Protokoll:
13212

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 13

  • date_rangeSitzungsnummer: 212

  • date_rangeDatum: 14. Januar 1998

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 16:00 Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 18:42 Uhr

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 13/212 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 212. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 14. Januar 1998 Inhalt: Tagesordnungspunkt 1: Fragestunde (Drucksache 13/9584 vom 9. Januar 1998) 19349 A Vereinbarung über Entschädigungsleistungen für jüdische NS-Opfer in Osteuropa DringlAnfr 1, 2 Volker Beck (Köln) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Antw PStSekr Hansgeorg Hauser BMF . 19349 C ZusFr Volker Beck (Köln) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 19349D, 19350 C, 19351 C ZusFr Dr. Burkhard Hirsch F.D.P. 19349 D, 19350 D ZusFr Bernd Reuter SPD . . . . 19350 B, 19351 A ZusFr Markus Meckel SPD 19351 B Voraussetzungen für die Erteilung eines Visums zu Besuchszwecken an eine rumänische Staatsbürgerin MdlAnfr 18, 19 Detlev von Larcher SPD Antw StMin Helmut Schäfer AA . . . . 19351 C ZusFr Detlev von Larcher SPD . 19352 A, 19354 B, 19354 C ZusFr Jürgen Koppelin F.D.P 19352 C ZusFr Peter Dreßen SPD 19352 C ZusFr Bernd Reuter SPD . . . . 19353 A, 19355 D ZusFr Gernot Erler SPD . . . . 19353 B, 19356 A ZusFr Rezzo Schlauch BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 19353 B ZusFr Wolfgang Ilte SPD 19353 D ZusFr Jörg Tauss SPD 19355 B ZusFr Otto Schily SPD 19356 B Boykottaufrufe in der türkischen Öffentlichkeit gegen deutsche Waren MdlAnfr 20, 21 Gernot Erler SPD Antw StMin Helmut Schäfer AA . . . . 19358 A ZusFr Gernot Erler SPD . . . . 19358 A, 19358 B Nationale und grenzüberschreitende Projekte zur Schadensbeseitigung und Hochwasserschutzvorbeugung im Oder-Bereich; finanzielle Unterstützung durch die EU MdlAnfr 3, 4 Winfried Mante SPD Antw PStSekr Ulrich Klinkert BMU . . 19358 D ZusFr Winfried Mante SPD 19359 B ZusFr Wolfgang Ilte SPD 19360 A Umwidmung der im Rahmen des OderHochwassers nicht benötigten Mittel, z. B. für Städtebauförderungsmaßnahmen MdlAnfr 5 Wolfgang Ilte SPD Antw StSekr'in Christa Thoben BMBau 19360 D ZusFr Wolfgang Ilte SPD 19361 A Verwendung der für den Deichschutz vorgesehenen 70 Mio. DM, insbesondere für das Oderprogramm des Landes Brandenburg MdlAnfr 9 Wolfgang Ilte SPD Antw PStSekr Wolfgang Gröbl BML . . . 19361 B Lehrfilme und Lieder im „Gesangbuch der Bundeswehr" aus Wehrmachtszeiten MdlAnfr 11, 12 Dr. Angelica Schwall-Düren SPD Antw PStSekr Dr. Klaus Rose BMVg . . 19361 C ZusFr Dr. Angelica Schwall-Düren SPD . 19361 D Mittel für Einsätze der Bundeswehr im Katastrophenfall, z. B. bei Hochwasser MdlAnfr 17 Markus Meckel SPD Antw PStSekr Dr. Klaus Rose BMVg . 19362 D ZusFr Markus Meckel SPD 19363 B ZusFr Winfried Mante SPD 19363 C ZusFr Wolfgang Ilte SPD 19363 D Kosten des Einsatzes von BGS, Bundeswehr und Technischem Hilfswerk beim Hochwasser; Anteil der „Betriebskosten" MdlAnfr 25 Markus Meckel SPD Antw PStSekr Eduard Lintner BMI . . 19364 B ZusFr Markus Meckel SPD 19364 B Notwendigkeit von technischen Einrichtungen auf Kosten der Steuerzahler bei der Unterbringung von Lehrgangsteilnehmern der Zollschule Sigmaringen in Stetten am kalten Markt MdlAnfr 32, 33 Jörg Tauss SPD Antw PStSekr Hansgeorg Hauser BMF 19364 D ZusFr Jörg Tauss SPD 19365 A Zusatztagesordnungspunkt 1: Aktuelle Stunde betr. zu den Forderungen nach einer verschärften Abschottung der Grenzen gegen kurdische Flüchtlinge 19366 D Amke Dietert-Scheuer BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 19367 A Gert Willner CDU/CSU 19367 D Fritz Rudolf Körper SPD 19368 D Dr. Max Stadler F D P. 19369 C Ulla Jelpke PDS 19370 C Manfred Kanther, Bundesminister BMI . 19371 C Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast SPD . . 19372 D Thomas Kossendey CDU/CSU 19373 D Cern Özdemir BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 19375 A Ruprecht Polenz CDU/CSU 19376 B Karsten D. Voigt (Frankfurt) SPD . . . . 19377 B Wolfgang Zeitlmann CDU/CSU . . . . 19378 C Nächste Sitzung 19379 C Berichtigung 19379 Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . 19380* A Anlage 2 Berücksichtigung der Nutzungsvorstellungen der Stadt Remagen beim Verkauf des bundeseigenen Rheinhafens Oberwinter MdlAnfr 1, 2 - Drs 13/9584 - Hans Wallow SPD SchrAntw PStSekr Johannes Nitsch BMV 19380* C Anlage 3 Votum der Vertreter der Bundesrepublik Deutschland für Mittelkürzungen im ESO- Budget 1998; Auswirkungen auf den Betrieb des Very Large Telescope MdlAnfr 6, 7 - Drs 13/9584 - Horst Kubatschka SPD SchrAntw PStSekr Bernd Neumann BMBF 19381* A Anlage 4 Vergabe des Staatlichen Hochbauamtes Nürnberg II „USV-Anlagen für Rechenzentren der Arbeitsämter" MdlAnfr 10 - Drs 13/9584 - Hans-Joachim Fuchtel CDU/CSU SchrAntw PStSekr Horst Günther BMA . 19381* B Anlage 5 Veranstaltungen des Rechtsextremisten J. Rieger oder des Vereins für militärische Fahrzeuge auf dem Bundeswehrgelände Putlos, insbesondere im Sommer 1990 MdlAnfr 13, 14 - Drs 13/9584 - Annelie Buntenbach BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN SchrAntw PStSekr Dr. Klaus Rose BMVg . 19381* D Anlage 6 Konfessionszugehörigkeit bzw. Konfessionslosigkeit der Angehörigen der Bundeswehr; Zugehörigkeit von Bundeswehrangehörigen zum Islam oder anderen außerchristlichen Glaubensgemeinschaften MdlAnfr 15, 16 - Drs 13/9584 - Jürgen Koppelin F.D.P. SchrAntw PStSekr Dr. Klaus Rose BMVg 19382* B Anlage 7 Anteilige Anrechnung der Ausbildungszeit bei Teilzeitbeschäftigten auf die Versorgung gem. Dienstrechtsreformgesetz MdlAnfr 22, 23 - Drs 13/9584 - Dr. Antje Vollmer BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN SchrAntw PStSekr Eduard Lintner BMI . 19382* C Anlage 8 Verhinderung von illegalen Zuwanderungen, insbesondere von Kurden, über Italien MdlAnfr 24 - Drs 13/9584 - Jürgen Augustinowitz CDU/CSU SchrAntw PStSekr Eduard Lintner BMI . 19383* A Anlage 9 Untersuchung der Problematik der steigenden Beiträge der privaten Krankenversicherung; gesetzliche Konsequenzen MdlAnfr 28, 29 - Drs 13/9584 - Dr. Egon Jüttner CDU/CSU SchrAntw PStSekr Hansgeorg Hauser BMF 19383* D Anlage 10 Ursachen der Währungs- und Wirtschaftskrise in Südostasien; Auswirkungen der Zusammenbrüche auf die Bundesrepublik Deutschland und die EU; Auflagen für die Vergabe von Finanzhilfen zur Stabilisierung der Weltwirtschaft MdlAnfr 30, 31 - Drs 13/9584 - Michael Müller (Düsseldorf) SPD SchrAntw PStSekr Hansgeorg Hauser BMF 19384* B 212. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 14. Januar 1998 Beginn: 16.00 Uhr
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    Berichtigung 211. Sitzung, Seite 19 320 A. Im dritten Absatz, vorletzte Zeile, ist zu lesen: „ ... wie man die betroffenen Familien und die Binnenschiffer-Seelsorge insgesamt weiter unterstützen kann." Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Beck (Bremen), BÜNDNIS 14. 1. 98 Marieluise 90/DIE GRÜNEN Behrendt, Wolfgang SPD 14. 1. 98 * Borchert, Jochen CDU/CSU 14. 1. 98 Dreßler, Rudolf SPD 14. 1. 98 Fink, Ulf CDU/CSU 14. 1. 98 Fischer (Unna), Leni CDU/CSU 14. 1. 98 Dr. Götzer, Wolfgang CDU/CSU 14. 1. 98 Grasedieck, Dieter SPD 14. 1. 98 Haack (Extertal), SPD 14. 1. 98 Karl Hermann Dr. Hauchler, Ingomar SPD 14. 1. 98 Hermenau, Antje BÜNDNIS 14. 1. 98 90/DIE GRÜNEN Dr. Kinkel, Klaus F.D.P. 14. 1. 98 Kurzhals, Christine SPD 14. 1. 98 Lehn, Waltraud SPD 14. 1. 98 Leidinger, Robert SPD 14. 1. 98 Nitsch (Rendsburg), BÜNDNIS 14. 1. 98 Egbert 90/DIE GRÜNEN Purps, Rudolf SPD 14. 1. 98 Regenspurger, Otto CDU/CSU 14. 1. 98 Schäfer (Mainz), Helmut F.D.P. 14. 1. 98 Schmidt-Zadel, Regina SPD 14. 1. 98 Dr. Schockenhoff, CDU/CSU 14. 1. 98 Andreas Schoppe, Waltraud BÜNDNIS 14. 1. 98 90/DIE GRÜNEN Schulz (Berlin), Werner BÜNDNIS 14. 1. 98 90/DIE GRÜNEN Seuster, Lisa SPD 14. 1. 98 Simm, Erika SPD 14. 1. 98 Türk, Jürgen F.D.P. 14. 1. 98 Dr. Waigel, Theodor CDU/CSU 14. 1. 98 Wolf (München), Hanna SPD 14. 1. 98 Zapf, Uta SPD 14. 1. 98 * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 2 Antwort des Parl. Staatssekretärs Johannes Nitsch auf die Fragen des Abgeordneten Hans Wallow (SPD) (Drucksache 13/9584 Fragen 1 und 2): Mit welchem Ergebnis hat die Bundesregierung das aktuelle Angebot des Kaufinteressenten S. für den bundeseigenen Rheinhafen Oberwinter unter dem Gesichtspunkt geprüft, ob das dem Angebot zugrundeliegende Nutzungskonzept mit den Planungs- und Nutzungsvorstellungen der Stadt Remagen in Einklang zu bringen ist (das die Bereitstellung einer hinreichend großen, stehenden Wasserfläche, insbesondere für die wassersportliche Jugendarbeit, zu tragbaren finanziellen Konditionen für die Vereine vorsieht), und welche Konsequenzen ergeben sich im vorliegenden Fall für die Kaufpreisvorstellungen des Bundes aus der Tatsache, daß der Wert einer Liegenschaft entscheidend auch von den Planungs- und Nutzungsvorstellungen der Belegenheitsgemeinde bestimmt wird? Stimmt die Bundesregierung der Bewertung zu, daß im vorliegenden Fall das aktuelle Höchstgebot des Kaufinteressenten S. schon aus dem Grunde nicht dem Verkehrswert der Liegenschaft entspricht, weil die dem Angebot des Interessenten zugrundeliegenden Nutzungsvorstellungen nach den Planungsvorgaben der Stadt nicht realisierbar sind und insofern das Angebot als reines Spekulationsangebot unberücksichtigt bleiben muß, und welche Gründe können die Bundesregierung im vorliegenden Verkaufsfall dazu veranlassen, von ihrer bisherigen Praxis beim Verkauf bundeseigener Liegenschaften abzuweichen, auch bei einem fehlenden gemeindlichen Vorkaufsrecht bei der Auswahl der Kaufbewerber auf die erklärten Nutzungsvorstellungen und sonstigen berechtigten Belange der Belegenheitsgemeinde Rücksicht zu nehmen? Zu Frage 1: Die Planungs- und Nutzungsvorstellungen der Stadt Remagen werden derzeit in einem Bebauungsplan verbindlich festgelegt. Die wesentlichen Leitlinien - Wasserfreifläche mindestens 60 % - 1 Autostellplatz für 2,5 Bootsliegeplätze - vorhandenes Verhältnis Gewerbe zu Freizeit/Sport soll beibehalten werden sind dem Bund und dem Kaufinteressenten bekannt. Laut Kaufantrag erfüllt das Konzept des Kaufinteressenten alle planungsrechtlichen kommunalen Vorgaben nach dem derzeitigen Stand. Das Wertgutachten des Bundes von 1997 ist auf der Grundlage der in den Leitlinien der Stadt Remagen vorgegebenen Planungs- und Nutzungsvorstellungen erstellt worden. Ohne Berücksichtigung der freizuhaltenden Wasserfläche wäre ein wesentlich höherer Kaufpreis zu veranschlagen. Zu Frage 2: Nein. Der Kaufinteressent ist durch die Bauleitplanung der Stadt Remagen planungsrechtlich gebunden; Spekulationen über die vorgegebenen Nutzungsmöglichkeiten hinaus sind nicht realisierbar. Von der grundsätzlichen Praxis, beim Verkauf bundeseigener Liegenschaften die Interessen der Belegenheitsgemeinde zu berücksichtigen, wurde nicht abgewichen. Der Stadt Remagen wurde Gelegenheit gegeben zu prüfen, ob sie das Grundstück erwerben will. Die Stadt hat sich seit Mitte 1997 aus den Kaufverhandlungen zurückgezogen. Sie hat im übrigen ein Vorkaufsrecht nach Baugesetzbuch zum Angebotspreis, wenn das Wohl der Allgemeinheit dies rechtfertigt. Anlage 3 Antwort des Parl. Staatssekretärs Bernd Neumann auf die Fragen des Abgeordneten Horst Kubatschka (SPD) (Drucksache 13/9584 Fragen 6 und 7). Welche Gründe veranlaßten die Vertreter der Bundesrepublik Deutschland im Rat der ESO (European Southern Observatory) in der Sitzung im Dezember 1997 gegen das ESO-Budget für 1998 zu votieren, obwohl die deutsche Delegation in der Sitzung des ESO-Finanzkomitees im November 1997 dem Budget noch die Zustimmung gab? Teilt die Bundesregierung die Befürchtung, daß durch eine erneute und drastische Mittelkürzung bei der ESO das größte Teleskop der Welt, das Very Large Telescope, zwar fertiggestellt, aber wegen fehlender Mittel dann nur sehr begrenzt betrieben werden kann und so die europäische Spitzenstellung auf dem Gebiet von Astronomie, Teleskopbau und optische Spitzentechnologie gegenüber den USA und Japan, auch im Hinblick auf Nachfolgeprojekte im 21. Jahrhundert gefährdet wird? Zu Frage 6 Die deutsche Delegation im ESO-Rat hat nicht gegen das ESO-Budget für 1998 gestimmt. Der Rat hat vielmehr einstimmig die Abstimmung über das Budget 1998 auf den 18. Februar 1998 vertagt. Der Rat hat in seinem Vertagungsbeschluß seine Verantwortung für die Durchführung der ESO-Programme, insbesondere das VLT-Projekt, vor dem Hintergrund des weltweiten wissenschaftlich-technischen Wettbewerbs betont. Zu Frage 7: Eine derartige drastische Mittelkürzung würde im ESO-Rat nicht die erforderliche Unterstützung finden, auch nicht von deutscher Seite. Anlage 4 Antwort des Parl. Staatssekretärs Horst Günther auf die Frage des Abgeordneten Hans-Joachim Fuchtel (CDU/ CSU) (Drucksache 13/9584 Frage 10): Wie beurteilt die Bundesregierung unter den in Frage 8 angesprochenen Gesichtspunkten die Vergabe des Staatlichen Hochbauamtes Nürnberg II „USV-Anlagen für Rechenzentren der Arbeitsämter" (Vergabe Nr. 97 A 0045)? In der Vergangenheit hat es immer wieder Rechnerausfälle in den Dienststellen der Bundesanstalt für Arbeit aufgrund kurzzeitiger Stromversorgungsmängel gegeben. Um diesem Mißstand abzuhelfen, hat der Präsident der Bundesanstalt für Arbeit im März 1997 entschieden, daß alle zentralen und dezentralen Rechenzentren, in denen Datenhaltungssysteme installiert sind, umgehend mit unterbrechungsfreien Stromversorgungsanlagen auszustatten sind, die bei Stromausfall vorübergehend Energie liefern. Die öffentliche Ausschreibung über die Installation dieser Stromversorgungsanlagen für die Rechenzentren der Arbeitsämter geschah im Wege der Amtshilfe für die Bundesanstalt für Arbeit durch das Hochbauamt Nürnberg II nach der Verdingungsordnung für Bauleistungen (VOB). Die Beteiligung des Mittelstandes an öffentlichen Aufträgen ist durch die mittelstandsfreundlichen Bestimmungen der VOB gewährleistet. Insgesamt gingen auf die öffentliche Ausschreibung 18 Angebote ein, darunter auch das Angebot eines mittelständischen Unternehmens aus der Nähe von Pforzheim. Von den eingegangenen Angeboten wurden drei Angebote bei der Wertung ausgeschlossen, da diese nicht der Ausschreibung entsprachen; hierzu gehörte auch das Angebot des mittelständischen Unternehmens aus der Nähe von Pforzheim. Im Leistungsverzeichnis wurde u. a. aus Gründen der Betriebssicherheit ein Einzeltest gefordert. Dieser Einzeltest wurde gegenüber dem Hochbauamt seitens des Betriebs abgelehnt. Weiterhin wurde die Vertragsstrafe im Falle einer nicht fristgerechten Ausführung mit der Begründung abgelehnt, die angegebenen Fristen für die Ausführung seien nicht realistisch. Den Zuschlag für den Auftrag erhielt nach der wirtschaftlichen und fachtechnischen Prüfung der Angebote durch das Hochbauamt Nürnberg die Firma Siemens-Nixdorf. Bei der Installation der Anlagen vor Ort wurde ein mittelständisches Unternehmen als Subunternehmer tätig. Anlage 5 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Klaus Rose auf die Fragen der Abgeordneten Annelie Buntenbach (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) (Drucksache 13/9584 Fragen 13 und 14). Inwieweit kann die Bundesregierung einen Bericht des Aussteigers aus der Neonaziszene, Ingo Hasselbach, bestätigen (vgl. Hasselbach, Ingo, Die Abrechnung, 1. Aufl., Berlin/Weimar 1993, S. 117 ff.), wonach der u. a. in mehreren, vom Bundesministerium des Innern herausgegebenen Verfassungsschutzberichten benannte Rechtsextremist Jürgen Rieger im Sommer des Jahres 1990 ein Treffen für Liebhaber militärhistorischer Fahrzeuge auf dem Bundeswehrgelände in Putlos bei Hamburg angemeldet hatte, an dem ca. 60 Personen teilnahmen, die überwiegend aus der Neonaziszene stammten und die u. a. mit Schreckschußmunition, die die Bundeswehr zur Verfügung stellte, an Schießübungen teilnahmen, deren Gewinner einen funktionstüchtigen Karabiner von der Bundeswehr erhielt, in der Kaserne zu einer Grillparty mit Freibier eingeladen wurden, anschließend in der Kaserne übernachteten, gemeinsam mit den Soldaten frühstückten und am Frühsport teilnahmen, und wer ist ggf. von seiten der Bundeswehr für die Genehmigung und Durchführung dieser Veranstaltung verantwortlich? Haben in den folgenden Jahren Veranstaltungen auf dem Bundeswehrgelände in Putlos stattgefunden, an denen Jürgen Rieger oder der Verein für militärische Fahrzeuge in irgendeiner Weise beteiligt waren, und welche Auskunft kann die Bundesregierung ggf. zum jeweiligen Zeitpunkt und Ablauf dieser Veranstaltungen geben? Zu Frage 13: a) Die Truppenübungsplatzkommandantur Putlos veranstaltete, wie seit rund 15 Jahren, auch am 20. Juli 1990 einen Tag der Offenen Tür. An dieser Veranstaltung nahm das Motor Technica Museum Bad Oeynhausen mit einer Ausstellung militärhistorischer Fahrzeuge verschiedener Nationen teil. Die Fahrer und Beifahrer der Fahrzeuge dieses Museums haben vor und nach der Veranstaltung in der Kaserne übernachtet und an der Truppenverpflegung teilgenommen. b) Die Bundeswehr ist nicht mehr im Besitz von Teilnehmerlisten. Nach Aussage des Geschäftsführers des Motor Technica Museums trat Rieger nicht in Erscheinung. Rieger hat 1990 keine Veranstaltung mit 60 Personen auf dem Truppenübungsplatz Putlos angemeldet. Der Antrag des Rieger, sich 1993 am Tag der Offenen Tür zu beteiligen, wurde abgelehnt, seine Teilnahme vereitelt. Ob Rieger als Einzelperson (Besucher) an einer Veranstaltung im Rahmen des Tages der Offenen Tür 1990 teilgenommen hat, kann nicht mehr festgestellt werden. c) Zu der von Ihnen zitierten Veranstaltung sind inzwischen mehrere Soldaten befragt worden, die in der fraglichen Zeit bei dem 1993 aufgelösten Jägerbataillon 512 Dienst taten. Keiner dieser Soldaten hat eine derartige Veranstaltung bestätigt. Zu Frage 14: Rieger hat als Veranstalter zwischen 1990 und heute nicht am Tag der Offenen Tür in Putlos teilgenommen. Nach Aussage des Geschäftsführers des Motor Technica Museums hat Rieger an den jeweiligen Ausstellungen als Fahrer oder Beifahrer nicht teilgenommen. Das Motor Technica Museum hat von 1990 bis 1996 mit seinen militärhistorischen Fahrzeugen in einer stationären Schau am Tag der Offenen Tür in Putlos teilgenommen, die jeweils im Juli durchgeführt wurde. Anlage 6 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Klaus Rose auf die Fragen des Abgeordneten Jürgen Koppelin (F.D.P.) (Drucksache 13/9584 Fragen 15 und 16): Liegt der Bundesregierung Datenmaterial vor, zu welchen Religionsgemeinschaften die Angehörigen der Bundeswehr gehören und wie viele Angehörige der Bundeswehr keiner Konfession angehören? Liegt der Bundesregierung Datenmaterial vor, wie viele Soldaten Moslime sind oder anderen Glaubensgemeinschaften außer der christlichen angehören? Zu Frage 15: Der Bundesregierung liegen lediglich die Zahlen für Soldaten der Bundeswehr aufgrund eigener Angaben vor, die entweder der Evangelischen Kirche Deutschlands oder der Römisch-katholischen Kirche angehören. Danach gehören mit Auswertungsstand vom 9. Januar 1998 114 780 Soldaten (37 % von der Gesamtstärke) der Evangelischen Kirche Deutschlands und 94 831 Soldaten (31 % von der Gesamtstärke) der Römisch-katholischen Kirche an. Die Erhebung ist auf diese beiden Religionszugehörigkeiten beschränkt und ergibt sich aus den mit diesen Kirchen geschlossenen staatskirchenrechtlichen Verträgen. Weitergehende Angaben sind nicht möglich, weil keine gesetzlichen Auflagen für deren Erfassung bestehen. Zu Frage 16: Der Bundesregierung liegt kein Datenmaterial über Soldaten der Bundeswehr mit der Zugehörigkeit zu anderen Glaubensgemeinschaften als der Römisch-katholischen Kirche oder der Evangelischen Kirche Deutschlands vor. Anlage 7 Antwort des Parl. Staatssekretärs Eduard Lintner auf die Fragen der Abgeordneten Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 13/9584 Fragen 22 und 23): Wie begründet die Bundesregierung, daß nach dem Dienstrechtsreformgesetz die Ausbildungszeit bei Teilzeitbeschäftigten künftig nur anteilig auf die Versorgung angerechnet wird, obwohl doch auch Teilzeitbeschäftigte die volle Ausbildung benötigen - und nicht nur einen Teil -, und ist der Bundesregierung bewußt, daß Teilzeitbeschäftigung dadurch weiter erschwert wird und daß sich diese Regelung insbesondere für berufstätige Frauen negativ auswirkt, weil noch immer die meisten Teilzeitstellen mit Frauen besetzt sind? Wie beurteilt die Bundesregierung den Vorschlag, nach dem die Ausbildungszeit bei Teilzeitbeschäftigten mit einem Arbeitsverhältnis voll auf die Versorgung angerechnet wird und bei mehreren parallelen Teilzeitarbeitsverhältnissen entsprechend anteilig? Zu Frage 22: Es ist erklärtes Ziel der Bundesregierung, die Teilzeitbeschäftigung zu fördern. Bereits seit längerem steht die Möglichkeit der Teilzeitbeschäftigung den interessierten Mitarbeitern im öffentlichen Dienst in einem weit größeren Ausmaß zur Verfügung, als dies in anderen Wirtschaftsbereichen der Farl ist. Mit dem Dienstrechtsreformgesetz sind die Möglichkeiten der Teilzeitbeschäftigung im Beamtenverhältnis nochmals entscheidend verbessert worden. Nirgendwo lassen sich Berufstätigkeit und Familie so in Einklang bringen wie im öffentlichen Dienst. Das bedingt andererseits, daß Teilzeitarbeit für den Staat im wesentlichen auch nicht teurer sein darf als Vollzeitarbeit. Bei der Bewertung der Teildienstleistung in der Besoldung und, was die Bewertung als ruhegehaltfähige Dienstzeit angeht, auch in der Versorgung ist das selbstverständlich. Eine überproportionale Bewertung gab es insoweit allerdings bisher, als die Zeit der Ausbildung bei der Berechnung des Ruhegehalts auch dann voll bewertet wurde, wenn die Zeit der Dienstleistung nur anteilig erbracht und entsprechend bewertet wurde. Die Zeit der Ausbildung wurde dadurch im Verhältnis besser bewertet als die eigentliche Dienstzeit, obwohl die Ausbildung selbst kein Dienst, sondern Berufsvorbereitung ist. Mit den neuen Regelungen wird lediglich auch insoweit die Proportionalität zwischen Dienstleistung und Versorgung hergestellt. Aus familienpolitischen Gründen führt jedoch eine Teilzeitbeschäftigung wegen Kindererziehung bis zur Dauer von drei Jahren pro Kind nicht zu einer eingeschränkten Berücksichtigung der Ausbildungszeit. Zu Frage 23: Voraussetzung einer Beamtenversorgung ist das Bestehen eines Beamten-, nicht eines Arbeitsverhältnisses. Es ist ausgeschlossen, daß ein Beamter - anders als ein Arbeitnehmer - gleichzeitig in mehreren „parallelen" beamtenrechtlichen Teilzeitbeschäftigungsverhältnissen steht. Ein Arbeitnehmer kann gleichzeitig mehrere Arbeitsverhältnisse auf Teilzeitbasis zu verschiedenen Arbeitgebern begründen. Ein Beamtenverhältnis kann demgegenüber grundsätzlich nur im Verhältnis zu einem Dienstherrn bestehen. Innerhalb desselben Beamtenverhältnisses können nicht zeitgleich mehrere Teilzeitbeschäftigungen erfolgen. Der Vorschlag verkennt diese Besonderheit des Beamtenrechts. Anlage 8 Antwort des Parl. Staatssekretärs Eduard Lintner auf die Frage des Abgeordneten Jürgen Augustinowitz (CDU/CSU) (Drucksache 13/9584 Frage 24): Welche konkreten Maßnahmen wird die Bundesregierung von den Schengener Vertragspartnern - insbesondere im Hinblick auf die aktuelle Lage in Italien - verlangen, um einen drastischen Anstieg der illegalen Zuwanderung nach Deutschland zu verhindern, und welche weiteren nationalen Maßnahmen wird die Bundesregierung ergreifen, wenn einige Vertragsstaaten ihren Verpflichtungen nicht in ausreichendem Maß nachkommen? Die Bundesregierung hält es vor dem Hintergrund der aktuellen Zuwanderungssituation im Mittelmeerraum mit ihren Auswirkungen nach West- und Nordeuropa und insbesondere nach Deutschland für dringend erforderlich, daß die Mitgliedstaaten des Schengener Verbundes bzw. der Europäischen Union unverzüglich effiziente Maßnahmen ergreifen, um einem weiteren Anwachsen der illegalen Migration frühzeitig und im Ansatz entgegenzusteuern. Dazu gehören folgende Schritte, über die im Schengen-Rahmen und auf der Polizeikonferenz in Rom am 8. Januar 1998 im wesentlichen bereits Einvernehmen mit den Partnerstaaten erzielt werden konnte: - die Durchführung intensiver Ein- und Ausreisekontrollen an den Schengen-Außengrenzen - die Ausschöpfung aller Kontrollmöglichkeiten im Bereich der Schengen-Binnengrenzen durch Aufbau und Verdichtung von Grenzsicherheitsschleiern in den Grenzgebieten - die Verstärkung der grenzübergreifenden Zusammenarbeit der Polizeibehörden möglichst auf der Grundlage von Kooperationsabkommen durch kontinuierlichen Informationsaustausch über migrationsrelevante Tatsachen und Abstimmung von Einsatzmaßnahmen - die Anpassung des Kontrollregimes an den gemeinsamen Landgrenzen zwischen Italien einerseits und Frankreich bzw. Österreich andererseits an die migrationsbedingten gegenwärtigen Sicherheitserfordernisse während des Übergangszeitraums bis zum 1. April 1998, in dem der Abbau der Personenkontrollen an diesen Schengen-Binnengrenzen vollständig abgeschlossen werden soll - die systematische und unverzügliche Durchsetzung von Ausreiseverpflichtungen nach nationalem Recht durch Abschiebung in den Herkunftsstaat oder in einen anderen Staat, in dem die Zulassung des betroffenen Drittausländers möglich ist (Art. 23 SDÜ), einschließlich der Unterbindung von Ausreiseversuchen in anderen Schengen-Staaten - die erkennungsdienstliche Erfassung auch durch Abnahme von Fingerabdrücken unabhängig von der Stellung eines Asylantrags und Auskunftserteilung an die anderen Schengenstaaten zum Zweck der Rückführung nach Maßgabe des jeweiligen nationalen Rechts - die Komplettierung der nationalen Rechtsvorschriften zur Verbesserung des Bekämpfungsinstrumentariums, insbesondere im Bereich der Rückführung in den Erstaufnahmestaaten, und gegenseitige Unterrichtung über Rechtsentwicklungen - die wechselseitige einvernehmliche Entsendung von Bediensteten der Schengen-Vertragsstaaten zur Beobachtung der Wirksamkeit von Maßnahmen zur Unterbindung illegaler Zuwanderung. Die Bundesregierung hat diese Forderungen auch auf EU-Ebene erhoben und steht ebenfalls bilateral mit den betroffenen Partnerstaaten in engem Kontakt. Sie wird ihre Anstrengungen insbesondere im europäischen Rahmen fortsetzen, wo sie die Verabschiedung eines Sofort-Aktionsprogramms durch den Allgemeinen Rat Ende Januar 1998 anstrebt. Die Bundesregierung geht ferner davon aus, daß die international vereinbarten Maßnahmen greifen werden. Um die Zunahme illegaler Zuwanderung insbesondere von Kurden türkischer und irakischer Herkunft zu verhindern, wurde der Bundesgrenzschutz an den betroffenen Abschnitten an der deutsch-französischen Grenze seit November 1997 um 6 Hundertschaften verstärkt. Weitergehende Maßnahmen sind derzeit nicht vorgesehen, jedoch personell und technisch jederzeit möglich. Anlage 9 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hansgeorg Hauser auf die Fragen des Abgeordneten Dr. Egon Jüttner (CDU/ CSU) (Drucksachen 13/9584 Fragen 28 und 29): Welche Konsequenzen hat die Bundesregierung aus dem am 18. Juni 1996 von der Unabhängigen Expertenkommission zur Untersuchung der Problematik der steigenden Beiträge der privaten Krankenversicherung vorgelegten Gutachten bisher gezogen, und welche Maßnahmen gedenkt die Bundesregierung noch im Jahre 1998 daraus zu ziehen? Aus welchen Gründen hat die Bundesregierung nach Vorliegen des Gutachtens der Unabhängigen Expertenkommission zur Untersuchung der Problematik der steigenden Beiträge der privaten Krankenversicherung das vom Bund der Ruhestandsbeamten, Rentner und Hinterbliebenen (BRH) geforderten Vorschaltgesetz und die vom BRH vorgelegten praktischen Vorschläge nicht realisiert? Zu Frage 28: Die politische Abstimmung innerhalb der Bundesregierung über die aus dem Gutachter der „Unabhängigen Expertenkommission zur Untersuchung der Problematik steigender Beiträge der privat Krankenversicherten im Alter" zu ziehenden Konsequenzen ist wegen der schwierigen und heterogenen Materie noch nicht abgeschlossen. Aussagen über die Umsetzung entsprechender Maßnahmen und den dafür benötigten Zeitraum können daher nicht gemacht werden. Zu Frage 29: Den Beschluß des Deutschen Bundestages vom 19. Mai 1994, der der Einsetzung der Unabhängigen Expertenkommission zugrunde liegt, fordert eine grundlegende Lösung der Prämienanstiegsproblematik. Punktuelle Maßnahmen, wie sie vom Bund der Ruhestandsbeamten, Rentner und Hinterbliebenen im Rahmen eines Vorschaltgesetzes verlangt werden, würden dieser Forderung nicht gerecht. Sie würden auch nicht dem von den Experten ausgearbeiteten Konzept entsprechen, das nach dem Auftrag des Deutschen Bundestages ebenfalls auf eine grundsätzliche Verstetigung der Prämien in der privaten Krankenversicherung gerichtet ist. Anlage 10 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hansgeorg Hauser auf die Fragen des Abgeordneten Michael Müller (Düsseldorf) (SPD) (Drucksache 13/9584 Fragen 30 und 31): In welchem Ausmaß wurde nach Kenntnis der Bundesregierung die Währungs- und Wirtschaftskrise in Südostasien von einer spekulativen Aufblähung bzw. realwirtschaftlichen Gegebenheiten verursacht, und wie beurteilt die Bundesregierung die wirtschaftlichen und sozialen Folgen der Zusammenbrüche für die Bundesrepublik Deutschland und die Europäische Union? Welche sozialen und ökologischen Auflagen sollten mit den jetzt laufenden Finanzhilfen des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank an Südkorea, Indonesien, Malaysia und die Philippinen verbunden werden, und welchen Einfluß will die Bundesregierung in dieser Hinsicht auf die Vergabe der deutschen und europäischen Hilfsangebote ausüben, damit es zu mehr Stabilität und Gerechtigkeit in der Weltwirtschaft kommt? Zu Frage 30: Die asiatische Währungskrise hat ihre Ursachen vor allem in der hohen kurzfristigen Verschuldung in Fremdwährung (überwiegend US-Dollar), dem Verlust an Wettbewerbsfähigkeit infolge der Normalisierung des US-Dollar-Wechselkurses im letzten Jahr und in einer unzureichenden Flexibilität der Wechselkurspolitik. Hinzu kommt eine mangelhafte staatliche Aufsicht über das Geschäftsgebahren der nationalen Finanzinstitute, die - wie auch zahlreiche Unternehmen - übermäßige Kreditrisiken eingingen und nach dem Kapitalabzug internationaler Anleger ihren Verpflichtungen in vielen Fällen nicht mehr nachkommen können. Die wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen hängen von dem Ausmaß und der Dauer der AsienKrise ab. Der Internationale Währungsfonds hat seine Erwartungen für das weltweite Wachstum Ende letzten Jahres zwar nach unten revidiert, bleibt aber insgesamt optimistisch. Betroffen ist aufgrund der engen wirtschaftlichen und sozialen Verflechtungen mit der Region vor allem Japan. In den USA wird die erwartete Abschwächung des raschen Wachstums helfen, Inflationsrisiken einzudämmen. Europa und Deutschland sind aufgrund ihrer weniger engen Verflechtung mit Asien weniger stark betroffen. Der IWF erwartet für dieses Jahr für Deutschland einen Zuwachs des Bruttoinlandsprodukts von gut 21/2 %. Zu Frage 31: Vorrangiges Ziel der Kredite an die genannten Länder von IWF und Weltbank, die an erhebliche Gegenanstrengungen der Empfängerländer geknüpft sind, ist die finanzielle Stabilisierung. Dieses Ziel steht auch im Vordergrund der Bereitschaft der Bundesregierung, zusammen mit anderen Ländern einen bilateralen Beitrag zum Stützungspaket für Korea zu leisten. Die bilateralen und multilateralen Kredite tragen zur weltweiten Stabilität, insbesondere zur Vermeidung übermäßiger Wechselkursschwankungen und Störungen des internationalen Handels bei. Im Rahmen ihres Kredits an Korea hat die Weltbank zugleich die Regierung verpflichtet, die Kreditmittel u. a. zur Ausweitung der Arbeitslosenversicherung zu verwenden. Sie sieht hierin eine Möglichkeit, den sozialen und politischen Konsens für die Durchführung der Reformen zu stärken. Umweltpolitische Ziele sind in den aus Anlaß der Währungskrise gewährten Krediten nicht enthalten. Die Weltbank sieht in der Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen jedoch ohnehin einen Schwerpunkt ihrer Zusammenarbeit mit Indonesien und Thailand. So haben z. B. 5 von 40 Weltbankprojekten für Indonesien ausschließlich die Verbesserung des Umweltschutzes zum Ziel. Die umweltschonende Entwicklung ländlicher Gebiete, von der auch ein wichtiger Beitrag zur Armutsbekämpfung erwartet wird, ist Ziel von insgesamt 8 Weltbankprojekten.
Gesamtes Protokol
Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1321200000
Einen schönen guten Tag, liebe Kolleginnen und Kollegen! Da es die erste Sitzung in diesem Jahr ist, wünsche ich allen ein schönes und erfolgreiches Jahr. Sie wissen, was in diesem Jahr alles ansteht.
Die Sitzung ist eröffnet.
Ich rufe Tagesordnungspunkt 1 auf: Fragestunde
- Drucksachen 13/9584, 13/9593 -
Wir kommen zunächst zu den Dringlichen Fragen. Sie betreffen den Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen. Der Parlamentarische Staatssekretär Hansgeorg Hauser steht zur Beantwortung der Fragen bereit. Aber leider ist der Fragesteller nicht da.

