Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf: Fragestunde
- Drucksache 13/7013 -
Ich eröffne die Fragestunde mit dem Aufruf des Geschäftsbereiches des Bundesministeriums für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau. Zur Beantwortung ist der Parlamentarische Staatssekretär Joachim Günther anwesend.
Ich rufe zunächst die Frage 1 des Abgeordneten Otto Reschke auf:
Welche Auswirkungen sieht die Bundesregierung durch das Urteil des Bundesarbeitsgerichts in Kassel vom 19. Februar 1997 in Sachen Asbestbelastung im Funkhaus der Deutschen Welle in Köln im Hinblick auf die Funktionsfähigkeit des Senders in seinem jetzigen Funkhaus und den Beschluß des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages, daß die Deutsche Welle in den fertigzustellenden Bonner SchürmannBau einziehen soll, und wie ist die im Bonner „General-Anzeiger" vom 20. Februar 1997 zitierte Aussage der Sprecherin des Bundesministeriums für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau, daß das Bundesministerium für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau die Arbeiten für den Weiterbau im Sommer 1997 ausschreiben werde, vor dem Hintergrund der Antwort des Bundesministers für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau, Dr. Klaus Töpfer, auf die Fragen 88 und 89 in Drucksache 13/6446 zu verstehen, die Weiterbauplanung werde voraussichtlich Ende 1997 soweit fortgeschritten sein, daß auf dieser Grundlage die Bauleistungen FU-weit ausgeschrieben werden können?
Herr Kollege Reschke, die Auswirkungen des BAG-Urteils vom 19. Februar 1997, das im Falle eines bei dem Sender beschäftigten Betriebstechnikers ein Leistungsverweigerungsrecht anerkannt hat, werden gegenwärtig in Zusammenarbeit der beteiligten Ressorts und der Deutschen Welle geprüft. Ein abschließendes Ergebnis dieser Prüfung liegt zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht vor.
Die Sprecherin des Bundesbauministeriums hat dem Bonner „General-Anzeiger" am 19. Februar 1997 auf Nachfrage mitgeteilt, daß sich die Vergabe der Weiterbauleistungen entsprechend dem Fortgang der Planungen an die Aufnahme der Sanierungsarbeiten anschließen wird. Diese Aussage hat der „General-Anzeiger" offensichtlich dahin gehend mißverstanden, daß mit der Ausschreibung der Weiterbauleistungen schon im Sommer 1997 begonnen werden sollte.
Zusatzfrage? - Bitte.
Herr Staatssekretär, da die Sprecherin diese Äußerung bezogen auf die Sanierungsarbeiten getan hat - sie sollen am 1. April oder Anfang April beginnen; hoffentlich ist das kein Aprilscherz -, möchte ich fragen: Was wurde getan, um die notwendige bauordnungsrechtliche Genehmigung im Rahmen des bauordnungsrechtlichen Verfahrens bei der Oberen Baubehörde zu erlangen?
Herr Kollege Reschke, das Genehmigungsverfahren läuft bereits. Es ist gegenwärtig damit zu rechnen, daß der Baubeginn der Sanierung im vorgesehenen Zeitraum eingehalten werden kann.
Zweite Zusatzfrage? - Bitte.
Herr Staatssekretär, trifft es zu, daß bislang keine Unterlagen für das Zustimmungsverfahren an die Bezirksregierung Köln eingeschickt wurden und daß erst vor wenigen Tagen eine telefonische Anfrage an die Bezirksregierung im Hinblick auf die einzureichenden Unterlagen gerichtet wurde? Welche Auswirkungen hat dies jetzt auf den Sanierungsbeginn, da ja Genehmigungsverfahren bis zur Zustimmung zwischen vier Wochen und vier Jahren dauern können?
Nach meinem Kenntnisstand trifft Ihre Vermu-
Parl. Staatssekretär Joachim Günther
tung nicht zu. Das heißt, die Unterlagen sind eingereicht.
- Herr Kollege Reschke, ich werde das noch einmal nachprüfen. Nach meinem Kenntnisstand trifft es nicht zu, daß noch nichts eingereicht wurde.
- Über das Datum der Einreichung habe ich keine Kenntnis.
Eine Zusatzfrage des Kollegen Schultz.
Herr Staatssekretär, sieht sich die Bundesregierung durch die entstandene neue Situation veranlaßt, in eine ernsthafte Überprüfung der Standortfrage einzutreten? Sehen Sie sich veranlaßt, die vorliegenden, wiederholt vorgebrachten Angebote aus Köln für eine schnelle, zeitnahe und kostengünstige Unterbringung der Deutschen Welle erneut zu prüfen oder überhaupt zu prüfen?
Herr Kollege, ich habe bereits die Antwort gegeben, daß gegenwärtig eine Beratung des BMI, des BMBau und der Deutschen Welle stattfindet, deren Ergebnisse ich nicht kenne. Ich gehe davon aus, daß über diesen Themenkomplex insgesamt gesprochen wird.
Es ist jetzt erst eine andere Zusatzfrage an der Reihe.
Herr Staatssekretär, stimmen Sie mir nicht zu, daß es auf Grund der verschiedenen Angebote, die seit 1991 seitens der Stadt oder seitens verschiedener Bauträger gemacht worden sind - ich erinnere an das letzte Angebot vom Februar 1995, das durch die Firma Hochtief gemacht worden ist und den Charme hatte, 250 Millionen DM billiger zu sein als die Umsiedlung der Deutschen Welle in den Schürmann-Bau, wobei die Fertigstellung für Juni 1997 prognostiziert wurde -, nicht Ihre Aufgabe beziehungsweise die der daran beteiligten Ministerien gewesen wäre, auch eine solche Alternativplanung voranzutreiben, um Schaden vom Steuerzahler abzuwenden? Das ist doch keine vollkommen neue Situation, die wir jetzt haben.
Herr Kollege, Ihre Frage steht meines Erachtens nicht im Zusammenhang mit dem Gerichtsurteil, welches in der Frage auftaucht. Deshalb ist es ein anderer Themenbereich.
Herr Reschke, Sie wollten zur Geschäftsordnung sprechen?
Frau Präsidentin, ich halte es schon für ein bißchen peinlich, daß die Regierung bei einem Urteil, das jetzt über eine Woche auf dem Tisch liegt und Menschen in Gesundheitsfragen belastet und bewegt, über eine Woche benötigt, um eine Antwort geben zu können, die schon seit einer Woche im Geschäftsgang der Ministerien vorliegt. Ebensowenig ist es dem Staatssekretär möglich, zu sagen, ob überhaupt ein Bauantrag nach § 81 der Landesbauordnung gestellt worden ist, also ein Genehmigungsverfahren eingeleitet worden ist, um die Sanierung zu beginnen, obwohl sich immer wieder, entweder bei der Sanierung oder bei anderen Fragen, Mißverständnisse seitens der Sprecherin ergeben. Deswegen habe ich die herzliche Bitte, daß der Minister zitiert wird, um klare Aussagen zu machen, weil die Menschen im Bereich der Deutschen Welle ein Recht haben, zu erfahren: Was geschieht eigentlich in der Politik?
Herr Abgeordneter Reschke, Sie haben jetzt den Geschäftsordnungsantrag gestellt, den Minister herbeizuzitieren. Ich habe mich schon erkundigt. Es ist so, daß der Minister im Moment im Flugzeug sitzt, also jetzt nicht physisch herbeigerufen werden kann. Ich muß Sie auf Grund dieser Information fragen, ob Sie diesen Geschäftsordnungsantrag aufrechterhalten wollen.
Frau Präsidentin, ich habe mich schon gewundert, daß für die Beantwortung dieser Frage der Bauminister zuständig ist. Wenn er physisch im Flugzeug sitzt, kann er ja keinen Schaden anrichten.
Er kann vor allen Dingen nicht antworten, wollten Sie sagen.
Ja. Insofern akzeptiere ich das, was dort stattfindet.
Es gibt aber zwei Bereiche. Das ist zum einen die Frage zum Beschluß des Haushaltsausschusses und zum Ersatzneubau und zum anderen die Frage Arbeitsrecht, Arbeitsschutz und Gesundheitsschutz. Dabei hat der Innenminister eine spezielle Aufgabe hinsichtlich des Arbeitsrechtes im Zusammenhang mit der Unterbringung der Deutschen Welle. Insofern könnte der Innenminister Auskunft über diese Frage geben.
Hier müßte die Regierung also schon antworten. Es ist nicht nur eine bautechnische Sache oder eine Frage der Genehmigung und der Statik, sondern
Otto Reschke
auch eine Frage des Arbeitsschutzrechtes. Warum ist hier die Regierung bei der Antwort nicht bereit, dem Parlament offen Auskunft zu geben?
Das Problem ist, daß ich erst einmal versuchen muß, zu klären, ob die Frage, welche Teile der Regierung eine Frage beantworten, wirklich in unserer Zuständigkeit liegt. Deswegen muß ich mich hier einen Moment beraten. Meines Erachtens liegt die Aufteilung, welches Ministerium antwortet, nicht in unserer Zuständigkeit.
Sie wollen aber den Antrag stellen, daß als Ersatz für den als zuständig erachteten Minister jetzt der Innenminister herbeigerufen wird. Das muß ich erst einmal versuchen zu klären. Ich bitte also um einen Moment Beratungszeit, vielleicht auch mit den Geschäftsführern.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, es hat eine Einigung stattgefunden. Im Moment wird niemand herbeigerufen, sondern die sozialdemokratische Fraktion erwartet baldmöglichst eine schriftliche Antwort des zuständigen Ministers auf diese Frage.
- Wollen Sie einen zweiten Geschäftsordnungsantrag stellen?
Ich möchte gar nicht zur Geschäftsordnung sprechen. Sie haben bezogen auf meinen Antrag eine Entscheidung getroffen. Ich sehe das natürlich ein und ziehe damit offiziell meinen Antrag zurück.
Allerdings bitte ich um zwei Minuten Unterbrechung. Ich muß mit meinen Kolleginnen und Kollegen aus Köln über die weiteren Fragen, die sich aus dieser Sache ergeben, reden. Diese Auszeit sei mir gewährt!
Im Interesse des friedlichen Fortganges der Debatte unterbreche ich die Sitzung für zwei Minuten. Das ist sonst nicht üblich, aber ich glaube, so kommen wir am besten voran.
Die Sitzung ist wieder eröffnet.
Ich rufe die Frage 2 des Abgeordneten Otto Reschke auf:
Wurde die als Schädiger angesehene Baufirma HBW im Rahmen der laufenden Ausschreibung für die Sanierung des Schürmann-Baus vom Bundesministerium für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau aufgefordert, ein Angebot einzureichen gemäß dem von der Sprecherin des Bundesministeriums für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau gegenüber dem Bonner „General-Anzeiger" genannten Verfahren, wonach die Firmen, die für die Sanierung des Schürmann-Baus zur Abgabe eines Angebotes aufgefordert worden waren, bis zum 27. Februar 1997 ein Angebot abgegeben haben müssen?
Herr Kollege Reschke, auch diese Frage kann nicht beantwortet werden, da die Namen der Bewerber gemäß § 17 Nr. 6 der Verdingungsordnung für Bauleistungen - Teil A - geheimzuhalten sind.
Sie haben eine Nachfrage, bitte.
Ich verstehe die Antwort wiederum nicht. Es handelte sich doch um eine öffentliche, wenn auch beschränkte Ausschreibung. Mit Genehmigung der Präsidentin möchte ich einen Brief von Dr. Neusüß, einem Mitarbeiter des Bauministeriums, zitieren und daraus meine Fragen entwickeln.
Dr. Neusüß hat an die HBW Beton- und Wasserbau GmbH Meerbusch einen Brief geschickt, nachdem sie sich um die Instandsetzungsarbeiten beworben hatten. Da schreibt er,
daß eine Beauftragung Ihres Unternehmens nur in Betracht gezogen werden kann, wenn vor Erteilung des Zuschlages eine außergerichtliche Einigung über die Regulierung des Schadens aus dem Hochwasserereignis vom Dezember 1993 erzielt wird. Dementsprechend kann ich Sie
- so schreibt Dr. Neusüß aus dem Bauministerium, -
nur dann zur Abgabe eines Angebots auffordern, wenn Sie mir bis zum 2. Januar 1997 schriftlich bestätigen, daß Sie aus der Einreichung eines Angebotes keinerlei Ansprüche gegen den Bund herleiten .. .
Im letzten Satz bittet er darum, mit Dritten über seinen Brief nicht zu reden und dies schon gar nicht der Presse mitzuteilen.
Meine Frage lautet, Herr Staatssekretär: Steht der Bund weiterhin öffentlich und intern in jedem Fall auf dem Standpunkt, daß ihn an dem auf Grund des Hochwassers eingetretenen Schaden keine Schuld treffe? Wenn ja, wie ist dann das Schreiben des Leiters der Unterabteilung B II im Bauministerium, Herr Dr. Neusüß, vom 23. Dezember 1996 an die als Schädiger angesehene Baufirma HBW bezüglich der Bewerbung dieses Unternehmens um Teilnahme an der Ausschreibung für die Instandsetzungsarbeiten der Untergeschosse des Schürmann-Baus sowohl im Hinblick auf die Schuldfrage als auch auf die wettbewerbliche Frage einzuordnen? Ich kann dieses Schreiben überhaupt nicht einordnen. Mich hat es irritiert.
Herr Kollege Reschke, ich kenne dieses Schreiben nicht.
Ich werde mich über den Inhalt dieses Schreibens informieren. Vielleicht können Sie es mir zur Verfü-
Parl. Staatssekretär Joachim Günther
gung stellen. Ich werde Ihnen später darauf eine Antwort geben.
Zweite Zusatzfrage.
Meine zweite Zusatzfrage bezieht sich natürlich auch auf den Bauminister und auf den Finanzminister und auf die Tatsache, daß eine Mitschuld der Bundesregierung immer wieder öffentlich bestritten worden ist. Mit einem solchen Schreiben wird ja quasi versucht, eine Schuldabsicherung aus Unsicherheit herbeizuführen.
Es hat aber keinen Zweck, daß ich jetzt diese Frage formuliere, wenn sie dann nur schriftlich beantwortet wird. Frau Präsidentin, ich werde zur nächsten Sitzungswoche wiederum mündliche Fragen stellen. Ich habe die herzliche Bitte, daß der Bauminister dann anwesend ist.
Ich denke, das sollten wir so weiterleiten. Das finde ich angemessen.
Eine Zusatzfrage des Kollegen Gilges.
Ich habe nicht die Hoffnung, daß wir in der nächsten Fragestunde durch den Bundesminister etwas mehr Informationen bekommen als jetzt; denn es scheint ja - das ist meine Frage - Methode zu sein, daß die Bundesregierung sehr ungenau und sehr unpräzise antwortet.
- Frau Baumeister, hören Sie mal!
Ich wiederhole die Frage. Ob Sie jemanden aufgefordert haben, an einer Ausschreibung teilzunehmen, hat überhaupt nichts mit der Geheimhaltung zu tun. Das ist schlicht und einfach eine Frage, die man mit Ja oder Nein beantworten kann. Man kann dann sagen: Ja, ich habe den Betroffenen aufgefordert. Woraus leiten Sie ab, daß das irgendwelcher Vertraulichkeit unterworfen sei? Das ist weder aus der Ausschreibungsordnung noch aus der Verdingungsordnung abzuleiten. Im Bauausschuß, Frau Baumeister, verhandeln wir öffentlich darüber, welche Firmen aufgefordert werden, an einer Ausschreibung teilzunehmen, und welche nicht.
Ich halte Ihre Antwort wirklich für unangemessen. Was Sie da mit uns veranstalten, entspricht nicht einer ausreichenden Achtung der Ernsthaftigkeit des Parlaments.
Herr Kollege, ich kann Ihnen darauf trotzdem keine andere Antwort geben. Es gab ja in dieser Richtung schon einmal schriftliche Fragen, die ebenfalls dahin gehend beantwortet wurden, daß dies im jetzigen Zustand nach der Verdingungsordnung für
Bauleistungen unter Geheimhaltung fällt. Deshalb kann ich hier keine weitere Antwort geben.
Eine Zusatzfrage des Kollegen Oesinghaus.
Ich möchte nun eine ganz konkrete Frage stellen: Wann ist mit dem Weiterbau des Schürmann-Baus zu rechnen, und wie viele Monate Bauzeit werden veranschlagt bzw. wann wird er fertiggestellt sein?
Herr Kollege, wir gehen davon aus, daß Ende 1997/Anfang 1998 die Dinge so weit gediehen sind, daß die Ausschreibungen stattfinden. Entsprechend der Ausschreibung und den Angeboten wird dann der Weiterbau vonstatten gehen. Sie wissen, daß das auch von konkreten Angeboten abhängig ist.
Eine Zusatzfrage des Kollegen Weng.
Herr Staatssekretär, hält es die Bundesregierung trotz ihrer eindeutigen Rechtsposition für sinnvoll, den Versuch einer außergerichtlichen Beilegung des Rechtsstreits vorzunehmen, womit sich eine Reihe von Fragen der Kollegen von der SPD erledigen würde?
Herr Kollege Weng, dieser Versuch ist immer als günstig anzusehen. Wir hoffen, daß in dieser Richtung eine Einigung erzielt werden kann.
Eine Zusatzfrage des Kollegen Schultz.
Herr Staatssekretär, treffen meine Informationen zu, wonach Herr Professor Schürmann immer noch keinen Vertrag für die Weiterbauplanung haben soll?
Herr Kollege, auch hier kann ich keinen Zusammenhang zu den gestellten Fragen feststellen. Das ist eine allgemeine Debatte über den Schürmann-Bau, und nach dem wurde mit Sicherheit nicht gefragt.
Lassen Sie mich das erst einmal kommentieren.
Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer
Herr Staatssekretär, ich glaube schon, daß diese Frage im Zusammenhang mit der schriftlich formulierten Frage zu stellen ist.
Herr Reschke, wollen Sie noch etwas zur Geschäftsordnung sagen? - Bitte.
Frau Präsidentin, dies ist eine öffentliche Sitzung. Die Öffentlichkeit muß doch erkennen, daß zwischen den Bereichen der Fertigstellung des Schürmannbaus, der Asbestbelastung und der Arbeit von Menschen in einem baurechtlich nicht genehmigten Gebäude ein Zusammenhang besteht. Die Regierung muß doch für diejenigen Menschen, die dort arbeiten, darüber Auskunft geben können.
Genau genommen war das jetzt ein Kommentar und kein Geschäftsordnungsantrag,
so daß wir so verfahren, wie ich gesagt habe, nämlich daß ich den Herrn Staatssekretär bitte, die Frage zu beantworten.
Herr Schürmann hat nach meiner Kenntnis einen Auftrag, die weiteren Planungsmaßnahmen durchzuführen.
Eine Zusatzfrage des Kollegen Schmidt.
Herr Staatssekretär, könnten Sie sich vorstellen, daß Sie einen Teil der Fragen besser beantworten könnten, wenn Sie wüßten, was heute morgen aus dem Gespräch des Intendanten Weirich beim Innenminister herausgekommen ist? Wissen Sie zu diesem Zeitpunkt schon etwas darüber?
Nein. Ich habe gesagt, daß ich davon nichts weiß. Wir hatten heute morgen eine Ausschußsitzung. Parallel dazu hat dieses Gespräch im BMI stattgefunden. Ich werde mich über die Ergebnisse informieren.
Eine Zusatzfrage des Kollegen Gilges.
