Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet.
Ich rufe Tagesordnungspunkt 1 auf:
Fragestunde
- Drucksache 13/4515 -
Zunächst der Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr. Die Frage 1 der Abgeordneten Elke Ferner wird auf Grund von Nr. 2 Abs. 2 der Richtlinien schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie auf. Die Frage 2 des Abgeordneten Horst Kubatschka und die Frage 3 des Abgeordneten Dr. Egon Jüttner werden schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend auf. Zur Beantwortung steht die Parlamentarische Staatssekretärin Gertrud Dempwolf zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 4 der Abgeordneten Rita Grießhaber auf:
Wurden der Bundesregierung die Entwürfe der bayerischen Staatsregierung zum Schwangerenhilfeergänzungsgesetz und zum Schwangerenberatungsgesetz zur Begutachtung vorgelegt, und wie beurteilt die Bundesregierung die Entwürfe im Hinblick auf Bundes- und Landeskompetenzen?
Bitte, Frau Staatssekretärin.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Eine Vorlage der bayerischen Entwürfe zum Schwangerenhilfeergänzungsgesetz und zum Schwangerenberatungsgesetz zur Begutachtung durch den Bund ist nicht erfolgt. Zu einer Vorlage zur Begutachtung besteht auch keine verfassungsrechtliche Notwendigkeit.
Frau Grießhaber, Sie haben zwei Zusatzfragen.
Wurde den CSU-Abgeordneten bei der Verabschiedung des Bundesgesetzes 1995 versprochen, daß Bayern weiteren Spielraum bei der Umsetzung bekommt, als er im Bundesgesetz vorgesehen ist?
Das ist mir nicht bekannt.
Eine zweite Zusatzfrage.
Ist der Bundesregierung auf Grund der Presseberichte bekannt, daß Bayern eine andere Regelung hat, als sie im Bundesgesetz vorgesehen ist?
Frau Grießhaber, ob es der Bundesregierung bekannt ist, weiß ich nicht. Ich habe die Pressemeldung gelesen.
Eine Zusatzfrage von Frau Kollegin Niehuis.
Frau Staatssekretärin, ich nehme an, daß Sie Zeitung lesen und daß Ihnen die Entwürfe der beiden bayerischen Gesetze bekannt sind. Meine Frage lautet: Meinen Sie, daß die Entwürfe des bayerischen Gesetzes zur Beratung dem entsprechen, was der Bundesgesetzgeber in seinem Schwangeren- und Familienhilfegesetz verankert hat?
Frau Kollegin Niehuis, ich habe zwar Zeitung gelesen, kann aber nicht beurteilen, ob die Entwürfe dem entsprechen, was wir hier verabschiedet haben.
Frau Kollegin Schmidt, Sie haben eine weitere Frage? - Bitte.
Frau Staatssekretärin, vorausgesetzt die Bundesregierung würde sich mit dem befassen, was die bayerische Landesregierung plant und was unserer Meinung nach das Bundesgesetz konterkariert: Welche Möglichkeiten hätte denn die Bundesregierung, gegen Landesgesetze vorzugehen, die Bundesgesetze aushöhlen?
Frau Kollegin, zur Zeit ist das eine reine Unterstellung. Ein solcher Fall ist momentan nicht gegeben, und ich verweise darauf, daß die Länder in ihrem gesetzgeberischen Handeln autonom sind.
Die nächste Zusatzfrage hat Frau von Renesse.
Frau Staatssekretärin, sind in Ihrem Hause von Ihnen oder der Ministerin eingeleitete Prüfungen im Gange, inwieweit sich die bayerische Gesetzgebung tatsächlich im Bereich ihrer landesrechtlichen Zuständigkeit befindet und inwieweit Bundesrecht unmittelbar oder mittelbar unterlaufen oder verletzt wird?
Nein.
Nächste Zusatzfrage, Frau Hanewinckel.
Ich überlege mir zwar, ob ich meine Frage überhaupt noch stellen soll, weil sie in eine ähnliche Richtung geht. Wenn ich mich aber erinnere, mit welchen Mühen wir diesen Kompromiß hier auf der Bundesebene zustande gebracht haben, dann möchte ich Sie, Frau Staatssekretärin, fragen: Müßte die Bundesregierung nicht ein geradezu großes Interesse daran haben, es erst gar nicht dazu kommen zu lassen, daß Landesrecht Bundesrecht bricht? Gibt es da nicht die Möglichkeit, auf dem sogenannten kleinen Dienstweg entsprechende, ich will nicht gerade sagen, Absprachen, aber vielleicht Vorabsprachen zu treffen und auch Empfehlungen auszusprechen?
Frau Kollegin Hanewinckel, in der gegenwärtigen Situation besteht weder eine Berechtigung noch eine Verpflichtung der Bundesregierung, auf diese Fragen einzugehen.
Nächste Zusatzfrage, Abgeordneter Professor Meyer.
Frau Staatssekretärin, ich erlaube mir, noch einmal nachzuhaken. Ausgehend von den Tatsachen, daß Art. 31 des Grundgesetzes lautet „Bundesrecht bricht Landesrecht" und daß es, wie Ihnen bekannt, das Gebot bundesfreundlichen Verhaltens - auch des Freistaates Bayern - gibt, frage ich Sie - ohne auf den § 218 einzugehen - ob Sie in einer Situation, in der ein solcher Verfassungskonflikt droht, Möglichkeiten frühzeitigen Einschreitens sehen und ob Sie gegebenenfalls davon - in welcher Weise auch immer - Gebrauch machen würden.
Herr Kollege, das ist zur Zeit nicht der Fall.
Frau Abgeordnete Holzhüter.
Frau Staatssekretärin, gehen Sie mit mir einig, daß man, wenn dieses Gesetz vorliegt, hier im Bundestag ähnlich verfahren könnte wie mit dem Gesetz in Brandenburg hinsichtlich des Religionsunterrichts an öffentlichen Schulen?
Frau Kollegin Holzhüter, ich denke, da besteht ein gewisser Unterschied, denn hier im Deutschen Bundestag wurde das brandenburgische Gesetz von den Fraktionen erörtert. Die Bundesregierung war nicht beteiligt.
Frau Kollegin Reinhardt, bitte Ihre Frage.
Frau Staatssekretärin, würden Sie mir zustimmen, daß das Bundesverfassungsgericht hinsichtlich der Beratung mehr Spielraum gegeben hat, als dies vom Bundesgesetzgeber ausgenutzt wurde, und daß die Bayerische Staatsregierung nun versucht, diese Lücken wahrzunehmen?
Das mag richtig sein, Frau Kollegin Reinhardt. Ich denke aber, daß die Diskussion heute nicht das Ziel hat, auf Gesetze einzuwirken, die zur Zeit im Freistaat Bayern in der Beratung sind.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 103. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 8. Mai 1996 9027
Ich rufe die Frage 5 der Abgeordneten Simone Probst auf:
Wie reagiert die Bundesregierung auf das Vorhaben der bayerischen Landesregierung, einer Schwangeren die zum Abbruch erforderliche Beratungsbescheinigung nur auszuhändigen, „ wenn sie die Gründe mitgeteilt hat, derentwegen sie einen Abbruch der Schwangerschaft erwägt", vor dem Hintergrund, daß nach § 5 des Schwangeren- und Familienhilfeänderungsgesetzes zwar erwartet wird, „daß die schwangere Frau der sie beratenden Person die Gründe mitteilt, derentwegen sie einen Abbruch der Schwangerschaft erwägt", der Beratungscharakter aber ausdrücklich ausschließt, „daß die Gesprächs- und Mitwirkungsbereitschaft der schwangeren Frau erzwungen wird "?
Bitte schön, Frau Staatssekretärin.
Herr Präsident, mit Ihrer Genehmigung würde ich sehr gerne die Fragen 5, 6, 7, 9 und 10 gemeinsam beantworten, weil all diese Fragen in einem inhaltlichen Zusammenhang stehen.
Wenn Sie fünf Fragen gemeinsam beantworten, dann ist das schwierig, weil es sich um verschiedene Fragestellerinnen handelt. Sie können sicherlich die beiden Fragen 5 und 6 der Kollegin Probst zusammen beantworten. Sie hätte dann vier Zusatzfragen. Wenn wir anders verfahren würden, kämen wir etwas durcheinander.
Frau Probst, sind Sie einverstanden, daß die beiden Fragen gemeinsam beantwortet werden?
- Dann bitte ich um Beantwortung der Frage 5.
Frau Kollegin Probst, zur Frage 5 kann ich Ihnen auch nur sagen: In der gegenwärtigen Situation besteht weder eine Berechtigung noch eine Verpflichtung der Bundesregierung, auf die in Frage stehenden Gesetzentwürfe der Bayerischen Staatsregierung in irgendeiner Form rechtlich Einfluß zu nehmen.
Ihre Zusatzfrage, bitte.
Wie verträgt sich das damit, daß in der Drucksache des Familienausschusses ausdrücklich darauf hingewiesen wurde, daß die Schwangere nach Abschluß der Beratung einen Anspruch auf Ausstellung einer Beratungsbescheinigung hat? Das ist doch ein eklatanter Widerspruch. Warum sehen Sie im Moment keine Möglichkeit bzw. keinen Anlaß, darauf Einfluß zu nehmen?
Gertrud Dempwolf, Parl. Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Weil es sich um Gesetzentwürfe der bayerischen Landesregierung handelt.
Ich kann Ihnen leider nichts anderes dazu sagen.
- Nein.
Haben Sie eine zweite Zusatzfrage?
Nein.
Keine. - Frau Kollegin Wolf, bitte schön.
Ich mache jetzt einen erneuten Versuch, Frau Staatssekretärin. Wir haben ein Bundesgesetz verabschiedet, das im Bereich der Beratung den Vorstellungen des Bundesverfassungsgerichts voll gefolgt ist. Dies ist der sensibelste Bereich, weil innerhalb eines Vertrauensverhältnisses die Frau zu einer Entscheidung kommen soll, ja zum Kind zu sagen oder einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen zu lassen. Insofern sind wir uns, so nehme ich an, noch einig, und das ist im Bundesgesetz vorgesehen.
Würden Sie bestätigen, daß die Entscheidung letztlich bei der Frau belassen wird, um sie angstfrei in die Beratung gehen zu lassen? Natürlich heißt es hier, daß sie ihre Gründe darlegen soll - alle Beraterinnen sagen: Das tun die Frauen meistens auch -; aber dies muß angstfrei erfolgen. Dies ist der Geist des Beratungsparagraphen in unserem Gesetzentwurf.
Würden Sie mir recht geben, daß, wenn es zu einer anderen Regelung kommt, wonach die Frau gezwungen wird, ihre Gründe darzulegen, dies den Geist des Bundesgesetzes total verfälschen würde?
Frau Kollegin Wolf, ich fürchte, ich muß Sie enttäuschen. Auch das ist im Augenblick nicht unser Thema; es sei denn, wir machen es hier im Bundestag wieder zu einem Thema. Im Augenblick aber reden wir über Gesetzentwürfe des Bayerischen Landtages. Dazu kann ich Ihnen leider nicht mehr sagen.
Eine weitere Frage hat Frau Kollegin Niehuis.
Frau Staatssekretärin, wir können ja mal darüber philosophieren, was in einer Beratungsstelle passieren könnte.
Frau Kollegin, wir wollen hier an sich nicht philosophieren, sondern Fragen stellen.
Ja, ich habe eine Frage, und der wollte ich ein theoretisches Gerüst geben.
Können Sie sich vorstellen, daß eine Frau drei Monate lang zu einer Beratungsstelle geht, daß diese Stelle sich weigert, ihr eine Bescheinigung über die Beratung zu geben, daß dann die Frist von drei Monaten, die für § 218 eine ganz wesentliche Voraussetzung ist, überschritten wird und daß diese Frau damit eine Zwangsschwangerschaft erlebt?
Frau Kollegin Niehuis, ich muß auch Sie enttäuschen. Ich rede hier nicht über inhaltliche Dinge, die in einem Gesetzentwurf der bayerischen Landesregierung stehen.
- Sie können noch so sehr versuchen, mich zu reizen. Wir können hinterher darüber sprechen; aber ich bleibe hier dabei: Es handelt sich um Gesetzentwürfe, die in Bayern auf der Tagesordnung stehen und auch dort entschieden werden. Mehr kann ich Ihnen dazu nicht sagen.
Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen, wir haben eine ganze Reihe von Fragen zu diesem Komplex, so daß ich Sie bitten muß, bei den Zusatzfragen, die Sie stellen wollen, den Zusammenhang zur jeweiligen Ausgangsfrage zu beachten.
Die Frage der Kollegin Probst heißt: Wie reagiert die Bundesregierung? Sie lautet nicht: Was passiert, wenn was wie der Fall wäre? Diese Frage, wie die Bundesregierung reagiert, ist eigentlich beantwortet worden, so daß ich bitte, die weiteren Zusatzfragen daran auszurichten, daß die Frage nach der Reaktion der Bundesregierung in bezug auf einen bestimmten Sachverhalt gestellt worden ist.
Die nächste Zusatzfrage hat Frau von Renesse. Bitte.
Herr Präsident, ich hoffe, ich verletze Ihren Hinweis nicht, wenn ich der Frau Staatssekretärin die Frage nach einer möglicherweise beabsichtigten politischen Reaktion stelle.
Gibt es im Bereich des Ministeriums, das für Familie, Frauen, Senioren und Jugend zuständig ist, die Absicht einer politischen Reaktion darauf, daß die Bayerische Staatsregierung mit einem solchen Vorschriftenbündel das Schutzkonzept für das ungeborene Leben, das als solches vom Verfassungsgericht genehmigt worden ist, unterläuft, indem Zwang, Angst und Verunsicherung erneut eine Rolle spielen?
Frau Kollegin von Renesse, lassen Sie doch zunächst einmal den Bayerischen Landtag entscheiden. Dann wären wir wieder an der Reihe.
Die nächste Frage stellt der Kollege Hüppe.
Frau Staatssekretärin, ich habe die Frage: Müßte die Bundesregierung nicht gerade solche Vorschriften als positiv empfinden, alldieweil eine Beratung ansonsten nicht bescheinigt werden könnte, wenn überhaupt kein Gespräch stattfinden kann oder man davon keinen Gebrauch machen kann, wenn es sich zum Beispiel um eine Ausländerin handelt, die nicht die gleiche Sprache wie die Beraterin spricht? Wäre es aus der Sicht der Bundesregierung daher nicht sogar wünschenswert, wenn eine solche Regelung in das bayerische Gesetz aufgenommen würde?
