Gesamtes Protokol
Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Sitzung ist eröffnet.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf:
Befragung der Bundesregierung
Die Bundesregierung hat als Themen der gestrigen Kabinettssitzung mitgeteilt: erstens Gesetz zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen gefährlichen Straftaten, zweitens Gesetz zur Reform des Strafrechts.
Das Wort für den einleitenden fünfminütigen Bericht hat der Bundesminister der Justiz, Dr. Edzard Schmidt-Jortzig.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das Kabinett hat gestern zwei Gesetzentwürfe verabschiedet, die auf einem wichtigen Gebiet belegen, daß die Regierung auch in Zeiten, in denen auf vielen Gebieten Reformbedarf zu sehen ist und in denen politische Aufgeregtheit herrscht, voll handlungsfähig ist und diese Handlungsfähigkeit in aller Ruhe und Gelassenheit demonstriert.
Der Entwurf eines sechsten Gesetzes zur Reform des Strafrechts ist dabei von grundsätzlicher rechtspolitischer Bedeutung. Mit ihm setzen wir im Kern eine der zentralen rechtspolitischen Vereinbarungen dieser Koalition um, nämlich das große Ziel der Strafrahmenharmonisierung. Der Ausgangspunkt ist bekannt: Die Strafrahmen des Besonderen Teils des Strafgesetzbuches atmen zum Teil noch wilhelminischen Geist, indem sie den Schutz materieller Rechtsgüter gegenüber höchstpersönlichen überbetonen. Durch den jetzt vorgelegten Entwurf werden daher die Strafrahmen insbesondere bei Straftaten gegen Leib und Leben, aber auch bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung zum Teil deutlich erhöht.
So ist zum Beispiel für besonders schwere Fälle sexuellen Mißbrauchs von Kindern ein neuer Verbrechenstatbestand mit einem Strafrahmen von einem bis zu zwölf Jahren Freiheitsstrafe vorgesehen. Auch die Strafe für die Verbreitung pornographischer Schriften wird verschärft. Bei den Körperverletzungsdelikten werden die Strafrahmen sowohl im Bereich der einfachen und der schweren Körperverletzung als auch bei Körperverletzung mit Todesfolge partiell angehoben.
Zu einer stärkeren Pönalisierung führt auch, die gefährliche Körperverletzung von einem Privat- zu einem Offizialdelikt hochzustufen. Schließlich stellen wir - ich betone: erstmals - auch den Versuch der Körperverletzung und der Freiheitsberaubung unter Strafe.
Darüber hinaus enthält der Entwurf auch Strafverschärfungen bei einzelnen Vermögensdelikten. Als Beispiel der Einbruchsdiebstahl in Wohnungen: Die Mindeststrafe wird von drei auf sechs Monate angehoben.
Um gravierende Wertungswidersprüche im Gesamtgefüge des Strafrechts abzubauen und somit wirklich zu einem Strafrecht aus einem Guß zu kommen, war es in bestimmten Fällen aber auch nötig, die Strafrahmen moderat abzusenken. Es ist heute nicht mehr zu rechtfertigen, daß der Strafrahmen für schwere Fälle der Urkundenfälschung bis zum Höchstmaß zeitiger Freiheitsstrafe, nämlich 15 Jahre, hinaufreicht. Will der Gesetzgeber deutlich machen, daß er zum Beispiel in dem sexuellen Mißbrauch von Kindern ein größeres Unrecht als in einer Urkundenfälschung sieht, so muß er in diesen Bereichen zur Korrektur nach unten bereit sein.
Bei dem besonders lange diskutierten Fall des schweren Raubes geht es allerdings im Ergebnis nicht darum, den Strafrahmen abzusenken, sondern vielmehr darum, das geltende Recht den Bedürfnissen der Praxis anzupassen. Denn die gerichtliche Spruchpraxis sieht bisher so aus, daß 75 bis 80 Prozent der Fälle des schweren Raubes von den Gerichten zu sogenannten minder schweren Fällen mit einem Strafrahmen von nur einem bis zu fünf Jahren herabgestuft wurden, um so die als unangemessen hoch empfundene Mindeststrafe von fünf Jahren zu umgehen. Hier tritt an die Stelle des bisherigen Rechts eine Aufgliederung in einen dreiteiligen Tatbestand, abgestimmt nach der Schwere des Delikts mit einer Mindeststrafe in Höhe von zwei, drei und fünf Jahren.
Bundesminister Dr. Edzard Schmidt-Jortzig
Meine Damen und Herren, das zweite Stück der gestern im Kabinett verabschiedeten Gesetzgebungsinitiative betrifft das Gesetz zur Bekämpfung von Sexualdelikten. Es hat zwei Hauptansatzpunkte. Zum einen wird manches im repressiven Bereich, so auf dem Gebiet der Sicherungsverwahrung, verschärft. Zum anderen soll vor allem auch im Bereich der Prävention eine stärkere Nutzung therapeutischer Maßnahmen möglich gemacht werden.
Im letztgenannten Bereich, also bei den Therapien, hätte man sich auch Regelungen vorstellen können, die die Länder noch stärker in Pflicht nehmen. Weil es sich aber um ein zustimmungsbedürftiges Gesetz handelt und Reformgesetze schlecht ohne diejenigen zu machen sind, die sie nachher umsetzen sollen, haben wir uns auf einen Weg geeinigt, der, wie ich glaube, verträglich ist.
Ich möchte noch einige Einzelpunkte aufführen. Zunächst sollen die Länder durch Regelungen im Strafvollzugsgesetz veranlaßt werden, wenigstens auf dem Gebiet der Sozialtherapie weitere Therapieplätze zu schaffen. Der Entwurf sieht deshalb vor:
Erstens. Künftig besteht die gesetzliche Pflicht der Vollzugsbehörde, therapiefähige Sexualstrafttäter in eine sozialtherapeutische Anstalt zu verlegen.
Zweitens werden die Voraussetzungen für die Aussetzung eines Strafrestes zur Bewährung klarer gefaßt. Hier hat es ja in der letzten Zeit Mißverständnisse gegeben.
Drittens wird angeordnet, daß stets ein Gutachten eingeholt werden muß, wenn eine Entscheidung über die Aussetzung des Strafrestes zur Bewährung ansteht. Über dieses Gutachten muß dann auch mündlich verhandelt werden, und es muß eine Erörterung mit dem Gutachter stattfinden.
Viertens. Darüber hinaus können die Gerichte künftig im Zuge der Entscheidung über die Aussetzung der Strafe oder des Strafrestes zur Bewährung anordnen, daß sich der Verurteilte zum Beispiel einer psychotherapeutischen Behandlung unterziehen muß. Entsprechendes gilt bei Verurteilten, die ihre Strafe voll verbüßen und nach der Strafverbüßung unter Führungsaufsicht gestellt werden müssen.
Fünftens. Schließlich können einschlägig rückfällige Sexualstraftäter schon nach dem ersten Rückfall in Sicherungsverwahrung genommen werden.
Das war die mir auf Grund der Kürze der Zeit mögliche Kurzdarstellung eines sehr umfangreichen Komplexes.
Danke.
Herr Professor Meyer.
Herr Minister, wie Sie wissen, ist die Strafrahmenharmonisierung eine alte Forderung der SPD. Wir begrüßen also die Bemühungen in dieser Richtung.
Gestatten Sie aber bitte eine Frage, deren Beantwortung Aufschluß darüber geben kann, ob die Bundesregierung wirklich, wie Sie betont haben, voll handlungsfähig ist. Die Frage zielt dahin, ob Sie über die Reform der Strafrahmen hinaus, die auch wir für notwendig halten, an die aus unserer Sicht viel wichtigere Reform der Strafarten herangehen wollen. Es geht uns nämlich darum, die Überfüllung der Gefängnisse als Problem zu erkennen und zu lösen.
Wie Sie wissen, ist die Lösung dieses Problems nur möglich, wenn man eine Freiheitsstrafe dort, wo sie nicht sinnvoll ist, durch andere, wirkungsvollere Sanktionen ersetzt. Sie kennen unseren Gesetzentwurf zur Reform des Sanktionensystems. Wollen Sie in diesem wichtigeren Reformbereich das Vorgehen unterstützen, daß man dort, wo eine Freiheitsstrafe nicht sinnvoll ist, gemeinnützige Arbeit vorsieht, daß man das Fahrverbot als Hauptstrafe verhängt und daß man, um eine sofortige Entlastung unserer Gefängnisse zu erreichen, die Ersatzfreiheitsstrafen zurückdrängt, was möglich wäre, wenn man Geldstrafen zur Bewährung aussetzen würde?
Wie stehen Sie zu diesen zentralen Reformforderungen, die sich eigentlich unmittelbar an die Harmonisierung der Strafrahmen anschließen müssen?
Herr Kollege Meyer, das sind interessante Anregungen. Ich stehe allerdings auf dem Standpunkt, daß die Bundesregierung Handlungsfähigkeit in dem Bereich gerade dadurch beweist, daß sie realistisch Schritt für Schritt vorgeht.
Wir haben jetzt etwas auf den Weg gebracht, was - auch wenn es schon seit längerem in Wissenschaft und politischer Diskussion angemahnt wird - in einem Tempo vorangekommen ist, das bisher nicht denkbar zu sein schien. Mit diesem Schritt versuchen wir nun, dies intensiv und geschlossen durch die Beratungen zu führen. Das wird nicht das Ende der Reformbedürftigkeit sein. Es werden die nächsten Schritte kommen, denen man sich zuwenden muß. Der von Ihnen skizzierte Vorschlag ist da sicherlich ein interessanter Ansatz.
Zusatzfrage.
Darf ich die Zusatzfrage zu dem zweiten Gesetzentwurf zur Bekämpfung von Sexualdelikten stellen? - Herr Minister, Sie haben ausgeführt, daß Sie außer den vorgesehenen repressiven Schritten in dem Entwurf auch präventive Akzente setzen, indem Sie Therapie verstärkt vorsehen wollen. Meine Frage zielt dahin, ob eine Therapie, die erst nach begangener Straftat vorgesehen ist, allen Ernstes als entscheidender Schritt in Sachen Prävention angesehen werden kann.
Meinen Sie nicht auch, daß in dem Gesetzentwurf der Bundesregierung deshalb der präventive Teil, der gesellschaftliche Prävention zur Vermeidung von Straftaten vorsieht, der übrigens auch unser Wissen um Prävention durch entsprechende Forschungsaufträge verbreitern hilft, mindestens so wichtig wäre?
Dr. Jürgen Meyer
Meinen Sie nicht auch, daß ein ganz wesentlicher Bereich - Prävention zur Verhinderung von Straftaten - bisher in der Initiative der Bundesregierung ausgeblendet ist?
Herr Kollege Meyer, ich stimme mit Ihnen überein, daß andere Felder der Prävention auch wichtig sind. Ich weise nur in aller Bescheidenheit darauf hin, daß solche Dinge im Zweifel in die Zuständigkeit der Landesjustizverwaltungen fallen. Dennoch verfügt das Bundesministerium der Justiz als einziges von 16 plus eins Justizministerien oder -behörden in dieser Republik über ein eigenes Präventionsreferat.
Also, die Anstrengungen der Bundesregierung mit ihren begrenzten Kompetenzen - denn hier sind in aller Regel die Länder zuständig - sind an dem Punkt, glaube ich, durchaus sehenswert. Aber Sie haben recht: Wir müssen gerade im Bereich der Prävention sicherlich noch stärker und engagierter vorgehen.
Ich glaube allerdings - Sie haben es wohl auch nicht ganz in Frage stellen wollen -, daß Tätertherapie ein wichtiges Stück Prävention ist. Darüber sind wir uns sicherlich einig. Daß man es beim Stichwort Prävention dabei nicht bewenden lassen darf, darüber sind wir uns auch einig.
Danke. Frau Kollegin Simm.
Herr Minister, Sie sehen vor, daß Täter künftig sogar gegen ihren Willen - wenn ich den Entwurf richtig verstanden habe - in die Sozialtherapie sollen verlegt werden können. Wie will denn die Bundesregierung darauf Einfluß nehmen, daß dies nicht als Gesetz Makulatur bleibt?
Wir wissen, daß die sozialtherapeutischen Anstalten gerade am Widerstand der Länder, und zwar wegen der damit verbundenen Kosten gescheitert sind. Ich sehe also nicht, was sich daran in Zukunft ändern soll.
Die Sorge, die aus Ihrer Frage spricht, ist sicherlich verständlich. Ich habe angedeutet, daß diese Sorge von der Bundesregierung und von den Koalitionsabgeordneten, die sich damit befaßt haben, geteilt wird.
Dieses Gesetz ist zustimmungsbedürftig. Wir sind also auf das Mitwirken des Bundesrates und der Länder angewiesen. Deswegen die etwas moderatere Form - ich habe das angedeutet -, daß wir zwar einer Vollzugslösung zustimmen, bei der der Vollzugsleiter und dann die Strafvollstreckungskammer die Entscheidungen treffen. Diese Entscheidung kann dann aber pflichtig gemacht werden; eine Verpflichtung zur Therapie kann also ausgesprochen werden.
Ich glaube, das ist ein Weg, der gangbar ist, der aber auch mir eigentlich nicht weit genug geht. Aber ich möchte an diesem Punkt deutlich sagen: Bei der bekannten, von mir, weil es eine Frage der Schwerpunktsetzung ist, an anderer Stelle immer gegeißelten Finanzknappheit der Landesjustizen ist das, was die Justizministerkonferenz hinsichtlich der Bereitschaft zur verstärkten Therapie, zur Schaffung vermehrter Therapieplätze, zur Durchführung von Therapien sowie zur Heranbildung, Ausbildung und Qualifizierung von Therapeuten selbst gesagt hat, schon ganz hilfreich. Es ist aber die Aufgabe des Bundes, des Bundestages, des Bundesgesetzgebers sowie der Bundesregierung, darauf zu achten, daß die Länder diese guten Vorsätze auch wirklich in die Tat umsetzen.
Zusatzfrage?
Eine Zusatzfrage, Herr Minister, die ebenfalls in diesen Therapiekomplex gehört. Sie wollen auch die Möglichkeiten, Weisungen im Rahmen der Strafaussetzung oder Strafrestaussetzung zur Bewährung zu verhängen, darunter insbesondere Therapieweisungen, erweitern. Hat sich die Bundesregierung in diesem Zusammenhang mit dem Problem befaßt, daß diese Möglichkeiten mitunter nicht ausreichend genutzt werden können, weil es für die im Rahmen einer Bewährungsaufsicht erteilte Weisung, eine Therapie zu machen, innerhalb der Justiz keine Kostenträger gibt, das heißt, daß die Justiz zwar die Anordnungen trifft, dann aber das Problem besteht, wer das eigentlich bezahlt? Ist Ihnen dieses Problem bekannt? Ich kenne es aus meiner Strafrichterpraxis und weiß, welche praktischen Probleme das aufwirft.
Das Problem ist bekannt. Von Bundesgesetzgeberseite - es geht ja um den Entwurf für ein Bundesgesetz - werden Sie aber nicht auf die internen Kostentragungen der Länder durchgreifen können. Wir können nur - das tun wir auch - die Voraussetzungen festlegen, unter denen die Pflicht durch das Gericht, durch den Richter konkretisiert wird. Wenn es dann eine in der Gerichtsentscheidung festgelegte Pflicht zur Therapie gibt, müssen die Länder natürlich in eigener Zuständigkeit klären, welche Töpfe dafür nutzbar sind. Wir können nicht von uns aus eine Finanzierungsanweisung geben. Ich glaube auch nicht, daß es realistisch wäre, ernsthaft zu überlegen, daß der Bund die notwendigen Finanzen für diese Ländermaterie bereitstellt.
Herr Kollege Schily.
Das materielle Strafrecht ist bekanntlich Ausdruck für die Rangfolge von Werten in der Gesellschaft. Deshalb hat die Sozialdemokratische Partei Deutschlands seit vielen Jahren vertreten, daß die Strafrahmen anders gefaßt werden müssen. Ich freue mich, daß die Bundesregierung mit ihren Vorschlägen jetzt auf diese Überlegungen eingeht. Das wird insbesondere meine Fraktionskolleginnen und -kollegen freuen, etwa meinen Frakti-
Otto Schily
onskollegen Hermann Bachmaier, die sehr viel Arbeit in diese Fragen investiert haben. Die Frage ist, Herr Minister, ob Sie in Ihren Fraktionen, die Ihre Regierung stützen, die notwendige Einhelligkeit erzielt haben, ob beispielsweise auch die CSU die Vorschläge, die Sie vorgetragen haben, stützt.
Herr Kollege Schily, wir werden morgen in der Kernzeit drei Gesetzentwürfe beraten: die zwei, die ich hier als Regierungsentwürfe vorgestellt habe und die parallel als Koalitionsentwürfe eingebracht werden, plus einen dritten, der, mit den Worten der Verfassung, allein „aus der Mitte des Bundestages", eingebracht worden ist. Da sind also die Koalitionsfraktionen Antragsteller. Sie wissen, daß dort nicht etwas in Gang gesetzt werden kann - im übrigen auch nicht wird, das sage ich ausdrücklich -, was nicht die Zustimmung beider Fraktionen, die diese Koalition bilden, gefunden hat.
Zusatzfrage.
Es ist ja die alte Übung in Regierungsbefragungen und Fragestunden, daß Antworten auf Fragen gegeben werden, die nicht gestellt worden sind.
Ich hatte gefragt, ob die von Ihnen soeben vorgetragenen Vorschläge die Unterstützung der CSU finden. Am besten könnten Sie mit Ja oder mit Nein antworten, wenn ich Ihnen den Vorschlag machen darf.
Ich werde trotzdem so antworten, wie ich es schon getan habe. Da die CSU Teil der einen Koalitionsfraktion ist und diese Fraktion geschlossen zugestimmt hat, ist es bei einem Koalitionsantrag selbstverständlich, daß die CDU/CSU-Fraktion mit vollem Konsens in die Arena geht.
Danke schön. Frau Kollegin Ursula Schmidt.
Herr Minister, ich komme noch einmal auf das Gesetz zur Bekämpfung von Sexualdelikten zurück. Sie haben eben mit Recht gesagt, daß der Strafrahmen und das materielle Strafrecht nur einen Bereich darstellen und nach unserer Auffassung der Bereich der Prävention im Grunde genommen als gleichwertiger Teil angesehen werden muß.
Inwieweit haben denn bei den Beratungen im Kabinett die Frage nach der Verankerung von Kinderrechten und die Frage, wie eine Gesellschaft mit ihren Kindern umgeht, eine Rolle gespielt? Dieser Bereich ist ja auch entscheidend für die Prävention.
Die zweite Frage ist: Inwieweit haben auch Beratungen über den Schutz der Opfer - das betrifft die Forderung, Eltern betroffener Kinder bei Fremdtätern einen Opferanwalt zuzubilligen und ihre Position zu stärken - eine Rolle gespielt und Einzug in die Gesetzentwürfe gefunden?
Herr Minister.
Die beiden jetzt hier vorzustellenden Gesetzentwürfe, die die Bundesregierung gestern verabschiedet hat und die als Regierungsentwürfe eingebracht werden, sind Teil - ich habe es schon angedeutet - eines Dreierpaketes. Der dritte Entwurf wird Ihnen morgen in der ersten Lesung - dann aus der Mitte des Hauses, weil Eile geboten ist - vorgelegt. Er beinhaltet das Zeugenschutzprogramm. Dort wird speziell für Kinderopferzeugen ein Opferanwalt vorgesehen.
Wir haben so etwas - ich will das nur ganz zart andeuten - schon einmal vorgeschlagen. Das ist dann aber von den Bundesländern aus Gründen, die man sich ohne weiteres vergegenwärtigen kann, wieder herausgestrichen worden. Ich bin nicht sicher, ob das nicht auch bei dem Gesetz zum Opferschutz, das eigentlich noch gar nicht Gegenstand der heutigen Befragung sein darf, weil es erst morgen ins Plenum eingebracht wird, versucht wird. Dort sind diese Anwälte und Beistände vorgesehen.
Ich nehme aber, Frau Präsidentin, wenn Sie gestatten, diese Frage gern zum Anlaß, darauf hinzuweisen, daß Klammer für diese Zwei-plus-eins-Gesetze, die jetzt als Block in die Beratungen kommen, der Schutz von Kindern, die Stärkung der Kinderrechte und die Ernstnahme von Schutzbedürftigkeit der Kinder auf vielen Feldern sind. Ich nehme das für mich persönlich und für das Justizministerium bewußt, gerne und aus vollster Überzeugung in Anspruch: In diesen Zusammenhang gehört auch unsere Initiative zur Kindschaftsrechtsreform, die auch aus einem Fächer unterschiedlicher Einzelteile zusammengesetzt ist. Dazu gehört zum Beispiel auch das Minderjährigenhaftungsbegrenzungsgesetz.
Es gibt eine ganze Reihe von Gesetzentwürfen, die sich schon in der parlamentarischen Beratung befinden oder jetzt dorthin kommen und sich um die Thematik „Schutz von Kindern und Stärkung der Kinderrechte" drehen. Auch das Punkteprogramm Ihrer Fraktion zielt ja auf einen umfassenderen Ansatz. Wir haben das jetzt schon an verschiedenen Stellen in konkrete Gesetzentwürfe umgesetzt.
Herr Kollege Geis, ich bitte um Verständnis, daß ich Ihre Frage erst im nachhinein aufrufe. Wir haben jetzt fünf vor halb, und die freien Fragen sind noch nicht zum Zuge gekommen. Bitte warten Sie einen Augenblick; ich nehme jetzt erst die freien Fragen.
Herr Reschke.
Frau Präsidentin! Wir waren sicherlich alle über den Auftrag des Bundeskanzlers in der vergangenen Woche überrascht, zu prüfen, den Standort der Deutschen Welle mittel- oder langfristig zu verlegen.
Ich habe die herzliche Bitte, daß die Regierung die Frage beantwortet, ob dies gestern, wie es am 11. März im „General-Anzeiger" gestanden hat, Gegenstand der Kabinettsberatung gewesen ist, ob man also einen Bericht darüber gegeben hat und was vorgetragen wurde. Welche Alternativplanungen gibt es? Welche Strategie und welchen Weg verfolgen diese Alternativplanungen?
Insbesondere interessiert mich natürlich: Wie ist diese Untersuchung einzuordnen vor dem Hintergrund des Kabinettbeschlusses, die Deutsche Welle in den Schürmann-Bau zu verlegen? Wenn das Kabinett gestern darüber beraten hat, wäre es doch sicherlich angebracht, hier ein paar deutliche Worte darüber zu sagen, welchen Weg die Untersuchung im Auftrag des Kanzlers nehmen soll.
Herr Minister Töpfer.
Frau Präsidentin! Lieber Herr Kollege Reschke, das Kabinett hat diese Frage gestern sehr kurz angesprochen. Ich habe das Kabinett davon unterrichtet, daß mir zwischenzeitlich auf offiziellem Wege vom Ministerpräsidenten des Freistaats Sachsen zwei Angebote für die Unterbringung der Deutschen Welle vorliegen, daß uns darüber hinaus eine ganze Reihe von zusätzlichen Angeboten aus Berlin und Leipzig erreicht haben, daß wir eine abschließende Wertung noch nicht vornehmen können, so daß wir in den kommenden Kabinettsitzungen weiter darüber zu berichten haben.
Zusatzfrage.
Herr Minister, nach zehn Jahren werden Alternativen zum jetzigen Gebäude der Deutschen Welle gesucht. Untersuchungen für Alternativen in Köln sind nicht vorgenommen worden, weil die Entscheidung getroffen wurde, die Deutsche Welle in den Schürmann-Bau zu verlegen. Schließt Ihre Untersuchung Alternativstandorte oder alternative Unterbringungsmöglichkeiten in Köln mit ein?
Ich möchte nur einmal nachfragen: Ist der Kabinettbeschluß damit teilweise aufgehoben, die Deutsche Welle nach Bonn in den Schürmann-Bau zu verlegen? Ist dies eine Teilaufweichung? Wie ist dies einzuordnen? Was soll der Zweck Ihrer Untersuchung sein?
Herr Kollege Reschke, der Beschluß des Bundeskabinetts vom Oktober 1995 ist nicht aufgehoben; er besteht weiterhin.
Sie wissen, daß sich die Zeitplanung für den Bau der Deutschen Welle auch vor dem Hintergrund eines Gutachtens des Rheinisch-Westfälischen TÜV Essen ergibt, der festgestellt hat, daß das gegenwärtige Sendegebäude der Deutschen Welle in Köln unter dem Gesichtspunkt des Asbests wie folgt zu bewerten ist - ich darf den Schluß dieses Gutachtens zitieren, Frau Präsidentin -:
Demnach hat sich aus den beauftragungsgemäß durchgeführten Untersuchungen die Erkenntnis ergeben, daß die dauerhafte Haltbarkeit und Wirksamkeit der getroffenen Interimsmaßnahme zumindestens für einen Zeitraum von zehn Jahren mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit angenommen werden kann.
Dies ist auch die Basis für den Zeitplan SchürmannBau. Darauf werden Sie sicherlich gleich in der Fragestunde zurückkommen.
Sie wissen auch, daß im Februar dieses Jahres das Bundesarbeitsgericht in Kassel ein Urteil gesprochen hat. Auf Grund dieser Tatsache ist es sicherlich sinnvoll und auch notwendig - ich darf auf eine Anzeige im „Kölner Stadtanzeiger" verweisen, in der ein Funkhaus gesucht wurde -, daß wir uns zumindest Alternativen vorlegen lassen und diese bearbeiten. Diesen Auftrag habe ich.