Hansgeorg Hauser (CSU):
Rede ID: ID1321200100
Frau Präsidentin, wenn ich mir eine Bemerkung erlauben darf: Die Fragen wurden heute vormittag im Innenausschuß und im Rechtsausschuß umfassend und ausführlich erörtert. Auch der Fragesteller war anwesend. Er hat erschöpfende Antworten auf alle Fragen bekommen. Deswegen ist es etwas unverständlich, daß er diese Dringlichkeitsfragen gestellt hat.

(Abg. Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] betritt den Saal)


Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1321200200
Herr Staatssekretär, ich habe gehört, daß es trotzdem das Recht eines jeden ist, seine Fragen zu stellen. Mit der Erklärung, die Sie gegeben haben, haben Sie dem Fragesteller dazu verholfen, daß er noch rechtzeitig anwesend ist.

(Brigitte Baumeister [CDU/CSU]: Was natürlich schwach ist! Jürgen Koppelin [F.D.P.]: Beim Aufruf hätte er da sein müssen!)

Ich rufe also zunächst die Dringliche Frage 1 auf:
Was ist damit gemeint, daß nur notleidende osteuropäische jüdische NS-Opfer in den Genuß der neuen Entschädigungsvereinbarung kommen, die bislang keine Entschädigungsleistungen erhalten haben, und wie verhält sich dies zu den geringfügigen Einmalzahlungen aus den Stiftungen in Polen und den GUS-Staaten?

Hansgeorg Hauser (CSU):
Rede ID: ID1321200300
Die Gespräche mit der Jewish Claims Conference haben zu dem Ergebnis geführt, daß die Claims Conference einen Fonds gründen wird. Dabei hat die Claims Conference die Vorstellung, jüdische NS-Verfolgte in Osteuropa aus dem Fonds zu unterstützen, die notleidend sind und bislang keine Entschädigung erhalten haben. Hierbei handelt es sich um eine Absichtsbekundung der Claims Conference. Die für den Fonds maßgeblichen Festlegungen werden allein von ihr getroffen.
Ausgangspunkt ist nach ihrer Auffassung, daß sich der Fonds nur an die jüdischen NS-Verfolgten richtet, die bisher keine BEG- und keine Artikel-2-FondsLeistungen erhalten haben. Die Bundesregierung geht davon aus, daß die Entschädigungsleistungen, die Betroffene von den in Polen, Weißrußland, der Ukraine und der Russischen Föderation eingerichteten Stiftungen erhalten haben, für die Berechtigung zu Leistungen aus dem neu einzurichtenden Fonds der Jewish Claims Conference unschädlich sind.

Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1321200400
Eine Nachfrage, bitte.

Volker Beck (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1321200500
Gehe ich recht in der Annahme, daß dies analog auch für die Gelder - die noch fließen sollen - aus dem Tschechischen Sozialwerk, das aus dem Zukunftsfonds gespeist werden soll, gelten wird?

Hansgeorg Hauser (CSU):
Rede ID: ID1321200600
Herr Kollege, die Frage, ob das auch das umfaßt, kann ich nicht beantworten.

Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1321200700
Herr Kollege Beck, eine weitere Nachfrage? - Nein. Aber der Herr Kollege Hirsch möchte eine Nachfrage stellen.

Dr. Burkhard Hirsch (FDP):
Rede ID: ID1321200800
Herr Staatssekretär, da ich Ihrer Antwort entnehme, daß zwar Leistungen aus dem Bundesentschädigungsgesetz und dem Allgemeinen Kriegsfolgengesetz eine Bedienung aus diesem neuen Fonds ausschließen, nicht aber offenbar Leistungen aus den bisherigen Stiftungen für

Dr. Burkhard Hirsch
Rußland, Weißrußland, die Ukraine und Polen, möchte ich Sie fragen, wie Sie eine Gleichbehandlung der möglichen Anspruchsteller unabhängig von ihrem Glauben erreichen wollen.
Die Claims Conference wird also Rentenleistungen für jüdische Anspruchsteller erbringen; denn nur für sie ist die Claims Conference ja handlungsberechtigt.
Wie ist denn die Rechtsstellung der nichtjüdischen Anspruchsteller, die ein gleiches Schicksal erlitten haben - Konzentrationslager oder was auch immer - und bisher aus den Stiftungen für Rußland, Weißrußland, Polen und die Ukraine entweder nichts oder nur eine Einmalleistung in Höhe von durchschnittlich 1 100 DM bekommen haben?

Hansgeorg Hauser (CSU):
Rede ID: ID1321200900
Herr Kollege Hirsch, die Bundesregierung wird unbeschadet der Absprache mit der Claims Conference auf der Grundlage ihrer bisherigen Rechtspositionen ihre Politik der Entschädigungsleistungen für NS-Opfer in Osteuropa, also auch für nichtjüdische, konsequent fortführen. Mit der Umsetzung der hierauf basierenden Entschädigungsregelungen, also dem 80-Millionen-DM-Programm für mittel- und osteuropäische Staaten, in denen bisher keine Stiftungen für Entschädigungsleistungen für NS-Opfer eingerichtet sind, wird in Kürze begonnen werden können.
Ergänzend kann ich Ihnen dazu sagen, daß zur Wiedergutmachung von Kriegs- und Verfolgungsschäden in den Staaten des ehemaligen Ostblocks nach massiven Reparationsentnahmen und einer Reihe von einzelnen Entschädigungszahlungen in den Jahren 1991 und 1993 1,5 Milliarden DM seitens der Bundesrepublik als abschließende Härteleistung für NS-Verfolgte für die Einrichtung von Stiftungen in Polen, Weißrußland, der Ukraine und der Russischen Föderation bereitgestellt worden sind.

(Dr. Burkhard Hirsch [F.D.P.]: Danach habe ich nicht gefragt! Ich möchte wissen, ob auch die nichtjüdischen Opfer Rentenzahlungen bekommen können!)

- Das habe ich vorhin im Bereich Entschädigungsregelungen angesprochen.

(Dr. Burkhard Hirsch [F.D.P.]: Ja oder nein?)

- Nein.

(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die haben nicht die Voraussetzungen, die für diesen Fonds notwendig sind!)


Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1321201000
Eine Nachfrage des Kollegen Reuter.

Bernd Reuter (SPD):
Rede ID: ID1321201100
Herr Staatssekretär, erhalten denn jüdische NS-Verfolgte aus Polen aus dem neuen Fonds oder aus der deutsch-polnischen Stiftung Leistungen?

Hansgeorg Hauser (CSU):
Rede ID: ID1321201200
Mit der Jewish Claims Conference wurde vereinbart, daß sie eigenständig dafür zuständig ist, diese Regelungen zu treffen.

Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1321201300
Ich rufe die zweite Dringliche Frage des Kollegen Beck auf:
Wird die Bundesregierung Schritte unternehmen, daß die Jewish Claims Conference angesichts des hohen Alters und des Gesundheitszustandes der NS-Opfer in der Lage ist, schon in 1998 den von dieser Neuregelung betroffenen NS-Opfern Leistungen zu gewähren?

Hansgeorg Hauser (CSU):
Rede ID: ID1321201400
Die Leistungen aus dem Fonds zeitlich und quantitativ zu bemessen ist ausschließlich Sache der Claims Conference. Die Tätigkeit des Fonds steht allein in der Verantwortung der Claims Conference. Der von der Claims Conference beabsichtigte Fonds soll aus verschiedenen Quellen gespeist werden, unter anderem auch aus Eigenmitteln der Organisation. Die Bundesregierung geht daher davon aus, daß der Fonds seine Tätigkeit unverzüglich aufnehmen kann, wie es Ihnen heute vormittag bereits in den Ausschußsitzungen erläutert worden ist.

Volker Beck (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1321201500
Das ist ausdrücklich zu begrüßen.
Ich habe noch eine Nachfrage zu diesem Komplex: Im Innenausschuß wurde heute von einer Festbetragsfinanzierung gesprochen. Teilen Sie unsere Ansicht, wenn es sich trotz des Einbringens von Eigenmitteln der Jewish Claims Conference und der 200 Millionen DM von seiten des Bundes nach vier oder fünf Jahren abzeichnet, daß es zu Engpässen in diesem Fonds kommt, daß man dann ebenso wie beim Artikel-2-Fonds natürlich davon ausgehen kann, daß laufende Leistungen, die ja daraus bezahlt werden, grundsätzlich auf Lebenszeit bemessen sind und dieses nicht in jedem Fall das letzte Wort des Bundes sein kann und sein darf?

Hansgeorg Hauser (CSU):
Rede ID: ID1321201600
Herr Kollege, eine Antwort auf diese Frage käme im Augenblick noch zu früh. Man sollte erst einmal abwarten, wie die Abwicklung verläuft, und in dieser Frage beizeiten nachhaken.

Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1321201700
Eine Nachfrage des Kollegen Hirsch.

Dr. Burkhard Hirsch (FDP):
Rede ID: ID1321201800
Herr Staatssekretär, Sie sagten eben, daß die Claims Conference dankenswerterweise möglichst schnell ihre Tätigkeit in diesem Bereich aufnehmen und Rentenzahlungen an jüdische NS-Verfolgte leisten kann. Sieht die Bundesregierung denn keine Diskriminierung darin, wenn an nichtjüdische Opfer, die dasselbe Schicksal erlitten haben, nur deswegen keine Rentenzahlungen geleistet werden, weil sie Nichtjuden sind?


Hansgeorg Hauser (CSU):
Rede ID: ID1321201900
Herr Kollege Hirsch, ich glaube, die Frage stellt sich in dieser Form nicht. Es ist hier gefragt worden, wann dieser Fonds seine Tätigkeit aufnehmen kann. Da der Fonds selbständig tätig werden kann, kann eine entsprechende Leistung durch Eigenmittel sofort erfolgen. Die übrigen Entschädigungsleistungen, die bereits festgelegt worden sind, zeigen, daß diese Zahlungen keine Diskriminierung gegenüber nichtjüdischen Verfolgten darstellen.

Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1321202000
Eine Nachfrage des Kollegen Reuter.

Bernd Reuter (SPD):
Rede ID: ID1321202100
Herr Staatssekretär, wenn ich Sie richtig verstanden habe, dann kann ich feststellen: Allein die Jewish Claims Conference ist in der Lage, zu bestimmen, wer welche Leistungen erhält. Daraus resultiert meine Frage: Kann es nicht sein, daß ein jüdischer NS-Verfolgter auf Grund dieser Regelung eine Rente erhält, die möglicherweise höher ist als eine Leistung, die ein Verfolgter in einer vergleichbaren Situation in Polen aus der deutsch-polnischen Stiftung in Form einer einmaligen Zahlung erhält? Resultiert aus der jetzt getroffenen Vereinbarung nicht die Notwendigkeit, auch in diesem Bereich Nachbesserungen vorzunehmen?

Hansgeorg Hauser (CSU):
Rede ID: ID1321202200
Herr Kollege, ich kann im Augenblick die Einzelfälle nicht überprüfen und kann deshalb nicht sagen, welche unterschiedlichen Leistungen es in konkreten Einzelfällen geben könnte. Zunächst einmal muß mit dieser Arbeit begonnen werden, und dann können mögliche Ungleichbehandlungen in Einzelfällen nachgeprüft werden.

Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1321202300
Eine Nachfrage des Kollegen Meckel.

Markus Meckel (SPD):
Rede ID: ID1321202400
Es gibt Gruppen in Mittelost- und Osteuropa, die trotz ihrer besonderen Leiden bisher überhaupt nicht erfaßt sind. Ich denke zum Beispiel an polnische Frauen, die in Ravensbrück Opfer medizinischer Versuche waren und die eine einmalige Entschädigung aus der eben genannten Stiftung von ca. 1000 DM erhalten haben. Wenn man sich die Entschädigung der jüdischen Opfer nach der neuen Regelung ansieht, dann stellt man fest, daß diese Summe einer Leistungsdauer von vier Monaten entspricht. Wir hoffen, daß diese Menschen noch länger leben.
Bisher sind aber alle Bemühungen gescheitert, für diese inzwischen nicht einmal mehr 25 Frauen eine entsprechende Lösung zu finden, die ihre besonderen Leiden und ihre besondere Hilfsbedürftigkeit durch eine monatliche Zahlung, die ich nicht einmal Rente, sondern Zuschuß nennen möchte, berücksichtigt. Mir fällt es schwer nachzuvollziehen, daß Sie sagen, dieses Problem gebe es nicht. Können Sie Ihre Haltung unter Berücksichtigung des Hintergrundes
erläutern, daß es in der Slowakei und in den baltischen Staaten überhaupt noch keine Lösung in Form einer Stiftung gibt?

Hansgeorg Hauser (CSU):
Rede ID: ID1321202500
Herr Kollege Meckel, Ihre Frage kann ich im Augenblick nicht präzise beantworten. Für diesen schwer zu verhandelnden Komplex haben wir jetzt dankenswerterweise mit der Jewish Claims Conference eine Lösung gefunden. Die möglicherweise noch offenen Einzelfragen müssen gesondert behandelt werden.

(Markus Meckel [SPD]: Darf ich noch eine Nachfrage stellen?)


Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1321202600
Sie haben leider nur eine Nachfrage. Aber der Kollege Beck kann jetzt seine zweite Nachfrage stellen.- Bitte.

Volker Beck (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1321202700
Halten Sie es vielleicht für möglich, daß man die von den Kollegen gerade zu Recht angesprochenen besonderen Härtefälle - diese bestehen noch für nichtjüdische Opfer, auch dort, wo bereits Stiftungslösungen gefunden worden sind bzw. eine Ausformung der Stiftungen erreicht wurde, so etwa in den übrigen MOE-Staaten - im Rahmen der 80-MillionenDM-Lösung besonders berücksichtigt? Halten Sie es für möglich, daß man weiterhin berücksichtigt, daß die Menschen unterschiedlich schwere Verfolgungsschicksale haben, so daß man für bestimmte Menschen etwas mehr leisten muß als für die große Zahl der Opfer, die sich an die Stiftungen wenden und um Entschädigungszahlungen bitten?

Hansgeorg Hauser (CSU):
Rede ID: ID1321202800
Herr Kollege Beck, auch in diesem Fall muß ich sagen: Es wäre vielleicht zweckmäßig, wenn solche besonderen Härtefälle im Einzelfall beurteilt würden. Ich kann darauf keine pauschale Antwort geben. Ich möchte Sie also bitten, daß Sie sich mit solchen Einzelfällen an uns wenden, damit wir das im einzelnen diskutieren können.

Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1321202900
Es gibt keine weiteren Nachfragen. Danke schön, Herr Staatssekretär.
Wir kommen jetzt zum Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes. Herr Staatsminister Schäfer wird die Fragen beantworten.
Ich rufe die Frage 18 des Abgeordneten Detlev von Larcher auf:
Welche Voraussetzungen muß die einladende Person erfüllen, damit einer eingeladenen rumänischen Staatsbürgerin ein Visum zu Besuchszwecken erteilt werden kann?