Herr Kollege Hüppe, ich versuche seit einer Viertelstunde klarzumachen, daß ich auf inhaltliche Themen nicht eingehen möchte. Ich möchte gerne, daß sich der Bayerische Landtag in seiner Gesetzgebung zunächst eigenständig entscheidet.
Die nächste Frage stellt Frau Kollegin Wright.
Wir sind mit Ihrer Antwort auf die Frage der Kollegin von Renesse ein bißchen weitergekommen. Sie hatten sich ja um die Antwort auf die Frage, was die Bundesregierung macht, leider erst gedrückt. Der Herr Präsident hat es dann noch einmal auf den Punkt gebracht. Vielleicht wiederholen Sie es noch einmal in dieser Klarheit: Was macht die Bundesregierung, wenn das Land Bayern in seiner Gesetzgebung das Bundesgesetz unterläuft? Darauf haben Sie vorhin nicht klar geantwortet. Jetzt sagten Sie: Dann sind wir wieder dran. Können wir den Frauen in Bayern also die Sicherheit geben, daß die Bundesregierung gewährleisten wird, daß das Bundesgesetz, so wie es über alle Parteien verabschiedet wurde, auch in Bayern zum Zuge kommen wird?
Frau Kollegin, in der gegenwärtigen Situation besteht überhaupt keine Veranlassung, daß ich diese Frage so beantworte, wie Sie es gerne hätten.
Dann rufe ich die Zusatzfrage des Kollegen Professor Meyer auf.
Frau Staatssekretärin, da Sie nicht über Bayern und über die Landesgesetzgebung reden möchten, schlage ich vor, daß Sie eine Frage zur Bundesgesetzgebung beantworten,
Dr. Jürgen Meyer
und zwar folgende: Ist Ihnen bekannt, daß § 219 Abs. 2 Satz 2 des Strafgesetzbuches lautet:
Die Beratungsstelle hat der Schwangeren nach Abschluß der Beratung hierüber eine mit dem Datum des letzten Beratungsgesprächs ... versehene Bescheinigung ... auszustellen.
und ist Ihnen bekannt, daß die Durchführung der Beratung in den §§ 5 ff. im Schwangeren- und Familienhilfeänderungsgesetz präzise geregelt ist, ohne daß dort irgendwo vorgesehen wäre, die Gründe mitzuteilen, derentwegen die Schwangere einen Abbruch der Schwangerschaft erwägt? Wenn Ihnen dies alles bekannt ist, dann frage ich Sie, ob die Bundesregierung verpflichtet ist, für die Geltung von Bundesgesetzen im ganzen Bundesgebiet zu sorgen und rechtzeitig dafür einzutreten, daß die Gesetze auch ohne gesetzeswidrige Einschränkung, welcher Art auch immer, angewandt werden. Bejahen Sie diese Verpflichtung der Bundesregierung?
Herr Präsident, mit Ihrer Einwilligung würde ich gern den § 2 Nr. 1 des Schwangerschaftskonfliktgesetzes vortragen: Beim Eintreten in eine Konfliktberatung wird erwartet, daß die schwangere Frau der beratenden Person die Gründe mitteilt, derentwegen sie einen Abbruch der Schwangerschaft erwägt. Der Beratungscharakter schließt aus, daß die Gesprächs- und Mitwirkungsbereitschaft der schwangeren Frau erzwungen wird. - So unser Gesetz.
- Zu dem Gesetz, das zur Zeit in Bayern beraten wird, kann ich Ihnen nichts sagen. Lassen Sie die Abgeordneten das Gesetz doch erst einmal beraten. Ich habe keine Verpflichtung und auch keine Berechtigung, dazu jetzt Stellung zu nehmen.
Ich rufe die Frage 6 der Abgeordneten Probst auf:
Wie reagiert die Bundesregierung auf Auswirkungen des bayerischen Gesetzesvorhabens zur Beratungsbescheinigung auf das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung?
Bitte sehr.
Herr Präsident, auch hier geht es um die gleiche Frage, nämlich um die: Wie reagiert die Bundesregierung? Auch dazu kann ich nur sagen: In der gegenwärtigen Situation, Frau Kollegin Probst, besteht weder eine Berechtigung noch eine Verpflichtung der Bundesregierung, auf die in Frage stehenden Gesetzentwürfe der Bayerischen Staatsregierung in irgendeiner Art rechtlich Einfluß zu nehmen.
Ihre Zusatzfrage.
Frau Staatssekretärin, das haben wir nun häufiger gehört. Wir haben zur Weltfrauenkonferenz einen Antrag eingebracht, der sich mit der bayerischen Regelung befaßt. Ich möchte noch einmal fragen: Falls das bayerische Gesetz mit den diesbezüglichen Regelungen so verabschiedet wird, wie es jetzt beraten wird, sehen Sie dann eine Pflicht, die Regelungen des Bundesgesetzes auch in Bayern durchzusetzen und entsprechend tätig zu werden?
Die jetzt zur Beratung stehenden bayerischen Gesetzentwürfe haben uns nicht vorgelegen.
Eine Zusatzfrage der Kollegin Schenk.
Frau Staatssekretärin, habe ich Sie dahin gehend richtig verstanden, daß die Bundesregierung sich erst dann überlegen wird, wie sie auf einen möglichen Bruch des Bundesrechts reagieren wird, wenn dieser Bruch vollzogen worden ist?
Ich kann leider die Folgen eines Unfalls erst dann heilen, wenn er tatsächlich passiert ist.
Das setzt voraus, daß er eingetreten ist.
Ich rufe die Frage 7 der Abgeordneten Schewe-Gerigk auf:
Wie reagiert die Bundesregierung auf das Vorhaben der bayerischen Landesregierung, nur noch Fachärzte der Gynäkologie für einen Schwangerschaftsabbruch zuzulassen, obwohl in der Begründung zum Schwangeren- und Familienhilfegesetz ausdrücklich festgehalten wird, daß sichergestellt sein muß, „daß der oder die den Schwangerschaftsabbruch durchführende Arzt oder Ärztin die Gebietsbezeichnung Arzt/Ärztin für Frauenheilkunde und/oder Geburtshilfe besitzt oder über eine entsprechende Qualifikation verfügt"?
Bitte schön.
Auch hier, Herr Präsident, beginnt die Frage mit: „Wie reagiert die Bundesregierung ...?" Wenn Sie, Frau Schewe-Gerigk, es noch einmal hören möchten, kann ich immer wieder nur sagen: Zum gegenwärtigen Zeitpunkt und in dieser Situation besteht weder eine Berechtigung noch eine Verpflichtung der Bundesregierung, auf die in Frage stehenden Gesetzentwürfe der Bayerischen Staatsregierung in irgendeiner Art rechtlich Einfluß zu nehmen.
Ihre Zusatzfrage.
Frau Staatssekretärin, ich muß Ihnen da widersprechen. Die Frage lautet nicht: Wie entscheidet die Bundesregierung? Vielmehr lautet die Frage: Wie beurteilt die Bundesregierung dieses Verfahren? Wir möchten Ihre diesbezügliche Meinung hören. Wir möchten nicht wissen, wie Sie reagieren. Was die Bundesregierung tun wird, ist eine zweite Sache.
Frau Kollegin, ich muß Sie berichtigen. Die Frage, die Sie gestellt haben, heißt: „Wie reagiert die Bundesregierung auf das Vorhaben der bayerischen Landesregierung, nur noch Fachärzte ...?"
Dann ist da eine Änderung im Text vorgenommen worden.
Sie wollen eine Zusatzfrage stellen?
Ja. - Ich frage die Bundesregierung: Sind Ihnen Presseartikel bekannt, zum Beispiel einer aus der „Süddeutschen Zeitung", dessen Überschrift lautet: „Erfahrene Ärzte von Abtreibungen fernhalten!" Wie beurteilen Sie die darin gemachten Angaben, daß nur ein Viertel der Einnahmen entsprechender Einrichtungen aus Schwangerschaftsabbrüchen stammen darf und daß nur Gynäkologen die Abbrüche vornehmen dürfen?
Auch das, Frau Schewe-Gerigk, ist Sache der Landesregierung. Ich kann darüber kein Urteil abgeben.
Eine weitere Zusatzfrage von Frau Hanewinckel. Bitte.
Frau Staatssekretärin, Sie haben eben festgestellt, daß ein Unfall erst passiert sein muß, bevor die Bundesregierung eingreifen kann. Ich möchte meine Frage an dieser Stelle wie folgt präzisieren: Gibt es denn für die Bundesregierung bei einem Gesetzgebungsverfahren, durch das vermutlich Bundesrecht gebrochen wird,
nicht so etwas wie eine Aufsichtspflicht bei Eltern, denen man dann hinterher sagen kann: „Ihr habt die Aufsichtspflicht vernachlässigt?" Also lautet meine Frage: Muß es denn erst zu einem Unfall kommen?
Und in diesem ganz konkreten Fall: Hat die Bundesregierung nicht so etwas wie eine Aufsichtspflicht, vielleicht nicht qua Gesetz, sondern qua Moral oder Verantwortlichkeit für die Bürgerinnen und in diesem Fall auch für die Ärztinnen und Ärzte dieses Landes?
Frau Kollegin Hanewinckel, die Voraussetzung für diese Eingriffsmöglichkeiten, über die die Bundesregierung verfügt, ist hier nicht gegeben.
Nächste Zusatzfrage, Herr Kollege Hüppe.
Frau Staatssekretärin, ist der Bundesregierung bekannt, daß das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil ausdrücklich empfiehlt, daß die Ärzte nur einen Teil ihrer gesamten ärztlichen Honorare durch die Tötung ungeborener Kinder verdienen dürfen?
Herr Kollege, ja.
Ich rufe die Zusatzfrage der Kollegin Wolf auf.
Frau Staatssekretärin, die jetzt stattfindende Diskussion und das Nichtbeantworten der Fragen veranlassen mich zu einer Frage: Gibt es ein Abkommen zwischen der Bundesregierung und der Bayerischen Staatsregierung darüber, daß die Bayerische Staatsregierung, wenn sie beim Bundesverfassungsgericht nicht Klage erhebt, dafür machen kann, was sie will, und Gesetze verschärfen kann, wie sie will?
Frau Kollegin, ich kann keinen Sachzusammenhang zur Frage 7 erkennen. Ich rufe daher die Frage 8 der Kollegin Schewe-Gerigk auf:
Welchen Stellenwert hätte bei einer solchen Regelung nach Auffassung der Bundesregierung die Gesundheit der Frau, zumal bekannt ist, daß viele Ärzte ohne Facharzttitel über umfangreiche Erfahrungen mit Schwangerschaftsabbrüchen verfügen?
Frau Kollegin Schewe-Gerigk, die Gesundheit der Frau hat einen sehr hohen Stellenwert. Die in Frage stehende Regelung des bayerischen Entwurfs dient dem Schutz der Gesundheit der Frau. Auch wenn es so sein sollte, daß Ärzte ohne Anerkennung als Facharzt über Erfahrungen mit Schwangerschaftsabbrüchen verfügen, wäre der Umkehrschluß, daß Ärzte mit entsprechender Anerkennung nicht über die erforderlichen Qualifikationen verfügen, nicht zulässig.
Ihre Zusatzfrage, bitte.
Frau Staatssekretärin, es gibt eine entsprechende Information von Pro Familia, daß die Häufigkeit von Komplikationen bei Abbrüchen in Verbindung mit der Erfahrung von Ärzten mit diesen Abbrüchen steht. Viele Gynäkologen verfügen nur über wenig Erfahrung bei Abbrüchen.
In Bayern soll jetzt darauf verzichtet werden, daß erfahrene Ärzte mit einer Zusatzausbildung Abbrüche durchführen dürfen. Sehen Sie nicht einen Zusammenhang zwischen der Gefährdung der Gesundheit der Frau und der in Bayern jetzt beabsichtigten Regelung?
Frau Kollegin Schewe-Gerigk, es wäre natürlich ein trauriges Bild, wenn wir Fachärzten Nichtqualifikation nachsagen würden.
Eine Zusatzfrage der Frau Kollegin Schmidt, bitte.
Frau Staatssekretärin, gibt es einen mir noch verborgen gebliebenen Grund dafür, daß die Bundesregierung die Einschränkung der Freiheit, den qualifizierten Arzt zu wählen, inhaltlich beurteilt und in dieser Passage offensichtlich den Gesetzentwurf der bayerischen Landesregierung gelesen hat, aber zu anderen Fragen des Konterkarierens des Gesetzes des Bundes nicht inhaltlich Stellung nimmt?
Frau Kollegin Schmidt, die Frage heißt: „Welchen Stellenwert hätte bei einer solchen Regelung ... " und nicht: „Wie beurteilt die Bundesregierung . "
Ich rufe die Zusatzfrage von Professor Meyer auf.
Frau Staatssekretärin, ist Ihnen bekannt, daß der Bundesgesetzgeber in § 218a Abs. 1 Nr. 2 StGB geregelt hat, daß der Schwangerschaftsabbruch von einem Arzt vorgenommen wird, und meinen Sie, daß wir als Bundesgesetzgeber dadurch einen kapitalen Fehler gemacht haben, daß wir diese Befugnis nicht auf Fachärzte eingeschränkt haben?
Ich sehe den Zusammenhang nicht, Herr Kollege.
Ich sehe keine weiteren Zusatzfragen und rufe die Frage 9 der Abgeordneten Kerstin Müller auf:
Wie reagiert die Bundesregierung auf die Absicht der bayerischen Landesregierung, vor einem Schwangerschaftsabbruch ein zweites Beratungsgespräch durch den Arzt verpflichtend einzuführen, obgleich der Deutsche Bundestag sehr kontrovers und ausführlich über diese Frage debattiert hat und sein gesetzgeberisches Ermessen schließlich dahin gehend wahrgenommen hat, dies dem ärztlichen Standesrecht zu überlassen?
Frau Staatssekretärin, bitte.
Herr Präsident, so leid es mir tut, auch hier ist meine Antwort: In der gegenwärtigen Situation, Frau Kollegin Müller, besteht weder eine Berechtigung noch eine Verpflichtung der Bundesregierung, auf die in Frage stehenden Gesetzentwürfe der Bayerischen Staatsregierung in irgendeiner Weise Einfluß zu nehmen.
Frau Kollegin Müller, Sie haben zwei Zusatzfragen.