Frau Kollegin Matthäus-Maier.
Herr Töpfer, Ihnen ist sicher bekannt, daß dieser Auftrag des Kabinetts, sich nach einem alternativen Standort zu erkundigen, etwa Leipzig oder Dresden, zu erheblicher Verunsicherung in der Region Köln/Bonn/Rhein-Sieg geführt hat.
Deswegen muß ich noch einmal nachhaken: Warum ist dieser Auftrag überhaupt erteilt worden? Will man möglicherweise auf die Mitarbeiter der Deutschen Welle Druck ausüben, damit sie davon ablassen, zu meinen, sie könnten in den asbestverseuchten Räumen nicht arbeiten? Will man Druck auf Bonn und die Region ausüben? Will möglicherweise der Kanzler Druck auf Herrn Töpfer ausüben, damit es nun endlich mit dem Schürmann-Bau weitergeht? Oder wie ist das zu verstehen?
Es gibt, so wie ich es verstehe, überhaupt keinen Grund, statt nun endlich dafür zu sorgen, daß hier in der Region etwas Neues geschaffen wird, wo die Deutsche Welle einziehen kann, sie möglicherweise nach Dresden oder Leipzig zu verlegen.
Herr Minister.
Frau Kollegin Matthäus-Maier, es ist überhaupt nicht die Art der Bundesregierung, auf irgend jemanden Druck auszuüben.
Bundesminister Dr. Klaus Töpfer
Deswegen kann ich zu all Ihren Vorwürfen generell sagen: Es wird kein Druck ausgeübt.
Es ist aber ganz selbstverständlich - ich sage das noch einmal deutlich -, daß wir in Kenntnis dieses Urteils aus Kassel und auf Grund vielfältiger Diskussionen, die mit dem Bundesinnenminister und mit anderen geführt worden sind, die Notwendigkeit gesehen haben, diese Alternativen zumindest zu betrachten. Dies ist gemacht worden. Ich hoffe, daß wir vergleichsweise kurzfristig zu einer abschließenden Entscheidung kommen können, damit auch die von Ihnen sicherlich sehr zu Recht erwähnte Verunsicherung oder Besorgnis von Mitarbeitern in Köln endgültig beseitigt werden kann.
Die Entscheidungen sind außerordentlich sachgerecht und zeigen, daß wir für alle in Frage kommenden Möglichkeiten gerüstet sind. Wir sind darüber informiert, daß sich auch andere intensiv Gedanken darüber machen, wie man das Problem in Köln lösen kann.
Zusatzfrage? Ingrid Matthäus-Maier : Ja.
Übrigens, Beunruhigung gibt es ja nicht nur in Köln, sondern auch hier in der Region, weil der bisherige Beschluß des Kabinetts doch lautet, daß die Deutsche Welle als Ausgleich für die Region in den Schürmann-Bau einziehen soll.
Meine zweite Frage. Sie haben Ihr Gespräch mit dem Innenminister erwähnt. Können Sie sagen, was einerseits mit dem Bundesinnenminister und andererseits mit dem Intendanten der Deutschen Welle, Herrn Weirich, am 26. Februar dieses Jahres besprochen worden ist?
Aber selbstverständlich, Frau Kollegin Matthäus-Maier, kann ich Sie darüber unterrichten. Wenn eine Verunsicherung vorliegt - etwa über die Frage: Ist dieses Gebäude asbestbelastet, so daß unsere Gesundheit darunter leidet? -, ist es naheliegend, daß dies den Intendanten der Deutschen Welle und den für die Deutsche Welle zuständigen Kollegen Kanther sofort veranlaßt, gemeinsam mit dem Bauministerium zu erörtern, wie diese Situation zu bewerten ist.
Wir haben - ich habe es erwähnt - seit April letzten Jahres das Gutachten des TÜV Essen, das bis zum Februar dieses Jahres hinsichtlich seiner Wertung von niemandem in Frage gestellt worden ist. Wir sind davon ausgegangen und gehen weiterhin davon aus, daß eine Gesundheitsgefährdung nicht gegeben ist. Diese Einschätzung wird durch das Gutachten bis zum Jahre 2002 bestätigt.
Es ist aber dringend notwendig zu überlegen, ob man zum Beispiel durch eine erneute Beauftragung eines Gutachters möglicherweise in der Zwischenzeit hinzugekommene Informationen neu werten läßt und ob man zusätzliche Interimsmaßnahmen durchführen muß. Dieses ist erörtert worden bis hin zu der
Frage, ob das nicht durch eine entsprechende Mitteilung des Bauministeriums an den Regierungspräsidenten in Köln noch einmal unterstrichen werden kann.
Das ist der Gegenstand des Gespräches gewesen, an dem ich allerdings persönlich nicht teilgenommen habe.
Kollege Oesinghaus.
Herr Minister, können Sie sich vorstellen, daß Ihre jetzt gemachten Äußerungen von den Betroffenen - ich formuliere vorsichtig - zumindest als zynisch empfunden werden können, weil der Intendant seit 1990 Alternativplanungen verlangt hat? Seit 1990 gibt es eine Reihe von Angeboten aus der Region, insbesondere aus Köln, die nie ernsthaft geprüft worden sind. In diesem Augenblick wird hier von Ihnen dargestellt, daß nun zügig, sorgfältig und sachlich gehandelt werden soll.
Ich frage Sie: Wäre es nicht im Interesse des Gesundheitsschutzes der Betroffenen richtiger gewesen, die Alternativplanungen von 1990 zu einem konkreten Abschluß zu führen? Wir hätten dann die heutige Situation nicht.
Eine weitere Frage drängt sich natürlich auf. Meine Kollegin hat schon den Kabinettsbeschluß angesprochen; in diesem Zusammenhang gibt es auch ein Schreiben des Bundeskanzlers an mich. Vor dem Hintergrund der Kritik, daß eine Situation eingetreten ist, bei der innerhalb der Region Arbeitsplätze verschoben werden, wurde uns damals geantwortet: Die Region wird nicht geschwächt; es werden keine Arbeitsplätze in der Region wegfallen. Jetzt müssen wir erfahren, daß Leipzig und andere Standorte in die Diskussion gekommen sind. Vor dem Hintergrund des Bonn/Berlin-Beschlusses frage ich Sie: Können Sie das wirklich den Betroffenen noch zumuten?
Das waren zwei Fragen.
Herr Kollege Oesinghaus, zunächst einmal kann ich Ihnen absolut nicht zustimmen, wenn Sie sagen, daß ich hier irgendeine zynische Aussage gemacht haben soll. Das Gegenteil ist der Fall. Sie wissen, daß wir seit 1989/ 90 dieses Problem nicht nur festgestellt haben, sondern daß man auch unter intensiver und konstruktiver Mitwirkung des Betriebsrats Maßnahmen ergriffen hat, die von Stellen, die einen eindeutigen wissenschaftlichen Ruf genießen, als hinreichend, sinnvoll und richtig gekennzeichnet worden sind. Es besteht eben keine gesundheitliche Gefährdung. Dieses ist auch von niemandem in Frage gestellt worden, wenn ich das richtig sehe.
Im Zusammenhang mit möglichen Asbestbelastungen sind laufend Messungen vorgenommen worden. Wenn Sie wollen, stelle ich Ihnen die Ergebnisse
Bundesminister Dr. Klaus Töpfer
selbstverständlich zur Verfügung, zu denen man in den letzten Jahren gekommen ist. Weil wir in dem vorgegebenen zeitlichen Rahmen mit dem Schürmann-Bau einen Anschluß finden mußten, ist richtigerweise ein zusätzliches Gutachten in Auftrag gegeben worden. Das geschah in Übereinstimmung mit allen Beteiligten. Es hat ein Ergebnis gebracht, das wiederum von keinem der Beteiligten bisher in Frage gestellt worden ist. Wenn Sie darin etwas Zynisches sehen, dann müssen Sie das mit sich selbst ausmachen; ich kann so etwas darin nicht sehen.
Zum zweiten kann ich sagen: Wir sind in der Tat der Meinung - deswegen der Kabinettsbeschluß vom Oktober 1995 -, daß die Deutsche Welle hier einen sehr guten Standort bekommt. Deswegen ist dieser Kabinettsbeschluß auch nicht verändert worden; ich habe das bereits erwähnt.
Danke.
Wir werden die für die Regierungsbefragung vorgesehene Zeit um fünf Minuten verlängern, damit wir die noch anstehenden freien Fragen behandeln können. Es kommen jetzt noch Herr Oesinghaus mit seiner Zusatzfrage, Herr Schily und Herr Geis. Weitere Wortmeldungen gibt es nicht.
Herr Minister, trifft es zu, daß in der vergangenen Woche erhöhte Asbestwerte in den Toiletten und auch in der Teeküche des Funkhauses gemessen worden sind? Welche Maßnahmen werden jetzt vor dem Hintergrund dieser bestürzenden Messungen ergriffen?
Herr Kollege Oesinghaus, wenn Sie sich etwas genauer mit diesen Messungen beschäftigen, dann wissen Sie, daß sie dadurch zustande gekommen sind, daß auch die abgehängte Decke entsprechend verändert worden ist.
Wir nehmen das natürlich außerordentlich ernst; ich will das gar nicht herunterspielen. Ich habe eben in der Antwort auf die Frage der Kollegin MatthäusMaier schon gesagt, daß wir bei entsprechendem Wunsch - nebenbei: Das ist auch den Beteiligten mitgeteilt worden -, von einem Gutachter eine ergänzende Untersuchung vornehmen lassen werden. Wenn sich aus diesem Gutachten etwas anderes als aus dem bereits vorliegenden Gutachten vom April 1996 ergibt - in ihm wurden keine wie auch immer gearteten zusätzlichen Maßnahmen für notwendig erachtet -, werden wir genauso darauf reagieren, wie es meine Vorgänger 1989/90 getan haben.
Herr Schily, Sie haben noch eine Zusatzfrage.
Herr Minister, haben Sie nicht den Eindruck, daß Sie durch die Einholung dieses Gutachtens die Entscheidungsabläufe endgültig chaotisieren, und müssen wir nicht inzwischen den Eindruck gewinnen, daß die Bundesregierung für den Schürmann-Bau eigentlich nur noch die Lösung sieht, diese Investitionsruine unter Denkmalschutz zu stellen?
Sehen Sie, Herr Kollege Schily - das mache ich Ihnen nicht zum Vorwurf -: Wenn Sie sich hiermit schon früher beschäftigt hätten, wären Sie zu diesem Ergebnis nicht gekommen. Denn das Gutachten, das ich erwähnt habe, haben wir nicht vorgelegt, um die Dinge zu chaotisieren, sondern um zur Beruhigung der Mitarbeiter, die besorgt sind, beizutragen. Das hat ja der Kollege Oesinghaus so nachdrücklich eingefordert.
Dieses Gutachten ist im April 1996 vorgelegt worden. Die Bundesregierung hat überhaupt keinen Anlaß, zu sagen, daß dies nicht gilt. Wenn es aber - das war die Frage - von den Beteiligten als erforderlich und wünschenswert angesehen wird, dies in einer zusätzlichen Stellungnahme noch einmal überprüfen zu lassen, sind wir bereit, dies zu tun. Wir halten es vor dem Hintergrund der Tatsache, daß der TÜV Essen ohne jeden Zweifel ein außerordentlich renommiertes Institut ist, nicht für notwendig. Es ist bestätigt worden, daß bis zum Jahre 2002 gesundheitliche Gefahren nicht gegeben sind.
Aber das Urteil von Kassel, das - wie Sie als herausragender Jurist sicherlich wissen - keine Tatsachenfeststellungen mehr zu berücksichtigen hatte, da es sich um die Revisionsinstanz handelte, ist in bezug auf das Gutachten zu einer anderen Wertung gekommen; das muß ich gegen mich gelten lassen. Deswegen haben wir dieses Angebot gemacht. Ich habe nicht den Eindruck gewonnen, daß diejenigen, denen dieses Angebot gemacht worden ist, es als eine Chaotisierung der Entscheidungsabläufe angesehen haben. Für eine „Unterschutzstellung" gibt es keine Veranlassung.
Herr Kollege Geis, Sie haben die nächste Frage.
Herr Minister SchmidtJortzig, ich habe zusätzlich zu der Frage von Frau Schmidt zum Opferanwalt auch von meiner Seite noch eine Frage. Ist es richtig, daß der Freistaat Bayern im letzten Jahr einen Gesetzentwurf für die Einführung eines Opferanwaltes eingebracht hat und daß dieser Gesetzentwurf im Dezember letzten Jahres mit der Mehrheit der Stimmen der Länder im Bundesrat abgelehnt worden ist?Stimmen Sie mir zu, daß die Koalitionsfraktionen und auch Ihr Haus bei der jetzt anstehenden Beratung zum Zeugenschutzgesetz, in welchem wir zumindest für den Schutz des Zeugen oder der Zeugin im konkreten Verfahren schon einen Opferanwalt vorsehen, über einen Opferanwalt diskutieren wollen, der für weitere Bedürfnisse des Opfers zuständig ist?
Metadaten/Kopzeile:
14580 Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 162. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. März 1997
Ich stimme Ihnen ausdrücklich zu und bestätige das. Ich habe es vorhin schon zart diplomatisch angedeutet. Sie haben das jetzt ganz deutlich gemacht. Ich bestätige Ihre Aussage.
Im übrigen darf ich auch sagen: Im Rahmen der Kindschaftsrechtsreform diskutieren wir über einen Anwalt des Kindes. Es könnte durchaus sein, daß die Länder auch dagegen stimmen wollen.
Eine Zusatzfrage, Herr Kollege Geis?
Es gibt keine weiteren Fragen im Haus. Dann beende ich damit die Befragung der Bundesregierung.
Ich rufe Tagesordnungspunkt 2 auf:
Fragestunde
- Drucksache 13/7148 -
Zunächst rufe ich Frage i des Abgeordneten Wolfgang Weiermann auf:
Ist die Bundesregierung bereit, die Europäische Union aufzufordern, mindestens so lange der Vertrag über die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl besteht, Verantwortung für die Montanindustrien und Montanregionen zu übernehmen und die Gemeinschaftsinitiativen „Resider" (Umstellung der Stahlgebiete) und „Rechar" (Umstellung der Kohlereviere) mindestens bis zum Jahr 2002 aufrechtzuerhalten?
Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Kolb zur Verfügung. Bitte schön.
Herr Präsident, ich beantworte die Frage des Kollegen Weiermann wie folgt: Im Rahmen der Neuregelung der europäischen Strukturfondsförderung strebt die Bundesregierung an, die wichtigsten Förderinhalte der Gemeinschaftsinitiativen in die Zielförderung zu integrieren, vor allem dort, wo zwischen den Gemeinschaftsinitiativen und der Zielförderung vielfältige geographische und auch inhaltliche Überschneidungen existieren. So überschneiden sich die Initiativen „Resider" und „Rechar" mit der Ziel-2-Förderung.
Im übrigen setzt sich die Bundesregierung bei der Diskussion um die Reform der Strukturfonds unter anderem dafür ein, daß der Gestaltungsspielraum für die Regionen und die Mitgliedstaaten erweitert wird. Das gilt insbesondere für die Festlegung der Förderschwerpunkte und Fördergebiete.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, darf ich aus Ihrer Antwort ableiten, daß sich sowohl bei der Höhe der Mittel als auch bei dem Grundsatz der Programmfolge keine Veränderungen negativer Art ergeben?
Herr Kollege Weiermann, wir diskutieren derzeit innerhalb der Europäischen Union die Konzepte, das heißt, die grundsätzliche Frage, in welcher Weise in Zukunft die Inhalte der Gemeinschaftsinitiativen integriert werden können. Es ist vorgesehen, in einem zweiten Schritt auch finanzielle Aspekte zu diskutieren. Aus heutiger Sicht, am heutigen Tage kann ich Ihre Frage insofern noch nicht abschließend beantworten.
Zweite Zusatzfrage.
Ich darf Sie fragen: Ist gegenwärtig, also bis zum heutigen Tag, bis zur heutigen Stunde noch keine Veränderung in bezug auf die erste Frage, die ich gestellt habe, eingetreten?
Ich sagte das: Es sind noch keine Festlegungen hinsichtlich möglicher Veränderungen beschlossen, weder in der einen noch in der anderen Weise. Es ist noch unklar, in welcher Höhe Finanzmittel im Rahmen der Zielförderung möglicherweise zusätzlich als Ausgleich für das eventuelle Auslaufen von Gemeinschaftsinitiativen zur Verfügung stehen werden.
Dann rufe ich die zweite Frage des Abgeordneten Weiermann auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß die EU-Kommission entgegen den Vereinbarungen im EGKS-Vertrag eine schrittweise Rückführung der Montanumlage beschlossen hat, und ist die Bundesregierung nicht auch der Überzeugung, daß der EGKS-Vertrag im Interesse der Planungssicherheit für die Montanindustrie und insbesondere der sozialpolitischen Flankierung der zu erwartenden Anpassungsprozesse zumindest bis zum Ende der vertragsgemäßen Laufzeit als selbständiges Rechtsinstrument bewahrt und funktionsfähig erhalten werden muß?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Kollege Weiermann, die Europäische Kommission, die nach dem EGKS-Vertrag allein für die Festlegung der Umlage verantwortlich ist, hat in ihrer Mitteilung „Zukunft des EGKS- Vertrags - Finanztätigkeiten" vom 18. November 1992 und auch im Arbeitspapier vom 20. Oktober 1993 den Rat davon unterrichtet, daß sie die von der Industrie aufzubringende Umlage schrittweise reduzieren und mit dem Jahr 1998 auslaufen lassen werde.
Der Rat hat die Kommission darin bestärkt, zuletzt in seinen Schlußfolgerungen vom 22. April 1994. Die Bewahrung des EGKS-Vertrages als selbständiges Rechtsinstrument bis zu seinem vertragsgemäßen Ende im Jahr 2002 wird davon nicht berührt, auch nicht die Funktionsfähigkeit der EGKS für diejenigen Finanztätigkeiten, die bis zum Vertragsende fortgeführt werden sollen. Das gilt vor allem auch für die sozialpolitische Flankierung von Anpassungsprozessen, das heißt, Beihilfen für ausscheidende Montan
Parl. Staatssekretär Dr. Heinrich L. Kolb
arbeitnehmer gemäß Art. 56 § 2 b des EGKS-Vertrags, wofür in der Reserve auch noch ausreichende Mittel zur Verfügung stehen.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, Sie wissen, daß gegenwärtig das Montanvermögen, aus Umlagebeiträgen gespeist, bei rund 1,5 Milliarden DM liegt. Ich begrüße Ihre Aussage, daß weiterhin hieraus Gelder für sozialflankierende Maßnahmen, insbesondere bei den Anpassungsprozessen, die wir noch nicht hinter uns haben und die fortgeführt werden müssen, zur Verfügung stehen. Ich frage Sie: Können Sie sich vorstellen, daß es nicht notwendig sein wird, dieses Instrumentarium der Flankierung und damit auch der Beitragszahlung bis zum Jahre 2002 aufrechtzuerhalten?
Herr Kollege Weiermann, die Zahl von 1,5 Milliarden DM entnehme ich unter anderem Ihrem Antrag, den Sie im letzten Jahr im Wirtschaftsausschuß des Deutschen Bundestages zur Beratung vorgelegt haben. Daraus wird deutlich, daß dieses Montanvermögen ein beachtliches Mittelvolumen bereitstellt, das auch weiterhin bis zum Auslaufen des EGKS-Vertrages für eine sozialpolitische Flankierung im Rahmen der bisherigen Gepflogenheiten zur Verfügung stehen wird.
Zweite Zusatzfrage.
Kann ich das so auffassen, daß sich die Bundesregierung dafür einsetzen wird?
Es gibt überhaupt keinen Anlaß, davon auszugehen, daß dies anders gehandhabt werden könnte. Eine andere Frage ist, was nach dem Jahr 2002 mit dem EGKS-Vermögen möglicherweise geschehen soll. Sie wissen, es gibt hier unterschiedliche Überlegungen, das heißt, auch über das Jahr 2002 hinaus möglicherweise sozialpolitische Flankierungen vorzunehmen oder dieses in einen Forschungsfonds einfließen zu lassen. Diese Überlegungen werden von verschiedener Seite - es sind nicht die Überlegungen der Bundesregierung - vorgetragen. Wir werden das zum gegebenen Zeitpunkt zu beraten und zu entscheiden haben. Bis zum Jahr 2002 gilt das von mir hier Gesagte.
Keine weiteren Fragen. Dann können wir diesen Geschäftsbereich verlassen. Vielen Dank, Herr Staatssekretär.
Dann rufe ich den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung auf. Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Kraus zur Verfügung. Ich rufe die Frage 3 des Abgeordneten Kurt Palis auf:
Sind der Bundesregierung Empfehlungen der Pflegekassen für eine bundeseinheitliche Standardpflegesatzvereinbarung für die stationäre Pflege bekannt, und wenn ja, wie bewertet sie diese in Hinsicht auf die Auswirkungen auf Betreuung und Pflege der alten Menschen in Altenpflegeeinrichtungen und auf den Bestand dieser Einrichtungen?
Ich darf die Frage wie folgt beantworten: Zum Einstieg in die Vergütungsverhandlungen nach dem Elften Buch Sozialgesetzbuch haben die Spitzenverbände der Pflegekassen und die Bundesarbeitsgemeinschaft der überörtlichen Träger der Sozialhilfe als eine Empfehlung ein gemeinsames „Standard-Pflegesatz-Modell" entwickelt. Dieses Modell ist der Bundesregierung bekannt. Dabei handelt es sich um ein reines Verhandlungspapier der Kostenträgerseite zur Vorbereitung auf die Pflegesatzverhandlungen und nicht um von der Kostenträgerseite einseitig durchzusetzende und schon gar nicht bundesweit einheitliche Vorgaben zur Bestimmung der Heimentgelte.
Nach dem SGB XI haben die Pflegeheime einen gesetzlich abgesicherten Anspruch darauf, daß Heimentgelte im Wege von Verhandlungen vereinbart werden. Diese Entgelte müssen leistungsgerecht sein, dem tatsächlichen Versorgungsaufwand entsprechen und den Heimen erlauben, bei wirtschaftlicher Betriebsführung ihren Versorgungsauftrag zu erfüllen. Vor diesem Hintergrund kommt es entscheidend auf das Ergebnis der Pflegesatzverhandlungen zwischen Einrichtungsträgern und Kostenträgern an.
Nach Erkenntnissen der Bundesregierung ist es unter Zugrundelegung des Standard-Pflegesatz-Modells in einigen Fällen bereits zu Vergütungsabschlüssen gekommen. Dies läßt darauf schließen, daß auch bei Anwendung dieses Vergütungssystems einvernehmliche Vergütungsvereinbarungen, bei denen es zu einem gerechten Interessenausgleich kommt, möglich sind.
Ihre Zusatzfrage, Herr Kollege.
Herr Staatssekretär, hält die Bundesregierung diese Form der bundeseinheitlichen Standardpflegesatzvereinbarung für besonders geeignet, einerseits den Wettbewerb unter den Pflegeeinrichtungen so zu stärken, wie das der Gesetzgeber bei der Verabschiedung des Pflege-Versicherungsgesetzes im Sinn hatte, andererseits aber auch die Qualität der Pflege nicht leiden zu lassen?
Ich frage das vor dem Hintergrund einer großen Besorgnis, die unter den leitenden Verantwortlichen der Pflegeeinrichtungen bereits entstanden ist.
Ich denke schon, daß es ein geeignetes Instrument ist, bei diesen erstmals zum 1. Januar kommenden Jahres in
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14582 Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 162. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. März 1997
Parl. Staatssekretär Rudolf KrausKraft tretenden Vereinbarungen eine gewisse Hilfestellung zu leisten. Wir halten es in der Tat absolut für richtig, daß sich die Selbstverwaltungen selbst mit dem Problem auseinandersetzen. Die Bundesregierung will bewußt keine eigene Vorgabe machen.
Ihre zweite Zusatzfrage.
Danke, ich habe keine.
Ich rufe die Frage 4 des Abgeordneten Palis auf:
Welche Möglichkeiten der Einflußnahme bestehen in der Frage des Abschlusses von bundeseinheitlichen Standardpflegesätzen für die stationäre Pflege seitens des Bundesgesetzgebers?
Nach der jetzigen Rechtslage richten sich die Heimentgelte in vollstationären Pflegeeinrichtungen nach der Übergangsregelung des Art. 49a Pflege-Versicherungsgesetz, durch die die Heimentgelte gesetzlich festgelegt wurden. Die Übergangsregelung kommt bis zur Ablösung durch vertragliche Vergütungsvereinbarungen zur Anwendung, längstens bis zum 31. Dezember dieses Jahres.
Spätestens mit Ablauf der Übergangsregelung sind die Vergütungen für Pflegeleistungen sowie die Entgelte für Unterkunft und Verpflegung nach den vertrags- und vergütungsrechtlichen Vorgaben des SGB XI zwischen den Einrichtungsträgern und den Kostenträgern zu vereinbaren.
