Gesamtes Protokol
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Sitzung ist eröffnet.
Zu Beginn der Sitzung möchte ich zunächst dem Kollegen Dr. Alfred Dregger, unserem Alterspräsidenten, zu seinem 76. Geburtstag, den er am 10. Dezember feierte, die herzlichsten Glückwünsche des Hauses aussprechen.
Sodann teile ich mit, daß als Nachfolger für den verstorbenen Kollegen Dr. Fell der Abgeordnete Detlef Helling am 11. Dezember 1996 die Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag erworben hat. Ich begrüße den neuen Kollegen herzlich und wünsche gute Zusammenarbeit.
Interfraktionell ist vereinbart worden, die verbundene Tagesordnung zu erweitern. Die Punkte sind in der Ihnen vorliegenden Zusatzpunktliste aufgeführt:
2. Beratung des Antrags der Abgeordneten Kristin Heyne, Marieluise Beck , Franziska Eichstädt-Bohlig, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Europäischer Pakt für zukunftsfähiges Wirtschaften - Drucksache 13/6490 -
3. Vereinbarte Debatte zu Substanzsteuern
4. Beratung der Beschlußempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes zu dem Jahressteuergesetz (JStG) 1997 - Drucksachen 13/4839, 13/5951, 13/5952, 13/6151, 13/6530 -
5. Beratung der Beschlußempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes zu dem Gesetz zur Ergänzung des Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetzes (Wachstums- und Beschäftigungsförderungsergänzungsgesetz - WFEG) - Drucksachen 13/4611, 13/5089, 13/5108, 13/5327, 13/5446, 13/5528, 13/5536, 13/6133 -
Berichterstattung:
Abgeordneter Dr. Peter Struck
6. Beratung der Beschlußempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes zu dem Gesetz zur Reform der Arbeitsförderung (Arbeitsförderungs-Reformgesetz - AFRG) - Drucksachen 13/4941, 13/5935, 13/5936, 13/6379, 13/6444 -
7. Beratung der Beschlußempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes zu dem ... Gesetz zur Änderung der Strafprozeßordnung - Drucksachen 13/2576, 13/5743, 13/6084, 13/6134 -
8. Beratung der Beschlußempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes zu dem Dritten Gesetz zur Änderung des Stasi-UnterlagenGesetzes (3. StUÄndG) -. Drucksachen 13/4356, 13/5816, 13/6380, 13/6443 -
9. Wahl des Vizepräsidenten des Bundesrechnungshofes
10. Weitere Überweisung im vereinfachten Verfahren
Beratung des Antrags der Abgeordneten Franziska Eichstädt-Bohlig, Helmut Wilhelm , Oswald Metzger, Werner Schulz (Berlin) und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Städtebauförderung als gemeinschaftliche Aufgabe erhalten und verstärken - Drucksache 13/6491 -
11. Weitere abschließende Beratung ohne Aussprache
a) Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses : Sammelübersicht 168 zu Petitionen - Drucksache 13/6513 -
b) Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses : Sammelübersicht 169 zu Petitionen - Drucksache 13/6514 -
c) Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses : Sammelübersicht 170 zu Petitionen - Drucksache 13/6515 -
d) Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses : Sammelübersicht 171 zu Petitionen - Drucksache 13/6516 -
e) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Post und Telekommunikation zu der Verordnung der Bundesregierung: Zustimmungsbedürftige TelekommunikationsUniversaldienstleistungsverordnung (TUDLV) - Drucksachen 13/6196, 13/6352 Nr. 2.2, 13/6512 -
f) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Haushaltsausschusses zu dem Antrag des Bundesministeriums der Finanzen: Einwilligung gemäß § 64 Abs. 2 der Bundeshaushaltsordnung in die Veräußerung bundeseigener Grundstücke in Frankfurt am Main, ehemals US-genutztes IG Farben Hochhausgelände (Teilfläche ehemalige Junior-Highschool) - Drucksachen 13/6183, 13/6520 -
12. Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr zu dem Antrag der Abgeordneten Albert Schmidt (Hitzhofen), Elisabeth Altmann (Pommelsbrunn), Kristin Heyne und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wirtschaftlichkeit der ICE- Strecke Nürnberg-Ingolstadt-München - Drucksachen 13/4962, 13/6511 -
13. Beratung des Antrags der Fraktion der SPD: Fortsetzung des Friedensprozesses in Bosnien-Herzegowina - Drucksache 13/6488 -
13328 Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 148. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. Dezember 1996
Präsidentin Dr. Rita Süssmuth
Von der Frist für den Beginn der Beratung soll, soweit es bei einzelnen Punkten der Tagesordnung und der Zusatzpunktliste erforderlich ist, abgewichen werden. In der Zusatzpunktliste sind bereits fünf Beschlußempfehlungen des Vermittlungsausschusses aufgeführt. Nicht auszuschließen ist, daß heute noch weitere dazukommen.
Die heutigen Beratungen der Tagesordnung nach der Wahl des Vizepräsidenten des Bundesrechnungshofes sollen in folgender Reihenfolge aufgerufen werden: Tagesordnungspunkt 8 , Tagesordnungspunkt 9 (Schienennetzausbau), Tagesordnungspunkt 12 (Tourismus in die Dritte Welt), Tagesordnungspunkt 10 (Änderung des Art. 10 Grundgesetz), Tagesordnungspunkt 6 (Stromeinspeisungsgesetz), Tagesordnungspunkt 11 (Gleichstellungsstellen Bund/Länder/ Kommunen), Tagesordnungspunkt 13 (Bannmeilengesetz).
Der Tagesordnungspunkt 7, Verunglimpfung der Bundeswehr, soll abgesetzt werden.
Sodann mache ich darauf aufmerksam, daß im Laufe des späten Nachmittags und Abends mehrere namentliche Abstimmungen und eine Wahl mit Stimmkarte und Wahlausweis stattfinden werden.
Sind Sie mit den Vereinbarungen einverstanden? - Das ist der Fall. Wir verfahren so.
Ich rufe die Tagesordnungspunkte 4 a und 4 b sowie den Zusatzpunkt 2 auf:
4. a) Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung
Aktuelle Fragen der Europapolitik, insbesondere Vorschau auf die Tagung des Europäischen Rates in Dublin am 13./ 14. Dezember 1996
b) Beratung des Antrags der Fraktion der SPD: Forderungen an den Europäischen Rat in Dublin am 13./14. Dezember 1996 zur Überprüfung des Vertrages von Maastricht
- Drucksache 13/6495 -
Überweisungsvorschlag:
Ausschuß für die Angelegenheiten der Europäischen Union
Auswärtiger Ausschuß
Innenausschuß
Ausschuß für Wirtschaft
Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung
Ausschuß für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
ZP2 Beratung des Antrags der Abgeordneten Kristin Heyne, Marieluise Beck , Franziska Eichstädt-Bohlig, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Europäischer Pakt für zukunftsfähiges Wirtschaften
- Drucksache 13/6490 -
Überweisungsvorschlag:
Ausschuß für Wirtschaft
Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Ausschuß für die Angelegenheiten der Europäischen Union
Zur Regierungserklärung liegt ein Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vor.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache im Anschluß an die Regierungserklärung drei Stunden vorgesehen. - Ich höre ebenfalls keinen Widerspruch. Wir verfahren so.
Das Wort zur Abgabe einer Regierungserklärung hat der Herr Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Europäische Rat in Dublin morgen und übermorgen ist eine wichtige Etappe auf dem Weg zur Vertiefung der Europäischen Union. Es geht um die weitere intensive Vorbereitung dessen, was wir in unserer Sprache den Maastricht-II-Vertrag nennen. Unser Ziel ist es, die Regierungskonferenz im Juni nächsten Jahres auf dem EU-Gipfel in Amsterdam zu beenden. Das alles ist eine wichtige Voraussetzung zur Vollendung der Wirtschafts- und Währungsunion.
Darüber hinaus stehen in Dublin eine Reihe weiterer wichtiger aktueller Fragen auf der Tagesordnung. Ich nenne vor allem das Thema Bekämpfung der Arbeitslosigkeit.
Ich bin ganz sicher, daß von diesem Europäischen Rat allen Unkenrufen zum Trotz ein klares Zeichen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union ausgeht, gemeinsam die bestehenden Probleme mit dem notwendigen Mut und der notwendigen Entschiedenheit anzugehen, die noch offenen Fragen bei der Vorbereitung der dritten Stufe der Wirtschafts- und Währungsunion zu lösen und die Vertiefung der Europäischen Union durch die Regierungskonferenz zielstrebig voranzutreiben. Wir haben Grund, die Vorbereitungen und die Vorarbeit der irischen Präsidentschaft dankbar zu erwähnen.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, erlauben Sie mir bei diesem Anlaß zunächst einige grundsätzliche Bemerkungen zur Europapolitik der Bundesregierung. Das Engagement Deutschlands und das Engagement der Bundesregierung für die Fortentwicklung der Europäischen Union, für die Vollendung der Wirtschafts- und Währungsunion und die Erweiterung der Europäischen Union stehen außer Frage.
Unser grundlegendes politisches Ziel ist und bleibt es, eine politische und wirtschaftliche Ordnung für unseren Kontinent zu erarbeiten, die allen Menschen in Europa auf Dauer Frieden, Freiheit, Wohlstand und soziale Sicherheit garantiert.
Deshalb ist die Bundesregierung - das gilt auch für mich selbst - trotz der derzeit eher kritischen Stimmungslage gegenüber der Europäischen Union fest entschlossen, alles zu tun, um den Einigungsprozeß unumkehrbar zu machen.
Ich will in diesem Zusammenhang auch darauf hinweisen, daß Euroskeptizismus vor solchen Tagungen eigentlich in all den Jahren die Runde machte und daß wir trotzdem und entgegen all die-
Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl
sen Behauptungen in den letzten zwei Jahrzehnten gewaltige Fortschritte gemacht haben: Ich denke an den großen gemeinsamen Markt, an den Maastricht-
I-Vertrag und vieles andere mehr. Das Konzept der europäischen Einigung ist und bleibt die einzige wirksame Versicherung gegen Nationalismus, gegen Machtpolitik und gegen Krieg.
Niemand hat dies besser und deutlicher formuliert als François Mitterrand im Januar 1995 vor dem Europäischen Parlament, als er den Abgeordneten zurief: „Der Nationalismus, das ist der Krieg." Diese eindringliche Mahnung ist für die Bundesregierung und, ich denke, für uns alle Richtschnur und Verpflichtung für unsere Europapolitik.
Wir wollen ein stabiles Haus Europa bauen, das allen Stürmen standhalten kann und in dem sich die Menschen geborgen fühlen. Dies ist die ganz konkrete Herausforderung, vor der wir heute stehen. Deshalb müssen wir alles versuchen, um ein bürgernahes, ein demokratisch verankertes europäisches Haus zu bauen - ein Haus, das von handlungsfähigen Institutionen und dem Willen zum gemeinsamen Handeln gestaltet wird.
Meine Damen und Herren, genau dies ist auch das Ziel der jetzt laufenden Regierungskonferenz zur Überprüfung und Fortentwicklung des Maastrichter Vertrages. Ich habe bewußt die Worte „der jetzt laufenden Regierungskonferenz" gewählt, weil der Prozeß der Entwicklung nicht auf zwei Tage fixiert ist, sondern weil - ich sage das noch einmal - diese zwei Tage in Dublin wie überhaupt die Präsidentschaft der irischen Regierung in diesem halben Jahr von dem Geist und von der Überzeugung getragen sind - auch von uns unterstützt -, daß wir jetzt Schritt für Schritt die notwendigen Voraussetzungen für die Schlußentscheidung - wir bleiben bei dem Datum Juni 1997 - schaffen.
All das muß zu einer echten Weiterentwicklung des europäischen Einigungswerks führen und damit auch die politischen, wirtschaftlichen und institutionellen Voraussetzungen für die Erweiterung der Union um neue Mitglieder schaffen.
Die Bundesregierung wird in den Verhandlungen zusammen mit unseren Partnern alles tun, um die Regierungskonferenz zu einem guten Abschluß zu bringen, und zwar - ich betone es noch einmal, weil es auch viele andere Meldungen gibt - zum Ende des Vorsitzes der Niederlande im Juni 1997.
Diesem Ziel dient auch der gemeinsame Brief, den Staatspräsident Chirac und ich an den Vorsitzenden des Europäischen Rates, Ministerpräsident Bruton, gerichtet haben. Dieser Brief ist ein klares Zeichen für das enge Zusammenwirken zwischen Deutschland und Frankreich. Unsere beiden Länder sind und bleiben Motoren der europäischen Einigung, und wir stellen uns gemeinsam dieser Verantwortung.
Ich weiß sehr wohl, meine Damen und Herren - diese Briefe vor einem EU-Gipfel haben ja inzwischen in den letzten zehn Jahren Tradition gewonnen -, daß auch im Kreise unserer Partner und Freunde in Europa gelegentlich Kritik zu diesem Punkt zu hören ist: Warum machen die Franzosen und die Deutschen das? Aber meine Erfahrung sagt mir auch, wenn wir nicht immer wieder in einem deutsch-französischen Akkord initiativ werden, bekommen wir den umgekehrten Vorwurf, daß wir unsere historische Aufgabe nicht wahrnehmen und die nötige Dynamik vermissen lassen. Ich sage Ihnen ganz offen: Vor die Alternative gestellt, für dieses oder für jenes gescholten zu werden, entscheide ich mich gern dafür, daß Franzosen und Deutsche gemeinsam vorangehen auf dem Wege nach Europa.
In Dublin werden wir vor allem auch über die Verbesserung der Zusammenarbeit im Bereich der inneren Sicherheit, der Innen- und der Justizpolitik sowie über die Stärkung der gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik zu sprechen haben.
Schon bei dem Sondertreffen des Europäischen Rates am 5. Oktober in Dublin bestand weitgehende Einigkeit, daß die Regierungskonferenz unter niederländischer Präsidentschaft noch im ersten Halbjahr 1997 abgeschlossen wird, daß wir substantielle Ergebnisse anstreben, die den berechtigten Erwartungen der Bürgerinnen und Bürger Europas Rechnung tragen.
Die irische Präsidentschaft - ich sagte es - hat sich mit großem Engagement dieser Aufgabe gestellt. Sie hat uns einen ersten - ich betone: einen ersten - Entwurf für einen revidierten Vertrag vorgelegt. Ich begrüße diesen Entwurf als eine vernünftige Grundlage für die weiteren Arbeiten.
Aber das heißt nicht, meine Damen und Herren, daß mit dieser Äußerung bereits die Zustimmung zu allen einzelnen Punkten gegeben ist. Es ist der Entwurf eines Vertrages. Wer die Arbeiten in solchen Bereichen kennt, weiß, daß es sehr nützlich ist, wenn man eine Arbeitsgrundlage erstellt, auf der man dann gemeinsam diskutiert und weiterarbeiten kann.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, beim Europäischen Rat in Dublin werden in unseren Beratungen zur Regierungskonferenz vor allem drei große Themenbereiche im Vordergrund stehen: die innere und die äußere Sicherheit der Europäischen Union sowie die institutionellen Reformen.
Zunächst zum Thema innere Sicherheit. Der Kampf gegen das international organisierte Verbrechen, die Drogenmafia und den Terrorismus ist eine der zentralen Aufgaben, denen wir uns heute stellen müssen. Wir haben inzwischen alle die Erfahrung machen müssen, daß es bei allen Bemühungen auch der nationalen Polizeibehörden - und es gibt gar keinen Grund, deren Arbeit geringzuschätzen; ich schätze sie sehr hoch ein -, nicht möglich sein wird, diese Gefahr ohne eine grenzübergreifende schlagkräftige europäische Institution zu bannen.
Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl
Die Bürger in Europa erwarten zu Recht, daß wir in diesen Fragen mehr Schlagkraft entwickeln. Der Bedrohung, die von der Kriminalität ausgeht, können wir nicht mehr allem auf nationaler Ebene Herr werden.
Unsere Bürger in Europa wollen die Freizügigkeit genießen, aber eben nicht auf Kosten der eigenen Sicherheit. Mehr Gemeinsamkeit und effizientere Mechanismen im Bereich der Innen- und Rechtspolitik sind daher ganz entscheidend für die Zustimmung der Bürgerinnen und Bürger zur Einigung Europas.
Deshalb haben Staatspräsident Chirac und ich vorgeschlagen, im Wege der jetzt laufenden Vertragsverhandlungen eine Art gemeinsamen europäischen Rechtsraum aufzubauen, der zugleich mehr Freizügigkeit und mehr Sicherheit für alle Bürger gewährleistet.
Es wäre eine gute Sache, wenn wir uns morgen und übermorgen in Dublin - das ist meine Hoffnung - auf eine grundsätzliche Ausrichtung in dieser Frage verständigen und der Regierungskonferenz eine Reihe von ganz konkreten Aufgaben und Aufträgen zum Aushandeln der Einzelheiten erteilen könnten.
Es geht unter anderem um die Verwirklichung einer gemeinschaftlichen Politik in den Bereichen Außengrenzen, Visa, Asyl, Einwanderung und Zollzusammenarbeit. Es geht um den schrittweisen Ausbau von Europol zu einer wirksamen Polizeibehörde mit - dies will ich unterstreichen - operativen Befugnissen.
Es geht um die Annäherung und Harmonisierung der bestehenden Rechtsvorschriften und der Praktiken bei der Bekämpfung der grenzüberschreitenden Schwerkriminalität, des Terrorismus und des Drogenhandels.
Es geht um die Verbesserung der Rechtssicherheit der Bürger durch Erleichterung der Amts- und Rechtshilfe. Dieses Thema möchte ich hier noch einmal besonders herausstellen. Es ist für den Bürger ein ziemlich weiter Weg, wenn er beispielsweise, aus einem anderen Land Europas Bestätigungen oder Urkunden benötigt. Es ist überfällig, daß wir in dieser Sache endlich Fortschritte machen.
Es geht um die Fortentwicklung und Vereinfachung der bestehenden Verfahren.
Zu all diesen Bereichen wollen wir uns im revidierten Vertrag auf klare Zielbestimmungen verständigen und eine Agenda für die Umsetzung konkreter Schritte festlegen.
Ich will noch eine Bemerkung hinzufügen: Ich sehe, daß die Umsetzung dessen, was ich als unseren Wunsch vorgetragen habe, eine dramatische Veränderung in Europa bedeutet, auch hinsichtlich der Denkkategorien. Hier wird wirklich ein Stück Nationalstaat in Richtung Europa geöffnet, und zwar zugunsten der Bürger.
Ich bin mir auch darüber im klaren, daß damit ein ganz wesentlicher Umdenkungsprozeß gefordert ist, und zwar nicht nur in den anderen Ländern Europas, sondern auch bei uns in Deutschland. Bei uns in Deutschland wird sich das alles nur dann entwickeln und ermöglichen lassen, wenn wir in einem vernünftigen Miteinander zwischen Bundesländern und Bund Absprachen treffen.
Um es gleich vorweg zu sagen - denn dieser Einwand wird bald kommen -: Es geht nicht darum, Länderkompetenzen auszuhöhlen, sondern darum, in gemeinsamen Anstrengungen - bis zum Treffen in Amsterdam im Sommer werden wir auch bei uns in Deutschland viele Gespräche darüber zu führen haben - mehr Sicherheit für die Bürger in Deutschland und in Europa zu erreichen.
Es geht zum zweiten um die äußere Sicherheit. Die bisherigen Bestimmungen zur Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik reichen noch nicht aus, um sicherzustellen, daß Europa wirklich mit einer Stimme sprechen und gemeinsam handeln kann. Wir müssen deshalb im Rahmen der Regierungskonferenz die notwendigen Maßnahmen ergreifen, um die Effizienz, die Kontinuität, die Kohärenz, die Solidarität und das Sichtbarmachen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik durch ein umfassendes Gesamtkonzept zu verbessern.
Aus unserer Sicht gehören unbedingt folgende Elemente dazu: Einrichtung einer gemeinsamen Arbeitseinheit, die bei der Vorbereitung und Umsetzung von Beschlüssen eine zentrale Rolle spielt; effizientere Entscheidungsverfahren und wirksamere Umsetzung der Beschlüsse zur Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik, vor allem durch verstärkten Rückgriff auf Mehrheitsentscheidungen; Berufung einer Persönlichkeit für die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik zur Unterstützung - ich will das Wort Unterstützung unterstreichen - von Präsidentschaft, Rat und Kommission sowie die Vereinbarung gemeinsamer Strukturen im Sicherheits- und Verteidigungsbereich und die schrittweise Annäherung der WEU an die EU mit dem Ziel ihrer Integration in die EU.
Das dritte Feld betrifft die institutionellen Reformen. Vor allem mit Blick auf die anstehende Erweiterung ist es absolut unverzichtbar, die institutionellen Regelungen der Union, die noch aus der Gründerzeit der Sechs stammen, fortzuentwickeln. Lösungen für diesen schwierigen und für alle Mitgliedstaaten sensiblen Fragenkomplex werden wir ganz gewiß erst in der Schlußphase vor der endgültigen Abstimmung in Amsterdam im kommenden Frühsommer erreichen.
Ich will noch einmal darauf hinweisen, worum es geht. Es geht darum, die Entscheidungsfindung im Rat zu verbessern, das heißt die Abstimmungsverfahren müssen vereinfacht werden, die Abstimmung mit qualifizierter Mehrheit soll bis auf konkrete, festzulegende Ausnahmen die Regel werden. Die Stimmengewichtung im Rat ist zu überprüfen. Über
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I Größe und Struktur der Kommission und die Stellung des Kommissionspräsidenten ist ebenso nachzudenken wie über die Verfahren zur Beteiligung des Europäischen Parlaments und über die Einbeziehung der nationalen Parlamente.
Ich will darauf hinweisen, daß Deutschland als größtes Mitgliedsland bei diesen Fragen eine ganz besonders wichtige Position einzunehmen hat. Wir müssen deutlich machen, daß es uns fern liegt, etwa - wie es gelegentlich unterstellt wird - zu beabsichtigen, einen hegemonialen Einfluß auszuüben.
Gerade in diesen ganz schwierigen Fragen wie Größe der Kommission und Beteiligung des Parlaments, auch der nationalen Parlamente, wird es sehr wichtig sein, daß das immer wieder geäußerte Prinzip „Qualität statt Quantität" gilt, daß wir uns auch darum bemühen, besonderes Verständnis für die Interessen und - ich sage es in Anführungszeichen - gelegentlichen Ängste kleinerer Mitgliedsländer zu haben.
Wir wollen keine Entwicklung in Europa mit einer Tendenz, daß die größeren Länder das Sagen hätten und die kleineren als Anhängsel betrachtet würden. Das ist nicht unsere Vorstellung von Föderalismus.
Meine Damen und Herren, ich habe nicht ohne Grund gesagt, Qualität geht vor Quantität. Das, was für Europa die Chance der Zukunft ausmacht, ist die breite historische und kulturelle Tradition. Ich will es einmal so sagen: Es ist das ganze Bukett mit seinen bunten Farben - und nicht eine Einheitsfarbe -, das Europa köstlich und erlebbar macht. Das muß unser Ziel sein und bleiben.
Um es ganz deutlich zu sagen: Wir wollen im Rahmen der Europäischen Union nicht mehr Gewicht bekommen als andere große Mitgliedstaaten. Wir wollen für uns keine besondere Stellung sichern, wir wollen mit Nachdruck für eine angemessene Berücksichtigung der kleineren Mitgliedstaaten eintreten.
Aus meiner Sicht ist eine psychologisch kluge, den historischen Gegebenheiten entsprechende Haltung der Deutschen in der Frage, die ich soeben angesprochen habe, eine der wichtigsten Voraussetzungen für den Erfolg beim Bau des Hauses Europa.
Es gibt aus unserer Sicht darüber hinaus weitere zentrale Themen, bei denen wir bei der Regierungskonferenz Fortschritte erzielen müssen. Ich nenne als Beispiel die Stärkung des Umweltschutzes, ich nenne vor allem auch die immer wieder von uns angemahnte klare Regelung und strikte Beachtung des Subsidiaritätsprinzips. Dazu haben wir einen mit den Bundesländern abgestimmten Entwurf für ein Subsidiaritätsprotokoll in die Verhandlungen eingebracht.
Auch hier füge ich gern hinzu, daß unsere Vorstellungen von unseren Partnern nicht automatisch übernommen werden, weil sie völlig andere Traditionen haben als wir. In diesem Europa, das sich jetzt zusammenschließt, vor allem in den lateineuropäischen Ländern, besteht eine alte, klassische Nationalstaatstradition mit einer sehr engen, straffen Führungsbindung an die jeweilige Hauptstadt. Das zeigt sich im Kulturellen, das zeigt sich in allen anderen Bereichen.
Alle Beteiligten müssen zum Umdenken fähig sein, wenn wir das Subsidiaritätsprinzip so verstehen und durchsetzen wollen, so daß es den Interessen des Bürgers dient und die einzelnen Völker und Nationen Europas auch im vereinten Europa ihre Identität wiederfinden. Das ist eine der Voraussetzungen für eine gute Zukunft.
Das Europa, das wir wünschen, muß klare Strukturen, ein möglichst hohes Maß an Transparenz und eine wirklich effektive demokratische Kontrolle durch das Europäische Parlament aufweisen. Wir brauchen - das füge ich hinzu - eine Lösung, die die nationalen Parlamente in Entscheidungsabläufe einbezieht. Bei dieser Frage kommen ganz erhebliche Probleme auf uns zu.
Ich bekenne ganz offen, daß ich bis zu dieser Stunde noch keine abschließende Meinung dazu habe, wie wir dies am besten lösen können. Ich füge allerdings hinzu: Diejenigen in der Europäischen Union, die jetzt gegenüber dem frei gewählten Europäischen Parlament - die Bürger Europas haben dieses Parlament in freier, geheimer und direkter Wahl gewählt - einen Aushöhlungsprozeß in Gang setzen und in einer Sondersituation die nationalen Parlamente gegen das Europaparlament ausspielen wollen, werden jedenfalls von mir keine Unterstützung bekommen; auch dies muß man in diesem Zusammenhang klar sagen.
Ich erwähne auch die Vorschläge zu mehr Flexibilität und verstärkter Zusammenarbeit, die Staatspräsident Chirac und ich bereits im Dezember 1995 vorgelegt haben. Wenn einzelne Partner jetzt nicht bereit oder in der Lage sind, bestimmte Schritte mitzuvollziehen, muß die Möglichkeit bestehen, daß einige der Partnerstaaten unter Wahrung des einheitlichen institutionellen Rahmens vorangehen. Dieser Vor-, schlag, der zunächst sehr kritisiert wurde, stößt in der Zwischenzeit auf mehr Zustimmung.
Ich möchte hier noch einen Gedanken hinzufügen: Vor allem bei der Innen- und Rechtspolitik halte ich es für möglich, daß wir in dem einen oder anderen Fall schon jetzt zu Entscheidungen kommen, allerdings unter der Voraussetzung, daß diese Entscheidungen nicht kommunitär, sondern intergouvernemental getroffen werden. Ich rate uns, in diesem Fall nicht aus Prinzipiendiskussionen heraus mögliche Fortschritte zu versäumen, weil sie nur intergouvernemental möglich sind. Ich rate uns - zu meiner Freude sind auch unsere französischen Partner durchaus bereit, in diese Richtung zu wirken -, in der einen oder anderen Frage, insbesondere in bezug auf Europol, jetzt durch Verträge zwischen den Regierungen zu Regelungen zu kommen, die sozusagen in
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einer Fußnote bestimmen, daß nach fünf Jahren eine Überprüfung stattfindet, inwieweit das, was man bisher intergouvernemental gemacht hat, kommunitär fortgesetzt werden kann.
Ich glaube, wenn eine solche Politik in der Sache erfolgreich ist, wird auch die Vergemeinschaftung dieser Entscheidungen leichter möglich sein. Ich dringe vor allem auf einen Anfang jetzt. Ich möchte keine Prinzipiendiskussion, die uns wieder Jahre kostet, wie das leider bei Europol in den letzten Jahren der Fall war.
Meine Damen und Herren, die europäische Integration ist auch der Schlüssel für die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Europa. Wettbewerbsfähigkeit heißt zugleich immer auch: Erhaltung vorhandener und Schaffung neuer Arbeitsplätze. Mit dem Europäischen Binnenmarkt haben wir eine gute Grundlage geschaffen. Das „Europa der 15" ist schon heute einer der wichtigsten Wirtschaftsräume der Welt.
Wir müssen den Binnenmarkt durch die Vollendung der Wirtschafts- und Währungsunion ergänzen. Erst mit der einheitlichen Währung wird er seine positiven Wirkungen für Wachstum und Arbeitsplätze voll entfalten können. Wir wollen daher, und zwar ohne Wenn und Aber, die Wirtschafts- und Währungsunion zum vorgesehenen Zeitpunkt verwirklichen, und dies - wie das für uns immer selbstverständlich war - bei strikter Beachtung der festgelegten Konvergenzkriterien. Ich halte zum jetzigen Zeitpunkt alle Spekulationen, welche Länder dabeisein werden oder nicht, für absolut verfrüht. Die Entscheidung hierüber fällt erst im Frühjahr 1998 auf der Basis der dann vorliegenden Ist-Daten für 1997. Das entspricht dem Vertrag. Wir haben guten Grund, uns an den Vertrag zu halten.
Natürlich erfordert das Erreichen der Stabilitätskriterien in den meisten Mitgliedsländern noch erhebliche Anstrengungen, auch in Deutschland. Deswegen ist mein Rat an uns alle: Jeder möge vor seiner eigenen Tür kehren und seine Hausaufgaben machen und sich erst dann darüber unterhalten, wie es beim anderen aussieht.
Für die zukünftige Entwicklung des Euro, der europäischen Währung, ist es von großer Bedeutung, daß die Stabilitätskriterien dauerhaft erfüllt werden. Denn die Wirtschafts- und Währungsunion soll - das war immer unser Ziel - eine auf Dauer angelegte Stabilitätsgemeinschaft mit einer harten Währung werden. Dies ist auch das Ziel des von Theo Waigel angeregten Stabilitätspakts, der eine breite Zustimmung gefunden hat. Dieser Pakt sichert die notwendige Haushaltsdisziplin auch nach dem Eintritt in die Wirtschafts- und Währungsunion. Darüber wird heute im Ecofin-Rat in Dublin eingehend gesprochen, je nach den Entwicklungen sicherlich auch morgen und übermorgen.
Ich bin ganz zuversichtlich, daß wir eine Lösung finden werden, die den gemeinsamen Interessen der
Menschen in Europa entspricht. Das gemeinsame Interesse ist eine dauerhaft stabile Währung. Daß es bei einer solchen Grundsatzfrage Diskussionen gibt, ist eine pure Selbstverständlichkeit. Allein die Diskussion über die Ausgestaltung der Europäischen Zentralbank, die nach dem Vorbild der Deutschen Bundesbank eine unabhängige Zentralbank sein wird, hat erhebliches Umdenken in vielen europäischen Ländern erfordert. Deswegen ist es wenig sinnvoll, daß wir anderen Ratschläge geben, wie sie sich in diese neue Situation einfinden. Aber nach meiner Kenntnis des gegenwärtigen Diskussionsstandes bin ich ganz sicher, daß wir eine gute Chance haben, zu einer gemeinsamen Regelung zu kommen.
Wir müssen uns in Dublin natürlich vor allem auch über die Fragen von Beschäftigung und Wachstum unterhalten. Dabei sollten wir uns nicht täuschen: Es gibt auch im vereinten Europa keine Patentrezepte. Die hohe Arbeitslosigkeit in Deutschland empfinden wir alle als sehr bedrückend - dies um so mehr, wenn wir in diesen Tagen die neuesten Zahlen im Vergleich zu den Vereinigten Staaten sehen. Natürlich sind die Verhältnisse in den USA mit den Verhältnissen bei uns nicht vergleichbar. Aber manche machen es sich zu einfach, wenn sie meinen, daß die guten amerikanischen Daten nur auf die Schaffung minderwertiger Jobs zurückzuführen seien.
Die neuesten Daten der OECD weisen aus, daß die Amerikaner bei der Schaffung neuer Arbeitsplätze Erfolge haben. Ich sage dennoch: Es ist zu einfach, diese Daten automatisch auf deutsche oder europäische Verhältnisse zu übertragen. Wir haben in unserem Land - das gleiche gilt für andere europäische Länder - ein völlig anderes Verhältnis etwa zum sozialen Klima. Wir haben auch in Grundsatzfragen der sozialen Solidarität andere Auffassungen. Die Amerikaner leben ihr Leben auf ihre Weise und wir das unsere. Dennoch kann man den Versuch unternehmen, immer wieder zu prüfen, was man von dem anderen lernen kann, wenn er gute Ergebnisse erzielt hat.
Auf der Grundlage eines gemeinsamen Berichts von Rat und Kommission werden wir in Dublin darüber beraten, wie wir die Anstrengungen der nationalen Regierungen, mehr Wachstum und Beschäftigung zu erreichen, durch abgestimmte Maßnahmen unterstützen können. Ich sage noch einmal, es sollte sich niemand täuschen: Es gibt auch im vereinten Europa keine Patentrezepte. Das Beschäftigungsproblem kann nicht durch Erklärungen gelöst werden. Jeder Mitgliedstaat - das ist der Vorschlag auch der Kommission - muß jetzt auf der nationalen Ebene die Voraussetzungen für mehr Wachstum und Beschäftigung schaffen. Dies ist aber nicht Sache der Politik allein, dies ist vor allem auch Sache der Wirtschaft und hier insbesondere Sache der Tarifpartner.
Ich will deutlich machen, daß sich das, was ich eben sagte, auf die Diskussion in Dublin, auf die aktuelle Lage bezog. Ich bin mir aber darüber im klaren - das habe ich gestern schon im Europaausschuß des Bundestages ausgeführt -, daß wir in den folgenden
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Wochen und Monaten bis zum Abschluß der Regierungskonferenz im Juni kommenden Jahres in Deutschland sehr intensiv über den Vertrag, der dann abgeschlossen wird, zu sprechen haben, auch über die Frage, inwieweit wir dann ein Kapitel zu dem Thema Wachstum und Beschäftigung in den endgültigen Vertrag aufnehmen. Es ist relativ leicht, zu sagen: Das machen wir. - Darüber werden wir uns ziemlich schnell einig sein. Es wird aber sehr darauf ankommen, welche inhaltliche Ausgestaltung dieses Thema erfährt.
Ich bin ganz sicher, daß die Niederländer, die besonders intensiv an diesem Thema arbeiten und die im nächsten Halbjahr die Ratspräsidentschaft innehaben werden, weitere Vorschläge vorlegen. Wir sollten uns rechtzeitig miteinander unterhalten - auch das haben wir gestern im Europaausschuß besprochen -, inwieweit wir in diesem Punkt zu einer gemeinsamen Meinung und Lösung kommen. Ich halte nichts davon, bereits zum jetzigen Zeitpunkt die Fanfare der Zustimmung oder die Fanfare der Ablehnung zu blasen. Wir sollten erst die Texte vor uns haben und dann entscheiden.
Dabei wird unter anderem - darüber muß sich jeder, der darüber diskutiert, im klaren sein - die Frage der Verlagerung von Kompetenzen zu sehen sein. Wer über die Verlagerung von Kompetenzen redet, der sollte ehrlicherweise auch sagen, daß das etwas mit Geld zu tun hat. Wenn man sich dessen bewußt ist kann man die Debatte sehr viel sachlicher und fernab jeder Polemik führen. Dazu möchte ich einladen.
Meine Damen und Herren, die Politik der europäischen Einigung ist die größte Erfolgsgeschichte unseres Kontinents. Ein Rückblick auf die vergangenen 40 Jahre seit den Römischen Verträgen läßt ermessen, welch gewaltige Wegstrecke wir in Europa gemeinsam zurückgelegt haben. Dieses großartige Kapital wollen und werden wir nicht leichtfertig aufs Spiel setzen. Wir müssen jetzt vielmehr unsere Chancen entschlossen ergreifen, wir müssen jetzt unsere Verantwortung wahrnehmen.
Europa und die Welt - das kann jeder von uns bei seinen Reisen feststellen - zählen auf eine starke Europäische Union. Dies gilt in ganz besonderem Maße im Blick auf die Herausforderungen, die im Osten und im Süden unseres Kontinents auf uns warten. Wir wollen ein Europa aufbauen, das für alle Staaten unseres Kontinents von Nutzen ist und das gemeinsam mit der Atlantischen Allianz für Frieden, Sicherheit und Wohlstand in unserer Region steht.
Meine Damen und Herren, deswegen müssen wir klar aussprechen, daß jedenfalls wir, die Deutschen - ich hoffe, alle anderen auch -, es mit der Erweiterung der Europäischen Union ernst meinen. Ungeachtet aller Probleme, die wir in der bestehenden Union haben, wäre es ein Verrat an den Idealen Europas, wenn wir sagten: Wir können jetzt nichts machen; wir müssen zunächst unsere eigenen Probleme lösen, und erst dann wollen wir uns aufmachen, um anderen in Mittelost- und Südosteuropa die Chance des Beitritts zur Union zu geben.
Ich kann nur wiederholen, was ich oft genug von dieser Stelle gesagt habe: Wir brauchen eine Intensivierung des inneren Ausbaus der Europäischen Union, aber wir brauchen auch ihre Erweiterung. Es darf nicht sein, daß wir über viele Jahrzehnte unseren Nachbarn in Mittelost- und Südosteuropa zugerufen haben: Wir würden euch gerne in unserer Union sehen, wenn nur die weltpolitische Chance dazu gegeben wäre.
Ich will es einmal mehr am Beispiel Polens verdeutlichen: Es ist für uns Deutsche - und ich denke, auch für die Polen - völlig undenkbar, daß Polen nicht Teil der Europäischen Union wird.
Es wäre eine schlimme Entwicklung für Europa, für Deutschland und für Polen, wenn die Ostgrenze Deutschlands bzw. die Westgrenze Polens - das ist die Oder-Neiße-Grenze, und bei Nennung dieses Namens spürt jeder, was historisch dabei mitschwingt - eine dauerhafte Grenze im Sinne einer Trennungslinie würde. Wir wünschen uns, daß an der Oder ähnliches möglich ist wie am Rhein, an dem man nach langer Zeit schlimmer historischer Erfahrungen in einer Weise zueinander gefunden hat, wie wir es uns früher besser nie vorstellen konnten.
Wir müssen jetzt die Grundlagen für diese Zukunft legen. Das Europa der Zukunft wollen wir mit Augenmaß, mit Mut und mit einem klar ausgerichteten Kompaß gestalten. Dies wird nur möglich sein, wenn alle Seiten ihre Erfahrungen und Kenntnisse einbringen, um zu einem vernünftigen Miteinander und zu vernünftigen Kompromissen zu kommen. Dazu wollen wir beim Europäischen Rat in Dublin morgen und übermorgen wesentliche Weichenstellungen vornehmen. Ich möchte Sie alle einladen, Ihren Teil dazu beizutragen.
Als nächster spricht der Fraktionsvorsitzende der SPD, Rudolf Scharping.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es könnte sich herausstellen, daß das erste Halbjahr 1997 für die weitere Entwicklung unseres Kontinents von entscheidender Bedeutung ist. In diesem ersten halben Jahr werden die Grundlagen für die Regierungskonferenz und die weitere Integration Europas, für die Erweiterung der Europäischen Union und für die sozialen, wirtschaftlichen und finanziellen Beziehungen in Europa gelegt.
Es ist deshalb richtig, darauf hinzuweisen, daß Europa ein einzigartiges Beispiel politischen Lernens ist. Dieser Kontinent hat aus seinen Katastrophen und aus seinen Idealen - aus der Französischen Revolution, aus der europäischen Aufklärung, aus der
Rudolf Scharping
Arbeiterbewegung, aus dem Kampf um Freiheit und aus den gewaltigen Katastrophen insbesondere der beiden Weltkriege -, zunächst in seinen westlichen Teilen, den richtigen Schluß gezogen. 50 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges und 10 Jahre nach der, wie ich hoffe, endgültigen Überwindung seiner Folgen - nämlich im Jahre 1999 - wollen wir, die Abgeordneten des Deutschen Bundestages - ganz sicher jedenfalls die Abgeordneten der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion -, nicht mit einem historischen Mißerfolg dastehen, sondern ein kraftvolles, ein einiges und dem sozialen wie dem äußeren Frieden verpflichtetes Europa gestalten.
Wer diese große Dimension der europäischen Entwicklung im Auge behält, der wird - so notwendig wir sie brauchen - Europa nicht den Diplomaten, Europa nicht den Bürokraten und Europa schon gar nicht den populistischen Schwätzern überlassen.
Herr Bundeskanzler, wir respektieren die europäische Orientierung Ihrer Politik. Wir hören Ihre Worte, fragen aber auch nach Ihren Taten.
Ich will Ihnen mit Blick auf die Integration Europas fünf Prinzipien nennen, von denen sich unsere Politik leiten läßt: Wir wollen ein Europa der Bürgerinnen und Bürger; wir wollen ein Europa des nachhaltigen Wachstums; wir wollen ein Europa des sozialen Friedens; wir wollen ein Europa der inneren Sicherheit, und wir wollen ein Europa, das seinen Nachbarn und der Welt zu einer friedlichen Entwicklung verhilft.
Zu dem ersten Punkt: einem Europa der Bürgerinnen und Burger. Innerhalb der Bundesrepublik Deutschland gibt es eine große Zahl von Vorschlägen, dem neuen Vertrag, dem reformierten Werk von Maastricht, eine Charta der europäischen Bürgerrechte voranzustellen
und mit dieser Charta deutlich zu machen, daß wir Europa nicht nur als einen wirtschaftlich zusammenwachsenden und zusammenarbeitenden Kontinent verstehen, sondern daß wir die Reform des Vertrages bewußt in die Tradition der europäischen Aufklärung und unseres Verständnisses von freiheitlichen Menschenrechten stellen.
Deshalb stelle ich diesen Punkt bewußt an den Anfang: Man kann einen Markt nicht lieben. Die Faszination der europäischen Idee kommt nicht aus der Kleinmünzerei einer monetaristischen Politik; sie kommt nur aus der Überzeugung, daß dieser Kontinent der Freiheit verpflichtet ist und daß konkret et-
was dafür getan wird, indem sich die Mitgliedstaaten gemeinsam der Freiheit verpflichten.
Ein Katalog der menschlichen, der bürgerlichen, der sozialen Rechte, wie wir ihn beispielsweise aus unserer eigenen Verfassung kennen, könnte für die Faszination des europäischen Projekts, für seine Glaubwürdigkeit und für seine Verbindlichkeit gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern gute Wirkungen entfalten. Er könnte beispielsweise die Verpflichtung postulieren, wirtschaftliche Kraft, soziale Rechte - einschließlich gleicher Rechte der Frauen - und Schutz der Lebensgrundlagen für die Zukunft miteinander zu verbinden.
Zweitens. Ein Europa der Bürgerinnen und Bürger wird nicht in der Zusammenarbeit zwischen Regierungen steckenbleiben. Herr Bundeskanzler, es ist - leider - für Ihre Regierung - und das gilt erst recht für Ihre Partei - nicht völlig auszuschließen, daß an die Stelle einer vertieften Zusammenarbeit und Integration nur noch die intergouvernementale Zusammenarbeit treten könnte. Das höhlt den demokratischen Charakter der Union aus und schwächt die Rechte des Parlamentes. Wir wollen das Gegenteil: gestärkte europäische Institutionen.
Ein Mehr an Demokratie ist auch ein Weniger an Bürokratie.
Damit verbindet sich ein dritter Gedanke, nämlich Subsidiarität in Europa durchzusetzen, nicht mehr alles auf der europäischen Ebene regeln zu wollen, schon gar nicht die Einhaltung aller Regeln immer mit europäischen Institutionen überwachen zu wollen. Das gibt viele Mißhelligkeiten, viele Sorgen.
Wenn wir wollen, daß Brüssel und Europa nicht dauerhaft mit Bürokratie und BSE identifiziert werden, dann wäre es ganz wichtig, einen bewußten Kontrapunkt zu setzen und eine Initiative zu entfalten, wie es sie in Europa gibt, und diese dann aus Deutschland aktiv zu unterstützen. An den Beginn des europäischen Vertrages gehört eine Charta der Bürgerrechte, gehört die Stärkung des Europäischen Parlaments und der europäischen Institutionen.
Mein zweites Prinzip war das Europa des nachhaltigen Wachstums: Sie, Herr Bundeskanzler, haben davon gesprochen, daß man mehr gegen die Arbeitslosigkeit tun solle. Allerdings: So richtig die Worte sind, so intensiv muß man hier nach den Taten fragen.
Wer hat denn in Europa das Weißbuch von Jacques Delors blockiert? Wer liefert denn die Beispiele dafür, daß man eine aktive Beschäftigungs- und Wachstumspolitik besser auch zur Konsolidierung der öf-
Rudolf Scharping
fentlichen Finanzen nutzen könnte, anstatt es in einem monetaristischen „Wettlauf nach hinten und nach unten" immer weiter zu treiben:
Mit dieser eigenartigen und belastenden Kombination immer größerer Defizite, immer höherer Steuern, immer größerer Arbeitslosigkeit, immer stärkeren Rückgangs der Konsumnachfrage und leider sinkender Lebensqualität?
Deshalb plädieren wir für einen europäischen Beschäftigungs- und Wachstumspakt. Deshalb plädieren wir für die Verankerung dieses Ziels in einem europäischen Vertrag. Deshalb wollen wir, daß auch die Europäische Union eine aktive Rolle bei der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit übernimmt.
Deshalb, Herr Bundeskanzler, könnten Brüssel, London, Paris, Rom, Berlin und die anderen Hauptstädte Orte und Stätten werden, in denen man um ein nachhaltiges Wachstum auf der Grundlage einer gemeinsamen Verpflichtung ringt.
Wer eigentlich hindert Sie daran, eine entsprechende Initiative zu ergreifen, wenn nicht die Fesseln Ihrer eigenen Politik zu Hause? Wer eigentlich hindert Sie daran, alle Regierungschefs, die Chefs der Gewerkschaften, der Notenbanken, der Industrieverbände und meinethalben auch der Opposition, zirka 70 Leute - aus jedem Mitgliedstaat vier oder fünf -, zusammenzurufen und ein Bild - nicht lediglich im Sinne einer wohllackierten Oberfläche - zu schaffen, an dem sich Menschen orientieren können? Warum lassen Sie, der Sie für politische Symbole doch durchaus Verständnis haben, zu, daß Europa in diesen kleinkarierten Mechanismen möglicherweise zerrieben wird und seine Faszination verliert, anstatt einen überzeugenden Wurf für eine europäische Wirtschafts- und Beschäftigungspolitik vorzulegen?
Das, was von Ihnen, Herr Bundeskanzler, gesagt worden ist, kann man in seiner Allgemeinheit nur unterstreichen. Der Mangel liegt nicht in dem, was Sie sagen, sondern der Mangel liegt in dem, was Sie nicht sagen. Der Mangel liegt in dem, was Sie zu Hause nicht tun. Wenn dieser „Wettlauf nach unten" fortgesetzt wird, dann kann Europa nicht vorankommen. Wir dürfen nicht versuchen, immer nur billiger als die anderen zu sein. Wir müssen besser als die anderen sein, wenn wir uns im weltweiten Maßstab behaupten wollen.
Deshalb frage ich an dieser Stelle: Wie eigentlich wollen Sie in Europa überzeugende Beispiele vorführen, wenn Sie zu Hause einen sogenannten Zukunftsminister einen immer knapperen Haushalt mit immer größeren Mängeln verwalten lassen?
Wie wollen Sie in Europa ein überzeugendes Beispiel geben, wenn Sie der Unabhängigkeit der Notenbank nicht die notwendige politische Kraft zur Seite stellen, die wir brauchen, damit es zu einer koordinierten Finanz-, Wirtschafts- und Sozialpolitik in Europa kommt?
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich an dieser Stelle aber nicht nur plädieren: für eine vertragliche Verpflichtung für einen Beschäftigungspakt, für das Umsetzen des Weißbuches, das unter der Präsidentschaft von Jacques Delors entwickelt worden ist, für ein Stoppen des „Wettlaufs nach unten", für eine gemeinsame Wirtschaftsregierung in Europa, die uns die Chance gibt, nicht nur in den monetaristischen Kriterien der Geldpolitik gefangen zu bleiben, sondern lassen Sie mich auch etwas zur Wirtschafts- und Währungsunion selbst sagen: Wir teilen die Auffassung, daß über Termine und Kriterien nicht zu handeln und schon gar nicht zu verhandeln ist, sondern daß wir uns an die beschlossenen Verträge zu halten haben. Wir unterstützen das Ziel der gemeinsamen Währung.
Wir werden im Jahre 1998 darüber zu sprechen haben, wer das Ziel erreicht - hoffentlich viele -, wer daran beteiligt wird - hoffentlich alle, die das Ziel erreichen - und wie man dann eine starke Währung mit einer aktiven Wachstums- und Beschäftigungspolitik verbinden kann.
Ich wage schon heute die Prognose, daß wir die Überzeugung der Bürgerinnen und Bürger sowie die wirtschaftliche Verantwortbarkeit der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion - so ist es ja angelegt: Wirtschafts- und Währungsunion, nicht nur Währungsunion - nur erreichen werden, wenn Europa endlich eine aktive, überzeugende Rolle auch bei der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und der Steigerung des wirtschaftlichen Wachstums übernimmt.
An dieser Stelle ergibt sich dann automatisch die Forderung nach einem Europa des sozialen Friedens. Ich habe von dem historischen Lernen gesprochen. Im weltweiten Wettbewerb, der eine Realität ist, in dem wir uns zur Zeit noch sehr gut behaupten und in dem wir eine starke Macht sind - das ergibt sich schon allein daraus, daß wir fast 45 Prozent des Welthandels stellen -, und bei der Globalisierung der Märkte, die ein fortdauernder, weiterreichender Prozeß ist, geht es nicht nur darum, sich ökonomisch zu behaupten. Es geht vor allen Dingen um ein bestimmtes Modell des menschlichen Zusammenlebens. Andere nennen das - zu Recht - Zivilisation.
Zu dem europäischen Modell des Zusammenlebens gehören nicht nur Wettbewerbsfähigkeit - so notwendig diese ist -, Innovation und eine starke Währung, sondern auch stabile soziale Beziehungen.
Rudolf Scharping
Auf Dauer werden wir stabiles Geld in Europa nur mit einer stabilen Wirtschaft und stabilen sozialen Beziehungen erreichen.
Deshalb werben wir dafür, daß jeder seine Verantwortung wahrnimmt. Deshalb werben wir dafür, daß niemand nach Deutschland kommt und Europa mißbraucht als eine billige Ausrede für die Politik, die hier gemacht wird, wie das häufig geschieht. Deshalb werben wir dafür, globalen Wettbewerb nicht als Vorwand für innergesellschaftliche Konfrontation zu nutzen und zu mißbrauchen, sondern ihn als den notwendigen Ausgangspunkt zur Neuformulierung des sozialen Konsenses in der Bundesrepublik Deutschland und in Europa zu begreifen.
Auch wir wissen, daß zu dieser Neuformulierung einiges an Modernisierung gehört, daß man nicht allein staatlicher Regulierung vertrauen darf, daß es aber Standards, verläßliche soziale Rechte sowie geregelte und miteinander vereinbarte Verantwortung geben muß. Die Bundesrepublik Deutschland wie übrigens der eine oder andere Partner in Europa - das sage ich offen, ohne daß das als eine Belastung des Verhältnisses interpretiert werden sollte - hat mit der Beschädigung des sozialen Friedens für die europäische Entwicklung ein schlechtes Beispiel gegeben. Deshalb geben zur Zeit die von Ihnen, Herr Bundeskanzler, angesprochenen Tarifpartner ein Zeichen besonderen Verantwortungsbewußtseins; denn sie haben sich nach ersten Versuchungen durch Verhandlungen und Verträge glücklicherweise nicht in diese Konflikte hineintreiben lassen.
Mancher mag denken: Na ja, damit werde jetzt mit aktueller Münze auf einen langfristigen Prozeß eingegangen. Das ist richtig, aber es wäre unvollständig. Wenn wir auf das historische Erbe und auf die Leistung, die Europa vollbracht hat, wirklich stolz sind und wenn wir ihm wirklich eine Zukunft geben wollen, dann dürfen wir nicht mehr mit dieser Konfrontation arbeiten, dann darf es nicht möglich sein, daß ein deutscher Industrieverbandspräsident von der „Soße des sozialen Konsenses" redet, und dann müssen wir neu begreifen und befestigen, daß sozialer Friede das entscheidende Merkmal, die entscheidende Differenz zu anderen Modellen von Zivilisation ist und daß soziale Stabilität Wettbewerbs- und Produktionsfaktor zugleich ist.
Ich kann sehr gut nachempfinden, Herr Bundeskanzler, daß man in diesem Stadium der Verhandlungen und angesichts der - ich will es einmal höflich ausdrücken - erheblichen Vielfalt auf der Ihnen politisch näherstehenden Seite in Europa schwierig ist, jetzt mit der notwendigen Eindeutigkeit auf alle Fragen einzugehen. Vielleicht ist es deshalb auch gut,
wenn im Parlament - mal sehen, was andere dazu sagen - mit der notwendigen Eindeutigkeit argumentiert wird. Man muß hinzufügen: Zum Beispiel das Verhalten der britischen Regierung, was Sozialprotokolle und die Achtung sozialer Rechte in Verträgen angeht, ist ein Schaden für die Glaubwürdigkeit der europäischen Integration.
Wer will, daß dieses Modell von Zivilisation erhalten, gefestigt und weiterentwickelt wird, und wer will, daß das europäische Haus in dem sich entwickelnden globalen Dorf - um eine Formulierung von Jacques Delors aufzugreifen - in Zukunft wetterfest ist, der braucht diese kluge Kombination aus wirtschaftlichem Wachstum, Respekt vor den natürlichen Lebensgrundlagen und vor den sozialen Beziehungen der Menschen.
Ich sage das mit großem Ernst und mit fester innerer Überzeugung: Deutschland sollte endlich wahrnehmen, daß in Frankreich und sogar in Großbritannien die, wie es Lord Dahrendorf einmal formuliert hat, prekäre Balance zwischen Wettbewerbsfähigkeit, sozialem Zusammenhalt und Demokratie die entscheidende Frage der europäischen Entwicklung ist.
Diejenigen, die uns über mehrere Jahre - gegenüber der Bevölkerung zum Teil sogar mit Erfolg - eingeredet haben, man müsse abbauen, man müsse reduzieren, man müsse zurückschreiben usw.,
haben am Ende auch der europäischen Idee einen Schaden zugefügt. Wenn in Großbritannien - vielleicht unter dem Druck der Umfragen oder anderem - eine Umkehr einsetzt, dann sollten auch die deutschen Konservativen begreifen, daß Konrad Adenauer und Ludwig Erhard mit Blick auf die soziale Marktwirtschaft wesentlich klügere Staatsmänner waren als jene, die das heute im Wirtschaftsrat der CDU und der F.D.P. so betreiben, wie Sie das tun.
Lassen Sie mich kurz etwas zum Europa der inneren Sicherheit sagen. Herr Bundeskanzler, wir treten, wie auf anderen Feldern, für eine vergemeinschaftete Politik ein, was das technokratische Wort für gemeinsame Verantwortung und ihre Sicherung in gemeinsamen Institutionen ist. Europol ist ein Beispiel dafür. Wenn ich an dieser Stelle das Herzstück der europäischen Integration, nämlich die deutschfranzösische Zusammenarbeit, erwähne, dann deshalb, weil ich respektiere, daß der Versuch, Europol eigene Kompetenzen zu geben und sich über organisierte Kriminalität und ihre Bekämpfung besser zu verständigen, ein großer Fortschritt ist, der die vorhandenen Belastungen im deutsch-französischen Verhältnis hoffentlich mildert. Denn wir brauchen diese enge Zusammenarbeit mit Frankreich wegen der europäi-
Rudolf Scharping
schen Integration, wegen unserer gemeinsamen wirtschaftlichen und sozialen Fähigkeiten. Auch hier sage ich mit Blick auf die konservativere Seite dieses Hauses, daß mit den französischen Vorstellungen eines wirtschaftlich starken und sozial verantwortlichen Europas die Vorstellungen von Deregulierung, wie sie in Teilen dieser Koalition vertreten werden, Gott sei Dank völlig unvereinbar sind.
Das Wichtigste neben der Freiheit ist ein Europa des Friedens. Die Dringlichkeit einer Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik ist mit einer erschrekkenden Deutlichkeit bei der jugoslawischen Katastrophe klargeworden. Die Mängel in der europäischen Sicherheitspolitik, die Gefahren des Rückfalls in eine nationalistisch definierte Außenpolitik sind im Umgang mit dem ehemaligen Jugoslawien und den daraus entstandenen Staaten überdeutlich geworden.
Wer Sicherheit auf gemeinsames Recht und gegenseitigen Respekt gründen will, wer Sicherheit zuerst als eine Anstrengung zur gemeinsamen Entwicklung versteht, wer Frieden auf die Bekämpfung von Hunger, mangelnder Entwicklung, sozialer Ungleichheit und der Mißachtung von Menschenrechten gründet, der weiß, daß dies hier und da zwingend auch militärischen Schutz erfordert, der weiß aber auch, daß man nie beim militärischen Schutz stehenbleiben darf
und daß bei jedem Mangel an zivilem, Konflikte lösendem und auflösendem, auch vorbeugendem Verhalten am Ende auch durch militärische Sicherheit nichts Gutes bewirkt wird.
Ungeachtet dessen treten wir dafür ein, daß die WEU die sogenannten Petersberg-Prinzipien einer gemeinsamen Sicherheitspolitik in den europäischen Vertrag aufnimmt. An dieser Stelle - dies sage ich bewußt - unterstützen wir die Idee einer flexiblen Integration, weil das Bewußtsein einer gemeinsamen, die Nationalstaaten und ihre Kompetenzen überwölbenden und bindenden Außen- und Sicherheitspolitik leider noch nicht so weit gediehen ist, wie man es sich als überzeugter Europäer wünschen sollte.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, die Integration, die Vertiefung der europäischen Zusammenarbeit, ist die Voraussetzung für die Erweiterung der Europäischen Union. Die Erweiterung der Europäischen Union ist die Vollendung des europäischen Gedankens.
Mittelosteuropa - ich bitte, die südeuropäischen Staaten wie zum Beispiel Zypern nicht zu vergessen -, auch den Staaten, in denen die Freiheitsbewegungen am Ende die kommunistischen Regime beseitigt haben, und ihrem Freiheitswillen würden wir ins Gesicht schlagen, wenn wir die Erweiterung der Europäischen Union oder der NATO nicht vollziehen wollten.
Beide Erweiterungsprozesse werden weder zeitlich noch territorial parallel zueinander verlaufen. Beide Erweiterungsprozesse aber bedeuten den Export von Stabilität in unserem Interesse anstatt den Import von Instabilität.
Ich will an dieser Stelle, Herr Bundeskanzler, einen zusätzlichen Vorschlag machen, nämlich das Prinzip der regionalen Kooperation, wie es auf der Grundlage der Initiative des schwedischen Ministerpräsidenten Göran Persson für den Ostseeraum unter Beteiligung der baltischen Staaten und Rußlands entstanden ist, auf Mittelosteuropa und Südosteuropa, bezogen auf den Balkan und den Mittelmeerraum, auszudehnen und dort anzuwenden. Das böte eine Chance, die Problematik der sogenannten Grauzonen zu mildern.
- Da im Protokoll bestimmte Zwischenrufe nicht erscheinen, sie aber die tiefe Provinzialität der Zwischenrufer deutlich machen, will ich Ihnen sagen, daß das weder mit Bremen noch mit Schleswig-Holstein etwas zu tun hat, sondern mit der klugen Überlegung, daß man auf multilateraler Ebene
- mag sein - ein gleichberechtigtes Gespräch zum Beispiel zwischen Rußland und den baltischen Staaten eher als auf einer bilateralen Ebene voranbringen kann.
Wenn ich für diese regionale Kooperation plädiere, dann habe ich damit zugleich etwas zur Kräftigung der Rolle der OSZE gesagt und zu dem unabdingbar notwendigen guten Verhältnis zwischen uns, der Europäischen Union, auch der NATO, und Rußland. Das sollte vertraglich, mindestens aber im Rahmen einer Charta, gemeinsam vereinbart werden. Dann hätten wir einen Raum der europäischen Sicherheit, der uns für absehbare Zeit und für die Zukunft unserer Kinder und Enkel eine Chance bietet, vielleicht sogar Gewißheit schafft, daß sich die schrecklichen Erfahrungen der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts im nächsten Jahrhundert nicht wiederholen.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich einen Satz wiederholen: Wir respektieren die europäische Orientierung der Politik der Bundesregierung. Wir respektieren die Worte, die hier gesagt werden. Wir wissen um manche Schwierigkeit in der europäischen Integration, daß sie nicht alleine auf das Verhalten der deutschen Bundesregierung zurückzuführen ist. Allerdings muß ich Ihnen sagen: Sie sind nicht engagiert genug, Sie sind nicht entschlossen genug, Sie sind auch nicht phantasievoll genug auf den großen Feldern der europäischen Integration: dem Europa der Bürgerinnen und Bürger, dem Europa eines nachhaltigen Wachstums, dem Europa des sozialen Friedens, dem Europa der inneren Sicher-
Rudolf Scharping
heit und dem Europa des Friedens. Mehr und konsequenter zu handeln würde dem Erbe auch Ihrer politischen Vorgänger besser entsprechen.
Die Sozialdemokratie als eine Partei, die seit ihrer Gründung immer eine europäisch denkende und handelnde, eine europäisch verpflichtete Partei war,
weiß, daß die europäische Zusammenarbeit, die Entwicklung einer Europäischen Union die beste Gewähr dafür bietet, daß wir aus den Erfahrungen der Vergangenheit ein dauerhaftes und zukunftsträchtiges Modell machen können.
In der Debatte spricht jetzt der Kollege Dr. Alfred Dregger.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Ich möchte zunächst einige Bemerkungen machen zur Zukunft Europas als friedenserhaltender Mitte zwischen den Weltmächten, worunter ich die USA und Rußland verstehe. Auf diesem Hintergrund werde ich sodann einige Einzelfragen zur Währungsunion, zur Gewährleistung der inneren Sicherheit in Europa und zur Entwicklung der Europäischen Union erörtern.
Wie ist die Lage? Nach der Epoche der Weltkriege und nach dem Ende des Kalten Krieges sind wir auf der Suche nach einer gesamteuropäischen Friedensordnung, in der „alle Völker und Staaten ohne Furcht und Angst miteinander leben und zusammenarbeiten können", wie es die Charta der deutschen Heimatvertriebenen bereits 1950 gefordert hat.
Es gehört zu den besten Erfahrungen der nach dem Kriege gegründeten Europäischen Gemeinschaften, daß deren Mitglieder unbeschadet des unterschiedlichen Gewichts ihrer Volkswirtschaften, unbeschadet geopolitischer Unterschiede und unbeschadet der bestehenden Interessengegensätze gelernt haben, von gleich zu gleich, mit gleichem Respekt voreinander zusammenzuarbeiten. Diese Erfahrung und Praxis müssen wir jetzt auf das erweiterte, das größere, das ganze Europa übertragen. Entscheidend dafür sind die Erkenntnis und das Bekenntnis aller Staaten, daß anders als in der Vergangenheit nicht die Macht, sondern das Recht die Grundlage der europäischen Staatenordnung sein muß.
Ganz besonders gilt dies für die Sicherheitsfragen. Sie sind der Kern der zu schaffenden europäischen Friedensordnung. Wir müssen sie einer dauerhaften Lösung zuführen. Sieben Jahre nach dem Fall der
Berliner Mauer und nach den gewaltlosen Revolutionen in Ostmitteleuropa ist die Zeit dazu reif.
Bundeskanzler Helmut Kohl hat im Februar dieses Jahres Moskau besucht, um Zeit für eine konstruktive Lösung zu gewinnen, die vor den Präsidentenwahlen in Rußland und in den USA nicht mehr gefunden werden konnte. Nun aber, nach den Wahlen und nach der Genesung von Präsident Jelzin, zu der wir ihn und uns beglückwünschen,
ist es Zeit zum Handeln. Ich ermuntere Sie daher, Herr Bundeskanzler, erneut die Initiative zu ergreifen. Sie haben das Vertrauen des amerikanischen Präsidenten, der in seiner zweiten Amtszeit mehr Handlungsspielraum als zuvor hat. Sie haben das Vertrauen des russischen Präsidenten, der nach seiner Genesung sein Lebenswerk, die Wiederherstellung Rußlands, vollenden will. Sie haben auch das Vertrauen der europäischen Völker rings um uns herum.
Meine Damen und Herren, unbestreitbar ist: Eine europäische Friedensordnung wird nur gelingen, wenn die USA und Rußland daran nicht nur marginal, sondern wesentlich beteiligt sind. Europa hätte in diesem Jahrhundert seine Probleme ohne die USA nicht lösen können. Das galt jetzt noch einmal für die Katastrophe im ehemaligen Jugoslawien. Aber auch in Zukunft wird die Mitwirkung der USA notwendig sein. Für Rußland gilt das gleiche. Aber beide, die USA wie Rußland, sollten dabei die Praxis unseres europäischen Einigungsprozesses übernehmen. Das heißt, es kann nicht um Großmachtpolitik gehen, sondern um die Zusammenarbeit kleiner, großer und mittelgroßer Staaten in Gleichberechtigung. Hegemonie darf es nicht geben; sonst würden die überwundenen Antagonismen zurückkehren.
Niemand könnte durch eine solche Politik für sich selbst mehr gewinnen als Rußland; denn Rußland ist vom Westen her nicht bedroht. Seine Risiken liegen eher im Süden und im Südosten seines riesigen Territoriums.
Stabilität, Freundschaft und Zusammenarbeit mit Europa werden, wie ich hoffe, das Ziel einer klugen russischen Politik sein. Wir westlichen Europäer sollten das uns Mögliche tun, um die russische Führung zu einer solchen Politik zu ermutigen. Wir müssen ihr klarmachen, daß die Öffnung der NATO für die beitrittswilligen Reformstaaten in Ostmitteleuropa zu keiner Machterweiterung des Defensivbündnisses NATO führen wird; denn deren Macht wird angesichts moderner Militärtechnik nicht durch die Weite ihres Territoriums bestimmt. Die Öffnung der NATO fördert die Stabilität in ganz Europa und kann so zur Grundlage für Rußlands kooperative Partnerschaft werden.
Auch von den USA erwarten wir einen spezifischen Beitrag. Sie sollten meines Erachtens damit einverstanden sein, daß alle beitrittswilligen demokratischen Länder Europas Mitglied der NATO wer-
Dr. Alfred Dregger
den können - nicht alle auf einmal, aber doch in einem stetigen Prozeß. Sie sollten aufgenommen werden können, wenn sie nach Verfassung, nach Tradition und nach Staatspraxis demokratische Länder sind.
Es wäre willkürlich und gefährlich, zwischen Kandidaten, die diese Voraussetzungen erfüllen, prinzipielle Unterschiede zu machen. Vor allem im Baltikum darf keine sicherheitspolitische Grauzone entstehen, worauf Außenminister Kinkel zu Recht erst kürzlich wieder hingewiesen hat. Eine solche würde im Ostseeraum, der eine starke Entwicklung haben wird, wahrscheinlich die stärkste in ganz Europa, zu Unruhe und Verwerfungen und nicht zu Stabilisierung führen.
Im übrigen: Die Rolle der Großmächte USA und Rußland ist für das Sicherheitskonzept der baltischen Staaten gewiß von großer Bedeutung; aber letztlich ist es Sache der baltischen Staaten selbst, darüber zu entscheiden, in welchem Bündnis sie ihre Sicherheit suchen. Die Erklärung der OSZE-Konferenz in Lissabon hat das noch einmal bekräftigt. Darin heißt es:
Wir bekräftigen das unveräußerliche Recht eines jeden Mitgliedstaates, seine Sicherheitsarrangements frei zu wählen. Jeder Mitgliedstaat wird das Recht aller anderen
- man könnte auch sagen: jedes anderen - in dieser Hinsicht respektieren.
Allein diese beiden friedenstiftenden Sätze haben die Konferenz von Lissabon, die in den Medien zunächst viel zu schlecht behandelt worden ist, zu einem Erfolg gemacht.
In der Erklärung von Lissabon heißt es weiter:
Die Mitgliedstaaten werden ihre Sicherheit nicht zu Lasten der Sicherheit anderer Staaten verstärken.
Auch das ist wichtig. Das Recht auf Selbstbestimmung macht es also nicht überflüssig, um die Zustimmung der Partner zu werben. Das ist schon deshalb wichtig, weil sich im russischen Volk nicht der falsche Eindruck festsetzen darf, die russische Führung handele bei der Vereinbarung eines gemeinsamen Konzepts für die europäische Sicherheit nicht im eigenen Interesse.
Auch beim Wie des Öffnungsprozesses sollte der Westen Rußland entgegenkommen. Meines Erachtens sollte er auf eine Stationierung von Atomwaffen in der Nachbarschaft Rußlands verzichten. Ich begrüße, was die Außenminister der NATO in dieser Woche dazu gesagt haben.
Aber auch bei der Stationierung von konventionellen Waffen könnte und sollte die NATO meines Erachtens Zurückhaltung üben. Für die mittel- und osteuropäischen Staaten kommt es darauf an, daß sie zur Allianz gehören. Das ist es, was ihnen Schutz gibt.
Das militärische Kräfteverhältnis braucht deshalb nicht verändert zu werden. Für diesen Prozeß gegenseitiges Vertrauen zu schaffen und zu festigen, das ist das Entscheidende.
Rußlands Forderung nach einer über die Regelung der OSZE hinausgehenden verbindlichen Charta für die vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen ihm und der NATO müssen wir ernst nehmen. Außenminister Kinkels Vorschlag, dafür ein besonderes Konsultationsforum aller NATO-Mitglieder mit Rußland zu vereinbaren, wäre dafür meines Erachtens ein geeigneter Weg. Darin könnte Rußland seine Interessen vertreten ohne Einmischung in die internen Angelegenheiten des Bündnisses. Es könnte auch den institutionellen Rahmen bilden für gemeinsame Aktionen des Krisenmanagements nach dem Beispiel von IFOR. Besteht das Vertrauensverhältnis, um das es geht, dann kann Rußland ohne Widerspruch akzeptieren, daß sich die baltischen Staaten - deren Souveränität Präsident Jelzin im August 1990 doch anerkannt hat - in Ausübung ihrer souveränen Selbstbestimmung dem Westen anschließen.
Meine Damen und Herren, wenn die NATO der Sicherheitsanker der Europäischen Union bleiben soll, dann gibt es meines Erachtens für die Sicherheit der baltischen Staaten in der NATO keinen Ersatz. Es gilt aber ebenso: Wenn die NATO den baltischen Staaten die Mitgliedschaft verweigerte, dann verriete sie ihre Gründungsidee, dann bliebe sie nicht die Wertegemeinschaft der freien westlichen Welt. Die NATO hätte dann nur noch die Funktion einer wechselseitigen Rückversicherung über den Atlantik hinweg, aber sie könnte nicht mehr die Sicherheits- und Verteidigungsgemeinschaft des ganzen Westens bleiben, was sicherlich schlecht wäre.
Gelegentlich ist zu hören, die baltischen Staaten könnten sich mangels ausreichender militärischer Mittel nicht verteidigen, und deshalb könnten sie nicht Teilhaber an der gemeinsamen westlichen Sicherheit sein. Ich meine, das Gegenteil ist richtig. Gerade weil sich die baltischen Staaten angesichts übermächtiger Nachbarn nicht allein verteidigen können, brauchen sie den Schutz der westlichen Allianz. Sind sie deren Mitglied, würde es niemand wagen, sie anzugreifen. In diesem Falle würde die Allianz Sicherheit und Stabilität erhalten wie für alle anderen Mitgliedstaaten auch. Das ist ihre Aufgabe und ihre Fähigkeit, was die NATO für den Westen und den Frieden der Welt unersetzbar macht. Deshalb gibt es für die NATO keinen Ersatz. Wir werden auch in Zukunft an ihr festhalten.
Nach diesen geopolitischen Überlegungen zur künftigen europäischen Friedensordnung möchte ich nun etwas zur politischen Union Europas sagen. Wir müssen sie vollenden, wenn wir uns an der Schwelle des 21. Jahrhunderts für die künftigen globalen Herausforderungen wappnen wollen.
Ihr wichtigster Teil ist die Währungsunion. Maastricht I hat den Fahrplan dazu weitgehend festgelegt. Die Währungsunion muß ein Erfolg werden und zwar
Dr. Alfred Dregger
auf Dauer; sonst würde die Entwicklung das Ganze sprengen.
Der von Bundesfinanzminister Waigel initiierte Stabilitätspakt wird einen entscheidenden Beitrag dazu leisten. Da dieser Pakt nicht nur im deutschen Interesse liegt, sondern auch im Interesse der Gemeinschaft insgesamt, gebe ich nicht die Hoffnung auf, daß wir das zustande bringen.
Noch wichtiger wird sein, daß die Währungsunion Teil einer politischen Union Europas ist und von dieser gewährleistet wird. Nur in einer festgefügten politischen Union Europas, nicht in einem gemeinsamen Markt heterogener Volkswirtschaften wird der Euro auf Dauer stark und hart bleiben. Darauf kommt es an. Der Euro muß mindestens so fest sein wie die D-Mark zu Zeiten von Helmut Kohl.
Deshalb ist der Ausgang der Regierungskonferenz im Sommer 1997 so wichtig. Dabei müssen nicht nur die sogenannten institutionellen Fragen eine befriedigende Antwort finden, damit im größeren Europa auch politisch entschieden werden kann und Handlungsfähigkeit besteht. Vor allem muß es gelingen, in Maastricht II zu vereinbaren, was in Maastricht I nur als Ziel beschrieben worden ist: eine Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik. Ohne eine solche könnte Europa sein eigenes Schicksal nicht mitgestalten und bliebe Objekt der Politik anderer. Aber auch in einer solchen politischen Union - auch das will ich klar sagen - wird Europa nicht zu jenem supranationalen Moloch, den die Briten darin schon sehen wollen, zu Unrecht, wie ich meine.
Wir Deutsche wollen keinen europäischen Superstaat. Die Stärke Europas liegt in seiner Vielfalt. Auf keinem anderen Kontinent finden sich auf engem Raum so viele Hochkulturen mit ausgeprägter Identität wie in Europa, die sich seit der Antike in einer langen gemeinsamen Geschichte wechselseitig befruchtet haben. Nutzen wir die sich daraus ergebenden Möglichkeiten, indem wir diese Kräfte bündeln, aber nicht von ihrem nationalen Urgrund lösen!
Die Europäische Union muß deshalb ein „Europa der Vaterländer" sein, so hat de Gaulle es formuliert - ich sage lieber: ein Europa der vereinten Vaterländer; das gibt das Bild richtiger wieder.
In diesem Staatenverbund werden die Mitgliedstaaten, die überwiegend Nationalstaaten sind, ihre Bedeutung behalten. Sie sind es, in denen in einem für das Volk überschaubaren Rahmen gewählte Repräsentanten Politik gestalten und legitimieren können, auch die europäische Politik.
Besonders erfreulich ist es, daß Kohl und Chirac in Nürnberg den Kampf gegen die Kriminalität zu einer zentralen Forderung für die Europäische Union erhoben haben.
Die enge Zusammenarbeit ist eine ganz entscheidende Voraussetzung für den Erfolg bei der Bekämpfung der organisierten Kriminalität.
Die wachsenden Aufgaben der internationalen Verbrechensbekämpfung kann heute kein Staat mehr für sich allein lösen. Wir müssen deshalb über die Schengener Kooperation hinaus die europäische Zusammenarbeit auf dem Gebiet der inneren Sicherheit weiter verstärken. Mit dem Aufbau von Europol, wofür der Bundeskanzler seit langem eingetreten ist, sind wir auf dem richtigen Weg.
Unsere Bürger wollen Sicherheit und einen Rechtsstaat, der sich gegen das Verbrechen durchsetzen kann.
Meine Damen und Herren, wir stehen 1997 vor großen Aufgaben, bei denen es um Freiheit, um Sicherheit, um den Wohlstand auch unseres Volkes geht. Ich hoffe, daß es uns gelingt, für die Erfüllung dieser Aufgaben die notwendige Gemeinsamkeit zu entwickeln, in Deutschland und in Europa. Es gibt ja nicht nur Konfrontation und Blockade. Es gibt in der Demokratie auch Zusammenarbeit zum Wohle des Volkes. Das ist unsere Aufgabe.
Das Wort hat jetzt der Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen Joseph Fischer.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Mit der Entscheidung über die Wirtschafts- und Währungsunion 1999 steht Europa vor einem entscheidenden, vor einem historischen Schritt, der wohl nur vergleichbar ist mit dem Ende des Kalten Krieges 1989. Ob dieser Schritt gelingt oder ob er nicht gelingt, wird die entscheidende Weichenstellung für die Zukunft dieses Kontinents, für die friedliche, für die demokratische Zukunft, werden.
Insofern müßte darüber - denn es geht um sehr viel - eigentlich Kontroverse angesagt sein. Ich war sehr hoffnungsfroh, daß diese Kontroverse im Vorfeld der Wirtschafts- und Währungsunion jetzt endlich auch die deutsche Innenpolitik bewegt. Es begann eine Kontroverse mit Beiträgen von Helmut Schmidt, mit öffentlichen Angriffen auf den Bundesbankpräsidenten, mit dem Angriff von Pierre Bourdieu. Man mag dazu stehen, wie man will, aber es begann eine Kontroverse.
Joseph Fischer
Nur, wenn man Ihre Regierungserklärung, Herr Bundeskanzler, im Vorfeld dieser wichtigen Regierungskonferenz von Dublin hörte, kann man nur sagen: Es war wirklich der Bär los hier im Hause.
Ich versuche mir vorzustellen, daß die Generation der Europäer, die jungen Leute, heute morgen die Zeit hatten, Ihnen am Fernseher zu folgen. Ich nehme an, nach fünf Minuten Zuhören waren sie, wenn sie nicht abgeschaltet hatten, in Tiefschlaf versunken.
Das ist eine Situation, die wir uns nicht erlauben können.
Ihre Regierungserklärung hat in wesentlichen Teilen um die Probleme herumgeredet.
So wichtig es ist, daß Sie in Nürnberg mit Chirac über die Frage der inneren Sicherheit geredet haben: Sie haben nicht über die Frage der demokratischen Kontrolle der Sicherheitsapparate geredet, wie ich gleich anfügen möchte.
Ich höre, daß eine europäische Polizei ohne Datenschutz, ohne einen europäischen Souverän und ohne demokratische Kontrolle entsteht. Ich sage Ihnen: Das ist eine vordemokratische Polizei, die wir ablehnen. Die Voraussetzung dafür ist, daß es zu einer demokratischen Kontrolle kommt.
Den entscheidenden Punkt haben Sie nicht angesprochen. Sie haben nicht angesprochen, wozu es in Nürnberg nicht gekommen ist, wo es beim Dissens geblieben ist. Das ist der Kernbereich der Wirtschafts- und Währungsunion.
Ich möchte zu diesem Kernbereich sprechen; denn darum wird es im kommenden Jahr gehen. Ich stimme Rudolf Scharping ausdrücklich zu: Vermutlich im ersten Halbjahr 1997 werden die entscheidenden Weichenstellungen vorgenommen. Ich möchte deshalb nur ganz kurz die anderen Punkte, die Sie angesprochen haben, aufnehmen.
Die Frage der europäischen Sicherheit habe ich bereits angesprochen. Für uns ist die demokratische Kontrolle von zentraler Bedeutung. Die Entwicklung von Sicherheitsapparaten ohne demokratische Souveränität halten wir mit unserer demokratischen Verfassung nicht für vereinbar. Wir behalten uns hier auch alle Schritte vor, wenn Sie diesen Weg gehen, ohne daß der europäische Souverän dafür die Rechtsgrundlagen schafft.
- Das heißt, daß wir notfalls nach Karlsruhe gehen und überprüfen lassen werden, ob es mit unserer Verfassung übereinstimmt oder nicht, wenn Sie diesen Weg gehen, ohne daß wir die entsprechenden institutionellen demokratischen Kontrollen haben.
Die Frage der institutionellen Reformen hängt eng mit der Osterweiterung zusammen.
Über die Osterweiterung haben wir heute nur einen allgemeinen Satz gehört, nämlich daß der Bundeskanzler - ich kann ihm nur zustimmen - daran festhält, daß die deutsche Ostgrenze nicht die Westgrenze der EU sein kann.
- Wenn Sie sagen, sie kommt, dann kann ich Ihnen nur sagen: Wenn Haussmann sagt, sie kommt, dann kommt sie nie. Das ist nun wirklich nicht das Problem.
Ich möchte vom Bundeskanzler wissen, wie er seine Zusage an Polen umsetzen will, daß der Beitritt Polens, daß die EU-Erweiterung in Richtung Osten bis 2000 tatsächlich möglich ist. Was wir erleben, ist, daß gegenwärtig sehr viel über die militärische Ausdehnung und Integration geredet wird, aber nichts oder kaum etwas über die zivile Integration, also über den Bereich, der in diesem Lande eigentlich streitfrei ist.
Es wird deswegen nicht darüber geredet, weil der Bundeskanzler ganz genau weiß, daß eine Reihe von institutionellen Reformen, beim Mehrheitsprinzip angefangen bis zur Reform des gemeinsamen EU- Agrarmarkts, notwendig ist, um diese Erweiterung vorzunehmen. Herr Bundeskanzler, Sie haben heute wieder ganz beredt geschwiegen und nichts zu den wirklichen Problemen gesagt.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich finde es immer rührend, wenn Sie sich den blauen Umweltengel aufkleben. Aber wenn Sie sagen, die Bundesregierung übernimmt europäische Umweltinitiativen, dann sorgen Sie doch endlich einmal dafür, daß Sie nicht zu einem der Hauptangeklagten vor dem Europäischen Gerichtshof werden, weil Sie bei der Umsetzung von EU-Richtlinien, vor allem im Bereich des Umweltschutzes, zögerlich sind.
Sorgen Sie dafür, daß die Bundesregierung aufhört, der Hauptblockierer bei der EU-weiten Einführung einer Energiesteuer in Brüssel zu sein.
Joseph Fischer
Sorgen Sie endlich für eine Ökologisierung der Verkehrspolitik, sorgen Sie dafür, daß die transeuropäischen Eisenbahnnetze wirklich gebaut werden und daß es hier nicht zu wesentlichen Kürzungen kommt.
Sie könnten vieles tun, bei dem wir Ihnen hier im Haus gern zuklatschen würden. Aber es reicht nicht, sich in einer allgemeinen Erklärung den blauen Umweltengel anzukleben und im Alltag in Brüssel als Bundesregierung das Gegenteil von dem zu tun, was Sie hier an allgemeinen Erklärungen zum Umweltbereich abgeben.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum Kernbereich kommen: die Währungsunion. Hier müssen wir meines Erachtens endlich einmal Tacheles reden und Mut haben. Daß Sie ihn nicht haben, wundert mich nicht.
- Ja, natürlich, da wacht er auf, der Herr Schäuble.
Natürlich haben Sie den Mut nicht, weil Sie das Hauptproblem in Ihren eigenen Reihen bekommen werden. Sie werden es nicht mit der demokratischen Linken hier im Hause bekommen. Dies will ich Ihnen auch gleich erklären: Was wir gegenwärtig erleben, ist keine Stabilitätsdebatte, sondern ein ritualisiertes Bekenntnis zu Stabilitätsfetischismus.
Das hat nichts mit ökonomischen Notwendigkeiten bei der europäischen Integration zu tun, sondern ausschließlich mit innenpolitischen Integrationsnotwendigkeiten im konservativen Lager in der Bundesrepublik Deutschland. Herr Kollege Schäuble, der Unterschied zwischen Stabilität und Stabilitätsfetischismus fängt bei mir da an, wo Stabilität in Deflation umschlägt. Bei weiterer Massenarbeitslosigkeit wird sie ökonomisch unsinnig und politisch hoch riskant und gefährlich. Das hat nichts mehr mit Stabilität zu tun; das ist Stabilitätsfetischismus.
Sie werden ein Europa, das sich darauf gründet, daß das europäische Einigungswerk, daß die Europäische Wirtschafts- und Währungsunion auf Grund Ihrer Deflationspolitik zum Motor von Massenarbeitslosigkeit wird, gegen die Wand fahren, meine Damen und Herren.
Das ist die Botschaft von Nürnberg. Chirac gerät politisch immer mehr durch Ihre Aussage auf Grund des Stabilitätsfetischismus unter Druck, der Euro wäre eine 1 : 1-Fortsetzung der D-Mark. Herr Dregger hat gerade wieder auf rührend naive Art und Weise gesagt - ich nehme an, Sie glauben selbst nicht, was Sie hier gesagt haben -, daß der Euro mindestens so stabil sein wird wie die D-Mark in der Ara Helmut Kohls. Dies mag für CDU-Ohren gut klingen,
aber ökonomisch ist es völliger Unsinn. Es wird keine 1 : 1-Verlängerung geben.
Der Euro bietet dafür aber ganz andere Vorteile. Diejenigen, die die Europäische Wirtschafts- und Währungsunion wollen, müssen dafür kämpfen und dürfen sich nicht länger verstecken und Stabilitätsrituale herunterbeten, um einen Edmund Stoiber oder andere in ihrem Lager letztendlich zu beruhigen und davon abzuhalten, eine antieuropäische Kampagne zu starten. Das ist der wirkliche Punkt.
Herr Bundeskanzler, Sie wissen ganz genau, daß die Botschaft von Nürnberg lautet: Die deutschfranzösischen Beziehungen und damit der europäische Einigungsprozeß drohen substantiell durch die Währungsunion in eine fundamentale Krise zu geraten. Chirac wird von einem Wegbrechen seiner Mehrheit für Europa und für die Wirtschafts- und Währungsunion bedroht. Er wird deshalb bedroht, weil er die Massenarbeitslosigkeit mit der von Bonn und Frankfurt verordneten stabilitätsfetischistischen Politik nicht mehr in den Griff bekommen kann und deshalb die innenpolitischen Probleme und damit die antieuropäische Opposition übermächtig werden. Dies müssen Sie bedenken. Das ist die wirkliche Botschaft von Nürnberg und nicht das, was Sie im Zusammenhang mit Europol und ähnlichem verkünden. Dies erfüllt uns mit großer Sorge.
Es ist unverzichtbar, daß wir auf den Boden einer ökonomischen Position zurückkehren, die sich nicht von Stabilität verabschiedet und gleichzeitig berücksichtigt, daß Stabilität nicht in Deflation umschlagen darf, und daß andere ökonomische Faktoren ebenfalls zu berücksichtigen sind.
Dazu gehört eine Beschäftigungs- und Wachstumspolitik, die sich allerdings nicht in traditioneller Wachstumspolitik, nicht in Beschäftigungsprogrammen traditioneller Prägung ergehen darf. Wenn wir auf eine Ökologisierung Europas setzen, auf die Durchsetzung einer Infrastruktur, die dem 21. Jahrhundert im Verkehrswesen, in der Energiepolitik, in der Transformation unserer Industrien hin zu einer umweltgerechten Industrie gerecht wird, dann werden wir nicht nur die Märkte von morgen mit den Produkten von morgen bedienen können, sondern auch die Arbeitsplätze schaffen, die wir morgen in Europa brauchen. Es muß und kann in Richtung einer solchen nachhaltigen Entwicklung gehen.
Meine Damen und Herren, wir sehen die Entwicklung mit großer Sorge. Insofern teilen wir zwar die allgemeinen, weihevollen Reden über Europa; die
Joseph Fischer
sind alle richtig, die waren immer richtig, die teilen wir, das wissen Sie, Herr Bundeskanzler. Stoibers SZ-Interview ist übrigens hochinteressant, wenn ich das noch kurz anfügen darf, Frau Präsidentin. Er spricht sich für Europa aus, er spricht sich für Stabilität aus. Aber wenn man es genau liest, ist es eine Stabilitätsdefinition, die Europa und die europäische Währungsunion unmöglich machen wird, weil sie eine allein von deutschen Interessen geprägte hegemoniale Definition ist. Das wird Europa und unsere Nachbarn nie interessieren.
Wir müssen diese Stabilitätsdiskussion endlich durchbrechen. Wir müssen den Mut haben, den Bürgern die Wahrheit zu sagen, auch auf das Risiko hin, daß wir es erst einmal mit einer mächtigen Opposition zu tun haben werden, die hier nicht mitzieht. Ich glaube, daß den Bürgern Europa auf der Grundlage von Massenarbeitslosigkeit, von Vorenthalten der Demokratie und von Nichtberücksichtigung der Wahrheit in der politischen Auseinandersetzung nicht beizubringen ist. Deswegen, Herr Bundeskanzler, bin ich über Ihre heutige Regierungserklärung maßlos enttäuscht. So wird es mit Europa nichts werden.
Es redet jetzt der Kollege Dr. Helmut Haussmann.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Debatte zeigt, daß es vor sehr wichtigen Europakonferenzen zunächst einmal Übereinstimmung gibt, aber die Opposition dann im einzelnen doch die Vertragsgrundlagen von Maastricht verläßt. Herr Fischer, die Drohung mit Karlsruhe ist kein guter Auftakt. Sie sollten einmal ohne Wenn und Aber ja zum Vertrag von Maastricht sagen. Das gab es von seiten der Grünen bisher noch nie, immer nur konditioniert und mit Auflagen.