Dennoch frage ich für den Fall, daß die bayerische Landesregierung ein Gesetz verabschiedet - zu dem Sie nicht Stellung nehmen wollen - und sie es so verabschiedet, wie das der werten Öffentlichkeit bekannt ist und auch Ihnen bekannt sein sollte: Wie beurteilen Sie die Gefahr, daß durch das geplante bayerische Schwangerenberatungsgesetz der sogenannte Abtreibungstourismus wiederauflebt, dem die Bundesregierung und dieses Parlament durch ein bundeseinheitliches Gesetz gerade begegnen wollten?
Auch dazu kann ich Ihnen keine Antwort geben, weil ich nicht auf Vermutungen antworten möchte.
Keine weitere Zusatzfrage.
Dann rufe ich die Zusatzfrage der Kollegin Dr. Niehuis auf.
Frau Staatssekretärin, da Sie bisher keine Veranlassung zu Reaktionen der Bundesregierung sehen, hätte ich doch die Frage: Welche Umstände und welche Ereignisse müßten eintreten, daß diese Bundesregierung meint, eine Berechtigung zum Handeln in der deutschen Politik zu haben, und reagiert?
Gertrud Dempwolf, Parl. Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und
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Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich finde, Frau Kollegin Niehuis, daß das eine sehr hypothetische Frage ist.
Dann rufe ich die Zusatzfrage des Kollegen Hüppe auf.
Ist der Bundesregierung bekannt, daß im Urteil des Bundesverfassungsgerichtes steht, daß sich der Arzt das Abbruchverlangen ausdrücklich darlegen lassen muß?
Ja, Herr Kollege Hüppe.
Die nächste Zusatzfrage hat Frau Wolf. Bitte schön.
Liebe Kollegen, ich möchte meine Frage noch loswerden. Ich möchte noch einen Versuch machen, festzustellen, ob nicht auch die Bundesregierung die Gefahr sieht, Frau Staatssekretärin, daß es in dieser Frage zukünftig keine Rechtssicherheit gleicher Qualität in der Bundesrepublik mehr gibt. Die bayerische Statistik über Schwangerschaftsabbrüche zeigt auf, daß die Zahl der Schwangerschaftsabbrüche in Bayern um 30 Prozent gestiegen ist. Das heißt, es finden in Bayern jetzt nicht mehr Abbrüche statt, sondern die Frauen brauchen lediglich nicht mehr in andere Bundesländer zu fahren, weil jetzt im ganzen Bundesgebiet gleiches Recht gilt. Würden Sie mir recht geben, daß die geplanten verschärften Regelungen betreffend die Rolle des Arztes dazu führen, daß sich zwar die Statistik zugunsten der Bayerischen Staatsregierung verändert, sich die Frauen dann aber doch wieder auf die Reise in andere Bundesländer machen?
- Doch, diese Statistik ist veröffentlicht. Es gibt 30 Prozent mehr Schwangerschaftsabbrüche.
Eine Sekunde!
- Frau Staatssekretärin, Sie haben das Wort zur Antwort.
Frau Kollegin Wolf, ich kann Ihnen dazu leider nichts sagen. Ich weiß es nicht. Eine Antwort wäre hypothetisch.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, ehe ich die weiteren Fragen aufrufe, möchte ich folgendes sagen: Sie müssen zur Kenntnis nehmen, daß die Bundesregierung auf die Frage „Wie reagieren Sie ...?" sagt: „Das warten wir ab. " Es hat wenig Sinn, nun immer wieder alle möglichen Sachverhalte hypothetisch einzuführen, wenn die Antwort, wie wir wissen, nun so ausfällt. Die Bundesregierung ist frei, zu antworten, wie sie es für richtig hält.
Ich rufe Frage 10 der Abgeordneten Christine Scheel auf:
Wie reagiert die Bundesregierung auf die von der bayerischen Landesregierung geäußerte Kritik, der Bundesgesetzgeber sei bei der Regelung von Schwangerschaftsberatung und -abbrüchen „nicht allen Regelungsaufträgen des Bundesverfassungsgerichtes nachgekommen" ?
Auch hier, Frau Kollegin, muß ich wieder meinem Satz antworten: In der gegenwärtigen Situation besteht weder eine Berechtigung noch eine Verpflichtung der Bundesregierung, auf die in Frage stehenden Gesetzentwürfe der Bayerischen Staatsregierung in irgendeiner Form rechtlich Einfluß zu nehmen.
Ihre Zusatzfrage, bitte.
Frau Staatssekretärin, es fällt schwer, geduldig zu bleiben. Das war jetzt ungefähr das zehnte Mal, daß Sie Ihren Standardsatz hier vorgetragen haben. Da die Bundesregierung insgesamt, was Vorstöße Bayerns betrifft, in ihrer Kritik bzw. in ihren Stellungnahmen nicht so zurückhaltend ist, möchte ich Sie schon fragen, ob Sie es sich einfach so gefallen lassen wollen, daß Ihnen von der Bayerischen Staatsregierung praktisch unterstellt wird, daß Sie als Bundesgesetzgeberin Ihre Hausaufgaben in diesem Zusammenhang nicht gemacht haben -
mit der Folge, daß ein bayerisches Gesetz hinter ein Bundesgesetz zurückfällt und damit unterstellt wird: Wir in Bayern können uns das leisten, weil der Bundesgesetzgeber Lücken gelassen hat, die jetzt die Bayern schließen müssen.
Wenn ich mich recht erinnere, Frau Kollegin Scheel, hat das deutsche Parlament dieses Gesetz beschlossen,
nicht die Bundesregierung.
Ihre zweite Zusatzfrage, bitte.
Auch wenn, wie das üblich ist, das Parlament das
Christine Scheel
Gesetz beschlossen hat, ist doch die Bundesregierung mit dem einverstanden, was in diesem Gesetz steht. Ich denke, daß wir uns da einig sind. Sie haben dieses Gesetz ja dann auch in die Praxis umzusetzen.
Wenn in Bayern Gesetzesvorlagen existieren, die dem entsprechenden Bundesgesetz juristisch widersprechen, müssen Sie doch im Vorfeld Ihre Fühler ausstrecken und sich überlegen, wie Sie damit umgehen wollen. Oder warten Sie ab, bis Bayern gehandelt hat, wollen Sie erst handeln, wenn die Verunsicherung der Frauen wieder vorangetrieben wurde?
Ich kenne die Vorlagen, von denen Sie sprechen nicht, und darum kann ich darauf auch nicht reagieren.
Ich rufe die Zusatzfrage der Frau Kollegin von Renesse auf.
Sieht die Bundesregierung - und insbesondere Ihr Ministerium - die Notwendigkeit, die verfassungsrechtlich gebotene Durchführung von Bundesgesetzen durch die Länder im Auge zu behalten und für die Stimmigkeit mit den von diesem Parlament verabschiedeten Gesetzen zu sorgen?
Frau von Renesse, in meinem Satz, den ich zehnmal wiederholt habe, heißt es: „In der gegenwärtigen Situation . "
Eine Zusatzfrage von Frau Lüth, bitte.
Frau Staatssekretärin, da Sie in Ihrer Antwort darauf abgehoben haben, daß die Abgeordneten des Bundestages der Gesetzgeber sind, möchte ich Sie fragen: Würden Sie als Vertreterin der Regierung dem Gesetzgeber empfehlen, gegen diese Kritik der bayerischen Regierung an dem Gesetzgeber vorzugehen?
Ich kenne diese Kritik nicht, Frau Kollegin.
Ich sehe keine weiteren Zusatzfragen und rufe daher die Frage 11 der Kollegin Christine Scheel auf:
Was unternimmt die Bundesregierung aktiv dafür, daß es Frauen im Falle einer Schwangerschaft leichter fällt, sich für ein Kind zu entscheiden?
Frau Kollegin Scheel, auf Ihre Frage antworte ich folgendermaßen: Die Bundesregierung ist davon überzeugt, daß es zum Schutz des ungeborenen Lebens erforderlich ist, die Rahmenbedingungen für ein Leben mit Kindern zu verbessern. Deshalb hat sie die Familienförderung in den letzten Jahren, soweit es der Rahmen des Machbaren zuließ, ausgebaut.
Ihre Zusatzfrage, bitte.
Ich gehe davon aus, daß Ihnen das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes zum Kindergeld in diesem Zusammenhang bekannt ist. Wie beurteilen Sie die Tatsache, daß die Koalition in ihrem Entwurf des Jahressteuergesetzes die Erhöhung des Kindergeldes, die versprochen war, nicht vorsehen will?
Ich denke, das ist ein anderes Thema und hat eigentlich nichts mit Ihrer Frage zu tun.
Ihre zweite Zusatzfrage.
Die grundsätzliche Frage ist ja - das nur als Vorbemerkung -, was die Bundesregierung für die Frauen tut, die sich für ein Kind entscheiden. Deswegen hat, so glaube ich, die Höhe des Kindergeldes durchaus etwas mit diesem Thema zu tun.
Zu meiner zweiten Zusatzfrage: Es gibt Überlegungen innerhalb der Koalition, die steuerliche Absetzbarkeit der Kosten für Haushaltshilfen zu gewähren, unabhängig davon, ob ein Kind oder eine pflegebedürftige Person dem Haushalt angehört. Man will das pauschal öffnen, das heißt, alle, die es sich leisten können, können ein Hausmädchen einstellen und die Kosten von der Steuer absetzen. Nun hat der Bundesfinanzgerichtshof eine Entscheidung getroffen, wonach analog dazu in § 33 des Einkommensteuergesetzes Alleinerziehenden die Möglichkeit gegeben werden sollte, die Kosten für die Kinderbetreuung steuerlich geltend zu machen. Dies ist von der Bundesregierung bis heute nicht umgesetzt worden. Könnten Sie mir einmal erklären, warum hier mit zweierlei Maß gemessen wird?
Ich hoffe, Frau Kollegin Scheel, daß wir die steuerliche Absetzbarkeit der Aufwendungen für Haushaltshilfen gemeinsam beschließen werden. Das kann nur ein Vorteil für die Frauen und für die Arbeitsplätze sein. Ich wünsche mir sehr, daß wir uns hier tatsächlich für die Frauen entscheiden.
Zusatzfrage, Frau Kollegin Schmidt.
Frau Parlamentarische Staatssekretärin, Sie haben zu Beginn ausgeführt, daß die Bundesregierung die Intention des Bundesgesetzgebers bei der Verabschiedung des Schwangeren- und Familienhilfegesetzes, durch das Prinzip „Hilfe statt Strafe" den Frauen das Ja zum Kind zu erleichtern, unterstützt. Würden Sie mir beipflichten, daß der Versuch der Bayerischen Staatsregierung, eine Verschärfung des Schwangeren- und Familienhilfegesetzes und damit eine Umkehrung des Prinzips „Hilfe statt Strafe" vorzunehmen von einem tiefen Mißtrauen gegenüber der Familienpolitik der Bundesregierung getragen wird?
Frau Kollegin Schmidt, zum gegenwärtigen Zeitpunkt besteht zu dieser Annahme kein Anlaß.
Zusatzfrage, Frau Holzhüter.
Sind Sie mit mir der Meinung, daß 590-DM-Beschäftigungsverhältnisse und die Erweiterung der Ladenschlußzeiten Frauen mit Kindern massiv benachteiligen, so die Freude und die Hingabe an die Familie empfindlich gestört werden und die Bereitschaft, sich bei diesen Perspektiven - insbesondere, wenn man die Rentenregelungen betrachtet - zu einer Mutterschaft zu entschließen, erheblich beeinträchtigt wird?
Gertrud Dempwolf, Parl: Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: Nein, Frau Kollegin Holzhüter. Ich bin nicht Ihrer Ansicht; ich habe eine andere Meinung.
Nächste Zusatzfrage, Frau von Renesse.
Frau Parlamentarische Staatssekretärin, Sie haben zu Beginn Ihrer Ausführungen auf die schriftliche Anfrage der Kollegin Scheel erklärt, daß die Bundesregierung in den letzten Jahren eine Menge an Familienförderung auf den Weg gebracht habe. Darf ich Sie bitten, mir drei größere Projekte zu nennen, die Sie als Familienförderung bezeichnen, und dabei nicht die Einführung des Kindergeldes anzuführen, die nur eine Beseitigung der verfassungswidrigen Besteuerung von Familien war? Ich möchte jetzt also Maßnahmen zur Familienförderung und nicht die Beseitigung von verfassungswidrigen Nachteilen genannt haben.
Sehr geehrte Frau Kollegin, ich werde nicht daran vorbeikommen, Ihnen zu sagen, daß trotz der angespannten Haushaltslage im Jahr 1996 der Familienlastenausgleich mit Leistungsverbesserungen von 7,2 Milliarden DM zur Entlastung der Familien beigetragen hat. Ich denke auch an die Wohneigentumsförderung, die familienfreundlich gestaltet wird.
Ich denke ferner an ein modernes Kinder- und Jugendhilferecht. Ich denke außerdem an den Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz. Ich würde Sie ganz herzlich bitten, mit dafür zu sorgen, daß das Wirklichkeit wird.
Nächste Zusatzfrage, Frau Hanewinckel.
Frau Staatssekretärin, nach dem, was Sie soeben aufgezählt haben, komme ich zu dem Schluß, daß sich die Bundesregierung aktiv, nämlich mit Finanzmitteln, so gut wie gar nicht an Familienförderung beteiligt hat. Stimmen Sie mir zu, wenn ich sage, daß die Bundesregierung zur Familienförderung aktiv - jedenfalls in den letzten Jahren - nichts getan hat?
Frau Kollegin Hanewinckel, da stimme ich Ihnen absolut nicht zu.
Dann sind wir am Ende dieses Geschäftsbereichs. Vielen Dank, Frau Staatssekretärin.
Ich rufe nun den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit auf. Zur Beantwortung der Fragen steht die Parlamentarische Staatssekretärin Frau Dr. Sabine Bergmann-Pohl zur Verfügung.
Wir kommen zunächst zur Frage 12 der Abgeordneten Rita Grießhaber:
Wie reagiert die Bundesregierung auf die Artikel 2 und 3 des Entwurfs zum bayerischen Schwangerenhilfeergänzungsgesetz, der vorsieht, daß alle Einrichtungen, die einen Schwangerschaftsabbruch durchführen wollen und die nicht in Krankenhausplänen mit der Fachrichtung Gynäkologie und Geburtshilfe aufgenommen sind bzw. von einem öffentlich-rechtlichen Träger betrieben werden, eine Erlaubnis dafür brauchen?