Ich möchte versuchen, die Frage des Kollegen Oesinghaus noch einmal zu präzisieren, wenn mir dies möglich ist. Ich frage die Bundesregierung, ob es einen Zeitplan bezüglich der Fortführung der Baustelle Schürmannbau - neben diesem Haus hier - gibt. Können Sie uns mitteilen, wie der Zeitplan aussieht, das heißt, wann die Güteverhandlungen, die Herr Weng angesprochen hat,
abgeschlossen sein sollen, wann die Eröffnung der Ausschreibung erfolgen soll, wann die Vergabe des Auftrages stattfindet, für wann der Beginn der Fortführung des Baus geplant und wann eine mögliche Fertigstellung des Baus vorgesehen ist?
Herr Kollege, ich habe bereits einige Eckdaten genannt. Die Ausschreibung wird Ende dieses Jahres, Anfang nächsten Jahres beginnen. In der Regel dauert es dann zirka drei bis vier Monate, bis eine Vergabe geschehen kann. Den Zeitablaufplan bis zur Fertigstellung und die weiteren Details würde ich Ihnen gerne schriftlich zur Verfügung stellen.
Weitere Zusatzfragen liegen jetzt nicht vor. Ich gehe aber davon aus, daß wir in der nächsten Sitzungswoche zu diesem Thema noch einmal eine Fragerunde haben werden.
Wir kommen jetzt zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Die Fragen wird der Parlamentarische Staatssekretär Klaus-Jürgen Hedrich beantworten.
Ich rufe die Frage 3 des Abgeordneten Steffen Tippach auf:
Wie erklärt die Bundesregierung ihre Behauptung , daß keine aus Bundesmitteln finanzierte Stiftung eine Konferenz für Technologietransfer im Oktober 1997 in Myanmar durchführen würde, obwohl dies durch die APT- und die ATP-Meldung vom 9. Januar 1997 bestätigt wird?
Frau Präsidentin! Verehrter Kollege Tippach, zu Ihrer Frage kann ich nur ausführen, daß es seitens der Bundesregierung keine Informationen gibt, daß irgendeine der betroffenen politischen Stiftungen ein Seminar über Technologiefragen in Myanmar, früher Burma, finanziert. Für entsprechende Pressemeldungen - da werden Sie mir sicherlich recht geben - kann die Bundesregierung nicht haftbar gemacht werden.
Eine Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, gestatten Sie mir, in diesem Zusammenhang die Merkwürdigkeit festzustellen, daß dies hier nicht irgendwelche Pressemeldungen sind, sondern zum einen Pressemeldungen großer Nachrichtenagenturen, zum Beispiel der „ATP", die zum zweiten ausdrücklich die Aussagen der Hanns-Seidel-Stiftung zu diesem Vorgang zitieren. Insofern kann ich Ihre Aussage, daß Sie davon keine Kenntnis haben, das jetzt nicht kommentieren wollen und daß das so im Raume stehenbleiben soll, jetzt nicht ganz nachvollziehen.
Steffen Tippach
Könnten Sie das noch etwas präzisieren? Haben Sie bei der Hanns-Seidel-Stiftung nachgefragt?
Was glauben Sie denn? Natürlich fragen wir bei einem solchen Thema bei der HannsSeidel-Stiftung nach. Ich kann nur wiederholen, was ich soeben gesagt habe: Nach unserer Information gibt es keine politische Stiftung, die ein Seminar oder Symposium in Myanmar finanzieren wird. Auch die Hanns-Seidel-Stiftung wird keinen Workshop und kein Technologiesymposium finanzieren.
Wollen Sie noch einmal nachfragen? - Bitte.
Hat die Hanns-Seidel-Stiftung Ihnen gegenüber gesagt, daß sie dort keine Konferenz zum Thema Technologietransfer anläßlich der Messe in Burma finanziert und ausrichtet?
Wenn Sie die Formulierung wählen würden, ob sie uns schriftlich mitgeteilt hat, daß sie keine Technologiemesse finanzieren wird, dann kann ich Ihnen die Frage mit ja beantworten. Sie wird sie also nicht finanzieren.
Ich rufe die Frage 4 des Abgeordneten Tippach auf:
Ist die Bundesregierung der Meinung, daß eine deutsche Unterstützung der Technologiemesse in Myanmar dem erklärten Ziel der Bundesregierung zum weltweiten Schutz der Menschenrechte dient?
Sie steht im Zusammenhang mit der letzten Frage.
Ich kann eigentlich nur wiederholen, was ich eben gesagt habe: Es wird nicht finanziert. Ich hoffe, daß damit präzise beantwortet ist, was der Fragesteller gefragt hat.
Wollen Sie doch
noch nachfragen? - Bitte.
Herr Staatssekretär, Ihre Antwort ist insofern nicht ganz präzise, als die Sprecherin des Wirtschaftsministeriums in München, Karin Haucke, gesagt hat - ich zitiere -: „Wir orientieren uns an den Wünschen der Wirtschaft." Würde bei jedem Projekt die Menschenrechtssituation in den Vordergrund gestellt, „müßten wir die Hälfte aller Messen absagen". Das bezieht sich darauf, daß der Freistaat Bayern diese Messe finanziert. Insofern ist die Frage damit nicht erledigt. Es geht um eine deutsche Beteiligung im Zusammenhang mit der Menschenrechtssituation in Burma. Wie kommentieren Sie das?
Ich mache darauf aufmerksam: Sie haben die Bundesregierung gefragt. Es steht Ihnen natürlich jederzeit frei, sich mit der Regierung des Freistaates Bayern ins Benehmen zu setzen, um dort anzufragen, was sie vorhaben. Seitens der Bundesregierung wird das Vorhaben nicht unterstützt; das ist klar und eindeutig.
Ich muß auf meine Frage
zurückkommen, weil sie sie nicht korrekt beantworten. Es geht darum, ob Sie der Meinung sind - die
Frage war nicht, ob Sie das unterstützen oder nicht -, daß eine solche Unterstützung der Menschenrechtssituation in Burma dient. Die Friedensnobelpreisträgerin, Aung San Sou Kyi, sagt, diese Wirtschaftskontakte dienten ausschließlich dem Militär und einer weiteren Verfestigung der Diktatur in Burma.
Die bayerische Staatsregierung ist dafür bekannt, daß sie sich sehr häufig zu bundesrepublikanischen Fragen äußert. Ich habe nicht die Absicht, mich zu einer Auffassung der Landesregierung zu äußern.
- Sie können mich nicht zwingen, den Vorgang zu bewerten.
Das ist richtig so. Deswegen müssen wir diese Frage erst einmal weitergeben. - Bitte.
Herr Staatssekretär, würde denn die Bundesregierung eine solche Initiative wie die Bayerns unterstützen?
Ich weiß nicht, ob die bayerische Staatsregierung das unterstützen wird. Ich habe nur sehr deutlich gesagt: Dort, wo wir die politische Verantwortung tragen, wird keine Unterstützung dieser Technologiemesse stattfinden. Da zum Beispiel die politischen Stiftungen Zuwendungsempfänger des Bundes sind, wie Ihnen bekannt ist, wird das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung auch dort keine Mittel zur Verfügung stellen. Die Hanns-Seidel-Stiftung hat expressis verbis erklärt, daß sie nicht die Absicht habe, die Technologiemesse in irgendeiner Form zu finanzieren.
Vielen Dank, Herr Staatssekretär. Wir verlassen damit Ihren Geschäftsbereich.
Zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern liegt eine Frage des Abgeordneten Benno
Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer
Zierer vor. Hier wird um schriftliche Beantwortung gebeten. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Auch bei den Fragen 6 und 7 zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft wird um schriftliche Beantwortung gebeten. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung. Der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Klaus Rose ist da.
Ich rufe die Frage 8 des Abgeordneten Winfried Nachtwei auf:
Wie ist der aktuelle Stand der Verhandlungen zwischen dem Bundesministerium der Finanzen, dem Bundesministerium der Verteidigung und Vertretern der Rüstungsindustrie über die Kostenschiene für die Überbrückungs- und Beschaffungskosten für den Eurofighter?
Frau Präsidentin! Lieber Herr Kollege Nachtwei, die nationalen Verhandlungen mit der deutschen Industrie über deren Anteil an dem quadrolateralen Programm konnten inzwischen abgeschlossen werden. Damit ist eine der wesentlichen Voraussetzungen geschaffen, um über den Eintritt in die Beschaffung des Flugzeugs zu entscheiden. In Anbetracht des finanziellen Gesamtumfangs des Programms ist es jedoch auch zwingend erforderlich, daß die Finanzierung abschließend geklärt wird. Hierzu bedarf es noch ergänzender Gespräche innerhalb der Bundesregierung.
Herr Staatssekretär, lieber Kollege Rose, zu den Gesprächen innerhalb der Bundesregierung: Welche Fragen sind noch konkret zu klären? Ist in die Überlegungen des Verteidigungsministeriums und der Bundesregierung der Vorschlag des Kollegen Austermann eingegangen, der daran erinnert hat, daß ab dem Jahr 2000 Subventionszahlungen für den Airbus an die Bundesrepublik Deutschland zurückgezahlt werden sollen und daß diese Rückzahlungsbeträge dann für die Finanzierung des Eurofighters genutzt werden könnten?
Die Abstimmung innerhalb der Bundesregierung findet noch statt; das bezieht sich auch ein bißchen auf Ihre zweite Frage. Inhaltlich müssen alle Daten abgeklopft werden; das ist ein Riesenprogramm, das sich über mehrere Jahre erstreckt.
Die Anregung des Kollegen Austermann, eine Gegenrechnung mit einem anderen Bereich vorzunehmen, ist zwar prüfenswert, aber ob sie realisiert wird, wage ich zu bezweifeln.
Eine weitere Zusatzfrage - sie betrifft die längerfristige Finanzierung oder die sogenannte Kostendämpfung beim Eurofighter -: Gibt es inzwischen, gemeinsam mit den Vertragspartnern, irgendwelche Regelungen für einen späteren Export des Eurofighters?
Wir sind noch nicht einmal im eigenen Land zu einem endgültigen Beschluß gekommen. Dies erfolgt zunächst innerhalb der Koalition, der Bundesregierung, in den entsprechenden Ausschüssen, dann im Gesamtparlament. Sie müssen davon ausgehen, daß es deshalb noch keine Regelungen geben kann, wie man bezüglich des Exports mit anderen Nationen zusammenarbeitet.
- Wenn von seiten der Grünen Anregungen gegeben werden, wo man mit diesem nach meiner Überzeugung sehr guten neuen Flugzeug Erfolg haben kann, dann gerne.
Zusatzfrage des Kollegen Weng.
Herr Staatssekretär, ist für Sie vorstellbar, daß die Bundesregierung bei einem möglichen Export - für den Fall, daß es zur Produktion dieses Flugzeugs kommt - entgegen ihrer sonst restriktiven Haltung gegenüber Waffenexporten handeln könnte?
Herr Kollege Weng, vorstellbar ist es.
Heute vormittag hat eine Anhörung des Verteidigungsausschusses mit der wehrtechnischen Industrie stattgefunden, bei der von verschiedenster Seite die Anregung gegeben wurde, im europäischen Zusammenhang - bei dem Eurofighter handelt es sich um ein quadrolaterales Programm - die Rüstungsexportpolitik aufeinander abzustimmen. Es kann also sein, daß die deutsche Haltung bei der endgültigen Abstimmung nicht die alleinige Priorität hat, sondern daß, wenn man aufeinander zugeht, eine etwas andere Form zustande kommt. Wie sie aussehen wird, ist eine andere Frage.
Ich rufe die Frage 9 des Abgeordneten Nachtwei auf:
Wie hoch ist nach gegenwärtigem Planungsstand im Beschaffungszeitraum bis 2015 der Anteil der Kosten für die Beschaffung, Bewaffnung und den Unterhalt des Eurofighters am gesamten Beschaffungshaushalt des Bundesministeriums der Verteidigung bzw. dem der Luftstreitkräfte?
Herr Kollege Nachtwei, um den Anteil der Kosten für die Beschaffung und den Unterhalt des Eurofighters am gesamten Haushalt des Bundesministeriums der Verteidigung angeben zu können, ist es erforderlich, daß Klarheit über den zukünftig zur Verfügung gestellten Plafond besteht. Sobald die hierzu noch erforderlichen Gespräche innerhalb der Bundesregierung abgeschlossen sind, werden der Deutsche Bundestag und die parlamentarischen Ausschüsse im Zuge der Beratungen der Beschaffungsvorlage auch zu diesen Fragen unterrichtet.
Wollen Sie
nachfragen?
Ja.
Bitte.
Vielleicht läßt sich die folgende Frage schon etwas konkreter beantworten.
Presseberichten konnten wir entnehmen, daß die Bundesregierung beim Eurofighter von einem Systemzuschlag von 25 Prozent ausgeht. In früheren Jahren wurde von einem Systemzuschlag von 40 bis 50 Prozent ausgegangen. Wie erklärt sich diese wundersame Reduzierung des Systemzuschlages?
Da, wie ich eben sagte, Herr Kollege Nachtwei, die endgültigen Beratungen innerhalb der Bundesregierung nicht abgeschlossen sind, kann ich nicht bestätigen, worüber irgendwelche Presseorgane spekulieren.
Vielleicht läßt sich meine letzte Zusatzfrage konkreter beantworten.
Mit welcher Preissteigerungsrate rechnet die Bundesregierung im Laufe der Beschaffungsphase, und wie würde sich dieses einzelne Element auf die Kostenentwicklung auswirken?
Erstens steht nicht fest, welche Preissteigerungsraten man einplanen muß; zweitens ist Grundlage der jetzigen Beratungen der Preisstand vom Dezember 1996, und drittens müssen wir uns darüber verständigen, welchen Preis man zugrunde legt, ob man vom „Fly away"-Preis, dem Gerätestückpreis, dem Systempreis oder dem Gesamtsystempreis spricht. Wenn man den Gesamtsystempreis meint, in dem alles enthalten ist - worunter auch noch Infrastrukturmaßnahmen zu rechnen wären -, kommt eine andere Zahl heraus. Darum ist es ein wenig schwierig, diese Frage zu beantworten.
Keine weiteren Zusatzfragen? - Dann bedanke ich mich bei Ihnen, Herr Staatssekretär.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit auf. Es ist gebeten worden, die Fragen 10, 11 und 12 schriftlich zu beantworten. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Damit kommen wir zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr. Es ist gebeten worden, die Fragen 13, 14, 17 und 18 schriftlich zu beantworten. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt. Die Fragen 15 und 16 sind zurückgezogen worden.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie auf. Es ist gebeten worden, die Fragen 19 und 20 schriftlich zu beantworten. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich rufe die Frage 21 des Abgeordneten Horst Schmidbauer auf:
Aus welchem Grund hat der Bundesminister für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie, Dr. Jürgen Rüttgers, in seinem Hause ein Studiendesign für eine prospektive klinische Studie zur Untersuchung der Wirksamkeit von Johanniskraut bei HIV 1 infizierten Patienten anfertigen lassen, obwohl laut „Focus" 52/96 bereits 1992 eine vom Bundesministerium für Gesundheit geförderte Studie von Hans Dieter Brede, Georg-Speyer-Haus, die Unwirksamkeit von Hypericin gegen HIV/AIDS belegt hat und eine im AIDS-Zentrum des Robert-Koch-Institutes 1994 durchgeführte Untersuchung zu demselben Ergebnis kommt?
Zur Beantwortung steht uns die Parlamentarische Staatssekretärin Elke Wülfing zur Verfügung. Bitte, Frau Staatssekretärin.
Frau Präsidentin! Herr Kollege Schmidbauer! Zur Klarstellung des Sachverhalts möchte ich zunächst mitteilen, daß das Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie bzw. Bundesminister Rüttgers weder die im „Focus" genannte noch eine ähnliche Studie zur Untersuchung der Wirksamkeit von Johanniskraut bei HIVinfizierten Patienten haben anfertigen lassen noch deren Anfertigung angeregt haben.
Tatsache ist, daß eine Ärztin in Zusammenarbeit mit einigen Wissenschaftlern dabei ist, eine entsprechende Studie zu konzipieren, um dafür eine Förderung durch das BMBF zu beantragen. Zu diesem Zweck wurden die prospektiven Antragsteller - wie jeder andere Antragsteller auch - über die Antragsvoraussetzungen, die notwendigen Unterlagen sowie über das Verfahren durch das BMBF informiert. Bisher liegen dem BMBF nur Antragsteile vor, so daß über die Qualität und Sinnhaftigkeit eines eventuell zu stellenden Gesamtantrags und damit über seine Förderung noch keine Aussage gemacht werden kann.
Möchten Sie nachfragen? - Bitte.
Frau Staatssekretärin, ich frage auch deswegen, weil Ihr eigenes Haus und Ihr Minister dazu eine fachliche Auffassung haben. Ich darf zitieren, daß das BMBF für den Wirkstoff Hypericin in bezug auf dessen Wirksamkeit feststellt, daß die
antivirale Wirkung von Hypericin in vitro ... lichtabhängig zu sein scheint, weshalb einige Autoren die Anwendung von Hypericin als In-vitroTherapeutikum kritisch diskutieren.
Vor dem Hintergrund dieser Feststellung, die der Minister getroffen hat, möchte ich fragen, ob die vorgelegten Unterlagen zur Wirksamkeit und Sicherheit ausreichen, um ein Experiment am Patienten zu begründen?
Ich denke, daß erst einmal ein prüffähiger Gesamtantrag vorliegen muß. Dann wird der Projektträger die Antragsunterlagen prüfen; das Gutachtergremium wird zu dem Antrag sein Votum abgeben, und auch eine Ethikkommission wird ihr Votum abgeben müssen.
Die zweite Zusatzfrage, bitte.
Dazu hat sich jemand aus dem Bereich der Regierung, nämlich Professor Dr. Kurth - er ist zur Zeit der kommissarische Leiter des Robert-Koch-Instituts in Berlin, also einer Bundesoberbehörde -, im Berliner „Tagesspiegel" vom 21. Februar 1997 geäußert. Er hat die ethischen Bedenken formuliert, die er in bezug auf eine solche Therapie-Alternative hat. Wie steht das Ministerium zu dieser Auffassung des kommissarischen Leiters dieser Bundesoberbehörde?
Darüber wird die Ethikkommission befinden. Ich glaube, daß die Kommission zu einem vernünftigen Votum gelangen wird.
Ich rufe die Frage 22 des Abgeordneten Horst Schmidbauer auf:
Welche Studie wird nach Auffassung von Bundesminister Dr. Jürgen Rüttgers durchgeführt werden - die o. g. Studie, die ein Volumen von 1,4 Mio. DM hat oder eine noch zu konzipierende Studie, die laut „Focus" 52/96 einen Umfang von 5 Mio. DM haben wird, und in welcher Relation steht die letztere Summe zu den Ausgaben im Gesamtforschungsetat für AIDS sowie den Ausgaben für „Unkonventionelle medizinische Richtungen"?
Bei der Begutachtung von Forschungsanträgen wird grundsätzlich auch auf die Kosten geachtet. Liegen Anträge mit gleicher Zielsetzung vor, wird dem Antrag der Vorzug gegeben, der die beste Kosten/Nutzen-Relation aufweist. Da weder ein Antrag auf 1,4 Millionen DM noch ein Antrag auf 5 Millionen DM vorliegt, kann seitens des BMBF über die Kosten der Studie noch nichts gesagt werden.
