibe 80 Milliarden DM allein in Deutschland. Noch eine Zahl: In den Jahren 1991 bis 1996 wurden jährlich zwischen 369 und 540 Verfahren wegen des Verdachts der organisierten Kriminalität neu eingeleitet. Die Zahl der Tatverdächtigen schwankte zwischen mehr als 5000 und mehr als 9000. Die Zahl der Straftaten belief sich auf bis zu 100000. - Auch diese Fakten muß man einfach zur Kenntnis nehmen.
Ein Markenzeichen der organisierten Kriminalität ist der Hang zur Gewaltbereitschaft. Gewaltbereitschaft verhindert Zeugenaussagen. Wer will noch klagen, wenn spätestens die Vollstreckung einer Entscheidung mit Gewalt beantwortet wird? Einer solchen Entwicklung muß unseres Erachtens Einhalt geboten werden.
Meine Damen und Herren, Verbrechen im Bereich organisierter Kriminalität sind keine Kavaliersdelikte. Es handelt sich hier um Bereiche wie Drogenkriminalität, Menschenhandel und Waffenhandel. Deren Opfer reichen bis tief in unsere Gesellschaft hinein. Die Betroffenheit darüber verhindert, daß organisiertes Verbrechen abstrakt bleibt.
Sicherheit ist kein Selbstzweck, sondern ein Teil der Qualität des Lebens in unserer freiheitlichen und demokratischen Gesellschaft. Freiheit und innere Sicherheit sind keine Gegensätze. Vielmehr können sich Freiheitsrechte ohne innere Sicherheit nicht entfalten.
Unter diesem Aspekt muß sich eine Gesellschaft fragen, wo sie handeln muß und was sie zu unterlassen hat. Deswegen ist die Linie, die nach diesem Verhandlungsergebnis vorliegt, richtig.
Ein Bestandteil ist die erleichterte Einziehung von illegal erworbenem Vermögen. Ich füge hinzu: Deutschland läuft Gefahr, zum Geldwäscheplatz Nummer eins in Europa zu werden. Auf diese Spitzenposition könnten wir eigentlich gut verzichten.
Deswegen muß organisierte Kriminalität an ihren Geldkreisläufen angepackt werden. Deswegen werden diese Vorschläge gemacht.
Meine Damen und Herren, der zweite Maßnahmenbereich ist die sogenannte akustische Überwachung. Ich werbe darum, die Begriffe „Lauschen" und „Lauschangriff" nicht zu verwenden, weil sie nach meinem Dafürhalten nicht sachgerecht sind.
„Lauschen" hat nämlich etwas mit einem unerlaubten Hinhören zu tun, und das wollen wir eben nicht.
Von einem bin ich zutiefst überzeugt: daß wirksame Kriminalitätsbekämpfung im Rahmen eines Rechtsstaates nur möglich ist, wenn der Staat und staatliches Handeln Anerkennung und Vertrauen finden. Deswegen hat es mich so entsetzt, daß ein Kollege, der ein ehemaliger Polizeibeamter ist, ein solches Staatsverständnis zum Ausdruck gebracht hat. Das hat mit unserer Realität nichts zu tun. Herr Such, ich fand das ganz schlimm, was Sie hier heute geäußert haben.
Wir haben sehr sorgfältig darauf geachtet, daß beim Einsatz akustischer Überwachungsmaßnahmen das Verhältnismäßigkeitsprinzip gewahrt wird. Ich will nur einmal daran erinnern, daß wir dem vorgesehenen § 100 d Abs. 3 der Strafprozeßordnung einen zweiten Satz hinzugefügt haben, in dem die in der Diskussion stehenden Berufsgruppen angesprochen
den. So gilt das Verhältnismäßigkeitsprinzip auch dann, wenn zu erwarten ist, daß sämtliche aus der Maßnahme zu gewinnenden Erkenntnisse einem Verwertungsverbot unterliegen. Dort, wo Vertrau-
Fritz Rudolf Körper
ensverhältnisse vorhanden sind, werden sie auch geschützt. Ich denke, es ist gut, daß diese Lösung gefunden worden ist.
Meine Damen und Herren, akustische Überwachungsmaßnahmen werden mit Sicherheit verantwortungsbewußt angewandt werden müssen. Ich habe überhaupt keine Zweifel daran, daß dies so geschieht. Daß solche Maßnahmen nur ein Teil des Instrumentariums sind, wurde in der Diskussion deutlich. Es muß der Verdacht einer besonders schweren Straftat vorliegen, oder die Maßnahme ist im Sinne des Ultima-ratio-Prinzips erforderlich. Ich bin mit dem Bundesjustizminister einig, der in einem Zeitungsinterview gesagt hat, er ist sicher, daß sich diese Maßnahme nicht zur Konfektionsware entwickeln wird. Da kann ich ihm nur zustimmen; er beschreibt den richtigen Sachverhalt.
Herr Kollege Glogowski hat zu Recht auf das Thema Personal- und Sachkosten hingewiesen. Ich denke, das verleitet zur sorgfältigen Handhabung dieses Instruments. Das ist auch gut so.
Meine Damen und Herren, wir sollten eine Anwendung dieser Instrumente für eine innere Sicherheit ermöglichen, die Grundvoraussetzung für eine freiheitliche und demokratische Grundordnung ist. In Anbetracht der aktuellen Situation ist wichtig, daß wir Handlungsfähigkeit beweisen. Sie ist geboten.
Schönen Dank.
Ich erteile das Wort jetzt dem Abgeordneten Erwin Marschewski, CDU-/CSU-Fraktion. Ich bitte die Kollegen, sich noch einmal niederzusetzen und aufmerksam zuzuhören.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die heute vorliegenden Gesetzentwürfe zur Überwachung von Wohnungen und zur Bestrafung von Geldwäsche dienen der Bekämpfung der organisierten Kriminalität, der Bekämpfung von Killern, von Dealern, von Leuten, die mit Drogen, mit Waffen, mit Menschen handeln. Deutschland darf nicht zum Eldorado für Gangster und Gangsterbosse werden.
Ich meine, diese Gesetzentwürfe dienen auch zur Bekämpfung der Alltagskriminalität, die sehr oft von organisierten Kriminellen gesteuert wird.
Deswegen, Herr Kollege Such, haben die Grünen eben nicht recht, wenn sie sagen, wir höhlten das Recht auf die Unverletzlichkeit der Wohnung aus. Wir wollen die Schwerstformen der Kriminalität bekämpfen und die Hintermänner der OK bestrafen.
Deswegen haben der Kollege Hirsch und die Kollegin Leutheusser-Schnarrenberger eben nicht recht, wenn sie meinen, die Wohnraumüberwachung ablehnen zu müssen, weil es in einer so schwierigen Frage, wie sie sagen, nur die Entscheidung für die Freiheit geben könne. Meine Damen und Herren,
wer in dauernder Furcht lebt, Opfer eines Verbrechens zu werden, der ist eben nicht mehr frei, Kollege Hirsch.
Das ist doch keine Umdeutung von Grundrechten, Frau Leutheusser-Schnarrenberger, sondern eine moderne Verwirklichung von Grundrechten.
Das Gewaltmonopol des Staates gebietet es, das Recht zu schützen. Nur das legitimiert seine Existenz. Der Einsatz gegen das Verbrechen muß permanent erfolgen, Herr Glogowski, und darf nicht nur auf Wahlkampfzeiten beschränkt sein. Das ist die Politik der Union seit vielen Jahren.
Wir haben eine Reihe von Gesetzen zur Bekämpfung der Kriminalität beschlossen. Die Sozialdemokraten haben zum Teil - leider nur zum Teil - zugestimmt. Die Grünen haben stets nein gesagt und uns vorgeworfen, wir machten eine Law-and-order-Politik. Man hat uns gesagt, das würde die Statik des Rechtsstaates erschüttern.
Herr Kollege Hirsch hat ständig davon gesprochen, er gehe zum Bundesverfassungsgericht. Aber er hat vor dem Bundesverfassungsgericht noch nie gewonnen, weil dieses Parlament stets rechtsstaatlich entschieden hat.
Wir brauchen die Geldwäscheregelung. Sie ist dringend erforderlich, weil Milliardensummen gewaschen werden, die in den Wirtschaftskreislauf gehen, was die Wirtschaft gefährdet. Wir brauchen die Telefonüberwachung bei der Geldwäsche, um komplexe Strukturen der Geldwäscher aufzudecken. Wir brauchen die Beweiserleichterung, um Gangstervermögen schneller und besser einziehen zu können.
Ich bedanke mich ganz herzlich bei der SPD. Aber ich möchte im gleichen Atemzuge sagen, daß der Einsatz technischer Mittel in Wohnungen leider spät, sehr spät kommt, Herr Professor Meyer. Ich muß die Frage stellen: Welche Verbrechen hätte man verhindern können, wenn wir den Einsatz technischer Mittel ein wenig eher beschlossen hätten?
Meine Damen und Herren, was wäre gewesen, wenn wir den Grünen gefolgt wären, Herr Kollege Fischer? Sie wollten die Abschaffung der Bereitschaftspolizei und des Bundesgrenzschutzes, die Auflösung des Verfassungsschutzes und den Abbau von Strafvollzug in den Gefängnissen. Sie haben als Grüne zum verdeckten Ermittler, zur Kronzeugenregelung und zur Vermögensstrafe nein gesagt. Jetzt sagen Sie wieder nein zum Einsatz technischer Mittel in Gangsterwohnungen und sagen insbesondere wieder nein, wenn es darum geht, die Geldwäsche hart und konsequent zu bekämpfen. Herr Kollege Such, Sie hätten ein Paradies geschaffen, aber kein Paradies für die Bürger, sondern ein Paradies für die Gangster. Lassen Sie sich dies einmal sagen.
Erwin Marschewski
Meine Damen und Herren, wir brauchen die beiden Gesetze. Sie wissen, daß wir viele Gesetze geschaffen haben. Die Aufklärungsquote von Verbrechen beträgt in diesem Land 49 Prozent - das ist viel -, weil wir das entsprechende Instrumentarium geliefert haben. Wir sind ein sicheres und freies Land, und das wollen wir auch bleiben. Ich wiederhole: Der Rechtsstaat ist die größte Erfindung der Menschen. Bewahren wir diesen Rechtsstaat, insbesondere wir als Innenpolitiker und wir als deutsches Parlament!
Ich bitte Sie ganz herzlich, den beiden Gesetzentwürfen zuzustimmen. Ich bitte auch den Bundesrat, zu diesem Gesetz ein klares Ja zu sagen.
Herzlichen Dank.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich schließe die Aussprache. Bevor wir zu den Abstimmungen kommen, weise ich darauf hin, daß uns zahlreiche schriftliche Erklärungen zur Abstimmung nach § 31 der Geschäftsordnung vorliegen, die wir zu Protokoll genommen haben.*) Es besteht der Wunsch nach einer mündlichen Erklärung zur Abstimmung nach § 31 der Geschäftsordnung. Das Wort dazu werde ich nach der ersten namentlichen Abstimmung erteilen.
Wir kommen zur Abstimmung über den von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD und F.D.P. eingebrachten Gesetzentwurf zur Änderung von Art. 13 des Grundgesetzes auf den Drucksachen 13/8650 und 13/9642.
Es liegt ein Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 13/9663 vor, über den wir zunächst abstimmen. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen verlangt namentliche Abstimmung. Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, die vorgesehenen Plätze einzunehmen. Sind alle Urnen besetzt? - Dann eröffne ich die Abstimmung. -
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich weise Sie darauf hin, daß noch eine namentliche Abstimmung und danach sehr viele einfache Abstimmungen folgen.
Ist ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine Stimme noch nicht abgegeben hat?
- Dann warten wir noch ein wenig. -
Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine Stimme nicht abgegeben hat? Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Abstimmung und bitte die Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen.* * )
Ich bitte die Kollegen, sich zu setzen, weil wir eine Erklärung zur Abstimmung haben, und so kann Herr Heuer nicht sprechen. Das gilt auch für die Regierungsbank. Bitte nehmen Sie Platz! Liebe Kolleginnen und Kollegen, die dort in der Mitte eine Tagung
*) Anlagen 3 und 4
* *) Ergebnis Seite 19561
abhalten, bitte nehmen Sie Platz, wir wollen jetzt eine Erklärung zur Abstimmung hören!
Ich erteile das Wort Professor Dr. Uwe-Jens Heuer, PDS. Bitte, Ruhe! - Herr Professor, Sie haben das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Aus einer Reihe von für mich sehr bedeutsamen Gründen kann ich weder der Änderung des Art. 13 des Grundgesetzes noch dem Gesetzentwurf zur Verbesserung der Bekämpfung der organisierten Kriminalität zustimmen. Zwei davon möchte ich nennen.
Erstens wird damit nicht nur nach meiner Ansicht, sondern auch nach den gutachtlichen Stellungnahmen von mehreren Rechtswissenschaftlern bei der Anhörung des Rechtsausschusses am 21. November vergangenen Jahres verfassungswidriges Verfassungsrecht geschaffen. Negiert werden die vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Prinzipien zur Wesensgehaltsgarantie der Grundrechte nach Art. 19 des Grundgesetzes, konkret des Grundrechts auf Unverletzlichkeit der Wohnung nach Art. 13 Abs. 2 und auf informationelle Selbstbestimmung nach Art. 2.
Meine Damen und Herren, es wäre sehr schön, wenn Sie einen Augenblick die Gespräche unterbrechen und mir zuhören würden. Ich habe nach der Geschäftsordnung keine lange Redezeit. Es wäre sehr freundlich, wenn Sie mich anhören würden.
Ich betone hier die Notwendigkeit der freien Kommunikation des gesprochenen Wortes ohne Angst vor staatlichem Mitschnitt. Das ist eine Grundvoraussetzung einer funktionierenden Demokratie. In der DDR gab es die Möglichkeit des illegalen Abhörens. Es gab keine rechtliche Regelung dafür. Aber ich weiß nicht, ob es ein wesentlicher Fortschritt ist, wenn wir heute den legalen Lauschangriff haben.