Nächster Punkt. Lieber Herr Fischer, wer glaubt, unter den Bedingungen der globalen Wirtschaft komme man an den Stabilitätserfordernissen des Maastrichter Vertrags vorbei, der täuscht sich. Er darf umgekehrt nicht dazu beitragen, daß das zusätzlich gegen Europa verwandt wird. Das Negative in der jetzigen Diskussion ist, daß Sozialdemokraten und Grüne Stabilitätserfordernisse, die vom Weltmarkt herrühren, auf Europa abladen und deshalb Europaskepsis noch schüren.
Führungsaufgabe im internationalen Bereich ist, angesichts von Euroskeptizismus nicht die Ängste zu schüren, sondern die Leute aufzuklären, daß der Rücktritt in die grüne Idylle und der Rückzug in sozialdemokratisches internationalistisches Denken - deutsche Sozial- und Umweltstandards für die
ganze Welt - zu mehr Massenarbeitslosigkeit und zu sozialer Unruhe führt. Das ist die Wahrheit.
Wenn es den Vertrag von Maastricht nicht gäbe, dann müßten Sozialdemokraten in Bonn und auch in den Länderregierungen trotzdem sparen, denn die Deutschen sind unter den Bedingungen des Weltwettbewerbs zu hoch verschuldet, haben zu hohe Steuern, sind zu stark reguliert und sind zuwenig flexibel. Das kann Ihnen niemand abnehmen; das sollten Sie nicht auf Europa abladen.
Ein weiterer Punkt. Die F.D.P. wird sich von niemand übertreffen lassen
als Hüterin des Vertrages von Maastricht.
Das ist immer die beste Antwort. Wir haben ihn mitgestaltet, wir haben ihm mit allen Abgeordneten zugestimmt. Wir haben heute eine Situation, daß auch verschiedene Ministerpräsidenten nicht mehr wissen, was sie damals zugestimmt haben. Das ist keine gute Werbung im Ausland für Deutschland.
Herr Schröder - damit will ich zu den Sozialdemokraten kommen - hat in London vor kurzem einiges verkündet; Herr Lafontaine, vielleicht gehen Sie darauf ein.
Ich zitiere die „Zeit" vom 22. November:
Gerhard Schröder vor der Deutschen Industrie- und Handelskammer in London
Frage: „Kommt 1999 die Europäische Währungsunion?" Die Antwort von Gerhard Schröder ließ an Kürze wie Klarheit nichts zu wünschen übrig: „Nein." ... Die britischen Zuhörer staunten. Da bediente sich ein führender deutscher Sozialdemokrat, dessen Ambitionen nicht in Hannover enden, exakt jener Argumente, die auf der Insel immer häufiger zu vernehmen sind. ... Vielsagend verwies Schröder auf den Erfolg der HaiderPartei in Österreich.
Deshalb müssen wir heute sehr offen miteinander reden. Große wolkige Versprechungen von Herrn Scharping nützen uns wenig. Der Glaubwürdigkeitstest in der europäischen Politik wird in den nächsten Monaten unter Wahlkampfbedingungen in Deutschland zu bestehen sein.
Da müssen zunächst einmal Sozialdemokraten ihren Euro-Zickzackkurs ordnen.
Dr. Helmut Haussmann
Ich zitiere: Oktober 1994: SPD-Schattenfinanzminister Lafontaine behauptet, die Bundesregierung riskiere, daß die D-Mark im Rahmen der Europäischen Währungsunion zugunsten einer europäischen Inflationswährung abgeschafft würde. Er erklärte, daß er die Stabilitätskriterien neu verhandeln wolle.
Oktober 1995: Der SPD-Vorsitzende Scharping - damals - und der niedersächsische Ministerpräsident Schröder sprechen sich für eine Verschiebung der Einführung einer europäischen Währung aus. SPD-Chef Scharping bezeichnet die Währungsunion - wörtlich - als „irgendeine Idee".
Oktober/November 1995: SPD-Wirtschaftsminister Spöri, stellvertretender Ministerpräsident in BadenWürttemberg, und Ministerpräsident Schröder fordern eine Verschiebung der Währungsunion, um auf sogenannte Weichwährungsländer zu warten. Schröder spricht in diesem Zusammenhang von „Monopoly-Geld". Dieser Begriff wird uns in der öffentlichen Diskussion noch sehr schaden.
März 1996: Minister Spöri und Ministerpräsident Schröder fordern erneut eine Verschiebung der Wirtschafts- und Währungsunion. Die Antwort der Wähler in Baden-Württemberg war klar:
Die SPD erreichte ihr historisches Tief, die F.D.P. kam auf 10 Prozent.
Leider hat diese Art von Politik auch die Republikaner gestärkt. Deshalb höchste Vorsicht!
Gestern hat die Europasprecherin Frau WieczorekZeul, die ich heute vermisse - ich muß das ganz offen sagen; ich schätze sie, aber bei einer so großen Debatte müßte sie hier sein; vielleicht kann man das nachher aufklären -,
in einer Pressekonferenz - da war sie noch gesund - erklärt, ohne eine gemeinsame Wirtschafts- und Beschäftigungspolitik sei die geplante Wirtschafts- und Währungsunion ohne Chance. Was heißt das? Heißt das, daß die Sozialdemokraten im Bundestag dei Wirtschafts- und Währungsunion nicht zustimmen werden?
Meine Damen und Herren, zur Beschäftigungspolitik und Währungsunion: Niemand in der Regierung sagt, daß die Währungsunion alle Beschäftigungsprobleme löse. Nur, umgekehrt ist völlig klar: Ohne die Europäische Wirtschafts- und Währungsunion gibt es nicht mehr Beschäftigung in Europa unter Weltmarktbedingungen. So einfach ist das.
Deshalb muß jede Partei hier im Deutschen Bundestag - Herr Fischer, auch von Ihnen ist dazu noch keine Antwort gegeben worden - ohne Wenn und Aber dieser Währungsunion zustimmen. Es wird im
Ausland immer mehr ein Glaubwürdigkeitstest, ob deutsche Ministerpräsidenten, Oppositionspolitiker, unter erschwerten Bedingungen Verträge einhalten.
Damals im Maastricht-Sonderausschuß war das leichter. Wir hatten eine bessere Konjunktur, wir hatten tolle Wachstumserwartungen: 3 Prozent schienen leicht erreichbar. Heute ist die Lage schlechter.
Es geht um internationale Verträge, und jeder, der für Verschiebungen plädiert, sollte wissen, daß die Deutschen nie mehr von 14 anderen europäischen Staaten einen Vertrag à la Maastricht zu deutschen Bedingungen bekommen. Das ist die Wahrheit.
Herr Scharping hat auch über die Weltpolitik geredet. Ich will nur eine Bemerkung zum Verhältnis zwischen Europa und den USA machen: In den Vereinigten Staaten von Amerika gibt es eine sehr pro-europäische Administration im internationalen Bereich. Die Außenministerin Albright ist in Zentraleuropa geboren. Der Sicherheitsberater Burger ist ein absoluter Kenner Zentraleuropas. Das ist eine große Chance.
Nur, die neue Administration in den USA wird testen, ob Asien oder Europa zu einer globalen Partnerschaft fähig ist. Zu einer globalen Partnerschaft seitens Europa gehören drei Dinge:
Erstens. Die Europäische Union muß in allen Bereichen handlungsfähiger werden; Herr Dregger ist zu Recht darauf eingegangen: internationale Sicherheit.
Zweitens. Europa muß zu einem kontinentalen Ansatz in der Lage sein. Das betrifft die wichtige Frage der Erweiterung. Ich folge hier nicht Ökonomen, die sagen: Wir müssen bis zum Jahre 2007 warten. So lange hat Europa nicht Zeit. Auch aus zentraleuropäischen, demokratischen und beschäftigungspolitischen Gründen brauchen wir die neuen Staaten.
In Mittel- und Osteuropa liegt Produktivität brach, die die zu teuren westeuropäischen Staaten nutzen müssen, um zu einer besseren gesamteuropäischen Produktivität zu kommen.
- Herr Fischer, nicht über neue Umweltsprüche, sondern über neue Märkte und Markterfolge schafft man Arbeitsplätze in Deutschland.
Mittel- und Osteuropa ist das Gebiet, das genau den Bedarf an Infrastruktur, an Industrialisierung, an elektronischer Industrie und Multimedia benötigt, der in Deutschland angeboten wird. Insofern ist es Beschäftigungspolitik für Deutschland, für eine schnelle Erweiterung einzutreten.
Dr. Helmut Haussmann
Neben diesem zentraleuropäischen Ansatz ist der dritte Punkt, zugunsten globaler Partnerschaft eine europäische Währung zu schaffen.
Manchen Amerikanern schmeckt es nicht. Aber es war ja interessant: Auf dem G-7-Treffen wurde zum erstenmal sehr konkret über das künftige Verhältnis zwischen Euro und Dollar diskutiert. Wir wissen aus Gesprächen mit vielen Amerikanern, daß sie sich darauf einstellen, daß eine harte europäische Währung mittel- und langfristig auch stabilisierend auf den Dollar wirkt. Das kann man ja nicht nur als Europäer wünschen, sondern auch als Entwicklungspolitiker. Für die Entwicklungsländer ist es von allergrößter Bedeutung, daß die Europäer in der Lage sind, eine eigene zweite Leitwährung zu schaffen, die tatsächlich zu einer Stabilisierung des internationalen Währungssystems beiträgt.
Deshalb ist das keine Frage, die man jetzt mit Sprüchen belegt, sondern man muß sich unter den harten Bedingungen des Wahlkampfes entscheiden, ob man zur Führung bereit ist, die Menschen aufklärt und ihnen auch Unangenehmes mitteilt oder ob man vorhandene Angst populistisch aufnimmt und schürt. Das wird die große Frage der nächsten Monate sein.
Es ist notwendig, daß die deutsche Bevölkerung darüber aufgeklärt wird, was der Vertrag mit sich bringt:
Erster Punkt: Der Euro ist so stabil wie die D-Mark. Ich gehe weiter: Warum darf der Euro nicht noch stabiler werden als die D-Mark? Im Moment liegen drei europäische Währungen vor der D-Mark. Wir müssen wissen - das hat Herr Lamfalussy diese Woche in der F.D.P.-Bundestagsfraktion ganz klar betont -, daß kleine Länder mit stabilen Währungen entscheidend von der deutschen Währung abhängen. Ich kann keinem Luxemburger und Niederländer verdenken, daß er vor einer rot-grünen Regierung Angst hat. Denn eine unsolide Haushaltspolitik ab 1998 - -
- Entschuldigung. Es ist schon ein interessanter Punkt.
Meine Damen und Herren, natürlich tritt das nicht ein, aber entscheidend für die Europadebatte ist doch zu verstehen, daß in der deutschen Innenpolitik in Zukunft europäische Währungspolitik gemacht wird. Natürlich wird das Land, das die wichtigste Rolle im Währungskorb spielt, entscheidend die Inflationsrate in kleineren Staaten beeinflussen. Das ist
ein ganz entscheidender Punkt, der für diese Regierung spricht.
Diesen Trumpf wird die Regierung auch im Wahlkampf ganz klar ausspielen.
- Mich freut es ja wirklich, daß das so ankommt.
In bezug auf die Fragen nach dem Stabilitätspakt und den Konvergenzkriterien will ich hier auch selbstkritisch etwas zum eigenen Lager sagen.
Es findet eine komische Diskussion statt. Man streitet um Zehntel des nicht von Anfang an im Maastrichter Vertrag vorgesehenen Kriteriums der Verschuldung. Zunächst waren als Kriterien Inflationsrate, Wechselkurs und Zinshöhe vorgesehen.
- Einverstanden: Wenn es im Vertrag steht, muß es eingehalten werden. Aber warum, Herr Fischer, verschweigt man denn die sensationellen Fortschritte bei dem stabilitätspolitisch entscheidenden Kriterium Inflationsrate?
Kein Mensch hätte damals erwartet, daß in den EuroLändern die Inflationsrate von 13,5 Prozent unter die Marke von 2 Prozent sinkt.
Diese niedrige Inflationsrate ist die beste ökonomische Begründung, in einem historischen Tiefpunkt europäischer Politik mit der Währungsunion anzufangen.
Auch die Sozialdemokraten und die Grünen sollten einsehen: In einer niedrigen Inflationsrate liegt die Chance zu mehr Beschäftigung.
Sie bedeutet keinen Sozialabbau. Durch eine stärkere Inflation wird der Umfang der Massenarbeitslosigkeit zusätzlich gefördert. Erst aus diesen Zusammenhängen wird sozusagen ein Schuh.
- Herr Fischer, beruhigen Sie sich!
Dritter Punkt. Es gibt keine enge oder weite Auslegung des Vertrages; es gibt vielmehr nur eine vertragskonforme Bewertung der Konvergenzkriterien.
Auch die EU-Finanzminister und der Deutsche Bundestag - mit seinem Beschluß - müssen sich vertragskonform verhalten. Das heißt, Sie müssen den im Vertrag vorgesehenen, aus ökonomischen Gründen bewußt klein gehaltenen, aber dennoch vorhandenen Bewertungsspielraum berücksichtigen. Man muß -- das ist wichtig - den Bürgern ehrlicherweise sagen: Der Vertrag sieht aus guten Gründen nur wenig Spielraum vor.
Wer immer von den „Aufweichern" redet, dem will ich auch hier sagen: Die wahren Aufweicher sind nicht diejenigen, die den Vertrag konform erfüllen, sondern diejenigen, die ständig den Vertrag zerreden, die nicht bereit sind, sich zum Vertrag zu bekennen,
und damit riskieren, daß die Währungsunion zum festgelegten Zeitpunkt nicht in Kraft tritt.
- Nein, die ganze Verschiebungsdiskussion wurde von großen Teilen der Sozialdemokratie in Gang gesetzt. Die Grünen haben sich bis heute nicht eindeutig zum Vertrag geäußert.
Mit dem folgenden Punkt will ich schließen. Bundespräsident Herzog hat vor dem Europäischen Parlament in Straßburg gesagt:
Wer eine Verschiebung in Kauf nimmt, riskiert Renationalisierung, neuen Protektionismus, Depression und auf Dauer Massenarbeitslosigkeit.
Die F.D.P. wird sich deshalb in der Einhaltung des Vertrages von niemandem übertreffen lassen.
Vielen Dank.
Ich gebe das Wort dem Abgeordneten Manfred Müller.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Reden
des Dr. Haussmann und des Bundeskanzlers sind weiß Gott nicht geeignet, wieder eine pro-europäische, euphorische Stimmung entwickeln zu lassen.
Lassen Sie mich mit ein paar Zahlen zu dem beginnen, was Herr Haussmann eben angesprochen hat. Seit dem Abschluß des Maastrichter Vertrages, Herr Dr. Haussmann, ist die durchschnittliche Inflationsrate von 5,9 Prozent auf 3,1 Prozent im vergangenen Jahr gesunken. Nach der von Ihnen so standhaft vertretenen Logik, hätte das geradezu ein Beschäftigungswunder verursachen müssen. Das Gegenteil ist der Fall: Die Beschäftigung stieg nicht, sondern sie nahm um 2,5 Prozent ab. Die Arbeitslosenquote der Union kletterte von 8,3 Prozent auf 10,7 Prozent. Ihre Behauptungen, die Sie hier gebetsmühlenartig wiederholen, sind genau das Gegenteil von dem, was durch diese Zahlen ausgedrückt wird.
Der europäische Gedanke hat über Jahrzehnte viel Sympathie gewonnen. Heute stößt er bereits in breiten Bevölkerungskreisen auf Mißtrauen und Sorge, ja, sogar auf Angst. Erst allmählich wird den Menschen klar, was da auf sie zukommt und wie wenig das mit ihren ehemaligen europäischen Idealen übereinstimmt.
Ich weiß: Das alles ist Ihnen nicht unbekannt. Das ist der eigentliche Grund, weshalb Sie das europäische Projekt lieber hinter verschlossenen Türen verhandeln. Das ist der Grund, weshalb Sie beim Thema Europa mehr an Haushaltsdefizite als an Demokratiedefizite denken.
Das ist natürlich auch der eigentliche Grund, weshalb Sie es in der Bundesrepublik im Gegensatz zu unseren Nachbarstaaten niemals zu einer Abstimmung über die Währungsunion kommen lassen werden. Hochglanzbroschüren über den Euro sind kein Ersatz für demokratische Entscheidungsprozesse. Das ist keine politische Demokratie. Das ist politisches Marketing.
Glauben Sie nicht, daß die nachlassende Akzeptanz für Europa nichts mit diesen Demokratiedefiziten zu tun hat! Es mag lange dauern, ehe sich die meisten Menschen eine klare Vorstellung von den ständig zitierten Konvergenzkriterien machen können, schon deshalb, weil vielen die Welt der Staatshaushalte und Finanzmärkte mindestens so unbekannt ist wie die Rückseite des Mondes.
Nur eines beginnen die Menschen mittlerweile zu begreifen: Dieses Europa bringt ihnen keine neuen Arbeitsplätze, sondern zwingt zu einer Haushaltspolitik, die Arbeitsplätze kostet. Diese europäische Integration bringt der Mehrheit der Bevölkerung keinen Wohlstand, sondern verlangt immer größere Opfer. Dieser Währungsunion werden immer mehr soziale Standards geopfert, um eine Stabilität zu gewährleisten, die nur eines stabilisiert, nämlich die Renditen großer Geldvermögen.
Manfred Müller
Nicht nur bei den Menschen in Deutschland entsteht der Eindruck, sondern viel mehr noch bei unseren europäischen Nachbarn, daß diese Bundesregierung an einem europäischen Haus zimmert, das die unverkennbaren Züge eines Geldschrankes trägt. Der bekannte französische Soziologe Pierre Bourdieu hat dies in einer vielbeachteten Zeitungsdebatte als ,,Tietmeyer-Denken" bezeichnet. Er steht damit nicht allein. Spätestens seit der kritischen Stellungnahme von Philippe Séguin, dem Präsidenten der französischen Nationalversammlung, müßte Ihnen eigentlich klargeworden sein, daß Ihre einseitig monetaristische Politik selbst das deutsch-französische Verhältnis zu belasten beginnt.
Wir erinnern uns alle, daß das deutsch-französische Aussöhnungswerk eine der Wurzeln der europäischen Vereinigung war. Daran hat offenbar auch der Fototermin des Herrn Bundeskanzlers mit Präsident Chirac auf dem Nürnberger Christkindlmarkt nichts ändern können;
denn in Frankreich mehren sich die Stimmen, die die deutsche Marktversessenheit inzwischen ebenso einfallslos finden wie das unflexible Festhalten an abstrakten Stabilitätsdogmen.
Bis heute sind die neoliberalen Theoretiker, Herr Dr. Haussmann, erst recht aber die Praktiker den Nachweis schuldig geblieben, daß der nach der Methode Maastricht ausgearbeitete Weg zur Währungsunion erreicht, was er verspricht.
Nehmen wir zum Beispiel die Behauptung, eine niedrige Inflationsrate würde automatisch zu niedrigeren Realzinsen, hoher Produktion und wachsender Beschäftigung führen, die Sie hier wieder aufgestellt haben. Ich bin schon auf die Fakten eingegangen. Es muß damit gerechnet werden, daß die rigide Stabilitätspolitik daran nichts ändern wird, sondern sich die Schere weiter öffnet. Das Problem ist nämlich, daß die Währungsunion weder Wachstum noch Beschäftigung schafft, sondern sie eigentlich voraussetzt. Sie setzt voraus, daß in Beschäftigung investiert, daß die Binnennachfrage entwickelt und die soziale Konvergenz vergrößert wird.
Das gegenwärtige Konzept tut genau das Gegenteil. Es zwingt die europäischen Nationen zur Selbstzerstörung, um das Vertrauen der Finanzmärkte zu gewinnen, und das alles in der durch nichts gerechtfertigten Hoffnung, daß nach diesem Zerstörungswerk Wachstum und Beschäftigung blühen werden. Die gewaltsame Erzwingung einer gemeinschaftlichen Währung, ohne daß vorher realwirtschaftliche und soziale Angleichung erfolgt, wirkt wie eine Zusammenlegung der Bundesjugendspiele mit der Olympiade. Sie ist eine Fiktion, weil ihre reale Grundlage fehlt.
Es ist doch nicht so, daß wir hierzulande nicht wüßten, welche Risiken eine Währungsunion produziert. Auf die gleiche Weise wie die deutsch-deutsche
Währungsunion mehr Verlierer als Sieger hervorbrachte, droht auch die Europäische Währungsunion für viele Teilnehmer zu einem Desaster zu werden.
Sie, Herr Bundeskanzler, sind als Kanzler der Einheit bezeichnet worden. Als Kanzler der Vereinigung haben Sie versagt. Sie wollen als Kanzler des Euro in die Geschichte eingehen. Vor seinen Folgen werden Sie wieder versagen,
ganz abgesehen davon, daß bis heute niemand sagen kann, in welches Desaster diejenigen geraten, die außen vor bleiben, und welche Spekulationsrisiken aus der Tatsache unterschiedlicher europäischer Geschwindigkeiten entstehen.
Sie streuen den Menschen Sand in die Augen, wenn Sie von einem Stabilitätspakt sprechen und damit den Eindruck erwecken, als ginge es um die Stabilisierung von Produktion und Beschäftigung.
Erstens geht es ausschließlich um die Stabilisierung von Währungsmerkmalen und Haushaltseckpunkten. Zweitens erkaufen Sie diese scheinbaren Erfolge mit unübersehbaren Mißerfolgen auf allen Gebieten, die für die Masse der Menschen von Bedeutung sind: mit Mißerfolgen auf dem Arbeitsmarkt, mit Rückschlägen für die soziale Sicherheit und mit unberechenbaren Risiken für zahllose Beschäftigungsbereiche.
Die einzigen Teilnehmer, die von dieser monetären Gemeinschaft voraussichtlich profitieren werden, sind die exportstarken deutschen Konzerne. Diese Konzerne setzen schon jetzt 60 Prozent ihres Außenhandels auf dem europäischen Binnenmarkt ab, und sie werden bei einem einheitlichen Zahlungsmittel nicht nur von den Risiken einer überbewerteten D- Mark befreit, sondern können auch noch hoffen, daß sich ihre Weltmarktposition im Wettlauf um niedrige Steuersätze und sinkende Lohnkosten verbessert.
Das kann man ja wollen, Herr Bundeskanzler. Dann muß man das den Leuten aber auch sagen und darf nicht den Eindruck erwecken, als ginge es bei dieser Art von Währungsunion um mehr Wohlstand für breite Bevölkerungskreise und den Abbau von Arbeitslosigkeit. Dann muß man den Mut zu dem Eingeständnis haben, daß diese Währungsunion eine Benefizveranstaltung für die Besitzer großer Geldvermögen und für die Aktionäre exportorientierter Großkonzerne ist.
Es scheint diese Bundesregierung überhaupt nicht zu stören - das zeigen auch Ihre Reaktionen -, daß
Manfred Müller
der in Dublin auf der Tagesordnung stehende Beschäftigungsbericht '96 eine einzigartige Bankrotterklärung ist. Es scheint diese Regierung auch nicht im geringsten zu erschüttern, daß sie das von ihr anvisierte Ziel einer Halbierung der Arbeitslosigkeit bis zum Jahr 2000 nicht erreichen wird. Nein, sie nimmt es mit Gelassenheit hin, daß die Arbeitslosigkeit weiter steigt.
Sie verweigern sich standhaft der von Monat zu Monat lauter werdenden Forderung nach einer europäischen Beschäftigungspolitik. Sie tun das mit dem Hinweis auf die nationale Verantwortung, obwohl Sie doch ganz genau wissen, daß der von Ihnen so lauthals gepriesene Stabilitätspakt den Mitgliedstaaten auf unübersehbare Zeit nicht den geringsten Spielraum für eigene Beschäftigungspolitik läßt.
Herr Waigel übrigens liefert dafür den eindeutigen Nachweis. Ein Etat, der die Ausgaben für den Arbeitsmarkt radikal zusammenstreicht und gleichzeitig auf die Vermögensteuer verzichtet, ersetzt die Arbeitsmarktpolitik durch staatliche Reichtumspflege.
Das ist nun wahrlich kein Vorbild für nationale Beschäftigungspolitik.
Solange Sie mit Ihrem Stabilitätsdogmatismus jeden Ansatz von Beschäftigungspolitik im Keim erstikken, solange nur europäische Beschäftigungsformulierungen und keine europäischen Beschäftigungsprogramme auf den Tisch kommen, so lange werden Sie in Europa auch keinen einzigen neuen Arbeitsplatz schaffen, aber fortfahren, Hunderttausende zu vernichten.
Danke schön.
Ich gebe dem Ministerpräsidenten Oskar Lafontaine als Mitglied des Bundesrates das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte diese wichtige Debatte über die Zukunft Europas von meiner Seite mit Feststellungen darüber einleiten, wo wir in diesem Hause übereinstimmen. Wir stimmen überein, wenn gesagt wird, daß das Konzept der europäischen Einigung die wirksamste Versicherung gegen Nationalismus, Machtpolitik und Krieg ist und bleibt.
Wir finden es auch richtig und wissen es einzuordnen, daß der Bundeskanzler den ehemaligen französischen Staatspräsidenten Mitterrand mit dem Satz zitiert hat: „Der Nationalismus, das ist der Krieg." Das ist auch unsere Auffassung.
Wir stimmen überein und sagen: Wir wollen die Wirtschafts- und Währungsunion zum vorhergesehenen Zeitpunkt, und zwar selbstverständlich bei vertragsgemäßer Anwendung der Konvergenzkriterien. Ich rate, nicht zu sagen: bei strikter Beachtung der Konvergenzkriterien; das klingt in Gesamteuropa etwas zu deutsch.
In der Einordnung des europäischen Einigungsprozesses und in der Absicht, die Währungsunion fristgemäß einzuführen, stimmen wir überein.
Nicht überein stimmen wir, wenn beispielsweise zum Beschäftigungsthema vom Bundeskanzler vorgetragen wird, „wir müßten auf nationaler Ebene die Voraussetzungen für mehr Wachstum und Beschäftigung schaffen. Das ist Sache der Mitgliedstaaten und insbesondere der Tarifvertragspartner." Der Satz: „Beschäftigungspolitik machen wir zu Hause", ist falsch
und klingt in den Ohren unserer Nachbarn als eine Herausforderung. Ich werde das gleich noch belegen.
Ich möchte mich heute, auch auf Grund meiner Herkunft, schwerpunktmäßig dem deutschfranzösischen Verhältnis zuwenden; denn es ist richtig, daß Deutschland und Frankreich gemeinsam vorangehen müssen, wenn es zu einer europäischen Einigung kommen soll. Auch hierin stimmen wir überein. Aber die Frage ist: Wie sieht es denn im Hinblick auf die Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Frankreich aus? Ich kann die Kritik von Rudolf Scharping und Joschka Fischer nur aufnehmen und sagen: Herr Bundeskanzler, es ist nicht richtig, wenn man zu dieser Entwicklung kaum etwas sagt, die immer stärker werdenden Differenzen einfach übergeht und dazu keine öffentliche Debatte führt.
Dabei sind die Differenzen nicht einseitig verursacht. Es wäre falsch, das hier im Deutschen Bundestag so vorzutragen. Wenn wir beispielsweise über die Außenpolitik sprechen, wenn wir uns an die Atomversuche, die Entscheidung zur Berufsarmee oder die Nahostpolitik erinnern, dann können wir von einer gemeinsamen Außenpolitik nicht sprechen. Der demokratische Prozeß gebietet doch, daß wir das offen ansprechen. Wir können dieses Auseinanderentwickeln nicht einfach übergehen und verschweigen.
Ich möchte mich heute schwerpunktmäßig dem Auseinanderentwickeln der Wirtschafts- und Finanzpolitik zuwenden, weil dies derzeit die gesamte französische Debatte bestimmt. Es ist nun einmal wahr:
Ministerpräsident Oskar Lafontaine
In Frankreich sorgt man sich um die Arbeitslosen und nicht nur um die Preisstabilität.
Der Satz des ehemaligen französischen Präsidenten Giscard d'Estaing ist eine Herausforderung für Gesamteuropa: „Schauen Sie auf die Arbeitslosenzahlen: Stagnieren sie oder gehen sie nach oben, dann ist Ihre Politik falsch", sagt er. Genau das ist der Gradmesser der europäischen Debatte.
Wenn ein Gaullist wie Charles Pasqua - mit ihm stimme ich nicht immer überein, Herr Bundeskanzler; dennoch bin ich der Auffassung, man muß auch Argumenten von jemandem zuhören, der in der Regel nicht der Auffassung ist, die man selbst hat - sagt: „In der 5. Republik gelten noch immer die Ideale der französischen Revolution - Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit -, und ich bin nicht bereit, diese republikanische Devise etwa gegen Stabilität, Kompetitivität und Flexibilität zu tauschen", dann geht der Mann auf einen entscheidenden Punkt: Die Ideale Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit stellen auf das Wohlergehen der Menschen ab und fordern uns heraus, die Arbeitslosigkeit zum zentralen Thema der europäischen Diskussion zu machen.
Herr Ministerpräsident, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Haussmann?
Bitte schön; ich würde aber ansonsten gerne im Zusammenhang vortragen. Ich hoffe, daß Sie Verständnis dafür haben.
Herr Ministerpräsident, halten Sie die Forderung des früheren Präsidenten der Republik, kurz vor der Währungsunion mit einer einseitigen Franc-Abwertung gegenüber der D-Mark den Vertrag einzuhalten, für vertragskonform?
Ich werde mich diesem Thema jetzt umfassend widmen und versuchen, meine Antwort zu geben.
Dann warte ich geduldig.
Die Frage ist: Wo ist der Unterschied zwischen der Wirtschafts- und Finanzpolitik, die Frankreich befürwortet und die in großen Teilen auch von uns befürwortet wird, und der Wirtschafts- und Finanzpolitik, die Sie vertreten? Das kann man doch einmal sachlich debattieren. Es gibt hier zwei Wege. Wie gesagt, nachher wird das Urteil von der Antwort auf die Frage abhängen: Gelingt es, die Arbeitslosigkeit zurückzuführen oder nicht? Alles andere ist völlig irrelevant.
Deshalb wiederhole ich Giscard d'Estaing: Wenn die Arbeitslosenzahlen steigen, dann ist die Politik falsch und man muß sie ändern. Wir sind der Auffassung, daß es höchste Zeit ist, sie zu ändern.
Nun komme ich zu dem Thema, das unseren Nachbarn wirklich nicht mehr zumutbar ist. Alle Beschäftigungsinitiativen werden mit der Bemerkung abgewehrt: Beschäftigungspolitik machen wir zu Hause. Das tragen Sie, Herr Bundeskanzler, und Sie, Herr Bundesfinanzminister, immer wieder vor, wenn die europäische Debatte beginnt.
Ich beziehe mich hier auf amerikanische Stimmen, vielleicht in der Hoffnung, daß diese einmal aufgenommen und dahin gehend kritisch geprüft werden, ob an dieser Argumentation etwas Richtiges ist. Wenn wir nämlich zu einem anderen Ergebnis kämen, wäre das wichtig für den europäischen Zusammenhalt und für die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit.
Ich zitiere zunächst den Nobelpreisträger Modigliani. Er schreibt:
Seit der zweiten Hälfte der 80er Jahre waren die Zinssätze, die von der Deutschen Bundesbank anderen Ländern auferlegt wurden, viel zu hoch, um mit Vollbeschäftigung in den meisten anderen Mitgliedsländern des EWS vereinbar zu sein. Die Situation verschlechterte sich weiter auf Grund der Eskalation der deutschen Zinssätze nach dem Beitritt Ostdeutschlands. Dies führte sowohl in Frankreich als auch in dem gesamten EWS zu einem Nachkriegshöchststand der Arbeitslosigkeit.
So das Votum eines Nobelpreisträgers, das man doch kritisch prüfen sollte, ehe man Argumente, die aus Frankreich kommen, einfach zur Seite legt und nicht darauf eingeht.
Er fährt dann fort:
Das EWS wurde gerettet, indem man die Bandbreite auf 15 Prozent erweiterte, was es dem nichtdeutschen EWS ermöglicht hätte, die Zinsen zu senken, ohne das EWS zu verlassen. Aber erstaunlicher- und unerwarteterweise verblieben auf Grund einer Politik, an deren Spitze Frankreich stand und die darin bestand, blind und um jeden Preis an der „Franc Fort-Politik" und daher an den hohen Zinssätzen der Bundesbank festzuhalten, die Wechselkurse trotz der größeren Bandbreite in den nächsten Tagen, Wochen und Monaten die alten. Diese Politik
- so wiederum dieser Nestor der amerikanischen Wirtschaftspolitik -
Ministerpräsident Oskar Lafontaine
war selbstmörderisch. Sie hat Frankreich einen Anstieg der Arbeitslosigkeit von der bereits hohen Quote von 8,9 Prozent in 1990 auf 11,6 Prozent im Jahre 1993 und 12,6 Prozent im Jahre 1994 beschert.
Er urteilt:
Diese Politik verwandelte das EWS und den Weg nach Maastricht in ein Folterwerkzeug.
Ich meine, wir sollten die Äußerungen eines anerkannten Wirtschaftswissenschaftlers über diese Entwicklung zunächst einmal aufnehmen. Es geht nicht darum, daß man bei solchen Stellungnahmen einseitig Schulen ausmacht. Deshalb zitiere ich Paul Krugman im Hinblick auf die Handlungsweise der französischen Zentralbank. Er schreibt in seinem jüngsten Aufsatz:
Es gibt derzeit Zentralbanken wie die Bank of Canada oder die Bank of France, die wirklich zu glauben scheinen, etwas über stabile Preise sagen zu können. Ihre Aufrichtigkeit kostet ihre Länder Hunderttausende von Arbeitsplätzen.
So einer der renommiertesten amerikanischen Ökonomen zu der Diskussion in Europa. Darüber sollte man zumindest einmal nachdenken.
Wenn die Politik der Zentralbanken in Frankreich und in Gesamteuropa kritisiert wird, könnte es sein, daß Sie auf der rechten Seite dieses Hauses meinen, Sie hätten damit gar nichts zu tun; denn die Politik der Zentralbank berühre Sie im Grunde genommen gar nicht.
Ich zitiere deshalb einen weiteren Nobelpreisträger, Herrn Solow, der kürzlich im „manager magazin" zu Ihrer Wirtschaftspolitik, Herr Bundeskanzler, folgendes sagte:
Die Ergebnisse von Kohls Politik sind problematisch, was die makroökonomische Steuerung der Wirtschaft angeht, vor allem nach der deutschen Einheit. Kohl hat die Folgen der Einheit offenbar unterschätzt, und als deutlich wurde, wie hoch die Kosten wirklich würden, fehlte zunächst die Bereitschaft, diese Lasten durch entsprechend höhere Steuern zu finanzieren.
Dadurch entstand Anfang der 90er Jahre die Gefahr einer konjunkturellen Überhitzung für die westdeutsche Wirtschaft, was wiederum die Bundesbank dazu veranlaßte, der Wirtschaft sehr hohe Realzinsen aufzubürden. Das Ergebnis war nicht nur eine Rezession in Deutschland, sondern eine Stagnation in Gesamteuropa.
Meine Damen und Herren, hier wird der Zusammenhang Ihrer Wirtschafts- und Finanzpolitik und der deutschen Geldpolitik auf die Beschäftigung in Gesamteuropa von den amerikanischen Nobelpreisträgern der Nationalökonomie hergestellt. Lösen Sie sich endlich von dem falschen Satz: Beschäftigungspolitik machen wir zu Hause! Er ist grundfalsch und gefährdet mittlerweile den europäischen Einigungsprozeß.
Wenn daher jetzt von Ihnen gesagt wird: wir wollen ein Beschäftigungskapitel in den Vertrag aufnehmen, dann sagt das zunächst noch gar nichts. Denn solange es bei der von diesen Nationalökonomen für völlig falsch gehaltenen Wirtschafts- und Finanzpolitik bleibt, wird eben die Zukunft urteilen; die Arbeitslosenzahlen werden steigen. Das wird beweisen, daß diese Politik falsch ist.
Weil die deutsche Wirtschafts- und Finanzpolitik, insbesondere die Geldpolitik der Deutschen Bundesbank für Gesamteuropa - wie richtigerweise alle Nationalökonomen sagen; ich betone: alle; da gibt es niemanden, der das noch in Zweifel zieht - bestimmend sind, müssen wir mit größter Sorgfalt über unsere Wirtschafts- und Finanzpolitik diskutieren und natürlich auch kritisch reflektieren, ob nicht im Reflex auf unsere Wirtschafts- und Finanzpolitik die Deutsche Bundesbank in den letzten Jahren für Gesamteuropa durch ihre Entscheidungen zu hohe Realzinsen - wenn man so will - praktisch gemacht hat.
Nun, meine Damen und Herren, hätte man ja gern gehört, daß Sie beispielsweise aufgreifen, was in Europa diskutiert wird und was Sie selbst beschlossen haben, um Beschäftigung und Wachstum in Gesamteuropa zu stärken. Dazu zitiere ich hier noch einmal den Bericht der Europäischen Union über die Steuerpolitik in der Gemeinschaft, weil ich einfach den Eindruck habe, daß allmählich Realitätsverweigerung Platz greift und daß es keinen Sinn macht, ökonomische Argumente vorzutragen, weil man an einer ideologischen Fixierung festhält, die Jahr für Jahr durch steigende Arbeitslosenzahlen widerlegt wird, und man nicht bereit ist, irgend etwas zu ändern oder gar die Argumente der europäischen Nachbarn aufzunehmen. Wir halten das nicht für richtig. Wir sind der Meinung: Ein solches starres Festhalten an eigenen Überzeugungen, eine solche Verweigerung des offenen Dialoges mit den Nachbarstaaten gefährden den europäischen Einigungsprozeß. Da hilft es nichts, wenn man sich immer wieder zur europäischen Einigung bekennt. Der europäische Einigungsprozeß muß ökonomisch und sozial unterfüttert sein; sonst scheitert er. Da hat Joschka Fischer recht.
Nun sagt zum Beispiel die Europäische Kommission - der Europäische Rat hat das mehrfach beschlossen -: Die Vorbereitung der dritten Stufe der Wirtschafts- und Währungsunion und der Beschäftigungspakt, der angestrebt wird, machen ein abgestimmtes Vorgehen in der Steuerpolitik notwendig. Man kann ja sagen: Das ist alles falsch. Man kann ja auch sagen: Wir machen das alles in Deutschland zu
Ministerpräsident Oskar Lafontaine
Hause. Oder es kann sein, daß man allmählich irgendwann bereit ist, einmal auf die Argumente der Europäischen Kommission einzugehen, oder daß man sogar das ernst nimmt, was man selbst beschlossen hat.
Die Europäische Kommission weist darauf hin - man kann es nicht oft genug sagen -, daß auf Grund der Nichtkoordination der Steuerpolitik in der Europäischen Gemeinschaft die Besteuerung der Arbeitsplätze in der gesamten Europäischen Gemeinschaft immer weiter gestiegen ist und daß hier eine der Ursachen für den Anstieg der Arbeitslosigkeit liegt. Nun schlägt die Europäische Kommission im Weißbuch und in ihren Berichten vor, daß wir die Steuern auf die Arbeitsplätze und die Lohnnebenkosten senken.
Sie schlägt nicht vor, Ihrer Ideologie zu folgen, die da heißt: Wir müssen kürzen. Vielmehr schlägt sie vor, daß das über Verbrauchssteuern, über die Mehrwertsteuer, über die Vermögensteuer oder über Energie- und Umweltsteuern gegenfinanziert wird.
Das heißt, die gesamte Europäische Kommission
schlägt vor, daß wir die Steuern auf die Arbeitsplätze senken, weil sie mittlerweile in allen Mitgliedsstaaten zu hoch geworden sind. Sie verweigern sich seit Jahren einer solchen Politik. Die Steuerpolitik, die Sie hier machen, ist völlig konträr zu dem, was Sie selber im Europäischen Rat beschlossen haben und was die Europäische Kommission fordert.
Richtig ist - das ist auch aus einzelnen Stimmen aus den Notenbanken zu hören -, daß es ohne eine Harmonisierung der europäischen Steuerpolitik nicht möglich ist, die Ziele der Wirtschafts- und Währungsunion zu verfolgen. Es verhält sich nun einmal so: Wenn man Wachstum und Beschäftigung steuern will, muß man drei wesentliche Stellschrauben immer wieder beachten.
Die eine ist die Geldpolitik, die zweite ist die Tarifpolitik, und die dritte ist die Haushalts- und Steuerpolitik.
Wenn diese Schrauben falsch eingestellt sind, dann wird eben die Arbeitslosigkeit immer weiter ansteigen. Die Erfahrung der letzten Jahre müßte Sie doch zu der Einsicht bringen, daß Ihre Politik falsch ist, weil sie durch die steigende Arbeitslosigkeit als
falsch entlarvt worden ist. Greifen Sie doch das auf, was der französische Nachbar vorschlägt; setzen Sie sich zusammen, um zu einem Pakt über Wachstum und Beschäftigung zu kommen, im Interesse von 18 Millionen Arbeitslosen in der Europäischen Gemeinschaft.
Ich möchte jetzt zum Beispiel aus der „Zeit" zitieren - wenn ich das richtig verstanden habe, dann hat auch der Abgeordnete Lamers das mehrfach wiederholt, um bei Ihnen Verständnis für das zu wecken, was derzeit in Frankreich diskutiert wird -:
Was in Deutschland fehlt, ist ein angemessenes Verständnis für Frankreich und für die fundamentalen Umwälzungen, die es derzeit durchlebt. Weil man sich nicht genügend für den westlichen Nachbarn interessiert, wird übersehen oder unterschätzt, welche enormen Anstrengungen in der Währungs- und Haushaltsdisziplin der Partner seit vierzehn Jahren bereits auf sich genommen hat.
Seit fünf Jahren weist Frankreich eine niedrigere Inflationsrate als Deutschland auf, viel länger schon ist der Franc stabil. Die Nationalbank, früher undenkbar, wurde in die Unabhängigkeit entlassen. Subventionen wurden gestrichen, Unternehmen privatisiert, Beschäftigungsprogramme gekappt. Laxheit braucht sich die französische Republik wahrlich nicht vorhalten zu lassen.
Das schreibt der Kommentator der „Zeit".
Wenn aber jetzt die gesamte französische politische Elite sagt, nun reiche es allmählich mit dem einseitigen Starren auf die Preisstabilität - dies ist ja von Balladur und anderen schon als Stagnation definiert worden -, nun sollten wir gemeinsam etwas für die Arbeitslosen in Europa tun, dann darf sich die deutsche Politik diesem Appell unseres Nachbarn doch nicht ständig verweigern.
Das ist im übrigen nicht nur eine Angelegenheit der Steuerpolitik, in der Sie ja eine Fehlentscheidung an die andere reihen. Es würde eine Stunde benötigen, um alleine die Fehlentscheidungen aufzuzählen.
Es wäre ein Segen für Gesamteuropa, wenn man irgendwie verbieten könnte, daß diese Koalition noch ein einziges Steuergesetz vorlegt. Das wäre tatsächlich ein Segen für Wachstum und Beschäftigung in Gesamteuropa.
Ministerpräsident Oskar Lafontaine
Aber es geht auch darum, daß Sie die Investitionsseite immer wieder vernachlässigen. Zum Forschungshaushalt hat Herr Kollege Scharping bereits etwas gesagt, und die Öffentlichkeit debattiert darüber. Aber das ist ja alles sinnlos, weil Argumente nicht mehr aufgenommen werden. Sie haben sich doch auch einmal für die transeuropäischen Netze entschieden. Dazu hat der Kommissionspräsident Jacques Santer nun einen sehr bescheidenen und moderaten Vorschlag gemacht. Dieser Vorschlag ist damit begründet, daß diese transeuropäischen Netze den Binnenmarkt zur vollen Entfaltung bringen und den Austausch von Waren, Gütern und Dienstleistungen erleichtern sollen. Natürlich sind sie auch nicht nur Investitionen für diese Generation, sondern für kommende Generationen, so daß es von daher gerechtfertigt ist, in den Ausbau dieser europäischen Netze etwas mehr zu investieren. Wir sagen also: Blockieren Sie nicht die Steuerharmonisierung und unterstützen Sie endlich den Kommissionsvorschlag zum Ausbau der transeuropäischen Netze.
Es war ja ein schöner Freudscher Versprecher bei Ihnen, Herr Haussmann, als Sie der SPD die Internationalisierung ihrer Politik vorgeworfen haben, nachdem wir darauf hingewiesen hatten, wir bräuchten einen übernationalen Ordnungsrahmen, um die Unternehmen sich in einem fairen Wettbewerb entfalten lassen zu können. Das, was wir fordern, die Steuerharmonisierung und die Harmonisierung des Ordnungsrahmens, haben Sie attackiert, und Sie haben die SPD davor gewarnt, der falschen Internationalisierung ihrer Politik zu huldigen. Herr Kollege Haussmann, Sie sollten das noch einmal durchdenken. Wir diskutieren heute hier wirklich darüber, daß es nicht mehr geht, allein einen nationalen Ansatz zu verfolgen, daß es nicht mehr geht, eine nationale Beschäftigungspolitik zu machen, sondern daß sich eben die Welt so entwickelt hat, daß eine internationale Zusammenarbeit erforderlich ist. Deshalb sollten Sie es nicht kritisieren, sondern Sie sollten Ihre provinzielle Rückständigkeit überwinden und zur internationalen Zusammenarbeit finden.
Meine Damen und Herren, natürlich geht es nicht nur darum, daß wir über die deutsch-französische Zusammenarbeit sprechen. Aber ich sage hier noch einmal - Herr Bundeskanzler, ich habe das nicht verstanden -: In Frankreich gibt es an jedem Tag eine Auseinandersetzung über diesen Kurs der Wirtschafts- und Finanzpolitik, und quer durch die politischen Parteien wird immer wieder an Deutschland appelliert, wir sollten doch endlich eine andere Wirtschafts- und Finanzpolitik auf europäischer Ebene mitmachen. Daß man diesem Appell die kalte Schulter zeigt, ist eine schwere Belastung für den europäischen Einigungsprozeß. Ich habe das hier etwas umfangreicher darzustellen versucht, weil ich mir nicht vorstellen kann, daß das Ihre Absicht ist. Aber es gibt in der Geschichte manchmal Situationen, in denen zwar die Absicht die beste war, die angewandten Mittel aber schlicht und einfach zum Gegenteil dessen geführt haben, was man wirklich erreichen wollte.
Ich will Ihnen einmal sagen, was mir mehrere französische Politiker quer durch die politischen Parteien - insbesondere langjährige Anhänger des europäischen Einigungsprozesses und der deutsch-französischen Freundschaft - gesagt haben: Wenn das so weitergeht, dann wissen wir nicht, wie lange Frankreich diese Politik noch durchhält.
Deshalb geht es schlicht und einfach darum, daß wir die Zusammenarbeit mit dem französischen Nachbarn jetzt wirklich suchen müssen.
Joschka Fischer hat recht: In Nürnberg wurde alles ausgeklammert, was wir hier als Frage aufgeworfen haben. Es wurde nichts, aber auch gar nichts im Hinblick auf die Wirtschafts- und Finanzpolitik vereinbart. Wenn irgend etwas vereinbart worden wäre, Herr Bundeskanzler, dann wären Sie wohl in der Lage gewesen, hier irgend etwas davon zu erzählen.
Ich möchte natürlich auch etwas zur Erweiterung der Europäischen Union nach Osteuropa sagen. Dies ist ein Vermächtnis, das wir Sozialdemokraten vertreten. Das Vermächtnis begründet sich in der politischen Leistung unseres ehemaligen Vorsitzenden, des ehemaligen Bundeskanzlers Willy Brandt.
Sein historisches Vermächtnis ist es - so wie es das historische Verdienst Konrad Adenauers war, die Westintegration durchgesetzt zu haben, was wir anerkennen -, die Ostpolitik fortzusetzen und den Staaten Mittel- und Osteuropas partnerschaftliche Zusammenarbeit anzubieten.
Ich begrüße daher auch einige Passagen Ihrer Rede, Herr Kollege Dregger, in denen Sie auf eine partnerschaftliche Zusammenarbeit mit Rußland hingewiesen haben. Wir sollten nicht vergessen, daß Michail Gorbatschow den deutschen Einigungsprozeß möglich gemacht hat, indem er immer wieder gesagt hat: Wir wollen das europäische Haus bauen. Gorbatschow hat nicht an ein europäisches Haus unter Ausschluß Rußlands gedacht.
Ministerpräsident Oskar Lafontaine
Wir sollten die Verdienste dieses Mannes auch dadurch würdigen, daß wir immer auf partnerschaftliche Zusammenarbeit mit Rußland hinwirken und nicht immer nur an ein Europa unter Ausschluß Rußlands denken; das wäre unhistorisch und falsch.
Deshalb begrüßen wir es, wenn im Verhältnis zu den Staaten Mittel- und Osteuropas bestimmte Dinge in Ordnung kommen. Ich wiederhole für die deutschen Sozialdemokraten, daß wir es begrüßen, wenn es zur deutsch-tschechischen Erklärung kommt.
Wir werden auf jeden Fall alles tun, um diese Erklärung zu unterstützen.
Wir wissen natürlich um den schwierigen Prozeß, auch um den schwierigen innerdeutschen Diskussionsprozeß dabei. Wir wollen die Argumente anderer, die auch Gefühlsargumente sind, nicht geringachten. Aber wir müssen ihnen immer wieder sagen: Es geht jetzt darum, die Vergangenheit zu überwinden. Es geht jetzt darum, den Blick nach vorne zu richten und durch Zusammenarbeit auch mit diesen Staaten eine friedliche gesamteuropäische Zukunft zu gewinnen.
Ich meine, im Rahmen einer solchen Debatte ist es wichtig, an Michail Gorbatschow zu erinnern. Es ist nicht gut, wenn man Menschen vergißt, die einem viel geholfen haben, aber nicht mehr im Rampenlicht der Politik stehen. Ich meine, es ist gut, an ihn zu erinnern. Wenn wir über die europäische Einigung sprechen, dann denken wir auch immer an die polnische Solidarnosc und an die Bürgerrechtler in Prag. Deshalb unterstützen wir die deutsch-tschechische Erklärung und die Zusammenarbeit mit Polen, die sich an der Zusammenarbeit mit Frankreich ausrichten sollte.
Ich fasse zusammen. Das, was der Gaullist Pasqua sagte, indem er die Ideale der bürgerlichen Revolution in Frankreich zitierte, macht im Grunde genommen den Kern unserer Diskussion aus. Wir können, wenn wir Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit und Schwesterlichkeit meinen und feststellen, daß wir an einer Stelle einen Fortschritt der ökonomischen Integration in Gesamteuropa haben - das ist wohl die Preisstabilität -, nicht ignorieren, daß die Stimmen all derjenigen berechtigt sind - viele Menschen, die uns jetzt zuhören, sehen das genauso -, die meinen, daß mit der ständigen Steigerung der Preisstabilität in
Gesamteuropa auch ein ständiger Anstieg der Arbeitslosigkeit verbunden ist.
- Meine Damen und Herren, ich höre hier einen Zwischenruf aus der CDU, das sei purer Unsinn. Es ist schlicht und einfach eine Tatsache, daß die Arbeitslosenzahlen in Gesamteuropa Jahr für Jahr angestiegen sind. Verweigern Sie sich doch nicht der Realität, meine Damen und Herren von der CDU!
Deshalb müssen wir unsere Politik so ändern, daß sie vor dem Urteil derjenigen besteht, die jetzt das bittere Schicksal der Arbeitslosigkeit haben.
Meine Damen und Herren, ich will Ihnen sagen, wenn dann hier in deutschen Veröffentlichungen immer wieder die Rede ist von einem strafbewehrten Stabilitätspakt - und das in einer Zeit, in der die Inflationsraten in Gesamteuropa auf einem RekordTiefstand stehen -, wenn man dann den ganzen Tag von einem strafbewehrten Stabilitätspakt redet, dann müßte man eigentlich mal im Interesse der Arbeitslosen einen strafbewehrten Pakt zur Steigerung der Beschäftigung in Gesamteuropa fordern, und die Strafe müßte dann für diejenigen, die diesen Pakt blockieren, sein, auch einmal das Schicksal der Arbeitslosigkeit zu erleiden, damit sie wach werden und wissen, was eine Politik, die in die Irre geht und ökonomisch falsch ist, für die Menschen bedeutet.
Wenn der ehemalige Bundeskanzler Helmut Schmidt zusammen mit Giscard d'Estaing, denen doch auch der Respekt von Ihrer Seite zukommt, wenn diese beiden Männer, die im Grunde genommen das Europäische Währungssystem durch wenige Schritte auf den Weg gebracht haben, jetzt zu den Kritikern der gegenwärtigen Politik gehören, wenn Giscard d'Estaing sagt, wenn sich die deutsche Politik nicht ändert, dann müssen wir den Franc von der D-Mark abkoppeln, und wenn Helmut Schmidt darauf hinweist, daß wir immer noch politisch entscheiden, und daß die Deutsche Bundesbank eben nicht so tun kann, als sei sie ein Staat im Staate, dann dürfen wir über solche Argumente nicht hinweggehen,
und ich habe sie durch eine ganze Reihe von wissenschaftlichen Stellungnahmen aus Amerika hier unterlegt.
Tun Sie doch nicht so, meine Damen und Herren von der CDU, als seien Sie klüger als amerikanische Nobelpreisträger. Das Nobelpreiskomitee wird nicht auf die Idee kommen, irgendeinen von Ihnen für öko-
Ministerpräsident Oskar Lafontaine
nomische Leistungen mit dem Nobelpreis auszuzeichnen.
Der europäische Einigungsprozeß erfordert, daß wir auf die Argumente unserer Nachbarn eingehen. Wir sind es gerade in der Folge der Entwicklung der letzten Jahre unseren Nachbarn schuldig, die ja auch zu dem beigetragen haben, was in den letzten Jahren zugunsten Deutschlands geschehen ist. Wir sind es den europäischen Nachbarn schuldig, auf ihre Argumente einzugehen. Aber wir sind es nicht nur den europäischen Nachbarn schuldig. Es ist eben nicht nur eine Frage der Politik, auch der Außenpolitik in Europa, sondern es ist eine Frage, wie wir dieses Europa bauen wollen. Wir wollen dieses Europa so bauen, daß es dem Wohlstand und der Freiheit aller Menschen dient. Deswegen fordern wir den Kampf gegen die Arbeitslosigkeit. Wir fordern einen europäischen Beschäftigungspakt; denn nur ein Europa, in dem die Menschen auch Arbeit finden, wird ein Europa sein, das die Menschen annehmen.
Ich gebe das Wort dem Bundesminister der Finanzen, Dr. Theodor Waigel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist schon abenteuerlich, die großen Forderungen der Französischen Revolution - Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit - gegen Stabilität, Flexibilität und Wettbewerbsfähigkeit auszuspielen. Einen so abenteuerlichen Vorgang habe ich selten erlebt.
Es ist geradezu absurd! Stabilität, Konsolidierung, Wettbewerbsfähigkeit, Anpassungsbereitschaft sind die Voraussetzungen für Wachstum, für Arbeitsplätze, für Wohlstand und damit letztlich auch die Voraussetzung für Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit.
Aber die Erkenntnis, die ausgerechnet der saarländische Ministerpräsident hier zum besten gegeben hat und mit der er uns belehren wollte, ist merkwürdig und keinesfalls preisverdächtig.
Herr Lafontaine, nach Ihren Ausführungen muß ich Sie jedenfalls fragen: Glauben Sie im Ernst, daß mehr Inflation zu mehr Arbeitsplätzen und zu einer stärkeren Bekämpfung der Arbeitslosigkeit beitragen würde?
Das ist doch ganz sicher nicht der Fall. Mit Ihren wenigen Zitaten können Sie doch nicht darüber hinwegtäuschen, daß Sie im Gegensatz zur OECD, im Gegensatz zum Internationalen Währungsfonds, im Gegensatz zu allen anerkannten internationalen Institutionen, im Gegensatz zum Sachverständigenrat, im Gegensatz zu den deutschen Forschungsinstituten stehen. Nein, Sie sind mit Ihrer Politik gescheitert.
Herr Lafontaine, wenn Sie als einzige Lehre von Helmut Schmidt den Satz mitbringen, der am falschesten in seiner Geschichte war - daß 5 Prozent Inflation besser sind als 5 Prozent Arbeitslose -, dann vergessen Sie, daß man kurz danach nicht nur 5 Prozent Inflation, sondern auch mehr als 5 Prozent Arbeitslosigkeit feststellen mußte.
Inflation ist leider geradezu die Brücke zu mehr Arbeitslosigkeit. Stabilität ist die Voraussetzung, um mehr Wachstum, mehr Beschäftigung und damit mehr Wohlstand zu gewinnen.
Sie haben auf die hohen Realzinsen in den 90er Jahren hingewiesen. Die anderen Notenbanken hatten sehr wohl die Möglichkeit, zumindest teilweise, sich von den deutschen Zinsen abzukoppeln. Wir wissen aus der Vergangenheit, daß die Zinsen anderer Notenbanken, nicht zuletzt jene in Europa, bis zu 200 Basispunkte über den langfristigen deutschen Zinsen lagen. Da sie nicht gleichermaßen wie Deutschland die große Finanzlast der Wiedervereinigung zu tragen hatten, hätten sie sich abkoppeln und damit den Weg zu niedrigeren Zinsen freimachen können.
Unter Berücksichtigung der Tatsache, daß die Zinsen, jedenfalls am kurzen Ende, auf einem Rekordtief sind und sich die langfristigen Zinsen zwischenzeitlich unter das Niveau in den USA bewegt haben, müssen Sie einsehen, daß Sie Ihre Politik, mit der Sie die Deutsche Bundesbank anzugreifen versucht haben, nicht weiter verbreiten dürfen. Herr Lafontaine, Sie tun - genauso wie damals Helmut Schmidt - dem deutschen Ansehen und dem Ansehen unserer Geld- und Währungspolitik keinen Gefallen, wenn Sie hier die richtige Politik der Bundesbank kritisieren.
Es ist schon eine merkwürdige Arbeitsteilung: Wenn Herr Scharping auftritt, kritisiert er in jeder Rede die Steuererhöhungen;
heute tritt Herr Lafontaine auf und beklagt, daß die Steuererhöhungen damals nicht rechtzeitig durchgesetzt worden sind. Das Ganze paßt ganz sicher nicht zusammen.
Die haushaltspolitischen Herausforderungen, vor denen wir alle in Europa stehen, hängen doch nicht in erster Linie mit Maastricht zusammen. Sie zu be-
Bundesminister Dr. Theodor Waigel
wältigen liegt vielmehr im ureigenen Interesse jeder einzelnen Volkswirtschaft. Das ist geboten angesichts der Offenheit der Märkte, der neuen Möglichkeiten in Mittel- und Osteuropa, in den Staaten, die sich mit ihren Produkten endlich am Wettbewerb beteiligen können, und eines globalen Wettbewerbs, wie es ihn noch nie in diesem Jahrhundert gegeben hat.
Herr Ministerpräsident Lafontaine, ein Blick in den Vertrag würde Sie belehren, daß der strafbewehrte Stabilitätspakt, dessen angebliches Fehlen Sie kritisieren, in Art. 104 c des EG-Vertrages vorgesehen ist. Es ist keine Erfindung von mir, sondern wir haben unseren Stabilitätspakt eng am Text des Vertrages konzipiert, und wir setzen uns dafür ein, daß das in europäisches Sekundärrecht umgesetzt wird und damit für alle gleichermaßen gültig ist.
Meine Damen und Herren, wir stehen vor grundlegenden Weichenstellungen in Europa. Der Bundeskanzler und die anderen Redner haben darauf hingewiesen, daß die Regierungskonferenz in Amsterdam in einem halben Jahr beendet werden soll. In etwas mehr als einem Jahr sind die Teilnehmer der Wirtschafts- und Währungsunion zu bestimmen.
Wenn Deutschland und andere Länder die Maastricht-Kriterien erfüllen, wird die dritte Stufe der Wirtschafts- und Währungsunion beginnen. Maastricht ist nichts anderes als eine Antwort auf die Globalisierung.
Die weltwirtschaftlichen Rahmenbedingungen haben sich in den letzten Jahren schnell und grundlegend gewandelt. Die Öffnung der Märkte für Güter, Dienstleistungen und Kapital schreitet in immer größeren Schritten voran. Die Welt ist - so hat es nicht nur der frühere Präsident der Kommission, sondern auch der Soziologe Marshall McLuhan formuliert - als „globales Dorf" heute eine wirtschaftliche Realität.
Viele Unternehmen handeln heute unter völlig anderen Bedingungen als noch vor zehn oder 15 Jahren. Erfolgreich sind diejenigen, die die Veränderungen annehmen und sie für sich nutzen. Die politische und gesellschaftliche Debatte ist vielfach von Bedenken geprägt.
Chancen und Vorteile der Globalisierung werden dabei unterschätzt. Der zunehmende Wettbewerb führt bei vielen zu Ängsten um das Erreichte, statt zu Hoffnung auf zusätzliche wirtschaftliche Dynamik und Vertrauen auf die eigene Leistung. Wir müssen uns erinnern: Den Menschen der Exportnation Deutschland hat der wachsende weltwirtschaftliche Wettbewerb schon immer beträchtlichen Wohlstandsgewinn beschert und den Arbeitnehmern Millionen von Arbeitsplätzen gesichert.
Eines ist klar: Im Zeichen der Globalisierung können nicht alle heutigen Arbeitsplätze zu den bisherigen Bedingungen auf Dauer konserviert werden. Gerade das streben diejenigen an, die jetzt bei uns und in anderen Ländern nach wirtschaftlicher Abschottung Europas und einem Stopp des weltweiten Wettbewerbs rufen.
Letztlich verbergen sich hinter einer solchen Politik nichts anderes als uralte, gescheiterte protektionistische Ideen. Weder Deutschland noch Europa können dem globalen Wettbewerb ausweichen. Das ist eine Illusion, die auf Dauer nicht den Industrie- und erst recht nicht den Entwicklungsländern hilft.
Globales Denken, Flexibilität und Innovationen sind die richtigen Antworten auf die Globalisierung.
Wer das in Gegensatz zu dem grundmenschlichen Anliegen der Französischen Revolution oder anderer mitteleuropäischer Erkenntnisse setzen möchte, der betreibt einen primitiven Klassenkampf mit falschen Alternativen. Etwas Dümmeres habe ich in diesem Parlament selten gehört.
In Europa sind wir seit geraumer Zeit auf gutem Weg, die zunehmende geld-, währungs- und finanzpolitische Disziplin in allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union zu einem unumkehrbaren Standard zu machen. Die europäische Stabilitätskultur ist deutlich vorangekommen.
Der Kollege Haussmann hat richtig darauf hingewiesen, daß vor zwölf Jahren von kaum jemandem erwartet werden konnte, daß wir von einer Inflation von damals durchschnittlich 13 Prozent in den Ländern, die heute die Europäische Union ausmachen, heute zu einer Stabilität von unter 3 Prozent gekommen sind. Das alles wäre ohne den Vertrag von Maastricht und ohne den produktiven Beitrag auch der deutschen Finanz- und Währungspolitik und unserer aktiven Teilnahme vor und nach Maastricht nicht möglich gewesen. Darauf sind wir stolz.
Mögliches Fehlverhalten einzelner Mitgliedstaaten muß von vornherein soweit wie möglich ausgeschlossen werden. Mit einem europäischen Stabilitätspakt dienen wir in erster Linie den kleinen Staaten in Europa.
Wenn ein kleiner Staat ausschert, dann mag dies für die großen Staaten nicht so problematisch sein. Wenn jedoch ein großer Staat stabilitätspolitisch ausschert, ist dies für die kleineren Staaten von schwerwiegendem Nachteil, weil sie sich dagegen nicht wenden können. Darum handeln wir gerade für die kleinen Staaten, für ihre gleichberechtigten Mitwirkungsmöglichkeiten und auch für ihren Wohlstand und ihre Wettbewerbsfähigkeit.
Wie jede Währungsordnung, so lebt auch die Europäische Währungsunion von ihrer Glaubwürdigkeit und dem Vertrauen, das die Menschen ihr entgegenbringen. Wenn wir für Stabilität kämpfen, und zwar
Bundesminister Dr. Theodor Waigel
für die Stabilität, zu der wir stehen, daß der Euro so stabil sein muß wie die D-Mark, bringen wir damit - im Gegensatz zu dem, was Sie, Herr Fischer, gesagt haben - den entscheidenden Beitrag für die Akzeptanz in Deutschland, um die Bürger, die nach den furchtbaren Erfahrungen in diesem Jahrhundert auf Stabilität setzen, auch künftig nicht zu enttäuschen. Wir müssen sie für Europa, für die Stabilität in Europa und auch für eine gemeinsame Währung in Europa gewinnen. Das machen wir durch unsere Politik.
Beschäftigungspolitisch motivierten Überlegungen, dieses Vertrauen durch weichere Bedingungen für den Eintritt in die Währungsunion aufs Spiel zu setzen, erteilen wir eine klare Absage. Beschäftigungswachstum läßt sich nicht über ein höheres Defizit und auch nicht über eine höhere Inflation erreichen. Ebensowenig würde eine Politik der Wechselkursabwertung dazu tauglich sein. Erfahrungsgemäß führen derartige nationale Alleingänge früher oder später zur Inflation, Stagnation und zu Gegenmaßnahmen der Handelspartner. Die schädlichen Abwertungswettläufe der 30er Jahre sind dafür ein Beleg.
Die Folgerung ist eindeutig: Jedes Land muß seine nationalen Hausaufgaben machen. In der europäischen Stabilitätsgemeinschaft kommt der Haushaltspolitik eine besondere Bedeutung zu. Während die Geldpolitik künftig von der unabhängigen Europäischen Zentralbank wahrgenommen wird, verbleibt die Haushaltspolitik voll und ganz in der Verantwortung der Mitgliedstaaten. Dies entspricht dem Subsidiaritätsprinzip.
Regeln muß es allerdings dort geben, wo eine unverantwortliche Haushaltspolitik andere Mitgliedstaaten in Mitleidenschaft zieht. Stabilitätsorientierte Finanzpolitiken aller Teilnehmer sind für den Erfolg der Währungsunion entscheidend.
Die Erfahrungen der Vergangenheit haben eindeutig gezeigt: Niedrige Defizite sind die Grundlage für niedrige Zinsen, mehr Investitionen, mehr Wachstum und mehr Arbeitsplätze. Dies wird durch eine Studie des Internationalen Währungsfonds eindeutig belegt. Dies beweist auch die Finanz- und Wirtschaftspolitik Deutschlands nach 1982. Mit einer genau solchen mittelfristig angelegten inflationsfreien Wachstumsstrategie haben wir die längste Wachstumsphase der deutschen Volkswirtschaft seit 1946 erreicht.
Der Vertrag von Maastricht spricht nicht ohne Grund von einem dauerhaften Grad an Konvergenz. Aus diesem Grunde habe ich im letzten Jahr den Stabilitätspakt für Europa vorgeschlagen, der seit einiger Zeit in den europäischen Gremien intensiv diskutiert wird. Über die Zielrichtung des Stabilitätspakts herrscht weitgehend Einigkeit. Die Haushaltsdisziplin muß auch nach Eintritt in die Endstufe zuverlässig gesichert sein. Während eines normalen Konjunkturzyklus darf die Obergrenze von 3 Prozent des BIP für die Defizite der öffentlichen Haushalte nicht überschritten werden. Ich würde Herrn Ministerpräsident Lafontaine wirklich einmal raten, mit einigen seiner Freunde in Skandinavien und anderen Ländern zu sprechen, die als mittelfristiges Ziel nicht nur - wie wir - eine Nettokreditaufnahme von 1 Prozent, sondern einen Ausgleich und einen Überschuß gefordert haben und es mit in die Grundfolgerungen einbringen wollen, um damit ihre Probleme der 70er und 80er Jahre wieder beseitigen zu können und von ihrer hohen Steuerlast wieder herunterzukommen. Das ist die europäische Wirklichkeit, Herr Ministerpräsident Lafontaine, und nicht das, was Sie hier nobelpreisunverdächtig vorgetragen haben.
- Ich habe das Stichwort „Nobelpreis" nicht eingeführt, sondern es war, glaube ich, der Herr Ministerpräsident. Ich wußte nicht, ob Sie für Physik oder für Wirtschaftswissenschaften antreten wollen.
Zurück zu den Ausnahmebedingungen. Wir wissen, daß Ausnahmen bei Naturkatastrophen oder einem externen Schock selbstverständlich eine Überschreitung der Drei-Prozent-Grenze rechtfertigen können. Aber diese Ausnahmen müssen so eng wie möglich gefaßt werden. Einzelfragen der genauen Formulierung dieser Ausnahmetatbestände müssen weiter diskutiert werden. Dazu dient das Gespräch im Kreis der 15 Finanzminister bei der Tagung des Ecofin-Rates heute nachmittag in Dublin. Von dem klaren Stabilitätsziel werden wir dabei nicht abgehen. Jeder Mitgliedstaat muß wissen, welches die Folgen sind, wenn er vom Stabilitätspfad abweicht und ein Haushaltsdefizit von über 3 Prozent entstehen läßt. Das Gemeinschaftsverfahren, das dann einsetzt, muß transparent und eindeutig sein. Dabei geht es nicht darum, uns und unseren Partnern neue Pflichten aufzuerlegen. Alles, was mit dem Stabilitätspakt erreicht werden soll, ist schon im Vertrag enthalten. Es muß nur durch nachprüfbare Definitionen sicher anwendbar gemacht werden.
Auch auf nationaler Ebene setzen wir die strikte Haushaltsdisziplin um. Mit dem Konzept der symmetrischen Finanzpolitik
und dem Programm für mehr Wachstum und Beschäftigung befinden wir uns auf dem richtigen Weg zu niedrigeren Staatsausgaben,
niedrigeren Defiziten und niedrigeren Steuern und Abgaben. Der Bundeshaushalt 1997 setzt mit seinem deutlichen Ausgabenrückgang ein Zeichen für die Rückführung der Staatsquote
auf das vor der Wiedervereinigung erreichte Niveau.
Bundesminister Dr. Theodor Waigel
Das Defizit des Bundes geht gegenüber 1996 um mehr als 20 Milliarden DM zurück.
- Sie haben dazu keinen Beitrag geleistet. Der einzige Beitrag, um Defizite zu reduzieren und Steuern und Abgaben zu senken, ist die Reduzierung der Staatsquote. Dazu haben Sie bisher nicht einen einzigen Beitrag geleistet.
- Alle Länder, in denen auch nur eine gewisse Zeit die Grünen an der Regierung beteiligt waren, büßen es danach mehrere Legislaturperioden. Das Beispiel Niedersachsen zeigt es in aller Deutlichkeit.
Der Finanzplanungsrat hat gezeigt: Auch Länder und Kommunen werden ihre Defizite zurückführen. Damit erreichen wir 1997 ein gesamtstaatliches Defizit von 2,5 Prozent des BIP. Das Maastricht-Defizitkriterium wird somit erfüllt. Wir sparen nicht für Maastricht. Wir sparen für uns selbst. Wir sparen, um den Standort Deutschland weiter auszubauen und zu sichern. Wir sparen für die Zukunft, für den Standort Deutschland des 21. Jahrhunderts. Unser Sparprogramm ist kein buchhalterisches Konzept. Es geht darum, durch grundlegende Strukturreformen die dynamischen Ausgabepositionen in den Griff zu bekommen. Wir brauchen mehr Freiraum für Initiative im privaten Bereich.
Ich begrüße es sehr, daß Haushaltsdisziplin erstmals auch in der EU ganz deutlich wird. Heute steht der EU-Haushalt 1997 zur Verabschiedung durch das Europäische Parlament an. Mit einem Volumen von rund 160 Milliarden DM hat der Gemeinschaftshaushalt eine beachtliche Größenordnung. Erstmals gehen die Ausgaben in der EU zurück, und erstmals hat gegenüber dem Vorentwurf der Kommission der Ministerrat eine Kürzung um insgesamt 5,6 Milliarden DM vorgenommen.
Meine Damen und Herren, wir brauchen natürlich eine gewisse Harmonisierung in der Steuerpolitik. Aber wir brauchen auch den Wettbewerb der Steuersysteme. Insofern wird noch auf absehbare Zeit das Einstimmigkeitsprinzip in Steuerfragen in der EU notwendig sein. Wenn Sie, Herr Lafontaine, einen wirklichen Beitrag zur Steuerharmonisierung und zur Wettbewerbsfähigkeit unserer Betriebe leisten wollen, dann müssen Sie bereit sein, die Substanzsteuern endlich abzuschaffen, die uns im Wettbewerb mit anderen in Europa schaden, die Vermögensteuer und die Gewerbekapitalsteuer.
Hier Steuerharmonisierung zu fordern und national einem antiquierten Steuersystem anzuhängen, über das Ihre sozialistischen Genossen in Europa weit hinausgekommen sind,
das nenne ich eine doppelbödige und damit unehrliche Politik in Deutschland.
Dabei brauchen Sie uns nicht zu belehren, daß Beschäftigung für uns das oberste Ziel ist. Wenn in Europa über Struktur- und Kohäsionsfonds, zu denen wir auf Grund unserer Zahlungen den allergrößten Beitrag leisten, 50 Milliarden DM zur Verfügung gestellt werden, dann ist das das gewaltigste Wachstums- und Beschäftigungsprogramm, das es in Europa je gegeben hat.
Aber hohe Beschäftigung wird nur durch konsequente Konsolidierung erreicht. Konsolidierung, Wachstum und neue Arbeitsplätze sind untrennbar miteinander verbunden. Das gilt für Deutschland, das gilt für Europa, das gilt für die Weltwirtschaft.
Jetzt gilt es, den Aufbruch Deutschlands und Europas in das 21. Jahrhundert voranzubringen. Nur ein ökonomisch erfolgreiches 21. Jahrhundert wird ein friedliches 21. Jahrhundert sein.
Deutschland und seine Partner in der Europäischen Union tragen Verantwortung. Wenn wir in Deutschland und in Europa die Weichen richtig stellen, dann sind wir auf einem guten Weg, unsere historische Aufgabe zu lösen.
Ich danke Ihnen.
Ich gebe das Wort der Abgeordneten Kristin Heyne.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der vergangenen Woche wurde hier nebenan im „Wasserwerk" im Beisein der Bundestagspräsidentin Frau Süssmuth der Carlo-Schmid-Preis an den ehemaligen Präsidenten der EU-Kommission Jacques Delors verliehen. Damit wurde sein politisches Wirken gewürdigt, über das er selbst sagt: „Meine ganze politische Existenz ist auf eine Wette gebaut, nämlich daß die Deutschen ein europäisches Deutschland einem deutschen Europa vorziehen. "
Wenn ich mir jetzt die Debatte in Deutschland über die strikte Einhaltung der Konvergenzkriterien, über den Automatismus beim Stabilitätspakt und das Geschachere um zehntel Prozentpunkte angucke und wenn ich mir wesentliche Teile der heutigen Debatte hier ansehe, dann stelle ich fest: Jacques Delors wird
Kristin Heyne
,) hier zwar geehrt, aber diese Bundesregierung versucht mit kaum noch bemäntelter Deutlichkeit, ein deutsches Europa einzurichten, zumindest was die Wirtschafts- und Währungsunion betrifft.
Den Vertrag von Maastricht, Herr Haussmann, halte ich für einen klugen Vertrag, und die Anträge und Vorschläge, die wir hier eingebracht haben, haben immer auf der Basis dieses Vertrages gestanden. Der Vertrag von Maastricht schreibt bei den Verschuldungskriterien ausdrücklich keine strikte Einhaltung vor; er gewährt explizit einen Ermessensspielraum. Das ist nicht so bei der Inflationsrate, bei dem wirklich wesentlichen Kriterium. Da ist auch eine große Konvergenz in Europa erreicht worden.
Es ist aber, Herr Haussmann, vertragswidrig und nebenbei nicht einmal rational begründbar, wenn in Deutschland eine punktgenaue Einhaltung der fiskalischen Konvergenzkriterien gefordert wird.
Es ist im übrigen eine neue, interessante Variante des Musterknabentums, wenn Sie, Herr Haussmann, in Anspruch nehmen: Die F.D.P. ist die Partei, die am allerbesten den Vertrag einhält.
) Das ist nicht so, im Gegenteil. Sie satteln drauf und versuchen, Ihre marktradikalen Positionen im nachhinein in diesen Vertrag hineinzudrücken.
Auch mit dem Stabilitätspakt wird von deutscher Seite auf den Vertrag von Maastricht draufgesattelt. Durch den Sanktionsautomatismus versuchen Sie, eine todsichere Konstruktion zu schaffen. Todsicher ist aber immer in der Gefahr, überzugehen in tot.
Deutsches Sicherungsbedürfnis und deutsche Gründlichkeit sind im Begriff, die gemeinsame europäische Währung massiv zu gefährden.
Ich fordere Sie auf, Herr Bundeskanzler, lassen Sie nicht zu, daß unversehens mit dem Hinterteil umgestoßen wird, was über lange Zeit mit den Händen gebaut wurde, zumal ja einige ihre Finger dazwischen haben, die sehr bewußt blockieren.
Wir unterstützen als Bündnisgrüne ausdrücklich das Ziel des Bundesfinanzministers, die öffentlichen Haushalte zu konsolidieren. Ich betone den Begriff Ziel, nicht die Ausführung. Die Verschuldung hat ein Ausmaß erreicht, das durch die Zinslast die Handlungsfähigkeit des Staates massiv gefährdet und in unverantwortlichem Maße Belastungen auf die kommenden Generationen verschiebt. Wir halten aber
die strikte Verknüpfung von Defizithöhe und Inflation für nicht sachgerecht. Auch die absolute Orientierung am Ziel der Geldwertstabilität ist in unseren Augen fragwürdig.
Der Sachverständigenrat empfiehlt in seinem aktuellen Jahresgutachten der Bundesbank für das Jahr 1997 eine noch striktere Stabilitätspolitik. Die Begründung muß man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen: Damit nicht der Anschein entstehen könne, sie sei in das Schlepptau der Europapolitik geraten. Die Verächtlichkeit in dieser Wortwahl halte ich für bemerkenswert. Ich behaupte, in dieser Empfehlung ist aus der sinnvollen Idee der Unabhängigkeit der Zentralbank bei der Sicherung der Währung ein blinder Dogmatismus geworden.
Einen Augenblick, Frau Kollegin. Darf ich diejenigen, die nicht an der Debatte teilnehmen wollen, zum Beispiel Frau Matthäus-Maier und andere, bitten, ihre Gespräche nach außen zu verlegen. Wir unterbrechen einen Augenblick. - Bitte fahren Sie fort.
Danke. - Die Bundesbank ist verpflichtet, unter Wahrung ihrer Aufgabe, die Wirtschaftspolitik dieser Bundesregierung zu unterstützen. Deshalb muß man doch gerade in Zeiten der Globalisierung fragen, wieviel Überbewertung der eigenen Währung eine Volkswirtschaft verkraften kann und wie die Stabilität in den Beziehungen zu anderen Währungen, zum Beispiel zum Dollar, zu gewährleisten ist.
Das hat, Herr Waigel - er ist schon nicht mehr da -,
- gut, vielen Dank - nichts mit platter Gleichsetzung von Inflation mit Arbeitsplätzen zu tun, damit ich hier nicht gezielt falsch verstanden werde. Es hat aber damit zu tun, daß manche ältere Herren liebgewordene Überzeugungen und Sicherheiten überprüfen müssen.
Es hat damit zu tun, daß sich diese Bundesregierung ihre Berater deutlich kritischer ansehen sollte. Es hat damit zu tun, daß dieser Bundesregierung eine Auseinandersetzung mit den im übrigen Europa vertretenen Meinungen durchaus gut täte.
Gemeinsames Europa heißt doch auch Annäherung der Standpunkte, es heißt auch, lernen, aus der Sicht der anderen zu sehen, und - was uns in Deutschland sicher am schwersten fällt - heißt auch, ein gewisses Vertrauen zu entwickeln, daß Probleme, die in der Zukunft unvermeidlich auftreten werden, auch gemeinsam gelöst werden können.
Kristin Heyne
Über die Fixierung auf die Stabilitätsalgebra ist die zweite Hälfte der Wirtschafts- und Währungsunion, die Koordinierung der Wirtschaftspolitik, sträflich vernachlässigt worden. Die Chancen einer gemeinsamen Beschäftigungspolitik sind nicht genutzt worden, und die dringliche Herausforderung, eine zukunftsfähige Wirtschaftsweise zu entwickeln, wurde nicht angenommen. Die hektischen Aktivitäten zur bestmöglichen Absicherung zukünftiger Währungsstabilität auf der einen Seite und das untätige Abwarten in der Frage der Zukunftsfähigkeit der Wirtschaft auf der anderen Seite sind unter volkswirtschaftlichen und auch unter rein monetären Gesichtspunkten nicht zu verstehen.
Durch den ungebremsten Verbrauch nicht erneuerbarer Rohstoffe und durch die Belastungen von Boden, Wasser, Luft und Klima über das verkraftbare Maß hinaus wird das volkswirtschaftliche Kapital „Natur" verschleudert. Dadurch wird eine ökologische Verschuldung verursacht, die sich durch die immensen Folgekosten auch monetär auswirken wird. Die immer noch übliche volkswirtschaftliche Gesamtrechnung beschreibt die Realität nicht mehr hinreichend. Sie verschweigt ökologische Verschuldung und ist ungeeignet, die Zukunftsdimension zu erfassen. Die Stabilitätskriterien und der Stabilitätspakt, die sich ausschließlich am Bruttoinlandsprodukt orientieren, entfernen sich zunehmend von der volkswirtschaftlichen Realität. Sie müssen dringend durch einen Pakt für zukunftsfähiges Wirtschaften ergänzt werden.
Das Statistische Bundesamt erfaßt seit einigen Jahren in der umweltökologischen Gesamtrechnung, wie mit dem Produktionsfaktor Natur umgegangen wird. Es hat dazu inzwischen umfangreiches Material erarbeitet. Auf dieser Grundlage können Zielwerte für eine umweltverträgliche Wirtschaftsweise formuliert werden.
In unserem Antrag für einen Europäischen Pakt für zukunftsfähiges Wirtschaften schlagen wir vor, die angestrebten Zielwerte, zum Beispiel für den Energieverbrauch oder die CO2-Erzeugung, pro Kopf der Bevölkerung festzulegen. Das hätte zur Folge, daß technologisch weit entwickelte Länder eher hohe Ausgangswerte hätten - bedingt unter anderem durch den hohen Lebensstandard - und daß sie dadurch höhere Anpassungsleistungen zu erbringen hätten. Genau das ist auch erwünscht, denn gerade diese Länder sind auf Grund ihrer weit fortgeschrittenen technologischen Entwicklung in der Lage und in der Pflicht, Produktionsweisen und Lebensformen zu entwickeln, die auch weltweit eingesetzt zu verkraften sind.
Ein solcher Pakt würde außerdem einen Innovationsschub für zukünftig gefragte Produkte auslösen und dauerhaft Beschäftigung schaffen. Wir erwarten, daß ein Pakt für zukunftsfähiges Wirtschaften mit demselben Ernst und derselben Konsequenz wie der Konvergenzprozeß zur gemeinsamen Währung gestaltet wird.
Den blumigen Vertragskapiteln und den Fensterreden auf internationalen Konferenzen muß endlich eine konkrete und verbindliche Politik folgen.
Ich gebe das Wort der Abgeordneten Sabine Leutheusser-Schnarrenberger.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! „Ach Europa! " Das war der poetische Seufzer, mit dem Hans Magnus Enzensberger vor Jahren seine Eindrücke zusammenfaßte, die er auf Reisen durch mehrere Länder Europas gewonnen hatte. Ist sie denn auch heute, am Vortag eines sehr wichtigen Gipfels auf dem Weg zu einer europäischen politischen Union, noch berechtigt, die in diesem Seufzer des Literaten neben aller Hoffnung unüberhörbar mitschwingende Skepsis, was die Chancen des europäischen Einigungsprozesses betrifft? Ich glaube, daß das nicht der Fall ist.
Die Chancen, bald auch jene Schritte gehen zu können, die den Weg in die politische Union Europas unumkehrbar machen, sind gut. Sie sind gut bei realistischer Betrachtungsweise der derzeitig vorliegenden Beratungsgrundlagen. Es ist nicht gut, wenn von manchen versucht wird, diese guten Ansätze kleinzumachen und zu zerreden.
Wir dürfen aber auch nicht die Ergebnisse der in letzter Zeit gehäuft publizierten Umfragen zur Einstellung der Bürgerinnen und Bürger zu Europa außer acht lassen. Fast 90 Prozent der Bundesbürger besetzen den Begriff Europa positiv. Das ist also etwas, was wir betonen müssen, was wir in den Vordergrund stellen müssen. Aber leider nimmt seit einiger Zeit die Zahl derjenigen zu, die dem weiteren europäischen Integrationsprozeß mit Sorgen und Befürchtungen entgegensehen. Die Herausforderung an uns Politiker ist, dieser Haltung gute Argumente, Aufklärung, aber auch den realistischen Weg zur Vision eines vereinten Europa entgegenzusetzen.
Haben wir es in der Vergangenheit vielleicht allzusehr vernachlässigt, über jenes Europa zu reden, das der Präsident der Tschechischen Republik, Václav Havel, als den Raum des gemeinsam geteilten Schicksals, der gemeinsamen komplizierten Geschichte - was heute hier auch einmal betont werden sollte, da ein langer Prozeß jetzt mit einer deutschtschechischen Erklärung endlich zu Ende geht -, der gemeinsam geteilten Werte und der gemeinsam gelebten Kultur bezeichnet? Haben wir vielleicht nicht eindringlich genug die historische Dimension des europäischen Einigungsprozesses und seine friedenssichernde Funktion betont? Haben wir vielleicht etwas leichtsinnig jenen rückwärtsgewandten Kräften das publizistische Feld überlassen, die den Vereinigungsprozeß als Ausverkauf nationaler, also deut-
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger
scher, Interessen denunzieren, die mit populistischen Schlagworten die Ängste der Bürgerinnen und Bürger schüren, um sie dann anschließend zur Durchsetzung ihrer kleinkarierten, renationalisierenden Politikvorstellungen mißbrauchen zu können? Oder ist es nicht einfach so, daß jetzt der europäische Prozeß in ein Stadium getreten ist, das über die allgemeinpolitischen Bekenntnisse hinaus konkrete, die Menschen unmittelbar betreffende, politisch schwierige, auch natürlich strittige Entscheidungen erfordert, die eben bei Bürgerinnen und Bürgern zu Ängsten und Verunsicherungen führen können?
Ich glaube, all diese Gründe sind wirklich dazu angetan, uns Politiker - ich will das gleich an Hand ganz konkreter Punkte tun - zu fordern, die positive Perspektive Europa immer wieder deutlich zu machen. Denn eines ist doch wohl für uns klar: Die historisch einmalige Chance der europäischen Vereinigung muß nach Jahrhunderten des innereuropäischen Hasses und Zwistes herausgestellt werden. Es muß einsichtiger werden, daß wir ein Europa für alle Bürger wollen.
Die europäischen Entscheidungsprozesse müssen bürgernäher und demokratischer, ihre Einsehbarkeit und Durchschaubarkeit erhöht und die rechtlichen und institutionellen Strukturen vereinfacht werden. Denn kaum ein Mensch, der sich nicht hier im Parlament oder im Ausschuß damit beschäftigt, kann es verstehen und nachvollziehen, daß wir über Vergemeinschaftung, Rechtssetzung und Mitentscheidung reden, daß es aber immer um die Rechte der Bürgerinnen und Bürger geht. Ein Europa ohne Grenzen muß eben ein Europa der Menschenrechte, der Rechtsstaatlichkeit und der inneren Sicherheit sein. Das sagen wir heute nicht das erste Mal. Das haben wir letztes Jahr auf Antrag der Koalitionsfraktionen hier im Bundestag beschlossen.
Die als Beratungsgrundlage der Dubliner Vorbereitungskonferenz unter der irischen Präsidentschaft erarbeiteten Dokumente sowie die deutsch-französische Initiative zeigen auch diesen Weg noch weiter positiv auf. Es wird dort zu Recht festgestellt, daß der bisherigen Zusammenarbeit im Bereich Innen- und Justizpolitik die Schwungkraft, die Konsistenz und die Kohärenz fehlt. Deshalb soll die gemeinsame Handlungsfähigkeit gegen international operierende Kriminalität und gegen so scheußliche Verbrechen wie Menschenhandel, sexuelle Ausbeutung, Terrorismus und Rauschgifthandel, aber auch gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit entscheidend verbessert werden.
Neben der kriminologischen Informationsfunktion soll Europol mit operativen Befugnissen ausgestattet werden. Das ist das Ziel. Wir wissen heute noch nicht, ob es erreicht werden kann. Aber es ist ein Fortschritt, daß erstmals diese Texte als Grundlage der Beratungen so formuliert werden und auch Zwischenschritte hin zu diesem Ziel aufgezeigt und umschrieben werden, nämlich Europol in die Lage zu versetzen, die Vorbereitung ganz spezifischer Kooperationsmaßnahmen der Justiz-, Polizei und Zollbehörden der Mitgliedstaaten, einschließlich operativer Aktionen gemeinsamer Teams, zu erleichtern und zu unterstützen. Denn dieses langfristige Ziel kann nur durch vertraglich festgelegte Fristen stufenweise erreicht werden. Ich bewerte es als Fortschritt, daß man diesen Weg jetzt bei der Änderung des Vertrages gehen will.
Ich hebe aber auch hervor, daß die Ausübung der operativen Befugnisse mit der effektiven parlamentarischen Kontrolle, mit der vollen Berücksichtigung des Datenschutzes, wie auch in Schengen, natürlich auch mit der Gott sei Dank jetzt erfolgreich verankerten Kompetenz des Europäischen Gerichtshofs einhergehen muß. Denn das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger bekommen wir nicht allein mit einem einseitigen Ausbau polizeilich-hoheitlicher Befugnisse, sondern nur mit einer parallel dazu einhergehenden Stärkung ihrer Rechte als Unionsbürger in einem Europa ohne Grenzen.