Für die Aidsforschung sind zur Zeit wie im vergangenen Jahr zirka 17 Millionen DM vorgesehen. Für die Förderung der unkonventionellen medizinischen Richtungen sind 3 Millionen DM pro Jahr vorgesehen. Aus diesen Mitteln könnte ein solcher Antrag gefördert werden.
Herr Kollege Schmidbauer, bitte.
Meine erste Zusatzfrage. Wenn für ein solches Projekt Mittel aus dem Etat für alternative medizinische Richtungen genommen werden, bedeutet das eine Art Umschichtung; denn der Aidssektor soll dadurch vergrößert werden. Ist damit die generelle Entscheidung getroffen, daß die Bundesregierung die Mittel für die Aidsforschung insgesamt aufstockt? Oder wird es - vorausgesetzt, der Antrag wird positiv entschieden - bei einem einmaligen Vorgang bleiben?
Erstens liegt, wie gesagt, kein Gesamtantrag vor. Zweitens wissen wir nichts über die Kosten. Drittens haben wir - das habe ich eben schon ausgeführt - Mittel für die Aidsforschung und Mittel für die Förderung der unkonventionellen medizinischen Richtungen. Erst wenn der Antrag vorliegt, wird in dem Bereich „unkonventionelle Medizin" geprüft, ob genug Geld dafür vorhanden ist.
Zweite Zusatzfrage.
Meine zweite Zusatzfrage. Wenn Sie sagen, es liege kein Antrag vor: Hat das Ministerium selbst Berechnungen oder Überlegungen angestellt, welche finanzielle Dimension ein solcher Antrag haben könnte?
Wenn dem so ist: Durch welche Vorgänge ist im Ministerium eine Art Dringlichkeit gegeben?
Auf die erste Frage antworte ich: Nein. Damit erübrigt sich die Antwort auf die zweite Frage.
Da keine weiteren Zusatzfragen vorliegen, verlassen wir diesen Geschäftsbereich. Danke, Frau Staatssekretärin.
Ich könnte jetzt die Fragen 23 und 24 des Kollegen Jüttner aufrufen. Er ist aber nicht im Saal. Es wird verfahren wie in der Geschäftsordnung vorgesehen.
Für die Fragen 25, 26, 27 und 28 ist jeweils um schriftliche Beantwortung gebeten worden. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer
Deswegen rufe ich jetzt Frage 29 des Abgeordneten Gernot Erler auf:
Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, über ein unkonventionelles Verfahren zu erreichen, daß die angekündigten Hilfsmaßnahmen des Internationalen Währungsfonds, der Weltbank, der EU und anderer Geber für das in Not geratene europäische Assoziationsland Bulgarien nicht erst greifen, wenn nach Neuwahlen am 19. April 1997 eine neue Regierung gebildet, ein „Currency Board" eingerichtet ist und die dafür nötigen Begleitgesetze wirksam sind, mit der Folge, daß die bulgarische Bevölkerung sich beim Überleben des gegenwärtigen „Hungerwinters" allein auf vereinzelte humanitäre Hilfe, nicht aber auf eine verzugslose effektive Unterstützung der internationalen Finanzinstitution stutzen kann?
Herr Staatsminister Schäfer ist anwesend, um die Fragen zu beantworten. Bitte.
Herr Kollege Erler, die Bundesregierung sieht die Versorgungssituation in Bulgarien als ernst an. Seit dem Frühherbst des vergangenen Jahres drängt sie im Rahmen der Europäischen Union wie auch gegenüber den internationalen Finanzorganisationen mit Nachdruck auf Hilfsmaßnahmen, die der betroffenen Bevölkerung in der akuten Versorgungskrise zugute kommen.
Folgende konkrete Maßnahmen sind inzwischen eingeleitet worden und werden auch umgesetzt: die im Oktober 1996 bereitgestellte Brennstoffhilfe der EU-Kommission in Höhe von 12,5 Millionen ECU; die im Herbst 1996 freigegebene Zahlungsbilanzhilfe der Europäischen Gemeinschaft in Höhe von 40 Millionen ECU und die im Dezember 1996 auf Initiative der Bundesregierung beschlossene Einkommenshilfe der Europäischen Kommission in Höhe von 20 Millionen ECU, die den bedürftigsten Gruppen der bulgarischen Bevölkerung den Einkauf von Versorgungsgütern ermöglichen soll.
Der Bundesminister des Auswärtigen hat in der Ratssitzung der Europäischen Union am 24. Februar, also vorgestern, gefordert, die 20 Millionen ECU Einkommenshilfe unverzüglich umzusetzen, damit diese rechtzeitig zur Versorgung der notleidenden Bevölkerung beitragen kann. Nach Aussage der Kommission kann die Auszahlung in der ersten Märzwoche beginnen.
Einem Hilfsappell der bulgarischen Regierung folgend hat der Bundesminister des Auswärtigen in der gleichen Sitzung der Europäischen Kommission dringend gebeten, die Möglichkeit einer Nahrungsmittelhilfe der EU für Bulgarien zu prüfen. Diese hält zunächst eine weitere Aufklärung über die tatsächliche Nahrungsmittellage für erforderlich, hat jedoch zugesagt, nach Vorliegen entsprechender Informationen gegebenenfalls sofort zu reagieren.
Der bulgarische Außenminister Staley, der frühere bulgarische Botschafter in Bonn, wies am 25. Februar auf der Sitzung des Assoziationsrates Bulgarien - Europäische Union in Brüssel darauf hin, daß ab Mitte März 1997 Nahrungsmittelhilfe benötigt werde. Er ließ es zunächst offen, ob Bulgarien tatsächlich eine solche Nahrungsmittelhilfe bei der EU beantragen wird.
Auf Anfrage der deutschen Botschaft in Sofia hat der Vertreter des Internationalen Währungsfonds vor Ort die grundsätzliche Bereitschaft des Fonds auch zur kurzfristigen Bereitstellung eines Kredits erklärt, sofern auf bulgarischer Seite umgehend Maßnahmen zur Einführung eines Währungsrates und zur Durchführung von Wirtschaftsreformen ergriffen werden.
Die Bundesregierung prüft auch, ob zusätzlich zu den bisher vorwiegend auf europäischer und multilateraler Ebene getroffenen bzw. ins Auge gefaßten Maßnahmen bilaterale humanitäre Hilfe zur Versorgung besonders hart betroffener Bevölkerungskreise geleistet werden kann. Die Weltbank hat ebenfalls Hilfe mit umfangreichen Mitteln in Aussicht gestellt, sobald Strukturreformen anstehen.
Möchten Sie nachfragen? - Bitte.
Herr Staatsminister, ich habe diese Frage gestellt, weil ich in großer Sorge darüber bin, wie sich die Versorgungslage in Bulgarien entwickelt. Uns erreichen in diesen Tagen die ersten Meldungen der Presse, daß Kinder in Waisenhäusern verhungert sein sollen. Ich glaube, zu diesem Zeitpunkt kann es nicht mehr um mittelfristige Hilfen gehen. Vielmehr muß es um Soforthilfe gehen.
Sie haben in Ihrer Antwort hauptsächlich auf die multilaterale Hilfe abgestellt, das heißt, darauf, was von der EU umgesetzt wird. Dabei besteht das Problem - Sie haben selber die Daten genannt -, daß etwa bei der Einkommenshilfe Maßnahmen, die im Dezember letzten Jahres beschlossen worden sind, erst im März - wie der EU-Kommissar van den Broek gestern erklärt hat - umgesetzt werden. In Bulgarien gab es aber einen Hungerwinter, mit den Folgen, die ich eben genannt habe.
Wie lange wird denn die Bundesregierung brauchen, um sich darüber klarzuwerden, ob - wie zum Beispiel Griechenland und die Schweiz das schon getan haben - unmittelbare bilaterale Hilfe geleistet werden kann, beispielsweise durch Weizenlieferungen? Sie wissen, daß da der größte Engpaß besteht.
Herr Kollege, Sie wissen, daß solche Hilfsmaßnahmen im wesentlichen von Nichtregierungsorganisationen, von Hilfsorganisationen, umgesetzt werden. Wir stehen in Kontakt mit solchen Organisationen. Die Bundesregierung ist natürlich auch bereit zu helfen, sobald solche Lieferungen direkt vorgenommen werden können. Dies muß allerdings aus den, wie Sie wissen, nicht gerade umfangreichen Mitteln der humanitären Hilfe geschehen.
Im übrigen geht es darum, langfristig zu helfen und die Situation in Bulgarien mittelfristig zu stabilisieren. Aber Sie haben recht: Momentan sind wir bemüht, in Zusammenarbeit mit den Organisationen, die Hilfe schnell umsetzen können, Notwendiges zu veranlassen.
Eine weitere Zusatzfrage? - Bitte.
Herr Staatsminister, ich darf noch einmal nach den Möglichkeiten der bilateralen Hilfe fragen. Da es wirklich um Tage, nicht mehr um Wochen oder Monate geht: Was liegt denn für die Bundesregierung im Bereich des Möglichen, zum Beispiel bei Weizenlieferungen, und ist sie dazu bereit? Der Weltmarktpreis für Getreide ist im Augenblick so hoch, daß die bulgarische Regierung außerstande ist, 500 000 Tonnen - diese Menge, so hat sie gesagt, braucht sie; mindestens aber 450 000 Tonnen - zu beschaffen. Dazu reichen nicht einmal die Devisenreserven. Griechenland, nicht gerade das reichste Land der Europäischen Union, hat für 6 Millionen ECU Getreide geliefert. Die Schweiz hat 3 000 Tonnen geliefert. Was könnte die Bundesregierung kurzfristig auf die Beine stellen?
Herr Kollege, zunächst einmal bedarf es einer Bitte der bulgarischen Regierung, einer konkreten Nachfrage nach dem, was sie am dringendsten brauchen, bevor wir aktiv werden können. Wir können nicht einfach Weizen nach Bulgarien liefern. Vielmehr brauchen wir Hinweise seitens der Bulgaren, was ganz dringend erforderlich ist.
Wir müssen natürlich sehen, was wir in Zusammenarbeit mit den Nachbarstaaten - Griechenland grenzt an Bulgarien, und kann deshalb auch transportmäßig viel schneller helfen - tun können, um eine solche Hilfe da, wo sie dringend notwendig ist, zu leisten. Es geht jetzt darum, daß uns Bulgarien sagt, was nötig ist, bevor die Hilfe der EU greift.
Ich rufe die Frage 30 des Abgeordneten Gernot Erler auf:
Welche mittelfristigen Strategien hält die Bundesregierung für geeignet und notwendig, um der bedrohlichen ökonomischen und sozialen Ungleichentwicklung innerhalb der Gruppe der mittel-, ost- und südosteuropäischen Transformationsstaaten entgegenzuwirken, die sich schon jetzt in einer Serie von Gewalt- und Protestmanifestationen in dem Bogen der am negativsten betroffenen südosteuropäischen Transformationsstaaten niederschlägt?
Auch hier darf ich mir, mit Ihrer Zustimmung, Herr Präsident, eine etwas längere Antwort erlauben, weil es um die mittelfristigen Strategien geht, die die Bundesregierung für geeignet hält, um in den Transformationsstaaten zur Stabilität beizutragen.
Die Bundesregierung setzt sich für makroökonomische Stabilisierung und marktwirtschaftliche Reformen insbesondere der wirtschaftlich und sozial weniger entwickelten Volkswirtschaften Südost- und Osteuropas ein. Ziel ist es, die dortigen Lebensverhältnisse zunächst an die der fortgeschrittenen Reformländer des zentraleuropäischen Freihandelsabkommens - das sind die sogenannten CEFTA-Staaten - anzunähern.
Fortschritte bei der gesamtwirtschaftlichen Stabilisierung und beim Reformprozeß hängen maßgeblich von der Durchsetzungsfähigkeit und dem Reformwillen der Regierungen der Transformationsländer ab. Je rascher und konsequenter die Reformen angegangen werden, desto früher wird ein nachhaltiger wirtschaftlicher Aufschwung erreicht.
Makroökonomische Stabilisierung und wirtschaftliche Transformationen sind in erster Linie Aufgabe dieser Länder. Sie sind insbesondere zur Verbesserung ihrer nichtökonomischen Standortfaktoren aufgerufen. Rechtssicherheit, durchsetzbare Rechtsnormen, eine effiziente öffentliche Verwaltung und ein verläßliches Banken- und Börsenwesen sind wesentliche Voraussetzungen für in- und ausländische Investitionen.
Handel und Investitionen haben für die wirtschaftliche Entwicklung einen hohen Stellenwert. Die internationalen Finanzinstitutionen - ich will nicht alle aufzählen - und die Europäische Investitionsbank sowie die Europäische Union unterstützen die Reformmaßnahmen durch umfangreiche technische und finanzielle Hilfe. Diese multilaterale Unterstützung trägt durch geeignete Auflagen zu einer stabilitätsorientierten Wirtschaftspolitik und zu marktwirtschaftlichen Reformen bei.
Daneben kommen dem deutschen außenwirtschaftlichen Förderinstrumentarium - Hermes-Ausfuhrgewährleistungen, Kapitalanlagegarantien, Repräsentanzen der deutschen Wirtschaft usw. -, dem Transform-Programm und dem Beratungsprogramm des BMZ große Bedeutung zu. Die Haushaltskürzung für das Transform-Programm hat unsere Möglichkeiten zur Unterstützung des Reformprozesses allerdings eingeschränkt.
Gerade die wirtschaftlich besonders schwachen Staaten wie Bosnien und Herzegowina, Albanien und Mazedonien erhalten durch die bilaterale Wiederaufbau- bzw. Entwicklungshilfe erhebliche Flankierung auf ihrem Weg zu einer positiven wirtschaftlichen Entwicklung.
Die Staaten der Region sind aufgefordert, durch Abbau von tarifären und nichttarifären Handelshemmnissen wie durch verbesserte Kooperation beim Ausbau der Infrastruktur zu einer vertieften und erweiterten regionalen wirtschaftlichen Zusammenarbeit beizutragen.
Ich bitte um Entschuldigung, daß meine Antwort etwas länger ausgefallen ist.
Zusatzfrage.
Herr Staatsminister, ich habe mit Interesse Ihren Ausführungen zu der allgemeinen Strategie zur Konsolidierung der mittel- und osteuropäischen Staaten zugehört. Meine Frage richtete sich aber auf die spezifische Situation, die sich in den letzten Monaten und besonders in den letzten Wochen in Südosteuropa dramatisiert hat.
Sie sind auf dieses spezifische Problem nicht eingegangen. Kann ich dem entnehmen, daß die Bundes-
Gernot Erler
regierung nicht über die Tendenzen der Polarisierung in den Transformationsstaaten, der Auseinanderentwicklung von Wohlstand und Stabilität in Südosteuropa auf der einen Seite und der Stabilisierung in Zentralosteuropa auf der anderen Seite besorgt ist und dort angesichts dieser Polarisierung keinen Handlungsbedarf sieht?
Herr Kollege, ich habe nicht ausgeführt, daß die Bundesregierung keinen Handlungsbedarf sieht. Ich glaube aber, es wäre falsch, wenn wir uns ständig den Schuh anziehen würden, als sei Deutschland allein für die Lösung der Probleme in Südosteuropa zuständig. Dazu bedarf es natürlich einer sehr viel umfangreicheren Strategie der verschiedensten Institutionen.
Auch wir sind darüber besorgt - über Bulgarien haben wir gerade gesprochen -, daß es dort zu solchen Entwicklungen gekommen ist. Für Albanien gilt ähnliches, allerdings verschuldet durch ganz offensichtliche Fehlleistungen und Fehler innenpolitischer Art. Die Fehler wurden vom Land selber und nicht von außen gemacht, so daß die Unruhen, die Folgen einer solchen Entwicklung, auch auf den Mangel an Reformbereitschaft, an Rechtsnormen zurückzuführen sind. Ich habe das schon einmal gesagt. Das können wir nicht von außen regeln.
Von daher sollten wir zusammen mit unseren europäischen Partnern alles tun, um gerade den südosteuropäischen Staaten in dieser schwierigen Übergangsphase durch Beratung, unmittelbare Hilfeleistungen und großangelegte europäische Bemühungen zu helfen. Aber wir dürfen nicht glauben, wir könnten allein als Deutsche diese Prozesse ganz erheblich beeinflussen oder verändern.
Weitere Zusatzfrage.
Herr Staatsminister, Sie erkennen offenbar das Problem an, und auch die Bundesregierung sieht es. Sie werden mir zustimmen, daß die Bundesregierung eine erhebliche Rolle in der Europäischen Union spielt. Kann man aus Ihrer Sicht nicht auf dieser Basis etwas tun, um den drohenden Verlust des Anschlusses der südosteuropäischen Armutsstaaten - so muß man sie beinahe nennen - an die anderen Staaten zu vermeiden?
Sie haben CEFTA genannt. Gibt es nicht Möglichkeiten, über den Beitrittsprozeß zur Europäischen Union sogenannte Incentives bzw. Anreize zu geben, damit nicht schon in diesem Beitrittsprozeß Ausgrenzungsmechanismen zu Lasten der südosteuropäischen armen Staaten greifen? Sieht die Bundesregierung eine Möglichkeit, in dieser Hinsicht zu handeln?
Natürlich geht es darum, in den Gesprächen und den vielfältigen Kontakten mit diesen Regierungen alles zu tun, damit Ansätze zu einer wirtschaftlichen Reform konsequent betrieben werden. Denken Sie bitte an die Folgen der Demonstrationen in Bulgarien, den Umbau der Region und die anstehenden Neuwahlen mit Parteien, die offensichtlich reformwilliger sind. Denken Sie an die nach demokratischen Wahlen zustande gekommene neue rumänische Regierung, die einen anderen Weg beschreiten kann als ihre Vorgängerregierung.
Albanien ist ein innenpolitisch schwieriges Problem. Denken Sie aber auch daran, daß die Probleme im ehemaligen Jugoslawien - also in Bosnien und Herzegowina - so groß sind, daß sie von uns alleine nicht gelöst werden können.
Aber es ist ganz klar: Es kann nicht angehen - Herr Kollege, hierin stimmen wir vollkommen überein -, daß die mitteleuropäischen Länder eine relativ ruhige Entwicklung nehmen und wir die anderen, die hinterherhinken, in einer kritischen Situation belassen. Vielmehr müssen wir gemeinsam mit unseren Partnern außen- und wirtschaftspolitisch alles tun, damit sich die Situation dort ähnlich wie die in Mitteleuropa gestaltet.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Die Frage 31 wird schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Dann rufe ich jetzt die Frage 32 der Kollegin Annelie Buntenbach auf:
Welchen Zusammenhang sieht die Bundesregierung zwischen der Festnahme des Ehepaares Mauss und der Tätigkeit des Werner Mauss für die Firma S. in Kolumbien und deren Wettbewerb mit der Firma U. um staatliche Aufträge in Kolumbien?
Frau Kollegin, die Bundesregierung sieht zwischen der Festnahme des Ehepaars Mauss und der behaupteten Tätigkeit von Herrn Mauss für eine deutsche Firma in Kolumbien keinen Zusammenhang.
Zusatzfrage.
Wenn die Bundesregierung darüber bis jetzt noch keine Erkenntnisse hat, so möchte ich doch gerne wissen, was die Bundesregierung denn zu unternehmen gedenkt, um den unbefriedigenden Zustand, darüber keine Erkenntnisse zu haben, zu ändern. Es ist schließlich nicht ganz ohne politische Relevanz, ob Herr Mauss als eine Art „guter Mann von Herrn Schmidbauer" in Kolumbien agiert hat oder ob die Bundesregierung ihn für Schmiergeldzahlungen deutscher Firmen mit falschen Papieren ausgestattet hat.