Herr Kollege, darf ich Sie bitten, in Ihrem Interesse Ihre Rede einen Augenblick zu unterbrechen.
Meine Kollegen, es hat so keinen Sinn. Es gibt das geschäftsordnungsmäßige Recht, eine Erklärung zur Abstimmung abzugeben. Daraus folgt auch unsere Pflicht, dem Redner die Gelegenheit zu geben, zu sprechen, und ihm zuzuhören. Ich bitte also, doch ein bißchen Respekt vor der Geschäftsordnung zu haben und einen Augenblick zuzuhören. Ich wäre sonst gezwungen, die Sitzung zu unterbrechen, was ich in unserem gemeinsamen Interesse nicht gerne machen möchte.
Bitte, Herr Kollege, fahren Sie fort.
Herzlichen Dank. - Im Falle von Telefonüberwachungen haben unmittelbar oder mittelbar Betroffene immerhin noch die Mög-
Dr. Uwe-Jens Heuer
lichkeit, ihr Kommunikationsverhalten anzupassen. Anders beim großen Lauschangriff. Hier gilt keine situative Beschränkung. Eine Zurückhaltung persönlicher Informationen und intimster Äußerungen ist nicht möglich. Wenn nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts - so bereits im Mikrozensusurteil - ein letzter, unantastbarer Bereich privater Lebensgestaltung zu gewähren ist, wird dies gerade mit dem Einsatz technischer Mittel zur akustischen Überwachung für zirka 20 Millionen staats- und abhörfreier Räumlichkeiten im Grundsatz aufgegeben.
Der unantastbare Kernbereich der Privat- und Intimsphäre wird nicht mehr garantiert. Bei einem kaum eingrenzbaren Kreis zum Teil auch unverdächtiger Bürgerinnen und Bürger wird in diesen Kernbereich eingegriffen. Das Bundesverfassungsgericht sprach in seiner Entscheidung - Band 34, Seite 238 ff. - von einem absoluten Schutz und von einem Innenraum, der der Einwirkung der öffentlichen Gewalt entzogen sein müsse. Dieser Innenraum ist nicht mehr gewährleistet. Der räumliche Schutz des Art. 13 bezieht sich auf einen bestimmten Bereich menschlichen Lebens. Das ist jetzt aufgehoben.
Ich darf Ihnen aus dem Bericht des Rechtsausschusses, der erst wenigen von Ihnen bekannt sein dürfte, da er erst heute früh verteilt worden ist, folgendes vorlesen:
höchstpersönliche Gespräche mit engsten Familienangehörigen ...
haben an der
Intimsphäre teil. Zwar ist die Grenze des absolut geschützten Bereichs ... nicht abstrakt bestimmbar ... Doch dürfen Abhörmaßnahmen um so weniger erfolgen, je größer die Wahrscheinlichkeit ist, daß mit ihnen zutiefst private und deshalb absolut geschützte Gespräche erfaßt würden ...
und zwar
wegen ihres rein privaten Inhalts ...
Das heißt, es gibt überhaupt keinen räumlichen Schutz mehr, auch nicht in der Wohnung. Der Schutz des Raumes ist doch gerade der Kern des Art. 13. Der Art. 13 konkretisiert den Schutz der Würde der menschlichen Persönlichkeit durch den Schutz eines bestimmten Raumes. Den Schutz dieses bestimmten Raumes heben wir jetzt auf.
Das ist meiner Meinung nach ein ganz gefährlicher Schritt, weil es ein absoluter Schritt ist.
Denen, die hier sagen, das betreffe nicht viele, entgegne ich Das weiß niemand. Es geht - und das beeinflußt mein Abstimmungsverhalten - -
Herr Kollege, ich muß Sie noch einmal unterbrechen. Sie sind bei
einer Erklärung zur Abstimmung, also nicht bei einem Debattenbeitrag. Ich bitte Sie, sich bei der Erklärung zur Abstimmung an die Geschäftsordnung zu halten.
Ja, ich begründe mein Abstimmungsverhalten. Es wird dadurch beeinflußt, daß hier ein Grundrecht in seinem Kernbestand aufgehoben wird.
Mein zweiter Grund ist der, daß der große Lauschangriff Ausfluß eines zutiefst untauglichen sicherheitspolitischen Konzepts ist, das zu einer ganzen Reihe von Änderungen geführt hat, von denen niemand beweisen kann, daß sie wirkliche Erfolge hatten. In der „Frankfurter Rundschau" von heute steht, daß, wenn
zwei Drittel der Bundestagsabgeordneten ... heute zustimmen,
eine konstitutive Tradition ... die Nachkriegsdeutschland geprägt hat,
zu Ende geht. Es ist meine tiefe Überzeugung, daß die Bundesrepublik Deutschland - das bestimmt mein Abstimmungsverhalten - diesen Weg nicht fortsetzen darf.
Demokratie, Bürgerrechte und liberaler Rechtsstaat vertragen keine weiteren staatlichen Ausforschungsinstrumente wie den großen Lauschangriff, die immer tiefer in die individuelle Privatsphäre eingreifen.
Ehe wir mit den Abstimmungen fortfahren können, brauchen wir das Ergebnis der Auszählung der Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Ich unterbreche die Sitzung, bis das Abstimmungsergebnis vorliegt.
Ich eröffne die Sitzung wieder.
Ich gebe das von den Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 13/ 9663 zu dem von den Fraktionen von CDU/CSU und F.D.P. eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes auf den Drucksachen 13/8650, 13/ 9642 und 13/9660 bekannt: Abgegeben wurden 641 Stimmen. Mit Ja haben gestimmt 105 und mit Nein 468 bei 68 Enthaltungen. Damit ist der Änderungsantrag abgelehnt.
Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch
Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 641; davon:
ja: 104
nein: 469
enthalten: 68
Ja
SPD
Brigitte Adler
Hermann Bachmaier Peter Conradi
Elke Ferner
Iris Gleicke
Angelika Graf Christel Hanewinckel
Dr. Liesel Hartenstein Monika Heubaum Uwe Hiksch
Brunhilde Irber
Gabriele Iwersen Nicolette Kressl Horst Kubatschka Eckart Kuhlwein Brigitte Lange
Detlev von Larcher Ulrike Mascher
Heide Mattischeck Albrecht Papenroth Dr. Martin Pfaff
Dr. Edelbert Richter Günter Rixe
Dr. Hansjörg Schäfer Gudrun Schaich-Walch Horst Schmidbauer
Heinz Schmitt
Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk Ludwig Stiegler Wolfgang Thierse
Uta Titze-Stecher Adelheid Tröscher Heidi Wright
Dr. Christoph Zöpel
BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN
Gila Altmann Elisabeth Altmann
Volker Beck (Köln) Matthias Berninger Annelle Buntenbach Amke Dietert-Scheuer
Franziska Eichstädt-Bohlig Dr. Uschi Eid
Andrea Fischer Joseph Fischer (Frankfurt) Rita Grießhaber
Gerald Häfner
Antje Hermenau Kristin Heyne
Michaele Hustedt Dr. Manuel Kiper Monika Knoche
Dr. Angelika Köster-Loßack Dr. Helmut Lippelt
Oswald Metzger Kerstin Müller Winfried Nachtwei
Christa Nickels Cem Özdemir Gerd Poppe
Simone Probst
Dr. Jürgen Rochlitz
Halo Saibold
Christine Scheel Irmingard Schewe-Gerigk Rezzo Schlauch
Albert Schmidt Wolfgang Schmitt
Ursula Schönberger
Marina Steindor Christian Sterzing Manfred Such Ludger Volmer
Helmut Wilhelm
F.D.P.
Dr. Burkhard Hirsch
PDS
Wolfgang Bierstedt Petra Bläss
Maritta Böttcher
Eva Bulling-Schröter Heinrich Graf von Einsiedel Dr. Ludwig Elm
Dr. Dagmar Enkelmann
Dr. Ruth Fuchs Dr. Gregor Gysi Hanns-Peter Hartmann
Dr. Uwe-Jens Heuer Dr. Barbara Höll
Dr. Willibald Jacob Ulla Jelpke
Gerhard Jüttemann
Dr. Heidi Knake-Werner Rolf Köhne
Rolf Kutzmutz Dr. Christa Luft Heidemarie Lüth
Dr. Günther Maleuda Manfred Müller Rosel Neuhäuser
Dr. Uwe-Jens Rössel Christina Schenk Steffen Tippach Klaus-Jürgen Warnick
Dr. Winfried Wolf Gerhard Zwerenz
Fraktionslos
Kurt Neumann
Nein
CDU/CSU
Ulrich Adam Peter Altmaier
Anneliese Augustin
Jürgen Augustinowitz Dietrich Austermann Heinz-Günter Bargfrede Franz Peter Basten
Dr. Wolf Bauer
Brigitte Baumeister Meinrad Belle
Dr. Sabine Bergmann-Pohl Hans-Dirk Bierling
Dr. Joseph-Theodor Blank Renate Blank
Dr. Heribert Blens Peter Bleser
Dr. Norbert Blüm Friedrich Bohl
Dr. Maria Böhmer Jochen Borchert
Wolfgang Börnsen Wolfgang Bosbach
Dr. Wolfgang Bötsch Klaus Brähmig
Rudolf Braun Paul Breuer
Monika Brudlewsky Georg Brunnhuber Klaus Bühler Hartmut Büttner
Dankward Buwitt
Manfred Carstens Peter Harry Carstensen
Wolfgang Dehnel Hubert Deittert Albert Deß
Renate Diemers Wilhelm Dietzel Werner Dörflinger Hansjürgen Doss Dr. Alfred Dregger Maria Eichhorn
Wolfgang Engelmann Rainer Eppelmann Heinz Dieter Eßmann Horst Eylmann
Anke Eymer
Ilse Falk
Jochen Feilcke
Ulf Fink
Dirk Fischer
Leni Fischer
Klaus Francke Herbert Frankenhauser
Dr. Gerhard Friedrich Erich G. Fritz
Hans-Joachim Fuchtel Michaela Geiger Norbert Geis
Dr. Heiner Geißler Michael Glos
Wilma Glücklich
Dr. Reinhard Göhner Peter Götz
Dr. Wolfgang Götzer Joachim Gres
Kurt-Dieter Grill Wolfgang Gröbl Hermann Gröhe Claus-Peter Grotz Manfred Grund
Horst Günther Carl-Detlev Freiherr von
Hammerstein
Gottfried Haschke
Gerda Hasselfeldt
Otto Hauser Hansgeorg Hauser
Klaus-Jürgen Hedrich Helmut Heiderich
Manfred Heise Detlef Helling
Dr. Renate Hellwig Ernst Hinsken Peter Hintze
Josef Hollerith Elke Holzapfel
Dr. Karl-Heinz Hornhues Siegfried Hornung Joachim Hörster
Hubert Hüppe Peter Jacoby
Susanne Jaffke Georg Janovsky Helmut Jawurek Dr. Dionys Jobst Dr.-Ing. Rainer Jork
Michael Jung Ulrich Junghanns
Dr. Egon Jüttner Dr. Harald Kahl Bartholomäus Kalb Steffen Kampeter
Dr.-Ing. Dietmar Kansy Manfred Kanther Irmgard Karwatzki Volker Kauder
Peter Keller
Eckart von Klaeden Dr. Bernd Klaußner Ulrich Klinkert
Dr. Helmut Kohl Hans-Ulrich Köhler
Manfred Kolbe Norbert Königshofen Eva-Maria Kors Hartmut Koschyk Manfred Koslowski Thomas Kossendey Rudolf Kraus
Wolfgang Krause Andreas Krautscheid
Arnulf Kriedner Heinz-Jürgen Kronberg Dr.-Ing. Paul Krüger
Reiner Krziskewitz Dr. Hermann Kues Werner Kuhn
Dr. Karl A. Lamers
Karl Lamers
Dr. Norbert Lammert
Helmut Lamp Armin Laschet Herbert Lattmann Dr. Paul Laufs Karl-Josef Laumann
Vera Lengsfeld Werner Lensing Christian Lenzer Peter Letzgus Editha Limbach
Walter Link Eduard Lintner
Dr. Klaus W. Lippold