Herr Präsident, Frau Kollegin Grießhaber, die Bundesregierung ist zwar für das vom Bund erlassene Schwangerschaftskonfliktgesetz zuständig, nicht jedoch für die gesetzgeberische Ausfüllung dieses Gesetzes durch die Länder. Die Bayerische Staatsregierung hat im Rahmen der Zuständigkeit des Freistaats Bayern die genannten Gesetzentwürfe im Bayerischen Landtag vorgelegt, die sich zur Zeit im Gesetzgebungsverfahren befinden. Zu dem Inhalt von Gesetzentwürfen, die in einem Landesparlament zur Beratung anstehen, nimmt die Bundesregierung grundsätzlich nicht Stellung.
Ihre erste Zusatzfrage.
Frau Staatssekretärin, stimmen Sie mir zu, daß das von Ihnen genannte Bundesgesetz keine besondere Erlaubnis für Einrichtungen vorsieht, die Schwangerschaftsabbrüche vornehmen wollen?
Ich sehe jetzt keinen Zusammenhang zwischen der von Ihnen gestellten Frage und meiner Antwort.
Frau Kollegin, wollen Sie noch eine Zusatzfrage stellen?
Wenn Sie da keinen Zusammenhang sehen, möchte ich Sie fragen: Wieso steht denn dem Landesgesetzgeber eine strafrechtliche Handlungskompetenz für das zu, was wir gar nicht geregelt haben?
Auch hier sehe ich keinen Zusammenhang zwischen Ihrer Frage und meiner Antwort.
Ich sehe keine weiteren Zusatzfragen und rufe dann die Frage 13 der Abgeordneten Andrea Fischer auf:
Wie reagiert die Bundesregierung auf die von der bayerischen Regierung geplante Beschränkung der jährlichen Zahl von Schwangerschaftsabbrüchen in Arztpraxen und durch Belegärzte im Hinblick auf evtl. zu erwartende negative Auswirkungen auf das Komplikations- und Sterblichkeitsrisiko durch mangelnde Erfahrung?
Frau Kollegin Fischer und Herr Präsident, wenn Sie einverstanden sind, würde ich beide Fragen gerne zusammen beantworten, weil sie in einem Zusammenhang stehen.
Frau Kollegin? - Dann rufe ich auch noch die Frage 14 der Abgeordneten Andrea Fischer auf:
Wie reagiert die Bundesregierung auf die in Bayern geplante 25- %-Regelung im Hinblick auf im Bundesrecht zugelassene ambulante Abbrüche und im Hinblick auf die Freiheit der Berufsausübung?
Auch in diesen beiden Fragen geht es um die genannten Gesetzentwürfe der Bayerischen Staatsregierung. Ich bekräftige deshalb, was ich vorhin bereits zur Frage 12 über die Grenzen gesagt habe, denen die Bundesregierung in einem solchen Fall unterliegt. Es besteht somit in der gegenwärtigen Situation weder eine Berechtigung noch eine Verpflichtung der Bundesregierung, auf die genannten Gesetzentwürfe der Bayerischen Staatsregierung in irgendeiner Art rechtlich Einfluß zu nehmen.
Frau Kollegin, Sie haben vier Zusatzfragen, bitte schön.
Gibt es weitere Zusatzfragen? - Frau von Renesse.
Frau Staatssekretärin, sehen Sie in - ich sage bewußt - einer Quotierung von Schwangerschaftsabbrüchen in einer Arztpraxis eine gesundheitspolitische Maßnahme?
Frau Kollegin, ich möchte Sie daran erinnern, daß in § 13 Abs. 2 des Schwangerschaftskonfliktgesetzes, das auch Sie mit verabschiedet haben, steht:
Die Länder stellen ein ausreichendes Angebot ambulanter und stationärer Einrichtungen zur Vornahme von Schwangerschaftsabbrüchen sicher.
Frau von Renesse, ich kann Ihnen keine weitere Zusatzfrage geben. - Ich sehe sonst keinen Wunsch nach einer weiteren Zusatzfrage im Haus.
Wir sind damit am Ende dieses Geschäftsbereichs. Frau Staatssekretär, vielen Dank.
Dann rufe ich den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit auf. Die Fragen 15 und 16 der Kollegin Iris Follak sowie die Fragen 17 und 18 des Kollegen Helmut Lamp werden schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Wir kommen jetzt zum Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes. Die Fragen 19 der Kollegin Dr. Dagmar Enkelmann, 20 und 21 des Kollegen Benno Zierer sowie 22 und 23 des Kollegen Gernot Erler werden schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich komme dann zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern. Zur Beantwortung der Fragen steht der Parlamentarische Staatssekretär Eduard Lintner zur Verfügung.
Die Fragen 24 der Kollegin Dr. Dagmar Enkelmann, 25 des Kollegen Horst Kubatschka und 26 des Kollegen Dr. Egon Jüttner werden schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Damit rufe ich die Frage 27 des Kollegen Dietmar Schlee auf:
Wie viele Ermittlungsverfahren führt das Bundeskriminalamt gegenwärtig?
Herr Staatssekretär.
Herr Kollege Schlee, die Antwort lautet: Das Bundeskriminalamt Wiesbaden bearbeitet gegenwärtig insgesamt 581 Ermittlungsverfahren. Davon entfallen auf die Abteilung Organisierte und Allgemeine Kriminalität 160 und auf die Abteilung Polizeilicher Staatsschutz 421 Ermittlungsverfahren.
Ihre Zusatzfragen, Herr Kollege.
Herr Staatssekretär, darf ich Sie fragen, wie sich die Zahl der Ermittlungsverfahren in den letzten Jahren entwickelt hat? Gibt es eine ansteigende oder eine fallende Tendenz?
Herr Kollege Schlee, meines Wissens gibt es eine fallende Tendenz. Aber die präzise Antwort liefere ich Ihnen nach.
Eine zweite Zusatzfrage? - Dann rufe ich Ihre Frage 28 auf, Herr Kollege Schlee:
Welchen Anteil seiner Arbeitskapazität wendet das Bundeskriminalamt durchschnittlich auf zur Erfüllung eigener gesetzlicher Aufgaben, Hilfeleistungen für Polizei- und Justizbehörden der Bundesländer, Erledigung von Ersuchen ausländischer Polizei- und Justizbehörden?
Bitte schön.
Die Antwort auf Frage 28 lautet: Eine konkrete Aufsplittung der jeweiligen Arbeitskapazitäten ist nur mit hohem Erfassungsaufwand zu leisten. Die Zentralstellenfunktion des BKA dürfte den größeren Teil der Gesamtbelastung ausmachen.
Ihre Zusatzfragen. - Keine. - Bitte schön, Herr Kollege Büttner.
Herr Staatssekretär, wie viele Beamte des Bundeskriminalamtes sind für den Personenschutz der hier in Bonn tätigen Minister, Staatssekretäre und sonstiger Personen abgestellt?
Herr Kollege, da kein unmittelbarer Zusammenhang mit den Fragen, die mir hier gestellt worden sind, besteht, habe ich die Zahlen natürlich nicht parat.
- Selbstverständlich.
Damit sind wir am Ende Ihres Geschäftsbereichs. Herr Staatssekretär, vielen Dank.
Dann rufe ich den Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Justiz auf. Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Rainer Funke zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 29 des Kollegen Rolf Schwanitz auf:
Kann die Bundesregierung bestätigen, daß von den ursprünglich für die Kapitalentschädigung nach dem Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetz angesetzten 1,55 Mrd. DM bisher lediglich ca. 540 Mio. DM ausgezahlt worden sind, obwohl von den ca. 140 000 Anträgen bereits 130 000 abgearbeitet wurden, und ist die Bundesregierung bereit, den Differenzbetrag für die Wiedergutmachung von politischem SBZ- bzw. DDR-Unrecht zu verwenden?
Herr Kollege Schwanitz, ich kann auf Ihre Frage hin bestätigen, daß der im Regierungsentwurf des Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes angenommene Kostenrahmen von 1,55 Mil-harden DM nach dem derzeitigen Stand deutlich unterschritten wird. Bis Ende Dezember 1995 sind 625 Millionen DM im Bereich des Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes ausgezahlt worden. Es trifft auch zu, daß von den mehr als 140 000 Rehabilitierungsanträgen nur noch knapp 10 000 bei den Gerichten anhängig sind. Die Gründe für die Differenz zwischen der Kostenschätzung im Regierungsentwurf und der tatsächlichen Entwicklung waren Gegenstand Ihrer schriftlichen Frage vom 5. Oktober 1995, die ich mit Schreiben vom 16. Oktober 1995 beantwortet habe.
Zum zweiten Teil Ihrer Frage muß ich darauf hinweisen, daß innerhalb der Bundesregierung über die Novellierung der SED-Unrechtsbereinigungsgesetze noch nicht entschieden worden ist. Ich will aber nicht verhehlen, daß bei der Meinungsbildung die Lage der öffentlichen Haushalte des Bundes und der Länder natürlich eine nicht zu vernachlässigende Rolle spielt. Eine Automatik in dem Sinne, daß die von Ihnen angesprochene Differenz zwischen dem Haushaltsansatz beim Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetz und den tatsächlichen Kosten ohne weiteres für die Finanzierung von zusätzlichen Maßnahmen der Bereinigung von DDR-Unrecht zur Verfügung stünde, wird es daher nicht geben.
Lassen Sie mich noch eines hinzufügen: Wir werden morgen im Bundestag die Gelegenheit haben, hierüber zu diskutieren. Da wird es entsprechende Vorschläge geben.
Ihre Zusatzfrage, Herr Kollege Schwanitz.
Herr Staatssekretär, jenseits Ihres Hinweises auf die frühere schriftliche Beantwortung möchte ich gerne eine Frage zu den Ursachen stellen: Wie erklärt sich die Bundesregierung, daß, wenn die Zahlen in etwa stimmen, auf der einen Seite die damals erwarteten Anträge von den Betroffenen tatsächlich in einer Größenordnung von 90 Prozent gestellt worden sind, aber auf der anderen Seite die entsprechenden Mittel für die Kapitalent-
Rolf Schwanitz
Schädigung nur zu ungefähr 35 Prozent in Anspruch genommen werden?
Das liegt daran - das habe ich Ihnen in der Beantwortung der schriftlichen Frage auch mitgeteilt -, daß bei der Abfassung der Rehabilitierungsgesetze die Schätzungen außerordentlich schwierig gewesen sind und wir auf Daten angewiesen waren, die sich wiederum auf Schätzungen bezogen. Von daher ist zu erklären, daß die Anträge nicht in dem erwarteten Umfang gestellt wurden. Dadurch ist diese Differenz entstanden.
Sie haben eine zweite Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ich möchte Sie vor dem Hintergrund der von Ihnen heute hier im wesentlichen bestätigten Zahlen fragen, ob Sie nicht meine Auffassung teilen, daß die früher in diesem Hause schon einmal thematisierte Schieflage zwischen dem Engagement des Bundes bei der Wiedergutmachung von Eigentumsschäden aus der Zeit vor 1989 auf der einen Seite und dem Engagement des Bundes bei der Wiedergutmachung von Schäden an Freiheit, Leib und Leben auf der anderen Seite durch diese geringen Ausreichungszahlen, die Sie uns heute bestätigt haben, nachträglich noch verschärft wird.
Nein, das sehe ich nicht. Aber ich gebe Ihnen zu, daß wir 40 Jahre DDR-Unrecht nicht durch finanzielle Leistungen sozusagen aufarbeiten können. Wir müssen dort tätig werden, wo bei den Betroffenen auch heute noch Wirkungen vorhanden sind und besondere soziale Härten bestehen.
Bitte, eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär Funke, ist der Differenzbetrag zwischen den geplanten und den tatsächlichen Ausgaben für die Kapitalentschädigung, über den wir eben gesprochen haben, überhaupt in den einschlägigen Haushaltstiteln des BMJ eingestellt gewesen? Wenn ja, wofür sind diese Mittel verwendet worden?
Es handelt sich hier um die Auszahlung von Mitteln auf Grund gesetzlicher Ansprüche. Die Mittel für diese gesetzlichen Ansprüche sind nicht im Haushaltstitel des Bundesjustizministeriums, der ja, wie Sie wissen, ungewöhnlich bescheiden ist, enthalten, sondern diese Beträge gehören zur allgemeinen Finanzmasse des Bundes. Aus diesem Haushaltstitel des Finanzministeriums ist hier eine Zahlung vorzusehen.
Ich sehe keine weiteren Zusatzfragen.
Die Fragen 30 und 31 des Kollegen Norbert Gansel werden schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Vielen Dank, Herr Staatssekretär. Wir sind damit am Ende Ihres Bereichs.
Ehe ich den nächsten Geschäftsbereich aufrufe, möchte ich darauf aufmerksam machen, daß wir nach der Beantwortung der restlichen Fragen, soweit diese nicht schriftlich beantwortet werden, voraussichtlich in 15 bis 20 Minuten mit der Fragestunde fertig sein werden. Ich bitte also alle Beteiligten, sich für ihre Meldungen darauf einzurichten, daß wir mit der Aktuellen Stunde sehr viel früher anfangen, als das ausgedruckt ist.
Damit rufe ich den Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen auf. Zur Beantwortung der Fragen steht die Parlamentarische Staatssekretärin Irmgard Karwatzki zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 32 des Kollegen Rolf Schwanitz auf:
Aus welchem Grunde sind vermögensrechtliche Anträge, insbesondere älterer Rehabilitierter, nicht im „Prioritätenkatalog für die Bearbeitung der Anträge nach dem Vermögensgesetz und Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetz (EALG)" (vgl. Rundbrief des Bundesamtes zur Regelung offener Vermögensfragen Nr. 17 vom 20. April 1995) aufgeführt, wo doch selbst die Bundesregierung die Rehabilitierung und Entschädigung der politisch Verfolgten in der ehemaligen SBZ bzw. DDR zu einer der wichtigsten Aufgaben im Zuge der deutschen Einheit erklärt hat und dies somit auch für die aus einer Rehabilitierung erwachsenden Folgeansprüche gelten muß, und welche Folgen hat das für die Betroffenen?
Herr Kollege Schwanitz, es trifft nicht zu, daß die Rehabilitierten im Prioritätenkatalog unberücksichtigt geblieben seien. Der Katalog erfaßt unter den Ziffern V und VI auch die vermögensrechtlichen Ansprüche der Rehabilitierten. Ziffer V betrifft insbesondere Ansprüche derjenigen, die von einem ausländischen Gericht, zum Beispiel dem sowjetischen Militärtribunal, verurteilt wurden. Ziffer VI bezieht sich auf Härtefälle insgesamt und umfaßt damit auch Fälle, in denen Alter, Gesundheitszustand oder sonstige Besonderheiten in der Person der Antragsteller berücksichtigt werden können.