Es ist weiter zu begrüßen, daß die enge Zusammenarbeit in den Bereichen Außengrenzregelung, Asyl, Einwanderung und Zollzusammenarbeit sowie auch zu bestimmten Aspekten der Drogenpolitik vorgeschlagen wird. 84 Prozent der Bürger fordern eine europäische Drogenpolitik. Wir sollten hier frei von Tabus verhandeln. Wir dürfen nicht einseitig ein Land an den Pranger stellen, sondern müssen versuchen, die sehr unterschiedlichen Interessen zu einer erfolgreichen Drogenpolitik zusammenzuführen. Es ist gut, daß dazu hier jetzt einmal der Grundstein gelegt worden ist.
Dazu gehört aber auch die beabsichtigte Einleitung eines natürlich langfristigen Prozesses der Harmonisierung strafrechtlicher Bestimmungen. Wir wollen kein einheitliches europäisches Strafrecht. Wir wollen aber, daß in den Mitgliedstaaten das Strafrecht in seinen Unwerturteilen und Mindeststandards angepaßt und harmonisiert wird, daß es keine Lücken gibt, sei es für Steuerflucht, sei es für fremdenfeindliche Beschimpfungen und andere Delikte mehr.
Die vorgesehene Anwendung gemeinschaftlicher Verfahren, die wir bisher nur im ersten Pfeiler des Vertrages haben, auch im dritten Pfeiler, also in der Innen- und Justizzusammenarbeit, bedeutet zunächst einmal auch die Verankerung der obligatorischen Rolle des Europäischen Gerichtshofs und der Beteiligung des Europäischen Parlamentes. Es bedeutet aber auch, daß wir mit der Einführung neuer Rechtsinstrumente, zum Beispiel einer Art Richtlinie, wie wir sie jetzt in der ersten Säule kennen, und natürlich auch mit mehr Mehrheitsabstimmungen im Rat zu einer viel besseren Entscheidungsfindung und zu besseren Ergebnissen kommen und daß wir damit das ganz langfristige und langwierige Instrument der Konventionen, die ratifizierungsbedürftig sind, teilweise ersetzen können. Das ist ein Schritt hin zu einem bürgernäheren Europa, in dem sich die Men-
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger
schen sicher fühlen, in dem aber auch ihre Rechte gewahrt werden.
Lassen Sie mich zum Schluß etwas dazu sagen, was im Vertrag und auch in den bisherigen Entwürfen noch nicht ausreichend verankert ist. Es fehlt die Perspektive eines eigenen Grundrechtekatalogs. Das Diskriminierungsverbot sowie die Förderung der Gleichstellung von Frauen und Männern sind enthalten. Es fehlt aber die Perspektive dieses Katalogs, den wir auf dem Weg zu einem integrierten vereinigten Europa wollen.
Wir begrüßen, daß im Vertragstext die Rolle des Europäischen Parlaments anerkannt wird, daß sie zentral ist und daß die Absicht bekundet wird, dem Parlament als Mitgesetzgeber weitgehende Funktionen einzuräumen. Wir fordern die Bundesregierung aber auf, alles zu tun, dies auch deutlich vertraglich zu verankern und festzuschreiben.
Denn nur mit dieser Demokratisierung des europäischen Prozesses, der nicht von nationalen Parlamenten und Ausschüssen vorangetrieben werden kann, wird die Akzeptanz Europas durch die Bürgerinnen und Bürger erreicht werden können. Sie wollen ein gleichberechtigtes Nebeneinander von Rat und Parlament. Auch das müssen wir bei den Beratungen in Dublin mit gestalten.
Fazit: Nicht Kleinmut und Stillstand, aber auch nicht Ungeduld und Übereifer sind jetzt angebracht, sondern eine wirklich realistische Politik, die das visionäre Ziel des vereinigten Europas fest im Auge behält. Die F.D.P.-Bundestagsfraktion wird jedenfalls die einmalige historische Chance und Dimension des vereinigten Europas zu ihrem Ziel machen. Sie wird sich den Weg dorthin weder durch kleinmütig ängstliche noch durch renationalistische Kräfte verbauen lassen.
Vielen Dank.
Ich gebe dem Abgeordneten Professor Jürgen Meyer das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir sollten auch in der europäischen Rechts- und Innenpolitik gemeinsam darauf achten, daß sie nicht mehr und mehr zu einem Bereich vollmundiger Ankündigungen und verpaßter Chancen wird. Wir übersehen nicht, daß es auch Fortschritte gibt. Die Kollegin Leutheusser-Schnarrenberger hat einige genannt. Aus unserer Sicht gehört dazu auch das Übereinkommen zum Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften, das hoffentlich bald ratifiziert werden wird. Die durch Subventionsbetrügereien entstehenden Milliardenverluste zu Lasten
der Steuerzahler müssen endlich in allen Mitgliedstaaten wirksam bekämpft werden.
Ich will in der mir zur Verfügung stehenden Zeit aber auch zwei Beispiele für - bisher jedenfalls - unzureichend genutzte Chancen nennen.
Erstens: die europäische Grundrechtscharta. Sie ist nach unserer Überzeugung eine Vision, die deutlich macht, daß sich Europa von einer Wirtschaftsgemeinschaft zu einer Wertegemeinschaft entwickelt hat und weiterentwickeln muß. Wir haben dieses Projekt in der Bundestagsdebatte im Juni 1995 vorgestellt. Bekanntlich hat sich der Bundestag unserer Forderung durch Beschluß vom 7. Dezember 1995 angeschlossen, und Rudolf Scharping hat sie heute in seiner Rede erneuert.
Was ist bisher daraus geworden? Bundeskanzler Kohl hat dieses Projekt in seiner langen Rede nicht einmal erwähnt. Natürlich kann im Rahmen einer Regierungskonferenz keine vollständige Grundrechtscharta erarbeitet werden. Daher fordern wir erneut, einen entsprechenden Auftrag im EU-Vertrag zu verankern, der vom Europäischen Parlament in Zusammenwirkung mit den nationalen Parlamenten in den nächsten Jahren erfüllt werden sollte. Diese Forderung gilt für uns.
Geradezu bestürzend ist, was dem Bundeskanzler zum Thema Grundrechte, und zwar zu ihrem Abbau, in seinem Brief vom 9. Dezember 1996 an den Ministerpräsidenten der Republik Irland eingefallen ist. Ich zitiere:
Ferner hielten wir es für richtig, wenn die Regierungskonferenz anerkennen würde, daß der demokratische Charakter unserer Gesellschaften und ihre gemeinsame Verpflichtung auf die Menschenrechte nicht länger dazu führen darf, daß das Recht auf politisches Asyl zwischen Mitgliedstaaten wirksam in Anspruch genommen wird.
Soll demnach das Grundrecht auf Asyl, soweit es in Art. 16 a Abs. 1 des Grundgesetzes erhalten geblieben ist, im Verhältnis der Mitgliedstaaten der Union ganz entfallen? Nach unserer Überzeugung bedarf es dazu einer Verfassungsänderung, für die Sie jedenfalls nicht mit unserer Zustimmung rechnen können.
Zweites Beispiel für wenig überzeugende Politik: Wie Sie wissen, verlangen wir Sozialdemokraten seit langem, daß Europol operative Befugnisse erhalten sollte. Davon sind wir aber noch weit entfernt. In einem Lagebericht von Jürgen Storbeck, kommissarischer Leiter von Europol, heißt es ausweislich eines Berichtes vom letzten Montag in einem Nachrichtenmagazin, das der Bundeskanzler angeblich nicht liest - ich zitiere -:
Dr. Jürgen Meyer
Internationale Ermittlungen gegen weltweit oder europaweit agierende Organisationen finden nicht statt. Erfolge wurden gegen solche kriminellen Organisationen als Ganzes oder ihre Chefs trotz aller Erfolgsmeldungen praktisch nie erzielt.
Offenbar hat sich nunmehr auch im Kanzleramt herumgesprochen, daß von einem europäischen FBI, wie es der Bundeskanzler gelegentlich beschworen hat, keine Rede sein kann. Wir wollen operative Befugnisse für Europol. Aber leider streiten nun Justiz- und Innenministerium heftig darüber, wie die zweifellos wünschenswerte Kooperation von Europol und nationalen Polizeien aussehen soll.
Selbstverständlich sind wir der Überzeugung, daß die demokratische Kontrolle von Europol dringend notwendig ist. Aber ein entscheidender Punkt für uns ist, daß ausweislich auch des Briefes des Bundeskanzlers an die irische Präsidentschaft bisher eine wichtige Frage bei der Bekämpfung der organisierten Kriminalität nicht ausreichend gesehen wird: die Gewinnabschöpfung. Verbrechen dürfen sich nicht lohnen! Nur so kann die auf verbrecherischem Gewinnstreben beruhende Kriminalität wirkungsvoll bekämpft werden, und zwar weit wirkungsvoller als durch alle anderen Instrumente. Gehen Sie endlich auf unsere Vorschläge ein, und sorgen Sie dafür, daß wir gemeinsam neue Instrumente der Gewinnabschöpfung entwickeln und diese auf dem Weg über eine wirksame Rechtshilfe in Europa auch tatsächlich anwenden.
Was wir uns auch in der europäischen Rechts- und Innenpolitik nicht leisten können, ist Europamüdigkeit; denn der Frieden und eine gute Zukunft für Europa können nur durch einen europäischen Rechts- und Sozialstaat gesichert werden, den wir gemeinsam aufbauen müssen.
Ich danke Ihnen.
Ich gebe dem Abgeordneten Hermann Gröhe das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Neben der Bewahrung der inneren Sicherheit durch verstärkte Handlungsfähigkeit der Europäischen Union erwarten die Bürgerinnen und Bürger zu Recht, daß wir auch in der Außenpolitik zu einer in sich stimmigen, handlungsfähigen und klar erkennbaren Politik kommen.
Gerade die Entwicklung im ehemaligen Jugoslawien und der grausame Krieg in Bosnien haben die Unfähigkeit der Europäer, einem solchen Konflikt mitten in Europa wirksam zu begegnen, gezeigt, wenn sie nicht zu einheitlichem einigen Handeln finden.
Dabei wird in der Außenpolitik zugleich zweierlei deutlich: erstens die Notwendigkeit, daß die Mitgliedstaaten der Europäischen Union zu mehr Gemeinsamkeit in der politischen Bewertung wie auch im politischen Handeln finden, aber zweitens auch die Notwendigkeit - bei den jetzt anstehenden Fragen geht es um den Kernbereich staatlicher Souveränität - der Bewahrung des inneren und äußeren Friedens.
Hier löst jede weitere Europäisierung der Politik gerade dann, wenn es konkret wird, Widerstände aus, jedenfalls bei allen Anhängern einer sehr traditionellen Vorstellung von nationalstaatlicher Souveränität. Dabei machen die vielen Herausforderungen, die vor uns liegen, etwa die vielfältigen Instabilitäten in der südlichen und östlichen Peripherie der Union, deutlich, daß nationalstaatliche Außenpolitik dringend der europäischen Ergänzung bedarf, soll die Handlungsfähigkeit nicht auf der Strecke bleiben.
Ja, es ist nicht übertrieben zu sagen: Die in der Europäischen Union zusammengeschlossenen Völker werden ihre Freiheit, ihren Frieden, ihren Wohlstand und ihre Bedeutung nur erhalten können, wenn sie ihre Kräfte wirkungsvoller bündeln. Die Europäische Union verträgt es eben auf Dauer nicht, wenn ihre Mitgliedstaaten in der Außenpolitik aneinander vorbei, im schlimmsten Fall gar gegeneinander arbeiten. Deshalb bedarf es einer Ergänzung des EU- Vertrages um eine klare politische Solidaritätsklausel, in der der Wille zum Ausdruck kommt, die gegenseitige Solidarität zu stärken.
Außerdem brauchen wir die kontinuierliche gemeinsame Analyse politischer Entwicklungen und die Erarbeitung gemeinsamer Handlungsvorschläge. Deshalb ist es so wichtig, daß sich jetzt im Hinblick auf die von uns immer wieder geforderte Planungs- und Analyseeinheit ein Konsens in der Europäischen Union abzeichnet Notwendig ist dabei eine enge Verzahnung mit der Kommission. Nur so kann die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik mit der Außenhandels- und der Entwicklungspolitik der Europäischen Union in der Weise verzahnt werden, wie es eine umfassende Außenpolitik aus einem Guß erforderlich macht.
Notwendig ist neben der gemeinsamen Analyse eine Stärkung der außenpolitischen Handlungsfähigkeit der Europäischen Union.
Wir halten fest: Gerade vor dem Hintergrund der Erweiterung der Europäischen Union ist es das Ziel, in allen Fragen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik, die keine militärischen Auswirkungen haben, mit qualifizierter Mehrheit zu entscheiden.
Angesichts der vielfältigen Bedenken gegen Mehrheitsentscheidungen gerade in diesem Bereich begrüßen wir ausdrücklich die Gemeinsame Erklärung des französischen Präsidenten Chirac und von Bundeskanzler Helmut Kohl, wonach in Bereichen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik verstärkt auf Mehrheitsentscheidungen zurückgegriffen werden soll, als wichtigen Schritt zur Erreichung dieses Ziels.
Hermann Gröhe
Im Europäischen Rat soll bei Grundsatzentscheidungen des Rates und bei Entscheidungen in den Bereichen der Sicherheits- und Verteidigungspolitik verstärkt auf das Prinzip der konstruktiven Enthaltung zurückgegriffen werden, ohne daß dadurch eine Beschlußfassung verhindert wird. Die deutschfranzösische Initiative geht damit zu Recht deutlich über die Vorstellung der irischen Präsidentschaft hinaus, den Mitgliedstaaten in allen Bereichen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik ein Vetorecht unter Berufung auf ein vitales nationales Interesse einzuräumen. Dies ist gut so; denn ein solches Vetorecht würde die Konsensfindungsmöglichkeit und letztlich die Handlungsfähigkeit insgesamt schwächen.
Zur Stärkung der Handlungsfähigkeit bei der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union gehört auch die bereits im Maastrichter Vertrag verankerte Festlegung einer gemeinsamen europäischen Verteidigungspolitik und schließlich einer gemeinsamen europäischen Verteidigung. Daher halten wir ausdrücklich am Ziel einer Integration der WEU in die Europäische Union fest. Wir wissen, daß dieser Verwirklichung im umfassenden Sinne heute vor allem unterschiedliche Mitgliedskreise entgegenstehen. Geboten sind aber schon jetzt die Verankerung der sogenannten Petersberg-Aufgaben der WEU im Vertrag der Europäischen Union, die Leitlinienkompetenz des Europäischen Rates der WEU gegenüber und ein deutlich fixierter Zeitplan mit klaren Zieldaten für bestimmte weitere Integrationsschritte.
Schließlich ist eine klare Erkennbarkeit der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union erforderlich. Wir brauchen - mit den Worten von Henry Kissinger - für die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik eine „Telefonnummer" , brauchen „Gesicht und Stimme". Die hier gemachten Vorschläge - ich meine den Generalsekretär des Rates, die Schaffung einer neuen, spezifischen Funktion, für die eine Persönlichkeit zu berufen wäre -, aber auch Vorschläge, die auf eine Neugestaltung der Troika zielen, bestehend aus diesem Verantwortlichen für die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik, der Präsidentschaft und der Kommission, müssen sich an dieser Frage einer klaren Erkennbarkeit und kontinuierlichen Außenvertretung der Europäischen Union messen lassen.
Es geht bei der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik nicht nur um Verfahren und Institutionen. Wir müssen uns der kritischen Frage stellen, ob es bereits in ausreichendem Maße das Bewußtsein gemeinsamer Interessen in der Europäischen Union gibt. Denn gewiß setzt das Funktionieren aller Verfahren und Institutionen ein solches Bewußtsein voraus. Richtig ist aber auch: Das Bewußtsein gemeinsamer Interessen wächst mit gemeinsamen politischen Erfolgen. So kann eine kohärente, effiziente und klarer erkennbare Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik, die einen wirksameren Beitrag zum Schutz der Mitgliedstaaten leistet und den Frieden in Europa sichert, unverzichtbarer Faktor einer EU-
Identität werden, eine starke Quelle von Zustimmung auch in der Bevölkerung sein und einen Beitrag zur europäischen Selbstvergewisserung und zur Legitimität der Union leisten. Daran arbeiten wir.
Vielen Dank.
Ich gebe das Wort dem Abgeordneten Hanns-Peter Hartmann.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Während der bisherigen Debatte zur Europapolitik war sehr oft von Stabilität die Rede. Gemeint war vorwiegend Geldwertstabilität. Obwohl ich das für notwendig halte, habe ich das Gefühl, daß die Forderung nach Preisstabilität zunehmend zu einem Fetisch wird. Mit Ausnahme einiger südeuropäischer Mitgliedstaaten haben alle anderen EU-Mitglieder dank großer Anstrengungen damit kein Problem mehr.
Deshalb ist es notwendig, der eigentlichen Gefahr für Stabilität in Europa zu begegnen: Das ist die Massenarbeitslosigkeit.
Mehr als 18 Millionen Menschen sind allein in den 15 EU-Staaten offiziell als arbeitslos registriert. Das europäische Netzwerk der Arbeitslosen geht davon aus, daß mehr als 27 Millionen Arbeitsplätze in der Europäischen Union fehlen; Tendenz steigend.
Man stelle sich dies einmal vor: 27 Millionen Menschen, die arbeiten wollen, aber nicht dürfen, die sich - oft ohne Hoffnung auf Erfolg - Woche für Woche beim Arbeitsamt melden, auf Annoncen schreiben, die häufig allein für die Versorgung von Familien aufkommen müssen, die mit ansehen müssen, daß sie ihren Kindern nicht das bieten können, was sie gerne wollen - um dann auch noch als arbeitsunwillig abgestempelt zu werden.
Gleichzeitig fehlen die Steuern und Abgaben dieser 27 Millionen Arbeitslosen in den Kassen der Staaten für die Arbeitslosen-, Renten- und Krankenversicherung. Das führt zunehmend zu Kürzungen der Sozialleistungen zu einem Zeitpunkt, wo sie am dringendsten gebraucht werden. Ganz zu schweigen davon, daß die fehlende Binnennachfrage ihr übriges tut. Noch höhere Arbeitslosigkeit ist die Folge.
Dabei wissen wir in bezug auf die mittel- und osteuropäischen Staaten überhaupt nicht, wie viele Menschen dort ohne Arbeitsplatz und ohne materielle Sicherung sind. Diese Menschen gehören genauso zu Europa; erst recht, wenn es um Stabilität geht.
Ich kann nicht verstehen, daß dieses gravierende Problem der Massenarbeitslosigkeit nicht den Hauptschwerpunkt des Europäischen Rates in Dublin bildet. Es geht doch nicht an, daß man sich jedes Jahr im Dezember einen Bericht über die Beschäftigung
Hanns-Peter Hartmann
in der EU vorlegen läßt - besser müßte man sagen: über die Nichtbeschäftigung - und dann das Thema wieder für ein Jahr abhakt.
Wenn es um die Währungsunion geht, feilscht man um Zehntelprozente. Daß aber Massenarbeitslosigkeit in diesen Dimensionen die demokratische und soziale Stabilität Europas in einem weit höheren Grade gefährdet und letztlich auch die Anstrengungen zur Geldwertstabilität zunichte macht, scheint der Regierung nicht bewußt zu sein. Anders kann man ihr hartnäckiges Sträuben gegen die Gewährung von Kompetenzen für die Europäische Union auf dem Gebiet der Beschäftigungspolitik und gegen europäische Beschäftigungsprogramme nicht verstehen. Das Argument der Regierung, daß Arbeitslosigkeit nationale Ursachen habe, die auch im nationalen Rahmen bekämpft werden müßten, kann ich nicht nachvollziehen. Gerade die Tatsache, daß die Ursachen der Arbeitslosigkeit in den EU-Ländern vorwiegend struktureller Natur sind und daß die bisherigen Anstrengungen im nationalen Rahmen keinen Erfolg hatten, macht eine gemeinsame europäische Beschäftigungspolitik notwendig.
Ich wünschte mir, daß Sie sich zumindest mit der gleichen Intensität und Leidenschaft, mit der Sie die Währungsunion und den Stabilitätspakt vorantreiben, der Bekämpfung der Massenarbeitslosigkeit in der Bundesrepublik und in Europa annehmen würden. Wenn für Sie die Erreichung von Beschäftigungskriterien - ein solches ist die Halbierung der Arbeitslosenzahlen - den gleichen Stellenwert wie die Erreichung der Konvergenzkriterien hätte, wäre dies ein Zeichen für die Menschen, daß die Europäische Union doch noch zu einem sozialen Europa und damit auch zu einem demokratischen und friedlichen Europa entwickelt werden könnte.
Danke.
Nun gebe ich das Wort dem Abgeordneten Dr. Gerd Müller.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vor genau zehn Jahren hatten wir hier in Deutschland die Debatte um die Stationierung der Mittelstreckenraketen. Heute bereitet sich die Europäische Union auf die Aufnahme der mittel- und osteuropäischen Staaten vor.
Bundeskanzler Helmut Kohl hat in seiner Regierungserklärung auf die großen Erfolge in den letzten 40 Jahren hingewiesen. Ich möchte jetzt nur über die letzten zehn Jahre reflektieren. Seit 1987 wurden die Verwirklichung des Binnenmarktes erreicht, der Weg zur Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion vorbereitet, der Beitritt von Finnland, Schweden und Österreich vollzogen, die deutsche Wiedervereinigung und die Integration in die Europäische Union umgesetzt.
Bundeskanzler Helmut Kohl und Bundesfinanzminister Theo Waigel sind die tragenden Kräfte dieser europäischen Politik. Wir sind stolz auf diese Leistungen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, heute wurde die Beschäftigungspolitik immer wieder zum Thema gemacht. Ich möchte sie nicht zum Schwerpunkt machen, aber aktuell darauf eingehen und ein paar Aussagen machen, weil der Kollege von der PDS und auch Ministerpräsident Lafontaine sie in den Mittelpunkt ihrer Reden gestellt haben.
Ich habe vorhin gedacht: Herr Lafontaine hat im Kürschner und nicht im EG-Vertrag gelesen. Denn vieles, was Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, auf europäischer Ebene fordern, können Sie in Titel V Art. 85 bis 99 des EG-Vertrages nachlesen. Europäische Beschäftigungspolitik, die Koordinierung der nationalen Wirtschafts- und Finanzpolitiken, findet längst statt. Der europäische Binnenmarkt und die Wirtschafts- und Währungsunion - das sind unsere Antworten auf die Globalisierung und Internationalisierung der Wirtschaftsbeziehungen.
Wenn Sie die Artikel nachlesen, dann stellen Sie fest, daß von der Steuerharmonisierung bis zum europäischen Betriebsrätestatut, von der Freizügigkeit über das Niederlassungsrecht und das Wettbewerbsrecht bis zu den steuerlichen Vorschriften alles längst Inhalt europäischer Politik und Gesetzgebung ist. Ich kann daraus nur den Schluß ziehen, daß Sie und Ihr Ministerpräsident Lafontaine den Vertrag noch nie ernsthaft gelesen haben.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, immer wird mit der Durchschnittsarbeitslosigkeit in Europa argumentiert. Ich schaue mir die Arbeitslosigkeit in Deutschland an: Nummer eins der westdeutschen Länder: Saarland, Nummer zwei: Niedersachsen, Nummer drei: Nordrhein-Westfalen, Nummer vier: Hamburg. Es würde in Deutschland wesentlich besser aussehen, wenn wir diese Länder nicht hätten oder wenn sie sich auf dem Niveau der Unionsgeführten Länder bewegten.
Der alternative Nobelpreis wird Herrn Ministerpräsidenten Lafontaine für diese Leistung sicher nicht verliehen, auch nicht der Präsidentenhut der Sozialistischen Internationale. Denn wenn wir uns die europäischen Zahlen anschauen, dann fällt auf, daß die größten strukturellen Probleme im Bereich der Arbeitslosigkeit gerade in den europäischen Staaten vorhanden sind, wo Ihre Kollegen und Freunde die Verantwortung getragen haben.
- Das kann ich Ihnen mit Zahlen eindeutig beweisen.
Dr. Gerd Müller
Ich möchte einen weiteren Punkt ansprechen. Ihre Forderungen sind vollkommen realitätsfern. Europäische Beschäftigungspolitik wird auch materiell betrieben. Wenn Sie sich die Verdoppelung und Verdreifachung der Struktur-, Regional- und Kohäsionsfonds der letzten Jahre anschauen, stellen Sie fest, daß europäische Beschäftigungspolitik in diesen Ländern zielführend gemacht wird.
Wenn immer noch mehr und weitergehende Forderungen gestellt werden, muß mir gesagt werden, warum wir im vergangenen Jahr 14 Milliarden DM an die Mitgliedstaaten zurückgegeben haben und in diesem Jahr 15 Milliarden DM von den Staaten, die große Strukturprobleme haben, genau aus den genannten Fonds des EU-Haushalts nicht abgerufen werden konnten. Dies ist doch ein klares Indiz: Geld ist auf der europäischen Ebene genügend da. Die Länder sind aber nicht mal imstande, national die entsprechenden Programme aufzulegen, um das europäische Geld abzurufen.
Ich möchte noch einen Punkt aufgreifen - Bundesfinanzminister Theo Waigel hat darauf hingewiesen -: Steuerharmonisierung. Schaffen Sie die Vermögen-und die Gewerbekapitalsteuer ab. Ich will dies als Allgäuer Abgeordneter sagen. Das Allgäu hat eine Grenze zu Österreich. Letzte Woche ist mir von einem Wirtschaftsansiedlungsinstitut aus Österreich ein Pamphlet, eine Werbebroschüre ins Haus geflattert: „Investieren Sie nicht in Bayern, investieren Sie in Österreich - keine Vermögensteuer, keine Gewerbekapitalsteuer. Hier haben Sie Zukunft. " Das ist die Politik der SPO in Österreich. Hier aber führen Sie einen ideologischen Krieg.
Ich will zu dem zurückkommen, was heute eigentlich Schwerpunkt sein sollte - nicht innenpolitisches Geplänkel, sondern die Frage: Wo sind die Schwerpunkte dieser laufenden Regierungskonferenz? Dazu möchte ich einige zentrale Fragen ansprechen.
Welches Europa wollen wir? Bei zukünftig 20 bis 25 Mitgliedstaaten - von Sizilien bis Skandinavien, von Polen bis Portugal - kommt einer klaren Kompetenzabgrenzung zwischen Europäischer Union und den Mitgliedstaaten eine gehobene Bedeutung zu. Wir wollen ein föderatives Europa. Wir wollen ein Europa, eine Europäische Union, die sich zukünftig stärker auf die Kernkompetenzen konzentriert, beispielsweise in der Außen- und Sicherheitspolitik sowie in der Innen- und Rechtspolitik. In diesen Bereichen wollen wir mehr Handlungsfähigkeit.
Aber die neue Qualität und der Umfang der Zusammenarbeit von 25 Staaten in der EU fordern auch den Mut zu einer Funktionalreform - wenn ich diesen deutschen Begriff verwenden darf - zwischen Ländern, Mitgliedstaaten und der Europäischen Union. Wir können nicht nur eine neue gesetzgeberische Ebene Europa draufsatteln; sondern wir müssen auch an der Basis neue Zuordnungen vornehmen.
Wir wollen auf der einen Seite eine Stärkung der Kernkompetenzen; und wir wollen auf der anderen Seite eine Rückverlagerung von Gemeinschaftskompetenzen und größere Gestaltungsspielräume. Ich nenne als Beispiele - in voller Übereinstimmung mit unserem Fraktionsvorsitzenden, der sich kürzlich in einem Interview dazu geäußert hat - die Agrarpolitik und die Regionalpolitik.
Damit ich nicht falsch verstanden werde: keine Nationalisierung - die Marktordnung muß natürlich bleiben, aber eine Regionalisierung der Einkommenspolitik; denn es kann nicht funktionieren - um Ihnen ein praktisches Beispiel zu nennen -, den Milchpreis vom Allgäu, wo seit sechs Wochen herrlicher Schnee liegt - ich lade Sie ein -, bis nach Andalusien einheitlich zu gestalten.
Ich habe den EU-Haushalt angesprochen. Bundesfinanzminister Waigel verdient unsere Unterstützung. Er hat für den Haushalt 1997 ein Nullwachstum erreicht. Ich habe vorher darauf hingewiesen: In den europäischen Haushalten ist eine Menge Luft, Musik enthalten. Das Geld fließt nicht einmal ab.
Wenn wir über Europa diskutieren, müssen wir auch die Themen der Bürger aufnehmen. Natürlich ist es ein Thema in der Bevölkerung, daß wir zu Hause sparen, harte Sparmaßnahmen durchsetzen müssen, während die Beiträge für die Europäische Union permanent steigen. Seit 1988 hat sich das Gesamthaushaltsvolumen fast verdoppelt. Der deutsche Beitrag hat sich von 1990 bis 1996 fast verdoppelt. Wir können den Finanzminister bei seinem Bemühen nur unterstützen, bereits jetzt in die Vielfalt der Fördertöpfe einzugreifen, die Ausgabendynamik zu begrenzen, was die Europäische Union anbetrifft. Wir müssen in Europa genauso den Sparkurs fahren, wie wir das national vorgeben.
Wie steht es mit Demokratie und Legitimation in Europa? Dies ist ja einer der zentralen Gegenstände der Regierungskonferenz. Ich möchte hier noch etwas weitergehen, weil ich dies in praktischer Erfahrung live miterleben durfte. Ich sage, weder Transparenz der Gesetzgebung noch hinreichende parlamentarische Kontrolle oder die Anwendung der Gewaltenteilung sind derzeit ausreichend verwirklicht. Das Bundesverfassungsgericht hat darauf verwiesen. Bundeskanzler Helmut Kohl hat heute darauf abgestellt, daß sich die Legitimation der europäischen Rechtssetzung in erster Linie aus der Legitimation der nationalen Parlamente, über den Ministerrat und begleitend und ergänzend durch das Europäische Parlament ergibt.
Deshalb müssen die nationalen Parlamente - und darüber müßte Konsens bestehen - aus ihrer Rolle von Gutachterausschüssen europäischer Richtlinienpolitik herauskommen. Wir müssen dies gemeinsam anpacken. Dazu gibt es viele Vorschläge; ich kann sie jetzt im einzelnen nicht ausbreiten. Ich bin für kein zusätzliches Organ, aber für eine Verbesserung
Dr. Gerd Müller
der Zusammenarbeit mit dem Europäischen Parlament.
Es stellt sich auch die Frage, ob wir ein beschränktes Kontroll- und Fragerecht in bezug auf den Ministerrat und die Kommission einführen. Das Europäische Parlament muß in seinen Rechten gestärkt werden. Wenn wir bei der Gesetzgebung ein Mitentscheidungsrecht des Europäischen Parlaments wollen, müssen wir darauf verweisen, daß wesentliche Voraussetzungen heute noch nicht verwirklicht sind. Man kann dies totschweigen, oder man kann es ändern. Ich meine die annähernde Verwirklichung einer proportionalen Sitzverteilung und die Grundlage eines gleichen Wahlrechts.
Ein Wort zur Kommission. Wir wollen im Kräftespiel der Institutionen die Macht der Kommission nicht stärken. Mir haben die Beamten genügend Macht. Ich will mehr Rechte beispielsweise beim Ministerrat. Es ist doch paradox, daß Bundeslandwirtschaftsminister Borchert, der am meisten davon betroffen ist, heute kein Initiativrecht hat. Er muß abwarten, ob die Kommission will oder ob sie nicht will.
Wir unterstützen Bundesinnenminister Kanther und Bundeskanzler Kohl, die Bekämpfung der organisierten Kriminalität zu einer europäischen Schwerpunktaufgabe zu machen. Das ist ein Feld, wo der Bürger in Europa die praktischen Auswirkungen spüren kann und Erfolge sehen will.
Ich komme zum Schluß. Bundeskanzler Kohl hat hier einen neuen Ansatz gewagt, und wir unterstützen ihn. Sollte die Vergemeinschaftung auf diesen Feldern jetzt nicht zu machen sein, müssen wir zunächst den Erfolg in der intergouvernementalen Zusammenarbeit suchen. Die Regierungskonferenz ist insgesamt auf einem guten Weg. Wir sind auf dem richtigen Weg, und wir gehen kraftvoll weiter.
Herzlichen Dank.
Ich gebe das Wort dem Abgeordneten Michael Stübgen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit der Aufnahme der dritten Säule in den Vertrag von Maastricht im Jahre 1992, die die Zusammenarbeit der Staaten der Europäischen Union in den Bereichen Justiz und Inneres beinhaltet, haben sich die EU-Mitgliedstaaten das Ziel gesetzt, auch auf diesem Gebiet eine Harmonisierung ihrer gesetzlichen Regelungen anzustreben und im gemeinsamen Vorgehen das Krebsgeschwür der organisierten Kriminalität besser zu bekämpfen.
Heute, fünf Jahre nach der Unterzeichnung des Maastrichter Vertrages, sind durchaus Erfolge der gemeinsamen Innen- und Justizpolitik festzustellen.
Es gibt aber auch noch erhebliche Defizite. Zum Teil haben sich einige Vertragsbestimmungen als wenig effizient erwiesen, zum anderen sind Erweiterungen der vertraglichen Grundlagen für die Zusammenarbeit in den Bereichen Justiz und Inneres notwendig.
Wie weit die Arbeit der Maastricht-II-Konferenz in diesem Politikbereich vorangeschritten ist, zeigt der Rahmenentwurf der irischen Ratspräsidentschaft zur Revision der Verträge. Die hier vorgeschlagenen Vertragsänderungen zur Vertiefung der Zusammenarbeit in der dritten Säule entsprechen zum allergrößten Teil den Forderungen des Deutschen Bundestages vom Dezember 1995 an die Maastricht-Konferenz. Nun beginnt die schwierige Zeit der Abstimmung über die irischen Vorschläge.
Vor diesem Hintergrund begrüße ich ganz außerordentlich die französisch-deutsche Initiative vom Anfang dieser Woche, mit der auch für den Bereich der sogenannten dritten Säule weitgehende Übereinstimmung erzielt werden konnte.
Es geht im einzelnen um folgende Themen: erstens Freizügigkeit. Damit korrespondieren Fragen der Außengrenzsicherung und europaeinheitlicher Standards beim Zollwesen; zweitens Vereinheitlichung des Asylrechts in der Europäischen Union nach dem Vorbild des Schengener Vertrages, der sich in den letzten Jahren bei dessen Mitgliedern bewährt hat; drittens Vertiefung der intergouvernementalen Zusammenarbeit im dritten Pfeiler mit einer klaren zeitlichen Fixierung auf die Vergemeinschaftung dieser Bereiche; viertens Europol. Auf diesen Punkt möchte ich etwas genauer eingehen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, eines der Kernprobleme in Europa - nach meiner Überzeugung mittlerweile ein existentielles Problem - ist die steigende grenzüberschreitende organisierte Kriminalität. Sie breitet sich nach wie vor, gerade auch unter Ausnutzung der teilweise schon offenen Grenzen, wie ein Krebsgeschwür in Europa aus. Den Nationalstaaten ist es immer weniger möglich, ihrer Verantwortung, die Bürger vor diesen Formen der Kriminalität zu schützen, nachzukommen.
Im Vorschlag der irischen Ratspräsidentschaft wird angestrebt, Art. K des Maastrichter Vertrages in Teilen neu zu fassen und mit erläuternden Artikeln zu versehen, um die Anwendbarkeit zu vereinfachen. Derzeit ist es zum Teil traurige Realität, daß bürokratische Hindernisse bei der Strafverfolgung Schwerverbrecher schützen. So sagte der Bürgermeister von Palermo mit Blick auf die europäische Verbrechensbekämpfung und die Situation der Kriminalität innerhalb der Europäischen Union:
Die europäische kriminelle Union gibt es schon. Das, was noch nicht existiert, ist die europäische Union gegen die Kriminalität.
Es besteht in der Tat ein krasser Widerspruch: Auf der einen Seite wollen wir das Europa der Bürger und der Freizügigkeit, auf der anderen Seite fördert dieses Europa der Freizügigkeit zur Zeit Kriminelle bei ihren Straftaten.
Michael Stübgen
Besonders auf dem Gebiet der Amts- und Rechtshilfe muß eine so enge Koordination erreicht werden, daß eine deutliche Verbesserung für Gerichte, Behörden und Bürger spürbar wird.
Dringend notwendig sind auch gemeinsame Maßnahmen in der polizeilichen Zusammenarbeit und der Koordination und Vereinheitlichung des Zollwesens. Die bisher erzielten Erfolge durch das EDU, die Vorläufer- und Aufbauorganisation von Europol, bei dem Einholen und Austauschen sachdienlicher Informationen sind gut; es muß aber noch eine klare Rechtsgrundlage geschaffen werden. Ziel von Europol sind die Verbesserung der Leistungsfähigkeit und die Zusammenarbeit im Hinblick auf die Verhütung und Bekämpfung von Terrorismus, illegalem Drogenhandel und anderen schwerwiegenden Formen internationaler Kriminalität.
Zunächst sollen folgende Deliktsbereiche in den Aufgabenbereich von Europol fallen: erstens illegaler Drogenhandel, zweitens illegaler Handel mit nuklearen und radioaktiven Substanzen, drittens Schleuserkriminalität, viertens Menschenhandel und fünftens Kraftfahrzeugkriminalität. Eine Erweiterung dieses Katalogs ist per einstimmigen Ratsbeschluß jederzeit möglich. Der Sitz von Europol wird, wie jetzt schon der von EDU, Den Haag sein.
Im einzelnen soll Europol Daten von Personen erfassen, die einer Europol-Straftat verdächtig sind bzw. wegen eines solchen Delikts verurteilt wurden.
- Möglicherweise.
Neben diesem Informationssystem werden - zeitlich begrenzt - Arbeitsdateien zur Analyse durch Europol errichtet. Dabei wird für jedes Analyseobjekt eine eigene Analysegruppe gebildet, die aus Europol-Bediensteten und ausgewählten Verbindungsleuten der Mitgliedstaaten besteht. Damit ist Europol in der Lage, einen entscheidenden Beitrag zur Verbrechensbekämpfung in Europa zu leisten. Der Deutsche Bundestag wird im ersten Halbjahr 1997 die Europol-Konvention ratifizieren.
Die nach der Ratifizierung der Konvention gegebenen Möglichkeiten reichen jedoch noch nicht aus. Zur effizienten Bekämpfung der Schwerkriminalität ist meiner Ansicht nach unbedingt notwendig, Europol auch mit operativen Befugnissen auszustatten. Herr Kollege Meyer, Ihre Ausführungen zum Vorschlag der irischen Ratspräsidentschaft, in diese Richtung zu gehen und Europol mit operativen Befugnissen auszustatten, und Ihre nachfolgende Behauptung, das werde von Teilen der Bundesregierung blockiert, sind falsch.
Die Ausweitung der operativen Befugnisse von Europol ist seit Jahren ein Ziel der Bundesregierung. Das
können Sie jederzeit nachvollziehen, wenn Sie unsere Reden dazu hören. Es ist auch das Ziel des Deutschen Bundestages, wie wir es vor ungefähr einem Jahr als Auftrag an die Maastricht-II-Konferenz beschlossen haben.
Bei der Erweiterung der Befugnisse und der Möglichkeiten von Europol sind die Vorschläge des irischen Ministerpräsidenten John Bruton ein Schritt in die richtige Richtung. Entscheidend ist dabei, daß Europol zukünftig ein eigenes Initiativrecht eingeräumt wird. Zunächst - nach Ratifizierung der Konvention - wird es so sein, daß Europol nur tätig werden kann, wenn von einem Mitgliedstaat angefragt wird. Europol kann also nur reagieren. Nach dem Vorschlag von Bruton soll Europol auch agieren können, das heißt, in die Lage versetzt werden, sich an Polizeidienststellen in den Mitgliedstaaten mit dem Ersuchen zu wenden, Ermittlungen in speziellen Fällen vorzunehmen. Dabei soll die Vorbereitung und Durchführung spezifischer Kooperationsmaßnahmen in den Händen von Europol liegen. Sogar operative Aktionen gemeinsamer Teams auch mit nationalen Verbindungsbeamten sollen möglich werden. Damit bestünde die Möglichkeit, der sich immer weiter entwickelnden modernen Ausstattung und Ausbreitung der organisierten Kriminalität stärker entgegenzuwirken.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Maastricht-Folgekonferenz bietet die Möglichkeit, in Europa einen großen Schritt voranzukommen. Der irische Vorschlag für die künftige Regierungskonferenz zeigt, daß die bisherige Arbeit erfolgreich ist. Wir müssen jetzt nachhaltig, behutsam, ziel- und ergebnisorientiert diesen Weg weitergehen. Ich habe Hoffnung, daß zum Ende der Maastricht-II-Konferenz wirklich Gutes für Europa und seine Bürger herauskommt.
Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
Ich schließe die Aussprache.
Es ist beantragt worden, den Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 13/6492 zur federführenden Beratung an den Ausschuß für die Angelegenheiten der Europäischen Union und zur Mitberatung an den Auswärtigen Ausschuß, den Ausschuß für Wirtschaft, den Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung und an den Verteidigungsausschuß sowie an den Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit zu überweisen. Ist das Haus damit einverstanden? - Dann sind die Überweisungen so beschlossen.
Es wird vorgeschlagen, den Antrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 13/6495 zur federführenden Beratung an den Ausschuß für die Angelegenheiten der Europäischen Union und zur Mitberatung an den Auswärtigen Ausschuß, den Innenausschuß, den Ausschuß für Wirtschaft, den Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung, den Ausschuß für Familie, Senioren, Frauen und Jugend und an den Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit zu überweisen. Gibt es andere Vorschläge? - Das ist nicht
13368 Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 148. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. Dezember 1996
Vizepräsident Hans-Ulrich Klose
I der Fall. Dann sind die Überweisungen so beschlossen.
Interfraktionell wird Überweisung des Antrags der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 13/6490 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Einverstanden? - Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen.
Ich rufe die Tagesordnungspunkte 5 a bis 5j auf:
a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neuregelung des Rechts des Naturschutzes und der Landschaftspflege, zur Umsetzung gemeinschaftsrechtlicher Vorschriften und zur Anpassung anderer Rechtsvorschriften
- Drucksache 13/6441 -
Überweisungsvorschlag:
Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Sportausschuß
Rechtsausschuß
Ausschuß für Wirtschaft
Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Ausschuß für Verkehr
Ausschuß für Post und Telekommunikation
Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau Ausschuß für Fremdenverkehr und Tourismus
b) Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes
- Drucksache 13/4247 -
Überweisungsvorschlag:
Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Rechtsausschuß
Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau Ausschuß für Fremdenverkehr und Tourismus
c) Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes hinsichtlich der Umsetzung der Richtlinie 92/43/ EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen
- Drucksache 13/6442 -
Überweisungsvorschlag:
Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Ausschuß für Wirtschaft
Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau Ausschuß für Fremdenverkehr und Tourismus
d) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
- zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung
- zu dem Entschließungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung
Umwelt 1994
Politik für eine nachhaltige, umweltgerechte Entwicklung
- Drucksachen 12/8451, 13/788, 13/2803 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Wilma Glücklich Marion Caspers-Merk
Dr. Jürgen Rochlitz
Birgit Homburger
e) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung
Umweltgutachten 1996 des Rates von Sachverständigen für Umweltfragen
Zur Umsetzung einer dauerhaft-umweltgerechten Entwicklung
- Drucksache 13/4108 -
Überweisungsvorschlag:
Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Finanzausschuß
Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Ausschuß für Verkehr
Ausschuß für Fremdenverkehr und Tourismus
f) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung
Sondergutachten
„Konzepte einer dauerhaft-umweltgerechten Nutzung ländlicher Räume"
des Rates von Sachverständigen für Umweltfragen
- Drucksache 13/4109 -
Überweisungsvorschlag :
Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau Ausschuß für Fremdenverkehr und Tourismus
g) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung
Bericht der Bundesregierung zum Jahresgutachten 1995
Welt im Wandel: Wege zur Lösung globaler Umweltprobleme
des wissenschaftlichen Beirates der Bundesregierung
Globale Umweltveränderungen
- Drucksache 13/5146 -
Überweisungsvorschlag:
Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau Ausschuß für Bildung, Wissenschaft, Forschung, Technologie und Technikfolgenabschätzung
Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
h) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
- zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung
- zu dem Entschließungsantrag der Fraktion der SPD zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung
Vizepräsident Hans-Ulrich Klose
Bericht der Bundesregierung zur Umsetzung des Übereinkommens über die biologische Vielfalt in der Bundesrepublik Deutschland
- zu dem Antrag der Abgeordneten Marina Steindor, Marieluise Beck , Matthias Berninger, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Übereinkommen über die biologische Vielfalt und Notwendigkeit internationaler Regelungen zum Umgang mit Gen- und Biotechnologie
- Drucksachen 13/2707, 13/2750, 13/2667, 13/5052 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Dr. Norbert Rieder Ulrike Mehl
Vera Lengsfeld
Günther Bredehorn
i) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
- zu der Verordnung der Bundesregierung
Zustimmungsbedürftige Verordnung über die Entsorgung von Altautos und die Anpassung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften
- zu dem Antrag der Abgeordneten Marion Caspers-Merk, Michael Müller , Hermann Bachmaier, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD
Eckpunkte für eine Altautoverordnung
- zu dem Antrag der Abgeordneten Marion Caspers-Merk, Dr. Angelica Schwall-Düren, Michael Müller , weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD
Eckpunkte für eine Altreifenverordnung
- Drucksachen 13/5998, 13/6091 Nr. 2.2, 13/5984, 13/5985, 13/6517 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Steffen Kampeter Marion Caspers-Merk
Dr. Jürgen Rochlitz
Birgit Homburger
j) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit zu der Verordnung der Bundesregierung
Zustimmungsbedürftige Verordnung über die Vermeidung und Verwertung von Verpakkungsabfällen
- Drucksachen 13/5999, 13/6091 Nr. 2.3, 13/ 6518 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Steffen Kampeter
Marion Caspers-Merk
Dr. Jürgen Rochlitz Birgit Homburger
Zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung „Umwelt 1994" liegt je ein Entschließungsantrag der Fraktionen SPD und Bündnis 90/Die Grünen vor. Außerdem liegt ein Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vor.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache zwei Stunden vorgesehen. - Kein Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat die Bundesministerin Angela Merkel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Seit der Konferenz über Umwelt und Entwicklung in Rio im Jahre 1992 ist es Allgemeingut, daß das Leitbild der nachhaltigen Entwicklung die wesentliche Grundlage für unsere Gesellschaft ist. Wir wissen, daß der Naturschutz ganz wesentlich dazu beiträgt, das Leitbild der nachhaltigen Entwicklung in Deutschland umzusetzen und zu verwirklichen. Seine Zielsetzung ist es, Natur und Landschaft in besiedelten und unbesiedelten Regionen so zu schützen, zu pflegen und zu entwickeln, daß die Leistungsfähigkeit des Naturhaushalts, die Nutzungsfähigkeit der Naturgüter, die Pflanzen- und Tierwelt sowie die Vielfalt, Eigenart und Schönheit von Natur und Landschaft als Lebensgrundlage des Menschen und als Voraussetzung für seine Erholung in Natur und Landschaft nachhaltig gesichert sind. So ist es auch in der grundsätzlichen Zielbestimmung des Bundesnaturschutzgesetzes festgelegt. So müssen wir es auch umsetzen, was natürlich in der Praxis eine weitaus schwierigere Aufgabe ist als die bloße Formulierung dieser Ziele.
Der Schutz von Natur und Umwelt hat in Teilbereichen, vor allen Dingen bei der Luft- und Gewässerreinhaltung, in den letzten Jahren wesentliche Fortschritte gemacht. Es besteht aber erheblicher Nachholbedarf bei der Erhaltung der biologischen Vielfalt und in diesem Zusammanhang vor allen Dingen beim Schutz der Lebensräume als Grundlage unseres Lebens und als Grundlage einer nachhaltigen Wirtschaftstätigkeit. Man muß sagen, daß der Naturschutz im Grunde an vielen Stellen so etwas wie ein Indikator für die nachhaltige Entwicklung ist - besser als dies manche Parameter im technischen Umweltschutz sind.
International haben wir mit dem Rio-Treffen und dem dort abgeschlossenen Übereinkommen über die biologische Vielfalt in hervorragender Weise eine Trendumkehr geschafft, auch wenn die Verhandlungen über Lösungen im einzelnen außerordentlich schwierig sind. Wir haben als Bundesregierung im Jahre 1995 im Zusammenhang mit der Vertragsstaaten-Konferenz einen Bericht zum Übereinkommen über die biologische Vielfalt vorgelegt und aus diesem Bericht auch wesentliche Impulse gezogen. Die Novelle zum Bundesnaturschutzgesetz - das weiß jeder - ist ein ganz wesentlicher Baustein in der Konzeption zum Schutz der biologischen Vielfalt. Dieses Gesetz muß dringend novelliert werden. Ich möchte an dieser Stelle sagen: Es muß in seiner Gesamtheit novelliert werden und nicht nur stückweise.
Bundesministerin Dr. Angela Merkel
Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf soll das Bundesnaturschutzgesetz an die heutigen und künftigen Anforderungen des Naturschutzes anknüpfen und vor allen Dingen an bindende Vorgaben des EU- Rechts angepaßt werden. Dies darf aber nicht das alleinige Ziel sein.
Meine Damen und Herren, wir haben seitens der Regierung einen Entwurf vorgelegt, mit dem sich der Bundesrat leider in einer Art und Weise auseinandergesetzt hat, die ich in keiner Form richtig finden kann. Eine pauschale Ablehnung des Entwurfs wird dem Anliegen des Naturschutzes in keiner Weise gerecht. Wenn dieser negative Minimalkonsens der Länder der einzige Konsens ist, der hier zu finden ist, dann ist dies wirklich eine schlechte Basis für weitere gemeinsame Beratungen.
Jeder weiß, daß es dringend notwendig ist, die EU- rechtlichen Regelungen sowohl im Bereich der FloraFauna-Habitat-Richtlinie als auch im Bereich des Artenschutzes umzusetzen. Wir wissen auch, daß wir uns dem Konflikt zwischen Nutzung und Schutz der Natur in ganz offensiver Weise stellen müssen. Es hat überhaupt keinen Sinn, daß die einen Naturschutz machen und die anderen Landwirtschaftspolitik betreiben, und zum Schluß gibt es in den ländlichen Regionen keine Akzeptanz für den Naturschutz.
Wir dürfen dabei nie vergessen, daß 84 Prozent der Wirtschaftsfläche der Bundesrepublik Deutschland land- oder forstwirtschaftlich genutzt werden und daß viele auf die Nutzung des Bodens angewiesen sind. Dies muß berücksichtigt werden.
Es ist relativ einfach, die in § 17 des Gesetzentwurfs vorgesehene Eingriffsregelung für die Bereiche der Landwirtschaft zu kritisieren. Es ist aber ganz offensichtlich viel schwieriger, eine Alternative vorzulegen. Ich bin zu allen Diskussionen über verbesserte Vorschläge bereit. Es hilft aber nicht weiter, einfach nur zu sagen, daß die gute fachliche Praxis keine geeignete Grundlage sei, und gleichzeitig, wenn man in Detaildiskussionen wieder auf sie zu sprechen kommt, zu sagen, daß man, wenn definiert würde, was die gute fachliche Praxis sei, über eine solche Formulierung reden könne. Dabei weiß jeder, daß in einem Rahmengesetz des Bundes nicht bis in die letzte Verästelung ausgeführt werden kann, was die gute fachliche Praxis bedeutet. Im übrigen ist sie in der Düngemittelverordnung und in vielen anderen Bereichen niedergelegt.
Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte ausdrücklich sagen: Lassen Sie uns im parlamentarischen Bereich über die Alternativen diskutieren! Aber lassen Sie uns nicht einfach sagen: Über die Landwirtschaft spricht man im Naturschutzgesetz am besten gar nicht. Das wird nicht gutgehen. Es zeigt sich an vielen Stellen in der Praxis, daß die Konflikte zwischen Nutzern und Schützern der Natur in vernünftiger Weise ausgetragen werden müssen. Ich kann auf Grund unserer Erfahrungen im Bundesministerium mit den Naturschutzvorhaben von gesamtstaatlich repräsentativer Bedeutung Ihnen mitteilen, daß es inzwischen sehr hervorragende Konzepte gibt, bei denen der Einklang zwischen Nutzung und Schutz gefunden wurde, daß es aber an manchen Stellen noch unversöhnlichste Kämpfe gibt, die aus meiner Sicht durch vernünftige Regeln aufgebrochen werden müssen.
Die Sicherung der Leistungsfähigkeit des Naturhaushalts bleibt Hauptziel des modernen Naturschutzes. Dazu gehört vor allem die Weiterentwicklung des Biotopschutzes zu zusammenhängenden Biotopverbundsystemen. Wir wissen heute, daß es nichts nützt, an einer Stelle eine kleine Fläche zu 100 Prozent zu schützen und an anderen Stellen überhaupt keinen Naturschutz zu haben. Vielmehr brauchen wir verbundene Systeme. Der Katalog der gesetzlich geschützten Biotope wird erweitert. Die Länder werden gehalten, Vorschriften zum Schutz von Gewässern und Gewässerrandstreifen zu erlassen, die auch dem Hochwasserschutz zugute kommen.
Wir brauchen, wenn wir das vorbildhafte Zusammenwirken von Schutz und Nutzung der Natur wirklich umsetzen wollen, neue Kategorien, die dies auch ausdrücken. Ich glaube, daß die Kategorie des Biosphärenreservats diesem Anspruch an vielen Stellen in hervorragender Weise gerecht wird. Deshalb ist das Biosphärenreservat in dem Gesetzentwurf als neue Schutzkategorie festgelegt.
Die Instrumente des Naturschutzes werden in dem Gesetzentwurf verbessert. Ökologische Umweltbeobachtung wird als effektives Instrument für einen vorsorgenden Umweltschutz verankert. Für die Landschaftsplanung wird festgelegt, daß ihre Aussagen auch in anderen Verwaltungsverfahren zu berücksichtigen und abweichende Entscheidungen zu begründen sind.
Ein Thema, das uns sicherlich in weiteren Debatten beschäftigen wird, ist der sogenannte Baurechtskompromiß. Ich halte es für außerordentlich wichtig - ich will das deutlich sagen -, daß die Grundsätze, nach denen die Eingriffsregelungen und Ausgleichsregelungen definiert werden, im Bereich des Naturschutzes verankert sind, so wie dies in unserem Gesetzentwurf der Fall ist. Denn es ist natürlich von größter Bedeutung, daß der Bereich des Naturschutzes die Notwendigkeiten des Ausgleichs bestimmt und dies nicht bereits, auch wenn es in der Umsetzung in den Bereich des Baus hineinreicht, als Grundsatz im Baurecht verankert ist. Das würde auf gut deutsch heißen - ich muß das ganz klar sagen -, daß im Naturschutzbereich nicht mehr geregelt werden kann, welche Notwendigkeiten des Ausgleichs zu finden sind. Ich denke, dies ist ein ureigenes Anliegen des Naturschutzes.
Die Änderungen beim Artenschutz sind weitgehend Folgen der notwendigen Anpassungen, die wir auf Grund der EU-Richtlinien vorzunehmen haben. Ich muß Ihnen sagen, daß die Kritik der Länder an dieser Stelle, wir würden ihnen die Verantwortung
Bundesministerin Dr. Angela Merkel
zuschieben, angesichts der Verfassungsdebatte, die wir in früheren Zeiten hatten, geradezu komisch anmutet. Man kann nicht sagen, daß man für bestimmte Regelungen die Kompetenz haben will, um anschließend, wenn es sich um fachlich komplizierte und oft nicht so einfach durchzusetzende Regelungen handelt, zu sagen, der Bund schiebe seine Verantwortung ab. Das ist nicht redlich.
Meine Damen und Herren, ich hoffe, daß wir im parlamentarischen Bereich ein besseres Bild abgeben, als die Debatte im Bundesrat über ein novelliertes Naturschutzgesetz erwarten läßt, und daß es intensive Diskussionen und keine Pauschalablehnungen gibt. Ich denke, wir sollten diese Diskussionen schnell durchführen; denn das Naturschutzgesetz bedarf dringendst einer Novellierung.
Frau Ministerin, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Hustedt?
Ja.
Bitte.
Frau Merkel, diese Debatte ist nicht nur eine Naturschutzdebatte, sondern Sie haben sich als Bundesregierung mit dem Naturschutzgesetz nachträglich in diese Debatte hineingeschummelt. Das ist wieder die typische Strategie, eine Gesamtdebatte über den Zustand der Umweltpolitik zu vermeiden. Auch die Gutachten des Rates von Sachverständigen für Umweltfragen und solche Dinge sind heute mit in der Diskussion.
Ich möchte Sie einmal fragen, wie zum Beispiel Ihre Position zum Energiewirtschaftsgesetz, dem großen Reformvorhaben, ist, wie Ihre Position zur ökologischen Steuerreform ist - 1997 steht die Einkommensteuerreform an -,
wie Ihre Position zum Klimaschutz, zu Kyoto, ist. Sie wissen, dazu liegen Entschließungsanträge vor. Ich finde es, ehrlich gesagt, schlichtweg unmöglich, daß Sie sich wieder wegducken und in eine „Expertokratiedebatte" abtauchen.
Frau Ministerin, ich weise vorsorglich darauf hin: Ich habe die Zeit gestoppt. Es waren viele Fragen.
Herr Präsident, ich frage Sie einmal, wie lange Sie die Zeit für meine Antwort stoppen würden.
Wer viel fragt, kriegt viel Antwort; so ist die Regel.
Im Sinne aller Kollegen, die noch heute abend nach Hause gehen wollen, will ich jetzt darauf verzichten, einen einstündigen Vortrag zu halten.
Frau Hustedt, ich möchte an dieser Stelle nur darauf hinweisen, daß ich im Ausschuß zum Energiewirtschaftsgesetz Rede und Antwort gestanden habe. Sie haben mich darum gebeten, und ich habe das getan. Ich glaube, daß das hier ein fast identischer Personenkreis ist - wenn ich mir einmal erlauben darf, das hier zu sagen. Wir werden auch im Zusammenhang mit dem nächsten Bericht der Bundesregierung zu weiteren Maßnahmen zur CO2-Reduzierung ausreichend Gelegenheit haben, darüber zu debattieren.
In dieser Debatte heute - es ist eine verbundene Debatte, in der Tat - wird das Naturschutzgesetz in erster Lesung behandelt. Es ist für mich ebenfalls ein Schwerpunkt der Umweltpolitik, der leider häufig stiefmütterlich behandelt wird. Eine zweistündige Debatte mit 15 Minuten Redezeit für mich erlaubt es mir wirklich nicht, Frau Hustedt, die gesamte Breite der Umweltpolitik abzudecken.
Ich wollte aber gerade noch auf die Altautoverordnung und auf die Verpackungsverordnung zu sprechen kommen.
- Ja, die Tücke liegt im Detail. - Herr Präsident, ich belasse es einmal dabei.
Dann ist die Antwort damit beendet, und die Zeit läuft wieder.
Zum Naturschutzgesetz noch einmal meine eindringliche Bitte: Eine schnelle Novellierung ist für die gesamte Umweltpolitik, Frau Hustedt - nicht nur für den Naturschutz als Fachbereich -, von großer Bedeutung.
Lassen Sie mich noch wenige Worte zu zwei anderen Themen sagen, die heute ebenfalls zur Debatte stehen, nämlich zur Altautoverordnung und zur Verpackungsverordnung.
Wir haben mit der Altautoverordnung eine Kombination aus freiwilliger Selbstverpflichtung und Verordnung auf den Weg gebracht. Ich denke, daß dies ein vernünftiger und richtiger Schritt im Sinne dessen ist, was uns im Bereich der Kreislaufwirtschaft an Einzelregelungen noch erwartet.
Die materiellen Gegebenheiten dieser Selbstverpflichtung, die in der Verordnung jetzt die notwendige rechtliche Absicherung erfährt, sind so, daß die Verwertung von Abfällen aus der Altautoentsorgung schrittweise bis auf 95 Prozent gesteigert wird. Das sollte man sich sehr wohl vor Augen halten. Es wird bundeseinheitliche Standards für die Entsorgung von
Bundesministerin Dr. Angela Merkel
Altautos geben. Jeder muß sich vor Augen führen: Wenige Monate nach Inkrafttreten dieser Altautoverordnung muß ein flächendeckendes Netz von diesen Standards entsprechenden Verwertungsbetrieben aufgebaut sein. Dies ist der eigentliche Fortschritt der Altautoverordnung.
Jetzt ist zu fragen: Wie können wir das mit möglichst viel Wettbewerb, mit möglichst wenig Kosten für den einzelnen und trotzdem mit umweltpolitischem Fortschritt verbinden? Darüber gibt es eine ganze Reihe von Debatten. Ich will hier nur sagen: Diejenigen, die einmal die komplette kostenlose Rücknahme von Altautos gefordert haben, müssen wissen, daß sie dem Wettbewerb damit keinen guten Dienst erweisen, weil ein solches System dann von den Herstellern selber aufgebaut werden muß und von ihnen auch bestimmt werden wird.
Ähnlich ist es mit der Fondslösung, die immer wieder ins Gespräch gebracht wird.
Frau Ministerin, entschuldigen Sie, daß ich Sie unterbreche, aber es gibt zwei Begehren nach Zwischenfragen, zunächst von der Kollegin Altmann und dann von der Kollegin Caspers-Merk. Sind Sie bereit, die Zwischenfragen zuzulassen?
Ich würde zuvor zum Thema Altautoverordnung noch gern drei Sätze sagen.
Geben Sie mir ein Zeichen, wenn Sie so weit sind.
Ja, gern.
Ich war gerade bei dem Punkt, daß die vermeintlich attraktive Fondslösung, nach der ein Pauschalbetrag festgelegt bzw. eingezahlt wird, für den die Altautoentsorgung zu erfolgen hat, die Wirkung hat, daß der Wettbewerb und die Kreativität der einzelnen Entsorger geradezu lahmgelegt werden, weil man die sichere Einkunft eines bestimmten Betrages in der Hand hat und sich überhaupt nicht mehr bemühen muß, bestimmte Autos vernünftig zu entsorgen.
Ein letzter Punkt dazu: Produktverantwortung heißt sicherlich Verantwortung des Herstellers. Das ist vollkommen klar. Aber bei einem langlebigen Produkt wie einem Auto, das eine Lebenszeit von weit über zehn Jahren hat, bin ich der Meinung, daß Produktverantwortung auch etwas mit den Besitzern zu tun hat, die dieses Produkt zum Teil über Jahrzehnte gebrauchen. Deshalb haben wir eine Mischform aus kostenloser Rücknahme in einer bestimmten Zeitspanne und anschließender Verantwortung derer, die dieses Auto besessen haben.
Können wir die beiden Fragen nacheinander nehmen, damit Sie sie zusammen beantworten können?
Ja.
Frau Kollegin Altmann, bitte.
Könnten Sie, Frau Dr. Merkel, mir noch einmal erklären, worin Sie den Vorteil dieser Altautoverordnung sehen, wenn mehr als 40 Millionen Autos von der kostenlosen Rücknahme ausgeschlossen sind, wenn Autos, die älter als zwölf Jahre sind, auch weiterhin ausgeschlossen sein werden, wenn es keine konsequente Festlegung der Verwertungsreihenfolge gibt, also Wiederverwendung, stoffliche Verwertung und energetische Verwertung, und wenn die umweltpolitischen Ziele zur Minimierung nicht festgelegt sind? Wie wollen Sie da Ihr gerade formuliertes Ziel erreichen? Laufen Sie nicht statt dessen Gefahr, daß eine Verschiebung der Autos in die Ostblockstaaten, also keine Verwertung, stattfindet und damit das Risiko bzw. die Umweltziele auch nur verschoben und nicht minimiert werden?
Frau CaspersMerk, bitte.
Frau Dr. Merkel, wenn Ihre Regelung so prima ist, wie kommt es dann, daß der Wirtschaftsausschuß Änderungen an dem Verordnungsentwurf vorgenommen hat und dieser nun zurück ins Kabinett muß? Wie kommt es, daß andere europäische Länder, zum Beispiel die Niederlande, Schweden, Norwegen, und jetzt auch die EU-Richtlinie dieselbe Philosophie vertreten wie Ihr Sachverständigenrat?
- Schweden hat eine relativ große Automobilindustrie, auch wenn Sie das nicht wissen, Herr Kollege Kampeter.
Diese Länder legen alle dieselbe Philosophie wie Ihr eigener Sachverständigenrat zugrunde. Er hat nämlich gefordert, alle Autos kostenlos zurückzunehmen und das Ganze beim Neukauf einzuberechnen. Wie kommt es, daß Sie mit Ihrer Meinung alleine dastehen, wenn man Experten anhört und die EU- Richtlinie zugrunde legt, und daß vor allen Dingen die europäischen Nachbarländer es anders machen?
Ich beginne mit Frau Altmann. Erstens - es wird immer wieder geleugnet; ich antworte darauf schon fast gebetsmühlenartig -: Sie können nicht im nachhinein Hersteller eines 10 oder 15 Jahre alten Autos verpflichten, dieses wieder kostenlos zurückzunehmen. Das beste Beispiel ist der Trabant: Wer ist für die Rücknahme
Bundesministerin Dr. Angela Merkel
des Trabant verantwortlich? Die Treuhandanstalt, die BvS oder wer?
Das ist völlig indiskutabel. Es geht auch juristisch nicht. Ich bitte Sie wirklich, wenigstens das einfach einmal zur Kenntnis zu nehmen, auch wenn Ihnen manches andere an der Verordnung nicht paßt. Wenige Monate nach dem Inkrafttreten dieser Verordnung gelten in Deutschland einheitliche Umweltstandards für die Entsorgung von Autos: für die alten wie für die neuen. Lediglich die kostenlose Rücknahme durch die Selbstverpflichter ist nicht verpflichtend geregelt. Aber BMW hat sich zum Beispiel schon bereit erklärt, die Selbstverpflichtung auszudehnen.
- Es ist bestimmt schön, Herr Fischer, mit Ihnen zu sprechen, aber wenn ich Frau Altmann gerade die Frage beantworte, würde ich Wert darauf legen, daß sie zuhört. - Jetzt bin ich ganz aus dem Konzept gekommen.
BMW hat bereits beschlossen, nicht nur Altfahrzeuge, die nicht älter als 12 Jahre sind, kostenlos zurückzunehmen, sondern die Pflicht zur kostenlosen Rücknahme auf alle Autos auszudehnen. Ich bin mir ganz sicher, daß die Automobilindustrie aus Wettbewerbsgründen diese Rücknahmepflicht schrittweise erfüllen wird. Das finde ich richtig. Es ist aber nicht richtig, daß die Rücknahmepflicht nur bis maximal zwölf Jahre gilt; sie muß vielmehr für mindestens zwölf Jahre gelten. Nach oben muß der Zeitraum für jeden Hersteller offen sein.
Zweitens zu den Ostländern. Wir wissen, daß heute bestimmte Altautos in die mittel- und osteuropäischen Länder exportiert werden. Durch die Wettbewerbselemente bei der Entsorgung von Autos und durch das Umweltbewußtsein der Bevölkerung wird gewährleistet, daß die zu verschrottenden Autos in Zukunft nicht nach irgendwo vertrieben werden, sondern daß diese Autos hier einer Entsorgung zugeführt werden. Wenn der Wettbewerb funktioniert, wird dies für eine weitaus größere Zahl von Autos gelten, als dies heute absehbar ist.
Ich kann Ihnen natürlich keine Garantie geben, daß dadurch der Verkauf von Altautos nach Mittel- und Osteuropa gestoppt wird. Aber diese Garantie haben Sie auch heute nicht. Ich verspreche mir von der Verordnung eine Verbesserung der Lage, die heute noch eine Reihe von Problemen aufwirft. Ansonsten kann ich nur sagen: Ein schneller EU-Beitritt der mittel- und osteuropäischen Länder und Anpassung an unsere Umweltschutzstandards ist der einzige Weg, um eine umweltgefährdende Verschrottung der Autos zu verhindern.
Jetzt komme ich zur Frage von Frau CaspersMerk. Frau Caspers-Merk, man kann in diesem Bereich sehr vielen Philosophien anhängen. Eine EU- Richtlinie gibt es aber noch nicht. Es gibt allenfalls Entwürfe und Vorschläge. Die Fragen sind: Wie nützen wir der Umwelt am besten? Wie können wir trotzdem die Entsorgungskosten so gering wie möglich halten? Wir haben es mit der Verpackungsverordnung - Stichwort: Lizenzgebühr und Duales System - schon vorgemacht.
Meine tiefe Überzeugung ist, daß wir die Entsorgungskosten dadurch gering halten, indem wir sie nicht einfach für ein Produkt festsetzen, weil wir tatsächlich anfallende Kosten noch gar nicht kennen. Man könnte nun sagen: Laßt uns jedes Jahr wie bei der Rentenversicherung den Beitrag neu festsetzen! Aber ich frage Sie: Sollte man wirklich jedes Jahr die Entsorgungskosten für alle Autotypen neu festsetzen? Ich erinnere mich noch an die Kfz-Steuer-Debatte, die wir neulich hatten. In dieser Debatte wurde uns die unendliche Kompliziertheit dieser Steuer vorgeworfen.
Ich halte die Variante, daß einerseits die Autobesitzer die Möglichkeit haben, bis zu einem bestimmten Zeitpunkt ihr Auto kostenlos zurückzugeben - die Hersteller können natürlich über diese Verpflichtung hinausgehen; je nach Autotyp werden sie es auch tun -, und daß andererseits den Besitzern ein Anteil dieser Entsorgungskosten aufgebürdet wird, für einen brauchbaren Kompromiß.
Es ist richtig, daß andere Länder anders verfahren. Ich habe aber gerade im Fall der Niederlande noch nicht gehört, daß die dortigen Regelungen der Stein der Weisen seien. Lassen Sie uns deshalb verschiedene Modelle in der Europäischen Union ausprobieren! Wir werden sehen, welches Modell sich bewährt und damit Eingang in die EU-Richtlinie findet. Ich muß aber noch einmal ganz klar sagen: Bis heute gibt es keine EU-Richtlinie.
Abschließend möchte ich noch eine kurze Bemerkung zur Verpackungsverordnung sagen. Ganz unbestritten ist, daß seit Inkrafttreten der Verpackungsverordnung in den letzten Jahren ein positiver Effekt eingetreten ist: Der Verpackungsverbrauch ist um 14 Prozent gesunken. Damit hat die Verpackungsverordnung einen wesentlichen Beitrag zur Müllvermeidung geleistet. In gleicher Weise sind die Verwertungsquoten erheblich gestiegen.
Mit der Novelle zur Verpackungsverordnung stehen wir vor zwei Aufgaben. Die eine Aufgabe liegt darin, die Trittbrettfahrer endlich dazu zu bringen, sich an den anfallenden Kosten zu beteiligen.
Die zweite Aufgabe liegt darin, vernünftige Regelungen zu mehr Verwertung und zu mehr Vermeidung zu treffen, ohne die Bürokratie in einer Weise zum Zuge kommen zu lassen, die ich nicht für akzeptabel halte.
Lassen Sie uns diese Verpackungsverordnung diskutieren! Ich bin auf die Stellungnahme des Bundes-
Bundesministerin Dr. Angela Merkel
rates gespannt, weil es durchaus sehr unterschiedliche Vorstellungen gibt. Ich rate dringend davon ab, Kleinstverpackungen und die Verpackungen von Waren, die in kleinen Läden verkauft werden, aus der Verpackungsverordnung zu nehmen; das ist in der Diskussion. Damit wäre aus meiner Sicht eines der Ziele dieser Verordnung wesentlich verfehlt.
Wir werden sicherlich sehr kontroverse Diskussionen über die Frage haben: Wie kann man die Mehrwegquote am besten schützen? Auch im Rahmen dieser Diskussion rate ich davon ab, daß bei jeder Getränkesorte der Flaschentyp beachtet werden muß. Das halte ich für den falschen Weg. Wir können über andere Instrumente gerne weiter streiten und debattieren. Wir müssen vor allen Dingen aber solche finden, die europarechtlich durchsetzbar sind. Wir müssen wissen, daß wir unter schärfster Beobachtung von seiten der Wettbewerbskommission stehen. Ich glaube, wir haben durch unsere Öko-Bilanzen gute Maßstäbe gesetzt, um diese Diskussion fundiert zu führen. Auch das wird uns noch weiter beschäftigen.
Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
Das Wort hat die Kollegin Ulrike Mehl, SPD.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zehn Jahre sind nun vergangen, seitdem Herr Töpfer verkündet hat, daß eine Novellierung des Bundesnaturschutzgesetzes dringend notwendig sei. Sie sei damals aus Zeitgründen nicht möglich gewesen. Er wolle sie sich vornehmen. Zehn Jahre warten wir auf die Novellierung. Dabei muß man sich einmal fragen: Warum novelliert man denn ein Gesetz? Normalerweise passiert dies, um etwas verbessern zu wollen. Das ist mit dem Entwurf der Bundesregierung leider nicht gelungen.
Zehn Jahre sind vergangen, in denen Gutachten und Papiere erstellt wurden, die uns immer wieder bestätigen und immer wieder beschreiben, daß der Naturschutz am Tropf hängt. Frau Merkel, daß Sie sagen, die Länderablehnung sei für eine Diskussion eine schlechte Basis, kann ich nicht bestätigen. Ich kann nur sagen, daß das, was Sie vorgelegt haben, eine schlechte Basis für eine Diskussion ist. Das konnte man nur ablehnen.
Es wird wohl keiner ernsthaft bestreiten, daß die Natur nicht nur in Tropenregionen gefährdet ist, sondern auch bei uns. Es kann nicht sein, daß man die immer länger und dramatischer werdenden Roten Listen der gefährdeten Pflanzen und Tiere und auch der gefährdeten Lebensräume einfach schulterzukkend hinnimmt und erklärt: Das ist leider so, wir können es nicht abstellen. Auch kann auch nicht sein, daß man die Waldsterbensberichte ebenso schulterzuckend hinnimmt und feststellt, daß ältere Bäume
zunehmend gefährdet sind, sondern man muß daraus Konsequenzen ziehen.
Ich hatte in meiner Rede vor 14 Tagen Herrn Kohl zitiert, der mehrere Male erklärt hat, wie wichtig er die Erhaltung der Schöpfung finde. Auch ich finde das sehr wichtig. Aber dann ziehen Sie bitte auch Konsequenzen daraus, und machen Sie dazu ein ernstzunehmendes Gesetz!
Frau Merkel, Sie haben 1995 die Magdeburger Erklärung unterschrieben, in der sich die Umweltverbände zusammen mit der Umweltministerkonferenz zu vielen Einzelpunkten geäußert haben. Dazu gehörte übrigens auch das Ziel, 10 bis 15 Prozent der Fläche der Bundesrepublik als Vorrangfläche für den Naturschutz auszuweisen. Sie haben diese Erklärung, in der übrigens auch die Verbandsklage festgeschrieben ist, mit unterschrieben. Das hat vielen Mut gemacht.
Der Gesetzentwurf lag damals noch nicht vor. Deswegen hatten wir angenommen, daß diesmal ein guter Gesetzentwurf vorgelegt wird. Aber ich muß sagen, daß ich das, was wir jetzt diskutieren müssen, ausgesprochen enttäuschend finde. Es geht nicht nur darum, was an Punkt und Komma oder an einzelnen Worten dort formuliert ist, sondern es geht damm, daß Signale ausgesendet werden, daß Sie es mit dem Naturschutz sehr ernst meinen. Ich freue mich, daß Sie einen großen Teil Ihrer Redezeit für dieses Thema verwendet haben.
Wir können froh sein, daß wir heute nur sechs oder sieben Punkte innerhalb dieser Debatte haben. Das letzte Mal hatten wir 21 Punkte. Das möchte ich gerne einmal kritisieren: daß diese Themen immer mit Themen zusammengepackt werden, die dort eigentlich nicht hineingehören.
Davon abgesehen habe ich nicht den Eindruck, daß Sie mit großer Ernsthaftigkeit versucht haben, wirklich eine Verbesserung im Naturschutz zu erreichen. Sie werden mit dieser Gesetzesnovelle einen Rückschritt erzielen.
Der Beirat für Naturschutz hat Ihnen 1995 aufgeschrieben, daß ein besonderes Problem dieses Gesetzes darin liegt, daß es selbst akzeptanzmindernde Regelungen enthält. Als wesentliche akzeptanzmindernde Regelung des Naturschutzes wurde die Landwirtschaftsklausel genannt. Sie heißt im geltenden Recht: Die ordnungsgemäße Land- und Forstwirtschaft und fischereiliche Nutzung dienen dem Ziel des Gesetzes.
Diese Formulierung haben Sie in der Novelle herausgenommen. Aber Sie haben die Privilegierung der Landwirtschaft doppelt und dreifach an mehreren anderen Stellen wieder neu festgemacht. Ich glaube, es ist eine ziemlich einmalige Sache, daß in
Ulrike Mehl
einem Gesetzentwurf diejenigen, die ein besonderes Konfliktpotential im Naturschutz darstellen, privilegiert werden.
Ich erwähne zwei Punkte der Privilegierung. Erstens haben Sie nämlich festgeschrieben, daß es einen Vorrang für den Vertragsnaturschutz geben soll. Das heißt, wenn man Flächen schützen will, müssen die Länder erst einmal mit dem Grundbesitzer aushandeln, ob es nicht möglich ist, dies per Bezahlung auf vertraglichem Wege direkt mit dem Grundbesitzer zu regeln. Der Ankauf von Flächen kommt an zweiter Stelle. Es ist die Frage - das ist diesem Gesetzentwurf natürlich nicht zu entnehmen; das werden wir in der weiteren Diskussion hören -, wie Sie sich vorstellen, das in der Praxis umzusetzen. Vertragsnaturschutz kann durchaus ein interessantes und sinnvolles Instrument sein. Lassen Sie doch aber bitte die Länder entscheiden, wann sie es anwenden, und schreiben Sie nicht den Vorrang in das Naturschutzgesetz!
Das zweite ist die Ausgleichszahlung für alle Schutzgebiete. Sie kommen in Ihrer Stellungnahme zu dem Ergebnis, daß nur die besonders geschützten Gebiete davon betroffen seien. Das ist falsch. Sie schreiben sie für sämtliche Schutzgebiete fest, und zwar nicht nur für die zukünftigen, sondern für alle, die schon jetzt Schutzgebiete sind. Sie haben ausgerechnet, daß das 40 Millionen DM im Jahr kosten solle. Ihr Beirat hat dazu bereits 1995 festgestellt, daß solche Ausgleichsmaßnahmen 500 Millionen DM kosten würden.
Nun will ich nicht sagen, daß das ein Argument wäre, so etwas nicht zu tun. Nur, ich finde, wir haben ein Bundeslandwirtschaftsministerium bzw. einen eigenen Politikbereich. Dieses Ministerium hat bisher 13 Forschungseinrichtungen, über 700 Wissenschaftler, die sich offenbar alle nicht damit beschäftigen können, warum wir nicht eine naturverträgliche Landwirtschaft betreiben können. Die einzige Forschungseinrichtung von seiten des Naturschutzes, nämlich die Bundesanstalt für Naturschutz mit etwa 70 wissenschaftlichen Mitarbeitern und dem wenigen Geld, das für diesen Bereich zur Verfügung steht, soll das ganze Thema „wuppen". Das kann ja wohl nicht die richtige Priorität sein.
Die Ökologisierung der Landwirtschaft muß in der Landwirtschaftspolitik selber geregelt werden.
Sie selber haben gerade noch einmal ausgeführt - Sie haben das ebenfalls in einer Antwort auf eine Anfrage so gesagt -, daß das Naturschutzgesetz auch ein wesentliches Instrument zur Umsetzung der Konvention zur ökologischen Vielfalt und zur Umsetzung aller anderen Verpflichtungen, die wir haben, sei. Das könnte es sein. Nur, Ihr Gesetzentwurf ist es nach meiner Auffassung nicht.
Ich will noch kurz zwei weitere Punkte nennen; die Redezeit ist wieder einmal am Rennen. Ich halte es für besonders wichtig - Sie haben das leider nur halbherzig festgeschrieben -, daß das einzige Planungsinstrument, das Naturschutzbelange wesentlich miteinander koordiniert und die Ansprüche an Natur und Landschaft in sich abwägen und vereinigen soll, nämlich die Landschaftsplanung, nur punktuell festgeschrieben wird. Ich meine, daß die Landschaftsplanung flächendeckend erfolgen muß, weil sonst die Abwägung der Interessen von Natur und Landschaft nicht stattfindet.
Sie haben in Ihren Gesetzentwurf ein anderes Instrument, die Umweltbeobachtung, aufgenommen. Das halte ich vom Prinzip her für einen guten Gedanken. Nur, leider ist dem Instrument, so wie Sie es festgeschrieben haben, nicht zu entnehmen, wie es eigentlich funktionieren soll, welche Daten erhoben werden sollen, wo die Daten einfließen sollen, für welche Maßnahmen und Programme diese Daten berücksichtigt werden sollen und wer am Ende das alles bezahlen soll. Dazu wäre noch einiges zu sagen. Vielleicht kommen wir auch noch dazu.
All dies, was Sie in Ihrem Gesetzentwurf vorgegeben haben, ersetzt auf Grund des Wissens, das wir schon besitzen und das auf dem Tisch liegt, in keiner Weise die Notwendigkeit, zu handeln. Das betrifft insbesondere den flächenhaften Biotopschutz nicht nur in bestehenden Schutzgebieten, sondern auch außerhalb bestehender Schutzgebiete. Auch so etwas steht in der Magdeburger Erklärung, die Sie mit unterzeichnet haben.
In diesem Sinne ist die Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie ein ganz besonders wichtiges Instrument. Sie hätte schon vor zwei Jahren umgesetzt werden müssen. Sie ist leider noch immer nicht umgesetzt. Wir kommen jetzt zu der Diskussion, wie wir sie umsetzen werden. Es gibt einen Vorschlag, den wir in unserem eigenen Gesetzentwurf gemacht haben, der dem entspricht, was die Länder vorschlagen, und Ihren Vorschlag. Die Juristen der jeweiligen Seiten werfen sich jeweils das gleiche vor, daß nämlich die jeweils gegnerische Darstellung nicht praktikabel sei. Ich bin hier offen und lasse gerne mit mir diskutieren. Ich habe aber den Eindruck, daß das, was in der Praxis wirklich anwendbar ist, unserem Vorschlag entspricht. Wir werden das in der Anhörung sehen.
Beim Thema Baurecht kann ich Sie nur voll unterstützen. Ich würde es für einen fatalen Fehler halten, wenn die Eingriffsregelungen in bezug auf das Baurecht aus dem Naturschutzgesetz gestrichen werden würden. Dann wäre ein wesentlicher Baustein des Naturschutzrechtes herausgebrochen. Das können wir nicht akzeptieren.
Letzter Punkt: Verbändebeteiligung. Sie sagen, daß Sie die Verbändebeteiligung erweitert haben. Einmal abgesehen davon, daß das Anerkennungsverfahren, wie es in Ihrem Entwurf beschrieben ist, vermutlich so nicht laufen kann - die Verbände sagen jedenfalls, nach den Formulierungen, die darin stehen, würde heute kein einziger Verband anerkannt
Ulrike Mehl
werden können; ich interpretiere das so, daß Sie vorhatten, die demokratischen Strukturen in den Verbänden stärker herauszustellen, was ich grundsätzlich begrüße -, fehlt bei Ihnen nach wie vor ein wesentlicher Punkt, nämlich die Verbandsklage. Nachdem die Verbandsklage in einer ganzen Reihe von Bundesländern bereits eingeführt ist und dort gute Erfahrungen vorliegen, womit das Argument, es könnte eine Flut von Klagen der Verbände kommen, nun also wirklich vom Tisch ist, ist für mich überhaupt nicht nachvollziehbar, warum Sie nicht bereit sind, dieses Instrument bei bundesrechtlichen Verfahren anerkannten Umweltverbänden in die Hand zu geben. Dafür gibt es für mich überhaupt kein Argument.
Lassen Sie mich zum Schluß kurz zusammenfassen, was in diesem Gesetzentwurf fehlt: Erstens. Die Verankerung des Naturschutzes um der Natur willen; wir schützen die Natur für den Menschen, aber auch um ihrer selbst willen. Zweitens. Mindestens 10 Prozent der Landesfläche müssen Vorrangfläche für den Naturschutz sein. Drittens. Wir brauchen die Schaffung eines großflächigen Biotopverbundsystems. Viertens. Wir brauchen die Streichung der Landwirtschaftsklausel und die Festsetzung umweltschonender Kriterien für die Land- und Forstwirtschaft. Fünftens. Wir brauchen die Streichung der Ausgleichsverpflichtung zugunsten der Landwirtschaft. Sechstens. Es darf keinen Vorrang für den Vertragsnaturschutz geben. Siebtens. Die Eingriffsregelung in der Bauleitplanung muß Bestandteil des Naturschutzgesetzes bleiben. Achtens. Die Verpflichtung zur flächendeckenden Landschaftsplanung. Neuntens. Einführung der Verbandsklage. Zehntens. Vollständige Umsetzung der Flora-FaunaHabitat-Richtlinie.
Frau Merkel, wir reden über diese Punkte mit Ihnen sehr gerne, wenn Sie bereit sind, diese wesentlichen Punkte in das Naturschutzgesetz hineinzuschreiben. Wenn Sie das nicht tun, dann laufen Sie Gefahr, daß Sie als die Umweltministerin in die Naturschutzgeschichte eingehen werden, die den Naturschutz restlos demontiert hat.
Das Wort hat die Kollegin Michaele Hustedt, Bündnis 90/Die Grünen.
Frau Merkel, Sie mögen unter Umweltschutz vielleicht geschäftige Expertokratie verstehen. Aber ich bin der Meinung, wenn Sie das tun, dann lassen Sie sich damit als fleißiges Lieschen an den Katzentisch des Kabinetts verbannen. Aus der Defensive in der Umweltpolitik werden Sie so nicht herauskommen.
Das sieht Ihr Kollege Schäuble, der jetzt leider nicht anwesend ist, im übrigen anders. Ihn möchte ich am Anfang einmal zitieren. Er fragt nämlich:
Kann es gelingen, die ... für die Wiederherstellung des ökologischen Gleichgewichts auf dieser Erde erforderlichen Maßnahmen ... einzuleiten in einer Zeit, in der der Wettbewerb härter und die Sorgen um die Arbeitsplätze ... immer drängender werden? Werden nicht im Kampf um die Gegenwart die notwendigen Vorkehrungen für die Zukunft auf der Strecke bleiben?
Diese Fragen beschreiben aus meiner Sicht die Situation, die wir jetzt haben, haargenau. Allerdings stellt Herr Schäuble diese Fragen nicht hier im Parlament, sondern fernab im akademischen Rahmen, in der Evangelischen Akademie Tutzing. Hier im Parlament, wo er und Frau Merkel Verantwortung haben, ist davon nichts zu spüren. Im Gegenteil: Hier ist es so, daß Sie dazu beitragen, daß die „notwendigen Vorkehrungen" auf der Strecke bleiben.
Ich denke, daß das Auseinanderfallen zwischen dem, was im Umweltbereich tatsächlich passieren müßte, und dem, was tatsächlich passiert, nicht nur ein Problem des Herrn Schäuble ist, sondern daß das zur Zeit typisch für weite Teile der politischen Szene in der Bundesrepublik ist.
Die Grundhaltung ist durchgehend: Der Umweltschutz ist wichtig, aber er muß auf spätere Zeiten verschoben werden. Umweltschutz soll warten, bis es uns wieder bessergeht. Aber diese besseren Zeiten werden nicht kommen.
Wir stehen innenpolitisch vor vier Herausforderungen: Erstens. Wir müssen die öffentlichen Haushalte konsolidieren. Zweitens. Wir müssen die deutsche Wirtschaft auf die globalisierte Weltwirtschaft einstellen. Drittens. Wir müssen die hohe Arbeitslosigkeit reduzieren, da sonst der Zusammenhalt dieser Gesellschaft gefährdet ist. Viertens - aber nicht letztens - müssen wir unsere Wirtschafts- und Konsumweise so verändern, daß sie nicht permanent und schleichend unsere Lebensgrundlagen zerstört.
- Frau Homburger, ich komme schon noch dazu. - Das heißt zusammengefaßt: nachhaltige Wirtschaftsweise.
Alle Aufgaben sind gleich drängend. Keine kann warten, bis eine andere gelöst ist. Selbst wenn wir die Waigelschen Haushaltslöcher stopfen, so bleibt immer noch das Ozonloch als schlimme Existenzbedrohung. Und was haben wir gewonnen, wenn wir den Haushalt saniert haben, aber das Klima zerstört ist?
Es ist abgrundtief falsch, sich nur auf die Lösung eines Problemfeldes oder auch zweier zu konzentrieren, so wie es zur Zeit die Bundesregierung tut, die anderen dabei aber zu vernachlässigen.
Michaele Hustedt
- Gucken Sie sich doch einmal Ihre Anwesenheit an; dann wissen Sie, was Sache ist -.
Die Problemfelder hängen zudem auf das engste zusammen und werden dann in neuer Gestalt die Bearbeitung der anderen Probleme verhindern. Wie sollen zum Beispiel die öffentlichen Haushalte auf Dauer saniert werden, wenn die ökologischen Folgekosten die Sanierungserfolge schnell wieder auffressen? Diese Gesellschaft lebt auf Pump; sie lebt auf Kosten der Länder der Dritten Welt, der Natur und der zukünftigen Generationen.