Dr. Manfred Lischewski Wolfgang Lohmann
Julius Louven Sigrun Löwisch Heinrich Lummer Dr. Michael Luther
Erich Maaß Dr. Dietrich Mahlo
Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch
Erwin Marschewski Günter Marten
Dr. Martin Mayer
Wolfgang Meckelburg Rudolf Meinl
Dr. Michael Meister Dr. Angela Merkel Friedrich Merz
Rudolf Meyer Hans Michelbach Meinolf Michels
Dr. Gerd Müller
Elmar Müller Engelbert Nelle
Bernd Neumann Johannes Nitsch
Claudia Nolte
Dr. Rolf Olderog Friedhelm Ost
Eduard Oswald Norbert Otto Dr. Gerhard Päselt Dr. Peter Paziorek Hans-Wilhelm Pesch Ulrich Petzold
Anton Pfeifer
Angelika Pfeiffer Dr. Gero Pfennig
Dr. Friedbert Pflüger Beatrix Philipp
Dr. Winfried Pinger Ronald Pofalla
Dr. Hermann Pohler Ruprecht Polenz Marlies Pretzlaff
Dr. Albert Probst Dr. Bernd Protzner Dieter Pützhofen Thomas Rachel
Hans Raidel
Dr. Peter Ramsauer Rolf Rau
Helmut Rauber
Peter Rauen
Otto Regenspurger
Christa Reichard Klaus Dieter Reichardt
Dr. Bertold Reinartz Erika Reinhardt Hans-Peter Repnik Roland Richter
Dr. Norbert Rieder
Dr. Erich Riedl
Klaus Riegert
Dr. Heinz Riesenhuber Franz Romer
Hannelore Rönsch
Heinrich-Wilhelm Ronsöhr
Dr. Klaus Rose
Kurt J. Rossmanith Adolf Roth Norbert Röttgen
Dr. Christian Ruck Volker Rühe
Dr. Jürgen Rüttgers Roland Sauer
Ortrun Schätzle
Dr. Wolfgang Schäuble Hartmut Schauerte Heinz Schemken Karl-Heinz Scherhag Gerhard Scheu
Norbert Schindler
Dietmar Schlee Ulrich Schmalz Bernd Schmidbauer
Christian Schmidt Dr.-Ing. Joachim Schmidt
Andreas Schmidt Hans-Otto Schmiedeberg Hans Peter Schmitz
Michael von Schmude
Birgit Schnieber-Jastram
Dr. Rupert Scholz Reinhard Freiherr von
Schorlemer
Dr. Erika Schuchardt Wolfgang Schulhoff
Dr. Dieter Schulte
Gerhard Schulz (Leipzig) Frederick Schulze
Diethard Schütze (Berlin) Clemens Schwalbe
Dr. Christian Schwarz-Schilling
Wilhelm Josef Sebastian Horst Seehofer
Marion Seib
Wilfried Seibel Heinz-Georg Seiffert
Rudolf Seiters Johannes Selle Bernd Siebert Jürgen Sikora
Johannes Singhammer Bärbel Sothmann Margarete Späte Carl-Dieter Spranger Wolfgang Steiger Erika Steinbach
Dr. Wolfgang Freiherr von
Stetten
Dr. Gerhard Stoltenberg Andreas Storm
Max Straubinger Matthäus Strebl Michael Stübgen Egon Susset
Dr. Rita Süssmuth Michael Teiser
Dr. Susanne Tiemann
Dr. Klaus Töpfer Gottfried Tröger
Dr. Klaus-Dieter Uelhoff Gunnar Uldall Wolfgang Vogt
Dr. Horst Waffenschmidt
Dr. Theodor Waigel
Alois Graf von Waldburg-Zeil Dr. Jürgen Warnke
Kersten Wetzel
Hans-Otto Wilhelm Gert Willner
Bernd Wilz
Willy Wimmer Matthias Wissmann
Dr. Fritz Wittmann Dagmar Wöhrl Michael Wonneberger
Elke Wülfing
Peter Kurt Würzbach Cornelia Yzer Wolfgang Zeitlmann
Benno Zierer Wolfgang Zöller
SPD
Gerd Andres
Robert Antretter Doris Barnett Klaus Barthel
Ingrid Becker-Inglau Wolfgang Behrendt
Hans Berger
Friedhelm Julius Beucher Tilo Braune
Dr. Eberhard Brecht
Dr. Michael Bürsch Hans Martin Bury
Hans Büttner Marion Caspers-Merk
Dr. Herta Däubler-Gmelin Karl Diller
Ludwig Eich
Peter Enders
Annette Faße
Lothar Fischer Norbert Formanski Dagmar Freitag
Anke Fuchs Arne Fuhrmann Monika Ganseforth
Uwe Göllner
Günter Graf Dieter Grasedieck Achim Großmann Hans-Joachim Hacker
Klaus Hagemann Manfred Hampel Alfred Hartenbach Klaus Hasenfratz Dieter Heistermann
Rolf Hempelmann
Dr. Barbara Hendricks Reinhold Hiller Stephan Hilsberg
Gerd Höfer
Jelena Hoffmann Frank Hofmann (Volkach) Erwin Horn
Eike Hovermann Lothar Ibrügger Wolfgang Ilte Renate Jäger Jann-Peter Janssen Dr. Uwe Jens
Volker Jung Sabine Kaspereit Susanne Kastner Hans-Peter Kemper Maus Kirschner
Walter Kolbow Fritz Rudolf Körper Volker Kröning Thomas Krüger
Dr. Uwe Küster Werner Labsch Waltraud Lehn Klaus Lennartz
Klaus Lohmann Dieter Maaß (Herne) Winfried Mante
Dorle Marx
Ingrid Matthäus-Maier Markus Meckel Herbert Meißner
Dr. Jürgen Meyer Ursula Mogg
Siegmar Mosdorf Christian Müller
Gerhard Neumann
Dr. Rolf Niese Leyla Onur
Manfred Opel Kurt Palis
Dr. Willfried Penner
Georg Pfannenstein
Dr. Eckhart Pick Joachim Poß
Margot von Renesse
Reinhold Robbe Gerhard Rübenkönig
Dieter Schanz Rudolf Scharping Bernd Scheelen Siegfried Scheffler
Horst Schild
Otto Schily
Dieter Schloten Günter Schluckebier
Wilhelm Schmidt Dr. Emil Schnell
Walter Schöler Ottmar Schreiner
Dr. Mathias Schubert
Richard Schuhmann
Brigitte Schulte Reinhard Schultz
Volkmar Schultz (Köln)
Ilse Schumann
Dietmar Schütz Ernst Schwanhold
Rolf Schwanitz Bodo Seidenthal Johannes Singer
Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast Wieland Sorge
Jörg-Otto Spiller Dr. Peter Struck Joachim Tappe Jörg Tauss
Dr. Gerald Thalheim
Franz Thönnes Hans-Eberhard Urbaniak Siegfried Vergin
Günter Verheugen
Karsten D. Voigt Josef Vosen
Hans Georg Wagner
Hans Wallow Wolfgang Weiermann
Reinhard Weis Gunter Weißgerber
Jochen Welt
Lydia Westrich Helmut Wieczorek
Dieter Wiefelspütz Verena Wohlleben Peter Zumkley
F.D.P.
Ina Albowitz
Dr. Gisela Babel Hildebrecht Braun
Günther Bredehorn Jörg van Essen
Dr. Olaf Feldmann Gisela Frick
Paul K. Friedhoff Horst Friedrich
Rainer Funke
Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch
Hans-Dietrich Genscher Dr. Wolfgang Gerhardt Joachim Günther Dr. Karlheinz Guttmacher Dr. Helmut Haussmann Ulrich Heinrich
Walter Hirche
Birgit Homburger
Dr. Werner Hoyer
Ulrich Irmer
Dr. Klaus Kinkel
Detlef Kleinert Roland Kohn
Dr. Heinrich L. Kolb
Jürgen Koppelin
Dr.-Ing. Karl-Hans Laermann Dr. Otto Graf Lambsdorff Sabine LeutheusserSchnarrenberger
Uwe Lühr
Günther Friedrich Nolting Dr. Rainer Ortleb
Lisa Peters
Dr. Günter Rexrodt
Dr. Klaus Röhl
Helmut Schäfer Cornelia Schmalz-Jacobsen Dr. Edzard Schmidt-Jortzig Dr. Irmgard Schwaetzer
Dr. Hermann Otto Sohns Dr. Max Stadler
Carl-Ludwig Thiele
Dr. Dieter Thomae
Dr. Wolfgang Weng
Dr. Guido Westerwelle
Enthalten
SPD
Ernst Bahr
Hans-Werner Bertl Rudolf Bindig
Anni Brandt-Elsweier Edelgard Bulmahn Ursula Burchardt
Wolf-Michael Catenhusen Christel Deichmann
Peter Dreßen
Freimut Duve
Gernot Erler
Petra Ernstberger Gabriele Fograscher
Iris Follak
Eva Folta
Katrin Fuchs
Konrad Gilges
Günter Gloser
Dr. Ingomar Hauchler Reinhold Hemker
Ingrid Holzhüter
Barbara Imhof
Ilse Janz
Marianne Klappert Siegrun Klemmer
Dr. Hans-Hinrich Knaape Helga Kühn-Mengel Konrad Kunick
Dr. Elke Leonhard
Christa Lörcher
Erika Lotz
Dr. Christine Lucyga Christoph Matschie Ulrike Mehl
Angelika Mertens
Michael Müller Dr. Edith Niehuis
Doris Odendahl
Günter Oesinghaus Adolf Ostertag
Karin Rehbock-Zureich Renate Rennebach
Otto Reschke
Bernd Reuter
Marlene Rupprecht Dr. Hermann Scheer Ulla Schmidt
Dagmar Schmidt Regina Schmidt-Zadel Gisela Schröter
Dr. R. Werner Schuster
Dr. Angelica Schwall-Düren Horst Sielaff
Wolfgang Spanier
Dr. Dietrich Sperling Antje-Marie Steen
Dr. Bodo Teichmann Margitta Terborg
Jella Teuchner
Ute Vogt Dr. Konstanze Wegner Matthias Weisheit
Gert Weisskirchen Hildegard Wester
Dr. Norbert Wieczorek Heidemarie Wieczorek-Zeul Berthold Wittich
Dr. Wolfgang Wodarg
Wir fahren in der Abstimmung fort. Ich bitte nun diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschußfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Dann ist der Gesetzentwurf mit den Stimmen der Koalition und der Fraktion der SPD gegen Stimmen aus der Fraktion der F.D.P. und gegen die Stimmen der Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen und der PDS angenommen worden.
- Und aus der SPD, ich bitte um Entschuldigung. Dann treten wir ein in die
dritte Beratung
und Schlußabstimmung.
Ich weise darauf hin, daß zur Annahme des Gesetzentwurfes eine Zweidrittelmehrheit erforderlich ist. Das sind mindestens 448 Stimmen. Es ist namentliche Abstimmung verlangt worden. Sie benötigen außer Ihrer Stimmkarte auch Ihren Stimmausweis in der Farbe Gelb. Den Stimmausweis können Sie, soweit noch nicht geschehen, Ihrem Kartenfach entnehmen. Bitte achten Sie darauf, daß Stimmkarte und Stimmausweis Ihren Namen tragen, um Verwechselungen auszuschließen. Bevor Sie Ihre Stimmkarte in die Urne werfen, übergeben Sie bitte Ihren Stimmausweis einem der Schriftführer an der Urne.
Die Schriftführerinnen und Schriftführer bitte ich, darauf zu achten, daß Stimmkarten nur von Kolleginnen und Kollegen in die Urne geworfen werden dürfen, die vorher ihren Stimmausweis übergeben haben.
Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, die vorgesehenen Plätze einzunehmen. - Ich sehe, daß das der Fall ist, und eröffne die Abstimmung.
Darf ich fragen, ob noch ein Mitglied des Hauses anwesend ist, das seine Stimme noch nicht abgegeben hat? - Dann schließe ich die Abstimmung. Ich bitte, mit der Auszählung zu beginnen, und unterbreche die Sitzung wieder bis zum Vorliegen des Ergebnisses der namentlichen Abstimmung. Ich mache darauf aufmerksam, daß noch eine Reihe weiterer Abstimmungen über vorliegende Anträge folgen werden.
Die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet.
Ich gebe das von den Schriftführern und Schriftführerinnen ermittelte Ergebnis der namentlichen Schlußabstimmung über den Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und F.D.P. zur Änderung von Art. 13 des Grundgesetzes auf den Drucksachen 13/8650 und 13/9642 bekannt. Abgegebene Stimmen: 641. Mit Ja haben gestimmt: 452. Mit Nein haben gestimmt: 184. Enthaltungen: 5. Der Gesetzentwurf ist damit mit der erforderlichen Mehrheit angenommen worden.
Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 641; davon:
ja: 452
nein: 184
enthalten: 5
Ja
CDU/CSU
Ulrich Adam
Peter Altmaier
Anneliese Augustin
Jürgen Augustinowitz Dietrich Austermann Heinz-Günter Bargfrede Franz Peter Basten
Dr. Wolf Bauer
Brigitte Baumeister Meinrad Belle
Dr. Sabine Bergmann-Pohl Hans-Dirk Bierling
Dr. Joseph-Theodor Blank Renate Blank
Dr. Heribert Blens Peter Bleser
Dr. Norbert Blüm Friedrich Bohl
Dr. Maria Böhmer
Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch
Jochen Borchert
Wolfgang Börnsen Wolfgang Bosbach
Dr. Wolfgang Bötsch Klaus Brähmig
Rudolf Braun
Paul Breuer
Monika Brudlewsky Georg Brunnhuber Klaus Bühler
Hartmut Büttner
Dankward Buwitt
Manfred Carstens Peter Harry Carstensen
Wolfgang Dehnel Hubert Deittert
Albert Deß
Renate Diemers Wilhelm Dietzel Werner Dörflinger Hansjürgen Doss Dr. Alfred Dregger Maria Eichhorn
Wolfgang Engelmann Rainer Eppelmann Heinz Dieter Eßmann Horst Eylmann
Anke Eymer
Ilse Falk
Jochen Feilcke
Ulf Fink
Dirk Fischer
Leni Fischer
Klaus Francke Herbert Frankenhauser
Dr. Gerhard Friedrich Erich G. Fritz
Hans-Joachim Fuchtel Michaela Geiger Norbert Geis
Dr. Heiner Geißler Michael Glos
Wilma Glücklich
Dr. Reinhard Göhner Peter Götz
Dr. Wolfgang Götzer Joachim Gres
Kurt-Dieter Grill Wolfgang Gröbl Hermann Gröhe Claus-Peter Grotz Manfred Grund
Horst Günther Carl-Detlev Freiherr von
Hammerstein
Gottfried Haschke
Gerda Hasselfeldt
Otto Hauser Hansgeorg Hauser
Klaus-Jürgen Hedrich Helmut Heiderich Manfred Heise
Detlef Helling
Dr. Renate Hellwig Ernst Hinsken
Peter Hintze
Josef Hollerith
Elke Holzapfel
Dr. Karl-Heinz Hornhues Siegfried Hornung Joachim Hörster
Hubert Hüppe
Peter Jacoby
Susanne Jaffke Georg Janovsky Helmut Jawurek Dr. Dionys Jobst Dr.-Ing. Rainer Jork
Michael Jung Ulrich Junghanns
Dr. Egon Jüttner Dr. Harald Kahl Bartholomäus Kalb
Steffen Kampeter Dr.-Ing. Dietmar Kansy Manfred Kanther Irmgard Karwatzki Volker Kauder
Peter Keller
Eckart von Klaeden
Dr. Bernd Klaußner Ulrich Klinkert
Dr. Helmut Kohl Hans-Ulrich Köhler
Manfred Kolbe Norbert Königshofen Eva-Maria Kors Hartmut Koschyk Manfred Koslowski
Thomas Kossendey
Rudolf Kraus
Wolfgang Krause Andreas Krautscheid
Arnulf Kriedner Heinz-Jürgen Kronberg Dr.-Ing. Paul Krüger
Reiner Krziskewitz Dr. Hermann Kues Werner Kuhn
Dr. Karl A. Lamers
Karl Lamers
Dr. Norbert Lammert Helmut Lamp
Armin Laschet Herbert Lattmann Dr. Paul Laufs
Karl Josef Laumann
Vera Lengsfeld Werner Lensing Christian Lenzer Peter Letzgus Editha Limbach
Walter Link Eduard Lintner
Dr. Klaus W. Lippold
Dr. Manfred Lischewski Wolfgang Lohmann
Julius Louven Sigrun Löwisch Heinrich Lummer Dr. Michael Luther
Erich Maaß Dr. Dietrich Mahlo
Erwin Marschewski
Günter Marten Dr. Martin Mayer
Wolfgang Meckelburg Rudolf Meinl
Dr. Michael Meister
Dr. Angela Merkel Friedrich Merz
Rudolf Meyer
Hans Michelbach
Meinolf Michels Dr. Gerd Müller
Elmar Müller Engelbert Nelle
Bernd Neumann Johannes Nitsch
Claudia Nolte
Dr. Rolf Olderog Friedhelm Ost
Eduard Oswald Norbert Otto Dr. Gerhard Päselt Dr. Peter Paziorek Hans-Wilhelm Pesch Ulrich Petzold
Anton Pfeifer
Angelika Pfeiffer Dr. Gero Pfennig
Dr. Friedbert Pflüger Beatrix Philipp
Dr. Winfried Pinger Ronald Pofalla
Dr. Hermann Pohler Ruprecht Polenz Marlies Pretzlaff
Dr. Albert Probst Dr. Bernd Protzner Dieter Pützhofen Thomas Rachel
Hans Raidel
Dr. Peter Ramsauer Rolf Rau
Helmut Rauber
Peter Rauen
Otto Regenspurger
Christa Reichard Klaus Dieter Reichardt
Dr. Bertold Reinartz Erika Reinhardt Hans-Peter Repnik Roland Richter
Dr. Norbert Rieder
Dr. Erich Riedl Klaus Riegert
Dr. Heinz Riesenhuber Franz Romer
Hannelore Rönsch
Heinrich-Wilhelm Ronsöhr Dr. Klaus Rose
Kurt J. Rossmanith Adolf Roth Norbert Röttgen
Dr. Christian Ruck Volker Rühe
Dr. Jürgen Rüttgers Roland Sauer Ortrun Schätzle
Dr. Wolfgang Schäuble Hartmut Schauerte Heinz Schemken Karl-Heinz Scherhag Gerhard Scheu
Norbert Schindler Dietmar Schlee
Ulrich Schmalz
Bernd Schmidbauer Christian Schmidt Dr.-Ing. Joachim Schmidt
Andreas Schmidt Hans-Otto Schmiedeberg Hans Peter Schmitz
Michael von Schmude
Birgit Schnieber-Jastram
Dr. Rupert Scholz Reinhard Freiherr von
Schorlemer
Dr. Erika Schuchardt Wolfgang Schulhoff
Dr. Dieter Schulte
Gerhard Schulz (Leipzig) Frederick Schulze
Diethard Schütze Clemens Schwalbe
Dr. Christian Schwarz-Schilling
Wilhelm Josef Sebastian Horst Seehofer
Marion Seib
Wilfried Seibel Heinz-Georg Seiffert
Rudolf Seiters Johannes Selle Bernd Siebert Jürgen Sikora
Johannes Singhammer Bärbel Sothmann Margarete Späte Carl-Dieter Spranger Wolfgang Steiger Erika Steinbach
Dr. Wolfgang Freiherr von
Stetten
Dr. Gerhard Stoltenberg Andreas Storm
Max Straubinger Matthäus Strebl Michael Stübgen Egon Susset
Dr. Rita Süssmuth Michael Teiser
Dr. Susanne Tiemann
Dr. Klaus Töpfer Gottfried Tröger
Dr. Klaus-Dieter Uelhoff Gunnar Uldall Wolfgang Vogt
Dr. Horst Waffenschmidt
Dr. Theodor Waigel
Alois Graf von Waldburg-Zeil Dr. Jürgen Warnke
Kersten Wetzel
Hans-Otto Wilhelm Gert Willner
Bernd Wilz
Willy Wimmer Matthias Wissmann
Dr. Fritz Wittmann
Dagmar Wöhrl Michael Wonneberger
Elke Wülfing
Peter Kurt Würzbach Cornelia Yzer Wolfgang Zeitlmann
Benno Zierer Wolfgang Zöller
SPD
Gerd Andres Robert Antretter
Ernst Bahr Doris Barnett
Wolfgang Behrendt
Hans Berger
Friedhelm Julius Beucher
Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch
Tilo Braune
Dr. Eberhard Brecht Marion Caspers-Merk Wolf-Michael Catenhusen Dr. Herta Däubler-Gmelin Karl Diller
Ludwig Eich
Peter Enders
Annette Faße
Lothar Fischer Iris Follak
Norbert Formanski Dagmar Freitag Anke Fuchs Arne Fuhrmann Monika Ganseforth Uwe Göllner
Günter Graf Dieter Grasedieck Achim Großmann Hans-Joachim Hacker
Klaus Hagemann Manfred Hampel Alfred Hartenbach Klaus Hasenfratz Dieter Heistermann Reinhold Hemker Rolf Hempelmann
Dr. Barbara Hendricks Stephan Hilsberg Gerd Höfer
Jelena Hoffmann Erwin Horn
Eike Hovermann Lothar Ibrügger Wolfgang ilte
Renate Jäger
Jann-Peter Janssen Dr. Uwe Jens
Volker Jung Sabine Kaspereit Susanne Kastner Hans-Peter Kemper Walter Kolbow
Fritz Rudolf Körper Volker Kröning Thomas Krüger Dr. Uwe Küster Werner Labsch Klaus Lennartz
Dr. Elke Leonhard Klaus Lohmann Dieter Maaß (Herne) Winfried Mante Christoph Matschie Ingrid Matthäus-Maier Markus Meckel
Dr. Jürgen Meyer Ursula Mogg
Siegmar Mosdorf Christian Müller
Gerhard Neumann Dr. Rolf Niese
Leyla Onur
Kurt Palis
Dr. Willfried Penner Dr. Eckhart Pick Joachim Poß
Margot von Renesse Reinhold Robbe Gerhard Rübenkönig Dieter Schanz
Rudolf Scharping Bernd Scheelen Siegfried Scheffler Horst Schild
Otto Schily
Dieter Schloten Günter Schluckebier
Wilhelm Schmidt Dr. Emil Schnell
Walter Schöler Ottmar Schreiner
Dr. Mathias Schubert
Richard Schuhmann
Brigitte Schulte Volkmar Schultz (Köln)
Ilse Schumann
Dietmar Schütz Ernst Schwanhold
Rolf Schwanitz Bodo Seidenthal Johannes Singer
Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast Wieland Sorge
Dr. Dietrich Sperling Jörg-Otto Spiller
Dr. Peter Struck Joachim Tappe Jörg Tauss
Dr. Gerald Thalheim Wolfgang Thierse Hans-Eberhard Urbaniak Siegfried Vergin
Günter Verheugen
Karsten D. Voigt Josef Vosen
Hans Georg Wagner Wolfgang Weiermann Reinhard Weis Gunter Weißgerber
Jochen Welt
Lydia Westrich Helmut Wieczorek
Dieter Wiefelspütz
Verena Wohlleben
Dr. Christoph Zöpel
Peter Zumkley
F.D.P.
Ina Albowitz
Dr. Gisela Babel Günther Bredehorn
Jörg van Essen
Dr. Olaf Feldmann
Paul K. Friedhoff Horst Friedrich Rainer Funke
Dr. Wolfgang Gerhardt Joachim Günther
Dr. Karlheinz Guttmacher
Dr. Helmut Haussmann Ulrich Heinrich
Walter Hirche
Dr. Werner Hoyer Ulrich Irmer
Dr. Klaus Kinkel
Detlef Kleinert Roland Kohn
Dr. Heinrich L. Kolb
Dr.-Ing. Karl-Hans Laermann Uwe Lühr
Günther Friedrich Nolting
Dr. Rainer Ortleb Lisa Peters
Dr. Günter Rexrodt
Helmut Schäfer Cornelia Schmalz-Jacobsen
Dr. Edzard Schmidt-Jortzig Dr. Hermann Otto Sohns Carl-Ludwig Thiele
Dr. Dieter Thomae Dr. Wolfgang Weng
Dr. Guido Westerwelle
Nein
SPD
Hermann Bachmaier Klaus Barthel
Ingrid Becker-Inglau Hans-Werner Bertl Rudolf Bindig
Anni Brandt-Elsweier Edelgard Bulmahn Ursula Burchardt
Dr. Michael Bürsch Hans Martin Bury
Hans Büttner Peter Conradi
Christel Deichmann Peter Dreßen
Freimut Duve
Gemot Erler
Petra Ernstberger Elke Ferner
Gabriele Fograscher Eva Folta
Katrin Fuchs Konrad Gilges
Iris Gleicke
Günter Gloser
Angelika Graf Christel Hanewinckel
Dr. Liesel Hartenstein Dr. Ingomar Hauchler Monika Heubaum Uwe Hiksch
Reinhold Hiller Ingrid Holzhüter Barbara Imhof
Brunhilde Irber
Gabriele Iwersen Ilse Janz
Klaus Kirschner Marianne Klappert Siegrun Klemmer
Dr. Hans-Hinrich Knaape Nicolette Kressl
Horst Kubatschka Eckart Kuhlwein Helga Kühn-Mengel Konrad Kunick
Brigitte Lange
Detlev von Larcher Waltraud Lehn
Christa Lörcher Erika Lotz
Dr. Christine Lucyga Dorle Marx
Ulrike Mascher
Heide Mattischeck Ulrike Mehl
Herbert Meißner Angelika Mertens
Michael Müller Dr. Edith Niehuis
Doris Odendahl Günter Oesinghaus Manfred Opel
Adolf Ostertag
Albrecht Papenroth Dr. Martin Pfaff
Georg Pfannenstein Karin Rehbock-Zureich Renate Rennebach
Otto Reschke
Bernd Reuter
Dr. Edelbert Richter Günter Rixe
Marlene Rupprecht Dr. Hansjörg Schäfer
Gudrun Schaich-Walch Dr. Hermann Scheer Horst Schmidbauer
Ulla Schmidt Dagmar Schmidt (Meschede) Regina Schmidt-Zadel
Heinz Schmitt Gisela Schröter
Reinhard Schultz
Dr. R. Werner Schuster
Dr. Angelica Schwall-Düren Horst Sielaff
Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk Wolfgang Spanier Antje-Marie Steen
Ludwig Stiegler
Dr. Bodo Teichmann Margitta Terborg
Jella Teuchner
Franz Thönnes
Uta Titze-Stecher
Adelheid Tröscher
Ute Vogt Hans Wallow
Dr. Konstanze Wegner Matthias Weisheit
Hildegard Wester
Dr. Norbert Wieczorek Heidemarie Wieczorek-Zeul Berthold Wittich
Dr. Wolfgang Wodarg
BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN
Gila Altmann Elisabeth Altmann
Volker Beck (Köln) Matthias Berninger Annelie Buntenbach Amke Dietert-Scheuer
Franziska Eichstädt-Bohlig Dr. Uschi Eid
Andrea Fischer Joseph Fischer (Frankfurt) Rita Grießhaber
Gerald Häfner
Antje Hermenau Kristin Heyne
Michaele Hustedt Dr. Manuel Kiper Monika Knoche
Dr. Angelika Köster-Loßack Dr. Helmut Lippelt
Oswald Metzger Kerstin Müller Winfried Nachtwei Christa Nickels
Cern Özdemir
Gerd Poppe
Simone Probst
Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch
Dr. Jürgen Rochlitz
Halo Saibold
Christine Scheel
Irmingard Schewe-Gerigk Rezzo Schlauch
Albert Schmidt Wolfgang Schmitt
Ursula Schönberger
Marina Steindor
Christian Sterzing
Manfred Such
Ludger Volmer
Helmut Wilhelm
F.D.P.
Hildebrecht Braun
Gisela Frick
Hans-Dietrich Genscher Dr. Burkhard Hirsch Jürgen Koppelin
Dr. Otto Graf Lambsdorff Sabine LeutheusserSchnarrenberger Dr. Klaus Röhl
Dr. Irmgard Schwaetzer Dr. Max Stadler
PDS
Wolfgang Bierstedt Petra Bläss
Maritta Böttcher
Eva Bulling-Schröter
Heinrich Graf von Einsiedel
Dr. Ludwig Elm
Dr. Dagmar Enkelmann
Dr. Ruth Fuchs
Dr. Gregor Gysi Hanns-Peter Hartmann
Dr. Uwe-Jens Heuer Dr. Barbara Höll
Dr. Willibald Jacob Ulla Jelpke
Gerhard Jüttemann
Dr. Heidi Knake-Werner
Rolf Köhne
Rolf Kutzmutz
Dr. Christa Luft Heidemarie Lüth
Dr. Günther Maleuda Manfred Müller
Rosel Neuhäuser
Dr. Uwe-Jens Rössel Christina Schenk Steffen Tippach Klaus-Jürgen Warnick
Dr. Winfried Wolf
Gerhard Zwerenz
Fraktionslos
Kurt Neumann
Enthalten
SPD
Brigitte Adler
Frank Hofmann Gert Weisskirchen (Wiesloch) Heidi Wright
F.D.P.
Birgit Homburger
Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD und F.D.P. eingebrachten Gesetzentwurf zur Verbesserung der Bekämpfung der organisierten Kriminalität, Drucksachen 13/8651 und 13/9644 Nr. 1. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschußfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Ich stelle fest, daß der Gesetzentwurf mit den Stimmen der Koalition und den Stimmen der Fraktion der SPD bei Gegenstimmen aus der Fraktion der SPD sowie gegen die Stimmen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und der Gruppe der PDS in zweiter Beratung angenommen worden ist.