Helmut Schäfer (FDP):
Rede ID: ID1321203000
Herr Kollege, die Erteilung eines Visums hängt grundsätzlich nicht von Voraussetzungen der einladenden Personen ab. Reist ein Staatsangehöriger eines visumspflichtigen Staates in die Bundesrepublik Deutschland, so ist vor der Visumserteilung unter an-

Staatsminister Helmut Schäfer
derem die Finanzierung des beabsichtigten Aufenthaltes zu überprüfen. Verfügt der Besucher dazu nicht über ausreichende eigene Mittel, so kann gemäß § 84 des Ausländergesetzes der Einladende die Kosten für den Lebensunterhalt einschließlich der Versorgung im Krankheitsfall für den eingeladenen Ausländer durch schriftliche Verpflichtungserklärung übernehmen. Dabei wird von der zuständigen Ausländerbehörde die finanzielle Leistungsfähigkeit des Einladenden, die sogenannte Bonität, geprüft. Bei kurzfristigen Besuchsaufenthalten genügt in der Regel die Glaubhaftmachung der finanziellen Leistungsfähigkeit.

Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1321203100
Eine Nachfrage, bitte.

Detlev von Larcher (SPD):
Rede ID: ID1321203200
Herr Staatsminister, meine Frage hat natürlich einen konkreten Anlaß. Wie erklären Sie sich, daß man auf einem Landratsamt einer Rentnerin mitteilt, sie dürfe niemanden aus Rumänien einladen, weil sie Rentnerin sei und deswegen die Bonität nicht erbringen könne?

Helmut Schäfer (FDP):
Rede ID: ID1321203300
Herr Kollege, ich habe Ihnen gerade klargemacht, daß es sich hier um gesetzliche Verpflichtungen, nämlilch aus dem Ausländergesetz, handelt, das der Deutsche Bundestag beschlossen hat. Nach dem Ausländergesetz kann nicht jeder, der nach Deutschland reisen möchte, aber nicht über entsprechende Mittel verfügt, hierhin reisen, es sei denn, es wird sichergestellt - das ist ein Teil dieses Gesetzes -, daß er in Deutschland nicht dem Staat oder möglicherweise anderen Institutionen zur Last fällt. Ich glaube, man muß diesen Zusammenhang sehen.

Detlev von Larcher (SPD):
Rede ID: ID1321203400
Nun haben Sie in der Fragestunde vom 19. Juni 1996 die Antwort gegeben:
Ausschlaggebend für die Beurteilung, ob ein Visum zu Besuchszwecken erteilt werden kann, sind nicht die persönlichen Verhältnisse des Gastgebers, sondern die des Visumsbewerbers.
In diesem Fall sind diese überhaupt nicht geprüft worden, sondern der Rentnerin ist gesagt worden: „Weil du Rentnerin bist" - so hat sie mir das wiedergegeben - „und eine zu kleine Rente hast, darfst du deine Freundin aus Rumänien nicht einladen. " Halten Sie das nicht für eine Diskriminierung?

Helmut Schäfer (FDP):
Rede ID: ID1321203500
Entschuldigen Sie bitte, Herr Kollege, ich halte hier überhaupt nichts für eine Diskriminierung. Ich kann auch nicht Bestimmungen oder Gesetze in einer Fragestunde anders interpretieren, als sie zu interpretieren sind. Ich habe eben vorgelesen, daß jemand, der nach Deutschland reisen will, über die entsprechenden Finanzmittel verfügen muß. Wenn er nicht darüber verfügt, muß nach der Bonität des Einladenden gefragt werden. Das steht im Ausländergesetz. Das gehört in den Innenbereich. Und nicht in den des des Auswärtigen Amtes. Das muß ich in
diesem Zusammenhang deutlich sagen. Wir können gar nicht anders, als uns an die hier verabschiedeten Gesetze zu halten.

Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1321203600
Ihre Frage bitte, Herr Koppelin.

Dr. h.c. Jürgen Koppelin (FDP):
Rede ID: ID1321203700
Herr Staatsminister, sind Ihnen Fälle bekannt, daß Personen, die ein Visum bekommen haben, trotzdem ohne erkennbare Gründe an der Grenze durch den Bundesgrenzschutz abgewiesen werden?

Helmut Schäfer (FDP):
Rede ID: ID1321203800
Herr Kollege, ich glaube, das gehört in den Geschäftsbereich des Innenministeriums. Wir haben mit dem Bundesgrenzschutz und den Abweisungen an der Grenze durch ihn nichts zu tun. Entsprechende Fragen müssen die Innenbehörden beantworten. Ich bin gerne bereit, diese danach zu fragen. Aber ich kann die Frage nicht beantworten, weil diese Sache nicht in die Zuständigkeit des Auswärtigen Amtes fällt.

Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1321203900
Eine Nachfrage des Kollegen Dreßen.

Peter Dreßen (SPD):
Rede ID: ID1321204000
Herr Staatsminister, wie hoch muß die Bonität sein? Muß jemand ein Einkommen von 2000 DM, 3000 DM oder 4000 DM nachweisen, oder ein wie hohes Einkommen muß er nachweisen, um seine Bonität zu beweisen? Reicht es, wenn man ein Sparbuch vorlegt? Denn ich muß feststellen, daß selbst einem Oberstudienrat die Einladung verweigert wurde, wenn auch noch mit anderen Begründungen. Ich finde, hier handelt das Auswärtige Amt zur Zeit sehr restriktiv.

Helmut Schäfer (FDP):
Rede ID: ID1321204100
Herr Kollege, das Auswärtige Amt kann überhaupt nicht restriktiv handeln. Das Auswärtige Amt muß sich an ein Ausländergesetz halten, das nicht vom Auswärtigen Amt beschlossen worden ist;

(Rezzo Schlauch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das muß doch konkretisiert werden!)

es geht hier vielmehr um gegebene Voraussetzungen.
Wir haben heute vormittag im Auswärtigen Ausschuß die Ausführungen eines sozialdemokratischen Oberbürgermeisters gehört, die dem Verständnis dessen dienten, warum solche Gesetze hier beschlossen worden sind. Ich kann nur sagen: Wenn Sie eine Änderung des Ausländergesetzes möchten, müssen Sie das in den zuständigen Gremien des Deutschen Bundestages angehen. Ich selbst kann das Gesetz nicht verändern.

Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1321204200
Eine Nachfrage des Kollegen Reuter.


Bernd Reuter (SPD):
Rede ID: ID1321204300
Herr Staatsminister, gibt es denn auf Grund einer Bitte des Innenministeriums die Anweisung an die Konsulate bestimmter Länder, strengere Maßstäbe anzulegen?

Helmut Schäfer (FDP):
Rede ID: ID1321204400
Es ist ganz klar, daß in sehr vielen Ländern unter Vortäuschung einer Reise nach Deutschland der Versuch unternommen wird, sich ein Asylverfahren in Deutschland zu ermöglichen. Herr Kollege, Sie wissen das. Es ist doch so, daß dies in der Vergangenheit in zigtausendfacher Weise erfolgt ist - mit allen Konsequenzen für unsere Kommunen. Daß in bestimmten Ländern Tausende von Menschen täglich versuchen, über ein Visum nach Deutschland auszureisen und auszuwandern, ohne die Absicht, hier Asyl zu beantragen, dabei schon kundzutun, ist in diesem Bundestag schon sehr häufig diskutiert worden.
Ich kann nur sagen: Die Frage des Kollegen richtet sich auf einen speziellen, einzelnen Fall. Dabei geht es um die Bonität, also um die Frage: Worüber muß der Einladende verfügen, damit jemand, der eingeladen wird, die Bestimmungen des bestehenden Ausländergesetzes erfüllt? Das ist alles, wonach ich heute gefragt worden bin. Ich bin aber nicht über größere Zusammenhänge gefragt worden, also darüber, wann ein Visum erteilt wird oder nicht. Das ist eine sehr umfangreiche Angelegenheit.

Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1321204500
Eine Nachfrage des Kollegen Erler.

Dr. h.c. Gernot Erler (SPD):
Rede ID: ID1321204600
Herr Staatsminister, Sie haben sich jetzt hier mehrfach auf das Ausländergesetz berufen. Wir haben in diesem Hause schon wiederholt über diese Frage gesprochen. Würden Sie einräumen, daß es sich in Wirklichkeit nicht um eine flächendeckende Anwendung dieser Gesetzesvorschriften handelt, also betreffend Visumsanträge aus allen Ländern der Welt, sondern daß es sich in Wirklichkeit speziell um Visumsanträge aus Ost- und Südosteuropa sowie den GUS-Staaten handelt und daß wir in Wirklichkeit bei aller gefeierten Freizügigkeit inzwischen eine Art Zensus haben, was die Begütertheit derjenigen betrifft, die Gäste aus Ost- und Südosteuropa sowie den GUS-Staaten einladen?

Helmut Schäfer (FDP):
Rede ID: ID1321204700
Herr Kollege, das Gesetz, das ich hier zitiert habe, ist nicht auf ost- und südosteuropäische Staaten beschränkt;

(Detlev von Larcher [SPD]: Das wäre ja noch schöner!)

es gilt vielmehr generell.

Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1321204800
Eine Nachfrage des Kollegen Schlauch.

Rezzo Schlauch (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1321204900
Herr Staatsminister, es ist richtig, daß nach der Bonität gefragt worden ist. Mein Kollege hat dann aber nachgefragt - Sie sind darauf eine Antwort schuldig geblieben -, wie eine solche Bonität aussehen muß. Muß sie beispielsweise dadurch belegt werden, daß ein regelmäßiges Einkommen bzw. eine Verdienstbescheinigung vorgewiesen wird? Welche Höhe muß sie betragen? Muß Vermögen vorhanden sein? Denn es ist ja auch denkbar, daß beispielsweise im Krankheitsfalle relevante Summen von dem Einladenden aufgewendet werden müssen. Sie sind jegliche Antwort darauf schuldig geblieben, wie diese Bonität aussehen muß.

Helmut Schäfer (FDP):
Rede ID: ID1321205000
Herr Kollege, ich bin nicht danach gefragt worden, wie die Bonität in Einzelfällen aussehen muß.

(Zurufe von der SPD: Doch!) - Nein, das bin ich nicht!

Ich kann Ihnen hier nicht im Detail sagen, in welcher Weise hinreichende Bonität auf Heller und Pfennig ausgelegt wird. Ich kann nur wiederholen, was ich bereits gesagt habe: Wenn beispielsweise kurzfristige Besuchswünsche vorhanden sind, dann reicht in diesem Falle in der Regel schon die Glaubhaftmachung der finanziellen Leistungfähigkeit desjenigen, der einlädt, oder desjenigen, der nach Deutschland kommen will. Wenn ein längerer Besuch in Deutschland, beispielsweise mit einer Dauer von drei Monaten, geplant ist, sieht das Gesetz vor, daß der Einladende garantieren muß, daß dann, wenn bei dem Eingeladenen entsprechende Finanzen nicht vorhanden sind, für den Fall einer Behandlung, eines Krankenhausaufenthaltes oder eines möglichen Unfalles entsprechende Vorkehrungen getroffen sind. Das hat der Gesetzgeber, sprich: der Deutsche Bundestag, beschlossen.
Ich muß Ihnen gestehen: Ich fühle mich in der Rolle eines wegen dieses vom Bundestag beschlossenen Gesetzes Angegriffenen nicht ganz wohl. Denn bei Kritik müßte man natürlich an das Gesetz herangehen. In den Ausschüssen und im Plenum bestehen Möglichkeiten, ein solches Gesetz, wenn es Ihnen nicht gerecht erscheint, zu ändern.

Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1321205100
Jetzt ist Herr Kollege Ilte dran.

Wolfgang Ilte (SPD):
Rede ID: ID1321205200
Herr Staatsminister, gestatten Sie mir dennoch eine Nachfrage. Sie haben gesagt: Bei einem kurzfristigen Aufenthalt muß die einladende Person erst glaubhaft machen, daß sie über Einkommen verfügt. Da in einem solchen Fall, ebenso wie bei einem längerfristigen Aufenthalt, offensichtlich nicht explizit im Gesetz steht, wieviel Geld der Einladende haben muß, kann ich mir sehr gut vorstellen, daß es für Ihre Behörden, insbesondere für die im Ausland tätigen Behörden, eine interne Vorschrift gibt, nach welchen Kriterien sie zu handeln haben.
Wonach meine Kollegen hier gefragt haben und was auch ich gerne wissen möchte, ist: Wie sieht diese Regelung aus? Wann sagt das Auswärtige Amt:

Wolfgang Ilte
„Nein, du darfst nicht kommen"? Wann sagt das Auswärtige Amt: „Ja, du darfst kommen"?

Helmut Schäfer (FDP):
Rede ID: ID1321205300
Zunächst einmal sagt das Auswärtige Amt nicht: „Nein, du darfst nicht kommen" . Das Auswärtige Amt, genauer gesagt: die Konsularabteilung der Botschaften, muß in Fällen, in denen bezweifelt wird, daß jemand, der einen Visumsantrag stellt, ernsthaft nur eine Reise nach Deutschland antritt und daß er außerdem über genügend Geld verfügt, bei den Ausländerbehörden nachfragen und sich mit ihnen beraten. Das ist also keineswegs eine Willkürentscheidung der jeweiligen Konsularabteilung. Dies kann ich in Beantwortung der zweiten Frage des Kollegen noch einmal deutlich erläutern. Dies beinhaltet dann auch die Ausländerbehörden.

Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1321205400
Damit sind wir jetzt bei der nächsten Frage, der Frage 19 des Abgeordneten von Larcher:
Zählt zu den Voraussetzungen für die Erteilung eines Visums zu Besuchszwecken an eine rumänische Staatsbürgerin auch, daß die einladende Person ein bestimmtes Nettoeinkommen nachweisen kann?
Der Sache nach haben wir diese Frage schon gestreift. Sie möchten diese Frage aber noch beantworten, oder?

Helmut Schäfer (FDP):
Rede ID: ID1321205500
Ja. - Ich glaube, daß diese Antwort die letzte Frage noch etwas näher beleuchtet; denn gemäß § 84 Ausländergesetz gilt: Will sich die einladende Person zur Übernahme der Kosten für den Lebensunterhalt eines Ausländers verpflichten und sind der Ausländerbehörde oder der Auslandsvertretung die finanziellen Verhältnisse nicht bekannt, so sind grundsätzlich ausreichende Nachweise, zum Beispiel Mietvertrag, Einkommens- und Versicherungsnachweise, erforderlich. Der Einladende ist jedoch zur Vorlage dieser Nachweise nicht verpflichtet; die Vorlage ist freiwillig. Bestehen berechtigte Zweifel an der finanziellen Leistungsfähigkeit des Einladenden, so kann die zuständige Behörde bei ihrer Entscheidung darauf abstellen, daß der Lebensunterhalt des Ausländers auch unter Einbeziehung einer Verpflichtungserklärung eines Dritten nicht gesichert ist und deshalb die Voraussetzungen für die Erteilung eines Visums nicht vorliegen.

Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1321205600
Eine Nachfrage des Kollegen von Larcher.

Detlev von Larcher (SPD):
Rede ID: ID1321205700
Heißt das dann, daß dann - ich bleibe bei meiner Rentnerin -, wenn die Rentnerin solche Nachweise erbringen soll und vom Landratsamt eine Bestätigung haben möchte, das Landratsamt befugt ist, zu sagen: „Paß mal auf, liebe Frau, du hast nur eine Rente von 900 DM; das reicht auf keinen Fall aus. Hast du noch weitere Einkünfte?" Müßte diese Rentnerin dann, wenn sie noch andere Einkünfte hat, diese offenlegen?

Helmut Schäfer (FDP):
Rede ID: ID1321205800
Nein. Sie muß nicht alles offenlegen. Es ist aber davon auszugehen, daß man der Rentnerin sagt: „Du mußt dich für den Fall rüsten, daß es in der Zeit, in der du jemanden aus dem Ausland" - in Ihrem speziellen Fall jemanden aus einem Lande, bei dem anzunehmen ist, daß die Rücklagen der betreffenden Person kaum ausreichend sind - „zu Gast hast, zu unangenehmen Konsequenzen kommen kann. "
Ich sage noch einmal: In den Fällen, die ich vorhin als kurzfristige Besuchsaufenthalte bezeichnet habe, genügt in der Regel schon die Glaubhaftmachung eines Einkommens. Auch hier wird freiwillig verfahren. Wenn aber die zuständige Behörde, beispielsweise die Ausländerbehörde, berechtigte Zweifel hat, daß die einzuladende Person überhaupt über Mittel verfügt oder über Mittel in ausreichendem Maße, dann wird sie der Visumsabteilung ein Nein vorgeben.

Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1321205900
Sie haben noch eine Frage?

Detlev von Larcher (SPD):
Rede ID: ID1321206000
Herr Staatsminister, was halten Sie von einem Land, das Ausländerbestimmungen macht, die dazu führen, daß die Menschenwürde - so will ich es einmal formulieren - in einem freiheitlichen Land, einem demokratischen Staat, so weit eingeschränkt wird, daß es zum Beispiel nicht mehr möglich ist, daß jemand, der hier Hilfstransporte organisiert, denjenigen, der in einem anderen Land für die Verteilung der Hilfsgüter sorgt, einlädt, weil ihm entgegengehalten wird, er habe zu wenig Geld?
Ein zweiter Punkt. Ich habe schon in einer anderen Fragestunde vorgetragen, daß es in meinem Wahlkreis einen Geschäftsmann gibt, der dann, wenn er einen ausländischen Geschäftspartner zum Zwecke eines Geschäftsabschlusses treffen will, sich mit ihm in den Niederlanden treffen muß und das nicht in der Bundesrepublik Deutschland tun kann. Was halten Sie von einem solchen Land? Müssen wir nicht die Gesetze ändern?

Helmut Schäfer (FDP):
Rede ID: ID1321206100
Herr Kollege, ich möchte eine Gegenfrage an Sie richten: Was halten Sie von dem Parlament in einem solchen Land, das solche Gesetze beschließt?

(Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wer ist hier Mehrheit und wer Minderheit? Zuruf des Abg. Detlev von Larcher [SPD])

- Entschuldigen Sie, Sie können nicht dauernd zwischen einem Land - Sie meinen im Grunde die Bundesregierung - und dem Parlament unterscheiden.

(Detlev von Larcher [SPD]: Ich habe nach dem Land gefragt!)

Über das Ausländergesetz ist hier, in diesem Bundestag, diskutiert worden, und es ist verabschiedet worden. Unsere Behörden, die ja nichts anderes zu tun haben, als dem Gesetzgeber zu folgen, wenden das Gesetz an; das kann zu den von Ihnen möglicherweise zu Recht monierten Schärfen führen. Wenn wir

Staatsminister Helmut Schäfer
dann nicht hinter den Beamten stehen, könnten uns natürlich unsere Konsulatsbeamten fragen: Was müssen wir eigentlich von einer Regierung halten, die uns nicht die Sicherheit gibt, daß wir dann, wenn wir die Gesetze in einer Weise auslegen, wie sie auszulegen sind, hinterher im Deutschen Bundestag dafür keine Kritik bekommen?
Wenn ein entsprechender Bedarf besteht, muß man sich überlegen, was man an diesen Gesetzen ändert. Aber Sie wissen ja auch um die Sorge, die im Zusammenhang mit dem besteht, was wir in den letzten Jahren und Jahrzehnten erlebt haben - mit all den Konsequenzen für unsere Kommunen. Ich rate jedem, einmal mit Bürgermeistern über die Anwesenheit von Ausländern zu sprechen, die auf Grund einer Einreise, die ihnen gewährt wurde, zu uns gekommen sind und die dann nicht mehr in ihr Land zurückgegangen sind. Heute morgen wurde uns gesagt, daß von einer nordrhein-westfälischen Kommune pro 100 Flüchtlinge 1 Million DM pro Jahr zu zahlen ist. Das muß man auch einmal zur Kenntnis nehmen.
Von daher sind wir alle nicht froh. Wir müssen aber aus dem, was uns als gesetzliche Vorschrift vorgegeben ist, unsere Konsequenzen ziehen.

(Detlev von Larcher [SPD]: Ich glaube nicht, daß man ein solches Gesetz gemacht hätte, wenn alle die Konsequenzen gekannt hätten!)


Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1321206200
Ich erteile dem Kollegen Tauss das Wort.

Jörg Tauss (Plos):
Rede ID: ID1321206300
Herr Staatsminister, ich bin eigentlich wegen einer Frage zum Geschäftsbereich des Finanzministeriums gekommen. Als Betroffener stelle ich Ihnen jetzt aber einmal meine Erfahrungen dar und möchte Sie fragen, was Sie davon halten.
Eine evangelische Kirchengemeinde lud Kinder ein; es ging um eine Hilfsaktion für Tschernobyl. Man hat verlangt, man solle den Unterhalt nachweisen. Das zu tun wurde der Kirche nicht gestattet mit der Begründung, eine Kirche sei kein eingetragener rechtlicher Verein. Das geschah durch Ihr Haus. Damit die Kinder reisen konnten, wurde nach Alternativen gesucht. Ich habe mich bereit erklärt, eine Bürgschaft für den Aufenthalt dieser Kinder zu übernehmen. Ich wurde gebeten, dem Ausländeramt der Stadt Karlsruhe eine Bescheinigung über meine Bezüge als Abgeordneter des Deutschen Bundestages vorzulegen. Wie vertragen sich diese Sachverhalte, nämlich der geforderte Nachweis der Rechtsfähigkeit von Kirchen und der Bonität eines Bundestagsabgeordneten, mit Ihrer Aussage, daß ganz zweifellos solche Bescheinigungen nicht vorgelegt werden müßten?

Helmut Schäfer (FDP):
Rede ID: ID1321206400
Ich bin nicht über die Kenntnisse einer Behörde
in Karlsruhe in bezug auf die Einkünfte eines Bundestagsabgeordneten informiert.

(Jörg Tauss [SPD]: Entschuldigung, das war Ihr Haus!)

Vielleicht hätte man das nicht unbedingt nachweisen müssen. Das kann man auch nachlesen, weil es ja jeden Tag in der Zeitung, wie Sie wissen, heftig diskutiert wird.

(Detlev von Larcher [SPD]: Zeitung lesen!)

Wir werden ja bei jeder Erhöhung unserer Diäten und unserer Bezüge wie kein anderer Berufsstand kritisiert. Das hätten die Behörden in Karlsruhe also wissen können.

(Jörg Tauss [SPD]: Das war nicht die Ausländerbehörde! Das war Ihr Haus, das gebeten hat, daß ich auf dem Ausländeramt einen Nachweis führe!)

- Dabei geht es aber nicht darum, daß Sie Ihr Einkommen nachweisen, sondern darum, sicherzustellen, daß Sie im Zweifelsfall mögliche Kosten auch wirklich übernehmen.
Wenn ich Ihnen vielleicht jetzt noch einmal etwas ganz Konkretes sagen darf: Es ist in vielen Härtefällen besser, zu versuchen, in unmittelbarem Kontakt mit mir oder dem Auswärtigen Amt eine Lösung zu finden. Ich kann Ihnen sagen: Ich mache das jeden Tag. Es geht dabei um Freundinnen und Freunde von Menschen, die aus vielen Ländern der Welt nach Deutschland eingeladen werden - von Thailand bis Neu-Mexiko. Wenn es irgendwie geht, helfen wir. Einer Fragestunde dazu bedarf es nicht. Ich kann aber die Gesetze nicht ändern. Ich bitte dafür um Ihr Verständnis.

(Detlev von Larcher [SPD]: Ich finde, es ist ein bißchen unglücklich, als Abgeordneter in jedem Fall einen Nachweis zu führen!)

- In dem Fall hätten Sie, Herr von Larcher, schon längst zu mir kommen können. Bitte tun Sie es.

(Detlev von Larcher [SPD]: Ich werde es auch tun, aber ich finde, solche Fälle müssen auch öffentlich gemacht werden!)


Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1321206500
Als nächster der Kollege Reuter.

Bernd Reuter (SPD):
Rede ID: ID1321206600
Herr Staatsminister, es geht jetzt nicht um die Härtefälle, sondern um die Regelfälle. Wenn jemand seine Bonität nicht nachweist oder seine Unterlagen nicht vorlegen kann oder der entsprechende Abgeordnete hoch verschuldet ist,

(Jörg Tauss [SPD]: Was ich nicht bin!)

dann wird ein Visum abgelehnt. Wie erfährt der Antragsteller eigentlich die Gründe, die zu der Ablehnung geführt haben, zumal er doch gar kein Rechtsmittel und keine Gründe genannt bekommt? Gleichwohl hat er das Recht, dagegen Einspruch einzulegen. Wie erfährt er aber die Gründe der Ablehnung? Die nennt ja die Konsularabteilung normalerweise



Bernd Reuter
nicht. Das Instrument des Rechtsmittels, nachher dagegen vorzugehen, ist ihm überhaupt nicht gegeben, weil er die Gründe gar nicht kennt, warum sein Visum abgelehnt wurde.

Helmut Schäfer (FDP):
Rede ID: ID1321206700
Ich kann Ihnen jetzt keine Vorlesung halten über die detaillierten Vorgehensweisen von einzelnen Konsulaten. Danach war auch nicht gefragt worden. Ich bin aber gerne bereit, Ihnen diese Details in irgendeiner Weise zukommen zu lassen; jedenfalls kann ich hier keine Vorlesung halten über den Ablauf von Antragsgenehmigungen und über Detailgründe, die dort angegeben werden. Ich bin bereit, Ihnen das nachzureichen. Ich bin kein Fachmann auf diesem Sektor.

Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1321206800
Der Kollege Erler, bitte.

Dr. h.c. Gernot Erler (SPD):
Rede ID: ID1321206900
Herr Staatsminister, würden sie einräumen, daß in den letzten Jahren die Zahl der tatsächlich erteilten Visa, insbesondere für Besucher aus Ost-, Südosteuropa und aus den GUS-Staaten, signifikant zurückgegangen ist? Sehen Sie einen Zusammenhang mit dem hier behandelten Komplex, nämlich mit einer zurückhaltenden bis abschreckenden Form, über solche Bonitätsnachweise die Möglichkeit von Einladungen einzuschränken?

Helmut Schäfer (FDP):
Rede ID: ID1321207000
Die Bundesregierung steht unter einem permanenten Druck - auch der Kommunen und der Länder -, bei der Vergabe von Visa vorsichtig zu verfahren, insbesondere bei Ländern, in denen der Mißbrauch solcher Visumsanträge, also die Praxis, ein Reisevisum zu beantragen und dann in Deutschland um Asyl zu bitten, derart gravierend war, daß wir im Vorfeld schon gezwungen worden sind, vorsichtiger zu verfahren.

Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1321207100
Ich erteile das Wort dem Abgeordneten Otto Schily.

Otto Schily (SPD):
Rede ID: ID1321207200
Herr Staatsminister, weil Ihnen mein Mitgefühl gilt, daß Sie hier ein Gesetz interpretieren und vertreten sollen, frage ich Sie, ob ich aus Ihren Ausführungen entnehmen soll, daß Sie der Meinung sind, das Gesetz sollte eigentlich doch verändert werden, damit Sie nicht soviel Arbeit haben. Ich stelle mir diese ganzen Briefe und Besuche bei Ihnen vor. An sich ist ja vielleicht die Aufgabenstellung eines Staatsministers im Auswärtigen Amt noch etwas weiträumiger; insofern wäre es gut, wenn man Sie entlasten könnte. Was ist Ihre Empfehlung?