Nicht der Schutz unserer Lebensgrundlagen ist der Luxus, den wir uns zur Zeit nicht leisten können. Was wir uns nicht weiter leisten können, ist vielmehr diese zerstörende Wirtschaftsweise.
Ich unterstelle Ihnen in der Bundesregierung gar keinen bösen Willen. Mir scheint es nur schlichtweg so zu sein, daß Sie überfordert sind. Nach 14 Jahren Kohl und nach 27 Jahren F.D.P. an der Macht sind Sie nicht mehr in der Lage, den Tanker mit Übersicht und Weitblick zu steuern. Sie sind unfähig, vernetzt zu denken. Ihrer Politik fehlt es an Voraussicht, an langfristigen Zielen und vor allen Dingen an konkreten Lösungsansätzen.
Dadurch entsteht ein gefährliches Vakuum, das die sogenannten Marktradikalen - auf der rechten Seiten dieses Hauses - hemmungslos ausnutzen.
Für Westerwelle & Co ist der Mensch nur noch der homo oeconomicus mit rein materiellen Interessen. Die einzige Aufgabe, die Sie dem Staat noch zuteilen, ist der Abbau des Staates.
Damit werden die Weichen vollkommen falsch gestellt. Gemeinwohlinteressen und Vorsorge für die zukünftige Generation bleiben damit auf der Strecke.
Für Sie zählen nur noch die Interessen der Fitten und der Reichen im Hier und Heute.
Doch dieses neue liberale Weltbild ist nicht mehrheitsfähig
und kann keine notwendige neue Wertorientierung schaffen. Die Menschen finden sich in diesem kalten und unsozialen Gesellschaftsmodell nicht wieder. Und für die differenzierte Lösung komplexer Probleme ist dieser reduzierte Ansatz ganz und gar untauglich.
Das merkt auch der Herr Schäuble, wie das Zitat zeigt.
Er ist aber nicht in der Lage, offensiv ein Zukunftsmodell für diese Republik auf dem Weg in das nächste Jahrhundert darzustellen.
Warum so mutlos?, frage ich vor allem Sie von der CDU. Die Gesellschaft ist doch viel bereiter, als Sie meinen. Ich möchte einmal einige Beispiele nennen: Der DGB ist einstimmig für die ökologische Steuerreform.
In den Kommunen gibt es vielfältige Ansätze zur Umsetzung der Agenda 21. Die katholische Kirche hat mit dem BUND eine zukunftsweisende und radikale Studie zur Nachhaltigkeit vorgelegt.
Und während die Bundesregierung den Umweltschutz von der Tagesordnung nimmt, lädt Hoechst, einer der größten Chemiekonzerne in diesem Land, die Umweltbewegung in Form des Ökoinstitutes ins Haus ein. Sein ehemaliger Erzfeind soll überprüfen, ob nicht noch mehr Energie und noch mehr Abfall eingespart werden kann und neue Produkte als Beitrag für den Umweltschutz entwickelt werden können.
Eine solche Handlungsbereitschaft orientiert sich nicht an Legislaturperioden und Machtfragen, sondern an größeren Zeiträumen und an existentiellen Fragen. Dies wird in Ihrer Politik überhaupt nicht aufgegriffen und entwickelt, weil Sie nicht genügend Phantasie und Fähigkeiten haben. So muß man sich dann auch nicht wundern, daß unser Land trotz des hohen Umweltbewußtseins, das wir tatsächlich zu verbuchen haben, faktisch vom Vorreiter im Umweltschutz zum Nachzügler wird.
1997 wird das fünfte Jahr nach Rio sein, wird das Jahr sein, in dem es ein internationales Protokoll zum Klimaschutz geben soll. Deutschland hat dabei eine sehr große Verantwortung. Doch eine Klimaschutzpolitik, die diesen Namen tatsächlich verdient, gibt es in dieser Bundesrepublik nicht. Weil wir dies als eines der drängendsten Probleme sehen, haben wir
Michaele Hustedt
in diese Debatte einen Entschließungsantrag eingebracht, mit dem wir die Bundesregierung auffordern, ein aktives Klimaschutzprogramm noch im Frühjahr 1997 vorzulegen.
Das Klimaproblem läßt sich nämlich nicht aussitzen. Mit pathetischen Worten vor der internationalen Kulisse ist es nicht getan.
Wir werden dieses Ziel nur erreichen, wenn wir es in operationalisierbare Schritte übersetzen. Wenn das Ziel nicht in der täglichen Politik umgesetzt wird, wird zu der Steuerlüge und der Joblüge bald auch schon die Klimaschutzlüge kommen.
Wir können das Klimaschutzziel durchaus erreichen - das ist meine Meinung -, wenn wir es mit der Schaffung von Arbeitsplätzen und mit Innovationsanreizen für die Wirtschaft verknüpfen. Das bedeutet dann aber, daß man integrierte Lösungen finden muß, die nicht Arbeitsplätze gegen den Umweltschutz ausspielen, so wie Sie es immer tun. Deswegen fordern wir an erster Stelle im Klimaschutzaktionsprogramm endlich auch eine ökologische Steuerreform ein.
Sie wollen 1997 mit einer Jahrhundertreform des Steuersystems beginnen. Sie diskutieren aber dabei nur über Steuersätze. Das ist eine Schande. Es ist mir absolut unverständlich, warum bei diesem großen Anlauf, den man ja nicht jedes Jahr macht, die Ökologisierung des Steuersystems gänzlich herausgelassen wird.
Wer es immer noch nicht weiß: Die ökologische Steuerreform ist keine Steuer, sondern eine Reform des Steuersystems. Sie soll aufkommensneutral sein; sie soll dazu beitragen, daß Arbeit in diesem Land billiger und Umweltverbrauch verteuert wird, so daß Kilowattstunden und nicht Menschen arbeitslos werden. Daß die Lohnnebenkosten gesenkt werden müssen, ist doch die Meinung des ganzen Hauses. Aber die Bundesregierung tut genau das Gegenteil.
Vor kurzem mußte die Bundesregierung in der Tat die Erhöhung der Rentenversicherungsbeiträge bekanntgeben. Otto Graf Lambsdorffs Kommentar dazu war - ich zitiere -: Herr Blüm behauptet zwar, er versuche seit 14 Jahren, die Lohnzusatzkosten herunterzufahren; doch das zeugt von Realitätsverlust. Ich sage: Recht hat der Mann, aber Antworten hat er
deswegen noch lange nicht. Die ökologische Steuerreform wäre eine Antwort auch in diesem Zusammenhang.
Ich möchte ganz kurz noch ein zweites Beispiel anführen, bei dem deutlich wird, daß eine Riesenchance verschenkt wird. Man macht sich an die Reform des Energiewirtschaftsgesetzes. Auch dazu hat Frau Merkel wieder nichts gesagt.
- Das hat in der Tat etwas mit Umweltschutz zu tun; das kapieren Sie anscheinend nicht.
Das einzige Ziel, das Sie haben, ist die Senkung der Energiepreise für die Großverbraucher. Aber selbstverständlich muß man doch ein so großes Reformprojekt mit der Frage verknüpfen: Wie können wir damit auch den Einstieg in das Solarzeitalter fördern? Aber genau das tun Sie nicht. Rexrodt und mit ihm die Partei der sogenannten Technikfreunde setzen dagegen rein auf Atomkraft und Kohle und werden damit zu einem Innovationshemmnis in diesem Land.
Dieses Land darf man nicht einfach den neoliberalen Marktanarchisten überlassen; das sage ich ganz gezielt an die Adresse der CDU/CSU.
Im internationalen Vergleich sind wir immer noch reich. Aber für deutsche Verhältnisse haben wir jetzt schwere Zeiten.
Gerade das müßte doch eine Herausforderung an die Politik sein, zu gestalten, sich für das Gemeinwohl und für die Zukunftsvorsorge verantwortlich zu fühlen. Ich fordere deswegen auch die CDU/CSU auf, diesem Entschließungsantrag, der die Regierung auffordert, jetzt ein aktives Klimaschutzprogramm vorzulegen, zuzustimmen.
Das Wort hat die Kollegin Birgit Homburger, F.D.P.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir dürfen heute über einige Themen diskutieren, die zusammengestellt wurden, obwohl sie nur wenig gemeinsam haben. Das ist ja schon einmal festgestellt worden. Ich will die Weisheit derer, die das entschieden haben, nicht anzweifeln, aber ich sage einmal: Den Zusammenhang zwi-
Birgit Homburger
schen Altautos, Verpackungen und dem Naturschutzgesetz könnte man allenfalls darin sehen, daß auch in Naturschutzgebieten solche Dinge aufgefunden werden. Aber das war es dann auch schon.
Ich möchte mich zunächst einmal mit dem Naturschutzgesetz auseinandersetzen. Die Novellierung ist dringend notwendig. In vielen Bereichen sind die Belastungen der Umwelt offensichtlich rückläufig. Leider hält aber der Trend zum Verlust von Artenvielfalt und von Biotopen an. Deshalb ist wichtig, daß mit der Novelle die Instrumente des Naturschutzes wirksamer gestaltet werden. Dazu gehört auch die Umsetzung der EU-Regelung zum Vogelschutz und der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie, mit der das europäische Biotopverbundnetz Natura 2000 geschaffen werden soll. Damit kommen wir von den Insellösungen weg, die für viele Tiere und Pflanzen keinen ausreichenden Lebensraum mehr bieten.
Jetzt sind allerdings auch die Bundesländer gefordert, endlich die Schutzgebiete auszuweisen und der EU zu melden. Dabei genügt es eben nicht, einfach die bestehenden Naturschutzgebiete völlig losgelöst von den Kriterien der FFH-Richtlinie anzumelden. Die Umsetzung der FFH-Richtlinie ist ein klassisches Beispiel für die Tatenlosigkeit der Länder, Frau Mehl,
und dort haben vorwiegend Sie und die Grünen die Verantwortung.
Der Gesetzentwurf des Bundesrates zur Umsetzung der FFH-Richtlinie, zu dem ich jetzt auch einmal etwas sagen möchte, wird von der Bundesregierung, wie ich finde, zu Recht abgelehnt. Er genügt nämlich noch nicht einmal im geringsten den Anforderungen der Richtlinie, da das Artenschutzrecht völlig ausgespart ist. Das, was mit diesem Gesetzentwurf vorgelegt wird, ist von der Gesetzgebungskompetenz des Bundes auch nicht abgedeckt.
Wenn Sie hier von der Bundesregierung die vollständige Umsetzung der FFH-Richtlinie fordern und gleichzeitig einen Bundesratsentwurf unterstützen, der das mitnichten tut, dann ist das, ehrlich gesagt, Widerspruch pur. Das kann man hier so nicht durchgehen lassen.
Ferner läuft der Gesetzentwurf des Bundesrates allen Bemühungen um Vereinfachung des Genehmigungsverfahrens zuwider. Die Länder sollten aktiven Umweltschutz betreiben und nicht auf Alibigesetze ausweichen.
Genauso notwendig ist es auch - das haben Sie ja auch bezweifelt -, die Landwirtschaft stärker in den Naturschutz einzubinden.
- Genau zu diesem Punkt komme ich gleich. - Die
Einbindung der Landwirtschaft darf aber nicht gegen die Landwirte erfolgen und auch nicht, ohne die
Bedeutung der Landwirtschaft für den Erhalt unserer Kultur- und Erholungslandschaft zu berücksichtigen.
Fast 84 Prozent der Fläche Deutschlands werden heute land- und forstwirtschaftlich genutzt. Der Ausbau des kooperativen Vertragsnaturschutzes entspricht daher ebenso der Forderung der F.D.P. wie die vorgesehene Entschädigung der Landwirtschaft.
Dort, wo standortbedingte Naturschutzanforderungen zu wirtschaftlichen Einbußen der Betroffenen führen, müssen die Länder auch für die angemessene Entschädigung sorgen. Das entspricht dem Schutz des Eigentums. Nur so wird Naturschutz in den ländlichen Gebieten nach unserer Überzeugung auch die erforderliche Akzeptanz finden. Die Kritik des Bundesrates an den finanziellen Lasten ist unberechtigt, und es ist schon eine ziemlich interessante Einstellung des Bundesrates, daß er die Ausgleichszahlungen für Eingriffe in Eigentumsrechte als Subvention bezeichnet.
Die Horrorzahlen, die dort verbreitet werden, entbehren jeder Grundlage, weil sie von falschen Voraussetzungen ausgehen. Ausgleichspflichtige Nutzungseinschränkungen kommen nämlich in erster Linie nur in streng zu schützenden Gebieten in Betracht. Deshalb ist die Kostenschätzung der Bundesregierung von 20 bis 40 Millionen DM pro Jahr für alle Länder zusammen realistisch und auch vertretbar. In den Gesetzentwürfen von SPD und Grünen, die heute ja nicht zur Debatte stehen, über die wir aber schon gesprochen haben, ist dagegen keinerlei Entschädigungsregelung vorgesehen. Dazu kann ich nur sagen: Das ist rot-grüne Politik zu Lasten des ländlichen Raums.
Frau Kollegin Hustedt, an dieser Stelle, an der es ja um den Vertragsnaturschutz geht, geht es auch um die Freiwilligkeit von Maßnahmen, um das Setzen auf Einsicht und freiwillige Vereinbarungen, die Sie ja wieder hinreichend mit dem Hinweis darauf kritisiert haben, dieses kalte und unsoziale Gesellschaftsmodell der F.D.P. sei in keiner Weise mehr tragbar und fände auch keine Mehrheiten. Ich denke, Frau Hustedt, daß die Menschen mehr und mehr die Schnauze von der Überregulierung und der Überversorgung voll haben: davon, daß jede Kleinigkeit von irgendeiner staatlichen Absicherung begleitet werden muß,
daß Sie die Eigenverantwortung sozusagen an der Haustüre abgeben und daß sie überhaupt keine Rolle mehr spielt. Mit diesem Abschieben der Verantwortlichkeit auf Versicherungen und Staat produzieren Sie nicht etwa Wärme, wie Sie es immer vorgeben, sondern eigentlich staatliche Kälte und Bürokratismus. Genau das wollen die Leute nicht mehr haben. Deswegen lehnen wir das auch ab, was Sie
Birgit Homburger
immer vorschlagen, und deswegen ist die Diskussion, die wir führen, vollkommen richtig.
Frau Homburger, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Hustedt?
Gerne. Vizepräsident Hans-Ulrich Klose: Bitte.
Können Sie sich vielleicht vorstellen, daß es genau andersherum ist, daß es nämlich eine große Bereitschaft in diesem Lande gibt und daß diejenigen, die sich auf den Umweltschutz einstellen, auf Grund des mangelnden politischen Handelns nicht belohnt werden, sondern diejenigen, die weiter die Umwelt verschmutzen, weil nämlich alle gleichbehandelt werden, und daß es richtig wäre, wenn man Bürgeraktivitäten - egal, ob von Unternehmern, der Kirche oder von Gewerkschaften - unterstützen will, die politischen Rahmenbedingungen zu schaffen, die dazu führen, daß Umweltschutz tatsächlich materiell und auch moralisch unterstützt und nicht mit Umweltverschmutzung gleichbehandelt wird?
Frau Kollegin Hustedt, es gibt eine große Bereitschaft, die Anforderungen und die Erfordernisse des Umweltschutzes auch in der Wirtschaft und im gesellschaftlichen Zusammenleben zu berücksichtigen. Die Akzeptanz dessen ist in der Bevölkerung gewiß schon relativ hoch. Gleichwohl sehen wir die Situation, daß die Akzeptanz bei den einzelnen sinkt, wenn sich soziale und wirtschaftliche Probleme verstärken, die die persönliche Lebensplanung betreffen.
Ich will damit nicht sagen, daß wir da überhaupt nichts mehr machen müßten. Der Dissens liegt in der Frage, über die wir beide uns streiten: Wie beziehen wir die Erreichung notwendiger Umweltschutzziele in die gesamte politische Gestaltung ein?
Dissens gibt es beispielsweise auch bei dem, was Sie gerade zum ökologischen Steuerkonzept gesagt haben. Sie fangen immer an, oben draufzusatteln. Sie setzen immer etwas zusätzlich obendrauf. Da kommt noch mal eine Regulierung, noch mal eine zusätzliche Anforderung.
In Ihren Vorschlägen wird Ordnungsrecht nicht etwa durch marktwirtschaftliche Lenkungsinstrumente ersetzt. Nein, ein marktwirtschaftliches Lenkungsinstrument wird auf Ordnungsrecht oben draufgesetzt.
Bei Ihrem Steuerkonzept - auch das habe ich Ihnen schon einmal erklärt - besteht der große Fehler darin, daß Sie denken, Sie könnten auf eine eh schon hohe Steuer eine zusätzliche ökologische Steuer
draufsetzen, um damit die Abgaben an anderer Stelle zu reduzieren.
Das sagen Sie die ganze Zeit. Sie wollen mit der ökologischen Steuer die Lohnzusatzkosten reduzieren. Das ist Ihr Konzept.
- Nein, das ist eben nicht vernünftig; das ist absolut unvernünftig, weil es die Staatsquote weiter erhöht und weil es Eigenverantwortung reduziert.
- Ich setze mich gerade mit dem Konzept der Grünen auseinander. Da stimmt das nicht.
- Ihres ist auch nicht aufkommensneutral. Das alles haben wir hier schon im Detail debattiert.
Den Anschein, den Sie nach draußen erwecken, und das, was in Ihren Anträgen steht, deckt sich in keiner Weise. Das ist der Weg, den wir nicht mitgehen. Wir wollen das machen, indem wir umschichten, indem wir umorientieren, und nicht, indem wir oben draufsatteln.
Ich will zum Bundesnaturschutzgesetz zurückkommen. Ich bin der Meinung, daß die Gesetzentwürfe von SPD und Grünen nicht nur in dem Punkt, den ich gerade angesprochen habe, untauglich sind. Da soll beispielsweise auch festgelegt werden, daß 10 oder sogar 15 Prozent der Fläche Deutschlands unter Natur- und Landschaftsschutz gestellt werden müssen. Ich finde, auch das ist der falsche Ansatz. Dadurch wird die zentrale Verantwortung der Länder im Naturschutz auf den Bund abgeladen. Wenn sie der Meinung sind, daß zu wenige Flächen unter Schutz gestellt sind, dann sollen die Länder mehr ausweisen. Bei denen liegt die entsprechende Verantwortlichkeit. Anscheinend können sich die rot-grünen Landesumweltminister in ihren Kabinetten nicht durchsetzen. Deshalb soll der Schwarze Peter jetzt auf den Bund abgeschoben werden.
Ich denke, Landesvollzugsprobleme lassen sich nicht mit der eingeschränkten Rahmengesetzgebungskompetenz des Bundes lösen.
Darüber hinaus sollen auch noch zusätzliche Genehmigungsverfahren eingeführt werden - als ob wir in Deutschland nicht schon ein Übermaß an Genehmigungsbürokratie hätten. Als Krönung wollen die Grünen dem Naturschutz ein Vetorecht einräumen. Genehmigungsverfahren würden dann nur noch im Einvernehmen mit den Naturschutzbehörden ablaufen. Dem Naturschutz soll also ein Recht eingeräumt werden, das so keinem anderen öffentlichen Belang eingeräumt wird.
Birgit Homburger
Wir plädieren an der Stelle für den Abbau von Bürokratie und für integrierte Verfahren, von denen Sie auch immer sprechen, von denen man in Ihren Anträgen aber leider nichts mehr merkt.
Wir Umweltpolitiker sollten gemeinsam auch den sogenannten Baurechtskompromiß, der die Berücksichtigung des Naturschutzes bei der Bauleitplanung in das Baugesetzbuch zieht, auch unter diesem Aspekt im Detail prüfen. Ich denke, daß die Anhörungen dafür sicher aufschlußreich sein werden.
Auf welch tönernen Füßen die Opposition mit ihrem Klagelied zum Naturschutz steht, macht die Stellungnahme des Bundesrates deutlich. Wie Naturschutz in Deutschland aussehen soll, weiß der rotgrün dominierte Bundesrat nicht. Er drückt sich um die Diskussion und Abwägung auch der widersprüchlichen Ausschußempfehlungen. Die pauschale Ablehnung des Regierungsentwurfs ist nichts als der bequeme Ausweg aus der Unfähigkeit, sich zu entscheiden. Wenn Sie sich einmal die Mühe machen, die einzelnen Voten der Ausschüsse des Bundesrates anzusehen, werden Sie sicherlich feststellen können, daß das, was ich jetzt gesagt habe, auch die Crux bei dem ist, was Sie machen: Sie sind nämlich überhaupt nicht bereit zu entscheiden, Sie sind überhaupt nicht bereit, auch Verantwortung für das zu übernehmen, was Sie vorschlagen, sondern da wird einfach einiges parallel nebeneinandergestellt. So wird zum Beispiel auch vom Agrarausschuß des Bundesrates durchaus ein Ausgleich oder eine Entschädigungsregelung gefordert, die Sie hier unisono und glattweg ablehnen.
Ich wende mich jetzt dem zweiten Themenkomplex zu. Die Novelle zur Verpackungsverordnung ist für die F.D.P. ein wichtiges Vorhaben. Schon von den Anfängen der Verpackungsverordnung an haben wir den mangelnden Wettbewerb beklagt. Unsere Vorstellungen über mehr Wettbewerb durch Ausschreibungspflichten, Kostentransparenz und Zugangserleichterungen für alternative Systeme sind im jetzt vorliegenden Entwurf enthalten. Ich freue mich, daß es gelungen ist, das hereinzunehmen.
Die geplante Neuregelung der Pfandpflicht ist besser als die bisherige Regelung geeignet, die hohe Mehrwegquote in Deutschland zu halten. Dennoch bleibt sie eine unbefriedigende Lösung. Besser wäre nach unserer Auffassung ein Lizenzmodell, das nach den jetzt vorliegenden Gutachten das effektivste umweltpolitische Instrument für diesen Bereich wäre. Über die direkte Kostenanlastung wäre es im übrigen auch ein sehr gutes Beispiel für marktwirtschaftliche Instrumente im Umweltschutz, und deswegen fordere ich die Bundesregierung an dieser Stelle nochmals auf, die Umsetzung dieses Ansatzes voranzutreiben.
Die Forderung der SPD, nur noch ökologisch sinnvoll werkstofflich verwertbare Verpackungen durch das DSD einzusammeln, ist im übrigen nicht realisierbar. Wer soll denn entscheiden, was ökologisch sinnvoll verwertbar ist? Das würde dazu führen, daß ein Gutachten nach dem anderen erstellt würde und das DSD am Ende nicht mehr wüßte, welche Verpakkungen es denn nun einsammeln darf und welche nicht. Für den Verbraucher hieße das im übrigen, noch eine zusätzliche Müllsorte unterscheiden lernen, noch eine Kennzeichnung auf der Verpackung, die interpretiert werden muß, zusätzlich zu einer eindeutigen Kennzeichnung von Einweg und Mehrweg natürlich. Wenn das so weitergeht, meine Damen und Herren, brauchen wir demnächst die Verpakkung um die Verpackung, um Platz für alle nötigen Kennzeichnungen zu schaffen.
Das „Beste" jedoch ist die Forderung, nicht verwertbare und umweltschädliche Verpackungen mit dem übrigen Hausmüll zu entsorgen. Das hieße dann Müllverbrennung. Ich kann nur sagen, SPD und Grüne führen einen umweltpolitischen Salto vor, einen Salto rückwärts im übrigen. 1991 drückten Sie im Bundesrat die ausschließlich stoffliche Verwertung durch und verteufelten die Verbrennung. Jetzt, wo Müllverbrennungsanlagen Überkapazitäten haben, wollen Sie Kunststoffverpackungen wieder in die Müllöfen werfen. Sie verzichten sogar auf die energetische Verwertung bei dem, was Sie gestern als Änderungsanträge vorgelegt haben. Das vorgeschlagene Finanzierungssystem zur Vermeidung nicht verwertbarer Verpackungen heißt auf deutsch Verpackungsabgabe. Sie nennen das nicht so, aber de facto ist das so, was Sie da aufgeschrieben haben.
Auch das ist für uns kein gangbarer Weg, und zwar deswegen nicht - Frau Caspers-Merk, Sie wissen das ganz genau -, weil es im Bereich der Verpackung und beim DSD durch die Gestaltung des Gebührensystems dazu gekommen ist, daß ökologisch schlechter wiederverwertbare Verpackungen deutlich teurer sind als die besser wiederverwertbaren Verpackungen. Dieses Gebührensystem hat mit dazu geführt, daß es zu einem unterschiedlichen Trend bei den Verpackungen gekommen ist, daß wir in diesem Bereich auch Veränderungen bekommen haben, daß es im übrigen auch zur Vermeidung gekommen ist und daß eben das Zurückgreifen auf ökologisch sinnvollere Verpackungen stattgefunden hat. Wenn Sie jetzt in diese Situation hinein, wo wir das mit einer Gebührenstaffelung geschafft haben, auch noch eine Verpackungsabgabe oben draufsetzen wollen, dann ist das eben genau das, was ich Ihnen vorher vorgeworfen habe - als Sie alle so gebrüllt haben, ich würde es nicht kapieren -, nämlich daß Sie oben draufsatteln, denn Sie sagen nicht, daß Sie das DSD und seine Gebühren abschaffen wollen.
Für das Altautorecycling hat die Automobilbranche eine Selbstverpflichtung abgegeben, die nun mit der Altautoverordnung die rechtlichen Rahmenbedingungen erhalten soll. Die Verpflichtung, die zu beseitigenden Abfälle aus der Altautoentsorgung von derzeit 25 Gewichtsprozent bis zum Jahr 2002 auf 15 Prozent und auf 5 Prozent im Jahre 2015 zu reduzieren, wird die Sonderabfallmengen weiter verringern.
Birgit Homburger
Eine umweltgerechte Betriebsweise der Verwertungsbetriebe, zum Beispiel beim Umgang mit wassergefährdenden Flüssigkeiten, werden wir durch die Zertifizierung erreichen. Aber es kommt dabei eben auch auf die Qualität der Zertifizierung an. Die F.D.P. unterstützt die Altautoverordnung, mit der die freiwillige Selbstverpflichtung der Autobranche flankiert wird. Die Automobilhersteller werden damit in die Verantwortung für das Recyceln der Fahrzeuge genommen.
Mit der Selbstverpflichtung geben wir der Autoindustrie aber auch einen Vertrauensvorschuß, und zwar erstens dahin gehend, daß sie nicht die freiwillige Rücknahme der Altautos dazu nutzt, um ein eigenes, markengebundenes Verwerternetz zu Lasten der mittelständischen Verwertungsbranche auf zubauen, und zweitens dahin gehend, daß sie alle Anstrengungen unternimmt, die Verwertung auszubauen und den Sondermüll aus Shredderabfällen zu reduzieren.
Deshalb haben wir im Rahmen der parlamentarischen Beratung gestern auch noch eine Klarstellung im Text der Altautoverordnung vorgenommen, die dem Ziel dient, die Marktzugangschance für mittelständische Verwertungsbetriebe klarzustellen.
Frau Kollegin Homburger, gestatten Sie eine Zwischenfrage Ihres Kollegen Koppelin?
Gern.
Kollegin Homburger, sind wir beide einer Auffassung, daß die F.D.P. zwar Inhalt und Ziel dieser Verordnung unterstützt, aber sicher nicht - jedenfalls tue ich es nicht - den Text? Ich darf Ihnen einmal eine Kostprobe des Textes aus §3 geben - ich weiß nicht, ob er Ihnen bekannt ist -:
Wer sich eines Altautos entledigt, entledigen will oder entledigen muß, ist verpflichtet, dieses nur einem von Herstellern oder Vertreibern eingerichteten anerkannten Verwertungsbetrieb oder einer von diesen eingerichteten anerkannten Annahmestelle zu überlassen, es sei denn, er überläßt es einem anderen anerkannten Verwertungsbetrieb oder einer anderen anerkannten Annahmestelle.
Das geht bis hin zur Regelung betreffend Hinweisschilder. Zum Beispiel heißt es für die Annahmestellen:
Im Bereich der Einfahrt ist ein Hinweisschild mit Name, Anschrift und Öffnungszeiten des Betriebes zu befestigen.
Ist das ein Beispiel für den schlanken Staat, von dem wir alle sprechen?
Herr Kollege Koppelin, was den ersten Satz, den Sie berechtigterweise zitiert haben, angeht: Den haben wir gerade gestern verständlicher gemacht.
Was die ganzen Vorschriften im Anhang angeht, so bestand der Wunsch, zu klären, wie Betriebe zertifiziert und zugelassen werden sollen. Auch wenn der Text denjenigen, die ihn nicht verhandelt haben, zu lang erscheint: Es war anfangs dreimal so lang. Insofern ist das schon eine Leistung. Sie wissen ja, wie das ist mit der Deregulierung: Man fängt am besten damit an, die Berge, die man vorgelegt bekommt, zu reduzieren.
Frau Kollegin Homburger, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage des Kollegen Koppelin?
Herr Präsident, ich möchte gerne mit Rücksicht auf die Kollegen weitermachen.
Die Hinweise, daß einzelne Hersteller von ihren Vertragsverwertern die Zerstörung von Ersatzteilen verlangen, nimmt die F.D.P. sehr ernst. Der Mißbrauch der Fahrzeugrücknahme, um den Markt an Gebrauchtersatzteilen zugunsten von Neuersatzteilen zu verknappen, widerspräche den jetzt mit der Selbstverpflichtung gegebenen Verwertungszusagen. Die F.D.P. geht daher davon aus, daß solche Praktiken in Zukunft eingestellt werden. Im übrigen werden solche Praktiken auch durch die Altautoverordnung erschwert. Denn ein Betrieb, der solche Kooperationsverträge unterschreibt, kann nicht zertifiziert werden. Ich halte das auch für richtig.
Die Vorschläge der SPD können dabei nicht überzeugen, Frau Caspers-Merk. Der Vorschlag, das niederländische Modell - Sie haben ihn schon vorhin bei der Rede der Frau Bundesministerin eingebracht - einer Fondslösung bei der Altautoentsorgung auf Deutschland zu übertragen, bedeutet eine Abkehr von unserem Ziel der Produktverantwortung und von dem, was auch Sie einfordern. Wir haben unsere Konstruktion bewußt so gewählt, daß der Hersteller am Ende des Lebenszyklus eines Produktes dafür verantwortlich ist, es zurückzunehmen. Denn, Frau Caspers-Merk, wir wollen erreichen, daß diese Hersteller vom ersten Augenblick an - schon beim
Birgit Homburger
Design des Produkts — Umweltschutz und ressourcenschonende Produktion im Blick haben.
Das ist unsere Definition von Produktverantwortung.
Was Sie fordern, bedeutet, diese Verantwortung dem Hersteller zu nehmen und sie einem Fonds zu übertragen. Das wird dem Ganzen nicht gerecht. Bei dieser Lösung zahlt nämlich der Neuwagenkäufer in den Verwertungsfonds. Von Verantwortung der Hersteller keine Spur! So erreicht man im übrigen auch keinen Anreiz zur Abfallvermeidung.
Das, was Sie, Frau Caspers-Merk, vorschlagen, ist ein reines Finanzierungsmodell und nichts anderes. Das zeichnet Sie auch aus. Im Erfinden von neuen Finanzquellen sind Sie ganz groß.
Die Forderung der SPD nach einer Altreifenverordnung ist im übrigen ein Mißtrauensvotum gegen die Landesregierungen bei ihrem abfallrechtlichen Vollzug. Nach dem Kreislaufwirtschaftsgesetz und der Abfallbestimmungsverordnung unterliegen Altreifen der Nachweispflicht. Darüber haben wir gerade im Ausschuß gesprochen. Die Behörden haben das Instrument, um die Entsorgung und Verwertung der Altreifen zu kontrollieren. Das müßte eigentlich genügen.
Ich habe nicht die Illusion, daß der Bundesrat die beiden Verordnungsentwürfe unverändert akzeptieren wird. Eine solche Eingebung von Vernunft wäre wirklich überraschend. Die F.D.P. ist froh darüber, daß der Deutsche Bundestag dann die Gelegenheit haben wird, am Verhandlungstisch zu sitzen, um vernünftige Lösungen zustande 'zu bringen. Die F.D.P. ist dazu gern bereit.
Das Wort hat die Kollegin Eva Bulling-Schröter, PDS.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Im vorigen Beitrag wurde einiges über Überversorgung und Überregulierung gesagt, wie immer, wenn die F.D.P. spricht. Mich würde einmal interessieren, was die Kollegen Bauarbeiter, die heute vor dem Arbeitsamt stehen und ihr Arbeitslosengeld nicht erhalten, über das Thema Überversorgung und Überregulierung denken. Das ist eine soziale Frage, und ich denke, Ökologie und soziale Fragen kann man nicht trennen.
Ich möchte ein Beispiel aus meinem Wahlkreis nennen. Dort werden 28 Menschen von der Caritas entlassen, weil die Elektronikschrottverordnung nicht in Kraft tritt. Das heißt, man ist nicht konkurrenzfähig, und der Elektronikschrott wird nicht abgenommen. Dadurch werden Arbeitsplätze vernichtet. Selbst wenn man wettbewerbsfähig sein will, geht es manchmal nicht; deshalb werden Menschen entlassen. Ich denke, Überversorgung und Überregulierung sind der falsche Ansatz.
Frau Merkel hat bereits zu Fragen der Verbesserung der Umwelt gesprochen. Es sind unserer Meinung nach sehr viele Dinge der End-of -pipe-Technologie, die hier besprochen wurden. In der Bundesrepublik wurden deutliche Emissionsreduzierungen erzielt ebenso wie in den skandinavischen Ländern.
Die Umweltpolitik war also vor allem in der zweiten Hälfte der 80er Jahre in den klassischen Bereichen des Umweltschutzes erfolgreich: Luftreinhaltung, Gewässerschutz und teilweise in der Abfallwirtschaft, auch bezüglich bestimmter gefährlicher Stoffe wie zum Beispiel Halogenen und FCKW.
Antrieb waren die offensichtlichen und spürbaren Verschlechterungen der natürlichen Umwelt Anfang der 80er Jahre und das Erstarken der Umweltbewegungen, die in dieser Debatte bisher kaum eine Rolle gespielt haben.
Eine Kritik des Wirtschaftswachstums und des ständig steigenden Ressourcenverbrauchs oder gar Maßnahmen zu deren Beschränkung, eine Änderung der Verkehrspolitik oder die umfassende Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger an umweltrelevanten Genehmigungsverfahren standen und stehen allerdings nach wie vor nicht zur Diskussion.
In der folgenden, bis heute anhaltenden Phase deutscher Umweltpolitik wurden selbst die Vorzeichen der wenigen fortschrittlichen Ansätze umgekehrt: Die Verantwortung für substantielle ökologische Fragen wurde an privat-öffentliche oder private Gremien delegiert, beispielsweise beim Umweltaudit oder bei der Altautoverordnung. Umweltstandards im Wasserrecht oder der Gentechnik werden teilweise abgebaut.
Überregionale Verkehrstrassen werden zu Lasten des regionalen öffentlichen Verkehrs ausgebaut, und es wurde eine drastische Deregulierung im Bereich der Bürgerbeteiligungen eingeleitet.
Die deutsche Umweltpolitik wurde also noch deutlicher den Interessen der Wirtschaft untergeordnet. Die Durchsetzungskraft der Bundesumweltministerin scheint unter der ihres Vorgängers zu liegen. Zwar bringt Frau Merkel einige lang angekündigte Projekte auf den Weg wie beispielsweise die Novelle zum Naturschutzgesetz und zum Bodenschutzgesetz, allerdings zu einem hohen Preis, wie wir sehen.
Ein CDU-Abgeordneter aus diesem Haus sagte kürzlich, sie sei etwas pragmatischer als ihr Vorgänger. Das soll wohl heißen, daß das Umweltministerium nun zugunsten einer zügigen Verabschiedung unter dem stärkeren Druck der Wirtschaft deutliche Abstriche an essentiellen Umweltinteressen macht. Der Regierungsentwurf der Novelle zum Naturschutzgesetz macht dies deutlich.
Deutschland betätigt sich auch in der europäischen Umweltpolitik zusehends als Bremser. So wurde auf Initiative des Bundeskanzlers und des britischen Premiers 1993 die sogenannte „Molitor-Gruppe " eingerichtet, die das bestehende Umweltrecht auf seine Auswirkungen auf Produktionskosten und Wettbewerbsfähigkeit untersuchen sollte. Ziel war und ist die weitere Deregulierung des Umwelt-
Eva Bulling-Schröter
rechts. Mit dem Totschlagargument „Standort Deutschland" werden Umwelt- und Bürgerbeteiligungsstandards nach unten reguliert. Das ist eine rückwärtsgewandte Politik zugunsten der Profitmaximierung großer Konzerne.
Auf europäischer Ebene gehört Deutschland auch bezüglich des lange geforderten Verbandsklagerechts und der Weiterentwicklung der Umweltverträglichkeitsprüfung eindeutig zu den Bremsern. Dies stellten auch zahlreiche Sachverständige in der Bundestagsanhörung zu Maastricht II und europäischer Umweltpolitik fest. Im Hinblick auf eine Klimaschutzsteuer läuft Deutschland hier mit denen mit, die letztlich eine wirksame Steuer verhindern wollen.
Die Bundesregierung gehört zu den Unterzeichnern der Rio-Konvention über biologische Vielfalt und ist an die im Mai 1992 vom EG-Ministerrat verabschiedete Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie der Europäischen Union gebunden. Letztere hätte sie bis zum 9. Juni 1994 in bundesdeutsches Recht umsetzen müssen, was bis jetzt noch nicht geschehen ist. Laut dieser Richtlinie soll Deutschland innerhalb des Schutzgebietsystems „Natura 2000" das Kernstück dieses europaweiten Netzes besonders geschützter Lebensräume bis zur Jahrtausendwende bereitstellen.
Doch was geschieht? In Deutschland werden Tag für Tag 90 Hektar Land versiegelt. Dies entspricht jährlich der Fläche der Stadt Frankfurt am Main. Von 1970 bis 1995 wurden zirka 1,3 Millionen Hektar Land überbaut, was der hundertfachen Fläche des Bayerischen Waldes oder 3,6 Prozent der Gesamtfläche der Bundesrepublik entspricht. Allein der Anteil an der Gesamtfläche der Bundesrepublik, der durch Verkehrsflächen versiegelt wurde, beträgt 12,7 Prozent. Dagegen beträgt der Anteil von Schutzgebieten an der Gesamtfläche noch nicht einmal 2 Prozent.
Die Bundesumweltministerin hatte sich jedoch schon einmal in ihrer Magdeburger Erklärung zu einem Anteil von Vorranggebieten für den Naturschutz in Höhe von 10 Prozent der bundesrepublikanischen Gesamtfläche bekannt. Die Realisierung dürfte aber aus zwei Gründen in den Sternen stehen: Zum einen hat der Naturschutz keine so allmächtige Lobby wie beispielsweise der Straßenbau. Dies drückt sich deutlich im gerade beschlossenen Bundesetat aus, in dem im Verkehrshaushalt allein für die Erhaltung sowie für den Um-, Aus- und Neubau von Bundesautobahnen und Bundesstraßen das Fünffache des gesamten Umwelthaushaltes zur Verfügung steht.
Zum anderen wird der Naturschutz noch von einer anderen Seite in die Zange genommen. Die Landwirtschaft schafft es immer wieder, ihre Lobby so in Stellung zu bringen, daß die Subventionen fließen, Emissionsverordnungen wie die Düngemittelverordnung zahnlos bleiben und Naturschutzflächen gegenüber landwirtschaftlich genutzten Flächen um ihre Berechtigung kämpfen müssen. Die vorliegende Novelle zum Naturschutzgesetz manifestiert ihre Verwertungsinteressen sowohl mit der vorne gestrichenen und hinten wieder eingeführten Landwirtschaftsklausel als auch mit den Regelungen zu den
Ausgleichszahlungen und dem Erschwernisausgleich.
Hier wird das Eigenrecht der Natur weitgehend ignoriert. Zudem würden die Naturschutzhaushalte der Länder erheblich geschröpft werden, was ihr Interesse an der Ausweisung neuer Schutzgebiete nicht nur in rot-grünen Ländern in Grenzen halten dürfte.
Die Schutzgebietskategorien des Regierungsentwurfs bleiben hinter den Anforderungen eines modernen Naturschutzverständnisses zurück. „Nicht die Ausweitung von Inseln, sondern die Integration des Naturschutzes in die Landnutzung ist ein Modell für die Zukunft", so formuliert es der Deutsche Naturschutzbund in seiner Forderung nach der Schutzgebietskategorie „Biosphärenparks". Diese würde einen großräumigen Naturschutz mit verschiedenen Schutz- und Pufferzonen bedeuten, der nicht gegen, sondern nur mit Landwirtschaft und Gewerbe verhandelt werden kann. Erfahrungen aus den von der DDR unter Schutz gestellten Gebieten liegen vor. Der Antrag der Bündnisgrünen greift diese auf.
Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, Naturschutz darf nicht erst in Schutzgebieten anfangen. Bürgermeisterinnen, Bürgermeister und Kommunalparlamente in Städten und Gemeinden sollten sich überlegen, ob sie jeden Zentimeter Grün domestizieren wollen oder sich auch einmal den Mut zur Wildnis leisten dürfen, wie es der BUND formuliert. Es ist nicht nur der wirtschaftliche oder soziale Druck, der Kommunen und Länder dazu treibt, ständig die lokale Bauindustrie am Leben zu erhalten, es ist auch eine gehörige Portion Ignoranz im Umgang mit der Natur, wenn dauernd an Geländeprofilen, Wiesen und Hecken herumgeschnitzt wird.
Wenn wir uns beispielsweise die Verkehrspolitik des Bundes und der Länder anschauen, dann wird allerdings allzu deutlich, daß es hier nicht um ein falsches Verständnis von Naturnutzung, sondern um handfeste Interessen und vor allem um Unmengen Geld geht. Ein gutes Naturschutzgesetz, wie im Entwurf der Bündnisgrünen vorgeschlagen, kann hier einiges abfedern.
Ich komme zum Schluß. Damit nicht weiterhin mit dem Hintern dreimal mehr eingerissen wird, als mit den Händen auf dem Gebiet des Naturschutzgesetzes aufgebaut wurde, ist eine grundsätzlich andere, tatsächlich nachhaltige Wirtschaftsweise erf orderlich. Daß daran in der Wirtschaft wenig Interesse besteht, zeigt der Regierungsentwurf in anschaulicher Weise.
Das Wort hat der Kollege Dr. Klaus Lippold, CDU/CSU.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie müssen doch nicht schon unruhig werden, wenn ich nur nach vorne gehe.
Daß etwas über Sie kommen wird, ist völlig klar. Das geschieht auch völlig zu Recht. Es heißt ja, daß wir hier im Plenum eine Debatte haben. Debatte bedeutet, sich mit Ihnen auseinanderzusetzen und nicht vom Blatt zu dozieren.
Fangen wir also mit Ihnen an, Frau Hustedt. Ihre vermeintliche Frage an die Ministerin war im Grunde genommen eine Kritik, warum die Ministerin nur über Bundesnaturschutzgesetz, Altautoverordnung und Verpackungsverordnung redet und nicht über den internationalen Umweltschutz. Bei den Grünen ist das beliebig; man kann es haben, wie man will:
Wenn die Ministerin, zum Beispiel in Berlin, ausführlich darlegt, daß wir im Umweltschutz international führend sind, daß wir die verschiedenen Konventionen angeregt haben, daß wir treiben, geht der Kollege Joseph Fischer ans Mikrophon und sagt, das alles lenke nur von den inneren Problemen dieser Republik ab. Sie müsse sich mit den großen Fragen, die wir hier in Deutschland zu lösen hätten, auseinandersetzen.
Jetzt setzt sie sich hier mit den deutschen Fragen auseinander. Da kommen Sie, wechseln das Blatt aus und sagen: Da sie die deutschen behandelt hat, hat sie die internationalen Probleme nicht behandelt.
Sie müssen sich einmal darüber einig werden, daß, wenn wichtige Punkte hier zur Diskussion stehen, wir entscheiden, wer von uns zu was etwas spricht.
- Nein, ich bin mit Ihnen noch nicht fertig. Sie können gleich weitermachen.
Herr Kollege Lippold, Entschuldigung. Gestatten Sie - -
Entschuldigung. Sie entscheiden das. Ich lasse sie aber im Moment nicht zu.
Sie müssen mich wenigstens fragen lassen.
Ich bitte um Vergebung, Herr Präsident.
Sie haben mich fragen lassen. Sie lassen nicht zu.
Dann kommt wiederum der gleiche Ansatz bei den gleichen Instrumenten. Sie legen Anträge vor. Da kritisieren Sie Selbstverpflichtungen und sagen, das sei ein untaugliches Element. Ich weiß nicht, ob Sie nicht auf dem Stand der Debatte sind. Aber in Hessen hat das rotgrüne Bündnis gerade eine Selbstverpflichtung, genannt Vereinbarung, mit der hessischen Wirtschaft abgeschlossen.
Wie kommen Sie eigentlich dazu, sich hier im Bundestag hinzustellen und zu sagen, das sei ein untaugliches Instrument, während Sie es an anderer Stelle praktizieren?
So geht es nicht: Hier unwissend Instrumente angreifen, von deren Tauglichkeit man sich andernorts überzeugt. Ich begrüße Lernvorgänge. Aber dann sollte man sie auch flächendeckend anwenden und hier im Deutschen Bundestag nicht wiederum die Untauglichkeit eines Instruments behaupten, das man anderswo jetzt zu praktizieren anfängt. Ich freue mich über diesen Lernfortschritt, weil Selbstverpflichtungen oder Vereinbarungen sinnvolle Instrumente sind.
Wir stehen dazu. Wir verbinden damit übrigens keine Konzeptionslosigkeit.
Vielmehr fordern wir eine ökologisch orientierte soziale Marktwirtschaft, dies nicht nur national, sondern weltweit. Das ist der Punkt. Das ist Ausdruck unseres konzeptionellen Denkens, das Erfolge zeitigt.
Insofern, glaube ich, können wir auf diesem Weg fortschreiten.
Damit Sie nicht sagen, wir seien international nicht erfolgreich: Klimakonvention, Biodiversitätskonvention, Wüstenkonvention, Deklaration zum Schutz der Wälder - wer hat dies alles denn international angestoßen? Das war diese Bundesregierung, begleitet von diesem Parlament und der Mehrheit der Koalitionsfraktionen. Wenn Sie irgendwo hinkommen und mit Kolleginnen und Kollegen anderer Parlamente sprechen, dann bewundern sie, wie weit wir in Deutschland im Umweltschutz gekommen sind. Ich will Ihnen sagen, wie weit wir gekommen sind. Auf der EU-Ebene, auf der wir bedauerlicherweise noch nicht zu gemeinsamen Entscheidungen im internationalen Klimaschutz gekommen sind, was die zentrale Frage der Konvention und der Weiterentwick-
Dr. Klaus W. Lippold
lung angeht, streiten sich die anderen Länder darüber, wie die Reduktionsraten, die die Bundesrepublik erzielt hat, zu ihren Gunsten verteilt werden, weil sie selbst nicht in der Lage sind, diese Reduktionsraten zu erzielen.
Das ist praktizierter Umweltschutz, den Frau Merkel zu verantworten hat. Wenn sie ihn insgesamt zu verantworten hat - dies füge ich hinzu -, hat sie auch die Erfolge zu verantworten. Dann muß man auch sagen, daß sie Erfolge hat. Sie haben gesagt, Herr Töpfer habe vor zehn Jahren gesagt, das Naturschutzgesetz sei notwendig. Was ist daran zu kritisieren? Sie ist zwei Jahre im Amt und hat es realisiert. Ich beglückwünsche Sie dazu, Frau Minister! Was andere angekündigt haben, haben Sie durchgesetzt. Das ist doch etwas. Ich meine, man muß einmal verdeutschen, was Sie gesagt haben. Im Grunde war das, was Sie als Kritik unterbringen wollten, nichts anderes als ein Kompliment. Ich freue mich, auch wenn Sie es verstecken. Ich sage es dann in meinem natürlichen Deutsch, so daß die Leute es auch verstehen. Das muß so sein.
Dann wollte ich ganz kurz etwas noch zur Kollegin Mehl sagen. Frau Kollegin Mehl, Sie haben vieles gesagt, was im Bundesnaturschutzgesetz zu regeln sei. Frau Kollegin Homburger hat schon deutlich gesagt, daß Sie insbesondere das unterstrichen haben, was in die Kompetenz der von Ihnen geführten Bundesländer fällt, und Sie deshalb mit Ihren Ausführungen eine deutliche Kritik an SPD-geführten Bundesländern geübt haben, die sämtliche Möglichkeiten gehabt hätten, die Schutzgebietsausweisung zu nutzen. Kollegin Mehl, so einfach geht es nicht: Kompetenzen für sich als Bundesland zu verlangen, aber wenn es hinterher in die Finanzierung hineingeht, nicht mehr mitspielen zu wollen, Kompetenzen für sich als Bundesland zu verlangen, aber dort, wo die Schutzgebiete ausgewiesen werden müssen, nichts zu tun. Dort, wo Sie selbst Verantwortung tragen, wird nicht gehandelt. Wir handeln hier in Bonn, wo wir Verantwortung tragen. Wir können aber nicht dort Verantwortung tragen, wo Sie regieren - bedauerlicherweise, weil es zum Nachteil der Bürgerinnen und Bürger und auch zum Nachteil des Umweltschutzes ist. Aber leider sind die Verhältnisse so. Aber Sie sollten es dann nicht anders darstellen.
Die Verbandsklage, die Sie selbst nicht einmal in allen SPD-Ländern realisiert haben - es gibt noch einige vernünftige SPD-regierte Länder -, dann als zusätzliche Reglementierung einführen zu wollen, ist doch nun wirklich das Allerletzte.
Wenn Sie dann zu etwas kommen, wo wir fachlich zuständig sind, ändert sich Ihre Argumentation. Beim Vertragsnaturschutz reklamieren Sie es auf einmal für die Länder. Ich sage Ihnen ganz offen, Frau Mehl: Dort, wo wir zuständig sind, entscheiden wir - inhaltlich haben Sie gegen den Vertragsnaturschutz nichts gesagt -, wo wir nicht zuständig sind, überlassen wir es den Ländern und kritisieren, daß
die Länder dort für den Umweltschutz leider wenig oder nichts tun.
Jetzt wollte ich ein Wort noch zum Kollegen Koppelin und zur Altautoverordnung sagen.
- Das macht nichts. Das steht dann im Protokoll.
Ich finde es ganz lustig, wenn er hier eine Formulierung kritisiert, die auf Wunsch des Bundesjustizministeriums eingefügt wurde und die wir vorher so nicht haben wollten.
Jetzt kritisiert er sie, dann fällt das Bundesjustizministerium um. Jetzt ändern wir die Änderung und kommen wieder zur Altaussage. Man kann durchaus Selbstkritik üben, man kann sie auch öffentlich üben. Aber Kollege Koppelin sollte einmal überlegen, ob er unbedingt öffentlich Selbstkritik üben will. Alles, wovon er gesprochen hat, ist nicht unsere Kompetenz. Das ist ein In-sich-Geschäft unter freidemokratischen Freunden, und die sollten dies unter sich austragen. Ich wollte es nur einmal deutlich gemacht haben. Im übrigen waren damit inhaltlich keine Änderungen verbunden; sonst hätten wir es nicht zugelassen. Materiell hat sich also nichts getan. Liebe Freunde, so kann man das nicht handhaben.
Jetzt sind wir bei der Kollegin Bulling-Schröter. Frau Bulling-Schröter, es kommt selten vor, daß Oppositionsfraktionen uns loben. Sie haben jetzt wirklich gesagt, daß es in den 80er Jahren Erfolge im Umweltschutz gegeben hat. Warum erkennen Sie so etwas immer erst nach so langer Zeit? Ich sage ganz offen: Die Sozialdemokraten haben es in ihrem Lernprozeß noch nicht so weit gebracht.
Es gab wirklich umfangreiche Erfolge in den 80er Jahren. Ich wette, zehn Jahre weiter - dann werden Sie mit der PDS nicht mehr im Parlament sein -
wird vielleicht ein sozialdemokratischer Oppositionsredner hier am Pult verschämt sagen, daß wir in den 90er Jahren ganz hervorragende Erfolge im Umweltschutz hatten. Ich weiß, das braucht immer eine Zeit, bis das durchsickert.
Bei den Grünen heißt es ja „Vereinbarung" statt „Selbstverpflichtung" . Das ist eine vornehme Umschreibung; aber sie sind lernfähig.
Ich habe die Hoffnung, daß Sie das noch vor dem Jahre 2005 einsehen; denn wir waren doch in der Bundesrepublik ökonomisch erfolgreich.
Ich will jetzt nicht auf die einzelnen Punkte eingehen. Wenn Sie aber die Deregulierung ansprechen, muß ich Ihnen natürlich sagen, daß wir Vereinfachung brauchen. Eine Vereinfachung brauchen wir deshalb, damit wir schneller mehr Umweltschutz durchsetzen können.
Dr. Klaus W. Lippold
Wir können, wenn wir vereinfachen, dafür sorgen, daß kleine und mittlere Betriebe, die sonst unendliche Schwierigkeiten in der Realisation von Umweltschutz haben, diesen verwirklichen können. Dann tritt nämlich das ein, was der Kollege Koppelin gesagt hat: keine endlosen Verzögerungen, keine Schwierigkeiten bei der Interpretation, keine unendlich langen Verfahrenswege, keine Auseinandersetzungen mit den Behörden, wo es nicht nötig ist.
Aber auch hier will ich deutlich hinzufügen - Sie haben das nicht anklingen lassen, sondern ins Gegenteil verkehrt -: Wir haben mit der Umweltschutzvereinfachung, Frau Bulling-Schröter, keine materielle Abschwächung der Umweltschutzidee, der Umweltschutzsicherung und des Vorsorgestandards verbunden. Auf diesen Punkt bin ich auch stolz; denn es ist nicht einfach, eine so komplizierte Angelegenheit zu realisieren.
Herr Müller, ich will einmal ganz freundlich etwas zu dem sagen, was hier vorab zur Novelle des Bundes-Immissionsschutzgesetzes gesagt worden ist, daß wir, wie die Emissionsschützer selber sagten, an ihr heiliges Gesetz gingen und es kaputtmachten: Der Bundesrat hat zugestimmt; auch SPD-regierte Bundesländer gehören dazu. Ich bedanke mich für die Einsicht; denn jetzt haben wir, von der Union und der F.D.P. verantwortet, mehr Umweltschutz; Sie haben das eingesehen. Ich freue mich darüber. Die Kritik ist in sich zusammengefallen. So können wir deutlich machen, daß wir mit einer sachlich begründeten, materiell verantwortlichen und vorsorgenden Umweltpolitik für unsere Bürger sorgen.
Deshalb wünsche ich Angela Merkel auf dem weiteren Weg den gleichen Erfolg und die gleiche glückliche Hand.
Ich bedanke mich.
Das Wort zu einer Kurzintervention hat die Kollegin Michaele Hustedt.
Es ist doch immer wieder erfreulich, dem kläffenden Goldhamster der CDU/CSU-Fraktion zuzuhören.
Nicht so erfreulich ist, daß Sie nicht auf Inhalte eingehen und die Fakten auch noch verdrehen. Dazu möchte ich zwei Punkte sagen.
Der erste Punkt betrifft die Sonderabfallabgabe in Hessen. Es ist durchaus so, daß dies gegen die Grünen vorgenommen wurde. Das geht aber nicht so weit, wie die CDU die Selbstverflichtung sieht. Vielmehr hat Hessen die Sonderabfallabgabe für einen Zeitraum von drei Jahren ausgesetzt. Es wird dann mit den entsprechenden Betrieben eine Kommission gegründet, und die hessische Regierung hat konkrete Verpflichtungsziele festgelegt. Ein Unterschied zu den Vorstellungen der CDU ist zum Beispiel:
Wenn diese Verpflichtungen nicht eingehalten werden, wird die Sonderabfallabgabe wieder eingeführt.
Beim Klimaschutzziel dagegen werden zwar Selbstverpflichtungserklärungen ausgehandelt und Arbeitsgruppen gegründet - wenn ich nicht mehr weiter weiß, dann gründ ich einen Arbeitskreis -, aber es hat keine Konsequenzen, wenn das Klimaschutzziel nicht erreicht werden kann.
Damit bin ich beim zweiten Punkt. Herr Kollege Lippold, es ist Ihnen vielleicht entgangen: Ich habe nicht über den internationalen Klimaschutz gesprochen, sondern ich habe über den Klimaschutz hier in Deutschland gesprochen. In der Tat gibt es inzwischen nicht nur das RWI-IFO-Gutachten, von Herrn Rexrodt gesponsert, das eindeutig beweist: Wenn die Bundesregierung so weitermacht, den Irrweg weiterverfolgt, nur auf Selbstverpflichtungserklärungen zu setzen und auf weiteres staatliches Handeln zu verzichten, dann werden wir ab jetzt wieder zu steigenden CO2-Emissionen kommen.
Darauf müssen Sie reagieren; das war der Inhalt meiner Rede. Es reicht nicht aus, mit großem Pathos auf internationalen Konferenzen und hier im Bundestag Rexrodt zurückzuweisen und zu sagen: Kratz nicht weiter an dem Klimaschutzziel. Sie müssen jetzt sagen, wie Sie das Ziel umsetzen wollen.
Wenn alle Gutachter, inklusive des Bundesumweltamtes, sagen: „Ihr geht einen falschen Weg, ihr werdet das Ziel nicht ereichen", dann sind Sie verpflichtet, hier und heute zu sagen, wie Sie es erreichen wollen, sonst glaubt Ihnen kein Schwein mehr. Wir haben ja jetzt bald Weihnachten, aber an den Weihnachtsmann glauben wir doch alle nicht mehr.
- Entschuldigung, den Ausdruck „Schwein" nehme ich zurück. Wir sind alle keine Schweine. - Ihnen glaubt sonst kein Mensch im Bundestag und außerhalb des Bundestages. - Die Schweine hören wahrscheinlich nicht zu, sie haben ja keine Fernseher im Stall. - Sie müssen doch jetzt, nachdem diese Gutachten auf dem Tisch liegen, nachweisen und konkret sagen: Folgende Maßnahmen führen wir durch. Sonst glaubt Ihnen, wie gesagt, keiner mehr, daß das Klimaschutzziel tatsächlich zu erreichen ist, und betreiben tatsächlich nur Verbalradikalismus.
Frau Kollegin Hustedt, ob hier irgend jemand an den Weihnachtsmann glaubt oder nicht, will ich nicht entscheiden. Aber die Benennung eines Parlamentskollegen mit Tiernamen plus Adjektiv ist absolut unparlamentarisch und würde außerhalb des Hauses als Beleidigung gewertet. Deshalb rufe ich Sie zur Ordnung.
Zur Gegenrede hat der Kollege Dr. Lippold das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn Frau Hustedt den Vorgang vollständig haben will, muß sie sich auch deutlich machen, daß es hier um die Frage geht, ob ich Abgaben zur Lenkung verwende. Die Aussetzung der Sonderabfallabgabe - davon habe ich gesprochen - wird finanziell durch die Erhöhung der Grundwasserabgabe kompensiert.
Was Sie früher immer als Lenkung ausgegeben haben, ist ja wohl ganz offensichtlich nicht Lenkung sondern Finanzierung. Sie sollten hier ganz offen davon sprechen und auch sagen, daß Sie mit Ihrer Vorgehensweise Instrumente entwerten, die ansonsten nicht entwertet werden sollten. Das eine war ein Schritt in die richtige Richtung - da kann und muß man auch weitergehen. Nur paßt das nicht ganz ins Bild.
Ich will Ihnen ein Beispiel nennen, wie man es passend machen kann: Im Land Baden-Württemberg wird jetzt, nachdem es dort glücklicherweise eine andere Koalition gibt, die Sonderabfallabgabe kompromißlos abgeschafft. Vorhin wollte ich das nicht so deutlich sagen, weil man immer noch etwas in Reserve braucht, wenn solche Positionen vorgetragen werden. Ich sage also ganz deutlich: Wenn Sie sich an etwas orientieren wollen, dann nehmen Sie die Abschaffung der Sonderabfallabgabe in Baden-Württemberg, die dort, obgleich es diskutiert wurde, nicht auf eine andere Weise kompensiert werden soll.
Das ist ein Weg, wie ich ihn mag.
Dann haben Sie gesagt, wir müßten auf die Entwicklungen reagieren. Das nehme ich so auch nicht hin. Wir reagieren nämlich nicht, sondern agieren.
Ich will auch ganz deutlich sagen: Wenn es die Bundesrepublik Deutschland mit dieser Bundesregierung nicht gäbe, wäre international auf diesem Gebiet Stillstand. Wir könnten jetzt einmal durchdeklinieren: An der Spitze steht das vielgelobte USATeam, das im Umweltschutz global alles versprochen hat. Wir kämpfen jetzt darum, daß diesen Versprechungen Taten folgen. Ich habe immer noch die Hoffnung, daß mit dem zweiten Durchgang der Regierung Clinton mehr beim globalen Umweltschutz passiert als nach den Versprechungen im ersten Durchgang, worauf global Enttäuschungen und Frust zu registrieren waren, weil alle festgestellt haben: Dort wurde geredet und versprochen, die Versprechungen aber nicht gehalten.
Im Vergleich dazu haben Sie die Bundesregierung, die erstens Impulstreiber und zweitens überdurchschnittlich war, wenn ich das im Verhältnis zu den wesentlich reicheren USA sehe, die internationale Fonds für internationale Umweltschutzfragen dotierten, weil wir unserer Verantwortung gerecht werden und nicht nur reden. So viel Geld, wie zum Schutz tropischer Regenwälder und zum Abbau von FCKW jeweils in die internationalen Kassen geflossen ist, ist von keinem anderen aufgebracht worden; Sie können lange nach einem entsprechenden Vergleichspartner suchen.
Ich könnte es noch mehr konkretisieren, aber ich füge mich dem Präsidenten, der mir signalisiert hat, daß meine Zeit abgelaufen ist.
Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
Das Wort hat der Kollege Michael Müller, SPD.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben bei dem jetzigen Tagesordnungspunkt zwei Unterpunkte, die sich mit globalen Umweltfragen beschäftigen. Das ist zum einen der Kommissionsbericht „Welt im Wandel" und zum anderen das Jahresgutachten des Umweltrates zur dauerhaft umweltgerechten Entwicklung.
Ich will nicht verhehlen, daß ich vor dem Hintergrund dieser beiden Berichte die Debatte, wie sie hier teilweise abläuft, nur schwer nachvollziehen kann. Wenn man auf der einen Seite sieht, welche Probleme in diesen Berichten aufgelistet werden, und hier auf der anderen Seite beobachten muß, wie - Entschuldigung, wenn ich das sage - kleinkariert diskutiert wird, darf man sich nicht wundern, wenn die Politik nicht ernst genommen wird. Ich will das in aller Deutlichkeit sagen.
Es ist ein interessanter Punkt, daß wir in der Bundesrepublik eine zentrale Debatte zu dem Stichwort Globalisierung haben. Die beiden Berichte, in denen die eigentlichen Probleme der Globalisierung dargestellt werden, nämlich die wachsende Ungleichheit durch soziale Ausgrenzung eines großen Teils der Menschheit einerseits und die sich noch immer beschleunigende Umweltzerstörung andererseits, werden in der Debatte über die Globalisierung fast gar nicht erwähnt. Das ist ein eklatanter Widerspruch: Wir kennen die Probleme, und trotzdem finden diese Berichte über Globalisierung keine Beachtung.
Deshalb ist die öffentliche Debatte über Globalisierung in Wahrheit eine machtpolitische und ideologische Auseinandersetzung. Erst in zweiter Linie ist sie eine Auseinandersetzung mit den auf uns zukommenden Problemen.
Die beiden Berichte geben natürlich nur eine ausschnittartige Darstellung der Probleme. Sie beschränken sich auf die Ökologie. Das ist kein Vorwurf. Es liegt logischerweise am Auftrag der Kommission. Trotzdem: Die Punkte, die in den Berichten angesprochen werden, sind weitaus näher an den eigentlichen Standort- und Zukunftsfragen. Das ist ein eklatanter Widerspruch zu der Tatsache, daß öffent-
Michael Müller
lieh fast nur noch kurzsichtig unter kurzfristigen ökonomischen Gewinn- und Konkurrenzgesichtspunkten die Globalisierung diskutiert wird. Dies ist auf Dauer nicht hinnehmbar.
Über folgenden Widerspruch müssen wir nachdenken: Wieso kommt es - vorhin ist das schon einmal angesprochen worden -, daß wir das Hundertfache dessen wissen, was wir wissen müßten, um anders zu handeln, und trotzdem so wenig passiert? Ich halte nichts davon, der Politik dafür einseitig die Schuld zu geben. Es handelt sich um ein generelles gesellschaftliches und kulturelles Problem. Aber Tatsache ist, daß die Politik in der heutigen Situation eine besondere Verantwortung hat. Dieser Verantwortung wird sie nicht gerecht.
Ich will zur Verdeutlichung der Kritik auf einen aktuellen Punkt zu sprechen kommen. In der heutigen Situation braucht man mehr denn je unabhängige Behörden, die unbequeme Wahrheiten sagen. Frau Ministerin, wir appellieren von dieser Stelle ganz deutlich an Sie: Bitte lassen Sie nicht zu, daß das Bundesumweltamt weiter diszipliniert wird!
In dieser Situation brauchen wir Berichte, die ungeschminkt die Wahrheit sagen. Das ist im Interesse der Umweltpolitik und letztlich auch in unserem Interesse. Nehmen Sie Ihre Maßnahmen zurück!
Herr Schäuble hat am 7. April 1995 in der „Woche" erklärt: „Wir müssen, wenn wir ökologisch etwas verändern wollen, national vorangehen." Das war, bevor der Bundeskanzler die Debatte über die ökologische Steuerreform in der CDU gestoppt hat. Herr Schäuble hat trotzdem recht. Wir wissen: Die alte Formel „Wachstum löst alle Probleme" trägt nicht mehr. Das kann heute niemand mehr bestreiten. Im Gegenteil: Wir wissen, daß gerade eine Beschleunigung des Wachstums, zumindestens unter den heutigen Bedingungen, die ökologischen Probleme weiter verschärft.
- Ich verweigere mich keinen Konsequenzen. Ich habe aber Schwierigkeiten mit den Leuten, die ständig über diese Probleme reden, aber nicht darüber nachdenken. Das ist unser eigentliches Problem.
Ihre Antwort, die auf die gescheiterten Konzepte der 20er Jahre zurückgreift, ist keine Antwort auf die Probleme von morgen.
- Ich habe schon eine ganze Menge Antworten gegeben. Herr Kampeter, auf Sie gehe ich in diesem Punkt nicht ein. Es wäre allerdings schön, wenn Sie ein bißchen häufiger im Umweltausschuß anwesend wären.
- Entschuldigung, wenn Sie mir so kommen, antworte ich entsprechend.
Ich will noch einmal auf den entscheidenden Punkt der Globalisierung eingehen. Globalisierung kann in vielen Tendenzen positiv sein. Ohne eine internationale, globale Kooperation kann beispielsweise der Schutz der Erde nicht gewährleistet werden. Auch zum Schutz des Klimas brauchen wir globale Antworten. Wir wollen global auch die Menschenrechte durchsetzen. Und wir wollen die globale Kooperation, um die wirtschaftliche Entwicklung dauerhaft zu stabilisieren.
Es ist aber interessant, daß die Debatte über Globalisierung so nicht geführt wird. Sie zielt vielmehr die Renationalisierung wirtschaftlicher Interessen, nicht aber darauf, wie mit Vernunft und Zusammenarbeit international der Schutz der Ökologie und der sozialen Rechte erreicht werden kann. Darüber muß man im Zusammenhang mit solchen Berichten reden.
Statt dessen erleben wir, daß sich eine Gleichschaltung der Welt auf der Basis ökonomischer Machtinteressen vollzieht. Wir erleben, daß die Welt zu einem einzigen Markt verschmolzen wird, auf dem nur der schnelle Gewinn zählt. Auf der anderen Seite sehen wir - auch das kann heute nicht mehr bestritten werden -, daß genau durch diesen Prozeß die negativen Folgen der Globalisierung, nämlich die soziale Ungleichheit und die Naturzerstörung, noch größer werden.
Insofern ist es völlig richtig, was Herr Schäuble gesagt hat. In unserer Situation müssen starke Länder vorangehen, und Sie können nicht auf den großen Zug warten, der - das wissen wir alle - nur höchst unzureichend und kompromißhaft in Gang kommt.
Es ist richtig: National darf der Alleingang nicht zu weit von dem weg sein, was international vereinbart wird. Aber ob Vereinbarungen möglich sind, liegt doch letztlich daran, ob wir national glaubwürdig das umsetzen, von dem wir wissen, daß es notwendig ist. Solange das nicht passiert, werden wir auch international nicht zu mehr Kooperation und Verständigung
Michael Müller
kommen. Das sind doch die Zusammenhänge, über die wir bei der Globalisierung reden müssen.
Deshalb muß man mit den Lügen aufhören. Das ist erstens die Beschäftigungslüge. Sie machen der Öffentlichkeit etwas vor, wenn Sie behaupten, daß bei einer Verlängerung des heutigen Trends bis zum Jahre 2000 eine Halbierung der registrierten Arbeitslosigkeit erreicht wird. Die Wahrheit wird eher sein: Wir werden 10 Millionen Menschen ohne Dauerbeschäftigung haben. Sie machen sich etwas vor, wenn Sie glauben, daß Sie mit ein paar Steuersenkungen dieses Problem in den Griff bekommen.
- Wissen Sie, es gibt eine historische Erfahrung. Schauen Sie einmal in die USA von Reagan, was dort gemacht wurde: Rücknahme des Staates, noch höhere Arbeitslosigkeit, noch mehr Rücknahme des Staates, noch höhere Arbeitslosigkeit.
So ist es in den Kernbereichen des Arbeitsmarktes gelaufen. Dann hat man mit einer anderen Strategie, nämlich mit der Verbilligung von Arbeitsplätzen und mit Niedriglöhnen, den sogenannten Macjobs, begonnen. Aber das ist keine Sicherung von neuen Dauerarbeitsplätzen. Das ist doch der eigentliche Punkt.
Was gemacht wurde, ist, mit Scheinlösungen ein Problem zu lösen, aber doch nicht im Sinne einer menschenwürdigen Existenzsicherung. Das hat in den USA eine gespaltene Gesellschaft zurückgelassen. Wollen und können Sie das in Europa verantworten? Ich sage nein. Die Demokratie kann das nicht vertragen.
Was wir brauchen, sind neue Produkte und neue Felder, insbesondere die ökologischen Märkte. Die werden Sie aber nicht erschließen, wenn Sie die Strukturen so lassen, wie sie heute sind. Es reicht nicht, wenn Sie sagen, Sie könnten der Umwelt etwas ergänzend hinzusetzen. Die Zukunft wird nur zu erreichen sein, wenn die verschwenderischen Märkte gezielt zurückgeschrumpft und gezielt neue Märkte entwickelt werden, wenn Sie die Energieverschwendung massiv bekämpfen und gleichzeitig den Markt für solare und effiziente Techniken entwickeln. Diese Gleichzeitigkeit ist nur mit Politik zu erreichen. Sie ist nicht mit einem Verständnis zu erreichen, daß der Markt das alles richtet. Dies ist eine schlichte Illusion.
Eine zweite Lüge ist: Sie werden die ökologische Problematik nicht über reine Marktmechanismen lösen. Die ökologischen Probleme sind vielmehr ein Zeichen dafür, daß die Politik, der Staat und seine Institutionen mehr Verantwortung übernehmen und gestalten müssen. Das ist die Voraussetzung, um Allgemeinwohl durchzusetzen. Welche Institution soll es denn sonst machen? Die Antwort müssen Sie geben, wenn Sie nur auf den Markt setzen. Ich weiß nicht, welche anderen Institutionen das Allgemeinwohl durchsetzen können als die dafür legitimierten Institutionen.
Ich will noch eine dritte Selbsttäuschung nennen: Wir müssen erkennen, daß mit immer mehr Spaltung, Differenzierung und Polarisierung in unserer Gesellschaft die Demokratie auf Dauer nicht gesichert werden kann.
- Aber das ist doch die Konsequenz dieser Politik. Ausgrenzung wird das zentrale Problem der Zukunft werden, wenn wir nicht wieder zu neuer Verständigung und zu neuer Zusammenarbeit kommen.
Ich komme wieder auf den Punkt von Herrn Schäuble zurück und antworte darauf. Wer die Globalisierungsprobleme ernst nimmt, muß national und möglichst auch im europäischen Verbund mit dem Thema der ökologischen Modernisierung von Wirtschaft und Gesellschaft ernst machen. Daran entscheidet sich, ob wir die hier vorliegenden Berichte ernst nehmen.
Das ist eine große Gemeinschaftsaufgabe. Sie ist nicht nur die Aufgabe der Regierungsfraktionen, sondern ist die Aufgabe der Politik insgesamt. Aber ich sage Ihnen: Sie sind in einer Situation, in der noch keine Bundesregierung war. Es gibt keine Opposition, die Sie in diesen Fragen bremst. Es liegt nur an Ihnen, ob das Notwendige getan wird oder nicht.
Das Wort hat die Kollegin Vera Lengsfeld, Bündnis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Nach diesem Rundumschlag des Kollegen Müller möchte ich gerne auf ein spezielles Thema in dieser Debatte zu sprechen kommen.
- Warten Sie erst einmal mit dem Klatschen! Hören Sie mir zu! Ich weiß nicht, ob Sie dann noch bereit sind, Beifall zu spenden.
Wir haben hier in diesem Saal vor ziemlich genau einem Jahr schon einmal über die Neufassung des Bundesnaturschutzgesetzes debattiert, als die Gesetzesvorschläge der SPD und unserer Fraktion vorlagen. Frau Kollegin Glücklich, die ich jetzt hier im
Vera Lengsfeld
Saal sitzen sehe, heute aber leider nicht sprechen darf, hat damals unseren Entwürfen vorgeworfen, sie seien zu kurz gesprungen. Es ist wirklich schade, daß Sie heute nicht das Wort ergreifen können. Denn ich hätte gerne gehört, was Sie zum Entwurf der Bundesregierung sagen. Der springt nämlich überhaupt nicht, sondern ist im Vorgestern stehengeblieben.
An ganz entscheidenden Punkten, zum Beispiel an dem Konflikt zwischen Landwirtschaft und Naturschutz ändert sich überhaupt nichts.
Die übliche Verfahrensweise der Bundesregierung ist: Wir bekommen eine leere Verpackung. Darauf steht zwar „Naturschutzgesetz", wenn man aber hineinschaut, dann ist leider kaum Naturschutz enthalten. Dabei wäre das ziemlich einfach gewesen. Wenn den Beamten, die der Ministerin Merkel zur Verfügung stehen, dazu nichts eingefallen ist, dann hätten sie ja getrost den Entwurf der Bündnisgrünen abschreiben können. Sie hätten damit nichts falsch gemacht.
Wir hätten auch kein Copyright verlangt, sondern wären froh gewesen, wenn unsere Vorschläge aufgegriffen worden wären.
Jetzt aber haben wir es mit einem mittelgroßen Desaster zu tun. Den Ländern zum Beispiel werden durch den Regierungsentwurf umfangreiche neue finanzielle Verpflichtungen für Ausgleichszahlungen an die Landwirtschaft auferlegt. Auf jährlich 20 bis 40 Millionen DM beläuft sich für jedes einzelne Bundesland die Schätzung der Kosten.
Durch diese Pflicht zum Ausgleich drohen aber gleichzeitig Gelder von der EU für Programme zur Extensivierung der Landwirtschaft wegzufallen. Aus diesen Töpfen aus Brüssel flossen zwischen 1993 und 1997 immerhin über 1 Milliarde ECU in die Förderprogramme der Länder. Diese Gelder sind durch den Regierungsentwurf nun in Gefahr. Solchen Regelungen können die Länder natürlich unmöglich zustimmen. Daher hat der Bundesrat diesen Gesetzentwurf völlig zu Recht abgelehnt.
Ich nenne gleich noch ein weiteres Beispiel dafür, daß dieser Gesetzentwurf nicht nur naturschutzpolitisch, sondern auch landespolitisch unmöglich ist. Bis Ende Juni 1994 - daran möchte ich erinnern - hätte die FFH-Richtlinie umgesetzt werden müssen. Das unterblieb und hatte die Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens durch die EG-Kommission zur Folge.
Dieses Herauszögern geht nicht nur auf Kosten des Naturschutzes. Seit 1996 werden Fördermittel aus dem LIFE-Programm der EU vielmehr nur noch an Gebiete vergeben, die nach der FFH-Richtlinie und der Vogelschutzrichtlinie angemeldet sind. Der Naturschutzbund hat gerade gemeldet, daß die EUKommission in diesem Jahr etwa die Hälfte der eingereichten deutschen Anträge zurückgewiesen hat, weil die Gebiete eben nicht angemeldet worden sind.
Es ist völlig unverständlich, daß in Zeiten leerer Kassen für den Schutz des europäischen Naturerbes dringend benötigte Mittel in Millionenhöhe verschenkt werden. Dieses unsinnige Schwarzer-PeterSpiel zwischen Bund und Ländern bezüglich der Nennung der Gebiete muß endlich aufhören. Denn es ist eine ziemliche Schande, daß zwar eine Organisation wie der NABU in der Lage ist, inzwischen 1 017 Gebiete - das betrifft 9 Prozent der Landesoberfläche - zu benennen, und einschätzt, daß er nach Auswertung von Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen 1 500 Gebiete benennen wird, aber Bund und Länder gemeinsam nicht in der Lage sind, diese Hausaufgaben zu erledigen.
Durch das lange Zögern hat die Bundesregierung die Termine zur Umsetzung der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie verstreichen lassen. Es kann nicht Aufgabe eines einzelnen Bundeslandes sein, die Versäumnisse der Bundesregierung nachzuholen. Trotzdem hat Schleswig-Holstein die Initiative ergriffen und im Februar dieses Jahres einen Gesetzentwurf im Bundesrat eingebracht, der wenigstens die Umsetzung der FFH-Richtlinie sicherstellen soll und heute zur Diskussion steht.
- Ja, Schleswig-Holstein ist gut.
Frau Kollegin, Sie müssen zum Schluß kommen.
Ich bin sofort am Ende meiner Rede.
Wir als Parlamentarier können jetzt beweisen, daß wir mindestens genauso gut sind, diesen Regierungsentwurf als Herausforderung begreifen und ihm einen Parlamentsentwurf entgegenstellen, der sehr viel besser ist.
Auch mit Schneller-Sprechen ist uns nicht gedient. Sie müssen vielmehr zum Schluß kommen.
Ich gebe dem Abgeordneten Dr. Norbert Rieder das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kollegin Lengsfeld, ich muß Sie leider korrigieren: Die Zahlen, die Sie vorhin für jedes Bundesland genannt haben, stimmen leider nur für die Bundesrepublik insgesamt,
Dr. Norbert Rieder
wobei ich Ihnen sagen muß: Ich würde mir wünschen, daß zum Beispiel das Saarland 20 oder 40 Millionen DM pro Jahr für den Naturschutz aufwenden würde. Es würde dort manches besser werden. Aber das nur ganz am Rande.
Wir haben in den letzten etwa 20 Jahren, seit das jetzt gültige Bundesnaturschutzgesetz in Kraft ist, alle zusammen, so hoffe ich zumindest, eine ganze Menge gelernt. Wir haben sowohl positive als auch negative Erfahrungen mit diesem Naturschutzgesetz gemacht. Zu den negativen Erfahrungen gehört ohne Zweifel, daß die Natur oder die Naturgüter auf Dauer noch immer nicht so gesichert sind, wie wir alle uns das wünschen würden. Zu den negativen Erfahrungen gehört aber auch, daß in vielen Bundesländern durch einen übereifrigen Vollzug viele gutwillige Menschen verprellt werden und nur noch schwierig für den Naturschutz zu gewinnen sind, und das, obwohl der Naturschutzgedanke in der deutschen Bevölkerung und darüber hinaus immer mehr an Akzeptanz gewinnt und die Menschen immer aufgeschlossener werden.
Als negative Beispiele möchte ich nur zwei besonders eklatante herausgreifen. Das sind einmal die geradezu paradoxen Ergebnisse des Biotopschutzes, die in Baden-Württemberg dazu geführt haben, daß das Klettern, also eine Natursportart, zeitweise nur noch in einigen Naturschutzgebieten möglich war. Dieses Beispiel muß man sich in seiner ganzen Paradoxie richtig auf der Zunge zergehen lassen, um zu verstehen, was da gelaufen ist. Dort wurden nämlich alle Felsbildungen in der freien Natur unter den Schutz des Gesetzes gestellt, ohne daß entsprechende Ausnahmeregelungen erlassen wurden. Die Folge war, daß nur noch an solchen Felsen geklettert werden durfte, die in Naturschutzgebieten, und zwar in alten Naturschutzgebieten, liegen und für die in der Schutzgebietsverordnung das Klettern ausdrücklich erlaubt war. Dieses Kletterverbot wurde nun mit der Schärfe des Gesetzes und nur unter Hinweis auf dieses Gesetz gnadenlos vollzogen.
Wir haben ein besseres Beispiel im Nachbarland von Baden-Württemberg, in Rheinland-Pfalz. In Rheinland-Pfalz haben sich Kletterer und Naturschützer zusammengesetzt und gemeinsam überlegt, was geschützt werden muß und kann und vor allen Dingen, wie das mit den Beteiligten gemeinsam gelöst werden kann. Ich bin sicher, daß sich jeder hier im Saal, zumindest der, der bereit ist mitzudenken, ausrechnen kann, wo das Verhältnis zwischen Menschen einerseits und Natur andererseits besser gelöst ist. Jeder kann sich aber auch ausrechnen, wo der Naturschutz im Endeffekt besser funktioniert. Nehmen Sie nur die Wanderfalken, die in Rheinland-Pfalz inzwischen von Kletterern und Naturschützern gemeinsam bewacht und geschützt werden, während in Baden-Württemberg die Naturschützer den Schutz versuchen und die Kletterer mit der geballten Faust in der Tasche dabeistehen.
Das ist sicherlich eines von den Beispielen, die uns zeigen müssen, wie wir es nicht machen dürfen. Aber ich will noch ein weiteres Beispiel anführen. In einem Bundesland hatte ein Mensch, der zwei Papageien sein eigen nannte, das Glück und die Freude, daß die beiden sich in seiner Obhut so wohlgefühlt haben, daß sie begonnen haben, sich fortzupflanzen.
- Ja, das ist gemein, gell? - Jetzt hatte dieser Mensch für den einen Papagei die vollständigen notwendigen Papiere, für den anderen aber nur Papiere, die ihn zwar zum Besitz dieses Tieres, jedoch nicht zur Zucht berechtigt haben. Er bekam nun - auch das ist wieder paradox - von der zuständigen Behörde die Auflage, die Eier zu entnehmen, abzukochen und den Elterntieren in erkaltetem Zustand wieder unterzuschieben.
- Hätten Sie aufgepaßt, wüßten Sie es.
Kann sich irgendeiner hier im Saal vorstellen, daß dieser Mensch zum Vorkämpfer für einen modernen Naturschutz wurde? Ich kann mir das nicht vorstellen.
Aber - das überwiegt Gott sei Dank bei weitem - die Erfolge des Naturschutzes sind nicht zu übersehen; denn die Erfolge sind ohne Zweifel da, und Frau Bulling-Schröter hat schon darauf hingewiesen. Sie lassen sich sogar eindeutig und auch statistisch belegen. Die Akzeptanz durch die Bevölkerung für den Naturschutz, für Naturschutzgebiete und für Nationalparks wird immer größer. Auch das Wissen um das, was da geschützt werden muß, wird immer besser. Infolgedessen sind die Erfolge auch in diesen Bereichen nicht zu übersehen.
So hat etwa der NABU, einer von den Vereinen, die seit vielen Jahrzehnten mit ihren Mitgliedern ganz Hervorragendes für den Naturschutz in Deutschland leisten, kürzlich auf einer Pressekonferenz in Bonn das Faktum betont, daß bei etwa 20 gefährdeten Vogelarten nicht nur die Abwärtsbewegung gestoppt ist, sondern die Bestandszahlen sogar wieder steigen.
Ich halte das für einen großartigen Erfolg, an den ich persönlich vor 20 Jahren noch nicht geglaubt hätte. Ich freue mich um so mehr, daß er in diesem Maß eingetreten ist. Dies ist dem Bund, den Ländern, den Kommunen, den Bürgern und den Verbänden zu verdanken. Sie alle haben in dieser Bundesrepublik in den letzten 20 Jahren daran gearbeitet, den Naturschutz in unserem dicht besiedelten Industrieland wesentlich zu verbessern.
Wir alle können im Endeffekt stolz darauf sein und müssen das als Ansporn sehen, bei den anderen Arten - etwa 30 gefährdete Vogelarten sind nach wie vor im Rückgang begriffen - dasselbe positive Ergebnis zu erzielen. Wir alle gemeinsam müssen das angehen, um es wesentlich zu verbessern.
Dr. Norbert Rieder
Doch dazu müssen wir unser Naturschutzgesetz so umgestalten, daß noch klarer wird, was wir wollen. Wir wollen Naturschutz für die Menschen und mit den Menschen; denn wir wissen, daß der Mensch ohne eine intakte Natur nichts ist und nichts werden wird. Was wir nicht wollen, ist Naturschutz ohne den Menschen oder gar gegen den Menschen. Dafür ist der Entwurf der Bundesregierung ein ganz hervorragender Ansatz.
Wir, CDU/CSU und F.D.P., werden diesen Ansatz sicherlich nicht unverändert lassen. Wir werden ihn weiterentwickeln, um noch deutlicher zu machen, daß wir nicht Naturschutz gegen die Landwirte, sondern mit den Landwirten, nicht gegen die Waldbesitzer, sondern mit den Waldbesitzern, nicht gegen diejenigen, die Natursportarten ausüben, sondern mit diesen und nicht gegen die Tierhalter, sondern mit den Tierhaltern machen wollen. Wir laden alle ein, uns dabei zu unterstützen.
Wir werden - auch das sage ich Ihnen voraus - hemmungslos alle guten Vorschläge übernehmen.
Wir werden uns deshalb auch sehr genau die Vorschläge der anderen Parteien anschauen.
Um nur ein Beispiel zu nennen: Im Gesetzentwurf von Bündnis 90/Die Grünen hat mir neben vielen anderen Punkten der Vorschlag sehr gut gefallen - ich glaube, das schlagen Sie in § 35 vor -, zeitlich befristete Schutzgebiete zu schaffen. Die Idee, die dahintersteckt, ist die, daß es Gebiete gibt, in denen der Schutz nur zu einer bestimmten Jahreszeit nötig ist, etwa weil es Brutgebiete sind oder wichtige Gebiete für die Vogelzucht. Warum soll nicht eine Wiese am Meeresstrand, die im Herbst Rastplatz der ziehenden Gänse ist, in dieser Zeit vollkommenen Schutz genießen, im Sommer aber den Badegästen zur Verfügung stehen? Das ist etwas, was wir durchaus überdenken müssen.
Man könnte den Gedanken der zeitweiligen Schutzgebiete noch ausweiten: Warum sollte man nicht ein Gebiet, bei dem es darauf ankommt, eine natürliche Entwicklung ablaufen zu lassen, auf Zeit, zum Beispiel für 15 Jahre, unter Schutz stellen, um dieses Gebiet dann, wenn die Entwicklung, die man fördern will, abgelaufen ist, einer anderen Nutzung zuzuführen?
Ich jedenfalls würde mich über jeden guten zusätzlichen Gedanken freuen, der in dieses Gesetz einfließen kann. Ich lade alle ein, an der Erhaltung der Natur und damit unserer Zukunft mitzuarbeiten.
Wer allerdings glaubt, Verhinderungspolitik betreiben zu müssen, dem muß ich sagen, daß primitive Parteiinteressen, die den Interessen des Naturschutzes und uns allen widersprechen, bei mir keinen Rückhalt finden werden.
Wer primitive Parteiinteressen durchsetzen will, soll
das sagen. Ich bin jederzeit bereit, ihm an passender
Stelle die passende Antwort zu geben. Ich bin aber
nicht bereit, hier in diesem Saal coram publico Schärfen in die Thematik zu bringen, die ihr nicht angemessen sind. Das machen wir im kleinen Kreis, unter uns. Jeder weiß, daß ich notfalls zu Schärfen auch der brutalsten Art bereit bin, aber nicht in der Öffentlichkeit.
Dann gebe ich der Abgeordneten Dr. Angelica Schwall-Düren das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Ich beziehe mich in meinen Ausführungen auf das Sondergutachten des Sachverständigenrates für Umweltfragen zu „Konzepten einer dauerhaft-umweltgerechten Nutzung ländlicher Räume". Das löst einerseits die Assoziation von Idylle aus, andererseits die Assoziation von Provinz. Dennoch kann an der Entwicklung des ländlichen Raumes der Zusammenhang mit überregionalen und internationalen Auswirkungen deutlich gemacht werden.
Die Bundesrepublik Deutschland ist durch eine hohe Flächeninanspruchnahme zu Siedlungs- und Verkehrszwecken bis in die ländlichen Räume hinein charakterisiert. Die Landwirtschaft wurde auf Grund der jahrelang betriebenen Weichenstellungen auf nationaler und europäischer Ebene zu einer Intensivbewirtschaftung einschließlich Massentierhaltung getrieben.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind auf dem besten Weg, das natürliche Erbe unserer Kinder zu verspielen. Zwar schallt uns verbal von allen Seiten der Begriff der Nachhaltigkeit entgegen, und auch Sie, Frau Ministerin Merkel, haben dies heute erneut getan, ohne daß sich jedoch konkrete Ergebnisse Ihrer Politik an diesen Äußerungen messen lassen können.
