Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 sowie den Zusatzpunkt 1 auf:
-1. Beratung des Antrags der Bundesregierung
Deutsche Beteiligung an der von der NATO geplanten Operation zur weiteren militärischen Absicherung des Friedensprozesses im früheren Jugoslawien
- Drucksache 13/6500 —
Überweisungsvorschlag:
Auswärtiger Ausschuß Rechtsausschuß
Verteidigungsausschuß
Haushaltsausschuß
ZP1 Beratung des Antrags der Gruppe der PDS
Kein Einsatz der Bundeswehr im Rahmen der IFOR-Nachfolgemission
- Drucksache 13/6487 —
Überweisungsvorschlag:
Auswärtiger Ausschuß Rechtsausschuß
Verteidigungsausschuß
Haushaltsausschuß
Eine Aussprache ist nicht vorgesehen. Interfraktionell wird Überweisung des Antrags der Bundesregierung auf Drucksache 13/6500 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Der Entschließungsantrag der Gruppe der PDS auf Drucksache 13/6487 soll an dieselben Ausschüsse überwiesen werden. Sind Sie damit einverstanden? - Ich sehe und höre keinen Widerspruch. Dann sind die Überweisungen so beschlossen.
Ich rufe den Tagesordungspunkt 2 auf: Befragung der Bundesregierung
Die Bundesregierung hat als Themen der heutigen Kabinettssitzung mitgeteilt: Gesetz zur Regelung der Rahmenbedingungen für Informations- und Kommunikationsdienste, Gesetz zur Vereinheitlichung des Unterhaltsrechts minderjähriger Kinder und Bericht über Erfahrungen mit dem Gentechnikgesetz. Das
Kabinett hat sich außerdem mit dem Antrag der Bundesregierung zur deutschen Beteiligung an der weiteren militärischen Absicherung des Friedensprozesses im früheren Jugoslawien befaßt.
Das Wort für den einleitenden Bericht hat der Bundesminister für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie, Dr. Rüttgers.
Herr Minister, bitte.
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Das Kabinett hat heute den Entwurf eines Gesetzes zur Regelung der Rahmenbedingungen für Informations-und Kommunikationsdienste beschlossen. Wir sind damit unserem Ziel, Multimedia möglich zu machen, ein großes Stück nähergekommen. Das Gesetz führt erstmals die wichtigsten gesetzlichen Rahmenbedingungen für eine freie Entwicklung neuer Dienstleistungen im Bereich der neuen Informations- und Kommunikationsdienste auf.
Hierzu gehören: Erstens eine uneingeschränkte Zugangsfreiheit, zweitens eine klare Bestimmung der Verantwortlichkeit für Inhalte, drittens die Sicherung der informationellen Selbstbestimmung des Nutzers, viertens der effektive Schutz vor Mißbrauch der neuen Dienste, fünftens die Ermöglichung von Innovationen durch digitale Signaturen und sechstens die Gewährleistung des rechtlichen Schutzes von Datenbanken.
Wir haben diesen Gesetzentwurf in einer intensiven Diskussion mit den Bundesländern sowie mit Unternehmen und Verbänden vorbereitet. Die Unternehmen und Verbände haben den Entwurf der Bundesregierung einhellig begrüßt. Der Regierungsentwurf trägt den Vereinbarungen zwischen Bund und Ländern zur Abgrenzung von Telediensten und Mediendiensten Rechnung. Gemeinsam haben Bund und Länder am 1. Juli 1996 beschlossen, Multimedia in Deutschland nicht an unterschiedlichen Auffassungen über Kompetenzen scheitern zu lassen. Der weitere Fahrplan sieht vor, daß der Regierungsentwurf nach Stellungnahme des Bundesrates im Parlament eingebracht wird.
Vielen Dank.
Sie haben den Bericht gehört. Ich bitte, zunächst Fragen zu dem Themenbereich zu stellen, über den soeben berichtet worden ist.
Bitte, Herr Kollege Tauss.
Herr Bundesminister, Sie sprachen eben davon, daß das von der Bundesregierung Vorgelegte einhellig begrüßt worden sei. Mich würde interessieren, wie der Tenor der vorgelegten Stellungnahmen ist; ich kenne einige andere. Ist die Bundesregierung bereit, diese Stellungnahmen der Verbände und der Firmen der Enquete-Kommission und dem federführenden Ausschuß auch tatsächlich zur Verfügung zu stellen?
Herr Kollege Tauss, natürlich gibt es keine Bedenken dagegen, Sie auch in diesem Fall vollständig zu informieren. Der Tenor der Stellungnahmen ist so, wie ich Ihnen gesagt hatte: Die Verbände und die Wirtschaft haben den Entwurf des Informations- und Kommunikationsdienstegesetzes begrüßt. Es ist normal, daß im Rahmen des parlamentarischen Verfahrens noch über Einzelheiten gesprochen werden muß.
Bitte schön, Herr Tauss.
Hat nicht eine große Anzahl der Verbände gesagt, daß insbesondere die Regelungen des Teledienstgesetzes und die Bemühungen, den Jugendschutz diesem neuen Medium in völlig ungeeigneter Form überzustülpen, zum Scheitern verurteilt sind, zu Nachteilen für den Standort Deutschland führen können und den Weg in die Multimediazukunft eben nicht möglich machen, sondern verbauen?
Nein, das ist nicht so.
Herr Tauss, wenn Sie wollen, können Sie gerne noch eine Frage stellen. - Bitte schön.
Mich würde interessieren, Herr Minister Rüttgers, wie die Bundesregierung den wohl bekanntesten Dienst des Internet, das World Wide Web, bewertet. Sie sprechen nur pauschal von Internet. Handelt es sich bei dem in Ihrem Gesetzentwurf erwähnten Dienst um einen Abrufdienst für die Allgemeinheit im Sinne des Medienstaatsvertrags, oder handelt es sich um einen Teledienst?
Weder noch. Das hängt von den Inhalten ab, die transportiert werden.
Bitte, Herr Tauss.
Wie wollen Sie versuchen, Inhalte, die auf Servern im Ausland gespeichert sind, mit Regelungen, die Sie hier im Inland treffen, unter einen Hut zu bringen? Genau dieser Punkt war Gegenstand der Kritik, von der ich sprach. Fachleute schütteln den Kopf, wie ich zum Beispiel der „Computerzeitung" entnehmen kann.
Natürlich mag es sein, daß auch der eine oder andere Fachmann wegen nicht ausreichender Lektüre des Gesetzes zu falschen Urteilen kommt. Tatsache ist, Herr Kollege Tauss, daß Sie bei neuen Angeboten, wie dem World Wide Web, dem Intranet oder dem Internet generell zuerst einmal davon ausgehen müssen, daß wir in Deutschland mit unseren Gesetzen nur nationale Regelungen treffen können.
Der Bundesregierung ist bewußt, daß von jedem Ort dieser Welt Inhalte in die Netze eingespeist werden können. Dennoch kann es nicht sein - auch nicht unter den Bedingungen der Informations- und Kommunikationsgesellschaft -, daß es einen rechtsfreien Raum gibt.
Um es einmal direkt und konkret zu sagen: Die Auschwitz-Lüge bleibt verboten und muß in Zukunft verboten bleiben - unabhängig von der Frage, ob sie schwarz auf weiß oder mit Hilfe von Bits und Bytes verbreitet wird. Die Frage, ob dieses Verbot international durchsetzbar ist, kann uns nicht davon abhalten, entsprechende Regelungen für den nationalen Bereich zu treffen. Es gehört auch zu unserem Selbstverständnis von Kulturnation, daß bestimmte Inhalte in Deutschland verboten sind - unabhängig von der Frage, wie sich die Situation aus der rechtlichen Sicht anderer Nationen darstellt.
Sie wissen, daß die Bundesregierung parallel zu den Regelungen im Rahmen einer Vielzahl von internationalen Aktivitäten darum bemüht ist, zu erreichen, daß Mindeststandards vor allen Dingen im Kreise der Industrienationen gefunden werden. Das ist ein schwieriger Prozeß; wir sind uns dessen bewußt.
Ich will noch einmal auf den falschen Ansatz, der in verschiedenen Diskussionsbeiträgen geäußert wurde, hinweisen. Durch die neuen Informations-und Kommunikationsdienste entsteht keine neue, auch keine virtuelle Welt. Es entsteht auch kein globales Dorf oder irgendein unter anderen rechtlichen Kriterien zu betrachtender neuer Raum, in dem irgend jemand erklären kann, er sei für nichts verantwortlich. Die normalen Kriterien, die in jedem Rechtsstaat gelten, müssen vielmehr auch unter den neuen obwaltenden technologischen Bedingungen gelten.
Einen Augenblick, Herr Kollege. Ehe ich Ihnen eine weitere Frage gestatte, möchte ich zunächst einmal die anderen
Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch
Kollegen fragen, ob sie Fragen zu den anderen angebotenen Berichten haben.
- Wenn das nicht der Fall ist, dann können Sie, Herr Kollege Tauss, noch eine Frage stellen. Bitte.
Wir sind uns sicher einig darüber, daß das Internet kein rechtsfreier Raum ist. Aus genau dieser Tatsache ergibt sich unser Dissens, Herr Minister, daß es Ihrer Regelungen nicht bedarf.
Wie beurteilt denn die Bundesregierung die auch von Diensteanbietern konkret geäußerten Befürchtungen, daß auf Grund des Teledienstegesetzes, das von Ihnen .vorgelegt worden ist, neue Mediendienste auf Grund der von Ihnen zu verantwortenden Überregulierung ihre Aktivitäten ins benachbarte Ausland, zum Beispiel nach Luxemburg oder in die Schweiz, verlagern - von anderen Ländern ganz zu schweigen?
Diese Gefahr sieht die Bundesregierung nicht, weil die Regelung, die wir erarbeitet haben, nicht nur angemessen ist, sondern einen sehr liberalen Ansatz beinhaltet. Es wird niemand zu irgend etwas gezwungen, was er nicht erfüllen kann.
Da ich, verehrter Herr Kollege Tauss, Ihre schriftliche Stellungnahme, die Sie schon im Vorfeld des Kabinettsbeschlusses veröffentlicht haben, gelesen habe, glaube ich, daß Sie sich im Verlauf der Diskussion werden entscheiden müssen, ob Sie weitere Regelungen - etwa im Jugendschutzbereich - haben wollen, die härter ausfallen, als dies von seiten der Bundesregierung vorgesehen ist, und ob Sie gleichzeitig - wenn Sie dies wollen - den Vorwurf der Überregulierung aufrechterhalten können.
Vielen Dank, Herr Minister.
Dann kommen wir zu dem freien Teil der Befragung. Darf ich fragen, ob weitere Fragen an die Bundesregierung gerichtet werden? - Herr Kollege Brecht, bitte schön.
Ich möchte die Bundesregierung fragen, ob die heute vorbereitete Beschlußvorlage zum geplanten Austritt Deutschlands aus der UNIDO Gegenstand der Kabinettsberatungen war und was im einzelnen beschlossen wurde.
Wer von der Bundesregierung antwortet dazu? - Herr Minister Bohl.
Herr Kollege, die Bundesregierung hat sich heute in der Tat mit der Mitgliedschaft der Bundesrepublik Deutschland in der UN-Organisation UNIDO beschäftigt. Wir haben auf der einen Seite keinen Beschluß gefaßt, der die Mitgliedschaft unmittelbar betrifft, mit anderen Worten: Es ist nicht beschlossen worden, unsere Mitgliedschaft bis zum Ende des Monats zu kündigen, so daß die Bundesrepublik zunächst über den Zeitraum, der hier in Rede steht, hinaus Mitglied bleibt.
Auf der anderen Seite war die Bundesregierung der Auffassung, daß es angezeigt ist, zusammen mit unseren EU-Partnern und den G-7-Partnern die Effizienz der UNIDO, aber auch anderer Unterorganisationen der UN sehr intensiv zu erörtern und zu prüfen. Dazu gibt es einige Detailfestlegungen, die ich Ihnen aber gerne noch im Laufe des Nachmittags schriftlich übermittle.
Quintessenz dieser Beratung war und ist, daß wir innerhalb der Bundesregierung im Lichte der Erkenntnisse, die wir im Laufe des nächsten Jahres gewinnen, noch einmal intensiv prüfen wollen und müssen, welche Konsequenzen aus unseren Gesprächen und Erfahrungen zu ziehen sind - bis hin zu der Frage, ob dann eine Kündigung in Frage kommt.
Möchten Sie, Herr Brecht, eine weitere Frage stellen? - Bitte schön.
Herr Minister, es gab eine ganze Reihe von Unterstellungen gegenüber der UNIDO: Sie sei zentralistisch, auf Staatsbetriebe orientiert und teilweise korrupt. Beziehen sich Ihre Aussagen, daß die UNIDO als UN-Organisation zu reformieren sei, auf solche Behauptungen?
Ich kann jetzt nicht für das geradestehen, was in einzelnen Publikationen gestanden hat. Unstreitig aber ist, daß es Ziel der Bundesregierung war und ist, die Effizienz der UNIDO zu steigern. Die Bemühungen der Bundesregierung in der Vergangenheit haben dabei schon signifikante Schritte in die richtige Richtung bewirkt. Eine Senkung des Personalbestandes ist entweder in Aussicht genommen oder schon vollzogen. Ich bitte um Nachsicht, wenn ich das jetzt nicht präzise beantworten kann. Wir sind also auf dem richtigen Weg und wollen in dieser Richtung weiterarbeiten.
Bitte schön, Herr Brecht.
Herr Minister, können Sie mir sagen, welche konkreten Beweggründe das Kabinett heute dazu veranlaßt haben, die ursprüngliche Ankündigung von Minister Spranger zu revidieren?
Es gab nichts zu revidieren. Es handelte sich vielmehr um die Erwägung des Entwicklungshilfeministers, ob man eine solche Mitgliedschaft schon jetzt kündigen solle, was sich erst zum 1. Januar 1998 ausgewirkt hätte. Ein unmittelbar folgender Austritt hätte durch diese Kündigung ja nicht stattgefunden;
Bundesminister Friedrich Bohl
die Mitgliedschaft hätte also noch ein Jahr bestanden.
Wahr ist aber, daß wir uns hier in einem gewissen Spannungsverhältnis befinden. Zum einen ist es Wunsch dieses Hohen Hauses, daß wir im Entwicklungshilfebereich mehr die bilateralen Projekte und weniger die multilateralen fördern. Wahr ist auch, daß wir in der Tat finanzielle Engpässe im Bereich der Entwicklungshilfepolitik haben. Schließlich ist richtig - das habe ich soeben in meiner Antwort auf Ihre Vorfrage erörtert -, daß die Effizienz der UNIDO gesteigert werden kann.
Das waren sachliche Gesichtspunkte, die in der Tat zu den Überlegungen geführt haben, daß man auch einen Austritt in Erwägung ziehen sollte, was dadurch verstärkt wurde, daß zum einen die Vereinigten Staaten schon ausgetreten sind und zum anderen Großbritannien sowie Australien den Austritt entweder angekündigt oder schon beschlossen haben. Ich bitte noch einmal um Nachsicht, daß ich diese Frage jetzt nicht präzise beantworten kann.
Vor diesem Hintergrund war das in der Tat mit anderen außenpolitischen Gesichtspunkten abzuwägen. Die Abwägung ist so ausgefallen, wie ich es Ihnen in der Antwort auf die Ausgangsfrage darlegen konnte. Ich sage noch einmal: Eine Austrittserklärung ist noch immer im Bereich des Möglichen, zwar nicht mehr in diesem Jahr, aber wenn die Überprüfung und die Erfahrungen im nächsten Jahr aus Sicht der Bundesregierung nicht so erfolgversprechend sein sollten, ist das eine Möglichkeit.
Frau Kollegin Tröscher, Sie haben die nächste Frage.
Es freut uns sehr, daß die Bundesrepublik erst einmal in der UNIDO bleibt. Wir unterstützen auch Reformbemühungen für die UNIDO wie natürlich für die UN insgesamt. Uns hat sehr gestört, daß die Ankündigung des Austrittes aus der UNIDO überhaupt nicht in irgendein Konzept eingebettet war.
Sie haben gesagt, Sie werden sich auch mit den G-7-Staaten darüber unterhalten, wie es mit der UNIDO weitergehen soll, wobei ich sicherlich davon ausgehen kann, daß das nicht nur die UNIDO betrifft. Sehen Sie eine Möglichkeit, Großbritannien und Australien, die ihren Austritt angekündigt haben, noch davon zu überzeugen, sich diesem Moratorium anzuschließen?
Das kann ich Ihnen im Moment nicht beantworten. Aber ich gehe davon aus, daß das Auswärtige Amt den heutigen Beschluß der Bundesregierung unseren Partnern in geeigneter Weise zur Kenntnis bringt. Welche Schlußfolgerungen die betroffenen Staaten daraus ziehen, muß man abwarten.
Dann kommt die Kollegin Dagmar Schmidt.
Herr Minister, Ihren Worten entnehme ich, daß eine Überprüfung der UNIDO oder anderer Organisationen der UNO noch nicht stattgefunden hat. Nun hat aber Minister Spranger am 27. November in der Haushaltsdebatte bereits die Bewertung abgegeben, die UNIDO sei überholt, es liege eine überkommene Struktur vor, und zu anderen Organisationen gebe es eine Doppelarbeit. Wie können Sie nun gewährleisten und garantieren, daß eine Untersuchung vorurteilsfrei und unbefangen tatsächlich in Richtung einer Gesamtreform der UNO-Organisationen geschieht?
Ich habe eben schon versucht, deutlich zu machen, daß auch die heutige Entscheidung eine Abwägung ist, bei der insbesondere außenpolitische Gesichtspunkte eine sehr große Rolle gespielt haben. Daß die Besorgnis, die der Bundesentwicklungshilfeminister geäußert hat, vorhanden ist, ist wahr. In der Kabinettssitzung heute ist auch deutlich geworden, daß der Bundesentwicklungshilfeminister mit dieser Besorgnis nicht alleine steht. Dennoch hat sich die Bundesregierung in Abwägung aller Gesichtspunkte, die bei einer solchen Entscheidung relevant sind, dazu entschlossen, so zu verfahren, wie von mir vorgetragen. Jetzt werden wir auf diesem Wege arbeiten. Ich gehe davon aus, daß uns das gelingt; aber eine absolute Garantie wird wahrscheinlich keiner übernehmen können.
Jetzt kommt die nächste Frage von Herrn Brecht.
Herr Minister, wird die Bundesregierung nach Ablauf des Moratoriums in ihre Überlegungen auch die Tatsache mit einbeziehen, daß die UNIDO ohne die Mitgliedschaft Deutschlands vermutlich nicht überleben wird?
Das wird sicherlich eine zu berücksichtigende Tatsache sein. Aber ich füge hinzu: Wir werden vielleicht im Juni oder Juli - ich kann mich auf einen bestimmten Monat nicht festlegen; ich bitte um Nachsicht - eine erste Diskussion über die Lage haben. Das wird auch in den Bundestagsausschüssen erörtert werden. Ihre Frage macht ja deutlich, daß Sie daran regen Anteil nehmen. Auch die Opposition wird sich wahrscheinlich in dieser Frage rühren und den Erkenntnisprozeß der Bundesregierung entsprechend begleiten. Dann gehe ich einmal davon aus, daß wir ungefähr im Oktober oder November erneut beraten und dann eine endgültige Entscheidung treffen. So wird das wahrscheinlich in etwa laufen.
Dann gehen wir zu einem anderen Bereich über. Das Wort hat Frau von Renesse. Frau Kollegin, bitte.
Meine Frage bezieht sich auf das Kindesunterhaltsgesetz und auf die Vereinheitlichung des Kindesunterhalts, was eine ver-
Margot von Renesse
dienstvolle Aktion ist. Hat die Bundesregierung in diesem Gesetzentwurf die Vereinheitlichung auf der Basis des korrekten Existenzminimums, wie es in den Steuergesetzen anerkannt und errechnet worden ist, festgelegt?
Herr Minister Schmidt-Jortzig, bitte schön.
Frau Kollegin, die Regelunterhaltssätze sind davon unabhängig. Sie sind vor allen Dingen danach zu bemessen, was man nach den Forderungen des Regelunterhaltes von den potentiell Leistungspflichtigen erwarten kann, so daß man in Kauf nehmen muß, daß die Sätze dort niedriger sein können, um zu verhindern, daß die Leistungsverpflichteten zu früh die Einrede ihrer Leistungsunfähigkeit geltend machen können.
Eine Nachfrage? - Bitte schön.
Sie werden sicherlich wissen, Herr Justizminister, daß die Frage der Leistungsfähigkeit im Einzelrechtsverhältnis genau geprüft wird und daß von daher mitunter Unterhaltsbeträge, wie sie zunächst einmal nach Tabellen, in Zukunft nach dem Gesetz, gefordert sind, im Individualfall entsprechend reduziert werden können, so daß niemand über Gebühr zu Leistungen herangezogen werden kann, jedenfalls nicht jenseits seiner Leistungsfähigkeit.
Im Gesetz sieht die Bundesregierung hinsichtlich der Vorschrift, die wir gegenwärtig haben, insofern eine Änderung vor, als zunächst einmal die Finanzbedarfe der Kinder festgelegt werden sollen - mit der Möglichkeit einer anschließenden Reduzierung für den Fall, daß das Einkommen des Leistungsverpflichteten dies nicht deckt. Bisher haben wir ja diese Vorschrift.
In der Tat: Die Unterhaltsvorschußleistungen, auf die Sie damit wohl ansprechen, sind - -
Wir haben das im BGB!
Frau Kollegin, das Wort hat der Minister. Wenn Sie noch eine Frage stellen wollen, werde ich dies gleich zulassen.
Herr Minister, Sie haben das Wort.
Das, was der Anspruchsteller, in diesem Fall also das minderjährige Kind, an Unterhalt einfordern kann und in dem Verfahren auch einfordern wird, ist durch den Regelunterhalt oder den Individualunterhalt bestimmt. Wenn es von dem Verpflichteten
nichts seinem Bedarf Entsprechendes erhält, dann betrifft das den Unterhaltsvorschuß. Hier stellt sich die Frage, ob diese beiden Dinge entkoppelt werden sollen oder dürfen. Um das System erhalten zu können, glaube ich, daß eine Entkoppelung nicht stattfinden darf.
Frau Kollegin von Renesse, wenn Sie noch eine Frage stellen wollen, bitte.
Das BGB enthält im Augenblick hinsichtlich der nichtehelichen Kinder, deren Rechtsverhältnisse wir angleichen, ein gesetzlich formuliertes, wenn Sie so wollen, „Privileg", nämlich daß der Unterhalt in der Regel vom Vater entsprechend dem Bedarf des Kindes geschuldet wird. Eine Reduzierung ist wohlgemerkt möglich, aber nur im Einzelfall. Der Bedarf des Kindes ist eine tatsächliche Frage.
Sieht der Gesetzentwurf der Bundesregierung vor, daß der Unterhaltsbedarf des Kindes bei der Frage „Wie hoch ist sein Unterhalt?" keine Rolle mehr spielt?
Der Gesetzentwurf der Bundesregierung sieht an diesem Punkt nur - aber immerhin - vor, daß das, was Sie als „Privileg" des nichtehelichen Kindes ansehen, für beide jetzt noch unterschiedenen Gruppen der minderjährigen Kinder, ehelich wie nichtehelich, gelten soll.
Danke.
Sind noch weitere Fragen im Bereich der Befragung der Bundesregierung vorhanden? - Das ist nicht der Fall. Dann beende ich die Befragung und bedanke mich.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 3 auf: Fragestunde
- Drucksache 13/6446 -
Wir sind etwa neun Minuten vor der Zeit. Da aber die Fragesteller anwesend sind, möchte ich in die Fragestunde eintreten.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern. Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Eduard Lintner zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 1 des Abgeordneten Günter Graf auf:
Was ist der Bundesregierung bekannt über „Bitten deutscher Behörden" an Stellen in der Schweiz, den Privatdetektiv Werner Mauss im Jahre 1987 mit falschen Pässen auszustatten , in Anbetracht der Erklärung von Staatsminister Bernd Schmidbauer in der Fragestunde vom 4. Dezember 1996, die „offizielle Zusammenarbeit mit den Sicherheitsbehörden" der Bundesrepublik Deutschland sei Anfang der 80er Jahre beendet worden und mit dem Bundesamt für Verfassungsschutz habe es keine solche Zusammenarbeit gegeben?
Herr Kollege Graf, die Bundesregierung hält an ihrer durch Staatsminister Schmidbauer in der Fragestunde am 4. Dezember 1996 auf die Frage des Abgeordneten Such - es war die Frage 37 - erteilten Antwort fest, wonach die Sicherheitsbehörden des Bundes Herrn Mauss nach 1992 keine Aufträge mehr erteilt haben. Herr Mauss war zu keiner Zeit im Auftrag des Bundesamtes für Verfassungsschutz nachrichtendienstlich oder sonstwie tätig.
Die Bundesregierung hält auch insoweit an ihrer durch Staatsminister Schmidbauer in der genannten Fragestunde auf Frage 36 des Abgeordneten Such gegebenen Antwort fest, als sie zu Einzelheiten von Hilfsmaßnahmen in der Öffentlichkeit keine Auskunft erteilen kann.
Haben Sie eine Zusatzfrage, Herr Kollege Graf? - Bitte schön.
Herr Staatssekretär, können Sie denn hier absolut ausschließen, daß es im Zusammenhang mit einem Ersuchen an die Schweiz irgendwelche Aktivitäten, die der Bundesregierung, dem Bundesinnenminister oder dem Staatsminister bekannt sind, dahin gehend gegeben hat, entsprechende Pässe für ein Tätigwerden des Herrn Mauss zu beschaffen?
Herr Kollege Graf, ich kann dies für unseren Geschäftsbereich ausschließen. Sie wissen, daß es damals einen Ausschuß gab; ich glaube, es war der Libanon-Ausschuß. Was dort im einzelnen gemacht worden ist, bitte ich in dem Gremium abzufragen, das dafür zuständig ist, nämlich bei der PKK.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Kollege Graf? - Bitte schön.
Wenn Sie das für Ihren Geschäftsbereich ausschließen, möchte ich eine weitere Frage anfügen, die Ihren Geschäftsbereich betrifft: Ist Ihnen bekannt - gibt es Anhaltspunkte dafür; wissen Sie etwas Konkretes -, daß Herr Mauss seinerzeit, vielleicht schon Anfang der 80er Jahre, in ein besonderes Programm in Richtung Zeugenschutz einbezogen und mit einer Legende versehen wurde und ihm von der Bundesregierung besondere Schutzmaßnahmen zuteil geworden sind, damit er entsprechend tätig werden konnte?
Das geschah nicht, damit er „ entsprechend tätig werden konnte". Vielmehr wurde Herr Mauss auch nach dem genannten Zeitpunkt mit einem Grundschutz ausgestattet, der noch über Jahre gewährt wurde, womit aber nicht die Erledigung von Aufträgen oder das Tätigwerden des Herrn Mauss verfolgt wurde; vielmehr diente das lediglich seinem Schutz und auch dem seiner Familie.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Kollege Gansel.
Herr Staatssekretär, ich habe den Eindruck, Sie haben sich eben versprochen.
Warum?
Sie haben wohl nicht 1992, sondern 1982 gemeint.
1982, ja.
Ja, damit das klar ist.
Dann darf ich jetzt meine Frage stellen, Herr Präsident?
Bitte.
Können Sie uns noch einmal bestätigen - ich zitiere aus dem Protokoll der Fragestunde vom 4. Dezember 1996 -, daß es in bezug auf das Bundeskriminalamt seit Anfang der 80er Jahre keine Zusammenarbeit mit Herrn Mauss mehr gegeben hat und auch keine unkonventionelle direkte oder indirekte Hilfe?