Frau Kollegin, zu dieser Angelegenheit ist von Herrn Schmidbauer wiederholt sehr ausführlich Stellung genommen worden. Mir liegen keine zusätzlichen Informationen vor. Die Bundesregierung hat mit
Staatsminister Helmut Schäfer
Sicherheit niemanden mit Schmiergeldern ausgestattet, um wirtschaftliche Erfolge in Kolumbien herbeizuführen.
Es gab bei der Befreiung deutscher Geiseln lediglich Bemühungen, die Geiseln in die Lage zu versetzen, wieder freizukommen, oder - wie im Fall des Herrn Mauss - dafür zu sorgen, daß den Menschen nach Möglichkeit gehollen wird.
Weitere Zusatzfrage.
Ich hätte gerne gewußt, ob die Bundesregierung einen Zusammenhang zwischen der Tätigkeit der Firma Control Risks, die laut „Welt am Sonntag" - dort ist das am 8. Dezember 1996 genannt worden - von ehemaligen MI-5- und CIA-Agenten gegründet wurde, für US-amerikanische Firmen in Kolumbien und der Festnahme des Ehepaars Mauss sieht.
Frau Kollegin, Ihre Frage - Herr Präsident, es tut mir leid, daß ich darauf hinweisen muß - geht weit über das hinaus, was mir vorgelegt worden ist. Darin ist nicht von dieser Firma die Rede, auch nicht von Zusammenhängen mit der CIA. Vielmehr haben Sie lediglich gefragt, ob es einen Zusammenhang zwischen der Festnahme des Ehepaares Mauss und deren Wettbewerb mit einer Firma in Kolumbien gibt. Ich kann Ihnen beim besten Willen jetzt nichts sagen; ich weiß es auch gar nicht.
Darf ich einmal fragen, Frau Buntenbach: Ist denn die Firma, die Sie gerade erwähnt haben, mit der in der Frage genannten Firma U. identisch?
Wenn nein, dann ist der Sachzusammenhang ein bißchen überdehnt. Das muß ich zugeben.
Control Risks arbeitet für die Firma, die in der Frage mit U. bezeichnet ist. Es besteht also ein direkter Zusammenhang. Ich war davon ausgegangen, daß er der Bundesregierung präsent ist.
Die Frage ist beantwortet worden: Er war nicht präsent.
Gibt es dazu weitere Zusatzfragen? - Herr Kollege Such.
Hat die Bundesregierung in diesem Zusammenhang Hinweise darauf, daß konkurrierende Sicherheitsunternehmen bei der Verfolgung und der Inhaftierung des Werner Mauss in irgendeiner Weise beteiligt waren?
Herr Kollege, ich kann Ihnen beim besten Willen keine Auskünfte über eine höchst fragwürdige, in sich noch nicht abgeschlossene, für viele Außenstehende rätselhafte Entwicklung und deren Zusammenhänge geben. Da wird noch manches aufgeklärt werden müssen.
Aber ich kann Ihnen im Augenblick nicht mehr sagen.
Keine weitere Zusatzfrage.
Dann rufe ich die Frage 33 der Kollegin Annelie Buntenbach auf:
Inwieweit trifft es zu, daß sich der im vergangenen Jahr plötzlich abberufene deutsche Botschafter in Kolumbien, Freiherr von Mentzingen, der Bitte des BND um Ausstellung diplomatischer Schutzbriefe für Herrn Mauss widersetzt hatte und daß diese von Herrn von Mentzingen abschlägig beschiedene Bitte des BND später von Staatssekretär Dr. Peter Hartmann erneut an die Botschaft in Bogota herangetragen wurde?
Frau Kollegin, die deutsche Botschaft Bogotá hat in den bereits mehrfach gegenüber dem Deutschen Bundestag genannten Fällen auf Weisung des Auswärtigen Amtes Schutzpapiere für Herrn Mauss ausgestellt, um Maßnahmen zur Befreiung deutscher Geiseln in Kolumbien positiv zu begleiten.
Zusatzfrage.
In meiner Frage hatte ich auch danach gefragt, ob die Abberufung des früheren deutschen Botschafters in Kolumbien, nämlich des Freiherrn von Mentzingen, damit zusammenhängt, daß er der Bitte des BND, solche Papiere auszustellen, nicht nachgekommen ist. Ich möchte präzise nachfragen, ob die Abberufung des Botschafters unabhängig von seiner Weigerung, die vom BND geforderten Papiere für Herrn Mauss auszustellen bzw. zu unterschreiben, erfolgt ist.
Es ist zunächst einmal darauf hinzuweisen, daß der BND einer Botschaft keine Weisungen erteilen kann. Das ist völlig ausgeschlossen, das geht gar nicht. Er ist einer Botschaft gegenüber nicht weisungsbefugt. Das ist allein Sache des Auswärtigen Amtes.
Im Zusammenhang mit Herrn von Mentzingen wäre die Frage wohl anders zu stellen, Frau Kollegin. Der Abgeordnete, der diesen Fall näher kennt, ist im Moment nicht im Raum. Aber das hat überhaupt nichts mit internen Zusammenhängen im Auswärtigen Amt zu tun gehabt. Der Fall von Mentzingen hing mit einer ganz anderen Angelegenheit zusammen. Ich möchte das aber nicht vertiefen.
Weitere Zusatzfrage? - Herr Kollege Such.
Wenn Sie schon sagen, daß der Bundesnachrichtendienst einer Botschaft keine Weisungen erteilen darf, dann stellt sich die Frage, ob es zutrifft, daß Herr von Mentzingen ein Begehren des Bundesnachrichtendienstes bezüglich der Pässe zunächst ablehnte und später das gleiche Ansinnen von Staatssekretär Hartmann - ich glaube, er ist im Auswärtigen Amt - oder auf dessen Veranlassung erneut an die Botschaft gerichtet wurde.
Herr Kollege, ich bitte Sie um Verständnis dafür, daß ich über interne Angelegenheiten des Auswärtigen Amtes im Deutschen Bundestag nicht in aller Öffentlichkeit diskutieren möchte. Ich kann nur darauf hinweisen: Es gibt keinerlei Entscheidungen des damaligen deutschen Botschafters - der aus einem ganz anderen Grunde abberufen worden ist -, die in irgendeinem Widerspruch zu unseren Bemühungen, Geiseln freizubekommen, stehen. Dazu hat Herr Schmidbauer im Deutschen Bundestag endlos lange - ich war dabei, deshalb kann ich sagen: „endlos" - auf zig Fragen Antworten gegeben.
Ich bitte um Verständnis dafür, daß im Zusammenhang mit der ganzen Kolumbien-Frage an anderer Stelle, wo es hingehört, über Einzelheiten gesprochen werden muß. Aber ich kann Ihnen sagen: Ein Zusammenhang zwischen der Abberufung von Herrn von Mentzingen und irgendwelchen Wünschen des BND und einer späteren Angelegenheit, nämlich der Ausstellung von Reisepässen, zum Beispiel für die gekidnappten Deutschen, besteht nicht.
Keine weitere Zusatzfrage? - Dann haben wir die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes erledigt. Ich danke Ihnen, Herr Staatsminister.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Justiz auf. Alle Fragen werden schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Dann rufe ich den Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen auf. Auch da wird bei allen Fragen um schriftliche Beantwortung gebeten. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung auf. Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Rudolf Kraus zur Verfügung.
Die Frage 42 des Abgeordneten Klaus Hagemann wird schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 43 der Kollegin Erika Lotz auf:
Für welche Arten der Behinderung sollen jetzt die Punktwerte im Schwerbehindertengesetz gesenkt bzw. erhöht werden und mit welcher Begründung?
Herr Präsident, Frau Kollegin, mit Ihrem Einverständnis darf ich die beiden Fragen 43 und 44 gemeinsam beantworten.
Einverstanden? Erika Lotz : Ja.
Dann rufe ich auch die Frage 44 der Kollegin Erika Lotz auf:
Wie viele Schwerbehinderte wären von dieser Änderung betroffen, und wie würde sich diese Neufestlegung in den nächsten Jahren auswirken?
Gleichzeitig möchte ich allerdings bemerken, daß diese Fragen nicht in der gewünschten Weise, sondern nur generell zu beantworten sind.
Grundlage für alle gutachterlichen Beurteilungen nach dem Schwerbehindertengesetz bilden die seit Jahrzehnten vom Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung als Richtlinien herausgegebenen „Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz". Sie sollen für alle Ärzte, die in den genannten Rechtsbereichen gutachtliche Beurteilungen abzugeben haben, eine klare Grundlage für einheitliche und sachgerechte Begutachtungen sein und die Qualität der Begutachtung sichern und verbessern.
Um diesen Zielen gerecht zu werden, ist es erforderlich, diese Begutachtungsrichtlinien immer wieder neuen Erkenntnissen und Fortschritten in der medizinischen Wissenschaft über die Ursachen und die Auswirkungen von Gesundheitsstörungen, den Erfahrungen im Umgang mit den bisher gültigen Beurteilungskriterien sowie an neue gesetzliche Grundlagen und die Rechtsprechung anzupassen. Die letzte diesbezügliche Neufassung wurde Ende des Jahres 1996 abgeschlossen. Sie hat sich allein am geltenden Recht und an medizinischen Erkenntnissen orientiert. Andere - vor allem politische oder finanzielle - Überlegungen haben dabei keine Rolle gespielt; sie können und dürfen die unabhängige ärztliche Sachverständigentätigkeit auch nicht beeinflussen.
Im Rahmen der Überarbeitung hat sich auch gezeigt, daß in manchen Fällen die bisherige Bewertung der Auswirkungen von Funktionsbeeinträchtigungen - insbesondere im Vergleich zu anderen Gesundheitsstörungen - nicht mehr sachgerecht war und deshalb geändert werden mußte. Dabei sind aber nicht einfach die bisher maßgebenden Werte nach oben oder unten korrigiert worden; vielmehr wurden in fast allen diesen Fällen auch die Beschreibungen der Funktionsausfälle neu formuliert. Aus diesem Grunde kann nicht gesagt werden, ob und in welchen Fällen es tatsächlich zu einer niedrigeren oder höheren Bewertung von Auswirkungen funktioneller Einschränkungen gekommen ist.
Parl. Staatssekretär Rudolf Kraus
Darüber hinaus ist zu beachten, daß nach dem Schwerbehindertengesetz nur in ganz seltenen Fällen Gesundheitsstörungen isoliert zu beurteilen sind. Vielmehr sind als Behinderungen stets die Auswirkungen aller im Einzelfall vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen zu bewerten. Es ist somit nicht abzuschätzen, ob und inwieweit sich die Änderungen einzelner GdB-Werte im Rahmen der im Schwerbehindertenrecht maßgebenden Gesamtbeurteilung auswirken.
Sie haben nun insgesamt vier Zusatzfragen.
Herr Staatssekretär, Sie haben zwar schon auf die Möglichkeiten der Ärzte hingewiesen. Trotz allem will ich Ihnen die Frage stellen, ob denn die Bundesregierung gegenüber den Gutachtern nicht darauf gedrungen hat, daß die Chancen der Behinderten am Arbeitsplatz realistisch eingeschätzt werden.
Ganz selbstverständlich; es ist eine permanente Aufgabe, immer wieder darauf hinzuweisen, daß derartige Gesichtspunkte Berücksichtigung finden.
Weitere Zusatzfrage.
Ich darf noch einmal nachfragen, ob die Bundesregierung insbesondere auf die sich rapide verschlechternden Arbeitsplatzchancen Behinderter hingewiesen und auch darauf gedrungen hat, daß dies bei der Beurteilung der Rahmenbedingungen berücksichtigt wird.
Es ist permanentes Bemühen der Bundesregierung, die Chancen von Behinderten zu vergrößern, einen Arbeitsplatz zu bekommen bzw. den Platz, den sie haben, zu behalten.
Die Schaffung spezieller Erleichterungen - wenn ich das richtig verstehe - etwa bei der Erlangung von EU- oder BU-Renten angesichts der Arbeitsmarktsituation kann nicht Aufgabe der Bundesregierung sein. Es kann nicht so sein, daß wir arbeitsmarktpolitische Probleme mit Hilfe von EU- oder BU-Renten zu lösen versuchen.
Weitere Zusatzfrage?
Ja. - Herr Staatssekretär, sind denn nach Auffassung der Bundesregierung die ärztlichen Gutachter hinsichtlich der Beurteilung der Folgen arbeitsmarktlicher Benachteiligung nicht völlig überfordert?
Es kann nicht
Aufgabe der Ärzte sein, derartige Dinge abschließend zu beurteilen. Aufgabe der Ärzte ist es, wie ich hier schon ausgeführt habe, unabhängig von finanziellen oder polititschen Entwicklungen zu den richtigen Begutachtungen hinsichtlich des Gesundheitszustandes und der Leistungsfähigkeit der Betroffenen zu kommen.
Weitere Zusatzfrage?
Ja. - Beurteilt die Bundesregierung die jetzt festgelegte neue Fassung, die unter Ausschluß des Gesetzgebers erstellt worden ist, als einen Beitrag zum Abbau sozialer Kosten?
Keineswegs. Das ist kein Beitrag zum Abbau sozialer Kosten. Ich sage es noch einmal: Es geht vielmehr ausschließlich darum, unter Sachgesichtspunkten derartige Beurteilungen vorzunehmen.
Zusatzfrage? - Herr Kollege Dreßen.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß die Aktivitäten der Hauptfürsorgestelle, die früher einmal die Interessen der Behinderten am Arbeitsplatz sehr intensiv wahrgenommen hat, sehr stark rückläufig sind? Das heißt, diese Vertreter nehmen überhaupt nicht mehr die Interessen der Behinderten wahr, sondern stimmen fast allen Vorstellungen, wie sie in den Unternehmen zu finden sind, ohne daß diese vorher begründet worden sind, einfach zu.
Mir - ich kann nur von meiner Person reden - sind derartige Entwicklungen nicht bekannt. Ich würde darum bitten, wenn Ihnen derartiges konkret bekannt ist, uns das mitzuteilen. Wir sind gerne bereit, der Sache nachzugehen.
Frau Kollegin Wright.
Herr Staatssekretär, wie erklären Sie sich die Ablehnung der Forderung des Deutschen Gewerkschaftsbundes durch das Ministerium, an den Beratungen der Gutachter teilnehmen zu wollen?
Das war bisher nicht so; es gibt auch keinen Grund, von der bisherigen Praxis abzuweichen.
Es gibt keine weiteren Zusatzfragen.
Vizepräsident Hans-Ulrich Klose
Die Fragen 45 und 46 werden schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Wir kommen jetzt zur Frage 47 des Kollegen Peter Dreßen:
Auf welchen Umfang belaufen sich durch rückdatierte Kündigungen die Schadenssummen bei der Bundesanstalt für Arbeit, und wie viele Firmen sind nach gegenwärtigem Kenntnisstand insgesamt betroffen?
Herr Präsident, ich darf mit Ihrem Einverständnis und auch mit dein des Herrn Kollegen Dreßen die Fragen 47 und 48, die unmittelbar zusammengehören, gemeinsam beantworten.
Sind Sie einverstanden, Herr Kollege Dreßen? - Dann rufe ich ebenfalls die Frage 48 auf:
Bei wie vielen öffentlichen Arbeitgebern sind Rückdatierungen nach gegenwärtigem Kenntnisstand vorgekommen?
Bitte.
Dem Präsidenten der Bundesanstalt für Arbeit sind auf Grund einer Anfrage bei den Landesarbeitsämtern vom August 1996 zirka 6 271 Verdachtsfälle in 34 Unternehmen bekannt, wonach Verantwortliche dieser Betriebe betrügerische Manipulationen in Bescheinigungen, die für Ansprüche auf Arbeitslosengeld erforderlich sind, durch falsche Angaben über die Einhaltung von Kündigungsfristen vorgenommen haben sollen. Manipulationen wurden in 497 Fällen festgestellt. Der ermittelte Vermögensschaden beträgt annähernd 4 Millionen DM. Nach diesem Zeitpunkt wurde von mehreren Landesarbeitsämtern über weitere 429 Verdachtsfälle in einem Betrieb berichtet. Der entstandene Schaden wurde noch nicht ermittelt.
Zu Ihrer zweiten Frage: Nach gegenwärtigem Kenntnisstand der Bundesanstalt für Arbeit sind bei einem öffentlichen Arbeitgeber in 23 Fällen Manipulationen mit einer Schadenssumme von 152 954 DM vorgenommen worden.
Zusatzfrage.
Herr Präsident, zuerst eine Klarstellung: Ich hoffe, daß in der Zukunft die Verwechslung der Parteien nicht mehr so stattfindet, wie es in meinem Fall geschehen ist. Ich bin nach wie vor Mitglied der SPD. In dem Fragenkatalog ist als Fraktion die CDU/CSU aufgeführt. Ich hatte nicht vor zu wechseln.
In meinem Fragenkatalog steht SPD.
In der Drucksache steht es anders, aber gut.
Herr Staatssekretär, können Sie sich vorstellen, daß die Zahlen, die Sie vorgetragen haben, nur die Spitze eines Eisberges sind und daß sich dahinter eine unheimlich große Grauzone verbirgt?
Sie werden verstehen, Herr Kollege, daß ich mich nicht in Spekulationen ergehen kann. Persönlich könnte ich mir vorstellen, daß bei allen derartigen Dingen eine Grauzone besteht und daß daher selbstverständlich nicht alle Fälle bekannt werden.
Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung bereit, die Zahl der entsprechenden Stellen bei den Arbeitsämtern auszuweiten, um die Mißstände, die es hier gibt, effektiver als in der Vergangenheit zu bekämpfen?
Herr Kollege, Sie wissen, wir haben heute im Ausschuß genau dieses Thema besprochen. Die Antwort der Bundesregierung war, daß man natürlich auf die Zusammenarbeit mit den Selbstverwaltungsorganen der Bundesanstalt für Arbeit angewiesen ist. Die Auffassung der Bundesregierung ist, daß entsprechende Schritte in der Vergangenheit bereits unternommen wurden und daß für die Bundesanstalt für Arbeit noch Spielräume bestehen, in dieser Frage weiter tätig zu sein.
Weitere Frage?
Herr Staatssekretär, zu meiner zweiten Frage habe ich noch eine Zusatzfrage: Ist die Bundesregierung bereit, dienstrechtliche Schritte gegen Personen zu unternehmen, die im öffentlichen Dienst solche Rückdatierungen zugelassen haben?
Soweit es sich um Bedienstete handelt, die beim Bund beschäftigt sind, wird man sicher derartige Schritte überlegen und auch einleiten. Bei dem Fall, den Sie angesprochen haben - das wissen Sie auch -, handelt es sich keineswegs um eine Behörde, die unmittelbar dem Bund unterstellt ist. Wenn überhaupt, dann sind hier die Länder aufgerufen, etwas zu tun.
Herr Staatssekretär, auch die Bundesregierung ist, glaube ich, in der Lage, entsprechende Dienstaufsichtsbeschwerden bei den entsprechenden Behörden einzuleiten. Ist sie dazu bereit? Wenn schon Bürgermeister solche Rückdatierungen vornehmen, wie es bei der Stadt Coswig der Fall war, dann halte ich das für einen unerträglichen Zustand. Es ist unerträglich, daß selbst im öffentlichen Dienst solche Dinge passieren.