Der Umweltrat spricht deshalb vielmehr von einer nachsorgenden Politik der Regierung. Wichtiges Kriterium bei der Beurteilung von Nachhaltigkeit muß die Betrachtung der Auswirkungen jeder Handlung auf unterschiedlichste Felder sein. Das hört man auch von Ihnen, Frau Merkel, die Sie sagen, man dürfe nicht nur die einzelnen Medien, Boden, Wasser und Luft, sehen, sondern müsse die gesamten Auswirkungspfade im Auge haben. Die Bundesregierung vernachlässigt jedoch diesen wichtigen Punkt; interdisziplinäres Denken und Handeln scheinen sie zu überfordern. Das Umweltministerium schafft es nicht, im Sinne einer Querschnittspolitik in die anderen Ressorts hineinzuwirken,
was sich am Handlungsfeld des ländlichen Raums hervorragend aufzeigen läßt; denn seine Lebens- und Wirtschaftsweise hat weitreichende Konsequenzen über den ländlichen Raum hinaus.
Lassen Sie mich dies an einigen Beispielen deutlich machen.
Dr. Angelica Schwall-Düren
Beispiel eins. Durch die Verwendung unter anderem von synthetischen und organischen Düngemitteln konnte die Produktivität gesteigert werden, was 'aber auch zu einer ganzen Reihe schwerwiegender Umweltprobleme führte. 1994 hat das Umweltbundesamt festgestellt, daß 20 Prozent aller Trinkwasseranlagen in Deutschland den EU-Richtwert von 25 Milligramm pro Liter Nitrat überschreiten. Die deutsche Landwirtschaft trägt zur Nordseebelastung mit Nährstoffen für Stickstoff mit 56 Prozent und für Phosphat mit 42 Prozent bei. Die landwirtschaftliche Tierhaltung mit ihren hohen Ammoniakemissionen ist verantwortlich dafür, daß die Stickstoffeinträge in die Wälder den kritischen Wert von 10 Kilogramm Stickstoff pro Hektar regional um das bis zu Siebenfache überschreiten. Stickstoffemissionen aus sogenannten diffusen landwirtschaftlichen Quellen sind schließlich mit verantwortlich für die Überdüngung zahlreicher ehemals nährstoffarmer Lebensräume, zum Beispiel der Moore.
Ich habe eigentlich an dieser Stelle bei Ihnen einen Aufschrei erwartet, daß wir die Landwirtschaft für alle Übel dieser Welt verantwortlich machen wollen.
Nein, meine Damen und Herren, darum geht es nicht. Die Auswirkungen von Industrie, Verkehr und konsumorientiertem Lebensstil werden nicht vergessen. Aber mir geht es heute in Anlehnung an das Sondergutachten um die Rolle des ländlichen Raums im Konzert der Verursacher von Umweltproblemen.
Der Schutz des Grundwassers, der Oberflächengewässer und der Trinkwassertalsperren vor Nitrat und anderen Agrarchemikalien wird von dieser Bundesregierung nicht ernst genug genommen; da hat auch die Düngemittelverordnung nicht viel Neues gebracht.
Beispiel zwei. In diesen Wochen beschäftigt uns erneut der Umgang mit Tierarzneimitteln - auch in Deutschland. Züchter und Mäster verwenden weiterhin das verbotene Tierantibiotikum Avoparcin. Das Medikament wird als Futterzusatzstoff beigemischt, um bei den Tieren zwei- bis dreiprozentige Wachstumssteigerungen zu erreichen. Konsequenz für den Menschen sind Resistenzen, die bei geschwächtem Gesundheitszustand zu lebensbedrohenden Infektionen führen.
Massentierhaltung - ich erwähne nur die grausamen Legebatterien - und Massentransporte über lange Strecken unter schrecklichen Bedingungen. Dies wird von den Menschen immer stärker als ethisches Problem wahrgenommen. Die Konsequenzen der Intensivlandwirtschaft sind aber nicht nur der unwürdige Umgang der Menschen mit ihren Mitgeschöpfen, sondern sie tragen auch dazu bei, daß die Akzeptanz der landwirtschaftlichen Produkte aus konventionellen Betrieben weiter abnimmt. Bisher konnte die Bundesregierung nicht belegen, daß sie sich ernsthaft für eine EU-weite Überprüfung der kritischen Stoffe und ein eventuelles Verbot als Futtermittelzusatz eingesetzt habe.
Beispiel drei. Die bisherige Bodenpolitik mit ihrem enormen Preisgefälle zwischen Verdichtungszonen und ländlichen Räumen führt dazu, daß die Menschen auf der Suche nach preisgünstigem und sozialverträglichem Wohnraum immer weiter in die Fläche gehen. Die Folge sind ausgefranste Stadtränder und zersiedelte ländliche Zonen. Gewerbe und Handel ziehen ebenfalls auf der Suche nach billigen Gewerbestandorten mehr und mehr auf die grüne Wiese. Verkehrliche, soziale und kulturelle Infrastrukturen müssen zusätzlich geschaffen werden. Die Konsequenz ist verstärktes Verkehrsaufkommen, verbunden mit der Steigerung von Emissionen und vermehrtem Energieverbrauch. Eine weitere Konsequenz sind die zusätzliche Versiegelung und Belastung des Bodens und demzufolge der Verlust seiner natürlichen Funktionen.
Weder der von Frau Merkel vorgelegte Entwurf eines Bodenschutzgesetzes noch die von Herrn Töpfer eingebrachte Baugesetzbuchnovelle und Neuregelung des Raumordnungsgesetzes versprechen, erfolgreich vorsorgenden Bodenschutz und einen Stopp des Flächenverbrauchs und der Versiegelung des Bodens in Angriff zu nehmen. Dabei bescheinigt der Sachverständigenrat für Umweltfragen deutlich, daß die gängigen ordnungspolitischen Instrumente zwar notwendig sind, aber nicht ausreichen, um eine Wende hin zu einer dauerhaft umweltgerechten Nutzung ländlicher Räume in Gang zu setzen.
Zusammengefaßt charakterisieren die Wissenschaftler die Politik der Bundesregierung als nachsorgende und nicht als vorausschauende und nachhaltige Politik:
Das magische Dreieck der Nachhaltigkeit zwischen ökologischen, ökonomischen und sozialen Belangen ist zu Lasten der Ökologie verletzt. Die Wissenschaftler zeigen sehr klar auf, daß eine Politik für den ländlichen Raum weder nur Agrarpolitik noch nur Naturschutzpolitik sein kann. Sie fordern beispielsweise, ergänzend zur Novellierung des Raumordnungsgesetzes „Entwicklungsoptionen zu formulieren, die unter anderen Aussagen und Kriterien zu den Städtenetzen und den dazugehörigen Hinterlandregionen, zu den Verkehrsnetzen, zu den Grenzregionen und zu einem Freiraumsystem mit abgestuften Schutzgebietskategorien enthalten".
Das Gutachten enthält darüber hinaus eine Fülle von Anregungen, von denen ich nur hoffen kann, daß sie in die Beratungen der kommenden Monate ernsthaft einbezogen werden. Ich kann hier auf Grund der Zeit nur einige wenige nennen: Naturschutz dürfe nicht mehr exklusives Handlungsfeld einer relativ kleinen Gruppe von Experten sein, sondern müsse endlich als Querschnittsaufgabe der Politik verstanden werden.
Das verlangt zum Beispiel die stärkere Einbeziehung von Umweltaspekten als Kriterium in der regionalen Wirtschaftsförderung. In punkto Agrarpolitik ist die schrittweise Liberalisierung der Agrarmärkte mit einem schrittweisen Abbau der Subventionierung von
Dr. Angelica Schwall-Düren
fossilen Energieträgern und der Einbeziehung des Agrarsektors in die Reform der Mineralölsteuer zu verbinden. So werden marktwirtschaftlich orientierte Systeme mit ökonomischen Instrumentarien, zum Beispiel Umweltabgaben in Form einer Düngemittelabgabe, vom Sachverständigenrat vorgeschlagen.
Aus alledem ist deutlich geworden, daß die Umweltberater der Regierung eine Gesamtkonzeption für nötig halten, weil ein Herumdoktern an Symptomen kurzsichtig bleibt.
Im Interesse einer dauerhaften umweltgerechten Entwicklung will ich die Hoffnung nicht aufgeben, daß sich auch die Bundesregierung ernsthaft mit diesem Gutachten auseinandersetzt. Die SPD-Fraktion jedenfalls wird nicht lockerlassen, Sie, Frau Merkel, in diesem Sinne in die Verantwortung zu nehmen.
Herzlichen Dank.
Ich gebe das Wort dem Abgeordneten Steffen Kampeter.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Kollege Müller hat in seiner etwa zehnminütigen Rede ein Großteil Analyse und wenige Handlungsanweisungen geliefert. Ich glaube nicht, daß eine unzutreffende Katastrophenbeschreibung ein Ersatz für Politik ist.
Deswegen will ich im Kern meiner Rede auf die konkreten Sachverhalte aus dem Bereich der Kreislaufwirtschaft eingehen, die auf der heutigen Tagesordnung steht.
Es stehen zwei Bereiche an: zum einen die Novellierung der Verpackungsverordnung, zum anderen die erstmalige Beratung der Altautoverordnung. Ich halte dies für einen wichtigen Schritt bei der Fortführung der Kreislaufwirtschaft. Es ist ein weiterer wichtiger Markstein auf dem Weg der Bundesrepublik Deutschland in eine ökologische und soziale Marktwirtschaft.
Dabei will ich auch den inneren Zusammenhang zu dem übergeordneten Thema der Nachhaltigkeit herstellen; denn Kreislaufwirtschaft, Ressourcenschonung und Wiederverwertung von Stoffen sind selbstverständlich ein konkreter Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung und werden von uns offensiv betrieben.
In diesem Zusammenhang möchte ich zurückblikkend auf die Verpackungsverordnung einiges sagen. Die Umsetzung der Verpackungsverordnung ist eine Erfolgsgeschichte. Sie hat die wohl tatkräftigste Umweltbewegung in der Bundesrepublik Deutschland hervorgerufen; denn hier wird nicht nur geredet. Die Verpackungsverordnung hat den einzelnen in die Pflicht genommen und sein Umweltbewußtsein auch tatsächlich geschärft.
Dies führt zu konkreten Erfolgen. Die Erfolge sind beim Verpackungsverbrauch spürbar. Er ging seit 1991 von rund 13 Millionen Tonnen auf derzeit knapp über 10 Millionen Tonnen zurück. Damit haben wir das zentrale abfallwirtschaftliche Ziel, die Vermeidung, erreicht.
Das zweite zentrale abfallwirtschaftliche Ziel ist die Verwertung. Die Verwertung der auf den Markt gebrachten Verpackungen ist im gleichen Zeitraum um ungefähr ein Drittel gestiegen. Damit ist das zweite zentrale abfallwirtschaftliche Ziel erreicht. Beide Ziele voll erreicht - ein wirkungsvolleres Instrument der Umweltschutzpolitik als die Verpakkungsverordnung kann es kaum geben.
Doch nichts kann nicht auch besser werden. Deswegen sind auf Grund der Erfahrungen der vergangenen fünf Jahre Veränderungen notwendig geworden. Frau Ministerin Merkel, ich danke Ihnen, daß Sie es geschafft haben, die mehrjährige Debatte im Bereich der Novellierung der Verpackungsverordnung im Rahmen eines Kabinettsbeschlusses zu einem vorläufigen Ende zu führen.
Der Novellierungsbedarf besteht erstens in der Umsetzung des Kreislaufwirtschaftsgesetzes und zweitens auch in der Umsetzung europäischer Rahmenrichtlinien. Wir wollen im Rahmen dieser Novelle auch die Vereinfachung des Quotensystems als einen Beitrag zur Entbürokratisierung leisten. Diese Themen sind im großen und ganzen unstreitig. Ich will zu zwei Punkten etwas ausführlicher Stellung nehmen.
Erstens zum Bereich Trittbrettfahrer. Durch Trittbrettfahrerei - darunter verstehe ich die Nichtbeteiligung an einem dualen System oder die Nichtdurchführung von Selbstentsorgung - versuchen Unternehmen, sich durch ein ökologisches Fehlverhalten Wettbewerbsvorteile zu verschaffen. Es gibt zwei Ursachen dafür: zum einen Rechtslücken in der Verpakkungsverordnung, zum anderen Vollzugsdefizite bei Ländern und Kommunen.
Die Rechtslücken werden mit der Novellierung dieser Verpackungsverordnung geschlossen. Selbstentsorger haben genau die gleichen qualitativen und quantitativen Anforderungen wie diejenigen, die sich einem dualen System anschließen.
Die Vollzugsdefizite der Länder müssen allerdings auch abgestellt werden. Ich gehe davon aus, daß große Mengen von Verkaufsverpackungen und Transportverpackungen illegal entsorgt werden, weil Kommunen und Landkreise den Vollzug der Verpakkungsverordnung nur unzureichend kontrollieren.
Eine Umfrage ergab: Es findet keine Kontrolle von Amts wegen statt. Man wird lediglich auf Anzeige hin tätig. Das Bußgeldsystem wird kaum angewen-
Steffen Kampeter
det. Daher müssen wir bei zusätzlichen bürokratischen Forderungen aus dem Bereich der Länder und Kommunen sehr vorsichtig sein und sehr nachhaltig darauf hinweisen, daß die bereits jetzt bestehenden rechtlichen Möglichkeiten der Verpackungsverordnung tatkräftig ausgenutzt werden. Dies wäre im Sinne der Umwelt.
Eine zweite Anmerkung will ich kurz zum Mehrwegsystem machen. Wir stellen um von der Förderung des Mehrwegsystems auf die Förderung eines Systems zur Förderung der ökologisch vorteilhaften Getränkeverpackung. Es ist falsch, was allgemein angenommen wird, daß Mehrweg vom Grundsatz her besser ist. Mehrweg ist nur in bestimmten Bereichen ökologisch vorteilhafter. Wir verwenden in unserer Politik die Erkenntnisse von Ökobilanzierungen. Dies macht sich beispielsweise dadurch bemerkbar, daß wir die Schlauchbeutelverpackung der Milchmehrwegverpackung jetzt gleichstellen. Dies wird zu einigen Diskussionen führen. Aber wir dürfen uns auch nicht vor den wissenschaftlichen Erkenntnissen verschließen.
Die deutsche Sozialdemokratie möchte in dem Bereich der Verpackungsverordnung eine zusätzliche Kommission einrichten. Wir halten nichts von zusätzlichen Kommissionen. Wir wollen nicht, daß Kommissionen darüber entschließen, was Menschen in ihren Einkaufswagen tun. Das ist ein Akt der ökoautoritären Bevormundung und ein sehr fundamentaler Eingriff in die Autonomie der Konsumenten. Wir wollen ein ökologisch ehrliches Preissystem und die Freiheit der Konsumenten. Diesem Ziel dient auch die Novellierung der Verpackungsverordnung.
Es ist schon ein Treppenwitz, meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn wir im Bereich des Kreislaufwirtschaftsgesetzes die Verpackungsverordnung in den Bundesrat holen und dann in einem nächsten Schritt die Verantwortung für die Umsetzung dieser Verpackungsverordnung in einer Kommission haben wollen. Dieses Konzept hat nicht unsere Unterstützung, und es zeigt, welchen Irrweg die SPD auch in der Abfallwirtschaftspolitik geht.
Der zweite Bereich, zu dem ich noch Stellung nehmen möchte, ist der Bereich der Altautoverordnung. Die Themen sind hier bereits angesprochen. Wir wollen eine verbesserte Verwertung von Altautos bei hohen umweltpolitischen Standards mit der Umsetzung der Produktverantwortung bei den Automobilherstellern und einer gleichberechtigten vernünftigen Beteiligung der mittelständischen Verwertungsbetriebe. Wir probieren hier erstmals den Verbund von staatlicher Verordnung und privatwirtschaftlicher Selbstverpflichtung aus. Das ist ein Probeläufer für die Wirtschaft, und deswegen appelliere ich gerade an die Herstellerseite, hier sehr kooperativ und effizient bitte auch den Mittelstand zu beteiligen. Wir haben eine entsprechende Resolution im Umweltausschuß verabschiedet, die unter anderem auf die Initiative des Kollegen Paziorek zurückzuführen ist, wo gerade die Initiative der privaten Wirtschaft berücksichtigt wurde.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Sozialdemokraten stellen statt auf unser System auf ein sogenanntes Fondssystem ab, nach dem jeder erst einmal 400 D-Mark an ein Unternehmen einzahlt und irgendwann einmal dafür die kostenfreie Entsorgung bekommt.
Wir lehnen dieses Konzept vor allem aus zwei Gründen ab. Zum einen wird hier die Produktverantwortung sozialisiert und vom Produzenten weggenommen.
Es gibt dabei eben keine Spürbarkeit der Entsorgungsverantwortung für den einzelnen Produzenten mehr. Zum anderen wird dieser Fonds - bei allen vordergründigen Klagen, die Sie, Frau Caspers-Merk, immer über den Mittelstand führen - zu einer beispiellosen Konzentration in der Entsorgungswirtschaft führen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, damit komme ich abschließend zu einem ganz wichtigen Punkt auch der Veränderung der Altautoverordnung. Wir haben sehr viele Besorgnisse aus dem Bereich des Mittelstands gehört und hoffen, daß wir die zum einen mit unserer Entschließung, zum anderen aber auch mit unserer Klarstellung beseitigen konnten. Die Hersteller müssen ihre Verpflichtung zur Beteiligung des Mittelstandes ernst nehmen. Wir können allerdings als Staat auch nicht jedes privatwirtschaftliche Rechtsverhältnis lösen, sondern das muß im Rahmen des Wettbewerbs zwischen den Beteiligten gelöst werden.
Fazit, meine sehr verehrten Damen und Herren, heute morgen kam eine Veröffentlichung auf den Schreibtisch, die fragte: Kreislaufwirtschaft auf dem Holzweg oder auf dem Königsweg? Ich behaupte gar nicht, daß wir immer auf dem Königsweg marschieren, muß Ihnen aber sagen, die Opposition ist mit ihren Konzepten auf dem Holzweg.
Wir werden beide Verordnungen aktiv unterstützen.
Ich gebe das Wort der Abgeordneten Marion Caspers-Merk.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In einem Punkte hat Steffen Kampeter recht
- das ist aber auch der einzige -, und zwar in dem Punkt, wo er sagt, die Frage der Nachhaltigkeit entscheidet sich nicht an dem, was man an Lippenbekenntnissen dazu sagt - weil es sich in jeder Rede gut macht, wenn man auch für den Schutz der künftigen Generationen ist -, sondern an dem, was man
Marion Caspers-Merk
aktiv tut. Insofern zieht sich der Überbegriff „nachhaltige Entwicklung und zukunftsfähige Entwicklung" als roter Faden durch die Debatte; denn Sie müssen sich schon an dem messen lassen, was Sie hier ganz konkret an Gesetzentwürfen und Verordnungen vorlegen.
Wenden wir uns den beiden Verordnungen zu, die wir zum Schluß andiskutiert haben, dann ist doch eigentlich ganz interessant, wo Sie ansetzen, wie Sie ansetzen und ob das Ihrer eigenen Meßlatte der nachhaltigen Entwicklung gerecht wird.
Sehen wir uns das Problem Auto an, dann muß man doch feststellen, daß 70 Prozent der Stickoxidemissionen und 40 Prozent der Emissionen an leichtflüchtigen organischen Verbindungen aus dem Autoverkehr, aus dem Straßenverkehrsbereich stammen. Wir wissen alle, daß Verkehrsvermeidung angesagt ist, wir wissen auch, daß Alternativen zum Individualverkehr nötig sind. Wir wissen aber auch, daß wir dringend eines brauchen, nämlich Veränderungen am Produkt Auto. Wenn ich mir ansehe, ob Ihre Verordnung dieser Notwendigkeit gerecht wird, muß ich allerdings sagen: Fehlanzeige auf der ganzen Linie.
Wir wissen, daß ungefähr für eine Tonne Auto das 25fache an Material benötigt wird, bis es zu dem Endprodukt kommt. Wir haben also einen enormen Ressourcenverbrauch bei der Produktion und natürlich auch einen während des Betriebs. Deswegen ist entscheidend, daß das Automobil der Zukunft nicht mehr die S-, C- oder E-Klasse einer bestimmten Herstellermarke sein wird,
sondern es muß im Prinzip ein Dreiliterfahrzeug sein, das voll recyclingfähig ist und auch den Ansprüchen an den Ressourcenverbrauch gerecht wird.
Deswegen muß man dafür sorgen, daß in einer Altautoverordnung diese Produktverantwortung überhaupt vorkommt und diesen Ansprüchen gerecht wird.
- Frau Homburger, es ist schön, daß Sie mir dieses Stichwort liefern: Es soll gar nicht hineingeschrieben werden. - Das ist interessant. Ihr wollt es also wohl gar nicht?
- Sie können sich gerne zu Wort melden. Ich schätze Ihre Zwischenfragen, schon einfach deshalb, weil sie meine Redezeit verlängern.
Es ist interessant, daß die Hersteller in der Altautoverordnung überhaupt nicht vorkommen. Vielmehr haben Sie nur Anforderungen an die mittelständische Entsorgungswirtschaft und Anforderungen an den Letztbesitzer gestellt. Alles das, was den Hersteller betrifft, haben Sie in einer freiwilligen Selbstverpflichtung der Industrie geregelt, die diesen Namen nicht verdient.
Denn sie beschäftigt sich überhaupt nicht mit Altautos. Der eigentliche Begriff „Altauto" kommt hierin gar nicht vor.
Das alles wurde in der Koalition abgenickt. Es ist interessant, daß die Frau Umweltministerin ständig Probleme hat in der Auseinandersetzung mit dem Umweltschutzverhinderungsministerium, nämlich dem Wirtschaftsministerium. Deswegen mußte sie sechs Jahre verhandeln, bis sie eine lasche Selbstverpflichtung hinbekommt. Das Ganze wird uns noch als ein Konzept der Zukunft verkauft. So kann es natürlich nicht gehen.
Wir wissen, daß ein Auto, das zur Verwertung anfällt, durchschnittlich 13 Jahre alt ist. Die kostenlose Rücknahme gilt aber nur für Autos, die jünger als zwölf Jahre sind.
Für den Rest kommen Ordnungswidrigkeiten zur Anwendung, es werden Ordnungsstrafen verhängt, und das alles erarbeitet von der Partei der Deregulierer,
beschlossen in einer sehr komplizierten Verordnung.
Ihr eigener Kollege mußte vorhin noch Zwischenfragen stellen, weil er es nicht begriffen hat. Es war doch interessant, daß aus der eigenen Partei gefragt wurde, wie das eigentlich geht. Offensichtlich haben Sie nachbessern müssen. Sie haben uns ein Konglomerat, eine sehr komplizierte Verordnung vorgelegt, die Ihren Ansprüchen überhaupt nicht gerecht wird.
Unsere Verordnung ist relativ einfach und auf einer Seite niederzuschreiben.
Sie regelt nämlich, daß jeder, der ein Auto neu kauft, eine bestimmte Entsorgungsgebühr entrichtet. Diese kann man dynamisch gestalten.
Marion Caspers-Merk
Ich sage es noch einmal: Die Niederländer machen es so, die Schweden machen es so, die Norweger machen es so,
die Schweiz macht es so.
Auch die EU-Richtlinie, die andiskutiert wurde und von der uns die ersten Entwürfe vorliegen, folgt genau derselben Philosophie. Sind die denn alle so viel dümmer als die F.D.P., Frau Homburger? Das kann doch überhaupt nicht sein.
Interessant ist auch folgendes: Wir diskutieren auch über Gutachten, unter anderem über ein Gutachten des Rates von Sachverständigen für Umweltfragen. Ich empfehle einen Blick in dieses umfangreiche Werk. Auf Seite 221 folgende beschäftigt sich der Rat mit der Abfallpolitik der Bundesregierung. Und was sehen wir? Was schlägt er vor bei der Altautoverordnung? Genau den Weg, den die SPD-Fraktion gehen will, nämlich die Herstellerverantwortung beim Eingang des Produkts aufzuhängen und eine kostenlose Rücknahmepflicht für Altautos festzuschreiben.
Was ich beim Thema Nachhaltigkeit nicht begreife, ist folgendes: Sie setzen Experten und Gutachter ein. Das sind ja nun nicht irgendwelche exotischen Spinner, sondern in der Mehrheit gestandene konservative Professoren. Sie tagen auf Kosten der Steuerzahler. Nur, deren Empfehlungen werden überhaupt nicht ernstgenommen, sondern landen im Papierkorb. Wir sind der Auffassung: Wenn man Sachverständigengremien einrichtet, dann sollte man ihre Ratschläge auch ernst nehmen und umsetzen. Die SPD-Bundestagsfraktion tut dies, indem sie ihren Entwurf den Vorschlägen des Sachverständigenrats folgen läßt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, betrachtet man, wie mit dem Rat von Sachverständigen umgegangen wird, dann ist eines auffällig: Wir haben einen Rat von Sachverständigen für Umweltfragen; er empfiehlt nachhaltige Entwicklung, Stoffstrommanagement, Abgaben und Steuern. Daneben gibt es die „Wirtschaftsweisen". Die empfehlen das Gegenteil. Beide Räte werden von der Bundesregierung eingesetzt, beide werden von der Bundesregierung finanziert, und dann wundern wir uns, wenn die Ergebnisse so unterschiedlich sind, daß der Wirtschaftsminister die Empfehlungen des einen Rates umsetzt und die anderen nicht einmal im Umweltministerium, sondern von uns umgesetzt werden.
Es ist doch klar, daß diese Politik nicht funktionieren kann. Warum spannen Sie nicht im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung diese beiden sachverständigen Gutachtergremien zusammen und lassen sich
wirklich ein Konzept für eine nachhaltige Entwicklung für die Bundesrepublik Deutschland erarbeiten?
Das ist ein Vorschlag, bei dem etwas herauskommt. Ich finde es nach wie vor nicht in Ordnung, Frau Umweltministerin, daß das einzige Konzept „zukunftsfähiges Deutschland" von einem Umweltverband, einem Entwicklungsverband beauftragt und vom Wuppertal-Institut durchgeführt wurde und daß diese intern darüber diskutieren.
Es wäre doch eigentlich die Aufgabe der Bundesregierung, ein Konzept für nachhaltige Entwicklung vorzulegen.
Es wäre auch Aufgabe der Bundesregierung, das zu tun, was sie in Rio versprochen hat, nämlich beispielsweise über eine lokale Agenda 21 einen Prozeß bei den Kommunen zu initiieren und in Gang zu setzen. Das hat die Bundesregierung nicht getan.
Die Enquete-Kommission im Deutschen Bundestag hatte eine Anhörung zum Thema lokale Agenda 21. Es war eine der bestbesuchten Anhörungen in diesem Haus mit über 200 Teilnehmerinnen und Teilnehmern. Teilweise haben sich ganze Ratsfraktionen dort informiert.
In dieser Anhörung wurde quer über alle Städte und Gemeinden vorgetragen, daß es wichtig sei, daß die Kommunen für ihre Klimaschutzpolitik und für ihre Umwelt- und Entwicklungspolitik Rückendekkung bekommen. Sie haben sich überall beklagt, daß es nicht ausreicht, auf internationalen Konferenzen große Erklärungen zu unterschreiben und dann die Kommunen vor Ort gerade beim Thema Klimaschutz im Regen stehen zu lassen.
Ich finde es skandalös, daß Sie mit Ihrem Energiewirtschaftsgesetz und mit allem, was Sie auf diesem Feld tun, die kommunalen Gestaltungsspielräume aushebeln und den Kommunen keine Chance mehr lassen, lineare Stromtarife einzuführen,
eine fortschrittliche Klimaschutzpolitik auf kommunaler Ebene zu machen.
Deswegen sage ich, Herr Kampeter: Die Bundesregierung muß sich an den Taten messen lassen, und die Taten sind auf diesen Feldern überall unzureichend. Das hören Sie nicht nur von der Opposition, sondern auch von den Kommunen und dort vor allen Dingen von den Vertretern, die Ihrer Partei nahestehen. Ich weiß,. daß gerade CDU-Oberbürgermeister und -Umweltdezernenten ein paarmal versucht haben, dieses Energiewirtschaftsgesetz aufzuhalten,
weil sie genau wissen, daß es den Klimaschutz aushebelt. Nichts ist passiert! Das zeigt mir, daß sich der
Wirtschaftsminister durchsetzt, und zwar in einer
Marion Caspers-Merk
Phase, in der man sich wirklich fragen muß, ob er weiß, was er tut.
Er gefährdet auch eine Menge von Arbeitsplätzen. Wenn Sie vergleichen, was durch Innovationen und Produktentwicklung ausgelöst werden könnte und was tatsächlich geschieht, dann muß man sagen: Die Bundesregierung betreibt eine Mikado-Politik. Nach dem Motto „Wer sich zuerst bewegt, hat verloren" werden nämlich die Bremser in einer Branche belohnt.
Wir können das in vielen Bereichen ganz klar festmachen. So hat zum Beispiel die Firma Loewe einen vollrecyclefähigen Fernseher im Vertrauen darauf hergestellt, daß die seit 1990 angekündigte Elektronikschrottverordnung endlich umgesetzt wird. Da die Rahmenbedingungen aber nicht stimmen und Sie das Fernsehgerät nach wie vor auf den Sperrmüll bringen können, brauchen Sie sich nicht zu wundern, daß ein recyclinggerechtes Fernsehgerät nicht am Markt nachgefragt wird und daß deswegen diese Produktlinie eingestellt wird.
Wo ist denn hier Innovation? Wo ist hier eine fortschrittliche Industrie- und Umweltpolitik der Bundesregierung? Sie tun so, als wären beides Gegensätze, dabei gehören beide Punkte längst zusammen.
Frau Umweltministerin, Sie haben jetzt nach anfänglichem Zögern einen eigenen Prozeß in Ihrem Hause mit sechs Arbeitsgruppen angestoßen, mit dem Sie versuchen, so etwas wie Schritte in eine nachhaltige Entwicklung zu machen. Ich halte es für wichtig, den Prozeß anzustoßen. Wir sind auf die Ergebnisse sehr gespannt, aber bitte lassen Sie sich an Ihren Taten messen und machen Sie keine Alibiveranstaltung, die uns nicht weiterbringt.
Vielen Dank.
Ich gebe dem Abgeordneten Dr. Gerhard Friedrich das Wort. - Entschuldigen Sie bitte, Herr Kollege. Ich habe etwas übersehen. Die Kollegin Homburger hatte sich zu einer Kurzintervention gemeldet. Ich bitte um Nachsicht.
Vielen Dank, Herr Präsident. - Frau Caspers-Merk, ich möchte mit drei Bemerkungen auf das eingehen, was Sie gerade dargestellt haben.
Eine Bemerkung . nur am Rande: Sie behaupten, daß der Umweltrat auf Seite 221 etwas zum Altauto
schreibt. Dort steht nichts davon, sondern etwas zur Typologisierung von Umweltverbänden. Aber das ist nicht so wild.
Es gibt zwei Punkte, die ich Ihnen noch einmal deutlich sagen möchte.
Frau Kollegin Homburger, ich bin gern bereit, Ihnen eine halbe Minute zuzugeben, wenn Sie dafür etwas langsamer sprechen, weil man Sie nicht verstehen kann.
Ich bemühe mich, Herr Präsident. - Frau Caspers-Merk, Sie sagen, die Altautoverordnung sei sehr kompliziert. Sie weisen darauf hin, daß das, was im Anhang geregelt ist, mit Blick darauf, wie die Entsorgung bei den Verwertungsbetrieben geregelt werden soll, überflüssig sei. Sie wissen genausogut wie ich, daß das, was dort als Anforderung dafür, wie ein Betrieb zertifiziert ist, auf Wunsch der mittelständischen Unternehmen festgelegt worden ist.
Ich sage Ihnen noch etwas: Sie sagen auf der einen Seite immer, man müsse deutlich klarstellen, regeln und festlegen, wie zertifiziert wird. Auf der anderen Seite treten Sie bei den entsprechenden Verbänden auf und erklären, daß Sie genau in diese Richtung arbeiten werden. Sie können nicht einmal so und einmal so rum reden, sondern müssen konsequent eine Linie vertreten. Sie drehen es immer so herum, wie Sie es gerade brauchen. Jetzt haben Sie etwas zum Thema „F.D.P. kritisieren bei der Deregulierung" gebraucht. Dann haben Sie es eben umgedreht. Was Sie hier machen, kann so einfach nicht hingenommen werden.
Ich möchte noch einen anderen Punkt inhaltlich klarstellen. Sind denn die Schweden, die Niederländer oder all diejenigen, die ein Fondsmodell gemacht haben, soviel dümmer als die F.D.P.? Nein,
darum geht es überhaupt nicht. Frau Caspers-Merk, Sie wissen genausogut wie ich, daß die sich schon von vornherein für ein anderes Modell und für eine andere Denkkategorie entschieden haben. Wir haben doch miteinander im Vermittlungsausschuß die Produktverantwortung im Kreislaufwirtschaftsgesetz so verankert, wie wir sie uns vorstellen. Sie waren mit dabei.
- Das ist genau der Punkt, Frau Caspers-Merk. Sie widersprechen sich permanent. Auf der einen Seite stellen Sie sich hier hin und sagen, Sie wollen die kostenlose Rücknahme, und zwar nicht nur für Autos bis zu zwölf Jahren, sondern für alle. Auf der anderen Seite sagen Sie, Sie wollen die Fondslösung, nach der zunächst einmal der Käufer bezahlt. Das heißt doch, daß letztlich wieder der Käufer bezahlt. Zum Kuckuck noch einmal: Das ist alles andere als die Produktverantwortung, die wir im Kreislaufwirtschaftsgesetz festgelegt haben.
Birgit Homburger
Herr Präsident, dieser Punkt mußte noch einmal klargestellt werden, damit hier kein falscher Eindruck entsteht.
Frau Kollegin Caspers-Merk, Sie können darauf antworten.
Herr Kollege Friedrich, wenn Sie das Wort haben, sage ich es Ihnen.
Der tiefe Graben, der durch die Koalition geht, zeigt sich jetzt schon bei der Redezeit. Es tut mir leid - bedanken Sie sich bei der F.D.P. -, aber ich muß etwas erwidern.
Erstens. Frau Kollegin Homburger, um dies richtigzustellen: Sie wissen genau, daß ich bei der Beratung des Kreislaufwirtschaftsgesetzes mit dabei war. Es ist auch ein Verdienst der SPD, daß die Produktverantwortung überhaupt so, wie sie jetzt ist, dort hineingekommen ist.
Zweitens. Zu den Verordnungen, die Sie jetzt beklagen, und zu Ihrer Philosophie, nach der Sie uns jetzt Widersprüchliches vorwerfen, möchte ich Ihnen sagen: Umweltminister Töpfer hatte schon einmal eine Altautoverordnung vorgeschlagen, die genau dasselbe sagte. Sie war nur etwas zu kompliziert geregelt, und deshalb haben wir das niederländische Modell vorgeschlagen. Aber die Philosophie ist genau die gleiche, nämlich daß nicht der Letztbesitzer, also zum Beispiel derjenige, der als Student irgendwo das preiswerte Auto kauft, die vollen Entsorgungskosten tragen muß, sondern daß dies im Prinzip beim Wagenneukauf geregelt werden soll. Dies war keine Idee der SPD, sondern das finden Sie bereits in den alten Entwürfen von Minister Töpfer zur Altautoverordnung.
Sehen Sie sich einmal - ich habe ein anderes Exemplar, ich habe es vielleicht vorher bekommen - das Umweltgutachten 1996, Seite 221 f. an. Ich stelle es Ihnen gerne zur Verfügung. Dort steht, daß die Sachverständigen unsere Lösung vorschlagen. Sie sagen nämlich, daß es, damit man auf das Produkt Auto durchgreifen kann, wichtig ist, daß man die Entsorgung schon beim Erstbesitzer verankert. Denn der Autohersteller hat doch gar kein Interesse daran, ein recyclingfähiges Auto herzustellen, wenn er hinterher mit dem Produkt gar nichts mehr zu tun hat. Deswegen muß, wenn man ein recyclingfähiges Auto
will - wir wollen dies -, die Produktverantwortung beim Kauf angesetzt werden.
Jeder weiß, warum die Automobilindustrie dies nicht will: weil sie die Produktverantwortung in direktem Durchgriff auf die mittelständischen Verwertungsbetriebe weiterleiten will. Sie wären nicht so aufgeregt, wenn Sie jetzt nicht schon seit vier Wochen von Ihrer eigenen Klientel bombardiert würden, die Ihnen nachweist, daß sie durch die Verordnung, die Sie hier vorlegen, kaputtgemacht wird.
Nun gebe ich, wie schon mehrfach beabsichtigt, das Wort dem Abgeordneten Dr. Gerhard Friedrich.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn ich mich richtig erinnere, hat der Kollege Lippold der Frau Kollegin Hustedt vorgeworfen, daß die hessische Landespolitik eine falsche Entscheidung getroffen habe. Daraufhin hat sich die Frau Kollegin Hustedt entschuldigt und gesagt: Die Grünen sind überstimmt worden.
Ich habe hier einen Beleg. Da vertritt der Naturschutzbund den Standpunkt, daß Hessen in Sachen Naturschutz unter allen Bundesländern das Schlußlicht bilde.
Jetzt können Sie sich wieder melden, Frau Kollegin, und sich wieder entschuldigen und sagen: Bei den Entscheidungen sind die Grünen überstimmt worden. - Ich sage Ihnen nur: Ihre Entschuldigungen nehmen wir nicht an.
Wenn Sie hier moralisieren und als Ankläger auftreten, dann müssen Sie erst einmal diese miese Landesregierung verlassen.
Nun möchte ich zum Sprecher der SPD im Umweltausschuß etwas sagen. Herr Kollege Müller, über das, was Sie hier sagen, muß man ernsthaft nachdenken.
Dr. Gerhard Friedrich
Einiges ist schlicht richtig. Ich bin mir bloß nicht ganz darüber im klaren, wen Sie eigentlich angeklagt haben.
- Ja, den Eindruck habe ich manchmal auch.
Daß der Umweltschutz - was Sie bedauern - zur Zeit der Wirtschaftspolitik international etwas unterliegt, ist ja zutreffend.
Aber ich darf ganz bescheiden darauf aufmerksam machen: Die Bundesregierung hat weder in der Europäischen Union noch in den Gremien der UN die Mehrheit.
Wir hätten es gerne; es wird trotzdem nicht gelingen. Insofern taugt das wenig für die parteipolitischen Auseinandersetzungen.
Der Kollege Müller hat darauf aufmerksam gemacht, daß man, wenn die Lage international so ungünstig ist, national eine Vorreiterrolle spielen müsse. Herr Müller, da kann ich Ihnen nur sagen: Darüber habe ich mit dem Bundesfinanzminister gesprochen. Er konnte mir aber Presseerklärungen entgegenhalten, wonach sich Herr Schröder aus Niedersachsen und Herr Clement aus Nordrhein-Westfalen ausdrücklich gegen diese Vorreiterrolle in Sachen Ökosteuer ausgesprochen haben.
Das heißt, auch hier gibt es eigentlich eine Diskussion nicht zwischen den Parteien, sondern quer durch die Parteien.
Das wollte ich zu Ihrem Beitrag anmerken.
Sie haben jetzt über die Altautoverordnung gesprochen. Ich will dazu nur zwei Anmerkungen machen: Erstens. Die Selbstverpflichtungserklärung, die die Automobilindustrie vorgelegt hat, ist natürlich nicht voll befriedigend. Nirgendwo im Kreislaufwirtschaftsgesetz steht, daß nur Altautos mit einem Lebensalter von bis zu zwölf Jahren unentgeltlich zurückzunehmen sind. Das ist nur eine Teillösung; das kann man doch ganz offen und ehrlich zugeben. Es gibt zur Zeit keine Mehrheiten dafür, kraft Verordnung mehr zu erzwingen. Ich habe aber manchmal den Eindruck, daß Herr Schröder als Autolobbyist die Vorschläge, die Sie hier im Bundestag machen, im Bundesrat nicht akzeptieren würde.
Auch hier sind die Verhältnisse bei Ihnen ähnlich wie bei uns.
Meine Damen und Herren, ich kann nur an unsere deutsche Automobilindustrie appellieren, das zu machen, was die Umweltministerin hier angedeutet hat. Die Hersteller haben sich in ihrer Selbstverpflichtungserklärung unter Wert verkauft. Sie sind technisch schon viel weiter, haben aber angeblich auf einen amerikanischen Konzern, der auch bei uns produziert, Rücksicht genommen. Wenn sie eigentlich mehr können, dann sollen sie in ihren Zusagen bei den Lieferverpflichtungen weiter gehen als in dieser Selbstverpflichtungserklärung.
Ich komme zur Verpackungsverordnung. Der Kollege Kampeter hat zu Recht gesagt und es im einzelnen erläutert, daß die Verpackungsverordnung insgesamt ein großer Erfolg ist. Ich kann mich entsinnen, daß ich in meinem Wahlkreis von sozialdemokratischen Kommunalpolitikern wegen dieser Verpackungsverordnung beschimpft wurde. Jetzt haben wir in meinem Raum die Situation, daß wir keine Deponie mehr brauchen und daß wir keine Müllverbrennungsanlage mehr brauchen. Das ist nicht allein das Ergebnis der Verpackungsverordnung, aber auch das Ergebnis der Verpackungsverordnung. Deshalb sollten sich die, die uns beschimpft haben, jetzt einmal entschuldigen.
Wir sind bereit, weil wir intern durchaus kontrovers über vieles in dieser Novelle zur Verpackungsverordnung diskutiert haben, auch über viele Details mit den Vertretern des Bundesrates zu sprechen. Da geht es zum Teil um Nichtgrundsätzliches, Verwertungsquote ein bißchen höher oder ein bißchen niedriger. Das ist etwas, worüber man sprechen kann.
Ich habe Ihnen, Frau Kollegin Caspers-Merk, aber gestern schon im Ausschuß gesagt, über einiges können wir nicht reden.
Das sage ich hier genauso verbindlich. Wir bleiben bei den Grundprinzipien der Verpackungsverordnung, die letzten Endes besagen: Wer eine miese Verpackung hat, zahlt dafür besonders viel, weil sie nur teuer zu verwerten ist. Das führt letzten Endes zu Veränderungen in der Verpackungsstruktur.
Frau Kollegin Caspers-Merk hat jetzt vorgeschlagen, eine Kommission beim Bundesumweltamt soll die Verpackungen ökologisch bewerten. Meine Damen und Herren, ich schätze, es gibt 100 000 oder 200 000 Verpackungen. Frau Kollegin Caspers-Merk, ich schätze Sie persönlich, aber dieser Vorschlag ist
Dr. Gerhard Friedrich
schlicht unsinnig, den werden wir nicht mit dem Bundesrat diskutieren.
Jetzt habe ich noch Zeit für zwei Anmerkungen zum Bundesnaturschutzgesetz. Fachlich versteht der Kollege Professor Rieder davon mehr als ich. Deshalb mache ich nur zwei politische Anmerkungen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, Sie führen hier keine faire Diskussion; ich will Ihnen das erläutern. Wir diskutieren hier im Bundestag nicht über einen Gesetzentwurf der Bundesumweltministerin, sondern über einen Gesetzentwurf der Bundesregierung. Das heißt, Frau Merkel mußte sich mit ihren Kolleginnen und Kollegen im Kabinett unterhalten, und da ist jetzt im Text natürlich einiges an Kompromissen enthalten.
Sie kritisieren dieses Gesetz aus einer fundamentalistischen Position heraus, die mit Ihren eigenen Landwirtschaftsministern in keiner Weise abgestimmt ist.
Was Frau Mehl hier fordert, wird von vielen SPDLandwirtschaftsministern doch nicht akzeptiert.
Jetzt sage ich Ihnen einmal, wie es in Bayern läuft. Ich rede mit den Beamten und meinem Umweltminister in Bayern. Da kommen wir manchmal sogar zu gleichen Ergebnissen wie die Kollegin Mehl. Dann reden wir mit unserem bayerischen Landwirtschaftsminister, und dann sind wir schon wieder ziemlich bei der Frau Merkel. Diesen Prozeß müssen Sie nachholen, sonst sind Sie mit Ihrer Kritik überhaupt nicht glaubwürdig,
Wir verlangen von Ihnen konkrete Änderungsvorschläge, die in der ganzen Sozialdemokratischen Partei abgestimmt sind, und nicht fundamentalistische Vorschläge von Herrn Müller, von Frau Mehl und von Frau Griefahn. Das ist doch nicht die SPD!
Das zweite, was ich der SPD, vor allem den SPD-Umweltministern im Bundesrat, übelnehme, ist, daß sie sich erstaunlicherweise hinter ihren eigenen Finanzministern verstecken und erklären, der Bund würde diesen armen Ländern zusätzliche Ausgaben zuschieben, und das könnten diese Umweltminister nicht verantworten.
Es ist wirklich eine tolle Leistung, daß sie sich hinter ihren Finanzministern verstecken.
Der Kollege Roth hat in der Haushaltsdebatte aufgezeigt, wie stark der Anteil der Länder an den Steuereinnahmen in den letzten Jahren gestiegen ist: um mehrere Prozentpunkte. Deshalb ist die Finanzausstattung der Länder hervorragend. Wenn sie arm sind, dann wegen ihrer miesen Ausgabenpolitik, nicht wegen der Finanzausstattung.
Deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen, geht es wirklich nicht, daß relativ reiche Länder von einem wirklich armen Bundesfinanzminister auch noch Geld für Naturschutz wollen. Das geht nicht!
In der Verfassung ist die Verantwortung der Länder für den Vollzug des Naturschutzes festgeschrieben. Dazu gehört auch die Finanzverantwortung. Wenn sie dieses Naturschutzgesetz im Ergebnis ablehnen -- über einige Details können wir noch reden -, dann trägt nicht der Herr Waigel die Verantwortung für das Scheitern von mehr Naturschutz, sondern die SPD im Bundesrat.
Vielen Dank.
Nun gebe ich zu einer Kurzintervention dem Kollegen Michael Müller das Wort.
- Mir war gesagt worden, Sie wollten eine Kurzintervention machen, Herr Müller.
Das muß ein Mißverständnis sein: Es war Ulrike Mehl gemeint, aber ich kann das gerne übernehmen.
Wir stellen fest: Erstens. Das Naturschutzgesetz, das die SPD eingebracht hat, ist mit den SPD-geführten Ländern abgestimmt. Das sollten Sie bitte zur Kenntnis nehmen. Wenn Sie irgendwelche Quellen haben, die etwas anderes aussagen, müssen Sie die auf den Tisch legen.
Zweitens. Auch zum Thema Ökosteuer hat die SPD eindeutige Beschlüsse. Es besteht allerdings ein Unterschied zwischen Ihnen und uns: Bei uns gibt es Minderheiten, die anderer Meinung sind. Bei Ihnen ist es umgekehrt: Bei Ihnen ist die Mehrheit anderer Meinung.
Damit schließe ich die Aussprache.
Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen auf den Drucksachen 13/6441, 13/4247, 13/6442, 13/ 4108, 13/4109 und 13/5146 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? - Ich sehe und höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.
Dann kommen wir zur Abstimmung über die Beschlußempfehlung des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung „Umwelt 1994 - Politik für eine nachhaltige, umweltgerechte Ent-
Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch
wicklung", Drucksache 13/2803, Nr. 1. Der Ausschuß empfiehlt, die Unterrichtung auf Drucksache 12/8451 zur Kenntnis zu nehmen. Wer für diese Beschlußempfehlung stimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Dann stelle ich fest, daß die Drucksache zur Kenntnis genommen worden ist.
Dann kommen wir zum Entschließungsantrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 13/6498. Es wird vorgeschlagen, diesen Entschließungsantrag an den Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit als federführenden Ausschuß sowie an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, den Ausschuß für Verkehr, den Ausschuß für Fremdenverkehr und Tourismus, den Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, den Ausschuß für Bildung, Wissenschaft, Forschung, Technologie und Technikfolgenabschätzung sowie an den Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau zu überweisen. - Ich sehe und höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.
Dann kommen wir zum Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 13/ 6504. Es wird vorgeschlagen, diesen Entschließungsantrag an den Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit als federführenden Ausschuß sowie an den Finanzausschuß, dem Wirtschaftsausschuß, den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, den Ausschuß für Verkehr sowie an den Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung zu überweisen. - Ich sehe und höre keinen Widerspruch. Dann ist auch das so beschlossen.
Dann komme ich zur Beschlußempfehlung des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit zu dem Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung „Umwelt 1994". Das ist die Drucksache 13/2803, Nr. 2. Der Ausschuß empfiehlt, den Entschließungsantrag auf Drucksache 13/788 abzulehnen. Wer für die Beschlußempfehlung des Ausschusses stimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Dann stelle ich fest, daß die Beschlußempfehlung mit den Stimmen der Koalition bei Stimmenthaltung der Fraktion der SPD und gegen die Stimmen des Hauses im übrigen angenommen worden ist.
Dann rufe ich die Beschlußempfehlung des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit zu dem Bericht der Bundesregierung zur Umsetzung des Übereinkommens über die biologische Vielfalt, Drucksache 13/5052, Nr. 1, auf. Der Ausschuß empfiehlt, die Unterrichtung auf Drucksache 13/2707 zustimmend zur Kenntnis zu nehmen. Wer für diese Beschlußempfehlung stimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Stimmenthaltung? - Dann stelle ich fest, daß diese Beschlußempfehlung mit derselben Stimmenmehrheit wie eben angenommen worden ist.
Dann rufe ich die Beschlußempfehlung des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit zum Entschließungsantrag der Fraktion der SPD zum Bericht der Bundesregierung zur Umsetzung des Übereinkommens über die biologische
Vielfalt, Drucksache 13/5052, Nr. 2, auf. Der Ausschuß empfiehlt, den Entschließungsantrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 13/2750 abzulehnen. Wer der Beschlußempfehlung des Ausschusses zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen der Koalition gegen die Stimmen des Hauses im übrigen angenommen worden.
Dann rufe ich die Beschlußempfehlung des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit zum Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zum Übereinkommen über die biologische Vielfalt und die Notwendigkeit internationaler Regelungen zum Umgang mit Gen- und Biotechnologie, Drucksache 13/5052, Nr. 3, auf. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 13/2667 abzulehnen. Wer der Beschlußempfehlung des Ausschusses zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Ich stelle fest, daß die Beschlußempfehlung mit den Stimmen der Koalition bei Stimmenthaltung der Fraktion der SPD gegen die Stimmen des Hauses im übrigen angenommen worden ist.
Ich rufe die Beschlußempfehlung des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit zu der zustimmungsbedürftigen Verordnung über die Entsorgung von Altautos und die Anpassung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften auf Drucksache 13/6517, Nr. 1, auf. Der Ausschuß empfiehlt, der Verordnung der Bundesregierung auf Drucksache 13/ 5998 in der Ausschußfassung zuzustimmen.
Dazu liegt auf Drucksache 13/6537 unter Nr. 1 ein Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vor, über den wir zunächst abstimmen. Wer dem Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Ich stelle fest, daß der Änderungsantrag mit den Stimmen der Koalition gegen die Stimmen des Hauses im übrigen abgelehnt worden ist.
Ich komme nun zur Abstimmung über die Beschlußempfehlung des Ausschusses. Wer der Beschlußempfehlung zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Ich stelle fest, daß die Beschlußempfehlung mit dem gleichen Stimmenverhältnis angenommen worden ist.
Dann rufe ich die Beschlußempfehlung des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit zum Antrag der Fraktion der SPD zu Eckpunkten für eine Altautoverordnung, Drucksache 13/6517, Nr. 2, auf. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 13/5984 abzulehnen.
Dazu liegt ein Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 13/6537, Nr. 2, vor, über den wir zuerst abstimmen. Wer für den Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen stimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Ich stelle fest, daß der Änderungsantrag mit den Stimmen der
Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch
Koalition gegen die Stimmen des Hauses im übrigen abgelehnt worden ist.
Ich komme nun zur Beschlußempfehlung des Ausschusses. Wer der Beschlußempfehlung des Ausschusses zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Ich stelle fest, daß die Beschlußempfehlung mit demselben Stimmenverhältnis angenommen worden ist.
Ich rufe die Beschlußempfehlung des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit zum Antrag der Fraktion der SPD zu Eckpunkten für eine Altreifenverordnung, Drucksache 13/6517, Nr. 3, auf. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 13/5985 abzulehnen.
Dazu liegt unter Nr. 3 der Drucksache 13/6537 ein Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vor, über den wir zuerst abstimmen. Wer dem Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Ich stelle fest, daß der Änderungsantrag mit den Stimmen der Koalition gegen die Stimmen des Hauses im übrigen abgelehnt worden ist.
Wir kommen nun zur Abstimmung über die Beschlußempfehlung des Ausschusses. Wer der Beschlußempfehlung des Ausschusses zustimmt, bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Dann stelle ich fest, daß die Beschlußempfehlung mit den Stimmen der Koalition gegen die Stimmen des Hauses im übrigen bei einer Stimmenthaltung aus den Reihen der Koalition angenommen worden ist.
Der Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit empfiehlt unter Nr. 4 seiner Beschlußempfehlung auf Drucksache 13/6517 die Annahme einer Entschließung.
Auch dazu liegt ein Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 13/6537, Nr. 4, vor. Wer dem Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zustimmt, bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Dann stelle ich fest, daß der Änderungsantrag mit den Stimmen der Koalition gegen die Stimmen des Hauses im übrigen abgelehnt worden ist.
Ich komme nun zur Beschlußempfehlung des Ausschusses. Wer der Beschlußempfehlung des Ausschusses zustimmt, bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe? - Stimmenthaltungen? - Dann stelle ich fest, daß die Beschlußempfehlung des Ausschusses mit dem gleichen Stimmenverhältnis angenommen worden ist.
Ich rufe die Beschlußempfehlung des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit zu der zustimmungsbedürftigen Verordnung über die Vermeidung und Verwertung von Verpackungsabfällen auf Drucksache 13/6518 auf. Der Ausschuß empfiehlt, der Verordnung der Bundesregierung auf Drucksache 13/5999 zuzustimmen. Es liegt diesmal kein Änderungsantrag vor. Deswegen kommen wir sofort zur Abstimmung über die Beschlußempfehlung des Ausschusses. Wer ihr zustimmt, bitte ich um
das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Dann stelle ich fest, daß die Beschlußempfehlung des Ausschusses mit den Stimmen der Koalition gegen die Stimmen des Hauses im übrigen angenommen worden ist.
Damit sind wir am Ende der Abstimmungen und dieses Tagesordnungspunktes angekommen.
Die Fraktion der CDU/CSU hat für eine Fraktionssitzung eine Unterbrechung der Sitzung beantragt. Sie wird etwa eine halbe Stunde, vielleicht etwas länger dauern. Wir werden durch ein Klingelzeichen rechtzeitig bekanntgeben, wenn es weitergeht. Bitte richten Sie sich auf eine Zeit kurz vor 17 Uhr ein.
Damit unterbreche ich die Sitzung.
Die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet.
Interfraktionell ist vereinbart worden, die heutige Tagesordnung um die Beratung weiterer Beschlußempfehlungen des Vermittlungsausschusses zu erweitern. Sie betreffen das Gesetz zur Begrenzung der Bezügefortzahlung bei Krankheit, Drucksache 13/6532, und das Vierte Gesetz zur Änderung des Landwirtschaftsanpassungsgesetzes, Drucksache 13/6533.
Weiterhin ist interfraktionell vereinbart worden, die Tagesordnungspunkte 6 a und b - das ist das Stromeinspeisungsgesetz - abzusetzen.
Sind Sie damit einverstanden? - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist es so beschlossen.
Ich rufe Zusatzpunkt 3 auf:
Vereinbarte Debatte zu Substanzsteuern
Dazu liegen fünf Entschließungsanträge vor; ein weiterer Entschließungsantrag der Koalitionsfraktionen ist angekündigt. Ich weise darauf hin, daß wir im Anschluß an die Aussprache über drei Entschließungsanträge namentlich abstimmen werden.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache anderthalb Stunden vorgesehen. - Kein Widerspruch. Dann ist so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat zunächst der Herr Kollege Repnik.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Wir sind am Ende eines außergewöhnlich schwierigen Vermittlungsverfahrens angelangt und haben heute die Möglichkeit, dem Jahressteuergesetz 1997 zuzustimmen.
Die Tatsache, daß die SPD beantragt hat, eine verbundene Debatte zu führen, gibt mir Gelegenheit, auch zu anderen Gesetzesvorhaben Stellung zu nehmen, die im mittelbaren oder unmittelbaren Zusam-
Hans-Peter Repnik
menhang mit dem Jahressteuergesetz stehen und ebenfalls in den letzten Wochen Gegenstand von Vermittlungsverfahren waren, nämlich die Unternehmensteuerreform - konkret: die Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer -, das Asylbewerberleistungsgesetz und das Arbeitsförderungs-Reformgesetz. Daß wir diese Themen in einen Zusammenhang stellen und auch gemeinsam beraten, macht allein schon deshalb Sinn, weil all diese Gesetzentwürfe dem Ziel dienen, im Rahmen des Programms für mehr Wachstum und Beschäftigung mehr Arbeitsplätze in Deutschland zu schaffen, die Rückführung der Lohnnebenkosten zu bewirken und die Staatsquote zu verringern.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, bei einem Teil dieser Beratungen waren wir erfolgreich; darauf komme ich gleich zu sprechen. Aber überall dort - auch dies muß in einer solchen Debatte gesagt werden -, wo wir auf die Zustimmung des Bundesrates und somit auf die Zustimmung der SPD angewiesen waren, hat sie einmal mehr ihr Instrument der Blockadepolitik einer sachlichen Abwägung vorgezogen.
- Ich werde Punkt für Punkt auf die Sachverhalte eingehen - haben Sie keine Sorge -, und ich werde auch die Öffentlichkeit darauf hinweisen, wo Sie mit Ihrem Verhalten ganz konkret dazu beitragen, daß Reformen blockiert werden, daß keine neuen Arbeitsplätze geschaffen werden und daß die Wirtschaft belastet wird.
Ich habe gesagt, ich werde zuerst über die Erfolge, über die guten Nachrichten reden. Die Vermögensteuer fällt zum 1. Januar 1997 weg. Dies ist eine gute Nachricht.
Die Vermögensteuer - wir haben wiederholt hierüber diskutiert; es hat sich herumgesprochen - ist eine Substanzsteuer. Sie ist eine investitionsfeindliche, eine arbeitsplatzfeindliche, eine technologiefeindliche, eine mittelstandsfeindliche Steuer.
Sie ist kompliziert und aufwendig in der Erhebung. Sie hätte zum 1. Januar 1997 auch in den neuen Ländern eingeführt werden müssen. Jetzt fällt sie weg, und darüber sind wir froh.
Wir haben des öfteren über die Vermögensteuer diskutiert, und ich möchte auch in dieser - vorläufig - letzten Auseinandersetzung noch einmal in aller
Ruhe einige wenige Argumente hier vortragen und mit der Opposition austauschen. Die SPD hat bis zum Schluß verbissen dafür gekämpft, daß die Vermögensteuer in ihrer Substanz auch in der Zukunft erhalten bleibt.
Das Angebot, nur für Kapitalgesellschaften die Vermögensteuer abzuschaffen, ist jedoch ökonomisch widersinnig. Es ist untauglich;
denn wir wissen alle, daß 90 Prozent der Betriebe in der Bundesrepublik Deutschland als Personen- oder Einzelgesellschaften organisiert sind. Der gesamte Mittelstand und das gesamte Handwerk sind als Personen- oder Einzelgesellschaften organisiert. Gerade der Bereich, der arbeitsplatzfreundlich und beschäftigungsintensiv ist, würde von dem Vorschlag der SPD, setzte man ihn in die Realität um, nicht profitieren. Von daher ist dieser Vorschlag eben auch arbeitsmarktfeindlich.
Zweitens. Jeder kundige Thebaner weiß - darüber haben wir intensiv diskutiert -, daß eine Abgrenzung zwischen betrieblicher Vermögensteuer und privater Vermögensteuer so gut wie nicht möglich ist und, wenn man sie versuchen würde, von vornherein eine Vielzahl von Umgehungs- und Mißbrauchstatbeständen begründen würde. Auch deshalb macht es keinen Sinn, einen Rest beizubehalten.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die SPD hat in den vergangenen Wochen und Monaten versucht, aus dieser Tatsache heraus in Deutschland eine Sozialneidkampagne zu führen - wider besseres Wissen. Warum? Wir haben uns sehr sorgfältig überlegt, was man mit dem Teil des Aufkommens, den man dem Bereich der privaten Vermögensteuer zurechnen kann, machen könnte. Wir haben uns entschieden, einen Betrag in der Größenordnung von über 2 Milliarden DM, der dem privaten Teil der Vermögensteuer zuzurechnen ist, der Erbschaftsteuer zuzuschlagen. Das heißt, diejenigen, die bisher private Vermögensteuer gezahlt haben, werden ein Aufkommen in dieser Höhe in Zukunft über die Erbschaftsteuer erbringen. Das ist eine Lösung, von der ich glaube, daß sie der sozialen Symmetrie, der sozialen Verantwortung in hohem Maße gerecht wird.
Meine Damen und Herren von der Opposition, ich erinnere mich an die letzte Auseinandersetzung, die wir zu diesem Thema in diesem Haus geführt haben. Sie wissen genauso gut wie wir, daß wir in der Gestaltung einer Vermögensteuer, wenn wir sie denn wollten, nicht frei wären, weil wir vom Bundesverfassungsgericht einen engen Rahmen gesetzt bekommen haben. Genau das Beispiel, das Sie hier und in der Öffentlichkeit immer wieder gebracht haben, nämlich den sogenannten Millionär, den wir entla-
Hans-Peter Repnik
sten wollten, ist ein untaugliches, weil das Bundesverfassungsgericht gerade diesen Personenkreis von der Abschöpfung der Vermögensteuer freigestellt hat. Wir wären aus verfassungsrechtlichen Gründen also gar nicht in der Lage, ihn zu entlasten. Von daher streuen Sie den Bürgern hier Sand in die Augen.
Die Beibehaltung der Vermögensteuer, wie die SPD und die Grünen sie fordern, ist wirtschaftsfeindlich, mittelstandsfeindlich und arbeitsplatzfeindlich. Deshalb lehnen wir Ihre Anträge in diesem Zusammenhang ab.
Ich habe Ihnen versprochen, über einige Erfolge im Zusammenhang mit dem Jahressteuergesetz zu berichten. Ich werde noch einige Erfolge mehr vortragen.
Der nächste Erfolg: Wir freuen uns, daß es gelungen ist, steuerliche Entlastungen für Existenzgründer zu erreichen. Diese sind bedeutsam unter dem Aspekt der Schaffung von Arbeitsplätzen,
der Verbesserung von Ansparabschreibungen für kleine und mittlere Betriebe, insbesondere für Existenzgründer, und der Verbesserung und Stärkung der Eigenkapitalbildung. Wir hoffen und erwarten, daß dies nicht nur in den alten, sondern gerade auch in den neuen Bundesländern dazu beitragen wird, daß mittelständische Betriebe eine stärkere Eigenkapitalausbildung haben werden, was auch notwendig ist.
Ein drittes Thema, ein positives Thema, das ich hier ebenfalls mit Freude vortrage und das sowohl von der SPD wie auch von den Grünen bis zum Schluß vehement bekämpft wurde, ist das der hauswirtschaftlichen Beschäftigungsverhältnisse.
In einer Zeit, in der wir große Probleme auf dem Arbeitsmarkt haben, ist es wenig verantwortlich, wenn man ein solches Instrument, das ganz eindeutig zur Schaffung neuer Arbeitsplätze führt, mit dem Begriff „Dienstmädchenprivileg" diskriminiert. Dies wird der Verantwortung den Arbeitslosen gegenüber nicht gerecht.
Was wollen wir mit diesem Instrument? Wir wollen mit diesem Instrument erstens neue Arbeitsplätze in privaten Haushalten schaffen. Wir wollen zweitens Frauen - in diesem Zusammenhang handelt es sich
meist um Frauen - soziale Sicherheit, sozialen Schutz und Rentenanwartschaften geben, die sie in diesem Zusammenhang heute nicht haben.
Wir wollen drittens Menschen aus der Schwarzarbeit, aus der Illegalität herauslösen und sie in legale Arbeitsverhältnisse führen. Dieses Modell, das wir in diesem Jahressteuergesetz durchgesetzt haben, ist arbeitsmarktpolitisch geboten, und es ist frauen- und sozialpolitisch sinnvoll.
Das nächste Thema ist die Erbschaftsteuer. Erstens. Wir waren vom Bundesverfassungsgericht angehalten worden, die Erbschaftsteuer auf eine neue Grundlage zu stellen. Wir haben dies versucht. Ich glaube, es ist alles in allem ganz gut gelungen.
Wir hatten uns zweitens die Aufgabe gestellt, den Anteil aus der privaten Vermögensteuer, der nicht mehr erhoben wird, der Erbschaftsteuer zuzuschlagen. Auch dies ist, glaube ich, gelungen. Es war nicht leicht; ich räume dies ein. Es war ein schwieriges Verfahren, insbesondere deshalb, weil es uns auch die Länder nicht leichtgemacht haben. Die Länder haben bis zum Schluß auf eine volle Kompensation gedrungen. Wir haben jetzt eine Lösung gefunden, die den finanziellen Erwartungen der Länder mit 8,16 Milliarden DM nahezu gerecht wird und auf der anderen Seite den Bund nicht über Gebühr fordert.
Zur Ausgestaltung der Erbschaftsteuer einige wenige Anmerkungen. Erstens. Die neue Erbschaftsteuer ist familienfreundlich durch Freibeträge, die das Familiengebrauchsvermögen steuerfrei lassen. Das war eine wichtige Botschaft für uns.
Zweitens. Sie ist dadurch unternehmens- und arbeitsplatzfreundlich, daß die Unternehmensfortführung durch die zu zahlende Erbschaftsteuer nicht gefährdet ist. Das war für uns ebenfalls ein ganz wichtiger Auftrag, den wir als solchen empfunden haben, damit wir nicht in einer Zeit, von der wir wissen, daß in den nächsten vier, fünf Jahren zwischen 200 000 und 300 000 mittelständische Unternehmen durch Erbgang oder Schenkung an einen Betriebsnachfolger gelangen, durch eine Steuer, die zu sehr in die Substanz eingreift, den Fortbestand von Unternehmen und damit den Fortbestand von Arbeitsplätzen gefährden.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wie wenig die Opposition in diesem gesamten Verfahren an der Sache orientiert, sondern nach parteitaktischem. Kalkül gearbeitet hat - zum Schaden des Arbeitsmarktes, wie ich meine -, zeigt ihre Haltung bei der Unternehmensteuerreform, Stichwort: Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer.
Hans-Peter Repnik
Bis zum heutigen Tag hat sich die Opposition zu diesem Thema im Grunde genommen einer inhaltlichen, zielführenden Diskussion verweigert.
- Doch, sie hat sich einer inhaltlichen, zielführenden Diskussion verweigert! -
Darauf muß deshalb hingewiesen werden, weil es sich hier nicht nur um das Verhalten der SPD im Bundesrat handelt, sondern auch um das Verhalten der SPD in diesem Hause, im Deutschen Bundestag.
Sie wissen alle, daß wir als Kompensation für die Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer, für den Ausfall dieses Steueraufkommen den Kommunen die Beteiligung an der Umsatzsteuer angeboten haben. Um dies zu erreichen, müssen wir das Grundgesetz ändern. Dazu waren wir bereit,
dazu haben wir Vorschläge gemacht. Sie waren nicht bereit, über dieses Thema sorgfältig und bis zum Ende mit uns zu diskutieren.
Sie haben sich einer sinnvollen Beratung entzogen.
Sie haben ein sachfremdes Junktim hergestellt, ein Junktim mit der Beibehaltung der Vermögensteuer. Wenn es zwischen diesen beiden Steuern überhaupt Ähnlichkeiten oder Parallelen gibt, dann die, daß die Gewerbekapitalsteuer genauso wie die Vermögensteuer investitionsfeindlich, arbeitsplatzfeindlich, substanzverzehrend und technologiefeindlich ist. Deshalb müssen beide Steuern weg und nicht nur eine von diesen beiden.
Wie widersprüchlich das Verhalten der SPD in diesem Zusammenhang ist, wird deutlich, wenn man den Antrag liest, den sie uns heute hier zur Abstimmung stellt. Auf der einen Seite hindert sie uns an der Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer, von der sie behauptet, daß sie abgeschafft werden sollte, und auf der anderen Seite verlangt sie von uns ein Moratorium, wonach sie in den neuen Ländern ab 1. Januar 1997 nicht eingeführt werden sollte. Sie sind mit uns sehr schnell einig - heute mittag, morgen früh, nächste Woche, in der ersten Januarwoche. Wir stehen Ihnen zu jedem Zeitpunkt für die Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer zur Verfügung. Dann ha-
ben wir sie nicht in den alten Ländern und brauchen sie in den neuen Ländern erst gar nicht einzuführen.
Ich frage die Kollegen von der SPD, ob sie sich eigentlich darüber im klaren sind, was ihre Blockadepolitik für die neuen Länder in diesem Zusammenhang ganz konkret bedeutet.
Vielleicht schadet es gar nichts, wenn man Sie einmal mit anderen verantwortlichen Persönlichkeiten in der SPD konfrontiert.
Erstens. Die Ministerpräsidenten der neuen Bundesländer sind entschieden der Meinung - und haben entsprechend beschlossen -, daß diese Steuer in den neuen Ländern nicht eingeführt werden soll.
Zweitens. Dieses Thema ist in einer Debatte im Thüringer Landtag am 11. Oktober behandelt worden. Dort sagte der Fraktionsvorsitzende der SPD, an uns gewandt, unter anderem - ich darf nur eine Passage zitieren -:
Herr Trautvetter, Sie haben von Auffassungsunterschieden zwischen SPD und CDU hinsichtlich Gewerbekapital- und Vermögensteuer gesprochen. Ich glaube, das können wir ad acta legen. Ich verstehe es nicht. Wir
- so der SPD-Fraktionsvorsitzende in Thüringen -
lehnen die Gewerbekapitalsteuer für unsere Thüringer Unternehmen ab.
Wir sind exakt der Meinung des Thüringer SPD-Fraktionsvorsitzenden.
Nur, Sie müssen sich die Frage stellen lassen - vielleicht geben Sie nachher auch eine Antwort darauf -,
welche Konsequenz das hat: Wenn die Gewerbekapitalsteuer in den neuen Ländern nicht eingeführt wird - wir sind dagegen, daß sie dort eingeführt wird -, dann fehlt den Kommunen in den neuen Ländern ein Aufkommen in der Größenordnung von rund 500 Millionen DM.
Wenn Sie den Regierungsvorschlag weiter ablehnen, der neben der Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer auch eine Kompensation für das ausgefallene Steueraufkommen beinhaltet, dann heißt dies, daß auch die neuen Bundesländer nicht an der Kompensation teilhaben können und daß ihnen - wie im letzten und in diesem Jahr - auch im nächsten Jahr rund
Hans-Peter Repnik
700 Millionen DM fehlen. Wer dies verantworten will, der soll an dieses Pult treten und dies sagen.
Ihre Politik, Ihr Moratorium führt dazu, daß den Kommunen in den neuen Bundesländern 700 Millionen DM fehlen, die sie dringend benötigen würden für Investitionen, die Arbeitsplätze schaffen und vorhandene Arbeitsplätze erhalten. Auch deshalb ist die Politik, die Sie hier betreiben, arbeitsplatzfeindlich.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir müssen dieses Thema - ich habe es gesagt - in einen größeren Zusammenhang stellen, wir müssen es im Hinblick auf andere Themen erörtern, die ebenfalls Gegenstand der Beratung waren. Ich erinnere an das Asylbewerberleistungsgesetz. Die Bundesregierung hat bereits im Jahre 1995 eine Novelle zum Asylbewerberleistungsgesetz und zu weiteren Gesetzen vorgelegt. Wir haben dies im Februar dieses Jahres beschlossen.
Ich will nur eine wesentliche Botschaft daraus vortragen: Die Hilfeleistungen an Ausländer mit vorübergehendem Aufenthalt in Deutschland sollen vereinheitlicht werden. Denn keiner kann zum Beispiel vernünftig erklären, warum Asylbewerber nach mehr als zwölf Monaten Aufenthalt höhere Leistungen für ihren Lebensunterhalt beanspruchen können als Asylbewerber mit weniger als zwölf Monaten Aufenthalt. Was macht es für einen Sinn, nach zwölf Monaten eine höhere Leistung zu gewähren?
Sie wissen genau, unter welch ungeheurem finanziellen Druck die Kommunen stehen. Es handelt sich hier um einen Betrag in der Größenordnung von rund 1 Milliarde DM. Wir wären bereit gewesen - dies ist Gegenstand dieses Gesetzentwurfs -, die Kommunen um diese 1 Milliarde DM zu entlasten. Sie haben die Zustimmung auch hier verweigert.
Ich gehe einen Schritt weiter: Wenn jemand, dessen Asylverfahren länger als zwölf Monate dauert, mehr Unterhalt bekommt als der, der weniger als zwölf Monate hier ist, fordern Sie die Asylbewerber geradezu heraus, zwölf Monate Aufenthalt zu überschreiten, weil sie dann mehr bekommen als in den ersten zwölf Monaten. Wem können Sie dies noch erklären? Mir zumindest nicht!
Allein die Tatsache, daß dieses Gesetz bis heute nicht in Kraft ist, obwohl es seit dem 1. Mai dieses Jahres in Kraft sein könnte, wenn die SPD-Mehrheit im Bundesrat nicht blockiert hätte, kostet die Kommunen in Deutschland in diesem Jahr 600 Millionen DM.
Wir werden nicht länger zulassen, daß SPD-Oberbürgermeister, SPD-Bürgermeister und SPD-Landräte nach Bonn zeigen und immer wieder darauf hinweisen, unter welch starker sozialer Belastung sie stehen, und daß Sie sich, wenn wir für Entlastung sorgen wollen, verweigern. Dieses Spiel haben wir durchschaut und werden es der Öffentlichkeit vermitteln.
Da wir gerade von Blockade sprechen, müssen wir auch auf ein anderes Gesetz aufmerksam machen, das ebenfalls durch Ihre Politik gescheitert ist, nämlich das Arbeitsförderungs-Reformgesetz.
- Sie sagen: Gott sei Dank.
Mich würde interessieren, wie Arbeitslose in Deutschland, vor allem in den neuen Bundesländern, auf den Zwischenruf „Gott sei Dank" reagierten, wenn sie ihn hörten; denn diesen Arbeitslosen enthalten Sie eine mögliche Arbeitsstelle vor, weil Sie dem AFRG nicht zugestimmt haben.
Sie wissen doch ganz genau: Auf Grund dieser Blokkade verstreichen je nach Dauer des Gesetzgebungsverfahrens für Einstellungszuschüsse bei Neugründungen und Personalausweitung inklusive Bewilligungsverfahren mindestens sechs Monate ungenutzt.
Das ist eine Zeit, in der Arbeitslose bereits eine Stelle erhalten könnten. Das ist eine Zeit, in der Betriebe mit zusätzlichen Arbeitskräften produzieren könnten.
Dies ist eine Zeit, in der Mittel für die staatliche Subventionierung der Arbeitslosigkeit in den regulären Arbeitsmarkt und in produktive Wirtschaftsabläufe fließen könnten.
Wir geben nicht auf, weil wir die Herausforderungen gerade in den neuen Bundesländern sehen und weil uns die Arbeitslosen umtreiben. Wir wollen ihnen helfen.
Deshalb werden wir dieses Gesetz als Einspruchsgesetz neu einbringen. Sie werden keine Chance haben, das Gesetz im Bundesrat mit Ihrer Blockadepolitik zu verhindern.
Allein in diesem Jahr fehlen der Bundesanstalt für Arbeit auf Grund Ihrer Politik bezüglich dieser Maßnahme rund 150 Millionen DM. Rund 2,5 Milliarden DM mit steigender Tendenz pro Jahr könnten wir hier an Entlastung erfahren.
Hans-Peter Repnik
Ich möchte zum Schluß auf folgendes hinweisen: Wir hatten in den letzten Wochen heftige Auseinandersetzungen, auch im Zusammenhang mit der Haushaltsberatung, zum Thema Lohnzusatzkosten. Die Wirtschaft auf der einen Seite und die Arbeitnehmer auf der anderen Seite erfahren durch ständig steigende Beiträge zusätzliche Belastungen.
Sie von der Opposition haben uns vorgehalten, daß diese Beiträge nicht zu bremsen sind, sondern steigen. Aber überall dort, wo wir in diesem Jahr, wie jetzt ganz konkret beim Arbeitsförderungs-Reformgesetz, Maßnahmen beschlossen haben, um die Beiträge zu senken, haben Sie diese Maßnahmen mit Ihrer Blockadepolitik verhindert.
- Sie können noch so lachen, und Sie können noch so sehr darauf hinweisen, daß wir eine zu hohe Staatsquote haben:
Wir haben heute einmal mehr erfahren, daß Sie bei einem anderen wichtigen Gesetz, das der Innenminister vorgestellt hat und wir beraten haben, ebenfalls nicht bereit waren mitzuziehen, nämlich beim Bezügefortzahlungsgesetz. Auch hier hätten wir ein Einsparvolumen für die öffentliche Hand, für Bund, Länder und Kommunen erarbeitet. Sie haben uns auch dieses Mittel aus der Hand geschlagen, zum Schaden der öffentlichen Hand, zum Schaden des Bundes, der Länder und Kommunen.
Alle Daten, die wir in den letzten Wochen erfahren haben, sprechen dafür, daß wir uns wirtschaftlich auf einem positiven Wachstumspfad befinden. Es liegt an uns, an der Politik und am Gesetzgeber, am Bundestag und am Bundesrat, ob wir das Klima, das sich herausgebildet hat, positiv begleiten, positiv beeinflussen, um Arbeitsplätze durch weitere Verbesserungen der Rahmenbedingungen zu schaffen. Deshalb werden wir, wird diese Koalition mit dem reformbestimmten Kurs für mehr Arbeitsplätze fortfahren.
Wir werden Ihre Anträge ablehnen. Wenn wir ihnen folgen würden, würde dies dazu führen, daß wir keine neuen Arbeitsplätze schaffen, sondern gefährden. Deshalb bitte ich Sie, unserem Antrag zuzustimmen und die Anträge der SPD sowie der Grünen abzulehnen.
Vielen Dank.
Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Peter Struck.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich hätte nicht gedacht, Herr Kollege Repnik, daß man in einer halben Stunde so viele Unwahrheiten und Verdrehungen über eine Gesetzesberatung vortragen kann.
Ich hätte es Ihnen, ehrlich gesagt, auch nicht zugetraut. Ich werde zu einzelnen Punkten Stellung nehmen. Ich sage Ihnen: Ich werde zum Beweis meiner Behauptungen aus der gerade beendeten Sitzung des Vermittlungsausschusses zitieren. Dann werden Sie ganz, ganz schlecht aussehen.
Ich fange mit dem Gesetz zur Bezügefortzahlung an. Es ist geradezu absurd, wenn Herr Kanther sagt: Wir wollen die Lohnfortzahlungskürzung für Beamte im Krankheitsfall dem anpassen, was in der Wirtschaft vereinbart worden ist. Herr Kanther, dann müssen Sie das Gesetz sofort begraben; denn die Wirtschaft ist schon viel schlauer geworden als Sie. Die Tarifergebnisse kennen wir doch.
Ich sage Ihnen noch eins: Dieses Gesetz zur Kürzung der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall war von Anfang an ein schwerer Fehler dieser Regierung. Sie haben Begehrlichkeiten bei Arbeitgebern geweckt. Sie haben eine fatale soziale Situation in Deutschland herbeigeführt. Es ist nur dem Verstand der Gewerkschaften und vernünftiger Arbeitgeber zu verdanken, daß es jetzt überhaupt noch zu einer einigermaßen befriedigenden Situation in Deutschland gekommen ist.
Sie sollten sich nicht mit solchen Unsinnsgesetzen brüsten. Vergessen Sie dieses Gesetz! Durch die Mehrheitsentscheidung des Vermittlungsausschusses wird es das Gesetz nicht geben. Die Beamten in der Bundesrepublik Deutschland werden es uns ebenso zu danken wissen wie die Arbeitnehmer, die inzwischen ordentliche Tarifverträge abzuschließen bereit sind.
Es ist eine falsche Politik. Sie haben sich verhalten wie der Zauberlehrling: Sie beschweren sich über die Geister, die Sie gerufen haben und die Sie nicht mehr los werden. Sie sind doch für die soziale Kälte in Deutschland verantwortlich und nicht wir.
Ich kann das Wort von der Blockade nicht mehr hören. Was ist es denn anderes, wenn man alternative Vorstellungen vorlegt von seiten des Bundesrates, als
Dr. Peter Struck
das normale Prinzip einer demokratischen Auseinandersetzung über den richtigen Weg?
Ich frage Sie, Herr Repnik: Ein Herr Mayer-Vorfelder - Ihr Finanzminister -, ein Herr Teufel - Ihr Ministerpräsident -, ein Bernhard Vogel und ein Ministerpräsident Biedenkopf, die den Vermittlungsausschuß angerufen haben, sind das Blockierer? Nein, das sind Ministerpräsidenten, die alternative Vorstellungen diskutieren wollen und die ihr demokratisches Recht wahrnehmen!
Das dämliche Wort von der Blockade haben wir ja noch nicht einmal benutzt, als wir in der umgekehrten Situation waren. Man muß erkennen, daß die Leute, die im Bundesrat Verantwortung tragen, eine Verantwortung für ihre Länder haben.
Ich sage Ihnen noch etwas zu dem, was nicht im Jahressteuergesetz steht und was wir hier auch nicht zu entscheiden brauchen. Ich bin als Sozialdemokrat stolz darauf, meine Damen und Herren, daß es uns gelungen ist, daß das Kindergeld erhöht wird, so wie es vor einem Jahr vereinbart worden ist. Das werden Sie auch nicht mehr hinwegdiskutieren.
Ich wende mich jetzt dem Thema Arbeitsförderungs-Reformgesetz zu. Norbert Blüm ist nicht da. Ich weiß nicht, wo er ist. Der Staatssekretär kann ihm das ja weitersagen. Wir haben beim Arbeitsförderungs-Reformgesetz sowie beim Wachstums- und Beschäftigungsförderungsergänzungsgesetz - die Namen kann man ja kaum noch auf die Reihe bekommen; sie stimmen auch alle nicht;
sie sind alle falsch, nur der Name Jahressteuergesetz stimmt noch - einen Vorschlag im Vermittlungsausschuß durchgesetzt, der folgendes besagt: Um die Rentenversicherungskassen zu entlasten, schlagen wir vor, daß die Rentenversicherungsträger dadurch 1,4 Milliarden DM erhalten, daß alle diejenigen, die einen Hauptberuf haben und noch zusätzlich einen Nebenjob mit der 590-DM-Grenze ausüben, in die Sozialversicherungspflicht einbezogen werden. Wir sind übrigens auch bereit gewesen, über Ausnahmen, zum Beispiel bei Zeitungszustellern, zu reden; selbstverständlich.
Nun gucke ich einmal die Kollegen aus der CDU/ CSU-Fraktion an. Wenn Herr Blüm hier wäre, dann würde er mir bestätigend zunicken.
- Sie haben keine Ahnung, Herr Hintze.
- Er hat wirklich keine Ahnung. Sie auch nicht, Herr Westerwelle. Aber das ist ein anderes Thema.
Unsere Vorschläge haben die Zustimmung der CDU/CSU-Fraktion gefunden, nur die Zustimmung der F.D.P.-Fraktion nicht. Daran sind unsere Vorschläge gescheitert. Sie haben die Verantwortung dafür, daß die Rentenversicherungsbeiträge um 1,1 Prozent steigen müssen, nicht wir.
Ich sage jetzt etwas zu dem Thema, das uns vor allen Dingen beschäftigt hat. Ich muß sagen, die Ergebnisse des Vermittlungsausschusses, wenn ich alle zusammen nehme, sind für uns Sozialdemokraten, vom Jahressteuergesetz einmal abgesehen, sehr erfreulich. Wir haben uns in allen Punkten durchgesetzt
oder uns geeinigt. Es ist Sache dieses Hauses, nachher darüber zu entscheiden.
Zur Gewerbekapitalsteuer. Nun berichte ich - das ist sicherlich verfassungswidrig; möglicherweise wird da noch irgendeine rechtliche Konsequenz eingeleitet; Herr Hintze ist einer, der so etwas sofort anregen würde -, was sich gerade eben im Vermittlungsausschuß abgespielt hat. Die SPD-Bundestagsfraktion hat in der letzten Woche dem Vermittlungsausschuß einen Vorschlag unterbreitet, sämtliche rechtlichen Möglichkeiten auszuschöpfen - -
- Nun lassen Sie mich doch erst einmal ausreden! Alle die, die nicht da waren, sollten jetzt einmal ganz ruhig sein.
Wir haben einen Vorschlag unterbreitet, der es möglich macht, die Gewerbekapitalsteuer in den neuen Bundesländern nicht zu erheben. Ich sage das hier, weil das hinterher öffentlich bekanntgeworden ist.
- Ich habe noch nicht von der heutigen Sitzung gesprochen. Immer ruhig bleiben! Es hat gar keinen Sinn, daß Sie sich aufregen. Ich habe von der letzten Sitzung gesprochen.
- Die war in der letzten Woche, Herr Kollege Westerwelle.
Dr. Peter Struck
Hören Sie mal gut zu!
- Sie verstehen das nicht. Kleben Sie lieber Ihre Plakate. Das ist vielleicht noch für Sie angemessen.
Dieser Vorschlag ist im nachhinein auch öffentlich diskutiert worden, insbesondere vom Land Thüringen, vom Ministerpräsidenten des Landes Thüringen. Während einer Unterbrechung der heutigen Sitzung des Vermittlungsausschusses ist mir mitgeteilt worden, daß der Ministerpräsident des Landes Thüringen zu einem Termin bei dem Fraktionsvorsitzenden der CDU/CSU über die Frage der Nichterhebung der Gewerbekapitalsteuer gebeten wurde.
Das Ergebnis ist jedenfalls - das stelle ich hier deutlich fest -: Der Vermittlungsausschuß hat heute - das steht hier zur Abstimmung - ein Jahressteuergesetz beschlossen, das die Einführung der Gewerbekapitalsteuer zum 1. Januar 1997 in den neuen Bundesländern erforderlich macht, und das gegen unseren Willen. Wir wollten das nicht. Sie tragen die Verantwortung.
- Wenn Sie mich noch weiter reizen, dann zitiere ich den Ministerpräsidenten des Landes Thüringen. Ich sage Ihnen das. Seien Sie da ganz vorsichtig!
Die Gewerbekapitalsteuer wollen wir abschaffen.
Wir wollen diese ertragsunabhängige Steuer abschaffen. Aber ich sage Ihnen genauso: Solange Sie darauf bestehen, daß Millionäre keine Vermögensteuer zahlen müssen, gibt es keine Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer. Mit uns Sozialdemokraten nicht!
Es ist doch absurd - das will ich Ihnen sagen -, wenn durch die Nichterhebung einer Steuer -
Herr Kollege Struck, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
- diesen Satz noch, Frau Präsidentin - auf private Vermögen jemand, der 10 Millionen DM Vermögen hat, jedes Jahr 100 000
DM vom Staat geschenkt bekommt. Das ist ein Skandal, und das bleibt ein Skandal.
So, Herr Westerwelle, dann schießen Sie mal los.
Herr Kollege Struck, ich muß vorher noch zu einer anderen Sache kurz Stellung nehmen. Ich bin darauf hingewiesen worden - Sie wissen das selbstverständlich auch -, daß die Protokolle und Beratungen des Vermittlungsausschusses vertraulich sind.
Ich habe die Vertraulichkeit auch nicht gebrochen. Da regt sich ein Herr Schäuble oder sonstwer auf, der überhaupt nicht an der Sitzung teilgenommen hat. Das interessiert mich gar nicht.
Eine Zwischenfrage vom Kollegen Westerwelle. Bitte.
Herr Kollege, Sie haben wiederholt gesagt - Sie variieren jedesmal -, daß es sich bei der Abschaffung der Vermögensteuer um eine Privilegierung von Millionären - neulich las ich sogar, Sie meinten die Milliardäre - handelt. Wie erklären Sie sich dann, daß der Bund der Steuerzahler noch im letzten Monat darauf hingewiesen hat, daß zum Beispiel für einen Alleinstehenden, dessen Vermögen aus einem Einfamilienhaus mit 50 000 DM Einheitswert und Ersparnissen von 70 000 DM besteht, bereits die Pflicht zur Zahlung der Vermögensteuer besteht, und wie erklären Sie sich eigentlich, daß nach einer Untersuchung in Rheinland-Pfalz und Bayern lediglich 11 Prozent der Vermögensteuerpflichtigen über ein steuerpflichtiges Einkommen von mehr als 120 000 bzw. 240 000 DM verfügen? Wie erklären Sie sich also, daß es sich nur bei 11 Prozent der Vermögensteuerpflichtigen um Leute handelt, die man als Besserverdienende bezeichnen kann? Der Rest trifft den klassischen Mittelstand.
Herr Kollege Westerwelle, nun haben Sie da etwas vorgelesen. Ich kann auch verstehen, daß Sie das vorlesen müssen. Ich sage Ihnen dazu: Wir haben im Vermittlungsausschuß und in die Beratungen hier einen Gesetzentwurf einer verfassungskonformen Erhebung einer Vermögensteuer für natürliche Personen eingebracht.
- Nun reden Sie doch keinen Stuß! Das ist natürlich
wahr. Waren Sie denn dabei, als wir diesen Gesetz-
Dr. Peter Struck
entwurf eingebracht haben? Herr Weng, hören Sie doch auf!