Das kann ich Ihnen bestätigen, ja.
Eine Zusatzfrage dazu? - Bitte schön, Herr Kollege.
In einem Buch von Stefan Aust - wie heißt es? - „Mauss: Ein deutscher Agent" wird beschrieben, daß Mauss unter dem Namen Lange gereist ist. Hat er auf diesen Namen 1987 oder vorher Pässe bekommen?
Herr Kollege, auf diese Frage kann ich nicht antworten. Das ist den zuständigen Gremien dieses Hauses vorbehalten.
Ich rufe die Frage 2 des Kollegen Such auf:
Welche Bundesbehörden und -minister sowie - auf deren Veranlassung - Dritte haben Werner Mauss seit 1984 jeweils welche Art geldwerter Vorteile, behördlicher Dokumente oder anderer „unkonventioneller Hilfen" zugewendet?
Die Antwort: Die Bundesregierung hält an ihrer durch Staatsminister Schmidbauer in der Fragestunde des Deutschen Bundestages vom 4. Dezember 1996 auf Ihre Frage Nr. 36 erteilten Antwort fest. Sie kann - ich wiederhole es - zu den Ein-
Parl. Staatssekretär Eduard Lintner
zelheiten von Hilfsmaßnahmen in der Öffentlichkeit auch keine Auskunft erteilen.
Herr Kollege Such, Sie haben eine Zusatzfrage, nehme ich an.
Herr Staatssekretär, inwieweit trifft die indirekte Versorgung von Herrn Mauss mit Ausweispapieren durch ehemalige Mitarbeiter von Sicherheitsbehörden, von der in der Presse berichtet wurde, zu?
Herr Kollege Such, Sie sind selber Angehöriger eines entsprechenden Gremiums. Sie wissen sehr genau, daß ich diese Frage im Interesse aller Beteiligten nicht in der Öffentlichkeit beantworten kann. Ich bitte Sie, ähnliche Fragen möglichst gar nicht mehr zu stellen.
Haben Sie eine weitere Zusatzfrage, Herr Kollege Such?
Es wird in den Medien darüber berichtet, daß das Bundesamt für Verfassungsschutz Ausweispapiere für Herrn Mauss erstellt haben soll. Können Sie mir sagen, auf welcher Rechtsgrundlage diese Ausweispapiere erstellt und überbracht worden sind und wer das veranlaßt hat?
Herr Kollege Such, Sie beziehen sich jetzt auf Fragen, die am Ende dieser Fragestunde noch ausdrücklich Gegenstand von Antworten sein werden. Ich darf darauf verweisen und im übrigen darauf hinweisen, daß dazu in der Vergangenheit in diversen Fragestunden bereits mehrfach Antworten gegeben worden sind. Ich beziehe mich auf diese Antworten.
Der Sachzusammenhang mit der Frage kann nicht bestritten werden. Wenn der Staatssekretär auf früher gegebene Antworten verweist, ist das seine Art zu antworten. Das ist nicht zu beanstanden.
Eine Zusatzfrage dazu, Herr Kollege Schily?
Wenn ich Sie richtig verstanden habe, Herr Staatssekretär, haben Sie soeben auf ein Gremium zur Kontrolle der Geheimdienste verwiesen. Können Sie uns erklären, inwiefern Aktivitäten des Herrn Mauss zum Bereich der Geheimdienste gehören?
Herr Kollege Schily, das ist nicht Gegenstand der derzeitigen Debatte. Ich bin vielmehr gefragt worden, ob in diesem Zusammenhang offizielle Kontakte und dergleichen stattgefunden haben und auf welcher Basis möglicherweise Papiere ausgestellt worden sind. Dazu habe ich auf frühere Antworten verwiesen. Das wiederhole ich.
Gibt es weitere Zusatzfragen? - Das ist nicht der Fall. Dann bedanke ich mich.
Wir verlassen diesen Geschäftsbereich und kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Justiz. Zur Beantwortung steht der Herr Parlamentarische Staatssekretär Funke zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 3 des Kollegen Tappe auf:
Liegen der Bundesregierung Erkenntnisse über genehmigte Nebentätigkeiten von Richterinnen und Richtern am Bundesgerichtshof vor, und wenn ja, um welche Nebentätigkeiten handelt es sich?
Herr Staatssekretär.
Herr Kollege, aktuelle Erkenntnisse über genehmigte Nebentätigkeiten von Richterinnen und Richtern am Bundesgerichtshof liegen der Bundesregierung nicht vor. Das für den Bundesgerichtshof zuständige Bundesministerium der Justiz hat seine Befugnis zur Entscheidung über Anträge auf Genehmigung von Nebentätigkeiten gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung über die Nebentätigkeit der Richter im Bundesdienst auf die jeweiligen Gerichtspräsidenten im Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Justiz - und damit auch auf den Präsidenten des Bundesgerichtshofs - übertragen.
Demnach entscheidet der Präsident des Bundesgerichtshofs in eigener Zuständigkeit über Anträge auf Genehmigung einer Nebentätigkeit von Bundesrichterinnen und Bundesrichtern. Dem Bundesministerium der Justiz obliegt lediglich die Entscheidung über eigene Anträge der Gerichtspräsidenten.
Ergänzend ist darauf hinzuweisen, daß schon vor Eingang dieser Frage zur Frage der Genehmigung von Nebentätigkeiten von Bundesrichtern im Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Justiz eine Erhebung veranlaßt worden ist. Das Ergebnis dieser Erhebung steht aber noch aus.
Eine Zusatzfrage, Herr Kollege Tappe?
Daraufhin stellt sich die Frage, wann mit diesem Ergebnis zu rechnen ist; denn nach den uns allen bekannten Vorgängen ist es in der Öffentlichkeit sicherlich von großem Interesse, darüber Auskunft zu bekommen.
Wir rechnen mit Ende Januar nächsten Jahres.
13272 Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 147. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 11. Dezember 1996
Noch eine Zusatzfrage?
Dann frage ich jetzt nach dem Verfahren: Soll ich meine Fragen Ende Januar noch mal einbringen?
Nein, ich bin gern bereit, Ihnen diese Auskünfte dann zu erteilen - natürlich unter Berücksichtigung der Rechte der Richter auf informationelle Selbstbestimmung.
Zusatzfrage, Kollege Struck?
Da ich Ihrer Antwort entnommen habe, daß das Bundesministerium der Justiz selbst über die Genehmigung der Anträge auf Nebentätigkeit von Präsidenten an den obersten Bundesgerichten entscheidet, kann es ja wohl nicht so schwer sein, schon jetzt zu sagen, welche Genehmigungen vom Bundesministerium der Justiz den Präsidenten an obersten Bundesgerichten erteilt worden sind. Vielleicht sind Sie so nett, uns das schon jetzt zu sagen.
Das kann ich Ihnen selbstverständlich sagen: Es liegen keine Anträge vor. Der Präsident des Bundesgerichtshofs, der Präsident des Bundesverwaltungsgerichts, der Präsident des Bundesfinanzhofs und die Präsidentin des Bundespatentgerichts haben bisher keine Anträge auf Genehmigung einer Nebentätigkeit gestellt. Sie wissen, das Bundesarbeitsgericht und das Bundessozialgericht gehören nicht zu unserem Zuständigkeitsbereich.
Dann rufe ich die Frage 4 des Kollegen Tappe auf:
Liegen der Bundesregierung Erkenntnisse darüber vor, ob genehmigte Nebentätigkeiten von Richterinnen und Richtern am Bundesgerichtshof gleichmäßig auf alle Senate verteilt sind, oder ist eine Konzentration bei bestimmten Senaten festzustellen?
Herr Kollege, Erkenntnisse darüber, ob sich genehmigte Nebentätigkeiten von Richterinnen und Richtern am Bundesgerichtshof gleichmäßig auf alle Senate verteilen, liegen der Bundesregierung aus den in der vorherigen Antwort formulierten Gründen nicht vor. Sobald wir Unterlagen darüber haben, könnte ich auch dazu Auskunft erteilen. Das könnten Sie gegebenenfalls aber auch selber einsehen.
Herr Kollege Tappe, eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, dürfte ich Sie dann darum bitten, nach den entsprechenden Recherchen in der Antwort, die Sie mir schriftlich zukommen lassen wollen, gegebenenfalls auch quantitative Angaben zu machen, zum Beispiel über die Anzahl der Stunden, die für diese Nebentätigkeiten aufgewendet worden sind, und über die Höhe der Durchschnittshonorare, die dafür entrichtet worden sind?
Soweit entsprechende Angaben vorliegen, würde ich sie Ihnen - allerdings verschlüsselt; denn das sind wohl Daten, die den persönlichen Rechten der Richter unterliegen - selbstverständlich mitteilen.
Haben Sie noch eine zweite Zusatzfrage? - Nein. Dann eine Zusatzfrage des Kollegen Hartenbach.
Herr Staatssekretär, hat die Bundesregierung Überlegungen angestellt, Nebentätigkeiten der Richterinnen und Richter an den obersten Bundesgerichten nach Art und Umfang sowie nach Art und Umfang der Honorare gesetzlich zu regeln?
Ich habe in der Fragestunde vor einer Woche gesagt, daß wir diese erneut aufgeflammte Diskussion mit Interesse verfolgen und prüfen, ob gesetzgeberischer Handlungsbedarf gegeben ist. Unter Umständen reicht schon eine schlichte Anordnung gegenüber den Gerichten oder eine Verordnung des Hauses. Sie könnte gegebenenfalls genauso für die Landesjustizverwaltung gelten. Das müßte man aber selbstverständlich noch einmal im Lichte der Diskussion überprüfen.
Ich sehe dazu keine weiteren Fragen. Dann verlassen wir diesen Geschäftsbereich. Vielen Dank, Herr Staatssekretär.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft. Die Frage 5 des Kollegen Behrendt wird schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Dann kommen wir zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Verteidigung. Die Frage 6 des Kollegen Stiegler wird schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Dann kommen wir zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Die Fragen 7 und 8, beide gestellt vom Kollegen Wolfgang Spanier, werden schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Dann rufe ich den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit auf. Zur Beantwortung der Fragen steht die Parlamentarische Staatssekretärin Dr. Sabine Bergmann-Pohl zur Verfügung. Ich rufe die Frage 9 des Kollegen Dr. Wodarg auf:
Welche pharmakologisch wirksamen Bestandteile von Tierarzneimitteln wurden seit Inkrafttreten der Verordnung Nr. 2377/90 von deren Anhang III (Verzeichnis der in Tierarznei-
Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch
mitteln verwendeten pharmakologisch wirksamen Stoffe, für die vorläufige Höchstmengen festgelegt sind) mit welcher Begründung in Anhang IV dieser Verordnung aufgenommen?
Bitte schön, Frau Staatssekretärin.
Herr Kollege Wodarg, eine Überführung von Stoffen aus Anhang III in Anhang IV ist schon dann erforderlich, wenn der Antragsteller nicht innerhalb des in der Verordnung vorgegebenen Zeitraums von längstens fünf Jahren Unterlagen über die gesundheitliche Unbedenklichkeit vorlegt oder unter Hinweis auf laufende Studien um eine Verlängerung bittet. Das kann dann ausnahmsweise und nur für einen Zeitraum von zwei Jahren erfolgen.
Seit Inkrafttreten der Verordnung Nr. 2377/ 90 wurden sechs pharmakologisch wirksame Bestandteile durch Verordnung der Kommission vom Anhang III in Anhang IV aufgenommen. Das sind im einzelnen: Chloramphenicol, Dapson, Dimetridazol, Nitrofurane, Furazolidon, Ronidazol.
Eine ausführliche Begründung würde den Rahmen dieser Fragestunde sprengen; ich bin bereit, Ihnen diese schriftlich mitzuteilen.
Zusatzfrage, bitte schön.
Auf Grund welcher Unterlagen, Befunde bzw. Gutachten nehmen welche Gremien diese Bewertung vor? Ist das BgVV oder die Bundesregierung bei dem Bewertungsprozeß, bei dem Gutachten direkt beteiligt? Wer ist beteiligt?
Herr Wodarg, ich bin bereit, im Zusammenhang mit der schriftlichen Beantwortung zu den Gründen der Überführung in Anhang IV auch diese Frage ausführlich zu beantworten. Jetzt kann ich Ihnen nur soviel sagen: Die Entscheidungen sind zum größten Teil durch die Kommission gefällt worden.
Noch eine Zusatzfrage.
Welche Gründe haben dazu geführt, daß Vertreter des BgVV die Gesundheitsgefahren der von der EU mit Anwendungsverbot bei zur Lebensmittelproduktion dienenden Tieren belegten Arzneimittel als praktisch nicht vorhanden bezeichnet haben? Für das CAP galt das.
Herr Kollege Wodarg, ich kann mir nicht vorstellen, daß Mitarbeiter des BgVV Stoffe, die in Anhang IV aufgenommen worden sind, als nichtgefährlich eingestuft haben;
denn die Stoffe, die in Anhang IV aufgenommen worden sind, unterliegen einem Anwendungsverbot.
Wenn Sie solche Vorwürfe öffentlich erheben, bitte ich Sie, mir auch zu sagen, wo das stattgefunden hat und wer das gesagt hat. Dann würde ich gern dazu Stellung nehmen.
Ich rufe die Frage 10 des Kollegen Wodarg auf:
Seit wann ist § 31 Abs. 1 Nr. 3 a des bundesdeutschen Arzneimittelgesetzes in Kraft, und in welchen Fällen wurde er nach Kenntnis der Bundesregierung bislang zur Anwendung gebracht?
Herr Kollege Wodarg, § 31 Abs. 1 Nr. 3 a AMG ist mit Inkrafttreten des 5. Gesetzes zur Änderung des Arzneimittelgesetzes am 17. August 1994 in Kraft getreten. Diese Vorschrift ist vor dem Hintergrund des damaligen Art. 15 der EG-Richtlinie 81/851/EWG in das Gesetz aufgenommen worden.
Inzwischen haben die praktischen Erfahrungen mit der Klassifizierung der Stoffe nach der Verordnung aber gezeigt, daß dieser Vorschrift in der Praxis kaum Bedeutung zukommen kann. Gemäß § 31 Abs. 1 Nr. 3 a des Arzneimittelgesetzes erlischt eine Zulassung nur dann, wenn der Zeitraum der Festsetzung der vorläufigen Rückstandshöchstmengen nach Anhang III abläuft.
Dies kann in aller Regel nicht passieren, da vor Ablauf des Zeitraums der jeweilige Stoff auf Initiative der EU-Kommission in einen der anderen Anhänge der Verordnung durch eine Änderungsverordnung der Kommission überführt bzw. das entsprechende Verfahren hierfür eingeleitet wird.
Eine Zusatzfrage, bitte.
Die Zulassung für verbotene Stoffe ist erst nach längerer Zeit zurückgenommen worden, bei einigen Stoffen hat es anderthalb Jahre gedauert. Meine Frage lautet: Wie müßte der genannte Paragraph des deutschen Arzneimittelgesetzes nach Auffassung der Bundesregierung formuliert sein, damit das beabsichtigte Erlöschen der Zulassung in Deutschland bei Ablauf der vorläufigen Höchstmengenfestsetzung nach der EWG-Verordnung 2377/90 Anhang III wirksam werden kann?
Herr Kollege Wodarg, ich weise Sie in diesem Zusammenhang noch einmal darauf hin, daß die Aufnahme der Stoffe in Anhang IV das Anwendungsverbot nach sich zieht. Damit darf keine Anwendung bei lebensmittelliefernden Tieren erfolgen. Dies hatte ich Ihnen bereits im Januar gesagt.
Unabhängig davon beabsichtigt die Bundesregierung, diesen Paragraphen im 7. Gesetz zur Änderung des Arzneimittelgesetzes zu ändern, das den nun-
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Parl. Staatssekretärin Dr. Sabine Bergmann-Pohl
mehr gesammelten Erfahrungen Rechnung trägt. Im einzelnen ist vorgesehen, daß die Zulassung zur Verabreichung an lebensmittelliefernde Tiere künftig grundsätzlich automatisch mit der Aufnahme eines Stoffes in die Verbotsliste nach der Verordnung Nr. 2377/90 erlischt, sofern der pharmazeutische Unternehmer das Arzneimittel nicht durch die Änderung der Inhaltsstoffe anpaßt.
Nächste Zusatzfrage, bitte.
Wann hat die Bundesregierung bemerkt, daß dieser Paragraph des Arzneimittelgesetzes nicht greift, und warum hat die Bundesregierung nicht schon früher die Initiative ergriffen?
Herr Kollege, wir haben erst im Laufe der Jahre die Erfahrung gesammelt, daß dieser Paragraph nicht zur Anwendung kommt, und haben dementsprechend reagiert. Wir wollen diese Änderung - wie ich es Ihnen gesagt habe - auf Grund der Erfahrungen, die wir im Zeitraum seit Inkrafttreten bis jetzt gesammelt haben, vorlegen.
Vielen Dank, Frau Staatssekretärin. Nun verlassen wir diesen Geschäftsbereich.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr auf. Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Manfred Carstens zur Verfügung.
Ich rufe Frage 11 des Kollegen Beucher auf:
Ist es zutreffend, daß die Bundesregierung beabsichtigt, die A 4 zwischen dem Autobahnkreuz Merheim bis zur Anschlußstelle Bensberg-Moitzfeld sechsstreifig für 60 Millionen DM auszubauen, und den Vorschlag des Kölner Regierungspräsidenten ablehnt, statt dessen dort eine wesentlich billigere und für den Verkehrsfluß gleich effektivere Verkehrsbeeinflussungsanlage einzurichten, die nur 10 Millionen DM kosten würde?
Als vordringlicher Bedarf ist im Rahmen des Fernstraßenausbaugesetzes für den Abschnitt zwischen Bergisch Gladbach-Moitzfeld und der Anschlußstelle Köln-Merheim ein sechsstreifiger Ausbau vorgesehen. Die Kosten für diesen Ausbau wurden vom Land mit 66 Millionen DM veranschlagt, die vom Bundesverkehrsminister der Bedarfsplanfortschreibung zugrunde gelegt werden. Es ist richtig, daß vom Bund eine mehrere Millionen Mark teure Verkehrsbeeinflussungsanlage - Kosten bis zu 10 Millionen DM - nicht befürwortet werden konnte, da der Abschnitt kein auffälliges Unfallgeschehen aufweist, welches in der Regel eine solch teure Anlage begründet. Durch Verkehrsbeeinflussungsanlagen läßt sich die Kapazität eines Autobahnquerschnittes in der Regel nur geringfügig erhöhen, so daß mittelfristig ein Ausbau hierdurch nicht ersetzt werden kann.
Ihre erste Zusatzfrage, Herr Kollege.
Könnte der Herr Staatssekretär direkt die nächste Frage beantworten, weil beide Fragen miteinander im Zusammenhang stehen?
Dann kommen wir zur Frage 12 des Abgeordneten Beucher:
Ist es richtig, daß der Bundesminister für Verkehr als Sofortmaßnahme die Freigabe des Standstreifens rund um die Uhr befürwortet, obwohl bekannt ist, daß Autobahnabschnitte ohne Standstreifen fast 30 % mehr Unfälle haben als Autobahnabschnitte mit Standstreifen, weshalb der Kölner Regierungspräsident eine Freigabe des Standstreifens nur mit Überwachung genehmigen will?
Aus den in der vorangegangenen Antwort genannten Gründen hatte der Bund zur Lösung der Verkehrsprobleme für den Abschnitt zwischen Bergisch Gladbach-Refrath und Köln-Merheim eine Ummarkierung mit drei Fahrstreifen vorgeschlagen, da hiermit auf einigen kurzen Teilabschnitten gerade des nordrhein-westfälischen Autobahnnetzes positive Erfahrungen gemacht worden sind. Dies ist vom Land und vom Kölner Regierungspräsidenten bisher mit dem Hinweis auf mögliche Sicherheitsprobleme abgelehnt worden.
Der nunmehr vom Land vorgeschlagenen Lösung, die während der Verkehrsspitzenzeiten eine Mitbenutzung des Standstreifens mit Hilfe von fernbedienbaren Wechselverkehrszeichen und einer Videobeobachtungsanlage zwischen Refrath und Merheim in Fahrtrichtung Köln ermöglichen soll, hat das Bundesverkehrsministerium zugestimmt, da sie die Vorteile eines vorhandenen Standstreifens während der überwiegenden Zeit des Tages außerhalb der Morgenspitze erhält. Die Kosten für diese Lösung betragen knapp 1 Million DM.
Weiterhin hat das Bundesverkehrsministerium dem Land vorgeschlagen, den Standstreifen auf dem Streckenabschnitt zwischen Refrath und der Anschlußstelle Merheim für die Übergangszeit bis zur Fertigstellung der fembedienbaren Wechselverkehrszeichen mit manuell bedienbaren Klapptafeln freizugeben, wie es offensichtlich auch vom Kölner Regierungspräsidenten beabsichtigt ist.
Zusatzfrage, bitte.
Teilt der Verkehrsminister nicht die Auffassung, daß in Anbetracht der Haushaltslage mittelfristig von einem Ausbau dieses Autobahnabschnittes nicht auszugehen ist und somit anstelle von andauernden Übergangslösungen sofort diese Verkehrsbeeinflussungsanlage eingerichtet werden kann, weil dieser Abschnitt tagtäglich in den Staumeldungen vorkommt und somit auf Grund der Erfahrungen bei anderen Autobahnen häufige Unfälle geradezu zu erwarten sind?
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Herr Kollege Beucher, ich habe die Antwort eben mündlich vorgetragen; sie wird Ihnen, wenn Sie wollen, noch schriftlich zugehen.
Wir haben den gesetzlichen Auftrag, hier sechsspurig zu planen und später auch auszubauen, und halten diese jetzt gefundene Lösung als Übergangslösung für bestens in Ordnung. Die Verkehrsbeeinflussungsanlage wäre mit 10 Millionen DM Kosten im Vergleich zu der jetzt gefundenen Lösung zu teuer. Ich hielte sie auch nicht für besser.
Eine zweite Zusatzfrage.
Wissen Sie nicht, daß die jetzige Lösung unwahrscheinlich personalintensiv ist und schon abzusehen ist, daß das auf Dauer von der Polizei gar nicht geleistet werden kann?
Wir haben die manuelle Bedienung für eine Übergangszeit vorgeschlagen. Ob man sie praktiziert oder nicht, das hängt nicht vom Bund ab. Das ist nur ein Vorschlag von uns; man kann dem nachkommen. Wenn die automatische Anlage in Betrieb ist, entfallen die Personalkosten.
Haben Sie noch eine Zusatzfrage? - Nein.
Dann verlassen wir auch diesen Geschäftsbereich. Vielen Dank, Herr Staatssekretär.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie auf.
Die Fragen 13 und 14 des Kollegen Hinsken werden schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Dann rufe ich den Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramtes auf. Zur Beantwortung der Fragen steht Staatsminister Schmidbauer zur Verfügung.
Die Frage 15 des Kollegen Lippelt wird schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Dann komme ich zu der Frage 16 des Kollegen Norbert Gansel:
Wann sind welche Mitarbeiter des Auswärtigen Amtes erstmals über die von Staatsminister Bernd Schmidbauer in der Fragestunde vom 4. Dezember 1996 erwähnten „Vorbereitungen, die zu Friedensgesprächen führen sollten" für Kolumbien informiert worden, und wann hat Staatsminister Bernd Schmidbauer erstmals den Bundesminister des Auswärtigen, Dr. Klaus Kinkel, über solche Vorbereitungen informiert?
Bitte schön, Herr Schmidbauer.
Herr Kollege Gansel, auf die Frage 16 darf ich Ihnen antworten, daß Herr Staatsminister Hoyer
von mir in einem größeren Zeitraum im Spätsommer 1996 zwei- bis dreimal über den Fortgang und die Situation der Sondierungsgespräche informiert wurde. Mit Bundesminister Dr. Kinkel habe ich über den Vorgang nicht gesprochen.
Eine Zusatzfrage.
Da Sie zwei- oder dreimal zu Zeitpunkten, an die man sich bei dem Gewicht dieser Affäre eigentlich erinnern müßte, mit Staatsminister Hoyer gesprochen haben, möchte ich Sie fragen, ob Sie dabei von Staatsminister Hoyer erfahren haben oder vorausgesetzt haben, daß dieser den Außenminister über die von Ihnen geplante Friedensinitiative für Südamerika informiert hat.
Herr Kollege Gansel, diese Frage stellt sich für mich nicht. Ich will Ihnen sagen, daß ich auch einen Kollegen Ihrer Fraktion darüber informiert habe.
Mir kam es einfach darauf an, mich über den Fortgang und über die Chancen, die ein solcher Prozeß hatte, auszutauschen. Es gab eine Reihe von Gesprächen, über die überhaupt nicht informiert werden konnte, weil sie sich im Rahmen der Kirche oder anderer Vertreter gesellschaftlicher Gruppen in Südamerika - nicht nur in Kolumbien - abgespielt haben. Mir kam es in dieser Situation darauf an, auszuloten, wie es zu einem Gespräch kommen könnte. Da dieses Gespräch nicht terminierbar war und auch heute nicht terminierbar ist - ich wünsche mir trotzdem, daß es in diesem Zusammenhang vorangeht, weil ich der Meinung bin, daß dies ein ganz wichtiger Punkt wäre -, waren solche Überlegungen nicht notwendig.
Wenn Kollegen miteinander reden, ist dies im übrigen eine gegenseitige Information. Ich habe dies immer so gehandhabt. Ich weiß nicht, ob es jetzt der Antwort bedürfte, daß irgend jemand auch mit Herrn Kinkel darüber gesprochen hätte. Ich gehe davon aus, daß bei der Transparenz, die in solchen Fragen herrscht, die Information notwendig gewesen wäre, wenn Entscheidungen darüber zu treffen gewesen wären, daß wir als Gastgeber eines runden Tisches fungieren sollten.
Eine zweite Zusatzfrage, Herr Kollege Gansel.
Da ich nach der Zusammenarbeit und dem Informationsaustausch zwischen dem Auswärtigen Amt und dem Bundeskanzleramt gefragt habe, möchte ich in diesem Zusammenhang nachfragen: Haben Sie oder das Bundeskanzleramt im Zusammenhang mit dieser sogenannten Friedensinitiative oder mit dem Entführungsfall Schoene direkte Berichte der deutschen Botschaft in Bogota, Einschätzungen oder Rat eingeholt, oder sind Ihnen die Informationen über das Auswärtige Amt zugegangen?
Herr Kollege Gansel, das ist Ihre Frage 17; in diesem Zusammenhang will ich darauf eingehen. Wir haben Botschaftsberichte. Aber ich habe im Auswärtigen Ausschuß schon vorgetragen, daß im Einzelfall über die Situation nicht nur Botschaftsberichte vorliegen, die wir auch bekommen, sondern daß in diesem Zusammenhang auch Informationen anderer Behörden des Bundes vorgelegen haben.
Ich bin nicht der Auffassung, daß das die Frage 17 ist. Aber Sie haben zwei Zusatzfragen gehabt.
Ich rufe jetzt die Zusatzfrage des Kollegen Koppelin auf. Bitte schön.
Herr Staatsminister, war das Informationsgespräch, das Sie mit Staatsminister Hoyer geführt haben, ein Gespräch rein zur Information des Staatsministers Hoyer, oder haben Sie in dem Gespräch um Zusammenarbeit Ihres Hauses mit dem Auswärtigen Amt gebeten?
Herr Kollege Koppelin, ich weiß, daß Kollege Hoyer in Südamerika war und dort Besuche durchgeführt hatte, die ich kannte und deren Anlaß ich auch sehr genau kannte. Ich wußte, daß Staatsminister Hoyer sich mit diesen Fragen intensiv beschäftigt hat und ein geeigneter Ansprechpartner war. Ich kann auch erwähnen, daß Herr Kollege Hoyer und ich in vielen solcher Fragen gemeinsam gearbeitet haben. Ich darf nur darauf verweisen, daß wir in anderen Verhandlungen gemeinsam unterwegs waren. Deshalb war er für mich der richtige und geeignete Ansprechpartner.