Ihre Zusatzfragen, Herr Kollege.
Frau Staatssekretärin, bezugnehmend auf die von Ihnen eben erwähnten Ziffern V und VI der Prioritätenliste möchte ich Sie fragen, ob Sie mir zustimmen, daß in der von Ihnen erwähnten Ziffer V nur Entschädigungs- und keine Restitutionsanträge erfaßt sind und es weder in der Ziffer V noch in der Ziffer VI einen expliziten Verweis auf die Anträge der aus politischen Gründen Verfolgten in der Zeit vor 1989 gibt.
Herr Kollege Schwanitz, ich habe schnell nachgeschaut. Auf den ersten
Parl. Staatssekretärin Irmgard Karwatzki
Blick hin haben Sie recht. Ich prüfe das nach und gebe Ihnen schriftlich eine entsprechende Antwort.
Ihre zweite Zusatzfrage.
Frau Staatssekretärin, ich möchte Sie, nachdem die Bundesregierung in ihrer Prioritätenliste richtigerweise die Anträge der Verfolgten aus der NS-Zeit aufgenommen und explizit erwähnt hat, fragen, ob Sie nicht der Auffassung sind, daß auch die Anträge von politisch Verfolgten aus der SBZ- und DDR-Zeit explizit Erwähnung in diesem Prioritätenkatalog finden sollten.
Ich sage Ihnen Prüfung zu.
Ich sehe keine weiteren Zusatzfragen.
Die Fragen 33 und 34 des Kollegen Dr. Rose werden schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Dann rufe ich die Frage 35 des Kollegen Hans Büttner auf:
Weshalb hat die Bundesregierung die Einkommensteuerrichtlinien Abschnitt 188 zu § 33 EStG betreffend die Badekuren von Kindern und Erwachsenen bisher nicht an die aus den Bestimmungen des SGB V abgeleiteten Antragsverfahrens der gesetzlichen Krankenkassen angeglichen, nach denen solche Kuren bezuschußt werden, wenn das Gutachten des Hausarztes vom Medizinischen Dienst der Krankenkassen bestätigt wird, und mutet den Steuerzahlern statt dessen nach wie vor zu, zusätzlich selbst zu bezahlende amtsärztliche Gutachten beizubringen, aus denen hervorgehen muß, daß Kinderkuren nur dann steuerlich absetzbar sind, wenn der Erfolg solcher Kuren auch dann sichergestellt ist, wenn die Kinder nicht in Kinderheimen untergebracht sind?
Herr Präsident, Herr Kollege Büttner,. die Antwort wird jetzt etwas umfassender. R 188 Abs. 1 der Einkommensteuer-Richtlinie 1993 verlangt zwar, daß die Zwangsläufigkeit, Notwendigkeit und Angemessenheit von Aufwendungen von Bade- und Heilkuren grundsätzlich durch ein vor Kurantritt ausgestelltes amtsärztliches Attest nachgewiesen werden. Dem amtsärztlichen Attest stehen aber ärztliche Bescheinigungen eines Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung - hier ist der Hinweis auf § 275 SGB V zu geben - gleich. Bei Pflichtversicherten genügt die Bescheinigung der Versicherungsanstalt, bei öffentlich Bediensteten die von Beihilfestellen in Behörden, wenn offensichtlich die Notwendigkeit der Kur im Rahmen der Bewilligung von Zuschüssen oder Beihilfen anerkannt ist.
Von dem Erfordernis eines vor Kurantritt ausgestellten amtsärztlichen oder vergleichbaren Zeugnisses kann ausnahmsweise auch abgesehen werden, wenn feststeht, daß eine gesetzliche Krankenkasse die Notwendigkeitsprüfung vorgenommen und positiv beschieden hat. Davon kann in der Regel ausgegangen werden, wenn die Krankenkasse einen
Zuschuß zu den Kurkosten für Unterkunft und Verpflegung gewährt hat.
Mit diesen Verwaltungsregelungen ist Ihrem Vereinfachungsanliegen, so meine ich, bereits weitgehend Rechnung getragen.
Bei Heilkuren von Kindern ist allerdings zusätzlich erforderlich, daß das Kind während der Kur in einem Kinderheim untergebracht ist, es sei denn, aus der vor dem Kurantritt erteilten amtsärztlichen Bescheinigung ergibt sich, daß und warum der Kurerfolg bei einer Unterbringung außerhalb eines Kinderheimes gewährleistet ist. Diese Einschränkung geht auf ein Urteil des Bundesfinanzhofs vom 12. Juni 1991 zurück. Für den Kuraufenthalt von Kindern kommt üblicherweise in erster Linie eine Unterbringung in einem Kinderheim in Betracht, um den Kurerfolg wirklich sicherzustellen. Der Heilerfolg muß in der Regel fachgerecht unterstützt werden, zum Beispiel durch kurgemäße Tages- und Freizeitgestaltung und durch eine kurgemäße Ernährung. Unkontrollierte schädliche Einflüsse sollen den Kurerfolg nicht gefährden. Die Unterbringung in einem Kinderheim unterscheidet den Kuraufenthalt im übrigen auch vom bloßen Erholungsaufenthalt. Auch bei den Kinderkuren gilt aber die Regelung von R 188 Abs. 1 der Einkommensteuer-Richtlinie 1993, wonach dem amtsärztlichen Attest die bereits aufgezählten Bescheinigungen gleichgestellt sind.
Ihre Zusatzfrage, bitte.
Gehe ich recht in der Interpretation Ihrer Auskunft, daß sich Finanzbehörden entgegen den Richtlinien verhalten, wenn sie trotz Vorliegens einer Bescheinigung der Krankenkasse, die auch bei Kinderkuren die Voraussetzungen für eine Unterbringung außerhalb eines Kurheims bestätigt, die steuerliche Anerkennung versagen?
Ja.
Es gibt keine weiteren Zusatzfragen.
Dann rufe ich die Frage 36 des Abgeordneten Hans Büttner auf:
Teilt die Bundesregierung meine Auffassung, daß eine Anpassung der Einkommensteuerrichtlinien Abschnitt 188 § 33 EStG an die Verwaltungspraxis der gesetzlichen Krankenkassen einen wesentlichen Beitrag zum Abbau unnötiger bürokratischer Vorschriften im Steuerrecht und damit zur größeren Akzeptanz staatlichen Handelns leisten und den Staat schlanker machen könnte?
Kollege Büttner, Ihrem Wunsch nach Vereinfachung tragen schon jetzt die Einkommensteuerrichtlinien und die Hinweise hierzu weitgehend Rechnung. Im Rahmen der in diesem Jahr anstehenden Überarbeitung der Einkommensteuerrichtlinien wird auch der einschlägige
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 103. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 8. Mai 1996 9039
Parl. Staatssekretärin Irmgard KarwatzkiRichtlinienabschnitt einer erneuten Überprüfung unterzogen.
Zusatzfragen?
Kann ich aus der Antwort, die Sie auf meine erste Frage gegeben haben, und der Antwort, die Sie auf meine zweite Frage gegeben haben, schließen, daß Sie die entsprechenden notwendigen Klarstellungen bezüglich der MDK-Ärzte und der Krankenkassen so deutlich vornehmen, daß es unterschiedliche Interpretationen, wie sie bisher noch vorgenommen werden, künftig nicht mehr gibt?
Ich sage vorsichtig ja. Es ist nicht mein Fachgebiet. Ich werde dem zuständigen Kollegen sagen, er möge sehr darauf achten.
Es gibt keine weiteren Zusatzfragen.
Dann kommen wir zu den Fragen 37 und 38 des Kollegen Jürgen Koppelin. Sie werden schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Damit sind wir am Ende dieses Geschäftsbereichs. Vielen Dank, Frau Staatssekretärin.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft auf. Zur Beantwortung steht uns der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Norbert Lammert zur Verfügung.
Die Fragen 39 und 40 des Kollegen Hans-Eberhard Urbaniak sowie die Fragen 41 und 42 des Kollegen Dr. Olaf Feldmann werden schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Dann kommen wir zu der Frage 43 des Kollegen Wolfgang Schmitt:
Trifft es zu, daß die Bundesregierung bei den laufenden Verhandlungen zwischen der Europäischen Union und der Republik Südafrika hinsichtlich eines uneingeschränkten Marktzugangs bei folgenden Produkten Bedenken geltend macht: Fruchtsaft(-konzentrat), Wein, Schnittblumen, Rindfleisch, Äpfel und Spargel?
Herr Staatssekretär, bitte.
Herr Kollege Schmitt, wie jedem Freihandelsabkommen liegt auch dem mit Südafrika angestrebten und jetzt zur Verhandlung anstehenden Abkommen der Gedanke des freien Marktzuganges zugrunde, für den sich die Bundesregierung selbstverständlich einsetzt. Auch bei Freihandelsabkommen können jedoch einzelne Produkte von der Liberalisierung ausgeschlossen werden.
Im Falle des von Ihnen angesprochenen mit Südafrika geplanten Freihandelsabkommens haben im Rat auf der Grundlage von Vorschlägen der Europäischen Kommission bzw. der betroffenen Mitgliedsländer in den vergangenen Monaten in Brüssel ausführliche Konsultationen stattgefunden, um den Interessen der Landwirtschaft der Europäischen Union ausgewogen Rechnung zu tragen und gleichwohl die Liste dieser Produkte auf im einzelnen definierte Bereiche zu beschränken. Keineswegs soll die Landwirtschaft im ganzen von einem solchen freien Marktzugang ausgenommen werden.
Das förmliche Mandat für die Verhandlungen der Kommission mit Südafrika wurde vom Ministerrat mittlerweile verabschiedet.
Ihre Zusatzfragen, bitte.
Herr Staatssekretär, geben Sie mir recht, daß Freihandelsabkommen für die Begünstigten nur dann Sinn ergeben, wenn sie Produkten Marktzugang eröffnen, bei denen das produzierende Land unzweifelhaft komparative Kostenvorteile besitzt?
Können Sie mir sagen, welche Produktgruppen aus dem landwirtschaftlichen Bereich, bei denen die Republik Südafrika tatsächlich über komparative Kostenvorteile gegenüber der Europäischen Union verfügt, aus Sicht der Bundesregierung bedenkenlos importiert werden sollen bzw. welchen der Marktzugang erleichtert werden soll?
Zunächst stimme ich Ihnen natürlich zu, daß es die von Ihnen geschilderte Interessenlage - konkret: der südafrikanischen Seite - mit Blick auf ein solches Handelsabkommen gibt. Der Zweck solcher Abkommen besteht allerdings darin, die Interessen beider Seiten in einer Weise miteinander zu verbinden, daß sich auf der einen wie auf der anderen Seite die von Ihnen angesprochenen Vorteile aus diesen Handelsbeziehungen ergeben, ohne damit tatsächlich oder vermeintlich unzumutbare Belastungen hinnehmen zu müssen.
Aus dem Umstand, daß es definierte Bereiche gibt, die in einem solchen Freihandelsabkommen von der Liberalisierung ausgeschlossen werden sollen, läßt sich im Umkehrschluß erkennen, für welche Bereiche im Sinne Ihrer Fragestellung eine solche Belastung aus der Sicht der Bundesregierung nicht zu erwarten ist. Es ist sicher realistisch, davon auszugehen, daß es in den Verhandlungen zu jedem einzelnen dieser definierten Bereiche eine gründliche Einschätzung geben wird. Ich bin im Augenblick naturgemäß nicht in der Lage, ein mögliches Ergebnis dieser Verhandlungen vorwegzunehmen. Das bleibt abzuwarten, zumal die Verhandlungskompetenz, wie Sie wissen, nicht bei der Bundesregierung oder irgendeinem anderen betroffenen einzelnen Mitgliedstaat, sondern bei der Europäischen Kommission liegt.
Ihre zweite Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß in der Republik Südafrika Spargel zu anderen Jahreszeiten geerntet wird als hierzulande? Was bewegt die Bundesregierung trotzdem dazu, den Marktzugang von Spargel als sensibel zu bezeichnen bzw. gerade bei diesem Produkt entsprechende Bedenken anzumelden?
Herr Kollege Schmitt, ich bitte um Nachsicht, daß ich mich nicht in der Lage sehe, jetzt für die einzelnen im Verhandlungsmandat vorgesehenen Ausnahmetatbestände abschließend die Frage zu beurteilen, inwiefern man sich hier nicht auch andere Regelungen vorstellen könnte. Ich verweise auf den Gegenstand von Verhandlungen, mit dem wir es hier zu tun haben. Wir befinden uns nicht im Stadium abgeschlossener Vereinbarungen.
Dann kommen wir zur Frage 44 des Abgeordneten Schmitt:
Falls ja, inwieweit hält die Bundesregierung diese Haltung für vereinbar mit ihrem ansonsten vielfach betonten Bekenntnis zu freiem Welthandel und uneingeschränktem Marktzugang?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Herr Kollege Schmitt, ich darf mich noch einmal auf meine Antwort zu Ihrer ersten Frage beziehen und unterstreichen, daß natürlich der Zweck solcher Freihandelsabkommen darin besteht, einen möglichst allgemeinen offenen Marktzugang in beide Richtungen sicherzustellen. Ich muß aber darauf aufmerksam machen, daß das Bekenntnis zum freien Welthandel und auch die Bereitschaft, Verhandlungen in diesem Sinne zu führen, keineswegs ausschließen, daß in einem dann zu definierenden, eng abgegrenzten Bereich Ausnahmen gemacht werden können, um die Interessen von Produzenten zu schützen. Ich muß vor allen Dingen darauf hinweisen, daß es ausdrücklich auch den Regelungen des Welthandelsabkommens entspricht, daß bei einem Freihandelsabkommen einzelne Produkte von der Liberalisierung ausgeschlossen werden können, sofern allerdings die Marktöffnung annähernd den gesamten Handel umfaßt.
Insofern steht die Haltung der Bundesregierung bei dem Verhandlungsmandat mit Südafrika nicht im Widerspruch zu ihrer allgemeinen Außenhandelspolitik.
Es liegen keine weiteren Zusatzfragen vor.
Die Fragen 45 und 46 der Kollegin Dr. Elke Leonhard werden schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Damit sind wir auch am Ende dieses Geschäftsbereichs. Vielen Dank, Herr Staatssekretär.
Die Fragestunde ist damit beendet. Ich rufe den Zusatzpunkt 1 auf: Aktuelle Stunde
Haltung der Bundesregierung zu den Vorschlägen von Bundesminister Dr. Waigel und Bundesminister Seehofer hinsichtlich der Veränderungen des Rentenversicherungssystems
Die Aktuelle Stunde ist von der Fraktion der SPD beantragt worden.