Helmut Schäfer (FDP):
Rede ID: ID1321207300
Herr Kollege Schily, ich konnte angesichts der Tatsache, daß soeben der Bundesinnenminister, wenn ich seine Stimme hinter mir richtig erkannt habe, erschienen ist, diese Frage von Ihnen als eine ganz gefährliche Frage entlarven; denn Sie verlangen jetzt von mir, über eine Änderung des Ausländergesetzes zu reden.
Ich habe Ihnen ja gesagt, wenn Kritik aus dem Deutschen Bundestag kommt, die besagt, dieses Gesetz sei zu rigide, seine Anwendung sei unmenschlich, hier würden einzelne Fälle in einer Weise geregelt, die eigentlich zu der Frage führen müßten - so wurde es formuliert -, was man von diesem Land hält, dann kann ich nur antworten, daß wir natürlich über solche Dinge sprechen müssen. Wenn es tatsächlich Entwicklungen gibt, die eine Überprüfung dieses Gesetzes notwendig machen, dann sollte man es überprüfen.
Ich sage aber noch einmal: Das Gesetz ist vom Deutschen Bundestag verabschiedet worden, und der ist das Gremium, in dem über mögliche Änderungen nachgedacht werden muß.

Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1321207400
Ich rufe jetzt die Frage 20 des Abgeordneten Gernot Erler auf:
Wie erklärt sich die Bundesregierung, daß die türkische Öffentlichkeit nach den Entscheidungen der Europäischen Union von Luxemburg überwiegend die Bundesregierung für die aus türkischer Sicht enttäuschenden Ergebnisse verantwortlich gemacht hat?

Helmut Schäfer (FDP):
Rede ID: ID1321207500
Herr Kollege Erler, wir haben die anfängliche, zum Teil emotional geprägte Kritik in der Türkei am Ergebnis des Europäischen Rates in Luxemburg vom 12. und 13. Dezember vergangenen Jahres mit Bedauern zur Kenntnis genommen, aber auch registriert, daß inzwischen immer stärker nachdenkliche Töne zu hören sind.
Vergleicht man die Beschlußlage, die die Beziehungen zwischen der Europäischen Union und der Türkei vor und nach Luxemburg definiert, so ist dort eine sehr wichtige qualitative Verbesserung erreicht worden, die der besonderen strategischen Bedeutung der Türkei für die EU und umgekehrt auch der Europäischen Union für die Türkei wesentlich weitergehend Rechnung trägt, als es mancher Kritiker zur Kenntnis genommen hat.
Die Bundesregierung hat daran aktiv und engagiert mitgewirkt. Jetzt gilt es, auf dem Erreichten aufzubauen und Schritt für Schritt das Verhältnis zwischen der Türkei und der Europäischen Union zu verdichten. Der Türkei ist die Teilnahme an der EuropaKonferenz angeboten worden, „in der sich die Mitgliedstaaten der EU sowie diejenigen Staaten zusammenfinden, die für einen Beitritt in Frage kommen und die Werte sowie die internen und externen Ziele der Union teilen. " - Ich habe zuletzt aus Ziffer 4 dieses Beschlusses zitiert.
Außerdem soll die „europäische Strategie für die Türkei" - so die Formulierung -, die in den Schlußfolgerungen von Luxemburg enthalten ist, zur „Vorbereitung der Türkei auf den Beitritt" genutzt werden. Es ist ausdrücklich klargestellt, daß das Beitrittsersuchen der Türkei „auf der Grundlage derselben Kriterien" untersucht wird wie im Fall anderer Bewerber. Das ist die Ziffer 31.

Staatsminister Helmut Schäfer
Allerdings sind - dies war in Luxemburg die Auffassung aller Mitgliedstaaten und der Kommission - die politischen und wirtschaftlichen Voraussetzungen für Beitrittsverhandlungen noch nicht gegeben; daher der Wunsch der gesamten Europäischen Union und besonders der Bundesregierung, die erwähnte europäische Strategie für die Türkei jetzt entschlossen anzugehen.
Was den Bereich von Verfassungsfragen und Menschenrechten betrifft, begrüßen wir jüngste Schritte der Regierung in Ankara, die in diese Richtung gehen.

Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1321207600
Eine Nachfrage, bitte.

Dr. h.c. Gernot Erler (SPD):
Rede ID: ID1321207700
Herr Staatsminister, ich habe natürlich Verständnis dafür, daß Sie meine Frage nach den Ursachen eines bestimmten Zustandes benutzen, um eine politische Perspektive hinsichtlich des Verhältnisses der Bundesrepublik zur Türkei vorzutragen. Sie haben aber sicher auch Verständnis dafür, daß ich auf meine ursprüngliche Frage zurückkomme, nämlich wie es eigentlich dazu gekommen ist, daß zum Beispiel die türkische Zeitung „Millyet", ein angesehenes Blatt, unmittelbar nach dem Luxemburger Gipfel geschrieben hat - ich zitiere -:
König Kohl und sein Hofnarr Juncker sind für die entstandene Lage verantwortlich.
Solche Töne hat man auch in vielen anderen Verlautbarungen vernommen.
Wie erklärt sich die Bundesregierung, daß es überhaupt zu dieser schwierigen Situation gekommen ist, daß Bundeskanzler Kohl von der Türkei praktisch als Hauptverantwortlicher für die - jedenfalls aus türkischer Sicht so gesehene - Niederlage in Luxemburg gilt?

Helmut Schäfer (FDP):
Rede ID: ID1321207800
Die Türkei hat sich - aus welchen Gründen auch immer - schon im Vorfeld von Luxemburg auf die Vorstellung kapriziert, daß der Beitritt der Türkei zur Europäischen Union oder die Aufnahme der Türkei in den Kreis der Beitrittskandidaten nahezu ausschließlich von der deutschen Bereitschaft dazu abhinge. Das hat Ministerpräsident Yilmaz mir in Ankara kurz vor der Luxemburg-Konferenz selbst gesagt.
Ich war immer der Meinung, daß wir eine solche Auffassung nicht unterstützen dürfen. Es ist doch kein Geheimnis, daß nicht Deutschland allein, sondern die meisten Mitgliedstaaten, daß sogar - das möchte ich auf Grund der Beschlüsse, die ich verlesen habe, sagen - alle Mitgliedstaaten der Auffassung waren, daß die Türkei im Augenblick noch nicht in den Kreis der Beitrittskandidaten auf genommen werden könne, und zwar wegen der hier im Bundestag häufig diskutierten Fragen. Daß das bei Deutschland hängenblieb, ist sehr bedauerlich. Es entspricht nicht den Tatsachen, daß wir diejenigen gewesen sein sollen, die verhindert hätten, was andere gewollt hätten, nämlich daß die Türkei aufgenommen wird.
Sie wissen, Frankreich hat eine Europa-Konferenz vorgeschlagen. Wir haben das nach anfänglichem Zweifel unterstützt und haben gesagt: Gut, wenn das der Fall sein sollte, sind wir nicht dagegen. Die Türkei kann in diese Konferenz mit eingebaut werden. Das ist noch im Gespräch. Die Türkei war es, die gesagt hat: Eigentlich bringt uns das nichts.
Ich wiederhole: Ich bedauere, daß in der Türkei der Eindruck entstanden ist, als seien die Deutschen schuld, daß die Türkei bei den Vorverhandlungen nicht weitergekommen ist. Das entspricht nicht den Tatsachen.

Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1321207900
Noch eine Nachfrage.

Dr. h.c. Gernot Erler (SPD):
Rede ID: ID1321208000
Herr Staatsminister, ich hatte Gelegenheit, unmittelbar nach dem Luxemburger Gipfel in Ankara mit einer Delegation politische Gespräche zu führen. Am meisten hat mich da der Beitrag von Herrn Yilmaz beeindruckt, der unter anderem berichtet hat, daß er im Vorfeld von Luxemburg mehrfach Anrufe von anderen europäischen Staats- und Regierungschefs bekommen hat, die seinen Eindruck, daß Bonn im Hinblick auf den Status eines Kandidaten - der Türkei - mauert, unterstrichen haben. Namentlich hat er den französischen Präsidenten Chirac genannt. Sind solche Anrufe der Bundesregierung bekanntgeworden? Wie beurteilt die Bundesregierung ein solches Verhalten von befreundeten europäischen Staaten in bezug auf die Diskreditierung der deutschen Politik gegenüber Ankara?

(Jürgen Koppelin [F.D.P.]: Der Lauschangriff ist noch nicht da!)


Helmut Schäfer (FDP):
Rede ID: ID1321208100
Herr Kollege Koppelin verweist auf den Mangel der Möglichkeit von Lauschangriffen der Bundesregierung auf Telefonate, die in dieser Sache geführt wurden.
Ich will klar sagen: Ich kann mir nicht vorstellen, daß ein ausländischer Staatsmann uns beschuldigt haben könnte, es liege nur an uns, daß die Türkei nicht aufgenommen wird. Es ist möglicherweise die Rede davon gewesen, daß wir am Anfang Zweifel an der sogenannten Europa-Konferenz hatten, die Frankreich vorgeschlagen hat.
Aber es wäre nicht ganz redlich, wenn von anderen europäischen Staaten der Eindruck erweckt worden wäre, als sei Deutschland sozusagen der Hauptverantwortliche. Das ist nicht in Ordnung. Es wurden bestimmte Beschlüsse einer internationalen ParteiKonferenz über das Abendland und das Morgenland ja auch richtiggestellt. Der Bundeskanzler hat sich dazu eindeutig geäußert. Das konnte man auch nicht mehr zum Vorwurf machen.


Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1321208200
Ich rufe die Frage 21 des Abgeordneten Erler auf:
Welche Informationen hat die Bundesregierung über Boykottaufrufe in der türkischen Öffentlichkeit gegen deutsche Waren nach den Luxemburger Entscheidungen, und welche praktischen Folgen haben diese Boykottaufrufe bisher gehabt?

Helmut Schäfer (FDP):
Rede ID: ID1321208300
Herr Kollege, der Bundesregierung sind spontane öffentliche Boykottaufrufe in zahlreichen türkischen Medien als erste Reaktion auf die Beschlüsse des Europäischen Rates von Luxemburg im Dezember 1997 bekannt. Eine nachteilige Auswirkung auf die Entwicklung des deutsch-türkischen Handelsvolumens ist nicht auszuschließen. Wir haben aber bislang keinerlei konkrete Hinweise auf eine Benachteiligung deutscher Unternehmen infolge der jüngsten Boykottaufrufe.

Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1321208400
Nachfrage, bitte.

Dr. h.c. Gernot Erler (SPD):
Rede ID: ID1321208500
Herr Staatsminister, in diesem Zusammenhang haben sich die Vertreter des türkischen Generalstabs besonders harsch geäußert. Sie haben unter anderem angekündigt, daß die bundesdeutschen Firmen Unimog und MAN und andere Firmen, die in die Ausrüstung der türkischen Armee mit NATO-kompatiblen Gewehren involviert sind, sowie Ausrüster von Marineschiffen in Zukunft nicht mehr zum Zuge kommen sollen. Haben Sie irgendwelche Erkenntnisse darüber, ob es bei der bloßen Androhung geblieben ist oder ob das ebenso wie die Setzung der Bundesrepublik auf die sogenannte Gelbe Liste bei der Militärausrüstung der Türkei erfolgt ist?

Helmut Schäfer (FDP):
Rede ID: ID1321208600
Es liegt uns bis jetzt - ich sagte das bereits - kein konkreter Hinweis darauf vor, daß die Ankündigungen in konkrete Beschlüsse umschlagen. Ich kann mir vorstellen, daß die eine oder andere Fraktion im Deutschen Bundestag in dem Fall, daß das türkische Militär seine Ankündigungen wahrmachte, außerordentlich erfreut wäre. Ich erinnere mich an viele Debatten, die wir speziell über die Lieferungen an die türkischen Streitkräfte geführt haben. Es müßte eigentlich seitens der Fraktion der Grünen erstaunlicherweise Beifall für das türkische Militär aufkommen, wenn es die deutschen Waffenlieferungen, über die wir lange mit Frau Beer und anderen heftig diskutiert haben, gar nicht mehr wollte. Aber ich rede dem nicht das Wort.

(Amke Dietert-Scheuer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir müssen sie ihnen ja nicht aufdrängen!)


Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1321208700
Noch eine Nachfrage.

Dr. h.c. Gernot Erler (SPD):
Rede ID: ID1321208800
Ich schlage doch vor, daß wir zwischen dem militärischen Bedarf des NATO-Partners Türkei zur Warhnehmung des Bündnisauftrags und den Lieferungen unterscheiden, die wir immer
kritisiert haben und die eine Rolle im Bürgerkrieg in der Türkei spielen. Das war aber nur eine Anmerkung. -
Ich erlaube mir, Sie noch zu fragen, was Ihre Erkenntnisse angeht, Herr Staatsminister. Es hat Aufrufe an die immerhin 2,3 Millionen Türken, die in der Bundesrepublik leben, gegeben, ihre Bankguthaben bei den deutschen Banken aufzulösen und zu transferieren. Gibt es dazu irgendwelche Erkenntnisse, ob auch das bloß eine spontane Reaktion war oder ob es konkrete Folgen hatte?

Helmut Schäfer (FDP):
Rede ID: ID1321208900
Mir sind konkrete Folgen nicht bekannt. Ich kann aber darüber berichten, daß es wiederholt, auch mir gegenüber, besorgte Stimmen aus der türkischen Gemeinde in Deutschland darüber gegeben hat, daß das eigene Land mit seiner Kritik an Deutschland zu weit gegangen sei und daß man sich als Türke, der in Deutschland lebt, erhofft, daß es nicht zu Schädigungen der Türken bei uns kommt. Sie hoffen weiterhin, daß das Ganze einigermaßen moderiert wird und man sich wieder sinnvollerweise dem Dialog zuwendet, statt Drohungen und Boykottaufrufe zu machen. Ich meine, daß man damit nicht die Intentionen desjenigen trifft, der hier dauernd als schuldig bezeichnet wird: Deutschland ist sicher nicht der Staat, der verhindern will, daß die Türkei eines Tages nach Europa kommt.

Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1321209000
Danke schön, Herr Staatsminister. Damit haben wir keine Fragen mehr zu Ihrem Geschäftsbereich.
Die Fragen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr werden schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Wir kommen deswegen jetzt zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit. Der Parlamentarische Staatssekretär Ulrich Klinkert wird die Fragen beantworten.
Ich rufe zunächst die Frage 3 des Abgeordneten Winfried Mante auf:
Welche zukunftsorientierten grenzüberschreitenden und vorbeugenden Hochwasserschutzmaßnahmen sind in Kooperation mit den Nachbarländern Polen und Tschechien bereits eingeleitet, und welche Maßnahmen sind in diesem Zusammenhang in Zukunft vorgesehen?

Ulrich Klinkert (CDU):
Rede ID: ID1321209100
Herr Kollege Mante, auf Anregung von Frau Bundesministerin Dr. Merkel fand bereits am 4. August 1997 in Frankfurt/Oder ein Gespräch mit dem polnischen Umweltminister und dem Vertreter des tschechischen Umweltministers statt, an dem auch der brandenburgische Umweltminister Platzeck teilgenommen hat. Auf deutsche Initiative wurde dabei verabredet, einen Aktionsplan Hochwasser für das Odergebiet aufzustellen und die dafür notwendigen Arbeiten im Rahmen der Internationalen Kommission zum Schutz der Oder gegen Verunreinigung - der IKSO - durchzuführen. Diese Arbeiten sind zü-



Parl. Staatssekretär Ulrich Klinkert
gig angelaufen. Die dafür gebildete Arbeitsgruppe Hochwasser der IKSO führt am 15. und 16. Januar dieses Jahres, also morgen und übermorgen, in Radebeul bereits ihre zweite Sitzung durch.
Als erstes gemeinsames Papier wird in Kürze eine genaue Analyse des Oderhochwassers vom Sommer 1997 vorgelegt. Auf dieser Grundlage sollen bis Mitte des Jahres ein Strategiepapier zur Hochwasservorsorge und zum Hochwasserschutz sowie der Aktionsplan Hochwasser ausgearbeitet werden. Schwerpunkte dieses Aktionsplanes sind vor allem die Sicherung vorhandener und die Wiedergewinnung ehemaliger Überschwemmungsflächen, der erhöhte Wasserrückhalt durch Maßnahmen der Land- und Forstwirtschaft, der Siedlungsplanung und des Naturschutzes, technische Schutzmaßnahmen sowie die Entwicklung eines modernen Hochwassermeldesystems und einer Hochwasservorhersagemethodik für das gesamte Odergebiet.
In Ergänzung hierzu ist beabsichtigt, durch Raumplanung auf ein gemeinsames Vorgehen beim vorbeugenden Hochwasserschutz hinzuwirken. In einer trilateralen Arbeitsgruppe sollen Handlungskonzepte für die künftige Flächennutzung entwickelt werden.
Unser Ziel ist es, die vielfältigen Initiativen in den drei beteiligten Staaten im Rahmen der IKSO abzustimmen und zu koordinieren und die internationale Zusammenarbeit hierbei zu vertiefen.

Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1321209200
Möchten Sie nachfragen?

Winfried Mante (SPD):
Rede ID: ID1321209300
Ja. - Herr Staatssekretär, wie schätzen Sie die Situation hinsichtlich der grenzüberschreitenden vorbeugenden Maßnahmen ein? Gibt es Erkenntnisse darüber, ob diese Maßnahmen bereits bei einem bevorstehenden Frühjahrshochwasser greifen würden? Denn das, was Sie hier beschrieben haben, reicht weit in die Zukunft.

Ulrich Klinkert (CDU):
Rede ID: ID1321209400
Es wäre zu optimistisch, jetzt zu behaupten, daß es in naher Zukunft zu ähnlichen Ereignissen nicht mehr kommen kann. Das hängt damit zusammen, daß Hochwasser Ereignisse natürlicher Art sind und daß die Ausbaumaßnahmen des Flusses, die Jahrhunderte zurückliegen und über Jahrhunderte betrieben wurden, nicht in absehbar kurzer Zeit rückgängig gemacht werden können. Hinsichtlich des Frühjahrshochwassers habe ich die Hoffnung, daß der relativ milde Winter das Odergebiet und andere davon verschonen wird.

Winfried Mante (SPD):
Rede ID: ID1321209500
Würden also die Maßnahmen, die Sie vorhin beschrieben haben, bei einem diesjährigen Frühjahrshochwasser nicht greifen?

Ulrich Klinkert (CDU):
Rede ID: ID1321209600
Es sind einzelne Maßnahmen wie zum
Beispiel die Abstimmung beim Öffnen von Wehren und bei der Steuerung der Hochwasserwelle verabredet worden, die man auch jetzt schon bei ähnlichen Ereignissen anwenden könnte. Aber - wie ich bereits angedeutet habe - eine wirksame Bekämpfung der Gefahr des Hochwassers ist nur durch Baumaßnahmen an der Oder und an anderen Flüssen möglich. Dies wird auf jeden Fall einen längeren Zeitraum in Anspruch nehmen.

Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1321209700
Nachfrage des Kollegen Meckel.

Markus Meckel (SPD):
Rede ID: ID1321209800
Verehrter Herr Kollege, ich wüßte gern, welchen Zeitplan es hinsichtlich dieser Vereinbarungen gibt und wie die Projekte, die Sie angesprochen haben, finanziert werden. Inwiefern beteiligt sich die Europäische Union an der Finanzierung? Ferner hätte ich gern einige Ausführungen von Ihnen über das Projekt der Polen „Oder 2005", bei dem es ein gewisses Spannungsfeld zwischen der Begradigung und der wirtschaftlichen Nutzung der Oder auf der einen Seite und der Hochwasservorsorge sowie dem Hochwasserschutz auf der anderen Seite gibt.

Ulrich Klinkert (CDU):
Rede ID: ID1321209900
Herr Kollege Meckel, es ist für mich im Moment relativ schwierig, Zeitpläne zu nennen, da der Aktionsplan Hochwasser, der trilateral erarbeitet wird, noch nicht vorliegt. Im Rahmen dieses Aktionsplanes sollen die Ausbauziele auch zeitlich definiert werden.
Eines läßt sich aber schon jetzt sagen - hier wiederhole ich mich -: Dies wird Jahre, vielleicht sogar in der letzten Konsequenz auch Jahrzehnte in Anspruch nehmen. Ich gehe aber davon aus, daß der von Ihnen angesprochene Plan „Oder 2005" im Zuge der Erarbeitung dieses Aktionsplanes Berücksichtigung finden wird und daß alle Maßnahmen, die in diesem Plan vorgesehen sind bzw. präzisiert werden, auch unter dem Aspekt des Hochwasserschutzes einer kritischen Prüfung unterzogen werden.

Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1321210000
Danke.
Ich rufe jetzt Frage 4 des Abgeordneten Winfried Mante auf:
Was unternimmt die Bundesregierung, um der europäischen Dimension des Oder-Hochwassers gerecht zu werden, z. B. mit Blick auf von Deutschland, Polen und Tschechien gemeinsam finanzierte Maßnahmen, und was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um sich bei der Europäischen Union um finanzielle Unterstützung für nationale und grenzüberschreitende Projekte zur Schadensbeseitigung und Hochwasserschutzvorbeugung zu bemühen?

Ulrich Klinkert (CDU):
Rede ID: ID1321210100
Die europäische Kommission war in allen Phasen der Bewältigung des Hochwasserereignisses beteiligt, gehört selbst allen entscheidenden Gremien an und ist auch von sich aus initiativ geworden.

Parl. Staatssekretär Ulrich Klinkert
In den Ausschüssen zur Begleitung von Förderprogrammen der Europäischen Union wurden bereits am 4. September 1997 in Zittau gemeinsam mit der Republik Polen und der Tschechischen Republik Festlegungen zur Unterstützung von Sofortmaßnahmen zur Beseitigung der Hochwasserschäden getroffen. Diese Sofortmaßnahmen umfassen in Brandenburg unter anderem die Deichreparaturen in der Ziltendorfer Niederung und bei Hohenwutzen. Darüber hinaus möchte die EU-Kommission die Arbeiten der IKSO durch eine fachbegleitetende Studie unterstützen.
Weiterhin gibt es einen gemeinsamen Antrag der Raumordnungs- und Wasserbehörden von Brandenburg und Sachsen für ein Projekt „Transnationale raumordnerische und wasserwirtschaftliche Hochwasserschutzkonzeption für die Oderregion", das mit EU-Mitteln gefördert werden soll.

Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1321210200
Zusatzfrage, bitte.

Winfried Mante (SPD):
Rede ID: ID1321210300
Herr Staatssekretär, ich konnte jetzt nicht erkennen, welche konkreten Mittel die Europäische Union über INTERREG hinaus, das zum Beispiel im Land Brandenburg umgewidmete Mittel enthält, bereitgestellt hat. Können Sie da etwas deutlicher werden?

Ulrich Klinkert (CDU):
Rede ID: ID1321210400
Es gibt neben INTERREG eine ganze Reihe von Programmen der Europäischen Union, die dafür in Anwendung gebracht werden können. Ich möchte PHARE oder Cross-border-cooperation nennen. All diese Programme können auch für Maßnahmen des Hochwasserschutzes in Anwendung gebracht werden. Da man sich aber im Moment noch in der Phase der Erarbeitung von Konzepten befindet, kann ich Ihnen an dieser Stelle noch keine konkreten Summen nennen, mit denen sich die Europäische Union beteiligen wird.

Winfried Mante (SPD):
Rede ID: ID1321210500
Zweite Frage. Wird die Bundesregierung gegenüber der Europäischen Kommission initiativ, um konkrete Forderungen finanzieller Art zu erheben?

Ulrich Klinkert (CDU):
Rede ID: ID1321210600
Die Bundesregierung ist gegenüber der Europäischen Kommission initiativ geworden. Vielleicht wäre es richtiger zu sagen, sie arbeitet mit der Kommission zusammen. Alle Maßnahmen der Erarbeitung von Konzepten sind mit der Europäischen Kommission abgestimmt. Man rennt, wenn ich das so sagen darf, dabei offene Türen ein.

Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1321210700
Nachfrage des Kollegen Ilte.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1321210800
Herr Staatssekretär, könnten Sie Angaben darüber machen, wie hoch die finanzielle Belastung Deutschlands durch Ausgaben in den Ländern Polen und Tschechien im Zusammenhang mit dem Oderhochwasser ist?

Ulrich Klinkert (CDU):
Rede ID: ID1321210900
Sie meinen, welche konkreten Hilfen ausgereicht wurden?

Wolfgang Ilte (SPD):
Rede ID: ID1321211000
Ja, wie hoch die finanziellen Hilfen sind.

Ulrich Klinkert (CDU):
Rede ID: ID1321211100
Das kann ich Ihnen an dieser Stelle im einzelnen nicht aufzählen, weil die finanziellen Hilfen sehr zahlreich sind. Es gibt eine ganze Reihe von Hilfen, die auf privater Basis über gemeinnützige Organisationen ausgereicht wurden. Es gibt aber auch Unterstützungsmaßnahmen, die von den Ländern durchgeführt wurden. Auch die Bundesregierung hat sich in vielfältiger Form hilfsbereit gezeigt.

(Dr. Dagmar Enkelmann [PDS]: Die PDS auch!)


Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1321211200
Danke schön, Herr Staatssekretär.

Wolfgang Ilte (SPD):
Rede ID: ID1321211300

Ist die Bundesregierung bereit, die im Abschlußbericht des Bundesministeriums des Innern zum Oder-Hochwasser vom 9. Dezember 1997 unter Nummer 3.1.7 benannten - aber nicht benötigten - Mittel für Wohnungsbau umzuwidmen, z. B. für Städtebaufördermittel zur Wiederherstellung der kommunalen Infrastruktur?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1321211400
Die Bundesregierung hat im August 1997 auf Grund des vom Land Brandenburg ermittelten Schadensumfangs und des voraussichtlichen Bedarfs an Fördermitteln Finanzhilfen in Höhe von 15 Millionen DM zur Beseitigung von Hochwasserschäden an Wohngebäuden zur Verfügung gestellt. Landesmittel sollten in gleicher Höhe eingesetzt werden.
Zwischenzeitlich hat das Land Brandenburg mitgeteilt, daß die an Wohngebäuden entstandenen Schäden im wesentlichen aus Spenden und Versicherungsleistungen abgedeckt werden konnten, so daß zusätzliche staatliche Fördermittel für diesen Zweck nicht mehr benötigt werden.
Die Bundesregierung hat daraufhin geprüft, ob die für die Beseitigung von Schäden an Wohngebäuden gebundenen Mittel dem Land auch außerhalb dieser Zweckbestimmung zur Verfügung gestellt werden können. Ergebnis war jedoch, daß eine solche Abweichung von der eindeutigen Zweckbestimmung im Bundeshaushaltsplan mit finanzverfassungsrechtlichen Grundsätzen nicht vereinbar wäre.