Zusatzfrage des Kollegen Hofmann.
Herr Staatsminister, haben Sie diese Information von Botschaften oder von anderen Behörden auf direktem Wege oder über das Auswärtige Amt bekommen?
Ich bitte Sie, Ihre Frage zu präzisieren. Ich verstehe sie zwar akustisch. Aber würden Sie mir bitte sagen, welche Information Sie meinen?
Bitte, Herr Kollege.
Sie hatten eben in Ihrer Antwort auf die Frage des Kollegen Gansel davon gesprochen, daß Sie verschiedene Informationen aus dem Bereich der Botschaften, aber auch Informationen von anderen Behörden bekommen haben. Meine Frage geht dahin, ob Sie diese Informationen - zumindest Teile dieser Informationen - direkt oder alles über das Auswärtige Amt bekommen haben?
Nein, Herr Kollege. Über das Auswärtige Amt ging der eine Informationsstrang. Die anderen Informationsstränge sind durch Gespräche mit hohen geistlichen Würdenträgern aus dem südamerikanischen Bereich entstanden. Andere Informationen sind aus den Sicherheitsbehörden des Bundes gekommen. Ich habe dies auch im einzelnen im Auswärtigen Ausschuß vorgetragen.
Jetzt kommt die Zusatzfrage des Kollegen Such.
Herr Staatsminister, inwiefern treffen Berichte zu, daß an diesen Friedensgesprächen unter anderem auch die sogenannten Drogenbosse aus Kolumbien teilnehmen sollten, und inwiefern stimmt es, daß Sie Zusagen gemacht haben, daß sie zum Beispiel Teile ihres Vermögens behalten könnten, wenn sie sich entsprechend verhielten?
Herr Kollege Such, ich kann den Sachzusammenhang mit Frage 16 nicht erkennen. Vielleicht stellen Sie Ihre Frage später.
Ich rufe die Zusatzfrage des Kollegen Neumann auf.
Herr Staatsminister, welche Gründe gab es dafür, einerseits den Informationsstrang über das Auswärtige Amt und andererseits andere Informationsstränge zu nutzen?
Herr Kollege Neumann, ich will es noch einmal grundsätzlich sagen. Die Bitte der kolumbianischen Regierung, sich um solche Gespräche zu bemühen, erfordert viele Sondierungs- und Vorgespräche. In dieser Phase waren wir. In dieser Phase sind auch Mitarbeiter des Auswärtigen Amtes über den Stand der Sondierungsgespräche informiert worden. Der wichtigste Teil dieser Gespräche war eigentlich die Diskussion und die Sondierung - ich sage es noch einmal - mit Vertretern der Kirche, mit Bischöfen.
Der zweite wichtige Teil - für mich eigentlich der wichtigste - war das Vieraugengespräch mit dem kolumbianischen Innenminister. Es war eine Diskussion über die Situation im Land, die wir, auch auf Grund anderer Dinge, beurteilen konnten. Das waren wichtige Gespräche unter der Fragestellung, wie man von der Anlage her weiterkommen kann, bis es zu einem solchen Dialog kommt.
Zu den Gesprächsteilnehmern gehörten nicht Drogenbosse oder die Mafia; das waren nicht meine Gesprächspartner. Ich hatte auch niemanden als Gesprächspartner, der sich in irgendeiner Weise gegen die Interessen unseres Landes gerichtet hat. Das war
Staatsminister Bernd Schmidbauer
im Gegenteil der Versuch, alle Gruppierungen zusammenzubringen.
Ich habe mich auch mit einem Kollegen darüber unterhalten, um zu hören, wie er die Dinge einschätzt, welche Erfahrungen er in anderen Ländern gemacht hat. Das war kein Versuch, ihn einzubinden, sondern der Versuch, zu erfahren, welche Notwendigkeiten für den Tag X bestehen könnten, an dem es zu einem solchen runden Tisch kommen könnte. Ich bin nach wie vor der Überzeugung, es gibt gute Chancen, daß das gelingt, und zwar auch deshalb, weil ich von höchsten Würdenträgern aus diesem Bereich gehört habe, daß alle an einem solchen Dialog ein ganz großes Interesse haben.
Ich weiß natürlich auch, daß man sich übernehmen kann. Aber das ist nicht das Problem dabei. Vielmehr sollten wir uns gemeinsam bemühen - das ist ein Appell an die Kollegen, die besonders gute Kontakte haben -, solche Versuche, die vielfach gescheitert sind, die zu Verhaftungen und zu Verhärtungen geführt haben, voranzubringen.
Herr Kollege Schily.
Herr Staatsminister, ist das Auswärtige Amt auch über die Hinzuziehung des Herrn Mauss zu diesen Sondierungsverhandlungen informiert worden?
Herr Kollege Schily, Herr Mauss war bei den wenigsten Gesprächen dabei; ich habe darüber schon beim letztenmal Auskunft gegeben. Er hat über seine Verbindungen in Kolumbien teilweise die Gesprächspartner vermittelt, die bei einem solchen Dialog nicht fehlen durften.
- Meines Erachtens ist in diesem Zusammenhang nur der humanitäre Teil der Entführung Thema gewesen, nicht aber der Teil, nach dem Sie gefragt haben. Ich sage Ihnen aus meiner Erinnerung: Nein.
Herr Kollege Bachmaier.
Herr Staatsminister, welche Gesprächspartner hatten Sie im Rahmen dieser Sondierungs- und Vorgespräche über die Genannten hinaus, also über die Kirchen und die kolumbianische Regierung hinaus? Wer war in diese Vorgespräche von der - nennen wir es einmal so - anderen Seite einbezogen?
Herr Kollege Bachmaier, ich sehe den Sachzusammenhang zur Frage 16 nicht. Vielleicht stellen Sie Ihre Frage später.
Wenn es dazu keine weiteren Zusatzfragen gibt, rufe ich die Frage 17 des Kollegen Gansel auf:
Mit welchem Ergebnis hat Staatsminister Bernd Schmidbauer den Widerspruch aufgeklärt, wie er es in der Fragestunde vom 4. Dezember 1996 angekündigt hat, daß nach seinen Erkenntnissen sich „Herr Schoene und andere an Herrn Mauss mit der Bitte um Hilfe gewandt" haben, während Herr Schoene dem Magazin FRONTAL gegenüber erklärt hat, daß sich der Privatdetektiv Werner Mauss massiv in den Entführungsfall seiner Frau hineingedrängt habe, und wann hat Staatsminister Bernd Schmidbauer erstmals von der Entführung von Frau Schoene erfahren?
Bitte schön.
Herr Kollege Gansel, nach den mir vorliegenden Informationen hat sich Herr Schoene, nachdem sich der zunächst eingeschlagene Weg zur Befreiung seiner Frau nicht als erfolgreich herausgestellt hatte, im Oktober 1996 an Herrn Mauss gewandt, damit sich dieser für die Freilassung seiner Frau einsetze.
Was Herrn Schoene zu seinen Aussagen im von Ihnen herangezogenen Magazin veranlaßt hat, ist mir nicht bekannt. Eine Klärung des Vorgangs ist vorerst nicht möglich, da ich keinen Kontakt zu Herrn Schoene habe und ein solcher Kontakt derzeit wohl auch nicht herstellbar ist. Ich will mich aber bemühen, dies zu hinterfragen.
Von der Entführung von Frau Schoene hat die Bundesregierung durch einen Bericht der deutschen Botschaft in Bogota erfahren. Ich selbst wurde durch einen Bericht der Botschaft vom 18. August unterrichtet, der mir einige Tage später vorgelegt wurde.
Ich darf Ihnen als Ergänzung sagen, daß wir gewußt haben - übrigens auch kolumbianische Behörden -, daß es Bemühungen zur Freilassung von Frau Schoene gibt. Ich kann Ihnen weiterhin mitteilen, daß ich etwa 14 Tage vor der Lösung des Entführungsfalls von der BASF gebeten wurde, uns einzuschalten und zu helfen.
Ich kann Ihnen ferner mitteilen, daß es etwa acht Tage vor der Lösung des Problems Helfern gelungen ist - nicht Herrn Mauss -, den Aufenthalt von Frau Schoene zu ermitteln. Zu diesem Zeitpunkt wurde mit der BASF gemeinsam besprochen, wie dieser Fall ablaufen sollte. Daß Herr Mauss im Oktober mit Herrn Schoene gesprochen hatte, ist mir erst im nachhinein bekanntgeworden. Ich weiß aber, daß auf Vermittlung der Botschaft dieses Gespräch stattgefunden hat. Ich bin mit der BASF der Meinung - ich darf aus einem Brief zitieren -, „daß wir alle dankbar dafür sind, daß Frau Brigitte Schoene nach den Strapazen der Geiselhaft unverletzt befreit werden konnte".
Ich darf Ihnen auch sagen, daß wir entgegen vielfacher Darstellungen in allen Fällen Rücksicht auf die Souveränität . Kolumbiens genommen haben. Dazu will ich Ihnen nachher bei einer anderen Frage etwas sagen. Wir sind immer davon ausgegangen, daß die zuständigen Behörden Kolumbiens über die Bemühungen verschiedenster Stellen informiert werden. Das hat sich übrigens auch im Fall Schoene nachher als richtig herausgestellt.
Herr Kollege Gansel, Sie haben sicherlich eine Zusatzfrage.
Herr Staatsminister, wie erklären Sie, daß nach Ihrer Darstellung Herr Mauss erst sehr viel später auf Bitten von Herrn Schoene eingeschaltet worden ist, während nach der mir bekannten Darstellung, die gegebenenfalls auch zu verifizieren wäre, bereits unmittelbar nach dem 18. August 1996, an dem Sie von der Entführung von Frau Schoene Kenntnis erhalten haben, die deutsche Botschaft von sich aus Herrn Schoene angesprochen und ihm die Tätigkeit von Herrn Mauss angeboten hat und es Mitte September auf Initiative der deutschen Botschaft ein Treffen in Bogotá im Wagen des deutschen Botschafters zwischen Herrn Mauss, Herrn Schoene und weiteren Personen gegeben hat, bei dem Herr Mauss wiederum Herrn Schoene seine Tätigkeit im Rahmen eines Geiselfreikaufes angeboten hat?
Herr Kollege Gansel, nach meinem Kenntnisstand - das habe ich vorhin ausgeführt - hat man sich im Oktober 1996 an Herrn Mauss gewandt. Das sind unsere Informationen in diesem Zusammenhang. Aber es gab Gespräche - ich sage es auch einmal in der Fragestunde - zwischen Mitarbeitern des Auswärtigen Amtes und des Bundeskanzleramtes, bei denen wir zu dem Schluß kamen, keinen anderen Weg als den, der zum Zeitpunkt der Entführung bestanden hat, einzuschlagen. Erst wenige Tage - ich sage einmal: 14 Tage - vorher wurde auf Bitten der BASF überlegt - ohne daß Herr Mauss dabei eine Rolle gespielt hat -, ob es einen anderen Weg geben könnte, weil es wochenlang kein Lebenszeichen gegeben hat. Wir wissen wohl, daß sich viele um die Befreiung bemüht haben, aber daß es keine Ansätze gegeben hat.
Nach dem mir vorliegenden Bericht - ich bin gern bereit, im Anschluß in der PKK detailliert zu erläutern, wen ich meine, wenn ich im Hinblick auf den Schutz einer Person von einem Helfer spreche - war klar, daß es wieder Kontakt zu Frau Schoene gegeben hat und wir in der Lage waren, mit unseren Möglichkeiten zu helfen. Das war - ich schätze einmal - acht Tage vor Ende der Geiselbefreiung.
Ich bin aber gern bereit, Herr Kollege Gansel, diesen Dingen nachzugehen. Ich sagte bereits, daß wir keinen Kontakt zu Herrn Schoene hatten. Alles, was ich von der „wichtigen Stelle" erfahren konnte, bestand darin, daß Herr Schoene Herrn Mauss im Hinblick auf die Befreiung einen Brief mitgegeben hat. Ich weiß auch, daß es einen zweiten Brief - ich nehme an, daß diese Information richtig ist - an kolumbianische Behörden gegeben hat, durch den die Behörden über die Bemühungen Herrn Schoenes informiert wurden. Der Brief liegt mir leider nicht vor. Ich gehe davon aus, daß er bei den zuständigen Behörden in Medellín liegt.
Zweite Zusatzfrage von Herrn Gansel.
Herr Staatsminister, wie paßt Ihre Darstellung zu der mir bekannten Darstellung, daß sich Herr Schoene erst am 30. Oktober 1996, also nachdem - möglicherweise durch das vorher erfolgte Auftreten von Herrn Mauss - seine bestehende Verbindung zu den Entführern abgerissen war, an die deutsche Botschaft gewandt und um Unterstützung von Mauss gebeten hat? Ich wiederhole: Erst am 30. Oktober hat sich Herr Schoene an die deutsche Botschaft gewandt. Ihm ist bei diesem Treffen von der Botschaft mitgeteilt worden, Herr Mauss werde nicht für natürliche Personen tätig. Ich zitiere, was Herr Schoene in der Fernsehsendung „Frontal" vom 4. Dezember 1996 gesagt hat:
Anfang November, etwa drei Tage nachdem ich die Botschaft gebeten hatte, nunmehr Herrn Mauss als Hilfe zur Befreiung meiner Frau einzusetzen, bekam ich zu meiner Überraschung die Antwort, daß Herr Mauss natürlichen Personen nicht zur Verfügung steht, sondern nur Firmen.
Welche Bedeutung müssen wir Ihren Darlegungen über die menschliche Seite dieses Dramas beimessen, wenn man berücksichtigt, daß im Rahmen der Tätigkeit von Herrn Mauss mit Hilfe deutscher Stellen zwischen einer natürlichen Person - also dem normalen, unbekannten Staatsbürger XY - und Firmen mit entsprechendem finanziellen Rückhalt und politischen Einfluß, deren Mitarbeiter oder ehemalige Mitarbeiter entführt werden, unterschieden wird?
Zweiter Teil meiner Frage: Trifft es zu, daß der Freikauf erst dann in eine operative Phase eingetreten ist, nachdem es Mitte November im Bundeskanzleramt ein Treffen zwischen Ihnen, Herrn Mauss und Vertretern von BASF, dem früheren Arbeitgeber von Herrn Schoene, gegeben hat?
Letzteres trifft nicht zu, Herr Kollege Gansel. Ein erstes Treffen hat es zwischen mir, meinen Mitarbeitern und Vertretern von BASF gegeben. Das zweite Treffen fand zwischen BASF-Vertretern und mir statt. Beim letzten Treffen, als es darum ging, über die Möglichkeiten unserer Hilfestellung zu diskutieren, war Herr Mauss dabei. Dies war ein sehr kurzes Gespräch mit dem Ergebnis, daß wir in einem Fall - da war es notwendig - durch die Ausstellung von entsprechenden, an die kolumbianischen Behörden gerichteten Schutzpapieren helfen konnten.
Zum ersten Teil Ihrer Frage kann ich nur sagen, daß mir als Information Oktober 1996 vorliegt. Dieses Datum können wir unseren Berichten entnehmen. Es kann durchaus sein, daß Ihre Information richtig ist.
Es ist nicht ganz logisch - ich wiederhole das -, daß man von einem Hochtreiben des Lösegeldes gesprochen hat, obwohl kein Lösegeld gezahlt worden war. Ich bin nach wie vor davon überzeugt, daß es in diesem Fall eine Lösegeldzahlung nicht gegeben hat. Auch Begleiter sprechen davon, daß es im Fall der Entführung von Frau Schoene zu keiner Lösegeldzahlung gekommen ist.
Eine Zusatzfrage, Herr Kollege Olderog.
Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 147. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 11. Dezember 1996 13279
Herr Staatsminister, nachdem Sie ausdrücklich klargestellt haben, daß die Initiative, Herrn Mauss einzusetzen, nicht von Ihnen ausgegangen ist, sondern Herr Mauss durch die Familie bzw. durch das Unternehmen beauftragt worden ist,
möchte ich Sie fragen: Können Sie bestätigen, daß Herr Mauss den Ruf in Kolumbien hatte, in besonderer Weise befähigt zu sein, erfolgreich bei Befreiungsaktionen mitzuwirken, so daß auch andere Unternehmen ihn von sich aus eingesetzt haben?
Zunächst möchte ich noch einmal unterstreichen - der Kollege Gansel war nicht ganz zufrieden -: Wir haben Herrn Mauss nicht zu diesem Zeitpunkt eingeschaltet. Er ist später eingeschaltet worden. Ich darf auch darauf hinweisen, daß für ein solches Einschalten - ich sprach beim letztenmal von acht solchen in Kolumbien tätigen Firmen - eine besondere Situation bestehen muß, um entsprechend helfen zu können.
Herr Kollege Olderog, bei der Situation in Kolumbien - ich will nachher in meinen Antworten zu anderen Fragen oder Zusatzfragen dazu noch einige Sätze sagen - sind wir davon ausgegangen, daß es unabhängig von der persönlichen Integrität, an der manche ihre Zweifel haben, ausschlaggebend war, daß Herr Mauss bei Geiselbefreiungen in verschiedenen Ländern und auch in Kolumbien Erfolg hatte -übrigens auch im Fall Schoene, in dessen Folge das Ehepaar Mauss verhaftet wurde.
Herr Kollege Duve, Ihre Zusatzfrage.
Herr Staatsminister, eine kurze Nachfrage: Sind Sie persönlich je mit Herrn oder Frau Schoene zusammengetroffen?
Ich bin mit Herrn und Frau Schoene nicht zusammengetroffen. Frau Schoene war in Geiselhaft, und zu einem Treffen mit Herrn Schoene bestand keine Notwendigkeit. Das hat seine ehemalige Firma übernommen. Frau Schoene ist übrigens auch ehemalige Mitarbeiterin der BASF.
Ich hatte keine Kontakte zu ihm. Ich war genauso wie wahrscheinlich Herr Gansel über manche Bemerkungen erstaunt.
Auf eine Bemerkung aus dem von Herrn Gansel angesprochenen Interview möchte ich eingehen. Es handelt sich dabei um die Betroffene. Es heißt dort: „Drei Monate war die Ehefrau in der Gewalt der Guerilla-Organisation." - Frau Schoene führte aus - ich zitiere -:
Das war dieses Ehepaar. Die haben mir nicht gesagt, wie sie heißen. Das ist mir auch ganz egal.
Das können Sie sich gar nicht vorstellen nach
über drei Monaten: Derjenige, der Sie da rausholt, das ist der Gott. Für mich waren das Herrgötter.
Die Betroffene hat sich geäußert und war für die Hilfestellung entsprechend dankbar. Ich sage noch einmal: Es war nicht allein Herr Mauss. Es waren andere Heller dabei, die diese Dinge positiv gestalten konnten.
Eine Zusatzfrage, Herr Kollege Hofmann.
Herr Staatsminister, die Zusatzfrage des Kollegen Gansel veranlaßt mich, noch einmal nachzufragen. War bei dem Treffen am 16. September 1996 in einem Auto in Bogotá ein Vertreter des Bundeskriminalamtes, zum Beispiel ein Verbindungsbeamter, dabei?
Ich kann Ihnen das nicht beantworten. Ich habe von diesen Gesprächen, ohne das Datum jetzt verifizieren zu können, sehr viel später erfahren.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege Bachmaier.
Herr Staatsminister, Sie haben sich in der vergangenen Fragestunde über die Äußerungen des Herrn Schoene irritiert gezeigt und haben hinzugefügt, Sie könnten sich diese Äußerungen nicht erklären. Haben Sie inzwischen versucht, mit Herrn Schoene unmittelbar oder mittelbar Kontakt aufzunehmen, um der Sache nachzugehen?
Herr Kollege Bachmaier, ich werde das tun, sobald sich eine Möglichkeit dafür eröffnet. Mir und anderen ist der Aufenthaltsort von Herrn Schoene derzeit nicht bekannt.
Dann rufe ich die Frage 18 des Kollegen Schily auf:
Hat die Bundesregierung geprüft, ob die Bundesregierung durch Unterstützung der Aktivitäten des Privatagenten Werner Mauss Beihilfe zu Handlungen leistet, die nach kolumbianischem Strafrecht unter Strafe gestellt sind?
Herr Kollege Schily, Sie fragen nach Beihilfen der Bundesregierung, die nach kolumbianischem Strafrecht unter Strafe gestellt sind. Bei meiner Hilfestellung und derjenigen der Bundesregierung für die humanitären Aktionen von Herrn Mauss wurde auch die von Ihnen aufgeworfene Frage bedacht. Ausschlaggebend für mich war die Überzeugung, daß in den konkreten Gefahrensituationen, um die es jeweils ging, der Schutz von Menschenleben höher zu bewerten war als denkbare Verletzungen von Ordnungsvorschriften.
13280 Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 147. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 11. Dezember 1996
Staatsminister Bernd Schmidbauer
Wenn ich diese Antwort gebe, dann füge ich hinzu, daß das andere mit zu bedenken ist. Ich sage dazu auch, daß wir die Souveränität eines Landes respektiert haben und respektieren.
Im übrigen weise ich darauf hin, daß gegen Herrn Mauss ein Ermittlungsverfahren kolumbianischer Strafverfolgungsbehörden läuft. Solange dieses Verfahren noch nicht abgeschlossen ist, gilt nach deutschem Recht - darauf haben Sie, Herr Schily, bereits in der letzten Fragestunde zu Recht hingewiesen - auch für Herrn Mauss die Unschuldsvermutung. Die Bundesregierung, der die gegen Herrn Mauss erhobenen Vorwürfe im einzelnen nicht bekannt sind, wird sich deshalb zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht an Spekulationen darüber beteiligen, ob Herr Mauss möglicherweise kolumbianisches Recht verletzt hat. Aber ich füge hinzu, daß wir diese Überlegungen durchaus angestellt haben.
Herr Kollege Schily, erste Zusatzfrage.
Herr Staatsminister, welche Erkenntnisse besitzt die Bundesregierung über Ablauf und Folgen bisheriger Aktivitäten des Herrn Mauss?
Ich kann Ihnen nur über die Dinge berichten - das habe ich getan -, an denen wir in Kolumbien unmittelbar beteiligt waren.
Zweite Zusatzfrage.
Herr Staatsminister, ist es nach Kenntnis der Bundesregierung im unmittelbaren oder mittelbaren Zusammenhang mit Aktivitäten des Herrn Mauss zu Todesfällen gekommen?
Ich kann Ihnen das nicht beantworten. Ich kenne einen Fall, bei dem es während der Entführung einen Toten gegeben hat. Ich kenne außerdem einen Fall, bei dem es aus wohl anderen Gründen im Rahmen der Befreiung Opfer gegeben hat. Weiteres ist mir nicht bekannt. Auch darüber habe ich schon detailliert Auskunft gegeben. Ich kann das im einzelnen aber nur bei der Entführung verifizieren, Herr Kollege Schily. Aber an dieser war Herr Mauss natürlich nicht beteiligt; denn sie war die Ursache. Die Situation war hier so, wie sie übrigens bei allen Entführungsfällen zu beobachten war: Es wurde sehr brutal vorgegangen.
Zusatzfrage, Kollege Olderog.
Herr Staatsminister, können Sie etwas darüber sagen, ob die Zahlung von Lösegeldern für gefangene Geiseln in Kolumbien in jedem Fall strafbares Unrecht ist?
Herr Kollege Olderog, ich kann Ihnen dazu sagen, daß diese in bestimmten Fällen nicht strafbar ist und daß ich in den Fällen, die wir betrachten, eine Situation sehe, die nach kolumbianischem Strafrecht nicht strafbar gewesen wäre, wenn im Rahmen von Maßnahmen zur Befreiung der Geiseln eine entsprechende Zusammenarbeit mit kolumbianischen Stellen erfolgt wäre.
Dann rufe ich die Frage 19 des Kollegen Schily auf:
Hat die Bundesregierung abgewogen, ob die Hinzuziehung des Privatagenten Werner Mauss bei den Sondierungsgesprächen, die zu dem Beginn eines Friedensdialogs zwischen der kolumbianischen Regierung und Rebellengruppen führen sollten, dem Ziel dieser Sondierungsgespräche eher abträglich als förderlich war?
Herr Kollege Schily, in der Fragestunde am 4. Dezember habe ich bereits darauf hingewiesen, daß Herrn Mauss im Rahmen der Sondierungsgespräche für eine Friedensinitiative die Aufgabe zugedacht war, Kontakte zu den außerhalb der kolumbianischen Regierung angesiedelten potentiellen Gesprächspartnern herzustellen. Eine Teilnahme von Herrn Mauss an dem in Aussicht genommenen Friedensdialog war nicht vorgesehen.
Ihre Zusatzfrage, Herr Kollege Schily.
Herr Staatsminister, wie nehmen Sie zu der Äußerung des kolumbianischen Innenministers Serpa Stellung, der folgendes wörtlich geäußert hat:
Der deutsche Minister hätte mich aufklären müssen über die Person Mauss. Aber er hat das in keinem Moment getan, und diese Bezichtigung mache ich öffentlich, weil es kein loyales, faires Verhalten war.
Herr Kollege Schily, ich mußte und kann auch davon ausgehen, daß alle über die Identität von Herrn Mauss informiert waren. Ich darf Ihnen dazu auch zitieren, daß erkennbar war, daß sämtliche Beteiligten von den Aktivitäten von Mauss - ich spreche jetzt nur über diese Initiative des Kontakts von Mauss zu Gruppierungen in Kolumbien - bis ins einzelne unterrichtet waren. Im übrigen muß ich Ihnen sagen, daß einer der Gesprächspartner, der mehrfach bei mir war, Herrn Mauss kannte und daß beim erstenmal beide zusammen bei mir waren und mich über die Möglichkeit zu vermitteln informiert haben.
Zweite Zusatzfrage.
Herr Staatsminister, hat die Bundesregierung, möglicherweise im Zusammenwirken mit dem Auswärtigen Amt, geprüft, ob die Aktivitä-
Otto Schily
ten des Privatagenten Mauss und seine Hinzuziehung zu diesen Sondierungsgesprächen negative Auswirkungen auf die zwischenstaatlichen Beziehungen Deutschlands und Kolumbiens haben könnten?
Herr Kollege Schily, ich bin Ihnen für diese Frage sehr dankbar, weil sie mir Gelegenheit gibt darzustellen, daß bei den Entscheidungen über Art und Umfang humanitärer Hilfen zwischen möglichen Verletzungen staatlichen Ordnungsrechts und dem Schutz von Menschenleben, dem unsere Verfassung höchsten Rang zumißt, abzuwägen ist. Dies ist natürlich auch in diesem Fall geschehen. Ich will hinzufügen, daß wir hinsichtlich des Verhaltens anderer Bundesregierungen sehr wohl sehen, daß ähnliche Wege beschritten wurden.
Für die Einschaltung von Herrn Mauss war ausschlaggebend, daß er offensichtlich die Möglichkeit hatte, hier erfolgreich zu helfen. Sie wissen, daß in Kolumbien eine schwierige Sicherheitslage herrscht. Dies bedeutet, daß man bei Bemühungen um Geiselbefreiungen, wenn offizielle Wege keinen Erfolg versprechen oder mit unkalkulierbaren Risiken für die Entführungsopfer verbunden sind, auf andere Maßnahmen zurückgreifen muß. Dabei sind die legitimen Interessen des betroffenen Landes genauso zu berücksichtigen wie das Interesse der Beteiligten, die Risiken durch strikte Vertraulichkeit möglichst geringzuhalten.
Um es noch einmal klarzustellen: Die Bundesregierung achtet das Prinzip der Nichteinmischung in innere Angelegenheiten anderer souveräner Staaten, natürlich auch Kolumbiens.