Der Gesetzgeber hat der Selbstverwaltung ausdrücklich das Mandat erteilt, die Vergütungen und Entgelte im Wege von Verhandlungen zu vereinbaren. Dabei müssen die vereinbarten Entgelte - ich habe das bereits ausgeführt - leistungsgerecht sein, dem tatsächlichen Versorgungsaufwand entsprechen und den Heimen erlauben, bei wirtschaftlicher Betriebsführung ihren Versorgungsauftrag zu erfüllen. Vor diesem Hintergrund besteht aus Sicht der Bundesregierung derzeit überhaupt kein gesetzgeberischer Handlungsbedarf.
Ihre erste Zusatzfrage.
Herzlichen Dank, ich habe keine Zusatzfrage.
Vielen Dank, dann können wir diesen Geschäftsbereich verlassen. Vielen Dank, Herr Staatssekretär.
Wir kommen jetzt zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung. Zur Beantwortung der Fragen steht der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Klaus Rose zur Verfügung.
Die Fragen 5 und 6 des Abgeordneten Barthel werden schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich rufe die Frage 7 des Abgeordneten Gernot Erler auf:
Welche Ausrüstungsgegenstände hat die Armee Albaniens seit 1990 bis heute aus der Bundesrepublik Deutschland erhalten, und welche Unterstützungsmaßnahmen durch gemeinsame Übungen, Ausbildung oder sonstige Hilfsmaßnahmen sind seitens der Bundeswehr und der Bundesregierung zugunsten der albanischen Streitkräfte bisher gewährt worden?
Bitte schön.
Das Bundesministerium der Verteidigung beteiligt sich im Rahmen des Ihnen, Herr Kollege Erler, wohlbekannten Gesamtkonzepts der Bundesregierung am Aufbau von Demokratie und sozialer Marktwirtschaft in den Staaten Mittel- und Osteuropas und den neuen unabhängigen Staaten.
Auf der Grundlage der im November 1995 mit der albanischen Seite geschlossenen bilateralen Vereinbarung über die Zusammenarbeit im militärischen Bereich wurden bisher 33 Fach- und Expertengespräche durchgeführt. Diese behandelten unter anderem Fragen des Wehrrechts und der Wehrverwaltung, der Einbindung von Streitkräften in die Demokratie, des Sanitätsdienstes und der Ausbildung.
Den albanischen Streitkräften wurden von der Bundeswehr 29 Radfahrzeuge für den Personentransport, vier Feldküchen sowie Bekleidung und persönliche Ausrüstung zur Verfügung gestellt. Mit Billigung des Bundessicherheitsrats wurden 1995 insgesamt 20 Triebwerke für MiG 21 abgegeben.
Der Schwerpunkt der Zusammenarbeit mit Albanien lag bei der Unterstützung der Offiziersausbildung durch den Aufbau der Militärakademie Skenderbej und des Militärhospitals in Tirana. Die albanischen Streitkräfte haben dabei von der Bundeswehr zirka 40 Tonnen Sanitätsmaterial, einen Krankenkraftwagen und Unterkunfts- und Liegenschaftsmaterial für die Militärakademie Skenderbej erhalten. Der Aufbau dieser Militärakademie wird seit Mai 1995 durch den Einsatz eines Verbindungsoffiziers in Albanien unterstützt. Der seit November 1996 in Albanien eingesetzte Verbindungsoffizier hält sich seit dem 6. März 1997 in Deutschland auf.
Ein weiterer Offizier war vom 5. Oktober 1996 bis zum 28. Februar 1997 als Berater im albanischen Verteidigungsministerium eingesetzt. Sein Auftrag war die Beratung in Fragen der Gliederung des albanischen Verteidigungsministeriums und der Streitkräfte. Auch dieser Offizier befindet sich in der Bundesrepublik Deutschland.
Am 9. September 1996 wurde ein albanischer Sicherungszug in das deutsche Kontingent der Implementation Force eingegliedert und zur Sicherung des zentralen Munitionslagers in Zadar eingesetzt. Dieser Sicherungszug wurde am 2. Februar 1997 aus dem Sicherungsauftrag in Zadar herausgelöst, nach Rajlovac verlegt und in das deutsche Kontingent der Stabilization Force eingegliedert. Die Soldaten des albanischen Sicherungszuges wurden vor ihrem Einsatz in Deutschland ausgebildet. Ein zweites albani-
Parl. Staatssekretär Dr. Klaus Rose
sches Kontingent mit 34 Soldaten wird zur Zeit in Deutschland ausgebildet.
Neben dem Sicherungszug haben seit 1992 bis heute weitere 27 Angehörige der albanischen Streitkräfte eine Ausbildung in der Bundesrepublik Deutschland im Rahmen der militärischen Ausbildungshilfe an Ausbildungseinrichtungen und in Truppenteilen der Bundeswehr abgeschlossen.
1996 wurde mit den albanischen Streitkräften eine gemeinsame Übung im Geiste von Partnership for Peace durchgeführt.
Herr Kollege Erler, ich habe einem lieben Kollegen des Verteidigungsausschusses möglichst umfangreich geantwortet. Ich hoffe, es war gut genug.
Das wird sich jetzt herausstellen. Herr Kollege Erler, Sie haben Ihre erste Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, ich bedanke mich in der Tat für die ausführlichen Angaben, aus denen hervorgeht, daß sich die Bundesregierung wie keine andere europäische Regierung bemüht hat, den albanischen Streitkräften bei ihrem Aufbau sowohl mit Material und Ausrüstungsgegenständen als auch vor allem durch Beteiligung an Ausbildungsmaßnahmen und Übungen zu helfen.
In diesem Zusammenhang möchte ich Sie fragen: Sind der Bundesregierung Informationen darüber bekannt, daß im Zuge der Aufstandsbewegung im Süden Albaniens, bei der gestern eine größere Anzahl von MiG-21-Kampfflugzeugen in die Hände der Aufständischen gefallen sind, auch deutsche Ausrüstungsgegenstände betroffen sind, und sieht die Bundesregierung hier einen Handlungsbedarf?
Es ist bekannt, daß diese MiG in die Hände der Rebellen gefallen sind. Es ist aber auch bekannt, daß die militärische Stärke der Rebellen nicht so ist, daß sie eine ernste Gefahr darstellen. Zumindest momentan zeichnet sich das noch nicht ab; das ist alles noch etwas diffus und zergliedert.
Daß speziell bei den MiG Triebwerke dabei sind, die auf Grund des Bundessicherheitsratsbeschlusses aus deutschen Beständen geliefert wurden, kann sein. Das ist mir noch nicht bekannt. Einen Handlungsbedarf in anderer Richtung kann ich nicht sehen; denn bei unserer Hilfe handelt es sich in erster Linie um Ausbildung und natürlich auch um Geräte, die ich vorhin erwähnt habe. Die Hilfe bezieht sich auf rein friedliche Zusammenhänge, auf Truppenküchen und ähnliches.
Zweite Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, angesichts des großen Engagements der Bundesregierung bei der Ausbildung albanischer Streitkräfte und Offiziere sowie angesichts der Nachrichten, die wir über Insubordination von Teilen dieser Streitkräfte, ja sogar von Überläufern von diesen zu den Aufständischen bekommen haben, wie beurteilt die Bundesregierung unter diesen Gesichtspunkten die bisherigen Ausbildungs- und Übungshilfen, und sehen Sie den Zeitpunkt dafür gekommen, Bilanz zu ziehen oder die bisherigen Maßnahmen vielleicht zu modifizieren?
Hilfe zur Ausbildung ist mit Sicherheit richtig - ich glaube, das ist weitgehend auch von diesem Parlament getragen worden -, auch bei anderen mittel- und osteuropäischen Ländern. Ohne diese deutsche Hilfe zur Ausbildung wäre möglicherweise noch eine ganz andere Konsequenz zu verzeichnen.
Da die albanischen Streitkräfte zwar nicht allzu groß sind, aber eine Größenordnung von mehreren zehntausend Soldaten umfassen, gehe ich davon aus, daß die wenigen Hilfsmaßnahmen, die die Deutschen geleistet haben, in den dortigen Streitkräften zwar noch nicht zu einem neuen Geist führen konnten, daß es aber dringend notwendig war, von der deutschen Seite aus mitzuhelfen, daß sich dieser neue Geist herausbilden könnte. Wenn sich das momentan anders darstellt, ist das sehr bedauerlich. Wir sollten uns aber nicht zurückziehen, sondern die Chancen nutzen, die wir haben.
Hierzu gibt es keine weiteren Fragen. Dann ist auch dieser Geschäftsbereich abgeschlossen. Vielen Dank, Herr Staatssekretär.
Dann rufe ich den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr auf. Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Johannes Nitsch zur Verfügung.
Ich rufe zunächst die Frage 8 des Abgeordneten Rolf Köhne auf:
Was hätte nach Einschätzung der Bundesregierung schlimmstenfalls passieren können, wenn bei dem Zugunglück in der Nacht zum 19. Februar 1997 im Frankfurter Südbahnhof statt des Containerzuges ein „Castor"-Transport beteiligt gewesen wäre?
Herr Präsident! Herr Abgeordneter, die Bundesregierung geht davon aus, daß mit der Umschreibung „Castor" ein Transportbehälter vom Typ B gemäß den Empfehlungen für die sichere Beförderung radioaktiver Stoffe der Internationalen Atomenergie-Organisation gemeint ist. Nach diesen Empfehlungen werden Typ-B-Behälter während einer halben Stunde einem idealisierten Feuer von 800 Grad Celsius, das an allen Seiten den Behälter gleichmäßig erwärmt, ausgesetzt.Diese idealisierten Prüfbedingungen hätten bei einem derart massiven Behälter - es handelt sich hierbei um eine Masse von etwa 120 Tonnen -, insbesondere hinsichtlich der vollständigen Flammeneinwirkung, nicht erreicht werden können. Außerdem
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14584 Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 162. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. März 1997
Parl. Staatssekretär Johannes Nitschverfügen diese Behälter über hochtemperaturbeständige Metalldichtungen und somit über hohe Sicherheitsreserven auch bei längeren Brandeinwirkungen.
Ihre erste Zusatzfrage, bitte.
Haben Sie Erkenntnisse über die Temperaturen, die bei dem Brand am Frankfurter Südbahnhof aufgetreten sind?
Ich sagte, daß die Prüfbedingungen idealisierte Bedingungen sind, die weit über die Möglichkeiten eines Brandes, wie er in Frankfurt entstanden ist, hinausgehen. Die Prüfbedingungen sind entschieden härter als die Einwirkungen, die dort auf Grund der Erwärmung, der Temperaturen möglich waren.
Ihre zweite Frage.
Sie haben meine Frage nicht korrekt beantwortet. Ich fragte, ob Sie Erkenntnisse über die aufgetretenen Temperaturen haben; ich habe nicht nach den Möglichkeiten gefragt.
Ich glaube, entscheidend sind die Prüfbedingungen, die einen solchen Fall, wie er in Frankfurt aufgetreten ist, mit umfassen. Diese Prüfbedingungen sind härter als die Einwirkungen in diesem Fall in Frankfurt.
Sie müssen sich einmal vorstellen: Sie haben eine Masse von 120 Tonnen zu erwärmen. Die Prüfbedingungen schreiben vor, daß 800 Grad Celsius allseitig um diesen Behälter existieren. In Frankfurt war ein offenes Feld, das heißt, die Temperatur hat nicht nur auf diesen Behälter eingewirkt. Die Prüfbedingungen sind also weit härter als die Einwirkungen in diesem Frankfurter Fall.
Dann rufe ich die Frage 9 des Abgeordneten Rolf Köhne auf:
Welche Schlußfolgerungen zieht die Bundesregierung aus dem Zugunglück bezüglich der „Castor" -Transporte?
Sehr geehrter Herr Abgeordneter, auf Grund der genannten IAEO-Empfehlungen ist die Beförderung radioaktiver Stoffe mit Typ-B-Behältern sicher. Weltweit hat es bei einem Transport dieser Stoffe noch keine Unfälle mit Todesfolge oder mit signifikanter Strahlenbelastung gegeben. Die Bundesregierung hält dieses Transportkonzept weiterhin für geeignet, um auch in Zukunft sichere Beförderungen durchführen zu können.
Ihre erste Zusatzfrage, bitte.
Ich habe keine weiteren Fragen mehr.
Es gibt keine weiteren Fragen.
Die Fragen 10 und 11 des Abgeordneten Schlee sowie die Fragen 12 und 13 des Abgeordneten Dr. Wolf werden schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Dann rufe ich die Frage 14 des Abgeordneten Wolfgang Behrendt auf:
Aus welchen von der Bundesregierung zu vertretenden Gründen haben sich die Bahnbauarbeiten in Berlin-Spandau im Bereich des ehemaligen Fernbahnhofes, die ursprünglich bis Februar 1994 abgeschlossen sein sollten, um Jahre verzögert?
Herr Abgeordneter, ein Termin Februar 1994 für den Abschluß der Bauarbeiten im Bereich des ehemaligen Fernbahnhofs Berlin Spandau ist der Bundesregierung nicht bekannt. Die Investitionen in diesem Bereich sind Bestandteil des Vorhabens „Berlin Staaken - Berlin Friedrichstraße" im Zuge der Hochgeschwindigkeitsverbindung Hannover-Berlin - also des Verkehrsprojektes Deutsche Einheit Nr. 4 - und des Vorhabens S-Bahn-Grunderneuerung „Westkreuz - Spandau", S-Bahn-Linie 5.
Für das erstgenannte Vorhaben, also das VDE-Vorhaben Nr. 4, Hochgeschwindigkeitsstrecke Hannover-Berlin, war bereits in der Vereinbarung zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der DDR vom 28. Juni 1990 eine Inbetriebnahme im Jahre 1997 vorgesehen. Die S-Bahn-Strecke insgesamt wird 1998/ 99 in Betrieb gehen.
Ihre erste Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, sind Ihnen Klagen beteiligter Firmen bekannt, wonach die Bauarbeiten auf Grund der schleppenden Zahlungsmoral der Deutschen Bahn oft monatelang ruhten, und teilt die Bundesregierung meine Auffassung, daß ein solches Verhalten gegenüber allen Beteiligten nicht zu verantworten ist?
Sie fragen nach der Zahlungsmoral der Deutschen Bahn AG. Klagen von Firmen in dieser Richtung sind der Bundesregierung nicht bekannt.
Eine zweite Zusatzfrage.
Danke.
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Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 162. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. März 1997 14585
Dann rufe ich Ihre Frage 15 auf:
Sieht die Bundesregierung aufgrund der durch die Bahnbauarbeiten verursachten jahrelangen Beeinträchtigungen gegenüber Anwohnern und Gewerbetreibenden eine Entschädigungspflicht, und gegen wen richtet sich diese ggf.?
Herr Staatssekretär.
Herr Abgeordneter, die Bundesregierung sieht auf Grund dieser Arbeiten zum Ausbau und zur Modernisierung der Schienenwege keine Entschädigungspflicht allem wegen der Beeinträchtigung durch Bauarbeiten.
Herr Kollege Behrendt, Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, sind Ihnen konkrete Fakten bekannt, die die Forderung der Anlieger und Gewerbetreibenden nach Zahlung von Entschädigungsleistungen stützen?
Es muß jetzt klar unterschieden werden. Das eine sind Entschädigungsansprüche, die wegen eintretender Beeinträchtigungen an Bauwerken, zum Beispiel wegen des Auftretens von Rissen, gestellt werden. Da gibt es in der Tat Hinweise und Forderungen. Ich möchte empfehlen - das ist ein Problem, das die Bundesregierung eigentlich gar nichts angeht -, daß gegenüber den bauausführenden Firmen Schadenersatzforderungen gestellt werden und notfalls ein gerichtliches Beweissicherungsverfahren eingeleitet wird. Aber, wie gesagt, das ist ein Problem, das die eventuell Geschädigten gegenüber den Bauausführenden zu regeln haben.
Noch eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, sind Ihnen Fälle bekannt, in denen die Bahn an Gewerbetreibende oder sonstige Anlieger auf Grund von Nachteilen, die diesen durch Bauarbeiten entstanden sind, Entschädigungszahlungen geleistet hat?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Mir ist im Moment kein einziger Fall bekannt.
Damit sind wir am Ende dieses Geschäftsbereichs. Vielen Dank, Herr Staatssekretär.
Wir möchten im Einverständnis mit allen Beteiligten jetzt den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau vorziehen, weil Herr Minister Töpfer einen Termin im Hause wahrnehmen muß. Bestehen dagegen Bedenken von irgendeiner Seite? - Das ist nicht der Fall.
Dann stehen Sie zur Beantwortung zur Verfügung, Herr Bundesminister.
Die Fragen 22 und 23 des Kollegen Conradi werden schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Dann rufe ich die Frage 24 des Kollegen Oesinghaus auf:
Welche Maßnahmen will die Bundesregierung ergreifen, um den Gesundheitsschutz der Mitarbeiter der Deutschen Welle und die Funktionsfähigkeit des Senders im Funkhaus in Köln nach der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in Kassel vom 19. Februar 1997 sicherzustellen, und ist in diesem Zusammenhang geplant, durch eine Verfügung des Bundesministeriums für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau feststellen zu lassen, daß das Gebäude in Köln als endgültig saniert zu betrachten ist bzw. die 1992 erfolgte Zwischensanierung bis 2002 als eine der endgültigen Sanierung gleichstehende Maßnahme betrachtet werden kann?
Bitte, Herr Bundesminister.
Herr Präsident! Herr Kollege Oesinghaus, Ihre Frage darf ich wie folgt beantworten: Die Deutsche Welle hat zwischen 1989 und 1991 sogenannte vorläufige Schutzmaßnahmen in Form einer zusätzlichen Deckenabdichtung in den belasteten Büros und Fluren der Hochhäuser durchführen lassen mit dem Ergebnis, daß in diesen Räumen seit Jahren keine weiteren Asbestfreisetzungen nachweisbar waren. Dieses Ergebnis wird vom TÜV Essen durch fortlaufende Messungen weiter überprüft. Die Haltbarkeit der Schutzmaßnahmen wird durch ein Gutachten des TÜV Essen vom 19. April 1996 bis mindestens 2002 bestätigt. - Ich hatte schon Gelegenheit, daraus zu zitieren. Ich darf darauf verweisen.
Bauordnungsrechtlich ist maßgebend, daß durch die baulichen und weiteren organisatorischen Maßnahmen der Deutschen Welle die Gefahr einer unkontrollierten Asbestfreisetzung in den Büroräumen und Fluren abgewehrt wurde und insoweit . den gesundheitlichen Anforderungen der Asbest-Richtlinien für einen Zeitraum von mehr als drei Jahren Rechnung getragen wurde.
Bereits im April 1996 hat das Bundesministerium für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau dem Intendanten der Deutschen Welle mitgeteilt, daß auf Grund der Erkenntnisse des erwähnten TÜV-Gutachtens davon ausgegangen werden kann, daß die getroffenen Abdichtungsmaßnahmen jedenfalls bis zum Jahre 2002 mit - wie gesagt wird - an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit als ausreichend angesehen werden können, um den erforderlichen Schutz der Gesundheit der Mitarbeiter in den dadurch geschützten Bereichen im Sinne der Bauordnung zu gewährleisten, solange die Deckenabdichtungen nicht geöffnet werden müssen. Ich darf darauf verweisen, daß nach § 3 der Bauordnung von Nordrhein-Westfalen die Anforderungen der „anerkannten Regeln der Technik" auch auf anderem Wege erfüllt werden können.
Um im Interesse des Gesundheitsschutzes der Bediensteten eine größere Sicherheit zu gewinnen, schlägt die Bundesregierung, wie ich gesagt habe,
Bundesminister Dr. Klaus Töpfer
der Deutschen Welle vor, die Gebäudeanlage insgesamt einer erneuten Bewertung durch einen Sachverständigen zu unterziehen und damit auch weitere Asbestbelastungen, wie sie - auch darüber haben wir gesprochen - kürzlich in einem als unbelastet geltenden Bereich auftraten, zu erkennen und für die Zukunft durch weitere geeignete Maßnahmen auszuschließen. Bei dieser Bewertung durch einen Sachverständigen ist auch die Dringlichkeitsstufe für die endgültige Asbestsanierung unter der Berücksichtigung des gegenwärtigen Zustandes des Gebäudes erneut festzulegen. Auf der Grundlage dieses Gutachtens werden weitere zum Schutz der Mitarbeiter erforderliche Maßnahmen festzulegen sein, wenn das vom Gutachter vorgeschlagen wird.
Herr Kollege Oesinghaus, Ihre Zusatzfrage, bitte.
Herr Minister, Ihre Ausführungen stehen aber im Widerspruch zu dem Urteil des Bundesarbeitsgerichtes in Kassel, das bestätigt hat, daß eine Gesundheitsgefährdung vorhanden ist. Das bedeutet doch, daß Sie nach meiner Frage, welche konkreten Maßnahmen Sie sich jetzt vorstellen, und vor dem Hintergrund, daß ab morgen alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Deutschen Welle theoretisch ihre Arbeit mit Berufung auf dieses Urteil niederlegen könnten, nun gefordert sind, zu sagen, was Sie morgen, übermorgen usw. zu tun gedenken.
Herr Kollege Oesinghaus, darf darauf aufmerksam machen, daß in den vergangenen Tagen sehr intensive Gespräche mit den Vertretern des Personals der Deutschen Welle geführt worden sind. Alles das, was ich Ihnen dargestellt habe, ist dort ebenfalls bekannt. Ich kann nur noch einmal darauf hinweisen, daß wir nach wie vor der - sicherlich sehr begründeten - Überzeugung sind, daß auf Grund dessen, was der TÜV Essen im April 1996 vorgelegt hat, gewährleistet ist, daß eine gesundheitliche Gefährdung nicht gegeben ist. Dennoch gilt das Angebot von vorhin - ich wiederhole mich -, eine weitere gutachterliche Stellungnahme einzuholen. Wir sind bereit, dem Regierungspräsidenten das so mitzuteilen.
Ihre zweite Zusatzfrage.
Ich verzichte.
Herr Kollege Reschke dann mit einer Zusatzfrage.
Herr Minister, man hat schon im Kabinett gesagt, Sie sollten sich beeilen und langsam zu Potte kommen, weil es für die Deutsche Welle und deren Verlegung Zeit wird. Was mich ein bißchen verunsichert, ist, daß - wenn ich die Unterlagen in der Kürze der Zeit, die mir zur Verfügung stand, richtig gelesen habe - das TÜV-Gutachten in der Zeit vom 9. bis 19. April 1996 erstellt worden ist.
Meine Fragen dazu: Ist dieses Gutachten auf einer breiten, sicheren Basis erstellt worden? In welchem Zusammenhang steht dieses Gutachten mit dem Urteil aus Kassel? Das Urteil stellt ja fest, daß die Mitarbeiter in einem baurechtlich nicht genehmigten Gebäude arbeiten.
Herr Kollege Reschke, ich habe bereits im Hinblick auf die Frage des Kollegen Schily erwähnt, daß die Revisionsinstanz keine neuen Tatsachen in die Überlegungen einzubeziehen hatte. Ich weise darauf hin, daß dem Obiter dictum des Gerichtsurteils zufolge auch neue Tatsachen keine zusätzliche Veränderung bewirkt hätten. Ich sage Ihnen noch einmal ganz deutlich unsere Position, die ich dem Kollegen Oesinghaus vorgetragen habe, nämlich daß wir mit Blick auf § 3 der Bauordnung NRW glauben, eine entsprechende Lösung gefunden zu haben. Eine Gefährdung für die Bediensteten der Deutschen Welle ist also nicht gegeben. Ich unterstreiche das noch einmal mit allem Nachdruck.
Wir sind aber, gerade weil es in den letzten Tagen auch mit Blick auf das Urteil aus Kassel eine neue Entwicklung gegeben hat, bereit, diese unsere Position - und bis zum 19. Februar ist das Gutachten des TÜV Essen auch nie in Frage gestellt worden - noch einmal zu überprüfen. Ich bin gerne bereit, Ihnen oder Ihrer Fraktion insgesamt das Gutachten des TÜV Essen, falls Sie es nicht vorliegen haben - was ich aber annehme -, zur Verfügung zu stellen. Ich weiß aber: Da gibt es bessere Briefträger.
Eine zweite Zusatzfrage des Kollegen Gilges.
Herr Minister, unabhängig von der Frage, ob eine Asbestbelastung besteht oder nicht, hat das Bundesarbeitsgericht den betroffenen Mitarbeitern des Unternehmens das Vorbehaltsrecht zugestanden, was besagt, daß jeder Arbeitnehmer mit der Begründung, daß im Gebäude eine gesundheitliche Gefährdung besteht, seinen Dienst bzw. seine Arbeit schlicht und einfach nicht aufnehmen muß.
Das führt logischerweise wiederum dazu, daß Sie die Frage beantworten müssen: Wie reagieren Sie, wenn die Beschäftigten vom Vorbehaltsrecht, das höchstrichterlich festgesetzt worden ist, Gebrauch machen?
Ihre Überlegungen gehen dahin, das Unternehmen Deutsche Welle - womöglich für eine Übergangszeit - nach Leipzig zu verlegen. Deshalb meine Frage: Wie reagieren Sie? Wenn Sie es nach Leipzig verlegen, tritt ja die Sozialplanpflichtigkeit ein. Bei 1 800 Beschäftigten kostet das - über den Daumen gepeilt - 100 bis 180 Millionen DM. Aus welchen Mitteln wollen Sie im Rahmen einer solchen Zwischenlösung diesen Sozialplan finanzieren?