Staatssekretärin Christa Thoben

Wolfgang Ilte (SPD):
Rede ID: ID1321211500
Frau Staatssekretärin, was steht dem entgegen, daß die Mittel, die die Bundesregierung gemeinsam mit dem Land Brandenburg zur Verfügung gestellt hat, um Oder-Hochwasserschäden an Wohngebäuden zu beseitigen, die aber nicht mehr benötigt werden, für die Beseitigung von Schäden eingesetzt werden, die beispielsweise durch Panzer der Bundeswehr auf kommunalen Straßen oder durch die Anlage eines Hubschrauberlandeplatzes in einer Kommune entstanden sind?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1321211600
Es ist übereinstimmende Auffassung zwischen dem Land Brandenburg und der Bundesregierung, daß so etwas bei der Zweckbestimmung Wohnungsbau auf Grund von haushaltsrechtlichen und finanzverfassungsrechtlichen Festlegungen nicht geht.

(Wolfgang Ilte [SPD]: Schönen Dank!)


Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1321211700
Danke schön Ihnen beiden.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie auf.
Die Fragen 6 und 7 werden schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft. Die Frage 8 des Abgeordneten Fuchtel soll ebenfalls schriftlich beantwortet werden. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.

Wolfgang Ilte (SPD):
Rede ID: ID1321211800

Für welche konkreten Maßnahmen sind die 70 Mio. DM zum Deichschutz vorgesehen, und werden diese Mittel dem Land Brandenburg pauschal für das Oderprogramm „Sicherheit und Zukunft der Oderregion" zur Verfügung gestellt?

Wolfgang Gröbl (CSU):
Rede ID: ID1321211900
Herr Kollege Ilte, von den zugesicherten 70 Millionen DM wurden dem Land Brandenburg bereits 13 Millionen DM Bundesmittel im Jahr 1997 zugewiesen. Diese Geldmittel wurden für Sofortmaßnahmen zum Hochwasserschutz an den zwölf am stärksten betroffenen Deichstellen eingesetzt. Der Restbetrag von 57 Millionen DM soll dem Land Brandenburg ab 1998 in Jahresraten von 10 bis 15 Millionen DM zur Verfügung gestellt werden.
Mit dem Land Brandenburg ist vereinbart worden, gezielt folgende Maßnahmen zu finanzieren: Deichverstärkungen und Deicherhöhungen bei Neuranft, in der Ziltendorfer und der Neuzeller Niederung, am Deich Buschmühlenweg, im Oderbruch und in den Landkreisen Barnim und Uckermark. Darüber hinaus sollen am Einlaßbauwerk Niedersaaten Baumaßnahmen durchgeführt werden, um die Funktionsfähigkeit der bestehenden Flutungspolder A und B herzustellen. Diese Maßnahmen sollen im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes" finanziert werden.

(Wolfgang Ilte [SPD]: Danke!)


Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1321212000
Auch ich danke - Ihnen ebenfalls, Herr Staatssekretär.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung auf. Die Frage 10 wird schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Wir kommen jetzt zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung. Herr Staatssekretär Rose wird die Fragen beantworten.
Ich rufe die Frage 11 der Abgeordneten Angelica Schwall-Düren auf:
Trifft es zu, daß das „Gesangbuch der Bundeswehr" alte Lieder der Wehrmacht enthält und daß während der Grundausbildung von Soldaten Filme der Wehrmacht als Lehrfilme vorgeführt werden (z. B. der „Spähtrupp" aus dem Jahre 1943)?

Dr. Klaus Rose (CSU):
Rede ID: ID1321212100
Verehrte Frau Kollegin, das Liederbuch der Bundeswehr mit dem Titel „Kameraden singt!" wurde im Jahre 1991 herausgegeben. Es bietet den Soldaten eine große Auswahl verschiedenster Lieder an. Es enthält Volkslieder, Lieder aus dem englischen Sprachraum sowie alte und neue Soldatenlieder.
Lieder, die das nationalsozialistische Regime hat verfassen lassen, wurden in das Liederbuch der Bundeswehr nicht aufgenommen. Die Auswahl der Lieder wird sowohl den Singgewohnheiten Jugendlicher als auch den Ansprüchen gerecht, die eine kritische Öffentlichkeit an das Liedgut der Bundeswehr stellt.
Inwieweit der von Ihnen genannte Lehrfilm noch verwendet wird, konnte in der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit nicht abschließend geklärt werden. Ich gebe Ihnen dazu baldmöglichst schriftliche Antwort.

Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1321212200
Möchten Sie nachfragen?

Dr. Angelica Schwall-Düren (SPD):
Rede ID: ID1321212300
Herr Staatssekretär, Sie haben formuliert, daß Lieder, die unter dem Nationalsozialismus verfaßt worden sind, nicht in das Buch aufgenommen worden seien. Meine Frage bezog sich aber auf Wehrmachtslieder, also auf Lieder, die schon früher entstanden sind und durchaus auch militaristisches, autoritäres Gedankengut transportieren und teilweise im Nationalsozialismus Verwendung fanden. Können Sie sagen, ob solche Lieder verwendet wurden?

Dr. Klaus Rose (CSU):
Rede ID: ID1321212400
Wenn Sie mir sagen, welche Lieder Sie meinen, tue ich mich leichter. Sonst habe ich Schwierigkeiten, weil ich nicht weiß, was Sie unter solchen Liedern verstehen. Denn ich habe

Parl. Staatssekretär Dr. Klaus Rose
erwähnt: Das sind deutsche Volkslieder, die zum Teil über Jahrhunderte gesungen wurden. Es könnte theoretisch sein, daß solche Lieder - egal von welcher Gruppe der Bevölkerung - auch in der nationalsozialistischen Zeit gesungen wurden. Wenn Sie sagen, solche dürften heute nicht mehr gesungen werden, habe ich Schwierigkeiten mit der Beurteilung. Sie müßten mir konkret sagen, was Sie meinen.

Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1321212500
Bitte.

Dr. Angelica Schwall-Düren (SPD):
Rede ID: ID1321212600
Ich werde das schriftlich nachreichen.

Dr. Klaus Rose (CSU):
Rede ID: ID1321212700
Ich bitte darum.

Dr. Angelica Schwall-Düren (SPD):
Rede ID: ID1321212800
Ich habe eine weitere Nachfrage. Teilweise wird argumentiert, daß die Behandlung bzw. Verwendung entsprechender Materialien aus Wehrmachtszeiten oder aus Zeiten des Nationalsozialismus unter militärtechnischen Gesichtspunkten notwendig seien. Kann die Bundesregierung eine Garantie geben, daß bei der Verwendung entsprechender Materialien eine Einordnung in den historischen Kontext dergestalt vorgenommen wird, daß eine kritische Auseinandersetzung mit den militaristischen und nationalsozialistischen Traditionen erfolgt?
Der Hintergrund meiner Frage ist folgender: In der neuesten Veröffentlichung der Zeitschrift „Truppenpraxis/Wehrausbildung", 1/1998, wird eine militärgeschichtliche Weiterbildung angeboten über die Abwehrschlacht zwischen Frankfurt/Oder und Berlin im April 1945, bei der die einzige historische Einordnung darin besteht, die militärische Lage Deutschlands Ende 1944/Anfang 1945 zu skizzieren. Meine Frage ist: Wie garantiert die Bundesregierung, daß eine politische Einordnung in demokratisch-kritischer Weise geschieht?

Dr. Klaus Rose (CSU):
Rede ID: ID1321212900
Die Bundesregierung hat in jedem Bereich die Aufgabe - und sie nimmt sie auch wahr -, Probleme geschichtlicher Art sachgemäß, dem Grundgesetz entsprechend und der freiheitlich-demokratischen Grundordnung gemäß weiterzugeben. Das heißt, es findet keinerlei Unterweisung statt, die nicht unter diesen Gesichtspunkten durchgeführt wird. Politische Bildung, innere Führung und all diese Fragen werden jetzt und in Zukunft unter diesen Gesichtspunkten gestaltet.
Wenn Sie in irgendeiner Zeitschrift ein anders geartetes Angebot gefunden haben, hat das zunächst noch nichts mit der Bundesregierung zu tun. Aber umgekehrt kann man auch nicht sagen, daß die Schrift, auf die Sie sich beziehen, die alleinig verfügbare zu diesem Thema sei. Wenn sie in den richtigen Kontext eingeordnet wird, dann verhält es sich wie im normalen Geschichtsunterricht: Man muß viele Quellen heranziehen, um ein vernünftiges Geschichtsbild zu bekommen.

Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1321213000
Ich rufe die Frage 12 auf:
Ist es aus Sicht der Bundesregierung für eine vertiefte Identifikation der Menschen mit den Prinzipien eines freiheitlich demokratischen Rechtsstaates förderlich, wenn Lehrfilme und Lieder im „Gesangbuch der Bundeswehr" aus Wehrmachtszeiten und die Reichskriegsflagge auch heute noch offizielle Bedeutung haben?
Bitte, Herr Staatssekretär.

Dr. Klaus Rose (CSU):
Rede ID: ID1321213100
Verehrte Frau Kollegin, bei der Zusammenstellung der Lieder sind vor allem die Soldaten selbst zu Wort gekommen. Ihre Wünsche wurden vom Bundesministerium der Verteidigung darauf geprüft, ob die ausgewählten Lieder den politischen, geistigen und ethischen Grundsätzen unseres Staates widersprechen. Die Lieder dürfen weder einen Eroberungsgedanken zum Ausdruck bringen noch den Krieg verherrlichen oder ein überhebliches Pathos pflegen. Ebensowenig dürfen sie geeignet sein, die Gefühle anderer Völker und Menschen zu verletzen.
Die ausgewählten Lieder wurden sowohl vom Beirat für Fragen der Inneren Führung als auch am 10. Mai 1989 vom Verteidigungsausschuß des Deutschen Bundestages zustimmend zur Kenntnis genommen.
Zu der Frage nach den Lehrfilmen aus der Zeit des Zweiten Weltkrieges oder der Wehrmacht verweise ich auf die Antwort zur Frage 1. Wir müssen das genau prüfen.
Zur Frage der Reichskriegsflagge: Dazu kann ich Ihnen sagen, daß das Zeigen der Reichskriegsflagge, die in der Zeit von 1934 bis 1945 Verwendung fand, in der Bundesrepublik Deutschland durch Strafgesetze verboten ist und somit auch in der Bundeswehr verboten ist. Die Kriegsflagge des Norddeutschen Bundes und späteren Deutschen Reiches, die in Deutschland bis 1921 gültig war, darf im Rahmen der Traditionspflege der Bundeswehr im Einklang mit den hierfür geltenden Bestimmungen der Richtlinien zum Traditionsverständnis und zur Traditionspflege - zum Beispiel in der Marine - gezeigt werden. Es gibt keine Anzeichen dafür, daß diese Flagge in der Bundeswehr mißbräuchlich verwendet wird. Sollte dies im Einzelfall festgestellt werden, wird dagegen vorgegangen.

Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1321213200
Danke schön. Keine weiteren Nachfragen.
Die Fragen 13, 14, 15 und 16 werden schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich rufe jetzt die Frage 17 des Abgeordneten Mekkel auf:
Welche Art der Kostendeckung sieht die Bundesregierung für in Aussicht gestellte weitere Einsätze der Bundeswehr im Katastrophenfall, z. B. Hochwasser, vor?

Dr. Klaus Rose (CSU):
Rede ID: ID1321213300
Herr Kollege Meckel, Ka-



Parl. Staatssekretär Dr. Klaus Rose
tastrophenhilfe ist nach dem Grundgesetz als ergänzende Hilfe zur Unterstützung der Länder, nicht jedoch als zusätzliche Kompetenz des Bundes oder gar als originäre Aufgabe der Streitkräfte konzipiert. So stellt sich die Bundeswehr hinsichtlich ihrer Gliederung, Dislozierung, Ausrüstung und Ausbildung nicht auf die Übernahme konkreter Katastrophenschutzmaßnahmen ein.
In akuten Katastrophenfällen hilft sie im Rahmen verfügbarer personeller und materieller Kapazitäten und Fähigkeiten auf Anforderung. Die diesbezüglich entstehenden Kosten fallen zunächst im Einzelplan der Bundeswehr an und sind grundsätzlich von den anfordernden Stellen zu erstatten. Zu unterscheiden ist zwischen den dem Schadensereignis zuzurechnenden vollen Kosten, das heißt den Kosten, die tatsächlich entstanden sind, und den Kosten, die in Abhängigkeit von dem Ausbildungsinteresse gemäß dem Erlaß über Hilfeleistungen der Bundeswehr bei Naturkatastrophen oder besonders schweren Unglücksfällen zu erstatten sind.
Im Falle eines dringenden Bundesinteresses, das bei Naturkatastrophen überregionalen Ausmaßes gegeben sein kann, ist mit Zustimmung des Bundesministeriums der Finanzen ein darüber hinausgehender Kostenverzicht möglich.

Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1321213400
Eine Nachfrage, bitte.

Markus Meckel (SPD):
Rede ID: ID1321213500
Verehrter Herr Staatssekretär, können Sie andere Beispiele als das Hochwasser an der Oder nennen, bei denen in der Vergangenheit die Bundeswehr Katastropheneinsätze geleistet hat und bei denen entweder Kosten von den jeweiligen Gliederungen übernommen wurden, das heißt auf kommunaler oder auf Landesebene, oder von seiten der Bundeswehr auf die Kostenübernahme aus den eben von Ihnen dargestellten Gründen verzichtet wurde?

Dr. Klaus Rose (CSU):
Rede ID: ID1321213600
Ich kann Beispiele aus meiner eigenen Region, dem Wahlkreis Passau, von Donauhochwasser nennen, bei denen die Bundeswehr geholfen hat. Es gab auch Sturm- und Schneeschäden, bei denen die Bundeswehr geholfen hat.

(Zuruf von der CDU/CSU: Helmut Schmidt!)

Da ist meistens ein Ersatz der Kosten vorgesehen und auch vorgenommen worden. Es gab aber auch Fälle, bei denen auf Grund von bestimmten Voraussetzungen auf die Kostenerstattung verzichtet wurde.
Ich glaube, daß, nachdem das Bundesinnenministerium zuständig ist, die Frage der Abwicklung von Katastrophenfällen insgesamt entsprechend den Aufgaben der einzelnen Ressorts beantwortet werden sollte.

Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1321213700
Eine weitere Nachfrage, bitte.

Markus Meckel (SPD):
Rede ID: ID1321213800
Können Sie die Kriterien nennen, die dazu führen, daß die Kosten vom Bundesverteidigungsministerium bzw. dem Bund übernommen werden? Könnten Sie diese in Verhältnis zu der Hochwasserkatastrophe an der Oder vom letzten Sommer setzen, die nach meinem Eindruck in der Geschichte der Bundesrepublik bisher beispiellos war?

Dr. Klaus Rose (CSU):
Rede ID: ID1321213900
Es gibt auf jeden Fall einen Erlaß über die Hilfeleistung der Bundeswehr bei Naturkatastrophen. Diese Neufassung stammt allerdings aus dem Jahre 1988. Wenn Sie an diesem Erlaß Interesse haben, kann ich ihn Ihnen zur Verfügung stellen. Das mache ich gerne.
Es ist richtig, daß die Größenordnung des Hochwassers an der Oder bisher beispiellos war und sie vor allen Dingen deswegen, weil sie grenzüberschreitend war, eine völlig neue Dimension hatte. Das zeigt sich ja auch an den zahlreichen Fragen in der heutigen Fragestunde deutlich, in der schon viele Ressorts befragt wurden.

Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1321214000
Nachfrage des Kollegen Mante.

Winfried Mante (SPD):
Rede ID: ID1321214100
Herr Staatssekretär, kann ich davon ausgehen, daß die Bundeswehr wieder zum Einsatz kommen könnte, wenn das Hochwasser im Frühjahr wiederkommt und die vorbeugenden Maßnahmen noch nicht in dem zu erwartenden Umfang greifen?

Dr. Klaus Rose (CSU):
Rede ID: ID1321214200
Nochmals gesagt: Die Bundeswehr kommt zum Einsatz, wenn sie auf Grund einer besonderen Katastrophensituation von den zuständigen Behörden zu Hilfe gerufen wird. Sie muß dann natürlich abwägen - das habe ich vorhin gesagt -, ob sie dafür die personellen und materiellen Voraussetzungen hat, damit hinterher nicht der Vorwurf kommt - das konnte man vorhin ein bißchen heraushören -, daß durch Panzer große Schäden entstanden sind. Man muß also abwägen.
Ich möchte nicht schon im voraus sagen, wie oft die Bundeswehr in den nächsten Jahren in Katastrophenfällen zum Einsatz kommt. Es handelt sich nämlich um eine Entscheidung, die jeweils in der konkreten Situation auf Grund von Anforderungen der Innenbehörden getroffen werden muß.

Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1321214300
Nachfrage des Kollegen Ilte.

Wolfgang Ilte (SPD):
Rede ID: ID1321214400
Herr Staatssekretär, wird bei der Begleichung der Kosten, die der Bundeswehr im Katastrophenfall entstehen, von Nettokosten - ich formuliere es einmal so - ausgegangen? Ich kann mich daran erinnern, daß sich der Bundesminister der Verteidigung in diesem Sinne im deutschen Fernsehen geäußert hat. Ich möchte also fragen: Wie



Wolfgang Ilte
sind die Kosten für derartige Bundeswehreinsätze definiert? Werden beispielsweise von den Kosten, die den Kommunen in Rechnung gestellt werden, diejenigen Kosten abgezogen, die der Bundeswehr ohnehin für Übungsflüge und für die Versorgung der Soldaten entstanden wären? Werden tatsächlich nur die reinen Mehrkosten in Rechnung gestellt, oder werden die Gesamtkosten für den Aufwand der Bundeswehr in Rechnung gestellt?

Dr. Klaus Rose (CSU):
Rede ID: ID1321214500
Herr Kollege, ich habe schon vorhin darauf hingewiesen, daß es neben den Bruttokosten - ich nenne sie Vollkosten - konkrete Kosten, also die Nettokosten, gibt, die zusätzlich zu den Kosten entstehen, die durch die notwendige Ausbildungs- und Arbeitsphase der Bundeswehr anfallen. Das kann zum Beispiel das Überstundengeld und anderes sein.
Die Frage der Kosten muß aber Gegenstand der Verhandlungen zwischen den zuständigen Häusern und den anfordernden Behörden sein. Ich möchte nochmals um Verständnis für meine Meinung bitten, daß diese Frage vom Innenminister konkreter beantwortet werden kann.

Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1321214600
Danke schön, Herr Staatssekretär.
Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern. Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Eduard Lintner zur Verfügung. Die Fragen 22, 23 und 24 werden schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich rufe nun die Frage 25 des Abgeordneten Markus Meckel auf:
Wie setzen sich die Einsatzkosten für den Bundesgrenzschutz (BGS), die Bundeswehr und das Technische Hilfswerk (THW) beim Hochwassereinsatz in Brandenburg zusammen, und inwieweit sind bei diesen Kostenberechnungen auch „Betriebskosten" berücksichtigt, die auch ohne den „Odereinsatz" bei BGS und Bundeswehr entstanden wären?
Bitte sehr, Herr Staatssekretär.

Eduard Lintner (CSU):
Rede ID: ID1321214700
Herr Kollege Meckel, die Antwort lautet: Die Kosten für den Einsatz von Bundeswehr und Bundesgrenzschutz enthalten die Personal- und Sachkosten der eingesetzten Kräfte. Bei den Kosten in bezug auf das THW handelt es sich im wesentlichen um die Kosten, die durch die gesetzlich vorgeschriebene Erstattung der fortgewährten Leistungen an die Arbeitgeber der Helfer bedingt sind. Die Kosten für den Einsatz von Bundeswehr und Bundesgrenzschutz sind nach dem Verursacherprinzip als Vollkosten entsprechend § 63 Bundeshaushaltsordnung ermittelt worden.

Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1321214800
Nachfrage?

Markus Meckel (SPD):
Rede ID: ID1321214900
Verehrter Herr Staatssekretär, es scheint zwischen der Landesregierung in
Brandenburg und der Bundesregierung in der Vergangenheit in dieser Frage zu Mißverständnissen gekommen zu sein, weil der Eindruck entstand, daß die vom Bundestag beschlossene Hilfe von 500 Millionen DM nicht die Kosten für den Bundeswehreinsatz einschließt. Meine Frage lautet deshalb: Zu welchem Zeitpunkt hat die Bundesregierung deutlich gemacht, daß die Mittel für den Bundeswehreinsatz in der Hilfe, die der Bundestag beschlossen hat, inkludiert sind?

Eduard Lintner (CSU):
Rede ID: ID1321215000
Herr Kollege Meckel, das war nicht erforderlich, und zwar deshalb, weil es sozusagen seit Bestehen der Bundesrepublik Deutschland immer so war, daß solche Kosten mit eingerechnet werden, weil sie in der Wirklichkeit entstehen. Deshalb besteht offenbar eher auf seiten der brandenburgischen Regierung das Defizit an Informationen als auf seiten der Bundesregierung.

Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1321215100
Noch eine Nachfrage? - Vielen Dank.
Die Fragen 26 und 27 sind zurückgezogen worden.
Wir kommen noch einmal zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen. Herr Staatssekretär Hauser ist auch noch da. Die Fragen 28, 29, 30 und 31 werden schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Die beiden letzten Fragen, die ich heute in der Fragestunde aufrufen kann, sind also die Fragen 32 und 33 des Abgeordneten Jörg Tauss. Ich rufe zunächst die Frage 32 auf:
Weshalb hält die Bundesregierung bei der Unterbringung von Teilnehmern der Zollschule Sigmaringen „technische Einrichtungen" für notwendig, und welcher Art sind diese technischen Einrichtungen (Plenarprotokoll 13/209, S. 19 103/C, D)?

Hansgeorg Hauser (CSU):
Rede ID: ID1321215200
Herr Kollege Tauss, in der Bundesfinanzverwaltung gibt es eine ganze Reihe von Angehörigen, die eine Schulung im Gebrauch von Schußwaffen erhalten. Das sind die Angehörigen des Grenzzolldienstes, des Zollfahndungsdienstes und der Forstverwaltung. Diese Angehörigen sind Waffenträger. Für sie gibt es eine Schulung im Gebrauch von Schußwaffen, in der waffenlosen Selbstverteidigung, in der Anwendung unmittelbaren Zwangs und in der Eigensicherung. Bei den Beamten des mittleren Grenzzolldienstes ist diese Schulung Teil der Laufbahnausbildung.
Die Schulung wird ausschließlich beim Bildungszentrum der Bundesfinanzverwaltung Sigmaringen durchgeführt. Sie erfordert jeweils an den spezifischen Inhalten der Schulung ausgerichtete technische Einrichtungen, und zwar für die Waffen- und Schießausbildung in der Bundesfinanzverwaltung, vor allem in der Zollverwaltung, entsprechende Schießanlagen und für die waffenlose Selbstverteidigung in der Zollverwaltung und den damit verbundenen Dienstsport entsprechende Sportanlagen. Diese sind mit der erforderlichen Ausstattung nur beim Bildungszentrum Sigmaringen vorhanden.


Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1321215300
Nachfrage, bitte.

Jörg Tauss (Plos):
Rede ID: ID1321215400
Sehr geehrter Herr Staatssekretär, da es hier prinzipiell um die Frage geht, ob 240 leerstehende Wohnungen im Besitz des Bundes abgerissen werden sollen oder für die Teilnehmer, von denen Sie soeben gesprochen haben, als Wohnraum genutzt werden können, würde es mich interessieren, warum es trotz der Kosten von 25 Millionen DM, die ins Haus stehen, unzumutbar erscheint, die Lehrgangsteilnehmerinnen und -teilnehmer angesichts der geringen Kilometerdifferenz täglich von Stetten am kalten Markt, wo dieser leerstehende Wohnraum ist, per Bus oder mit ähnlichen Möglichkeiten über die man reden kann, zu den von Ihnen angesprochenen Sport- und Schießanlagen, zu transportieren.

Hansgeorg Hauser (CSU):
Rede ID: ID1321215500
Herr Kollege Tauss, ich glaube, Sie vermengen hier zwei Fragen miteinander: die Frage der Renovierung und Erweiterung, also Aufstockung, des Bildungszentrums in Sigmaringen mit der Frage der Verwendung der früher von den Franzosen genutzten Anlagen in Stetten am kalten Markt. Zu der ersten Frage kann ich Ihnen mitteilen, daß im Zuge der Prüfung, wie der Ausbildungsstandard im Bildungszentrum Sigmaringen dem Standard der übrigen Bildungszentren angepaßt werden kann - das Zentrum in Sigmaringen wurde 1972 in Betrieb genommen; da sollen jetzt beispielsweise Zweibettzimmer in Einbettzimmer umgewandelt werden und ähnliches -, überlegt worden ist, im Rahmen dieser Baumaßnahmen auch die Kapazität in Sigmaringen um 80 Plätze aufzustocken, um nach der Aufgabe der Außenstelle Berlin-Marzahn weiterhin über die bisherige Gesamtkapazität an Aus- und Fortbildungsplätzen verfügen zu können.
Bei - das ist jetzt Ihre Frage - einer dauerhaften Nutzung der Liegenschaft in Stetten am kalten Markt werden dort wegen des mangelhaften Zustandes ebenfalls Umbaumaßnahmen unumgänglich, wenn ein einheitlicher Ausbildungsstandard erreicht werden soll. Außerdem würden sich bei ständiger Nutzung dieser Liegenschaft organisatorische und personelle Schwierigkeiten in einem Umfang ergeben, der langfristig gesehen kostenintensiv ist, da ein ständiger Transport von Lehrgangsteilnehmern, von Ausbildern und Verwaltungspersonal, von Lehr- und Lernmitteln und natürlich auch der technischen Ausrüstung zwischen Sigmaringen und dem 20 Kilometer entfernten Stetten notwendig würde. Womöglich müßte man auch in Stetten weitere Dienstposten einrichten, so daß von einer solchen Nutzung Abstand genommen wird.

Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1321215600
Bitte.

Jörg Tauss (Plos):
Rede ID: ID1321215700
Angesichts des erheblichen Finanzaufwandes, von dem ich ja gesprochen habe, würde ich wissen wollen, ob es eine Kostenuntersuchung gibt, zumal es mir auch angesichts der von Ihnen vorgetragenen Argumente nicht einsichtig zu erscheinen vermag, weshalb es nicht möglich ist, Teilnehmerinnen und Teilnehmer von Stetten am kalten Markt nach Sigmaringen zu transportieren. Denn es ist ohnehin vorgesehen, Wohnungen in Stetten am kalten Markt zu renovieren, um dort bis zur Fertigstellung der von Ihnen in Sigmaringen geplanten Baumaßnahmen Teilnehmerinnen und Teilnehmer unterzubringen. Das heißt, es wird für eine kurze Nutzungsdauer renoviert und anschließend erfolgt mit dem Risiko des Abbruchs der dann wieder leerstehenden Wohnungen eine Verlagerung von Stetten am kalten Markt nach Sigmaringen.