Das Wort bekommt der Abgeordnete Rudolf Dreßler.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die SPD-Bundestagsfraktion hat die heutige Aktuelle Stunde beantragt, um die Bundesregierung zu zwingen, Klarheit zu schaffen, welcher Minister nun eigentlich für die Rentenpolitik des Kabinetts Kohl verantwortlich ist. Wir wollen wissen, was nun eigentlich gilt: die Worte des Kanzlers, die Ankündigungen des Finanzministers und CSU-Vorsitzenden Waigel, vielleicht auch die Diskussionsbeiträge von Frau Süssmuth oder von Herrn Biedenkopf, vielleicht sogar die Kabinettsvorlagen und öffentlichen Erklärungen des zuständigen Bundessozialministers Blüm oder vielleicht doch die Position des Bundesgesundheitsministers Seehofer, der jetzt ganz offen darangeht, seinen Kabinettskollegen Blüm zu demontieren, um dessen Ressort übernehmen zu können?
Wir wollen in dieser Aktuellen Stunde auch etwas über den permanenten Wortbruch wissen, der geradezu zum Markenzeichen der Rentenpolitik dieser Regierung geworden ist. Im März vor den wichtigen Landtagswahlen hat der Kanzler in seinem berüchtigten Rentnerbrief die älteren Mitbürger beschwichtigt:
Sie können sich darauf verlassen: Ihre Rente ist und bleibt sicher. Am Generationenvertrag wird nicht gerüttelt.
Daß das die reine Unwahrheit war, bestenfalls ein Blackout des Kanzlers, aber aller Wahrscheinlichkeit nach eine bewußte Täuschung, wissen wir heute.
Nach dem 24. März heißt die Devise: Nach den Wahlen bitte zahlen! Die Spargesetze mit tiefen Einschnitten in die erworbenen Rentenanwartschaften liegen jetzt vor. Die Druckerschwärze auf den Gesetzentwürfen ist noch nicht trocken, und schon wird der nächste Wortbruch vorbereitet. Jetzt geht es an das Herzstück des Generationenvertrages, an die Rentenformel.
Die Kommission, welche die Bundesregierung einberufen und mit der Erfindung der neuen Rentenformel beauftragen will, ist ein reines Feigenblatt. Der tiefe Einschnitt in das Rentenniveau ist bereits beschlossene Sache. Die Sachverständigen in dieser Kommission dürfen höchstens noch Ratschläge
Rudolf Dreßler
geben, an welcher Stelle das Messer angesetzt werden soll. Die Regierung und die Koalition sollen sich nicht einbilden, sie könnten erst die nettolohnbezogene Rentenformel als langfristige Sicherung des Generationenvertrages feiern und dann nur vier Jahre nach Inkrafttreten dieser Rentenformel wieder abschaffen, ohne sich den Vorwurf des Wortbruchs zuzuziehen.
Die Herren Blüm, Kohl und Waigel begehen einen Wortbruch an den Rentnerinnen und Rentnern und an den Versicherten. Wir werden diesen Wortbruch beim Namen nennen.
Der Finanzminister fordert die volle Rentenbesteuerung. Der bayerische Ministerpräsident verlangt die Verdoppelung des Krankenkassenbeitrags der Rentner. Der Bundesgesundheitsminister verlangt sogar beides: sowohl die volle Rentenbesteuerung als auch den vollen Krankenversicherungsbeitrag der Rentner. Nachweislich der Äußerungen ihrer gesamten Führungsspitze ist die CSU damit zu einer Steuer- und Abgabenerhöhungspartei für die Rentnerinnen und Rentner geworden.
Wir werden im Verlaufe der heutigen Aktuellen Stunde sehen, was die Sozialpolitiker der CDU/CSU zu diesem Vorgang zu sagen haben oder ob sie sich kraft Redeverbot heute noch nicht einmal vor dem Bundestag zu den chaotischen Verhältnissen in ihrer eigenen Bundesregierung äußern dürfen.
In dieser chaotischen Situation ist es Zeit, daß Bundesregierung und Koalition wieder zu einer verläßlichen und soliden Rentenpolitik zurückkehren. Ich fordere daher, daß der Bundeskanzler entweder die Kabinettsmitglieder Waigel und Seehofer zur Ordnung ruft und ihnen klarmacht, daß die Rentenpolitik nicht in ihre Ressortzuständigkeit gehört, oder Bundessozialminister Blüm das Vertrauen entzieht und ihn entläßt; denn beides ist unvereinbar, meine Damen und Herren.
Die Bundesregierung muß zudem unverzüglich alle Zahlen auf den Tisch legen. Es stellt eine Provokation und eine Mißachtung des Parlaments dar, daß der Bundessozialminister Blüm in einem Schreiben an die Bundestagspräsidentin vom 29. März dieses Jahres behauptet, eine diesbezügliche Große Anfrage der SPD-Bundestagsfraktion könne erst in der zweiten Julihälfte beantwortet werden, der gleiche Minister aber gleichzeitig, offensichtlich auf der Grundlage geheimer Zahlen, zur Sanierung weitreichende Einschnitte in der Rentenversicherung vorbereitet. Dies darf sich dieses Parlament nicht länger bieten lassen.
Die Bundesregierung muß ihr Rentenkürzungsgesetz zurückziehen, wenn sie nicht Gefahr laufen will, daß der Dialog über den Generationenvertrag im Parteienstreit weiter zermürbt wird. Wir haben in diesem Haus bereits am 2. Februar eine große Rentenrunde angemahnt und unsere Bereitschaft dazu erklärt. Mit ihrem Kürzungspaket haben die Bundesregierung und die Koalitionsfraktionen einseitig den Rentenkonsens von 1989 und 1992 verlassen. Wenn das so bleibt, sind die Bundesregierung und die sie tragenden Parteien für das, was jetzt in der Rentendebatte in Deutschland geschieht, selbst verantwortlich.
Ich erteile dem Abgeordneten Eduard Oswald das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Koalition hat in der letzten Sitzungswoche ein Programm für mehr Wachstum und Beschäftigung beschlossen und vorgelegt.
Der Bundeskanzler hat dazu am 26. April eine Regierungserklärung abgegeben. Darin hat er auf die Wichtigkeit der Erhaltung von Wachstum und Beschäftigung hingewiesen, die auch für die Finanzierung unserer sozialen Sicherungssysteme von großer Bedeutung sind.
Das gesamte Programm der Regierungskoalition hat auch das Ziel, die Finanzierbarkeit der sozialen Sicherungssysteme insgesamt langfristig zu gewährleisten.
Im Rahmen dieser Debatte haben wir klargestellt, daß unsere Rentenpolitik verläßlich bleibt und daß kein Rentner um seine Rente Angst haben muß.
Das war eine klare und eindeutige Aussage, der nichts hinzuzufügen ist.
Wir haben außerdem die Entschlossenheit zum Ausdruck gebracht, die Rentenversicherung im Hinblick auf eine weitreichende Zukunftsperspektive weiterzuentwickeln.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir wollen, daß auch die junge Generation eine verläßliche und berechenbare Perspektive für ihre spätere Altersversorgung hat. Dies ist notwendig, um den Generationenvertrag, der sich seit langem bewährt hat, zu sichern.
Eduard Oswald
Zu diesem Zweck hat die Bundesregierung eine Kommission unter Vorsitz des Bundesarbeitsministers eingesetzt.
Dies ist ausdrücklich Bestandteil dieses Programms.
Auch bezüglich dieser Frage bestand anläßlich der Regierungserklärung unseres Bundeskanzlers für alle Seiten dieses Hauses Gelegenheit, sich ausführlich zu äußern. Offensichtlich war es der Opposition aber wichtiger, die Regierung mit allgemeinen Vorwürfen und Anschuldigungen zu überziehen statt sich mit den entscheidenden Fragen sachlich auseinanderzusetzen. Deshalb besteht heute keinerlei Anlaß, noch einmal die Debatte nachzubessern oder eine neue aufzurollen.
Ich kann Ihnen aber versichern: Sie werden, sobald die Kommission unter Leitung von Norbert Blüm ihre Arbeit aufnimmt,
genügend Gelegenheit haben, sich konstruktiv am Meinungsbildungsprozeß zu beteiligen. Gerade in der Rentenfrage hat es sich bewährt, daß wir zu parteiübergreifenden Vereinbarungen kommen. Ich lade Sie schon jetzt im Namen meiner Fraktion herzlich dazu ein, sich daran zu beteiligen. Ich kann Ihnen versichern, daß Ihre Vorschläge von uns mit Ernsthaftigkeit geprüft und auch diskutiert werden. Auch in diesem Hause gibt es Gelegenheit, hierüber zu reden.
Wir sollten die besondere Bedeutung und Wichtigkeit des gesamten Themas dadurch deutlich machen, daß wir versuchen, in den dazu vorgesehenen Plenardebatten um Lösungen zu ringen. Der Weg, mit Hilfe Aktueller Stunden ständig nachzulegen, wird der Ernsthaftigkeit des Themas jedenfalls nicht gerecht, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Es gibt hier und heute keinen Grund für eine neuerliche Diskussion. Ich bitte Sie um Verständnis, daß sich meine Fraktion, die CDU/CSU, heute an der Debatte nicht weiter beteiligen wird.
Die Koalitionsfraktionen werden dem Hause für die nächste Sitzungswoche einige Gesetzesentwürfe zur Umsetzung des Programms für mehr Wachstum und Beschäftigung vorlegen. Noch in diesem Monat wird die Bundesregierung die Rentenkommission einsetzen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, bis zum Jahresende werden dann die Vorschläge auf dem Tisch liegen. Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, werden hinreichend Gelegenheit zur
Mitarbeit haben, soweit Sie es nützen. Nutzen Sie jetzt die Zeit und bereiten Sie sich auf diese intensive und konstruktive Sacharbeit vor. Das sind wir unserer Gesellschaft insgesamt schuldig. Ich würde mir wünschen, wenn alle, die hier diskutieren, so engagiert wie Theo Waigel, Horst Seehofer und Norbert Blüm an der Umsetzung unseres Programms für mehr Wachstum und Beschäftigung mitarbeiten.
Der Bundeskanzler hat in seiner Regierungserklärung alle zu einer möglichst breiten Beteiligung an der Diskussion aufgefordert. Ich kann dies heute nur wiederholen.
Vielen herzlichen Dank.
Ich erteile das Wort der Abgeordneten Andrea Fischer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lange hat die Bundesregierung den Dialog mit der jungen Generation verweigert. Ich habe allerdings nicht den Eindruck, daß die gegenwärtige Art und Weise geeignet ist, diesen Dialog zu eröffnen.
Es macht eher den Eindruck einer Explosion, die entsteht, wenn man den Deckel zu lange auf dem Dampfkochtopf gelassen hat. Es ist unglaubwürdig, vor allen Dingen deswegen, weil das ganze Getöse zu einem Zeitpunkt kommt, wo die Bundesregierung im Sparpaket beträchtliche Einschnitte und Veränderungen in der Rentengesetzgebung macht. Das heißt, das alles passiert ohne eine gründliche Rentendiskussion, geschweige denn in einer Kommission unter Beteiligung aller, wozu gerade der Kollege Oswald mit warmen Worten aufgerufen hat. Das, was sich schon bald bemerkbar machen wird, insbesondere beim Rentenalter der Frauen, machen Sie einfach im Schnellverfahren. Das ist ein Affront gegen die Frauen. Es verletzt den Vertrauensschutz, und es ist arbeitsmarktpolitischer Unsinn. Sie machen damit nichts anderes, als daß Sie die arbeitslosen Frauen ihre eigene Arbeitslosigkeit durch gekürzte Renten bezahlen lassen.
Die Zukunft der Rentenversicherung ist nicht als Bewerbungsschreiben eines Ministers geeignet, der sich beruflich verändern möchte. Unter den gegebenen Bedingungen ist der Vorschlag von Herrn Seehofer nichts anderes als eine Rentenkürzung um 7 Prozent. Dann soll man das auch so deutlich sagen. Eine ernsthafte Reformdiskussion muß man aber anders angehen. Die Blüm-Entmachtungskommission soll die langfristigen Rentenausgaben und deren Entwicklung neu diskutieren, und gleichzeitig macht sie tiefe Einschnitte. So gewinnt man das Vertrauen nicht.
Andrea Fischer
Bei der jungen Generation ist die Rentenversicherung schon seit langem in einer tiefen Legitimationskrise. Diese Unernsthaftigkeit wird die junge Generation auch nicht dazu bringen, daß sie ihre Einstellung ändert. Wir brauchen in der Tat eine Überprüfung der Ergebnisse des Rentenreformgesetzes von 1992; bei dessen Verabschiedung waren die Entwicklung der Arbeitslosigkeit und die Folgen der deutschen Einheit ebenfalls nicht in diesem Ausmaß absehbar. Es stellen sich daher für uns eine Reihe von außerordentlich schwierigen Fragen: Reicht die 1992 verabschiedete Nettolohnanpassung der Renten aus, um die Entwicklung der Rentenausgaben auch auf lange Sicht generationenverträglich zu begrenzen?
Wir müssen uns auch darum kümmern, ob die Heraufsetzung des Rentenalters, die unter demographischen Gesichtspunkten Sinn macht, bei einer weiterhin schwierigen Arbeitsmarktlage überhaupt vertretbar und realisierbar ist.
Uneingelöst ist weiterhin der Anspruch des gesamten Bundestages von 1991, die eigenständige Alterssicherung für Frauen weiterzuentwickeln. Es geht insbesondere um die Kindererziehungszeiten. Wir werden aber auch - nicht nur bei Frauen, sondern bei Männern und Frauen - mit der Frage konfrontiert werden: Wie kann das Rentenversicherungssystem, das von einer bestimmten Fiktion eines Erwerbsverlaufes ausgeht, noch eine wirklich tragfähige Sicherung auch bei zunehmend unstetigeren Erwerbsverläufen der Bevölkerung ermöglichen? Darin liegt großer Reformbedarf.
Das Thema der Besteuerung der Renten ist ein außerordentlich ungeeigneter Notanker für einen verzweifelten Finanzminister. Damit verschafft man sich nichts als Ärger
und verunsichert die Leute. Das wirft auch wieder die Gerechtigkeitsfrage auf. Man kann über eine Erhöhung des Anteils der Renten, der besteuert wird, nur im Rahmen einer großen Einkommensteuerreform reden,
bei der die Aufwendungen für die Vorsorge der Alterssicherung von der Steuer freigestellt werden und dann entsprechend auch die Erträge zu besteuern wären. Dafür braucht man einen Übergangszeitraum und eine bedachtsame Debatte, damit man sich nicht all den Vorwürfen aussetzt, wie sie Ihnen ja auch in den letzten Tagen präsentiert worden sind.