Herr Kollege Gilges, zum ersten Teil Ihrer Frage: Weil diese Bewertung so betrachtet worden ist, bin ich vom Kabinett beauftragt worden, für den Standort des Unternehmens entsprechende - auch kurzfristig nutzbare - Alternativen in Leipzig und Berlin zu erarbeiten bzw. vorzulegen. Ich habe vorhin darauf hingewiesen, daß ich im Kabinett darüber in aller Kürze berichtet habe, daß uns einzelne, erste Angebote - einige davon offiziell, etwa vom Ministerpräsidenten des Freistaats Sachsen - vorgelegt worden sind, so daß wir - ich habe vorhin in der Befragung der Bundesregierung darauf hingewiesen - auch im Rahmen der Erarbeitung von Alternativen natürlich darauf reagieren sollten, daß die Beschäftigten die Aussage, es gebe keine gesundheitlichen Gefährdungen, nicht akzeptieren könnten.
Die Fragen, wie die damit verbundenen weiteren organisatorischen oder kostenmäßigen Probleme zu bewältigen sind, sind gegenwärtig sicherlich nicht abschließend geklärt. Wir müssen zunächst einmal klären, ob es solche Alternativen gibt und, wenn ja, ob sie kurzfristig und zu welchen Konditionen sie zu erhalten sind.
Dann rufe ich die Frage 25 des Kollegen Reschke auf:
Bis wann werden die ausgeschriebenen Sanierungsarbeiten am Schürmann-Bau bei geplantem Baubeginn im April 1997 vollständig abgeschlossen sein, und welche Weiterbaumaßnahmen können parallel zu den laufenden Sanierungsarbeiten durchgeführt werden?
Bitte, Herr Minister.
Herr Kollege Reschke, ich darf Ihre Frage wie folgt beantworten: Die voraussichtlich im April beginnenden Sanierungsmaßnahmen, nämlich die Neuordnung der Wasserhaltung, die Lagestabilisierung und die Instandsetzung der Untergeschosse, benötigen insgesamt etwa eine Bauzeit von 18 Monaten. Das heißt, sie können im Oktober 1998 abgeschlossen werden. Mit der Fertigstellung der Rohbauten der Obergeschosse, der Fassaden und Dächer soll im Rahmen des Weiterbaus parallel zu den dann noch andauernden Sanierungsmaßnahmen begonnen werden. Wir werden also eine Überlappung zwischen Sanierung und Weiterbau haben.
Erste Zusatzfrage.
Herr Minister, wenn die Bauarbeiten im April dieses Jahres beginnen und im Oktober, November oder Dezember 1998 abgeschlossen sein sollen, muß ja bekanntlich ein bauordnungsrechtliches Zustimmungsverfahren beim RP durchlaufen werden. Entgegen der falschen Mitteilung von Staatssekretär Günther, der vor 14 Tagen erklärt hatte, die Unterlagen seien bereits eingereicht worden, war nun Ende der vergangenen Woche - wieder einmal aus der Presse - zu erfahren, daß erst jetzt, also Ende vergangener Woche, die Unterlagen eingereicht worden sind. Sei's drum: Ich freue mich darüber, daß es vorangeht - das ist in diesen Fragestunden ständig unser Bemühen - und daß der Bauminister endlich seine Hausaufgaben erledigt hat.
Meine Frage also: Mit welcher Bearbeitungszeit rechnet der Bauminister, und welche Bearbeitungsfrist wurde Ihnen seitens des RP genannt, und welche Unterlagen wurden überhaupt eingereicht? Denn für den Weiterbau gibt es ja noch keine fertige Planung, die vom RP nach § 81 Baunutzungsverordnung NW genehmigt werden könnte.
Herr Kollege Reschke, Sie sind, wie immer, bestens unterrichtet. Es ist richtig, daß Ende letzter Woche bei dem Regierungspräsidenten diese Unterlagen - wie Sie wissen, brauchen wir keine Baugenehmigung, sondern eine Zustimmung - eingereicht worden sind.
- Ganz richtig.
Die damit verbundenen Vorarbeiten sind natürlich in unmittelbarem, intensivem Kontakt mit der Stadt Bonn durchgeführt worden. Dies geht bis zur Frage der Nutzungsänderung, wie Sie wissen. Daher sind alle Beteiligten, gerade die in Bonn, sowie auch der Brandschutzexperte richtigerweise schon seit längerer Zeit mit diesen Fragen beschäftigt.
Ich bin nicht aufgerufen, Prognosen über die Bearbeitungszeit beim Regierungspräsidenten in Köln abzugeben. Wir sind aber seitens der Mitarbeiter beim RP darüber unterrichtet, daß eine zügige Bearbeitung vorgenommen werden soll. Dies ist mir auch von der Stadt Bonn so mitgeteilt worden.
Die Tatsache, daß wir für den Weiterbau die Zustimmungsunterlagen noch nicht übersandt haben, ist zu bestätigen. Das ist auch gar nicht notwendig. Ich habe Ihnen gerade gesagt, daß wir zunächst einmal die Sanierungsmaßnahmen Wasserhaltung, Lagesicherung und Instandsetzung der Untergeschosse vorzunehmen haben. Dies kann jetzt geschehen. Die Ausschreibungen sind abgeschlossen. Die Vergabe kann jetzt erfolgen.
Ich sage noch einmal: Das, was wir an Preisen im Rahmen des Vergabeverfahrens genannt bekommen haben, liegt zum Teil spürbar unter dem, was kalkuliert wurde. Von daher gesehen können die Arbeiten vorangehen. Wir haben dem Regierungspräsidenten mitgeteilt - ich darf das, Herr Präsident, zitieren -:
... die aus den Anlagen erkennbaren Planungen der Lagesicherung und der Wasserhaltung beabsichtigen in Kürze zu vergeben. Sie dienen ausschließlich der Wiederherstellung der Standsicherheit und der Gefahrenabwehr. Ich gehe davon aus, daß der alsbaldigen Ausführung dieser Maßnahmen auch aus Ihrer Sicht nichts entgegensteht.
Bundesminister Dr. Klaus Töpfer
Dies ist der eine Teil: Lagesicherung und Wasserhaltung. Ich glaube, daß meine Mitarbeiter im Ministerium und bei der Bundesbaudirektion dieses außerordentlich sachkundig gemacht haben.
Noch eine Zusatzfrage.
Herr Minister, entgegen Ihrer Auffassung, die ich eben vernommen habe, sagen mir Experten von Baufirmen - man holt ja Rat ein; denn wir sind nicht in allem Experten -, daß vor Abschluß der Sanierungsarbeiten in den Untergeschossen mit dem Weiterbau, also dem Hochbau, nicht begonnen werden kann.
Sind Sie ganz sicher, daß vor Anfang 1999 der Weiterbau gestartet werden kann? Auf Grund welcher Kenntnis sagen Sie, daß wir Parallelarbeiten ausführen können, obwohl noch keine Weiterbaupläne vorliegen? Im Gegenteil! Ich habe noch nichts - obwohl Sie unterstellen, ich höre alles - von einem Raumbuch für die Deutsche Welle gehört - vielleicht Sie?
Wissen Sie, Herr Kollege Reschke, ich unterstelle Ihnen natürlich überhaupt nichts. Ich freue mich nur immer, daß Sie so gut informiert sind.
Das ist doch ein wechselseitiges, kollegiales Interesse. Es erspart uns an vielen Stellen weitere Diskussionen in den Fragestunden des Deutschen Bundestages. Von daher gesehen ist das weder kritisiert noch beklagt, sondern nur festgestellt. Ich kann Ihnen sagen, daß ich dieses den sachkundigen Wertungen der damit betrauten Mitarbeiter entnehme. Das Raumprogramm ist zwischen BMI, BMF und der Deutschen Welle abgeklärt, so daß wir hier keine ausstehenden Entscheidungsnotwendigkeiten haben.
Nebenbei kann ich darauf hinweisen, daß sich in der Zwischenzeit - ich habe das an anderer Stelle bereits mitgeteilt - das Raumprogramm vermindert hat, weil im Zusammenhang mit der digitalen Rundfunktechnik einige Einsparungen möglich waren.
Natürlich sind wir bis zuletzt bemüht, Herr Kollege Reschke, alle Möglichkeiten der Einsparung von Finanzmitteln bei der Weiterbaulösung zu nutzen. Deswegen haben wir in einer Arbeitsgruppe, in der alle Beteiligten vertreten sind, diese Möglichkeiten noch einmal bis ins Detail sehr intensiv durchgearbeitet. Wenn ich „wir" sage, meine ich Ministerium und BBD, nicht den Minister in Person - nicht, daß Sie das falsch verstehen.
Weitere Zusatzfrage, Herr Kollege Schily.
Herr Minister, bei den in Kürze beginnenden Sanierungsarbeiten ist sicherlich eine wichtige Frage, wie die Kosten dafür aufgebracht werden. Im September hat die Bundesregierung verlauten lassen, daß die 150 Millionen DM, die als Kosten geschätzt werden, den Haushalt nicht belasten werden, sondern daß Sie die im Rahmen einer Vermögensschadenklage aufbringen werden. Daher stellt sich die Frage: Wann werden Sie diese Klage einreichen? Trifft es zu, daß im Vorfeld einer solchen Klage über Vergleichsangebote diskutiert wird? Wenn über solche Vergleichsangebote diskutiert wird: auf welcher Grundlage und in welchen Größenordnungen?
Herr Kollege Schily, ich kann den Sachzusammenhang zu der gestellten Frage nicht erkennen. - Herr Minister, wenn Sie trotzdem antworten wollen, bitte schön.
Herr Präsident, ich bin gerne bereit, die Frage zu beantworten, obwohl ich Ihre Wertung voll teile.
Ich darf wie folgt antworten, Herr Kollege Schily: Wir haben mit dieser Klageschrift einen für die Bundesbaudirektion seit langer Zeit tätigen Rechtsanwalt beauftragt. Die Klageschrift wird gegen HBW und HBG erarbeitet. Gutachterlich geklärt ist inzwischen die Frage des Gerichtsstandes. Das ist eine Frage, die auch Kollege Niese mir gestellt hatte. Beide Gesellschaften, auch die niederländische Konzernmutter, können danach vor dem Landgericht Bonn verklagt werden. Dies ergibt sich auch aus einem Gutachtenentwurf, den ein renommierter Rechtsprofessor erstellt hat und der zum 10. März vorgelegt wurde.
Zur Klärung noch offener Fragen zum Grund des Anspruchs hat Anfang März, also vor wenigen Tagen, eine Besprechung auch mit den Privatgutachtern des Bundes stattgefunden. Der von uns beauftragte Rechtsanwalt hat zugesagt, den Klageentwurf bis zum 27. März 1997 der BBD und dem Ministerium vorzulegen. Der Entwurf wird dann im Bereich des Ministeriums und der BBD laufend abgestimmt und im Mai fertiggestellt.
Ich gehe davon aus, daß Ihre Fragen damit hinreichend beantwortet worden sind.
Weitere Zusatzfrage, Herr Kollege Gilges.
Entschuldigung, die außergerichtlichen Fragen hatte ich noch nicht aufgegriffen. Ich komme gleich darauf zurück.
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Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 162. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. März 1997 14589
Herr Minister, Ihr Staatssekretär Günther hat in der letzten Fragestunde zu diesem Thema auf eine Frage von mir geantwortet:
Den Zeitablaufplan bis zur Fertigstellung und die weiteren Details würde ich Ihnen gerne schriftlich zur Verfügung stellen.
Das hat er bis heute nicht gemacht - ich vermute, weil er nicht konnte; was bei der Bundesregierung ja des öfteren passiert: daß sie etwas verspricht und nicht einhalten kann.
Würden Sie bitte Ihre Frage stellen, Herr Kollege.
Das gehört in den Sachzusammenhang, Herr Vizepräsident.
Meine Frage geht dahin, ob Sie heute ganz präzise, wie das jeder Bauherr normalerweise kann, sagen können, für wann das Datum der Endabnahme des Schürmann-Baus festgelegt worden ist, wann also die Genehmigungsbehörde diesen Bau abnehmen will.
Herr Kollege Gilges, zunächst eine Vorbemerkung: Ich glaube, in der letzten Fragestunde, in der Kollege Günther hier geantwortet hat, ist abschließend von Herrn Kollegen Reschke deutlich gemacht worden, daß er keine schriftliche Beantwortung wünsche, sondern den Bundesminister heute hier sehen wolle. Sie sehen: Wie wir zugesagt haben, bin ich hier und beantworte Ihre Fragen. Wir haben uns bemüht, ein Schreiben von Ihnen, Herr Kollege Reschke, in der gleichen Weise zu beantworten. Also, Herr Kollege Gilges, wie immer hält die Bundesregierung wortgetreu das ein, was hier gesagt worden ist.
Bezüglich des zweiten Teilbereichs Ihrer Frage freue ich mich, daß ich damit wohl auch die Frage 26 des Kollegen Reschke aufgreifen darf, Herr Präsident. Denn exakt das ist es, was dort gefragt wird, wenn ich das richtig verstehe. Dort wird nämlich gefragt, zu welchem Zeitpunkt das gemacht wird. Ich will das also mit Ihrer Erlaubnis, Herr Präsident, direkt mit beantworten.
Nein, eine Sekunde, Herr Minister! Dann muß die Frage vom Kollegen Reschke vorgezogen werden. Sie haben, wenn ich Sie richtig verstehe, die Antwort auf die Frage des Kollegen Gilges dahin gehend gegeben, daß Sie auf den Zeitplan in Ihrer Antwort auf die Frage 26 eingehen wollen.
Ja.
Dann rufe ich zunächst die Zusatzfrage von Herrn Kollegen Oesinghaus auf. Bitte, Herr Oesinghaus.
Herr Minister, ich muß auch auf Grund der letzten Fragestunde noch einmal nachfragen. Im Zuge der Ausschreibung für die Sanierung ist vom Ministerium gegenüber der Schädigerfirma offensichtlich eine Verbindung mit einem außergerichtlichen Vergleich hergestellt worden, worauf schon vor 14 Tagen hingewiesen worden ist. Der Schuldfrage kommt in diesem Fall entscheidende Bedeutung zu.
Meine Frage lautet also: Steht der Bund weiterhin - öffentlich und intern - in jedem Fall auf dem Standpunkt, daß ihn an dem durch das Hochwasser eingetretenen Schaden am Schürmann-Bau keine Schuld treffe, und wenn ja: Wie ist das von Otto Reschke bereits vor 14 Tagen zitierte Schreiben des Leiters der Unterabteilung, Herrn Dr. Neusüß, vom 23. Dezember 1996 an die als Schädiger angesehene Baufirma HBW bezüglich der Bewerbung dieses Unternehmens um Teilnahme an der Ausschreibung für die Instandsetzungsarbeiten der Untergeschosse des Schürmann-Baus sowohl im Hinblick auf die Schuldfrage als auch wettbewerbsrechtlich einzuordnen? Ich habe schon darauf hingewiesen, daß Herr Staatssekretär Günther uns dazu keine Antwort geben wollte. Ich wäre sehr froh, wenn Sie das heute ausführlich beantworten könnten.
Herr Kollege Oesinghaus, die Frage 25 lautet wie folgt:
Bis wann werden die ausgeschriebenen Sanierungsarbeiten am Schürmann-Bau bei geplantem Baubeginn im April 1997 vollständig abgeschlossen sein, und welche Weiterbaumaßnahmen können parallel zu den laufenden Sanierungsarbeiten durchgeführt werden?
Ich sehe keinen Zusammenhang mit Ihrer Zusatzfrage und rufe darum nun die Frage des Kollegen Schmidt auf.
Bitte, Herr Kollege Schmidt.
Herr Minister, darf ich Ihre Antwort, die Sie auf die Frage des Kollegen Schily gegeben haben, im ersten Teil dahin gehend interpretieren, daß Ihr Haus nicht einmal die mindesten juristischen Grundregeln beherrscht, wenn Sie erst ein Gutachten erstellen lassen müssen, um den Gerichtsstand festzusetzen, an dem eine solche Klage verhandelt werden soll? Ist das nicht ein ganz normaler Vorgang, daß in Verträgen auch der Gerichtsstand miteinander vereinbart und festgelegt wird?
Zunächst einmal kann ich Ihre Befürchtungen nicht teilen, daß hier juristischer Sachverstand nicht in hohem Maße vertreten wäre. Das ist ganz ohne jeden Zweifel der Fall.
Bundesminister Dr. Klaus Töpfer
In einem solchen Zusammenhang - der Kollege Niese hat ja in seiner Frage sogar die Besorgnis geäußert, daß durch das Verlegen des Firmensitzes eine zusätzliche Schwierigkeit entstehen könnte - war es aber sicherlich ganz sinnvoll, diese Frage neben anderen noch einmal entsprechend abklären zu lassen.
Herr Kollege Schily bitte, Sie haben kein Fragerecht.
Herr Kollege Schily, Sie können das natürlich besser; ich mache immer eines nach dem anderen. Jetzt möchte ich erst einmal die Frage des Kollegen Schmidt beantworten.
Ich sage noch einmal: Aus den oben angeführten Gründen war es sicherlich sinnvoll, ein solches Gutachten zu vergeben, um dem von uns beauftragten, schon lange in dieser Sache tätigen Rechtsanwalt möglichst klare Grundlagen für sein Handeln zu geben.
Zu der zweiten Frage, Herr Kollege Schily, möchte ich den Ansatz aufgreifen, den ich eben noch nicht zu Ende gebracht habe. Ich bitte dafür um Entschuldigung. Es ist völlig richtig, daß wir im Lauf der weiteren Arbeiten am Bau und in der Ausschreibung auch von den schädigenden Firmen erneut eine Vorlage für eine außergerichtliche Vereinbarung bekommen haben. Diese haben wir natürlich zur Kenntnis genommen, uns erläutern und vortragen lassen. Auf dieser Grundlage ist auch eine entsprechende Kontaktaufnahme über meinen Unterabteilungsleiter - mit meiner vollen Kenntnis; nicht, daß das irgendwo falsch verstanden wird - mit der Firma zustande gekommen. Ich kann Ihnen dazu auch deutlich sagen, daß wir dieses, Herr Kollege Schily, noch einmal mit dem Bundesrechnungshof erörtert haben. Er hat unser Vorgehen inhaltlich voll gebilligt.
Eine Sekunde, Frau Kollegin Simm.
Wenn hier über Zusatzfragen Fragenkomplexe eingeführt werden, die in keinem Sachzusammenhang mit der ursprünglich gestellten Frage stehen, dann benachteiligen wir die Kollegen, die ihre Fragen ordnungsgemäß eingebracht haben und auf die Beantwortung warten. Darum werde ich nun auf den Sachzusammenhang achten.
Ich mache Sie, Frau Kollegin Simm, also auf die ursprünglich gestellte Frage 25 aufmerksam und frage Sie, ob Sie dazu eine Zusatzfrage stellen wollen.
Meine Frage bezieht sich auf die Erklärung, die der Minister hier abgegeben hat.
Es tut mir leid, ich möchte vorschlagen, dann eine neue Frage einzubringen.
Ich rufe nun die Frage 26 des Kollegen Reschke auf:
Wie viele Monate werden für die Weiterbaumaßnahmen bis zur Fertigstellung des Schürmann-Baus veranschlagt, und ab welchem Zeitpunkt, d. h. bei welchem Stand des Baufortschritts der Weiterbaumaßnahmen, ist die volle Funktionsfähigkeit der Deutschen Welle inklusive Sendebetrieb im Schürmann-Bau gewährleistet, wenn der Sender - wie von der Bundesregierung geplant und vor dem Haushaltsausschuß des Deutschen Bundestages im September 1996 von ihr so verkündet - im Bonner Schürmann-Bau mit digitaler Rundfunktechnik senden soll?
Herr Präsident, ich darf die Frage wie folgt beantworten: Nach den derzeitigen Planungen wird der Weiterbau bis spätestens 31. März 2001 abgeschlossen sein. Ab 1. Oktober 2000 kann mit dem Einbau der Rundfunkeinrichtungen mit Sicherheit begonnen werden. Die volle Funktionsfähigkeit wird voraussichtlich sechs Monate nach der bauseitigen Fertigstellung erreicht sein. Dies ist meine Antwort auch auf die Frage, die Herr Kollege Gilges zwischendurch gestellt hat.
Herr Kollege Reschke, Ihre erste Zusatzfrage.
Herr Präsident, gestatten Sie mir nur eine Bemerkung. Ich will auch nicht gerne an diese peinliche Fragestunde vor 14 Tagen erinnert werden.
Entschuldigen Sie bitte, wir wollen hier keine Debatte zur Geschäftsordnung führen. Bitte stellen Sie Ihre Zusatzfrage.
Herr Minister, wird parallel zu der in der vergangenen Woche vom Bundeskanzler in Auftrag gegebenen Prüfung, Alternativstandorte der Deutschen Welle zu suchen, auch eine Prüfung in Auftrag gegeben, um die Restnutzung des Schürmann-Baus im Raumbuch und in der Planung bestimmen zu können? Sie haben ja eben selbst gesagt, daß wir über 40 bis 50 Prozent freier Flächen im Schürmann-Bau verfügen, auch wenn die Deutsche Welle dort hineinzieht, weil bis dahin die Digitalisierung vollzogen ist. Der Anteil lag ja ursprünglich bei 20 bis 25 Prozent. Was geschieht eigentlich mit diesen Bereichen, und welche Auswirkungen hat das auf die Fertigstellung der Planungen durch den Architekten?
Herr Kollege Reschke, ein solcher ergänzender Auftrag ist mir nicht gegeben worden. Ich habe in der schon mehrmals zitierten Kabinettssitzung im Jahre 1995 den Auftrag erhalten - dieser ist 1996 vom Haushaltsausschuß des Deutschen Bundestages bestätigt worden -, dieses Gebäude für die Deutsche Welle herzurichten.
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Bundesminister Dr. Klaus TöpferIch gehe davon aus, daß die Planungen so wirtschaftlich wie möglich durchgeführt werden. Sollten sich Leerflächen ergeben, sind diese sicherlich für eine ergänzende Nutzung einzubeziehen. Gegenwärtig ist das nicht Gegenstand weiterer Erörterungen.
Ihre zweite Zusatzfrage.
Habe ich Sie dann richtig verstanden, Herr Minister, daß sich die Planungen, die der Architekt zur Zeit für den Weiterbau bzw. die Fertigstellung erstellt, auf einen Nutzungsbereich von 50 Prozent für die Deutsche Welle sowie auf unbekannte Bereiche für unbekannte Nutzer erstrekken?
Nein, das kann ich natürlich nicht bestätigen. Die Planungen des Architekten beziehen sich ausschließlich auf die Unterbringung der Deutschen Welle. Ich bin nebenbei, das aufgreifend, was Sie mit Blick auf die letzte Frage gesagt haben, dankbar dafür, daß in der Zwischenzeit eine grundsätzliche Einigung auch über den Architektenvertrag erzielt worden ist.
Herr Kollege Schily, Sie haben eine weitere Frage.
Herr Präsident, ich muß jetzt eine Vorbemerkung machen, um von Ihnen nicht wieder eine Rüge wegen des fehlenden Sachzusammenhangs zu erhalten.
Nach meiner Kenntnis ist es für die Frage, wie die Weiterbaumaßnahmen zeitlich vorankommen, sehr entscheidend, inwieweit die Kosten sichergestellt sind. Da gibt es einen unmittelbaren Zusammenhang. Auf der Grundlage dieses Sachzusammenhangs stelle ich die Frage, die natürlich auf die Antwort des Herrn Ministers zurückgeht und die sich natürlich auch darauf bezieht, ob man eine Klage rasch einreichen kann oder nicht, ob der Bundesregierung nicht die simple Erkenntnis bekannt ist, daß man alle Zweifelsfragen über den Gerichtsstand durch die schlichte Formel ausschließen kann, die auch der Auftraggeber, in diesem Fall der Bund, vorgeben kann - -
Herr Kollege Schily, es tut mir leid.
Nein, nein, lassen Sie mich mal - -
Die Frage nach dem Gerichtsstand hat mit der Ausgangsfrage nichts zu tun. Das tut mir wirklich leid.
Natürlich hat sie etwas damit zu tun, Herr Präsident. Sie hat etwas damit zu tun, wie schnell eine Klage eingereicht werden kann, wie schnell die Sicherstellung der Kosten erreicht werden kann. Sie hat auch etwas damit zu tun, wie schnell ein solches Bauvorhaben vorankommt.
Herr Kollege Schily, ich lasse Ihre Frage nicht zu. Ich stelle Ihnen anheim, die Handhabung der Geschäftsordnung im Ältestenrat nachprüfen zu lassen.
Gut, das werde ich tun.
Ich lasse Ihre Zusatzfrage nicht zu, weil sie keinen Sachzusammenhang hat.
Ich frage: Gibt es weitere Zusatzfragen zu Frage 26? - Das ist nicht der Fall.
Wir kommen zu den Fragen 29 und 30. - Die Kollegin Matthäus-Maier ist nicht im Saal. Es wird verfahren, wie in der Geschäftsordnung vorgesehen.
Vielen Dank, Herr Minister. Wir sind am Ende Ihres Geschäftsbereiches.