Hansgeorg Hauser (CSU):
Rede ID: ID1321215800
Herr Kollege Tauss, die derzeitigen Einstellungsquoten in den mittleren Grenzzolldienst erfordern eine vorübergehende Auslagerung von einigen Ausbildungs-, Lehr- und Fortbildungsveranstaltungen von Sigmaringen nach Stetten. Es ist aber nur eine kurzfristige Auslagerung für drei Jahre vorgesehen. Die Liegenschaften in Stetten haben sich angesichts dieser zeitlichen Begrenzung auf Grund des Zustandes, in dem sie sich befinden, angeboten. Außerdem stehen natürlich für diese Zeit die Schießstände der Bundeswehr und die Sporthalle der Gemeinde Stetten zur Verfügung, die dann mitbenutzt werden können. Für eine dauerhafte Auslagerung nach Stetten kommen diese Liegenschaften aber nicht in Frage.

Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1321215900
Ich rufe die Frage 33 des Abgeordneten Jörg Tauss auf:
Welche organisatorischen und personellen Probleme stellen sich bei einer Unterbringung von Lehrgangsteilnehmem der Zollschule Sigmaringen in Stetten a.k.M., und weshalb sollen diese Probleme in Anbetracht der Haushaltslage des Bundes auf Kosten der Steuerzahler gelöst werden?

Hansgeorg Hauser (CSU):
Rede ID: ID1321216000
Zur Frage 33, die sich zum Teil mit dem überschneidet, was Sie bereits in Ihrer Zusatzfrage gefragt haben: Zum Abbau des Personalfehlbestandes werden zur Zeit vermehrt Nachwuchskräfte im mittleren Grenzzolldienst eingestellt. Dies führt zu Kapazitätsengpässen beim Bildungszentrum der Bundesfinanzverwaltung Sigmaringen, die durch die auf die drei Jahre begrenzte teilweise Nutzung einer von den französischen Streitkräften geräumten Liegenschaft in Stetten am kalten Markt, die zeitlich begrenzte Mitbenutzung von Schießanlagen der Bundeswehr sowie der Sporthalle der Gemeinde Stetten behoben werden sollen, wie ich bereits ausgeführt habe.
In organisatorischer, personeller und pädagogischer Hinsicht ergeben sich dabei erhebliche Probleme. Wegen der Lerninhalte, die nur im Bildungszentrum Sigmaringen vermittelt werden können, den Lerninhalten, die in Stetten am kalten Markt vermittelt werden, und wegen der nur zeitweise möglichen Mitbenutzung von Schieß- und Sportanlagen in Stetten am kalten Markt müssen ständig Abstimmungen zwischen allen Betroffenen, dem Lehrpersonal, dem Bildungszentrum Sigmaringen, der Bundeswehr und den Sportvereinen in Stetten, stattfinden. Die Ablaufplanung der Lehrveranstaltungen des Bildungszen-

Parl. Staatssekretär Hansgeorg Hauser
trums und die Einsatzplanung des Lehrpersonals werden durch diese Probleme in hohem Maße beeinflußt. Der Ablauf der Lehrveranstaltungen und der Einsatz des Lehrpersonals entsprechen nur noch zum Teil der sonst streng beachteten fachlogischen Abfolge.
Darüber hinaus ergibt sich zusätzlicher Verwaltungs- und Kostenaufwand, weil ein ständiger Transport von Teilnehmern, Lehrenden und Ausrüstungsgegenständen zwischen den beiden Orten Sigmaringen und Stetten erforderlich ist. Aus diesen Gründen ist eine längerfristige Nutzung der Liegenschaft in Stetten für Ausbildungszwecke nicht vertretbar.
Die Überlegungen zum Umbau des Bildungszentrums Sigmaringen zielen darauf, diese 1972 in Betrieb genommene Bildungsstätte dem Ausstattungsstandard der übrigen Bildungszentren der Bundesfinanzverwaltung anzupassen und bei einer anderen Bildungsstätte wegfallende Kapazitäten in etwa wieder auszugleichen. Sie stehen nicht im Zusammenhang mit der Bewältigung der derzeit bestehenden Kapazitätsengpässe.
Die Kosten der vorübergehenden Auslagerung von Ausbildungs- und Fortbildungsveranstaltungen sind Folge der hohen Einstellungszahlen in den mittleren Grenzzolldienst, also ausbildungsbedingt, und somit zwangsläufig aus dem Bundeshaushalt zu bestreiten.

Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1321216100
Bitte.

Jörg Tauss (Plos):
Rede ID: ID1321216200
Herr Staatssekretär, Ihre Antwort vermag mich zu meinem Bedauern noch nicht zu befriedigen. Diese Frage stellt sich mir übrigens auch angesichts der Tatsache, daß in diesem Haus mit Ihrer Mehrheit gegen unsere Stimmen beschlossen wurde, daß es Arbeitslosen zumutbar ist, täglich drei Stunden zu ihrem Arbeitsplatz, der ihnen angeboten wird, hin- und zurückzufahren.
Weshalb halten Sie es eigentlich für die Bediensteten des Bundes für unzumutbar, in landschaftlich schönster Umgebung - ich kann mich da nur wiederholen - täglich von einer Wohnung, die wenige Kilometer entfernt liegt und im Besitz des Bundes ist, zu diesen Unterrichtsräumen zu pendeln und anschließend wieder zurück, dies auch unter dem Gesichtspunkt, daß man moderne Medien und Computer nutzt, um den einen oder anderen Kontakt zum Ausbildungszentrum aufrechtzuerhalten?

Hansgeorg Hauser (CSU):
Rede ID: ID1321216300
Herr Kollege Tauss, ich gestehe Ihnen gerne zu, daß es eine landschaftlich schöne Gegend ist. Ich selbst habe einen Teil meiner Ausbildung dort verbracht, als ich in der Bundeswehr war. Ich kann das also durchaus beurteilen.
Allerdings stellt sich die Frage nicht so, wie Sie sie jetzt gestellt haben, daß also Angehörige pendeln müßten. Es geht vielmehr um den gesamten Ausbildungsbetrieb.
Ich denke, es ist doch eine ganz natürliche und logische Folgerung, daß eine Ausbildungsstätte, die im
Augenblick dem Ausbildungsstandard angepaßt wird, in der also Umbauten erfolgen, weiter genutzt und in der Kapazität aufgestockt wird und daß für diese Ausbildungsstätte nicht an anderer Stelle neue Kapazitäten geschaffen werden, auch wenn es nur um Wohnungen geht, vor allem da die Übergangszeit nur drei Jahre beträgt. Ich glaube, es ist sinnvoller, über die Verwendung des Geländes und der Wohnungen in Stetten zu diskutieren, als darüber, daß dorthin vorübergehend von Sigmaringen ausgelagert werden muß.

Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1321216400
Bitte.

Jörg Tauss (Plos):
Rede ID: ID1321216500
Ich diskutiere ausschließlich über die Nutzung in Stetten. Deshalb nochmals eine Frage. Sie sagten, es läge eine Kostenkalkulation vor. Mich würde interessieren: Wie hoch sind denn im Vergleich zu den 25 Millionen DM an Investitionen die Kosten, die bei einer eventuellen und - dies kann ich nur noch einmal betonen - auch im Interesse eines geordneten Ausbildungsbetriebes völlig zumutbaren Fahrt von Teilnehmern an Ihren Ausbildungsmaßnahmen von der Wohnung zu der Ausbildungsstätte in Sigmaringen entstünden?

Hansgeorg Hauser (CSU):
Rede ID: ID1321216600
Herr Kollege Tauss, ich kann Ihnen im Augenblick keinen Kostenvergleich vorlegen. Ich kann ihn Ihnen aber gerne nachreichen, sofern er bei uns vorhanden ist; davon gehe ich aus.
Um es noch einmal zu sagen: Es geht nicht darum, daß Lehrgangsteilnehmer pendeln müssen, daß für diese Lehrgangsteilnehmer in Stetten dauerhafte Wohnungen errichtet werden, sondern darum, in Sigmaringen erstens die Ausbildungsstätte zu renovieren und umzubauen und zweitens die Kapazität entsprechend aufzustocken und dort eine dauerhafte Einrichtung zu betreiben.
Die Frage, was in Stetten geschieht, muß in anderer Form gelöst werden. Hierüber gibt es eine ganze Reihe von Gesprächen zwischen der Gemeinde und der Bundesverwaltung.

Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1321216700
Das war nicht nur die letzte Frage, sondern auch die letzte Nachfrage. Ich kann damit die Fragestunde insgesamt schließen.
Ich rufe den Zusatzpunkt auf: Aktuelle Stunde
Zu den Forderungen nach einer verschärften Abschottung der Grenzen gegen kurdische Flüchtlinge
Die Aktuelle Stunde findet auf Verlangen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen statt.
Dazu eröffne ich jetzt die Aussprache und erteile das Wort der Abgeordneten Amke Dietert-Scheuer.


Amke Dietert-Scheuer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1321216800
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In den vergangenen Wochen haben es rund 1 000 Flüchtlinge, überwiegend kurdische, geschafft, die italienischen Küsten zu erreichen, oft unter Lebensgefahr, in abgewrackten Schiffen, teilweise sogar in Schlauchbooten.
Diese Ankunft der rund 1 000 Flüchtlinge wurde bei uns zum Anlaß genommen, eine Panik herbeizureden, als stünden wir vor einem Staatsnotstand. Auch Herr Kanther weiß natürlich, daß das nicht der Fall ist. Aber Ihnen, Herr Kanther, geht es um etwas ganz anderes. Es ist das erklärte Ziel der Unionsparteien, im Wahlkampfjahr mal wieder die angebliche Bedrohung unserer Sicherheit durch Einwanderer und Flüchtlinge hochzukochen, sich als Law-and-order-Garanten zu profilieren und damit von ihrem sonstigen politischen Versagen abzulenken.
Und die SPD? - Sie eifert in Person des niedersächsischen Innenministers Glogowski den großen Christen im Konkurrenzkampf nach, wer der bessere Hardliner ist. Beide schrecken nicht davor zurück, im Interesse ihrer nationalen Profilierung auf europäischer Ebene auch außenpolitisches Porzellan zu zerschlagen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der PDS)

Man muß sich geradezu wundern, mit welcher Langmut die italienische Regierung noch auf die Ausfälle von Ihnen, Herr Kanther, reagiert. Die italienische Presse wird da schon deutlicher. Als „imperiale Arroganz" bezeichnete „La Repubblica" die Ausfälle von Herrn Kanther. Sie, Herr Kanther, behaupten zwar, es sei im Verhältnis zu Italien kein Schaden entstanden. Es fragt sich nur, wieso dann der Bundeskanzler extra zu einem persönlichen Gespräch mit dem italienischen Ministerpräsidenten Prodi fahren muß - offenbar doch, um den entstandenen Flurschaden zu bereinigen.
Sie, Herr Kanther, nutzen die Ankunft der kurdischen Flüchtlinge, um Ihrem eigentlichen Ziel näherzukommen: der vollständigen Abschottung Europas gegen Flüchtlinge. Sie rufen dabei nicht nur zum Verstoß gegen elementare Menschenrechtsprinzipien und die Genfer Flüchtlingskonvention auf; Sie ignorieren auch die Bestimmungen des Schengener Abkommens, zu dessen Schutz Sie sich angeblich aufschwingen. Auch die Schengen-Staaten haben nämlich nicht nur das Recht, sondern sogar die völkerrechtliche Pflicht, Flüchtlinge aufzunehmen und ihre Asylanträge zu prüfen. Die Abkommen von Schengen und Dublin legen lediglich fest, welches Land jeweils dafür zuständig ist - in diesem Falle natürlich Italien.
Die Ankunft der Flüchtlinge hat darüber hinaus eines sehr deutlich gemacht: Fluchtbewegungen haben ihre Ursache in Menschenrechtsverletzungen und Verfolgung. Die Mauern der Festung Europa können noch so hoch sein - dennoch werden Menschen versuchen, sich vor Verfolgung in Sicherheit zu bringen. Anstatt die Fluchtursachen zu bekämpfen, versucht die Bundesregierung dagegen, immer höhere Mauern zu ziehen - in Form von Grenzanlagen, von rechtlichen Bestimmungen und mit einer medial aufbereiteten Hetze. In zynischer und menschenrechtsverachtender Weise werden Flüchtlinge von Ihnen, Herr Kanther, als „illegale Einwanderer" und als „verbrecherisch organisierte Wanderungsbewegung" diffamiert.
Es ist natürlich richtig: Die Schlepper, die mit der Not von Menschen ein Geschäft machen, die sie bewußt in Gefahr bringen und die teilweise die Schiffe im Mittelmeer versenken, sind ganz massiv zu kritisieren. Aber gerade die Abschottungspolitik der EU, die Sie vorantreiben, führt natürlich dazu, daß die Menschen, die fliehen müssen, gerade in die Hände von solchen Schleppern getrieben werden. Sie haben nämlich keine Möglichkeiten, überhaupt noch legal in Fluchtländer zu kommen.
Der Gipfel an Zynismus ist es darüber hinaus, wenn sich die EU-Staaten jetzt mit dem türkischen Polizeichef, der selbst für schwere Menschenrechtsverletzungen verantwortlich ist, an einen Tisch setzen und darüber verhandeln, wie die Türkei die Opfer ihrer Repressionspolitik besser an der Ausreise hindern kann. Diese Politik hat in den letzten Tagen in der Türkei zu einer Massenverhaftung von Flüchtlingen, die noch in Istanbul waren, und dabei zu dem Tod eines irakischen Kurden, der sich einer Festnahme durch den Sprung aus einem Fenster zu entziehen versuchte, geführt.
Solange die Bundesregierung und die anderen EU- Staaten nicht die Ursachen von Flucht bekämpfen - sowohl in der Türkei als auch im Nordirak in diesem Falle -, wird es auch weiterhin Flüchtlinge geben. Dagegen hilft auch keine Abschottungspolitik. Man muß mit diesem Problem gemäß den internationalen Menschenrechtsstandards umgehen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der PDS)

Es ist natürlich richtig, daß wir eine gemeinsame europäische Flüchtlingspolitik brauchen, in der die Verantwortung geteilt wird. Eine solche Politik darf aber nicht den Schutz vor Flüchtlingen anstreben, sondern sie muß den Schutz für Flüchtlinge garantieren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der PDS)


Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1321216900
Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Gert Willner.

Gert Willner (CDU):
Rede ID: ID1321217000
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Unsere Mitbürgerinnen und Mitbürger wollen, daß in Asylfragen nicht nur geredet, sondern auch gehandelt wird. Es muß daran erinnert werden, daß Deutschland in den vergangenen Jahren eine gewaltige Leistung erbracht hat. Seit 1990 haben wir 1,6 Millionen Ausländer zusätzlich in unserem Land; in Deutschland leben über 7 Millionen Ausländer. Das heißt, daß in

Gert Willner
Deutschland mehr Ausländer wohnen, als Dänemark oder die Schweiz Einwohner haben.

(Widerspruch bei der SPD)

Deutschland ist bei der Aufnahme von Flüchtlingen und Asylbewerbern überproportional belastet. Deutschland nimmt 60 Prozent aller Asylbewerber in der EU auf.
Wir müssen gegensteuern, weil Deuschland Hauptzielland der Flüchtlinge in Europa ist, weil eine große Zahl der Flüchtlinge hier auf Sozialhilfe angewiesen sein wird, weil auf dem Arbeitsmarkt für diesen Personenkreis keine Arbeitsplätze zur Verfügung stehen und weil wir die Lasten durch die Aufnahme von Flüchtlingen gerecht auf alle europäischen Partner verteilen müssen.
Das Drama um die vor der italienischen Küste gestrandeten, meist kurdischen Schiffsflüchtlinge läßt uns nicht unberührt. Ich erinnere auch an den Flüchtlingsfrachter, der in der Weihnachtsnacht 1996 südlich der italienischen Küste in einem Sturm sank.
Jeder hier im Haus weiß, daß die Lebensbedingungen in den Herkunftsgebieten der Flüchtlinge alles andere als befriedigend sind. Wir haben deshalb wiederholt deutlich gemacht, daß das Kurdenproblem einer Lösung in den Herkunftsgebieten der Kurden bedarf.
Die Diskussion darf sich nicht nur auf die Folgen, sondern muß sich auch auf die Ursachen der Flucht beziehen. Dies steht außer Frage. Die Türkei muß das Kurdenproblem politisch durch soziale, wirtschaftliche und kulturelle Reformen lösen. Selbst wenn wir hier außenpolitische Forderungen durchzusetzen haben, muß klar sein, daß wir deswegen innenpolitische Maßnahmen nicht versäumen dürfen.
Dem Unwesen krimineller Schlepper können wir nicht tatenlos zusehen. Diese Verbrecher kassieren bis zu 5 000 DM und mehr pro Kopf. Deutschland darf nicht wieder das Ziel einer illegalen Wanderungsbewegung werden; denn Deutschland kann nicht eine unbegrenzte Zahl von Krisensituationen auf dieser Welt durch die Aufnahme von Flüchtlingen weitgehend allein lösen; wir können insbesondere kurdische Probleme nicht auf deutschem Boden lösen. Internationale Solidarität bzw. europäische Zusammenarbeit ist gefragt. Wir brauchen eine europäische Asylpolitik.
Die Rechtslage in Europa ist eindeutig:

(Dr. Helmut Lippelt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nicht in 48 Stunden, sondern korrekte individuelle Verfahren!)

Zuständig für die Behandlung von Asylbegehren ist nach dem Schengener Übereinkommen von 1990 der Staat, über dessen Außengrenzen der Asylbegehrende eingereist ist.
Der Innenminister von Niedersachsen, Herr Glogowski, SPD, verlangt im Hinblick auf den Flüchtlingsstrom ein Aussetzen des Schengener Abkommens. Das ist genau der falsche Weg. Um es anders
auszudrücken: Diese Forderung von Herrn Glogowski ist schlichter Unfug.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Cornelia Schmalz-Jacobsen [F.D.P.])

Wir müssen darauf hinwirken, daß auch unsere Partnerländer das einhalten, was im Schengener Abkommen vereinbart ist. Es geht darum, Schleppern das Handwerk zu legen, die mit dem Elend der Kurden und anderer Schindluder treiben; es geht darum, den Zuzug von Wirtschaftsflüchtlingen zu unterbinden, und es geht nicht zuletzt darum, entsprechend den europäischen Regelungen zu einer gerechteren Lastenverteilung bei der Aufnahme von Flüchtlingen in Europa zu kommen.
Lassen Sie mich drei Punkte nennen:
Erstens. Italien ist gehalten, sein Ausländerrecht entsprechend europarechtlichen Vorgaben so zu gestalten, daß Illegale nicht unbehelligt nach Deutschland weiterreisen können. Fakt ist: Italien hat 1996 ganze 681 Asylbewerber gezählt; das entspricht bei uns einer Zweitagesrate. Die Aufgabe Frankreichs wird es sein, die Durchreise der Illegalen nach Deutschland europarechtlich zu unterbinden.
Zweitens. Um zu einer gerechteren Lastenverteilung bei der Aufnahme von Flüchtlingen in Europa zu kommen, brauchen wir eine europaweite Datenbank, in der die Personalien aller nach Europa geflüchteten Ausländer aufgenommen werden.
Drittens. Auch das Verfahren zur Sicherung von Fingerabdrücken muß zügig umgesetzt werden.
Die hohen Zugänge asylbegehrender Ausländer stellen nicht nur die Kommunen, denen die Unterbringung obliegt, vor schwer lösbare Aufgaben. Die Aufnahme von Ausländern, die nicht integrierbar sind, und die damit verbundenen Probleme haben bei den Bürgern eine abnehmende Akzeptanz des Asylrechts zur Folge. Das wäre keine gute Entwicklung.
Deutschland, liebe Kolleginnen und Kollegen, hat ein weltweit einzigartiges humanitäres Recht bei der Aufnahme von Verfolgten. Wer dieses erhalten will, muß reagieren, wenn er Schleusungen erkennt. Wir handeln! Es liegt also im deutschen und europäischen Interesse, illegale Einwanderung einzudämmen, zu verhindern. Die Europäische Union wird Stückwerk bleiben, wenn es nicht gelingt, eine Sicherheitsunion zu schaffen. Bundesinnenminister Kanther hat sachlich und angemessen reagiert.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1321217100
Ich erteile jetzt dem Kollegen Fritz Rudolf Körper das Wort.

Fritz Rudolf Körper (SPD):
Rede ID: ID1321217200
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Bundesinnenminister hat heute morgen im Innenausschuß zu diesen Fragen Stellung genommen. Er hat sich gewundert, daß diese Debatte „hitzig", „heftig" und „gehässig" - ich

Fritz Rudolf Körper
glaube, er hat auch dieses Wort benutzt - geführt wird. Ich sage dazu: Wer die Diskussibn so führt wie der Bundesinnenminister, der braucht sich über diese Eigenschaftsworte nicht zu wundern.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der PDS)

Meine Damen und Herren, dieses Thema darf nicht für Wahlkampfzwecke mißbraucht werden.

(Zuruf von der CDU/CSU: Das gilt auch für Niedersachsen!)

- Das gilt für alle, die sich an dieser Debatte beteiligen - das sage ich hier ganz deutlich -, ob das einen Landes- oder den Bundesinnenminister betrifft.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Man muß auf die Debatte die Tatsachen zurückführen. Herr Kollege Kanther hat dieses Problem mit der Inkraftsetzung des Schengener Durchführungsabkommens in den Ländern Italien, Österreich und Griechenland in Zusammenhang gebracht. In Italien trat es im Oktober, in Österreich und Griechenland im Dezember in Kraft. Meine Damen und Herren, das ist aber keine nationale Entscheidung gewesen; diese Entscheidung hat vielmehr der Exekutivrat getroffen. Es gilt das Einstimmigkeitsprinzip. Die Bundesregierung hat dem zugestimmt. Im Hinblick darauf, wie lang die Seegrenze Italiens ist, darf sie jetzt nicht plötzlich so tun, als ob sie von all dem nichts gewußt hätte. Sie hat diese Entscheidung mit zu verantworten.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Da stellt sich der Kollege der CDU hin und redet über die 1996 in Italien anerkannten Asylbewerber. - Das waren über 600.

(Gert Willner [CDU/CSU]: Im Zusammenhang mit einer gerechten Lastenverteilung!)

Er vergleicht die Situation in Italien mit der in Deutschland. Ich sage: Wer die Rechtssituation in Italien mit der in Deutschland vergleicht, der vergleicht in der Tat Äpfel mit Birnen. Dieser Vergleich ist unzulässig.

(Geit Willner [CDU/CSU]: Deswegen habe ich Rechtsänderungen angemahnt!)

Das ist nicht plötzlich aufgetreten. Als die Entscheidung im Exekutivrat fiel, war das bekannt. Man sollte hinterher nicht rumeiern.
Ihnen müßte bekannt sein, daß in Italien eine Diskussion zum Asyl- und Ausländerrecht in vollem Gange ist. Wir dürfen der italienischen Politik nicht mit erhobenem Zeigefinger gegenübertreten. Dies ist nicht hilfreich, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Gert Willner [CDU/CSU]: Herr Kollege Körper, nun widersprechen Sie sich aber!)

Es ist notwendig, mit einem solchen Thema sehr sorgsam umzugehen. Eines haben wir festgestellt: Obwohl dieses Thema so aufgebauscht worden ist, sind die Zugangszahlen in den letzten Wochen und Monaten überhaupt nicht angestiegen.

(Zuruf von der CDU/CSU: Das ist sehr erfreulich!)

Meine Damen und Herren, wer Radikale in unserer Politik züchten will, der muß mit diesen Themen nur so unverantwortlich umgehen, wie dies derzeit geschieht, veranlaßt durch den Bundesinnenminister.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der PDS)

Ich will noch an einem anderen Beispiel verdeutlichen, wie undifferenziert diskutiert wird. Da wird die türkische Regierung plötzlich aufgefordert, etwas zu tun. Aber wir stellen fest, daß es sich wesentlich um irakische Kurden handelt. Das heißt, die türkische Regierung allein ist nicht der richtige Ansprechpartner.
Ich möchte an folgendes erinnern: Wir haben bis zum 31. Dezember 1997 in der Bundesrepublik Deutschland einen Abschiebestopp exakt für diesen Personenkreis gehabt. Auch die Bundesregierung hat diesem Abschiebestopp zugestimmt. Ich denke, es gab gute, humanitäre Gründe, diesen Abschiebestopp zu veranlassen. Jetzt kann man doch nicht so tun, als handele es sich nur um Kriminelle. Ein sorgsamer Umgang mit diesem Thema ist notwendig, schließlich geht es um Menschen.
Ich denke, die Bundesregierung müßte ihre Aktivitäten auch darauf konzentrieren, im Zuge der Diskussion über das Abkommen von Schengen für ein gemeinsames Asyl- und Ausländerrecht in Europa zu sorgen.
Ich glaube, das ist eine ganz entscheidende Frage. Ich will nicht verhehlen, daß es zukünftig nicht zu einer einseitigen Lastenverteilung kommen darf und die Zustände nicht so bleiben können, wie sie jetzt sind. Aber genauso müssen wir in Europa die Kraft haben, die Fluchtursachen zu bekämpfen. Das ist der richtige Umgang mit diesem Thema.
Schönen Dank.

(Beifall bei der SPD Gert Willner [CDU/ CSU]: Das habe ich doch gesagt! Ich habe von den Fluchtursachen gesprochen!)


Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1321217300
Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Dr. Max Stadler.