Dann treten wir in die
dritte Beratung
und Schlußabstimmung ein. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Ich stelle fest, daß der Gesetzentwurf mit den Stimmen der Koalition und Stimmen der Fraktion der SPD gegen Stimmen der Fraktion der SPD sowie gegen die Slimmer des Bündnisses 90/Die Grünen und der PDS angenommen worden ist.
Wir kommen dann zur Beschlußempfehlung des Rechtsausschusses zum Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Verbesserung der Geldwäsche, Drucksache 13/9644 Nr. 2. Der Ausschuß empfiehlt, den Gesetzentwurf auf Drucksache 13/6620 für erledigt zu erklären. Wer dieser Beschlußempfehlung zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Ich stelle fest, daß die Beschlußempfehlung angenommen worden ist.
Nun treten wir in die Abstimmung über die Beschlußempfehlung des Rechtsausschusses zum Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und F.D.P. zur Telefonüberwachung ein, Drucksache 13/9644 Nr. 3. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 13/8652 anzunehmen. Wer der Beschlußempfehlung des Rechtsausschusses zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Ich stelle fest, daß die Beschlußempfehlung mit den Stimmen der Koalition und der Fraktion der SPD gegen die Stimmen der PDS bei Stimmenthaltung der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und einer Stimmenthaltung aus der Fraktion der F.D.P. angenommen worden ist.
Wir kommen zur Beschlußempfehlung des Rechtsausschusses zu dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen zu einem Aktionsprogramm gegen Lauschangriffe; Drucksache 13/9644 Nr. 4. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 13/5196 abzulehnen. Wer der Beschlußempfehlung des Rechtsausschusses zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Ich stelle fest, daß die Beschlußempfehlung mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und der Gruppe der PDS bei Stimmenthaltung der Fraktion der SPD angenommen worden ist.
Wir kommen zur Beschlußempfehlung des Rechtsausschusses zum Antrag der Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen zu Maßnahmen zur verbesserten Bekämpfung der Geldwäsche sowie zur Einziehung kriminell erlangter Profite; Drucksache 13/9644 Nr. 5. Der Rechtsausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 13/8590 abzulehnen. Wer der Beschlußempfehlung des Rechtsausschusses zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Ich stelle fest, daß die Beschlußempfehlung mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen bei Stimmenthaltung der Fraktion der SPD gegen die Stimmen des Hauses im übrigen angenommen worden ist.
Wir kommen zur Beschlußempfehlung des Rechtsausschusses zur Annahme einer Entschließung; Drucksache 13/9644 Nr. 6. Wer dieser Beschlußempfehlung des Rechtsausschusses zustimmt, bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Ich stelle fest, daß die Beschlußempfehlung mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der Fraktion der SPD gegen die Stimmen der Gruppe der PDS bei Stimmenthaltung der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen angenommen worden ist.
Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU,
Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch
SPD und F.D.P. auf Drucksache 13/9662. I) Hierzu liegt eine Erklärung des Abgeordneten Dr. Michael Bürsch in Anlage 5 vor. Wer dem Entschließungsantrag zustimmt, bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Ich stelle fest, daß der Entschließungsantrag mit demselben Stimmenverhältnis wie eben angenommen worden ist.
Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurf zu dem Übereinkommen vom 8. November 1990 über Geldwäsche sowie Ermittlung, Beschlagnahme und Einziehung von Erträgen aus Straftaten; Drucksache 13/7954. Der Rechtsausschuß empfiehlt auf Drucksache 13/9435, den Gesetzentwurf unverändert anzunehmen.
Ich bitte diejenigen, die diesem Gesetzentwurf in zweiter Lesung - das ist die Schlußabstimmung - zustimmen wollen, sich zu erheben. Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Ich stelle fest, daß der Gesetzentwurf mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der Fraktion der SPD gegen die Stimmen der Gruppe der PDS bei Stimmenthaltung der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen angenommen worden ist.
Damit sind wir am Schluß dieses Tagesordnungspunktes.
Ich teile mit, daß Tagesordnungspunkt 16, die Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verbesserung der zivilrechtlichen Entschädigung der Opfer von Straftaten, einvernehmlich von der heutigen Tagesordnung abgesetzt worden ist. - Ich stelle fest, daß darüber Einverständnis besteht.
Wir kommen zum Tagesordnungspunkt 17 und Zusatzpunkt 14:
17. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Umsetzung des Versorgungsberichts
- Drucksache 13/9527 -
Überweisungsvorschlag:
Innenausschuß
Rechtsausschuß
Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung
Ausschuß für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Haushaltsausschuß mitberatend und gemäß § 96 GO
ZP14 Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Antje Vollmer, Andrea Fischer , Oswald Metzger, Marina Steindor und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Modernisierung von Beamtenrecht und Beamtenversorgung
- Drucksache 13/9622 -
Überweisungsvorschlag:
Innenausschuß Rechtsausschuß
Haushaltsausschuß
') Hierzu liegt eine Erklärung des Abgeordneten Dr. Michael Bürsch in Anlage 5 vor.
Für die Aussprache war interfraktionell eine halbe Stunde vorgesehen. Es sind aber alle dazu vorgesehenen Reden, einschließlich die der Bundesregierung, zu Protokoll gegeben worden.*) Sind Sie damit einverstanden? - Ich sehe und höre keinen Widerspruch. Dann schließe ich die Aussprache.
Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen auf den Drucksachen 13/9527 und 13/9622 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? - Ich sehe und höre keinen Widerspruch. Dann sind die Überweisungen so beschlossen.
Ich rufe nun den Zusatzpunkt 15 auf: Aktuelle Stunde.
Haltung der Bundesregierung zur Privatisierung von Flächen in den Nationalparks der neuen Bundesländer
Die Aktuelle Stunde findet auf Verlangen der Gruppe der PDS statt.
Ich eröffne die Aussprache und erteile der Abgeordneten Eva Bulling-Schröter das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herrn Finanzminister Waigel wurde vom Naturschutzbund Deutschland vor Weihnachten der peinlichste Umweltpreis, der Dinosaurier des Jahres, verliehen. Damit sollte die skandalöse Privatisierung streng geschützter Naturflächen in Ostdeutschland durch die Treuhandnachfolgegesellschaft BVVG gewürdigt werden.
Leider gehen diese Verkäufe weiter. Ich meine, sie müssen sofort gestoppt werden. Das muß das Ziel dieser Aktuellen Stunde sein.
Nur sieben Jahre, nachdem es in den letzten Tagen der DDR gelang, die wertvollsten Naturräume, das Tafelsilber der deutschen Einheit, in einem System von Nationalparks, Biosphärenreservaten und Naturparks zu sichern, will die Bundesrepublik ihre Grundstücke in den Schutzgebieten verkaufen, und zwar an Leute, die in der Regel eher ein Jagd- bzw. Anlageinteresse als einen Sinn für Flora und Fauna haben dürften.
Ob es schon Staatsland war oder infolge der Bodenreform in Staatshand kam - um die K.o.-Politik dieser Bundesregierung zu finanzieren, wird es nun verscherbelt. Allein im Müritz-Nationalpark sind es fast 1 700 Hektar. Da die verkauften oder zu verkaufenden Schutzgebiete holzwirtschaftlich nicht genutzt werden können, vermutet das Nationalparkamt Müritz, daß die Käufer eher Interesse an dem im Wald lebenden Wild hätten. Weiterhin besteht die Gefahr, daß Auflagen des Naturschutzes nach Erwerb durch Private sukzessive gekippt werden oder bei Naturschutzflächen, die sich noch in der Planungsphase befinden, gar nicht erst wirken sollen. Wie wir durch die Beantwortung unserer Kleinen
*) Anlage 6
Eva Bulling-Schröter
Anfrage zum Thema erfahren durften, ist es für die Bundesregierung scheinbar völlig egal, ob Flächen unter Schutz stehen oder nicht.
Das erste Problem: Wenn Naturschutzflächen land- oder forstwirtschaftlich bewirtschaftet werden, können sie nach der Flächenerwerbsverordnung privatisiert werden. Die PDS hat das schon damals bei der Erarbeitung der Verordnung kritisiert, konnte sich aber nicht durchsetzen.
Das Bundesfinanzministerium ist nun der Auffassung, daß selbst dann noch eine land- und forstwirtschaftliche Nutzung vorliegt, wenn diese Nutzung von der Zweckbestimmung Naturschutz derart überlagert wird, daß die Bewirtschaftung ausschließlich in eine dem Naturschutzziel dienende Rolle gedrängt wird und Erträge fast nur noch aus Ausgleichszahlungen der Naturschutzhaushalte bestehen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wer eine solche Rechtsauffassung vertritt, hat entweder keinen Schimmer von Naturschutzmanagement in Mitteleuropa oder will bewußt den Naturschutz zum Vorteil privater Interessen kippen. Ohne die regelmäßige Mand zum Beispiel einer Orchideenwiese kann man sie in wenigen Jahren schlichtweg vergessen. Für den Finanzminister ist das aber klassische Landwirtschaft wie auf dem Acker. Bahn frei also zum Ausverkauf!
Der eigentliche Skandal liegt aber in der Antwort auf die Frage 14 unserer Kleinen Anfrage. Das Finanzministerium räumt ein, daß Naturschutzflächen, sofern auf ihnen keine Landwirtschaft im eben genannten Sinne betrieben wird, für einen Erwerb nach der Flächenerwerbsverordnung nicht zur Verfügung stehen.
Unser damaliger Antrag gegen die Privatisierung in Naturschutzgebieten wurde auch mit der Begründung abgelehnt, daß der Schutz dieser Flächen in der Flächenerwerbsverordnung verankert sei. Nun stellt sich aber heraus, daß nach Auffassung der Bundesregierung die Flächenerwerbsverordnung an dieser Stelle nicht das Papier wert ist, auf dem sie gedruckt wurde; denn sobald der Schutz nach Flächenerwerbsverordnung greift, gilt laut Finanzministerium plötzlich der allgemeine Privatisierungsauftrag laut Treuhandgesetz. Das ist unglaublich und eine Täuschung des Parlaments.
Was soll das bedeuten? Daß im Osten nun wirklich alles schutzlos verscherbelt werden kann, was irgendwie im Staatsbesitz ist? Der Naturschutzbund fragt in einem Beitrag zu Recht: Würden die USA ihren Yellowstone-Nationalpark verkaufen oder das bitterarme Tansania die Serengeti? Unvorstellbar! - Richtig.
Zum Schluß möchte ich folgendes sagen: Wenn mir hier vorgeworfen wird, daß ich keine Ahnung habe, dann fordere ich Sie auf, sich bei Ihrem CDU-Landwirtschaftsminister in Mecklenburg-Vorpommern zu erkundigen, weil in Wirklichkeit Sie derjenige sind, der keine Ahnung hat.
Ich erteile das Wort der Abgeordneten Elke Holzapfel.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn von Ihnen über Schutz und Wahrung der Natur gesprochen wird, dann muß ich Ihnen sagen, daß mich ein Schauer durchfährt. Hoffentlich hören sehr viele Bürger im Land, was Sie hier von sich geben.
Die Naturschutzsituation in der ehemaligen DDR war durch zwei Extreme gekennzeichnet. Auf der einen Seite waren, insbesondere durch Schadstoffeinträge, die Naturgüter Wasser, Luft und Boden extremen Belastungen ausgesetzt.
Andererseits existieren in den neuen Bundesländern noch viele großflächige natürliche und naturnahe Gebiete, in denen stark gefährdete oder seltene Pflanzen und Tierarten überleben konnten. Diese großflächigen Gebiete stellen ein wertvolles Naturerbe dar, das vorrangig geschützt und erhalten werden muß.
Noch im September 1990 wurden auf dem Gebiet der neuen Länder fünf Nationalparke, sechs Biosphärenreservate und drei Naturparke mit einer Gesamtfläche von 9180 Quadratkilometern unter Schutz gestellt. Das haben wir sicherlich nicht Ihnen zu verdanken.
Dies ist durch den Einigungsvertrag festgeschrieben.
Von der Gruppe der PDS wurde bereits eine Kleine Anfrage an die Bundesregierung zur Privatisierung von Naturschutzflächen in den neuen Bundesländern gestellt; heute nun soll es um die Privatisierung von Flächen in den Nationalparks gehen. Sie haben dieses Thema also eingeschränkt. Offenbar haben Sie selbst eingesehen, daß es um die Privatisierung von Naturschutzflächen als solche überhaupt nicht geht.
Diese Flächen stehen nicht deshalb zur Privatisierung an, weil es Naturschutzflächen sind; vielmehr gilt, daß trotz Nutzungsbeschränkungen eine Privatisierung - also die Überführung des Eigentums von der öffentlichen in die private Hand - weder verboten noch sonst aus Gründen des Naturschutzes ausgeschlossen ist.
Elke Holzapfel
Ich will nur am Rande vermerken, daß sehr genau beachtet werden muß, welche Art der Unterschutzstellung im einzelnen vorliegt und welchen Umfang die Nutzungsbeschränkung im Interesse des Naturschutzes für ein konkretes Grundstück jeweils haben muß.
Naturschutz geht alle an. Er ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Deshalb orientiert sich Naturschutz auch nicht am Eigentümer des Grundstücks, sondern an der Schutzwürdigkeit der Natur.
Dies ist der Ansatz unserer Gesetze. Sie gelten für alle, vor allem aber auch für Privateigentümer.
Sie streben ganz offenbar die Monopolisierung des Naturschutzes durch die öffentliche Hand an. Das läuft dem Naturschutzgedanken im Kern zuwider und offenbart ein unberechtigtes Mißtrauen
in das Verantwortungsgefühl des in der Demokratie mündigen Bürgers.
Ich beziehe mich ausdrücklich auf Art. 14 Abs. 2 unseres Grundgesetzes:
Eigentum verpflichtet.
Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.
Aber Sie reden generell von etwas anderem als ich.
Für Flächen in den Nationalparks gilt nichts anderes. Deren Festsetzung richtet sich ausweislich nach dem Bundesnaturschutzgesetz.