Ich rufe dann den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit auf. Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Ulrich Klinkert zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 16 der Abgeordneten Brunhilde Irber auf:
Entspricht die Aussage des Pressesprechers des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, die Studie der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe „Endlagerung stark wärmeentwickelnder radioaktiver Abfälle in tiefen geologischen Formationen Deutschlands" vom November 1994 habe „mit der Frage möglicher Zwischenlager-Standorte nichts zu tun" , der Auffassung der Bundesregierung?
Frau Kollegin Irber, die Studien der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe beschäftigen sich auftragsgemäß ausschließlich mit Standorten für die Endlagerung radioaktiver Abfälle. Dies hat der Sprecher des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit auch so zum Ausdruck gebracht.
Bitte, Ihre Zusatzfrage.
Ist es richtig, daß die Bundesrepublik Deutschland als mittlerweile einziges westliches Land weiterhin alternativlos auf eine Endlagerung atomarer Brennstäbe in Salzstöcken, also in Gorleben, setzt, obwohl Geowissenschaftler mehrheitlich vor einer Dauereinlagerung von Atommüll in Salzformationen auf Grund des hohen Reaktionspotentials von Salzlösungen warnen?
Ulrich Klinkert, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz und Reaktor-
P
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich möchte widersprechen, wenn Sie die Behauptung aufstellen, daß Geowissenschaftler mehrheitlich vor der Einlagerung radioaktiver Abfälle in Salz warnen. Es gibt gegensätzliche Aussagen. Es gibt auch Aussagen, andere geologische Formationen für die Einlagerung dieser Abfälle zu nutzen. Nach wie vor aber ist unser wissenschaftlicher Erkenntnisstand so, daß dem Salz als Endlager grundsätzlich eine größere Eignung eingeräumt wird.
Für die Bundesregierung besteht nach den bisher vorliegenden Untersuchungsergebnissen kein Anlaß, an der Eignung des Salzstockes Gorleben zu zweifeln.
Ihre zweite Zusatzfrage.
Beurteilt die Bundesregierung das Ausmaß des möglichen Protestpotentials aus der Bevölkerung vor Ort als einen mitentscheidenden Standortfaktor für die Realisierung eines atomaren End- und Zwischenlagers?
Nein.
Gibt es dazu weitere Zusatzfragen? - Bitte schön, Herr Kubatschka.
Herr Staatssekretär, bedeutet Ihre Antwort, daß die Kombination von Zwischen- und Endlager an einem Ort von der Bundesregierung abgelehnt wird?
Herr Kubatschka, weder die Ablehnung noch die Zustimmung treffen hundertprozentig zu. Es ist also durchaus möglich, daß Zwischen- und Endlager in räumlicher Nähe sind. Das ist aber nicht zwingend notwendig.
Herr Kollege, Ihre Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, trifft es zu, daß während der Erkundungsarbeiten im Salzstock Gorleben durch Laugeneinbrüche immer wieder Schwierigkeiten entstanden sind und daß damit zu rechnen ist, daß diese Schwierigkeiten auch für die nächste Zeit nicht völlig auszuschließen sind?
Wenn Sie sich im Bergbau auskennen würden, wüßten Sie, Herr Kollege, daß es völlig normal ist, daß es bei Bohrungen, die in das Salz niedergebracht werden, zu Laugenaustritten kommt. Diese Laugen sind Einschlüsse, die - erdgeschichtlich ausgedrückt - bei der Entstehung der Salzformationen entstanden sind. Diese Einschlüsse haben keinerlei Verbindung zu den übrigen geologischen Formationen. Sie werden angebohrt, treten aus und sind damit stillgesetzt.
Ich rufe die Frage 17 der Kollegin Irber auf:
Kann die Bundesregierung eine endgültige Aussage dahin gehend treffen, daß eine Zwischen- oder Endlagerung radioaktiver Abfälle in dem durch das oben genannte Gutachten als Ersatzstandort erkundeten Saldenburger Granit derzeit und für die Zukunft nicht vorgesehen ist?
In bezug auf die Endlagerung radioaktiver Abfälle ist festzustellen, daß es Ziel der BGR-Studie ist, Alternativen zum Standort Gorleben aufzuzeigen. Der Saldenburger Granit gehört zu den von der BGR als potentiell untersuchungswürdig aufgezeigten Standorträumen. Dazu hat Frau Bundesministerin Dr. Merkel in der Presseerklärung und Pressekonferenz anläßlich der Vorstellung der Studie bereits am 28. August 1995 dargestellt, daß entsprechend einer Empfehlung der BGR derzeit nicht vorgesehen ist, die Eignung anderer Standorte weiter zu untersuchen. Diese Aussage gilt unverändert.
Im Hinblick auf eine Zwischenlagerung sind der Bundesregierung keine Überlegungen bekannt, im Gebiet des Saldenburger Granits ein solches Lager zu errichten.
Ihre erste Zusatzfrage, Frau Kollegin.
Derzeit gibt es hierzu keine Erkenntnisse. Wann rechnen Sie mit Erkenntnissen?
Frau Kollegin, wir fahren in der Untersuchung des Salzstockes Gorleben fort. Es wird noch einige Jahre in Anspruch nehmen, bis eine endgültige Aussage über die Eignung dieses Salzstockes gegeben werden kann. Wir zweifeln aber in keiner Weise daran, daß der Salzstock geeignet ist. Es gibt aus den bisherigen Untersuchungen keine Ergebnisse, die einen solchen Zweifel nähren würden. Erst danach werden die anderen als geeignet erscheinenden Standorte einer näheren Betrachtung unterzogen.
Ihre zweite Zusatzfrage.
Mich würde noch interessieren, ob es zutrifft, daß sämtliche Erkundungen im Salzstock Gorleben seit dem Einbrechen eines Erkundungsschachtes am 12. Mai 1987 und dem Verschluß des Erkundungsbauwerks durch einen riesigen Betonpfropfen mit einem Durchmesser von 10 Metern ausgesetzt wurden.
Das ist so nicht richtig.
Keine weiteren Zusatzfragen.
- Bitte schön, Herr Kubatschka.
Die Antwort war so kurz, daß man gar nicht so schnell reagieren konnte.
Herr Staatssekretär, stimmt die Aussage, daß das Endlager nicht in die Region Saldenburg kommt? Wenn nein: Wie erklärt sich die Bundesregierung das Zustandekommen dieser Aussage?
Herr Kubatschka, wenn Sie bei meinen Antworten auf die vorherigen Fragen aufmerksam zugehört hätten, hätten Sie ihnen entnehmen können, daß wir den Salzstock in Gorleben weiterhin als das geeignete Endlager ansehen und alle Anstrengungen darauf richten, das Endlager im Salzstock in Gorleben auch einzurichten. Sollte sich wider Erwarten und im Gegensatz zu allen bisher vorgelegten Untersuchungen eine Situation ergeben, in der gesagt werden müßte, daß der Salzstock in Gorleben doch nicht geeignet ist, dann werden alle anderen als untersuchungswürdig angesehenen Standorte einer weiteren Untersuchung unterzogen und all die Verfahren berücksichtigt, die notwendig sind. Erst danach kann man eine Aussage treffen, ob im Saldenburger Granit oder wo auch immer eine Endlagerung möglich ist, und kann sagen, wo dann das Endlager errichtet werden könnte.
Eine weitere Zusatzfrage vom Kollegen Fuhrmann. Bitte schön.
Herr Staatssekretär, soll ich Ihre Antwort so verstehen, daß die Bundesregierung erst dann beginnt, Alternativen zum Salzstock in Gorleben überhaupt in Erwägung zu ziehen, wenn sie möglicherweise in 20 oder 30 Jahren - endlich - feststellt, daß der Salzstock in Gorleben nicht geeignet ist? Ich möchte Sie weiter fragen: Wie, bitte, verhalten Sie sich dann in bezug auf die im Entstehen begriffenen oder bereits entstandenen Zwischenlager?
Man müßte sich zunächst einmal mit der Formulierung „andere Alternativen in Erwägung ziehen", die Sie gebraucht haben, auseinandersetzen. Daß andere Alternativen in Erwägung gezogen werden, sehen Sie daran, daß es überhaupt Überlegungen gibt, auch andere Standorte als Gorleben zu avisieren. Ich gehe aber davon aus, daß eine Eignungsaussage zu Gorleben nicht erst, wie Sie unterstellen, in 20 oder 30 Jahren gemacht wird, sondern spätestens innerhalb der nächsten 10 Jahre. Wenn innerhalb der nächsten 10 Jahre - wieder sage ich das - wider Erwarten eine wissenschaftliche Aussage kommt, daß Gorleben nicht geeignet sei, dann erst wird man weitere Standorte näher untersuchen.
Ich rufe die Frage 18 des Kollegen Horst Kubatschka auf:
Gibt es wissenschaftliche Erkenntnisse über mögliche Reaktionen von Granitgestein bei Erhitzung und radioaktiver Strahlung bei der Endlagerung stark wärmeentwickelnder radioaktiver Abfälle?
Herr Kollege Kubatschka, der Bundesregierung liegen wissenschaftliche Erkenntnisse über die Einwirkung von Wärme bei der Endlagerung stark wärmeentwickelnder radioaktiver Abfälle vor. Diese Erkenntnisse resultieren aus der schweizerisch-deutschen Zusammenarbeit im Felslabor Grimsel. In diesem Felslabor sind In-situ-Experimente mit elektrischen Erhitzern als Simulaten für wärmeerzeugenden Abfall in Bohrlöchern durchgeführt worden. Untersucht wurden felsmechanische Auswirkungen von Erwärmung bzw. Ausdehnung des Gebirges auf die vorhandenen Gebirgsspannungen und -verformungen und damit auf die Tragfähigkeit des Gebirges. Da sich meßbare zusätzliche Verformungen des Gebirges auf den Bereich weniger Meter um die Wärmequelle beschränken, wird die Tragfähigkeit des Gebirges nicht beeinträchtigt.
Im Hinblick auf die Einwirkung von radioaktiver Strahlung wird die Bundesregierung die Arbeiten der Staaten weiter verfolgen, die derartige Untersuchungen durchführen.
Zur Zeit gibt es keine Erkenntnisse, wonach begründete Bedenken gegen eine Endlagerung wärmeentwickelnder hochradioaktiver Abfälle in Granit bestehen. Im übrigen verfolgt die Bundesregierung nach wie vor eine Endlagerung im Salz, das international als sehr gut geeignetes Wirtsgestein für eine Endlagerung angesehen wird.
Ihre erste Zusatzfrage, Herr Kubatschka.
Herr Staatssekretär, ist es in bezug auf die Lagerung in Granit wichtig, exakte Vorhersagen der Zukunft anzustreben, und sind diese Vorhersagen notwendig?
Ich kann im Moment Ihre Frage schlecht deuten. Vorhersagen im Hinblick auf die Zukunft müssen Sie für jedes Endlager abgeben. Die Aussagen, die man in bezug auf eine solche geologische Formation treffen kann, umfassen natürlich auch
Parl. Staatssekretär Ulrich Klinkert
geologische Zeiträume. Sie sind allemal ausreichend, um zu gewährleisten, daß man das endzulagernde Material sicher behandelt und endlagert.
Ihre zweite Frage.
Herr Staatssekretär, damit widersprechen Sie den Aussagen der Bundesregierung und den Erkenntnissen des OECD- und NEA-Workshops vom 22. bis 23. Januar dieses Jahres. Ist Ihnen das bewußt?
Herr Staatssekretär.
Das möchte ich so in Zweifel ziehen.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Dann rufe ich die Frage 19 des Kollegen Kubatschka auf:
Teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß auf Grund der in der Studie „Endlagerung stark wärmeentwickelnder radioaktiver Abfälle in tiefen geologischen Formationen Deutschlands - Untersuchung und Bewertung von Regionen in nichtsalinaren Formationen" der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe festgelegten Ausschlußkriterien wie u. a. „Schutzgebiete, wie großflächige Nationalparke, ..." (Seite 17) der als Ersatzstandort erkundete Saldenburger Granit wegen seiner unmittelbaren Nähe zum Nationalpark Bayerischer Wald als Lagerstätte ausgeschlossen werden muß?
Herr Kollege Kubatschka, die Bundesregierung teilt diese Auffassung nicht. Sollte sich der Standort Gorleben entgegen der heutigen wissenschaftlichen Beurteilung als ungeeignet erweisen, müssen die von der BGR ausgewiesenen Regionen unter Berücksichtigung weiterer Aspekte betrachtet werden. Dazu zählen auch die Belange des Naturschutzes. Eine umfassende Bewertung würde abschließend im Zusammenwirken mit dem jeweiligen Land erfolgen.
Ihre Zusatzfrage, bitte schön.
Herr Staatssekretär, gefährden atomare Endlager damit die Existenz von Nationalparks?
Überhaupt nicht.
Ihre zweite Zusatzfrage.
Teilt die Bundesregierung dann wenigstens die Einschätzung, daß atomare Endlager den Tourismus in einem Gebiet gefährden können?
Sie könnten den Tourismus allenfalls durch eine ideologisch aufgeputschte Diskussion gefährden.
Die nordrheinwestfälischen Bergleute pflegen zu sagen: Vor der Hacke ist es duster.
Frau Kollegin Irber, Sie haben eine Zusatzfrage?
Würde die Bundesregierung die Nähe zur tschechischen Grenze als einen Hinderungsgrund für die Errichtung eines atomaren Endlagers betrachten?
Die Bundesregierung geht davon aus, daß bei der Errichtung von Endlagern alle Betroffenen in die Überlegungen mit einbezogen werden. Mögliche Nachbarn außerhalb unserer Grenzen würden in solche Überlegungen selbstverständlich mit einbezogen werden.
Keine weiteren Zusatzfragen.Die Fragen 20 und 21 des Kollegen Lamp werden schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.Wir sind damit am Ende dieses Geschäftsbereichs. Vielen Dank, Herr Staatssekretär.Dann rufe ich den Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes auf. Zur Beantwortung steht Herr Staatsminister Dr. Werner Hoyer zur Verfügung.Die Fragen 31 und 32 des Kollegen Wallow werden schriftlich beantwortet. Gleiches gilt für die Fragen 33 und 34 des Kollegen Augustinowitz, die Fragen 35 und 36 der Kollegin Marion Caspers-Merk und die Frage 37 des Kollegen Erler. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.Damit rufe ich die Frage 38 des Kollegen Dr. Schäfer auf:Welchen Status haben nach dem NATO-Truppenstatut die Beschäftigten der General Services Administration in dem schon laufenden Pilotprojekt oder bei geplanten Vorhaben der US-Streitkräfte?Bitte schön, Herr Staatsminister.
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Herr Kollege Dr. Schäfer, Sie schließen an zwei schriftliche Fragen aus dem Jahre 1996 an, die ebenfalls die künftige Tätigkeit der GSA betrafen und die unter Verweis auf die innere Organisationshoheit der US-Streitkräfte und auf weiteren Prüfungsbedarf zum Status der General Services Administration durch den Kollegen Helmut Schäfer beantwortet wurden. Diese Frage hat sich auch in der Zwischenzeit nicht endgültig einer Klärung zuführen lassen.
Wir sind nicht nur innerhalb der Bundesregierung bei einer intensiven Prüfung durch das Auswärtige Amt auf der einen Seite und die Bundesministerien der Finanzen sowie für Arbeit und Sozialordnung auf der anderen Seite, sondern selbstverständlich auch durch die amerikanischen Dienststellen, von denen wir erst auf unsere intensiven Demarchen hin vor wenigen Tagen eine Antwort bekommen haben. Eine endgültige Prüfung dieser überaus schwierigen Rechtsfrage ist daher bisher leider nicht möglich gewesen.
Ihre erste Zusatzfrage.
Ihnen ist doch sicherlich bekannt, Herr Staatsminister, daß bereits ein Modellvorhaben der Amerikaner in Stuttgart läuft. Wie ist da die rechtliche Stellung der Beschäftigten?
Aus genau dem Grunde, den ich beschrieben habe, möchten wir eine rechtliche Würdigung dieser Frage gegenwärtig nicht abgeben: Es könnten schwerwiegende Konsequenzen im Hinblick auf die Rechtsstellung der bei den amerikanischen Streitkräften beschäftigten Zivilangestellten gezogen werden.
Da wir ein gemeinsames Interesse daran haben, die Rechtsstellung dieser Beschäftigten möglichst stark zu halten bzw. eine Schwächung zu vermeiden, und da wir natürlich auch daran interessiert sind, die amerikanischen Streitkräfte - mit einem hohen Anteil an Zivilbeschäftigten - hier zu halten, möchten wir hier keine Schnellschüsse abgeben.
Eine weitere Zusatzfrage.
Ich kann das nicht so ganz beurteilen; vielleicht können Sie mir eine Antwort darauf geben: Hat es völkerrechtliche Konsequenzen, wenn ein solcher Versuch ohne irgendeine Gegenwehr oder Beurteilung der Bundesregierung stattfindet?
Die amerikanischen Partner sind sich darüber im klaren, daß wir dieser Frage ganz besondere Aufmerksamkeit widmen, weil wir natürlich ein Interesse daran haben, die Rechtsstellung der dort Beschäftigten nicht geschwächt zu sehen. Von daher, ohne daß ich meinerseits eine rechtliche Prüfung hätte vornehmen können - dazu bin ich als Nichtjurist nicht in der Lage -, muß allen Beteiligten klar sein, daß wir hier kein Präjudiz zulassen.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Dann rufe ich die Frage 39 des Kollegen Dr. Schäfer auf:
Was bedeutet das Engagement der GSA für die Arbeitsplätze der ortsansässigen Zivilbeschäftigten?
Herr Kollege, beides hängt natürlich unmittelbar zusammen. Vom Ergebnis dieser Prüfung wird es abhängen, welche Bedeutung das Engagement der General Services Administration für die Arbeitsplätze der ortsansässigen Zivilbeschäftigten hat. Insbesondere wird viel davon abhängen, ob wir uns vor einer Situation sehen, in der es zuträfe, daß die GSA- Bediensteten auch unter das NATO-Truppenstatut fielen. Das ist bisher nicht klar. Solange diese Klarheit nicht gegeben ist, ist eine Aussage im Hinblick auf die Zahl der Zivilbeschäftigten bei den amerikanischen Streitkräften nicht möglich. Da wir aber genau hier das Problem sehen, wäre es leichtfertig, jetzt eine Antwort zu geben.
Zusatzfrage, bitte.
Können Sie denn abschätzen, in welcher Weise die GSA zu deutschen Anbietern in Konkurrenz treten könnte?
Das ist natürlich in der Tat ein erhebliches Problem. Das ist völlig klar. Gerade weil wir hier eine Gefahr sehen, sind wir daran interessiert, hierbei sehr sorgfältig unter Wahrung der Interessen der Beschäftigten und der Regionen, die betroffen sind, vorzugehen. Ich bin sehr gerne bereit, Herr Kollege, Ihnen dafür detailliertere Informationen zu verschaffen bzw. Sie mit den zuständigen Fachmitarbeitern des Hauses und der anderen Häuser zusammenzubringen, um etwas besser erahnen zu können, was hier gegebenenfalls auf uns zukommt, falls wir nicht zu einer einvernehmlichen Lösung mit den Amerikanern kommen.
Ich möchte, ehe wir mit der Fragestunde fortfahren, das Haus darauf aufmerksam machen, daß wir mit den Fragen sehr bald zu Ende sind, weil die anderen Fragen überwiegend schriftlich beantwortet werden. Mir wurde mitgeteilt, es sei verabredet worden, die Aktuelle Stunde um 15 Uhr zu beginnen.
Ich bitte untereinander abzustimmen, ob das einmütig ist. Vielleicht können die Geschäftsführer für ei-
Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch
nen Augenblick nach vorne kommen und das untereinander klären.
Herr Kollege, Sie haben noch eine Zusatzfrage. Bitte schön.
Sieht die Bundesregierung irgendwelche Möglichkeiten, deutsche Anbieter in irgendeiner Form zu unterstützen, zum Beispiel dadurch, daß sie darauf hinwirkt, daß die Amerikaner zulassen, daß nicht nur bundesweit tätige Anbieter, sondern auch regionale Anbieter auftreten können? Ich darf das erklären. Es ist bisher die Schwierigkeit, daß es nicht gelungen ist, regionale deutsche Anbieterfirmen unterzubringen, weil die Amerikaner immer gesagt haben: Wir nehmen nur Anbieter, die bundesweit agieren.
Mit dieser Frage bin ich überfordert. Ich bin gerne bereit, der Sache nachzugehen und Sie direkt zu informieren.
Die Fragen 40 und 41 der Kollegin Leonhard, die Frage 42 von Graf von Waldburg-Zeil, die Fragen 43 und 44 der Kollegin Buntenbach und die Fragen 45 und 46 von Volker Beck werden sämtlich schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Damit sind wir am Ende Ihres Geschäftsbereichs, Herr Staatsminister. Ich bedanke mich.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz auf. Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Rainer Funke zur Verfügung. Ich rufe die Frage 47 des Kollegen Schmidbauer auf:
Welche Maßnahmen will der Bundesminister für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie, Dr. Jürgen Rüttgers, in bezug auf die Klonierung des Schafes Dolly durch das Roslin-Institut ergreifen, und welche Maßnahmen und Aktivitäten sollen auf europäischer Ebene eingeleitet werden, die eine solche Klonierung ausschließen?
Herr Präsident! Herr Kollege, gestatten Sie mir vorweg eine Bemerkung. Die Bundesregierung geht davon aus, daß sich Ihre an den Herrn Bundesminister für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie gerichteten Fragen auf das Klonen von Menschen und das entsprechende Verbot im Embryonenschutzgesetz beziehen. Da für diesen Bereich innerhalb der Bundesregierung der Bundesminister der Justiz federführend zuständig ist, werde ich Ihnen hier antworten.
Wegen des inneren Zusammenhangs darf ich Ihre Fragen zusammen beantworten.
Das geht nur, wenn der Fragesteller einverstanden ist.
- Das ist der Fall.
Dann rufe ich zusätzlich die Frage 48 des Kollegen Horst Schmidbauer auf:
Welche Rechtsgrundlage verbietet ein solches Klonen in der Bundesrepublik Deutschland, und welche Maßnahmen will der Bundesminister für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie für ein Verbot einleiten, wenn, entgegen seiner eigenen Aussage , ein alleiniger Bezug auf das Grundgesetz nicht zureichend ist, und ein solches Befruchtungsverfahren nicht in den Gesetzesbereich des Gesetzes zum Schutz von Embryonen (Embryonenschutzgesetz - ESchG) fällt?
Das Klonen von Menschen ist gemäß § 6 Abs. 1 des Gesetzes zum Schutz von Embryonen, welches am 1. Januar 1991 in Kraft getreten ist, unter Strafe gestellt. Das Verbot schützt die Menschenwürde. Es wäre ein besonders krasser Verstoß gegen Art. 1 des Grundgesetzes, einem Menschen gezielt seine Erbanlagen zuzuweisen und die Individualität menschlichen Lebens zu mißachten.
Die Vorschrift verbietet, künstlich Embryonen zu erzeugen, welche die gleichen Erbinformationen wie andere Embryonen oder wie Föten, lebende Menschen oder Verstorbene besitzen. Schon ein entsprechender Versuch ist mit Strafe bedroht.
Der Forscher, der mit Hilfe der in Schottland bei dem Schaf Dolly angewandten neuen Technik einen Menschen erzeugte, wäre nach dieser Vorschrift zu bestrafen. Er bewirkte nämlich, daß sich ein menschlicher Embryo mit der gleichen Erbinformation wie ein anderer Mensch entwickelte.
Gleichwohl sieht es die Bundesregierung als ihre Aufgabe an, stetig und gerade bei solchen Anlässen gesetzliche Regelungen daraufhin zu überprüfen, ob tatsächlich alle Varianten bedacht wurden, die sich als einschlägig erweisen könnten.
Auf interdisziplinärer Basis ist sehr genau zu prüfen, ob das in Schottland angewandte neue Verfahren neue Mißbrauchsmöglichkeiten birgt und ob Vorschriften des Embryonenschutzgesetzes der Ergänzung oder der Änderung bedürfen.
Soweit Sie sich nach dem internationalen Handlungsbedarf erkundigen, kann ich Ihnen mitteilen, daß sich die Bundesregierung mit Nachdruck für ein weltweites Verbot des Klonens einsetzt. Ein solches Verbot ist in der Menschenrechtskonvention zur Biomedizin des Europarates bereits angelegt. Sie enthält insoweit klare Vorgaben für das noch zu erarbeitende Protokoll zum Schutz des menschlichen Embryos.
Die Bundesregierung wird sich intensiv darum bemühen, in der Allgemeinen Erklärung der UNESCO zum menschlichen Genom und zu den Menschenrechten ein Klonierungsverbot festzuschreiben.
Herr Kollege, Sie haben jetzt vier Zusatzfragen.
Herr Staatssekretär, in der Öffentlichkeit ist eine widersprüchliche Auffassung zur Frage des Embryonenschutzes
Horst Schmidbauer
aufgetreten. Daraus kann man schließen, daß allem Anschein nach eine Lücke bezüglich des rechtlichen Schutzes vorhanden ist. Mich würde vor allem interessieren, wie unter diesen Gesichtspunkten das Embryonenschutzgesetz gewährleistet, daß die Erzeugung geklonten Lebens - durch die biotechnologische Nutzung von Mitochondrien - ausgeschlossen wird.