Wir haben eine föderalistische Grundordnung. Für die Gemeinden sind die Länder zuständig. Soweit es sich um Maß-
Parl. Staatssekretär Rudolf Kraus
nahmen, die in den Bereich der Bundesanstalt für Arbeit fallen, handelt, ist die Bundesanstalt für Arbeit gefordert - und bei kriminellen Vorgängen auch die zuständige Staatsanwaltschaft.
Keine weiteren Zusatzfragen. - Alle weiteren Fragen aus diesem Geschäftsbereich, die Fragen 49 bis 54, werden schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt. Wir sind damit am Ende der Fragestunde.
Ich rufe jetzt den Zusatzpunkt 1 auf:
Aktuelle Stunde
auf Verlangen der Gruppe der PDS
Haltung der Bundesregierung zu den Plänen
der Deutschen Bahn AG, rund 10 000 Kilometer Schiene „an andere Betreiber" abzugeben
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Kollege Dr. Winfried Wolf.
Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Damen und Herren! In einer Rede zum aktuell gegebenen Thema Bahn in diesem Haus am 28. September 1995 zitierte ich den Hamburger Ersten Bürgermeister Voscherau, der bereits anläßlich der Verabschiedung der Bahnreformgesetze 1992 sagte: „Das ist das Ende der schönen Eisenbahn. "
Just dieses Voscherau-Zitat war mir gewärtig, als
ich vorgestern die Meldung las, die Grundlage für diese Aktuelle Stunde ist. Laut „Spiegel" wurde im Januar im Vorstand der DB AG über ein internes Papier diskutiert, wonach „rund 10 000 Kilometer Schiene" oder „ein Viertel des gesamten Netzes" als „unrentabel" gelte. Das Hamburger Magazin überschrieb den Artikel nicht mit „Neue Betreiber für Bahnnebenstrecken gesucht", sondern mit „Scharfe Schnitte ins Netz".
Im Grunde wird mit den „ 10 000" nur eine Zwischensumme der Zerstörung genannt. Nach den Antworten auf unsere Kleine Anfrage wurden allein im Zeitraum Anfang 1994 bis Mitte 1996 137 Bahnstrecken mit einer Länge von 1 397 Kilometern abgebaut. Darüber hinaus - das hat der Aufsichtsratsvorsitzende der DB AG, Günther Saßmannshausen, gegenüber der FAZ im März 1996 offen geäußert - ist die Halbierung des Netzes von derzeit 40 000 Kilometern auf ein „Kernnetz" von 17 500 Kilometern geplant, was zusammen mit dem S-Bahn-Netz von 3 000 Kilometern und einem getrennten Güterbahnnetz 20 000 Kilometer Gesamtlänge ergeben würde. Es geht also nicht um 10 000, sondern um 20 000 Kilometer Schienenabbau.
Lassen Sie mich an drei Beispielen das aktuelle Bahn-Ableben demonstrieren. Fall 1: Bei der Strecke Wrist - Hohenlockstedt votiert die Schleswig-Holsteiner Verkehrsservicegesellschaft für die Reaktivierung. Doch im November 1996 begann die DB AG mit dem Abbau der gesamten Strecke. Kommentar: So demonstriert die DB AG, daß sie keine anderen
Betreiber will, sondern - in Anlehnung an die Sprache der Ruhrkumpel - den „Absturz ins Gleisfreie".
Beispiel 2: Gestern nacht gegen 22 Uhr konnte ich in Köln Hauptbahnhof ein halbes Dutzend Kolleginnen und Kollegen in einem Postzug bei der Arbeit besuchen. Sie wußten von den jüngsten Beschlüssen der Deutschen Post AG, bereits in acht Wochen jeglichen Briefpost-Verkehr auf Schienen einzustellen und diesen komplett auf Lkw und Flugzeuge zu verlagern. Behauptet wird, daß das, was im Dampfeisenbahnzeitalter und im weit größeren Deutschen Reich funktionierte, nämlich „E + 1" zu gewährleisten, im Telematikzeitalter nicht mehr klappen könnte. Kommentar: Das ist die Unwahrheit, Herr Bötsch und Herr Wissmann. Dafür läßt sich als Zeugin sogar die DB AG anführen, die von einer „schienenfeindlichen Logistik der Post" spricht.
Beispiel 3: Mir liegen Briefe mit Absender „Geschäftsbereich Netz der DB AG", datiert auf Ende Januar 1997, vor, die Tausenden Bahnbeschäftigten, vor allem in den neuen Bundesländern, zugingen. Darin werden die Angeschriebenen aufgefordert, bis zum 31. März 1997 zu kündigen, und ihnen für diesen Fall Abfindungen angeboten. Dies findet statt: nach der Halbierung der Bahnbelegschaft seit 1990, trotz hohen Überstundenbergs und obwohl ausgedünntes Personal und verschlechterte Ausbildungsstandards mitverantwortlich für die auch heute im Verkehrsausschuß diskutierte gesunkene Sicherheit im Schienenverkehr sind. Kommentar der Gewerkschaft der Eisenbahner Deutschlands:
Die GdED verurteilt das Vorgehen der DB AG und sieht hierin eine Mißachtung der getroffenen Vereinbarungen.
Nun wurde nach meinen Informationen der Beschluß zu diesem unsittlichen Angebot auf der Vorstandssitzung der DB AG vom 21. Januar gefaßt, just zur selben Zeit, als laut „Spiegel" über das Abstoßen der 10 000 Kilometer Schienennebenstrecken debattiert wurde - also: zuerst Abstoßen, dann Abfinden.
Im übrigen macht die DB AG mit ihrer Nebenstrekkenpolitik gleich doppelt Kasse: mit den überhöhten Trassenpreisen gerade auf Nebenstrecken und über Bundesmittel. Nach Bundesschienenwegeausbaugesetz sind 20 Prozent der Bundesmittel für Schienenwegeinvestitionen in den Schienenpersonennahverkehr vorgesehen.
Gerade hat die SPD von der Bundesregierung in einer Antwort bestätigt bekommen, daß ein Großteil der Investitionen in das Bestandsnetz fließen müsse. Doch, wie wir hier erneut demonstriert bekommen: Bestand hat nicht das Bestandsnetz. Bestand hat lediglich die schienenfeindliche Verkehrspolitik der Bundesregierung. Ziel ist eine Spielzeugbahn für die Herren der S-Klasse. Und es ist die Bundesregierung - nicht der Vorstand der DB AG -, die letzten Endes für die Schieneninfrastruktur Verantwortung trägt. Sie, Herr Wissmann, sind aufgefordert: Gewähren Sie Bestand! Da Sie dazu offensichtlich nicht bereit sind, haben wir und die Grünen entsprechende Anträge im Bundestag eingebracht, so denjenigen nach einem Schienenwegesicherungsgesetz im Februar
Dr. Winfried Wolf
letzten Jahres, in dem wir die Übertragung des Schienennetzes in Bundes- und Ländereigentum fordern.
Danke schön.
Das Wort hat der Kollege Dr. Jobst, CDU/CSU.
Herr Präsident! Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen! Das Horrorszenario, das eben von Herrn Kollegen Wolf gemalt wurde, und auch die Pressemeldungen, auf die er sich bezogen hat, geben keinen Anlaß zur Verunsicherung der Bevölkerung vor allem in den ländlichen Regionen.
Es gibt keinen Kahlschlag bei der Bahn, wie wir ihn 1976 unter dem damaligen SPD-Bundesverkehrsminister Gscheidle erlebt haben.
Die Wirklichkeit ist eine andere: Die Deutsche Bahn AG hat ein Streckennetz von rund 40 000 Kilometern, in dem es stark belastete und schwach belastete Strecken gibt. Für uns darf ich feststellen: Wir brauchen und wir wollen ein leistungsfähiges Schienennetz für unser Land. Unser verkehrspolitisches Ziel ist es, mehr Verkehr auf die Schiene als umweltfreundlichen Verkehrsträger zu bringen und eine Entlastung der Straßen herbeizuführen. Die Eisenbahn ist für uns ein wichtiger und unverzichtbarer Verkehrsträger. Wir brauchen aber eine Bahn für die heutigen Verkehrsanforderungen und nicht eine von vorgestern. Nur auf diese Weise ist die Bahn eine moderne Bahn.
Wir haben die Bahnreform 1993 gemeinsam beschlossen. Die Zielsetzung war und ist: Stärkung des Verkehrsträgers Schiene, Verbesserung der Wettbewerbssituation der Eisenbahn, nachhaltige Entlastung des Bundeshaushaltes und Stärkung der Eigenverantwortlichkeit der Bahn. Unsere verkehrspolitische Weichenstellung war richtig. Die Deutsche Bahn AG hat jetzt drei Jahre lang beachtliche Gewinne erwirtschaftet.
Wir haben die Bahn in die Lage versetzt, kräftig zu investieren. Hier gab es einen erheblichen Nachholbedarf. Im Bundesverkehrswegeplan ist vorgesehen, daß die Investitionen in die Schienenwege höher als die in den Straßenbau sind. In den neuen Bundesländern ist die Infrastruktur der Bahn erheblich modernisiert worden. Es werden Hochgeschwindigkeitsstrecken gebaut und vorhandene Strecken ausgebaut.
Die Deutsche Bahn AG wird in den nächsten fünf Jahren 81 Milliarden DM investieren, wovon 49 Milliarden DM für Infrastrukturmaßnahmen und 32 Milliarden DM für Fahrzeuge, Anlagen, Personenbahnhöfe usw. verwendet werden. Durch den Einsatz moderner Technik, auch der Neigetechnik, wird die Bahn auf ihren Strecken die Leistungsfähigkeit steigern und die Kosten senken können. Die Investitionsquote der Deutschen Bahn AG liegt deutlich über dem Durchschnitt der Industrie. Diese Investitionen bilden die Grundlage für eine moderne Bahn und für eine erfolgreiche Zukunft der Bahn.
Wir sind mit unserer Verkehrspolitik auf dem richtigen Gleis. Die Verantwortung des Bundes für die Infrastruktur wird wahrgenommen. Wir haben mit der Regionalisierung des öffentlichen Personennahverkehrs die Länder in die Lage versetzt, gerade den Schienenpersonennahverkehr attraktiver zu gestalten. 1997 werden den Ländern vom Bund 12,1 Milliarden DM zur Verfügung gestellt. Die Verantwortung für den Nahverkehr liegt nach dieser Regelung ausdrücklich bei den Ländern. Ihrer Verantwortung für den Nahverkehr wird dadurch Rechnung getragen, daß die Bahn AG den Einsatz ihrer Mittel für die Schieneninfrastruktur des Nahverkehrs mit den Ländern abstimmt. Mit diesen Maßnahmen ist das Verkehrsangebot für die Bevölkerung in der Fläche erheblich verbessert worden.
Die unternehmerische Aufgabe der Bahn AG ist es, das Verkehrsangebot nach den Bedürfnissen des Marktes, also nach der Nachfrage, zu gestalten. Wie in allen Bereichen der Wirtschaft gilt auch hier: so viel Schiene wie nötig, so kostengünstig wie möglich. In der Fläche kann die Bahn die verkehrlichen Bedürfnisse nicht befriedigen. In der Fläche sind der Pkw und der Lkw unschlagbar und deshalb auch unverzichtbar. Die Betriebsansiedlungen und das Schaffen von Arbeitsplätzen in den ländlichen Regionen wären ohne die Verbesserung des Straßenverkehrs nicht möglich gewesen. Die Verästelung des Eisenbahnnetzes stößt dort an Grenzen, wo das Verkehrsaufkommen zu gering ist. Der Verkehrsträger Straße leistet also eine wichtige Grundversorgung für die Regionen. Die Bahn kann das nicht tun.
Die Bahn hat seit 1950 unwirtschaftliche Strecken stillegen müssen. Die Entscheidung trifft jeweils der Kunde oder die Wirtschaft;
die Bahn muß das nachvollziehen. Es ist auch heute Aufgabe der Bahn AG, solche Entscheidungen zu treffen, wenn sich herausstellt, daß eine Strecke total unwirtschaftlich ist. Die Bahn ist gehalten, den Umfang ihrer Produktionsanlagen rationell zu dimensionieren. Die Entscheidung, eine Eisenbahnstrecke abzugeben oder stillzulegen, ist in der Regel nur der Endpunkt eines langen und erkennbaren Verkehrsrückganges.
Hier sind jetzt örtliche Lösungen gefragt. Wir setzen in diesen Fällen auf den kombinierten Verkehr durch marktgerechte Kooperation, das heißt Sammlung und Verteilung auf der Straße, Transport über große Entfernungen auf der Schiene. Solche Maß-
Dr. Dionys Jobst
nahmen wird es auch in Zukunft geben. Die Bahn hat die Aufgabe, schwach belastete Strecken laufend zu kontrollieren und die entsprechenden Entscheidungen zu treffen.
Solche Maßnahmen werden verhindern, daß es in unserem Land einen Verkehrsrückstand oder gar einen Verkehrsnotstand gibt.
Die Zeit, Herr Kollege!
Sie, meine verehrten Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, können versichert sein: Die Verantwortung für die notwendige und leistungsfähige Infrastruktur der Bahn nehmen wir ernst. Die weitere Verbesserung der Verkehrsanbindung der ländlichen Regionen ist für uns eine wichtige politische Aufgabe. Die Aktuelle Stunde wäre nicht notwendig gewesen.
Das Wort hat die Kollegin Heide Mattischeck, SPD.
Herr Präsident! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Herr Jobst, Sie haben gesagt, die Bahn werde mit solchen Horrorszenarien kaputtgeredet. Ich glaube kaum, daß der Bahn damit gedient ist, wenn man sie schönredet und die Dinge so hinstellt, wie sie nun wirklich zum großen Teil nicht sind.
Vielleicht hat Herr Wolf bei der einen oder anderen Sache übertrieben; das hoffe ich, und davon gehen wir aus. Aber wir sollten uns auch mit dem beschäftigen, was um uns herum vorgeht. Wer sich einmal angeguckt hat, was in Großbritannien inzwischen mit der Bahn passiert ist, weiß, daß es völlig richtig ist, wenn wir darauf hinweisen, welche Gefahren auch bei uns bestehen.
Wir haben 1994 gemeinsam die Bahnreform in Kraft treten lassen. Das war eine große gemeinsame Anstrengung, und wir stehen dazu. Viele Hoffnungen richten sich seitdem auf eine neue, moderne, umweltfreundliche Bahn: im Güterverkehr, im Regionalverkehr, im Nahverkehr und auch im Fernverkehr. Ich denke, man sollte nicht verschweigen, daß unter großen Anstrengungen vieler Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen auch Erfolge zu verzeichnen sind.
Seit 1960 wurden rund 450 Milliarden DM Steuergelder in den Fernstraßenbau gesteckt, aber nur
56 Milliarden DM in den Schienenausbau.
150 000 km neu gebauten Straßen stehen 700 km neue Eisenbahnstrecken gegenüber.
Mit dem neuen Bundesverkehrswegeplan schaffen wir hier eine Umkehr. Die 214 Milliarden DM,
- das sind 6,5 Milliarden DM per annum -
die wir bis ... 2012 für die Schiene vorgesehen haben, investieren wir, weil wir an die Schiene als Verkehrsträger der Zukunft glauben.
Das habe nicht ich gesagt, sondern der Bundesverkehrsminister Wissmann in einer Rede am 20. Dezember 1993 vor dem Führungskreis der Deutschen Bahnen, Überschrift: „Am Beginn einer neuen Ara" .
Im Haushalt 1997 sind Sie, Herr Verkehrsminister, und Sie, liebe Koalitionäre, bei Mitteln in Höhe von gerade einmal 3,5 Milliarden DM per annum angelangt. Das ist etwas mehr als die Hälfte von dem, was Sie uns vor zwei Jahren noch glauben machen wollten.
Die Bahn verfügt noch über Schienenwege von 40 000 Kilometern. Ganz gewiß wird nicht jeder dieser Kilometer heute und in Zukunft wirtschaftlich zu betreiben sein, wobei ich „wirtschaftlich" nicht nur betriebswirtschaftlich verstehe,
sondern auch gemeinwirtschaftlich und volkswirtschaftlich. Darauf möchte ich ganz deutlich hinweisen.
Da ist die Bundesregierung im Obligo. Ich darf daran erinnern, was wir im Grundgesetz gemeinsam beschlossen haben:
Eisenbahnen des Bundes werden als Wirtschaftsunternehmen in privat-rechtlicher Form geführt. Diese stehen im Eigentum des Bundes, soweit die Tätigkeit des Wirtschaftsunternehmens den Bau, die Unterhaltung und das Betreiben von Schienenwegen umfaßt.
Wir sind hier in der Verpflichtung.
Natürlich haben Sie darauf hingewiesen, daß gesetzlich genau geregelt ist, wie ein Schienenabbau erfolgt. Es ist klar, da gibt es große Hürden. Trotzdem, denke ich, muß die Bundesregierung aufpassen, daß sie nicht all das, was wir gemeinsam auf den Weg gebracht haben, jetzt durch ihr Handeln oder Nichthandeln kaputtmacht.
Eine flächendeckende Schieneninfrastruktur ist Teil der Daseinsvorsorge. Der Bund ist dem Gemeinwohl verpflichtet, so das Grundgesetz. Was macht die Bundesregierung und die sie tragende Koalition? Sie plündern die Bahn aus.
Unsere Hoffnung, daß eine von Altlasten und bürokratischen Hemmnissen befreite Bahn unternehmerisch tätig sein kann, wird zunehmend durch die Ver-
Heide Mattischeck
kehrspolitik des Bundesverkehrsministers und der Bundesregierung konterkariert.
Mittel in Milliardenhöhe wird die DB AG auf Druck des Finanzministers in den nächsten vier Jahren aus eigenen Mitteln für Schienenausbauzwecke aufbringen müssen, damit Finanzminister Waigel seine Kassenlöcher stopfen kann. Das wird der DB AG bei der Beschaffung modernen Wagenmaterials und moderner Loks fehlen. Zusätzliche Belastungen entstehen der DB AG dadurch, daß Anteile des Haushalts an der Schienenbaufinanzierung überwiegend als Darlehen gewährt werden, deren Rückzahlung das Unternehmen in den nächsten Jahren zusätzlich belastet.
Damit nicht genug: Aus politischen Gründen muß sich die DB AG gegen den erkennbaren Willen der Bahn an der Transrapid-Betreibergesellschaft beteiligen und gleichzeitig auf eine gewinnträchtige schnelle Bahnverbindung zwischen Hamburg und Berlin verzichten. Von solchen Peanuts wie dem Wuermeling-Paß - der Ermäßigung für kinderreiche Familien, die pro Jahr 60 Millionen DM kostet - will ich überhaupt nicht sprechen.
Die Gemeinwohlverpflichtung des Bundes ist nur eine Seite der Medaille. Die andere sind die Rahmenbedingungen, die der Bund der Verkehrspolitik insgesamt setzt.
Auch wenn Herr Friedrich vorhin im Ausschuß gesagt hat, daß die Rahmenbedingungen der Verkehrspolitik eigentlich gar nichts mit dem Bund zu tun haben, meine ich, daß wir hier verpflichtet sind. Als ein Stichwort ist die gerechte Kostenanlastung für die verschiedenen Verkehrsträger wie Auto, insbesondere Lkw und auch die Luftfahrt zu erwähnen. Ich kann aus Zeitgründen jetzt nicht darauf eingehen.
Hinsichtlich der neuen Länder ist zu sagen: In den vergangenen Jahrzehnten - ich habe darauf hingewiesen - sind in der alten Bundesrepublik massenhaft Schienenstrecken nicht nur stillgelegt, sondern auch abgebaut worden. Ich hoffe, daß wir den gleichen Fehler nicht in den neuen Bundesländern machen.