Noch ein Punkt: Uns verbinden mit Kolumbien traditionell enge Beziehungen, die weit bis in das 19. Jahrhundert zurückreichen. Die Bundesregierung hat den festen Willen, diese Beziehungen im Geiste gegenseitiger Achtung und Respektierung freundschaftlich weiterzuentwickeln. Soweit ich persönlich einen Beitrag dazu leisten kann, will ich dies gern nach besten Kräften tun.
Wir haben - dies war ausdrücklicher Wunsch der kolumbianischen Regierung - unsere guten Dienste angeboten. Ich sage dies deshalb, Herr Kollege Schily, weil Sie nach diesen Abwägungsprozessen gefragt haben. Wir konnten nicht davon ausgehen, daß es zu einer Rechtsverletzung kommen würde - wenn es denn dazu gekommen ist.
Ich sagte Ihnen bereits, daß ein Strafverfahren läuft. Wir werden alles tun, um zu helfen, dieses Verfahren zu unterstützen. Wir werden zu diesem Zweck alle unsere Informationen in diesem Zusammenhang weitergeben.
Daß wir diese Überlegungen angestellt haben, ehe es zu dieser Hilfe kam, davon müssen Sie ausgehen.
Zusatzfrage des Kollegen Duve.
Herr Staatsminister, wir sprechen hier von zwei sehr unterschiedlichen Vorgängen: Friedensgespräch und Geiselbefreiung. Wir sprechen aber immer von einer Person. Ist bei den von Ihnen als sehr intensiv und häufig geschilderten Kontakten mit den führenden Kirchenleuten, die Sie eben genannt haben, jemals dieser andere Aspekt der Geiselbefreiung von Ihnen oder Ihren Mitarbeitern erwähnt worden?
Herr Kollege Duve, ja, in verschiedenen Gesprächen ist die Situation, die Schwierigkeiten bei den Vorgesprächen hin zu diesem Dialog macht, angesprochen worden. Die Kirchen waren involviert und haben dies im übrigen in Kolumbien öffentlich erklärt. Sie sind teilweise auch von der Staatsanwaltschaft dazu befragt worden.
Einer der höchsten Würdenträger in Kolumbien war ebenfalls - -
- Ich gehe davon aus, daß auch bei diesen Gesprächen die schwierige Situation Kolumbiens angesprochen wurde. Soweit ich dabei war, ist dies geschehen, sehr ausführlich in einem Fall, nämlich als über die Frage der Sicherheitslage in Kolumbien gesprochen wurde.
Moment, keine Dialoge. Herr Kollege Duve, Ihre Frage wird beantwortet.
Herr Staatsminister, Sie haben das Wort.
Natürlich ist auch darüber gesprochen worden, daß in dem einen oder anderen Fall die Notwendigkeit besteht, Geiseln herauszuholen und zu befreien. Übrigens ist dem sehr viel Verständnis entgegengebracht worden.
Herr Kollege Bachmaier, Sie haben das Wort zu einer nächsten Frage.
Herr Präsident, ich darf meine Frage von vorhin wiederholen, weil sie sicherlich in diesen Zusammenhang paßt.
Herr Staatsminister, wer war von der anderen Seite an diesen Sondierungsgesprächen beteiligt oder ist hinzugezogen worden? Sie haben von der Regierung und von der katholischen Kirche gesprochen. Wer war von seiten der Guerilla oder ähnlicher Organisationen an diesen Gesprächen beteiligt?
Ich habe dies beim letztenmal beantwortet,
Staatsminister Bernd Schmidbauer
Herr Kollege Bachmaier, als Sie ebenfalls da waren. Ich hatte gesagt, daß ein namhafter Politiker Südamerikas dabei eine Rolle gespielt hat und daß auch Verbindungsleute zu der Guerilla bei Gesprächen anwesend waren.
Ich selbst habe mit einem Vertreter - nicht einem Mitglied - einer bestimmten Gruppierung in Kolumbien gesprochen und habe mich davon überzeugen können, daß diese Seite größtes Interesse daran hat, an solchen Gesprächen teilzunehmen.
Herr Kollege Bachmaier, ich habe darüber auch mit anderen gesprochen, die maßgeblich an den Versuchen beteiligt waren, diesen Dialog im Ausland mit entsprechenden Ergebnissen zu führen. Ich habe auch darüber gesprochen, daß diese Versuche gescheitert sind, weil es Verhaftungen gab. Ich habe auch darüber gesprochen, daß diese Versuche gescheitert sind, weil eine Gesprächsbereitschaft zu einem bestimmten Zeitpunkt nicht mehr vorhanden war. Ich will noch einmal sagen, daß ich an alle, die in der Lage sind, diesen Dialog zu befördern, im Hinblick auf die vielen Opfer, die es tagtäglich gibt, die Bitte habe, daß sie mithelfen und sich mit einbringen, so daß es zu einem solchen Dialog kommt.
Mit wem ich nicht gesprochen habe, will ich Ihnen ebenfalls sagen. Es handelt sich um diejenigen, nach denen der Kollege Such gefragt hat. Ich will es noch einmal ausdrücklich sagen, daß mit dieser Seite nicht gesprochen wurde. Sie alle wissen, daß es eine starke Verbindung - das bedauert Kolumbien ebenso wie wir - zwischen einem Teil der Guerillabewegungen und der Drogenseite gibt. Es hat keine Gespräche zwischen diesen Vertretern und mir gegeben.
Kollege Such hat recht, daß mir ebenfalls bekannt ist, daß es Überlegungen verschiedener Leute dahin gehend gegeben hat, wie man diesen Teil „heilen" könnte. Aber das war nicht unser Ziel. Vielmehr ist unser Ziel ein völlig anderes, wenn es um die Bekämpfung der Drogensituation geht.
Herr Kollege Olderog.
Herr Staatsminister, vor dem Hintergrund meiner persönlich vor Ort, in Kolumbien, gewonnenen Informationen und Erfahrungen möchte ich Sie fragen, ob nicht deshalb auch für die Bundesregierung ein Zwang bestand, private Operationen zu unterstützen, weil die Lage in Kolumbien so ist, daß die dortige Regierung über große Teile des Landes, insbesondere dort, wo die Geiseln verschleppt und versteckt worden sind, die tatsächliche Macht verloren hat.
Herr Kollege Olderog, diese Frage gibt mir die Gelegenheit, einiges richtigzustellen. Ich erinnere mich, daß Sie bereits eine ähnliche Frage gestellt haben. Ich habe damals ausgeführt, daß die Hälfte des Landes von Guerillaeinheiten beeinflußt, kontrolliert wird. Es ist registriert worden. Aber dies
ist ein totales Mißverständnis. Wer die Entwicklung in Kolumbien aufmerksam verfolgt und an den Schicksalen der betroffenen Menschen besonderen Anteil nimmt, der muß dies relativieren und muß sagen, daß einer Regierung nicht die Souveränität über ein Staatsgebiet abgesprochen wird. Vielmehr muß er sagen, daß nach unserem Kenntnisstand viele Gebiete von der Guerilla beherrscht werden oder daß die von der Guerilla beeinflußten Gebiete mit militärischen und polizeilichen Mitteln angegangen werden. Es finden ja ständig, wie ich bereits ausgeführt habe, entsprechende Aktivitäten - zum Teil unter hohem Blutzoll aller Beteiligten - statt.
Aber genauso richtig ist - danach haben Sie jetzt gefragt; darauf kommt es bei meiner Aussage an -, daß es in wichtigen Bereichen Kolumbiens auf Grund dieser schwierigen Sicherheitslage nicht möglich ist, mit staatlichen Machtmitteln festgehaltene Geiseln mit einem vertretbaren Risiko zu befreien. Ich habe über die Zahl der Entführungsfälle und die dabei zu beklagenden Opfer im Auswärtigen Ausschuß eingehend berichtet. Ohne daß ich hier ins Detail gehen will: Jeder sollte sich sehr überlegen, ob er unter dieser Voraussetzung eine Geiselbefreiung durch den Einsatz staatlicher Machtmittel versuchen will. Ich bin überzeugt, daß es im Interesse von Leib und Leben der Geiseln ist, Lösungen auf dem Verhandlungswege zu erreichen. Davon sind auch die Entscheidungen geprägt worden.
Herr Kollege Olderog, ich habe schon wiederholt erläutert, daß ich mir darüber auch mit den Vertretern der kolumbianischen Regierung einig war. Uns geht es nicht darum, in Kolumbien mit Hardliner-Aktivitäten Geiseln zu befreien. Vielmehr wollen wir möglichst im Einvernehmen mit der kolumbianischen Regierung arbeiten. Bei eventuellen neuen Fällen in der Zukunft - ich hoffe nicht, daß es nötig sein wird - werden wir das, was wir aus diesen Entführungsfällen gelernt haben, einbringen und werden dann vielleicht auch andere Möglichkeiten ausloten können, um die Geiseln zu befreien.
Herr Kollege Dr. Sperling.
Herr Staatsminister, angesichts der von Ihnen geschilderten Umgangsformen zwischen Herrn Schmidhuber und Herrn Mauss und des vorhandenen Kontakts zwischen dem Staatsminister Schmidhuber und kolumbianischen Regierungsstellen: Haben Sie je abgewogen, ob Herrn Mauss auf diese Art und Weise für seine Aktivitäten die Aura des Kanzleramtes zugetragen wurde und damit so etwas wie eine Soliditätsverbürgung des Kanzleramtes für Herrn Mauss gegenüber kolumbianischen Regierungsstellen herausgekommen ist?
Sie wollten Herrn Schmidbauer und nicht Herrn Schmidhuber fragen?
Ja, Entschuldigung.
Das ist beim letzten Mal auch dem Kollegen Schily passiert.
Ich will Ihnen dazu sagen, daß dies in meinen Überlegungen im nachhinein eine ganz gewichtige Rolle gespielt hat. Ich habe mir dabei aber nichts vorzuwerfen, weil ich keine andere Chance gesehen habe. Das gehört zu den Fragen, die ich vorhin dem Kollegen Bachmaier und anderen beantwortet habe: daß wir bestimmte Dinge im Lichte unserer gemachten Erfahrungen überdenken, damit es keinen Mißbrauch geben kann. Nach der Kenntnis, die wir heute haben, hat es bei diesen Fällen, in die wir involviert waren, keinen Mißbrauch gegeben. Wohl hat es die Schutzbriefe und für die Opfer die entsprechenden Deckpapiere gegeben. Schon dies wäre ein Grund, um eine solche Situation zu konstruieren.
Ich weiß nicht, Herr Kollege Sperling, wie wir im nächsten Fall - ein Nachfolger von mir oder eine andere Bundesregierung - reagieren werden. Ich glaube, daß es keinen Fall gibt, der vergleichbar ist. Ihre Frage hat mich aber zum Nachdenken gebracht.
Ich rufe die Frage 20 des Kollegen Duve auf:
Wer hat die Beteiligung des Privatdetektivs Werner Mauss vorgeschlagen, als sich argentinische Regierungsstellen im Mai dieses Jahres an die Bundesregierung gewandt haben, um bei dem Freikauf argentinischer Geiseln in Kolumbien behilflich zu sein, und wird bei solchen Kontaktaufnahmën die Position befreundeter europäischer Regierungen, grundsätzlich niemals und unter keinen Umständen Kontakte mit Geiselnehmern zu suchen, berücksichtigt?
Herr Kollege Duve, eine Position, grundsätzlich niemals und unter keinen Umständen Kontakte mit Geiselnehmern zu suchen, gibt es unter befreundeten europäischen Regierungen meines Wissens nicht. Im Gegenteil: Wir haben uns in vielen Fällen abgesprochen, solche Kontakte aufzunehmen. Auch von Ministern wurden solche Kontakte, auch unter anderen Regierungen, gepflegt; das will ich einmal sehr neutral sagen.
Wie ich aber bereits in der Fragestunde am 4. Dezember ausgeführt habe, wurde ich im Frühjahr 1996 von argentinischen Regierungsstellen über die Entführung von drei Ingenieuren in Kolumbien informiert. In anschließenden Gesprächen mit argentinischen Regierungsstellen und der betroffenen Firma habe ich mich an Lösungen zur Freilassung dieser Ingenieure beteiligt.
Anschließend - ich betone das ausdrücklich - haben zwischen Techint und Herrn Mauss bilaterale Gespräche stattgefunden; wohl auch schon vorher, darüber aber habe ich keine Kenntnis. Nach meiner Kenntnis wurde Herr Mauss dabei gebeten, eine Freilassung auf dem Verhandlungswege zu erreichen. Ich will Ihnen sehr deutlich machen, daß ich mich bei meinen Gesprächspartnern über die Situation bei diesen Gesprächen vergewissert habe. Ich
kann Ihnen noch einmal sagen, daß ohne Herrn Mauss zwei Gespräche mit hohen Regierungsvertretern Argentiniens und mit dem Botschafter Argentiniens stattgefunden haben.
Erste Zusatzfrage.
Herr Staatsminister, Sie haben eben gesagt, daß es eine solche grundsätzliche Position nicht gibt. Ich frage Sie konkret nach dem Entführungsfall jener dänischen Firma, bei dem es sich um einen dänischen und einen britischen Staatsbürger gehandelt hat. Hat es solche Ersuchen seitens der dänischen und der britischen Regierung gegeben? Ist Ihnen bekannt, daß die britische Regierung aus grundsätzlichen Erwägungen jeden Kontakt zu Geiselnehmern ablehnt? - Die lange Tragödie im Libanon ist ja bekannt. - Sind Sie darüber unterrichtet?
Herr Kollege Duve, ich kenne die Haltung und die Skepsis mancher Regierungen. Ich weiß aber auch, daß befreundete Regierungen mit mir der Meinung sind, daß es solche Kontakte geben kann. Ich kenne inzwischen allerdings auch andere Methoden, wie man solche Kontakte pflegt, ohne als Regierung direkt involviert zu sein.
Ich habe Kenntnis davon, daß es zwischen den acht Firmen, die ich vorhin beispielhaft erwähnt habe, und den Regierungen durchaus einen regen Austausch gibt, wenn es um solche Fälle geht. Mir ist sehr wohl bewußt, Herr Kollege Duve - ich sage Ihnen das, weil ich weiß, daß auch Sie sich um diese Fragen kümmern -, daß in einem Fall der Vorwurf laut wurde, daß vielleicht ein Leben hätte gerettet werden können, wenn es zu diesen Kontakten gekommen wäre. Nur ich sage Ihnen, daß es auch in diesem Fall zu Kontakten gekommen ist.
Mir ist bisher kein Fall bekannt, daß sich eine Regierung zurückgezogen hat, wenn die Chance bestand, mit entsprechenden Personen zu reden. Es wird Ausnahmen geben, die sich auch an Beispielen belegen lassen. Aber ich kenne viel mehr Beispiele, wo sich Regierungsstellen sehr wohl auf vertraulichem Wege mit solchen Personen getroffen haben. Bei mehreren Fällen, von denen ich selber Kenntnis habe, hat dieser Weg die Lösung bedeutet. Das geht dort nicht, wo bestimmte Umstände herrschen, die Kontakte verbieten, auch aus Gründen des persönlichen Schutzes. Es ist, wie Sie wissen, in dem einen oder anderen Fall nicht einfach, solche Gesprächspartner zu treffen.
Zweite Zusatzfrage.
Herr Staatsminister, Sie hatten in diesem Zusammenhang - wir sprechen ja jetzt über die Beziehungen zu anderen Staaten - vorhin die intensive Zusammenarbeit zwischen Ihnen und Staatsminister Hoyer erwähnt. Können Sie darüber
Freimut Duve
Auskunft geben, ob Herr Staatsminister Hoyer je mit Herrn Mauss zusammengetroffen ist?
Meines Wissens nicht; aber da müssen Sie ihn selber fragen. Das hat bei diesen Fragen mit Sicherheit auch keine Rolle gespielt, Herr Kollege Duve.
Zusatzfrage des Kollegen Beucher.
Herr Staatsminister, leiten Sie die Zuständigkeit für Ihre Aktivitäten mit Herrn Mauss aus dem Organisationserlaß des Bundeskanzlers vom 3. Mai 1989 ab, der genau regelt, was Beauftragte für Nachrichtendienste dürfen - zum Beispiel hinsichtlich Haushaltsangelegenheiten usw. -, oder sind Sie vom Bundeskanzler für Ihre Aktivitäten mit Herrn Mauss beauftragt worden?
Herr Kollege, sie ziehen ein Organigramm an. Nehmen Sie das Organigramm des Bundeskanzleramts und nicht die Geschäftsordnung des Beauftragten für die Nachrichtendienste! Es kann Kompetenzprobleme geben, Herr Beucher. Ich bin auch der Meinung, daß man Überlegungen anstellen muß, wer dann, wenn es um solche Fragen geht, die Zuständigkeit übernimmt.
Es gibt den Fall, daß man von verschiedenen Seiten gebeten wird, das zu tun. Ich habe in der Antwort auf die Frage des Kollegen Bachmaier erwähnt, daß wir uns in unserem Haus über solche Dinge informieren. Ich glaube nicht, daß dann, wenn es darum geht, solche Verhandlungen zu führen, viele schreien: „Ich habe dafür eine Kompetenz! "
In einem den Nahen und Mittleren Osten betreffenden Fall hat mich der Bundeskanzler gebeten - weil dies eindeutig Wunsch einer Regierung war -, dies zu übernehmen. In anderen Fällen wird es ähnlich gelaufen sein. In noch anderen Fällen wird mich die Bitte eines direkt Involvierten veranlaßt haben, mich um ein Schicksal zu kümmern. Ich glaube, es ist nicht übertrieben, wenn ich sage, daß kein Monat vergeht, in dem an das Bundeskanzleramt nicht die Bitte herangetragen wird, in dem einen oder anderen Fall zu helfen.
Ich habe es auch beim letztenmal schon gesagt: Ich dränge mich nicht, diese Fragen zu lösen. Ich bin sicher: Wenn Abgeordnete des Deutschen Bundestages selbst in eine solche Problemlage kommen sollten, werden sich diese Fragen überhaupt nicht mehr stellen, weil die Situation erlebt ist. Ich bin auch überzeugt, daß dieses Vorgehen dort unbedingt notwendig ist - ich habe auch dafür Beispiele genannt -, wo Kinder gesucht werden, wo deutsche Staatsbürger im Ausland in Probleme geraten. Die Hilfeersuchen kommen wechselweise auf das Auswärtige Amt
und auf uns zu. Dafür gibt es keine Regeln. Ich sage dies, weil es ein bißchen so aussieht, als gebe es eine Rivalität darüber, wer sich dieser Fälle annehmen kann und wer nicht.
Es gibt einen sehr konkreten - mit den schwierigsten - Fall, der nicht gelöst ist, bei dem das Auswärtige Amt die Federführung hat. Wir steuern da selbstverständlich das bei, was uns möglich ist, zusammen mit den uns unterstellten obersten Dienstbehörden. Keiner wird fragen: Wer hat da wirklich die Kompetenz in diesem Fall?
Es gab eine Zusammenarbeit zwischen BKA und Auswärtigem Amt in einem anderen Entführungsfall, der noch gar nicht so lange zurückliegt. Es gibt Zusammenarbeit zwischen den Nachrichtendiensten und dem Auswärtigen Amt und uns im Hinblick auf solche Fragen. Wir haben die nie an die Öffentlichkeit gebracht. Und weil Sie diese Frage - wahrscheinlich zu Recht - wieder stellen und der Kollege Schily beim letzten Mal und auch heute auf solche Punkte aufmerksam gemacht hat: Ich glaube, es bedarf einer Leitschnur für die Regelung in solchen Fällen, die Rechtssicherheit gewährleistet. Ich erinnere an § 34 StGB, Notstand. Es macht keinen Sinn, darüber im nachhinein zu reden. Beim nächsten Fall taucht das Problem wieder auf, und wir streiten uns, statt daß einvernehmlich klar ist: In diesem oder jenem Abwägungsprozeß ist dies die richtige Entscheidung.
Ein Kollege aus der F.D.P. hat beim letzten Mal dieselben Fragen gestellt. Ich bin sehr dafür - wir haben nachher Gelegenheit, diese Fragen aufzuwerfen -, auch zu sagen: Hier sind Fehler passiert. Aber machen wir bitte keine Anlastung bei denen, die Entscheidungen getroffen haben, bevor eine solche Frage geklärt wurde! Ich will nur ein Beispiel nennen: Die Bundesrepublik Deutschland tut sich schwer, Deckpapiere für Deutsche auszustellen. Es gab hier ein Verfahren, das aus Gründen der Bejahung der Möglichkeit, die Paßgesetze zu interpretieren - so sage ich das einmal -, niedergeschlagen wurde.
Beim letzten Mal wurde von der PDS in der Aktuellen Stunde der moralische Zeigefinger gehoben. Sie wissen, auch aus anderen Fällen, die wir in den letzten Wochen gemeinsam betrachtet haben, daß es Notwendigkeiten gibt und daß sich die Bundesregierung - jede Bundesregierung hätte so gehandelt - nicht gescheut hat, für „DDR-Bürger" die Ausreise über Rumänien und Bulgarien mit entsprechenden Tarnpapieren zu gewährleisten. Ich will nichts über die Zahlen sagen, aber es ist erstaunlich. Letztendlich liegt es in unserer Hoheitsgewalt, wie wir die Paßgesetze in solchen Fällen zum Schutz von Menschen interpretieren und hinterher die Pässe wieder einziehen.
Einen Augenblick, Herr Staatsminister! Ich muß Sie unterbrechen. - Ich verstehe Ihr Interesse - sicherlich ist das auch ein allgemeines Interesse -, ausführliche Antworten zu geben. Wir haben aber noch 15 Fragen zu diesem Komplex und 37 Minuten für die Fragestunde. Wir
Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch
müssen uns irgendwie bemühen, im Zusammenhang der gestellten Frage zu bleiben.
Die Zusatzfrage, auf die Sie jetzt antworten, bezog sich nur auf die Rechtsgrundlage Ihrer Tätigkeit. Wenn ich es richtig im Kopf habe, kommen noch Fragen, die sich auf die Paßausstellung beziehen. Ich finde, wir müssen uns ein bißchen konzentrieren, weil sonst die Kollegen, die noch weitere Fragen gestellt haben, keine Chance haben, eine Antwort zu bekommen.
Ich bitte um Entschuldigung, daß ich unterbrochen habe.
Herr Präsident, ich bin Ihnen da sehr behilflich und will mich kurzfassen. Es ist natürlich auch von den Zusatzfragen abhängig, ob alle Fragen beantwortet werden können. Ich jedenfalls stehe zur Verfügung.
Ich rufe die Zusatzfrage des Kollegen Olderog auf.
- Sie hatten sich gemeldet. Ich meine, es muß nicht sein.
Entschuldigung, Herr Präsident. Ich möchte gern eine Frage stellen. Ich analysierte noch den Inhalt Ihrer Aussagen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Können Sie etwas darüber sagen, wie sich Spitzenleute des Bundeskanzleramtes in früheren Zeiten bei hochdringlichen Lebensrettungsoperationen verhalten haben?
Ich glaube insbesondere, daß sich ein mir persönlich bekannter Kollege der SPD in ähnlichen Fragen ähnlich verhalten hat bzw. ähnlich verhalten hätte. Es war in einem Fall eine Zusammenarbeit möglich, bei dem wir gemeinsam Erfolg hatten. Er wird andere Möglichkeiten gesehen haben in jeweils unterschiedlichen Fällen, aber ich gehe davon aus, daß der Kollege Wischnewski in ähnlichen Fällen ähnlich gearbeitet hätte. Ich gehe auch davon aus, daß mein früherer Kollege Stavenhagen in einem ähnlichen Fall genauso gehandelt hätte. Auch andere haben zu ähnlichen Instrumenten gegriffen, wenn es darum ging, Leben zu schützen und entsprechende Dinge umzusetzen.
Auch auf die Gefahr hin, daß meine Antwort zu lang ist, möchte ich sagen: Man kann sich nicht aussuchen, welcher Fall in welcher Situation auf einen zukommt. Jeder Fall war anders. Jede Kooperation war anders. Dabei sind mit absoluter Sicherheit auch Fehler gemacht worden, aber am Ende zählte der Erfolg, und es zählten nicht die Dinge, die unter Umständen nicht geordnet abliefen. In diesem Zusammenhang gibt es keine Ordnung.
Eine Zusatzfrage von Herrn Gansel.
Herr Staatsminister Schmidbauer, Ihnen wird bekannt sein, daß der Kollege Wischnewski ausdrücklich darauf hingewiesen hat, daß er in solch heiklen Situationen - Friedensinitiativen und Geiselbefreiungen - nie etwas unternommen hat, ohne engstens mit dem Auswärtigen Amt und den jeweiligen Regierungen sowie mit den Betroffenen zusammenzuarbeiten.
Nachdem Ihre sogenannte Friedensinitiative gescheitert ist und sich Kolumbien davon distanziert hat, nachdem Ihre Vertrauensperson, Herr Mauss, in kolumbianischer Haft sitzt, nachdem es Hinweise darauf gibt, daß die Geiselhaft von Frau Schoene durch das Dazwischentreten von Herrn Mauss möglicherweise verlängert wurde, und all dies nachprüfbar sein wird, frage ich Sie: Welche Konsequenzen sind Sie selbst zu übernehmen bereit, wenn sich Ihre Aussagen vor dem Parlament in wesentlichen Punkten als falsch bezüglich der Informationen, die Sie uns aus dritter Hand gegeben haben, und als falsch in der Bewertung herausstellen?
Herr Kollege Gansel, Sie müßten mich gut genug kennen, um zu wissen, daß ich dann persönlich die Verantwortung übernehme und die entsprechenden Maßnahmen ergreifen werde. Wenn ich für die Bundesregierung antworte, bin ich auf Antworten Dritter angewiesen. Ich bin auf die Dinge angewiesen, die uns als Bundesregierung zur Verfügung gestellt werden. Ich bin aber davon überzeugt, daß dies sehr präzise ist.
Ich will aber auf Ihre Frage antworten: Die Friedensgespräche, die Sondierungsgespräche sind überhaupt nicht gescheitert. Vor wenigen Stunden ist erklärt worden, daß man sich bemüht, diese Dinge wieder aufzunehmen und in diese Dinge einzutreten. Es ist auch falsch, daß sich der Kollege Wischnewski hier von mir unterscheidet.
Zur Zusammenarbeit mit dem Auswärtigen Amt kann ich Ihnen sagen: Wir waren in einem der wichtigsten und schwierigsten Fälle, die wir hatten, immer mit einer Delegation unterwegs, die von der zuständigen Stabsstelle im Auswärtigen Amt zusammengesetzt war. All die wichtigen Ministerien waren immer dabei; in vielen Fällen das Innenministerium, in einem Fall das Auswärtige Amt, das Innenministerium, das Bundeskanzleramt. Dies war bei allen Gesprächen, die geführt wurden - auch mit anderen Regierungen -, so. Auch in den jüngsten Fällen gab es direkte Gespräche unter Beteiligung einer Regierung, die nicht die Chance hatte, entsprechend zu helfen. Aber mit denen wurde über das Verfahren diskutiert. Es wurde ernst genommen, daß sich diese Regierung selbst bemüht - ohne eine Chance zu ha-
Staatsminister Bernd Schmidbauer
ben -, sich hier irgendwie hilfreich einzumischen. Darauf wurde geachtet, darauf wurde Wert gelegt. Der Kollege Wischnewski hat mir hierzu auch gratuliert.
Es gibt andere Fälle, bei denen man nicht so verfahren wäre. Ich weiß nicht, ob der Kollege Wischnewski solche Fälle hatte. Es besteht die Chance, sich darüber in einem Dialog in wenigen Tagen ausführlich zu unterhalten.