Ich nenne Ihnen den wesentlichen Bestandteil dieses Gesetzentwurfs. Der Gesetzentwurf, der von den Ländern Nordrhein-Westfalen und Hamburg und der SPD-Bundestagsfraktion erarbeitet worden ist, sieht folgendes vor, Herr Kollege Westerwelle. Wenn Sie ein Vermögen von 2 Millionen DM haben, verheiratet sind und zwei Kinder haben, haben Sie zunächst einmal einen Freibetrag von 1 Million DM: 300 000 DM pro Erwachsenen, 200 000 DM pro Kind. Für den überschießenden Betrag von 1 Million DM, Herr Kollege Westerwelle, sollen Sie 0,5 Prozent Vermögensteuer bezahlen. Das sind 5 000 DM im Jahr.
Daran geht keiner kaputt. Das ist nun wirklich eine gerechte Maßnahme und nicht eine Belastung des Mittelstands. Hören Sie doch damit auf!
Ich will, damit ich dieses Gesetz dann auch gleich mit abgehandelt habe, auf das Asylbewerberleistungsgesetz eingehen. Sie haben wieder nur die halbe Wahrheit gesagt, Herr Kollege Repnik.
Die ganze Wahrheit lautet nämlich folgendermaßen. Natürlich war in diesem Gesetzentwurf auch ein Teil über die Leistungen an Asylbewerber und Flüchtlinge enthalten.
Sie haben von den anderen zwei Punkten dieses Omnibusgesetzes wohlweislich nicht gesprochen. Das mache ich jetzt aber. Dieser Gesetzentwurf sah vor, daß die originäre Arbeitslosenhilfe gestrichen wird, was bedeutet hätte, daß die Menschen, die bisher einen Anspruch darauf hatten, sofort in die Sozialhilfe und damit zu Lasten der Gemeinden gegangen wären. Das hätte 1,1 Milliarden DM gekostet. Daß wir so etwas nicht akzeptieren können, liegt auf der Hand, Herr Repnik. Das ist doch wohl klar.
Außerdem enthielt dieser Gesetzentwurf noch die Vorschrift, daß diejenigen, die bisher den öffentlichen Personennahverkehr als Schwerbehinderte kostenlos benutzen können, diese Berechtigung in Zukunft zu Lasten der Länder hätten in Anspruch nehmen sollen. Auch das ist eine Viertelmilliarde DM. Wie gehen Sie denn hier mit der Wahrheit um? Sie wollen 1,3 Milliarden DM auf die Länder und die Gemeinden verschieben. Das machen wir nicht mit, und dabei wird es auch bleiben.
Ich denke, jetzt habe ich einen Teil der Unwahrheiten, die Sie vorgetragen haben, beseitigt. Es bleibt aber ein großer Rest. Es bleibt das Thema Vermögensteuer, es bleibt die Frage: Wie wird es im nächsten halben Jahr aussehen?
Zurück zu Ihrer ersten Lüge. Es ist ein Ärgernis, daß alle von Ihnen diese Lüge immer wieder verbreiten. Die Lüge lautet, das Bundesverfassungsgericht habe entschieden: Die Vermögensteuer muß abgeschafft werden. Das ist die Unwahrheit.
Ich lese Ihnen das vor. Das Bundesverfassungsgericht hat am 22. Juni 1995 folgendes entschieden:
§ 10 Nummer 1 des Vermögensteuergesetzes
- das betrifft den Steuersatz für natürliche Personen -
... ist ... mit Artikel 3 Absatz 1 des Grundgesetzes insofern unvereinbar, als er den einheitswertgebundenen Grundbesitz ... und das zu Gegenwartswerten erfaßte Vermögen mit demselben Steuersatz belastet.
Das ist der erste Satz; das ist ja wohl nicht strittig.
- Ja, dazu komme ich jetzt. - Zugleich verpflichtete das Bundesverfassungsgericht den Gesetzgeber - das sind wir und danach der Bundesrat -, bis Ende 1996 eine Neuregelung zu treffen. Der Satz lautet:
Der Gesetzgeber ist verpflichtet, eine Neuregelung spätestens bis zum 31. Dezember 1996 zu treffen. Längstens bis zu diesem Zeitpunkt ist das bisherige Recht weiterhin anwendbar.
Das heißt, wenn Sie bereit gewesen wären, eine Neuregelung zu treffen, dann hätten wir ab 1. Januar 1997 eine Vermögensteuer.
Nun sagen Sie doch endlich ehrlich, daß Sie dazu nicht bereit sind. Sie wollen keine Vermögensteuer für natürliche Personen, nicht weil das Verfassungsgericht das so entschieden hat, sondern weil Sie das nicht wollen. Übernehmen Sie dafür endlich die politische Verantwortung!
Das heißt dann auch, daß Sie die politische Verantwortung für alle Maßnahmen übernehmen müssen, die zu treffen waren, um den Ausgleich bei den Ländern, der erforderlich ist, einigermaßen abzumildern. Sie haben die politische Verantwortung dafür, daß die Erbschaftsteuer erhöht werden muß. Sie haben
Dr. Peter Struck
die politische Verantwortung dafür, daß die Grunderwerbsteuer erhöht werden muß. Aus dieser Verantwortung entlassen wir Sie nicht; die tragen Sie nach wie vor.
Ich verstehe auch nicht, wieso Sie sich in dieser Frage so verbissen haben. Das hat wahrscheinlich nur ideologische Gründe.
Wirtschafts- und arbeitsmarktpolitische Gründe kann das überhaupt nicht haben.
Ich zitiere zum Thema Vermögensteuer eine wirklich prominente Stimme:
Die fortlaufende Erhebung einer Vermögensteuer trägt dem Gedanken Rechnung, daß Vermögen als solches eine zusätzliche Besteuerung rechtfertigt, und zwar nicht nur wegen der laufenden Vermögenserträge, sondern weil bereits das Vorhandensein von Vermögen eine eigene zusätzliche Leistungsfähigkeit begründet . . . Ohne Beibehaltung einer laufenden Vermögensteuer müßte die Erbschaftsteuer, der dann allem die Aufgabe der Vermögensbesteuerung zufallen würde, zur Vermeidung von Steuerausfällen zu einer erheblich stärkeren Belastung führen, als dies im Falle einer Vorausbelastung des Vermögens mit einer laufenden Vermögensteuer der Fall ist.
Wie verantworten Sie es denn, daß Studenten in Baden-Württemberg zukünftig erstmalig eine Einschreibgebühr von 100 DM bezahlen müssen, nur weil das Land in finanziellen Schwierigkeiten ist?
Wie verantworten Sie es denn, daß Eltern künftig in Baden-Württemberg, auch in Offenburg und Friedrichshafen, für Grundschulförderklassen Gebühren bezahlen müssen? Das bedeutet den Einstieg ins Schulgeld, nur weil Sie das Land arm machen und nicht bereit sind, eine Vermögensteuer zu erheben. Können Sie das überhaupt vor Ihrem Gewissen verantworten?
Besonders schlimm finde ich, daß im Land BadenWürttemberg, aber auch in anderen Bundesländern das Blindengeld gekürzt werden muß, weil das Land am Ende seiner finanziellen Leistungsfähigkeit ist.
- Darüber lachen Sie! Das finde ich ja noch katastrophaler, daß Sie im Zusammenhang mit einer solchen Maßnahme auch noch lachen.
Ich sage Ihnen: Sie werden sich für Ihr heutiges Abstimmungsverhalten schämen müssen.
Ich sage Ihnen noch eines: Dieses Thema wird uns und Sie beschäftigen; Sie wird es sehr beschäftigen.
Dr. Peter Struck
Ich prophezeie Ihnen: Von den Mitgliedern des Deutschen Bundestages auf der rechten Seite des Hauses werden nach der nächsten Bundestagswahl 30 bis 40 weniger dasein, nicht weil sie von sich aus ausgeschieden sind, sondern weil Sie weniger Stimmen bekommen werden,
auch deswegen, weil wir dieses Thema, die ungerechte und unsoziale Steuerpolitik, bis 1998 jeden Tag thematisieren werden.
Das Wort hat jetzt die Kollegin Kerstin Müller.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich kann daran nahtlos anknüpfen.
Das Vermittlungsergebnis zum Jahressteuergesetz 1997 ist in jeder Hinsicht ein schlechtes Ergebnis. Sie von der Koalition waren nämlich entschlossen, ein Steuergeschenk an die Reichen dieses Landes zu machen; denn die Abschaffung der Vermögensteuer ist nichts anderes als ein Steuergeschenk an die Reichen. Das haben Sie mit diesem Jahressteuergesetz durchgesetzt.
Wir haben einen Vorschlag vorgelegt, die Vermögensteuer nach den Vorgaben des Verfassungsgerichtes zu reformieren; Herr Kollege Struck hat schon darauf hingewiesen. Der Auftrag war, sie zu reformieren, aber nicht, sie abzuschaffen. Darüber gab es bei Ihnen keine Gesprächsbereitschaft.
Wir, Bündnis 90/Die Grünen und die SPD, haben Ihnen im Vermittlungsausschuß ein Kompromißangebot gemacht: Erhalten Sie doch wenigstens die Steuer auf die privaten Vermögen! Das ist nun wirklich eine Steuer, Herr Westerwelle, die keine Investitionen behindert; sie belastet vielmehr die Reichsten der Reichen. In diesem Punkt haben Sie aber keine Gesprächsbereitschaft gezeigt.
Nach den stundenlangen Diskussionen und den nächtelangen Sitzungen in der letzten Woche muß ich Ihnen sagen: Werfen Sie uns nie wieder Blockadepolitik vor! Was Blockadepolitik in bezug auf die Vermögensteuer und andere Dinge bedeutet, haben wir in diesen Wochen im Vermittlungsausschuß erlebt.
Sie und nicht wir blockieren jeden Versuch, zu vernünftigen Kompromissen zu kommen und konstruktive Ergebnisse zu finden. Der Preis für Ihre Blockadepolitik ist hoch, denn die Länder verlieren nach diesem Ergebnis jedes Jahr über 1 Milliarde DM. Die Städte und Gemeinden, die Schulen und Universitäten werden das zu spüren bekommen. In diesen Bereichen fehlt dann das Geld, das Sie mit vollen Händen verteilen.
Meine Damen und Herren von der Koalition, Sie begehen mit diesem Ergebnis zum Jahressteuergesetz 1997 mehrfachen Wortbruch. Sie hatten nämlich im Rahmen des Jahressteuergesetzes 1996 zugesagt und beschlossen, das Kindergeld ab 1997 um 20 DM zu erhöhen und das steuerfreie Existenzminimum entsprechend den Vorgaben des Verfassungsgerichts anzuheben. Jetzt wollen Sie im Rahmen des Jahressteuergesetzes 1997 von beiden Zusagen nichts mehr wissen. Es ist nur dem zähen Widerstand der Opposition zu verdanken, daß wenigstens die Erhöhung des Kindergeldes stattfindet und daß diese Erhöhung nicht um ein weiteres Jahr verschoben wird.
Daß Menschen mit niedrigstem Einkommen, die gerade einmal über 1 000 DM im Monat verdienen, wie versprochen von der Steuer freigestellt werden, war nicht durchsetzbar. Ich finde, das ist Diebstahl per Gesetz; denn die Freistellung des Existenzminimums ist eine Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts. In diesem Punkt hat der Gesetzgeber, also das Parlament, keinen eigenen Entscheidungsspielraum mehr. Die Bürgerinnen und Bürger haben nämlich ein von der Verfassung garantiertes Recht auf diese Freistellung des Existenzminimums. Meines Erachtens ist die vorgesehene Höhe im jetzigen Jahressteuergesetz verfassungswidrig. Man kann den Bürgerinnen und Bürgern nur empfehlen, hiergegen zu klagen. Sie wären im Recht.
Sie brauchen dieses Geld für die Abschaffung der Vermögensteuer. Man muß sich das einmal auf der Zunge zergehen lassen: 22 Billionen DM an Vermögen bleiben in Deutschland künftig unangetastet. Aber die Erhöhung des Grundfreibetrages, das heißt eine Steuerentlastung für kleine Einkommen von zirka 1,6 Milliarden DM findet nicht statt. Darüber gab es im Vermittlungsausschuß nichts mehr zu verhandeln. Das war Ihre Blockadepolitik.
Kerstin Müller
Es handelt sich um einen ganz klaren Wortbruch: 1996 versprochen, 1997 gebrochen.
Die Koalition hatte auch die Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer versprochen. Wir waren in diesem Punkt gesprächsbereit. Wir haben gesagt: Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer, wenn die Kommunen eine volle Kompensation erhalten, die Gewerbeertragsteuer zukünftig für alle gilt und im Grundgesetz verankert wird und wenn man diese Steuer zusammen mit der privaten Vermögensteuer verhandeln kann. Aber Sie und nicht wir wollten darüber nicht verhandeln.
Das Ergebnis Ihrer Blockadehaltung ist: Die Gewerbekapitalsteuer bleibt, und - vor allem - sie tritt am 1. Januar 1997 auch in den neuen Ländern in Kraft. Dafür tragen Sie allein die Verantwortung.
- Sie wollten nicht verhandeln. Das war Ihre Blockadepolitik.
Die F.D.P. hatte gleich zweierlei versprochen, nämlich zum einen den Abbau des Solidaritätszuschlages und zum anderen keine Steuererhöhungen. Beide Versprechen hat sie mit dem Jahressteuergesetz gebrochen: Der Solidaritätszuschlag wird bekanntlich nicht gesenkt, und es gibt nicht nur eine, nein, es gibt gleich zwei Steuererhöhungen in diesem Jahressteuergesetz.
Einmal gibt es eine Erhöhung der Erbschaftsteuer um gut 2 Milliarden DM. Das finden wir im Grundsatz richtig, denn die Erbschaftsteuer in Deutschland ist im internationalen Vergleich viel zu niedrig. Eine Reform mit einem deutlichen Mehraufkommen ist seit langem überfällig. Wir haben dazu einen entsprechenden Entwurf vorgelegt. Aber wir wollen das Mehraufkommen aus der Erbschaftsteuer für eine soziale Grundsicherung verwenden, für die Armsten dieser Gesellschaft, um das soziale Netz zukunftssicher zu machen. Sie dagegen finanzieren mit dem Mehraufkommen aus der Erbschaftsteuer den Wegfall der Vermögensteuer, also Ihr Geschenk an die Reichsten der Reichen. Das finde ich ziemlich absurd.
Wir halten fest: Ihr eigenes Versprechen, keine Steuererhöhungen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der F.D.P., ist schon bei der Erbschaftsteuer gebrochen. Aber der eigentliche Hammer des Jahressteuergesetzes, finde ich, ist die Erhöhung der Grunderwerbsteuer. Diese Steuer wird jetzt von 2 auf 3,5 Prozent erhöht. Das bringt Mehreinnahmen von zirka 5,25 Milliarden DM, und zwar auf Kosten vor allem der Leute, die sich ein Haus bauen oder kaufen wollen.
Dabei haben Sie erst im letzten Jahr die Eigenheimförderung reformiert, um - wie Sie sagten - gerade Haushalten mit kleinen und mittleren Einkommen den Eigentumserwerb und den Hausbau zu erleichtern. Da wurde eine für alle Einkommensgruppen gleiche Zulage zu den Baukosten eingeführt. Bei denselben Leuten, die diese Zulage bekommen, damit sie sich einen Hausbau leisten können, kassieren Sie jetzt durch Ihre Steuererhöhung wieder ab. Wo ist denn dabei die Logik? Ich finde das einfach nur chaotisch.
Ich gebe noch einmal die Beispiele. Wer etwa für einen Altbau im Laufe von acht Jahren ganze 20 000 DM Eigenheimzulage bekommt, zahlt allein wegen Ihrer Erhöhung der Grunderwerbsteuer 7 500 DM zusätzlich. Auch bei Neubauten geht bis zu einem Viertel der Bauzulage künftig allein für die zusätzliche Grunderwerbsteuer drauf. Ich frage mich: Lohnt sich dieser Preis, um Gloria von Thurn und Taxis noch ein bißchen reicher zu machen? Weil Sie die Vermögensteuer abschaffen wollen, wollen Sie die Grunderwerbsteuer erhöhen. Das ist doch absurd. Das ist doch keine konsequente Steuerpolitik mehr.
Ich bin gespannt, ob die F.D.P. das anspricht. Völlig zu Recht protestiert der Bundesverband der Bauindustrie gegen diese absurde Steuererhöhung. Die Bauwirtschaft steht im Moment sowieso nicht besonders gut da, weil gerade die öffentlichen Investitionen zurückgehen, und dann kommmt eben noch diese Steuererhöhung.
Ich sage, das ist ordnungspolitisch völlig verfehlt. Das ist wirtschaftspolitisch völlig kontraproduktiv. Das wissen Sie selbst ganz genau. Das haben die Verhandlungen im Vermittlungsausschuß gezeigt. Aber auch das ist Ihnen der Wegfall der Vermögensteuer wert. Mittlere Einkommen werden in diesem Fall herangezogen.
Nach diesen Erfahrungen frage ich Sie: Wie wollen Sie denn nach dieser Vorstellung zum Jahressteuergesetz allen Ernstes die von Ihnen grandios angekündigte Steuerreform durchführen? Sie haben doch erst bei der letzten Reform der Grunderwerbsteuer alle Ausnahmeregelungen abgeschafft, damit im Ausgleich die Steuersätze gesenkt werden konnten; eben nach dem Prinzip: Vertrauen gegen Vertrauen, gebt ihr eure Besitzstände ab, dann honorieren wir das mit einem niedrigen Steuersatz. - Nur auf dieser Grundlage, Vertrauen gegen Vertrauen, können wir doch Akzeptanz für die große Steuerreform schaffen. Das setzen Sie jetzt leichtfertig aufs Spiel.
Jetzt sind die Ausnahmen weg, der Steuersatz wird drastisch erhöht. Auf diese Weise zerstören Sie jede Vertrauensgrundlage für die große Steuerreform.
Sie reden in diesem Zusammenhang immer von der Abschaffung von Steuerprivilegien, bauen aber gleichzeitig ein Steuerprivileg mit dem Jahressteuer-
Kerstin Müller
Besetz aus, nämlich das sogenannte Dienstmädchenprivileg. Herr Repnik, ich nenne es noch einmal so. Ja, auch das ist wieder ein Geschenk an die Besserverdienenden. Wieder war mit Ihnen bei dieser Sache im Vermittlungsausschuß nicht zu reden.
Sie wollen doch Steuerprivilegien abbauen. Hier bauen Sie sie aus. Das ist doch wohl Fakt.
Ich meine, diese Steuerreform, die Sie mit großem Mund aufbauen, reißen Sie zugleich mit Ihren Händen wieder ein. Herr Kollege Westerwelle, sorgen Sie doch einmal für Klarheit;
denn man hört einiges aus der CDU/CSU-Steuerkommission. Da berichtet etwa der Herr Koch, hessischer Fraktionsvorsitzender der CDU, die CDU/CSU sei zur Erhöhung der Mehrwertsteuer fest entschlossen. Eine Erhöhung von 15 auf 17 Prozent sei ein politisches Eckdatum. Herr Westerwelle, jetzt sagen Sie doch einmal klipp und klar: Mit der F.D.P. gibt es keine Mehrwertsteuererhöhung, weder jetzt noch 1999. Ich finde, das wäre einmal ein klares Wort von einer Steuersenkungspartei.
Ich möchte noch einmal - wie man lesen konnte - die Frage des Kollegen Koppelin aus der Präsidiumssitzung der F.D.P. aufgreifen. Sie versprechen durch die große Steuerreform eine Steuerentlastung in Höhe von netto 30 Milliarden DM. Woher wollen Sie denn dieses Geld nehmen? Legen Sie doch einmal Ihre Vorschläge hierzu auf den Tisch.
Ich gehe davon aus, daß Sie diese Fragen wie beim letztenmal einfach nicht beantworten werden. Ich glaube, es ist absehbar, was Sie weiter vorhaben: Sie werden allen Steuerpflichtigen Entlastung versprechen und wieder Ihr Wort brechen. Sie werden einige wenige besonders gut Verdienende wirklich entlasten. Alle anderen werden dafür zahlen.
Angesichts dieser neuen Steuerlüge hoffen Sie, daß das Gedächtnis der Bürgerinnen und Bürger möglichst schlecht funktioniert. Ich sage Ihnen: Ihre Rechnung geht nicht mehr auf. Ich freue mich schon auf den nächsten Akt der Farce Steuervereinfachung à la CDU/CSU und Steuersenkung à la F.D.P. Erwarten Sie nur nicht, daß noch einmal jemand Beifall klatscht.
Ich hoffe, Sie werden bei der Bevölkerung für Ihre Vorhaben keine Zustimmung mehr finden - genausowenig wie Sie die Zustimmung meiner Fraktion zu diesem Ergebnis des Vermittlungsausschusses bekommen können.
Das Wort hat jetzt der Herr Kollege Thiele.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Frau Müller, ich glaube, auch den Grünen sollte es ein Anliegen sein, daß Wege gefunden werden, Arbeitsverhältnisse, die derzeit in Deutschland überwiegend schwarz ausgeführt werden, wie das in privaten Haushalten der Fall ist, zu reduzieren. Das haben wir in diesem Gesetz vor. Das haben wir beschlossen. Ich bin glücklich darüber, daß dies im Vermittlungsausschuß Bestand gehabt hat.
Herr Struck, nach Ihrer Rede zum Ergebnis des Vermittlungsausschusses müßte man davon ausgehen, daß es scheitert. Das wäre die Konsequenz Ihrer Ausführungen, die Sie hier für die SPD-Fraktion vorgetragen haben. Deshalb bin ich auf das Abstimmungsergebnis Ihrer Fraktion und der SPD-geführten Mehrheit im Bundesrat ausgesprochen gespannt.
Mit der Verabschiedung des Jahressteuergesetzes 1997 werden Wettbewerbsnachteile deutscher Unternehmen und deutscher Arbeitsplätze im Vergleich mit unseren wichtigsten Mitbewerberländern reduziert. Es ist unbestritten, daß etwa 60 Prozent des Aufkommens der Vermögensteuer aus der betrieblichen Vermögensteuer resultiert. Das heißt, die Vermögensteuer belastet als reine Substanzsteuer - Substanzsteuer bedeutet, sie muß unabhängig davon gezahlt werden, ob ein Betrieb Gewinne erwirtschaftet oder nicht - die Unternehmen und vor allem jeden Arbeitsplatz in Deutschland mit einer Sondersteuer.
Über die Parteigrenzen hinweg sind wir uns doch einig, daß das Eigenkapital der Betriebe und das der Arbeitsplätze gestärkt werden muß. Gerade die Vermögensteuer ist doch aber die Steuer, die in die Substanz des Eigenkapitals eingreift und aus der Substanz des Betriebes gezahlt werden muß. Das ist absurd. Deshalb haben wir von Anfang an immer wieder erklärt, daß in Deutschland die betriebliche Vermögensteuer als Sonderbelastung des Faktors Arbeit abgeschafft werden muß.
Das verbleibende Nettoaufkommen der Vermögensteuer auf Privatvermögen soll zukünftig über ein erhöhtes Aufkommen aus der Erbschaftsteuer erbracht werden, weil die Erbschaftsteuer eben auch eine Steuer auf Vermögen ist. Wir überführen die private Vermögensteuer in eine andere Steuer auf Vermögen, nämlich in die Erbschaftsteuer. Hierdurch wird der Wegfall der privaten Vermögensteuer kom-
Carl-Ludwig Thiele
pensiert, so daß an dieser Stelle keine Gerechtigkeitslücke auftritt.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, damit werden private Vermögen weiter ihren Anteil an dem Steueraufkommen in Deutschland leisten. Deshalb ist die Behauptung der SPD, daß die private Vermögensteuer ersatzlos gestrichen wird, eine bewußte Irreführung der Öffentlichkeit.
Die SPD hat im Deutschen Bundestag ein Gesetz zur Beibehaltung der Vermögensteuer eingebracht. In diesem Gesetz ist keinerlei Differenzierung zwischen privater und betrieblicher Vermögensteuer vorgenommen worden.
Deshalb habe ich hier im Bundestag in der Debatte bei der Verabschiedung des Jahressteuergesetzes 1997 namhafte Sachverständige zitiert, die diesen Gesetzentwurf der SPD für verfassungswidrig halten.
Bis zum heutigen Tage ist seitens der SPD kein anderslautender Gesetzesentwurf im Deutschen Bundestag eingebracht worden, obwohl doch auch die SPD seit Mitte letzten Jahres dazu die Zeit und die Möglichkeit gehabt hätte.
Nunmehr wird von der SPD nämlich nur vorgetragen: Laßt uns die Kapitalgesellschaften von der Vermögensteuer ausnehmen. - Das ist die Linie. Hierdurch soll der Eindruck erweckt werden, als würden bei diesem Vorschlag der SPD nur noch Privatvermögen steuerlich erfaßt werden. Das ist falsch.
Der Vorschlag der SPD würde bedeuten, daß die großen Aktiengesellschaften in unserem Lande keine Vermögensteuer mehr zu zahlen hätten; aber der Mittelstand in unserem Lande hätte die Vermögensteuer zu zahlen.
Denn mehr als 90 Prozent der Betriebe in Deutschland sind Personengesellschaften und Einzelunternehmen, die Sie bewußt nicht von der Vermögensteuer ausnehmen wollen. Bei diesen Betrieben handelt es sich bei der Erhebung einer Vermögensteuer sehr wohl um eine betriebliche Vermögensteuer. Gerade in diesen Betrieben, in den Handwerksbetrieben, bei den Selbständigen und bei Dienstleistungsunternehmen, müssen doch die Arbeitsplätze entstehen, die wir alle wollen, um unseren Beitrag zur Beseitigung der Arbeitslosigkeit zu leisten.
In diesem Zusammenhang erklären Sie von der SPDBundestagsfraktion, daß genau bei diesen Betrieben
weiter Vermögensteuer auf die Substanz der Betriebe und auf die Arbeitsplätze in Deutschland erhoben werden soll. Das ist absurd, und das machen wir auch nicht mit.
Der Vorschlag der SPD ist die Befreiung der großen Kapitalgesellschaften von der Vermögensteuer. Ihr Vorschlag zur Vermögensteuer hat eine reine Mittelstandssteuer zum Inhalt, die genau auf die Arbeitsplätze und auf den Mittelstand zielt.
Sie wissen genau, daß unabhängig von dem ordnungspolitisch total verfehlten Ansatz dieser Steuer für den Mittelstand eine solche Regelung Gefahr liefe, gegen Art. 3 des Grundgesetzes zu verstoßen, weil Sie hier eine willkürliche Ungleichbehandlung von Steuerpflichtigen schaffen, die sich ausschließlich an der Rechtsform orientiert. Das heißt, jeder Handwerker, jeder Friseurmeister und jeder andere muß seinen Betrieb zukünftig als Kapitalgesellschaft gründen, weil er nur dann nach dem Vorschlag der SPD keine Vermögensteuer zu zahlen hätte. Das kann überhaupt nicht richtig sein.
Ich unterstelle aber, daß die SPD diese Abgrenzungsprobleme kennt; denn anders läßt sich überhaupt nicht erklären, daß ein solcher Antrag seitens der SPD bis zum heutigen Tage hier im Deutschen Bundestag nicht einmal eingebracht worden ist.
Bei der Diskussion um die Vermögensteuer und die Erbschaftsteuer handelt es sich um zwei Steuern, deren Aufkommen ausschließlich den Ländern zusteht. Bei der Beschlußfassung im Vermittlungsausschuß handelt es sich hier um ein echtes Vermittlungsausschußergebnis, welches allerdings von der SPD-Bundestagsfraktion nicht akzeptiert wird.
Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen von der SPD, wie weit sind Sie eigentlich von der Wirklichkeit entfernt?
Wie weit sind Sie von Ihren Ministerpräsidenten entfernt, wenn diese dem Vermittlungsausschußergebnis zustimmen wollen, Sie sich aber enthalten?
Wollen Sie denn mit Ihrem Verhalten Ihre eigenen Ministerpräsidenten vorführen? Wollen Sie deutlich machen, daß die Ministerpräsidenten Rau, Lafontaine und Schröder, um nur einige zu nennen, diesem Ergebnis zustimmen, Sie sich aber enthalten? Wollen Sie sagen, daß diese Ministerpräsidenten schlechte Sozialdemokraten sind? Wollen Sie diejeni-
Carl-Ludwig Thiele
gen sein, die die einzigen Hüter der Sozialdemokratie in Deutschland sind?
Nein, meine Kolleginnen und Kollegen von der SPD, Ihr Verhalten hier im Bundestag ist schäbig, und es ist auch doppelzüngig.
Die Länder haben als Kompensation für die Vermögensteuer einen Ausgleich abgepreßt, den wir in dieser Form nicht angeboten haben und nicht angeboten hätten; denn auch die Erhöhung der Grunderwerbsteuer auf 3,5 Prozent halten wir für äußerst bedenklich. Aber wollen Sie den Ländern denn jetzt noch eine Zusatzeinnahme über die Kompensation hinaus verschaffen? Wer vertritt denn hier eigentlich die Interessen der Länder? Sind das die Länder selbst, oder ist das die SPD-Bundestagsfraktion? Nach der Verfassung ist es doch wohl der Bundesrat. Er hat die Interessen der Länder vertreten, und zwar im Zusammenwirken der Verfassungsorgane; auch der Bundestag wird mit seiner Mehrheit heute dem Vermittlungsergebnis zustimmen. Es ist aber wohl in keinem Fall die SPD-Bundestagsfraktion, die sogar noch eine neue und zusätzliche Bedingung formuliert, daß nämlich die Gewerbekapitalsteuer nur dann abgeschafft werden dürfe, wenn eine Vermögensteuer in Deutschland erhalten bliebe. Dies ist eine absolut sachfremde Erwägung.
Wenn Sie inzwischen unserer Auffassung zustimmen, daß die Gewerbekapitalsteuer als reine Substanzsteuer auf die Arbeitsplätze erhoben wird und deshalb aus Gründen der Wettbewerbsgleichheit mit unseren internationalen Konkurrenten abgeschafft werden muß, dann knüpfen Sie die Abschaffung dieser Steuer doch nicht an ideologisch verbrämte Bedingungen, sondern helfen Sie mit, diese Steuer tatsächlich abzuschaffen!
Was nützt es denn den Arbeitsuchenden in unserem Lande, wenn Sie erklären, daß die Gewerbekapitalsteuer zwar verschwinden müsse, daß Sie dem aber nur dann zustimmen, wenn Bedingungen an anderer Stelle erfüllt werden? Was nützt denn die Verweigerungshaltung der SPD den Bürgern in den neuen Bundesländern, wenn auf Grund dieser Haltung die Arbeitsplätze in den neuen Bundesländern ab dem nächsten Jahr durch die erstmalige Erhebung der Gewerbekapitalsteuer möglicherweise mit 500 Millionen DM an Zusatzsteuer belastet werden müssen? Was nützt die Verweigerungshaltung der SPD eigentlich den Kommunen, die endlich eine originäre Beteiligung an der Umsatzsteuer einfordern?
Ich wende mich an dieser Stelle auch an die Ministerpräsidenten Stolpe und Höppner. Sie tragen persönlich die Verantwortung dafür, wenn in den
neuen Bundesländern Arbeitsplätze belastet und vernichtet werden.
Wirken Sie doch wenigstens auf die SPD-Bundestagsfraktion ein, daß sie diesen Schwachsinn aufgibt!
Kennen Sie nicht den Appell des Präsidenten des Deutschen Städtetages, Oberbürgermeister Seiler, „an die Fraktionen des Deutschen Bundestages, die notwendigen Gesetzesänderungen nach Klärung der letzten noch offenen Fragen zügig zu verabschieden, auch damit die Gewerbekapitalsteuer in den neuen Bundesländern nicht eingeführt werden muß"? Zu den „noch offenen Fragen" gehört für den Deutschen Städtetag und für die anderen kommunalen Spitzenverbände nicht das von Ihnen aufgestellte Hindernis einer privaten Vermögensteuer.
Dem Städtetag geht es an dieser Stelle vor allem um die Beteiligung an der Umsatzsteuer. Diese Frage wollen wir lösen.
Wir können dieses Thema aber erst nach einer Grundgesetzänderung angehen. Diese Grundgesetzänderung bedarf einer Zweidrittelmehrheit im Deutschen Bundestag. Vorher können wir das einfache Gesetz gar nicht beschließen. Hier verweigert sich die SPD. Was nützt Ihre Verweigerungshaltung den ostdeutschen Kommunen, die rund 700 Millionen DM Umsatzsteuereinnahmen jährlich mehr hätten, wenn Sie nicht blockierten? Was könnte in den neuen Bundesländern seitens der Kommunen mit 700 Millionen DM an Arbeitsplätzen und Investitionen geschaffen werden?
Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, die F.D.P. will die Bundesrepublik Deutschland modernisieren und sie im internationalen Wettbewerb wettbewerbsfähiger machen, damit im Interesse der Arbeitsuchenden mehr Investitionen in unserem Lande getätigt werden
und mehr Arbeitsplätze entstehen. Dazu schlagen wir Ihnen folgende Punkte vor:
Erstens. Die Staatsquote muß gesenkt werden. Alles, was der Staat nicht ausgibt, muß er dem Bürger nicht wegnehmen. Es verbleibt also mehr Geld beim Bürger, wenn der Staat weniger ausgibt. Damit können mehr private Investitionen getätigt werden; der Bürger kann auch mehr konsumieren.
Nicht die öffentliche Hand schafft die Arbeitsplätze in unserem Land, sondern die private Wirtschaft. Dieses Dauerziel der Absenkung der Staatsquote werden wir weiter beharrlich verfolgen.
Das muß über einen längeren Zeitraum erfolgen, weil nur dann der Anteil des Staates am Bruttosozial-
Carl-Ludwig Thiele
produkt langfristig gesenkt werden kann. Die Steigerungsraten der öffentlichen Haushalte müssen deshalb niedriger sein als die Steigerungsraten des Bruttosozialproduktes.
Der Bund hat in den Jahren 1995 und 1996 jeweils weniger ausgegeben als in den Vorjahren. Das hat es letztmalig 1953 gegeben. Wir werden das im Jahr 1997 ebenso tun. Das heißt: Wir haben ein Minuswachstum der Ausgaben des Bundes. Das ist der richtige Weg; ihn werden wir weiter beschreiten, weil nur so die Staatsausgaben reduziert werden können.
Zweitens. Mit dem Jahressteuergesetz 1997 wird die Vermögensteuer als Substanzsteuer entfallen. Die F.D.P. will ferner im Interesse von mehr Arbeit in Deutschland, daß die unsinnige Gewerbekapitalsteuer, die eine Sondersteuer auf den Faktor Arbeit darstellt, endlich abgeschafft wird. Langfristig verfolgen wir das Ziel einer gänzlichen Abschaffung der Gewerbesteuer mit einem entsprechenden Ausgleich für die Kommunen, da eine Zusatzsteuer auf den Faktor Arbeit in Deutschland keinen Sinn gibt, weil sie die Arbeit nur zusätzlich verteuert.
Drittens. Die F.D.P. will die große Steuerreform. Unser Steuerrecht muß klarer und überschaubarer werden; die Steuersätze müssen gesenkt, die steuerlichen Ausnahmetatbestände müssen durchforstet und drastisch reduziert werden. Zudem brauchen wir aber auch eine Nettoentlastung der Steuerzahler. Deshalb ist es nötig, daß Subventionen weiter überprüft und Staatsausgaben weiter reduziert werden.
Wir halten ferner einen Stufentarif mit einem möglichst niedrigen Eingangssteuersatz für richtig, den Stufentarif deshalb, weil unser derzeitiges Steuersystem mit einem linear-progressiven Tarif für die meisten Bürger unseres Landes überhaupt nicht verständlich ist. Ein Steuersystem, das nicht verständlich ist, hat Probleme, vom Bürger akzeptiert zu werden. Ein Stufentarif ist für die Bürger verständlich. Zudem arbeiten alle unsere Mitbewerberländer mit Stufentarifen, und unser linear-progressiver Tarif ist die Ausnahme. Ein Stufentarif in Deutschland wäre ein Stück Steuerharmonisierung in Europa.
Herr Kollege Thiele, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Metzger?
Ich bin gleich fertig, Frau Präsidentin. Ich kläre das danach mit dem Kollegen Metzger unter vier Augen.
- Keine Sorge, Herr Fischer.
Wir setzen uns ferner dafür ein, daß der Eingangssteuersatz von derzeit 25,9 Prozent auf deutlich unter 20 Prozent gesenkt wird.
Die F.D.P. hat auf ihrem Bundesparteitag beschlossen, daß der Eingangssteuersatz bei 15 Prozent liegen sollte.
Ich habe aber auch viele Sympathien für Vorschläge, die noch weiter gehen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, es kann doch nicht richtig sein, daß bei der ersten zu versteuernden Mark nach dem Überschreiten des Existenzminimums dem Arbeitnehmer hiervon nur noch 74 Pfennig verbleiben. Der Übergang muß doch erheblich gleitender gestaltet werden, damit wir Anreize für Arbeit und Leistung in unserem Land erhalten. Die F.D.P. will die maximale Steuerbelastung auf 35 Prozent begrenzen.
Die derzeitige Struktur eines linear-progressiven Tarifes mit einer Spitzensteuerbelastung von 60 Prozent einschließlich Solidarzuschlag und Kirchensteuer führt doch dazu, daß derjenige, der ein sehr hohes Einkommen hat, von steuerbegünstigenden Tatbeständen viel stärker Gebrauch machen kann und vom Staat eine viel stärkere Entlastung erfährt als ein normaler Arbeitnehmer, der diesen Spitzensteuersatz eben nicht zu zahlen hat. Auch das ist eine Wirkung eines sehr steilen progressiven Tarifes an der Spitze.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wer notwendige Strukturveränderungen in unserem Lande will, muß sie auch angehen und dazu die Initiative ergreifen. Ich bin froh, daß die F.D.P. dieses tut, und freue mich darüber, daß diese Koalition und diese Regierung die Reformkraft unseres Landes im Interesse der Arbeitsplätze und der Arbeitsuchenden sind.
Ich appelliere an die SPD, ihre parteipolitisch geprägte Blockadehaltung aufzugeben und sich konstruktiv und ernsthaft an den nötigen Diskussionen zu beteiligen.
Herzlichen Dank.
Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Gregor Gysi.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte gern zunächst eine Bemerkung zum Parlaments- und Demokratieverständnis machen und Sie auf folgendes hinweisen: Dieser Bundestag hat ja mit Mehrheit beschlossen -
Dr. Gregor Gysi
wie ich finde, willkürlich -, das Zählverfahren für die Wahl der Mitglieder des Vermittlungsausschusses zu verändern. Im Ergebnis dieser Änderung des Zählverfahrens für die Wahl der Mitglieder des Vermittlungsausschusses ist die PDS dort nicht vertreten. Die Geschäftsordnung des Vermittlungsausschusses regelt, daß es normalerweise eine Debatte über die vom Vermittlungsausschuß erzielten Ergebnisse im Bundestag nicht gibt. Es gibt auch keine Beratung in den Ausschüssen. Wie wir heute zusätzlich erfahren konnten, sind die Beratungen im Vermittlungsausschuß und die Protokolle darüber vertraulich.
- Geheim sogar.
Das heißt mit anderen Worten, daß es immerhin eine Gruppe von Abgeordneten im Bundestag gibt, die in aller Regel über das vom Vermittlungsausschuß erzielte Ergebnis mit entscheiden soll, ohne daß sie wenigstens weiß, was dort überhaupt beraten worden ist.
Sie kennt höchstens ein formales Ergebnis. Das alles ist noch Gegenstand eines Organstreitverfahrens.
Ich bitte dennoch das Hohe Haus, einmal zu überlegen, ob Sie dieser Abgeordnetengruppe nicht wenigstens einen Zugang zu den Informationen verschaffen wollen, die man benötigt, um zu verstehen, wie es zu irgendeinem Ergebnis im Vermittlungsausschuß gekommen ist. Das müßten Sie tun, wenn Sie nicht wollen, daß diese Abgeordnetengruppe Stimmvieh ist, sondern daß inhaltlich auch von ihr mit entschieden werden kann.
Zweite Bemerkung: Der Wirrwarr um das Jahressteuergesetz und andere Gesetze ist inzwischen komplett. Ich glaube kaum, daß eine Bürgerin oder ein Bürger noch so richtig verfolgen kann, was hier im einzelnen zur Abstimmung steht und entschieden werden soll. Aber bestimmte Grundsatzfragen sind wohl auch an Hand der Beiträge deutlich geworden.
Ich gehe zunächst auf die Vermögensteuer ein und stelle dabei folgendes fest: Abgesehen davon, daß eine Vermögensteuer durchaus auch hinsichtlich betrieblicher Substanz vertretbar wäre und die Bundesrepublik Deutschland über viele Jahre damit gelebt hat, stellt sich die Frage, wenn es denn so ist, Herr Thiele, daß Sie nur das Betriebsvermögen schützen wollen, wer Sie eigentlich daran hindert, einen Vermögensteuergesetzentwurf vorzulegen, aus dem sich ergibt, daß das Betriebsvermögen nicht angerechnet wird. Dann wären alle Ihre Sorgen beseitigt, und man könnte auf das private Vermögen eine Vermögensteuer erheben.
Indem Sie das nicht machen, bringen Sie ganz klar zum Ausdruck, daß Sie nicht nur das betriebliche, sondern auch das private Vermögen gleichermaßen schützen wollen, und das in einer Zeit, in der Sie permanent erklären, daß die Einnahmen immer niedriger werden und deshalb Sozialleistungen an allen Ecken und Kanten gekürzt werden müssen. In einer Zeit, in der Sie das Krankengeld kürzen wollen, in einer Zeit, in der Sie Blindengeld kürzen, in einer Zeit, in der Sie Sozialhilfe, Arbeitslosenhilfe und Arbeitslosenunterstützung reduzieren wollen, in einer Zeit, in der Sie Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen zurückfahren wollen, in dieser Zeit wagen Sie es, hier zu sagen, wir könnten künftig keine Vermögensteuer mehr von den Reichsten dieser Gesellschaft nehmen. Das wird in der Bevölkerung übel aufstoßen, und diese Art von Klientelpolitik, die Sie hier betreiben, wird niemand verstehen und akzeptieren.
Dann sagen Sie, Sie wollten ja nur umverlagern. Das kann doch nicht Ihr Ernst sein. Sie und auch Herr Repnik erklären hier, Sie erhöhten ja die Erbschaftsteuer. Für wie dämlich halten Sie eigentlich die Leute? Glauben Sie wirklich, daß die nicht wissen, daß der Todesfall nur einmal im Leben eintritt, während die Vermögensteuer jährlich fällig wird? Diesen Unterschied kann ja nun wirklich jeder begreifen.
Es kommt hinzu, daß das ja gar nicht der Vermögende zahlen muß, sondern sein Erbe. Vermögensteuer und Erbschaftsteuer gegeneinander aufrechnen zu wollen ist ein übles Spiel und hat mit den Realitäten in unserer Gesellschaft überhaupt nichts zu tun.
Nun erklären Sie in diesem Zusammenhang ständig, daß es ja um Standortvorteile und ähnliches gehe. Sie wehren sich immer gegen, wie Sie es nennen, Substanzsteuern. Darüber kann man ja bei Unternehmen reden. Aber wann akzeptieren Sie endlich, daß Sie dann, wenn Sie bei Unternehmen eine Substanzsteuer abschaffen wollen, statt dessen eine Ergebnissteuer einführen müssen?
Genau das lehnen Sie ab. Wo sind denn Ihre gewinnberechneten Steuern, die statt dessen eingeführt werden sollen?
Dasselbe Problem herrscht doch bei der Gewerbekapitalsteuer. Sie wollen sie abschaffen, aber Sie wollen nicht einen Ersatz dafür schaffen, nämlich eine ergebnisorientierte Steuer für Unternehmen. Genau das ist unser Vorschlag. Wir bestehen bei Unternehmen nicht auf Substanzsteuern; aber wir bestehen darauf, daß dann gewinnorientierte Steuern vereinnahmt werden, die auch viel flexibler sind und letztlich natürlich Arbeitsplätze fördern.
Dr. Gregor Gysi
Wenn Sie sich nun im Vermittlungsausschuß gegenseitig nötigen - ich bin ja nicht dabei und weiß nicht, wie es da läuft, ob es friedlich läuft oder ob es sich erpresserisch vollzieht; keine Ahnung -, dann müssen Sie mir eines einmal erklären: Wieso nehmen Sie jetzt die Ostdeutschen als Geiseln? Weil Sie einen bestimmten Punkt nicht durchsetzen können, drükken Sie uns die Gewerbekapitalsteuer im Osten im Wissen darum auf, daß dadurch Tausende von Arbeitsplätzen beseitigt werden, anstatt, was natürlich möglich wäre, sie bis Ende 1997 auszusetzen, bis die anderen Fragen geklärt sind. Das ist einfach ungeheuerlich.
- Wissen Sie, wenn Sie das als Blödsinn bezeichnen, dann müssen Sie einmal die Unternehmen fragen, die davon in den neuen Bundesländern betroffen sein werden und die deshalb Menschen werden entlassen müssen. Das ist die eigentliche Katastrophe. Warum setzen Sie die Steuer nicht wenigstens aus?
Dann komme ich zu Ihrem Dienstmädchenprivileg. Ich muß Ihnen sagen: Was Sie hier als Heuchelei bieten, ist der Gipfel. Sie sagen im Ernst, es gehe Ihnen darum, daß diese Dienstmädchen endlich sozial, rentenversicherungsrechtlich etc. abgesichert sind.
Erstens. Wer ist es denn, der in dieser Gesellschaft ständig für 590-DM-Jobs plädiert und damit dafür sorgt, daß der Anteil von versicherungsrechtlich nicht geschützten Personen, insbesondere Frauen, ständig wächst? Das ist diese Koalition und niemand anders.
Zweitens geht es Ihnen um etwas ganz anderes. Es geht Ihnen doch darum, daß die Kosten für ein sogenanntes Dienstmädchen bei den Vermögenden wiederum von der Steuer abgesetzt werden können. Nur das ist Ihr Ziel. Wie begründen Sie das? Das ist wirklich spannend. Sie begründen das damit, daß, wenn Sie das nicht täten, diese Vermögenden die entsprechenden Frauen illegal beschäftigen würden, um sich ihrer Steuerpflicht zu entziehen. Das müssen Sie mir einmal erklären. Das ist so, als ob Sie die Abschaffung einer Zollgebühr mit der Begründung fordern, daß die Leute anderenfalls schmuggeln. Das heißt, Sie nutzen kriminelles Verhalten als Untermauerung und Begründung für Steuererleichterungen für Besserverdienende und Vermögende dieser Gesellschaft.
Anstatt die Steuerkontrolle zu verschärfen, lehnen Sie die Steuer ab. Das ist Ihre Argumentation. Wenn wir im Strafrecht so argumentieren würden, hätten wir in unserem Strafgesetzbuch bald keinen einzigen Straftatbestand mehr.
Ich muß Ihnen auch noch etwas zum Arbeitsförderungs-Reformgesetz sagen. Ich bin sehr dafür, daß der Vorschlag des Vermittlungsausschusses hierzu angenommen wird. Es ist in dieser Zeit der wachsenden Massenarbeitslosigkeit in Ost und West völlig indiskutabel, daß Sie über ein sogenanntes Reformgesetz die arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen weiter einschränken und damit Not und Elend im Zusammenhang mit Massenarbeitslosigkeit weiter vergrößern wollen.
Ich muß Ihnen auch noch etwas zu Ihrem Gesetz über die Begrenzung der Bezügefortzahlung bei Krankheit sagen. Das ist doch nun wirklich der Gipfel. Warum sind Sie nicht einmal an einem einzigen Punkt selbstkritisch und geben wenigstens zu, daß Sie gescheitert sind?
Sie haben versucht, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie die Gewerkschaften zu demütigen, indem Sie die Lohnfortzahlung im Krankheitsfalle von 100 auf 80 Prozent reduzieren wollten. Sie sind damit gescheitert. Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie die Gewerkschaften haben sich das nicht bieten lassen.
Inzwischen hat die Wirtschaft eingelenkt. Überall werden Tarifverträge abgeschlossen, die die 100prozentige Lohnfortzahlung im Krankheitsfall sichern - gegen Ihr Gesetz.
Sie wollten ein Geschenk machen, mit dem Sie nicht angekommen sind. Sie wissen: Beim Schenken gehört immer jemand dazu, der ein Geschenk annimmt. Die Tarifparteien haben Ihr Geschenk nicht angenommen.
Akzeptieren Sie doch mal, daß Sie mit Ihrer symbolischen Geste gegen Gewerkschaften gescheitert sind! Wenn Sie das akzeptieren würden, dann würden Sie nicht ein solches Gesetz für Beamte vorlegen, sondern würden das andere endlich korrigieren und sagen: Es bleibt auch gesetzlich bei einer Lohnfortzahlung von 100 Prozent im Krankheitsfalie.
Es zeichnet eine Gesellschaft aus, wenn sie nicht auf Kosten ihrer Kranken spart. Das, was Sie hier verursacht haben, ist besonders übel. Wir müssen die Arbeitsbedingungen in den Unternehmen so verändern, daß immer weniger Krankheitsfälle auftreten.
Wir dürfen Kranke nicht bestrafen, wie das Ihr Ziel ist, und gleichzeitig Frau von Thurn und Taxis größte Steuergeschenke machen, wie Sie das in der Realität durchsetzen. Dagegen wird es den Widerstand durch die Abgeordneten der Gruppe der PDS auch in Zukunft geben.
Ich schließe damit die Aussprache.
Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer
Wir kommen zu den Abstimmungen. Wir führen zunächst drei einfache Abstimmungen und anschließend drei namentliche Abstimmungen durch.
Wir kommen zuerst zur Abstimmung über den Ent- schließungsantrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 13/6521. Hierzu liegen zwei schriftliche Erklärungen zur Abstimmung vor, und zwar von den Abgeordneten Ulrich Petzold und Reiner Krziskewitz.*) Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Entschließungsantrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen von SPD und PDS bei Enthaltung von Bündnis 90/Die Grünen abgelehnt worden.
Wir kommen nun zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Gruppe der PDS auf Drucksache 13/6524. Wer stimmt für diesen Entschließungsanstrag? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Entschließungsantrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der SPD gegen die Stimmen der PDS bei Enthaltung von Bündnis 90/Die Grünen abgelehnt worden.
Abstimmung über den Entschließungsantrag der PDS auf Drucksache 13/6525. Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Dieser Entschließungsantrag ist mit dem gleichen Stimmenverhältnis wie eben festgestellt abgelehnt worden.
Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU und der F.D.P. auf Drucksache 13/6555. Hier ist namentliche Abstimmung verlangt. Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, die vorgesehenen Plätze einzunehmen. - Sind alle Urnen besetzt? - Das ist der Fall. Dann eröffne ich hiermit die Abstimmung. -
Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine Stimme nicht abgegeben hat? - Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich diese Abstimmung.
Ich bitte die Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Das Ergebnis der Abstimmung wird Ihnen später bekanntgegeben.* *)
Wir setzen die Abstimmungen fort. Jezt kommen wir zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 13/6522. Das ist - damit dies klar ist - die zweite Abstimmung. Auch die Fraktion der SPD verlangt namentliche Abstimmung. Ich bitte, die Urnen zu besetzen. - Sind alle Urnen besetzt? - Das ist der Fall. Dann eröffne ich diese Abstimmung. -
Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine Stimme in dieser zweiten Abstimmung nicht abgegeben hat? - Das scheint nicht der Fall zu sein. Ich schließe jetzt diese Abstimmung.
Ich bitte die Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Das Ergebnis wird Ihnen später bekanntgegeben. * * *)
Wir setzen die Abstimmungen mit der dritten namentlichen Abstimmung fort. Es ist die Abstimmung
*) Anlage 2
* *) Seite 13422 D
* * *) Seiten 13425A, 13426C, 13429 C über den Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 13/6523. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen verlangt namentliche Abstimmung. Ich bitte die Schriftführer, an die vorgesehenen Plätze zu gehen. - Sind alle Urnen besetzt? - Das ist der Fall. Ich eröffne die Abstimmung. -
Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine Stimme nicht abgegeben hat? - Das ist nicht der Fall.
Ich schließe die Abstimmung und bitte die Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Das Ergebnis wird Ihnen später bekanntgegeben.*)
Ich möchte alle darauf hinweisen, daß wir noch eine ganze Reihe einfacher Abstimmungen haben. Ich bitte Sie deswegen, die Plätze einzunehmen, damit ich diese einfachen Abstimmungen durchführen kann.
Ich komme jetzt zum Zusatzpunkt 3 zurück und gebe das von den Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. auf Drucksache 13/6555 bekannt. Abgegebene Stimmen: 629. Mit Ja haben 326 Abgeordnete gestimmt, mit Nein 303. Es gab keine Enthaltungen. Der Entschließungsantrag ist damit angenommen.
*) Seite 13426C
Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 629; davon:
ja: 326
nein: 303
Ja
CDU/CSU
Ulrich Adam
Peter Altmaier
Anneliese Augustin Jürgen Augustinowitz Dietrich Austermann Heinz-Günter Bargfrede Franz Peter Basten
Dr. Wolf Bauer
Brigitte Baumeister Meinrad Belle
Dr. Sabine Bergmann-Pohl Hans-Dirk Bierling
Dr. Joseph-Theodor Blank Renate Blank
Dr. Heribert Blens Dr. Norbert Blüm Friedrich Bohl
Dr. Maria Böhmer Jochen Borchert
Wolfgang Bömsen Wolfgang Bosbach
Dr. Wolfgang Bötsch Klaus Brähmig
Rudolf Braun Paul Breuer
Monika Brudlewsky Georg Brunnhuber
Hartmut Büttner
Dankward Buwitt
Manfred Carstens Peter Harry Carstensen (Nordstrand)
Wolfgang Dehnel
Hubert Deittert
Gertrud Dempwolf
Albert Deß
Renate Diemers
Wilhelm Dietzel
Werner Dörflinger
Hansjürgen Doss
Dr. Alfred Dregger
Maria Eichhorn
Wolfgang Engelmann Heinz Dieter Eßmann Horst Eylmann
Anke Eymer
Ilse Falk
Jochen Feilcke
Ulf Fink
Dirk Fischer Leni Fischer (Unna)
Klaus Francke Herbert Frankenhauser Dr. Gerhard Friedrich Hans-Joachim Fuchtel Michaela Geiger
Norbert Geis
Dr. Heiner Geißler
Michael Glos
Wilma Glücklich
Dr. Reinhard Göhner Peter Götz
Joachim Gres
Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer
Kurt-Dieter Grill
Wolfgang Gröbl Hermann Gröhe Claus-Peter Grotz Manfred Grund
Horst Günther Carl-Detlev Freiherr von
Hammerstein
Gottfried Haschke
Gerda Hasselfeldt
Otto Hauser Hansgeorg Hauser
Klaus-Jürgen Hedrich Helmut Heiderich Manfred Heise
Detlef Helling
Dr. Renate Hellwig Ernst Hinsken Peter Hintze
Josef Hollerith
Dr. Karl-Heinz Hornhues Siegfried Hornung Joachim Hörster
Hubert Hüppe Peter Jacoby
Susanne Jaffke Georg Janovsky Helmut Jawurek Dr. Dionys Jobst Dr.-Ing. Rainer Jork
Michael Jung Ulrich Junghanns
Dr. Egon Jüttner Dr. Harald Kahl Bartholomäus Kalb Steffen Kampeter
Dr.-Ing. Dietmar Kansy Manfred Kanther Irmgard Karwatzki Volker Kauder
Peter Keller
Eckart von Klaeden Dr. Bernd Klaußner Ulrich Klinkert
Dr. Helmut Kohl Hans-Ulrich Köhler
Manfred Kolbe Norbert Königshofen Eva-Maria Kors Hartmut Koschyk Manfred Koslowski Thomas Kossendey Rudolf Kraus
Wolfgang Krause Andreas Krautscheid Arnulf Kriedner Heinz-Jürgen Kronberg Dr.-Ing. Paul Krüger Reiner Krziskewitz
Dr. Hermann Kues Werner Kuhn
Dr. Karl A. Lamers Karl Lamers
Dr. Norbert Lammert Helmut Lamp
Armin Laschet Herbert Lattmann Dr. Paul Laufs
Karl-Josef Laumann Werner Lensing Christian Lenzer Peter Letzgus
Editha Limbach Walter Link Eduard Lintner
Dr. Manfred Lischewski Wolfgang Lohmann
Julius Louven
Sigrun Löwisch Heinrich Lummer Dr. Michael Luther
Erich Maaß Dr. Dietrich Mahlo
Erwin Marschewski Günter Marten
Dr. Martin Mayer
Wolfgang Meckelburg Rudolf Meinl
Dr. Michael Meister Dr. Angela Merkel Friedrich Merz
Rudolf Meyer Hans Michelbach Meinolf Michels
Dr. Gerd Müller
,Elmar Müller Engelbert Nelle
Bernd Neumann Johannes Nitsch
Claudia Nolte
Dr. Rolf Olderog Friedhelm Ost
Eduard Oswald Norbert Otto Dr. Gerhard Päselt Dr. Peter Paziorek Hans-Wilhelm Pesch Ulrich Petzold
Anton Pfeifer
Angelika Pfeiffer Dr. Gero Pfennig
Dr. Friedbert Pflüger Beatrix Philipp
Dr. Winfried Pinger Ronald Pofalla
Dr. Hermann Pohler Ruprecht Polenz Marlies Pretzlaff
Dr. Bernd Protzner Dieter Pützhofen Thomas Rachel Hans Raidel
Dr. Peter Ramsauer Rolf Rau
Helmut Rauber
Peter Rauen
Otto Regenspurger
Christa Reichard Klaus Dieter Reichardt
Dr. Bertold Reinartz Erika Reinhardt Hans-Peter Repnik Roland Richter
Roland Richwien Dr. Norbert Rieder
Dr. Erich Riedl Klaus Riegert
Dr. Heinz Riesenhuber Franz Romer
Hannelore Rönsch
Heinrich-Wilhelm Ronsöhr Dr. Klaus Rose
Kurt J. Rossmanith Adolf Roth
Norbert Röttgen Dr. Christian Ruck Volker Rühe
Dr. Jürgen Rüttgers
Roland Sauer Ortrun Schätzle
Dr. Wolfgang Schäuble Hartmut Schauerte
Heinz Schemken Karl-Heinz Scherhag Gerhard Scheu Norbert Schindler Ulrich Schmalz Bernd Schmidbauer
Christian Schmidt Dr.-Ing. Joachim Schmidt
Andreas Schmidt Hans-Otto Schmiedeberg Hans Peter Schmitz
Michael von Schmude
Birgit Schnieber-Jastram
Dr. Andreas Schockenhoff Dr. Rupert Scholz Reinhard Freiherr von
Schorlemer
Dr. Erika Schuchardt Wolfgang Schulhoff
Dr. Dieter Schulte
Gerhard Schulz (Leipzig) Frederick Schulze Diethard Schütze (Berlin) Clemens Schwalbe
Wilhelm Josef Sebastian Horst Seehofer
Marion Seib
Wilfried Seibel Heinz-Georg Seiffert
Rudolf Seiters Johannes Selle Bernd Siebert Jürgen Sikora
Johannes Singhammer Bärbel Sothmann Margarete Späte Carl-Dieter Spranger Wolfgang Steiger Erika Steinbach
Dr. Wolfgang Freiherr von
Stetten
Dr. Gerhard Stoltenberg Andreas Storm
Max Straubinger Matthäus Strebl Michael Stübgen Egon Susset
Dr. Rita Süssmuth Michael Teiser
Dr. Susanne Tiemann
Dr. Klaus Töpfer
Dr. Klaus-Dieter Uelhoff Gunnar Uldall Wolfgang Vogt
Dr. Horst Waffenschmidt Alois Graf von Waldburg-Zeil Dr. Jürgen Warnke
Kersten Wetzel
Hans-Otto Wilhelm Gert Willner
Bernd Wilz
Willy Wimmer Matthias Wissmann
Dr. Fritz Wittmann Dagmar Wöhrl
Michael Wonneberger
Elke Wülfing
Peter Kurt Würzbach
Cornelia Yzer Wolfgang Zeitlmann
Benno Zierer Wolfgang Zöller
F.D.P.
Ina Albowitz
Dr. Gisela Babel Hildebrecht Braun
Günther Bredehorn Jörg van Essen
Dr. Olaf Feldmann Paul K. Friedhoff Horst Friedrich
Rainer Funke
Hans-Dietrich Genscher
Dr. Wolfgang Gerhardt Joachim Günther
Dr. Karlheinz Guttmacher
Dr. Helmut Haussmann Ulrich Heinrich
Walter Hirche
Dr. Burkhard Hirsch Birgit Homburger Dr. Werner Hoyer Ulrich Inner
Dr. Klaus Kinkel
Detlef Kleinert Roland Kohn
Dr. Heinrich L. Kolb Jürgen Koppelin
Dr.-Ing. Karl-Hans Laermann Sabine LeutheusserSchnarrenberger Uwe Lühr
Jürgen W. Möllemann Günther Friedrich Nolting
Dr. Rainer Ortleb Lisa Peters
Dr. Klaus Röhl
Helmut Schäfer Cornelia Schmalz-Jacobsen Dr. Edzard Schmidt-Jortzig Dr. Hermann Otto Solms
Dr. Max Stadler
Carl-Ludwig Thiele Dr. Dieter Thomae Jürgen Türk
Dr. Wolfgang Weng
Dr. Guido Westerwelle
Nein
SPD
Brigitte Adler
Gerd Andres
Robert Antretter
Hermann Bachmaier Ernst Bahr
Doris Barnett
Klaus Barthel
Ingrid Becker-Inglau Wolfgang Behrendt Hans Berger
Hans-Werner Bertl Friedhelm Julius Beucher
Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer
Rudolf Bindig
Arne Börnsen
Anni Brandt-Elsweier Tilo Braune
Dr. Eberhard Brecht Edelgard Bulmahn Ursula Burchardt Hans Martin Bury Marion Caspers-Merk
Wolf-Michael Catenhusen
Peter Conradi
Dr. Herta Däubler-Gmelin Christel Deichmann
Karl Diller
Dr. Marliese Dobberthien
Peter Dreßen
Freimut Duve
Ludwig Eich
Peter Enders
Gernot Erler
Petra Ernstberger Annette Faße
Elke Ferner
Lothar Fischer Gabriele Fograscher
Iris Follak
Norbert Formanski Dagmar Freitag Anke Fuchs Katrin Fuchs (Verl) Arne Fuhrmann Monika Ganseforth Norbert Gansel Konrad Gilges
Iris Gleicke
Günter Gloser
Uwe Göllner
Günter Graf Angelika Graf (Rosenheim) Dieter Grasedieck
Karl Hermann Haack
Hans-Joachim Hacker
Klaus Hagemann Manfred Hampel Christel Hanewinckel
Alfred Hartenbach Dr. Liesel Hartenstein
Klaus Hasenfratz
Dr. Ingomar Hauchler
Dieter Heistermann Reinhold Hemker Rolf Hempelmann Dr. Barbara Hendricks
Monika Heubaum Uwe Hiksch
Reinhold Hiller Stephan Hilsberg
Gerd Höfer
Jelena Hoffman Frank Hofmann (Volkach) Ingrid Holzhüter
Erwin Horn
Eike Hovermann Wolfgang Ilte
Barbara Imhof
Brunhilde Irber Gabriele Iwersen Renate Jäger
Jann-Peter Janssen Ilse Janz
Dr. Uwe Jens
Volker Jung Sabine Kaspereit Susanne Kastner
Ernst Kastning Hans-Peter Kemper Klaus Kirschner Marianne Klappert Siegrun Klemmer Hans-Ulrich Klose
Dr. Hans-Hinrich Knaape Walter Kolbow
Fritz Rudolf Körper Nicolette Kressl Volker Kröning Thomas Krüger Horst Kubatschka Eckart Kuhlwein Konrad Kunick Christine Kurzhals Dr. Uwe Küster Werner Labsch Brigitte Lange Detlev von Larcher Waltraud Lehn Robert Leidinger Dr. Elke Leonhard
Klaus Lohmann Christa Lörcher
Erika Lotz
Dr. Christine Lucyga
Dieter Maaß Winfried Mante Ulrike Mascher Christoph Matschie
Ingrid Matthäus-Maier Heide Mattischeck Markus Meckel
Ulrike Mehl
Herbert Meißner Angelika Mertens
Dr. Jürgen Meyer Ursula Mogg
Siegmar Mosdorf
Michael Müller Jutta Müller (Völklingen) Christian Müller (Zittau) Volker Neumann (Bramsche) Gerhard Neumann (Gotha) Dr. Edith Niehuis
Dr. Rolf Niese Doris Odendahl
Günter Oesinghaus
Leyla Onur
Manfred Opel Adolf Ostertag Kurt Palis
Albrecht Papenroth
Dr. Willfried Penner
Dr. Martin Pfaff Georg Pfannenstein
Dr. Eckhart Pick Rudolf Purps
Karin Rehbock-Zureich Margot von Renesse
Renate Rennebach
Otto Reschke Bernd Reuter Dr. Edelbert Richter
Günter Rixe
Reinhold Robbe Gerhard Rübenkönig Marlene Rupprecht
Dr. Hansjörg Schäfer Gudrun Schaich-Walch Dieter Schanz
Bernd Scheelen
Dr. Hermann Scheer Siegfried Scheffler Horst Schild
Otto Schily
Dieter Schloten Günter Schluckebier
Horst Schmidbauer
Ulla Schmidt Dagmar Schmidt (Meschede) Wilhelm Schmidt (Salzgitter) Regina Schmidt-Zadel
Heinz Schmitt
Dr. Emil Schnell Walter Schöler Ottmar Schreiner Gisela Schröter Dr. Mathias Schubert
Richard Schuhmann
Brigitte Schulte Reinhard Schultz
Volkmar Schultz (Köln)
Ilse Schumann
Dr. R. Werner Schuster Dietmar Schütz Dr. Angelica Schwall-Düren Ernst Schwanhold
Rolf Schwanitz Bodo Seidenthal Lisa Seuster
Horst Sielaff
Erika Simm
Johannes Singer
Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast Wieland Sorge
Wolfgang Spanier Dr. Dietrich Sperling Jörg-Otto Spiller Antje-Marie Steen Ludwig Stiegler
Dr. Peter Struck Joachim Tappe Jörg Tauss
Dr. Bodo Teichmann
Jella Teuchner
Dr. Gerald Thalheim Wolfgang Thierse Franz Thönnes
Uta Titze-Stecher Adelheid Tröscher Hans-Eberhard Urbaniak Siegfried Vergin
Günter Verheugen
Ute Vogt
Karsten D. Voigt Hans Georg Wagner Wolfgang Weiermann Reinhard Weis (Stendal) Matthias Weisheit
Gunter Weißgerber
Gert Weisskirchen Jochen Welt
Hildegard Wester Lydia Westrich
Inge Wettig-Danielmeier
Dr. Norbert Wieczorek Heidemarie Wieczorek-Zeul Dieter Wiefelspütz
Dr. Wolfgang Wodarg
Verena Wohlleben
Hanna Wolf Heidi Wright
Uta Zapf
Dr. Christoph Zöpel
Peter Zumkley
BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN
Gila Altmann Elisabeth Altmann
Marieluise Beck (Bremen) Volker Beck (Köln) Angelika Beer
Matthias Berninger Annelie Buntenbach
Amke Dietert-Scheuer Franziska Eichstädt-Bohlig Dr. Uschi Eid
Andrea Fischer Joseph Fischer (Frankfurt) Rita Grießhaber
Gerald Häfner Antje Hermenau Kristin Heyne Ulrike Höfken Michaele Hustedt Dr. Manuel Kiper Monika Knoche
Dr. Angelika Köster-Loßack Vera Lengsfeld
Oswald Metzger Kerstin Müller Winfried Nachtwei
Egbert Nitsch Cem Özdemir
Gerd Poppe
Simone Probst
Dr. Jürgen Rochlitz Christine Scheel Irmingard Schewe-Gerigk Rezzo Schlauch
Albert Schmidt Wolfgang Schmitt
Ursula Schönberger Waltraud Schoppe
Werner Schulz Marina Steindor Christian Sterzing Manfred Such
Dr. Antje Vollmer Ludger Volmer
Margareta Wolf
PDS
Wolfgang Bierstedt Petra Bläss
Maritta Böttcher
Eva Bulling-Schröter Heinrich Graf von Einsiedel Dr. Ludwig Elm
Dr. Dagmar Enkelmann
Dr. Ruth Fuchs Dr. Gregor Gysi Hanns-Peter Hartmann
Dr. Uwe-Jens Heuer
Dr. Barbara Höll Dr. Willibald Jacob
Gerhard Jüttemann
Dr. Heidi Knake-Werner Rolf Köhne
Rolf Kutzmutz Dr. Christa Luft Heidemarie Lüth
Dr. Günther Maleuda Manfred Müller Rosel Neuhäuser
Dr. Uwe-Jens Rössel Christina Schenk Klaus-Jürgen Warnick Gerhard Zwerenz
Ich gebe das von den Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion der SPD zur vereinbarten Debatte zu Substanzsteuern, Drucksache 13/6522, bekannt. Abgegebene Stimmen: 610. Mit Ja haben gestimmt: 234. Mit Nein haben gestimmt: 348. Enthaltungen: 28. *) Damit ist der Entschließungsantrag abgelehnt.
Darf ich Sie bitten, Platz zu nehmen. Es folgen Abstimmungen, aber keine namentlichen Abstimmungen.
Ich rufe nun den Zusatzpunkt 4 auf:
Beratung der Beschlußempfehllung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes zu dem Jahressteuergesetz (JStG) 1997
- Drucksachen 13/4839, 13/5951, 13/5952, 13/6151, 13/6530 -
Berichterstattung: Abgeordneter Dr. Peter Struck
Wir kommen zur Abstimmung. Der Vermittlungsausschuß hat gemäß § 10 Abs. 3 Satz 1 seiner Geschäftsordnung beschlossen, daß im Deutschen Bundestag über die Änderungen gemeinsam abzustimmen ist.
Wer für die Beschlußempfehlung des Vermittlungsausschusses auf Drucksache 13/6530 stimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen?
Dann stelle ich fest, daß die Beschlußempfehlung mit den Stimmen der Koalition bei Stimmenthaltung der Fraktion der SPD gegen die Stimmen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und der Gruppe der PDS angenommen worden ist.
Dann rufe ich den Zusatzpunkt 5 auf:
Beratung der Beschlußempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes zu dem Gesetz zur Ergänzung des Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetzes (Wachstums- und Beschäftigungsförderungsergänzungsgesetz - WFEG)
- Drucksachen 13/4611, 13/5089, 13/5108, 13/5327, 13/5446, 13/5528, 13/5536, 13/6133 -
Berichterstattung: Abgeordneter Dr. Peter Struck
Wir kommen zur Abstimmung. Der Vermittlungsausschuß hat gemäß § 10 Abs. 3 Satz 1 seiner Ge-
s) Siehe Seiten 13426C, 13429 C
schäftsordnung beschlossen, daß im Deutschen Bundestag über die Änderungen gemeinsam abzustimmen ist.
Ich bitte diejenigen um das Handzeichen, die für die Beschlußempfehlung des Vermittlungsausschusses auf Drucksache 13/6133 sind. - Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Dann stelle ich fest, daß die Beschlußempfehlung mit den Stimmen der Koalition gegen die Stimmen der Fraktion der SPD bei Stimmenthaltung der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und der Gruppe der PDS abgelehnt worden ist.*)
Dann rufe ich den Zusatzpunkt 6 auf:
Beratung der Beschlußempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes zu dem Gesetz zur Reform der Arbeitsförderung (Arbeitsförderungs-Reformgesetz - AFRG)
- Drucksachen 13/4941, 13/5935, 13/5936, 13/6379, 13/6444 -
Berichterstattung: Abgeordneter Rudolf Dreßler
Auch hier treten wir in die Abstimmung ein. Der Vermittlungsausschuß hat gemäß § 10 Abs. 3 Satz 1 seiner Geschäftsordnung beschlossen, daß im Deutschen Bundestag über die Änderungen gemeinsam abzustimmen ist.
Wer für die Beschlußempfehlung des Vermittlungsausschusses auf Drucksache 13/6444 stimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Damit stelle ich fest, daß die Beschlußempfehlung des Vermittlungsausschusses mit den Stimmen der Koalition gegen die Stimmen des Hauses im übrigen abgelehnt worden ist.*)
Ich rufe Zusatzpunkt 7 auf:
Beratung der Beschlußempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes zu dem . .. Gesetz zur Änderung der Strafprozeßordnung
- Drucksachen 13/2576, 13/5743, 13/6084, 13/6134 -
Berichterstattung: Abgeordneter Otto Schily
Auch hier treten wir in die Abstimmung ein. Der Vermittlungsausschuß empfiehlt, unter Aufhebung des Gesetzesbeschlusses den von den Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. eingebrachten Gesetzentwurf zur Änderung der Strafprozeßordnung auf Drucksache 13/2576 abzulehnen.
Wer der Beschlußempfehlung des Vermittlungsausschusses auf Drucksache 13/6134 zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Dann stelle ich fest, daß die Beschlußempfehlung mit den Stimmen der Koalition gegen die Stimmen der Fraktion der SPD und der
') Erklärung Anlage 8
Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch
Gruppe der PDS bei Stimmenthaltung der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen abgelehnt worden ist.*)
Ich rufe Zusatzpunkt 8 auf:
Beratung der Beschlußempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes zu dem Dritten Gesetz zur Änderung des Stasi-Unterlagen-Gesetzes (3. StUÄndG)
- Drucksachen 13/4356, 13/5816, 13/6380, 13/ 6443 -
Berichterstattung:
Abgeordneter Dr.-Ing. Paul Krüger
Wir kommen zur Abstimmung. Der Vermittlungsausschuß hat gemäß § 10 Abs. 3 Satz 1 seiner Geschäftsordnung beschlossen, daß im Deutschen Bundestag über die Änderungen gemeinsam abzustimmen ist.
Wer der Beschlußempfehlung des Vermittlungsausschusses auf Drucksache 13/6443 zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Dann stelle ich fest, daß die Beschlußempfehlung mit den Stimmen der Koalition und der Fraktion der SPD gegen die Stimmen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und der Gruppe der PDS angenommen worden ist.* *)
Ich rufe Zusatzpunkt 14 auf:
Beratung der Beschlußempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes zu dem Gesetz zur Begrenzung der Bezügefortzahlung bei Krankheit
- Drucksachen 13/4613, 13/5074, 13/5327, 13/5448, 13/5529, 13/5537, 13/5640, 13/6064, 13/6098, 13/6532
Berichterstattung: Abgeordneter Dr. Peter Struck
Auch hier treten wir in die Abstimmung ein. Der Vermittlungsausschuß empfiehlt, unter Aufhebung des Gesetzesbeschlusses den von den Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. eingebrachten Gesetzentwurf zur Begrenzung der Bezügefortzahlung bei Krankheit auf Drucksache 13/4613 abzulehnen.
Wer für die Beschlußempfehlung des Vermittlungsausschusses auf Drucksache 13/6532 stimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Ich stelle fest, daß die Beschlußempfehlung mit den Stimmen der Koalition gegen die Stimmen des Hauses im übrigen abgelehnt worden ist.
Ich gebe zunächst bekannt, daß offenbar ein Auszählungsfehler bei der zweiten namentlichen Abstimmung vorliegt. Die Auszählung wird nachgeprüft. Ich gebe das Ergebnis dann noch einmal bekannt. * *)
*) Erklärung Anlage 3 Erklärung Anlage 8
* * *) Siehe Seiten 13425A, 13429C
Dann gebe ich das von den Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zur vereinbarten Debatte zu Substanzsteuern, Drucksache 13/6523, bekannt. Abgegebene Stimmen: 631; mit Ja haben gestimmt: 61; mit Nein haben gestimmt: 559, elf Enthaltungen. Der Entschließungsantrag ist abgelehnt.
Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 631; davon
ja: 61
nein: 559
enthalten: 11
Ja
BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN
Gila Altmann Elisabeth Altmann (Pommelsbrunn)
Marieluise Beck Volker Beck (Köln)
Angelika Beer Matthias Berninger
Annelie Buntenbach
Amke Dietert-Scheuer Franziska Eichstädt-Bohlig Dr. Uschi Eid
Andrea Fischer Joseph Fischer (Frankfurt) Rita Grießhaber
Gerald Häfner Antje Hermenau Kristin Heyne Ulrike Höfken Michaele Hustedt Dr. Manuel Kiper Monika Knoche
Dr. Angelika Köster-Loßack Vera Lengsfeld
Oswald Metzger Kerstin Müller Winfried Nachtwei
Egbert Nitz
Cern Özdemir Gerd Poppe
Simone Probst
Dr. Jürgen Rochlitz
Christine Scheel Irmingard Schewe-Gerigk Rezzo Schlauch
Albert Schmidt Wolfgang Schmitt
Ursula Schönberger
Waltraud Schoppe
Werner Schulz Marina Steindor Christian Sterzing
Manfred Such Dr. Antje Vollmer Ludger Volmer
Helmut Wilhelm Margareta Wolf (Frankfurt)
PDS
Heinrich Graf von Einsiedel Dr. Ludwig Elm
Dr. Ruth Fuchs Dr. Gregor Gysi
Dr. Uwe-Jens Heuer Dr. Willibald Jacob Gerhard Jüttemann Rolf Kutzmutz
Heidemarie Lüth
Dr. Günther Maleuda Manfred Müller
Rosel Neuhäuser
Dr. Uwe-Jens Rössel Christina Schenk Klaus-Jürgen Warnick Gerhard Zwerenz
Nein
CDU/CSU
Ulrich Adam
Peter Altmaier
Anneliese Augustin Jürgen Augustinowitz Dietrich Austermann Heinz-Günter Bargfrede Franz Peter Basten
Dr. Wolf Bauer
Brigitte Baumeister Meinrad Belle
Dr. Sabine Bergmann-Pohl Hans-Dirk Bierling
Dr. Joseph-Theodor Blank Renate Blank
Dr. Heribert Blens Peter Bleser
Dr. Norbert Blüm Friedrich Bohl
Dr. Maria Böhmer Jochen Borchert
Wolfgang Börnsen Wolfgang Bosbach
Dr. Wolfgang Bötsch Klaus Brähmig
Rudolf Braun Paul Breuer
Monika Brudlewsky Georg Brunnhuber Hartmut Büttner
Dankward Buwitt
Manfred Carstens Peter H. Carstensen
Wolfgang Dehnel Hubert Deittert
Gertrud Dempwolf Albert Deß
Renate Diemers
Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch
Wilhelm Dietzel Werner Dörflinger Hansjürgen Doss Dr. Alfred Dregger Maria Eichhorn
Wolfgang Engelmann Heinz Dieter Eßmann
Horst Eylmann Anke Eymer
Ilse Falk
Jochen Feilcke Ulf Fink
Dirk Fischer Leni Fischer (Unna)
Klaus Francke Herbert Frankenhauser
Dr. Gerhard Friedrich Hans-Joachim Fuchtel Michaela Geiger Norbert Geis
Dr. Heiner Geißler Michael Glos
Wilma Glücklich
Dr. Reinhard Göhner
Peter Götz
Joachim Gres
Kurt-Dieter Grill Wolfgang Gröbl Hermann Gröhe Claus-Peter Grotz Manfred Grund
Horst Günther Carl-Detlev Freiherr von
Hammerstein
Gottfried Haschke
Gerda Hasselfeldt
Otto Hauser Hansgeorg Hauser
Klaus-Jürgen Hedrich Helmut Heiderich Manfred Heise
Detlef Helling
Dr. Renate Hellwig Ernst Hinsken Peter Hintze
Josef Hollerith
Dr. Karl-Heinrich Hornhues Siegfried Hornung Joachim Hörster
Hubert Hüppe Peter Jacoby
Susanne Jaffke Georg Janovsky Helmut Jawurek Dr. Dionys Jobst Dr.-Ing. Rainer Jork
Michael Jung Ulrich Junghanns
Dr. Egon Jüttner Dr. Harald Kahl Bartholomäus Kalb Steffen Kampeter
Dr.-Ing. Dietmar Kansy Manfred Kanther Irmgard Karwatzki Volker Kauder
Peter Keller
Eckart von Klaeden Dr. Bernd Klaußner Ulrich Klinkert
Dr. Helmut Kohl Hans-Ulrich Köhler
Manfred Kolbe
Norbert Königshofen Eva-Maria Kors Hartmut Koschyk Manfred Koslowski Thomas Kossendey Rudolf Kraus
Wolfgang Krause Andreas Krautscheid
Arnulf Kriedner Heinz-Jürgen Kronberg Dr.-Ing. Paul Krüger
Reiner Krziskewitz Dr. Hermann Kues Werner Kuhn
Dr. Karl A. Lamers
Karl Lamers
Dr. Norbert Lammert
Helmut Lamp Armin Laschet Herbert Lattmann Dr. Paul Laufs Karl-Josef Laumann
Werner Lensing Christian Lenzer Peter Letzgus Editha Limbach
Walter Link Eduard Lintner
Dr. Manfred Lischewski Wolfgang Lohmann
Julius Louven Sigrun Löwisch Heinrich Lummer Dr. Michael Luther
Erich Maaß Dr. Dietrich Mahlo
Erwin Marschewski Günter Marten
Dr. Martin Mayer
Wolfgang Meckelburg Rudolf Meinl
Dr. Michael Meister Dr. Angela Merkel Friedrich Merz
Rudolf Meyer
Hans Michelbach Meinolf Michels Dr. Gerd Müller
Elmar Müller Engelbert Nelle
Bernd Neumann Johannes Nitsch
Claudia Nolte Dr. Rolf Olderog Friedhelm Ost Eduard Oswald
Norbert Otto
Dr. Gerhard Päselt Dr. Peter Paziorek Hans-Wilhelm Pesch
Ulrich Petzold Anton Pfeifer Angelika Pfeiffer Dr. Gero Pfennig
Dr. Friedbert Pflüger
Beatrix Philipp
Dr. Winfried Pinger Ronald Pofalla
Dr. Hermann Pohler Ruprecht Polenz Marlies Pretzlaff
Dr. Bernd Protzner Dieter Pützhofen
Thomas Rachel Hans Raidel
Dr. Peter Ramsauer
Rolf Rau
Helmut Rauber Peter Harald Rauen
Otto Regenspurger
Christa Reichard Klaus Dieter Reichardt
Dr. Bertold Reinartz
Erika Reinhardt Hans-Peter Repnik
Roland Richter Roland Richwien Dr. Norbert Rieder
Dr. Erich Riedl Klaus Riegert
Dr. Heinz Riesenhuber Franz Romer Hannelore Rönsch
Heinrich-Wilhelm Ronsöhr Dr. Klaus Rose
Kurt J. Rossmanith
Adolf Roth Norbert Röttgen
Dr. Christian Ruck Volker Rühe
Dr. Jürgen Rüttgers
Roland Sauer Ortrun Schätzle
Dr. Wolfgang Schäuble Hartmut Schauerte
Heinz Schemken Karl-Heinz Scherhag Gerhard Scheu Norbert Schindler Ulrich Schmalz Bernd Schmidbauer
Christian Schmidt Dr.-Ing. Joachim Schmidt
Andreas Schmidt Hans-Otto Schmiedeberg Hans Peter Schmitz
Michael von Schmude
Birgit Schnieber-Jastram Dr. Andreas Schockenhoff Dr. Rupert Scholz Reinhard Freiherr von
Schorlemer
Dr. Erika Schuchardt Wolfgang Schulhoff
Dr. Dieter Schulte
Gerhard Schulz (Leipzig) Frederik Schulze Diethard Schütze (Berlin) Clemens Schwalbe Wilhelm Josef Sebastian Horst Seehofer
Marion Seib
Wilfried Seibel Heinz-Georg Seiffert Rudolf Seiters Johannes Selle Bernd Siebert Jürgen Sikora
Johannes Singhammer Bärbel Sothmann Margarete Späte Carl-Dieter Spranger Wolfgang Steiger Erika Steinbach
Dr. Wolfgang Freiherr von Stetten
Dr. Gerhard Stoltenberg Andreas Storm
Max Straubinger Matthäus Strebl Michael Stübgen Egon Susset
Dr. Rita Süssmuth Michael Teiser
Dr. Susanne Tiemann
Dr. Klaus Töpfer
Dr. Klaus-Dieter Uelhoff Gunnar Uldall Wolfgang Vogt
Dr. Horst Waffenschmidt
Alois Graf von Waldburg-Zeil Dr. Jürgen Warnke
Kersten Wetzel
Hans-Otto Wilhelm Gert Willner
Bernd Wilz
Willy Wimmer
Matthias Wissmann Dr. Fritz Wittmann Dagmar Wöhrl Michael Wonneberger
Elke Wülfing
Peter Kurt Würzbach
Cornelia Yzer Wolfgang Zeitlmann
Benno Zierer
Wolfgang Zöller
SPD
Brigitte Adler Gerd Andres Robert Antretter
Hermann Bachmaier
Ernst Bahr
Doris Barnett Klaus Barthel Ingrid Becker-Inglau
Wolfgang Behrendt
Hans Berger Hans-Werner Bertl
Friedhelm Julius Beucher Rudolf Bindig
Arne Börnsen Anni Brandt-Elsweier
Tilo Braune
Dr. Eberhard Brecht
Edelgard Bulmahn
Ursula Burchardt
Hans Martin Bury
Marion Caspers-Merk Wolf-Michael Catenhusen Peter Conradi
Dr. Herta Däubler-Gmelin Christel Deichmann
Karl Diller
Dr. Marliese Dobberthien
Peter Dreßen Freimut Duve Ludwig Eich Peter Enders Gernot Erler Petra Ernstberger
Annette Faße Elke Ferner
Lothar Fischer Gabriele Fograscher
Iris Follak
Norbert Formanski
Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch
Dagmar Freitag Anke Fuchs Katrin Fuchs (Verl) Arne Fuhrmann Monika Ganseforth Norbert Gansel Konrad Gilges
Iris Gleicke
Günter Gloser Uwe Göllner
Günter Graf Angelika Graf (Rosenheim) Dieter Grasedieck
Karl Hermann Haack
Hans-Joachim Hacker
Klaus Hagemann Manfred Hampel Christel Hanewinckel
Alfred Hartenbach Dr. Liesel Hartenstein
Klaus Hasenfratz
Dr. Ingomar Hauchler
Dieter Heistermann Reinhold Hemker Rolf Hempelmann
Dr. Barbara Hendricks Monika Heubaum Uwe Hiksch
Reinhold Hiller Stephan Hilsberg
Gerd Höfer
Jelena Hoffmann Frank Hofmann (Volkach) Ingrid Holzhüter
Erwin Horn
Eike Hovermann Wolfgang Ilte Barbara Imhof Brunhilde Irber Gabriele Iwersen Renate Jäger Jann-Peter Janssen Ilse Janz
Dr. Uwe Jens
Volker Jung Sabine Kaspereit Susanne Kastner
Ernst Kastning Hans-Peter Kemper Klaus Kirschner Marianne Klappert Siegrun Klemmer Hans-Ulrich Klose
Dr. Hans-Hinrich Knaape Walter Kolbow
Fritz Rudolf Körper Nicolette Kressl Volker Kröning Thomas Krüger Horst Kubatschka Eckart Kuhlwein Konrad Kunick Christine Kurzhals Dr. Uwe Küster Werner Labsch Brigitte Lange Detlev von Larcher Waltraud Lehn Robert Leidinger Dr. Elke Leonhard
Klaus Lohmann Christa Lörcher
Erika Lotz
Dieter Maaß Winfried Mante
Ulrike Mascher
Christoph Matschie Ingrid Matthäus-Maier Heide Mattischeck Markus Meckel
Ulrike Mehl
Herbert Meißner Angelika Mertens
Dr. Jürgen Meyer Ursula Mogg
Siegmar Mosdorf
Michael Müller Jutta Müller (Völklingen) Christian Müller (Zittau) Volker Neumann (Bramsche) Gerhard Neumann (Gotha) Dr. Edith Niehuis
Dr. Rolf Niese
Doris Odendahl
Günter Oesinghaus Leyla Onur
Manfred Opel
Adolf Ostertag
Kurt Palis
Albrecht Papenroth Dr. Wilfried Penner Dr. Martin Pfaff
Georg Pfannenstein Dr. Eckhart Pick
Rudolf Purps
Karin Rehbock-Zureich Margot von Renesse Renate Rennebach Otto Reschke
Bernd Reuter
Dr. Edelbert Richter Günter Rixe
Reinhold Robbe
Gerhard Rübenkönig Marlene Rupprecht Dr. Hansjörg Schäfer
Gudrun Schaich-Walch Dieter Schanz
Bernd Scheelen
Dr. Hermann Scheer Siegfried Scheffler Horst Schild
Otto Schily
Dieter Schloten
Günter Schluckebier Horst Schmidbauer
Ursula Schmidt Dagmar Schmidt (Meschede) Wilhelm Schmidt (Salzgitter) Regina Schmidt-Zadel
Heinz Schmitt Dr. Emil Schnell
Walter Schöler
Ottmar Schreiner Gisela Schröter
Dr. Mathias Schubert Richard Schuhmann
Brigitte Schulte Reinhard Schultz (Everswinkel)
Volkmar Schultz Ilse Schumann
Dr. R. Werner Schuster Dietmar Schütz Dr. Angelica Schwall-Düren Ernst Schwanhold
Rolf Schwanitz
Bodo Seidenthal
Lisa Seuster
Horst Sielaff
Erika Simm
Johannes Singer
Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast Wieland Sorge
Wolfgang Spanier Dr. Dietrich Sperling Jörg-Otto Spiller Antje-Marie Steen Ludwig Stiegler
Dr. Peter Struck Joachim Tappe Jörg Tauss
Dr. Bodo Teichmann
Jella Teuchner
Dr. Gerald Thalheim Wolfgang Thierse Franz Thönnes
Uta Titze-Stecher Adelheid Tröscher Hans-Eberhard Urbaniak Siegfried Vergin
Günter Verheugen
Ute Vogt
Karsten D. Voigt Hans Georg Wagner Wolfgang Weiermann Reinhard Weis (Stendal) Matthias Weisheit
Gunter Weißgerber
Gert Weisskirchen Jochen Welt
Hildegard Wester Lydia Westrich
Inge Wettig-Danielmeier
Dr. Norbert Wieczorek Heidemarie Wieczorek-Zeul Dieter Wiefelspütz
Dr. Wolfgang Wodarg
Verena Wohlleben Hanna Wolf
Heide Wright Uta Zapf
Dr. Christoph Zöpel
Peter Zumkley
F.D.P.