Herr Kollege, ich habe Ihnen dargelegt, daß nach Auffassung der Bundesregierung ein hinreichender Schutz durch § 6 in Verbindung mit § 8 des Embryonenschutzgesetzes gegeben ist. Sollte sich herausstellen, daß durch neue wissenschaftliche Methoden eine Novellierung des Embryonenschutzgesetzes notwendig sein sollte - nach unseren derzeitigen Erkenntnissen verneine ich das ausdrücklich -, werden wir Ihnen unverzüglich entsprechende gesetzliche Vorschriften zur Beschlußfassung vorlegen. Darüber müssen wir dann miteinander beraten.
Ihre zweite Zusatzfrage, Herr Kollege.
Wenn Sie sich über einen möglichen Handlungsbedarf, der sich durch neue technologische Verfahren herauskristallisiert hat, unklar sind, dann stellt sich die Frage: Wie lange schätzen Sie den Prüfzeitraum ein, und wann gedenken Sie dem Parlament bzw. der Regierung die entsprechende Vorlage zu unterbreiten?
Herr Kollege, ich habe soeben ausdrücklich gesagt, daß die Regelungen des § 6 in Verbindung mit § 8 des Embryonenschutzgesetzes durchaus ausreichen. Wenn durch neue Techniken, die sich hier andeuten, ein gesetzgeberischer Handlungsbedarf gegeben sein sollte, werden wir Ihnen entsprechende Vorschläge vorlegen. Dazu bedarf es natürlich nicht nur der rein rechtlichen, sondern auch einer interdisziplinären Beurteilung. Dazu sind Sie sicherlich auch eingeladen.
Ihre dritte Frage, Herr Kollege.
Um das zu präzisieren: Auch die in Schottland erkennbare neue Technik führt Ihrer Auffassung nach nicht dazu, das bestehende Embryonenschutzgesetz zu überprüfen bzw. zu überarbeiten?
Herr Kollege, ich habe soeben, glaube ich, die richtige Antwort gegeben. Wir sehen die Voraussetzung für eine Änderung des Embryonenschutzgesetzes zur Zeit nicht. Aber wir sind gerne bereit, mit Ihnen und auch mit Wissenschaftlern aus anderen Bereichen über einen möglicherweise vorhandenen Gesetzgebungsbedarf zu diskutieren.
Sie haben noch eine Zusatzfrage, Herr Kollege.
Sie bezieht sich auf die internationale Verpflichtung: Welche Maßnahmen sieht die Regierung auf Grund der internationalen Verpflichtung vor, um die von Ihnen formulierten Ziele auch realisieren zu können, und an welchen Kontrollmöglichkeiten gedenkt sich die Regierung zu beteiligen?
Die Menschenrechtskonvention des Europarates habe ich bereits erwähnt. Es gibt noch die Frage, ob wir weltweit - über die UNESCO - eine entsprechende Regelung paraphieren bzw. vereinbaren. Sicherlich muß eine weltweite Regelung erfolgen; denn es hat keinen Sinn, das Ganze national zu machen. Das muß vielmehr weltweit geschehen. Die Bundesregierung wird sich für ein Klonierungsverbot einsetzen, und zwar weltweit.
Gibt es weitere Zusatzfragen? - Das ist nicht der Fall.
Die Fragen 49 und 50 des Kollegen Such werden schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Die Fragen 51 und 52 des Kollegen Dr. Jüttner werden ebenfalls schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Die Frage 53 des Kollegen Schwanitz ist zurückgezogen worden.
Damit sind wir am Ende dieses Geschäftsbereichs. Vielen Dank, Herr Staatssekretär.
Dann komme ich zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen. Alle Fragen, nämlich die Fragen 54 und 55 der Kollegin Dr. Luft, 56 und 57 der Frau Terborg, 58 und 59 des Kollegen Warnick sowie die Frage 60 des Kollegen Stiegler, werden schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Damit sind wir am Ende der Fragestunde.
Wir hatten soeben verabredet, daß wir die Aktuelle Stunde um 15.15 Uhr beginnen. Wir haben also noch fünf Minuten Zeit. Um diese fünf Minuten unterbreche ich jetzt die Sitzung.
Wir setzen die Sitzung wie vereinbart fort.
Ich rufe den Zusatzpunkt 1 auf:
Aktuelle Stunde
auf Verlangen der Fraktion der F.D.P.
Haltung der Bundesregierung zu den gewalttätigen Ausschreitungen im Zusammenhang mit den Castor-Transporten nach Gorleben
Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch
Ich erteile das Wort dem Abgeordneten Dr. Guido Westerwelle.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In diesen Tagen vermitteln die Medien das Bild vom demonstrierenden Deutschland.
Blockaden gegen Castor-Transporte beherrschten die letzten Wochen. Jetzt sind es die Proteste der Bergleute. Einige Kameras sind auch noch für die Bauarbeiterproteste in Berlin übriggeblieben. Die Botschaft, die uns die Bilder vermitteln sollen, lautet: Wer demonstriert, hat recht. - Das ist falsch. Wer demonstriert, hat Sorgen und Ängste, aber noch lange nicht recht, meine Damen und Herren.
Diese Unterscheidung geht in der politischen Auseinandersetzung dieser Tage verloren. Soviel Verständnis ich für die Sorgen der Demonstranten habe:
Auch das Demonstrationsrecht findet seine Grenze im Rechtsstaat. Wer einmal aus Gründen politischer Opportunität Demonstranten den Rechtsbruch gestattet, lädt zur Nachahmung ein, der gefährdet den Rechtsstaat insgesamt, meine Damen und Herren.
Es sind nicht nur die Schienen, die demontiert, und die Straßen, die unterhöhlt werden. Es sind die Fundamente des freiheitlichen Rechtsstaates, die man dann beschädigt. Wir erleben seit drei Tagen, daß angeblich spontane Demonstrationen viel wirksamer sind als angemeldete.
Wer nach dieser Woche noch Demonstrationen anmeldet - so wird die neue Lesart lauten -, der hat wohl keine hinreichende Betroffenheit, keinen ausreichend gerechten Zorn hinter seinem Anliegen.
Bei den Castor-Transporten in Niedersachsen, bei den Bergleuten im Ruhrgebiet, bei den Bauarbeitern in Berlin sind es nicht friedliche Demonstranten, die wir kritisieren, sondern die Randalierer und ihre parteipolitischen Trittbrettfahrer und Aufwiegler.
Der Skandal gegen den Rechtsstaat ist die parteipolitische Solidarisierung mit dem Rechtsbruch, die Sie hier vornehmen.
Was ist friedlich, und was ist Gewalt? Ist ein bißchen Gewalt noch zu rechtfertigen, wo doch die eigenen Gründe so moralisch sind? „Was darf der Rechtsstaat kosten?", wird mehr oder weniger offen bei den Castor-Transporten gefragt. „Können wir uns so viel Rechtsstaat leisten?" Wer den Preis des Rechtsstaates in Mark und Pfennig mißt, der hat den Wert des Rechtsstaates nicht begriffen.
Die Symmetrie des Rechtsstaates gerät so aus den Angeln. Grüne und PDS-Abgeordnete rufen öffentlich zur Schienendemontage gegen Castor-Transporte auf.
Der Vorsitzende der Industriegewerkschaft Bau sagt in Berlin, die Zeiten der Proteste auf der grünen Wiese seien vorbei, jetzt würden Städte blockiert. Der Bundesgeschäftsführer der SPD, Müntefering, wurde heute morgen im Rundfunk gefragt: Demonstrationen in der Bannmeile, Randale an der F.D.P.-Zentrale - was sagen Sie dazu?
Ihm fällt als erste Antwort dazu ein: Das ist Demonstrationsrecht. Das gehört zur Demokratie dazu.
Hier werden parteipolitische Ziele verfolgt, aber nicht der Rechtsstaat vertreten. Der SPD geht es nicht um die Kumpel, es geht ihr um die nächsten Wahlen in diesem Land.
Der Demagoge Oskar Lafontaine zündet das Land an
und beklagt anschließend, daß es brennt.
Damit werden parteipolitische Ziele verfolgt, aber nicht der Rechtsstaat verteidigt.
Wenn das Prinzip Bahn bricht, vermeintlich berechtigte Interessen - ob bei Castor oder bei Kohle - würden den Rechtsbruch rechtfertigen, dann ist das gefährlich nahe an Weimar.
Dr. Guido Westerwelle
Ich möchte meinen Respekt vor den Demonstranten ausdrücken,
die friedlich ihre Interessen vertreten. Es ist ihr gutes Recht, gegen Castor und Atomkraft zu demonstrieren. Es ist ihr gutes Recht, für das Schlechtwettergeld zu protestieren. Es ist ihr gutes Recht, höhere Subventionen für die Steinkohle auf Kundgebungen zu fordern. Ich habe eine andere Meinung, aber ich werde ihnen immer zuhören und das Gespräch suchen.
Vor allen Dingen, Herr Kollege Fischer, verleugnen wir nicht unsere Positionen. Eine Partei wie die Grünen, die den Ausstieg bei der Steinkohle fordert und höhere Subventionen auf den Demos einfordert, ist eine peinliche Funktionspartei in diesem Lande geworden.
Wenn wir es zulassen, daß die Energiepolitik oder Verteilungskämpfe künftig durch Straßenblockaden entschieden werden, dann ist das die Einladung an alle - an Landwirte und Werftarbeiter, an Studenten und Rentner. Dann gilt: Je lauter, desto mehr vom Staat. Dann bleiben das Gemeinwohl und der Rechtsstaat auf der Strecke.
Sie haben sich endgültig disqualifiziert. Sie hetzen auf! Sie wiegeln auf - bei Castor, bei der Kohle! Sie sind nicht in der Lage, dieses Land zu regieren, meine Damen und Herren!
Ich erteile das Wort - -
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, es ist sicherlich schwierig,
aber wir sollten in diesem Hause die Kraft haben, uns gegenseitig zuzuhören.
Ich erteile das Wort dem Abgeordneten Günter Graf.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Man kommt schon ins Grübeln, wenn man sich einmal durch den Kopf gehen läßt, was der liberale Kollege Westerwelle von dieser Stelle aus von sich gegeben hat.
Ich möchte ihn einfach einmal fragen: Wo in diesem Staat hat denn diese liberale Partei ihr liberales Mäntelchen abgegeben?
In der Vergangenheit hat sie sich als Hüter des Demonstrationsrechtes, als Hüter für die Menschen, die ihren Protest zum Ausdruck bringen, dargestellt. Jetzt stellt sich der Abgeordnete hier hin und redet von Chaoten, verunglimpft all diejenigen, die friedlich Protest äußern.
Sie müssen sich die Frage gefallen lassen: Warum demonstrieren denn wohl die Bauarbeiter in Berlin? Warum demonstrieren hier die Bergarbeiter? Warum demonstrieren im Wendland junge und ältere Menschen gegen die Atompolitik, und das nicht erst seit einem Jahr, sondern seit 20 Jahren? Wie gehen Sie eigentlich mit den Sorgen und Ängsten der Menschen in diesem Lande um?
Sie stellen sich hier hin und sprechen von Chaoten. Darüber müssen wir nicht sprechen. Da gibt es, denke ich, in diesem Haus eine gemeinsame Haltung.
- Es ist ja schändlich, wie Sie sich hier benehmen und darstellen.
Wir haben doch wohl keine Berührungsängste und keine Meinungsverschiedenheiten in diesem Haus, wenn es darum geht, Gewalttätern das Handwerk zu legen.
Wir haben aber die Pflicht, hier deutlich zu sagen, daß die überwältigende Mehrheit in diesem Volk - egal, ob in den Bereichen der Atomenergie, des Bergbaus oder des Bauhandwerks - für ihre Rechte demonstriert. Wir haben die Aufgabe, dies aufzunehmen und politisch umzusetzen.
Herr Kollege Westerwelle, Sie haben diese Aktuelle Stunde beantragt. Ich hätte im übrigen aus Ihrem Munde gerne einmal ein Wort zur Polizei gehört. Da ist von Ihnen nichts gekommen. Ich will
Günter Graf
Ihnen sagen: Noch vor zehn Jahren bin ich als Einsatzführer im Wendland tätig gewesen. Ich habe die Beseitigung der Wendland-Blockade und die Räumung des Hüttendorfes durchgeführt. Ich will darauf hinweisen, wie einem manchmal zumute war, als man sich innerlich gesagt hat: Im Grunde genommen würde man viel lieber auf der anderen Seite stehen. Die Tränen haben einem im Auge gestanden.
- Ich weiß gar nicht, warum Sie sich so entrüsten.
Wir als Polizei haben diesen Auftrag wahrgenommen. Angesichts der Ereignisse in diesem Staate frage ich mich mittlerweile: Wie lange können wir es durchhalten, daß permanent bei solchen Anlässen Polizei - jetzt mit 30 000 Polizisten - eingesetzt wird und sie die politisch ungelösten Fragen auszubaden hat, weil Sie nicht in der Lage sind, einen politischen Konsens herzustellen, damit es zu einem Einvernehmen und friedlichen Miteinander in diesem Lande kommt?
Ich bin ja einmal gespannt, was wir in dieser Debatte heute noch zu hören bekommen. Ich muß sagen: Ich empfinde es als schlimm, was hier in den ersten fünf Minuten dieser Debatte geschehen ist.
Ich kann nur hoffen, daß es aus den Reihen der Koalition auch noch Redner gibt, die einen Funken mehr Demokratieverständnis im Leibe tragen und dies hier auch deutlich machen.
Ich danke Ihnen.
Ich gebe dem Abgeordneten Hans-Otto Wilhelm das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Der Vorredner stellte die rhetorische Frage, wie lange wir das durchhalten. - Was sollten wir wie lange nicht durchhalten?
Wir halten immer bei der Unterstützung all derjenigen durch, die in diesem Land friedlich protestieren.
Wir wenden uns gegen alle, die gegen staatliche Entscheidungen rechtswidrig demonstrieren und Rechtsverletzungen in Kauf nehmen.
Wir werden dabei einen langen Atem haben, weil die
alternative Antwort auf Ihre Frage hieße, den Rechtsbrechern in Deutschland Raum zu geben. Das wird mit der Union und dieser Koalition nie geschehen.
Es ist ganz erstaunlich, an welchen Gedächtnislücken ein Teil der Fraktion der Grünen leidet. Diese Fraktion hat unverändert ihr Verhältnis zur Gewalt nicht geklärt.
Wenn der Fraktionsvorsitzende der Grünen bei der letzten Diskussion über die Castor-Transporte die allgemeine Erklärung abgibt: „Ja, wir sind friedfertig", um dann über die Münchner Wehrmachtausstellung zu fabulieren, dann ist das keine Distanzierung von den Äußerungen einzelner Teile dieser Partei, die zur Gewalt aufrufen und diesen Transport auch noch logistisch begleitet haben.
Sie müssen uns schon sagen, für welchen Teil dieser Partei Sie sprechen. Lassen Sie doch einmal als Vertreterin eines anderen Teils der Partei Frau Müller sprechen. Wir würden von Ihnen erwarten, daß Sie sich klarer von denjenigen distanzieren, die an diesen Brennpunkten der Auseinandersetzung Gewalt anwenden oder zur Gewalt aufrufen.
Meine Damen und Herren, wenn der Vorsitzende der Bürgerinitiative Menschen aufruft zu kommen, die zu gezielter und verantwortungsloser Sabotage, zur Bildung von Banden bereit sind, und dazu aufruft, keine Spaltung der Bewegung in friedliche und militante Bereiche zuzulassen, und wenn der Sprecher dieser Initiative in der Auseinandersetzung zu Gorleben einen Meilenstein sieht, die Krise linker Politik nach dem Zusammenbruch der DDR zu überwinden, dann ist die Zielsetzung klar vorgezeichnet. Jeder friedliche Demonstrant muß wissen, zu welchen Zielsetzungen er von diesen Chaoten und den Gegnern unseres Staates mißbraucht werden soll.
Die Ängste von Menschen werden schamlos ausgebeutet.
Das, was wir dort als Angriff auf unsere rechtsstaatliche Ordnung erleben, wo wir nicht zurückweichen können, wo wir nicht unter falschen Deeskalationsbegriffen auch nur etwas von Gewalt zulassen dürfen, wo Menschen in ihrer Unverletzlichkeit gefährdet sind, ja verletzt werden, hat ein Ausmaß angenommen, das wir nicht mehr mit allgemeinen Floskeln und Beschwörungen in den Griff bekommen können. Eine solche Partei mit einer solchen Historie müßte aus meiner Sicht unmißverständlicher auf der Seite des Rechts stehen, als Sie das derzeit tun.
Hans-Otto Wilhelm
Diese Vorgänge haben nichts mit dem zu tun, was in Bonn läuft. Ich will einen deutlichen Trennungsstrich ziehen. Wir empfinden mit dem Zorn und der Sorge von Leuten, die befürchten, Arbeitsplätze zu verlieren.
Aber bei aller Bereitschaft, die ausgeprägt vorhanden ist, diesen Kumpels zu helfen.
Das Gemeinwohl verpflichtet uns auch, hier fürsorglich für die Zukunft Deutschlands zu sorgen. Da gehört es sich nicht, als Kulissenschieber der Kumpels aufzutreten. Sie sind die Kulissenschieber dieser Demonstration in Bonn, meine Damen und Herren.
Wenn Herr Clement letzte Woche dem Kanzler den Krieg erklärt, wenn Herr Klimmt emphatisch ausruft, es geht um Deutschland, um unsere Kinder, dann kann ich nur sagen: Sprache ist verräterisch.
Sie zündeln an dieser Stelle. Sie wollen Ihren parteipolitischen Nutzen einfahren. Die Taktik wird nicht aufgehen,
sich an die Spitze des Unmuts zu setzen,
wenn wir dabei sind, Deutschland in eine bessere Zukunft zu führen, wenn Reformen notwendig sind, mit denen die Menschen verständlicherweise nicht immer einverstanden sein können.
Aber daß sich der Vorsitzende der SPD bei einer Veranstaltung heute vor zornigen Bergarbeitern aus dem Saarland dazu hinreißen läßt, dieses Land als „verkommene Republik" zu kennzeichnen, das hat eine besondere Qualität.
Meine Damen und Herren, wer mit den Institutionen unseres Staates so liederlich umgeht wie ein leibhaftiger Ministerpräsident, der Teil dieser Republik ist, der ist selbst verkommen.
Ich gebe das Wort der Abgeordneten Kerstin Müller.
Meine Damen und Herren! Es ist ja ein tolles Horrorgemälde, das Sie hier entfalten: Überall nur gewalttätige Demonstrationen - in Bonn, in Berlin, in Gorleben.
Was Sie hier reden, zeigt mir nur, wie unendlich weit Sie sich von der Wirklichkeit in diesem Land entfernt haben.
Herr Westerwelle, ich bin im Wendland gewesen.
- Sie könnten ja einmal hingehen, sich das anschauen und mit den Bauern reden. Aber das trauen Sie sich nicht. Sie trauen sich nicht, mit den Menschen dort zu reden.
Es ist schlichter Unsinn, zu behaupten, dort würden gewalttätige Chaoten die Szene beherrschen und deshalb dürfe der Rechtsstaat nicht weichen. Es sind ganz normale Bürger: Bauern, Schüler, Lehrer und Hausfrauen, die den Protest im Wendland organisieren. Diese Menschen haben eine berechtigte Sorge, und zwar um ihre Lebensgrundlagen. Sie wollen nicht, daß ihre Region das Atomklo der Nation wird. Deshalb organisieren sie den Widerstand.
Sie wollen auch keine Randale. Sie wollen nur eines: Sie wollen ein Ende der Atompolitik. Aber Sie sind nicht bereit, über einen Ausstieg zu reden; Sie setzen auf Konfrontation und nicht auf Dialog mit diesen Menschen.
Die große Sitzblockade mit mehr als 7 000 Menschen vor dem Verladekran war wirklich die friedlichste und gewaltfreieste Aktion, die ich je in meinem Leben erlebt habe.
- Sie sind ja nicht da gewesen. - Zu keinem Zeitpunkt ging von diesen Menschen irgendeine Maßnahme der Gewalt aus, selbst dann nicht, als um 5 Uhr morgens bei minus 5 Grad Wasserwerfer eingesetzt wurden. Selbst da haben diese Menschen weiter friedlich protestiert: einfach dagesessen und gesungen. Ich weiß nicht, was daran gewalttätig ist.
Nein, es war unverhältnismäßig und unnötig, gegen
diese friedlichen Menschen Wasserwerfer und
Schlagstöcke einzusetzen. Man hätte die
Kerstin Müller
300 Verletzten, die es gegeben hat, verhindern können.
Wo sind denn bei so einer Politik die Liberalen? Wo sind denn die Bürgerrechte, die Sie von der F.D.P. einmal schützen wollten? Davon wollen Sie nichts mehr wissen.
Sie brauchen diese Legende von den gewalttätigen Chaoten doch nur, um den größten Polizeieinsatz in der Geschichte der Bundesrepublik zu legitimieren. Das ist der eigentliche Grund. 30 000 Polizisten waren nötig, um diesen Transport durchzuführen. Man schätzt die Kosten auf über 100 Millionen DM. Mit solch einem Einsatz gegen eine ganze Region sind die Grenzen des demokratischen Rechtsstaates nicht nur erreicht, sondern sie sind längst überschritten.
Sie antworten auf Demonstrationen mit Verleumdungen und mit dem Ruf nach dem starken Staat. Was für ein Zeichen von Schwäche und was für ein deformiertes Verständnis von Demokratie!
Der Herr Bundeskanzler erklärt, er werde über den Kohlebergbau nicht verhandeln, solange die Bergleute in Bonn demonstrieren. Die Betroffenen sollen also nach Hause gehen und geduldig abwarten, was die da oben über sie entscheiden. Ihre Stimme, ihr Protest ist für Sie unerwünscht. Aber das Demonstrationsrecht ist ein Kernelement unserer Demokratie.
Wer auf gewaltfreie Demonstrationen so reagiert, daß er Gespräche absagt und Verhandlungen verweigert, wer die um ihre Existenz besorgten Bergarbeiter als politische Ruhestörer abtut, der entwertet dieses Grundrecht, der will keine emanzipierten Bürgerinnen und Bürger und der will keine engagierten Demokraten, sondern der will ein Volk von angepaßten Duckmäusern.
Sie betreiben da ein sehr gefährliches Spiel, denn vielleicht war das erst der Anfang.
Die völlig unnötigen Castor-Transporte wurden mit Gewalt durchgesetzt. Sie haben nicht nach Lösungen gesucht. Nein, Sie haben es bewußt auf eine Eskalation angelegt. Eine ähnliche Eskalation wiederholen Sie jetzt bei den Bergleuten. Schon der Koalitionsentscheid zur Kohle war doch eine Provokation und die Gesprächsabsage des Bundeskanzlers am Dienstag erst recht. Jetzt beschweren Sie sich, wenn diese Bergleute auf diese Provokation reagieren!
Herr Hirsch hat die Verletzung der Bannmeile beklagt. Ich sage einmal: Die eigentliche Bannmeilenverletzung hat doch der Bundeskanzler mit seiner Gesprächsabsage begangen - nur weil Menschen friedlich demonstrieren!
- Erstatten Sie doch Anzeige, wenn Sie sich das trauen.
Statt nach gesellschaftlichem Dialog und politischen Lösungen zu suchen, legen Sie es immer mehr auf Konfrontation an, und zwar auf Kosten und auf dem Buckel der Beamten und Beamtinnen der Polizei. Denn in der Tat, Herr Westerwelle, die haben Sie in Ihrer Rede nicht erwähnt.
Ich glaube, daß Ihr Kalkül nicht mehr aufgehen wird. Das ist die Botschaft von Gorleben, von der Heussallee, vom Atomprotest und von der Kohlesolidarität: Mit Polizeigewalt läßt sich auf Dauer keine Politik durchsetzen. Wer das versucht, der wird stürzen, und zwar je eher, desto besser.
Das Wort hat jetzt unser Kollege Walter Hirche.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Diese Rede eben hat sehr deutlich gemacht, daß die Grünen keine Rechtsstaatspartei sein wollen,
sondern im Gegenteil dort, wo der Rechtsstaat durch Gewalt attackiert wird, bewußt keine Abgrenzung ziehen und Unschärfen aufkommen lassen. Das ist noch sehr zurückhaltend formuliert.
Das Problem beginnt doch erst dort, wo friedliche Demonstranten auf der einen Seite und Randalierer und Gewalttäter auf der anderen Seite vorhanden sind und sich dazwischen eine Gruppe bewegt, die durch friedliche Aktionen, wie sie es nennt, Gewalttäter schützt und keine Abgrenzung zu den Gewalttätern vornimmt. Die Liberalen haben - das hat
Walter Hirche
Guido Westerwelle eben sehr deutlich gemacht - hohen Respekt vor der Demonstrationsfreiheit.
Sie ist in der Tat ein Kernelement unserer politischen Kultur.
Aber, meine Damen und Herren, hier soll ganz bewußt diese Grenze zwischen friedlicher Demonstration und Randaliererei verwischt werden.
Ich will zitieren, was Rudolf Wassermann dazu gesagt hat -
er hat es auf den Punkt gebracht -:
Vom Grundrecht der Versammlungs- und damit der Demonstrationsfreiheit wird nur ein Verhalten erfaßt,
das Meinungsbildung ermöglichen soll, nicht aber unmittelbare Durchsetzung des vom Demonstrationsteilnehmer eingenommenen Standpunktes.