Dr. Max Stadler (FDP):
Rede ID: ID1321217400
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wegen meiner etwas angegriffenen Stimme möchte ich mich auf fünf kurze Anmerkungen beschränken:
Erstens. Ein so komplexes Problem mit außen-, europa- und innenpolitischen Facetten erfordert zunächst eine präzise Wortwahl. Daher ist klar fest-

Dr. Max Stadler
zustellen: Die Kriminellen bei diesem Vorgang sind die Schlepper,

(Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

die heute im Innenausschuß vom Kollegen Özdemir zu Recht als Seelenverkäufer bezeichnet worden sind.
Die Flüchtlinge dagegen sind Menschen, die zum allergrößten Teil ein schweres Schicksal haben, und zwar sowohl die tatsächlich politisch Verfolgten als auch diejenigen, die den Schleppern aus wirtschaftlicher Not zum Opfer fallen und den Weg nach Europa, bevorzugt nach Deutschland, suchen. Immerhin ist die Annerkennungsquote von Asylberechtigten relativ hoch; bei den irakischen Kurden gibt es zudem 62 Prozent, die auch ohne Asyl ein Bleiberecht erhalten.
Zweitens. Ein Exodus nach Deutschland löst das Problem der Fluchtursachen aber nicht. Auf den Irak können wir wohl nur wenig Einfluß nehmen. Zu Recht hat Außenminister Kinkel die Türkei auf gef ordert, die Kurdenfrage politisch und nicht militärisch zu lösen und die Lage der Kurden zu verbessern, indem die Türkei ihnen soziale, wirtschaftliche und kulturelle Autonomie gewähren soll.
Drittens. Der Vorgang zeigt exemplarisch die Vor- und Nachteile des Schengener Abkommens. Zu den Vorteilen gehört natürlich die Freizügigkeit im gesamten Schengen-Gebiet, aber es kommt die Notwendigkeit verstärkter Kontrollen der Außengrenzen und damit automatisch eine Abgrenzung von Räumen, etwa von Österreich zu Ungarn, was besonders pikant ist, glücklicherweise aber durch den Beitritt Ungarns bald gelöst werden wird, hinzu. Es kommt hinzu, daß wir einen Sicherheitsschleier im deutschen Grenzraum und verdachtsunabhängige Kontrollen, wie sie im Inland bisher dem Polizeirecht fremd waren, benötigen.
Viertens. Dennoch ist und bleibt Schengen ein wichtiger Baustein der europäischen Einigung. Es wäre ein Rückschritt, Schengen außer Kraft zu setzen. Diesem Rat von Herrn Glogowski ist die Bundesregierung zu Recht nicht gefolgt.
Im übrigen war von Anfang an klar, daß Italien eine besonders schwierige Aufgabe mit der Sicherung seiner Küste haben würde. Dennoch ist Italien bewußt in das Schengener Abkommen einbezogen worden.
Fünftens. Was folgt daraus für die Zukunft? Die EU-Kommissare haben am letzten Mittwoch die Mitgliedstaaten zu einer gemeinsamen Asyl- und Einwanderungspolitik aufgefordert. Jeder weiß, wie schwierig diese zu erreichen sein wird. Aber dennoch, unabhängig von dem, was bei den aktuellen Vorgängen konkret zu tun war, hat für die mittelfristige Perspektive die „Zeit" recht, wenn sie feststellt:
An einer gemeinsamen Außen- und Innenpolitik, so kompliziert sie ist, führt kein Weg vorbei. Dabei geht es auch um eine Verständigung über die schwierige Frage: Wie viele Menschen sollen künftig nach Europa kommen dürfen? Und wer? Wie könnte eine europäische Einwanderungspolitik aussehen, am Ende dieses Jahrhunderts der Flüchtlinge?
Diese Fragen, meine Damen und Herren, werden uns sicherlich weit über die Aktuelle Stunde von heute hinaus beschäftigen.
Vielen Dank.

(Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1321217500
Das Wort hat jetzt die Kollegin Ulla Jelpke.

Ulla Jelpke (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1321217600
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Umgang mit der Massenflucht von Kurdinnen und Kurden ist für mich ein Paradebeispiel dafür, wie unmenschlich und schäbig gegenwärtig die Flüchtlingspolitik in Europa gehandhabt wird. Diese Menschen sind verfolgt von Krieg, Vertreibung und Menschenrechtsverletzungen. Das ist in diesem Parlament oft genug gesagt worden, wenn über die Türkei/Kurdistan diskutiert wurde. Europa schottet sich ab, wenn es notwendig ist, auch mit militärischer Gewalt.
Meine Kollegin von den Grünen hat hier bereits Innenminister Kanther zitiert. Auch seine Parteifreunde meiden in diesem Zusammenhang ganz deutlich das Wort Flucht. Ich sage noch einmal: Wer davon spricht, daß „illegal verbrecherisch organisierte Wanderungsbewegungen" von den Deutschen „nicht mehr ertragen" werden können, der macht Flüchtlinge zu Kriminellen bzw. diskriminiert ihre Flucht.
Auf der anderen Seite - das haben wir heute morgen im Innenausschuß diskutiert - ist Fluchthilfe erst durch die Abschottungspolitik der Europäischen Union zu einem profitablen Geschäft geworden. Die unmenschlichen Bedingungen, unter denen Menschen hierher geschmuggelt werden, ergeben sich aus den immer höheren europäischen Festungsmauern.
Die Kurdinnen und Kurden sind auf der Flucht. Ihre Heimat ist ein verwüsteter Kriegsschauplatz. Ich will es konkret machen: Die UN-Schutzzone im Nordirak ist zu einem der unsichersten Gebiete der Welt geworden.

(Karsten D. Voigt [Frankfurt] [SPD]: Also aufgeben?)

Immer häufiger marschiert die türkische Armee dort völkerrechtswidrig ein. Gleichzeitig entfacht Ankara einen innerkurdischen Bürgerkrieg. Nach UN-Angaben wurde in den letzten fünf Jahren rund ein Drittel der dortigen kurdischen Bevölkerung vertrieben. Speziell im Gebiet der mit der türkischen Armee verbündeten KDP agiert zudem unbehelligt der irakische Geheimdienst, wie wir auch aus den Medien erfahren konnten. Herr Kanther fordert dazu auf, die Menschen in dieses Schlachtfeld zurückzutreiben.
Die Weiterführung des schmutzigen Krieges der Türkei in Kurdistan wird erst durch die deutsche Wirtschafts-, Polizei- und Militärhilfe möglich. Auch dies ist hier immer wieder Thema gewesen und gehört mit zu den Fluchtursachen. Meiner Meinung nach ist es ganz wichtig, auch darüber zu debattieren.

Ulla Jelpke
Die türkische Armee hat in den vergangenen Jahren systematisch über 3 Millionen Kurdinnen und Kurden in die Westtürkei vertrieben, einmal abgesehen von den vielen Millionen Menschen, die das Land ganz verlassen haben. Die in der Türkei allgegenwärtige Folter wird immer wieder vom Anti-Folter-Komitee des Europarates und zuletzt vom Europäischen Menschenrechtsgerichtshof verurteilt. Am 8. Januar traf man sich in Rom - auch dies ist von meiner Kollegin bereits erwähnt worden - und hat - auch auf seiten von Herrn Kanther - über das Problem der Massenflucht mit einem Knecht des Folterstaats Türkei verhandelt. Dies ist ein Mann, der jedenfalls nach den Angaben des IHD, des türkischen Menschenrechtsvereins, in den 18 Monaten als Gouverneur im Kriegsgebiet mit dafür verantwortlich war, daß 200 Menschen gefoltert - dies kann namentlich nachgewiesen werden - und 90 Menschen getötet wurden sowie 50 Gefangene verschwunden sind.
Es ist wirklich ein Skandal, daß sich ein deutscher Innenminister dazu hergibt, Verhandlungen mit solchen Folterknechten zu führen. Sie erwarten doch wohl nicht von einem Folterer, daß er sich für Demokratie und Menschenrechte einsetzt! Dies tut er natürlich keinesfalls.

(Vorsitz : Vizepräsidentin Michaela Geiger)

Es ist schon erwähnt worden, daß die Türkei gleich dazu übergegangen ist, Flüchtlinge festzunehmen und daß dabei bereits ein irakischer Kurde ums Leben gekommen ist.,
Meine Damen und Herren, wir haben in diesem Haus oft über die Situation in der Türkei/Kurdistan diskutiert. Hier hat sich wenig an praktischer Umsetzung der Vorschläge gegen die Politik der Türkei getan. Ich nenne hier die schon erwähnten immer wieder geleisteten Polizei- und Militärhilfen, aber auch die Wirtschaftshilfe. Ich meine auch, daß gegenwärtig durch Herrn Kanther und seine Politik ein Klima geschaffen wird, das den rassistischen Mief weiter fördert, wenn nicht sogar an den Stammtischen befördert.

Michaela Geiger (CSU):
Rede ID: ID1321217700
Ihre Redezeit ist zu Ende.

Ulla Jelpke (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1321217800
Ja. - Ich möchte zum Schluß dazu aufrufen, statt einer solchen unmenschlichen Politik des Innenministers endlich dazu überzugehen, eine politische Lösung in der Türkei/Kurdistan zu suchen, nämlich den Dialog, und eine internationale Konferenz zu unterstützen.

Michaela Geiger (CSU):
Rede ID: ID1321217900
Bitte kommen Sie zum Schluß.

Ulla Jelpke (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1321218000
Dies wären wirklich Schritte zur Veränderung und zur Beendigung des Krieges.

(Beifall bei der PDS)


Michaela Geiger (CSU):
Rede ID: ID1321218100
Das Wort hat jetzt Bundesinnenminister Manfred Kanther.

Manfred Kanther (CDU):
Rede ID: ID1321218200
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! In den vergangenen Monaten, besonders im letzten Jahr, hat der Zuzug von Kurden nach Deutschland besorgniserregende Ausmaße angenommen: 1993 waren es noch knapp 1 300 irakische Asylbewerber,

(Dr. Helmut Lippelt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Zahlen sind doch heruntergegangen!)

und im letzten Jahr waren es 14 000, mehr als das Zehnfache. 1995 waren es noch etwa 700 Aufgriffe von Illegalen, zwei Jahre später etwa 4500. Das sind nur die Zahlen der irakischen Kurden. Die Zahl der türkischen Kurden kommt in etwa gleicher Größenordnung hinzu. Das heißt, daß nach Deutschland im vergangenen Jahr etwa 30 000 Kurden gekommen sind, knapp ein Drittel aller Asylbewerber.
Es ist völlig ausgeschlossen, diesen Menschen hier im Lande eine Integrationsperspektive zu eröffnen. Infolgedessen ist die Ausnutzung der Verhältnisse in den kurdischen Wohngebieten aller betroffenen Staaten durch Kriminelle ein Akt der organisierten Kriminalität und nicht etwa der angewandten humanen Praxis. Es ist ein Akt der organisierten Kriminalität mit riesigen Gewinnen.
Es gibt viele Gründe für die Misere in den kurdischen Wohngebieten, nicht nur staatliche, sondern auch solche blutiger Bandenkriege gegeneinander. Es mag Möglichkeiten für die internationale Völkerfamilie, sicher auch für die Türkei, unseren Bündnispartner, geben - worauf wir ständig antragen -, diese Verhältnisse zu bessern. Aber es gibt keine Möglichkeit, die Zwischenlösung in Deutschland zu suchen, indem die Leute hierherkommen. Es gibt keine Möglichkeit, die Probleme schlechter Verhältnisse in aller Herren Länder durch Zuwanderung und Verbleib in Deutschland zu lösen.

(Gert Willner [CDU/CSU]: So ist es!)

Das haben wir beim Bürgerkrieg in Bosnien-Herzegowina einmal im wesentlichen allein geschultert. Dieses Problem wird immer noch abgearbeitet. Infolgedessen gibt es keine Bereitschaft und keine Möglichkeiten in Deutschland, dies erneut und immer wieder zu tun.
Es ist geradezu ein Musterbeispiel grüner Logik, die Tatsache, daß in den letzten Tagen nur noch wenige irakische Kurden gekommen sind, zum Maßstab dafür zu machen, daß die Maßnahmen überflüssig waren. Es ist eine fabelhafte Logik für Polizei- und Sicherheitseinsätze, daß dann, wenn sie generalpräventiv erfolgreich wirken, ihre Überflüssigkeit aus dem Erfolg abgeleitet wird. So etwas Absurdes kann man wohl nur denken, wenn man Grüner ist.
Die erfolgreiche Politik der letzten Tage und Wochen ist die Fortsetzung vieler Versuche im vergangenen Jahr: in der europäischen Innenministerkonferenz, in zahlreichen persönlichen Gesprächen mit meinen Kollegen - in Abstimmung mit den Regierungschefs von Italien und Österreich - über die notwendigen Maßnahmen zur Inkraftsetzung des Schengener Abkommens bis zum 1. April. Dies alles

Bundesminister Manfred Kanther
hat aber nicht dazu geführt, daß die möglichen Grenzsicherungsanstrengungen in Südeuropa tatkräftig und schnell in Angriff genommen worden wären. Infolgedessen ist es unsere Pflicht, darauf anzutragen, daß unsere Verbündeten und Bündnispartner ihre Sicherheitsanstrengungen so erhöhen, wie wir es an der längsten Schengen-Landgrenze gegenüber Polen und Tschechien mit hohem Personal- und Geldaufwand und wachsendem Erfolg tun.
Kein Mensch ist so blauäugig, zu glauben, daß man europäische Grenzen, die Grenzen von demokratischen Staaten hermetisch abgrenzen könnte oder wollte. Mauer und Stacheldraht haben wir glücklicherweise gerade erst überwunden. Aber größtmögliche Anstrengungen gegen das Einsickern kriminell geschleuster illegaler Zuwanderer sind notwendig. Das verlangen wir natürlich auch von unseren Partnern.
Wir haben uns zuletzt in der römischen Polizeikonferenz verständigt: über die Kontrolle von Fähren, Fährhäfen und Anlegeplätzen - möglichst schon in der Türkei -, über verstärkte Seepatrouillen vor der italienischen Küste, über die verstärkte Kontrolle der Binnenverbindungen, also von Zügen und Straßen, von Süden nach Norden in Italien, über verstärkte Kontrollen an der österreichisch-italienischen sowie französisch-italienischen Grenze, über die verschärfte Bekämpfung der organisierten Kriminalität der Schlepper sowie über eigene Maßnahmen an der deutschen Grenze in Verbindung mit den Bundesländern, nicht zuletzt durch maßgebliche Verstärkung des Bundesgrenzschutzes.
Diese Maßnahmen wirken ganz sicher nur auf Zeit. Das Geschäft ist so profitabel, so gewinnbringend, daß mit allen Mitteln auf unterschiedlichen Routen neue Schwachstellen an anderen und auch unseren Grenzen gesucht werden. Wir werden uns jedesmal neu auf diese Gefährdungslage einstellen. Dies müssen wir natürlich gemeinsam mit unseren Partnern tun.
Deshalb ist die Forderung, das Schengener Grenzsicherungssystem aufzugeben, natürlich ganz abwegig. Das Schengener Grenzsystem kann - so wenig wie das eigene - keine totale Sicherung gegen Sickereffekte sein. Aber es kann besser oder schlechter funktionieren. Unser Interesse ist es, daß es besser funktioniert.
So wie wir gewaltige Aufwendungen betrieben haben, unseren Beitrag zu leisten, und uns dazu aufwendige Inspektionen gefallen lassen mußten und wollten - örtliche Besichtigung unserer eigenen Anstrengungen an der Ostgrenze -, so erwarten wir das Hochfahren der Sicherheitsmaßnahmen auch andernorts. Dafür besteht eine gute Chance. Dazu gehört auch eine Rechtsordnung, die darauf eingerichtet ist, die Schengener Verpflichtungen zu erfüllen, aber keine solche, die die Leute, wenn sie ins Land gekommen sind, frei herumlaufen läßt, nach dem Motto: Ihr habt 14 Tage Zeit, und danach werden wir ungemütlich. - Denn nach 14 Tagen sind sie weg, überwiegend in Deutschland und Österreich.
Insofern ist die Zahl der Asylbewerber von hoher Bedeutung. Wenn in Italien 1996 knapp 700 Asyl beantragt haben und es bei uns 117 000 sind, dann nützt Ihnen, Herr Körper, alles Relativieren nichts, dann ist das Ungleichgewicht im Tragen der Lasten offenkundig.

(Fritz Rudolf Körper [SPD]: Es kommt auf die Schlußfolgerungen an!)

Bei diesem Ungleichgewicht wollen wir es nicht belassen.
Der europäische Gedanke wird in seinem Bestand und seiner Fortdauer gekräftigt, wenn wir Europa auch als Sicherheitsunion verstehen. Das ist entscheidend.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Deshalb muß Schengen angewendet und darf nicht aufgegeben werden. Es ist ein Beweis für die Richtigkeit unseres Verlangens, daß in allen Konferenzen, die dazu stattgefunden haben - Konferenz der FU-Innenminister, Schengen, Polizeikonferenz in Rom -, jeweils unser Maßnahmenkatalog beschlossen worden ist. Wir verlangen nicht mehr, als daß das, was beschlossen wird, auch umgesetzt wird.
Die Bundesregierung wird nicht aufhören, dieses Land mit allen Kräften gegen den Zuzug illegaler Zuwanderer, der schleppermäßig, verbrecherisch organisiert ist, zu schützen. Ich fordere jeden auf, der es mit der Sicherheit unseres Landes und der Integration von Ausländern als einer der Hauptaufgaben der Innenpolitik ernst nimmt, sich an dieser Arbeit zu beteiligen und sie nicht mit billigen oder polemischen Argumenten zu verketzern. Denn Integrationsbemühungen können nur gelingen, wenn sie durch den Zustrom nicht integrierbarer Ausländer nicht unentwegt neu auf die Probe gestellt oder unmöglich gemacht werden.
In diesen erweiterten Kontext gehört dieses Problem, und wir werden es weiterhin mit der gleichen Ruhe und ohne die künstlich herbeigeredete Aufgeregtheit mancher hier im Hause behandeln.
Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Michaela Geiger (CSU):
Rede ID: ID1321218300
Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Cornelie Sonntag-Wolgast, SPD-Fraktion.

Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast (SPD):
Rede ID: ID1321218400
Frau Präsidentin! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Natürlich prägen sich die Bilder dieser maroden und überfüllten Schiffe vor der italienischen Küste ein. Es ist völlig verständlich, daß sich viele fragen: Wie gehen wir eigentlich mit diesen Flüchtlingen um? Wo sind sie unterzubringen? Unter welchen Umständen wären sie zurückzuschicken? - Es ist völlig klar, daß wir solche Sorgen nicht wegfegen können. Die Frage ist nur, wie verantwortungsvolle Politik darauf reagiert.

Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast
Eines ist klar: Panikmache ist fehl am Platz.

(Zustimmung des Abg. Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Das beginnt schon mit der Wortwahl. Ich bin ganz froh, Herr Kollege Kanther, daß Sie heute nachmittag anders gesprochen haben als noch heute vormittag

(Zuruf von der CDU/CSU: Nein, da haben Sie nicht aufgepaßt!)

und in den zurückliegenden 14 Tagen. Da waren Sie flugs mit der Formulierung „Bedrohung" zur Hand, und noch heute vormittag sprachen Sie von „Kriminalitätsimport" und verengten die Diskussion auf die Frage einer besseren Grenzsicherung, so als gelte es, Deiche und Dämme rasch zu erhöhen.

(Zuruf von der CDU/CSU: Richtig!)

Aber es handelt sich nicht um eine Sturmflut, es handelt sich auch nicht um „Hannibal ante portas", sondern zunächst einmal um Menschen, die auf dem Festland der Europäischen Union Zuflucht suchen - sicherlich aus unterschiedlichen Motiven: Unter den Kurden, die da herüberkamen, waren sicherlich manche, die ehrliche Angst vor der Unterdrückung wegtrieb; andere waren vielleicht nur Armutsflüchtlinge; die meisten aber sind profitgierigen Schleppern auf den Leim gegangen und hatten gar keine Ahnung, welche Chancen sie überhaupt bekommen, auf illegalem Wege das Weite zu suchen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Daß das Schlepperwesen widerlich ist und bekämpft werden muß, darüber gibt es bei uns keine Minute der Diskussion.
Diese Fälle, diese Schicksale müssen aber geklärt werden. Und sie müssen differenziert behandelt werden. Es gibt kein Patentrezept. Es darf aber auch nicht passieren, daß sich der Bundesinnenminister in vorauseilender Dramatisierung übt, daß er sich profiliert nach der Devise: Deutschland hat sich ganz toll nach Süden und Südwesten abgeschirmt, aber Italien und Griechenland waren säumig. - Das, meine Damen und Herren, war fahrlässiger Populismus.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Der Bundesinnenminister darf sich nicht allein in der Rolle des obersten Grenzwächters üben.

(Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Oberster Nachtwächter!)

Damit ist kein Problem bewältigt. Der Bundesinnenminister hat auch die Pflicht, über die Ursachen von Flüchtlingsbewegungen aufzuklären und Maßnahmen zu ihrer Bekämpfung einzuleiten. Und auch der Bundesinnenminister hat sich zu fragen, ob die Regierung, der er angehört, den Staaten gegenüber, aus denen diese Menschen kommen, die menschenwürdige Behandlung von Kurden deutlich genug angemahnt hat.

(Beifall bei der SPD)

Es macht keinen Sinn, laut über die Aussetzung des Schengener Abkommens nachzudenken.

(Gert Willner [CDU/CSU]: Das werden Sie sicher auch Herrn Glogowski sagen!)

Ebensowenig macht es Sinn, einen Verbalkrieg gegen die südlichen Mitgliedstaaten der EU vom Zaun zu brechen. Das Flüchtlingsproblem ist eine weltweite Erscheinung und keine ureigene Angelegenheit unseres europäischen Kontinents; das wissen Sie sehr genau. Politisch geregelt und gesteuert werden kann es nur auf gesamteuropäischer Ebene. Wir reden da alle so hochtrabend von „Harmonisierung der Flüchtlings- und Asylpolitik", sind aber noch ganz schön weit davon entfernt. In vielen Fragen ist die Bundesregierung auch nicht gerade Vorreiter dieser Entwicklung.

(Wolfgang Zeitlmann [CDU/CSU]: Das sagt die Richtige!)

Harmonisierung aber heißt nicht: beste Organisation zur Absicherung von Grenzen. Harmonisierung muß vielmehr heißen, gemeinsame Strategien zu entwickeln, die an der Wurzel von Flüchtlingsbewegungen ansetzen: Armut, Unterdrückung, Naturkatastrophen, Bürgerkriege, politische Verfolgung. Harmonisierung muß solidarische Hilfe sein, und sie muß Flexibilität für unerwartete Herausforderungen bieten. Der Bundesinnenminister aber baut - das gilt allgemein für die Ausländerpolitik - eine Drohkulisse nach der anderen auf. Die Bundesregierung hat nicht viel mehr zu bieten als Abwehr, Abschottung und Restriktionen. Dabei täten Aufklärung, Sachlichkeit und das Werben um Verständnis bitter not.
Es war alles in allem ein beschämendes Spektakel, mit dem Sie dieses Jahr eingeläutet haben.

(Klaus Riegert [CDU/CSU]: Was sagt denn Herr Glogowski?)

Vielleicht ernten Sie Applaus an den Stammtischen. Aber das allein wäre schon schlimm genug.
Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Cern Özdemir [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Michaela Geiger (CSU):
Rede ID: ID1321218500
Ich erteile das Wort jetzt dem Abgeordneten Thomas Kossendey, CDU/CSU-Fraktion.

Thomas Kossendey (CDU):
Rede ID: ID1321218600
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Zu, den innenpolitischen Aspekten haben Gert Willner und der Bundesinnenminister einiges gesagt. Ich will das nicht ausführen, ich unterstreiche es ausdrücklich.

(Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Schaurig, schaurig!)

Ich glaube aber, die aktuelle Richtigkeit dieser Aussagen von Gert Willner und vom Bundesinnenminister darf uns nicht den Blick dafür verstellen, daß es langfristig anderer Mittel bedarf, um der Situation gerecht zu werden.

Thomas Kossendey
Die Unterscheidung zwischen politisch verfolgten Flüchtlingen und Wirtschaftsmigranten ist kaum hilfreich, wenn wir es mit türkischen und irakischen Kurden in Westeuropa zu tun haben. Sie haben ihre Heimat sowohl aus Angst vor Verfolgung aus ethnischen Gründen als auch wegen des Konfliktes in der Region, die wir als Kurdistan umschreiben, und vor allen Dingen wegen des Mangels an wirtschaftlichen Alternativen dort verlassen.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Dieter Wiefelspütz [SPD])

Es handelt sich meines Erachtens um eine explosive Mischung aus ökonomischen, demographischen, sozialen, ethnischen und politischen Gründen, die diese Menschen dazu veranlaßt, ihre Heimat zu verlassen.
Dabei ist es aus der Sicht dieser Menschen vollkommen unwesentlich, wer der Verursacher dieser Situation ist. Da ist zum einen die PKK mit ihrem menschenverachtenden Terror, der mittlerweile auch in den Berichten von Amnesty International seinen Niederschlag findet. Da wird sehr deutlich darüber berichtet, daß in den letzten Jahren mehr als 200 Lehrerinnen und Lehrer in dieser Region dahingemetzelt worden sind. Aber auch - das sage ich sehr deutlich - die Reaktionen des türkischen Militärs auf diesen Terror bestrafen die Zivilbevölkerung durch die Überdimensionalität dieser Vergeltungsmaßnahmen. Zwischen diesen beiden Mühlsteinen, der PKK mit ihrem Terror einerseits und dem Militär und seinen unangemessenen Reaktionen andererseits, geraten die Menschen in eine verzweifelte Situation.
Seit Jahren herrscht in der Türkei eine Politik der Homogenisierung der Bevölkerung, der gewalttätige separatistische Bewegungen entgegenstehen. Ich meine, wir sollten unseren Kolleginnen und Kollegen im türkischen Parlament einmal klarmachen, daß vieles, was dort im Augenblick politisch und militärisch im Namen Atatürks geschieht, von Atatürk selber wahrscheinlich kaum gebilligt würde. Diese falsch verstandene Atatürk-Doktrin, die zur Homogenisierung der Bevölkerung führt, ist eine Ursache des Leids der Menschen dort.
Was wäre aber eine angemessene Reaktion, wenn die betroffenen Herkunftsländer wie die Türkei und der Irak durch ihr Handeln bzw. durch ihr Nichthandeln weiter viele Menschen zur Flucht veranlassen? Einfach nur neue Barrieren gegen Süden und Südosten zu errichten, das wird das Problem der Fluchtbewegungen nicht verschwinden lassen.
Wir müssen uns heute darüber im klaren sein, daß wir nur über einen ganz geringen Teil dieses Problems diskutieren, wenn wir nicht gleichzeitig die Situation in Algerien, in Ägypten und manchem anderen Mittelmeeranrainerstaat mit ins Kalkül ziehen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. sowie des Abg. Dieter Wiefelspütz [SPD] und des Abg. Dr. Helmut Lippelt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Was wir brauchen, ist eine harmonisierte europäische Politik, die für diese Problemlage eine Herangehensweise erarbeitet, die ebenso flexibel und dynamisch ist wie das Wanderungsgeschehen selbst. Dazu gehört natürlich auch die strikte Umsetzung des Schengener Abkommens, die Sicherung der Außengrenzen der Europäischen Union. Aber eine solche Eindämmungsstrategie wird langfristig nur dann erfolgreich sein, wenn wir uns genauso intensiv darum kümmern, wie wir die Verhältnisse in den Herkunftsländern verbessern können.