Ina Albowitz
Dr. Gisela Babel Hildebrecht Braun
Günther Bredehorn Jörg van Essen
Dr. Olaf Feldmann Paul K. Friedhoff Horst Friedrich
Rainer Funke
Hans-Dietrich Genscher Dr. Wolfgang Gerhardt Joachim Günther Dr. Karlheinz Guttmacher Dr. Helmut Haussmann Ulrich Heinrich
Walter Hirche
Dr. Burkhard Hirsch
Birgit Homburger
Dr. Werner Hoyer
Ulrich Irmer
Dr. Klaus Kinkel
Detlef Kleinert Roland Kohn
Dr. Heinrich L. Kolb
Jürgen Koppelin
Dr.-Ing. Karl-Hans Laermann Sabine Leutheusser-Schnarrenberger
Uwe Lühr
Jürgen W. Möllemann Günther Friedrich Nolting Dr. Rainer Ortleb
Lisa Peters
Dr. Klaus Röhl
Helmut Schäfer Cornelia Schmalz-Jacobsen Dr. Edzard Schmidt-Jortzig Dr. Hermann Otto Solms Dr. Max Stadler
Carl-Ludwig Thiele
Dr. Dieter Thomae
Jürgen Türk
Dr. Wolfgang Weng
Dr. Guido Westerwelle
Enthalten
SPD
Dr. Christine Lucyga
PDS
Wolfgang Bierstedt Petra Bläss
Maritta Böttcher
Eva Bulling-Schröter
Dr. Dagmar Enkelmann
Hanns-Peter Hartmann
Dr. Barbara Höll
Dr. Heidi Knake-Werner
Rolf Köhne
Dr. Christa Luft
Dann rufe ich den Zusatzpunkt 15 auf:
Beratung der Beschlußempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes zu dem Vierten Gesetz zur Änderung des Landwirtschaftsanpassungsgesetzes
- Drucksachen 13/4950, 13/5942, 13/6378, 13/6533 -
Berichterstattung: Abgeordneter Rolf Schwanitz
Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch
Auch hier treten wir in die Abstimmung ein. Der Vermittlungsausschuß hat gemäß § 10 Abs. 3 Satz 1 seiner Geschäftsordnung beschlossen, daß im Deutschen Bundestag über die Änderungen gemeinsam abzustimmen ist.
Ich bitte diejenigen, die für die Beschlußempfehlung des Vermittlungsausschusses auf Drucksache 13/6533 stimmen, um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Ich stelle fest, daß die Beschlußempfehlung bei drei Gegenstimmen und zwei Stimmenthaltungen angenommen worden ist. *)
Ich rufe den Zusatzpunkt 9 auf:
Wahl des Vizepräsidenten des Bundesrechnungshofes
Nach § 5 Abs. 1 des Bundesrechnungshofgesetzes wählen der Deutsche Bundestag und der Bundesrat jeweils ohne Aussprache auf Vorschlag der Bundesregierung den Vizepräsidenten des Bundesrechnungshofes.
Die Bundesregierung schlägt mit Schreiben vom 3. Dezember 1996 vor, Herrn Dr. Dieter Engels zum Vizepräsidenten des Bundesrechnungshofes zu wählen.
Das Gesetz schreibt geheime Wahl vor. Zur Wahl sind die Stimmen der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages, also mindestens 337 Stimmen, erforderlich.
Sie benötigen eine weiße Stimmkarte mit Wahlumschlag und Ihren Wahlausweis in der Farbe orange. Stimmkarten mit Umschlag wurden im Eingangsbereich ausgegeben. Falls Sie noch keine haben, können Sie diese noch hier im Saal bekommen. Ihren Wahlausweis entnehmen Sie Ihrem Schließfach.
Ich weise noch einmal darauf hin, daß die Wahl geheim ist. Sie dürfen Ihre Stimmkarte nur in einer Wahlkabine ankreuzen und in den Wahlumschlag legen. Die Schriftführerinnen und Schriftführer sind verpflichtet, jeden zurückzuweisen, der seine Stimmkarte außerhalb der Wahlkabine angekreuzt oder in den Umschlag gelegt hat. Die Wahl kann in diesem Fall vorschriftsmäßig wiederholt werden.
Bevor Sie die Stimmkarte in eine der aufgestellten Wahlurnen geben, übergeben Sie bitte Ihren Wahlausweis dem Schriftführer. Ich weise darauf hin, daß der Nachweis der Teilnahme an der Wahl nur durch die Abgabe des Wahlausweises erbracht wird.
- Eine Sekunde, meine verehrten Kollegen. Ich bitte Sie um Aufmerksamkeit, weil ich sonst den Wahlakt nicht eröffne.
- Ich stelle fest, daß ich den Wahlakt nicht eröffnet habe. Wenn Stimmen abgegeben worden sind, sind sie ungültig, und ich bitte, sie zurückzugeben.
- Ich habe den Wahlakt nicht eröffnet. - Darf ich um
Aufmerksamkeit bitten! - Gültig sind nur Stimmkar-
*) Erklärung Anlage 8
ten mit einem Kreuz bei „ja", bei „nein" oder bei „Enthaltung". Ungültig sind Stimmen auf nichtamtlichen Stimmkarten und Stimmkarten, die mehr als
ein Kreuz, andere Namen oder Zusätze enthalten.
Nun eröffne ich die Wahl.
Sind noch Mitglieder im Haus, die ihre Stimme nicht abgegeben haben?
Darf ich noch einmal fragen, ob alle Stimmen abgegeben worden sind? Gibt es noch ein Mitglied im Haus, das seine Stimme nicht abgegeben hat?
Ich schließe die Wahl. Ich bitte die Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Das Ergebnis werden wir später bekanntgeben.*)
Ich gebe nun das berichtigte Stimmenergebnis zur namentlichen Abstimmung zum Entschließungsantrag der Fraktion der SPD zur vereinbarten Debatte zu Substanzsteuern bekannt, Drucksache 13/6522. Abgegebene Stimmen: 630. Mit Ja haben gestimmt: 234. Mit Nein haben gestimmt: 348. Enthaltungen: 48. Es bleibt also bei dem Ergebnis, daß der Entschließungsantrag abgelehnt ist.")
*) Seite 13435D
* *) Siehe Seiten 13425A, 13426 C
Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 630; davon:
ja: 234
nein: 348
enthalten: 48
Ja
CDU/CSU
Manfred Kanther SPD
Brigitte Adler Gerd Andres Robert Antretter
Hermann Bachmaier
Ernst Bahr
Doris Barnett Klaus Barthel
Ingrid Becker-Inglau Wolfgang Behrendt
Hans Berger Hans-Werner Bertl
Friedhelm Julius Beucher Rudolf Bindig
Arne Börnsen Anni Brandt-Elsweier
Tilo Braune
Dr. Eberhard Brecht
Edelgard Bulmahn
Ursula Burchardt Hans Martin Bury
Marion Caspers-Merk Wolf-Michael Catenhusen Peter Conradi
Dr. Herta Däubler-Gmelin Christel Deichmann
Karl Diller
Dr. Marliese Dobberthien
Peter Dreßen Freimut Duve Ludwig Eich Peter Enders Gernot Erler Petra Ernstberger
Annette Falle Elke Ferner
Lothar Fischer
Gabriele Fograscher
Iris Follak
Norbert Formanski
Dagmar Freitag Anke Fuchs
Katrin Fuchs
Arne Fuhrmann
Monika Ganseforth
Norbert Gansel Konrad Gilges Iris Gleicke Günter Gloser Uwe Göllner
Günter Graf
Angelika Graf
Dieter Grasedieck
Karl Hermann Haack
Hans-Joachim Hacker
Klaus Hagemann
Manfred Hampel
Christel Hanewinckel
Alfred Hartenbach
Dr. Liesel Hartenstein
Klaus Hasenfratz
Dr. Ingomar Hauchler
Dieter Heistermann
Reinhold Hemker
Rolf Hempelmann
Dr. Barbara Hendricks
Monika Heubaum
Uwe Hiksch
Reinhold Hiller
Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch
Stephan Hilsberg Gerd Höfer
Jelena Hoffmann Frank Hofmann (Volkach)
Ingrid Holzhüter Erwin Horn
Eike Hovermann Wolfgang Ute Barbara Imhof Brunhilde Irber Gabriele Iwersen Renate Jäger Jann-Peter Janssen
Ilse Janz
Dr. Uwe Jens
Volker Jung
Sabine Kaspereit Susanne Kastner Ernst Kastning Hans-Peter Kemper Klaus Kirschner Marianne Klappert Siegrun Klemmer Hans-Ulrich Klose
Dr. Hans-Hinrich Knaape
Walter Kolbow Fritz Rudolf Körper Nicolette Kressl Volker Kröning Thomas Krüger Horst Kubatschka Eckart Kuhlwein Konrad Kunick Christine Kurzhals Dr. Uwe Küster Werner Labsch Brigitte Lange Detlev von Larcher Waltraud Lehn Robert Leidinger Dr. Elke Leonhard
Klaus Lohmann
Christa Lörcher Erika Lotz
Dr. Christine Lucyga
Dieter Maaß
Winfried Mante Ulrike Mascher Christoph Matschie
Ingrid Matthäus-Maier
Heide Mattischeck Markus Meckel Ulrike Mehl
Herbert Meißner Angelika Mertens Dr. Jürgen Meyer
Ursula Mogg
Siegmar Mosdorf
Michael Müller Jutta Müller (Völklingen) Christian Müller (Zittau)
Volker Neumann Gerhard Neumann (Gotha)
Dr. Edith Niehuis Dr. Rolf Niese Doris Odendahl
Günter Oesinghaus
Leyla Onur
Manfred Opel Adolf Ostertag Kurt Palis
Albrecht Papenroth
Dr. Willfried Penner Dr. Martin Pfaff Georg Pfannenstein Dr. Eckhart Pick
Rudolf Purps
Karin Rehbock-Zureich Margot von Renesse Renate Rennebach Otto Reschke
Bernd Reuter
Dr. Edelbert Richter Günter Rixe
Reinhold Robbe
Gerhard Rübenkönig Marlene Rupprecht Dr. Hansjörg Schäfer
Gudrun Schaich-Walch Dieter Schanz
Bernd Scheelen
Dr. Hermann Scheer Siegfried Scheffler Horst Schild
Otto Schily
Dieter Schloten
Günter Schluckebier Horst Schmidbauer
Ulla Schmidt Dagmar Schmidt (Meschede) Wilhelm Schmidt (Salzgitter) Regina Schmidt-Zadel
Heinz Schmitt Dr. Emil Schnell
Walter Schöler
Ottmar Schreiner
Gisela Schröter
Dr. Mathias Schubert Richard Schuhmann
Brigitte Schulte Reinhard Schultz (Everswinkel)
Volkmar Schultz Ilse Schumann
Dr. R. Werner Schuster Dietmar Schütz Dr. Angelica Schwall-Düren Ernst Schwanhold
Rolf Schwanitz
Bodo Seidenthal
Lisa Seuster
Horst Sielaff
Erika Simm
Johannes Singer
Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast Wieland Sorge
Wolfgang Spanier Dr. Dietrich Sperling Jörg-Otto Spiller
Antje-Marie Steen Ludwig Stiegler
Dr. Peter Struck
Joachim Tappe
Jörg Tauss
Dr. Bodo Teichmann Jella Teuchner
Dr. Gerald Thalheim Wolfgang Thierse Franz Thönnes
Uta Titze-Stecher
Adelheid Tröscher Hans-Eberhard Urbaniak Siegfried Vergin
Günter Verheugen Ute Vogt
Karsten D. Voigt Hans Georg Wagner Wolfgang Weiermann Reinhard Weis (Stendal) Matthias Weisheit
Gunter Weißgerber
Gert Weisskirchen Jochen Welt
Hildegard Wester Lydia Westrich
Inge Wettig-Danielmeier
Dr. Norbert Wieczorek Heidemarie Wieczorek-Zeul Dieter Wiefelspütz
Dr. Wolfgang Wodarg Verena Wohlleben Hanna Wolf Heidi Wright
Uta Zapf
Dr. Christoph Zöpel Peter Zumkley
Nein
CDU/CSU
Ulrich Adam Peter Altmaier
Anneliese Augustin
Jürgen Augustinowitz Dietrich Austermann Heinz-Günter Bargfrede Franz Peter Basten
Dr. Wolf Bauer Brigitte Baumeister
Meinrad Belle
Dr. Sabine Bergmann-Pohl Hans-Dirk Bierling
Dr. Joseph-Theodor Blank Renate Blank
Dr. Heribert Blens Dr. Norbert Blüm Friedrich Bohl
Dr. Maria Böhmer Jochen Borchert
Wolfgang Börnsen Wolfgang Bosbach
Dr. Wolfgang Bötsch
Klaus Brähmig
Rudolf Braun Paul Breuer
Monika Brudlewsky
Georg Brunnhuber
Hartmut Büttner
Dankward Buwitt
Manfred Carstens Peter Harry Carstensen
Wolfgang Dehnel Hubert Deittert Gertrud Dempwolf
Albert Deß
Renate Diemers Wilhelm Dietzel Werner Dörflinger Hansjürgen Doss Dr. Alfred Dregger
Maria Eichhorn Wolfgang Engelmann
Heinz Dieter Eßmann
Horst Eylmann Anke Eymer Ilse Falk
Jochen Feilcke Ulf Fink
Dirk Fischer
Leni Fischer
Klaus Francke
Herbert Frankenhauser Dr. Gerhard Friedrich Hans-Joachim Fuchtel Michaela Geiger Norbert Geis
Dr. Heiner Geißler Michael Glos
Wilma Glücklich
Dr. Reinhard Göhner Peter Götz
Joachim Gres
Kurt-Dieter Grill Wolfgang Gröbl Hermann Gröhe Claus-Peter Grotz Manfred Grund
Horst Günther Carl-Detlev Freiherr von Hammerstein
Gottfried Haschke
Gerda Hasselfeldt
Otto Hauser Hansgeorg Hauser
Klaus-Jürgen Hedrich Helmut Heiderich Manfred Heise
Detlef Helling
Dr. Renate Hellwig Ernst Hinsken
Peter Hintze
Josef Hollerith
Dr. Karl-Heinz Hornhues Siegfried Hornung Joachim Hörster
Hubert Hüppe
Peter Jacoby
Susanne Jaffke
Georg Janovsky Helmut Jawurek Dr. Dionys Jobst Dr.-Ing. Rainer Jork
Michael Jung Ulrich Junghanns
Dr. Egon Jüttner Dr. Harald Kahl Bartholomäus Kalb Steffen Kampeter
Dr.-Ing. Dietmar Kansy Irmgard Karwatzki Volker Kauder
Peter Keller
Eckart von Klaeden Dr. Bernd Klaußner Ulrich Klinkert
Dr. Helmut Kohl Hans-Ulrich Köhler
Manfred Kolbe
Norbert Königshofen Eva-Maria Kors
Hartmut Koschyk Manfred Koslowski Thomas Kossendey Rudolf Kraus
Wolfgang Krause Andreas Krautscheid Arnulf Kriedner Heinz-Jürgen Kronberg Dr.-Ing. Paul Krüger Reiner Krziskewitz
Dr. Hermann Kues Werner Kuhn
Dr. Karl A. Lamers
Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch
Karl Lamers
Dr. Norbert Lammert Helmut Lamp
Armin Laschet Herbert Lattmann Dr. Paul Laufs Karl-Josef Laumann Werner Lensing Christian Lenzer Peter Letzgus
Editha Limbach Walter Link Eduard Lintner
Dr. Manfred Lischewski Wolfgang Lohmann
Julius Louven Sigrun Löwisch Heinrich Lummer Dr. Michael Luther
Erich Maaß Dr. Dietrich Mahlo
Erwin Marschewski Günter Marten
Dr. Martin Mayer
Wolfgang Meckelburg Rudolf Meinl
Dr. Michael Meister Dr. Angela Merkel Friedrich Merz
Rudolf Meyer
Hans Michelbach Meinolf Michels Dr. Gerd Müller
Elmar Müller Engelbert Nelle
Bernd Neumann Johannes Nitsch
Claudia Nolte Dr. Rolf Olderog Friedhelm Ost Eduard Oswald
Norbert Otto Dr. Gerhard Päselt Dr. Peter Paziorek Hans-Wilhelm Pesch
Ulrich Petzold Anton Pfeifer
Angelika Pfeiffer Dr. Gero Pfennig
Dr. Friedbert Pflüger Beatrix Philipp
Dr. Winfried Pinger Ronald Pofalla
Dr. Hermann Pohler Ruprecht Polenz Marlies Pretzlaff
Dr. Bernd Protzner Dieter Pützhofen Thomas Rachel Hans Raidel
Dr. Peter Ramsauer Rolf Rau
Helmut Rauber Peter Harald Rauen Otto Regenspurger
Christa Reichard Klaus Dieter Reichardt
Dr. Bertold Reinartz Erika Reinhardt Hans-Peter Repnik Roland Richter Roland Richwien Dr. Norbert Rieder
Dr. Erich Riedl
Klaus Riegert
Dr. Heinz Riesenhuber
Franz Romer Hannelore Rönsch
Heinrich-Wilhelm Ronsöhr Dr. Klaus Rose
Kurt J. Rossmanith Adolf Roth
Norbert Röttgen Dr. Christian Ruck Volker Rühe
Dr. Jürgen Rüttgers
Roland Sauer Ortrun Schätzle
Dr. Wolfgang Schäuble Hartmut Schauerte
Heinz Schemken Karl-Heinz Scherhag Gerhard Scheu Norbert Schindler Ulrich Schmalz Bernd Schmidbauer
Christian Schmidt Dr.-Ing. Joachim Schmidt
Andreas Schmidt Hans-Otto Schmiedeberg Hans Peter Schmitz
Michael von Schmude
Birgit Schnieber-Jastram
Dr. Andreas Schockenhoff Dr. Rupert Scholz Reinhard Freiherr von
Schorlemer
Dr. Erika Schuchardt Wolfgang Schulhoff
Dr. Dieter Schulte
Gerhard Schulz (Leipzig) Frederick Schulze Diethard Schütze (Berlin) Clemens Schwalbe
Wilhelm Josef Sebastian Horst Seehofer
Marion Seib
Wilfried Seibel Heinz-Georg Seiffert
Rudolf Seiters Johannes Selle Bernd Siebert Jürgen Sikora
Johannes Singhammer Bärbel Sothmann Margarete Späte Carl-Dieter Spranger Wolfgang Steiger Erika Steinbach
Dr. Wolfgang Freiherr von
Stetten
Dr. Gerhard Stoltenberg Andreas Storm
Max Straubinger Matthäus Strebl Michael Stübgen Egon Susset
Dr. Rita Süssmuth Michael Teiser
Dr. Susanne Tiemann
Dr. Klaus Töpfer
Dr. Klaus-Dieter Uelhoff Gunnar Uldall Wolfgang Vogt
Dr. Horst Waffenschmidt Alois Graf von Waldburg-Zeil Dr. Jürgen Warnke
Kersten Wetzel
Hans-Otto Wilhelm Gert Willner
Bernd Wilz
Willy Wimmer Matthias Wissmann Dr. Fritz Wittmann
Dagmar Wöhrl
Michael Wonneberger Elke Wülfing
Peter Kurt Würzbach Cornelia Yzer
Wolfgang Zeitlmann Benno Zierer
Wolfgang Zöller
F.D.P.
Ina Albowitz
Dr. Gisela Babel
Hildebrecht Braun
Günther Bredehorn Jörg van Essen
Dr. Olaf Feldmann Paul K. Friedhoff Horst Friedrich
Rainer Funke
Hans-Dietrich Genscher
Dr. Wolfgang Gerhardt Joachim Günther
Dr. Karlheinz Guttmacher
Dr. Helmut Haussmann Ulrich Heinrich
Walter Hirche
Dr. Burkhard Hirsch Birgit Homburger Dr. Werner Hoyer Ulrich Irmer
Dr. Klaus Kinkel
Detlef Kleinert Roland Kohn
Dr. Heinrich L. Kolb Jürgen Koppelin
Dr.-Ing. Karl-Hans Laermann Sabine LeutheusserSchnarrenberger Uwe Lühr
Jürgen W. Möllemann Günther Friedrich Nolting
Dr. Rainer Ortleb Lisa Peters
Dr. Klaus Röhl
Helmut Schäfer Cornelia Schmalz-Jacobsen Dr. Edzard Schmidt-Jortzig Dr. Hermann Otto Sohns
Dr. Max Stadler
Carl-Ludwig Thiele Dr. Dieter Thomae Jürgen Türk
Dr. Wolfgang Weng
Dr. Guido Westerwelle
PDS
Wolfgang Bierstedt
Petra Bläss
Maritta Böttcher
Eva Bulling-Schröter
Dr. Ludwig Elm
Dr. Dagmar Enkelmann
Dr. Ruth Fuchs Dr. Gregor Gysi
Hanns-Peter Hartmann
Dr. Uwe-Jens Heuer Dr. Barbara Höll
Dr. Willibald Jacob
Dr. Heidi Knake-Werner
Rolf Köhne
Rolf Kutzmutz
Dr. Christa Luft Heidemarie Lüth Dr. Günther Maleuda
Rosel Neuhäuser Dr. Uwe-Jens Rössel Christina Schenk
Klaus-Jürgen Warnick Gerhard Zwerenz
Enthalten
BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN
Gila Altmann Elisabeth Altmann (Pommelsbrunn)
Marieluise Beck Volker Beck (Köln)
Angelika Beer Matthias Berninger
Annelie Buntenbach
Amke Dietert-Scheuer Franziska Eichstädt-Bohlig
Dr. Uschi Eid
Andrea Fischer
Joseph Fischer
Rita Grießhaber Gerald Häfner Antje Hermenau Kristin Heyne Ulrike Höfken Michaele Hustedt Dr. Manuel Kiper Monika Knoche
Dr. Angelika Köster-Loßack Vera Lengsfeld
Oswald Metzger Kerstin Müller
Winfried Nachtwei
Egbert Nitsch Cern Özdemir
Gerd Poppe
Simone Probst
Dr. Jürgen Rochlitz
Christine Scheel Irmingard Schewe-Gerigk Rezzo Schlauch
Albert Schmidt Wolfgang Schmitt
Ursula Schönberger
Waltraud Schoppe
Werner Schulz
Marina Steindor Christian Sterzing
Manfred Such
Dr. Antje Vollmer
Ludger Volmer
Helmut Wilhelm Margareta Wolf (Frankfurt)
PDS
Heinrich Graf von Einsiedel Gerhard Jüttemann
Manfred Müller
13432 Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 148. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. Dezember 1996
Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch
Ich rufe nun die Tagesordnungspunkte 15 a bis f und Zusatzpunkt 10 auf:
15. Überweisungen im vereinfachten Verfahren
a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung der Bundesnotarordnung und anderer Gesetze
- Drucksache 13/4184 —
Überweisungsvorschlag:
Rechtsausschuß
Finanzausschuß
Ausschuß für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
b) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Bekämpfung der Korruption
- Drucksache 13/6424 —
Überweisungsvorschlag:
Innenausschuß
Rechtsausschuß
Ausschuß für Wirtschaft
Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
c) Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verbesserung rehabilitierungsrechtlicher Vorschriften für Opfer der politischen Verfolgung in der ehemaligen DDR
- Drucksache 13/6496 —
Überweisungsvorschlag:
Rechtsausschuß Innenausschuß
d) Beratung des Antrags der Abgeordneten Dietmar Schütz , Ilse Janz, Michael Müller (Düsseldorf), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD
Verbot der Treibnetzfischerei in der Europäischen Union
- Drucksache 13/5775 —
Überweisungsvorschlag:
Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten
Ausschuß für Wirtschaft
Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
e) Beratung des Antrags der Abgeordneten Dirk Fischer , Dr. Dionys Jobst und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Horst Friedrich, Lisa Peters, Dr. Klaus Röhl und der Fraktion der F.D.P.
Weißbuch über Harmonisierungsdefizite bei Verkehrsdienstleistungen
- Drucksache 13/6403 -
Überweisungsvorschlag:
Ausschuß für Verkehr
Ausschuß für Wirtschaft
Ausschuß für Fremdenverkehr und Tourismus
f) Beratung des Antrags der Abgeordneten Robert Antretter, Karsten D. Voigt , Dr. Eberhard Brecht, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD
Gemeinsame Delegation der Vertreter des Deutschen Bundestages für die Parlamentarische Versammlung des Europarates und für die Versammlung der WEU
- Drucksache 13/6503 —
Überweisungsvorschlag : Auswärtiger Ausschuß
ZP10 Weitere Überweisung im vereinfachten Verfahren
Beratung des Antrags der Abgeordneten Franziska Eichstädt-Bohlig, Helmut Wilhelm , Oswald Metzger, Werner Schulz (Berlin) und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Städtebauförderung als gemeinschaftliche Aufgabe erhalten und verstärken
- Drucksache 13/6491 —
Überweisungsvorschlag:
Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau
Finanzausschuß
Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Ausschuß für Fremdenverkehr und Tourismus Haushaltsausschuß
Es handelt sich um Überweisungen im vereinfachten Verfahren ohne Debatte. Interfraktionell wird vorgeschlagen, die Vorlagen an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse zu überweisen. - Ich sehe und höre keinen Widerspruch. Dann sind alle Überweisungen so beschlossen.
Dann rufe ich die Tagesordnungspunkte 16a bis 16m und die Zusatzpunkte 11 a bis 11 f auf.
Es handelt sich um Beschlußfassungen zu Vorlagen, zu denen keine Aussprache vorgesehen ist. Ich komme zunächst zur Abstimmung über den Tagesordnungspunkt 16 a:
16. Abschließende Beratungen ohne Aussprache
a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Soldatenbeteiligungsgesetzes
- Drucksache 13/5740 -
Beschlußempfehlung und Bericht des Verteidungsausschusses
- Drucksache 13/6148 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Dieter Heistermann Andreas Krautscheid
Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschußfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Dann stelle ich fest, daß der Gesetzentwurf mit den Stimmen der Koalition und der Fraktion der SPD bei
Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch
Stimmenthaltung der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Grupupe der PDS in zweiter Beratung angenommen worden ist.
Wir treten in die
dritte Beratung
und Schlußabstimmung ein. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Dann stelle ich fest, daß der Gesetzentwurf in dritter Lesung mit dem gleichen Stimmenverhältnis angenommen worden ist.
Dann kommen wir zum Tagesordnungspunkt 16 b:
b) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Anpassung von Dienst- und Versorgungsbezügen in Bund und Ländern 1996/1997
- Drucksache 13/5983 -
aa) Beschlußempfehlung und Bericht des Innenausschusses
- Drucksache 13/6422 -
Berichterstattung: Abgeordnete Meinrad Belle
Thomas Krüger
Rezzo Schlauch
Dr. Max Stadler
bb) Bericht des Haushaltsausschusses
gemäß § 96 der Geschäftsordnung
- Drucksache 13/6432 -
Berichterstattung:
Abgeordnete
Dr. Klaus-Dieter Uelhoff Ina Albowitz
Dr. Konstanze Wegner Oswald Metzger
Ich stelle zunächst fest, daß dazu eine Reihe von Erklärungen schriftlich zu Protokoll gegeben worden sind, nämlich von den Kollegen Lattmann, Dreßen, Bindig und der Kollegin Limbach. Diese Erklärungen sind zu Protokoll gegeben und werden als Anlage abgedruckt. *)
Der Kollege Conradi möchte eine Erklärung zur Abstimmung nach § 31 der Geschäftsordnung abgeben. Bitte, Herr Kollege Conradi.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Ich werde diesem Gesetzentwurf nicht zustimmen, weil es die Gehälter der Ministerpräsidenten der Länder, der Minister, der Landräte, Oberbürgermeister, Bürgermeister und
*) Anlagen 4 bis 6
vieler anderer Amtsträger, die nach dem Beamtenbesoldungsgesetz besoldet werden, erhöht.
Ich stimme dem Gesetz nicht zu, weil dieses Gesetz im Widerspruch zu der von diesem Haus am 13. Juni 1996 verabschiedeten Entschließung steht, in der es hieß:
Der Deutsche Bundestag fordert die hauptberuflichen Amts- und Mandatsträger in Bund, Ländern, Gemeinden und öffentlichen Einrichtungen auf, selbst einen Beitrag zum Sparen zu leisten.
Ich habe damals Zweifel an der Ernsthaftigkeit dieses Entschließungsantrags, der den Namen der vier Fraktionsvorsitzenden trägt, geäußert. Der vorliegende Gesetzentwurf zeigt, daß meine Zweifel berechtigt waren.
Ich erkenne an, daß die Mitglieder der Bundesregierung und die Parlamentarischen Staatssekretäre die Anpassung ihrer Bezüge ein weiteres Mal ausgesetzt haben. Von den Mitgliedern der Landesregierungen, von den kommunalen Wahlbeamten und von den anderen nach der Bundesbeamtenbesoldung besoldeten Amtsträgern ist solches nicht bekannt.
Ich stimme dem Gesetz des weiteren nicht zu, weil ich verfassungspolitische, nicht verfassungsrechtliche Bedenken habe. Das Gesetz entspricht nicht den Forderungen nach Offenheit, Nachvollziehbarkeit und Transparenz, wie sie von Mitgliedern des Bundesrates bei der Regelung der Abgeordnetenbezüge erhoben wurden.
Statt mit diesem Gesetz auch über ihre eigenen Bezüge zu beschließen - ein klassischer Fall von Selbstbedienung -, müßten die Mitglieder des Bundesrates, nähmen sie ihre Auslassungen zum Abgeordnetengesetz denn ernst, ihre Bezüge von der Beamtenbesoldung abkoppeln und durch eigene Gesetze ihrer Landtage regeln.
Ich stimme diesem Gesetz nicht zu, weil das Bundesbesoldungs- und -versorgungsanpassungsgesetz zum wiederholten Male im Bundestag ohne Debatte verabschiedet wird und weil der Bundesrat wie im vergangenen Jahr zu einer Debatte ebenfalls nicht bereit ist - sehr im Gegensatz zu seinen vollmundigen Erklärungen aus anderem Anlaß. Dies finde ich unehrlich.
Wir treten damit in die Abstimmung ein. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschußfassung zustim-
Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch
men wollen, um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! -
Es kann im Präsidium keine Einmütigkeit über das Abstimmungsergebnis erzielt werden. Wir treten in den Hammelsprung ein. Ich bitte Sie, den Saal zu verlassen. Ich bitte die Schriftführer, die Türen zu besetzen.
Ich stelle fest: Es wird von den Fraktionen der F.D.P. und der CDU/CSU um eine Sitzungsunterbrechung gebeten. Ich unterbreche die Sitzung für 15 Minuten.
Ich eröffne die Sitzung wieder. Mir ist gesagt worden, daß der Kollege Conradi einen Antrag zur Geschäftsordnung einbringen will. Bitte sehr.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Die parlamentarischen Geschäftsführer haben mich davon überzeugt, daß, hätten wir einen Hammelsprung gemacht, die Wahrscheinlichkeit einer Mehrheit gegen das Gesetz durchaus gegeben gewesen wäre.
Eine solche Mehrheit hätte zur Folge gehabt, daß das Gesetzgebungsverfahren völlig neu hätte eröffnet werden müssen, was bedeutet hätte, daß einige Wochen, möglicherweise Monate, mit Bundesratsbeteiligung und allem anderen vergangen wären. Die kleinen Beamten, die im einfachen und mittleren Dienst, wären gekniffen gewesen, weil sie wochenlang auf die Erhöhung ihrer Bezüge hätten warten müssen.
Herr Kollege Conradi, Sie wollten einen Antrag zur Geschäftsordnung stellen.
Herr Präsident, ich bin gerade dabei, meinen Geschäftsordnungsantrag zu begründen.
Deswegen möchte ich einen Geschäftsordnungsantrag stellen, nämlich, den Gesetzentwurf an die Ausschüsse zurückzuüberweisen. Das gibt uns die Möglichkeit, das, was wir politisch wollen, in den Ausschüssen in der ersten Sitzungswoche im Januar zu regeln und in der zweiten Sitzungswoche das Gesetz in der zweiten und dritten Lesung in einer Form zu verabschieden, die unserem Willen entspricht.
Gibt es dazu weitere Wortmeldungen? - Das ist nicht der Fall.
Erhebt sich gegen die Überweisung Widerspruch? - Das ist nicht der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen.
Ich rufe Tagesordnungspunkt 16 c auf:
Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 14. Juli 1993 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Russischen Föderation über den Luftverkehr
- Drucksache 13/4630 -
Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr
- Drucksache 13/6358 -
Berichterstattung:
Abgeordneter Michael Jung
Der Ausschuß für Verkehr empfiehlt auf Drucksache 13/6358, den Gesetzentwurf unverändert anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Ich stelle fest, daß der Gesetzentwurf bei Stimmenthaltung der Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen angenommen worden ist.
Ich rufe Tagesordnungspunkt 16 d auf:
Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 12. Dezember 1995 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Tschechischen Republik über die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Wasserwirtschaft an den Grenzgewässern
- Drucksache 13/5720 -
Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
- Drucksache 13/6489 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Kurt-Dieter Grill Susanne Kastner
Dr. Jürgen Rochlitz
Günther Bredehorn
Der Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit empfiehlt auf Drucksache 13/6489, den Gesetzentwurf unverändert anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. - Gegenprobe! - Stimmenthal-
Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch
tungen? - Ich stelle fest, daß der Gesetzentwurf einmütig angenommen worden ist.
Dann kommen wir zu Tagesordnungspunkt 16 e:
Zweite und dritte Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verlängerung des Gesetzes zur Förderung der Einstellung der landwirtschaftlichen Erwerbstätigkeit vom 21. Februar 1989
- Drucksache 13/5965 -
aa) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung
- Drucksache 13/6470 -
Berichterstattung:
Abgeordneter Rudolf Meyer
bb) Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung
- Drucksache 13/6471 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Hans-Joachim Fuchtel Antje Hermenau
Ina Albowitz
Dr. Konstanze Wegner
Dazu liegen schriftliche Erklärungen der Abgeordneten Deichmann, Palis und Weisheit vor.*)
Der Abgeordnete Gerald Thalheim möchte nach § 31 der Geschäftsordnung eine Erklärung zur Abstimmung abgeben. - Herr Kollege Thalheim, Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich werde diesem Gesetzentwurf zustimmen, weil ich die Probleme der Umstrukturierung der Landwirtschaft in den neuen Ländern aus eigener Erfahrung kenne. Dieses ursprünglich für die alte Bundesrepublik gemachte Gesetz hat auch in den neuen Ländern eine segensreiche Wirkung entfaltet. Es wäre richtig, das fortzusetzen.
Als ehemaliges Mitglied einer Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft kenne ich, wie gesagt, die Probleme der Umstrukturierung aus eigener Erfahrung. Daher werde ich dem Gesetzentwurf trotz der Finanzierungsprobleme zustimmen, zumal sich in der Abwägung der Aspekte - ich betone hier die sozialen Aspekte - genügend Gründe dafür finden lassen.
Vielen Dank.
Der Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung empfiehlt auf Drucksache 13/6470, den Gesetzentwurf abzulehnen. Ich
*) Anlage 7
lasse über den Gesetzentwurf der SPD auf Drucksache 13/5965 abstimmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Dann stelle ich fest, daß der Gesetzentwurf mit den Stimmen der Koalition und der Gruppe der PDS bei Stimmenthaltung der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in zweiter Lesung abgelehnt worden ist. Damit entfällt nach unserer Geschäftsordnung die weitere Beratung.
Dann rufe ich Tagesordnungspunkt 16f auf:
Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung
Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament über die stärkere Nutzung der Normung in der Gemeinschaftspolitik
- Drucksachen 13/3938 Nr. 2.20, 13/6365 -
Berichterstattung:
Abgeordneter Roll Hempelmann
Wer der Beschlußempfehlung zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen der Koalition und der Fraktion der SPD gegen die Stimmen des Hauses im übrigen angenommen worden.
Dann rufe ich Tagesordnungspunkt 16g auf:
Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Haushaltsausschusses zu der Unterrichtung durch die Präsidentin des Bundesrechnungshofes als Vorsitzende des Bundesschuldenausschusses
Bericht des Bundesschuldenausschusses über seine Tätigkeit sowie die Verwaltung der Bundesschuld im Jahre 1995
- Drucksachen 13/5208, 13/5550 Nr. 1.7, 13/ 6174 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Oswald Metzger Michael von Schmude
Karl Diller
Dr. Wolfgang Weng
Wer dieser Beschlußempfehlung zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Dann stelle ich fest, daß die Beschlußempfehlung einstimmig angenommen worden ist.
Ich gebe nun das Ergebnis der Wahl des Vizepräsidenten des Bundesrechnungshofes bekannt. Abgegebene Stimmen: 629. Ungültige Stimmen: 3. Mit Ja haben gestimmt 546, mit Nein 42 Abgeordnete bei 38 Enthaltungen.*)
*) Liste der Teilnehmer an der Wahl Anlage 9
Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch
Damit hat Herr Dr. Dieter Engels die erforderliche absolute Mehrheit erreicht. Ich gratuliere ihm im Namen des Hauses und wünsche ihm eine gute Hand bei seiner Amtsführung.
Dann rufe ich die Tagesordnungspunkte 16h bis 161 auf:
h) Beratung der Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung
Haushaltsführung 1996;
Überplanmäßige Ausgaben bei Kapitel 17 04 Titel 681 23 - Sonderleistungen des Bundes nach Maßgabe des Unterhaltssicherungsgesetzes -
- Drucksachen 13/5925, 13/6091 Nr. 1.5, 13/ 6433 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Adolf Roth
Ina Albowitz
Siegrun Klemmer Kristin Heyne
i) Beratung der Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung
Haushaltsführung 1996;
Überplanmäßige Ausgaben bei Kapitel 11 13 Titel 656 04 - Zuschüsse zu den Beiträgen zur Rentenversicherung der in Werkstätten beschäftigten Behinderten -
- Drucksachen 13/5884, 13/6091 Nr. 1.2, 13/ 6434 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Dr. Konstanze Wegner Hans-Joachim Fuchtel
Antje Hermenau
Ina Albowitz
j) Beratung der Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung
Haushaltsführung 1996;
Überplanmäßige Ausgaben bei Kapitel 11 13 Titel 646 09 - Erstattung von Aufwendungen der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte auf Grund der Überführung von Zusatzversorgungssystemen in die Rentenversicherung in den neuen Ländern (einschl. ehemaliges Ost-Berlin) -
- Drucksachen 13/5924, 13/6091 Nr. 1.4, 13/ 6435 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Dr. Konstanze Wegner Hans-Joachim Fuchtel
Antje Hermenau
Ina Albowitz
k) Beratung der Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung
Haushaltsführung 1996;
Überplanmäßige Ausgaben bei Kapitel 11 12 Titel 681 05 - Altersübergangsgeld für Empfänger in den neuen Bundesländern -
- Drucksachen 13/5898, 13/6091 Nr. 1.3, 13/ 6436 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Dr. Konstanze Wegner Dietrich Austermann
Antje Hermenau
Ina Albowitz
1) Beratung der Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung
Haushaltsführung 1996;
Überplanmäßige Ausgabe bis zur Höhe von 22 514 600 DM bei Kapitel 60 06 Titel 836 01
- Erhöhung des Kapitalanteils an der Europäischen Investitionsbank -
- Drucksachen 13/5938, 13/6091 Nr. 1.6, 13/ 6437 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Wilfried Seibel Dr. Wolfgang Weng Dr. Konstanze Wegner
Kristin Heyne
Wer diesen fünf Beschlußempfehlungen zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. -
- Es tut mir leid, wir sind in der Abstimmung. Die Erklärung ist bisher nicht beantragt worden.
Wer den fünf Beschlußempfehlungen zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Dann stelle ich fest, daß die Beschlußempfehlungen bei Stimmenthaltung der Gruppe der PDS angenommen worden sind.
Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 16 m:
Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses
Sammelübersicht 166 zu Petitionen - Drucksache 13/6405 -
Wer für diese Beschlußempfehlung stimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Dann stelle ich fest, daß die Beschlußempfehlung mit den Stimmen der Koalition und der Fraktion der SPD bei Stimmenthaltung im übrigen angenommen worden ist.
Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch
Dann rufe ich Zusatzpunkt 11 a auf:
Weitere abschließende Beratungen ohne Aussprache
Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses
Sammelübersicht 168 zu Petitionen
- Drucksache 13/6513 -
Wer dieser Beschlußempfehlung zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Dann stelle ich fest, daß diese Beschlußempfehlung mit dem gleichen Stimmenverhältnis angenommen worden ist.
Dann rufe ich Zusatzpunkt 11 b auf:
Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses
Sammelübersicht 169 zu Petitionen - Drucksache 13/6514 -
Wer dieser Beschlußempfehlung zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Dann stelle ich fest, daß auch diese Beschlußempfehlung mit dem gleichen Stimmenverhältnis angenommen worden ist.
Ich rufe Zusatzpunkt 11 c auf:
Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses
Sammelübersicht 170 zu Petitionen
- Drucksache 13/6515 -
Wer dieser Beschlußempfehlung zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Dann stelle ich fest, daß auch diese Beschlußempfehlung mit dem gleichen Stimmenverhältnis angenommen worden ist.
Dann rufe ich Zusatzpunkt 11 d auf:
Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses
Sammelübersicht 171 zu Petitionen
- Drucksache 13/6516 -
Wer dieser Beschlußempfehlung zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Dann stelle ich fest, daß auch diese Beschlußempfehlung mit dem gleichen Stimmenverhältnis angenommen worden ist.
Ich rufe Zusatzpunkt 11 e auf:
Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Post und Telekommunikation zu der Verordnung der Bundesregierung
Zustimmungsbedürftige TelekommunikationsUniversaldienstleistungsverordnung
- Drucksachen 13/6196, 13/6352 Nr. 2.2, 13/ 6512 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Elmar Müller Hans Martin Bury
Wer dieser Beschlußempfehlung zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Dann stelle ich fest, daß die Beschlußempfehlung mit den Stimmen der Koalition und der Fraktion der SPD gegen die Stimmen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und der Gruppe der PDS angenommen worden ist.
Dann rufe ich Zusatzpunkt 11 f auf:
Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Haushaltsausschusses zu dem Antrag des Bundesministeriums der Finanzen
Einwilligung gemäß § 64 Abs. 2 der Bundeshaushaltsordnung in die Veräußerung bundeseigener Grundstücke in Frankfurt am Main, ehemals US-genutztes IG Farben Hochhausgelände
- Drucksachen 13/6183, 13/6520 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Manfred Hampel Susanne Jaffke
Kristin Heyne
Jürgen Koppelin
Wer dieser Beschlußempfehlung zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Dann stelle ich fest, daß die Beschlußempfehlung einstimmig angenommen worden ist.
Interfraktionell ist vereinbart, die heutige Tagesordnung um die Beratung von zwei Beschlußempfehlungen des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung zu Anträgen auf Genehmigung zur Durchführung von Strafverfahren zu erweitern. Die Beschlußempfehlungen sollen jetzt gleich ohne Debatte behandelt werden. Gibt es dagegen Widerspruch? - Das ist nicht der Fall. Dann verfahren wir so.
Ich rufe Zusatzpunkt 16 auf:
Beratung der Beschlußempfehlung des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung
Antrag auf Genehmigung zur Durchführung eines Strafverfahrens
- Drucksache 13/6551 -Berichterstattung:
Dr. Bertold Reinartz
Wer dieser Beschlußempfehlung zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! -
Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch
Stimmenthaltungen? - Dann stelle ich fest, daß die Beschlußempfehlung gegen die Stimmen der Gruppe der PDS, ansonsten einmütig angenommen worden ist.
Dann rufe ich Zusatzpunkt 17 auf:
Beratung der Beschlußempfehlung des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung
Antrag auf Genehmigung zur Durchführung eines Strafverfahrens
- Drucksache 13/6552 -
Berichterstattung: Dr. Bertold Reinartz
Wer dieser Beschlußempfehlung zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Dann stelle ich fest, daß auch diese Beschlußempfehlung gegen die Stimmen der Gruppe der PDS, im übrigen einmütig angenommen worden ist.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 8 auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Fünften Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Förderung des Bergarbeiterwohnungsbaues im Kohlenbergbau
- Drucksache 13/5963 -
Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau
- Drucksache 13/6505 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Norbert Formanski Norbert Königshof en
Dazu liegt ein gemeinsamer Entschließungsantrag der Fraktionen der SPD und des Bündnisses 90/Die Grünen vor.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. - Ich sehe und höre keinen Widerspruch. Dann verfahren wir so.
Ich eröffne die Aussprache und rufe den Abgeordneten Norbert Königshofen auf.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit dem Fünften Bergarbeiterwohnungsbauänderungsgesetz soll die Sonderförderung des Bergarbeiterwohnungsbaus zum Ende dieses Jahres auslaufen. Die bis zum 31. Dezember 1996 bereits bewilligten Maßnahmen können aber noch begonnen bzw. zu Ende geführt werden.
Die besondere Förderung des Bergarbeiterwohnungsbaus geht auf die Nachkriegszeit zurück, als
der Wiederaufbau von Energieversorgung und Wirtschaft durch ein zusätzliches Wohnungsbauprogramm für die Beschäftigten im Kohlebergbau, dem damals wichtigsten Energieträger, flankierend begleitet und gefördert werden sollte.
Es wurde im Zeitraum von 1951 bis 1959 durch eine Kohleabgabe, eine Verbrauchssteuer zu Lasten aller kohleverbrauchenden Haushalte und Unternehmen, finanziert. Die aufkommenden Mittel bildeten ein Treuhandvermögen des Bundes, aus dem revolvierend Darlehen für den Bau und später auch für die Modernisierung von Bergarbeiterwohnungen bereitgestellt wurden.
Später kamen unwiderrufliche Zuwendungen aus den Bergbauunternehmen hinzu, die letztlich aus dem Aufkommen des Kohlepfennigs, einer Zwangsabgabe für alle Stromverbraucher, finanziert wurden, so daß das Bundestreuhandvermögen heute rund 2,7 Milliarden DM beträgt.
Mit den zinsvergünstigten Darlehen wurden bisher rund 227 000 Neubaumaßnahmen und nahezu 17 000 Modernisierungsmaßnahmen gefördert.
Die eintretenden Veränderungen auf dem Energiemarkt und der damit verbundene Abbau der Zahl von Beschäftigten im Kohlebergbau haben dazu geführt, daß wir zur Zeit nur noch rund 95 000 Bergleute gegenüber gut 600 000 in den 50er Jahren haben. Die Zahl der Bergleute wird auch in den kommenden Jahren weiter sinken.
Diese Entwicklung, meine Damen und Herren, rechtfertigt es, die Sonderförderung des Bergarbeiterwohnungsbaus auslaufen zu lassen. Bei knappen Mitteln muß die Wohnraumförderung ihre Maßnahmen sachlich und finanziell auf einkommenschwache Haushalte konzentrieren.
Daher sollen die Rückflußmittel aus dem Bundestreuhandvermögen an den Bundeshaushalt abgeführt werden. Es ist falsch, wenn Sie, lieber Herr Kollege Formanski, behaupten, daß die Bundesregierung den Bergleuten willkürlich die Mittel für den Bergarbeiterwohnungsbau entziehe;
denn das Bundestreuhandvermögen ist über die Kohleabgabe und den Kohlepfennig, also von der Allgemeinheit, finanziert worden.
Darüber hinaus sollen die Mittel überwiegend für den sozialen Wohnungsbau zur Verfügung gestellt werden. So sieht die mittelfristige Finanzplanung des Bundes bis zum Jahr 2000 Verpflichtungsrahmen in Höhe von insgesamt 850 Millionen DM vor.
Auch die Fehlbelegungsabgabe im Bergarbeiterwohnungsbau, die allein in Nordrhein-Westfalen im Jahre 1993 4,8 Millionen DM und in den Jahren 1994 und 1995 je 4,7 Millionen DM betrug, soll dem sozialen Wohnungsbau zugeführt werden. Der Vorwurf, meine Damen und Herren von der SPD und auch vom Bündnis 90/Die Grünen, die Koalition vernichte
Norbert Königshofen
die gute und bewährte Tradition des Bergarbeiterwohnungsbaus, ist abwegig.
Die Zweckbindung des Bestandes an Bergarbeiterwohnungen für Wohnberechtigte im Bergbau wird nicht angetastet. Freiwerdende Wohnungen müssen nach diesem Gesetz auch weiterhin Bergleuten, ihren Hinterbliebenen sowie auch solchen Bergleuten, die ihren Arbeitsplatz aufgeben mußten, angeboten werden.
Der große Bestand an Bergarbeiterwohnungen stellt sicher, daß die Berechtigten auch weiterhin in Bergarbeiterwohnungen wohnen können. Damit wird auch der künftige Strukturwandel im Bergbau sozial abgesichert. Dort, wo der Strukturwandel auch künftig Neubaumaßnahmen erforderlich macht, können die Länder im Rahmen ihrer Programme für den sozialen Wohnungsbau eigene regionale Förderschwerpunkte setzen. Das wird auch dadurch erleichtert, daß der Bund, wie ausgeführt, aus den Rückflußmitteln des Bundestreuhandvermögens zusätzliche Finanzmittel für den sozialen Wohnungsbau zur Verfügung stellt.
Meine Damen und Herren, die CDU/CSU-Bundestagsfraktion lehnt daher den Antrag der Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen ab, der darauf hinausläuft, die Sonderförderung des Bergarbeiterwohnungsbaus zu verlängern. Wir wollen jetzt Klarheit schaffen.
Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion stimmt dem Regierungsentwurf in der vom Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau beschlossenen Fassung zu.
Ich gebe das Wort dem Abgeordneten Norbert Formanski.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bereits in der Debatte am 7. November waren die Argumente des Bauministers und der Regierungskoalition zur Auflösung des Treuhandvermögens für den Bergarbeiterwohnungsbau, das der Bund nach wie vor nur treuhänderisch verwaltet, aber weder erwirtschaftet noch bereitgestellt hat, eher dürftig. Bis heute hat der Minister viel zu wenig dazu beigetragen, den Eindruck aus der Welt zu schaffen, daß die Bundesregierung den Bergleuten die Mittel willkürlich entziehen will, um kurzfristig ein Loch im maroden Bundeshaushalt zu stopfen.
Ich bleibe dabei: Bereits der Titel des Gesetzentwurfs - „zur Förderung des Bergarbeiterwohnungsbaus im Kohlenbergbau" - ist unredlich.
Denn hier soll nichts gefördert werden. Vielmehr soll
der Bergarbeiterwohnungsbau, der sich übrigens
über Jahrzehnte bewährt hat, zerschlagen werden.
Begründet wird diese Absicht mit dem Hinweis darauf - ich zitiere -, daß die
Veränderungen auf dem Energiemarkt und der damit verbundene Abbau der Beschäftigung im Kohlenbergbau ... die Neuförderung von Bergarbeiterwohnungen ... nicht mehr erforderlich
machen.
Das ist nachweislich falsch. Denn allein im Rahmen der Verlegungsmaßnahmen von der Zeche Sophia Jacoba sind im nächsten Jahr mehr als 420 Neubaumaßnahmen notwendig.
Zur Zeit befinden wir uns mitten in der Diskussion um die zukünftige Kohlepolitik und den Finanzierungsrahmen bis zum Jahre 2005. Der Bundeskanzler steht im Wort, daß der Bergbau im Kern lebens-, leistungs- und zukunftsfähig bleiben soll.
Das hat nichts
mit dem Wohnungsbau zu tun!)
Dennoch werden weitere Zechenschließungen bis zum Jahre 2005 unvermeidlich sein. Damit sind natürlich auch weitere umfangreiche Verlegungsmaßnahmen notwendig. Mit diesen Verlegungsmaßnahmen besteht auch die Notwendigkeit, angemessenen und bezahlbaren Wohnraum zu schaffen.
Denn schon jetzt zeigen die Bergleute die vielbeschworene Mobilität und nehmen täglich Fahrtzeiten von mehreren Stunden auf sich, um von ihrem Wohnort an ihren Arbeitsplatz zu gelangen. Ein Blick auf die Landkarte macht deutlich, daß viele Bergleute in absehbarer Zeit gezwungen sein werden, ihren Wohnort zu wechseln, da die Belastungen sowohl zeitlich als auch physisch nicht mehr tragbar sind.
Im übrigen: Ihr Plan zur Kappung der Kilometerpauschale ist ein weiterer Grund, den Wohnort in die Nähe des Arbeitsplatzes zu verlegen.
Denn leider sind auch Sie, meine Damen und Herren von der Regierungskoalition, nicht in der Lage, die gerade wieder von Herrn Königshofen zitierte Anzahl von Wohnungen an die Arbeitsplätze zu verlegen. Die Menschen, nicht die Wohnungen werden verlegt.
Diese Bergleute auf den freien Wohnungsmarkt zu verweisen zeigt allzu deutlich, daß der Bauminister die Situation auf dem Wohnungsmarkt nicht kennt. Denn gerade in den bevölkerungsreichen Kohleregionen ist angemessener und bezahlbarer Wohnraum Mangelware.
Norbert Formanski
Der Gesetzentwurf der Koalition verschweigt zudem wissentlich, daß nicht der Neubau, sondern Aus- und Umbau sowie Modernisierungsmaßnahmen im Mittelpunkt des Bergarbeiterwohnungsbaus stehen. Allein in den Städten Gelsenkirchen und Herten - meinem Wahlkreis - gibt es über 20 000 derartige Wohnungen. Ein Großteil dieser Wohnungen muß modernisiert werden. Es ist für 120 Modernisierungsmaßnahmen, ein Fonds in Höhe von 81 Millionen DM in Aussicht gestellt worden. Diese Aufträge hätte das mittelständische Bauhandwerk in meinem Wahlkreis dringend benötigt; denn das Bauhandwerk steht nicht zuletzt durch die geplante Anhebung der Grunderwerbsteuer schon jetzt mit dem Rücken zur Wand.
Das gilt natürlich nicht nur für meinen Wahlkreis, sondern für alle Städte in den Kohleregionen. Insgesamt sollten fast 12 000 Wohneinheiten mit einem Finanzvolumen von immerhin über 600 Millionen DM ausgebaut, erweitert und modernisiert werden. An diesen Zahlen wird augenfällig deutlich, wie wichtig der Bergarbeiterwohnungsbau, und zwar nicht nur der Neubau, für die Stadtentwicklung und den Strukturwandel ist.
Der objektiv vorhandene Modernisierungsbedarf der teilweise über 100 Jahre alten Bergarbeitersiedlungen hängt nachweislich nicht davon ab, ob diese von aktiven Bergleuten oder von Bergbaurentnern bewohnt werden.
Seit 1951 wurden aus den Treuhandmitteln weit mehr als 250 000 Mietwohnungen, Eigenheime und Eigentumswohnungen geschaffen. Zur Zeit werden jährlich über 1 000 Neubauten und Modernisierungsmaßnahmen gefördert. Es kommt hinzu - das darf nicht unterschlagen oder vergessen werden -, daß jede aus dem Treuhandvermögen investierte Mark drei weitere Mark an zusätzlichen Investitionen ausgelöst hat.
Der Bergarbeiterwohnungsbau war nicht zuletzt wegen seiner Bedeutung für den Strukturwandel im Revier wesentlicher Bestandteil der vom Bundeskanzler 1988 einberufenen Ruhrgebietskonferenz. Im Westen haben die Bergleute bereits schmerzhaft erfahren, daß man nicht jedem Versprechen Glauben schenken darf.
Das vorliegende Gesetz trägt seinen Teil dazu bei, daß sich diese Erkenntnis leider auch im Osten weiter durchsetzt; denn noch 1993 wurde durch das Vierte Änderungsgesetz dem Bergarbeiterwohnungsbau eine Bestandsgarantie gewährt, und die Aktivitäten wurden auf die neuen Bundesländer ausgedehnt.
So sind auf Sachsen und Sachsen-Anhalt je 10 Millionen DM und auf Thüringen rund 9 Millionen DM Förderung entfallen. Der Abbruch dieser Förderung nach nur zweijähriger Förderdauer ist ein besonders schwerer Vertrauensbruch, weil er den Bergbau in den neuen Bundesländern mitten in einer Umstrukturierungsphase trifft.
Auch in diesen Ländern wird der dringend notwendige Strukturwandel nachhaltig gestört. Überdies will der Bundesbauminister nach Inkrafttreten des Gesetzes auf dem Verwaltungsweg auch das Sondervermögen Saar in Höhe von rund 67 Millionen DM auflösen. Die jährlichen Rückflüsse in Höhe von 3 bis 4 Millionen DM würden damit natürlich dem saarländischen Bergarbeiterwohnungsbau entzogen.
Mit dieser Taktik will die Regierungskoalition offensichtlich davon ablenken, wie drastisch sie die Investitionen in den sozialen Wohnungsbau tatsächlich zusammenstreicht. In Wahrheit werden die Bundesmittel für den sozialen Wohnungsbau 1997 um 450 Millionen DM gekürzt.
Wenn die Bundesregierung ihre Pläne verwirklichen sollte, dann wird das mit dem Komplettverlust des Treuhandvermögens erkauft. Wir und das Bündnis 90/Die Grünen waren jedenfalls bereit, einen Kompromiß einzugehen, um soziale Härten in den Bergbauregionen zu mildern.
Auch die Sozialpartner, die Ruhrkohle AG und die Industriegewerkschaft Bergbau und Energie, waren dazu bereit. Die Regierungskoalition hat sowohl unsere ausgestreckten Hände als auch die ausgestreckten Hände der Sozialpartner willkürlich ausgeschlagen. Jetzt, Herr Minister, vernichten Sie die gute und bewährte Tradition des Bergarbeiterwohnungsbaus und schaden der Zukunft der Reviere nachhaltig.
Diese Last müssen die Bergleute und die Bergbauregionen zusätzlich schultern. Das haben die Kumpel und ihre Familienangehörigen nicht verdient.
Deshalb fordere ich Sie noch einmal im Namen der SPD-Bundestagsfraktion auf, den vorliegenden Gesetzentwurf zurückzuziehen, von allen weiteren Überlegungen Abstand zu nehmen, die darauf abzielen, die Förderung des Bergarbeiterwohnungsbaus einzustellen und die im Zusammenhang mit dem Gesetzentwurf stehende Haushaltssperre in Höhe von 250 Millionen DM im sozialen Wohnungsbau ersatzlos aufzuheben.
Wir werden uns Ihren Plänen zur Zerschlagung des Bergarbeiterwohnungsbaus bei den zukünftigen Kohlegesprächen mit allen Kräften entgegenstemmen.
Wir werden uns dem entgegenstemmen zugunsten der Bergleute, zugunsten der Bauwirtschaft und nicht zuletzt zugunsten des Erhalts von bezahlbarem Wohnraum.
Glückauf!
Ich gebe nun der Abgeordneten Franziska Eichstädt-Bohlig das Wort.
Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Königshofen hat eben erklärt, daß der Bergarbeiterwohnungsbau deswegen ein überflüssiges und verkalktes Modell sei, weil er 1951 geschaffen worden ist.
Aber ich denke, wir müssen uns klarmachen, daß damals in solchen Bereichen wirklich sehr positive Gesetzesinitiativen ergriffen worden sind, von denen wir eher lernen sollten, als sie einfach auf den Müllhaufen der Geschichte zu werfen.
Tatsache ist - Sie haben eben die wichtigsten Zahlen genannt, Herr Königshofen -: Von 1951 bis 1959 ist die Kohleabgabe in den Bergarbeiterwohnungsbau geflossen. Das waren neun Jahre. Dann hat sich dieser 1959 revolvierend aus den Wiedereinnahmen der Wohnungswirtschaft, also aus den Mieteinnahmen und Überschüssen, die aus den Wohnungen gekommen sind, selbst finanziert. Zwischen 1982 und 1991 ist noch einmal zehn Jahre lang Geld hineingeflossen - Sie haben es gesagt - von den Bergbauunternehmen, insgesamt etwa 400 bis 450 Millionen DM.
Nach diesem Prinzip des revolvierenden Fonds hat sich ein Gesamtvermögen von 2,7 Milliarden DM angesammelt, das seit 45 Jahren in vorbildlicher Weise bewirtschaftet wird und funktioniert.
Insofern ist es für uns sehr tragisch, den Bergarbeitern jetzt nicht nur die Renovierung ihrer Wohnungen zu nehmen - Herr Formanski hat eben geschildert, daß ein weiterer Neubau in dem Bereich verhindert wird -, sondern heute ein eigentlich sehr vorbildliches wohnungswirtschaftliches Modell zu beerdigen. Wenn wir wirklich so langfristig soziale Wohnungswirtschaft betrieben, wenn wir nach diesem Modell auch andere Fonds eingerichtet hätten und damit bestimmte Bereiche mit einer sozialen Wohnungspolitik stabilisieren würden, dann würden wir heute teilweise Geld sparen, auch im Bereich des sozialen Wohnungsbaus.
Somit haben wir ein doppeltes Problem - Sie haben es eben geschildert -: Wir haben dringenden Baubedarf im Bereich der Bergarbeiterwohnungen in Sachsen und Brandenburg. Sie sind dringend erneuerungsbedürftig. Das gleiche gilt auch für andere Orte, auch für die Braunkohle. Gleichzeitig handelt es sich um einen Betrug im System des sozialen Wohnungsbaus; denn Sie kaschieren nur notdürftig, daß Sie den Abbau des sozialen Wohnungsbaus durch die Rückflüsse aus dem Bergarbeiterwohnungsbau kompensieren wollen.
Wenn wir ehrlich sind, geben wir zu, daß wir ab dem nächsten Jahr beides abbauen werden. Wir bekommen nämlich eine Reduktion im sozialen Wohnungsbau, und außerdem wird der Bergarbeiterwohnungsbau völlig ausgetrocknet. Insofern ist es noch nicht einmal eine echte Kompensation, sondern bei beiden Komponenten wird heruntergefahren. Das finde ich besonders bedenklich.
Deshalb fordern wir Sie auf, noch einmal zu prüfen, ob Sie diesen Gesetzentwurf nicht zurückziehen wollen. Warum wollen Sie dieses Gesetz nicht der Zustimmung des Bundesrates aussetzen? Das stimmt uns besonders mißtrauisch. Insofern fordern wir Sie gemeinsam mit der SPD auf: Ziehen Sie Ihren Antrag zurück. Machen Sie mit der Demontage des Bergarbeiterwohnungsbaus Schluß, anstatt ihn auszutrocknen.
Ich gebe nun dem Abgeordneten Hildebrecht Braun das Wort.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Meine beiden Vorredner haben einen in der Tat unerwarteten Beitrag zur Modernisierung unseres Landes geliefert. Es klang in etwa so, als wenn man die Forderung nach der Gehaltsfortzahlung für Heizer auf Elektrolokomotiven neuerlich auf das Tablett brächte.
Vor 45 Jahren war es richtig, hier in Deutschland eine Abgabe auf den Verbrauch von Kohle zu erheben, um Geld zu haben, womit Leute ins Revier gelockt wurden, die sonst für diese Arbeit nicht zu finden gewesen wären, die unter Tage arbeiten und dafür sorgen sollten, daß genügend Kohle gefördert wurde. Das war eine Aufgabe des gesamten Landes. Damals waren die Prioritäten richtig erkannt.
Mittlerweile sind die Dinge total anders. Wir wissen alle, daß die Zahl derer, die im Bergbau tätig sind, drastisch zurückgeht,
und zwar zu Recht; denn die Kohle wird halt nicht mehr in dem Maße wie früher nachgefragt.
Sie ist in ganz starkem Maße durch andere Energieträger abgelöst worden. Das muß doch Auswirkungen auf ein solches Sonderförderprogramm haben, das aus einer besonderen Notsituation heraus geschaffen wurde.
Hildebrecht Braun
Aber das erkennt natürlich der eine oder andere hier nicht.
Tatsache ist, daß wir das Geld für den allgemeinen sozialen Wohnungsbau dringend brauchen.
Ich sage es in aller Deutlichkeit: Was damals die Kohlearbeiter waren, sind heute die Polizisten und die Krankenpfleger, die sich die Wohnungen in den Städten nicht leisten können. Dort brauchen wir ein Sonderförderprogramm, aber wir brauchen es keineswegs mehr für Bergarbeiter.
Herr Kollege Braun, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Formanski?
Selbstverständlich.
Herr Braun, wissen Sie nicht, daß nicht seit 1945, sondern erst ab 1951 und dann weit in die 60er und sogar noch die 70er Jahre hinein dieses Vermögen angesammelt und gebraucht wurde, um den Bergarbeiterwohnungsbau zu fördern, und können Sie sich vorstellen, daß der größte Teil dieser Förderung schon in den 70er Jahren nicht für Neubaumaßnahmen, sondern für dringende Modernisierungs-, Um- und Ausbaumaßnahmen in den Siedlungen aufgewendet werden mußte, die Anfang des Jahrhunderts gebaut wurden?
Herr Formanski, Tatsache ist, daß ab 1951 und nicht etwa direkt nach dem Krieg diese Umlage erhoben wurde.
- Moment, bleiben Sie ruhig stehen! Sonst kriegen Sie meine Antwort nicht; denn ich möchte nicht, daß meine Redezeit ohne Not verkürzt wird.
Zweitens wurde diese Umlage bis zum Jahr 1959 erhoben; dann wurde sie eingestellt. Natürlich kamen Gelder zurück, weil es sich primär um Darlehensmaßnahmen gehandelt hat. Diese sind immer wieder in den Bergarbeiterwohnungsbau investiert worden, für Verbesserungen, allerdings natürlich
auch für Neubauten, selbstverständlich. Aber wir brauchten seit dieser Zeit kein zusätzliches Kapital mehr.
Wenn wir über viele Jahre hinweg eine bestimmte Personengruppe gegenüber anderen Menschen in unserem Land bevorzugt haben, für die es diese Sonderförderung nicht gab, ist es vollkommen richtig, daß wir jetzt an die Überprüfung herangehen und fragen: Muß das eigentlich noch sein, oder handelt es sich hier nicht um Vermögen des Bundes, das dort eingesetzt werden muß, wo jetzt die Notwendigkeiten liegen? Die liegen eben nicht mehr im Bergarbeiterwohnungsbau.
Ich darf als jemand, der viele Jahre Kommunalpolitik in einer Großstadt gemacht hat, darauf hinweisen, daß wir dort ganz andere Notwendigkeiten im Wohnungsbereich haben, weil Personen im unteren Einkommensbereich im öffentlichen Dienst wie Polizisten und Feuerwehrleute, aber auch zum Beispiel Altenpflegerinnen und Altenpfleger große Probleme haben, in diesen Großstädten eine angemessene Unterkunft zu finden, weil die Mieten so hoch sind. Dort brauchen wir jetzt die Förderung.
Wir brauchen sie nicht mehr im Bereich des Bergarbeiterwohnungsbaus.
Ich möchte ganz deutlich machen, auch wenn wir jetzt keine Haushaltsdebatte haben: Wir sollten zu einer neuen Art kommen, über die Finanzen des Staates nachzudenken.
Wir bräuchten im Grunde so etwas wie eine Bilanz, aus der sich ergibt, wo überhaupt Sondervermögen vorhanden sind, die möglicherweise daraufhin überprüft werden können und müssen, ob sie in dieser Form heute noch zielgerichtet ihren Zweck erfüllen können.
Dann wären wir sehr viel früher darauf gekommen, daß hier ein Vermögen vorhanden ist, das einer neuen Verwendung zugeführt werden muß, wo wir es heute ganz dringend brauchen.
Ich bin mit dem Koalitionspartner nachhaltig der Meinung, daß wir richtig handeln, wenn wir dieses Vermögen jetzt einer neuen Aufgabe zuführen. Ein Teil steht wohlgemerkt den Bergarbeitern weiter für Modernisierungen zur Verfügung.
Sie haben das alles in der Vorlage gelesen. Der größere Teil wird aber in den sozialen Wohnungsbau zu-
Hildebrecht Braun
gunsten der Gruppen gehen, die heute die Förderung am dringendsten brauchen.
Herr Vesper von den Grünen behauptet, der Bund mache sich quasi an fremdes Vermögen heran. Das ist schlicht falsch. Es handelt sich um Bundesvermögen, und der Bund allein tut gut daran, darüber zu entscheiden, wo dieses Vermögen in Zukunft am sinnvollsten verwendet wird.
Ich verstehe ehrlich gesagt auch die Länder nicht; denn sie werden durch diesen Gesetzentwurf ganz besonders begünstigt. In den kommenden vier Jahren werden mehr als 1 Milliarde DM aus diesem Fonds an die Länder gegeben.
Dieser Betrag ist mehr als doppelt so hoch wie die Erträge aus dem Sondervermögen des Bundestreuhandvermögens in diesem Zeitraum. Das bedeutet, daß die Länder ohne rechtlichen Grund an der Substanz dieses Vermögens beteiligt werden. Sie sollten sich nicht beklagen, sondern dankbar sein. Die Opposition wäre gut beraten, wenn sie diese Geschichte vollen Herzens mittragen würde.
Ich gebe das Wort dem Abgeordneten Klaus-Jürgen Warnick.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zum Anfang sei mir die Wiedergabe einer Meinungsäußerung des brandenburgischen Bauministers Meyer zum Bergarbeiterwohnungsbau gestattet:
Die Treuhandanstalt und die Treuhand-Liegenschaftsgesellschaft haben in den vergangenen Jahren in den Bestand keinen Pfennig investiert und die Wohnungen in der Lausitz herunterkommen lassen. Jetzt, nachdem die Wohnungen mit Unterstützung des Landes an Mietergenossenschaften verkauft wurden, werden die Fördermittel gestrichen.
Eine ausgemachte Sauerei, daß die Genossenschaften von der TLG mit Sanierungskonzepten geködert wurden, in denen Bundesmittel enthalten waren.
Soweit der brandenburgische Bauminister. Er kritisiert damit - meines Erachtens völlig zu Recht - die Abschaffung der Förderung des Bergarbeiterwohnungsbaus.
Welche sozialen und wohnungspolitischen Auswirkungen das Gesetz für die Bergbauregionen in Ost und West haben wird, ist noch völlig offen. Allein aus den Fördermitteln für die ostdeutschen Bergarbeiterwohnungen wollen Sie 1997 ca. 100 Millionen DM für die allgemeine Haushaltssanierung abziehen. Wie diese 100 Millionen DM zustande kommen sollen, ist mir weiterhin ein Rätsel.
Auf meine dazu schon in der ersten Lesung gestellten Fragen gab es auch in den Ausschußberatungen bis heute keine Antwort.
Wir brauchen eine Neugestaltung der Wohnungsförderung; das ist unstrittig. Dazu gehören der soziale Wohnungsbau, das Wohngeld, der frei finanzierte Wohnungsbau und auch der Bergarbeiterwohnungsbau. Mit der Abschaffung des Bergarbeiterwohnungsbaus setzen Sie aber die falschen Zeichen.
Nimmt man noch Ihre Vorschläge zur Abschaffung der Förderung des sozialen Wohnungsbaus und die Entwicklung beim Wohngeld hinzu, dann sind es nicht nur falsche Zeichen. Vielmehr ist es die Beerdigung einer sozialen Wohnungspolitik.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, heute ziehen Sie von der Koalition das durch, was Ihnen vor dreieinhalb Jahren mißlang. Bereits mit Ihrem Gesetzentwurf zum sogenannten Solidarpakt - das war die Drucksache 12/4401 - sollte die Bergarbeiterwohnungsbauförderung zum 1. Januar 1995 eingestellt werden. Daß es Ihnen zwei Jahre später gelingt, hängt leider auch mit dem blamablen Zustand der Opposition zusammen. Statt gemeinsam mit den Bergleuten, der Gewerkschaft sowie den Ländern den Widerstand zu organisieren und als Opposition unnachgiebig gegen die Angriffe der Bundesregierung zusammenzuhalten, gab es nur weiche Proteste und die Bitte um Kompromisse im Bundesrat.
Anspruch und Wirklichkeit klaffen hier weit auseinander, denn der gemeinsame Entschließungsantrag von SPD und Bündnisgrünen spricht eine klare Sprache, erhebt klare Forderungen. Dessen Anliegen können wir uns vorbehaltlos anschließen. Vielleicht gelingt es den anderen Teilen der Opposition nach längerer Denkpause auch endlich, das etwas kindische Verhalten abzulegen und Anträge, die von allen Oppositionsparteien mitgetragen werden können, auch gemeinsam vorzulegen. Wir werden diesem Entschließungsantrag jedenfalls zustimmen.
Den nur leicht veränderten Gesetzentwurf der Koalition werden die demokratischen Sozialisten ablehnen.
Ich danke Ihnen.
Nun gebe ich dem Parlamentarischen Staatssekretär Günther das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Heute soll abschließend das Fünfte Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Förderung des Bergarbeiterwohnungsbaus verabschiedet werden. Danach wird ab 1997 die Förderung des Bergarbeiterwohnungsbaus aus dem Treuhandvermögen des Bundes für den Bergarbeiterwohnungsbau eingestellt.
Künftig - das ist eigentlich das Entscheidende - fließen die Einnahmen aus dem Treuhandvermögen in den Bundeshaushalt und werden überwiegend, wie das Herr Braun vorhin bereits dargestellt hat, für den sozialen Wohnungsbau eingesetzt. Das ist für den Zeitraum bis zum Jahr 2000 im Haushaltsplan 1997 und in der Finanzierungsplanung abgesichert.
Bis zum Jahre 2000 sind Verpflichtungsrahmen in Höhe von 850 Millionen DM vorgesehen, davon 250 Millionen DM für das Jahr 1997. Für die Länder ist das überwiegend ein Vorteil. Denn fast alle Länder erhalten höhere Finanzhilfen, als sie ohne Neuregelung des Bergarbeiterwohnungsbaus erhalten hätten. Das gilt auch für die kohlenfördernden neuen Länder, Herr Warnick. Die Hilfen für diese Länder werden höher sein, als das gegenwärtig der Fall ist.
Die Einstellung der Förderung - das wurde bereits durch mehrere Vorredner sehr deutlich dargestellt - muß mit Blick auf die Zweckbindung in der Vergangenheit betrachtet werden. Die Förderung des Bergarbeiterwohnungsbaus als eigenständige flankierende Maßnahme - das haben hier ebenfalls mehrere Redner eindeutig ausgeführt - kann in der jetzigen Zeit entfallen. Herr Formanski, der Bauminister hat die Situation schon richtig erkannt; denn nicht nur auf seiten der Koalition, sondern auch auf seiten des Bundesrates war man sich einig, der Einstellung der Förderung zum Jahresende 1996 zuzustimmen.
Die Länder fordern, das Vermögen künftig allein für den sozialen Wohnungsbau einzusetzen. Wir haben gesagt: überwiegend für den sozialen Wohnungsbau. Dabei ist zu bedenken, daß das Bundestreuhandvermögen seinerzeit aus der Belastung nahezu aller Haushalte entstanden ist. Wenn künftig Vermögenserträge zugunsten der Allgemeinheit eingesetzt werden sollen, so ist das politisch eindeutig zu rechtfertigen, Frau Kollegin Eichstädt-Bohlig.
Mit der weitgehenden Umwidmung zugunsten des sozialen Wohnungsbaus hat die Bundesregierung meines Erachtens dem Anliegen der Länder in hohem Maße Rechnung getragen. Wir haben in den vergangenen Jahrzehnten mit hohem öffentlichem Engagement von Bund und Ländern den Wohnstandard in den Ländern verbessert. Ich möchte daran erinnern: Wir haben rund 38 Quadratmeter Wohnfläche pro Einwohner. Über 80 Prozent der Wohnungen in den alten Bundesländern sind mit modernen Bädern und Heizungen ausgestattet. Auch in Nordrhein-Westfalen, um das es im wesentlichen geht, liegt diese Zahl in der gleichen Größenordnung.
Nicht zuletzt steht die Wohnungspolitik vor der Aufgabe - auch darauf wurde hier hingewiesen -, die Wohnungsbauförderung insgesamt sächlich und finanziell darauf zu konzentrieren, daß besonders einkommensschwache oder anders benachteiligte Haushalte gefördert werden können.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Gleicke? - Bitte schön.
Herr Staatssekretär Günther, ich glaube, es ist in diesem Hause unbestritten, daß die Versorgung mit preiswertem und bezahlbarem Wohnraum auch für andere Gruppen als die Kumpel in den Bergbaugebieten nötig ist. Verstehe ich Sie aber richtig, daß Sie versuchen, die Kumpel, unter Umständen die arbeitslosen Kumpel, in den Bergbaugebieten gegen die unterbezahlten Krankenschwestern und -pfleger auszuspielen? In diesem Fall wäre das eine Unverschämtheit.
Frau Kollegin Gleicke, ich glaube, diese Absicht hat niemand in diesem Hause.
Es geht eindeutig darum, daß die Fördermittel für den sozialen Wohnungsbau anders aufgeteilt werden. Niemand wird auch in Zukunft NRW oder das Saarland daran hindern, in spezifischen Schwerpunkten die Fördermittel gezielt einzusetzen, die im Rahmen des sozialen Wohnungsbaus zur Verfügung stehen.
Ich glaube, man sollte auch darauf hinweisen, daß trotz der Beendigung der Förderung zum Jahresende begonnene Projekte nicht eingestellt werden müssen. Vielmehr können die Baumaßnahmen beendet werden. Ebenso können bis Ende 1996 bereits bewilligte Maßnahmen später noch begonnen und fortgeführt werden. Das wird in der öffentlichen Diskussion oft falsch dargestellt. Ich glaube, daß es wichtig ist, das hier noch einmal zu verdeutlichen.
Parl. Staatssekretär Joachim Günther
Die Zweckbestimmung der bisher geförderten Wohnungen bleibt ebenfalls erhalten. Das heißt, die Wohnungen bleiben entsprechend den bisherigen Regelungen Wohnungen des sozialen Wohnungsbestandes, und sie stehen den Berechtigten im Bergarbeiterwohnungsbau, also den Bergleuten, den Hinterbliebenen und auch denen, die auf Grund von Zechenstillegungen einen anderen Arbeitsplatz gefunden haben, weiterhin zu Verfügung.
Das Bundestreuhandvermögen der Bergarbeiterwohnungen hat in der Nachkriegszeit den Wiederaufbau von Energieversorgung und Wirtschaft durch ein spezielles Wohnungsbauprogramm unterstützt. Es hat später einen Strukturwandel sozial flankiert. Ich glaube, es ist heute an der Zeit, hier den richtigen Weg einzuschlagen. Das Treuhandvermögen ist ein Darlehensvermögen im Eigentum des Bundes. Der Wert beträgt derzeit rund 2,7 Milliarden DM. Die Förderung erfolgt seit Ende der 50er Jahre aus den Tilgungen und Zinsen; zuletzt mit rund 100 Millionen DM im Jahr. Mit diesem Treuhandvermögen sind in der Vergangenheit große Wohnungsbauleistungen bei Neubauten möglich gewesen. Herr Königshofen hat die Zahl genannt: 227 000 Wohnungen wurden seit 1951 gefördert. Vielleicht sollte man darauf hinweisen, daß sich unter diesen geförderten Wohnungen auch rund 87 000 Eigentumsmaßnahmen und rund 140 000 Mietwohnungen befunden haben.
Der Bergarbeiterwohnungsbestand befindet sich weithin in einem zeitgemäßen Zustand. Auch unser Bauausschuß konnte sich bei einer Reise ins Ruhrgebiet davon überzeugen, wie gut die Wohnungen in diesem Bereich sind. In letzter Zeit wurden 17 000 Modernisierungsmaßnahmen gefördert. Wahrscheinlich ist aber der Hauptgrund mancher Diskussionen, weil sich diese Förderung bisher überwiegend auf Nordrhein-Westfalen konzentrierte; 210 000 Wohnungen der bisher 227 000 Wohnungen wurden allein in Nordrhein-Westfalen gefördert.
Inzwischen - das wurde hier bereits gesagt - konnten auch in den neuen Bundesländern erhebliche Fördererfolge erzielt werden, nachdem die neuen Bundesländer auf Grund des 4. Bergarbeiterwohnungsbauänderungsgesetzes aus dem Jahre 1993 berücksichtigt worden sind. So ist der Wohnungsbestand in Sachsen-Anhalt, Thüringen und Sachsen teilweise modernisiert worden. Es stimmt eben nicht, Kollege Warnick, daß jetzt die Privatisierung von Genossenschaften einsetzt, die keine Fördermittel mehr erhalten. Allein im Cottbuser Revier, in Laubusch, sind noch einmal hohe Beträge nach dem Bergarbeiterwohnungsbaugesetz - ich sage bewußt: über 1 Million DM - für die Gründung von Genossenschaften zur Verfügung gestellt worden. Ich glaube, auch hier ist man seinen Verpflichtungen entsprechend den Möglichkeiten eindeutig nachgekommen.
Soweit künftig noch Baumaßnahmen und Modernisierungen notwendig sind - ich wies schon darauf hin -, kann dies mit Mitteln des sozialen Wohnungsbaus geschehen. Dabei ist es Aufgabe der betroffenen Länder und - ich gehe noch weiter - auch der Kommunen und Regionen, auf Schwerpunkte hinzuweisen und zusätzliche finanzielle Mittel im Wohnungsbau auf diese Gebiete zu konzentrieren.
Ich bin nach allem der Überzeugung, daß man die hier zum Teil dargelegten Folgen nicht befürchten muß, sondern daß die Wohnungspolitik auch künftig dazu beitragen wird, den Strukturwandel auch in den Kohlegebieten voranzubringen.
Danke schön.
Ich schließe damit die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung in zweiter Lesung über den von der Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurf zur Änderung des Gesetzes zur Förderung des Bergarbeiterwohnungsbaues im Kohlenbergbau, Drucksachen 13/5963 und 13/6505. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschußfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Ich stelle fest, daß der Gesetzentwurf in zweiter Lesung mit den Stimmen der Koalition gegen die Stimmen des Hauses im übrigen angenommen worden ist.
Dann treten wir in die
dritte Beratung
und Schlußabstimmung ein. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. - Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Ich stelle fest, daß der Gesetzentwurf in dritter Lesung mit dem gleichen Stimmenverhältnis angenommen worden ist.
Wir kommen zur Abstimmung über den gemeinsamen Entschließungsantrag der Fraktionen der SPD und des Bündnisses 90/Die Grünen auf Drucksache 13/6507. Wer diesem Entschließungsantrag zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Ich stelle fest, daß der Entschließungsantrag mit den Stimmen der Koalition gegen die Stimmen des Hauses im übrigen abgelehnt worden ist.
Damit rufe ich den Tagesordnungspunkt 9 und den Zusatzpunkt 12 auf:
9. Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr zu dem Antrag der Abgeordneten Albert Schmidt (Hitzhofen), Rainder Steenblock, Elisabeth Altmann (Pommelsbrunn), Helmut Wilhelm (Amberg) und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
13446 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode -• 148. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. Dezember 1996
Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch
Optimierung des Schienennetzausbaus zwischen Würzburg/Nürnberg und Augsburg/ München
- Drucksachen 13/4389, 13/6421 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Heide Mattischeck
ZP12 Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr zu dem Antrag der Abgeordneten Albert Schmidt (Hitzhofen), Elisabeth Altmann (Pommelsbrunn), Kristin Heyne und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Wirtschaftlichkeit der ICE-Strecke Nürnberg-Ingolstadt-München
- Drucksache 13/4962, 13/6511-
Berichterstattung:
Abgeordnete Heide Mattischeck
Es liegt ein gemeinsamer Änderungsantrag der Fraktionen der SPD und des Bündnisses 90/Die Grünen vor. Für diesen Änderungsantrag war namentliche Abstimmung verlangt, was inzwischen zurückgezogen worden ist. Das droht uns also nicht mehr.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen, wobei die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen fünf Minuten erhalten soll.. - Ich sehe und höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache und gebe dem Abgeordneten Dionys Jobst das Wort.
Herr Präsident! Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen! Die Anträge der Grünen, mit denen wir es heute zu tun haben, sind Ladenhüter im neuen Gewande.
Ich hoffe, Herr Kollege Schmidt, daß heute ein gewisser Fortschritt erzielt werden kann. Vor einem Jahr haben wir uns hier über die gleichen Anträge unterhalten. Es gab eine sehr lautstarke Debatte. Ich hoffe, daß es heute etwas moderater zugeht.
Die Argumente gegen den Ausbau der Strecke von München über Ingolstadt nach Nürnberg sind heute ebensowenig stichhaltig, wie sie es vor einem Jahr gewesen sind. Die Absicht der Grünen ist deutlich erkennbar, nämlich: Die Grünen wollen jetzt den Hebel bei der Finanzierung ansetzen. Mit diesem Aufhänger wollen sie erreichen, daß der Bau der Hochgeschwindigkeitsstrecke der Bahn von München über Ingolstadt nach Nürnberg verhindert wird.
Mit dieser Einstellung zur Bahn kann es kein leistungsfähiges Streckennetz für die Bahn geben. Wenn diese Einstellung auch im vorigen Jahrhundert
vorhanden gewesen wäre, dann wäre kein Kilometer Eisenbahnstrecke gebaut worden.
- Frau Kollegin Ferner, Sie werden dies nicht bestreiten können.
Die Forderung nach mehr Schiene, die wir von den Grünen und teilweise auch von der SPD immer wieder hören, ist eine Leerformel. Sie sind gegen den Straßenausbau und fordern, mehr Verkehr auf die Schiene zu bringen. Aber wenn es um die Schiene geht, also um Streckenneubau und Streckenausbau, dann versuchen sich die Grünen auch als Hemmschuhleger. Die gleichen Leute, die gegen den Straßenbau protestieren, protestieren bei Schienenbaumaßnahmen ebenfalls.
Der Wirtschaftsstandort Deutschland - -
- Bayern ist ein wichtiger Teil des Wirtschaftsstandortes Deutschland und trägt erheblich dazu bei, daß die Qualität dieses Standorts gehoben wird. Vor allem in der Vergangenheit konnten entscheidende Fortschritte erzielt und Arbeitsplätze gesichert werden. Bayern ist das High-Tech-Land in der Bundesrepublik geworden.
Der Wirtschaftsstandort Deutschland braucht eine gute Verkehrsinfrastruktur. Gerade die Bahn
- Sie sollten diesen Punkt nicht so lächerlich nehmen - braucht heute moderne Strecken. Ihr kommt bei der Bewältigung der künftigen Verkehrsbedürfnisse erhebliche Bedeutung zu.
Wir wissen, daß die Mobilität steigen wird; wir von der CDU/CSU setzen auf die Bahn. Wir wollen sie wettbewerbsfähiger machen,
damit sie ihre Zukunftsaufgaben erfüllen kann.
Zwei Sachverständige haben jüngst auf einer anderen Veranstaltung zu Recht festgestellt: Seit dem Zweiten Weltkrieg waren die Chancen der Bahn noch nie so gut wie heute. Wir von der Koalition wollen der Bahn ein festes Fundament verschaffen. Dazu gehören die Hochgeschwindigkeitsstrecken für den Personenverkehr, aber auch für den Güterverkehr.
Die Grünen wollen mit ihren Anträgen die Zukunftschancen der Bahn beschneiden. Die Hochgeschwindigkeitsstrecke München-Ingolstadt-Nürn-
Dr. Dionys Jobst
berg hat nicht nur nationale Bedeutung. Sie ist eine internationale Magistrale. Wir halten sie verkehrspolitisch für notwendig, für sinnvoll und auch ökonomisch und ökologisch für notwendig.
Die Trasse über Ingolstadt - vor einem Jahr haben wir die Argumente darüber ausgetauscht - ist die richtige Trasse. Wir haben die Argumente bei der Verabschiedung des Schienenwegeausbaugesetzes eingehend abgewogen. Damals hat auch die SPD zugestimmt. Eine Fahrzeitverkürzung tritt ein.
Es ist klar abgewogen worden, ob Neigezugtechnik die nötige Verbesserung bringt. Das ist nicht der Fall. Sie ist keine richtige Alternative. Das Argument mit der Region Augsburg haben wir auch gesehen. Die Region Augsburg kommt nicht zu kurz und wird nicht abgehängt. Die Verbindung München-Augsburg wird vierspurig ausgebaut.
Die Planung für die Strecke München-IngolstadtNürnberg ist weit vorangetrieben. Das Raumordnungsverfahren ist abgeschlossen, Planfeststellungsverfahren sind eingeleitet. Wir haben bereits sechs Beschlüsse; zwei davon sind rechtskräftig. Die Strecke soll 2003 in Betrieb gehen.
Nun geht es um die Finanzierung. Eine Finanzierung aus dem Haushalt ist derzeit nicht möglich. - Wir haben die Prioritäten beim Ausbau der Verkehrsinfrastruktur festgelegt: Verkehrsprojekte deutsche Einheit - erste Priorität; Ausbau der Verkehrsinfrastruktur in den neuen Bundesländern - zweite Priorität. - Eine unmittelbare Finanzierung aus dem Haushalt, wie auch der Bundesrechnungshof vorschlägt, mag für die Bahn vorteilhafter sein.