Wir fordern die Bundesregierung, insbesondere Herrn Wissmann, auf, ihrer Verantwortung nachzukommen, einer Bahn mit Zukunft gerecht zu werden.
Danke schön.
Das Wort hat der Kollege Albert Schmidt, Bündnis 90/Die Grünen.
Verehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Dr. Jobst, hat nun Winfried Wolf ein Horrorszenario entworfen? Hat er sich das alles selber ausgedacht und erfunden, oder beruht die ganze Geschichte auf Tatsachen?
- Oder hat er nur beim „Spiegel" abgeschrieben?
- Ich komme gar nicht mehr zu Wort. Die Herrschaften unterhalten sich auch ohne mich prächtig.
- Herr Dr. Jobst, ich komme jetzt dazu.
Die internen Überlegungen der Deutschen Bahn AG, bis zu 10 000 Kilometer ihres Streckennetzes abzustoßen bzw. stillzulegen, sind kein Hirngespinst des „Spiegel" . Ich zeige Ihnen hier, Herr Dr. Jobst, das Original des Papieres, auf das sich der „Spiegel" bezieht. Es handelt sich um die 11. Sitzung der GBAGM Netz am 22. Januar 1997. Ich lese Ihnen drei signifikante Passagen daraus vor. Das ist leider Gottes kein Horrorgemälde, sondern es ist tatsächlich ein internes Planungspapier der Bahn AG.
- So geheim ist es gar nicht; ich lese es jetzt vor. Hören Sie zu, Herr Brunnhuber!
Unter der Überschrift „Kein Geld für politische Forderungen" schreibt die DB AG - ich zitiere -:
Die Investitionen werden
- gemeint ist zukünftig -
auf wirtschaftlich tragfähige, zukunftsträchtige Strecken und Anlagen konzentriert und
- jetzt kommt es -
ausschließlich nach unternehmerischen Kriterien gesteuert, nicht mehr nach politischen Forderungen.
In Art. 87e des Grundgesetzes steht: Es gibt die politische Gemeinwohlverantwortung für einen Schienenverkehr auch im flachen Land. Die Bahn AG sagt hier im Klartext: Das interessiert uns nicht. Wir gehen in Zukunft nur noch nach betriebswirtschaftlichen Kriterien vor. - Das ist ein kaltschnäuziges Unterlaufen der Bahnreform. So haben wir damals nicht gewettet.
Ich will das gerne noch ergänzen, Herr Kollege Dr. Jobst. Sie haben, wenn ich mich nicht verhört habe, soeben gesagt
Albert Schmidt
- hören Sie zu; bleiben Sie bei den Fakten -, die Bahn AG werde in den nächsten fünf Jahren 81 Milliarden DM investieren. So ungefähr war Ihre Aussage. In demselben Papier, aus dem ich gerade zitiert habe, steht aber unter der Überschrift „Investitionsstrategie": „Für die Zeit von 1996 bis 2002" - also einen Sechsjahreszeitraum - „sind folgende Investitionen vorgesehen". Dann wird aufgelistet: Neubaustrecken, Erhaltungsinvestitionen usw. Summe: 58,7 Milliarden DM. - 58,7 Milliarden DM, nicht 81 Milliarden DM, das ist die Aussage der Bahn AG.
Dann kommt die Conclusio der Deutschen Bahn AG - ich zitiere noch einmal -:
„Auf Strecken, auf denen die DB AG beim besten Willen kein Geschäft machen kann, werden wir versuchen, andere Betreiber zu finden und für die Übernahme zu interessieren", erklärte Leuthold Lewin.
- So heißt der Fachreferent dort. -
Nach Einschätzung des GB Netz sind davon nicht weniger als 10 000 km Strecken betroffen.
Punkt für Punkt die Wahrheit, was dort ausgeführt worden ist!
In einem Punkt haben Sie, Herr Dr. Jobst, wirklich recht gehabt, und das möchte ich ausdrücklich unterstreichen. Sie haben hier ausgeführt, die Stillegung einer Strecke sei immer nur der Endpunkt einer langen Entwicklung. Das stimmt. Wie sieht denn die Negativkarriere einer Strecke bis hin zu Stillegung, Abbau und Entwidmung aus? Die Karriere schaut so aus: Da wird ein miserabler Fahrplan angeboten. Dann ist veraltetes Gerümpel unterwegs, rollende Schützenpanzer mit irgendwelchen Silberlingen hintendran. In der Folge haben wir immer weniger Fahrgäste; das ist völlig klar. Am Schluß erfolgt dann die Stillegung, weil natürlich niemand mehr mitfahren will. Das sind die Negativkarrieren. Diesen Teufelskreis gilt es zu unterbrechen.
Ich möchte Ihnen aber durchaus sagen: Ich bin nicht der Auffassung, daß allein die Deutsche Bahn AG es erreichen kann, daß wir Strecken besser bedienen, daß wir das Nahverkehrsangebot modernisieren, daß wir dichtere Taktfolgen schaffen, daß wir moderne Leichtbautriebwagen einsetzen usw. Im Gegenteil: Überall dort, wo abgewirtschaftete Strekken von nichtstaatlichen Eisenbahnen übernommen worden sind - ich erinnere hier an die Albtalbahn, die Württembergische Eisenbahngesellschaft, die Regentalbahn, die Dürener Kreisbahn, die Verkehrsgesellschaft Elbe-Weser usw. -, wurde vorexerziert: Wenn sie das Projekt mit Phantasie und Tatkraft selber in die Hand nehmen, wird es eine Erfolgsgeschichte.
Dann, Herr Kollege Jung, bedeutet das: Die politische Verantwortung liegt beim Bund. Die politischen Vorgaben, was die Infrastruktur anbetrifft, müssen vom Bund kommen. Bei der Umsetzung und Abwicklung aber ist durchaus mehr Wettbewerb möglich und auch wünschenswert. Was die Bahn hier tut, nämlich die Verabredungen in der Bahnreform zu ignorieren und zu unterlaufen, dürfen wir von der politischen Ebene her auf gar keinen Fall durchgehen lassen, egal, auf welcher Seite des Hauses wir sitzen.
Das Wort hat der Kollege Horst Friedrich, F.D.P.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich in einer Aktuellen Stunde zunächst mit einer aktuellen Nachricht aufwarten. Für die Fraktion der F.D.P. begrüße ich ganz ausdrücklich die soeben bekanntgegebene Wahl von Johannes Ludewig zum neuen Vorstandsvorsitzenden der Bahn AG. Ich spreche ihm für die F.D.P. alles Gute für sein schweres Amt aus.
Nach diesem Einstieg ist es wichtig, glaube ich, sich wieder auf das Wesentliche zu konzentrieren. Herr Kollege Schmidt, es kommt nicht nur darauf an, was vorgelegt wird. Es kommt bei allen Papieren auch darauf an, was beschlossen ist.
Deswegen sollte man sich immer mit der letzten Information hierhinstellen. Ich zitiere die „FAZ" vom 24. Februar:
Die Deutsche Bahn AG hat keine Beschlüsse zum Abbau ihres Streckennetzes gefaßt.
Das ist einmal festzuhalten.
- Es ist der Bahn als Wirtschaftsunternehmen nicht verboten worden, auch durch die Bahnreform nicht, zu überprüfen, welche Maßnahmen wirtschaftlich sind und welche nicht. Im Gegenteil, sie ist nach dem Aktiengesetz sogar dazu verpflichtet.
Wenn man nachdenken will, muß man zunächst einmal Vorlagen haben. Diese Vorlagen müssen sich an den Fakten messen lassen.
Tatsache ist, daß in den Jahren 1995 und 1996 durch den Bund 16,4 Milliarden DM zur Verfügung
Horst Friedrich
gestellt worden sind, um die Schienenstrecken auszubauen, und zwar je zur Hälfte für Neubaumaßnahmen und für die Erhaltung bestehender Strecken. Das Ganze ist durch 1,8 Milliarden DM - das ist nicht überproportional viel - seitens der Bahn AG ergänzt worden, so daß rund 18 Milliarden DM zur Verfügung standen, um das Schienennetz investiv aufzupäppeln, neu zu bauen, zu sanieren und für neue Techniken herzurichten.
Das Ganze findet vor dem Hintergrund einer Tatsache statt, die von Ihnen immer negiert wird, nämlich daß der Verkehrsträger Bahn AG 80 Prozent seines Verkehrs auf nur einem Drittel des vorhandenen Netzes abwickelt. Das heißt im Endeffekt: Die anderen Trassen sind aus unterschiedlichen Gründen nicht so notwendig, oder es gibt andere Hintergründe.
Der Verkehrsträger Schiene hat in der Fläche erkennbar Nachteile, nicht nur, Herr Kollege Jobst, gegenüber dem Lkw und dem Pkw, sondern, was für den Nahverkehr vielleicht noch wichtiger ist, auch gegenüber dem Bus. Selbst in der Bahn AG ist unstrittig, daß der Bus in der Fläche, was die Umweltrelevanz und -bilanz angeht, mindestens so gut ist - er könnte auch besser sein - wie die Schiene, vor allen Dingen dann, wenn auf diesen Schienen die alte Diesellokomotive mit zwei oder drei Silberlingen leer durch die Gegend fährt. Das muß man auch einmal sehen. Wir alle gemeinsam haben beschlossen - das ist auch ein Auftrag der Privatisierung, der Bahnreform -, daß diese Strecken überprüft werden müssen. Eine Stillegung kann natürlich immer nur die letzte Konsequenz sein.
Ich sehe hier die Kollegin Lisa Peters sitzen, die praktische Erfahrungen mit dem Bereich Weser/Ems gemacht hat.
Dazu kann ich nur sagen: Es ist hervorragend, was dort gemacht worden ist. Dort ist genau in der richtigen Reihenfolge entschieden worden.
Wir haben mit der Bahnreform die Finanzmittel und die Zuständigkeit nach unten weitergegeben. Vor Ort besteht nun die Möglichkeit, § 1 des Raumordnungsgesetzes umzusetzen. Darin steht: Der Gesetzgeber hat die Verpflichtung, in allen Bereichen für gleiche Lebensbedingungen zu sorgen. Darin steht aber nicht: immer nur auf der Schiene. Der Nahverkehr kann durchaus auch auf der Straße angeboten werden, zum Beispiel mit hervorragend vertakteten Buslinien bis zu einem Schienenhaltepunkt, wo bequem umgestiegen werden kann. Daraus ergibt sich für einen Betreiber, für welchen auch immer, ein positiver Saldo.
Letztendlich beinhaltet die Forderung „Schienenerhalt ohne Rücksicht auf die Kosten" immer auch einen Beschluß, daß der Defizitausgleich, der über das hinausgeht, was wir bereits leisten, aus anderen Quellen, nämlich aus Steuermitteln, die erst einmal aufgebracht werden müssen, erfolgen muß. Dann muß auch klar gesagt werden, woher die Mittel komen sollen.
Ein Schienenpersonennahverkehr nach dem Motto „Augen zu und durch" ist nicht zu bezahlen. Das wird auf Dauer nicht gehen. Deswegen muß man mit Augenmaß und Ziel an die Sache herangehen, der Bahn AG die ihr obliegende Entscheidung überlassen und dann politisch entscheiden, was man noch machen will.
Ein Horrorszenario, wie es der Kollege Wolf hier aufzeigt, ist mit Sicherheit fehl am Platze und trifft erkennbar nicht den Kern der Wahrheit dessen, was beschlossen worden ist.
Das Wort hat der Kollege Wieland Sorge, SPD.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte an das anknüpfen, was Herr Dr. Jobst hier als eine gemeinsame Sache bezeichnet hat: Wir wollen die Transporte im Bereich Personen und Güter von der Straße auf die Schiene verlagern.
Herr Dr. Jobst, aus Angst davor, daß dies nicht funktioniert, kommen wir natürlich zu anderen Ergebnissen als Sie; das ist ganz logisch. Aus diesem Grunde debattieren wir heute hier. Wir befürchten, daß dieses große Ziel, das wir uns gemeinsam gesetzt haben, nicht realisiert wird.
Mit der Aussage, daß alle Entscheidungen, die wir zu fällen haben, allein aus Wirtschaftlichkeitserwägungen heraus getroffen werden sollen, können wir uns nicht einverstanden erklären. Denn wir haben auch das Allgemeinwohl im Auge zu behalten und Daseinsvorsorge für unsere Bevölkerung zu leisten.
- Ja, Moment; ich komme noch dazu.
Daß die Deutsche Bahn AG wirtschaftlich arbeiten muß, sehen wir genauso wie Sie. Wir wollen gemeinsam mit Ihnen daran arbeiten.
Das ist auch unsere Aufgabe. Das setzt voraus, daß wir eine Abstimmung in bezug auf den Fernverkehr, den Regionalverkehr und den Nahverkehr vornehmen. Voraussetzung dafür sind entsprechende Ver-
Wieland Sorge
träge zwischen dem Bund, den Ländern und der Deutschen Bahn AG.
- Diese Verträge sind schon abgeschlossen; genau das ist es, Herr Friedrich, worauf ich hinauswollte.
Wenn man jetzt einmal mit den Länderregierungen spricht - wir sind gerade dabei, diese Dinge in die Praxis umzusetzen -, dann wird man merken, daß die Probleme auftauchen, die wir heute in dieser Aktuellen Stunde erörtern wollen. In den neuen Bundesländern stellt sich die Situation ganz anders dar als in den alten Bundesländern.
Wenn es nun heißt, daß rund 10 000 Kilometer Schiene zur Disposition stehen, dann möchten wir gern wissen, ob sie an andere Betreiber abgegeben werden oder ob sie stillgelegt werden sollen. Wir wollen eine Lösung finden, die im Interesse der Betroffenen liegt.
Der unwirtschaftliche Teil des Schienennetzes in den alten Bundesländern ist vorwiegend stillgelegt worden. Also können die zur Disposition stehenden Strecken in erster Linie in den neuen Bundesländern zu finden sein. In den neuen Bundesländern handelt es sich vorwiegend um Schienennetze, die auf Grund unterlassener Instandsetzungsarbeiten zu DDR-Zeiten verschlissen und in einem maroden Zustand sind. An diesem Zustand hat sich seit dem Jahre 1990 nicht viel geändert; ein Großteil dieser in der Fläche befindlichen Netze wurde überhaupt nicht saniert.
Ich gebe natürlich zu, Herr Dr. Jobst, daß bei den Fernstrecken sehr gute Arbeit geleistet worden ist. Ich meine insbesondere die Verkehrsprojekte Deutsche Einheit. Die im Rahmen dieser Projekte sanierten Strecken sind in einem vorbildlichen Zustand und ermöglichen so große Fahrzeitverkürzungen und vieles andere mehr.
Aber wie sieht es nun in der Fläche aus? Ich will zwei Beispiele für den Konflikt zwischen den Ländern und der Deutschen Bahn AG anführen, den Herr Friedrich nicht wahrhaben will. Die Beispiele stammen aus Sachsen-Anhalt und Thüringen. Dort gibt es eine Strecke, die von Dessau nach Wörlitz führt. Jeder weiß, daß es in Wörlitz jenen bekannten Park gibt. Viele Touristen - nicht nur aus Deutschland, sondern auch aus dem Ausland - besuchen jährlich diesen Park. Die Eisenbahnstrecke wurde sehr gut angenommen. Das Land möchte diese Strecke betreiben. Man hat die Strecke untersucht und festgestellt, daß eine Brücke nicht mehr den verkehrstechnischen Anforderungen entspricht. Dann wurde vom Bundeseisenbahnamt angeordnet, daß es keine Eisenbahnbewegungen auf dieser Brücke geben darf; ein entsprechendes Schild „0 km" wurde dort aufgestellt. Das war das Aus für diese Strecke.
- Ja, ja; ich weiß schon. Ich habe die Situation in den neuen Bundesländern beschrieben, und dort ist das schon vorher den Kommunen übertragen worden. Sie wissen, daß die Kommunen dort keine eigene Finanzhoheit hatten.
- Herr Friedrich, Sie kennen die Dinge nicht.
Die Kommunen hatten keine Finanzhoheit und konnten darum keine Arbeiten an der Brücke vornehmen. Das wäre einzig und allein Sache des Staates gewesen. Ich will ja nur beschreiben, wie die Dinge sind; ich will Ihnen ja keinen Vorwurf machen.
Mein zweites Beispiel ist die Strecke zwischen Eisfeld und Sonneberg. Hier mußte eine Entscheidung getroffen werden. Was hat man gemacht? Man hat einen Meßwagen über diese Strecke fahren lassen. Das Ergebnis war furchtbar: Die Sicherheit des Eisenbahnverkehrs wäre in einem derartigen Ausmaß gefährdet, daß man in der gleichen Minute die Strecke stillgelegt hat. Auf die Nachfrage, was denn nun geschehe, wurde geantwortet: Es sind zirka 80 Millionen DM für die Sanierung erforderlich; aber eine genaue Zahl kann man noch nicht nennen. Wenn die genaue Höhe der Kosten festliegt, wird man mit den Ländern darüber verhandeln, wie man das Problem lösen kann.
Herr Kollege Sorge, schauen Sie bitte einmal auf die Uhr.
Herr Präsident, vielleicht darf ich das zum Schluß noch sagen. Wir haben Entscheidungen für die Gegenwart und für die Zukunft zu treffen. Wenn wir uns dafür entscheiden, die Strecken stillzulegen und möglicherweise abzubauen, haben wir für die Zukunft keine Chance mehr.
Deswegen sollten wir darüber nachdenken, ob wir die Strecken nicht vorübergehend ruhen lassen. Dann können wir sie, wenn wir mehr Geld haben, wieder freigeben.
Das Wort hat jetzt der Parlamentarische Staatssekretär Johannes Nitsch.
Sehr geehrter Herr Präsident! Der Verlauf der bisherigen Debatte erfordert, daß ich zunächst einiges klarstellen muß. Es gibt kein Stillegungs- oder Streckenabgabeprogramm, so
Parl. Staatssekretär Johannes Nitsch
daß wir heute auch keinen politischen Handlungsbedarf haben.
Dieser politische Handlungsbedarf bestand vor 1993. Damals haben wir die Grundsatzentscheidungen getroffen und am Ende in diesem Haus die Bahnreformgesetze beschlossen. Jetzt befinden wir uns in der Umsetzungsphase dieser Gesetze.
Erinnern wir uns doch einmal an die Ausgangssituation, die zu diesen Bahnreformgesetzen geführt hat. Wir hatten damals die Möglichkeit, entweder den Status quo der Bundesbahn zu erhalten oder uns ihrer Reform zu stellen. Bei einer Erhaltung des Status quo wäre es entweder zu einer Kapitulation der Schiene vor der Straße gekommen, oder der Bund hätte unvertretbar hohe Mittel in die Infrastruktur und in die Bahn überhaupt stecken müssen. Der Gesetzgeber hat sich zu der Bahnreform entschlossen. Dazu brauche ich nichts weiter auszuführen.
Ziel dieser Bahnreform war, die Attraktivität des Schienenverkehrs gegenüber der Straße zu erhöhen. Dazu gehört natürlich auch die unternehmerische Verantwortung der Deutschen Bahn AG für die Nutzung des ihr übertragenen Netzes; es wurde bereits gesagt: 40 000 Kilometer. Ich glaube, wir sind uns einig, daß dieses Netz, dieser Fahrweg, dieser Schienenweg die attraktivste, die wichtigste Ressource der Bahn überhaupt ist.