Im Klartext sagt er:
Weder die Blockaden, mit denen Transport und Ausladung der Behälter verhindert werden sollten, noch die Besetzung, das Zersägen von Gleisen oder das Unterhöhlen von Straßen sind durch das Grundgesetz gedeckt. Alle diese Formen kriminellen Widerstandes haben wir in Gorleben erlebt.
Hier gilt es, eine klare Trennung zu ziehen. Ich finde es schon interessant - man kann ja mal in die Presselandschaft schauen -, was der Leitartikler des „Deutschen Sonntagsblattes", einer Zeitung, die nicht unbedingt die Regierungskoalition ständig lobt, an die Bürgerbewegung gewandt, sagt:
Warum hat keiner ihrer Sprecher öffentlich erklärt, daß der Protest der Vermummten im Wendland unerwünscht ist? Es bleibt ein Fehler
- so Herr Schleider -
der Anti-AKW-Bewegung und aller Bürgerrechtsgruppen - inklusive der Grünen! -, daß sie bei der Abgrenzung zur Autonomen-Szene immer wieder Unschärfen in Kauf nehmen.
Das ist sehr zurückhaltend formuliert.
Der Skandal liegt darin, daß die parteipolitische Solidarisierung mit Rechtsbrechern nicht unterbunden wird.
Ein Dialog, der mit Demonstranten erforderlich ist, kann nur auf Grundlage des Rechtes stattfinden.
Dabei muß man zunächst einmal davon ausgehen, daß die Transporte auf gesetzlicher Grundlage und mit gerichtlicher Bestätigung stattfinden. Diese Demokratie löst sich von innen her auf,
wenn die Formen, auf die wir uns im Grundgesetz, mit Gesetzen und durch Gerichtsverfahren verständigt haben, nicht mehr beachtet werden. Die Grünen versuchen - so eben die Rede von Frau Müller - bewußt, all dieses zu ignorieren und Demonstranten zu ermuntern;
damit machen sie sich zu Gehilfen von Rechtsbrechern.
Hier fehlt eine klare Linie.
Es ist schon großer Anerkennung wert, daß sich in dieser Situation die Polizei vor Ort in einer Weise besonnen verhalten hat, daß sie unser aller Lob verdient.
So dazustehen ist in einer solchen Situation weiß Gott nicht selbstverständlich.
Wer nämlich die Bilder gesehen hat, muß darüber erschrocken sein, was unseren Polizisten nicht nur an körperlicher Gewalt entgegengeschlagen ist. Die Steinewerfer waren gewiß in der Minderheit. Die Mehrheit hat versucht, sich von ihnen zu distanzieren.
- Die Mehrheit! Es ist geboten, diese Differenzierung anzubringen. Das ist doch das, was ich hier auch von Frau Müller gern gehört hätte.
Aber auch seelisch kann man Menschen Gewalt antun. Wer seine Kinder dazu anhält, auf Polizisten zu spucken, wie das dort geschehen ist, verletzt die
Walter Hirche
Menschenwürde - nicht nur die der Opfer, sondern auch die der eigenen Kinder -
und vermittelt seinen Kindern zwei wesentliche Dinge, auf denen unser Gemeinwesen beruht, nicht: die Toleranz gegenüber Andersdenkenden und den Respekt vor der staatlichen Ordnung.
Die Demonstrationsfreiheit wird nur erhalten bleiben,
wenn alle in diesem Hause und draußen schärfer die Grenze gegen jede Form von grauer, verdeckter und offener Gewalt ziehen. Die Gewalttäter müssen isoliert werden. Dann wird der Rechtsstaat in Zukunft auch kritische Auseinandersetzungen um wichtige Fragen wie die Energiepolitik bestehen. Aber, meine Damen und Herren, wir verlangen von Ihnen, daß Sie sich draußen auch praktisch so verhalten, wie Sie es hier im Hause gelegentlich anklingen lassen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, bevor ich dem nächsten Redner das Wort erteile, - -
- Herr Abgeordneter Fischer, ich meine speziell Sie.
Wir müssen dem Redner schon noch Gelegenheit geben, seine Argumente vorzutragen. Deshalb bitte ich das gesamte Haus um etwas Ruhe, wenn der Redner spricht, soweit dies irgendwie möglich ist.
Jetzt erteile ich dem Abgeordneten Rolf Köhne das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Demonstrationsrecht ist ein demokratisches Grundrecht.
Ziel von Demonstrationen ist in der Regel, politisch Druck zu entfalten. Das ist legitim.
Wer meint, er dürfe einem solchen politischen Druck nicht ausgesetzt werden, der verkennt, daß es sich bei den Demonstranten in der Regel um einen Teil des Volkes handelt, um einen Teil des Souveräns, von dem die Macht in diesem Staate ausgehen sollte, und daß auch die Meinung dieses Teils berücksichtigt werden muß - insbesondere dann, wenn es um existentielle Fragen geht. Solche Fragen standen sowohl in Gorleben wie auch gestern und heute hier wegen der Kohlepolitik zur Debatte. Das muß man sich doch einmal vergegenwärtigen.
Herr Westerwelle, Sie sind es, der zündelt. Sie sind es, der die Fundamente dieser Gesellschaft untergräbt.
Sie hätten die Rede, die Sie vorhin gehalten haben, in der Sie die Kohlekumpel, die Bauarbeiter und alle friedlichen Demonstranten in Gorleben bzw. in Dannenberg verleumdet haben, an der Kreuzung Heussallee/B 9 halten müssen. Erreicht hätten Sie damit, diese Gesellschaft weiter zu spalten. Die Gesellschaft hält es nicht aus, daß insbesondere Ihre Partei dafür sorgt, daß die Reichen immer reicher werden und viele Menschen in diesem Lande ihre Existenz verlieren.
Das müssen Sie erkennen. Sonst zerstören Sie diese Gesellschaft.
Im übrigen: Das wesentliche Ereignis in der letzten Woche im Landkreis Lüchow-Dannenberg war nicht Terror und Gewalt, wie Sie uns hier weismachen wollen, sondern die friedliche, völlig gewaltfreie Sitzblockade vor dem Verladebahnhof, an der sich bis zu 9 000 Menschen beteiligt haben.
Sitzblockaden allein sind nicht automatisch rechtswidrig. Dies ist im Einzelfall genau zu prüfen, auch unter Berücksichtigung der Motive. Angesichts der Gefährdungen, die von der Atomkraftnutzung ausgehen und die erst gestern wieder in Japan bestätigt wurden, erscheint mir eine Sitzblockade gegen geringfügigen gewerblichen Güterverkehr als eine angemessene Ausdrucksform des Protestes. Entsprechend verhältnismäßig wäre auch die Anwendung polizeilicher Mittel gewesen. Glücklicherweise haben sich viele Polizistinnen und Polizisten in der jeweiligen Situation angemessen verhalten. Besonders nett war die Geste der bonbonwerfenden Polizistinnen am Dienstag am Verladekran.
Es stellt sich aber die Frage: Warum hat es schon eine Stunde nach der Räumung 15 Verletzte gegeben? Was hat einige Polizisten aus Wiesbaden dazu bewogen, Kinderwagen zu entwenden und mutwillig zu zerstören? Die Kinderwagen wurden vom Kirchenkreis Langendorf dazu eingesetzt, um zu demonstrieren, daß die Atomkraft gegen ihre Kinder gerichtet ist. Vor allem: Was führen vermummte, Knüppel schwingende Polizisten im Schilde? Warum wird das von den Vorgesetzten geduldet? Diese Dinge muß man zur Kenntnis nehmen.
Rolf Köhne
Abschließend möchte ich Ihnen noch eine Analogie aus dem Verkehrsrecht vermitteln: Wer vorsätzlich einen Unfall herbeiführt, indem er auf sein Vorfahrtsrecht pocht, der macht sich selbstverständlich mitschuldig. Genau das tun Sie, meine Damen und Herren von der Koalition. Sie fahren mit Ihrer Holzhammerenergiepolitik die Demokratie vor den Baum. Atomkraft abschalten und Steinkohle finanzieren wäre das Gebot der Stunde.
Das Wort hat jetzt der Kollege Wolfgang Zeitlmann.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir reden über das Thema Castor-Transporte. Die Notwendigkeit dieser Transporte ist nach geltender Rechtslage unbestritten und eindeutig:
Deutschland ist völkerrechtlich verpflichtet, das Problem der Entsorgungsabfälle aus der Wiederaufbereitung deutscher Brennstäbe in nationaler Verantwortung zu lösen.
Gorleben ist derzeit einziges Zwischenlager in Deutschland. Für einen anderen Standort laufen Genehmigungsverfahren. Weder vom Transport noch vom Zwischenlager geht Gefahr aus.
Kernenergiegegner wollen die Bundesregierung zu einer anderen Energiepolitik erpressen. Über zukünftige Energiepolitik muß diskutiert werden. Dies wird durch gewalttätige Demonstrationen mit Sicherheit erschwert.
- Durch friedliche mit Sicherheit nicht.
Wir haben im Laufe des Jahres etwa 80 Transporte von Kernbrennstoffen; Transporte, die bis auf einen Anteil von ein bis zwei Prozent problemlos ablaufen. Mir kann doch niemand erklären, daß jeweils ein ganz bestimmter Transport pro Jahr spontan und ganz zufällig herausgegriffen wird. Es ist doch eine politische Absicht damit verbunden,
Druck auf das politische Geschehen in Bonn auszuüben.
Die Demokratie lebt vom Gegensatz politischer Meinungen. Meinungsfreiheit muß gewährleistet sein. Rechtsbruch, insbesondere der organisierte, ist
Herausforderung für Demokratie und Staat. Es ist unerträglich, unserer Rechtsordnung mit Gewalt entgegenzutreten. Das Gewaltmonopol des Staates darf nicht in Frage gestellt werden. Gewalttäter, die Schienen zersägen, Bahndämme unterminieren, Krampen auf Oberleitungen werfen und Polizisten verletzen, müssen die Konsequenzen durch Polizei und Justiz zu spüren bekommen.
Was wir derzeit in Bonn erleben, ist eine Demonstration von Betroffenen, die sicherlich um ihren Arbeitsplatz Angst haben.
Das ist das eine. Aber niemand versteht die Verwaltung des Landes NRW, die eine Blockade von Straßen zuläßt, die um das Regierungsviertel führen.
- Herr Kollege Fischer, heute ist das Thema die Situation in Bonn.
Es kann doch niemand behaupten, daß die Absicht nur in der Anhörung der Meinungen von Betroffenen liegt. Die Absicht ist doch vielmehr, Druck auf Bonn auszuüben. Ich halte es für die einzig richtige Antwort der Bundesregierung, diese Gesprächsrunde abzusagen, solange es einen solchen Druck der Straße gibt.
Ich habe die Demonstration der Postleute vor einigen Wochen in Bonn erlebt. Sie ist einwandfrei abgelaufen; dagegen ist nichts zu sagen. Ich sehe nicht ein, wieso ich mich als frei gewählter Abgeordneter auf meinem Weg ins Parlament ausweisen muß,
weil ein Polizeipräsident nicht in der Lage ist, dieses Parlament frei schalten und walten zu lassen.
Die Verletzung der Bannmeile und Sachbeschädigungen sind nicht einfach so hinzunehmen. Es ist kein Vorgang, den man unter Hinweis auf freie Meinungsäußerung rechtfertigen könnte.
Ich habe auch überhaupt kein Verständnis für folgendes: Ich habe im Fernsehen sehr wohl gesehen, daß du, Günter Graf, gestern mit deinem Fraktions-
Wolfgang Zeitlmann
vorsitzenden munter zu den Demonstranten hinmarschiert bist.
Dabei wußtest du sehr wohl, daß diese Verletzung der Bannmeile und diese Sachbeschädigungen stattgefunden haben. Es hätte euch gut angestanden, deutlich zu unterscheiden.
- Ich habe kein Wort der Distanzierung mitbekommen.
- Ich sage noch einmal: Es sind zwei Paar Stiefel - da können Sie noch so sehr brüllen -, ob jemand friedfertig demonstriert oder ob er blockiert, die Bannmeile verletzt und Sachbeschädigungen begeht.
Wenn wir uns nicht mehr darum bemühen, daß diese Trennlinie beachtet wird, dann wird es dunkel in diesem Lande.
Herzlichen Dank.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich habe nochmals die herzliche Bitte, sich mit den Zwischenrufen etwas zurückzuhalten. Zwischenrufe beleben die Debatte. Aber wenn es so viele sind, daß es nur noch ein Chor wird und man nichts mehr versteht, dann ist die Grenze erreicht.
Jetzt hat das Wort der Kollege Hans-Peter Kemper.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Lieber Kollege Zeitlmann, es kann überhaupt gar kein Zweifel daran bestehen, daß wir gemeinsam dafür Sorge tragen müssen, daß die Demonstrationen friedlich verlaufen. Ich denke, der Polizeipräsident und die Polizei haben maßgeblichen Anteil daran, daß die Demonstrationen bisher friedlich gewesen sind. Dafür gebührt ihnen unser Dank.
Ich möchte aber noch einmal auf die Aussagen von Herrn Westerwelle zurückkommen. Sie haben mich einigermaßen geschockt. Herr Westerwelle, Sie kritisieren diese Demonstrationen; Sie versuchen, sie zu kriminalisieren. Nun mögen Sie dafür einen guten
Grund haben. Ich bin nämlich der Meinung: Sie haben allen Grund, in dieser Situation ein schlechtes Gewissen zu haben.
Denn diese Demonstrationen, die hier heute stattfinden, sind die Folgen Ihrer herzlosen Politik, die Sie seit Jahren betreiben; sie sind die Folgen Ihrer Abbruchpolitik.
Sie gehen noch einen Schritt weiter: Sie versuchen, die Opfer, die Sie mit Ihrer Politik geschaffen haben, zu Tätern zu machen. Das ist zutiefst unsozial und zutiefst mies.
Wo waren Sie denn gestern, als Zehntausende von Bergleuten auf der Straße waren und für ihre Arbeitsplätze demonstrierten, in voller Angst um ihre Arbeitsplätze? Da wurden Sie nicht gesehen. Eine andere Sache ist es natürlich, sich hinzustellen und in den Medien schlaue Sprüche abzulassen oder hier im Parlament den Scharfmacher abzugeben. Das ist einfacher, als sich mit den Kumpeln vor Ort zusammenzusetzen und über deren Sorgen und Ängste zu reden.
Das, was wir zur Zeit in bezug auf die Kohlepolitik und die Castor-Transporte erleben, ist die Folge einer nicht abgestimmten Regierungspolitik.
Ich sage Ihnen: Sie haben es bisher immer wieder versäumt, in diesen Fragen einen Konsens mit der Bevölkerung herzustellen. Das, was wir zur Zeit in Berlin und in Bonn erleben, ist die Folge davon.
Wir haben die Bilder doch noch vor Augen: 30 000 Polizisten mußten den Castor-Transport in Gorleben schützen. Ich weiß aus meinem eigenen dienstlichen Erleben, daß eine Vielzahl von Polizisten - da kann ich den Kollegen Graf nur unterstützen - der Atomenergie und diesen Transporten sehr differenziert gegenübersteht und durchaus Ängste hat, an diesen Einsätzen teilzunehmen. Dennoch verhalten sich diese Polizisten gesetzestreu und machen bei diesen
Hans-Peter Kemper
Einsätzen mit. Ich denke, hierfür gebührt ihnen unser Dank in ganz besonderer Weise.
Herr Kanther, Sie haben in der letzten Woche bei unserer Diskussion die Gesetzestreue der Bürger angemahnt. Ich unterstütze Sie voll in diesem Bemühen. Ich komme aus einem Wahlkreis, in dem es ein Zwischenlager gibt. Herr Kollege Zeitlmann, nicht nur Gorleben hat ein Zwischenlager, sondern auch Ahaus hat ein Zwischenlager, in dem mittlerweile 305 Castor-Behälter aus dem THTR in Hamm eingelagert sind. Das sage ich, damit Sie darüber Bescheid wissen.
Die Transporte nach Ahaus und die dortigen Einlagerungen sind bisher alle friedlich verlaufen. Es hat überhaupt keine Probleme gegeben. Aber derzeit laufen Bemühungen, Ahaus unheimlich aufzurüsten. Die Kapazitäten sollen um ein Vielfaches vergrößert werden. Es besteht die Gefahr, daß es in Zukunft eine Vielzahl von Transporten geben wird.
In dieser brisanten und aufgeheizten Situation geht Frau Merkel hin und versucht, den Standort Ahaus in die Lagermöglichkeiten für den Kalkarer Kern, für die hochangereicherten, fabrikneuen Brennelemente aus Kalkar, einzubeziehen,
obwohl ganz klar ist, daß die Betreibergesellschaft eine private ist und Frau Merkel daher überhaupt keine Weisungsbefugnis hat - es sei denn in einem Notstand.
Die Betreibergesellschaft hat klar erklärt: Sie wird den Kalkarer Kern nicht einlagern. Sie hat sich gegenüber der Stadt Ahaus vertraglich gebunden. Frau Merkel, das müssen Sie wissen, und das wissen Sie auch. Wenn Sie dennoch solche Forderungen erheben, dann gefährden Sie die innere Sicherheit, und Sie zerschlagen politisches Porzellan. Das wird dann wieder auf dem Rücken der Polizei ausgetragen.
Ich kann Ihnen nur sagen, Frau Merkel: Kehren Sie um! Noch ist Ahaus nicht Gorleben. Auf Dauer läßt sich eine solche Politik gegen die Mehrheit der Bevölkerung nicht durchsetzen. Sie überfordern die Gesellschaft und die Polizei und erweisen so unserem gemeinsamen Bemühen um die Stärkung der inneren Sicherheit einen Bärendienst.
Ich danke Ihnen.
Das Wort hat jetzt der Kollege Dietmar Schlee.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In diesem
Land muß Schluß sein mit politisch motivierter Gewalt.
Fast 100 Prozent der Bevölkerung - das können Sie Umfragen entnehmen - sind dieser Auffassung. Trotzdem: Bilder militanter, brutaler Chaoten - Gorleben macht das deutlich - gehen um die Welt und verdüstern das Bild unseres Landes.
Manche Medien spielen der Einschaltquoten wegen Bürgerkrieg.
Man fragt sich unwillkürlich: Was denkt ein Unternehmer in Amerika, in Südostasien, in anderen Teilen der Welt, der überlegt, in Europa zu investieren, wenn er Abend für Abend diese Bilder sieht?
Er wendet sich mit Grausen ab
und investiert in England und in Frankreich. Das sollte Sie beunruhigen, meine Damen und Herren.
Gerade wenn es um Arbeitsplätze geht - Sie haben das in den Mittelpunkt Ihrer Ausführungen gestellt -, muß Gewalt in diesem Lande ein Ende haben.
Ich will ein Wort zu den Bergarbeitern sagen, die hier ihre Sorgen und Nöte zum Ausdruck bringen. Dagegen hat niemand etwas. Nur diejenigen, die gewalttätig werden,
schaden der Sache. Das Land Nordrhein-Westfalen - lassen Sie mich das doch in großer Ruhe sagen - hat hier eine ganz große Verpflichtung. Es geht um essentielle Anliegen dieses Landes. Wenn dies aber so ist, muß auch der böse Schein vermieden werden, daß man dabei mit unterschiedlichen Maßstäben mißt.
In Düsseldorf gab es eine Kinder- und Elterndemonstration. Dabei ging es um Kindergartenbeiträge.
Da hat die nordrhein-westfälische Landesregierung auf der Bannmeile bestanden. Nur damit Sie das einmal wissen.
Dietmar Schlee
Ich sage Ihnen - ich wende mich an diejenigen, die als Aufwiegler unterwegs sind -: Glauben Sie nicht, daß die Bevölkerung dies alles nicht erkennt! Die Bevölkerung weiß natürlich, wer mit den Sorgen und mit den Nöten aus parteipolitischen Gründen spielt.
Sie werden für das, was Sie tun, Steine statt Brot bekommen. Das ist meine feste Überzeugung.
Ich sage ein Wort zu denen, die sich draußen so radikal gebärden. Die Geschichte lehrt, daß diejenigen, die sich jetzt radikal gebärden, in einer zweiten Phase von noch Radikaleren überrollt werden. Auch dies sollten Sie sich überlegen, wenn Sie hier solche Sprüche loslassen, wie Sie dies tun.
Ich sage Ihnen mit großem Ernst: Demokraten mit Augenmaß sind jetzt gefordert.
Es muß mit der Pseudokultur der Betroffenheit Schluß sein. Da trägt jemand seine Betroffenheit vor sich her und meint, er könne einen Ausnahmezustand frei von Recht und Gesetz installieren. Das haben wir viel zu lange in dem Land zugelassen.
Immer wieder wird beschönigend von „Regelverletzungen" gesprochen. Es sind Rechtsbrüche und nichts anderes. Das muß deutlich gemacht werden.
Es ist davon die Rede, daß wir eine unerwünschte Energiepolitik betreiben. Die Mehrheit der Bevölkerung ist für diese Energiepolitik.
Ich wende mich an die SPD und an die zwei Kollegen, die hier gesprochen haben: Es muß in diesem Lande doch einen Konsens geben, daß wir, wenn Gewalttäter Demonstrationen und Bürgerproteste ausnützen, zu einem Gesetz kommen, bei dem wir beide Gruppen trennen können. Es muß doch möglich sein, so etwas zu erreichen, bevor es bei solchen Veranstaltungen Tote gibt.
Herr Abgeordneter, bitte kommen Sie zum Schluß.
Ich komme zum Schluß.
Herr Kollege Graf, Herr Kollege Kemper, es muß doch möglich sein, daß wir uns darüber unterhalten, ob Rädelsführer, ob solche, von denen Gewalt ausgeht, nicht früher in Gewahrsam genommen werden können, ob wir nicht schneller zu Unterbringungsgewahrsam in diesem Lande kommen.
Jetzt müssen Sie aber aufhören.
Wenn gewalttätige Demonstranten in dem Lande Schaden anrichten, dann muß es eine Möglichkeit geben, diese Leute schadensersatzpflichtig zu machen. Ich sage Ihnen dies mit großem Ernst.
Frau Präsidentin, mein letzter Satz:
Nein, jetzt gibt es keinen letzten Satz mehr.
Ich bin der festen Überzeugung, daß 100 Prozent der Bevölkerung der Meinung sind, daß in diesem Land die Mißstände beseitigt werden müssen, und zwar jetzt.
Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Arne Fuhrmann.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Vor einer Woche etwa um die gleiche Zeit war ich, als ich nach Hause kam
- ich wohne ungefähr 70 Kilometer von Dannenberg entfernt -, dankbar. Ich war dafür dankbar, daß nicht mehr passiert war, als ich selbst erlebt habe. Ich war dem lieben Gott dafür dankbar, daß außer etwa 300 Verletzten auf beiden Seiten nicht mehr - in Anführungsstrichen - zu beklagen war.
- Wenn das für Sie nicht interessant ist, dann empfehle ich Ihnen hinauszugehen und draußen mit den Bergleuten darüber zu sprechen, was eigentlich in diesem Land interessant ist.
Ich finde, es ist unglaublich, daß das Anliegen der Menschen, um die nicht nur ich, sondern zig meiner Kolleginnen und Kollegen in den letzten Tagen der vergangenen Woche gebangt haben, für Sie uninteressant ist.
Ich finde das erstaunlich und ungeheuerlich.
Arne Fuhrmann
Dem BGS und der Polizei muß man ein Kompliment machen. Anders als in den Jahren 1995 und 1996 war ihre Strategie in erster Linie auf Deeskalation ausgerichtet. Ich habe das an der Bahnstrecke zwischen Lüneburg und Dannenberg und am Verladekran während zweier Nächte und eines Tages erlebt. Leider ist das Konzept nicht aufgegangen.
Es gab Einsatzleiter und Beamte und Beamtinnen, die es einfach nicht fertigbringen konnten, sich mit denen, die in Dannenberg friedlich saßen, sangen und die Nächte aushielten, so auseinanderzusetzen, daß sie deren Anspruch aus Art. 8 Grundgesetz respektieren konnten. Das war die Minderheit.
- Herr Grill, hören Sie besser zu, dann können Sie wieder reden.
Es war die Minderheit bei der Polizei und beim BGS, aber es war die Mehrheit der Demonstranten, die sich daran gehalten hat, sich diesem Staat gegenüber trotz einer anderen Grundeinstellung loyal zu verhalten und das Recht innerhalb dieses Systems wirklich als Recht zu artikulieren und sich entsprechend zu verhalten. Das war nicht einfach.
Demjenigen, der nachts um 5 Uhr bei minus 6 Grad von einem Wasserwerfer traktiert wird und der einen Knüppel abbekommt, obgleich er mit erhobenen Händen vor der Staatsgewalt steht, fällt es nicht leicht, keine Steine zu werfen; ihm fällt es nicht leicht, die Polizei nicht mit Worten zu traktieren. Dennoch haben die Menschen dort durchgehalten.
Sie haben die Autonomen und Chaoten angeführt. Diese habe ich mir angesehen. Ich habe den Trennstrich gesehen. Unter diesen Chaoten, wie Sie sie nennen, waren vorrangig Kinder, Jugendliche, Fünfzehnjährige, Sechzehnjährige,
von denen sich diese Gesellschaft und diese Koalition distanzieren. Sie distanzieren sich von den Kindern, die in dieser Gesellschaft, zu Hause, in ihrem Elternhaus, in der Schule und bei dem Versuch, einen Arbeitsplatz zu bekommen, sowieso außen vor sind. Man distanziert sich, man reicht ihnen nicht die Hand, man hilft ihnen nicht.