Zu Ihrer letzten Bemerkung: Ich bin im Gegenteil der Meinung, daß der Fall Schoene zu einem Zeitpunkt gelöst wurde, in dem er lösbar war. Wenn dies nicht gemacht worden wäre, hätte die Lösung wahrscheinlich noch sehr lange auf sich warten lassen. Ich bin fest davon überzeugt, daß wir diese Chance nach 90 Tagen zum richtigen Zeitpunkt hatten. Wir sind auch bereit - ich sage das noch einmal -, an einer anderen Stelle die entsprechenden Belege dafür beizubringen.
Ich rufe die Frage 21 des Kollegen Duve auf:
Wann und mit wem hat Staatsminister Bernd Schmidbauer erstmals die von ihm in der Fragestunde vom 4. Dezember 1996 erwähnten „Sondierungsgespräche im Hinblick auf Friedensgespräche" für Kolumbien geführt?
Herr Kollege Duve, ich habe dazu schon im Auswärtigen Ausschuß unter der Vereinbarung der Vertraulichkeit Stellung genommen und auch hier zitiert, mit wem erstmals diese Sondierungsgespräche geführt wurden. Ich kann dazu nicht mehr äußern. Bei den Ausführungen im Auswärtigen Ausschuß und auch hier im Verlauf dieser Fragestunde habe ich mehrfach darauf hingewiesen.
Zusatzfrage.
Herr Staatsminister, da Sie vorhin daran erinnert haben, daß es sich um Friedensgespräche handelt, bei denen man möglicherweise auch Herrn Mauss brauchen würde, frage ich: Ist den Partnern, den Bischöfen und anderen, deutlich gemacht worden, was der Herausgeber der Zeitschrift „El Tiempo" am 21. November 1996 in einem Leitartikel geschrieben hat, also vor unserer Fragestunde in der letzten Woche, daß nämlich Mauss 1983 Schutzgelder der Firma Mannesmann beim Bau einer Erdölpipeline an die Guerilla ELN gezahlt und damit entscheidend zur Wiederbelebung dieser Guerillaorganisation beigetragen hat? Santos, der Herausgeber, weiter:
Was an diesem Skandal interessiert, ist die Verantwortung dieser Unternehmen und der deutschen Regierung für die Finanzierung des Terrorismus und der institutionellen Destabilisierung in Kolumbien.
So läuft die Diskussion. Meine Frage: Ist diese Dimension des Themas mit Blick auf die Person Mauss gegenüber denen, mit denen Sie als Vermittler Friedensgespräche vorhatten, erwähnt worden?
Herr Kollege Duve, die Beantwortung dieser Frage können Sie von mir nicht verlangen; denn ich war weder in diese Dinge - wenn sie denn stattgefunden haben - involviert, noch muß ich davon ausgehen, daß mir selber all das bekannt ist, was irgendwelche Partner wissen.
Wir haben darauf geachtet, daß es nicht zu einem Markt kommt, das heißt, daß es bei Entführungen keine Trittbrettfahrer und Nachahmer gibt. Ich habe davon gesprochen, daß dies in den meisten Fällen, bei denen es um unsere Staatsbürger ging, nicht passiert ist. Einer der entscheidenden Punkte war ja - es ist in einem deutschen Magazin darüber gesprochen worden -, daß der beste Weg ist, generell zu verhindern, daß es zur Geiselnahme kommt.
Dies ist mein Ansatz und, wie ich weiß, auch Ihrer. Ich fühle mich da mit Ihrer Denkweise völlig verbunden: daß es keinen Sinn macht, ständig solche Märkte durch entsprechende Lösegeldzahlungen anzuheizen, daß wir vielmehr zu anderen Ergebnissen kommen müssen. Diese Ergebnisse können nur heißen, mitzuhelfen, daß die Situation bereinigt werden kann. In einem Fall ist das ja ganz gut gelungen. Ich darf daran erinnern, daß es seit einigen Jahren in einem bestimmten Bereich, in dem es häufig zu Geiselnahmen gekommen ist, auch aus finanziellen Gründen, eine solche Geiselnahme nicht mehr gegeben hat. Im übrigen war ich vor dem Fall Schoene der Meinung, daß dies ein Ende haben könnte. Ich war besonders betroffen, da es sich hier um eine Frau mit einem sechs Jahre alten Kind handelt.
Der Denkansatz ist ein anderer: nicht Pushen von Lösegeld, sondern - im Gegenteil - Drücken solcher Forderungen auf das Maß des Erträglichen, wenn es sich nicht anders machen läßt. Sie wissen, daß es andere Fälle gegeben hat, in denen die Bundesrepublik Deutschland Lösegeld bereitgestellt hat - nicht die Bundesregierung, sondern die betroffenen Firmen.
Ich möchte daran erinnern, bei welcher Frage wir sind:
Wann und mit wem hat Staatsminister Bernd Schmidbauer erstmals die von ihm in der Fragestunde vom 4. Dezember 1996 erwähnten „Sondierungsgespräche im Hinblick auf Friedensgespräche" für Kolumbien geführt?
Das war die Frage, die gestellt worden ist.
Sie haben dazu eine weitere Zusatzfrage, Herr Kollege Duve. Bitte.
Herr Staatsminister, hat es im Zusammenhang mit den von Ihnen mehrfach erwähnten vielfältigen Sondierungsgesprächen für Friedensverhandlungen jemals einen Kontakt zur Firma Siemens im Zusammenhang mit dem U-BahnBau in Medellin gegeben?
Nein, Herr Kollege Duve.
Dann rufe ich Frage 22 des Kollegen Frank Hofmann auf:
Hat Werner Mauss für sein Tätigwerden irgendwelche Zuwendungen bzw. Aufwandsentschädigungen seitens der Bundesregierung bzw. bundesdeutscher Behörden erhalten?
Herr Kollege Hofmann, finanzielle Zuwendungen oder Aufwandsentschädigungen hat Herr Mauss im Zusammenhang mit der Lösung humanitärer Fragen in Kolumbien von der Bundesregierung nicht erhalten. Bis 1982 hat Herr Mauss verschiedentlich im Auftrag deutscher Sicherheitsbehörden, unter anderem auch Sicherheitsbehörden des Bundes, gearbeitet. Dafür hat er auch finanzielle Zuwendungen erhalten.
Ich bitte um Verständnis, daß ich zu Einzelheiten über die Höhe und Art der Zuwendungen hier keine Auskunft geben kann. Es handelt sich um Vorgänge, die zurückliegen und teilweise frühere Bundesregierungen betreffen. Ich biete Ihnen aber eine schriftliche Beantwortung an, sofern die Einstufung dieser Berichte dies zuläßt.
Erste Zusatzfrage.
Herr Staatsminister, bestand dieses Tätigwerden vielleicht in punktuellen personellen Unterstützungen?
Das ist mir nicht bekannt. Ich habe die Unterstützung, die von unserer Seite gegeben wurde, ausführlich erläutert.
Zusatzfrage, Dr. Sperling.
Herr Staatsminister, da der Markt für humanitäre Leistungen auf dem Gebiet der Geiselbefreiung ein normalerweise außerhalb der Öffentlichkeit existierender ist und Sie mit Herrn Mauss über längere Zeit eine gewisse Zusammenarbeit gepflegt haben: Haben Sie einen Eindruck gewonnen, ob Herr Mauss auf diesem Markt als Mäzen, als Marktteilnehmer oder sogar als Marktgestalter für die spätere eigene Teilnahme tätig wurde, ähnlich wie bei der Gestaltung des Lochs in der Celler Mauer?
Herr Kollege, über letzteres weiß ich nicht Bescheid. Ich weiß aber Bescheid, daß acht Firmen eine breite Marktpalette haben. Der, wenn Sie so wollen, kleinste Teilnehmer an diesem Markt war sicherlich Herr Mauss. Über die Einstellung von Herrn Mauss in diesen Dingen kann ich nichts aussagen; das liegt nicht in meiner Kompetenz. Schon gar nicht kann ich mir eine entsprechende Meinung bilden. Ich kann mir eine Meinung dort bilden, wo es gelungen ist, ohne Lösegeld die Dinge zu regeln, so daß der Markt damit nicht angeheizt wurde.
Ich rufe Frage 23 des Kollegen Hofmann auf:
Welche konkreten Dienstleistungen wurden seitens der Bundesregierung bzw. bundesdeutscher Behörden gegenüber dem Ehepaar Mauss wann erbracht?
Herr Kollege Hofmann, die Bundesregierung hat die Aktivitäten von Herrn Mauss zur Lösung einiger dringender humanitärer Problemfälle in Kolumbien positiv begleitet. Dem Ehepaar Mauss wurden im Rahmen humanitärer Bemühungen in der Botschaft Bogota zwei Pässe und konsularische Schutzbriefe ausgestellt. Soweit der Bundesnachrichtendienst bei der Lösung der humanitären Fragen unterstützend beteiligt war - weil Sie nach bundesdeutschen Behörden fragen -, wird die Kontrollkommission darüber unterrichtet.
Ihre Zusatzfrage, bitte.
Herr Kollege Schmidbauer, meine Frage zielte auch darauf, wann diese konkreten Dienstleistungen erbracht worden sind. Ich möchte daran anschließen: Hat man bei diesen konkreten Dienstleistungen auch Wert darauf gelegt, eine Kontrolle auszuüben, das heißt, gab es Weisungen, Auflagen, Grenzen jeglicher Art, und hat man deren Einhaltung auch kontrollieren können, oder muß ich davon ausgehen, daß es quasi einen Freibrief gab.
Die zuständigen deutschen Behörden haben dies kontrolliert. Am Ende einer entsprechenden Aktivität, die wir nur begleitet haben - wir haben nicht den Auftrag dazu gegeben -, sind entsprechende Pässe bis auf eine Ausnahme wieder eingezogen worden.
Zweite Zusatzfrage.
Kann ich davon ausgehen, daß die Diensthandlungen, die dabei von der Bundesregierung oder von bundesdeutschen Behörden vorgenommen worden sind, jeweils nur mit dem zu tun haben, was im Zusammenhang mit Kolumbien und Ihren Aktivitäten steht?
Das ist mit Sicherheit nicht zutreffend. Vorhin hat Kollege Lintner darauf hingewiesen, daß es über viele Jahre, in den 70er Jahren, in den 80er Jahren, eine „Vielzahl" solcher Vorkommnisse gegeben hat, wo entsprechende Maßnahmen aus unterschiedlichen Gründen umgesetzt wurden, und daß der geringste Anteil der war, der sich auf Kolumbien und auf die Jahre 1991 bis 1996 bezogen hat.
Zusatzfrage, Herr Gansel.
13288 Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 147. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 11. Dezember 1996
Herr Staatsminister, da sich Herr Schoene erst am 30. Oktober mit der Bitte, daß Herr Mauss nun tätig werden möge, an die deutsche Botschaft gewandt hat, aber das Treffen in dem Wagen des deutschen Botschafters in Bogota zwischen dem Ehepaar Mauss, anderen Personen und Herrn Schoene bereits am 16. September stattgefunden hat und Herr Mauss dabei behauptet hat, er werde im Auftrag der Bundesregierung tätig, frage ich Sie: Wann hat die Bundesregierung das erste Mal Herrn Mauss aus dem Bundeskanzleramt oder über die deutsche Botschaft in Bogota die Unterstützung angeboten und ihm Möglichkeiten verschafft, die einem normalen Staatsbürger im Ausland nicht zur Verfügung stehen?
Herr Kollege, mir ist das neu, was Sie gesagt haben. Ich kenne auch das Treffen in dem besagten Auto nicht, ich kenne auch nicht die Teilnehmer.
Richtig ist - was ich eben ausgeführt habe -, daß es von uns eine Weisung gab, daß wir im Entführungsfall Schoene nicht tätig werden, solange eine Chance besteht, eine Lösung auf andere Art und Weise herbeizuführen. Dies ist mehrfach in Gesprächen mit Betroffenen so artikuliert worden.
Erst als auch von der BASF die dringende Bitte an uns herangetragen wurde - ich sagte vorhin, etwa 14 Tage vor der Lösung des Falles, also im November -, sind wir darangegangen, hier zu helfen. Ich kann Ihnen das Datum sagen, allerdings nicht aus meiner Erinnerung. Ich müßte meine Mitarbeiter fragen; denn einer der Mitarbeiter hat dieses Telefonat entgegengenommen.
Zunächst war auch bei uns im Amt eindeutig klar - ich sage das noch einmal -, daß wir den Fall mit einer Firma laufen lassen, die in diesem Fall tätig war, und daß wir in keiner Weise eingreifen; dies war eine Weisung. Nachdem ausdrücklich Bitten an uns gerichtet wurden, haben wir veranlaßt, zu prüfen, ob auch der betreffende Ehemann diesen Auftrag gibt.
Erst nach dem entsprechenden Gespräch etwa 14 Tage vor der Entscheidung ist Herrn Mauss diese Hilfestellung gegeben worden. Ich nehme an, das war acht Tage vor der Lösung des Falles. Es gab viele Gründe, Herr Kollege Gansel, warum wir so verfahren sind.
Herr Kollege Olderog, bitte.
Herr Staatsminister, habe ich Sie eben richtig verstanden,
daß Sie noch einmal ausdrücklich erklärt haben, daß Sie und die Bundesregierung zunächst darauf gesetzt haben, die Operation dadurch zu einem Erfolg zu bringen, daß Sie die Zusammenarbeit mit der kolumbianischen Regierung gesucht haben, und daß
Sie sich erst, nachdem das nicht erfolgreich war, bereit erklärt haben, andere Aktionen zu unterstützen?
Wir wußten, Herr Kollege Olderog, daß andere Unternehmen daran beteiligt waren.
Eine Sekunde, Herr Staatsminister. - Die Frage 23, die gestellt worden ist, heißt:
Welche konkreten Dienstleistungen wurden seitens der Bundesregierung bzw. bundesdeutscher Behörden gegenüber dem Ehepaar Mauss wann erbracht?
Es tut mir leid, Herr Kollege Olderog, ich kann beim
besten Willen keinen Sachzusammenhang erkennen.
- Herr Kollege Olderog, ich bin nicht bereit, hier über die Geschäftsführung zu diskutieren. Ein Sachzusammenhang muß gegeben sein; ich kann ihn nicht erkennen.
Ich rufe die Frage 24 des Kollegen Günter Graf auf:
Wie oft hat der Privatdetektiv Werner Mauss Staatsminister Bernd Schmidbauer oder andere Mitarbeiter des Bundeskanzleramtes im Bundeskanzleramt besucht, und hat Werner Mauss seine Identität offenbart oder falsche Papiere benutzt?
Herr Kollege Graf, Herr Mauss hat - wie ich bereits in der letzten Fragestunde ausführlich dargelegt habe - an Gesprächen im Bundeskanzleramt teilgenommen. Er trat dabei nicht unter seinem Namen auf. Nach meinem Eindruck waren sich die Vertreter der kolumbianischen Regierung, die beteiligt waren, der Rolle des Herrn Mauss bewußt, die dieser im Zusammenhang mit den Gesprächen übernehmen sollte.
Zusatzfrage, Herr Kollege Graf, bitte.
Nur eine Zusatzfrage. Sie sind auf die Fragestunde vom 4. Dezember eingegangen. Damals hat der Kollege Bachmaier sehr dezidiert gefragt, wie oft es zu Begegnungen gekommen ist. Sie haben seinerzeit zugesichert, diese Frage schriftlich zu beantworten. Wenn meine Informationen zutreffend sind, ist diese Antwort bis zum heutigen Tage nicht erfolgt. Auch hier haben Sie sie nicht gegeben.
Herr Kollege Graf, das ist unrichtig. Ich habe damals von keiner schriftlichen Beantwortung 'gesprochen, sondern ich habe die Antwort gegeben; sie können sie im Protokoll nachlesen. Sollte es zu einem Versehen gekommen sein, ist mir das zum erstenmal
Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 147. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 11. Dezember 1996 13289
Staatsminister Bernd Schmidbauer
bewußt. Die Antwort wird dann selbstverständlich unmittelbar nachgeholt. Kollege Bachmaier sitzt hier. Ich kann mich an nichts anderes als das erinnern, was ich gerade dargestellt habe. Ich habe allerdings das Protokoll daraufhin nicht noch einmal gelesen.
Zusatzfrage des Kollegen Verheugen.
Herr Staatsminister, nach Ihrer Auffassung war den kolumbianischen Gesprächsteilnehmern die Identität von Werner Mauss bekannt. Wie beurteilen Sie dann mir vorliegende Äußerungen der kolumbianischen Regierung, daß dies nicht der Fall war und daß sie, wäre es der Fall gewesen, jeden Kontakt abgelehnt hätte?
Ich kann es Ihnen, Herr Kollege Verheugen, nicht erklären. Ich weiß es nicht und kann dies dann auch nicht interpretieren. Ich mußte davon ausgehen, daß die Identität von Herrn Mauss bekannt war.
Herr Kollege Bachmaier, eine Zusatzfrage.
Herr Staatsminister, ist Ihnen Ihre damalige Antwort auf meine Frage bekannt, die wie folgt lautete:
Herr Kollege Bachmaier, ich kann Ihnen jetzt diese sehr komplizierte Frage nicht beantworten. Ich bin aber gerne bereit, eine Aufstellung zu machen und sie Ihnen zu geben.
Sie haben mir somit eine Aufstellung zugesichert, die ich aber bis heute nicht erhalten habe. Ist Ihnen das entgangen?
Nein, Herr Kollege Bachmaier, in einer der weiteren Antworten ist genau auf diese Zahl eingegangen worden. Ich habe Ihnen das auch noch in der letzten Fragestunde gesagt: Jetzt liegt es mir präzise vor. - Ich habe diese Antwort also gegeben. Ich prüfe es aber nach, Herr Kollege Bachmaier. Sie wissen, die Antwort wird Ihnen dann auch gegeben.
Wenn es ein Mißverständnis gegeben hat, tut es mir leid. Ich war der Meinung, die Zahl sei nachher im Zusammenhang mit einer anderen Frage genannt worden, worauf ich Sie auch hinwies. Ich prüfe das aber nach; meine Mitarbeiter haben es jetzt registriert.
Zusatzfrage, Dr. Sperling.
Herr Staatsminister, worauf stützt sich Ihre Annahme, daß den kolumbianischen Stellen die Identität von Herrn Mauss bekannt war. Hatten Sie Gründe anzunehmen, daß der kolumbianische Geheimdienst alle Decknamen von
Herrn Mauss kannte und auch den Regierenden mitgeteilt hatte?
Nein, Herr Kollege Sperling. Ich habe dazu vorhin Ausführungen gemacht und möchte nicht mehr dazu sagen, als daß sich die Situation und die gegenseitige Bekanntheit dieser Gesprächsteilnehmer meiner Kenntnis entzieht. Ich habe aber vorhin aus einem Schreiben zitiert, demzufolge eine bestimmte Stelle sehr wohl die Identität von Herrn Mauss kannte.
Ich rufe die Frage 25 des Kollegen Volker Neumann auf:
Trifft es zu, daß bei den Gesprächen zwischen Staatsminister Bernd Schmidbauer und den Vertretern der kolumbianischen Regierung, an denen der Privatdetektiv Werner Mauss teilgenommen hat, dieser von Staatsminister Bernd Schmidbauer mit falschem Namen vorgestellt und angeredet worden ist, und zu welchem Zeitpunkt haben die kolumbianischen Regierungsvertreter nach Kenntnis von Staatsminister Bernd Schmidbauer erfahren, daß es sich bei dem Gesprächspartner um den Privatdetektiv Werner Mauss handelt?
Herr Kollege Neumann, das entspricht dem Fragekomplex von vorhin. Ich wiederhole es kurz: Nach meinem Eindruck waren sich die Vertreter, die an den Gesprächen beteiligt waren, der Person und der Rolle des Herrn Mauss, die dieser in Sondierungsgesprächen übernehmen sollte, bewußt.
Zusatzfrage.
Das ist richtig. Sie haben ja gerade schon geantwortet. Aber Sie unterscheiden immer zwischen Rolle und Identität. Ich frage Sie also: War den kolumbianischen Regierungsvertretern die Identität, also daß es sich um Werner Mauss handelte, bekannt? Wenn ja, welchen Sinn macht es dann noch, daß er unter falschem Namen auftrat?
Herr Kollege Neumann, das entzieht sich meiner Kenntnis. Ich habe Verständnis für die Frage. Allerdings weiß ich, daß Herr Mauss zum damaligen Zeitpunkt im Hinblick auf seine eigene Situation der letzten Jahre - vorhin habe ich davon gesprochen - eine entsprechende Abdeckung hatte. Aus diesem Grunde ist sicherlich der Name Mauss nicht verwandt worden. Ich kann Ihnen auch nicht sagen, wer welche Rolle oder welche Identität erkannt hat oder nicht. Für mich war in diesem Zusammenhang die Aufgabe von Herrn Mauss wichtig, die er zu übernehmen hatte. Darüber waren sich wohl die Gesprächspartner im klaren.
Besaß Herr Mauss zu diesem Zeitpunkt einen auf den Namen ausgestellten Paß, mit dem er sich bei den kolumbianischen Gesprächspartnern vorgestellt hat?
Ja, ich gehe davon aus. Er ist ja mehrfach in Kolumbien eingereist.
Ich rufe jetzt die Frage 26 des Kollegen Neumann auf:
Worauf stützt sich die Annahme der Bundesregierung, daß der kolumbianischen Regierung die tatsächliche Identität der ihr unter dem Namen Möllner vorgestellten Person bei den Gesprächen im Kanzleramt bekannt war?
Ich darf auf die Antworten zur Frage 25 und die Zusatzfragen verweisen.
Die Fragen 27 und 28 des Kollegen Weisskirchen werden schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich rufe die Frage 29 des Kollegen Bachmaier auf:
Welche detaillierten Kenntnisse hat die Bundesregierung bzw. Staatsminister Bernd Schmidbauer von den bisherigen langjährigen Aktivitäten des Agenten Werner Mauss und dessen Ehefrau in Kolumbien?
Herr Kollege Bachmaier, die Frage ist vorhin von Ihnen schon gestellt worden. Die Bundesregierung hat keine detaillierten Erkenntnisse über Art und Umfang der vom Ehepaar Mauss in Kolumbien betriebenen Geschäftstätigkeit.
- Wir haben aus der Presse dieselben Informationen wie Sie.
Entschuldigen Sie bitte, Herr Staatsminister. - Herr Kollege Bachmaier, Ihre Zusatzfrage bitte.
Herr Staatsminister, haben Sie sich, als Sie sich zum erstenmal der Hilfe von Herrn Mauss bedient haben, über dessen Qualifikation, Diskretion, Kompetenz und Zuverlässigkeit zur Lösung solch schwieriger Fragen vergewissert? Wenn ja, auf welche Weise?
Herr Kollege Bachmaier, diese Frage hätte eine sehr lange Antwort nötig. In kurzer Form kann ich sie Ihnen nicht vollständig beantworten. Ich habe mich vergewissert, daß Herr Mauss im Rahmen seiner Arbeit in Kolumbien Erfolg hatte, was die Lösung solcher Fragen und die Herstellung von Kontakten anlangte.
Ansonsten habe ich mir kein Leumundszeugnis oder andere Zeugnisse geben lassen. Ich glaube auch nicht, daß es im Rahmen seiner Tätigkeit notwendig gewesen ist. Für uns war ausschlaggebend, daß er in der Lage war, solche Fälle zu lösen.
Zweite Zusatzfrage.
Herr Staatsminister, haben Sie, als Sie zum erstenmal mit Herrn Mauss Kontakt hatten und seine Dienste angenommen haben, beim Bundeskriminalamt und Bundesnachrichtendienst Informationen über die bisherigen Erfahrungen im Umgang mit Herrn Mauss eingezogen? Wenn ja, mit welchem Ergebnis?
Im Zuge der ersten Maßnahme, die getroffen wurde, war klar, daß Erkenntnisse des Bundesnachrichtendienstes vorlagen. Es gab aber keine Bemühungen, mich oder andere in irgendeiner Weise darüber aufzuklären, daß Gründe gegen eine Mitarbeit von Mauss vorlagen. Im Zusammenhang mit der ersten Maßnahme gab es andere Probleme. Dabei ging es nicht um die Person von Mauss und seine Vergangenheit, sondern um die Klärung der Frage, wie bestimmte Leute ausreisen konnten.
Es mag sein, daß ich einen Fehler gemacht habe, indem ich mir nicht alle Informationen über Mauss habe vorlegen lassen. Herr Kollege Bachmaier, angesichts der Tatsache, daß Dinge behauptet wurden, die sich bei näherer Betrachtung nachträglich als falsch erwiesen haben, gebe ich aber auch zu bedenken, ob all die vorliegenden Informationen nicht zum Teil aus einem großen Märchenbuch stammen.
Zusatzfrage? - Dr. Sperling.
Hat Ihnen der BND mitteilen können, daß aus einem anderen Ressort der Bundesregierung so etwas wie eine längerfristige Dotation oder Alimentation von Herrn Mauss, wenn auch vielleicht unter einem anderen Namen, bekanntgeworden ist?
Ich habe vorhin ausgeführt, daß nach unseren Erkenntnissen diese Dotationen im Jahre 1982 aufgehört haben und daß es eine große Zahl von Vorgängen gegeben hat, die mit den aktuellen Vorgängen nichts zu tun haben. Es handelte sich um eine Kette von Vorgängen - das kann man auch den Auskünften entnehmen, die die Kollegen des Innenministeriums hier gegeben haben -, die keiner besonderen Bewertung bedurft haben. Das ist aktenkundig. Aber die Informationen aus den Akten, die ich heute kenne, kannte ich vor einigen Wochen nicht, Herr Kollege Sperling.
Herr Kollege Olderog.
Herr Staatsminister, hat Herr Mauss eine gewisse Qualifikation dadurch vorweisen können, daß er in vergleichbaren Operationen die Geiseln mit Erfolg befreit hatte?
Das war uns bekannt; das ist auch Mitgliedern der SPD-Fraktion bekannt gewesen.
Herr Kollege Schily.
Herr Kollege Schmidbauer, wir sind uns doch sicherlich darüber einig, daß es sich um heikle Missionen handelte, mit denen Sie Herrn Mauss beauftragt haben. Haben Sie sich wirklich auf die bloße Erkenntnis beschränkt, daß er irgendwo einen Erfolg hatte? Haben Sie sich nicht detaillierte Erkenntnisse darüber verschafft, welche Aktivitäten - und unter welchen Begleitumständen - Herr Mauss früher unternommen hat? Wenn sich zum Beispiel herausgestellt hätte - dieser Vorwurf ist ja in der Welt -, daß sich Herr Mauss am Drogen- und Waffenschmuggel beteiligt haben soll, hätten Sie sicherlich gesagt - ich kann mir das vorstellen -, mit dieser Person ließen sich solche Aktionen nicht so gut durchführen. Insofern ist es mir völlig unverständlich, daß Sie hier dem Parlament berichten, Sie hätten sich über die früheren Tätigkeiten des Herrn Mauss keine Gewißheit verschafft.
Herr Kollege Schily, Sie beweisen im Augenblick mit den zwei Beispielen des Drogen- und Waffenschmuggels - offensichtlich im Jahre 1990 -, daß wir beide nichts wissen und beide von der Unschuldsvermutung ausgehen müssen.
- Ja, natürlich. Mir war das aber zum damaligen Zeitpunkt nicht bekannt. Damals sind solche Vorwürfe nicht erhoben worden.
Herr Kollege Schily, das geht nicht.
Herr Kollege Schily, ich weiß, was damit bezweckt ist. Sie können doch nicht, wenn in dieser Woche in einem Magazin steht - -
Herr Kollege Schily, Sie haben nicht das Wort.