Naturschutz ist Ländersache.
Die Länder allein müssen entscheiden, ob sie für ihre Aufgaben eigene Flächen erwerben wollen. Hierfür stehen ihnen von der Festsetzung erfaßte Bundesflächen vorrangig zur Verfügung. Ich möchte Ihnen das an einem Beispiel deutlich machen.
Der Freistaat Thüringen hat mit Gesetz vom 22. Dezember 1997 mitten in Deutschland, unmittelbar in der Nähe der ehemaligen innerdeutschen Grenze, den 13. rechtsverbindlich ausgewiesenen Nationalpark der Bundesrepublik errichtet.
Von dem insgesamt 7400 Hektar großen Waldgebiet
stehen 5200 Hektar im Eigentum des Bundes. Diese
Flächen - und auch das will ich hier nicht verschweigen - wurden durch die Rechtsvorgängerin der PDS
erst in den 60er Jahren - allerdings nicht in jedem Fall entschädigungslos - enteignet und als Übungsplatz für die Grenztruppen umfunktioniert.
Erst dadurch kam der Bund in den Besitz dieser Flächen.
- Hören Sie doch mit dem alten Käse auf!
Auch vor diesem Hintergrund ist der Bund bemüht, dem Land Thüringen alle für die Errichtung des Nationalparks benötigten Flächen zu veräußern oder gegen andere Flächen einzutauschen. Wenn der Freistaat Thüringen an einem Erwerb oder Tausch nicht interessiert ist, kann allerdings von der Veräußerung dieser für den Bund entbehrlichen Flächen an private Dritte nicht abgesehen werden. Die entsprechenden Verhandlungen mit dem Land sind bereits sehr weit fortgeschritten und stehen kurz vor dem Abschluß.
Frau Kollegin, Ihre Redezeit ist abgelaufen.
Dem Land sollten die Flächen des Hainich-Nationalparkes als Kompensation für durch die Verkehrsprojekte Deutsche Einheit herausgelösten Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen übertragen werden.
Frau Kollegin, ich bitte Sie, zum Schluß zu kommen. Ihre Redezeit ist abgelaufen.
Dies halte ich persönlich für die sinnvollste Lösung. Der Bund wird damit unter Wahrung der Vorgaben der Bundeshaushaltsordnung einen gewichtigen Beitrag zur Umsetzung der Landes- und Regionalplanung des Freistaates leisten.
Danke.
Frau Kollegin, Sie sind erst vor kurzer Zeit in dieses Haus nachgerückt. Das war heute Ihre erste Rede. Ich möchte Ihnen die traditionellen Wünsche des Hauses überbringen, daß Sie dieses für Sie wichtige Ereignis hinter sich gebracht haben.
Damit gebe ich der Abgeordneten Ulrike Mehl das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vorweg möchte ich sagen: Die Natur gehört keiner Partei und keiner Fraktion.
Aber es gehört zu den Aufgaben jeder Partei und jeder Fraktion, sich um dieses Thema zu kümmern. Deswegen dürfen wir es nicht zulassen, daß die besten und schönsten Naturschutzgebiete in den neuen Bundesländern vom Bundesfinanzminister verscherbelt werden.
Der Ausverkauf der Natur, der Verkauf des „Tafelsilbers der deutschen Einheit", wie Ex-Umweltminister Töpfer es nannte, muß gestoppt werden - nicht nur gestopft, sondern gestoppt.
Das Kapital unserer natürlichen Lebensgrundlagen darf nicht den leeren Kassen des Bundesfinanzministers geopfert werden. Ich sage Ihnen auch: Das ist nicht nur ein Problem der neuen Länder.
Diese Probleme gibt es auch in den alten Bundesländern. Deswegen werden wir zukünftig noch einmal darüber reden müssen.
Wir fordern die Bundesregierung auf, auf bundeseigenen Flächen ein positives Beispiel für zukunftsweisende Naturschutzprojekte zu geben. Gerade die wichtigsten Naturschutzflächen in den Großschutzgebieten müssen für unsere Kinder und Enkel gesichert werden. Das führen auch die Kollegen von der Koalition gerne im Munde. Dann sorgen Sie bitte auch für die Voraussetzungen.
Internationale Verpflichtungen wie das Übereinkommen über die biologische Vielfalt, das gerade auf den Erhalt großflächiger Schutzgebiete abzielt, können nur dann zum Erfolg führen, wenn die Vertragsstaaten sich an sie halten. Hier hat die Bundesregierung durchaus eine Verpflichtung. Wenn Sie immer nur mit dem Finger auf die Länder zeigen, heißt das, daß Sie sich Ihrer Verpflichtung entziehen.
Aber ganz abgesehen von diesen internationalen Verpflichtungen frage ich mich, wo die Logik - im Sinne von Vernunft - bleibt, wenn das Bundesumweltministerium Gebiete mit gesamtstaatlich repräsentativer Bedeutung jedes Jahr mit 40 Millionen DM fördert, diese 40 Millionen DM in erster Linie für den Ankauf von Flächen ausgegeben werden und gleichzeitig der Finanzminister diese Flächen verkauft. Das ist ja wohl völlig daneben.
Der Finanzminister meint, wie aus der Antwort auf die Kleine Anfrage hervorgeht, daß die Flächen allein durch Schutzgebietsverordnungen gesichert
seien - auch die Kollegin hat das eben so gesagt - und die Naturschutzauflagen auch bei der Privatisierung eingehalten werden müßten. Das ist natürlich nur die halbe Wahrheit; denn in der Naturschutzpraxis vor Ort zeigt sich, daß die Entwicklung und Erstellung von Plänen für Naturschutzgebiete, Nationalparks und Biosphärenreservate durch Flächen in Privathand erheblich erschwert oder sogar behindert werden.
Ich kann Ihnen, Frau Kollegin, nur einmal ans Herz legen, sich zu informieren. Ich weiß nicht, wie es in den einzelnen Bundesländern läuft. Aber ich weiß, was in Schleswig-Holstein abläuft. Da hat eine bestimmte Gruppe angefangen, eine Kampagne gegen den Naturschutz zu fahren. Das sind in erster Linie Grundeigentümer, die völlig neben der sachlichen Lage Stimmung machen gegen den Naturschutz. Da soll mir noch einer erzählen, man könne mit den Grundeigentümern gemeinsam im Sinne des Naturschutzes arbeiten.
Ich bezweifle das. Deswegen plädiere ich dafür, daß die öffentliche Hand Naturschutzflächen nicht veräußert.
Auch in den alten Bundesländern haben wir bei Bundesliegenschaften, zum Beispiel Truppenübungsplätzen in Bundesbesitz, die gleichen Probleme. Wir haben ein solches Problem in Schleswig-Holstein gehabt: Flächen, die dem Land Mecklenburg-Vorpommern gehörten und auf schleswig-holsteinischem Gebiet lagen, sollten verkauft werden. Das hat dazu geführt, daß der Kreis sich mit 1,5 Millionen DM am Kauf beteiligt hat; insgesamt wurden mehrere Millionen DM Steuergelder dafür ausgegeben, daß Waigel seine Steuerlöcher stopft.
Dieses Geld mußte ausgegeben werden, weil auf diesem Wege die Naturschutzflächen am ehesten gesichert werden können.
Leider ist es eben nicht so, daß alle Grundbesitzer bereit sind, viel Geld für Flächen auszugeben und dann Naturschutz an die allererste Stelle zu setzen. Ich würde nie behaupten, daß Grundbesitzer absichtlich gegen Gesetze verstoßen. Da kommt es auch auf die Vertragsvereinbarungen an; es muß völlig klar sein, wenn Gebiete dem Naturschutzrecht unterliegen. Aber Theorie und Praxis sind ein Unterschied. Wenn Sie in Großschutzgebieten - um die geht es - Entwicklungen im Sinne des Naturschutzes bewirken wollen, dann ist es immer sehr viel schwieriger, wenn die Flächen in Privatbesitz sind. Wenn sich jemand solche Flächen kauft, dann tut er das natürlich mit dem Vorhaben, sie auch privat zu nutzen. Sonst müßte er sie nicht kaufen; solch ein Wald ist ja keine Geldanlage.
Zum Abschluß: Es ist absolut notwendig, daß wir über dieses Thema noch einmal diskutieren und daß klar wird, daß Löcher im Finanzhaushalt nicht damit
Ulrike Mehl
gestopft werden dürfen, daß Naturschutzflächen ausverkauft werden.
Ich gebe dem Abgeordneten Dr. Jürgen Rochlitz das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es geht hier nicht um einen PDS-Antrag und auch nicht um SED-Geschichte. Vielmehr geht es um den Skandal der Verscherbelung des Tafelsilbers der deutschen Einheit, wie man es besser nennen sollte.
Während es weltweit üblich ist, daß zum langfristigen Schutz des nationalen und internationalen Naturerbes Flächen von Staaten angekauft werden, wird hier versucht, Flächen zu verkaufen. Diese andere Praxis erleben wir vor allem im Osten Deutschlands.
Die Bundesregierung hat eine große Verantwortung für den Erhalt der natürlichen biologischen Grundlagen in Deutschland, die sie nicht ausschließlich auf die Länder abwälzen kann, wie das hier suggeriert worden ist, zumal auch dort häufig kurzfristige Finanzinteressen vor langfristigen Zukunftsinteressen regieren. Auf internationaler Ebene und auf dem Papier gibt sich die Bundesregierung den Anschein einer Vorreiterin im Ressourcen- und Naturschutz. Um glaubwürdig zu bleiben, müssen aber Taten zu Hause folgen.
Die Bundesregierung muß zum Wohle der Allgemeinheit und zur Verbesserung des Naturschutzes bundeseigene Flächen für besonders wichtige Schutzgebiete wie etwa Nationalparks und Totalreservate zur Verfügung stellen und ihrerseits ankaufen. Auch außerhalb von Schutzgebieten sollten nicht alle Flächen des Bundes in den neuen Bundesländern verkauft werden. Gerade in Ostdeutschland hat die Bevölkerung für eine übertriebene - hundertprozentige - Privatisierung kein Verständnis, zumal in Westdeutschland die Waldflächen in Nationalparks ausnahmslos Staatswälder sind.
Wald mit seinen vielfältigen Funktionen - Holznutzung, Erholungswert, Naturschutz, Klima - kann langfristig am besten von der Allgemeinheit genutzt werden, wenn er Eigentum der öffentlichen Hand bleibt. Das gleiche gilt für Seen und Seeufer, die allgemein zugänglich und damit in der Hand der öffentlichen Verwaltung bleiben sollten.
Anders wird sich die Auffassung des Sachverständigenrates für Umweltfragen nicht umsetzen lassen. Nach dessen Meinung sollte - ich zitiere aus seinem Umweltgutachten von 1994 -
auf etwa 10 % der Landesfläche Deutschlands dem Naturschutz absolute Priorität eingeräumt werden. Davon sollten etwa 5 % einem Totalschutz unterliegen, das heißt gänzlich der Eigendynamik der Natur überlassen bleiben ... Einen Schwerpunkt sollte dabei die Schaffung von Großschutzgebieten bilden.
Mit der Politik der Verscherbelung von Naturschutzgebieten wird dieses Ziel des Sachverständigenrats nicht zu erreichen sein.
Die Nutznießer der Verkaufspraxis der Bodenverwertungs- und -verwaltungs GmbH in Ostdeutschland sind zum einen Adelige, die als Alteigentümer berechtigt sind oder ihr Vermögen in ostdeutschen Flächen anlegen, und zum anderen alte Genossen, wie zum Beispiel Vorsitzende von Jagdgesellschaften.
Bei dieser Verkaufspraxis und Auslegung der gesetzlichen Grundlagen bleiben die Anliegen und Flächenansprüche des Naturschutzes völlig außen vor. Die BVVG stellt erst Flächen für den Naturschutz zur Verfügung, wenn sich nach dem Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetz keine Erwerbsberechtigten mehr finden.
Während die Erwerbsberechtigten extrem niedrige Preise zahlen, müssen die Naturschutzverbände als Nichterwerbsberechtigte für dieselben Flächen teilweise einen zehnfach höheren Preis zahlen, wenn sie denn Interesse daran gezeigt haben. Darüber hinaus streben die privaten Käufer aus wirtschaftlichen Erwägungen häufig eine Land- und Forstwirtschaft an, die mit den Zielen von Naturschutzgebieten in der Regel nicht vereinbar ist. Der Verkauf von Naturschutzflächen, bei denen naturgemäß Nutzungsbeschränkungen und andere Restriktionen bestehen, kann für die Bundesländer zukünftig zu hohen Entschädigungs- und Ausgleichszahlungen führen, so daß durch den Verkauf auf die öffentlichen Haushalte in den Ländern erheblich mehr Kosten zukommen können, als jetzt durch Einnahmen realisiert werden. Um die Verkaufspraxis der BVVG zu ändern, bedarf es des politischen Willens, das Naturschutztafelsilber nicht zu verschleudern, sondern für die Zukunft zu erhalten.
Bündnis 90/Die Grünen fordern, den Handlungsspielraum der Flächenerwerbsverordnung zu nutzen und zumindest von dem Verkauf der Totalreservate abzusehen. Die Verkaufspraxis der BVVG kann naturschutzfreundlicher gestaltet werden. Dies hat sich bereits nach der Kritik des Naturschutzbundes und des Trägers des alternativen Nobelpreises Succow gezeigt. Weiterhin muß die Flächenerwerbsverordnung geändert werden, so daß auch Sachwalter öffentlicher Nutzungsinteressen als Erwerbsberechtigte gelten können. Darüber hinaus sollten künftig für den Flächenankauf zu Naturschutzzwecken günstigere Preise gelten, da ansonsten das Großschutzgebietsprogramm als gesamtstaatliche Aufgabe zur Verbesserung der Flächenbilanz im Naturschutz zu scheitern droht.
Ich appelliere an Sie, meine Damen und Herren, und vor allen Dingen an Sie, Herr Klinkert, von der Bundesregierung: Stoppen Sie den Ausverkauf der Natur! Es geht um mehr als um Tafelsilber.