Eine Aufgabe, die die Bahn im Zuge dieser Reform wahrzunehmen hat, ist jetzt eine Netzbetrachtung, eine Netzuntersuchung hinsichtlich der Attraktivität bzw. der Rentabilität der einzelnen Strecken und des Streckennetzes überhaupt - nicht mehr.
Das Ergebnis dieser Betrachtung des Verkehrs auf den einzelnen Strecken wird hier von einer Fraktion
- einer Gruppe, Verzeihung - in dem Sinne hochstilisiert, man plane ein Stillegungs- oder Abgabeprogramm. Das ist völlig falsch. Sie haben die Noten nicht gelesen.
Die Bahn hat jetzt die Verantwortung, aus dieser Netzbetrachtung heraus die entsprechenden unternehmerischen Entscheidungen zu treffen, sich zum Beispiel um mehr Marktpotentiale für die einzelnen Strecken zu kümmern.
- Natürlich. Wir müssen zwischen der betriebswirtschaftlichen Aufgabe, die die Bahn wahrzunehmen
hat, und der politischen Aufgabe, die wir wahrzunehmen haben, trennen.
Jetzt rede ich über die betriebswirtschaftliche Aufgabe, die die Bahn wahrzunehmen hat, um eine Rentabilität dieser Strecken zu gewährleisten. Dafür sind Marktpotentiale zu erschließen und auch neue Verkehrsleistungen für die Bahn zu suchen, zu finden, anzureizen - wie Sie wollen -, Kooperation mit Dritten in die Wege zu leiten und auch die Nutzung des Fahrweges durch Dritte zu ermöglichen oder sogar zu organisieren. Wir haben den diskriminierungsfreien Zugang zum Fahrweg beschlossen.
Irgendwann, wenn die Rentabilität der Strecken, wie sie für die Bahn erforderlich ist, nicht erreicht wird, stellt sich die Frage, ob eine Abgabe von einzelnen Strecken notwendig ist.
Wir haben bereits Strecken abgegeben - das wissen Sie sicherlich -, zum Beispiel die „Molli". Diese Strecke von Bad Doberan nach Kühlungsborn ist doch wunderbar für den Betrieb durch Dritte geeignet. Warum soll sie nicht ein Dritter betreiben?
Lieber Wieland, wenn du nicht gerade die Strecke Dessau-Wörlitz genannt hättest, hättest du mich vielleicht vorführen können. Aber du weißt ja, daß diese Strecke zu Zeiten der DDR stillgelegt war.
Auch unter der DB AG wird sie im Sommer wieder für zwei Tage in der Woche in Betrieb gehalten. - Dieses Beispiel eignet sich nun überhaupt nicht dafür, uns, die Regierung, den Bundesverkehrsminister oder die Koalition, vorzuführen.
Die Instrumente, die für das Abgeben an Dritte oder eventuell auch für Stillegungen anzuwenden sind, haben wir als Gesetzgeber 1993 beschlossen. Das Reglement ist in den Gesetzen verankert. Das ist ja so gewollt: Wenn es gar nicht funktioniert - dies hast du schon gesagt -, müssen auch diese Maßnahmen irgendwann einmal ins Auge gefaßt werden.
Jetzt noch etwas zu den finanziellen Leistungen, den Investitionen. 1995/96 haben wir jährlich 9 Milliarden DM in die Schieneninfrastruktur hineingesteckt - nicht 3,5 Milliarden DM, Frau Mattischeck. Das ist völlig falsch.
- Seit wann gehören Ersatzinvestitionen nicht zum Bereich der Investitionen? Ersatzinvestitionen sind genauso Investitionen wie solche bei Neubaumaßnahmen.
Parl. Staatssekretär Johannes Nitsch
Damit kommt man auf Investitionen in Höhe von 9 Milliarden DM. Andere Zahlen können wir nicht akzeptieren.
Daraus ergibt sich - wenn Sie zuhören wollen, Frau Ferner, damit Sie es das nächste Mal nicht wieder falsch sagen -
ein schöner Vergleich: Vor der Bahnreform haben wir durchschnittlich 5,8 Milliarden DM in die Schieneninfrastruktur gesteckt. Das heißt, wir sind nach der Bahnreform mindestens 50 Prozent besser als vor der Bahnreform. Dieser Tatbestand spricht doch für sich. Der Vorwurf von „Schienenfeindlichkeit" - und was sonst noch alles in dieser Richtung gesagt wurde - führt sich selbst ad absurdum.
Ein weiteres Beispiel: In die Verkehrsstruktur der neuen Bundesländer haben wir nun weiß Gott viel Geld gesteckt, von 1991 bis heute 70 Milliarden DM,
davon mehr als 50 Prozent in die Schienenwege.
Wie kann man angesichts dieser Zahlen dem Bundesverkehrsminister vorwerfen, er betreibe eine schienenfeindliche Politik? Das möchte ich wirklich einmal wissen.
Da muß man schon alles ignorieren, was es an Zahlenmaterial gibt.
Am Ende möchte ich noch eines sagen: Ich habe in diesem Hohen Haus noch keinen Antrag von Kollegen der Koalition zur Umschichtung von Mitteln des Schienenwegebaus in den Straßenbau gehört.
Auch noch kein Ministerpräsident eines CDU-regierten Landes hat uns dazu aufgefordert. Lediglich ein Kollege aus Ihrer Fraktion, Frau Faße, hat dies vorige Woche getan, ebenso wie der Verkehrsminister eines SPD-regierten Landes. Sie haben uns aufgefordert, doch endlich Mittel für Schienenwege aus dem VDE- Projekt 8.3 in Mittel für den Straßenbau überzuleiten.
So etwas spricht doch für sich und beweist, daß unsere Position in der Schienenpolitik im Vergleich zu
der Ihren die für die Schienenpolitik freundlichere Variante ist.
Danke schön.
Das Wort hat jetzt die Kollegin Annette Faße.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal eine kleine Nachhilfestunde für unseren lieben Kollegen Friedrich. Daß Lisa von der Weser bis zur Ems zuständig ist, kann nicht richtig sein. Schließlich liegt Stade noch immer ein wenig näher an der Elbe. Herr Friedrich: Wenn Sie schon zitieren, dann aber auch richtig. So, denke ich, sollte es sein.
Kolleginnen und Kollegen, „unser größtes Kapital sind die 40 000 km Schiene", so das Zitat des Vorstandsvorsitzenden der DB AG, Heinz Dürr.
Recht hat der Mann. 40 000 Kilometer Schiene sind ein Kapital, das es zu erhalten und gewinnbringend einzusetzen gilt.
40 000 Kilometer Schiene bedeuten auch die Verpflichtung, dieses Kapital zu nutzen, um das Gesamtsystem Güter- und Personenverkehr, Nah- und Fernverkehr optimal und zukunftsweisend zu gestalten.
Die von der Bahn AG offensichtlich vorgesehene Übertragung von 10 000 Kilometer Schiene - man stelle sich einmal vor, das ist ein Viertel des Bestandes - auf Dritte wäre leichtfertiger und kurzsichtiger Aktionismus zum Schaden eines umweltfreundlichen Verkehrsträgers,
auch zum Schaden eines möglichen Gestaltungs-
und Entwicklungspotentials der DB AG. Schienenstillegungen würden diese Schäden zudem dramatisch erhöhen.
Die Bundesregierung macht schon genügend gravierende Fehler in der Verkehrspolitik. Das wird uns Tag für Tag vor Augen geführt. Herr Nitsch hat gerade gesagt: kein Handlungsbedarf. Wir haben den Eindruck, „kein Handlungsbedarf" steht als Überschrift über das Nichthandeln in der Verkehrspolitik.
Annette Faße
Es fällt den Beamten heute von Tag zu Tag schwerer, überhaupt noch positive Pressemitteilungen nach außen zu bringen. Sie verkaufen Luftschlösser, große Burgen, die ganz schnell zusammenbrechen. Ich bitte doch die Damen und Herren der DB AG: Sie sind wirklich nicht verpflichtet, diese Fehlplanungen und dieses Nichthandeln auch noch zu übertreffen.
Wer kann jetzt schon mit Gewißheit sagen, ob Schienenstrecken, die für den Personenverkehr nicht mehr eingesetzt werden, nicht für den Güterverkehr als erstes oder zusätzliches, zweites Gleis genutzt werden können? Mir klingen jetzt noch die Ausführungen eines Herrn aus dem Vorstand in den Ohren, Güterverkehr nach Möglichkeit auf einem separaten Gleis fahren zu lassen.
Wer kann heute schon mit Bestimmtheit sagen, welche Leistungen die Bundesländer bzw. die Verkehrsverbünde bestellen werden? Wer auf die Schiene als sein größtes Kapital setzt, darf sich nicht von der Schiene trennen.
Es hat sich doch gezeigt, daß gute Angebote Kunden bringen; siehe: Wochenendticket. Sie bringen Kunden, die man durch solche Angebote und guten Service als Dauerkunden gewinnen kann.
Überprüfen Sie, meine Damen und Herren der DB AG, Ihre Angebote, bevor Sie an Dritte übertragen. Dies gilt für den Personen- wie für den Güterverkehr. Kundenbindung muß das Ziel sein. Fordern Sie die Unterstützung der Bundesregierung ein und geben Sie nicht einfach auf!
Schließlich sagt das Gesetz ganz deutlich: Der Bund gewährleistet, daß dem Wohl der Allgemeinheit, insbesondere den Verkehrsbedürfnissen beim Ausbau und Erhalt des Schienennetzes der Eisenbahn sowie bei deren Verkehrsangeboten auf dem Schienennetz Rechnung getragen wird.
Eines darf durch die Umwandlung der verschiedenen Sparten in Aktiengesellschaften nicht passieren: Es darf kein Schubladendenken geben. Kompetenz im eigenen Bereich ist unabdingbar. Das gilt aber genauso für das Gesamtunternehmen. Das gesamte System muß gesehen und in Denken und Handeln einbezogen werden.
Ich bin ein wenig skeptisch, wenn ich jetzt sehe, was in einzelnen Bereichen der DB AG passiert. Der eine weiß immer noch nicht, was der andere tut. Man kann das ganz klar mit Beispielen belegen. Zum Beispiel haben Bahnhofsumfeldgestaltungen in mehreren Fällen in meinem Wahlkreis über zwei Jahre gedauert. Zum Beispiel wurde beim Rückbau einer zweigleisigen Strecke auf teilweise Eingleisigkeit das Transportaufkommen eines neuen Hafens überhaupt nicht berücksichtigt. Das heißt, daß die Region Stade-Cuxhaven ein attraktives Angebot für unsere Urlaubsgäste vermißt. Große Konzepte zu entwerfen hilft nicht. Wir brauchen Waggons, in denen wir unsere Touristen anständig befördern können. Das sind alles einzelne Bereiche. Ich frage mich, wo das Gesamtkonzept der Bahn bleibt; ich fordere es ein.
Ich sage ganz deutlich: Vergessen Sie den ländlichen Raum nicht! Die Schiene ist das Rückgrat des ländlichen Raumes. Dieses Rückgrat darf nicht gebrochen werden.
Steigen Sie konsequent ein; steigen Sie nicht aus! Das „Unternehmen Zukunft" darf nicht zu einem Unternehmen ohne Zukunft werden.
Danke schön.
Ich erteile jetzt dem Kollegen Rudolf Meinl das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Mit der Privatisierung der Bundesbahn wurde das Ziel verfolgt, die Wirtschaftlichkeit der Bahn zu erreichen und dafür entsprechende Anreize zu schaffen.
Durch Zugangsmöglichkeiten zum Streckennetz für Dritte sollten gleichzeitig der Wettbewerb auf der Schiene in Gang kommen und die Monopolstellung der Bahn beseitigt werden. Dabei sind die Sicherung und Erhaltung des Streckennetzes nach wie vor eine Aufgabe der DB AG, die hierzu den eigenen Bereich „Fahrweg" gebildet hat.
Um die Wettbewerbsfähigkeit dauerhaft zu sichern, muß die DB AG durch den Einsatz moderner Technik auf den leistungsbestimmenden Hochlaststrecken - das heißt auf dem Hauptnetz - die Leistungsfähigkeit steigern und die Kosten insgesamt senken. Verbesserungen am Hauptnetz liegen also im ureigenen Interesse der Bahn AG, da sie - zumindest bisher - der einzige Betreiber auf den Hauptstrecken ist. Die mit der Privatisierung ebenfalls vollzogene Regionalisierung des ÖPNV betrifft aber weitgehend das Nebennetz. Dabei treten auch andere Betreiber auf, die für einen wirtschaftlichen Betrieb allerdings auf funktionsfähige Schienenstränge angewiesen sind. Auch in diesem Bereich muß ein Ausbau erfolgen; besonders in den jungen Bundesländern besteht auf diesen Strecken ein erheblicher Nachholbedarf. Für die Sanierung des gesamten Streckennetzes hat die Bundesregierung 33 Milliarden DM zur Verfügung gestellt, die aber auch für das Nebennetz zu nutzen sind.
Infolge der Regionalisierung wird für die Bedienung der Strecken vom jeweiligen Land oder Verkehrsverbund ein Betreiber bestellt, um den Schienenpersonennahverkehr durchzuführen. Das Beispiel der Regentalbahn im Vogtland: Die Nahverkehrsleistung für diesen Verkehrsverbund ist europaweit ausgeschrieben worden.
Rudolf Meinl
Am 13. Oktober 1996 konnte die Regental Bahnbetriebsgesellschaft mbH den Betrieb mit ihren neuen, niederflurigen Leichttriebwagen aufnehmen und damit die Nahverkehrsleistung zwischen ZwickauPlauen und Bad Brambach mit gutem Erfolg erbringen. Es kann allerdings nicht sein, daß, wenn eine Bewerbung seitens Dritter läuft, die Bahn dann den notwendigen Ausbau der Schieneninfrastruktur nicht durchführt oder zurückhält.
Dabei handelt sie nicht im Sinne des von uns gewollten Zieles, unseren Bürgern einen ohne Unterbrechung laufenden, attraktiven SPNV oder ÖPNV anzubieten.
Da die Auslastung dieser Nebenstrecken und damit die Wirtschaftlichkeit unterschiedlich sind, versucht die DB AG als Träger des Netzes bei Schwachlaststrecken zunächst, durch Angebotsverbesserungen und Kostensenkung - zum Beispiel durch leichteres rollendes Material - das Verkehrspotential auszuschöpfen, um eine neue Verkehrsnachfrage zu wecken. Wenn sich auf diesem Weg kein Erfolg abzeichnet, wird die DB AG in Einzeluntersuchungen und Verhandlungen prüfen, ob die betroffenen Strekken durch Kooperation mit Dritten, durch Betreibermodelle für die Schieneninfrastruktur oder durch Abgabe an Dritte für den öffentlichen Verkehr erhalten bleiben können. An dieser Stelle ist das genannte Beispiel der Regentalbahn im Vogtland einzuordnen. Insofern ist Ihr Beifall etwas verfrüht gekommen. Denn das ist die Wirkungsweise, die im Verbund zwischen Land und DB AG Vorteile für den Dritten bringt, der als Betreiber einsteigt.
Sollten aber auch solche Versuche nicht zu einem Erfolg führen, wird zuletzt die Aufgabe einer Strecke ins Auge gefaßt werden müssen. Eine Stillegung kann natürlich nur in Abstimmung mit dem Besteller sowie unter Wahrung der gesetzlichen Bedingungen gemäß dem Regionalisierungsgesetz erfolgen. Zur Sicherung des ÖPNV muß dann eine andere Verkehrsmöglichkeit geboten werden. Aber die Erhaltung einer Strecke unter völlig unwirtschaftlichen Bedingungen ist letztendlich nicht akzeptabel.
Die in Sachsen bisher von der DB AG vorgelegten und teilweise bestätigten Stillegungen bzw. Umwidmungen betreffen Strecken zwischen 2 und 8 Kilometern - insgesamt sind es neun Strecken - und werden gemeinsam mit der Staatsregierung bewertet und entschieden, und zwar unter Wahrung der Gesichtspunkte des ÖPNV.
Vielen Dank.
Das Wort hat jetzt der Kollege Winfried Wolf.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich schließe mich gerne den Glückwünschen für Herrn Ludewig an. Die Kolleginnen und Kollegen von uns aus den neuen Bundesländern werden die bisherige Begleitung der Industriepolitik, die in den neuen Bundesländern durch diesen Herrn stattgefunden hat, natürlich kritisch bilanzieren.
Es wurde, Herr Dr. Jobst, gesagt, ich hätte hier ein Horrorszenario dargestellt. Es wurde von Herrn Albrecht darauf geantwortet, daß das so nicht stimme. Ich möchte fünf Punkte nennen, warum das kein Horrorszenario ist.
Erstens. Es wird gesagt, man müsse und werde Güterverkehr auf die Schiene verlagern. Bei der DB AG gilt hingegen, daß Verkehre unter 250 Kilometern generell von der Schiene auf die Straße verlagert werden sollen. Seit 1988 wurde in deutschen Landen der Güterverkehr, bezogen auf die gesamte Tonnage, real halbiert.
Zweitens. Mein Beispiel aus Schleswig-Holstein war kein einzelnes Beispiel. Wenn Sie die Zeitschriften der Bahnfreunde - ein paar Bahnfreundinnen gibt es auch - lesen, dann finden Sie laufend Beispiele dieser Art.
- Ich bin bei Veranstaltungen immer sehr erschrokken darüber, wie sehr dieses Thema männerdominiert ist. Aber das ist auch ein Problem der Männer; das ist klar.
Solche Beispiele habe ich hier zitiert. Ein weiteres Beispiel: Eisenbahn Troisdorf - Lülsdorf. Bahnfreunde - darunter der VCD - wollten durch eine demonstrative Bahnfahrt diese Strecke, auf der es bisher nur Güterverkehr gegeben hat, mit Personenverkehr reaktivieren. Die DB AG bremst sie aus und verlangt allein für die Einfahrt im Bahnhof Troisdorf 2 000 DM Einfahrtsgebühr.
Drittens: Gleisanschlüsse. Wir haben einen systematischen Abbau der Industriegleisanschlüsse zu konstatieren, allein im Stuttgarter Raum um über ein Drittel insgesamt. Ich kenne Klagen von Unternehmen, die seit dem Beginn dieses Jahrhunderts einen Gleisanschluß hatten und denen dieser gegen ihren Willen weggenommen wird. Menschen beklagen sich: Damit ist klar, daß die Bahn kein Netzdenken hat, daß sie nicht daran denkt: Wer einmal auf der Straße ist, der bleibt auf der Straße und geht nicht auf die Schiene.
Viertens: nochmals Post AG. In einer Antwort auf eine Frage der Grünen wurde gesagt, daß mit den neuen Frachtzentren, die vor den Städten eingerichtet würden - schon das ist eine katastrophale Verkehrspolitik -, nicht verhindert werde, daß Schienenverkehr stattfinde. Es werde kombinierter Verkehr gemacht werden. Jetzt ist klar, daß ab 31. Mai der gesamte Postverkehr von der Schiene in die Luft und auf die Straße verlagert wird. Das heißt, die DB AG
Dr. Winfried Wolf
und die Bundesregierung gehen mit ihrer Politik „Zurück auf die Straße und in die Luft" mit schlechtem Beispiel voran.