Herr Schily, Sie haben es soeben zitiert. Ich möchte jetzt nicht mit dem Präsidenten in Streit geraten, wenn ich auf Ihre Zurufe antworte. Herr Präsident, wenn ich darf, dann möchte ich gerne antworten.
Herr Staatsminister, Sie haben das Wort. Sie dürfen bzw. müssen.
Sie können nicht Dinge in die Welt setzen und mir unterstellen, daß ich das nicht geprüft habe. Von diesen Vorwürfen habe ich erst seit Montag Kenntnis. Ich bin nicht einmal überzeugt, daß sie stimmen.
Dann gebe ich dem Kollegen Gansel das Wort zu einer Zusatzfrage.
Herr Staatsminister, ist diese Frage von Herrn Schily nicht deshalb um so mehr berechtigt, und führt sie nicht in das Zentrum der politischen Vorwürfe, die wir an Sie richten, da Herr Mauss zwar nach Ihren eigenen Auskünften heute erst nach dem 31. Oktober 1996 in den Entführungsfall eingeschaltet worden ist, von Ihnen aber bereits im Sommer desselben Jahres als politischer Vermittler in einer hochsensiblen und hochbrisanten politischen Angelegenheit verwendet worden ist, für die man Erfahrung, Vertrauen und Zuverlässigkeit braucht, und dies vor dem Hintergrund des Abbruchs der Zusammenarbeit von BND, Bundesverfassungsschutz und Bundeskriminalamt mit Herrn Mauss seit Anfang der 80er Jahre?
Herr Gansel, ich vermute, daß ich die ganze Zeit an Ihnen vorbeigeredet habe. Das war doch überhaupt nicht das Problem. Das Problem bestand darin, daß eine spezielle Verbindung von ihm aufgebaut wurde, die wir nutzen wollten - übrigens in einem Magazin vom Montag dieser Woche nachzulesen, wo dies beschrieben ist. Das war die Aufgabe. Sie aber bringen das jetzt in den Gesamtzusammenhang mit all den Maßnahmen, die im Zuge der Probleme dieser Geiselnahmen zu klären waren, oder auch in den Zusammenhang der Sondierungsgespräche. Es wäre sehr eng gefaßt, wenn Sie das in Ihrer Beurteilung so sehen würden. Ich hätte mich dann umsonst bemüht, bin aber gerne bereit, mit Ihnen auch darüber noch einmal zu sprechen.
Damit komme ich zur Frage 30 des Abgeordneten Hermann Bachmaier:
Wann hat Staatsminister Bernd Schmidbauer den Chef des Bundeskanzleramtes, Friedrich Bohl, oder den Bundeskanzler informiert, daß er den Privatdetektiv Werner Mauss bei den von ihm in Kolumbien initiierten Operationen eingeschaltet hat, und wann hat der Chef des Bundeskanzleramtes, Friedrich Bohl,
Präsidentin Dr. Rita Süssmuth
oder der Bundeskanzler den von Staatsminister Bernd Schmidbauer in Kolumbien geplanten Initiativen und der Einschaltung des Privatdetektivs Mauss zugestimmt?
Herr Kollege Bachmaier, wie ich bereits in der letzten Fragestunde des Deutschen Bundestages dargelegt habe, wurden der Bundeskanzler und der Bundesminister Bohl in allgemeiner Form über Bemühungen um die humanitäre Lösung von Entführungsfällen und über Sondierungsgespräche über eine Initiative zur inneren Befriedung Kolumbiens unterrichtet. Herr Mauss wurde von mir nicht erwähnt.
Im übrigen ist die in der Frage enthaltene Unterstellung, ich hätte in Kolumbien Operationen initiiert, falsch. Darauf will ich nur am Rande hinweisen.
Ihre erste Zusatzfrage.
Herr Staatsminister, können Sie uns bitte mitteilen, welche Informationen sich hinter dieser schwammigen Formulierung „in allgemeiner Form" verbergen? Was wurde in diesem Fall konkret mitgeteilt?
Herr Kollege Bachmaier, ich bin bereit, meine Antwort zu wiederholen. Ich bin auch bereit, Ihnen zu sagen, daß wir diese Dinge hier im Informationsaustausch angesprochen haben. Ich bin nicht bereit, Ihnen hier in der Fragestunde Auskunft über Details innerhalb der Bundesregierung zu geben. Das sage ich, damit klar ist, daß auch schon der Versuch mit ähnlichen Fragen an anderer Stelle durch andere Personen erfolglos war.
Ich habe Ihnen erklärt, daß bei all diesen Bemühungen Bundesminister Bohl sowohl hinsichtlich der Lösung von Entführungsfällen als auch über Sondierungsgespräche über eine Initiative unterrichtet war. Dies war nicht eine Unterrichtung im Vorbeigehen, sondern es gab Gespräche und eine Unterrichtung. Ich habe auch erwähnt, daß der Bundeskanzler über diese Dinge ebenfalls in allgemeiner Form unterrichtet war.
Ihre zweite Zusatzfrage.
Wie häufig haben diese Informationen des Bundeskanzlers und des Chefs des Kanzleramtes während Ihrer Kontaktphase mit Herrn Mauss stattgefunden?
Herr Kollege Bachmaier, ich bleibe bei meiner Formulierung. Auch Sie wissen, daß ich hier jetzt nicht die Zahl der Kontakte aufführen kann. Ich will es ungefähr abschätzen - ich weiß es nicht genau -: Es gab mehrere Gespräche über diese Fragen.
Die Fragestunde ist damit beendet.
Sie ist aber trotzdem beendet.
Frau Präsidentin, ich bin sehr froh, daß Herr Struck nicht mehr zu seiner Frage kommt,
aber nicht deshalb, weil ich nicht antworten will, sondern weil ich ihm meine Antwort schriftlich gebe.
Damit beende ich die Fragestunde. Herzlichen Dank, Herr Schmidbauer.
Ich rufe den Zusatzpunkt 2 auf:
Aktuelle Stunde
auf Verlangen der Fraktion der SPD
Haltung der Bundesregierung zu den steigenden Zahlen von Insolvenzen
Es beginnt die Kollegin Sabine Kaspereit.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das traurigste Kapitel deutscher Wirtschaftspolitik: Insolvenzen. Wie traurig die Bilanz des Mißerfolges ist, möchte ich Ihnen an Hand eines Beispiels schildern.
Im Jahre 1955 gründet ein engagierter und vom Aufbauwillen der Nachkriegszeit getragener Mann eine mittelständische Maschinenbaufirma in der DDR und beschäftigt 50 Menschen. Er ist für einen Ort mit 2000 Einwohnern der Hauptarbeitgeber. 17 Jahre später wird dieser Betrieb zwangsverstaatlicht, Der Enteignete darf als Zweigstellenleiter eines Kombinates seinen ehemaligen Betrieb leiten. 1990 wird das Unternehmen reprivatisiert und seinem Besitzer zurückgegeben. 1991 verstirbt dieser Mann, und sein 24 Jahre alter Sohn übernimmt die Firma. Der junge Mann, damals noch Student, sichert in der Folgezeit 32 Arbeitsplätze, schafft drei Lehrstellen, stellt Behinderte ein, akquiriert neue Kunden und schließt nebenher sein Studium als Diplomingenieur ab. Hut ab vor dieser Persönlichkeit!
Im Oktober 1996 steht diese Firma vor dem Aus. Nur zwei Monate Marktwirtschaft unter dieser Regierung schaffen das, was 35 Jahre Planwirtschaft nicht geschafft haben. Im Oktober 1996 meldet SKET Gesamtvollstreckung an. Die Treuhandnachfolge BvS, das Bundeswirtschaftsministerium und der Sequestor schieben Verantwortlichkeiten wie Mensch-
Sabine Kaspereit
ärgere-dich-nicht-Steinchen durch das absurde Spiel, und dieser junge Mann bleibt auf unbezahlten Rechnungen sitzen. Ergebnis: Folgeinsolvenz.
Hochverschuldet, die eigenen Zulieferer im Nakken, dem Erbe seines Vaters verpflichtet und den Beschäftigten gegenüber verantwortlich, erlebt dieser junge Mann erschüttert die Folgen Ihrer Wirtschaftspolitik. Schlimmer noch in diesem Fall: Die BvS, also die Bundesrepublik Deutschland, agiert als SKET GmbH, das heißt als Gesellschaft mit beschränkter Haftung.
Das ist ein Einzelschicksal unter Tausenden. In diesem Jahr werden wir mit 33 000 Insolvenzen rechnen müssen, 15 Prozent mehr als im Vorjahr. Die Bundesregierung, nie müde, sich als Förderer des Mittelstands zu brüsten, wird feststellen müssen, daß eben dieser Mittelstand die Masse der Insolvenzen ausmacht. Blicken wir in das Jahr 2000, sieht die Prognose mit 43 000 Insolvenzen noch düsterer aus.
Auch das Gründungsgeschehen läßt keine Freude aufkommen. In Ostdeutschland sind im Zeitraum von 1991 bis 1995 insgesamt 36 Prozent der gegründeten Betriebe wieder liquidiert worden. Da hier im Hause so gern der Vergleich mit anderen Ländern gesucht wird, nenne ich Ihnen einige Zahlen. In anderen Ländern ebbte die Pleitewelle deutlich ab, Beispiel Dänemark: 21 Prozent weniger Pleiten, Beispiel Schweden: 25 Prozent weniger Pleiten. Europaweit wird mit einem Rückgang der Zahl der Konkurse gerechnet, nur in Deutschland nicht.
Statt dessen hat sich die Zahl der Insolvenzen in der Regierungszeit Kohl mehr als verdoppelt. Sieht so eine erfolgreiche Wirtschaftspolitik aus?
Bereits im Mai 1995 hat die SPD-Fraktion mit ihrer Großen Anfrage zu Insolvenzen in der deutschen Wirtschaft versucht, Licht in das Dunkel dieser Politik zu bringen. Gefragt nach den Ursachen erhöhter Konkursgefährdung, heißt es in der Antwort, die Ursachen seien vielfältig, und als Indikatoren hätten sich Rechtsform, das Alter, der Umsatz und die Branche herauskristallisiert. Wer so Ursachenforschung betreibt, darf sich über die Tatsachen nicht wundern.
Werfen wir einen Blick auf die wahren Insolvenzgründe: Managementfehler, fehlerhafte Finanzierung, Eigenkapitalmangel, hohe Belastung mit beschäftigungsunabhängigen Fixkosten, Umsatzeinbrüche durch Kaufkraftschwund, Forderungsausfälle wie bei meinem Beispiel mit Dominoeffekt, Preisdruck, Zahlungsmoral vor allen Dingen auch der öffentlichen Auftraggeber.
Um Ihren stereotypen Vorwurf zu widerlegen, die SPD habe keine Alternativen vorzulegen, verweise ich auf die Anträge der SPD-Fraktion. Werfen Sie
einmal einen Blick hinein! Sehen Sie sich zum Beispiel unseren Antrag zur Beendigung des Stillstands in der Mittelstandspolitik an. Um Managementfehler zu minimieren, haben wir die Verstärkung betriebswirtschaftlicher Beratung gefordert. Um Forderungsausfälle zu überbrücken, haben wir Notfallfonds vorgeschlagen. Das sind nur Beispiele.
Oder nehmen Sie unseren Antrag „Stärkung des Kapitalmarkts Deutschland". Um dem Eigenkapitalmangel entgegenzutreten, schlugen wir Ihnen eine Mittelstandsbörse, die Förderung des Aktiensparens, die Beteiligung der Arbeitnehmer am Produktivvermögen und weitere konkrete Maßnahmen zur Mobilisierung von Risikokapital vor.
Maßnahmen, die dem Mittelstand unter die Arme greifen und Insolvenzen vorbeugen sollten, lehnen Sie von der Regierungskoalition ab.
Selbst Ihre Antworten auf unsere Große Anfrage zur Förderung einer Existenzgründerbewegung belegen den Unwillen der Regierung, Wirtschaftspolitik als gestalterische Chance zu begreifen. Sie sehen für die vorgeschlagenen Maßnahmen keine Notwendigkeit, sehen darin keine Aufgabe des Staates und halten weitergehende staatliche Maßnahmen für entbehrlich.
Diese Politik der Untätigkeit ist angesichts der Insolvenzen, angesichts des Schadensvolumens von 62 Milliarden DM, ein Schlag in das Gesicht des Mittelstandes.
Frau Kaspereit, kommen Sie zum Schluß.
Das neue Kapital, das sich in den neuen Bundesländern gerade zu bilden beginnt, nicht zuletzt auch mit öffentlicher Hilfe, wird vernichtet.
Wir sollten uns jedoch jetzt nicht nur auf die Aufgabe versteifen, eine Gründerwelle hervorrufen zu wollen. Wir sollten alle Kraft darauf verwenden, Pleitewellen zu verhindern. Doch das sollte man nicht in einer Aktuellen Stunde abhaken.
Als nächster spricht in der Aktuellen Stunde der Kollege Hansjürgen Doss.
Frau Präsidentin! Meine verehrten Kollegen! Liebe Frau Kaspereit, vie-
Hansjürgen Doss
les von dem, was Sie vorgetragen haben, entspricht den Tatsachen. Der Hinweis, wie etwas verhindert oder verbessert werden kann, ist ausgeblieben.
- Vielleicht werden Sie sich noch eine Sekunde beherrschen können. Dann können Sie sich mit der ganzen Argumentationskraft, zu der Sie möglicherweise fähig sind, äußern.
- Was wollen Sie jetzt machen? Wollen Sie mich irritieren, oder was ist Ihre Absicht? Warum reden Sie dauernd dazwischen?
- Lassen Sie mich doch einmal reden!
Ich halte es, um es einmal ganz klar zum Ausdruck zu bringen, schlicht und einfach für eine Heuchelei, daß die SPD für heute eine solche Aktuelle Stunde gefordert hat, vor dem Hintergrund, daß sie alle Entlastungen für die Wirtschaft, die wir vorgeschlagen haben, sowohl hier im Haus wie auch im Bundesrat blockiert.
Das ist doch die Tatsache.
Reden wir hier einmal von Tatsachen! Nach einer Umfrage der „Creditreform" ist der Mangel an Eigenkapital die eigentliche Ursache für Insolvenzen.
- Warum schreien Sie denn so?
Bei einem Fünf -Minuten-Beitrag muß dem Redner zumindest die Möglichkeit gegeben werden, daß er diese fünf Minuten auch nutzen kann.
Was heißt denn „ärgern"? Sie können doch die Wahrheit nicht ertragen. Sie sind eine Blockiererfraktion geworden. Die Strategie Ihres Parteivorsitzenden ist: Es ist völlig egal, was mit der Republik passiert, solange Sie Blokkadepolitik betreiben können und damit die Hoffnung haben, diese Koalition zu erschüttern.
Um es Ihnen deutlich zu sagen: Das wird Ihnen nicht gelingen.
Wir werden unseren Weg weitergehen und am Ende, bei den nächsten Wahlen, die Zustimmung unserer Mitbürger haben.
60 Prozent der Unternehmen im Westen haben weniger als 20 Prozent Eigenkapital.
Daraus, Frau Kaspereit, wäre für Sie - ich kenne Sie als eine differenzierende, sympathische Kollegin - die logische und notwendige Konsequenz erkenn-bar--
- Das gilt für Sie weniger. Allein die Stimmlage und die Art, wie Sie miteinander reden, führt nicht zusammen, sondern trennt.
Schon allein die Art und Weise, wie Sie das machen, zeigt dies.
Auf Grund dieser Tatsache, dieser geringen Eigenkapitalquote, müßte dringend eine Entlastung der Betriebe erfolgen.
In der Frage der Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer kommt von Ihnen ein absolutes Nein.
In der Frage der Vermögensteuer haben Sie nichts anderes gemacht, als die alte Klamottenkiste wieder aufzumachen und die Leute mit Ihren Neidparolen zu verunsichern. Sie wissen ganz genau, daß - von der Frage der Entlastung der großen, nämlich der kapitalintensiven Betriebe, der Kapitalgesellschaften, einmal abgesehen - 90 Prozent der Betriebe, die von der Vermögensteuer betroffen sind, mittelständische Betriebe sind.
Im übrigen sage ich in bezug auf Ihre Neidkampagne: 70 Prozent der Vermögensteuerzahler liegen beim Einkommen im Bereich von 55 000 DM bei Ledigen bzw. von 110 000 DM bei Verheirateten. Ihre ganze Kampagne hat tönerne Füße.
Es ist absolut nicht zu verantworten, daß Sie eine Aktuelle Stunde beantragen und sich jedem Versuch der Entlastung der Betriebe, den wir hier vorgetragen haben, jeweils aus vordergründigen, parteipolitischen Erwägungen verweigern. Das halte ich für eine absolute Heuchelei; deswegen muß dies hier mit allem Nachdruck gesagt werden.
Wenn Sie etwas für die bessere Kapitalausstattung der Betriebe machen wollen, dann stimmen Sie unseren Reformkonzepten zu! Bisher haben Sie nur nein gesagt. Blockadepolitik bringt uns nicht weiter.
Hansjürgen Doss
Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.
Wollen Sie das jetzt untereinander weiterführen, oder kann Frau Schönberger reden? - Frau Schönberger hat das Wort.
Ich warte vielleicht, bis die Herren fertig sind. -
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Pleiten gehören ebenso zu unserem System wie Existenzgründungen. Aber daß Deutschland in puncto Pleitenzunahmen weit über dem Durchschnitt der Europäischen Union liegt, sollte eigentlich die Bundesregierung zu politischem Handeln zwingen.
Wir haben es nicht mehr nur mit Insolvenzen von Unternehmensgründerinnen und -gründern zu tun; mehr und mehr sind es auch ältere, traditionelle mittelständische Unternehmen, die zur Aufgabe gezwungen werden. Wir alle wissen doch, daß sich hinter diesen Insolvenzzahlen ein tiefgreifender gesamtwirtschaftlicher Umstrukturierungs- und Zentralisationsprozeß verbirgt.
Zu wessen Lasten geht das? Zu Lasten des Mittelstandes, den gerade Sie, meine Herren von der F.D.P., immer so auf Ihren Schild heben. Was tun Sie dagegen? Nichts. Im Gegenteil, Sie versuchen Ihr Heil darin zu finden - auch der Kollege von der CDU hat es eben gerade wieder praktiziert -, daß Sie versuchen, in der Gesellschaft unten noch etwas einzusparen, um oben Besitzstandswahrung betreiben zu können. Aber Ihnen wird nicht entgangen sein, daß dies nicht nur die parlamentarische Opposition nicht mitträgt, sondern daß immer größere Teile der Gesellschaft nicht bereit sind, diesen Weg mitzugehen.
Es ist völlig klar, daß es keinen Königsweg gibt, der die Wirtschafts- und Arbeitsmarktprobleme von heute auf morgen beseitigt. Wer diesen Eindruck erweckt, hat entweder von Wirtschaftspolitik keine Ahnung oder redet unlauter. Keine Partei und auch kein Wirtschaftswissenschaftler kann, indem man an einem Schräubchen dreht oder einen Hebel umlegt, prall gefüllte Auftragsbücher und Vollbeschäftigung herbeiführen.
Aber man kann natürlich erstens die Probleme ausmachen, zweitens die politischen Rahmenbedingungen verbessern und drittens eine gestaltende, ökologische und damit zukunftsorientierte Wirtschaftspolitik entwickeln.
Bei der Problemanalyse habe ich so meine Zweifel bezüglich der Kompetenz der Bundesregierung; bei den politischen Rahmenbedingungen sollten wir uns eigentlich in Teilen zumindest theoretisch verständigen können, auch wenn Sie von der Regierungsseite sich bisher nicht besonders dadurch hervorgetan haben, daß sie tatsächlich Konsequenzen haben ziehen lassen.
Ich meine damit erstens insbesondere die Frage der Eigen- und Risikokapitalausstattung von Firmen und von Existenzgründerinnen und Existenzgründern, zweitens die Verbesserung der Zahlungsmoral gerade auch der öffentlichen Hand. Es ist schlechterdings ein Unding, daß Unternehmen, die volle Auftragsbücher haben, Konkurs anmelden müssen, weil die Zahlungsmoral mit schlechter wirtschaftlicher Lage auch immer schlechter wird.
Deshalb fordern wir die Bundesregierung auf, ihre Möglichkeiten dort zu nutzen, wo sie sie hat, nämlich bei der öffentlichen Hand, so daß wenigstens die Zahlungsfristen der öffentlichen Hand verkürzt werden.
Ich meine damit drittens das Lichten des Förderdikkichts. Es gibt derzeit einen Dschungel von unterschiedlichen Förderinstrumenten unterschiedlicher Ebenen: von der EU-Förderung bis hin zur kommunalen Wirtschaftsförderung. Wir stellen immer wieder fest, daß gerade kleine und mittelständische Unternehmen gar nicht die Kapazitäten haben, in diesem Förderwust die Maßnahme zu finden, die auf sie zutrifft. Eine Vereinfachung der Förderung ist schon lange überfällig, ebenso die Einführung von Beratungsstellen vor Ort. Ebenfalls notwendig ist, daß die Bundesregierung ihren Einfluß geltend macht, die teilweise unerträglich lange Zeit der Förderverfahren bei den Hausbanken zu verkürzen.
Doch aus unserer Sicht wäre das grundsätzlich Entscheidende, zu begreifen, daß der ökologische Umbau der Industriegesellschaft nicht nur sachlich überlebensnotwendig ist, sondern auch die Möglichkeiten zu einem zukunftsweisenden innovativen Strukturwandel bietet.
Sie wissen, daß wir im Frühjahr vom Ökoinstitut ein Energiewendeszenario haben berechnen lassen. Eine entscheidende Frage dabei war für uns: Welche Arbeitsplatzeffekte hat die Energiewende? Das Spannende an dem Ergebnis war, daß es im Saldo einen Gewinn an Arbeitsplätzen gibt, und zwar gerade an Arbeitsplätzen im Mittelstand, also in den Bereichen, die dezentral, kundenorientiert und problemorientiert arbeiten.
Ursula Schönberger
Dies ist nur ein Beispiel von sehr vielen, die zeigen, daß es sinnvoll und notwendig ist, das, was politisch getan werden muß, nämlich den ökologischen Umbau, der die Zerstörung unserer natürlichen Lebensgrundlagen aufhalten soll, und das, was sozial und wirtschaftlich notwendig ist, zusammenzutun.
Wir können uns hier vielleicht - auch mit Ihnen - über die technischen Parameter verständigen. Aber klar ist, daß mit dieser Bundesregierung ein solcher zukunftsfähiger ökologischer Strukturwandel nicht möglich sein wird.
Als nächster Redner spricht der Kollege Paul Friedhoff.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist richtig, daß die Insolvenzzahlen bedauerlicherweise ansteigen. Bis August 1996 sind in den alten Ländern 11 967 Liquidationen - das bedeutet gegenüber dem Vorjahr einen Anstieg um über 10 Prozent -, in den neuen Ländern etwa 4 900 Liquidationen zu verzeichnen; das bedeutet eine dramatische Steigerung gegenüber dem Vorjahreszeitraum um über 35 Prozent.
Diese Zahlen für sich genommen erlauben aber keine fundierte wirtschaftspolitische Aussage zur Standortqualität, da das Gründungsgeschehen sicher auch mit der Gründungsbilanz in Verbindung gebracht werden muß. Diese wird jährlich erhoben. Die Zahlen für 1996 können noch nicht vorliegen.
In der Vergangenheit hat sich aber gezeigt, daß ein recht ordentlicher Zusammenhang zwischen den Gründungszahlen und dem Volumen der Anträge besteht, die für die Existenzgründungsprogramme vorliegen. Da stellen wir weiterhin einen sehr starken Anstieg fest. Es gibt also eine rege Gründungstätigkeit. Per saldo wird der Unternehmensbestand in den neuen und in den alten Ländern vermutlich trotz der hohen Insolvenzen auch in diesem Jahr zunehmen.
Wichtiger, als diese statistischen Momentaufnahmen zu untersuchen, ist es, glaube ich, die Gründe für die Unternehmenszusammenbrüche aufzudekken und in diesem Bereich Abhilfe zu schaffen. Unternehmen scheiden aus Märkten aus, wenn sie zu den vorhandenen Rahmenbedingungen nicht mehr wettbewerbsfähig sind. Entweder haben die Unternehmen falsche Produkte, oder aber die Kosten, zu denen sie produzieren, sind zu hoch. Falsche Produkte herzustellen liegt in der Marktwirtschaft im Bereich der Risiken, die die öffentliche Hand sicher nicht abdecken kann.
Was die Kostenseite angeht, lassen Sie mich - weil hier gesagt worden ist: da passiert überhaupt nichts - auf zwei Bereiche beispielhaft eingehen, die Energiekosten und die Besteuerung der Unternehmensgewinne; die scheinen mir in diesem Zusammenhang sehr wichtig zu sein. Insbesondere die Besteuerung der reinvestierten Gewinne in Deutschland ist beispiellos hoch. Deutschland liegt hierbei an der Spitze.
Ich möchte nicht über die hohen Lohnstückkosten reden.
Darüber zu reden macht hier relativ wenig Sinn, weil in diesem Zusammenhang insbesondere die Tarifpartner gefordert sind.
Daß die Bundesregierung handelt, können Sie auch daran sehen: Das neue Energiewirtschaftsgesetz wird zu mehr Markt und Wettbewerb in der Energieversorgung führen. Es ist ein wichtiger Beitrag für die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen in Deutschland.
Zum Bereich der Steuerpolitik: Wir wollen die Gewerbekapital- und die Vermögensteuer 1997 abschaffen. Im Rahmen der vorgesehenen Steuerreform wird auch der Steuersatz auf reinvestierte Gewinne deutlich abgesenkt werden. Hier davon zu reden, es werde nicht gehandelt, ist einfach nicht gerechtfertigt.
- Wenn es, wie Sie sagen, falsch ist, die Unternehmen von Steuern zu entlasten, dann zeigen Sie damit, daß Sie die Zusammenhänge nicht begriffen haben.
Ohne diese Maßnahmen wird es nämlich keine spürbare Verbesserung der Eigenkapitalausstattung der Unternehmen geben. Hier liegt die wesentliche Ursache für die vielen Insolvenzen. Wachstumsschübe und Krisensituationen können letztlich nur mit einer soliden Eigenkapitalausstattung finanziert und bewältigt werden. Der Schlüssel liegt da bei der Steuerpolitik.
Darauf zielen die Maßnahmen der Bundesregierung.
Die F.D.P.-Fraktion unterstützt die Regierung bei der Lösung dieser Aufgabe nachhaltig.
Hier können Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, zeigen, wenn Sie wollen, wie ernst Sie es mit den Beteuerungen zur Verbesserung des Standortes Deutschland meinen.
Zur Verbesserung der Rahmenbedingungen gehört dann auch eine Fortsetzung des Deregulierungskurses am Arbeitsmarkt. Auch wenn Sie es nicht gerne hören: Auch der Arbeitsmarkt ist tatsächlich ein Markt, auf dem Angebot und Nachfrage den Preis bestimmen.
Ohne mehr Markt am Arbeitsmarkt wird die unmittelbare Folge sein, daß es noch mehr Arbeitslosigkeit und noch mehr Zusammenbrüche von Firmen geben wird.
Paul K. Friedhoff
Meine Damen und Herren, für die F.D.P.-Bundestagsfraktion sage ich der Bundesregierung die weitere Unterstützung der Reformmaßnahmen vor allem im Bereich der Steuerpolitik und der Deregulierung am Arbeitsmarkt zu. Hier liegt der Schlüssel für mehr Arbeitsplätze und weniger Unternehmenszusammenbrüche.
Ich danke Ihnen.