(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. sowie der Abg. Amke Dietert-Scheuer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und des Abg. Dieter Wiefelspütz [SPD])

Ansonsten - das müssen wir deutlich sehen - wird es den Migranten immer wieder gelingen, Schlupflöcher in den zwischenstaatlichen Grenzen zu finden und dann in der Illegalität unterzutauchen. Das wird dann bei uns neue Überlegungen für verbesserte Abschirmmaßnahmen hervorrufen, aber das wird uns nicht weiterhelfen.
Die beste Politik besteht darin, die auslösenden Faktoren krisenhafter Migration auszuschalten, indem wir die Ursachen der Flucht bekämpfen. Das wäre übrigens auch der effektivste Weg, um den kriminellen Schlepperbanden den Weg zu verstellen. Besonders zynisch ist es in diesem Zusammenhang, daß nach vielen Informationen, die wir haben, gerade die PKK, die durch ihren Terror dazu beiträgt, daß die Menschen ihr Land verlassen müssen, nunmehr auch noch an diesen Wanderungsbewegungen verdienen will.
Ich glaube also - damit will ich zum Abschluß kommen -: In unserer offenen und demokratischen Gesellschaft dürfen wir Menschen nicht dazu auffordern, in ihrer Heimat zu bleiben, ohne daß wir ernsthaft prüfen, was wir tun können, um die Bedingungen dort zu verbessern.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Dieter Wiefelspütz [SPD])

Immer deutlicher zeigt sich, daß einseitige Aktionen völlig an der Komplexität des Geschehens vorbeigehen. Wir brauchen eine koordinierte Politik der Europäischen Union. - In diesem Zusammenhang ist es nicht besonders hilfreich, wie die Europäische Union die Türkei behandelt. - Dieser koordinierten Politik innerhalb der Europäischen Union bedarf es allein schon wegen des Wegfalls der Binnengrenzen. Zustände wie 1992 und 1993, als Deutschland mehr als zwei Drittel der in die Europäische Union gelangten Asylbewerber aufnahm, sind auf Dauer nicht tragbar. Sie widersprechen dem Prinzip der Lastenteilung. Da unterstreiche ich ausdrücklich das, was die Vorredner Gert Willner und Manfred Kanther gesagt haben. Aber sie haben eben nur den einen, den innenpolitischen Aspekt angesprochen. Der außenpolitische wird langfristig für uns genauso wichtig sein. Der Bekämpfung der Ursachen des Flüchtlings-

Thomas Kossendey
stroms sollten wir mindestens genauso viel Aufmerksamkeit widmen.
Schönen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)


Michaela Geiger (CSU):
Rede ID: ID1321218700
Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Cem Özdemir, Bündnis 90/Die Grünen.

Cem Özdemir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1321218800
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als Ende letzten Jahres der Luxemburger EU-Gipfel der Türkei - übrigens auch auf maßgeblichen Druck der Bundesrepublik Deutschland - den Stuhl vor die Tür gesetzt hat, waren die Menschenrechtslage und das ungelöste Kurdenproblem - sicherlich nicht zu Unrecht - die Hauptargumente. Seitdem die mit Flüchtlingen vollbeladenen Schiffe vor Italiens Küsten angekommen sind, wird nun von dieser Bundesregierung argumentiert, daß die Menschenrechtslage in der Türkei nicht so dramatisch sei, daß es eine inländische Fluchtalternative gebe, und daß man die Situation der Kurden in der Türkei nicht so dramatisieren dürfe, weil die meisten Kurden sowieso Wirtschaftsflüchtlinge seien.

(Heinrich Lummer [CDU/CSU]: Das ist kein Widerspruch!)

Eine solche Einstellung zeugt von Ihrem instrumentellen Verhältnis zu den Menschenrechten.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der PDS)

Ich werfe Ihnen vor: Ihnen geht es nicht um die Menschenrechte und nicht um die Lösung des Kurdenproblems. Ihnen geht es darum, dieses Thema - je nachdem, ob es Ihnen in den Kram paßt - zu instrumentalisieren.
Wir erleben gegenwärtig eine Abstimmung mit den Füßen. Die Kurden aus dem Nordirak und auch die aus der Türkei zeigen mit ihrer Flucht, daß die Zustände dort nicht mehr aushaltbar sind. Wir sollten eines tunlichst vermeiden: Wir sollten bei aller berechtigten Kritik an den Schleppern - in diesem Punkt sind wir uns, glaube ich, alle einig - jeden Ansatz von Ton vermeiden, der die Flüchtlinge kritisiert und angreift. Keiner verläßt gerne freiwillig seine Heimat. Diese Menschen verlassen ihre Heimat, weil die Situation dort unerträglich geworden ist. Natürlich müssen wir die Schlepper bekämpfen. Aber wir sollten sie nicht mit den Flüchtlingen verwechseln.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der PDS)

Ein weiterer Punkt: Wir sollten uns gerade zu diesem Zeitpunkt, zu dem die Bundesregierung das Thema Menschenrechte und Kurden entdeckt hat, daran erinnern, daß die Flüchtlingswelle aus der Türkei so neu nicht ist, sondern daß schon seit den 80er Jahren gerade Menschen kurdischer Herkunft die Türkei verlassen. Es war der Bundeskanzler dieser Regierung, der vor wenigen Jahren in der Türkei es dort tunlichst vermieden hat, einen Ton Richtung Menschenrechte anklingen zu lassen, geschweige denn das Thema Kurden auch nur zu streifen.

(Zuruf von der CDU/CSU: Was? Das stimmt nicht!)

Es war Ihre Vorgängerregierung, die 1980, als in der Türkei der Putsch stattfand und Hunderttausende von Menschen in den Kerkern verschwunden waren, nach kurzer Zeit zur Routine übergegangen ist. Auch damit unterstützt man mit Sicherheit nicht die Kräfte der Zivilgesellschaft, auch damit fördert man mit Sicherheit keine europäisch ausgerichtete Regierung.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Was wir gegenwärtig erleben, ist ein europäisches Chaos auf allen Ebenen. Herr Dini kritisiert in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" die Bundesregierung wegen ihrer Position auf dem Luxemburger Gipfel. Die Franzosen trösten die Türken gegenwärtig, und die Bundesregierung sagt: Wir haben von all dem nichts gewußt.

(Zuruf von der CDU/CSU: Was?)

Was wir statt dessen dringend brauchen, wäre eine gemeinsame europäische Außenpolitik, nicht nur gegenüber der Türkei, die diesen Namen verdient. Wir hätten sie auch während des Bosnien-Krieges dringend gebraucht.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Dort haben wir erlebt, daß die europäischen Länder in die Kultur der Nationalstaaten zurückgefallen sind. In diesem Zusammenhang sind all die Bündnisstrukturen mit ihren katastrophalen Konsequenzen wieder hervorgekommen. Wenn die Amerikaner nicht interveniert hätten, hätten wir in dem Fall Kardak/Imia zwischen Griechenland und der Türkei vielleicht sogar eine kriegerische Auseinandersetzung gehabt.
Wir brauchen gegenüber der Türkei dringendst eine europäische Außenpolitik, die europäische Interessen formuliert. Das europäische Interesse muß darin bestehen, daß sich die Türkei in Richtung Europa entwickelt, daß eine demokratische Türkei eine Zusage für eine Aufnahme in die Europäische Union bekommt.
Dazu gehört auch, daß wir schnellstens mit den Waffenlieferungen an die Türkei aufhören, denn die Waffenlieferungen werden in der Türkei mit Sicherheit nicht zu dem beitragen, was die Türkei braucht, nämlich eine Befriedung der Gesellschaft.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der PDS)

Schließlich brauchen wir auch eine Zivilisierung des Verhältnisses innerhalb der Europäischen Union. Was wir aus dem Hause Kanther in den letzten Tagen

Cem Özdemir
gehört haben, war mit Sicherheit nicht dazu angetan,
das deutsch-italienische Verhältnis zu verbessern.

(Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Positiver Beitrag!)

Der Ton, der angeschlagen wurde, war unerträglich - und das in einer Situation, in der besonders viel Sensibilität notwendig ist, in der Sie wissen, daß die Frage ansteht, ob Italien die Maastricht-Kriterien erfüllt, in der Sie wissen, daß es um die Frage eines Sitzes im Sicherheitsrat geht. In einer solchen Situation sollte man, so glaube ich, jede Art von Arroganz ablegen.
Man sollte das deutsch-italienische Verhältnis nicht auf dem Altar der Innenpolitik opfern. Wir müssen gegenüber der italienischen Regierung darlegen, daß wir eine europäische Politik brauchen. Italien verhält sich laut dem Flüchtlingskommissariat der Vereinten Nationen - ich darf zitieren - „vorbildlich". Was wir gegenwärtig haben, ist ein Scherbenhaufen, der dazu geführt hat, daß der Kanzler bereits mit Herrn Prodi telefonieren mußte und ihn demnächst besuchen wird, um das wiedergutzumachen, was der Innenminister Kanther angerichtet hat.
Ich komme zum Schluß, weil die Redezeit zu Ende ist. Wir brauchen dringend eine Koordination auf europäischer Ebene, die auch die Fragen klärt, wie wir zukünftig Flüchtlinge aufnehmen wollen, wie zukünftig ein Verteilschlüssel, wie die Finanzierung aussehen soll. Wir sind für ein solches Modell. Nur, eines dürfen wir nicht vergessen:

Michaela Geiger (CSU):
Rede ID: ID1321218900
Ihre Redezeit ist aber längst zu Ende.

Cem Özdemir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1321219000
Es war diese Bundesregierung, die in Amsterdam für ein Einstimmigkeitsprinzip war und verhindert hat, daß wir zu europäischen Lösungen kommen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Michaela Geiger (CSU):
Rede ID: ID1321219100
Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Ruprecht Polenz, CDU/CSU- Fraktion.

Ruprecht Polenz (CDU):
Rede ID: ID1321219200
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! An den Anfang meiner Ausführungen möchte ich gerne stellen, daß wir bei dieser Debatte nicht vergessen dürfen, daß es um Menschen in Not geht. Wenn man die Bilder der Schiffe sieht, wenn man die Kinder und Frauen sieht, die Angst haben, die sich diesen Seelenverkäufern anvertrauen, dann wird schon deutlich: Das macht niemand gern. - Wir sind gefordert, auf diese Herausforderung zu reagieren.
Die Lösung kann allerdings nicht sein, daß wir aus menschlichem Mitgefühl sagen, daß alle Menschen zu uns nach Deutschland kommen sollen und wir für Hilfe sorgen und die Probleme lösen. Darauf hat der Innenminister zu Recht hingewiesen. Alle, die ihn für diese Position kritisiert haben, haben das Thema, wie
denn eine Lösung gefunden werden soll, fein vermieden. Sie haben sozusagen nur Vorwürfe formuliert und gehofft, daß man die Zustimmung derer, die menschlich empfinden, bekommt, statt eine Lösung vorzuschlagen, die sowohl die notwendige menschliche Seite einbezieht als auch politisch praktikabel ist.
Dann hat Herr Kollege Körper einen Satz gesagt, der mir der Schlüssel dafür zu sein scheint, wo wir nach Lösungen suchen müssen. Herr Kollege Körper, Sie haben gesagt, daß wir nicht Äpfel mit Birnen vergleichen dürfen. Sie haben damit gemeint, man dürfe nicht das deutsche und das italienische Asylrecht miteinander vergleichen. Ich glaube, gerade weil wir in der Europäischen Union zuviel Äpfel, Birnen, Kirschen und sonstige Obstsorten haben - wenn man einmal bei Ihrem Bild bleiben will -, was das Asylrecht und das Einwanderungsrecht angeht und vielleicht noch mehr, was die soziale Fürsorge für diejenigen betrifft, die sich entweder noch in ihrem Asylverfahren befinden oder dann nachher anerkannt sind, gerade wegen dieser Unterschiedlichkeit haben wir die Situation, daß 50 Prozent aller Asylbewerber, die in die Europäische Union kommen, in Deutschland sind. Das ist doch das politische Thema, das uns bewegen muß und an dem wir arbeiten müssen. Es kann nicht angehen, daß Deutschland auf Dauer mehr Asylbewerber aufnimmt als alle anderen europäischen Länder zusammengenommen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Das ist ein Punkt, über den wir politisch diskutieren müssen. Wir müssen uns auch fragen: Wie kommt es dazu? Denn es ist natürlich klar: Für unsere Partner in der Europäischen Union ist das eine vergleichsweise angenehme und komfortable Arbeitsteilung. Wir müssen nun Wert darauf legen, daß diese Arbeitsteilung innereuropäisch verändert wird und daß wir diesen Mangel an innereuropäischer Gemeinsamkeit überwinden.
Ein Zweites: Nach meiner Einschätzung sind wir erst am Anfang der Probleme. Das, worüber wir jetzt diskutieren, womit wir es jetzt zu tun haben, ist meines Erachtens der Vorbote eines der großen Themen des nächsten Jahrhunderts: Wanderung, Migration, Flucht. Natürlich sind die Ursachen bekannt: das große Wohlstandsgefälle auf dieser Welt, der große Unterschied in „good governance", also in der Frage: Wie werden Menschen regiert? Werden sie unterdrückt? Haben sie Menschenrechte? Müssen sie um ihre Sicherheit fürchten, oder können sie, wie bei uns, sicher und gut leben? Zu den Ursachen zählen natürlich ebenso Kriege auf dieser Welt und - in Zukunft vielleicht noch stärker als bisher - auch Umweltprobleme.
Wir stehen erst am Anfang dieser Entwicklung. Die Migration wird deshalb tendenziell eher zunehmen, weil die weltweit verfügbaren Informationen, wie man in anderen Ländern leben kann - hier spielt zum Beispiel das Fernsehen eine große Rolle -, manchen dazu veranlassen, zu sagen: Bei uns zu Hause ist es nicht mehr auszuhalten; ich muß mich in irgendeiner Form auf den Weg machen. - Es kann, wie gesagt, aber nicht sein, daß wir alle diese Probleme

Ruprecht Polenz
auf deutschem und auf europäischem Boden werden lösen können. Aber die Magnetwirkung Europas bleibt bestehen.
Wenn hier für Europa eine gemeinsame Einwanderungs-, Asyl- und Ausländerpolitik gefordert wird - das haben Vertreter der Grünen und der Sozialdemokraten getan -, dann muß man ehrlicherweise hinzufügen: Wenn wir das erreichen wollen, werden wir dies wohl nicht auf dem deutschen Niveau - weder rechtlich noch sozialstaatlich abgesichert - zustande bringen. Ich halte das für ausgeschlossen. Die Frage an die Folgeredner ist: Sind Sie denn bereit, zum Zwecke des Erreichens einer gemeinsamen europäischen Asyl- und Ausländerpolitik Abstriche am jetzigen deutschen Niveau hinzunehmen?

(Gert Willner [CDU/CSU]: Eine sehr interessante Frage!)

Denn es ist das Fatale - ich komme zum Schluß - und ein Taschenspielertrick der Grünen in dieser Debatte, daß der Begriff Abschottung der Regierung eines Landes gegenüber gebraucht wird, das mehr Flüchtlinge als alle anderen Länder aufnimmt.

Michaela Geiger (CSU):
Rede ID: ID1321219300
Herr Abgeordneter, wenn man zum Schluß kommen soll, muß man wirklich zum Schluß kommen. Ihre Redezeit ist längst abgelaufen.

Ruprecht Polenz (CDU):
Rede ID: ID1321219400
Der Vorwurf der Abschottung entspricht nicht den Tatsachen. Ich bin gespannt, ob Sie eine europaweite Harmonisierung mit-
' machen, wenn es zu Abstrichen auch an unseren Standards kommt.

(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)


Michaela Geiger (CSU):
Rede ID: ID1321219500
Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Karsten Voigt, SPD-Fraktion.

Karsten D. Voigt (SPD):
Rede ID: ID1321219600
Frau Präsidentin! Am Schluß der heutigen Diskussion ist ganz klar: Die Bekämpfung der Fluchtursachen, die Bekämpfung der illegalen Einwanderung - das betrifft die Verfahren im Hinblick auf die Flucht, das Asylverfahren und die Betreuung von Flüchtlingen - kann nur erreicht werden, wenn wir in Europa und bei aller Kritik letzten Endes auch mit der Türkei mehr als bisher zuammenarbeiten. Deshalb war es ein Fehler der Bundesregierung, in Amsterdam auf dem Einstimmigkeitsprinzip in der Innenpolitik zu bestehen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Dies ist ein Fehler, der sich jetzt rächt und den Sie und nicht wir - wir waren anderer Meinung - zu verantworten haben.
Deshalb möchte ich auf Ihre Frage nach den Standards antworten: Wer gemeinsame europäische Standards will, kann nicht die deutschen Standards zum Kriterium gemeinsamer Standards machen. Das wird in dem einen oder anderen Fall bedeuten, daß sich andere unseren Standards anpassen, und das wird in anderen Fällen bedeuten, daß wir uns anderen Standards anpassen. Das ist die Logik von Europa. Zumindest wir als Sozialdemokraten sind uns über diese Frage im klaren und sind, wenn wir Europa sagen, auch bereit, diesen Weg zu gehen. Deshalb sind wir gegen die Einstimmigkeit mit diesen Konsequenzen.
Der Grund, warum ich mich an dieser Debatte überhaupt beteilige, ist aber folgender: Weil man dieses Problem nur auf europäischer Ebene und bei aller Kritik an einzelnen Erscheinungen in der Türkei nur gemeinsam mit der Türkei lösen kann, ist es ein Fehler - das ist der zweite Fehler -, diese Debatte so zu führen, daß unsere Kooperation mit den europäischen Partnern und mit der Türkei erschwert wird. Das ist nicht nur ein moralischer, sondern auch ein strategischer Fehler.

(Beifall bei der SPD)

Dieser Fehler ist mit der Begründung des Wahlkampfes nicht zu entschuldigen. Ich bin lange genug in der Politik, um zu wissen, was Wahlkampf bedeutet. Auch ich bin bei manchen Dingen hart vorgegangen. Aber wir müssen darauf achten, daß in diesem Wahlkampf nicht auf außen- und europapolitischer Ebene Porzellan zerschlagen wird. Das gilt für alle Abgeordneten; das gilt aber besonders für Mitglieder der Bundesregierung, und zwar nicht nur für den Außenminister, sondern auch für den Innenminister.

(Beifall bei der SPD)

Herr Kanther, daß Sie jetzt schmerzerfüllt blicken, verstehe ich. Denn ich werde jetzt etwas sagen, was Ihnen nicht gefällt. Mich haben Mitglieder des italienischen Parlamentes und der Regierung angerufen und sich bei mir über Ihr Verhalten beschwert. Daß sie das nicht Ihnen gegenüber tun und daß Sie im Innenausschuß sagen, daß es keine Verstimmung gebe, spricht für die diplomatische und außenpolitische Weisheit dieser Personen, die die deutsch-italienischen Beziehungen nicht noch weiter belasten wollen, die durch andere Themen schon genug belastet sind. Dies ändert nichts daran, daß nicht nur die Presse in Italien und in der Türkei, sondern auch politisch führende Kreise über das Auftreten nicht unseres Außenministers, sondern in diesem Fall des Innenministers sehr entsetzt sind.

(Armin Laschet [CDU/CSU]: Der Innenminister? Plural!)

- Dies betrifft auch Herrn Glogowski. Das ist gar keine Frage. Darüber wollen wir nicht hingwegsehen. Ich habe das mit ihm besprochen.
Jetzt komme ich zu einem etwas lächerlichen Punkt. Als ich Sie mit der Wacht am Rhein - Ausschau haltend nicht nach den Türken bei Wien - an der französischen Ostgrenze und unserer deutschen Westgrenze gesehen habe,

(Dieter Wiefelspütz [SPD]: Peinlich, peinlich!)

habe ich nicht gewußt, ob ich empört sein oder lachen sollte. Ich habe mich für das letztere entschieden. Diese Art der Inszenierung von deutscher Sicherheit zu Lasten unserer Nachbarn, ihrer Emp-

Karsten D. Voigt (Frankfurt)

findungen, ihrer Emotionen und ihrer Interessen ist antieuropäisch und widerspricht deutschen Interessen.

(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Cern Özdemir [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Ich beteilige mich an dieser Diskussion nur aus dem Grund, Sie zu warnen, sich weiterhin in diesem Stil, dieser Methode und dieser Gestik zu Lasten unserer außenpolitischen Interessen zu beteiligen.
Bei den Schlepperbanden sind wir im wesentlichen einer Meinung. Deshalb möchte ich nur noch etwas zu Italien und der Türkei sagen.
Italien hat im Asylrecht vorwiegend in den letzten Monaten das eingeleitet, was erforderlich ist. Über die italienischen Außengrenzen kommen noch immer weniger Illegale als über die deutschen Außengrenzen; das möchte ich festhalten. Keiner sagt, daß Sie deshalb als Innenminister versagt haben. Sie haben aber vielleicht aus anderen Gründen versagt. Wenn man in andere Häuser mit Steinen wirft, sollte man zuerst überlegen, ob man nicht selber im Glashaus sitzt.
Zum Thema Türkei möchte ich Frau Jelpke sagen: Mit der Türkei kann man kritisch umgehen. Ihre Tonlage aber war nicht türkeikritisch, sondern antitürkisch.

(Zustimmung bei der CDU/CSU sowie des Abg. Jörg van Essen [F.D.P.] Gerd Andres [SPD]: Sehr richtig!)

Die Probleme im Nordirak resultieren nicht nur aus dem auch von mir kritisierten Vorgehen der Türken, sondern auch aus dem Verhalten kurdischer Gruppen, die sich aus eigenen Motiven bekämpfen, und anderer Staaten, die ihre Süppchen dort kochen, zum Beispiel Syrien.

(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Cem Özdemir [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] Ulla Jelpke [PDS]: Die werden aufgehetzt!)

Wenn man die Zustände in der Türkei und ihre Außenpolitik kritisiert gleichzeitig aber mit der Türkei etwas kooperativ lösen will, dann darf man dies nicht in dieser Tonlage tun.

(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Cem Özdemir [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Zum allerletzten Punkt. Damit komme ich zu meinem nachfolgenden Redner und damit wieder zu etwas Verbindlichem. Herr Zeitlmann, es freut mich - lassen Sie mich das sagen -, daß Sie auf Grund der Tatsache, daß ein Kollege unserer Fraktion Vater geworden ist, Großvater geworden sind. Ich möchte Ihnen dazu gratulieren.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der F.D.P. und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Michaela Geiger (CSU):
Rede ID: ID1321219700
Das Präsidium schließt sich diesem Glückwunsch natürlich an.
Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Wolfgang Zeitlmann, CDU/CSU-Fraktion.

Wolfgang Zeitlmann (CSU):
Rede ID: ID1321219800
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn man seit bald elf Jahren dem Innenausschuß angehört und in dieser Zeit die Haltung der Opposition in ausländerrechtlichen Fragen beobachtet hat, dann kann man eigentlich nur hoffen, daß sie diese Haltung um Gottes willen auch im Wahljahr beibehält. Wir müssen schließlich dem deutschen Wähler erklären, daß es hier Menschen gibt, die, wenn Zuwanderung vor der Tür steht, die eigene deutsche Regierung dafür kritisieren, daß sie versucht, europäische Regularien, die im Schengener Abkommen vereinbart worden sind, durchzusetzen und die Zuwanderung von Deutschland fernzuhalten.
Ich verstehe diese Diskussion wirklich nicht. Der niedersächsische Innenminister hat etwas gefordert, was gesetzwidrig ist. Er hat nämlich gefordert, eine Regelung auszusetzen; das geben Sie auch zu. Sie führen aber die Diskussion nicht im Niedersächsischen Landtag, sondern hier im Deutschen Bundestag, obwohl sich der deutsche Innenminister nachweislich an Recht und Gesetz gehalten hat. Jetzt bleibt Ihr Vorwurf, man hätte weicher formulieren müssen, man hätte die eine oder andere Formulierung nicht wählen dürfen.
Ich habe selten soviel Unsinn gehört wie in dieser Diskussion. Man muß sich nur einmal die Zahlen vorstellen: Im Jahr 1997 haben 300 000 Deutsche mehr, nämlich 2,4 Millionen Urlaub in der Türkei gemacht. Mir soll hier einmal jemand klarmachen, daß Ihnen diese 2,4 Millionen abnehmen, daß die Türkei so schrecklich ist, daß sich Hunderttausende von Menschen auf den Weg machen müssen. Diese 2,4 Millionen Menschen müssen Sie heuer davon überzeugen, daß die Türkei ein so grauenvolles Bürgerkriegsland in allen Phasen ist - von wegen innertürkische Fluchtalternative -, daß sich diese Menschen zu Hunderttausenden in Bewegung setzen müssen und die Häfen ansteuern etc.
Übrigens: Diese 2,4 Millionen Menschen sind nur ein Viertel des gesamten Tourismusstroms in die Türkei. Das heißt, 10 Millionen Europäer machen jedes Jahr Urlaub in der Türkei. Sie aber zeichnen hier ein Bild von Verhältnissen in der Türkei, die einem den Schrecken nur so vor Augen führen. Ich will damit das, was mit den Kurden passiert ist, nicht verniedlichen. Das haben auch unsere Außenpolitiker klargemacht. Ich verstehe zuwenig davon. Ich will nichts verdecken und niemanden schützen.
Nur, wenn die gleiche Bundesregierung jetzt öffentlich auf die Türkei eingeprügelt und gesagt hätte: Ihr müßt da radikal und rigoros vorgehen!, dann wären die feinfühligen Außenpolitiker gekommen und hätten gesagt: So kann man in der Außenpolitik nicht miteinander umspringen; man muß sensibel vorgehen und Geheimgespräche führen.
Wenn ich Herrn Özdemir hier höre, der sagt, daß jeder, der seine Heimat verläßt und Flüchtling ist,

Wolfgang Zeitlmann
schon von vornherein zu bemitleiden ist, weil er allein auf Grund eines entsetzlichen Drucks geht, dann möchte ich entgegnen: Das ist doch alles Unsinn. Es gibt doch auch viele Deutsche, die ins Ausland auswandern. Sie verlassen unser Land doch auch nicht, weil wir sie bedrohen, sie unterdrücken oder weil wir sie mit Bürgerkrieg überziehen. Diese Tausende wandern freiwillig aus Deutschland aus. Ich möchte bitten: Führen wir um Gottes willen nicht eine solche Diskussion!
Eines muß man doch klar sagen: Wenn ihr, die Kollegen von der Opposition, wollt, daß wir einen europäischen Standard bekommen - da bin ich sofort dabei -, dann solltet ihr nicht die Aufnahme von Regelungen im Asylbewerberleistungsgesetz verhindern, die vorsehen, daß wir mit dem Standard heruntergehen, sondern ihr solltet so ehrlich sein, zu sagen, daß wir von dem Grundrecht auf Asyl wegkommen und daß wir zu einer Institutsgarantie übergehen müssen. Uns CSU-Angehörige habt ihr jahrelang verteufelt; jetzt redet ihr scheinheilig von einer europäischen Harmonisierung, die ihr dann, wenn es zum Schwur kommt, entweder nicht oder nur unter großem Gejammer mittragt.
Ich rate: Führt eure Diskussion in Niedersachsen, haltet euch an den dortigen Landesinnenminister, aber kommt nicht hierher; oder ihr solltet ganz laut sagen: Wir denken erst an die Ausländer und dann an die Vertretung deutscher Interessen. Wenn das so gemacht wird, dann gehen wir ehrlich miteinander um. Ich hoffe nur, ihr führt das in diesem Wahlkampf so konsequent durch wie bisher und denkt zuerst an die Ausländer und dann an die deutschen Interessen.
Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Michaela Geiger (CSU):
Rede ID: ID1321219900
Damit ist die Aktuelle Stunde beendet.
Wir sind am Schluß unserer heutigen Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 15. Januar 1998, 9 Uhr ein.
Die Sitzung ist geschlossen.