Fünftens. Es werden von der DB AG systematisch Angebote verschwiegen, um Schienenverkehr kaputtzumachen. Ich will am kommenden Sonntag mit dem Zug von Berlin nach Stuttgart fahren, um den Castor-Transport, Herr Friedrich, in Baden-Württemberg zu begleiten. Ich wollte hei der Reisestelle des Deutschen Bundestages buchen. Da wurde mir ein Zug, ein Intercity-Night, von Berlin nach Augsburg und dann ein ICE nach Stuttgart angeboten. Ich habe gesagt: Das mache ich nicht. Ich möchte einen direkten Zug Berlin-Stuttgart haben. Daraufhin wurde mir gesagt: Gibt es nicht, ist nicht im Computer. Ich sagte: Ich weiß das. - Dieser Zug ist mit Absicht herausgenommen worden, ist aber noch im dicken Kursbuch. Dann mußte mühsam der nur im Kursbuch verzeichnete Schlafwagenzug von Berlin nach Stuttgart herausgesucht werden.
Zu den Kollegen von der SPD. Ich bin einverstanden mit der Beschreibung dessen, was in der Fläche vor allem in den neuen Bundesländern passiert. Ich glaube aber, daß das Lob für die Fernstrecken in den neuen Bundesländern nicht ungeteilt stehenbleiben kann. Sie müssen sich vorstellen, daß Sie für die Strecke München-Berlin bei einer direkten Verbindung über Leipzig zwei Stunden länger brauchen als 1933. Sie müssen sich vorstellen, daß der ICE zu einer Deutschlandrundfahrt über Braunschweig umgeleitet wird, um nach München zu gelangen, und dann noch immer langsamer ist als die Bahn 1933. Und das im Jahre 7 nach der deutschen Einheit! Während in Preußen damals 1 000 Kilometer Schiene pro Jahr gebaut werden konnten, sind wir nicht in der Lage, in fünf oder sieben Jahren eine solch wichtige Magistrale auszubauen.
Zum Schluß: Herr Dr. Dionys Jobst, Herr Vorsitzender des Verkehrsausschusses, von Ihnen ist kein Dementi zu dem Horrorszenario vorgebracht worden, das hier dargestellt wurde. Sie sind nicht auf den Abbau von 10 000 Kilometer Schiene eingegangen, der real stattfindet. Der Kollege Albrecht hat konkret die Zitate gebracht, die ich damals noch nicht hatte.
- Schmidt, Entschuldigung.
Ich möchte darauf hinweisen, daß im Jahr 1994 die Zeitschrift „Focus" einen Artikel überschrieben hat: 40 000 Kilometer Schienenstrecke sind ein Megadeal und sind Gold wert.
Ich habe hier vor mir einen Ausriß aus dem „Handelsblatt" über die Bahnprivatisierung in London. Auch da gibt es die Überschrift: Bahnprivatisierung stellt sich als Goldgrube heraus.
Der reale Hintergrund ist doch, daß die Bahnprivatisierung zu einem ganz großen Maß zur Grundstücksspekulation dient und massenhaft Gelände auf den Spekulationsmarkt kommen wird. Im Mittelpunkt steht aber nicht das, was hier so schön als hehre Ziele der Bahn dargestellt wurde, nämlich die Schiene zu fördern. Die Schiene wird real, zumal in der Fläche, kaputtgemacht.
Danke schön.
Ich erteile jetzt der Kollegin Renate Blank das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Bahnreform setzt den früheren Staatsmonopolisten dem frischen Wind des Wettbewerbs aus. Dies wird die Bahn besonders im Nahverkehr zu spüren bekommen, der seit 1996 Sache der Länder ist. Derzeit haben diese zwar die Leistungen ausschließlich bei der Bahn bestellt, doch wenn 1998 die Verträge auslaufen, werden die Karten mit der Konkurrenz neu gemischt.
Die Stärkung des Verkehrsträgers Schiene und die Verbesserung der Wettbewerbssituation der Bahn setzt deshalb eine bedarfsgerechte Gestaltung der Eisenbahninfrastruktur voraus. Eines der Ziele der Neuordnung des Eisenbahnwesens ist die konsequente Trennung von staatlichen und unternehmerischen Aufgaben sowie die Stärkung der Eigenverantwortlichkeit.
Im Hinblick auf die Kosten und die wettbewerbsrelevanten Entgelte für die Infrastrukturnutzer ist die Schieneninfrastruktur rationell zu dimensionieren. Wie für jede andere Produktionsanlage gilt der Leitsatz: So viel wie nötig, so kostengünstig wie möglich.
Es ist wohl einer der Gründe für diese Aktuelle Stunde, daß Sie, meine Damen und Herren von der PDS, diesen Grundsatz in alter kommandowirtschaftlichen Tradition immer noch nicht verinnerlicht und begriffen haben.
Denn die Verästelung des Eisenbahnnetzes stößt dort an Grenzen, wo das Verkehrsaufkommen so gering ist, daß der Betrieb der Eisenbahninfrastruktur durch Nutzungsentgelte nicht mehr finanzierbar ist. Nicht jede Gemeinde, egal ob Ost oder West, kann einen unmittelbaren Gleisanschluß erhalten.
Im Streckennetz der DB AG wurden in den Jahren 1994 und 1995 allein aus Mitteln des Bundes Investi-
Renate Blank
tionen von über 17 Milliarden DM vorgenommen. Wir stellen jährlich zirka 7,2 Milliarden DM an Investitionen für die Schienenwege zur Verfügung, so daß der Bund seiner Infrastrukturverantwortung voll gerecht wird.
Die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit einer Strecke kann aber naturgemäß nur von dem beurteilt werden, der diese Strecke betreibt. Die DB AG stellt jedoch Übernahmeinteressenten die Daten der betreffenden Infrastruktur zur Verfügung, so daß sich diese ein eigenes Urteil bilden können.
Um auf den bestehenden Schwachlaststrecken zu einem befriedigenden Erlös-Kosten-Verhältnis zu kommen, wird die DB AG natürlich versuchen, durch Angebotsverbesserungen und Kostensenkungen das vorhandene Verkehrspotential auszuschöpfen und neue Verkehrsnachfrage zu wecken. Nur wenn sich auf diesem Weg kein Erfolg abzeichnet, wird geprüft werden, ob durch Kooperation mit Dritten durch Betreibermodelle für die Streckeninfrastruktur oder durch Abgabe an Dritte die betreffenden Strecken für den öffentlichen Verkehr erhalten bleiben können.
Wenn all diese Versuche erfolglos sind, wird als letztes Mittel die Aufgabe einer Strecke ins Auge gefaßt. Das bedeutet aber nicht automatisch die Entwidmung einer Strecke.
Durch die Außerbetriebnahme und Vermeidung der Erneuerung langfristig nicht benötigter Infrastruktur kann die DB AG ihre Kostenstruktur verbessern
und die Infrastruktur günstiger zur Verfügung stellen. Wir wollten eine unternehmerische Bahn und keine politische.
Ein Hinweis auf Nordrhein-Westfalen. NordrheinWestfalen besitzt 5 000 Kilometer Infrastruktur der Schiene. Davon sind 1 000 Kilometer wirtschaftlich nicht vertretbar. Wenn ich richtig informiert bin, gibt es jetzt in Nordrhein-Westfalen in Übereinstimmung mit Land und Kommunen einen Versuch, diese 4 000 Kilometer, die wirtschaftlich vertretbar sind, gut zu koordinieren und zu handhaben und die restlichen 1 000 Kilometer stillzulegen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Debatte zeigt, daß wir uns einen Rückfall in die Zeiten der Behördenbahn nicht leisten können und auch nicht leisten wollen.
Die Koalition hat die verkehrspolitischen Weichen für
eine wirtschaftliche Bahn, die sich im Wettbewerb
auf dem Verkehrsmarkt behaupten kann, richtig gestellt. Diesen Weg gilt es in den kommenden Jahren ganz konsequent umzusetzen.
- Herr Kollege Schmidt, beides: umzusetzen und fortzusetzen.
Vor allen Dingen wird sich die Bahn auch im Bereich des Nahverkehrs, wo sie fast die Hälfte des Umsatzes einfährt, sicherlich noch einiges einfallen lassen müssen. Geben wir ihr die Chance dazu!
Das Wort hat jetzt die Kollegin Elke Ferner.
Frau Präsidentin! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Die Debatte läuft schon ein bißchen merkwürdig:
Alles ist Sache der Bahn; damit haben wir nichts mehr zu tun; es ist ein privatrechtlich organisiertes Unternehmen. Ich muß einmal fragen: Wer ist denn überhaupt Eigentümer dieser Deutschen Bahn AG?
Das ist doch wohl die Bundesrepublik. Wer entsendet denn von der Eigentümerseite Vertreter in den Aufsichtsrat? Das ist doch die Bundesregierung. Insofern kann man nicht so tun, als gäbe es keine Verantwortung der Bundesregierung und der sie tragenden Parteien, wenn es darum geht, zu fragen: Was tut die Bahn?
Wenn Herr Nitsch behauptet, es gebe keinen Handlungsbedarf, dann muß ich sagen, daß Sie in keinem Politikfeld mehr einen Handlungsbedarf sehen; denn sonst wäre die Bundesrepublik nicht da, wo sie heute steht.
Man muß auch sagen, daß Ergebnisse nicht vom Himmel fallen, sondern auch Ursachen haben, nämlich Ihre Politik, liebe Kollegen und Kolleginnen.
Man kann natürlich nach folgender Methode verfahren: Ich baue einmal eine Straße parallel zu einer Schiene; dann lasse ich einen Bus parallel zum Zug fahren und schaue, wie sich die Fahrgäste auf die Verkehrsmittel verteilen. Zum Schluß wundert man sich dann, daß die Schienenstrecke möglicherweise unwirtschaftlich geworden ist.
Aber gut.
Elke Ferner
Herr Nitsch, Sie haben gesagt, es habe noch keinen Antrag aus der Koalition gegeben, die Straßenmittel zu Lasten der Schiene zu erhöhen. Das stimmt schon. Allerdings sind in den Haushaltsentwürfen der Bundesregierung für die Schiene weniger Mittel angesetzt; bei der Straße bleibt es dann möglicherweise bei dem alten Ansatz, oder er wird noch ein bißchen angehoben. Das ist natürlich eine Verschiebung von der Schiene zur Straße - was denn sonst? -, auch wenn es keinen förmlichen Antrag gibt.
Wenn ich höre, daß die Kollegin Blank in einem Gespräch mit dem DIHT bedauert hat, daß sie es leider in der Fraktion noch nicht durchgesetzt habe, Mittelumschichtungen von der Schiene zur Straße durchzusetzen, dann weiß ich, in welche Richtung das nur gehen kann.
Wir haben im Artikel 87e Abs. 4 des Grundgesetzes, wohlwissend, welche Diskussionen nach der Bahnreform auf uns zukommen werden, festgeschrieben, daß der Bund das Allgemeinwohl gewährleistet, „insbesondere beim Ausbau und Erhalt des Schienennetzes". Was heißt „Ausbau und Erhalt"? Das heißt, man geht vom bestehenden Netz des Jahres 1994 aus, des Jahres des Inkrafttretens der Gesetze. Wenn Sie jetzt glauben, daß wir über das im allgemeinen Eisenbahngesetz geregelte Verfahren zur Stillegung einzelner Strecken das Grundgesetz aushebeln können - indem Sie nach und nach Strekken stillegen oder sogar abbauen und damit möglicherweise das, was in dem Abs. 3 des Artikels 87 e erläutert ist, nämlich daß die Mehrheit des Fahrweges in Bundeshand bleiben soll, unterlaufen -, dann werden wir nach der rechtlichen Klärung sehen, ob das überhaupt so zulässig ist, wie Sie das hier vorhaben. So haben wir auf alle Fälle bei der Bahnreform nicht gespielt.
Ich muß Ihnen sagen: Wenn Sie mittlerweile dazu übergegangen sind, die Bahn schamlos auszuplündern beziehungsweise die Bahn als Ihr Sparschwein zu benutzen, weil Herr Waigel mittlerweile Probleme mit seinen Maastricht-Kriterien bekommt, dann hat das natürlich auch Ursachen und Wirkungen. Wenn ich die Bahn verpflichte, aus eigenen Mitteln Investitionen zu tätigen, für die wir als Bund zuständig sind, weil Infrastruktur immer noch Aufgabe des Bundes ist und dadurch eben für attraktivitätssteigernde Maßnahmen und für ein verbessertes Netz kein Geld mehr vorhanden ist, dann brauche ich mich letztendlich auch nicht zu wundern.
Ich sage Ihnen - das ist jetzt auch an die Adresse der Bahn gerichtet -: Es ist zu kurz gesprungen, in Schubladendenken zu verharren und zu sagen: Ein Teilstück oder eine bestimmte Strecke ist unwirtschaftlich. Das Ganze hat miteinander zu tun. Es geht um eine Netzwirkung, den Personenverkehr und den Güterverkehr. Vielleicht ist es für das Netz überhaupt am besten, daß niemand darauf fährt, dann habe ich auch keinen Unterhaltungsaufwand
und nur ein Vermögen. Diese Denkweise zeigt, wie absurd das zum Teil ist.
Herr Kollege Jobst, Sie haben eben wörtlich gesagt: Es gibt bei der Bahn keinen Kahlschlag. Ich möchte nur daran erinnern, daß es schon andere aus Ihren Reihen gegeben hat, die Vergleichbares behauptet haben. Herr Blüm zum Beispiel hat immer gesagt: Die Renten sind sicher. Oder der Kanzler Kohl hat gesagt: Es gibt keine Steuererhöhungen.
Dazu könnte man noch viele andere Kollegen und Kolleginnen aus ihren Reihen zitieren. Auf Ihre Worte kann sich hier in der Bundesrepublik niemand mehr verlassen. Ich denke, ab nächstem Jahr sieht das alles anders und viel besser aus.
Ich erteile jetzt dem Kollegen Michael Jung das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren Kollegen! Der Kollege Friedrich hat vorhin Herrn Ludewig von dieser Stelle aus zu seiner Berufung gratuliert. Auch ich tue dies. Ich kann mir eine Anmerkung nicht ersparen, Frau Kollegin Ferner. In genau der gleichen Art und Weise, wie Sie sich heute hier zu den inhaltlichen Fragen geäußert haben, haben Sie das auch zu dieser Berufung getan, nämlich mit kurzem Gedächtnis, was Personalentscheidungen anbetrifft. Ich glaube, daß diese Form der Auseinandersetzung und auch Ihre Wortwahl kein gutes Omen für weitere gute Zusammenarbeit bei Bahnfragen ist.
Ich will eine zweite Anmerkung machen. Ausgerechnet diejenigen, die sich hier als Verteidiger der Bahn hinstellen, sind diejenigen, die die Arbeit der Bahn vor Ort oft erschweren: bei Neubaustrecken, bei Baumaßnahmen und anderem mehr. Damit werden Zukunftsentwicklungen der Bahn erschwert. Dafür gibt es eine Fülle von Beispielen.
- Herr Kollege Schmidt, zu Ihnen komme ich gleich noch. Einen Moment Geduld bitte!
Ich will noch zwei Anmerkungen zu dem machen, was die Kollegin Ferner eben gesagt hat. Natürlich haben wir als Eigentümer eine Verantwortung. Diese nehmen wir aber auch wahr. Es hat überhaupt keinen Wert, daß Sie hier wieder die alte Platte auflegen, Verkehrsträger untereinander auszuspielen und einen Teil davon zu verteufeln. Wir brauchen die
Michael Jung
Bahn, und wir brauchen auch den Pkw. Es hat überhaupt keinen Sinn und Zweck, dauernd diese alte Masche zu fahren und zu sagen: Da nehmen wir Gelder weg, und dort ist es zuwenig. Das führt uns nicht weiter, sondern wir brauchen beide: Bahn und Pkw, insbesondere den Pkw in der Fläche, weil die Bahn dort überhaupt nicht in der Lage ist - das wäre auch überhaupt nicht bezahlbar -, dort flächendeckend aufzutreten. Das wissen Sie eigentlich genauso gut wie ich.
Wer hat denn für die Bahn gesorgt? Wer hat denn die Entschuldung vorgenommen? Sie sagten doch, wir und der Finanzminister plünderten sie aus. 70 Milliarden DM Entschuldung der Bahn und Zinszahlungen dafür! Dazu kommen Zuschüsse, nicht nur im Investitionsplan in zweistelliger Milliardenhöhe im Jahr, sondern auch die Mittel, die die Länder als Zuschüsse für den Nahverkehr und anderes mehr bekommen. Es kann keine Rede davon sein, daß wir die Bahn vernachlässigen. Im Gegenteil, sie bekommt von uns ausreichende Unterstützung bei ihrer Aufgabe.
Sie, Kollegen von der PDS, sollten den Bericht richtig lesen und sich nicht nur auf den „Spiegel" stützen; dazu gibt es doch eine Menge anderer interessanter Presseveröffentlichungen. Lesen Sie doch zum Beispiel die FAZ vom 24. Februar 1997 mit der Überschrift „Die Bahn plant vorerst keine Streckenstillegungen", wo deutlich wird, daß es hier Untersuchungen - -
- Sie haben doch hier das Szenario dargestellt, daß das alles schon entschieden sei.
Lesen Sie es einmal und vertrauen auf die Ausführungen der Bahn:
... Stillegungen erst „als letzte Konsequenz" . . . Vorher müsse jede einzelne Strecke genau untersucht werden, . . .
Dann weiter:
Daher werde man versuchen, das Streckennetz besser auszulasten.
Um solche Initiativen zu ergreifen, muß man natürlich untersuchen, welche Abschnitte schwach genutzt werden und wie sich das dort ausnimmt.
Dann heißt es weiter:
Möglicherweise werde die Bahn auch weitere
Teile an Dritte als Betreiber abgeben. Darüber
hinaus war ... die Vermietung von Trassen angekündigt worden.
Eines, Herr Kollege Schmidt, habe ich überhaupt nicht verstanden. Einerseits stellen Sie sich hier hin, nennen eine Reihe beeindruckender Beispiele, wo die Abgabe an Private Erfolge gezeitigt hat, und sagen sogar, daß die das viel besser als die Bahn können, und auf der anderen Seite sagen Sie: Wenn privatisiert wird, ist das ein Nachteil für den Nutzer. Da stimmt doch etwas nicht überein.
Seit 1994 haben wir 13 Strecken an private Betreiber mit hervorragenden Erfolgen abgegeben, zum Teil in Mischformen mit Beteiligungen der öffentlichen Hand auf verschiedenen Ebenen, auch kommunalen Ebenen. Das wollten wir doch auch: Als wir die Bahn in die unternehmerische Freiheit entlassen haben, wollten wir keine Behördenbahn alten Stiles, die die Politik bei jeder Entscheidung über 5 DM fragen muß, sondern eine Bahn, die unternehmerisch handelt und agiert. Deswegen ist das, was hier geschieht, eigentlich für jedes Unternehmen etwas Selbstverständliches.
Meine Damen und Herren, wir sollten gemeinsam überlegen, wie wir der Bahn durch politische Unterstützung helfen können. Das geschieht allerdings nicht dadurch, daß man Schreckensszenarien an die Wand malt und sagt, die Bahn sei am Ende, sondern dadurch, daß ihre Attraktivität weiter gesteigert wird und ihre Überlegungen unterstützt werden, eventuell durch teilweise Abgabe an Private den Kundennutzen zu vermehren. Das wollen wir doch eigentlich alle gemeinsam.
Vielen Dank.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, damit ist die Aktuelle Stunde beendet.
Wir sind am Schluß unserer heutigen Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 27. Februar 1997, 9 Uhr ein.
Die Sitzung ist geschlossen.