Als nächster spricht der Kollege Rolf Kutzmutz.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wäre es nicht solch ein trauriges Kapitel, über das wir reden müssen, könnte man die Ausführungen beginnen mit: „Alle Jahre wieder". Denn Sie werden sich erinnern: Vor einem Jahr, am 9. Dezember 1995, haben wir schon einmal - allerdings mit dem Schwerpunkt Ostdeutschland - über diese Fragen und die BvS gesprochen. Aber es geht hier, wie sich herausstellt, um ein gesamtdeutsches Problem.
- Eben.
Im Unterschied zu den Wachstumsprognosen der Bundesregierung für Bruttosozialprodukt und Arbeitsplätze scheint die der Firmenpleiten nicht auf tönernen Füßen zu stehen. Denn die Zahl von 26 000 angekündigten Pleiten ist ein Horror. Durch solche Meinen und großen Dramen überall im Lande werden laut „Creditreform" allein in diesem Jahr 487 000 Arbeitsplätze verschwinden und ein volkswirtschaftlicher Schaden von 62 Milliarden DM entstehen. Dem stehen 210 000 neue Arbeitsplätze entgegen. Diese Zahlen zeigen, daß etwas an der Politik nicht stimmen kann. Denn angesichts all der Versprechungen, die die Bundesregierung gemacht hat, müßten wir vorankommen. Das aber ist nicht absehbar.
Gründliche Analysen der Kreditversicherer dokumentieren im übrigen, daß die regierungsamtlich aufgezwungene Standortdiskussion eine Geisterdebatte ist. Weder die derzeitigen Lohnnullrunden noch die niedrigen Zinsen und die günstige Exportentwicklung werden den Flächenbrand der Insolvenzen stoppen.
Die Ursachen von Firmenzusammenbrüchen, die sich momentan geradezu epidemisch auch unter Kleinstbetrieben mit bis zu fünf Beschäftigten ausbreiten, sind hinlänglich bekannt. Zu schwache Eigenkapitaldecke, falsche Fremdfinanzierung mit zu hohen Zinsen, Managementfehler durch zu geringes betriebswirtschaftliches Know-how und Forderungsausfälle sowie schlechte Zahlungsmoral - übrigens auch der öffentlichen Hand - bilden einen Teufelskreis. All diese Gründe sind auch schon vor einem Jahr genannt worden. Es hat sich in der Zwischenzeit
nichts geändert; im Gegenteil, es ist schlechter geworden.
Mit jedem Zusammenbruch eines Betriebes geraten dessen bisherige Lieferanten in Gefahr. Der berühmte Dominoeffekt scheint unaufhaltsam. Ich will hier nicht auf Einzelbeispiele eingehen, sondern nur eine Forderung benennen und die sich daraus ergebenden Fragen stellen.
Die Forderung lautet: Angesichts der katastrophalen Lage muß endlich die gesamte bisherige Wirtschaftsförderung vorurteilslos auf den Prüfstand gestellt werden.
Die Fragen sind: Was bringt Wirtschaftsförderung mittels Steuerrecht, beispielsweise über Sonderabschreibungen, bei Betrieben, die überhaupt keine Gewinne erzielen? Ist das Hausbankprinzip, zumindest bei kleineren Fördervolumen, noch zeitgemäß, oder sollte nicht besser auch auf diesem Sektor mehr Markt, nämlich Konkurrenz zwischen den Geschäftsbanken und den staatlichen Hauptleihinstituten, das Geschäft und damit die Konditionen für die Kunden verbessern?
Wäre nicht ein wichtiger Schritt aus dem bestehenden Förderdickicht, die Vergabe und damit auch die Antragstellung für Subventionen bei einer Stelle zu konzentrieren, ohne eine neue Behörde zu installieren, sondern statt dessen auf bestehende Strukturen zurückzugreifen, die zugleich mit den konkreten Verhältnissen vor Ort in den Regionen recht gut vertraut sind, also Landesinvestitionsbanken oder Landesentwicklungsgesellschaften?
Ließen sich nicht ohne zusätzlichen Mittelaufwand die Beratungshilfen, beispielsweise in Form der hier und da bereits praktizierten „runden Tische", noch verbessern? Was nützt breitangelegte Existenzgründerförderung, wenn die Unternehmen in ihrer Konsolidierungsphase ohne jede Chance auf weitere Fördermittel im Regen stehen? Läßt sich die Verwendung von Darlehen und Zuschüssen überhaupt effizient kontrollieren, ohne weitere Bürokratie zu erzeugen?
Warum beschreiten die Bundesregierung und die sie stützende Koalition nicht völlig neue Wege, die keineswegs mehr Geld kosten? Im Drama um SKET Magdeburg haben wir beispielsweise in den letzten Wochen das große Engagement der Kolleginnen und Kollegen kennengelernt, sich selbst bei der Rettung ihres Betriebs einzubringen.
Die Übernahme angeschlagener Betriebe durch die Belegschaften wird immer häufiger. Mitverantwortung für das Wohlergehen des eigenen Unternehmens tragen zu wollen bleibt immer weniger das Bedürfnis allein von Managern, weil der eigene Arbeitsplatz immer kostbarer wird.
Deshalb sollten künftig Fördermittel nicht nur als Darlehen oder Zuschüsse, sondern auch als stille Beteiligungen ausgereicht werden, die durch die Firmeninhaber jederzeit abgelöst werden können, aber während ihrer Existenz erweiterte Mitbestimmungs-und Kontrollrechte der Belegschaften begründen. Es gibt keine Behörde, die den effizienten Einsatz von
Rolf Kutzmutz
staatlichen Mitteln besser kontrollieren könnte als jene Menschen, für deren Arbeitsplätze diese Gelder ausgereicht werden, zumal sie dazu ein Recht haben, weil es schließlich auch um ihre Steuergroschen geht.
Ich bin sicher, daß bei diesem Verfahren die Unternehmer noch zusätzlich motiviert werden, schnellstmöglich in schwarze Zahlen zu kommen, weil sie logischerweise am liebsten allein Herr im eigenen Hause sind. Nicht mehr Staat, sondern mehr Kreativität und Engagement der Menschen wären die Folgen solcher staatlichen Beteiligungen. Lassen Sie endlich die Leistungsträger - und zwar alle - ihre Leistung wirklich entfalten; denn durch das Wiederholen bloßer Beschwörungsformeln wird sich die Lage nicht ändern. Das zeigen die Zahlen an Insolvenzen, die für 1997 bzw. für das Jahr 2000 vorausgesagt werden.
Danke schön.
Das Wort hat der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Heinrich Kolb.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst zu den Fakten, zu denen bereits der Kollege Friedhoff Zahlen genannt hat: Der seit 1992 zu beobachtende Anstieg der Insolvenzzahlen hat sich im August fortgesetzt, wenn sich auch die Zuwachsraten im Verlauf dieses Jahres abgeschwächt haben. Problematisch bleibt weiterhin die Lage in den neuen Ländern und Berlin-Ost, wo bisher noch das Gesamtvollstreckungsverfahren gilt. Dort sind bis August 1996 insgesamt 4 905 Insolvenzen registriert worden. Das ist ein Anstieg von insgesamt 36,7 Prozent.
Das ist eine durchaus beunruhigende Entwicklung, auch wenn - das will ich hier sagen - aus der Insolvenzstatistik noch nicht hervorgeht, inwieweit insolvent gewordene Unternehmen von Existenzgründern oder anderen Unternehmern übernommen bzw. fortgeführt werden. Daher muß die Zahl der registrierten Insolvenzen und die Zahl der endgültig vom Markt verschwindenden Unternehmen nicht identisch sein.
Trotzdem - ich will das nicht relativieren - verfolgt die Bundesregierung die Entwicklung der Insolvenzen mit Sorge und großer Aufmerksamkeit, und das nicht erst seit heute, nicht erst aus Anlaß dieser Debatte, sondern schon seit längerer Zeit, wie Sie auch unserer Antwort auf die Große Anfrage der SPD „Insolvenzen in der deutschen Wirtschaft" vom vergangenen Jahr entnehmen können.
- Herr Kollege Schwanhold, ich will doch gerade auf
das eingehen, was wir tun und was wir getan haben.
Wir haben nämlich unser Förderinstrumentarium erweitert, und zwar um solche Maßnahmen, die von Insolvenz bedrohten, aber am Markt durchaus chancenreichen Unternehmen bei der Überwindung einer vorübergehenden Krise helfen.
Ich will ausdrücklich sagen: Es gibt gute Chancen, daß ein solches im Prinzip überlebensfähiges Unternehmen, das nur vorübergehend in einen Liquiditätsengpaß geraten ist, nicht den Gang zum Konkursgericht antreten muß.
Ich will hier nur die wichtigsten Maßnahmen nennen: Die Kreditanstalt für Wiederaufbau und die Deutsche Ausgleichsbank offerieren spezielle Kreditprogramme für Unternehmen, um Liquiditätsengpässe zu überwinden. Vom 1. Januar bis heute sind von der KfW und der Deutschen Ausgleichsbank für knapp 5 000 Fälle rund 1,5 Milliarden DM an Liquiditätshilfen ausgegeben worden. Das zeigt, daß dieses Instrument nicht nur auf dem Papier vorhanden ist, sondern daß es auch nachhaltig genutzt wird.
- Frau Kaspereit, die Frage beantwortet sich eigentlich von selbst, ich gehe aber darauf ein. Wenn allein in den ersten acht Monaten dieses Jahres 4 800 Fälle mit dem Volumen von 1,5 Milliarden DM bearbeitet worden sind, zeigt das, daß es sich nicht um über Gebühr lange Verfahren handeln kann. Vielmehr spricht schon der erste Anschein für die Effizienz des Verfahrens.
Bund und Länder fördern die mittelständische Wirtschaft in den alten und den neuen Bundesländern durch Beteiligung am Ausfallrisiko von Bürgschaftsbanken sowie der Deutschen Ausgleichsbank in den neuen Bundesländern. Ich möchte auch hierzu Zahlen nennen. Die Zahl der durch die Bürgschaftsbanken neu verbürgten Fälle hat sich von 1990 bis 1995 auf 7 300 fast verdoppelt. Das dadurch verbürgte zusätzliche Kreditvolumen hat sich im gleichen Zeitraum auf rund 2,8 Milliarden DM sogar verdreifacht. Die Deutsche Ausgleichsbank verbürgt sich in den neuen Bundesländern zum Stand Ende Oktober 1996 für rund 1 100 Kredite, mit denen ein Investitionsvolumen von rund 8,2 Milliarden DM entstand.
Speziell für die neuen Bundesländer - jemand sagte, wir führen die Diskussion heute nicht speziell mit Blick auf die neuen Bundesländer, aber ich möchte es hier dennoch erwähnen - wurde zusätzlich der Konsolidierungsfonds Ost überwiegend aus Mitteln der Treuhandanstalt - eingeführt. Der Beteiligungsfonds Ost wurde neu eingeführt. Beides war dazu angelegt, die Liquidität und vor allem auch das Risikokapital für die Umsetzung eines tragfähigen Unternehmenskonzeptes zur Überwindung einer Krise bereitzustellen.
Herr Kollege Kutzmutz, ich bin der Meinung, daß die runden Tische, die die Ausgleichsbank in den neuen Bundesländern zusammen mit den Kammern organisiert, wo die Ursachenanalyse mit den Managementhilfen sowie mit der Mobilisierung zusätzli-
Parl. Staatssekretär Dr. Heinrich L. Kolb
cher Kredite verbunden wird, durch eine kooperative Abstimmung zwischen allen Beteiligten wesentlich dazu beitragen, kritische Situationen in den Unternehmen zu bewältigen.
Ich möchte einen Gedanken aufgreifen, den hier der Kollege Friedhoff vorgetragen hat. Man kann und darf die Insolvenzzahlen nicht isoliert sehen, sondern man sollte diese im Zusammenhang mit den Gründerzahlen sehen.
- Dies gilt gerade mit Blick auf den Arbeitsmarkt. Hören Sie mir einmal zu, Herr Kollege Schwanhold! Man muß die Insolvenzzahlen und die Gründerzahlen im Kontext sehen. Unternehmensgründungen und Liquidationen sind beides Vorgänge, die den ständigen Wandel in der Wirtschaft und auch in der Struktur unserer Wirtschaft widerspiegeln.
Es gibt zwar keine amtliche Gründungsstatistik, aber das Institut für Mittelstandsforschung in Bonn errechnet aus den Gewerbeanmeldungen einer Reihe von Bundesländern regelmäßig eine Gründungsbilanz. Danach standen - auch das muß man sehen - 1995 528 000 Unternehmensgründungen 407 000 Liquidationen gegenüber. Es bestand also ein Gründungssaldo von 121 000 neuen Unternehmen, die mehr gegründet als liquidiert wurden.
Ich möchte dies überhaupt nicht in Relation zu der absoluten Zahl der Insolvenzen setzen. Aber wenn wir uns hier über Auswirkungen auf dem Arbeitsmarkt unterhalten - Herr Kollege Schwanhold, ich will das gerne tun -, muß man auch sehen, daß durch diesen positiven Gründungssaldo,
der wesentlich durch die Existenzgründungsförderprogramme der Bundesregierung initiiert ist, auf dem Arbeitsmarkt Wesentliches bewältigt wird.
Wir haben für 1996 bisher noch keine aktuellen Zahlen.
Aber es zeichnet sich ab, daß wir nach einem schwachen Verlauf zu Beginn des Jahres und einem deutlichen Anziehen im dritten Quartal auch 1996 wieder einen ähnlich deutlichen positiven Gründungssaldo haben werden.
Ich will mit folgendem schließen. Entscheidend für die Frage Insolvenz oder Nichtinsolvenz ist natürlich die Frage der Eigenkapitalausstattung eines Unternehmens. Deswegen rufe ich dieses Hohe Haus auf, alles zu tun, damit die Eigenkapitalausstattung der Unternehmen verbessert wird. Dieses muß auch auf dem Wege der Veränderung der steuerlichen Rahmenbedingungen geschehen, das heißt der Verbesserung der Möglichkeiten, Eigenkapital aus thesaurierten Gewinnen zu bilden. Ich glaube, auch dies sollten wir uns in dieser Debatte in Erinnerung rufen. Es wäre gerade vor dem geschilderten Hintergrund unverantwortlich, die Unternehmen in den neuen Bundesländern durch Einführung der Gewerbekapitalsteuer
mit zusätzlichen Lasten in einer Größenordnung von 500 Millionen DM zu belasten.
Deswegen möchte ich insbesondere an diese Seite des Hauses appellieren, auch hier mit der Koalition zusammenzuwirken und dazu beizutragen, daß die Bedingungen für die Eigenkapitalausstattung insbesondere im Mittelstand weiter verbessert werden können.
Vielen Dank.
Frau Jelena Hoffmann, vielleicht ergeht es Ihnen besser.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die heutige Aktuelle Stunde zum Thema Insolvenzen ist dringend notwendig. Die Hoffnung der Regierung, daß die Wirtschaft rasch zum Aufschwung kommt, ist falsch, und man kann von keiner neuen Gründungskultur in Deutschland sprechen. Dies wird an Hand der Insolvenzenstatistiken deutlich.
Während die Zahl der Pleiten in Westeuropa nunmehr im zweiten Jahr in Folge zurückgeht, verzeichnet Deutschland für denselben Zeitraum einen Anstieg von zirka 50 Prozent.
Seit vier Jahren hält die Bundesrepublik diese negative „Spitzenleistung".
Jedes Jahr werden neue Rekordmarken erzielt. Insgesamt sind bis zum Ende des Jahres 33 000 Gesamtinsolvenzen - davon 26 500 Unternehmensinsolvenzen - zu erwarten. Dies bedeutet im Vergleich zum Vorjahr eine Steigerung um fast 15 Prozent bzw. 18,6 Prozent. In Ostdeutschland sind die Zahlen noch schockierender. Während es 1992 noch 1 092 Unternehmenspleiten gewesen sind, werden es dieses Jahr wahrscheinlich 8 000 sein. Ich frage die Bundesregierung, ob sie diese Zahlen in Ordnung findet.
Offensichtlich, denn sie unternimmt nichts.
Ich möchte hier nur einige Fakten nennen. Der volkswirtschaftliche Schaden beziffert sich auf 62 Milliarden DM. Etwa 490 000 Menschen haben wegen Insolvenzen ihren Arbeitsplatz verloren. Dabei sind kleine und mittlere Unternehmen zu 85 Prozent die Leidtragenden. Die Kosten der Arbeitsämter sind immens. Für dieses Jahr muß allein mit 2,2 Milliarden DM Konkursausfallgeld gerechnet
Jelena Hoffmann
werden. Die Schlußfolgerung der Regierung: Herr Minister Blüm muß sparen.
Gleichzeitig kann es sich der Herr Bundeskanzler ganz leicht machen und auf die Unternehmer schimpfen, weil sie immer noch keine neuen Arbeitsplätze geschaffen haben. Woher denn, Herr Kohl, wenn die Voraussetzungen dafür durch Ihre Spargesetze nicht gewährleistet werden?
Für Ostdeutschland müssen wohl 1997 weitere 10 000 Pleiten - das heißt ein Anstieg von 25 Prozent - befürchtet werden. Die Konsequenz ist, daß sich auch in der nächsten Zeit kein eigenständiger Mittelstand in Ostdeutschland festigen kann.
- Darüber können wir uns noch unterhalten. Aber jetzt muß ich auf meine Zeit aufpassen.
Die Hauptgründe für die hohe Zahl von Pleiten sind bereits genannt worden: Forderungsausfälle, die schleppende Zahlungsmoral von Kunden, Eigenkapitalschwäche und die Schwierigkeit, einen Überbrückungskredit zu erhalten. Ich möchte auch nicht verschweigen, daß Managementfehler mitverantwortlich sein können; dies trifft besonders in den neuen Bundesländern zu.
Doch es gibt zunehmend auch solche Fälle wie den des Unternehmens Heckert GmbH in meinem Wahlkreis Chemnitz. Das Dilemma der Politik wird hier besonders deutlich. Ein gesundes Unternehmen wird nur deshalb in das Konkursverfahren gezwungen, weil das Mutterunternehmen insolvent geworden ist. Neben den direkten 650 Arbeitsplätzen in Chemnitz sind noch ungefähr 2 000 Arbeitsplätze der Zulief ererindustrie gefährdet. Die Bundesregierung und die Landesregierung machen Versprechungen, die bisher noch nicht praktisch umgesetzt wurden, obwohl jeder Tag zählt. Das Unternehmen hat seinen Marktanteil in Deutschland innerhalb von zwei Jahren von 7 auf 27 Prozent gesteigert und ist eigentlich nur kurzfristig in Liquiditätsprobleme geraten. Wenn die Regierung bei Insolvenzen in dieser Art und Weise vorgeht, können wir bald alle im Osten einpacken.
Ich fordere von dieser Stelle die Regierungen in Bonn und Dresden noch einmal zu einer unverzüglichen unbürokratischen Rettung des Betriebes auf.
Es wird uns immer wieder vorgeworfen, daß wir als Opposition keine Vorschläge machen würden. Liebe Kolleginnen und Kollegen der Koalition, hören Sie jetzt bitte ganz genau zu, weil ich diese Vorschläge unterbreiten möchte!
Der erste: Die in den letzten Jahren immer weiter gesunkene Eigenkapitalquote muß erhöht werden,
indem bessere Rahmenbedingungen zur Eigenkapitalmobilisierung geschaffen werden.
Zweitens. Es muß eine Möglichkeit der Wachstumsfinanzierung zur Konkursvorsorge geben. Nur so können kleine und mittelständische Unternehmen die Aufträge vorfinanzieren, wenn deren Eigenkapitaldecke nicht ausreicht.
Drittens. Mit der Erreichung eines Nothilfefonds kann man Unternehmen helfen, wenn sie kurzfristig in Liquiditätsschwierigkeiten geraten sind, weil die Kunden nicht zahlen.
Viertens. Als eine wichtige Präventivmaßnahme sehe ich die Notwendigkeit, bereits in Fach- und Hochschulen ein Fach Existenzgründung einzuführen.
Ich möchte abschließend sagen: Wir fordern die Bundesregierung auf, endlich aktiv zu werden und nicht ihre klassische Vogel-Strauß-Politik in der Wirtschaftspolitik weiterzubetreiben, denn: Die Insolvenzlawine muß endlich gestoppt werden.
Vielen Dank.
Jetzt redet der Kollege Ernst Hinsken.
Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Ohne den Ernst des Themas geringschätzen zu wollen, möchte ich vorweg feststellen, daß es in einer erwerbsorientierten Marktwirtschaft unvermeidbar ist, daß Unternehmen in Konkurs gehen und damit vom Markt verschwinden. Es sind aber meist Zusammenbrüche großer Firmen, wie zum Beispiel beim Bremer Vulkan, die die Schlagzeilen beherrschen und tagelang die Medien füllen. Oftmals in Vergessenheit geraten dabei die zahllosen kleinen und mittelständischen Betriebe, die lautlos die Tore schließen.
Es läßt bestimmt niemand kalt, wenn die Insolvenzzahlen weiter steigen. Wenn die Vereine Creditreform richtig liegen, dann ist zu befürchten, daß wir bis zum Jahr 2000 die 40 000er Marke erreichen. 33 000 Firmen, das heißt 14,6 Prozent mehr als im Vorjahr mit 487 000 Arbeitnehmern, das sind 23 Prozent mehr als im Vorjahr, haben dieses Jahr den schmerzhaften Gang zum Konkursrichter antreten müssen.
Aber, verehrte Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, erst das Kind in den Brunnen fallen lassen und dies dann zu bedauern ist zu billig.
Ernst Hinsken
Um bei diesem Beispiel zu bleiben: Sie haben immer verhindert, daß wir rechtzeitig den Deckel auf den Brunnen hätten schieben können.
Lassen Sie mich über die Grenzen schauen und zu unseren Nachbarn blicken. In Westeuropa haben wir 1995 203 300 Insolvenzen, mit fallender Tendenz, insbesondere - da liegen Sie richtig, Frau Kaspereit - in Skandinavien. Aber warum denn? Weil dort die erforderlichen Korrekturen vorgenommen wurden, die bei uns noch anstehen, weil Sie sich immer verweigern, weil Sie immer blockieren. Das ist Fakt, das ist Tatsache.
Ich möchte hier nicht unerwähnt lassen, daß die durch Pleiten verursachten Schäden 62 Milliarden DM ausmachen. Das sind zwar nur 2,3 Prozent des Bruttosozialprodukts,
aber dieses Volumen ist viel zu hoch.
Es ist interessant, daß 39 Prozent der Firmen, die Konkurs anmelden mußten, nicht älter als vier Jahre sind. Allein 19,3 Prozent - das sind jährlich zirka 6 500 - haben nach zwei Jahren schon wieder dichtgemacht.
Im Alter von drei bis vier Jahren scheint für ein mittelständisches Unternehmen eine kritische Schwelle unter temporären Gesichtspunkten zu liegen.
Interessant ist auch, daß die Zahl der Insolvenzen bei den GmbHs mit über 60 Prozent aller Pleiten mit weitem Abstand vor denen aller anderen Rechtsformen liegt.
So weit die Diagnose.
Nun zur Therapie. Wie so oft ist für diese Entwicklung aber nicht eine einzige Ursache verantwortlich zu machen,
sondern vielfach ist es das Zusammentreffen mehrerer Umstände, die zum Zusammenbruch führen.
Erstens: eine zu niedrige Eigenkapitalbasis. Die Rendite ist zu niedrig.
Nur wer Gewinne macht, kann weiter investieren. Nur wer investiert, schafft Arbeitsplätze, und nur Arbeitsplätze schaffen einen breiten Wohlstand.
Sie sind doch die Gewinnverteufler! Für Sie war Gewinn doch immer schon Profit! Damit haben Sie Stimmung gemacht. Mit Neidkomplexen haben Sie in letzter Zeit gearbeitet.
Zweites Problem: der Strukturwandel. Es wird vielfach produziert, was man nicht mehr absetzen kann. Es kann deshalb nicht konserviert werden, sondern es muß weiter nach vorne entwickelt werden.
Drittes Problem: die restriktive Kreditwirtschaft der Banken. Da pflichte ich Ihnen bei, Frau Kollegin Kaspereit: Die Risikobereitschaft der Kreditwirtschaft geht besorgniserregend zurück. Deshalb müssen wir die Grundlage für mehr Risikokapital schaffen.
Hier sollten wir einmal den USA nacheifern. Der Unterschied zwischen den USA und Deutschland ist, daß sich in Amerika das Kapital den Unternehmer sucht, und in Deutschland sucht der Unternehmer das Kapital. Da sind wir alle zusammen gefordert.
Viertens: Die Zahlungsmoral insbesondere der öffentlichen Hand ist zu verbessern. Ich persönlich empfinde es als Skandal, wenn mittelständische Unternehmer 140 bis 160 Tage auf die Begleichung ihrer Rechnungen durch den Staat warten müssen.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich ein letztes ansprechen. Ich meine, daß gerade das Eigenkapitalhilfeprogramm, das aufgelegt wurde, das jetzt fortgeführt wird und in Zukunft auch für Betriebsübernehmer gelten soll, ein hervorragendes Programm ist. Denn es steht doch fest, daß gerade solche kleinen Betriebe leichter über die Runden kommen, wenn sie auf solche Programme zurückgreifen können.
Noch zwei Zahlen: Nach einem Zeitraum von zwei bis drei Jahren fallen nur 1,3 Prozent dieser geförderten Unternehmen aus, nach drei bis vier Jahren liegt die Zahl bei 3 Prozent, und nach vier bis fünf Jahren bei 4,9 Prozent. Das zeigt, daß das Eigenkapitalhilfeprogramm ein gutes Programm ist. Das zeigt sich auch daran, daß über 50 Prozent der Betriebe, die nicht über solche Programme gefördert wurden, weil sie die erforderlichen Indikatoren nicht erfüllt haben, bereits nach zwei, drei Jahren wieder von der Bildfläche verschwinden. Dem müssen wir begegnen.
Deshalb sollte nach meiner Meinung am Eigenkapitalhilfeprogramm festgehalten werden. Die Bundesregierung hat hier geschaltet.
Herr Hinsken, es ist Schluß.
Sie hat Maßnahmen ergriffen, damit es auf eine breitere Basis gestellt werden kann, als das bislang der Fall war.
Herr Hinsken, es ist Schluß!
Wir sind auf dem richtigen Weg. Wir lassen uns von Ihnen nicht aus der Bahn werfen und wollen vor allen Dingen die Grundlage dafür schaffen, -
Nein, Herr Hinsken, jetzt ist Schluß! Ich habe das jetzt dreimal gesagt!
- daß sich die Betriebe auch weiterhin aus dem Nichts heraus entwickeln können.
Das Wort hat der Kollege Wolfgang Weiermann.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich will an dieser Stelle einmal deutlich sagen: Sie haben die Mehrheit hier im Parlament, Sie tragen die Regierungsverantwortung,
und Sie haben ein drittes Mal zugelassen, daß wir im Bereich der Insolvenzen auf neue Rekordhöhen gekommen sind.
Meine Damen und Herren, es führt doch kein Weg daran vorbei: Sie haben sich ein Armutszeugnis ausgestellt, nachdem wir bereits vor einem Jahr - wie eben mehrfach angeklungen - auf die Probleme hingewiesen haben. Es ist doch nicht selbstverständlich, wenn man an dieser Stelle noch einmal darauf zurückkommen muß, daß 17 Prozent mehr Unternehmenszusammenbrüche für das Jahr 1997 - leider - zu erwarten sind.
Das bedeutet ein weiteres Mal Förderungs-, Versicherungs- und Sozialversicherungsausfälle und eine bei 31 000 Unternehmenszusammenbrüchen weitere Steigerung der Arbeitslosigkeit in der Bundesrepublik Deutschland. Das ist das Umfeld, Herr Staatssekretär. Es ist wahrlich kein Ergebnis, sich hier zu brüsten.
Ich sage noch einmal: Der Bundesregierung fehlt es nicht an Mehrheit, es fehlt ihr der politische Wille, die Krise zu beenden.