Sie distanzieren sich heute genauso, statt dahinterzukommen, daß Sie vielleicht Ihre Politik ändern müssen, damit es irgendwann keine jungen Leute mehr gibt,
die sich mit Gewalt gegen das auflehnen, was sie als
Unrecht empfinden. Das treffen sie nicht nur beim
Castor-Transport an, sondern das treffen sie auch bei
großen Sportveranstaltungen an und dort, wo Volksfeste stattfinden und sich größere Gruppen ansammeln.
Die Hochachtung und der Respekt, den ich empfinde, wenn ich die Menschen im Wendland und deren Grundeinstellungen jetzt und vorher sehe, ist etwas ganz anderes. Das sind Menschen, die für ihre Meinung stehen. Sie stehen dafür, daß sie Verantwortung übernehmen.
Anders als Sie, Frau Rönsch. Sie können auf Ihrem Platz noch soviel krakeelen, das irritiert mich nur insofern, da ich Ihnen etwas von meiner kostbaren Zeit widmen muß. Ansonsten wäre mir das ziemlich Wurscht. Denn das, was Sie alle verkünden, könnte denen, die rechtsstaatlich denken, und denen, die in diesem Lande verantwortlich denken und fühlen, im Grunde genommen ziemlich egal sein. Nur, leider haben Sie die Mehrheit. Das ist das Problem.
Das merken die Ruhr- und die Saar-Kumpel, das merken die Bauarbeiter in Berlin, und das merken die Menschen im Wendland. Ich kann Ihnen ziemlich sicher sagen: Wenn Sie so weitermachen, dann können Sie sich an allen fünf Fingern abzählen, wie lange Sie diese Mehrheit noch haben. Die Menschen sind nicht mehr so dumm und töricht, daß sie den Schlachter wählen, der das Messer bereits gewetzt hat.
In diesem Sinne wünsche ich meinem Nachredner - ich ahne schon, wer das ist - viel Vergnügen, sich mit mir auseinandersetzen zu dürfen.
Danke schön.
Das Wort hat jetzt Eckart von Klaeden.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich will deutlich sagen, daß ich den Rednern der Opposition HansPeter Kemper und Günter Graf ihr Engagement, ihre Anteilnahme im Hinblick auf die Polizisten durchaus abnehme. Die Glaubwürdigkeit dieses Engagements und dieser Anteilnahme sind selbstverständlich, wenn man sie persönlich kennt und weiß, daß sie ehemalige Polizisten sind.
Aber gerade vor diesem Hintergrund, muß ich sagen, ist die Rede von Herrn Fuhrmann unerträglich gewesen.
Eckart von Klaeden
Es ist unerträglich, wie er versucht hat, die Polizisten für die Ausschreitungen verantwortlich zu machen.
Es ist scheinheilig, wenn man bedenkt, daß Ihre Parteifreunde vor Ort dafür gesorgt haben, daß der Polizei keine Turnhallen zur Unterbringung zur Verfügung gestellt wurden, daß man ihr die Nutzung von Wasser und den Zugang zur kommunalen Feuerleitzentrale verweigert hat. Das ist die Politik der Sozialdemokraten vor Ort.
Wir erleben es in Niedersachsen immer wieder, daß Sie als Mister Hyde versuchen, jeden Widerstand für sich in Anspruch zu nehmen, und gleichzeitig als Dr. Jekyll so tun, als wollten Sie den Rechtsstaat verteidigen. Im Dreiklang aufhetzen, tolerieren und dann dem politischen Gegner die Schuld geben.
Ich will das einmal an Zitaten nachweisen. 1991 hieß es in einem Aufruf der niedersächsischen Landesregierung:
Geht auf die Straße! Leistet Widerstand! Unterstützt den Ministerpräsidenten Niedersachsens bei seinen Gesprächen in Bonn!
Am 12. November 1994 erklärte derselbe Ministerpräsident in der „Elbe-Jeetzel-Zeitung" wörtlich zur Verhinderung des Castor-Transports:
Wir haben diesen Kampf aufgenommen, obwohl wir wußten, daß uns das geltende Atomrecht in der juristischen Auseinandersetzung so gut wie keine Chance läßt.
Die Jungsozialisten haben auf ihrem letzten Bundeskongreß in Hannover einen Aufruf gegen den bevorstehenden Castor-Transport verabschiedet. In einem entsprechenden Antrag stand das Wort „gewaltfrei" . Unter dem tosenden Applaus des ganzen Kongresses ist das Wort „gewaltfrei" aus dem Antrag herausgestrichen worden.
Den vorläufigen Höhepunkt erreichte der Sprecher des niedersächsischen Innenministeriums am 4. März 1997 mit seiner Erklärung - ich zitiere wörtlich -:
Die Befürworter des Atommülltransports nach Gorleben führen einen Krieg gegen die Bevölkerung.
Der Gipfel der Scheinheiligkeit ist erreicht, wenn nun von der SPD gefordert wird, den Bund und die Stromfirmen für den Polizeieinsatz bezahlen zu lassen.
Die Durchsetzung des Rechts darf in Deutschland aber keine Privatsache werden.
Wir wollen nicht, daß die innere Sicherheit nur noch denen gewährt wird, die sie bezahlen können.
Zu den Berechnungen des niedersächsischen Innenministeriums stellt „Der Spiegel" übrigens fest:
- Hören Sie ruhig einmal zu, was „Der Spiegel" dazu schreibt.
In ihrer betriebswirtschaftlichen Rechnung lassen die Buchhalter des niedersächsischen Innenministeriums außer acht, daß die Polizisten in ihrer für den Dienst an Castor anfallenden Arbeitszeit auch sonst Gehalt bekommen würden.
„Ein kluger Rechtsstaat geht mit dem Kopf nicht durch jede Wand", hat der niedersächsische Innenminister Glogowski hier vor kurzem erklärt.
Richtig ist aber vor allem: Eine rechtstreue Regierung legt dem Rechtsstaat keine Hindernisse in den Weg.
Jetzt einmal eine von deutschen Gerichten verifizierte Zahl
- hören Sie ruhig einmal zu, Herr Kollege Tauss -: Mindestens 83 Millionen DM sind an Kosten für den niedersächsischen Steuerzahler durch den vorsätzlichen Rechtsbruch der niedersächsischen Landesregierung und insbesondere der dortigen Umweltministerin Griefahn entstanden. Wenn Sie mit demselben Engagement die Kosten des vorsätzlichen Rechtsbruchs bekämpfen würden, wie Sie jetzt die Kosten für den Polizeieinsatz beklagen, dann wäre schon viel gewonnen.
Zum Schluß will ich Ihnen noch einmal etwas aus dem niedersächsischen Verfassungsschutzbericht vorlesen, den der dortige Innenminister, Herr Glogowski, herausgegeben hat:
Diese militante linksextremistische Szene hat sich in den letzten Monaten besonders auf die Verhinderung der umstrittenen Castor-Transporte von La Hague in das Zwischenlager Gorleben konzentriert. Sie erhofft sich hiermit vor allem Zuspruch aus Bevölkerungskreisen, mit denen sie bisher keinen Kontakt hatte.
Seien Sie etwas wählerischer mit denjenigen, mit denen Sie sich zeigen, damit wir erkennen können, daß Sie diejenigen sind, die Sie vorgeben zu sein.
Das Wort hat jetzt Bundesminister Manfred Kanther.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Als erstes
Bundesminister Manfred Kanther
muß seitens der Bundesregierung der Polizei von Bund und Ländern Dank für einen ebenso besonnenen wie entschiedenen Einsatz gesagt werden.
Es ist schon ein beachtlicher Zynismus, Frau Müller, wenn Sie eben die Friedfertigkeit der Abläufe in Gorleben beschrieben haben und wir 100 verletzte Polizisten zu beklagen haben - von den Demonstranten und Chaoten und Gewalttätern abgesehen, die sich in diese Situation selbst gebracht haben, während die Polizisten dort ihren Auftrag im Interesse des Staates und aller Bürger wahrnehmen. Ich bekunde diesen verletzten Polizisten unsere besondere Solidarität.
Der Rechtsstaat hat eine wichtige Probe bestanden. 665 Straftaten sind in Niedersachsen rund um Gorleben begangen worden,
630 Strafanzeigen wegen Landfriedensbruch. Das ist die Friedfertigkeit im Sinne der Grünen. Ich hoffe nur, daß die Justiz in der Nacharbeit, die ihr jetzt obliegt, auch in der Umgebung von Gorleben versteht, daß sie ein wichtiger Baustein in der Sicherheitsstruktur unseres Rechtsstaats ist.
Die Landesregierung in Niedersachsen hat sich darin gefallen, immer wieder alle Zahlen, die in diesem Zusammenhang eine Rolle spielen, nach oben zu treiben. Nun ist es im Prinzip nicht sonderlich wesentlich, ob zirka 22 000 oder 30 000 Polizeibeamte im Dienst sein mußten. Aber was sollen die Übertreibungen? Es ist schlimm genug, wenn 10 oder 20 Millionen DM aufgewendet werden müssen. Aber was soll es, daß von 47 oder 100 Millionen DM aus dem Bereich der niedersächsischen Landesregierung gesprochen wird, und zwar mit dem Ziel, der allgemeinen Öffentlichkeit weiszumachen, dieses könne sich der Rechtsstaat schließlich irgendwann nicht mehr leisten?
Wieviel kann er sich denn für seine Verteidigung leisten?
Der Bundesgrenzschutz kann sich, mit etwa der Hälfte der Beteiligten eingesetzt, die 9,5 Millionen DM leisten, die er als Bahnpolizei aufbringen mußte, auch die etwa 2 bis 3 Millionen DM zusätzliche Kosten, die im Einsatz des Landes Niedersachsen entstanden sind. Er muß sie sich auch leisten, wenn der Rechtsstaat nicht vor solchen Provokationen einknikken soll.
Die Sozialdemokraten müssen begreifen, daß es in einigen Bereichen ein klares Gesicht zu haben gilt und nicht ein Doppelgesicht.
Wenn aus der Landesregierung Niedersachsen zugleich der Einsatz von Zehntausenden von Polizisten befohlen und koordiniert wird, dann kann man nicht die Grundlage dieses Einsatzes im gleichen Atemzug als Unfug oder als Krieg gegen die eigene Bevölkerung bezeichnen.
Ihr fehlendes Augenmaß ist unerträglich, wenn Sie zur gleichen Zeit einem jungen Polizisten die Notwendigkeit seines Einsatzes vermitteln wollen und müssen und ihm gleichzeitig erklären - wie es der Pressesprecher des Innenministers getan hat -, daß Sie das Ganze als Atommist der Bundesregierung bezeichnen. Das kann nicht in einen Kopf gehen.
Deshalb müssen Sie sich klar entscheiden.
Es ist ein großer Mangel sozialdemokratischer Politik nicht nur in Gorleben - das war an der Startbahn in Frankfurt oder in Brockdorf nicht anders -,
daß Sie immer wieder differenzieren, ob nicht vielleicht ein Stückchen Rechtsbruch unter besonderen Gesichtspunkten gerade eben noch zu ertragen wäre. Nur das ist der Zusammenhang mit gestern. Die Antwort der demokratischen Partei SPD auf zerstörte Fensterscheiben in der Parteizentrale einer anderen demokratischen Partei hätte der Ausdruck aufrichtigen Bedauerns sein sollen und nicht eine Art Aufruf: Kameraden, das ist nicht so schlimm!
Es ist ein Riesenunterschied zwischen dem, was da und dort an Gewalttätigkeit passiert ist. Das ist wohl wahr. Aber es gehört zum klaren Gesicht, daß man sie nie akzeptiert und auch nie herabredet.
Es gibt keine Gewalt gegen Sachen und Gewalt gegen Personen. Der Gewaltbegriff ist einheitlich. Auch keine Pseudointellektuellen bei den Grünen sind berechtigt, sich ihren eigenen Gewalt- und Widerstandsbegriff zu basteln, wie sie es seit zwei Jahrzehnten tun.
Wir fordern Klarheit bei der Abgrenzung von jeder Form von Gewalt und Rechtsbruch. Wir fordern darüber hinaus - das ist ein wichtiger Aspekt für die gegenwärtige Situation um die Kohlesubventionen -,
Bundesminister Manfred Kanther
daß dort, wo man verhandeln will, nicht Druck und Blockade erzeugt wird, sondern daß über Positionen verhandelt wird, in beiderseitiger Freiheit. Das ist der Grund, weshalb die Bundesregierung und der Bundeskanzler die Verhandlung unter Druck abgelehnt haben.
Der Gewerkschaftsvorsitzende Berger hat besser begriffen als die ganze Führung der SPD zusammen, daß das so nicht sein kann.
Deshalb fordern wir dazu auf, daß aus der Position der unbedingten Rechtsstaatlichkeit heraus die notwendigen Entscheidungen für dieses Land getroffen werden und daß nicht differenziert wird zwischen ein bißchen mehr und ein bißchen weniger Rechtsbruch und ein bißchen mehr illegalem Druck und ein bißchen weniger. Sie werden sich daran gewöhnen müssen, daß wir auf dieser klaren Grenzziehung ganz deutlich bestehen.
So wie wir keine Freude an Auseinandersetzungen wie in Gorleben haben - wir bedauern sie wegen der Bilder ebenso wie wegen der Opfer - und sie wahrlich nicht suchen,
so muß sie der Rechtsstaat doch aufnehmen, wenn sie ihm aufgezwungen werden. Das wird er auch weiterhin tun.
Danke.
Das Wort hat jetzt der Kollege Otto Schily.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Kollegen! Die Rechtsstaatspartei SPD in der Tradition von Adolf Arndt und Gustav Heinemann hat von niemandem Belehrungen darüber nötig,
daß das Gewaltmonopol des Staates selbstverständlich nicht angetastet werden darf, daß Demonstrationen friedlich verlaufen und daß Gewalttätigkeiten unterbunden werden müssen.
Aber wenn Sie jetzt über Verletzungen der Bannmeile, über Sitzblockaden und ähnliches reden, man muß sich schon einmal die Frage stellen, wie Sie sich eigentlich in anderen Fällen verhalten haben. Herr Kanther, als ein Rindvieh in der Bannmeile war, da haben Sie nichts in dieser Richtung gesagt.
Als Franz-Josef Strauß sich persönlich bei den Spediteuren und Lastkraftwagenfahrern eingefunden hat, da hat Herr Zeitlmann hier auch nichts zur Sprache gebracht.
Aber, meine Damen und Herren, ich will Ihnen eine viel wichtigere Frage stellen. Die Einsichtigeren unter Ihnen bitte ich, diese Frage sehr ernst zu nehmen, weil Sie doch Wert darauf legen, daß wir zwischen den Friedlichen und den Gewalttätigen unterscheiden.
- Wer meint, mich als einen Scharlatan qualifizieren zu sollen?
- Ach, der Pfarrer Hintze. Sie sind ja derjenige, auf den der Vorwurf zurückfällt. Auf Sie fällt der nun wirklich zurück!
Überlegen Sie sich doch einmal ernsthaft eine Frage. Hätten Sie die Aktuelle Stunde eigentlich wegen des Anliegens der friedlichen Demonstranten aus dem Bergbau und dem Baugewerbe beantragt? Nein, Sie hätten dann keine Aktuelle Stunde beantragt.
Das Anliegen der friedlichen Demonstranten ist Ihnen völlig gleichgültig.
Was geht eigentlich in den Menschen im Lande vor? Was glauben Sie eigentlich, was da erreicht worden ist und welche Bannmeilen da längst verletzt worden sind, wenn es um die Existenz der Menschen in Regionen mit manchmal 30 bis 40 Prozent Arbeitslosigkeit geht? Da ist eine Bannmeile überschritten. Man muß bewundern, wie friedlich die Menschen in diesem Lande noch demonstrieren.
Das muß man bewundern!
Sie haben doch überhaupt keine Ahnung mehr, was im Volke vorgeht. 5 Millionen Arbeitslose in die-
Otto Schily
sem Lande - das ist demokratiegefährdend! Dafür sind Sie verantwortlich!
Wenn Sie auf diesem Wege fortfahren, dann sage ich Ihnen: Sie haben überhaupt keine Überzeugungskraft mehr für Ihre Politik. Herr Kanther, Sie können doch wohl nicht glauben, daß wir die Verantwortung haben, für Ihre verfehlte Politik auch noch junge Polizeibeamte zu indoktrinieren.
Es ist doch nicht die Sache der Polizeibeamten, Ihre verfehlte Politik zu vertreten. Im Gegenteil: Gerade die Gewerkschaft der Polizei hat ein großes Verdienst daran, daß die Demonstrationen weitgehend friedlich verlaufen sind. Reden Sie einmal mit Vertretern der Gewerkschaft der Polizei! Die fragen auch: Warum müssen wir eigentlich unseren Buckel dafür hinhalten, daß Sie diese verfehlte Politik betreiben? So sieht es doch aus.
Mit Ihrer Politik der Zerstörung des sozialen Konsenses zerstören Sie auch den inneren Frieden dieser Republik! Das ist die Wahrheit.
Darüber müssen Sie einmal reden. Darüber muß der Pfarrer Hintze einmal reden, der sein christliches Glaubensbekenntnis nur als Kulisse vor sich herträgt.
Hören Sie doch auf die Kumpels! Wir waren gestern auf der Demonstration - selbstverständlich. Ich habe niemanden von Ihnen gesehen. Warum mischen Sie sich nicht einmal unter das Volk?
Die Kumpels haben gestern gesagt: Wir sind das Volk! - Natürlich waren auch bei der friedlichen Revolution in den neuen Bundesländern Demonstranten auf der Straße und haben den Verkehr blockiert.
Sie können hier doch nicht die Verletzung von Verkehrsvorschriften hochstilisieren, anstatt die Fragen, um die es geht, ins Zentrum zu rücken.
Haben Sie jedes Empfinden dafür verloren, welches Gefühl der Ohnmacht und der Verzweiflung in den Familien vorhanden ist, deren Arbeitsplätze gefährdet sind und denen Sie immer mit diesen Diskussionen kommen?
Warum machen Sie nicht einmal in Ihren Herzen, in Ihren Köpfen für die Gefühle und die Gedanken dieser Menschen Platz?
Sind Sie so verbohrt und so verrammelt im Kleben an Ihrer politischen Existenz, daß Sie dafür gar kein Gespür und kein Gehör mehr haben?
Diese Regierung, diese Koalition ist schwerhörig gegenüber den Problemen dieses Landes geworden.
Deshalb ist das beste und die richtige Antwort auf das, was Sie hier heute geboten haben, daß die Regierung abdankt, daß Sie sich endlich aus Ihren Ämtern verabschieden, damit in das Land wieder Frieden einkehren kann.
Das Wort hat jetzt der Kollege Kurt-Dieter Grill.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Fischer, es gibt einen schönen Spruch: Bevor Sie den Mund aufmachen, schalten Sie das Gehirn ein. Dann könnte es bei Ihnen besser werden.
Erstens. Herr Schily, bei dem, was Sie hier in das Mikrophon gebrüllt haben, könnte man sagen: Sie haben mehr Angst um Ihre Wiederwahl zum stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden gehabt als um das Schicksal der Kumpel draußen in Sachen Kohle.
Das, was Sie hier geboten haben, kann doch im Zweifelsfall nicht als Rechtfertigung für das dienen, was da draußen und an anderer Stelle teilweise stattfindet und was in Gorleben stattgefunden hat.
Kurt-Dieter Grill
Ihr Vorwurf der Gleichgültigkeit, der in der Sache vollkommen danebengeht, kann nicht rechtfertigen,
daß jemand die Grenzen des Demonstrationsverbotes und des Rechtsstaates überschreitet. Es gibt in diesem Land keinen Anlaß und keine Begründung dafür,
es sei denn, man ginge so weit, wie das Frau Müller heute versucht hat. Wenn man sich einmal durch den Kopf gehen läßt, daß Sie hier gesagt haben, diese Regierung habe die Grenze des Rechtsstaates überschritten, dann fragt man sich, ob das sozusagen implizieren soll, daß wir uns auf einem Wege außerhalb der Demokratie befinden. Damit rechtfertigen Sie dann das Widerstandsrecht und den Begriff des Regierungssturzes. Frau Müller, damit sind wir weit über das hinaus, was unsere Grundordnung, unser Grundgesetz, in dieser Auseinandersetzung zuläßt.
Zweitens. Ich will dem Kollegen Kemper eine ganz kurze Antwort geben. Sie haben hier wieder bewiesen - Frau Merkel hat Ihnen in der letzten Sitzungswoche eine eindeutige Antwort zum Zwischenlager Ahaus gegeben -, daß Sie jedesmal etwas Falsches wiederholen: Sorgt dafür, daß die Menschen draußen in Aufregung versetzt werden! Diese Aufregung beklagen Sie dann als mangelnden Konsens in der Bevölkerung.
Sie stellen diese Aufregung als politisches Instrument der Debatte in diesem Hause her.
Drittens. Herr Kollege Fuhrmann, Sie haben in der letzten Debatte gesagt, Sie hätten an keiner Blockade teilgenommen. Abgesehen davon, ich wohne 250 Meter von der Umladestation entfernt. Ich habe Anlaß, zu sagen: Ich weiß, was da los ist.
Ich weiß auch, was viele Menschen in unserem Landkreis erleiden müssen, die das, was sie meinen, auch vertreten, so wie ich das tue.
Herr Fuhrmann, Sie haben in der letzten Debatte gesagt, Sie hätten an keiner Blockade teilgenommen. Ich will Ihnen vorlesen, daß Sie einer von denjenigen sind, die an einer Blockade teilgenommen haben.
Am 29. April 1996 schreibt die „Lüneburger Landeszeitung" über einen Parteitag der SPD:
Schärfe kam in die Diskussion, als Arne Fuhrmann ankündigte, sich beim erwarteten Atommüll-Transport nach Gorleben wie schon 1995 an Sitzblockaden zu beteiligen.
Das zeigt, daß Sie zu denjenigen gehören, die als Abgeordneter das Recht brechen und den Menschen den Eindruck vermitteln, der Rechtsbruch sei in der politischen Auseinandersetzung ein legitimes Mittel.
Wenn der Salondemonstrant Joschka Fischer (Lachen beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
in Lederjacke für eine halbe Stunde zur Demonstration nach Gorleben und anschließend im Nadelstreifenanzug nach London fährt, dann kann ich Ihnen, Herr Fischer, nur sagen: Sie sind ein Pharisäer.
Sie sind jemand, der der Demagogie mächtiger ist als ich. Das gebe ich zu.
Eines will ich Ihnen aber sagen: Es ist schon eine Unverschämtheit, daß Sie hier beredt die Castor-Transporte beklagen und daß gleichzeitig der SPD-Innenminister der rot-grünen Regierung in Hessen vorletzte Woche verkündet, es müsse aus La Hague 110 Transporte nach Gorleben geben, dies sei eine nationale Aufgabe.
Das läßt sich aus dem sicheren Port von Wiesbaden trefflich behaupten! Kommen Sie doch hierher und erklären,
daß Herr von Plottnitz und viele andere in der hessischen Landesregierung das alles vermeiden.
Sie sorgen selber für Transporte, die Sie beredt beklagen.
Kurt-Dieter Grill
Sie sind heuchlerisch. Sie hetzen die Leute auf und beklagen dann das Ergebnis dieser Politik. Das ist die Realität.
Ich sage ein Letztes, meine Damen und Herren: Es hat in der Auseinandersetzung um den Castor-Transport eine Vermischung von friedlichem und gewalttätigem Widerstand gegeben. Das läßt sich nachweisen. Sie können doch nicht behaupten, daß das, was hier vorgetragen worden ist, wahr ist: daß 14-, 15jährige Kinder angeblich die Chaoten sind, die wir hier in die falsche Ecke stellen.
Meine Damen und Herren, 14- und 15jährige Kinder spannen im Wald keine Drähte. In Kniehöhe mag das vielleicht noch angehen, aber nicht in der Höhe von Kehlköpfen, in die Polizisten, die sie verfolgen, reinlaufen sollen. Es kann doch nicht wahr sein, Herr Fuhrmann, daß Sie dieses heute noch rechtfertigen wollen, indem sie erklären, die Chaoten seien Kinder gewesen. Das ist die Realität.
- Ich finde es schön, daß Sie sich darüber aufregen. Genau das habe ich erwartet.
Ich will Ihnen einmal etwas sagen.
Herr Abgeordneter, Ihre Redezeit ist abgelaufen.
Wenn Herr Fuhrmann behauptet, daß die Chaoten Kinder seien, die wir politisch bekämpfen, dann müssen Sie mit der Antwort auf diese Frage fertig werden, meine Damen und Herren. Das ist die Realität.
Ich will ein Letztes sagen. Ich fordere den niedersächsischen Innenminister auf - -
- Regen Sie sich ruhig auf. Es ist der letzte Satz.
Herr Abgeordneter, es tut mir leid, die Redezeit ist zu Ende. Wir müssen die Aktuelle Stunde beenden.
Ich habe noch eine Bitte: „Pharisäer" ist nicht unbedingt ein parlamentarischer Ausdruck; wir sollten uns in Zukunft mäßigen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Aktuelle Stunde ist beendet. Wir sind damit am Schluß unserer heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Donnerstag, den 13. März 1997, 9 Uhr ein.
Die Sitzung ist geschlossen.