Danke schön.
Ich gebe das Wort dem Abgeordneten Uwe Lühr.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Diese Aktuelle Stunde ist zustande gekommen auf Grund eines Etikettenschwindels, den der Ältestenrat bedauerlicherweise hat durchgehen lassen.
Da nach unserer Geschäftsordnung Kleine Anfragen nicht als Verhandlungsgegenstand auf die Tagesordnung gesetzt werden können, wird der gleiche Gegenstand von der PDS so umfrisiert, daß die Täuschung gelingt,
obwohl Ihre Kleine Anfrage vom November 1997 durch die Bundesregierung ausreichend beantwortet wurde und das Thema nicht von allgemeinem Interesse ist.
Es ist überhaupt nichts Neues, daß mit der Durchführung der Privatisierung der ehemals volkseigenen land- und forstwirtschaftlich genutzten Flächen die Bodenverwertungs- und -verwaltungs GmbH beauftragt ist. Um diesen Auftrag durchführen zu können, ist der Bodenverwertungs- und -verwaltungs GmbH schon im Juni 1996 das Eigentum an den zum Treuhandvermögen gehörenden Flächen übertragen worden. Es ist auch nicht neu, daß ein Teil dieser Flächen noch nach den Bestimmungen des Einigungsvertrages und des Vermögensgesetzes an die früheren Eigentümer zur restituieren ist und die Flächen im übrigen verkauft werden sollen.
Natürlich ist der Bund bereit und willens, den Ländern oder auch Projektträgern bundeseigene Flächen in Nationalparks oder Naturschutzgebieten im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten zu verkaufen oder gegen andere Flächen einzutauschen. Werden von diesen die Flächen aber nicht nachgefragt, werden sie, wo immer möglich, an Private verkauft, und das zum Verkehrswert. Das mindert nicht den Schutz von Natur und Landschaft. Die naturschutzrechtlichen Auflagen treffen jeden Grundstückseigentümer, die öffentliche Hand ebenso wie den privaten.
Die Länder haben im Rahmen ihrer eigenen Zu ständigkeit für den Natur- und Landschaftsschutz alle Möglichkeiten, die Einhaltung der Schutzbestimmungen auch durch Private zu gewährleisten. Auf
den Bund als Grundstückseigentümer kommen keine anderen oder besonderen Pflichten aus dem Natur- und Landschaftsschutz zu als auf den privaten Grundstückseigentümer. Die geltende Gesetzeslage verpflichtet den Bund sogar, nicht selbst benötigte Grundstücke zum Verkehrswert zu veräußern,
wobei natürlich Nutzungsbeschränkungen auf Grund von Natur- und Landschaftsschutz sowie auch die Gegebenheiten des örtlichen Grundstücksmarktes bei der Preisbildung zu berücksichtigen sind.
In der Auswahl der privaten Erwerber ist die Bodenverwertungs- und -verwaltungs GmbH nach dem Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetz und der Flächenerwerbsverordnung allerdings beschränkt: Wenn die land- und forstwirtschaftliche Nutzung von Flächen, wenn auch eingeschränkt, möglich bleibt, sind diese nach den geltenden Vorschriften an Alteigentümer oder ortsansässige Wieder- und Neueinrichter - zu den gesetzlichen Preisen - zu verkaufen. Nur wenn keine Ansprüche einen solchen Vorrang begründen oder es sich um Flächen handelt, für die die land- und forstwirtschaftliche Nutzung völlig untersagt ist, können solche Flächen an das jeweilige Land oder an den jeweiligen Projektträger veräußert werden.
Das ist die gängige Praxis. Daß diese Praxis von interessierter Seite Ende letzten Jahres öffentlich angegriffen wurde, um die Überreichung des sogenannten Umwelt-Dinosauriers an den Bundesfinanzminister vorzubereiten, verleiht ihr dennoch keine Aktualität, die unsere heutige Debatte begründen könnte. Die F.D.P.-Fraktion jedenfalls wird die Bundesregierung bei der Fortsetzung der gängigen Praxis unterstützen.
Herr Kollege, ich wollte Sie am Anfang Ihrer Ausführungen nicht unterbrechen. Aber ich mache Sie der Ordnung halber darauf aufmerksam, daß die Entscheidung der Präsidentin, diesen Punkt auf die Tagesordnung zu setzen, geschäftsordnungsmäßig korrekt und hier im Hause nicht zu kritisieren ist.
Ich erteile nun der Parlamentarischen Staatssekretärin Irmgard Karwatzki das Wort.
Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Die Bundesregierung ist in ihrer Antwort vom 13. Januar, also von Dienstag dieser Woche, auf die Kleine Anfrage der PDS zur Privatisierung von Naturschutzflächen in den neuen Bundesländern ausführlich auf die hier jetzt zur Debatte stehende Thematik eingegangen. Ich kann heute und jetzt nichts anderes sagen. Ich könnte das, was dort niedergeschrieben ist, nur wie-
Parl. Staatssekretärin Irmgard Karwatzki
derholen. Das, liebe Kollegen, möchte ich Ihnen und mir aber ersparen.
Ich gebe der Abgeordneten Christel Deichmann das Wort. Bitte schön.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im Jahr 1990 bringt die DDR zur Wiedervereinigung einiges an Tafelsilber ideeller und materieller Art mit. Sowohl vom Ideellen wie auch vom Materiellen ist inzwischen leider vieles verlorengegangen, manches unverschuldet, weil es in diesem größeren Land einfach nicht mehr haltbar war, manches aber auch von den Menschen aus Ost und West verschuldet, weil die einen den Wert zu spät erkannten und die anderen wie gelähmt zusahen, was die da drüben wohl machen.
So ziemlich die letzten „Erbstücke" kommen nun unter den Hammer. Die Landwirtschaft, die als einziger Wirtschaftszweig annähernd wieder funktionieren könnte, wird immer wieder attackiert. Ich nenne nur die Stichworte Novellierung des Landwirtschaftsanpassungsgesetzes und Flächenerwerbsverordnung, die zwar nicht gewollt ist, aber so genommen wird, wenn sie ins Konzept paßt.
Dann sind da noch einige besonders schöne und auch wertvolle Stücke in traumhaft schönen Landschaften: unberührte Natur, seltene Tiere und Pflanzen. Mecklenburg-Vorpommern, das sich immer mehr zum Mezzogiorno dieser Republik entwickelt, hat einen überdurchschnittlich hohen Anteil an schützenswerten Flächen. Da muß das Kapital jetzt doch endlich heran. Privatisierung heißt die Devise dieser Bundesregierung und der sie tragenden Parteien in Bund und Land, koste es, was es wolle: für ein paar Silberlinge, gemessen an dem wahren Wert für Deutschland und Europa, für heutige und zukünftige Generationen.
Die Flächen aus Nationalparks werden teilweise an kapitalkräftige Bewerber verramscht. Auch Naturschutzgroßprojekte des Bundes sind davon betroffen. Schutzziele bei Waldflächen werden offensichtlich zugunsten von Jagdinteressen geopfert.
Leider - auch das muß an dieser Stelle gesagt werden - hat es zum Beispiel das Land Mecklenburg-Vorpommern - sprich: die damalige Umweltministerin Uhlmann - versäumt, auf das Angebot des Bundes einzugehen und wirklich schützenswerte Flächen für null D-Mark bzw. auf dem Wege des Flächentausches in seinen Besitz zu nehmen. Frau Uhlmann war damals offensichtlich mehr damit beschäftigt, die Gewinne der Deponie Ihlenberg zu privatisieren und die Verluste zu sozialisieren, als ihre Verantwortung im Naturschutz wahrzunehmen.
- Aber der Schaden ist angerichtet.
Die Treuhand bzw. die BVVG hat wieder einmal eine weiße Weste. Sie versteckt sich hinter dem Privatisierungsauftrag, indem sie sich auf das Treuhandgesetz und das Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetz beruft; wir haben es gehört. 1996 haben wir ja nun mit dem „Amnestiegesetz" erlebt, wie schnell Gesetze angepaßt werden können, wenn nur bestimmte Regionen betroffen sind. Auch wenn diese Gesetze richtig Geld kosten, kann man das machen. Damals hat diese Änderung über 60 Millionen DM gekostet.
Fakt ist, der Bund und die BVVG verfügen in Mecklenburg-Vorpommern über zirka 30 Prozent der Landflächen in den Nationalparken; einschließlich der Wasserflächen sind es über 72 Prozent. Fachleute, die nicht im Verdacht der Nähe zur SPD stehen, sagen eindeutig: Eine wie bisher vorgesehene Privatisierung der Landflächen durch den Bund führt mit Sicherheit in Zukunft zu verstärkten Konflikten zwischen Privateigentümern und Nationalparkzielstellung. Wenn schon eine verbilligte oder kostenfreie Übergabe der Flächen an das Land nicht möglich erscheint, wäre zumindest vor dem Verkauf an Private die Sicherung der Schutzgebietsauflagen im Grundbuch erforderlich.
- Wir wissen ja, wie es geht.
Ich fordere eindeutig den Stopp des Verkaufs von Flächen in Nationalparken. Falls die Verkäufe unvermeidbar sind, so sind zumindest die geschützten Kernzonen auszusparen. Bei allen sonstigen Schutzgebieten sollte die land- oder forstwirtschaftliche Nutzung ausgeschlossen werden. Der Ausschluß von Bewirtschaftung muß dem Käufer mit dem Kaufvertrag auferlegt werden; es muß klar geregelt sein, daß er den Schutzstatus unbedingt zu sichern hat. Dies scheint in der Vergangenheit nicht immer geklappt zu haben, wie es im Fall der uckermärkischen Seen zu erkennen ist.
Käufer, die heute in Großschutzgebieten Flächen erwerben, dürfen später keine Ansprüche auf Ausgleichszahlungen erheben können. Auch das muß deutlich gesagt werden.
Auch wenn der Naturschutz eine Aufgabe der einzelnen Bundesländer ist, darf sich die Bundesrepublik Deutschland als Ganze ihrer Verantwortung in Sachen Naturschutz nicht entziehen. Es ist doch geradezu grotesk, auf der einen Seite auf internationalem Parkett die führende Rolle zum Beispiel heim Klimaschutz oder beim Schutz der Regenwälder einnehmen zu wollen und auf der anderen Seite unser kulturelles Erbe, das „Tafelsilber" oder auch die „Kronjuwelen" der deutschen Einheit, meistbietend zu ver-
Christel Deichmann
kaufen und letztlich den Naturschutz zu einem bloßen Lippenbekenntnis verkommen zu lassen.
Danke.
Ich gebe das Wort der Abgeordneten Vera Lengsfeld.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Eigentlich würde ich dem Beispiel der Staatssekretärin gerne folgen, weil auch ich der Meinung bin, daß man, bevor man eine Aktuelle Stunde beantragt, erst einmal die dazugehörigen Dokumente lesen und seine Hausaufgaben machen sollte. Als eine derjenigen, die damals in der Volkskammer maßgeblich mit dafür gesorgt hat, daß dieses Nationalparkprojekt angenommen wurde, und als eine derjenigen, die dieses Projekt der ehemaligen DDR über all die Jahre eng begleitet hat und im Gegensatz zu anderen, die hier gesprochen haben, regelmäßig vor Ort gewesen ist, habe ich doch das Bedürfnis, einige Anmerkungen zu machen.
Hier sind so viele Nebelbomben geworfen worden, daß das Gefühl nicht ausbleibt, daß hier nach dem Prinzip verfahren wird: Wo so viel Rauch ist, müßte auch ein Feuer sein. Weil ich die Interpretation der Geschichte aber nicht gerade Ihnen von der PDS überlassen will, da ich noch den Leninschen Satz gelernt habe: „Wer die Geschichte interpretiert, wird morgen regieren"
- das will ich ganz bestimmt nicht -, muß ich heute noch eine Geschichtsinterpretation liefern und die Tatsachen nennen, mit denen wir es zu tun haben.
Ich stelle Ihnen gern meine Notizen zur Verfügung, damit Sie alles noch einmal nachlesen können, da Sie mit dem Lesen offenbar auf Kriegsfuß stehen. Tatsache ist, daß die BVVG bei den Verkäufen, die sie tätigt, hinsichtlich der Auswahl der Bewerber an ganz bestimmte Auflagen gebunden ist. Die dafür maßgeblichen Bestimmungen sind hier genannt worden. Das sind das Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetz und die Flächenerwerbsverordnung. Danach sind Flächen, die trotz Schutzstatus land-und forstwirtschaftlich bewirtschaftet werden können, zuerst solchen Pächtern und Alteigentümern anzubieten, die gesetzlich nach dem Entschädigungs-und Ausgleichsleistungsgesetz zum Kauf berechtigt sind.
Herr Kollege Rochlitz hat das Beispiel gebracht, daß andere Länder Flächen für den Naturschutz aufkaufen. Hier haben wir es mit Flächen zu tun, die vorher jemandem gehört haben, die zum Teil unberechtigt enteignet worden sind. Das darf man nicht vergessen.
Selbst wenn diese Interessenten dann die Flächen erwerben, können sie damit keineswegs machen, was sie wollen. Sie sind sich dessen bewußt, daß sie
Flächen erwerben, die als Nationalparks oder Naturschutzgebiete ausgewiesen sind. Schon im Kaufvertrag ist die Verpflichtung enthalten, sich an die entsprechenden Bestimmungen, das heißt die Naturschutzbestimmungen und die Bestimmungen für die Nationalparks, zu halten. Bisher ist noch keine einzige geschützte Fläche ohne vorherige Abstimmung mit dem jeweiligen Land über Objektzuschnitt, Schutzauflagen und Schutzzwecksicherung angeboten oder verkauft worden.
Da die SPD hier so große Töne spuckt: In Mecklenburg-Vorpommern regiert sie mit, in Brandenburg regiert sie sogar allein, und in Sachsen-Anhalt hat die PDS mit das Sagen. Sie haben jede Möglichkeit, Ihren Einfluß in den Ländern geltend zu machen, daß solche Flächen vom Land erworben werden.