Das Schadensvolumen beziffert sich 1996 auf über 60 Milliarden DM. In allen anderen Bereichen Westeuropas ist in dieser Zeit - auch das ist schon gesagt worden - die Zahl der Konkurse zurückgegangen.
Wir sind aber doch nicht deswegen die einzigen, weil die Opposition die Regierungspolitik an Stelle der Regierung macht, sondern weil Sie in der Vergangenheit geschlafen haben. Das ist die Wahrheit.
Ich will Ihnen eines sagen: Wirtschaftspolitische Ignoranz und falsche Rezepte verhindern geradezu den politischen Kurswechsel. Das ist Ihnen zuzuschreiben.
Individuelle und politische Resignation vor der Dauerlast der Insolvenzen und der Massenarbeitslosigkeit breitet sich aus. Falsche Rezepte und unrichtige Darstellung der Fakten, wie sie seit Jahren durch die Standortdebatte in der Öffentlichkeit angeboten werden, verstärken doch insgesamt bei den Menschen das Gefühl der Hoffnungslosigkeit. Aber hohe Insolvenzen und hohe Arbeitslosenziffern sind doch weder naturgegeben noch irreparabel. Sie sind das Ergebnis einer falschen Politik!
Die Wirtschaft leidet an einer zu schwachen Binnennachfrage. Die Einzelhandelsumsätze sind seit 1992 rückläufig die Aufträge im Baugewerbe seit März, die im verarbeitenden Gewerbe seit September 1995. Bei dieser schwachen Auftragslage können Kürzungen öffentlicher Leistungen nur zur Verschärfung der Beschäftigungslage führen.
Die Wirtschaft braucht eine Stimulierung der Nachfrage.
Angesichts der Zunahme der Massenarbeitslosigkeit und auch des Wegbrechens industrieller Arbeitsplätze hier in Westdeutschland und im Ruhrgebiet - nicht alles nur im Osten - besteht die große Herausforderung für uns alle darin, Erwerbsarbeit zu sichern und Erwerbsarbeit neu zu schaffen. Das muß die zentrale Aufgabe der Politik der Bundesregierung sein.
Gerade zukunftsorientierte Arbeitsplätze brauchen
die notwendige Unterstützung. Wir benötigen die
Wolfgang Weiermann
Schaffung von Anlagefonds für Risikokapital, denn die Kapitaldecke ist unter 18 Prozent gesunken.
Die finanziellen Voraussetzungen gerade bei jungen Unternehmen müssen stärker gefördert werden.
Krisenverschärfend ist außerdem die bewußt betriebene Öffnung der Einkommensschere zwischen Arm und Reich. Wer arm ist und fast alles brauchen kann, hat kein Geld, etwas zu kaufen. Wer reich ist und alles schon hat, kauft nichts mehr, weil er nichts mehr braucht. Das ist meine Position.
Sie, meine Damen und Herren von der Koalition und der Regierung, wollen nicht begreifen, daß diese soziale Schieflage auch die Wirtschaft national wie international auf die schiefe Bahn geraten läßt.
Das einzige, was dem Bundeswirtschaftsminister dazu zu entlocken ist, ist dieser einfältige Satz: „Wirtschaft wird in der Wirtschaft gemacht und findet in der Wirtschaft statt. "
Wir leben nicht - lassen Sie mich das abschließend sagen -, wie man ständig von der Koalition zu hören bekommt, über unsere Verhältnisse, sondern unter unseren Möglichkeiten.
Es fehlt eine auf Wachstums- und Beschäftigungssteigerung ausgerichtete Politik; ein entsprechendes Konzept ist eine aktive Wirtschaftspolitik. Packen Sie es doch endlich einmal an, anstatt hier ständig herumzustöhnen!
Das Wort hat der Kollege Manfred Koslowski.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Weiermann, man kann uns sicherlich sehr viel vorwerfen,
aber uns den politischen Willen zur Veränderung abzusprechen ist ein Vorwurf, der nicht haltbar ist.
Ich hätte mir vielmehr gewünscht, daß Sie bekundet
hätten, uns bei den wirklich schwierigen, existentiellen Entscheidungen zu unterstützen. Dazu hätten Sie oftmals Gelegenheit gehabt.
- Die fünf Minuten Redezeit sind schnell um. Geben Sie mir noch Gelegenheit, zu dem zu kommen, was ich Ihnen gerne sagen möchte.
Die Tatsache, daß wir uns heute mit Insolvenzen befassen müssen, wirft natürlich die Frage auf, wie die bisher geleisteten Finanzierungshilfen gewirkt haben - das ist eine ganz sachliche Frage - bzw. wo Hilfe verstärkt ansetzen muß. Ich glaube, die von Herrn Staatssekretär Kolb genannten Zahlen muß man einfach akzeptieren, wenn man mit dieser Materie redlich umgehen möchte. Es gibt sicherlich in diesem Saal niemanden, der die Brisanz dieser Thematik verkennt und die Wirkung auf den Wirtschaftsstandort und den Arbeitsmarkt nicht mit großem Ernst verfolgt.
Gerade in den neuen Bundesländern - ich will das bewußt in den Mittelpunkt meiner Betrachtungen stellen - hat es eine Phase gewaltiger Unternehmensgründungen gegeben. Dies zeugte von einer großen Bereitschaft, selbst unternehmerisch tätig zu werden. Dennoch - das will ich gern einräumen - ist es eine Tatsache, daß wir in diesem Bereich nicht mit weiteren Zunahmen rechnen können. Zu dieser Feststellung gelangt man, wenn man einmal Unternehmensgründungen gegen Unternehmensaufgaben saldiert.
Wir müssen zur Kenntnis nehmen, daß es eine rückläufige Tendenz gibt. Dieser Gründungsrückgang hat allerdings sehr viel damit zu tun, daß Existenzgründungen immer auch ein hohes Risiko beinhalten, vor allen Dingen dann, wenn man, besonders in der Bauindustrie oder in einigen Handwerksbereichen, gegen bestehende Überkapazitäten zusätzlich auf den Markt drängt.
Die Ursachen für die Unternehmensinsolvenzen sind unterschiedlicher Art. Es sind schon einige genannt worden; ich will sie nicht alle wiederholen. Wenn man einer Statistik folgt, spielen Forderungsausfälle eine ganz wesentliche Rolle. An zweiter Stelle stehen schleppende Zahlungsweisen der Kunden. Hier haben in der Tat Industrieverbände und Handwerkskammern zunehmend feststellen müssen, daß sich die lange Zeit als sehr zuverlässig geltenden öffentlichen Auftraggeber mittlerweile als sehr schlechte Zahler herausstellen. Der Privatunternehmer, der seine Forderung gegenüber der öffentlichen Hand per Mahnbescheid durchsetzen will, läuft natürlich Gefahr, bei Folgeaufträgen nicht mehr berücksichtigt zu werden.
An dritter Stelle der Insolvenzgründe - das will ich auch nicht verschweigen - ist die mangelnde Eigenkapitalausstattung zu nennen. Die Bundesregierung hat von Anfang an wirksame Maßnahmen ergriffen,
Manfred Koslowski
um jungen Unternehmen bei der Finanzausstattung zu helfen. Ich erinnere - das ist hier bereits gesagt worden; es ist ja nicht so einfach, als vierter Redner in dieser Debatte noch ein paar neue Punkte zu nennen; es sei denn, man wiederholt sich ständig -
an das Eigenkapitalhilfeprogramm und das EAP-Programm.
Lassen Sie mich noch auf den Beteiligungsfonds Ost zu sprechen kommen, weil er tatsächlich neue Möglichkeiten eröffnet, um für kleine und mittlere Unternehmen der gewerblichen Wirtschaft eine Finanzierungsunterstützung bereitzustellen. In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, daß die Spannweite sehr weit reicht. Sie reicht von Forschungs- und Entwicklungsaufgaben über Erweiterungsinvestitionen bis hin zu Konsolidierungsaufgaben. Auf Grund dieses Beteiligungsfonds - er ist nur eines der Instrumente, die uns in der Zukunft zur Verfügung stehen - kann man davon ausgehen, daß auch in Zukunft eine wirksame Unterstützung der Unternehmen vorhanden ist.
Wenn die heutige Debatte mit einem Ergebnis enden soll, dann müßte von hier eine Botschaft ausgehen, die sich besonders an die insolvenzbedrohten Unternehmen richtet. Diese Botschaft muß in etwa lauten: Wir wollen die Unternehmen steuerlich entlasten. Dazu gehört zum Beispiel auch, daß die Gewerbekapitalsteuer im Osten überhaupt nicht erst eingeführt wird.
Ein weiterer Teil dieser Botschaft müßte sein: Wir sind für die Senkung der Lohnnebenkosten, und wir stehen auch - so schwer es uns fällt - zur reduzierten Lohnfortzahlung im Krankheitsfall.
Was die Begrenzung des Kündigungsschutzes für Betriebe bis zu zehn Mitarbeitern betrifft: Auch darin sehen wir eine Möglichkeit, auf Nachfrageschwankungen flexibler zu reagieren.
Ein letztes möchte ich nennen. Wir erwarten von den Tarifpartnern, auch in Ostdeutschland, maßvolle Tarifabschlüsse, damit sich die Schere zwischen Arbeitsproduktivität und Tariflohn nicht noch weiter öffnet.
Kurz: Wir setzen auf das Programm für mehr Wachstum und Beschäftigung - Schritt für Schritt.
Das Wort hat jetzt der Kollege Uwe Hiksch.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben die höchste Zahl an Insolvenzen seit vielen, vielen Jahren. 33 000 Unternehmen gehen in den Konkurs. 500 000 Arbeitsplätze gehen verloren.
Wir hören von seiten der Bundesregierung und der Regierungskoalition nichts anderes als: Alles ist normal. Dann bekommen wir auch noch ein peinliches Volkswirtschaftsseminar.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wer dem zugehört hat, was die Vorrednerinnen und Vorredner von der Regierungskoalition gesagt haben, der kann nur feststellen, daß es der Bundesregierung und der Regierungskoalition völlig egal ist, was mit den Unternehmen passiert,
der kann feststellen, daß die Regierungsfraktionen darüber reden, daß eben Unternehmen kaputt gehen - das müsse man zur Kenntnis nehmen -,
und der kann feststellen: Die Bundesregierung hat keinerlei Rezepte und keinerlei Konzept, um etwas gegen die Unternehmensinsolvenzen zu machen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn man eine Resümee in diesem Jahr ziehen kann, dann kann man das Resümee ziehen, daß es nicht 33 000 Pleiten in diesem Jahr geben wird, sondern 33 001. Die größte Pleite sitzt auf meiner rechten Seite, das ist die Regierungskoalition und die Bundesregierung.
Es ist geradezu eine Verhöhnung der betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und eine Verhöhnung der betroffenen Unternehmer, was Sie in Ihren Reden gesagt haben.
Haben Sie sich eigentlich schon einmal überlegt, was in den Menschen vorgeht, die durch diese Insolvenzen pleite gegangen sind, die peinlicherweise von Ihnen hören müssen: Unternehmen verschwinden eben, das müsse man zur Kenntnis nehmen? Das ist eine Verhöhnung von Menschen und von Produktivkapital.
- Sehr geehrter Herr Hinsken, Ihre Brötchen werden vielleicht noch gebacken. Aber allein in der deutschen Bauwirtschaft werden nur in diesem Jahr etwa 8 000 Insolvenzen zu verzeichnen sein und über 100 000 Arbeitsplätze verlorengehen.
Uwe Hiksch
Die Lage ist dabei äußerst dramatisch. Bis September ist der Umsatz im Bereich des Wohnungsbaus um 6,6 Prozent, im Bereich des Wirtschaftsbaus um 10,8 Prozent und im öffentlichen Bau um 9,2 Prozent zurückgegangen. Und Sie erzählen uns, Sie würden eine anständige Politik machen.
Es sind über 100 000 Arbeitsplätze im Bereich der Bauwirtschaft, die verlorengehen, 200 000 Bauarbeiter, die bereits jetzt arbeitslos sind. Sowohl die Bauwirtschaft im Bereich der Unternehmensverbände als auch die IG Bau rechnen damit, daß allein in diesem Winter zusätzlich noch einmal 100 000 bis 200 000 arbeitslose Bauarbeiter dazukommen werden.
Warum sie arbeitslos werden, das wissen die Bauarbeiter - weil Sie nämlich die sinnvolle Herangehensweise des Schlechtwettergeldes kaputtgemacht und die Menschen in die Arbeitslosigkeit geschickt haben.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Baugewerbes, Herr Eichbauer, hat in seiner Presseerklärung richtigerweise davon gesprochen, daß 1996 für die Bauwirtschaft ein schwarzes Jahr ist. Er hat den Nagel auf den Kopf getroffen. Denn die Bauwirtschaft weiß sehr genau, wer an der Misere schuld ist: Es sind die „Schwarzen", es ist Ihre Politik, die die Bauwirtschaft sträflich vernachlässigt.
Die Fachgemeinschaft der Bau- und Baustoffmaschinen hat vorgerechnet, daß im Bereich der Baumaschinen allein in diesem Jahr ein Rückgang des Umsatzes von 15 Prozent kommen wird. Im Bereich der gesamten Bauausrüstung sind die Auftragseingänge um mindestens 31 Prozent zurückgegangen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU/ CSU - von der F.D.P. rede ich nicht mehr, weil man von einer Partei, die nur die ersten Kapitel eines Volkswirtschaftsbuches gelesen hat, nicht unbedingt mehr zu reden braucht -:
Haben Sie sich eigentlich schon einmal damit beschäftigt, was Ihre Politik im Bereich der Wirtschaft anrichtet? Sie zerstören
- auch wenn Sie das richtig ausgerechnet haben, Herr Hinsken - 2,3 Prozent der Wertschöpfungspotentiale unserer Volkswirtschaft und sprechen dann davon, es seien „nur" 2,3 Prozent gewesen.
Deshalb haben wir Sozialdemokraten bereits vor Jahren die Forderungen auf den Tisch gelegt und deutlich gemacht, wie kleinen und mittelständischen Unternehmen zu helfen sei. Wir haben von Ihnen gefordert und fordern weiter - das werden wir auch hier in der Debatte sehen -, eine Mittelstandsagentur zu schaffen. Ihr Abstimmungsverhalten wird zeigen, ob Sie dazu stehen. Wir haben gefordert, daß es endlich zu einer Bündelung der Förderaktivitäten auf
Bundesebene kommt. Wir werden sehen, wo es langgeht. Als wir im Wirtschaftsausschuß gefordert haben, von der Globalstreichung den Bereich der kleinen und mittelständischen Unternehmen ausdrücklich auszunehmen, war es die Verhinderungskoalition aus CDU/CSU und F.D.P., die sich geweigert hat, den kleinen und mittelständischen Unternehmen zu helfen.
Wenn die Bundesregierung und die Regierungskoalition wieder einmal lernen, nicht Wirtschaftsideologie zu machen und Monetarismus sowie Neoklassik für das zu halten, was in der realen Politik umsetzbar sei,
dann wird es in diesem Lande auch weniger Insolvenzen geben. Aber dafür müßte man Volkswirtschaft auch einmal lesen und dürfte nicht immer nur von Angebot und Nachfrage reden.
Danke schön.
Das Wort hat der Kollege Reiner Krziskewitz.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Insolvenzquote in den neuen Bundesländern ist etwa ein Drittel höher als in Westdeutschland. Ich meine, daß dies auf einem Geflecht von Tatsachen beruht, die sich gegenseitig bedingen bzw. aus entsprechenden Zwängen hergeleitete Ursachen sind, die dann in unterschiedlicher Weise aufeinander Einfluß nehmen. Tatsache ist, daß es sich in den neuen Bundesländern infolge des Gründungsbooms der letzten Jahre meist um junge Neugründungen handelt, die sozusagen im Gleichschritt agieren. Selbst die aus den ehemaligen Treuhandbetrieben hervorgegangenen Unternehmen müssen, schon wegen des Systemwechsels, als Neugründungen betrachtet werden.
Insolvenzgefährdung ist kein nur ostdeutsches Problem, auf Grund dieser Ausgangslage aber ein ostdeutsches Spezifikum. Nahezu gleichzeitig müßten sich mehrere hunderttausend Unternehmungen einen Markt erobern, der eigentlich durch etablierte Konkurrenten besetzt ist, die über jahrelange Erfahrung, entsprechendes Eigenkapital, Managementwissen und Reputation verfügen. Während es den neuen Unternehmen im regionalen Bereich noch gelingt, gewisse Marktanteile zu erringen, sind die überregionalen Märkte meist verschlossen. Das trifft auf den Bereich der alten Bundesländer und ganz besonders auf den Export zu.
Ein zweites Moment ist hier oft angesprochen worden: die signifikante Eigenkapitalschwäche der ostdeutschen Unternehmen. Eigenkapital wirkt in sol-
Reiner Krziskewitz
chen rezessiven Phasen wie ein Puffer, der eine entsprechende konjunkturelle Schockwirkung abmildert.
Bund und Länder haben durch eigenkapitalersetzende Kredite, Zinsverbilligungen, Bürgschaften und Fördermittel Anstrengungen unternommen, die ganz erfolgreich gewesen sind. Diese absolut notwendigen Maßnahmen haben es überhaupt erst ermöglicht, daß diese jungen Unternehmen gegründet werden konnten. Ich will auf die Gründe der Nichtexistenz von Eigenkapital in den neuen Bundesländern nicht eingehen. Es darf aber nicht übersehen werden, daß durch diese Fördermittel unternehmerische Schwerpunkte, Mängel im Marketing und in der Unternehmensführung, aber auch infrastrukturelle Nachteile vielfach überdeckt wurden. Nun kommen diese Dinge, die aus der Gründungsphase stammen, bei Zinsanfall und Tilgungsanfall voll zum Tragen.
In der deutschen Wirtschaftsgeschichte gab es so etwas vor 120 Jahren schon einmal: Gründerjahre und Gründerkrach. Obwohl man diese Dinge nicht gleichsetzen kann, ist es doch interessant, daran zu erinnern. Viele Unternehmen befinden sich deshalb in einer schwierigen Liquiditätsphase - das trifft auch auf Betriebe zu, die sich gerade an der Schwelle zum Fußfassen in überregionalen Märkten befinden -, weil die Vorfinanzierung durch ausgereizte Sicherheiten nur noch schwer zu erlangen ist. In der Praxis bedeutet das: Wenn die ostdeutschen Unternehmen praktisch nur auf regionalen Märkten agieren, dann sind Forderungsausfälle, Zahlungsschwierigkeiten und Zahlungsausfälle mit einer Art Dominoeffekt behaftet: Wenn in einer Region ein Großunternehmen ausfällt, fällt die halbe Region aus. Wir haben es in den neuen Bundesländern also nicht etwa mit besonders schlecht wirtschaftenden Unternehmern zu tun, sondern mit einer Kumulation von spezifischen Bedingungen.
Deshalb hat es keinen Zweck, meine Damen und Herren, Wenn wir uns hier anschreien.
- Gnädige Frau, wollen wir uns wirklich auf dieses Niveau begeben?
Ich habe wirklich versucht, in diese Debatte eine gewisse Versachlichung hineinzubringen.
Wenn hier so getan wird, als könne man das Ganze mit einer Art Keynesianismus regeln,
mit einer Art Rezeptheischerei, kann ich Ihnen nur eines sagen: Wir haben in der DDR ein schönes Sprichwort gehabt.
- Sie können mich totschreien; ich kenne das aus der DDR-Zeit. Deshalb haben Sie aber nicht recht.
In der DDR hatten wir ein schönes Sprichwort: Lenin machte knips, und Licht ward's in der Steppe. - So kann man sich natürlich auch Wirtschaftspolitik vorstellen. So läuft das nicht, meine Damen und Herren; das haben wir erlebt.
Es gibt verschiedene Elemente, beispielsweise die, die von sozialdemokratischen Landesregierungen vorgeschlagen worden sind und praktiziert werden. Ich nenne zum Beispiel die Task-force in Sachsen-Anhalt. Es wundert mich, daß Sie nicht darauf reagiert haben, daß Sie dies nicht angesprochen haben. Das war eine hervorragende Geschichte. Leider ist sie jetzt aber gegen Null gefahren; das ist das Problem.
- Entschuldigen Sie, wir leben doch nicht in einem überregionalen Raum. Wenn Sie das föderalistische Prinzip, das Zusammenfassen von Bund und Ländern, nicht begriffen haben, dann tut es mir schrecklich leid.
Ceterum censeo: Die Gewerbekapitalsteuer darf selbstverständlich nicht eingeführt werden; denn dadurch würden die Betriebe im Osten mit einer Strafsteuer von 600 bis 700 Millionen DM bestraft werden, meine Damen und Herren.
Der letzte Redner ist Hartmut Schauerte.
Jeder Konkurs ist schmerzvoll und einer zuviel. Aber deswegen sollte man nicht so weit gehen und gleich 6 000 hinzumogeln. Wir haben nämlich 33 000 Gesamtinsolvenzen, davon 26 500 Unternehmensinsolvenzen. Zu den Gesamtinsolvenzen gehören auch Nachlässe, Privatnachlässe und sonstiges. Wir sollten also nicht 6 000 Konkurse hinzumogeln. Es wäre schade um das, was dort zerstört würde.
Zweite Bemerkung. Vor welchem Hintergrund findet dies statt? Wir hatten im letzten Jahr - eine neuere Zahl habe ich noch nicht - in Deutschland 528 000 Neugründungen und 407 000 Abmeldungen.
Hartmut Schauerte
Zu diesen Abmeldungen zählen auch die Konkurse. Das Ganze findet vor einem Hintergrund von 2,5 Millionen Unternehmen statt. Immerhin ist die Zahl dieser in den letzten zehn Jahren um mehr als 12 Prozent gestiegen. - Das alles ist also Teil einer sehr lebendigen, sehr engagierten wirtschaftlichen Entwicklung, mit schmerzhaften Veränderungen im Einzelfall.
Dann .ist Ihr Argument gefallen: Im Ausland ist es besser. Ich will einmal die Zahlen des Auslandes nennen: In Frankreich gab es 54 000 Zusammenbrüche, in Deutschland 26 000; das Bruttosozialprodukt Frankreichs beträgt die Hälfte des deutschen Bruttosozialprodukts. - In England gab es 58 000 Zusammenbrüche, in Deutschland 26 000. In Schweden gibt es wie in England und Frankreich ebenfalls eine abnehmende Tendenz. Sie werden sich aber erinnern, daß ausgerechnet in England die Zahl der Konkurse deshalb abgenommen hat, weil irgendwann einmal ganz brutal aufgeräumt worden ist und die Bedingungen für Unternehmen verbessert worden sind.
- Nein, ich will das gar nicht. Beklagen Sie das dann aber doch bitte nicht!
In Schweden wurde umgesteuert, daß es nur so gekracht hat. Wir haben nicht einmal die Hälfte dessen getan. Jetzt aber halten Sie uns Schweden als Beispiel dafür vor, daß die Zahl der Zusammenbrüche abgenommen hat!
Das ist genau die These, die wir vertreten müssen: In Schweden wurden eine Lohnfortzahlung von 75 Prozent und zwei Karenztage eingeführt. Sie verweigern hier alles und beschweren sich, daß in Deutschland die Konkurslage brutal ist.
Nein, wir kommen an der ehrlichen Analyse nicht vorbei, daß die Rahmenbedingungen in Deutschland zu schlecht sind und daß wir auch deswegen nach wie vor bedauerlicherweise mit einer hohen Zahl von Konkursen rechnen müssen. Da sind Sie mit in der Pflicht!
Ich will noch einmal eine Zahl nennen, die das erhellt, damit Sie wissen, wovon wir überhaupt reden. Es gibt nach wie vor jedes Jahr dicke Überschüsse durch die Neugründungen. Wir hatten im letzten Jahr der Regierung von Helmut Schmidt insgesamt 178 000 Anmeldungen und 135 000 Abmeldungen. Es handelte sich also um einen Saldo zugunsten der Anmeldungen von weniger als 40 000 Fällen. Heute beträgt das Verhältnis - ich habe die Zahlen genannt - 528 000 zu 407 000. Da müssen wir uns doch von Ihnen nicht vorwerfen lassen, wir hätten kein Verständnis für den Mittelstand.
Sie beweisen doch damit, daß Sie Ihre gesamte Vergangenheit vergessen haben. Das macht mir Sorge. Sie müßten sich einmal beraten lassen, ob das so weitergehen kann.
Sie können doch vor diesem Hintergrund nicht solche Thesen aufstellen.
Nein, wir kommen nicht daran vorbei: Die Rahmenbedingungen sind von zentraler Bedeutung.
Das sind die Steuern - bewegen Sie sich! Das sind die Bürokratien - bewegen Sie sich!
- Soll ich Ihnen eine Liste geben, in welchen Ländern die Zahl der Konkurse besonders hoch ist? Bayern ist nicht darunter. Dort hat man mittlerweile eine bessere Konjunktur, auch eine bessere Verwaltung, denn man hat die Bürokratie abgebaut.
Gehen Sie einmal nach Nordrhein-Westfalen oder nach Hessen und schauen sich die bürokratischen Behinderungen an, die ebenfalls zu Konkursen führen.
Ich will Ihnen noch eine letzte Zahl nennen, damit Sie sehen, wie leichtfertig man mit so etwas umgehen kann. Wir begrüßen es zum Beispiel sehr, daß im letzten Jahr die Bundesanstalt für Arbeit 70 000 Existenzgründungen von Arbeitslosen gefördert hat. Das ist eine tolle Zahl. Wir alle und alle, die das beschlossen haben, wissen, daß dieses Ergebnis mit der „heißen Nadel" erreicht wurde.
Davon, sagt uns Herr Jagoda, sind 9 Prozent in Schwierigkeiten geraten; das reicht bis zum Konkurs. Das heißt, bei der Erhöhung der Insolvenzzahlen, von der Sie reden, kommen sehr wahrscheinlich 7 000 Fälle genau aus diesem Bereich. Trotzdem halte ich es für richtig, diesen Weg zu gehen, nämlich Arbeitslosen die Chance zu geben, eine Existenz zu gründen, also in die Selbständigkeit zu gehen, auch wenn das mit Risiken behaftet ist.
Wir müssen außerdem schauen - darüber wollen wir gemeinsam reden -, wie wir das Konkursrecht ändern können. Warum passiert es nicht? Wir haben es beschlossen. Die von Ihnen regierten Länder haben darum gebeten, das jetzt nicht anzupacken. Damit hätten wir nämlich verhindern können, daß aus jedem Konkurs praktisch ein 100prozentiger Arbeitsplatzvernichtungsprozeß wird. Hätten Sie sich bewegt, wären wir weitergekommen.
Hartmut Schauerte
Ich nenne den § 32a des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung und frage: Warum dürfen die Banken nicht mehr Beteiligungen haben? Warum müssen sie, wenn sie an einem Unternehmen beteiligt sind, nach einem Konkurs alle ihre Kredite verlieren? Deswegen wird eine Bank sich daran nicht beteiligen. Ich fordere Sie auf: Öffnen Sie sich dieser Veränderung! Dann können wir wirklich etwas Konkretes gegen den Konkurs tun.
Sie, die Sie diese Aktuelle Stunde beantragt haben, kommen mir vor wie der Bauer, der seinem Vieh das Futter verweigert und es anschließend beschimpft, daß es so mager geworden ist.
So kann man doch mit dieser Sache nicht umgehen. Werden Sie Ihrer Mitverantwortung gerecht! Frau Fuchs, Sie kennen sich in der Viehwirtschaft, wie ich merke, besonders gut aus.
Herzlichen Dank.
Die Aktuelle Stunde ist beendet.
Wir sind damit am Schluß unserer heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 12. Dezember 1996, 9 Uhr ein.
Die Sitzung ist geschlossen.