Der Generationenvertrag muß immer neu verhandelt werden. Er ist kein starres Gebilde, er ist eine politische Verabredung, die wir immer wieder neu zu treffen haben, auch und gerade unter Berücksichtung der Leistungsfähigkeit der jeweils aktiven Generation.
Ich möchte an Sie appellieren, darauf zu achten, daß Sie, wenn Sie diese Reform durchführen, jetzt nicht im Hauruckverfahren im Rahmen der Sparpaketoperation Fakten schaffen, sondern daß Sie dann, wenn Sie diese Kommission einrichten, auch das gesamte Paket verhandeln. Ich möchte vor allem an Sie appellieren, in dieser Kommission ganz bewußt, ganz ernsthaft und wohlorganisiert den Dialog mit der jungen Generation zu führen, weil über deren Zukunft verhandelt wird.
Ich erteile das Wort der Abgeordneten Dr. Gisela Babel.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Thema der Aktuellen Stunde sind Äußerungen unserer Minister zur Rentenreform. Damit finden diese Äußerungen einen parlamentarischen Nachhall, der mich für die Zukunft befürchten läßt, daß sich unsere Vollblutpolitiker eher noch mehr beflügelt fühlen könnten, sich mit brisanten Themen zu befassen.
Für die F.D.P. begrüße ich, daß alle die Fragen erst einmal in einer Kommission gründlich erörtert und die Lösungen dort beschlossen werden sollen. Damit wird unser Wunsch erfüllt, daß dem Satz „Die Renten sind sicher" nicht nur Geltung für die heutigen Rentner verschafft wird, sondern daß dieser Satz Geltung auch für künftige Rentner oder für heutige jüngere Beitragszahler bekommt.
Sie wollen wissen, welche Ansprüche aus ihren Beiträgen erwachsen und welchen Wert ihre Rente einmal haben wird. Wir sind uns alle bewußt, daß Veränderungen in der gesetzlichen Rentenversicherung notwendig sind; nicht nur die demographische Entwicklung, sondern gerade auch die Situation auf dem Arbeitsmarkt bedrohen die Finanzstrukturen der Rentenversicherung. Gerade die F.D.P. hat immer wieder klargemacht, daß wir jetzt handeln müssen und die vorhandene Rentenregelung eine Überbelastung der kommenden Generation darstellt.
Mit dem „Programm für Wachstum und mehr Beschäftigung" sind die Weichen hierfür gestellt. Die Liberalen sind der Auffassung, daß wir für die langfristige Stabilisierung der Alterssicherung ein schlüssiges Gesamtkonzept benötigen. In einem solchen Gesamtkonzept wird fraglos auch die künftige Besteuerung der Renten geregelt werden müssen. Für wenig hilfreich halte ich es, die Besteuerung der Renten losgelöst von diesem Konzept zu diskutieren. Das heißt das Pferd von hinten aufzäumen.
Zunächst muß die Rentenversicherung neu strukturiert und vor allem muß das Steuerrecht neu geordnet werden. Die Steuersätze müssen gesenkt werden, dann erst können wir die Besonderheiten der
Dr. Gisela Babel
Rentenbesteuerung diskutieren, nicht aber umgekehrt.
Mit einem leisen Ton der Kritik will ich anmerken, daß eine Äußerung über die Besteuerung der Renten aus dem Munde des Finanzministers in der Tat mißverstanden werden könnte, und zwar in der Weise, daß es sich darum handeln könnte, eine neue Finanzquelle aufzutun.
Ein Grund, warum wir dieses Thema erörtern müssen, ist die Auflage des Bundesverfassungsgerichts, in der klar gesagt wird, daß es eine Gleichbehandlung im Steuerrecht zwischen den Beamtenpensionen und den Renten geben muß.
- Das ist ziemlich alt, aber das heißt nicht, daß wir es nicht umsetzen müssen.
Ich will Ihnen eines sagen: Wer Renten höher als bisher besteuern will, muß auch die Möglichkeit einräumen, Rentenbeiträge von der Steuer abzusetzen. Ich glaube deshalb, daß nachher nicht viel mehr in der Kasse sein wird. Bisher ist das Absetzen der Rentenbeiträge nur eingeschränkt möglich. Das muß genauso geändert werden, wie wir es mit den Lebensversicherungen gemacht haben.
Die F.D.P. wird konstruktiv an einer Rentenreform mitarbeiten.
Wir halten - das will ich als Fixpunkte für die F.D.P. anführen - am gegliederten System der Alterssicherung und an der Lohn- und Beitragsbezogenheit der Renten fest.
Unser Ziel ist die Gewährleistung einer angemessenen Alterssicherung im heutigen System, und zwar unter größerer Berücksichtigung eines langfristig stabilen Beitragssatzes. Hinzu kommt die notwendige Ergänzung der gesetzlichen Rentenversicherung durch mehr betriebliche und private Altersversorgung. In dieser Sache - sie fehlt eigentlich in keiner Rede - haben wir nachweislich noch viel zuwenig getan. Die rechtliche Behandlung sowohl der privaten Altersvorsorge als auch der betrieblichen Altersvorsorge ist in ihrer künftigen Bedeutung meiner Ansicht nach noch gar nicht erfaßt und gehört mit in das Gesamtkonzept. Ein Gesamtkonzept, das diese drei Säulen einbezieht, ist umfassend und auf Dauer solide. In diesem Sinne werden wir uns einsetzen.
Vielen Dank.
Ich erteile der Abgeordneten Petra Bläss das Wort.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Kolleginnen und Kollegen! Wieder geht es heute um die Rentenversicherung, anstatt sich seriös den wirklichen Herausforderungen der Zukunft zu stellen. Angesichts der zahlreichen Wortmeldungen in den letzten Tagen zum Dauerbrenner Rente kann man nur staunen, wie viele selbsternannte Rentenexpertinnen und Rentenexperten Bonn inzwischen hat.
Schon in der Debatte zum Sparpaket der Bundesregierung produzierten sich Finanzminister Waigel und Wirtschaftsminister Rexrodt mit entsprechenden Hinweisen zur Rentenversicherung. Kaum ist das Sparpaket mit seinen einschneidenden sozialen Kürzungen geschnürt, kommt nun Gesundheitsminister Seehofer mit richtungsweisenden Forderungen nach einer radikalen Umgestaltung des Generationenvertrags zur dauerhaften Sicherung der Renten.
Sachsens Ministerpräsident Biedenkopf hält die Zeit für reif, sich wieder mit seinem steuerfinanzierten Grundrentenmodell einzumischen. Der Kanzler scheint einmal mehr die Richtung anzugeben. Er verweist auf die Pflicht und Verantwortung, schon heute über die notwendigen Konsequenzen für Entwicklungstendenzen um das Jahr 2030 zu diskutieren und zu handeln. Das soll eine Kommission unter Leitung von Bundesminister Blüm tun.
Aber die Zeit drängt, so der Kanzler, die Ergebnisse müssen Ende dieses Jahres, 1996, vorgelegt werden, damit das Gesetzgebungsverfahren 1997 eingeleitet und abgeschlossen werden kann.
An dieser Stelle ist zu fragen: Was soll das Ganze? Bisher hat Herr Blüm stereotyp gepredigt: Die Renten sind sicher. Zugleich hat er für die Rentenkasse eine Sanierungsmaßnahme nach der anderen angeschoben. Die hektischen Sparschritte zu Lasten älterer Menschen sind völlig unnötig, weil zwar ein Milliardenloch in den Rücklagen der Rentenkasse vorhanden ist, aber nicht, wie wir alle wissen, in den Mitteln für die laufenden monatlichen Zahlungen.
Der Boden ist bereitet, um jetzt einen Generalangriff auf die solidarische Rentenversicherung fahren zu können. Woher nehmen Sie sich das Recht, jetzt bis zum Sommer den Rentenkonsens der Vergangenheit vollends aufzukündigen und im folgenden halben Jahr festzuklopfen, wie den Herausforderungen des Jahres 2030 zu begegnen ist?
Wir haben erst heute im Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung erfahren, daß sämtliche Einschnitte in der gesetzlichen Rentenversicherung im Rahmen des Sparpakets noch bis zur Sommerpause durchgezogen werden sollen.
Ich habe fast den Eindruck, daß seitens der Regierung mit immer neuen Vorschlägen der Widerstand gegen andere Maßnahmen schon im Vorfeld gebrochen werden soll. In der Tat kommen Verbände und Betroffene mit ihrem Protest kaum noch hinterher. Wir meinen, die Rentenpolitik gehört endlich auf einen Tisch, der seriöse Diskussionen zuläßt, und nicht permanent ins Medienkarussell.
Petra Bläss
Doch die entscheidende Voraussetzung für einen breiten gesellschaftlichen Diskussionsprozeß ist, daß Sie von Ihrem Paket der sozialen Grausamkeiten ablassen, denn es ist absolut scheinheilig, einerseits den Rentenkonsens von 1989 einseitig aufzukündigen und andererseits die SPD zur Mitarbeit an künftigen Veränderungen einzuladen. Wir erneuern unsere Forderung nach einem Rentenmoratorium für 1996, wonach zunächst nichts am Rentensystem verändert werden soll. Alles, was jetzt läuft, ist die Suche nach ein paar Milliarden zum Stopfen von Haushaltslöchern.
Es gibt tatsächliche Herausforderungen der Gegenwart und vor allem der Zukunft, aber es gibt auch Alternativen. Die solidarische Rentenversicherung hat realistische Chancen auf Erhalt und Ausbau, nur muß dafür die Blickrichtung geändert werden. Statt immer mehr die Leistungen zum Zwecke der Sanierung der Rentenkassen zu kürzen, sollte überlegt werden, wie mehr Geld in die Rentenkassen hineinkommt. Mit vollem Recht protestieren deshalb Verbände, Gewerkschaften und Betroffene gegen die Abschaffung der Frühverrentung und die Anhebung des Frauenrentenalters sowie gegen die beabsichtigte Besteuerung von Renten und vieles andere mehr.
Meine Damen und Herren, der neokonservative Zeitgeist verlangt Widerstand und reformerische Umkehr. Eine Rentenreform ist erforderlich, die den Älteren Sicherheit und den Jüngeren Zuversicht in die gesetzliche Rentenversicherung vermittelt.
Nun spricht der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung, Dr. Norbert Blüm.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe erst einmal eine Frage an den Kollegen Dreßler: Muß man eigentlich immer mit so großen Kanonenkugeln losschießen, immer mit den kräftigsten Worten argumentieren?
- Wenn Sie mich reizen, erinnere ich Sie daran, daß Sie im Februar - das ist drei Monate her - eine Rentenkürzung angekündigt haben. Da war Wahlkampf. Da haben Sie den Leuten in Baden-Württemberg, Schleswig-Holstein und Rheinland-Pfalz angst gemacht, die Rentenanpassung würde ausfallen. Was ist passiert? Die Rentenanpassung kommt so pünktlich wie immer.
Deshalb, liebe Zuhörer auch draußen, liebe Rentner: Wenn hier verrückt gespielt wird, dann wird Parteipolitik und nicht Rentenpolitik gemacht. Wir müssen Rentenpolitik machen.
Wir bekommen nämlich die Fäden nicht zusammen. Es gibt Meinungsunterschiede.
- Warum sind Sie so aufgeregt? Soll ich es wiederholen? Sie haben Rentenkürzungen angekündigt. Nichts ist passiert. Sie haben die Wähler verunsichert. Jetzt treiben Sie es weiter. Ich kann es ein drittes Mal sagen, damit es jeder kapiert.
Es geht darum, die Fäden zusammenzubringen, Beruhigung in die Rentendiskussion zu bringen.
Wir liefern dazu sogar die Plattform. Werfen Sie die Einladung nicht so schnell weg, Herr Fraktionsvorsitzender! An Sie wende ich mich besonders. Wenn man die Tür zumacht, muß man sie vielleicht auch einmal wieder aufmachen. Selbst Sie wollen doch einmal regieren. Dann werden Sie sehr darauf angewiesen sein, daß die Rente aus dem parteipolitischen Streit heraus ist. Selbst wenn das im Jahr 2030 ist, muß dann noch Rentenkonsens herrschen. Ich lade Sie wirklich ein. Wir müssen nicht bis zur fünften Stelle hinter dem Komma einig werden, aber über die Grundlagen. Diese Grundlagen haben wir nicht verlassen. Was wir jetzt vorschlagen, ist im Rentensystem enthalten.
Herr Kollege Dreßler, ich will es Ihnen gern noch erklären. Wir wollen die Altersgrenze anheben, und wir wollen die Altersgrenzen für Männer und Frauen angleichen. Wenn Sie das für systemwidrig erklären, haben Sie sich 1989 an einer Systemwidrigkeit beteiligt.
Falls das Gedächtnis zu kurz ist: Wir haben damals vereinbart, daß die Altersgrenzen angehoben werden und daß die Altersgrenzen von Männern und Frauen angeglichen werden.
Der einzige Unterschied ist der, daß wir die Jahreszahlen verändert haben, daß wir das schneller machen. Das ist also kein prinzipieller Unterschied, sondern nur ein temporärer. Wieso erklären Sie heute etwas als sich gegen das Rentensystem richtend, was Sie 1989 mit beschlossen haben? Der einzige Unterschied ist, daß wir die Jahreszahlen verändert haben.
- Verehrte Frau Kollegin, der Kollege Dreßler hat hier unter dem Aspekt der Gleichberechtigung mit dafür gestimmt, daß für Männer und Frauen auch die gleiche Altersgrenze gilt.
Bundesminister Dr. Norbert Blüm
Aber abseits dieses Konsenses möchte ich auf eines hinweisen: Wenn die Lebenserwartung steigt - das ist doch von uns allen erwünscht -, können wir das Renteneintrittsalter doch nicht senken. Wir können auf längere Rentenlaufzeiten doch nicht mit immer kürzeren Erwerbszeiten antworten. Ich bin dafür, daß wir diesen Übergang mit dem Angebot von Altersteilzeitarbeit verbinden. Wer bei höherer Lebenserwartung die Altersgrenze nicht anhebt, der muß höhere Beiträge in Kauf nehmen - bis sie der Arbeitnehmer nicht mehr bezahlen kann. Auch bei ihm gibt es eine Grenze der Belastbarkeit, wie beim Arbeitgeber.