Es geht aber darum, daß der verkehrspolitische Nutzen dieser Strecke früher zur Verfügung steht. Es geht um den Einkauf von Zeit. Bei einem späteren Baubeginn - auch Sie werden das nicht bestreiten können - werden die Kosten höher werden. Dieses Argument hat auch der Bundesrechnungshof positiv gewürdigt.
Bei privater Vorfinanzierung werden volkswirtschaftlich sinnvolle Verkehrsprojekte, die nicht aus dem Haushalt finanziert werden können, zeitnah realisiert. Die Baukosten werden gesenkt. Es tritt ein beschäftigungspolitischer Effekt ein, den wir dringend brauchen. Den Grünen fehlt dafür natürlich die Einsicht und auch das Verständnis. Aber wir sind der Auffassung: Die private Vorfinanzierung ist sinnvoll und notwendig.
Der Finanzaufwand, den der Bund hier zu leisten hat, ist vertretbar. Bei einem solchen Projekt fallen natürlich erhebliche Investitionsmittel an. Es ist gelungen, die Kosten zu senken: durch planerische und bauliche Optimierungen, durch Verbesserungen in der Signaltechnik an Stelle von Baumaßnahmen.
Der Bund hat etwa 3,7 Milliarden DM aufzuwenden. Die Gesamtbelastung des Bundes wird deutlich unter 10 Milliarden DM liegen. Entscheidend ist, daß jetzt bei der Einigung zwischen Bundesbahn und Bund erreicht werden konnte, daß die Rückzahlung nicht in 25, sondern in 15 Jahren erfolgt. Dies hat auch der Bundesrechnungshof vorgeschlagen. Diesem Petitum ist damit Rechnung getragen. Die CDU/ CSU steht zu den Entscheidungen, die wir bei der Verabschiedung des Bundesverkehrswegeplanes, bei der Verabschiedung des Schienenwegeausbaugesetzes getroffen haben.
Für uns, meine verehrten Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, hat die Bahn keine Alibifunktion; so wird sie draußen in der Diskussion immer mißbraucht. Für uns ist die Bahn ein unverzichtbares Verkehrsmittel und ein wichtiges Verkehrsunternehmen. Wir wissen, daß ihre Bedeutung in der Zukunft noch größer sein wird. Der Verhinderungsstrategie der Grünen, die wir heute wieder erleben werden, stellen wir das Signal eindeutig auf Halt: im Interesse einer leistungsfähigen Bahn, im Interesse der Bewältigung der künftigen Verkehrsanforderungen, wobei die Bahn erheblich mitzuwirken hat, und auch im Interesse des Wirtschaftsstandorts Deutschland sowie - das darf ich bescheiden hinzufügen - im Interesse des Freistaates Bayern.
Ich bedanke mich.
Ich gebe der Abgeordneten Heide Mattischeck das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Herr Jobst hat schon darauf hingewiesen, daß wir vor einem Jahr - ziemlich genau auf den Tag - auch über dieses Thema diskutiert haben. Ich habe es zwar nicht verglichen, habe aber den Eindruck, Herr Kollege Jobst, daß Ihre Rede die gleiche wie im letzten Jahr war.
- Ich weiß nicht, ob Sie das letzte Mal zugehört haben. Probieren wir es einmal!
Ich möchte noch einmal deutlich machen, worüber wir heute zu entscheiden haben. Ich denke, das wurde eben nicht so ganz klar. Zum einen haben die Grünen - das ist richtig gesagt worden - beantragt, die Trassenführung über Ingolstadt auszusetzen und dafür die Strecke über Augsburg zu fahren. Zum zweiten geht es heute darum, über eine private Vorfinanzierung oder eine ordentliche Haushaltsfinanzierung zu entscheiden.
Leider sind diese beiden Fragen in der letzten Zeit ein bißchen durcheinander geworfen worden. Das hat der Sache sicherlich nicht gedient. Der Streit um die Trassenführung, ob nun über Ingolstadt oder
Heide Mattischeck
Augsburg, ist so alt wie die Planung selber. Herr Jobst, Sie sollten jetzt nicht so tun, als ob die Trassenführung über Ingolstadt sozusagen etwas Naturgegebenes sei und als ob es bei Ihnen in der CSU darüber keine Auseinandersetzung gegeben habe. Ich finde das ganz normal, weil es durchaus auch regionale Interessen gibt, die ich überhaupt nicht hintanstellen will.
Wir meinen aber, daß die Entscheidung nun gefallen ist, und zwar - das sage ich jetzt in Richtung der Grünen - nicht nur wegen einer Fahrzeitverkürzung
-um wie viele Minuten auch immer -, sondern besonders auch aus strukturpolitischen Gründen, die auch etwas mit der Erschließung des nordostbayerischen Raumes zu tun haben. Gerade diese Aspekte sind durch die Öffnung der Grenzen nach Osten und Norden noch verstärkt worden.
Wir haben uns dann - ich denke, dies ist richtig; wir sind als Parlamentarier verpflichtet, insbesondere mit den finanziellen Ressourcen vorsichtig und sorgsam umzugehen -, nachdem die Planung schon einige Jahre alt war und die Ereignisse, die ich schon geschildert habe, eingetreten sind, in der bayerischen Landtagsfraktion der SPD und in der SPD in Bayern noch einmal mit allen Großprojekten beschäftigt. Ich denke, es ist die Pflicht von Parlamentariern, so etwas zu tun.
Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Braun?
Ja.
Irgendwann muß ein Satz aufhören.
Ja, er kann jetzt fragen.
Würden Sie mir freundlicherweise erläutern, in welcher Form die Trasse München-Ingolstadt-Nürnberg zur Erschlief jung des nordostbayerischen Raumes beiträgt?
Herr Braun, Ingolstadt liegt bekanntermaßen östlich von Augsburg. Im Zusammenhang mit regionaler Erschließung trägt das sehr wohl dazu bei.
- Ich halte es für legitim, daß man anderer Meinung ist. Die Entscheidung ist nun aber einmal gefallen.
Wir haben uns, um das kurz zu sagen, im letzten Jahr nach langer Überlegung aus verschiedenen Gründen dazu entschlossen, bei der Trassierung über
Ingolstadt zu bleiben. Wir halten sie aus den genannten Gründen für richtig. Wir sind der Meinung, daß die Planung fortgeschritten und die Baureife in Teilen so weit vorhanden ist, daß man mit dem Bau beginnen kann.
Wir haben in den letzten Jahren - darüber wundere ich mich allerdings; das muß ich schon sagen -: häufig gehört, daß Mittel für die Bahn angeblich nicht abfließen konnten. Ich frage mich, warum das hier nicht passiert ist.
Herr Jobst, die Regierung oder die Koalition könnte
dazu einmal etwas sagen. Es ist nichts passiert außer
- das muß ich zugestehen - einem Spatenstich im Sommer 1994. Im Herbst 1994 fand bekanntlich die Landtagswahl in Bayern statt.
Jetzt geht es aber insbesondere um die Frage der Finanzierung. Daß die Haushaltssituation den Verkehrs- und vor allen Dingen den Finanzminister zu Einsparungen und zur Streckung von Projekten zwingt, ist noch nachvollziehbar. Das kann man notfalls noch verstehen. Desto mehr sind Sie eigentlich verpflichtet, so meinen wir, den Betroffenen - dem Parlament, der Bevölkerung und den Interessierten - reinen Wein einzuschenken.
Sie aber tun so, als hätten Sie alles im Griff; in Wirklichkeit schwimmen Ihnen die Felle davon.
In dieser Lage greifen Sie zu dem äußerst fragwürdigen Instrument der privaten Vorfinanzierung. Der Finanzminister selbst hat - wir sollten immer wieder darauf hinweisen - in der Kabinettsitzung im letzten Juli - das haben wir schriftlich - gesagt, daß diese Art der Finanzierung nur als „Krücke" bezeichnet werden könne, weil Schattenhaushalte geschaffen und Haushaltsbelastungen auf spätere Jahre verschoben würden. Wie recht hat doch Herr Waigel!
Die ständig bohrende Kritik von Opposition und Bundesrechnungshof scheint nun doch zum Nachdenken angeregt zu haben. Das hat dazu geführt, daß wir in der vorletzten Verkehrsausschußsitzung so einen Zettel
- so einen Wisch - in die Hand bekommen haben, dem wir entnehmen konnten, daß die geplanten Baukosten jetzt wie durch ein Wunder von 4050 Millionen DM im Jahre 1993 auf 3870 Millionen DM gesunken seien. Das ist schon eine wundersame Verbilligung. Herr Jobst, wenn Sie sagen, das Projekt würde immer teurer, wenn wir warten, kann ich nur sagen: Bis jetzt wurde es ständig billiger. Ich nehme an, wenn wir den nächsten Zettel auf den Tisch krie-
Heide Mattischeck
gen, dann bekommen wir wahrscheinlich noch etwas dazu.
- Da hört er weg, richtig.
- Das kommt noch.
Das ist zunächst einmal eine gute Nachricht, aber das riecht doch reichlich nach Schönrechnen. Auch die Ursachen werden genannt: planerische Optimierung, Kapazitätssteigerung durch Signaltechnik, Verzicht auf Baumaßnahmen, durch die die Fahrzeit nur geringfügig gesenkt würde, und Ausschöpfen aller Möglichkeiten bei der Auftragsvergabe.
Ich meine, daß das eigentlich Selbstverständlichkeiten sind.
Dem Blatt, das ich eben hochgehalten habe, ist ebenfalls zu entnehmen, daß die Rückzahlung nun in 15 Jahren statt in 25 Jahren erfolgen solle und die Gesamtbelastungen des Bundes auf nur 9 Milliarden DM statt auf 15,6 Milliarden DM sinken würden. So schnell, Herr Jobst, habe ich noch nie 6 Milliarden DM zusammenbekommen.
Es ist ein Skandal - das Wort „Skandal" benutze ich nicht sehr häufig -, daß in einer derartig schlampigen Art 6 Milliarden DM einfach auftauchen und wieder verschwinden.
Das hat mit einer ordentlichen und soliden Haushaltsführung überhaupt nichts mehr zu tun.
Da drängt sich die Frage auf: Haben Sie sich das vorher nicht richtig überlegt, oder haben Sie erst auf Druck des Rechnungshofes gemerkt, daß mit 6 Milliarden DM hin oder her noch etwas möglich ist? Das ist ganz starker Tobak. Man muß sich das einmal auf der Zunge zergehen lassen: Durch ein simples Rechenkunststück zaubern Sie 6 Milliarden DM aus dem Hut. Das ist unglaublich! Die gesamten Risiken bleiben bei der Bahn hängen. Wenn Sie, Herr Jobst, dafür plädieren, daß wir der Bahn ein gutes Fundament geben sollen, kann ich nur sagen: Sie entziehen der Bahn dieses gute Fundament.
Im Laufe dieser 15 Jahre kann der Bund, so steht es in der Finanzierungsvereinbarung, jederzeit die
private Vorfinanzierung aus Haushaltsmitteln ablösen. Ich nehme an, Herr Waigel spielt inzwischen Lotto und wird das dann aus diesen Mitteln finanzieren.
Die aus der privaten Vorfinanzierung jährlich anwachsenden Verbindlichkeiten des Bundes sind, so sagt der Bundesrechnungshof - das sollten Sie sich anhören, Herr Jobst und auch Herr Carstens -, weder im Entwurf des Bundeshaushaltes 1997 als Verpflichtungsermächtigung noch in der Bundesschuldenstatistik enthalten. Ich weiß nicht, womit Sie das irgendwann einmal bezahlen wollen.
Die vom Bundesministerium für Verkehr zugunsten der privaten Vorfinanzierung genannten Gründe, so auch der Bundesrechnungshof, könnten nicht überzeugen. Der gleiche volkswirtschaftliche Nutzeffekt ließe sich mit unmittelbarer Haushaltsfinanzierung ebenfalls erreichen,
worauf auch das Bundesministerium der Finanzen in seiner Stellungnahme hingewiesen hat. Da sich der Bund stets günstiger als Private verschulden kann, ist die Haushaltsfinanzierung wirtschaftlicher. Die private Vorfinanzierung der Ausbau- bzw. Neubaustrecke München - Ingolstadt - Nürnberg bleibt unwirtschaftlich, da auch der Vergleichsfall Haushaltsfinanzierung durch die verringerte zuschußfähige Gesamtinvestitionssumme günstiger wird. - Völlig logisch, ganz klar. Aber ich nehme an, das verstehen Sie nicht.
Wir lehnen eine derartig unsolide Finanzierung von Verkehrsprojekten ab und erwarten die Zustimmung zu unserem vorliegenden gemeinsamen Antrag.
Danke schön.
Nun gebe ich das Wort dem Abgeordneten Albert Schmidt.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Alle Jahre wieder erleben wir folgendes Ritual: Der Bundesrechnungshof legt seinen Jahresbericht vor, in dem er akribisch Steuerverschwendungen in Millionenhöhe, manchmal sogar in Milliardenhöhe aufgelistet hat. Alles empört sich, alles schüttelt den Kopf und beklagt eine Verschwendung, die leider nicht mehr rückgängig gemacht werden kann, weil dieser Bericht immer erst ex post, im nachhinein, erfolgt.
Bei dem vorliegenden Projekt, um das es heute geht, ist die Situation einmal andersherum. Diesmal hat sich der Bundesrechnungshof, weil es sich um das teuerste Verkehrsprojekt handelt, das jemals in Deutschland geplant wurde, vorher mit den Planun-
Albert Schmidt
gen befaßt, und zwar nicht nur einmal, sondern über die Jahre verteilt mehrmals.
Die Größenordnung ist genannt worden. Es geht um Gesamtkosten, die durch die private Umwegfinanzierung auf über 15 Milliarden DM explodieren und selbst nach abgespeckter Planung immer noch knapp 10 Milliarden DM betragen - zu Lasten der Steuerzahler und Steuerzahlerinnen von morgen.
Nun passiert das Unfaßbare: Der Bundesrechnungshof meldet sich diesmal vorher zu Wort und warnt ausdrücklich davor, zu diesem Instrument zu greifen. Dennoch setzt sich die Bundesregierung, die Koalitionsmehrheit, über diese Ratschläge hinweg.
Die Prüfungsmitteilungen des Bundesrechnungshofes waren eindeutig. Ich möchte die zwei zentralen Aussagen noch einmal benennen: Erstens. Die Strekkenführung über Ingolstadt als Neubaustrecke ist im Vergleich zu einer Ausbaustrecke über Augsburg die unwirtschaftliche Variante. Zweitens. Durch die private Umwegfinanzierung werden Steuergelder in Milliardenhöhe verschwendet.
Verehrter Herr Kollege Friedrich, es ist nicht so, wie Sie es gestern im Verkehrsausschuß sagten. Nicht aus ideologischen Gründen hat der Rechnungshof dies festgestellt, sondern nach ganz nüchterner, sachlicher Rechnung. Er hat auch vor dieser Form des Schattenhaushaltes gewarnt. Denn was passiert eigentlich? Theo Waigel ernennt Heinz Dürr quasi zu einem Nebenfinanzminister, der in Amsterdam auf den europäischen Kapitalmarkt gehen und das tun darf, was Waigel nicht mehr darf, nämlich eine zusätzliche Neuverschuldung aufnehmen, die nicht in der Maastricht-Schuldenbilanz erscheint. So einfach ist das.
Heute besteht die letzte Chance, diese Planung zu korrigieren. Ich befürchte, daß Sie diese Warnungen des Bundesrechnungshofes kaltschnäuzig ignorieren. Wenn dies aber so sein sollte, wirft es die Frage auf, Herr Dr. Jobst: Wozu um Himmels willen leisten wir uns dann noch einen Bundesrechnungshof? Warum haben wir noch vor zwei Stunden unter strenger formaler Beachtung aller Spielregeln einen Vizepräsidenten des Bundesrechnungshofes gewählt, wenn wir die Arbeit dieser Leute nachher mit Füßen treten? Das ist doch Unsinn.
Es stellt sich eine zweite Frage, Herr Dr. Jobst. Dazu zitiere ich jetzt einmal Heribert Prantl von der „Süddeutschen Zeitung". Er fragt in diesem Zusammenhang: „Wann eigentlich muß ein Minister ins Gefängnis?" Wann eigentlich muß ein Minister, der sehenden Auges Steuermilliarden verschwendet, seinen Hut nehmen? Wann muß er, der durch seinen Amtseid gehalten ist, den Schaden abzuwenden, Konsequenzen ziehen? Dies ist Wahnsinn mit Methode.
Deshalb appelliere ich noch einmal an Sie, vor allem an die bayerischen und schwäbischen Abgeordneten. Sie wissen, Herr Dr. Jobst, auch wenn Sie es noch so oft wiederholen: Es geht nicht um die Verhinderung eines Projektes.
Herr Dr. Jobst, wir haben sehr dezidiert ausgeführt, daß wir eine ICE-taugliche Ausbaustrecke für den modernen Hochgeschwindigkeitsverkehr von München über Augsburg nach Nürnberg wollen.
Ingolstadt hat einen Systemhalt von drei Jahren garantiert. Danach ist Schluß. Die Erschließung des ostbayerischen Raums können Sie vergessen.
Es geht also darum, durch die Zustimmung zu dem gemeinsamen Entschließungsantrag von SPD und Grünen den Weg für eine Revision der Planung, für das bessere Konzept, für einen ICE-tauglichen, modernen und umweltverträglichen Schienenverkehr zwischen München und Nürnberg frei zu machen.
Das Wort hat jetzt der Kollege Friedrich.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Alle Jahre wieder kommt das Christkind.
Alle Jahre wieder erleben wir zahlreiche Anträge zur ICE-Trasse München-Nürnberg von den Grünen. Der große Unterschied besteht darin: Das Christkind kommt einmal im Jahr und ist willkommen, die Anträge der Grünen sind viel zahlreicher, verwirrender und meistens auch überflüssig.
Sie sind zum einen überflüssig, weil der Streckenverlauf in Bayern nun tatsächlich endgültig geklärt ist. Die entscheidende Stelle, nämlich die nachgeordneten Behörden des Landes Bayern, hat sich in dem vorgeschriebenen Verfahren für die Trassenführung über Ingolstadt ausgesprochen. Das ist in Bayern weitgehend auf breite Zustimmung gestoßen, bis hinunter zu den Handelskammern und allen Beteiligten. Schwaben klammere ich da immer aus.
Zum zweiten ist es überflüssig, weil mittlerweile selbst der Bundesrechungshof - ich verweise auf den Bericht vom 31. Oktober - festgestellt hat, daß auf seine Bedenken eingegangen worden ist, daß die öffentlichen Kassen deutlich geringer belastet werden,
Horst Friedrich
und mittlerweile - ich zitiere aus dem Rechnungshofbericht - wesentliche Forderungen erfüllt sieht. Insbesondere meint er - das ist wichtig - die Klausel zum Ausstieg aus der privaten Vorfinanzierung, die dem Bund dann zusteht, wenn es möglich ist.
Herr Kollege Friedrich, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Schmidt?
Nein. - Vor einem Jahr erst hat sich der Deutsche Bundestag mit der Streckenführung befaßt. Alle wesentlichen Argumente jetzt zu wiederholen ist überflüssig. Sie sind im Plenarprotokoll vom 7. Dezember 1995 nachzulesen.
Der heutige Antrag von Bündnis 90/Die Grünen heißt: „Optimierung des Schienennetzausbaus zwischen Würzburg/Nürnberg und Augsburg/München" . Vielleicht sollte zunächst der Antrag optimiert werden; denn eigentlich geht es wiederum um die Finanzierung. Allerdings sind die Annahmen falsch, Herr Kollege Schmidt. Weder ist die Neubauplanung nicht finanzierbar, noch bestehen beim Bundesrechnungshof so große verfassungs- und haushaltsrechtliche Bedenken, daß er das Projekt aus der Konzessionsfinanzierung herausnehmen möchte.
Es bleibt festzustellen: Der prozentuale Anteil von zinslosem Darlehen und Baukostenzuschüssen im Verhältnis 78 zu 22 wird festgeschrieben, und zwar auf Dauer. Die üblicherweise vorgesehene Revisionsklausel greift hier nicht. Das heißt im Umkehrschluß: Die Bahn unterstellt eine Betriebswirtschaftlichkeit von 78 Prozent.
Das hat sie bei weitem nicht bei anderen Strecken, die sie betreibt.
Der Bund trägt die Investitionskosten bis zu einer maximalen Höhe von 3,7 Milliarden DM, die die Deutsche Bahn AG privat vorfinanziert. Das bedeutet gegenüber dem ursprünglichen Ansatz eine Senkung der Bundesmittel um 4,5 Prozent.
Die bisher erzielten Kostensenkungen allein auf Grund planerischer und baulicher Verbesserungen geben Grund zu der Annahme - das hat sich ja bei der Verwirklichung der Projekte „Deutsche Einheit" im Osten bereits gezeigt -, daß durch verbesserte Ausschreibungen und entsprechende weitere Planungen noch mehr Kostenreduzierungen möglich sind.
Auf das Folgende habe ich bereits hingewiesen: Der Bund hat jederzeit die Möglichkeit, die private Vorfinanzierung durch Haushaltsmittel vorzeitig abzulösen. Ich füge hinzu: Das ist dann möglich, wenn die Haushaltsmittel in ausreichendem Maße vorhanden sind.
Die Kritik des Bundesrechnungshofes konzentriert sich also generell auf die private Vorfinanzierung von Verkehrswegen. Von Anfang an gab es die entsprechende Konfliktlinie: Der Bundesrechnungshof lehnt die Finanzierung durch Konzessionsmodelle grundlegend ab. Der Meinung kann man sein. Die Mehrheit in diesem Hause war anderer Meinung. Ich bleibe auch dabei.
Es ist ebenfalls falsch, zu behaupten, der Bund könne das viel effizienter. Der Unterschied in der Höhe der Zinsen, die der Bund zahlen muß, und der Zinsen der DB AG liegt maximal bei 0,2 Prozent, wenn es ihn überhaupt gibt. Das ist Fakt und wird von den Finanzmärkten belegt. Deswegen bleibt es dabei.
Man kennt die Grenzen der Konzessionsfinanzierung. Sie soll nicht ausgeweitet werden.
Herr Kollege Friedrich, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Häfner?
Die Redezeit ist zu Ende, Frau Präsidentin. Sie muß nicht noch durch Zwischenfragen verlängert werden.
Andererseits haben wir vor zwei Wochen anläßlich der Haushaltsdebatte darauf hingewiesen, daß die Infrastrukturfinanzierung in ausreichendem Maße nur durch eine echte Privatfinanzierung auf Dauer sichergestellt werden kann. Das sollten wir gerade beim Schienenbereich intensiv prüfen. Denn hier gibt es bereits den Ansatz einer Refinanzierung durch Streckenbenutzungsgebühren. Ich frage: Warum gibt es dann keinen Umstieg auf eine echte Privatfinanzierung?
Wir lehnen den Antrag von Bündnis 90/Die Grünen selbstverständlich ab.
Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.
Zu einer Kurzintervention erhält der Herr Kollege Schmidt das Wort.
Ich will es ganz kurz und unpolemisch machen.
Verehrter Kollege Friedrich, ich möchte mich auf Ihre Feststellung beziehen, daß der Bundesrechnungshof in seinem jüngsten Gutachten - das vom 31. Oktober 1996 - seine Kritik eingeschränkt bzw. gemeint habe, daß wesentliche Forderungen erfüllt seien.
Albert Schmidt
Ich weise darauf hin, daß auf Seite 4 dieses Gutachtens vom 31. Oktober 1996 unter Punkt 04 der Bundesrechnungshof ausdrücklich feststellt, daß sich seine jetzige Prüfung und sein jetziger Bericht auf der Grundlage der veränderten Zahlen bewegen. Es heißt ausdrücklich: Die Baukosten wurden ursprünglich in Höhe von 4,7 Milliarden DM genannt; sie werden sich nun auf 3,7 Milliarden DM verringern. Dann kommt der entscheidende Satz auf der Seite 4:
Dennoch: Die private Vorfinanzierung ist nach den Berechnungen des Bundesrechnungshofes auch auf der Grundlage der veränderten Zahlen unwirtschaftlich.
Das sollten Sie endlich zur Kenntnis nehmen.
Weiterhin hat der Bundesrechnungshof auf der Seite 5 desselben Gutachtens ausgeführt, daß wegen der schieren Größe, nämlich wegen eines Investitionsvolumens von mehreren Milliarden DM und wegen der langen Laufzeit, das Projekt als Pilotprojekt für die private Vorfinanzierung ungeeignet sei.
Was ist denn nun eigentlich der substantielle Unterschied - Sie haben es, glaube ich, immer noch nicht verstanden - zwischen der Haushaltsfinanzierung einerseits und der privaten Vorfinanzierung andererseits?
Natürlich müssen bei beiden Finanzierungsmodellen Zinsen gezahlt werden, und der Zinsunterschied alleine ist auch nicht das, was das Kraut fett macht. Der entscheidende Unterschied ist vielmehr der, daß Sie mit dem Umweg über die privaten Vorinvestoren schon während der Bauzeit eine Kostenmehrung von 3,7 Milliarden DM auf Finanzierungs- und Baukosten von 5 Milliarden DM bekommen. Das müssen Sie dann über künftige Haushalte 15 Jahre lang ablösen, und dann haben Sie 10 Milliarden DM.
Nun wird aber nach Fertigstellung dieses Projektes, Herr Kollege Friedrich, der Bundesfinanzminister nicht in jedem Jahr in den Sparstrumpf greifen können, um die Jahresrate an die Vorinvestoren zu überweisen, sondern er wird das tun müssen, was er heute vermeidet: Er wird dann doch selber auf den Kapitalmarkt gehen und all die Schulden und Kredite aufnehmen müssen, die er sich heute nicht aufzunehmen traut oder nicht aufnehmen kann, will oder darf. Er wird dadurch auf einem erhöhten Grundsockel über Jahrzehnte Zins- und Tilgungsleistungen zu Lasten künftiger Generationen anhäufen.
Das ist die substantielle Kritik des Bundesrechnungshofes. Ich hoffe, sie wird Ihnen irgendwann noch einmal klar.
Sehr geehrter Herr Kollege Schmidt, man kann natürlich immer aus den Seiten zitieren, die einem gefallen. Dann darf ich auch aus dem Bericht zitieren. Auf Seite 13 heißt es:
Im Gegensatz zu den Planungen der beteiligten Ressorts zum Zeitpunkt vor unserer Prüfungsmitteilung sieht der jetzige Entwurf der Finanzierungsvereinbarung verschiedene Möglichkeiten für den Bund vor, die private Vorfinanzierung vorzeitig zu beenden. Unter anderem räumt die Vereinbarung dem Bund die Möglichkeit ein, monatlich zu entscheiden, aus der privaten Vorfinanzierung auszusteigen und das Vorhaben unmittelbar aus dem Haushalt zu finanzieren.
Ich überspringe dann einige Zeilen.
Sowohl mit der Bindung an einen Referenzzinssatz in der Bauzeit als auch mit der Aufnahme einer Ausstiegsklausel in die Finanzierungsvereinbarung wird wesentlichen Forderungen des Bundesrechnungshofes in der Prüfungsmitteilung vom 2. Mai 1996 entsprochen.
Diese grundlegende Stellungnahme des Bundesrechnungshofes zieht sich zu allen von Ihnen behaupteten Tatsachen wie ein roter Faden durch diesen Bericht.
Letztendlich geht es um den grundlegenden Dissens, ob man generell das Konzessionsmodell nutzen soll oder nicht. Dazu sage ich Ihnen immer wieder, daß man darüber streiten und unterschiedlicher Auffassung sein kann. Politisch haben wir uns dafür entschieden, das Konzessionsmodell einzusetzen.
Ich habe das nie als Privatfinanzierung bezeichnet, sondern immer bestenfalls als private Vorfinanzierung, die der Staat zurückzahlen muß.
Der Einsatz dieses Mittels wird immer nur beschränkt möglich sein. Es gibt zwölf Projekte auf der Straße und ein Projekt bei der Schiene.
Damit ist das Kontingent dieser Maßnahmen erschöpft. Danach wird im Endeffekt nur noch, wenn überhaupt, über eine echte Privatfinanzierung zu entscheiden sein. Ich hoffe, Herr Schmidt, daß Sie dann genauso aufgeschlossen mitdiskutieren wie derzeit.
Ich bleibe bei dem Resümee: Der Bundesrechnungshof sieht in seinem letzten Bericht vom 31. Oktober - auch das müssen Sie leider zur Kenntnis nehmen - bei weitem nicht mehr die Bedenken, die er hatte. Sehr vieles ist geklärt worden. Insbesondere stimmt er jetzt der Vereinbarung unter diesen Bedingungen zu, auch wenn der grundlegende Dissens bestehenbleibt. Er hat im übrigen auch die Streckenführung nicht mehr geprüft; das hat er in
Horst Friedrich
allen Berichten zu erkennen gegeben. Da akzeptiert er die politische Entscheidung.
Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Rolf Köhne.
- Was wollten Sie?
Ich wollte eine Kurzintervention machen.
Sie können eine Kurzintervention machen; aber ich muß es wenigstens wissen, daß Sie sie machen wollen. Aber Sie dürfen jetzt nicht auf den Kollegen Schmidt antworten, weil Sie nicht intern eine neue Debattenrunde eröffnen dürfen. Sie dürfen sich auf den letzten Redner oder auf die ganze Debatte beziehen.
Ist es okay, daß ich jetzt den nächsten Redner aufrufe? - Bitte, Herr Köhne, Sie haben das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das bayerische Fernverkehrsnetz ist seit 100 Jahren gut ausgebaut.
- Ja, ist es. - Es käme also darauf an, es zu modernisieren und modern, zum Beispiel mit moderner Neigetechnik, zu betreiben. Es ist teurer, es durch eine Neubaustrecke zu ersetzen. Schnelle Fernverkehrsverbindungen machen im übrigen nur Sinn, wenn man zur Weiterfahrt in kleinere Städte Anbindungen an den Nahverkehr hat.
Unter diesen Aspekten betrachtet, wäre es das Vernünftigste und das Kostengünstigste, das bayerische Netz genauso zu betreiben, wie es früher einmal geplant und gebaut worden ist - allerdings mit modernen Zügen -, das heißt von Nürnberg über Augsburg nach München und von Würzburg über Ansbach und Ingolstadt nach München mit dem Kreuzungspunkt in Treuchtlingen.
Aus umweltpolitischer Sicht sprechen auch die erforderlichen Eingriffe im Köschinger Forst und im Altmühltal gegen die geplante Neubautrasse.
- Ich. - Im übrigen sind beide Gebiete durch die Autobahn schon genug verschandelt.
- Ja, ich kenne mich in dieser Gegend sehr gut aus.
Nun komme ich zu dem Thema, was hier am meisten diskutiert worden ist, nämlich der privaten Vorfinanzierung. Mit neuen Begriffen lassen sich einfache Sachverhalte wunderbar verschleiern. „Einkauf auf Zeit" heißt es deshalb im Ausschußbericht. So wird diese private Vorfinanzierung jetzt genannt. Tatsache ist aber: Diese Zeit ist teuer erkauft. Es handelt sich nämlich um nichts anderes als um Staatsverschuldung, allerdings zu höheren Zinsen als üblich und das auch schon während der Bauzeit. Der Kollege Schmidt hat Ihnen das eben ausführlich erläutert.
Es gibt also drei gute Gründe, gegen die Ausschußempfehlung und für die drei vorliegenden Anträge zu stimmen, drei stichhaltige Gründe.
Eine Schlußbemerkung zu Ihnen, Herr Kollege Jobst. Wenn Sie auf die Neubautrasse verzichten, werden Sie 5 Milliarden DM einsparen.
Was ist wettbewerbsfähiger, als 5 Milliarden DM einzusparen? Also stimmen Sie den Anträgen zu!
Ich danke Ihnen.
Das Wort hat jetzt der Parlamentarische Staatssekretär Carstens.
Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Das heutige Thema Bahnstrecke Nürnberg - Ingolstadt - München ist für Bundesregierung und DB AG eine einzige Erfolgsstory.
Diese Strecke wird schneller als je erwartet gebaut.
Noch vor kurzem hat man uns vorgeworfen, sie werde zu teuer. Heute spricht Frau Kollegin Mattischeck hinsichtlich der Einsparbeträge, die es hier zu vermelden gibt, von ,, starkem Tobak" .
Ich sage hier, meine Damen und Herren: Das ist nicht starker Tobak, sondern das ist eine starke Leistung.
Es geht hierbei nicht um irgendeine Teilstrecke, sondern um eine sehr bedeutende Strecke, die letzten Endes Berlin über Nürnberg, München und den Brenner mit Mailand und Rom verbinden soll - eine europäische Hochgeschwindigkeitsstrecke.
Parl. Staatssekretär Manfred Carstens
Wir können sagen, daß für die Strecke Berlin-München vorgesehen ist, die derzeitige Fahrzeit von 9,5 Stunden auf knapp 3,75 Stunden zu verkürzen.
Damit wird die Schiene auf dieser Strecke zu einer echten Alternative zu Auto und Flugzeug.
Herr Staatssekretär, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Ferner?
Auf Wunsch der eigenen Koalition nein.
Zwischen Nürnberg und München verkürzt sich die Fahrzeit um über 30 Minuten auf knapp eine Stunde.
Es gibt auch keinen alternativen, besseren Strekkenverlauf, zum Beispiel an Stelle über Ingolstadt über Augsburg zu fahren. Die Kosten-Nutzen-Faktoren sind am besten auf der Strecke Nürnberg - Ingolstadt - München. Das ergibt sich schon aus der Entfernung. Auf dieser Strecke sind 171 Kilometer zu bewältigen, die andere Strecke hätte 210 Kilometer. Es ist völlig klar, daß es ein höheres Personenaufkommen gibt und daß die Straße, verehrter Herr Schmidt, dadurch stärker entlastet wird, als wenn die Strecke über Augsburg ginge.
Im übrigen sind auch die Kostenschätzungen, die in dem Antrag vorgelegt worden sind, nicht nachvollziehbar. Die DB AG hat nachgerechnet. Sie hat bei vergleichbarer Leistungsfähigkeit der Strecke und beim Einsatz von Neigetechnikfahrzeugen - was übrigens nicht erreichbar ist - bei über 4 Milliarden DM einen etwa dreimal höheren Betrag ermittelt, als in dem Antrag behauptet wird.
Wir haben hier natürlich einen erheblichen Investitionskostenanteil, und darüber bin ich froh. Ich freue mich geradezu, daß es gelungen ist, zu dieser Finanzierung zu kommen, daß wir auch mit der DB AG am 6. November zu einer Vereinbarung gekommen sind, die nun in eine Finanzierungsvereinbarung gegossen werden muß. Das wäre ohne solch ein Finanzierungsmodell nicht möglich gewesen. Dann hätten wir erst weit nach 2000 bauen können. Das wäre für die ganze Strecke und insbesondere für die Region von großem Nachteil gewesen.
Jetzt haben wir das Ganze finanziell verbilligen können; nach dem heutigen Preisstand von etwa 4,8 Milliarden DM auf 3,87 Milliarden DM. 170 Millionen DM sind in den letzten Jahren schon für Grunderwerb gezahlt. Das führt uns nun dazu - das war die Überraschung; sonst gibt es hier keine große Überraschung -, daß wir uns imstande sehen, dies nicht über 25 Jahre abzuzahlen - das wäre in
der Tat sehr teuer geworden -, sondern das schon in 15 Jahren mit den Jahresraten zu schaffen, die wir für 25 Jahre vorgesehen hatten. Das ist der Erfolg dieser Vereinbarung.
Es gibt auch keine überzeugenden Argumente, die hiergegen vorgebracht werden können. Im übrigen hat auch der Bundesrechnungshof feststellen können, daß wir seine Anregungen weithin aufgegriffen haben. Er hat keine Bedenken mehr gegen das gewählte Modell geäußert, so wie es der Kollege Friedrich gesagt hat.
Die DB AG - das möchte ich noch hinzufügen - wird uns in Kürze über die erreichten Optimierungen unterrichten. Gedacht ist zum Beispiel an Kapazitätssteigerungen, die jetzt durch Signaltechnik anstatt durch Baumaßnahmen erreicht werden sollen, sowie an den Verzicht auf solche Baumaßnahmen, die eine nur unwesentliche Fahrzeiteinsparung gebracht hätten.
Darüber hinaus erwarten wir dadurch deutliche Kostensenkungen, daß bei der Auftragsvergabe alle Spielräume ausgeschöpft werden. Was einmal als Haushaltsermächtigung angedacht war - mehr war es ja nicht; da muß man auf der vorsichtigen Seite sein, wie es diese Bundesregierung ist - mit über 15 Milliarden DM, das wird jetzt insgesamt kaum noch 9 Milliarden DM kosten. Da wird dann hier gesagt, das sei starker Tobak. Ich sage es noch einmal: Das war eine starke Leistung, meine Damen und Herren.
Die Finanzierungsvereinbarung soll in den nächsten Tagen unterschrieben werden. Ich sehe, daß wir mittlerweile im Plenum die Mehrheit haben. Insofern ist auch das gesichert. Schon 1997 soll mit vollem Einsatz weitergebaut werden, und im Jahre 2003 soll die Strecke dann auch schon fertig sein.
Das ist politisches Durchsetzungsvermögen, und das ist vernünftige und sinnvolle Verkehrspolitik in Deutschland.
Danke schön.
Eine Kurzintervention der Kollegin Ferner.
Es ist ja schon erstaunlich, mit was man die Kollegen und Kolleginnen aus der Koalition noch erfreuen kann.
Herr Carstens, bei den Investitionen in den Schienenbereich hat diese Regierung, hat Ihr Ministerium den Mund stets zu voll genommen. Es ist in der Tat eine „starke Leistung", wie Sie das eben genannt haben, wenn man 622 Millionen DM jährlich aus jetzt 3,5 Milliarden DM - das ist mehr als ein Sechstel des
Elke Ferner
gesamten Schienenbautitels - für die Refinanzierung dieser einen Strecke herausnehmen muß.
Das Schlimme an dieser Sache ist - vielleicht haben die Kollegen und Kolleginnen der Koalition immer noch nicht begriffen, was die Crux an dieser privaten Vorfinanzierung ist -, daß im Gegensatz zu anderen Investitionen nicht zwischen Baukostenanteil und Refinanzierungsanteil getrennt wird. Das heißt, die 622 Millionen DM beinhalten auch die Refinanzierungskosten, die sonst in den Einzelplan 32 eingestellt würden, verkürzen also sogar die Investitionen. Das haben Sie, Herr Carstens, schon mehrmals im Ausschuß zugegeben. - Sie nicken mir zu. Ich danke Ihnen dafür.
Ein weiterer Punkt der Finanzierungsvereinbarung: Ein Dritter - nicht ein Privater, sondern ein Unternehmen, das in hundertprozentigem Besitz des Bundes steht, nämlich die Deutsche Bahn AG - muß auf dem Kreditmarkt tätig werden. Das ist ein klassischer Schattenhaushalt. Ich behaupte: Die tausend Schattenhaushalte, die Sie mittlerweile haben, stellen Sie nur deshalb auf, damit Sie Maastricht eine logische Sekunde erfüllen können.
Die Bahn muß also diesen Kredit aufnehmen, in der Zwischenzeit, der Bauzeit - das ist immer noch nicht hinreichend geklärt -, wahrscheinlich auch die Zwischenfinanzierungskosten übernehmen, während der Bund sein eigenes Risiko auf 3,7 Milliarden DM begrenzt. Das heißt: Sollten zwischenzeitlich Baukostensteigerungen auftreten - es ist ja nicht so wie im Bereich der Straßen, wo ein Komplettvertrag, Baukosten plus Refinanzierungskosten, geschlossen wird -, geht dies voll zu Lasten der Bahn. Ich sage Ihnen: Sie werden in den nächsten zwei Jahren mit Ihrer Politik die Bahnreform noch voll gegen die Wand fahren.
Ich kann zum Schluß nur noch einmal sagen: Ihre Finanzierungspolitik ist an dieser Stelle völlig unseriös; denn Sie scheinen durch die vielen Haushaltslöcher, die Sie produziert haben, langsam selber nicht mehr durchzublicken.
Frau Kollegin Ferner, in Teilbereichen haben Sie recht, in wesentlichen nicht. Das Wesentliche ist: Sie würden über die Strecke noch sieben Jahre diskutieren; dann haben wir sie schon fertig.
Ich schließe damit die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über die Beschlußempfehlung des Ausschusses für Verkehr zu dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zur Optimierung des Schienennetzausbaus zwischen Würzburg/Nürnberg und Augsburg/München, Drucksache 13/6421.
Zunächst hat das Wort zu einer Erklärung zur Abstimmung der Kollege Hildebrecht Braun.
- Liebe Kollegin, das ist das Recht eines jeden Parlamentariers.
Meine Damen und Herren! Ich werde dem Antrag von Bündnis 90/Die Grünen zustimmen
und damit vom Abstimmungsverhalten der Regierungskoalition abweichen.
Begründung: Mit der Zustimmung zum genannten Antrag will ich dazu beitragen, eine schlimme Fehlentscheidung aus dem Jahr 1991 zu korrigieren, bevor die Folgen für das bayerische Schwaben und für den deutschen Steuerzahler unerträglich werden.
1990 und 1991 hatte der Freistaat Bayern in zwei Varianten ein Raumordnungsverfahren für die ICETrasse München-Nürnberg eingeleitet, nämlich als Variante eins eine Neubaustrecke Ingolstadt-Nürnberg sowie als Variante zwei den Ausbau der bestehenden ICE-Strecke über Augsburg. Die Bahn brach dann einseitig, ohne plausible Begründung, das Raumordnungsverfahren zum Ausbau der Strecke über Augsburg ab
und konzentrierte sich allein auf die Neubaustrecke über Ingolstadt.
Nach der Beschlußlage des Deutschen Bundestages im Verkehrswegeplan 1985 und des Bayerischen Landtags sollten jedoch beide Strecken untersucht werden. Folgerichtig wurde die Trasse MünchenIngolstadt-Nürnberg raumgeordnet und darauf aufbauend der Bundesverkehrswegeplan 1993 als Gesetz beschlossen. Zirka 10 Milliarden DM sollen in den kommenden Jahren für das Projekt ausgegeben werden.
Unter dem Gesichtspunkt des Naturschutzes gibt es beachtliche Gründe gegen dieses Vorhaben. Entscheidend sind für mich jedoch zwei Überlegungen: Erstens. Der Bundesverkehrswegeplan 1993 wurde mit seiner Festlegung auf die Ingolstädter Trasse auf der Basis einer Wirtschaftlichkeitsprognose mit einem Überschuß in Höhe von 170 Millionen DM pro Jahr und einem Wirtschaftlichkeitskoeffizienten von über 3 beschlossen.
Inzwischen stellte sich heraus, daß das. Projekt, statt den Bundeshaushalt zu entlasten, ihn mit zirka 622 Millionen DM pro Jahr über 15 Jahre lang belasten wird. Dieser Unterschied ist zu groß, um eine
Hildebrecht Braun
früher getroffene Entscheidung mittragen zu können.
Der Fahrzeitgewinn von früher 31 Minuten wurde mittlerweile auf zirka zehn Minuten reduziert. Dies rechtfertigt keine Investition in Milliardenhöhe, schon gar nicht als Sonderfinanzierung.
Ich verstehe nicht, weswegen den nachhaltig und wiederholt vom Bundesrechnungshof vorgetragenen Bedenken nicht entsprochen wurde. Als der Bundesrechnungshof vor dem Projekt der Neubautrasse München - Ingolstadt - Nürnberg in ungewöhnlicher Härte warnte, konnten wir Abgeordneten nicht so tun, als ginge uns das alles nichts an.
Zweitens. Der Raum Augsburg und Schwaben mit 1,5 Millionen Einwohnern wird von der zentralen europäischen Nord-Süd-Verbindung des ICE schlicht abgehängt. Der schon jetzt wegen seiner aus bayerischer Sicht weit überdurchschnittlichen Arbeitslosigkeit benachteiligte Raum wird in seinen Entwicklungschancen unwiederbringlich und dauerhaft geschädigt. Auch das müßte hingenommen werden, wenn durch die Neubautrasse andere Räume, zum Beispiel Ostbayern, neu erschlossen würden. Das ist aber nicht der Fall,
da Ostbayern über direkte Schnellzugverbindungen nach München und Nürnberg verfügt, so daß nahezu niemand erst nach Ingolstadt fahren wird, um von dort mit dem ICE nach München oder Nürnberg zu fahren.
Wenn aber dem Abkoppeln von 1,5 Millionen Einwohnern von der direkten Nord-Süd-Route nicht ein entsprechender Gewinn an anderer Stelle gegenübersteht, führt das zu einer nachhaltigen Schädigung des langfristigen Personenaufkommens der Bahn.
Herr Kollege Braun, darf ich Sie eben einmal unterbrechen?
Die fatalen Folgen für Schwaben und die Fremdenverkehrsregion Allgäu sind in keiner Weise zu rechtfertigen.
Ich bitte um Ruhe, damit wir abstimmen können. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 13/4389 abzulehnen.
Es liegt ein gemeinsamer Änderungsantrag der Fraktionen der SPD und Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 13/6506 vor, über den wir zuerst abstimmen. Wer stimmt für diesen Änderungsantrag? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen - mit einer Ausnahme - gegen die Stimmen der Oppositionsfraktionen und eine Stimme aus der F.D.P. abgelehnt worden.
Ich bitte nun diejenigen, die der Beschlußempfehlung des Ausschusses für Verkehr auf Drucksache 13/6421 zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen - mit einer Ausnahme aus der F.D.P. - und der SPD gegen die Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen und PDS angenommen worden.
Wir stimmen jetzt über die Beschlußempfehlung des Ausschusses für Verkehr zu dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zur Wirtschaftlichkeit der ICE-Strecke Nürnberg - Ingolstadt - München auf Drucksache 13/6511 ab. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 13/4962 abzulehnen. Wer stimmt für die Beschlußempfehlung? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist mit demselben soeben festgestellten Stimmergebnis angenommen worden.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 12 auf:
Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Fremdenverkehr und Tourismus zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Rolf Olderog, Dr. Winfried Pinger, Ulrich Schmalz, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Dr. Olaf Feldmann, Roland Kohn und der Fraktion der F.D.P.
Tourismus in die Dritte Welt
- Drucksachen 13/3142, 13/6485 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Dr. Rolf Olderog Brunhilde Irber
Halo Saibold
Dr. Olaf Feldmann
Dazu liegt je ein Änderungsantrag der Fraktionen der SPD und des Bündnisses 90/Die Grünen vor. Zu diesem Tagesordnungspunkt haben die Abgeordneten Fograscher, Irber, Schenk, Wolf, Türk und der Parlamentarische Staatssekretär Kolb sowie der Abgeordnete Olderog gebeten, ihre Reden zu Protokoll geben zu dürfen. ) Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall.
Die Beschlußempfehlung des Ausschusses für Fremdenverkehr und Tourismus zu dem Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und der F.D.P. zum Tourismus in der Dritten Welt liegt auf Drucksache 13/6485 vor. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 13/3142 in der Ausschußfassung anzunehmen. Dazu liegen zwei Änderungsanträge vor, über die wir zunächst abstimmen.
* ) Anlage 12 im Nachtrag zu diesem Plenarprotokoll
Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer
Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 13/6499. Ich bitte diejenigen, die dem Änderungsantrag zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen von SPD und PDS bei Enthaltung des Bündnisses 90/Die Grünen abgelehnt.
Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 13/6493. Ich bitte diejenigen, die dem Änderungsantrag zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen und der PDS bei Enthaltung der SPD abgelehnt worden.
Wer stimmt für die Beschlußempfehlung des Ausschusses für Fremdenverkehr und Tourismus? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der gesamten Opposition angenommen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 10 auf:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zu Artikel 10 Grundgesetz
- Drucksachen 13/5753, 13/5890 -
Beschlußempfehlung und Bericht des Innenausschusses
- Drucksache 13/6502 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Dr. Willfried Seibel
Erwin Marschewski
Ute Vogt
Rezzo Schlauch
Dr. Max Stadler
Dr. Ludwig Elm
Zu diesem Tagesordnungspunkt haben die Abgeordneten Falk, Vogt, Jüttemann, Wolf und Stadler gebeten, ihre Reden zu Protokoll geben zu dürfen.*) Sind Sie damit einverstanden? - Dann verfahren wir
so.
Wir kommen zur Abstimmung über den von den Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. eingebrachten Gesetzentwurf zur Änderung des Gesetzes zu Art. 10 Grundgesetz, Drucksachen 13/5753 und 13/6502 Buchstabe a. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschußfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der SPD bei Enthaltung des Bündnisses 90/Die Grünen und der PDS angenommen worden.
Dritte Beratung
und Schlußabstimmung! Diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, bitte ich, sich zu erheben. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Ge-
* ) Anlage 10 im Nachtrag zu diesem Plenarprotokoll
setzentwurf ist auch in der dritten Lesung mit dem eben festgestellten Stimmergebnis angenommen worden.
Beschlußempfehlung des Innenausschusses zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Änderung des Gesetzes zu Art. 10 Grundgesetz, Drucksache 13/6502 Buchstabe b. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung ist gleichlautend mit dem soeben angenommenen Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen. Der Ausschuß empfiehlt, ihn für erledigt zu erklären. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gibt es Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist einstimmig angenommen worden.
Damit kommen wir zum Tagesordnungspunkt 11:
Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung
Dritter Bericht der Bundesregierung über die Gleichstellungsstellen in Bund,. Ländern und Kommunen
- Drucksache 13/4021 -
Überweisungsvorschlag:
Ausschuß für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Innenausschuß
Rechtsausschuß
Dazu liegt je ein Entschließungsantrag der Fraktion der SPD sowie der Gruppe der PDS vor.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.
Die Abgeordneten Ilse Falk und Sabine Leutheusser-Schnarrenberger bitten, ihre Reden zu Protokoll geben zu dürfen.*)
- Damit sind Sie einverstanden.
Ich eröffne die Aussprache. Die Abgeordnete Hanna Wolf hat das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Erlauben Sie mir eine Vorbemerkung. Ich muß sagen, es hat hier ein doch sehr merkwürdiges Verfahren stattgefunden. Auf der einen Seite wurden wir andauernd gedrängt, diese Debatte heute gar nicht zu führen, wegen der späten Zeit. Dazu muß ich sagen: Diese Zeit ist eigentlich ganz normal für Frauenthemen. Wir sind sogar viel früher dran als gedacht.
Dann heißt es auf einmal: Wir geben die Reden zu Protokoll. Ich denke, wir hatten früher einmal einen
*) Anlage 11 im Nachtrag zu diesem Plenarprotokoll
Hanna Wolf
kollegialeren Stil. Ich halte es diesem Thema auch nicht für angemessen, daß wir so verfahren.
Frau Falk ist jetzt noch da. Ich verstehe überhaupt nicht mehr, Frau Falk, warum wir hier heute nicht doch noch dieses Thema aufgreifen, auch wenn die Sitzung jetzt zu Ende geht. Heute ist auch Zeit, das Thema aufzugreifen; denn es geht um eine Einrichtung - dazu werde ich hauptsächlich sprechen -, die abgeschafft werden soll.
Aus dem Bericht der Bundesregierung - ich freue mich, daß die Staatssekretärin da ist - zu Gleichstellungsstellen geht hervor, daß die gegenseitige Vernetzung der jeweiligen Gleichstellungsstellen eine Grundvoraussetzung für ihre erfolgreiche Arbeit ist. Warum? Es handelt sich um eine vielschichtige Materie - Stichwort: Querschnittsaufgabe. Es gibt kein entwickeltes Berufsbild. Die Gleichstellungsfrauen vor Ort sind auf sich allein gestellt. Oft erfüllen sie ihre Aufgabe nebenamtlich, wie ich aus Bayern berichten kann. Gleichstellungsfrauen bläst oft der Wind ins Gesicht, zur Zeit ganz besonders. Sie müssen sich patriarchalen Strukturen und Verkrustungen mit besonderer Kreativität entgegenstellen.
All das schaffen sie nur, wenn sie Gelegenheit haben, voneinander zu lernen. Nun gibt es seit drei Jahren endlich eine zentrale Stelle, die die kommunalen Gleichstellungsstellen vernetzt. Und was lesen wir im Bericht der Bundesregierung?
Die Förderung läuft Ende Oktober 1996 aus; eine Verlängerung der Finanzierung durch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend ist aus haushaltsrechtlichen Gründen nicht möglich.
Sie möchten also die Vernetzungsstelle kommunaler Frauen- und Gleichstellungsbeauftragter bei sehr lebendigem Leibe begraben. Dabei schicken Sie der Vernetzungsstelle wie bei manchen Begräbnissen auch noch Lobeshymnen hinterher - sozusagen ein Begräbnis erster Klasse. Den Lobeshymnen schließen wir uns gerne an, meinen sie aber ernst. Deshalb bringen wir heute unseren Entschließungsantrag auf Weiterbestand der Vernetzungsstelle ein.
Bei Ihrer Ablehnung bemühen Sie das Haushaltsrecht. Sie gehen dabei immer nach dem gleichen Strickmuster vor und verhalten sich wie alle zahlungsunwilligen Väter. Sie rufen etwas ins Leben. Dann richten Sie für drei Jahre eine Modellförderung für diese sinnvolle Frauensache ein; das schmückt, und Uneingeweihte könnten meinen: Hier geht etwas voran. Nach drei Jahren aber, wenn alles so richtig in die Gänge gekommen ist, machen Sie sich auf und davon; andere sollen zahlen.
Der Rückzug auf das Haushaltsrecht ist ein Scheingefecht. Wie die Bundesregierung sehr richtig vermerkt, gilt seit zwei Jahren ein Zusatz zu Art. 3 Abs. 2 des Grundgesetzes, an den ich Sie noch einmal erinnern möchte:
Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.
Ist der Bund nicht der Staat? Kann der Bund keine anderen Haushaltstitel als die Modellförderung finden, etwa im Bereich der institutionellen Förderung? Wo kämen wir hin, wenn Haushaltsrecht das Grundgesetz bricht?
Es ist die Pflicht des Bundes, dafür zu sorgen, daß die Gleichberechtigung der Frauen nicht durch regionale Verzerrungen auf der Strecke bleibt. Warum sollen die Länder allein für die Vernetzungsstelle zahlen? Es gibt inzwischen Angebote aus einigen Bundesländern, die sich gerne zum Beispiel an einer Drittelfinanzierung beteiligen würden. Aber die Bundesverantwortung muß bleiben.
Leider haben die verschiedenen Bundesländer zur Gleichstellungsarbeit sehr unterschiedliche Vorstellungen. Das läßt sich schon an ihrer eigenen Personalausstattung ablesen: achteinhalb Stellen in Bayern, 68 Stellen in Niedersachsen. Da kann man nur sagen: ein Lob auf die Niedersachsen!
Warum soll der Städtetag zahlen? Auch hier ist das Bewußtsein für die Notwendigkeit von Gleichstellungsarbeit sehr unterschiedlich. Der Bayerische Städtetag zum Beispiel findet sie eigentlich komplett überflüssig.
Die Vernetzungsstelle hilft also den Gleichstellungsfrauen, regionale Unterschiede zu erkennen und anzugehen. Laut dem Bericht der Bundesregierung und auch nach unserer Meinung hat die Vernetzungsstelle hervorragende Arbeit geleistet. Sie ist damit noch keineswegs am Ende der Aufgaben, die ihr 1993 gestellt wurden. Es ist die Pflicht der Bundesregierung, dem Art. 3 Abs. 2 des Grundgesetzes in der gesamten Bundesrepublik Geltung zu verschaffen.
Bisher haben drei Frauen die Vernetzungsstelle für kommunale Gleichstellungsstellen aufgebaut und geführt. Dabei haben sie sich große Dankbarkeit und Anerkennung bei den alten und neuen kommunalen Gleichstellungsstellen erworben. Ihre Arbeit besteht aus Aufbau und Führung eines Archivs, Informationsaustausch unter fast 1 500 kommunalen Gleichstellungstellen, Informationsvergabe an Verbände, Medien und Wissenschaftlerinnen, Weitergabe von Namen und Adressen zu Spezialgebieten und Fortbildungen. Sie haben zur Fortbildung auch der Bundesregierung beigetragen, denn auch Sie - das ist ganz selbstverständlich - rufen dort sehr viel Informationen ab. Eigentlich müßten Sie sehr daran interessiert sein, diese Informationsstelle zu behalten.
Hanna Wolf
Nach dem Wunsch der kommunalen Gleichstellungsstellen müßten zum Beispiel noch die Nutzung des Internets und praxisbezogene Untersuchungen zur Gleichstellungsarbeit hinzukommen.
Hinzu kommt: Nach der Gebietsreform in den neuen Ländern sind völlig neue kommunale Einheiten entstanden. Neue Gleichstellungsstellen entstehen erst langsam und mühsam, weil die Informationen fehlen. Viele der neuen Gleichstellungsfrauen kommen aus Berufsbereichen, die der Gleichstellungsarbeit zunächst fernstehen. Sie brauchen Informationen besonderer Art. Eine persönliche Bereisung dieser Stellen wäre wünschenswert und wird auch gemacht. Besonders vor dem Hintergrund der prekären Arbeitsmarktlage von Frauen in den neuen Ländern ist hier eine intensive Hilfestellung überlebenswichtig.
Was hat nun die Vernetzungsstelle den Bund im Jahr gekostet? Ganze 0,37 Pfennig pro Kopf der Bevölkerung. Wenn Sie unserem Antrag folgen, dann könnte sich die Förderung zum Beispiel auf einen halben Pfennig pro Kopf belaufen. Das wären äußerst bescheidene Fördermittel. Aus der bisherigen Arbeit haben sich, wie gesagt, weitere dringende Aufgaben entwickelt.
Es ist einfach bewundernswert, was die Frauen in den Gleichstellungsstellen und die Frauen in der Vernetzungsstelle aus den Gegebenheiten gemacht haben. Ich möchte an dieser Stelle den Frauen in Hannover und allen kommunalen Frauenstellen in der Republik herzlich für ihre Arbeit danken.
Sie haben noch etwas gemacht. Es ist wie in der Entwicklungshilfe. Wenn Frauen unterstützt werden, kommt enorm viel heraus. Ich habe die Summe genannt. Was die Frauen in diesem Land leisten, verdient unseren Respekt und die weitere Unterstützung. Ist nun der Bundesregierung, wie gesagt, die Vernetzungsstelle für weit über 40 Millionen Frauen, die in unseren Kommunen leben, keinen halben Pfennig pro Kopf wert?
In ihrem Bericht über die Gleichstellungsstellen hält sich die Bundesregierung bei ihren eigenen Gleichstellungsstellen gar nicht lange auf. Es wundert mich nicht, denn ihr sogenanntes Gleichberechtigungsgesetz ist eben kein Ruhmesblatt.
Es gibt zu viele Soll- und Kann-Bestimmungen. Sie nennen es - man muß es wirklich immer wieder lesen - „das wichtigste frauenpolitische Gesetzeswerk in der 12. Legislaturperiode", obwohl es nur für 373 000 Frauen gilt, sozusagen eine interne Regelung der Firma „Bundesregierung" und kein Gesetz für den Rest der Bevölkerung.
- Sie hätten hier reden können, dann hätten Sie jetzt darauf antworten können. Das ist dann auch Pech.
- Manchmal muß man das später merken. - Ob das Gesetz wenigstens eine nachhaltige Förderung der Frauen in den Bundesbehörden gebracht hat, läßt sich nach dem vorliegenden Bericht nicht feststellen. Der Berichtszeitraum endet im Jahre 1994. Eine Erhöhung des Frauenanteils läßt sich zumindest bis dahin nur in homöopathischen Quantitäten feststellen. Ich habe einmal ausgerechnet, daß es einige hundert Jahre dauern wird, bis in den Bundesministerien die Frauen in Spitzenpositionen vertreten sind.
Auch die Gleichstellungsfrauen im Bundesdienst versuchen, das Beste aus ihrer Situation zu machen. Auch sie haben sich übrigens in einem interministeriellen Arbeitskreis vernetzt. Sie fordern eine adäquate Freistellung für ihre Arbeit und Fortbildungen besonders für den nachgeordneten Bereich und ihre Vertreterinnen. Auch dies ist ein großes Ärgernis, daß die Frauen auch für Selbstverständlichkeiten immer kämpfen müssen, wie es sich hier wieder zeigt.
Der Bericht der Bundesregierung wäre interessanter gewesen, wenn er nicht nur den Ist-Zustand der Gesetzeslage, sondern vor allem die Auswirkungen des Gesetzes beschrieben hätte. Für uns ist doch der politische Handlungsbedarf und nicht die Wiederholung des bekannten Gesetzes wichtig.
Im übrigen werden wir nicht müde, ein echtes Gleichstellungsgesetz zu fordern, wie wir es in der letzten Legislaturperiode selbst eingebracht haben: mit einem Geltungsbereich für das gesamte Arbeitsleben, mit bindenden Vorschriften und Quoten und mit Sanktionen.
Der Frauenministerin hätte ich jetzt gerne gesagt - aber vielleicht liest sie es ja nach -: Wenn ich Frauenministerin wäre, würde ich jedenfalls alles daransetzen, daß ich die Gleichberechtigung der Frauen noch selbst erlebe. Vielleicht hat sie ja Glück.
Das Wort hat jetzt die Kollegin Irmingard Schewe-Gerigk.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Es stimmt also doch: Frauenpolitik ist für diese Regierung ein Luxusgut für bessere Zeiten. Wird es finanziell eng, werden die Gelder gestrichen.
Mit schönen Worten lobt die Regierung in ihrem Bericht die Vernetzungsstelle der kommunalen Frauenbeauftragten, die seit drei Jahren bundesweit die Frauenbeauftragten in den Kommunen unterstützt, als - ich zitiere - „zentrale Anlaufstelle, die die Arbeit der kommunalen Frauenbeauftragten durch ein breites Serviceangebot optimiert". Sie läßt dann aber diese Förderung direkt auslaufen.
Irmingard Schewe-Gerigk
Es kümmert sie auch nicht, wie diese wichtige Stelle, die 1 500 Gleichstellungsstellen vernetzt und umfassende gleichstellungspolitische Informationen austauscht und archiviert, weiterhin bestehen kann.
Der Ministerin Nolte fallen in gewohnter Manier haushaltsrechtliche Gründe ein, um sich aus der Finanzierung zurückzuziehen. Diese Gründe sind vorgeschoben; denn natürlich ist es möglich, die Vernetzungsstelle weiter zu fördern, und zwar im Rahmen einer institutionellen Förderung, wie sie zum Beispiel auch der Deutsche Frauenrat als bundesweit arbeitende frauenpolitische Organisation erhält.
Überhaupt zeigt der Bericht, daß die Bundesregierung das Grundgesetz offensichtlich nicht allzu ernst nimmt. Daß die Regierung nach der Grundgesetzänderung die tatsächliche Gleichberechtigung von Frauen durchsetzen will, ist an dem Bericht nicht feststellbar.
Dem Frauenministerium, das gegen die männliche Hausmacht der anderen Ministerien nichts auszurichten vermag, fehlt es offensichtlich nicht nur an dem angemessenen Etat, sondern es fehlen auch die notwendigen Zuständigkeiten für die großen frauenrelevanten Themen. Ich nenne nur die Arbeitsmarktpolitik oder die Wirtschaftsförderung.
Hinzu kommt ein bescheidenes Gleichberechtigungsgesetz - Frau Wolf hat es gerade benannt -, wofür Ihnen die Männerbünde in den Verwaltungen sehr dankbar sind.
Frauenförderung ist darin kaum mehr als eine allgemeine Absichtserklärung. Das Gesetz hat keine wirksame Quotierung, Frauenbeauftragte ohne effektive Kontrollrechte und Frauenförderpläne, bei denen das einzig Verbindliche ihre dreijährige Dauer und die Aufstellung einer Beschäftigtenstatistik ist.
Warum haben Sie sich - die Frau Ministerin ist nicht da; sie muß leider oder auch gerne Bier zapfen -, Frau Staatssekretärin, nicht an den fortschrittlicheren Landesgesetzen orientiert, als Sie dieses Gleichberechtigungsgesetz geschrieben haben?
Selbst dort, wo insbesondere der Bund eine Regelungskompetenz hat, nämlich in der Privatwirtschaft, hält sich die Ministerin sehr vornehm zurück. Weil es mit der Gleichberechtigung hier offenbar ganz von selbst gehen soll - nach den freien Kräften des Marktes -, verzichten Sie auf gesetzliche Vorgaben zur Frauenförderung.
Statt Fraueninteressen wirksam durchzusetzen, beschränken Sie sich auf eine Politik, die Männern nicht weh tut und Frauen nicht nützt.
Wirksame Frauenförderung kann nur mit einem Frauenministerium erreicht werden, das mit umfänglichen inhaltlichen Zuständigkeiten ausgestattet ist. Dazu gehören auch ein effektives Antidiskriminierungsgesetz - wir nennen es nicht Gleichstellungsgesetz -,
aber auch gesetzliche Rahmenbedingungen, die die Umverteilung der gesamtgesellschaftlichen Arbeit zwischen Männern und Frauen ermöglichen.
Gleichstellungsstellen kommt bei dieser Aufgabenstellung eine wichtige Funktion zu. Um diese Aufgaben effektiv leisten zu können, ist eine Vernetzung, wie sie seit drei Jahren bestanden hat, unabdingbar. Die Weiterexistenz der Vernetzungsstelle muß daher unter allen Umständen sichergestellt werden. Es reicht nicht aus, wenn Vater Staat seinen Töchtern ab und zu ein Zuckerstückchen gibt; ihnen steht die Hälfte des Kuchens zu.
Die Ministerin ist dafür zuständig, daß Frauen auch tatsächlich zu ihrem verfassungsmäßig verbrieften Recht kommen. Der Berichte sind genug geschrieben; jetzt ist Handeln angesagt.
Vielen Dank.
Jetzt hat die Kollegin Christina Schenk das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Unterrichtung der Bundesregierung über die Gleichstellungsstellen in Bund, Ländern und Kommunen ist so halbherzig abgefaßt wie die gesamte Gleichstellungspolitik dieser Regierung, wenn man von einer solchen überhaupt sprechen kann.
Der Bericht enthält neben dem obligatorischen Eigenlob auch eine detaillierte Situationsbeschreibung, aber - darauf ist hier schon öfter hingewiesen worden - Schlußfolgerungen für die eigene Arbeit sucht man vergebens. Das beginnt schon bei der Darstellung der Arbeit der zentralen Vernetzungsstelle der kommunalen Gleichstellungsstellen. Diese wird von der Bundesregierung auf allen Ebenen von der Kommune über die Länder bis zum Bund sehr positiv bewertet. In eklatantem Widerspruch dazu steht, daß die Bundesregierung keine Anstrengungen unternommen hat, um die Weiterexistenz dieser Stelle nach Auslaufen der Modellprojektförderung zu sichern.
Die PDS-Bundestagsgruppe fordert deshalb in ihrem Antrag die Bundesregierung auf, gemeinsam mit den Ländern und auch unter Einbeziehung der Kommunen ein Finanzierungsmodell zu entwickeln, das die Weiterexistenz dieser Stelle langfristig sichert.
Daneben hat die Unterrichtung meiner Meinung nach aber auch durchaus Interessantes zutage gefördert: Die Unterschiede in der personellen Ausstattung der Gleichstellungsstellen in den Ländern sind ja erheblich - das ist hier auch schon erwähnt worden -, und vor allen Dingen sind sie nicht gerechtfertigt. Die beiden Bereiche Bayern und Niedersachsen sind schon genannt worden. Es wäre uns hier in Bonn auch nicht verborgen geblieben, wenn sich in Bayern plötzlich und unerwartet Wesentliches in Sachen Gleichstellung getan hätte. Da dies aber ganz klar nicht der Fall ist, kann man die außerordentlich
Christina Schenk
dürftige Zahl von Gleichstellungsstellen in Bayern nur auf den fehlenden politischen Willen der Landesregierung zurückführen.
Ein anderer interessanter Punkt ist, daß in der Unterrichtung die antiquierte Auffassung der Bundesregierung zur Gleichstellung so deutlich wie selten zutage getreten ist: Für sie besteht nämlich Gleichstellung in der Beseitigung von Hemmnissen, die Frauen daran hindern, wie Männer zu arbeiten, Politik zu machen oder in anderen Bereichen des öffentlichen Lebens tätig zu sein. Männer sind also immer noch der normale Maßstab, und Frauen müssen gefördert werden, um diesen Maßstab erreichen zu können. Die Bundesregierung meint, daß es Frauen seien, die sich emanzipieren müßten. Der Gedanke an die viel notwendigere Emanzipation des Mannes unter anderem in den Bereichen Kinderbetreuung, Beziehungsarbeit, Hausarbeit und sinnvolle Freizeitgestaltung bleibt dabei völlig außer acht.
Da solche Überlegungen aus dem Verantwortungsbereich von Frau Nolte natürlich nicht zu erwarten sind, fordert die PDS-Bundestagsgruppe die Einrichtung eines Gleichstellungsministeriums, das diese Aufgabe als Querschnittsaufgabe auch endlich wahrnimmt.
Vielen Dank.
Für die Bundesregierung spricht jetzt die Parlamentarische Staatssekretärin Gertrud Dempwolf.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr verehrte Frau Wolf, ich kann mir nicht vorstellen, daß Sie so unwissend sind und hier Behauptungen in die Welt setzen, die absolut nicht stimmen. Wenn der Bund eine Initialzündung und eine Anschubfinanzierung für diese Stelle in Hannover gibt, dann ist von Anfang an klar: Es ist ein Modell, und es läuft nach drei Jahren aus. Wir haben dieses Modell von Oktober bis Dezember in der Hoffnung weitergeführt, daß sich die Bundesländer jetzt endlich auf ihre Verpflichtung besinnen und sich beteiligen, damit diese Vernetzungsstelle erhalten bleibt.
Ganz im Gegensatz zu Ihnen allen kenne ich diese Vernetzungsstelle. Sie befindet sich in meinem Wahlkreis. Es war mein großes Interesse, daß diese Stelle erhalten bleibt. Aber weder Ihre Länder noch die Kommunen waren bereit, sich hier zu beteiligen.
Es sind nicht 0,5 Pfennig, sondern es sind 280 000 DM, die bisher diese Vernetzungsstelle den Bund jährlich gekostet hat. Diese 280 000 DM - es hört sich so verniedlichend an, wenn man diese Summe in Pfennige pro Kopf der Bevölkerung umrechnet -
- ich lasse keine Zwischenfrage zu - wollen die Länder nicht aufbringen.
Sie wissen genausogut wie ich, daß es sich um die ALänder handelt. Sie könnten sich als erstes bei den von Ihnen regierten Ländern stark machen; es würde mich sehr freuen.
Ein Modellversuch geht über drei Jahre; mehr ist nicht möglich. Auch Frau Schewe-Gerigk wird wissen, daß es so ist.
Ich möchte noch zu einem zweiten Punkt kommen. Sie bemängeln, daß wir diese Diskussion von der Tagesordnung absetzen wollten. Ja, das ist richtig. Wir wollten nicht um Mitternacht darüber diskutieren.
Nur durch die Rücksichtnahme unserer Kollegen, die vor uns an der Reihe waren, sind wir in der Lage, daß wir um 22 Uhr und nicht um 24 Uhr diskutieren können.
Die Kollegen vor uns haben hier Rücksicht geübt.
- Wir können diese Debatte nur um diese Zeit führen, weil die anderen Kollegen rücksichtsvoll waren.
Deutschland verfügt im internationalen Vergleich über ein dichtes Netz von Institutionen zur Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frau und Mann. Auf Bundesebene wird der Politikbereich Gleichberechtigung durch das Frauenministerium vertreten. Alle Bundesressorts haben in der Zwischenzeit eine Frauenbeauftragte.
In den Bundesländern gibt es entweder eigenständige Frauenministerien oder Leitstellen im Range einer Staatssekretärin. Kommunale Gleichstellungsstellen und Frauenbüros existieren heute in zirka 1 500 Städten und Kommunen. Das steht alles im Bericht. Sie alle widmen sich der Aufgabe, Benachteiligungen gegenüber Frauen abzubauen und Frauen den gleichberechtigten Zugang zu allen Lebensbereichen unserer Gesellschaft zu sichern.
Der Deutsche Bundestag hat mit Beschluß vom 21. April 1994 die Bundesregierung aufgefordert, über die institutionellen Rahmenbedingungen für die Gleichstellungspolitik in Bund, Ländern und Kommunen zu berichten. Der dritte Bericht, den die Bundesregierung jetzt vorlegt, schreibt einmal die Ent-
Parl. Staatssekretärin Gertrud Dempwolf
wicklung der Gleichstellungseinrichtungen in Bund, Ländern und Kommunen fort; er befaßt sich aber zum zweiten auch mit den Rahmenbedingungen der Arbeit der kommunalen Frauenbüros. Hier stehen die Möglichkeiten zur Verbesserung der Kooperation der Gleichstellungsstellen untereinander im Vordergrund.
Der Wunsch nach einer Intensivierung der Zusammenarbeit der einzelnen Gleichstellungsstellen datiert bereits aus den 80er Jahren. Die Bundesregierung hat daher gemeinsam mit den Sprecherinnen der Bundesarbeitsgemeinschaft kommunaler Frauenbüros die Einrichtung einer Vernetzungsstelle angeregt. Es war also die Bundesregierung. Diese Vernetzungsstelle sollte in enger Zusammenarbeit mit der Bundesarbeitsgemeinschaft Erkenntnisse über die Arbeit der kommunalen Frauenbüros aufarbeiten und anderen kommunalen Frauenbüros wieder zugänglich machen.
Unter der Trägerschaft des Institutes „Frau und Gesellschaft" in Hannover hat die Vernetzungsstelle kommunaler Frauen- und Gleichstellungsstellen am 1. November 1993 ihre Arbeit aufgenommen.
Die Arbeit der Vernetzungsstelle wurde für die Dauer von drei Jahren aus Mitteln des Bundesministeriums gefördert. Diese Finanzierung erfolgte unter der Maßgabe, daß sich die Vernetzungsstelle bereits während des Förderzeitraumes um eine Anschlußfinanzierung kümmern müsse.
Das Problem ist, daß wir eine Vernetzungsstelle mit der Maßgabe eingerichtet haben und nach Ablauf der Zeit den Schwarzen Peter zugeschoben bekommen. Über die Arbeit der Vernetzungsstelle haben wir schon gesprochen. Es ist aus haushaltsrechtlichen Gründen nur möglich, für drei Jahre die Finanzierung zu übernehmen.
Für die Arbeit der Gleichstellungsbeauftragten in den Kommunen wie für die Koordinierung dieser Arbeit sind die Kommunen selbst und, wie gesagt, die Länder zuständig. Unsere Bemühungen, diese für eine Anschlußfinanzierung zu gewinnen, sind bedauerlicherweise - ich sagte es vorhin - nicht von Erfolg gekrönt. Wir haben auf der Konferenz der Gleichstellungs- und Frauenministerinnen der Bundesländer im Juni in München sehr engagiert für eine Weiterführung der Vernetzungsstelle durch die Länder geworben.
- Ich lasse keine Fragen zu.
Frau Ministerin Nolte hat sich persönlich in die Verhandlungen mit den Frauenministerinnen der Länder eingeschaltet. Um so unverständlicher ist es auch für mich, daß die Länder - allen voran die meisten A-Länder - eine weitere Finanzierung der Vernetzungsstelle abgelehnt haben.
In einem zweiten Schritt haben wir dann versucht, durch eine Abfrage, die die Bundesarbeitsgemeinschaft kommunaler Frauenbüros in den nahezu 1 500 Kommunen mit Gleichstellungsstellen durchgeführt hat, andere Finanzierungsquellen zu erschließen. Aus diesem Grunde haben wir die Dauer der Förderung, die ursprünglich im Oktober auslaufen sollte, bis zum Jahresende verlängert.
Leider hat aber auch die Umfrage, die das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend finanziert hat, keine tragfähige Finanzierungsgrundlage für die Vernetzungsstelle ergeben. Inzwischen haben sich zwar vier Bundesländer, nämlich Bayern, Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt, bereit erklärt, in einem geringen Umfange für eine gewisse Übergangsfrist mit in eine Finanzierung einzusteigen. Ich sage: Übergangsfrist. Dennoch bleibt die Tatsache, daß der Löwenanteil der Finanzierung mit 85 Prozent beim Bund verbleiben würde. Dazu fehlen die rechtlichen Haushaltsgrundlagen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich denke, wir sind uns einig: Wir wollen mehr Gleichberechtigung in der kommunalen Verwaltung und für die Bürgerinnen und Bürger. Aber es muß auch gerecht zugehen, Frau Wolf.
Um so unverständlicher ist es mir, daß Sie, meine Damen und Herren von der SPD - ich sage es noch einmal -, hier im Deutschen Bundestag so tun, als hätten Sie ein großes Interesse am Fortbestand der Vernetzungsstelle,
während nahezu einmütig Ihre zuständigen Ministerinnen in den von Ihnen regierten Bundesländern die Handbremse ziehen und jegliche Finanzierungsbeteiligung bislang ablehnen.
Wir, die Bundesregierung, haben die Vernetzungsstelle jederzeit in ihren Aktivitäten unterstützt und versucht, andere Finanzierungsquellen zu erschließen. Hierzu sind wir auch weiterhin bereit.
Aber der Bund muß aus der Mitfinanzierung entlassen werden.
Die Bundesregierung hat ihre Anregungskompetenz genutzt, um ein neues Instrument zur Vernetzung der Gleichberechtigungspolitik in Deutschland auf den Weg zu bringen.
Ich finde es schade, wenn der Fortbestand der Vernetzungsstelle an der starrsinnigen Haltung der Bundesländer scheitert. Also: Lockern Sie im Interesse der Gleichberechtigung und im Interesse der Frauen die Handbremse! Machen Sie nicht nur Sprüche!
Parl. Staatssekretärin Gertrud Dempwolf
Danke schön.
Eine Kurzintervention der Kollegin Klemmer.
Frau Parlamentarische Staatssekretärin Dempwolf, zwei Dinge können hier natürlich nicht unwidersprochen bleiben. Lassen Sie mich aber zunächst noch einmal - auch für das Protokoll - sagen, daß Sie hier von seiten des Bundes nur eine „Anregungskompetenz" haben. Diese Vokabel muß man sich noch einmal auf der Zunge zergehen lassen.
Erstens. Es ist haushaltspolitisch natürlich nicht so, wie Sie sagen, daß Sie keine Möglichkeiten haben. Sie haben natürlich die Möglichkeit - auch Sie wissen das -, diese kommunale Vernetzungsstelle über eine institutionelle Förderung weiterhin zu fördern.
Sie können sagen: Sie wollen das nicht; das ist nicht in Ihrem Interesse. - Das können Sie ja machen. Das wäre dann ehrlich. Wenn sich diese Vernetzungsstelle, wie Sie uns hier ganz stolz mitgeteilt haben, in Ihrem Wahlkreis befindet, dann kann ich mir nicht vorstellen, daß Sie sie besucht haben. Denn dann hätten Sie über deren Notwendigkeit und Arbeit eigentlich anders sprechen müssen.
Zweitens. Sie haben hier aufgezählt, welche Länder sich bisher zur Finanzierung bereit erklärt haben. Wenn Sie noch einmal auf Ihre Liste schauen, werden Sie ganz schnell feststellen können, daß es vorwiegend A-Länder gewesen sind, die zur Finanzierung bereit waren - und zusätzlich Bayern. Ich will das gar nicht in Abrede stellen und finde es sehr in Ordnung, daß die Bayern gesagt haben, sie wollten sich daran beteiligen.
Wenn Sie eine Anregungskompetenz besitzen, dann würde ich von Ihnen doch noch einmal gerne hören - wenn nicht heute, dann vielleicht irgendwann einmal im Ausschuß -, wie Sie diese Kompetenz genutzt haben, mit den Ländern in ein wirklich intensives und die finanzielle Beteiligung ausgleichendes Gespräch zu kommen. Ich denke, Sie haben hier Ihre Kompetenzen nicht genutzt. Es wäre für Sie sicherlich möglich gewesen - die Länder in einer anderen Weise beteiligend -, ihre Bundeskompetenz in Anspruch zu nehmen und diese Stelle zu fördern. Denn auch Sie müßten wissen, daß die Länder zu dieser Kompetenz gar nicht in der Lage sind. Es ist eine ganz originäre bundespolitische Aufgabe, etwas - wie es der Name schon sagt - zu vernetzen. Sie sind Ihrer Verpflichtung nicht nachgekommen. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, daß Ihnen nicht schmeckt, was da gemacht wird.
Frau Kollegin, den letzten Satz weise ich ganz entschieden zurück.
Wenn sie Haushälterin sind, dann wissen auch Sie ganz genau, daß der Bund eine Initialzündung gibt, wenn es sich um Modelle handelt. Das war auch hier der Fall. Es stand von Anfang an fest, daß es ein Modell ist, das nach einer gewissen Laufzeit von Land und Kommune weitergeführt werden soll. Man kann Verträge nicht einfach ändern, nur weil Sie es hier gerne möchten.
Daß nun Niedersachsen sich zur Finanzierung bereit erklärt hat, ist richtig. Auf der anderen Seite würden dem Bund 85 Prozent der Kosten bleiben. Das ist fast eine Zumutung, wenn man daran denkt, wie sich die Länder hier verhalten haben.
Ich möchte Ihnen den Rat geben: Versuchen Sie doch Ihren Einfluß auf die Bundesländer geltend zu machen - es sind ja nicht nur drei -, damit wir zu einer vernünftigen Kostenregelung kommen. Ich wäre sehr froh darüber.
Ich schließe damit die Aussprache.
Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf Drucksache 13/4021 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Der Entschließungsantrag der Gruppe der PDS soll an dieselben Ausschüsse überwiesen werden. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall. Dann sind die Überweisungen so beschlossen.
Es ist beantragt worden, den Entschließungsantrag der SPD auf Drucksache 13/6497 zur federführenden Beratung an den Ausschuß für Familie, Senioren, Frauen und Jugend und zur Mitberatung an den Innenausschuß, den Rechtsausschuß und den Haushaltsausschuß zu überweisen. Sind Sie auch damit einverstanden? - Das ist der Fall. Dann sind die Überweisungen so beschlossen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 13 auf:
Erste Beratung des von den Abgeordneten Dr. Uwe-Jens Heuer, Ulla Jelpke, Dr. Gregor Gysi und der Gruppe der PDS eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Aufhebung des Bannmeilengesetzes und zur Änderung des Versammlungsgesetzes und des Strafgesetzbuches
- Drucksache 13/2768 —
Überweisungsvorschlag:
Ausschuß für Wahlprügung, Immunität und Geschäftsordnung
Innenausschuß
Rechtsausschuß
Die Abgeordneten Schmidt, Häfner und Westerwelle haben gebeten, ihre Reden zu diesem Tages-
Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer
ordnungspunkt zu Protokoll geben zu dürfen.') Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall.
Dann rufe ich jetzt den Abgeordneten Professor Heuer auf.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es tut mir leid, daß ich Sie so spät am Abend noch in Anspruch nehmen muß.
Aber es ist nicht unsere Schuld, daß die PDS-Anträge gewöhnlich als letzte behandelt werden.
Die Aufhebung der Bannmeilenregelung, die wir vorschlagen, hebt nicht den strafrechtlich bewehrten Schutz der gesetzgebenden Organe in Bonn auf; das möchte ich nur vorweg sagen. Die Nötigungstatbestände des § 105, Nötigung von Verfassungsorganen, des § 106 und des § 106b des Strafgesetzbuches sind dafür in unseren Augen völlig ausreichend zusammen mit den Bestimmungen des Ordnungsrechts und des Hausrechts des Bundestages.
Wir meinen, daß die Bannkreisregelung ein Relikt aus vordemokratischer Zeit ist. Wir halten ihre Abschaffung, die wir mit unserem Gesetzentwurf vorschlagen, für längst überfällig. Es spricht nicht unbedingt für die Kultur bei uns, daß entsprechende gesetzgeberische Bemühungen im 12. Bundestag gescheitert sind, ja, nicht einmal zu einer Milderung der „Rigidität der Begrenzung" - Michael Sachs, Grundgesetzkommentar, Seite 376 - geführt haben.
Der Bannkreis in Bonn für die Gesetzgebungsorgane umfaßt - Sie sehen, wir haben das sogar berechnet - 2,64 Quadratkilometer; das ist immerhin die sechsfache Größe des Vatikanstaates. Nach dem Bannmeilengesetz ist dies ein Areal, in dem wichtige verfassungsmäßige Grundrechte gar nicht oder nur abgeschwächt gelten.
Nach Art. 8 des Grundgesetzes haben alle deutschen Staatsangehörigen das Recht, sich unter freiem Himmel friedlich und ohne Waffen zu versammeln. Im Bannkreis ist die Teilnahme an öffentlichen Versammlungen grundsätzlich untersagt. Sie wird mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 180 Tagessätzen bestraft.
§ 106 a ist als abstraktes Gefährdungsdelikt ausgestaltet. Schutzgut, so wird gesagt, ist die Funktionsfähigkeit der gesetzgebenden Organe. Aber selbst wenn der Bundestag in sitzungsfreien Wochen gar nicht präsent ist, gilt diese Strafrechtsnorm. Nach der
*) Anlage 13 im Nachtrag zu diesem Plenarprotokoll
Rechtsprechung ist bereits eine öffentliche Versammlung von drei Personen strafbar.
In der Bonner Bannmeile wird nicht die Volksvertretung geschützt, sondern die Meinungsfreiheit des Volkes unterdrückt.
So hat es Kollege Peter Conradi einmal formuliert. Ich stimme dem zu.
Es werden eindeutig aber auch die Rechte der Bundestagsabgeordneten mißachtet. Dieses Gesetz trifft immer wieder auch Abgeordnete, die es eigentlich schützen sollte. Zur Zeit laufen seitens der Bonner Staatsanwaltschaft Ermittlungsverfahren gegen elf Abgeordnete der PDS, weil sie mit dem Bekenntnis „Wir sagen nein" auf einem T-Shirt am 30. Juni 1995, am Tag der Entscheidung über den Bosnien-Einsatz der Bundeswehr, zusammen mit Mitarbeitern von ihren Büros zum Plenargebäude gegangen sein sollen. Meine Fraktionskollegin Dagmar Enkelmann wurde rechtskräftig zur Zahlung eines Bußgeldes von 1 000 DM verurteilt, weil sie am 27. September 1991 vor dem auch innerhalb der Bannmeile liegenden Bundeskanzleramt protestiert hatte, da sie sich durch die Entschließung des Bundeskanzlers, die PDS vom „Allparteiengespräch" über den Asylartikel 16 des Grundgesetzes auszuschließen, diskriminiert fühlte.
Der kriminalpolitische Sinn einer Bestrafung von friedlicher Meinungsäußerung ist in meinen Augen nicht zu verstehen und nicht begreiflich zu machen.
Bei der Strafverfolgung wird durchaus auch willkürlich verfahren. Als zum Beispiel die ÖTV während einer Tarifauseinandersetzung im Bannkreis demonstrierte, gab es keine Ermittlungsverfahren. Argumentiert wurde damals, daß die Koalitionsfreiheit des Grundgesetzes Vorrang vor der Bannkreisregelung habe. Bei einer Bauerndemonstration sind Tausende von friedlichen Landwirten in die Bannmeile bis zum Bundeshaus gelangt. Es erfolgte weder eine Feststellung der Personalien noch Ermittlungen gegen Unbekannt. Dagegen gab es regelmäßig Ermittlungsverfahren, wenn kleine Gruppen von Bürgern, in einem Fall vier Frauen aus Bremen, im Bannkreis ihren Protest zum Ausdruck brachten, und es gab durchweg solche Verfahren, wenn sich Bundestagsabgeordnete an öffentlichen Meinungsäußerungen im Bannkreis beteiligten.
Die Bannkreisregelung wurde damit gerechtfertigt, man müsse die Abgeordneten vor „dem Druck der Straße" schützen, wie es Dr. Jaeger von der CSU ausdrückte, nachzulesen in den Stenographischen Berichten des Deutschen Bundestages auf Seite 12 864. Ich halte das für einen Anachronismus. Ich meine, daß das heute nicht mehr nötig ist. Das Bundesverfassungsgericht hat inzwischen mehrfach die konstitutive Bedeutung politischer Kundgebungen für den demokratischen Meinungsbildungsprozeß hervorgehoben.
Ich meine, daß die Bundesrepublik Deutschland von der Bannmeilenregelung Abschied nehmen sollte. In Europa haben lediglich noch Belgien, Eng-
Dr. Uwe-Jens Heuer
land und Österreich Bannkreise. Auch die letzte, demokratisch gewählte Volkskammer der DDR hatte keinen Bannkreis.
Die Erfahrungen sind insgesamt sehr positiv. Ich darf Ihnen nur die sächsischen Erfahrungen schildern, die gerade die Koalition mit Interesse vernehmen wird, wie ich hoffe. Vor dem Sächsischen Landtag gibt es häufig Demonstrationen. Es hat sich dabei folgendes allgemein übliches Verfahren entwickelt: Eine Abordnung der Kundgebung wird von einem Minister oder einem Abgeordneten empfangen. Es findet eine Aussprache statt. Material mit dem Anliegen der Kundgebungsteilnehmer darf im Landtag ausgelegt werden. - Gewonnen hat insgesamt die Kultur des politischen Dialogs zwischen Bürgerinnen und Bürgern und ihren Repräsentanten.
Ich meine: Was Dresden recht ist, sollte für Bonn billig sein.
Ich schließe damit die Aussprache.
Interfraktionell wird Überweisung des Gesetzentwurfs auf Drucksache 13/2768 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. - Anderweitige Vorschläge gibt es nicht. Dann ist die Überweisung so beschlossen.
Wir sind damit am Schluß unserer heutigen Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Freitag, den 1.3. Dezember 1996, 9.30 Uhr ein.
Die Sitzung ist geschlossen.