Die BVVG bietet den Ländern sogar an, ihnen diese Flächen durch Tausch zur Verfügung zu stellen. Dann frage ich Sie: Warum tun Sie das dort, wo Sie in den Regierungen sitzen, nicht? Sie bräuchten doch gar nicht hier in Bonn zu sitzen und zu jammern; Sie könnten vor Ort etwas tun.
Frau Kollegin Mehl, ich bin der Meinung, daß wir über dieses Thema im Umweltausschuß doch noch einmal reden müssen, denn soviel Unkenntnis, wie heute - entschuldigen Sie bitte - von den Rednern der Opposition offenbart wurde, kann nicht stehenbleiben.
- Meine Redezeit ist nicht so lang, sonst würde ich Ihnen dies an einem Beispiel vorexerzieren. Deswegen biete ich Ihnen an, das im Umweltausschuß zu machen.
Ich möchte exemplarisch zwei PDS-Behauptungen herausgreifen. Die PDS sagt, es bestehe der Verdacht, daß Auflagen des Naturschutzes nach Erwerb durch Private sukzessive gekippt werden. Tatsache ist jedoch, daß die BVVG die mit den Erwerbern abgeschlossenen Kaufverträge auf die Einhaltung der vertraglichen Verpflichtungen hin überwacht. Das umfaßt die Überprüfung der Bewirtschaftungskonzepte ebenso wie eventuelle Naturschutzauflagen. Das Management der Verträge, das häufig 20 Jahre anhält, schließt auch die Rückabwicklung bei schweren Verstößen ein und läßt Spekulanten damit kaum eine Chance. Das heißt also, daß Sie mit Ihren Behauptungen völlig danebenlieben.
Abgesehen davon ist es Recht und Pflicht der Landesbehörden, in den privatisierten Wäldern nachzuprüfen, ob die Eigentümer Bundes- und landesrechtliche Bestimmungen, darunter auch die zum Naturschutz, einhalten.
Dann gibt es die weitere PDS-Behauptung, mit Bestürzung müßten Schutzgebietsverwaltungen fest-
Vera Lengsfeld
stellen, daß ihre Kaufverträge keine Berücksichtigung fänden, den potentiellen Käufern aber in vielen Fällen nicht einmal mitgeteilt würde, daß es sich um Schutzgebiete höchster Priorität handele. Folge: die Besitzer könnten nach Kaufvertragsabschluß später bei berechtigten Naturschutzauflagen Ausgleichszahlungen verlangen. Das ist glatt nicht wahr.
Frau Kollegin, Sie müssen zum Schluß Ihrer Rede kommen.
Herr Präsident, gestatten Sie mir noch, daß ich der PDS wenigstens die Beispiele nenne, die beweisen, daß es nicht wahr ist.
Nein, Frau Kollegin, Ihre Redezeit ist abgelaufen.
Es geht um den Uferstreifen entlang der Müritz, der an Mecklenburg-Vorpommern ging, sowie um das Grambower Moor.
Frau Kollegin, Sie müssen zum Schluß Ihrer Ausführungen kommen.
Es geht um das Objekt Peenetal-Landschaft im Landkreis Ostvorpommern sowie um Ankershagen im Müritz-Nationalpark. Es geht auch um die Waldflächen im Nationalpark Unteres Odertal und um die Flächen im Biosphärenreservat Schorfheide-Chorin.
Frau Kollegin, Sie müssen zum Schluß Ihrer Rede kommen.
Das alles sind die Gegenbeispiele zu den PDS-Behauptungen. Im übrigen gibt es auch ein schönes Beispiel dafür, daß Privateigentum und Naturschutz sich nicht ausschließen: den Forst Klockow im Müritz-Nationalpark.
Herr Präsident, ich bin am Ende.
Ich gebe das Wort der Abgeordneten Eva Bulling-Schröter.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Aktuelle Stunde hat die Gemüter bewegt. Das heißt also, wir haben in eine Wunde gestochen. Das freut mich erst einmal.
Frau Holzapfel, ich finde es wirklich abenteuerlich, was Sie da von sich gegeben haben. Ich muß sagen, mit Ihrer Polemik gegen die PDS dienen Sie dem Naturschutz nicht. Ich denke, die Naturschutzverbände werden das auch so sehen. Ich möchte Ihnen noch einen Tip geben: Im letzten Jahr gab es eine Anhörung der Enquete-Kommission in Schwerin zur Umweltverschmutzung in der DDR. Ich bitte Sie, die Ergebnisse nachzulesen, dann könnten wir in Zukunft viel mehr und differenzierter darüber diskutieren.
Sie haben Thüringen angesprochen. Ich möchte Sie fragen: Wieso wird denn Thüringen als das grüne Herz Deutschlands propagiert? Man versucht hier, über Tourismus etwas zu machen. Wenn die Umweltverschmutzung so groß wäre, denke ich, könnte man so etwas nicht propagieren.
Im übrigen können Sie uns die SED-Vergangenheit gerne vorwerfen, aber Sie scheinen nicht mitbekommen zu haben, daß diese Partei inzwischen gesamtdeutsch ist. Ich komme nicht aus dem Osten, sondern aus dem Westen. Ich muß Ihnen sagen: Ich kenne die Umweltverschmutzung im Westen; auch dagegen haben wir uns gewehrt. Wir lassen uns das nicht mehr vorwerfen.
Zu Frau Lengsfeld: Ich finde es sehr, sehr schön, daß Sie sich in der Volkskammer dafür eingesetzt haben.
Deswegen verstehe ich überhaupt nicht, warum Sie jetzt mithelfen, diese ganzen Ländereien zu verkaufen.
Das zweite: Wenn Sie der PDS unterstellen, wir könnten nicht lesen, dann muß ich Ihnen schon sagen: Wir können uns das Geld für die Zuzahlungen zu den Brillen noch leisten, die Ihre Partei mit verbrochen hat.
Diese 20 DM haben wir noch übrig.
Zur SPD und zu den Grünen möchte ich sagen: Ich freue mich sehr, daß Sie das Anliegen unterstützen. Unser Antrag gegen die Privatisierung von Naturschutzflächen vom letzten Jahr wurde ja von CDU/ CSU, F.D.P. und SPD abgelehnt. Die Grünen haben sich damals enthalten. Die SPD im Landtag Mecklenburg-Vorpommern hat inzwischen zu diesem Thema einen Antrag gestellt. Wir sehen, es ist Bewegung in all diesen Dingen.
Zu Herrn Lühr möchte ich bezüglich der Verkäufe an die Länder noch sagen: Der Landwirtschaftsminister Brick, CDU, in Mecklenburg-Vorpommern hat sich am 1. August 1996 an die BVVG gewandt, um die Preisvorstellung für diese Flächen zu erhalten, und hat dies Ende August 1997 wiederholt. Bis jetzt hat er keine Antwort erhalten. Ich denke, das ist ein Skandal. Da könnten Sie einmal etwas tun.
An Herrn Klinkert und Frau Karwatzki: In der heutigen „FAZ" steht ein Artikel zum Nationalpark Elbetal in Niedersachsen. Das ist heute nicht unser
Eva Bulling-Schröter
Thema; es gibt da Differenzen, die man sicher einmal diskutieren kann. Ich möchte aus dem Artikel zu diesem Thema zitieren:
Da sich ein Großteil des Nationalparks noch im Privatbesitz befindet, vermißt das Bundesumweltministerium eine Aussage darüber, wann und in welchem Umfang Flächen in Landeseigentum übernommen werden sollen.
Also scheint Eigentum doch etwas mit Nationalparks zu tun zu haben. Sie können das nicht einfach so wegdrücken.
- Ich habe den ganzen Artikel gelesen; das kann ich. Ich kann mir auch die Brille leisten, wie ich schon gesagt habe.
Noch einmal zu den Alteigentümern: Es ist klar, sie bekommen Vorzugspreise, während Umweltvereine, sollten sie sich gegen den Alteigentümer durchsetzen, wesentlich höhere Preise zu zahlen haben. Der Sprecher der BVVG spricht in diesem Zusammenhang von einem doppelten Preis: Nach den Erkenntnissen des Nabu aus dem Biosphärenreservat Schorfheide-Chorin habe der dortige Förderverein aus Lottomitteln 3 000 bis 4 000 DM je Hektar bezahlt, während Alteigentümer und Wiedereinrichter nach BVVG-Katalog lediglich 400 Mark je Hektar zahlen mußten. Diese Aussagen sind belegbar.
Darüber hinaus wird potentiellen Käufern - auch dafür gibt es Belege - eben nicht klargelegt, daß diese Gebiete unter Schutz zu stellen sind. Deshalb müßte der Schutzstatus - das wurde vorhin schon diskutiert - durch grundbuchliche Eintragungen gesichert werden. Die Bundesregierung hält dies für überflüssig. Wir wissen, auf Grund welcher Argumente dies geschieht. Der Landwirtschaftsminister von Mecklenburg-Vorpommern, Martin Brick, CDU, hielt es dagegen in der Debatte am Donnerstag für notwendig. Sie sollten sich schon einmal überlegen, wie Sie zur CDU in Mecklenburg-Vorpommern stehen. Haben Sie dort eine ganz andere Meinung? Vielleicht klären Sie einmal diese Differenzen.
Vielen Dank.
Ich gebe das Wort der Abgeordneten Susanne Jaffke.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich gehöre zur CDU Mecklenburg-Vorpommerns, Frau Bulling-Schröter. Sie haben gesehen, daß ich gut neben den beiden
Thüringer Kolleginnen gesessen habe. Wie wir nebeneinander stehen, können wir nachher in der Lobby ausmachen. Hier können wir ja erfreulicherweise sitzen.
Ich bin etwas untröstlich, daß Sie nun nicht auch noch mich angreifen können. Ich halte, wenn Sie mir diese persönliche Aussage gestatten, die Art der Diskussion, die Art, wie wir heute hier die Aktuelle Stunde bestritten haben - egal ob die Argumente berechtigt sind oder nicht; das ist mir vollkommen Wurscht, - für unerträglich. Ich denke, wir alle haben irgendwo das gleiche Ziel: ein Stück Naturschutz in unserer Heimat zu betreiben. Das ist vollkommen in Ordnung. Wir haben vielleicht unterschiedliche Auffassungen darüber, wie wir das tun. Auch das ist normal. Wir müssen dann menschlich miteinander umgehen lernen, aber nicht hier persönliche Vorwürfe machen. Das halte ich für nicht gut.
Es ist sicherlich schon sehr viel Richtiges über die Zuständigkeiten von Bund und Ländern gesagt worden. Es ist sehr viel Richtiges in der Volkskammer gesagt worden; auch ich habe dazugehört. Es sind sehr viele Flächen in der ehemaligen DDR unter Naturschutz gestellt worden, aber eben aus der Vita heraus, weil wir wußten, wie es in Bitterfeld aussah, und weil wir wußten, wie es in den Braunkohlengebieten aussah.
Ich komme aus Ostvorpommern. Wir sind schon immer als Landwirte mit unserem Besitz und mit unserem Grund und Boden sehr verantwortungsbewußt umgegangen. Anderenfalls hätte es nämlich nicht das gegeben, was es dort gibt. Leider Gottes konnte man von Anklam her vielleicht keinen so großen Einfluß auf den Raubbau an der Natur in puncto Braunkohle nehmen. Das ist vollkommen richtig.
Eine persönliche Bemerkung gestatten Sie mir doch noch, Frau Kollegin Deichmann. Ich halte unser Land Mecklenburg-Vorpommern, in dem wir von unseren Parteien her gesehen in gemeinsamer Verantwortung stehen, mitnichten für das Mezzogiorno, ich halte es etwas eher für die Toskana der Bundesrepublik Deutschland.
Ich hoffe, darüber können wir uns verständigen. Es ist wie alle deutschen Bundesländer wunderschön, jedes Bundesland hat seinen eigenen Reiz. Auch das Bundesland Bayern, traditionell konservativ regiert, hat viele hervorragende Naturschutzgebiete.
Das machen alles Christdemokraten. Warum sollten wir uns darüber hier eigentlich zerstreiten?
Folgendes möchte ich noch sagen: Es ist hier gefordert worden, das EALG, die Flächenerwerbsverordnung und viele andere Dinge zu verändern. Für die Verordnungen in diesem Lande sind wir nicht zuständig. Sie wissen aber auch, daß wir lange um das EALG gerungen haben. Die erste Durchführungsver-
Susanne Jaffke
ordnung zum EALG ist in langen Sitzungen von Bund und Ländern auf den Weg gebracht worden, und zwar so, wie sie zur Zeit gilt. Ich halte das alles für einen sehr guten Kompromiß zur Befriedung aller Parteien und unterschiedlichen Interessen. Ich finde, wir sollten eben diesen Naturschutz nicht zum politischen Schlachtfeld verkommen lassen.
Dazu noch eine Bemerkung. Es ist richtig: Im Föderalismus ist es mit den Zuständigkeiten so, wie es ist. Das haben wir als neue Bundesbürger seit 1990 gelernt. Ich denke, wir finden uns darin schon sehr gut zurecht.
Das Land Mecklenburg-Vorpommern hat angefragt - richtig. Es hat Preisvorstellungen eingefordert, die aber noch nicht eingetroffen sind. Das mag unterschiedlichste Ursachen haben. Aber auch das Land Mecklenburg-Vorpommern hat schon für viele Flächen - vor kurzem erst auf Riems und Rügen; das weiß ich, weil ich dieses im Haushaltsausschuß bearbeite - einen Tausch innerhalb der Naturschutzgebiete vorgenommen. Das wird meiner Meinung nach erfolgreich weitergeführt werden. Deshalb sollten wir jetzt etwas befriedet aus diesem Saale gehen.
Danke.
Damit ist die Aktuelle Stunde beendet.
Wir sind am Schluß der Tagesordnung. Sie haben bereits die Einladung zum Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus am 27. Januar 1998 erhalten.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Mittwoch, den 4. Februar 1998, 13 Uhr ein.
Die Sitzung ist geschlossen.