Wenn Sie Beitragsexplosionen verhindern wollen, dann kommen Sie an der Anhebung der Altersgrenze nicht vorbei, zumal die jetzige tatsächliche Altersgrenze fünf Jahre unter der gesetzlichen liegt. Bestände noch die Altersgrenze der 60er Jahre, müßten wir 6 Prozent weniger Beitrag zahlen. Die Menschen werden älter und gehen immer früher in Rente.
- Wir schaffen nicht mehr Arbeitsplätze dadurch, daß die Beiträge immer weiter steigen.
Ich komme zu einem weiteren Punkt, den beitragsfreien Zeiten. Herr Kollege Dreßler, wir wollen das Thema einmal ganz langsam angehen. Wir beschränken die Anrechenbarkeit beitragsfreier Zeiten. Auch das ist kein Systembruch; denn Sie haben sich an der Kürzung der Anrechenbarkeit beitragsfreier Zeiten von 13 auf 7 Jahre beteiligt. War das eine Beschränkung, oder war das keine? Wenn das damals kein Systembruch war, dann ist es auch heute keiner.
- Man muß einmal klar sagen, was das System trägt.
Das System basiert auf der Lohnbezogenheit der Rente. Wir stärken die Lohnbezogenheit, indem wir die beitragsfreien Zeiten zurückdrängen. Denn diese beitragsfreien Zeiten werden ja von denen, die sie nicht in Anspruch nehmen, den Arbeitnehmern, die kein Studium haben, mit bezahlt. Insofern ist unser Vorschlag ein Beitrag zur stärkeren Beitragsäquivalenz.
Meine Damen und Herren, jetzt zur berühmten Besteuerung: Die Rente wird heute schon besteuert. Allerdings gilt das für Renten, die es kaum gibt. Die Ertragsanteilsbesteuerung beginnt nämlich mit 65 Jahren bei einer Rente von 62 000 DM. Wer also sagt, eine Besteuerung sei gar nicht vorhanden, der kennt das System nicht. Schon beim Grundfreibetrag war die Frage, ob es hier Korrekturen bedarf. Das bedeutet doch nicht eine grundsätzliche Besteuerung der Renten. Wer das so hört, der denkt, jetzt werde eine Witwenrente von 900 DM besteuert. Daran hat doch kein Mensch gedacht; das ist doch völlig abwegig.
Außerdem - das ist richtig, auch Frau Babel hat es gesagt - hieße das: Dann müßte auch der Beitrag steuerfrei sein.
Wir haben - das hat die Kollegin Fuchs vorhin zu Recht gesagt - die nettolohnbezogene Rente eingeführt. Auch das hat einen Teil der unterschiedlichen Behandlung von Beamtenpensionen und Renten korrigiert.
Ich nutze die Gelegenheit - Wahlkampfdampf beiseite -, noch einmal eindringlich darauf hinzuweisen: Die Welt entwickelt sich weiter, es spielt nicht nur der Tageserfolg eine Rolle. Ich würde mir nicht wünschen, daß wir Wahlkampf als Generationenkampf führen: Jung gegen Alt.
Ich wünsche mir, daß auch im Wahlkampf die Solidarität nicht gefährdet ist. Der Generationenvertrag ist eine der elementarsten Solidaritätseinrichtungen.
Ich finde, er ist am leichtesten vermittelbar; denn die Jungen werden ja auch einmal alt.
Ich weiß ja, daß Sie, Frau Kollegin Fischer, eine Retterin der Lohnbezogenheit der Rente sind; das sind leider nicht alle. Klären Sie die junge Generation einmal im Gespräch darüber auf, daß eine Grundrente eine Überlastung der jungen Generation mit sich bringt. Sie muß dann nämlich die Renten der Alten mit den heutigen Beitragssätzen bezahlen und bekommt dafür keine dynamische, lohnbezogene Rente.
- Bleiben Sie ganz ruhig. Ich versuche doch gerade, es mit Ihrer Hilfe allen zu erklären. - Ich sage für die Kommission: Denkbar ist alles, aber machbar ist bei weitem nicht alles. Wünschenswert ist noch viel weniger. Wünschenswert bleibt ein leistungsbezogenes, lohnbezogenes und nicht von der Staatskasse abhängiges Rentensystem. Wünschenswert bleibt ein Rentensystem, das nicht von der Gnade einer Mehrheit und auch nicht von der Kassenlage des Bundes abhängig ist, sondern das einem solidarischen Generationenvertrag entspricht. Dazu lade ich Sie ein. Streiten wir uns über die Details; aber bleiben wir hinsichtlich dieser Grundprinzipien unseres
Bundesminister Dr. Norbert Blüm
Rentensystems im Konsens! Ich bitte Sie ausdrücklich darum.
Nun erteile ich der Abgeordneten Ulrike Mascher das Wort.
Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Wenn der Arbeitsminister hier in bewegten Worten davon spricht, daß er die Fäden zusammenhalten will und daß es notwendig ist, das Tischtuch nicht zu zerschneiden, dann finde ich es merkwürdig, wenn das von jemandem gesagt wird, der die Schere gerade in die Tasche gesteckt hat.
Herr Blüm, ich habe mit Rudolf Dreßler, Ottmar Schreiner und Ihnen an einem Tisch gesessen. Sie haben uns bei dieser Gelegenheit mitgeteilt, was Sie in den nächsten vier Sitzungswochen im HauruckVerfahren durchziehen wollen. Sie haben freundlich gesagt: Danach bilden wir eine Kommission, zu der wir Sie einladen, wieder mitzuarbeiten.
Wenn Sie wesentliche Teile des Rentenkonsenses von 1992 aufkündigen und erklären, das alles sei nicht verhandelbar, dann können Sie nicht nachher sagen: Aber jetzt helfen Sie doch wieder mit, damit wir die Brocken einigermaßen zusammenhalten und damit bei dieser Sache etwas Vernünftiges herauskommt.
So kann man mit einem Konsens nicht umgehen. Die Sozialdemokraten sind bei aller Bereitschaft, im Interesse der Rentner und Rentnerinnen sowie der jungen Generation ein tragfähiges Rentensystem zu erhalten, nicht dazu da, um Ihre Demontagepolitik mit einer schönen Fassade zu kaschieren.
Der Verband Deutscher Rentenversicherungsträger hat akribisch aufgelistet, daß es inzwischen 26 Vorschläge zur Veränderung der Renten gibt.
Ich weiß nicht, welche Platzziffer die bayerischen Helden Seehofer und Waigel in dieser Reihenfolge haben. Ich weiß auch nicht, ob der VDR eine Rangliste der unsinnigsten Vorschläge gemacht hat. Aber ich weiß, daß das, was hier von Koalitionspolitikern und auch von Ministern getrieben wird, dazu führt, daß die Rentner und Rentnerinnen verunsichert werden und Angst bekommen und daß unser Rentensystem einen dramatischen Vertrauensverlust erleidet.
Da kann ich nur sagen, Herr Arbeitsminister Blüm: Wer schürt denn bei den Rentnern die Angst? Die Kollegen Seehofer und Waigel!
Es wird immer gesagt - das haben auch Sie jetzt gesagt -: Das mit der Besteuerung ist ja gar nicht so schlimm. Das trifft nur ganz wenige. Ich frage mich aber, warum von Renten in Höhe von 5 000 DM geschwafelt wird, wenn Sie selber doch ganz genau wissen, wie hoch die Durchschnittsrenten sind: bei Frauen knapp über 1 000 DM.
Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen, daß diese Renten besteuert werden; das ist ganz richtig. Aber warum zelebrieren Sie diese Vorschläge in aller Öffentlichkeit? Warum versuchen Sie noch immer, einen Wettbewerb einzugehen, wer die grauseligsten Sparvorschläge in dieser Koalition macht und wer unter den Ministern der größte Kettensäger im Hinblick auf die Rentenversicherung ist? Wie soll hier ein Generationenvertrag aufrechterhalten werden, wenn Sie selber das Vertrauen in die Rentenversicherung stören?
Reicht es denn noch nicht, wenn bei den Frauen die Rentenaltersgrenze aufgehoben werden soll und wenn bei den Frauen Rentenkürzungen drohen, wenn sie trotzdem mit 60 Jahren in Rente gehen, weil sie zum Beispiel arbeitslos sind? Reicht es denn noch nicht, daß die veränderte Anerkennung der Ausbildungszeiten die Frauen ganz besonders trifft, weil sie Lücken in ihrer Rentenbiographie haben und weil deswegen für Frauen jedes Rentenjahr kostbar ist? Reicht das denn noch immer nicht?
Was soll hier die Beschwörung des Programms für Beschäftigung und Wachstum? Wo ist der famose Parlamentarische Geschäftsführer, der den Sozialpolitikern der CDU/CSU offensichtlich Redeverbot erteilt hat? Glauben Sie denn wirklich, daß Ihr famoses Programm für Beschäftigung und Wachstum Arbeitsplätze schafft, wenn die Frauen länger arbeiten müssen? Das heißt doch für die jungen Frauen, daß sie keine Chance auf einen Erwerbsarbeitsplatz haben.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich finde das, was von der Regierungskoalition in den nächsten vier Wochen durchgepeitscht wird, verantwortungslos. Den Rentenkonsens zu beschwören und immer wieder zu gemeinsamen Gesprächen einzuladen, wenn alles zerschlagen ist, halte ich für zynisch.
Sicher bleibt da noch eine Menge von der Rentenversicherung übrig. Aber ganz wesentliche Teile und beispielsweise das Vertrauen in die Rentenversicherung sowie die Lebensplanung insbesondere von
Ulrike Mascher
Frauen werden zerstört. Ich halte es für nicht ganz glaubwürdig und ehrlich, wenn dann der Arbeitsminister hier die SPD noch einmal zu einem Konsens auffordert. So kann es nicht funktionieren, und wir werden dabei nicht mitspielen.
Nun erhält die Abgeordnete Renate Jäger das Wort.
Sehr verehrter Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Herr Blüm, Sie sagen, Sie möchten Beruhigung in die Rentendiskussion bringen. Das hätten Sie ja haben können, wenn Sie beim Rentenreformgesetz geblieben wären.
Im Rentenreformkompromiß war für 1997 ein Bericht über die Anhebung der Altersgrenzen vorgesehen. Wenn Sie sich daran orientiert hätten und wir diesen Bericht in Ruhe abgewartet und gemeinsam debattiert und entschieden hätten, wie wir damit weiter umgehen, dann hätten wir in der ganzen Rentendiskussion schon Ruhe gehabt.
Meine Damen und Herren, schwierige Zeiten verlangen nach schöpferischen Menschen und auch nach klugen Ideen. Aber kluge Ideen zur Förderung von Wachstum und Beschäftigung im Bereich der Rentenversicherung sind von dieser Bundesregierung leider bisher nicht gekommen. Sie sind deshalb nicht gekommen, weil die Bundesregierung zwei Behauptungen aufgestellt hat, zum einen: Der Standort Deutschland ist in Gefahr, und zum anderen: Der Sozialstaat ist die wesentlichste Ursache für die Gefahr. Diese Behauptungen sind von der Bundesregierung als unumstößliche Wahrheit hingestellt worden, das heißt die Bundesregierung hat sie zu einer Ideologie hochstilisiert.
Friedrich Dürrenmatt sagte einmal so schön: Ideologie ist Ordnung auf Kosten des Weiterdenkens.
Das ist leider wahr. Ein Weiterdenken ist nicht erkennbar. Auch ist für meine Begriffe zu bezweifeln, ob in der von Ihnen geplanten Rentenreformkommission dieses Weiterdenken überhaupt gelingen kann, wenn Sie den Zug bereits vorher in Richtung dieser Ideologie abfahren lassen.
Auch das Gesamtkonzept, von dem Frau Dr. Babel eben gesprochen hat, ist bei den Vorschlägen, die bisher vorliegen, überhaupt nicht erkennbar.
Professor Hengsbach, der Leiter des Oswald-vonNell-Breuning-Instituts für Wirtschafts- und Sozialethik, sagte gestern morgen im Deutschlandfunk, er habe fast den Eindruck, daß der Bundeskanzler eine Regierungserklärung vorgelesen habe - gemeint ist die letzte zum Sparpaket -, die der Arbeitgeberpräsident diktiert habe. Er sprach ferner von der massiven Schlagseite, davon, daß im Sparpaket sehr detailliert Kürzungen angegeben würden; aber darüber, wie wohlhabende Vermögensbesitzer, Grundeigentümer und Großaktionäre an dieser gemeinsamen Anstrengung teilhaben sollten, gebe es nur vage Umschreibungen. Dies ist leider so; ich finde bedauerlicherweise in Ihrem Konzept nichts anderes.
Professor Hengsbachs Äußerungen sind für meine Begriffe noch sehr moderat. Aber ist es nicht Panikmache, wenn der Gesundheitsminister Seehofer von einer Katastrophe bei der Alterssicherung spricht? Wer verbreitet denn da Panik?
Im vorigen Jahr hat das Ministerium für Arbeit und Sozialordnung eine Broschüre mit dem Titel „Argumente zur Sicherheit der Renten" herausgegeben. In diese Broschüre hat der Herr Gesundheitsminister offensichtlich nie hineingesehen; denn er bezeichnet den Generationenvertrag als Einbahnstraße zugunsten der älteren Generation. In dieser Broschüre heißt es aber sehr eindeutig und klar:
Mit dem Vorwurf des Altenegoismus muß die jüngere Generation vorsichtig sein. Die Großmütter haben im Durchschnitt drei Kinder in die Welt gesetzt, ohne Erziehungsgeld und manche von ihnen im Luftschutzkeller. Ihre Enkel bringen es, wenn überhaupt, vielleicht noch auf ein Kind.
Immerhin - das ist positiv zu bemerken - sind in den bisherigen Vorschlägen keine direkten, ganz klar auszumachenden Rentenkürzungen vorgesehen. Aber ich denke, daß der Finanzminister und auch Herr Seehofer angesichts dessen, daß dieses bisher nicht geschehen ist, eine Hintertür entdeckt haben, über die sie Kürzungen erreichen können: eben in der Art der Besteuerung der Renten.
Auch Frau Dr. Babel ist gleich auf diesen Zug aufgesprungen. Sie haben hier fast das gleiche gesagt, was Sie gestern im ZDF-Morgenmagazin schon einmal vertreten haben. Ich zitiere:
Da ist es in dem Zusammenhang auch richtig, das zu tun, was das Bundesverfassungsgericht uns ja aufgibt, nämlich daß man hier eine gleiche Behandlung der Alterssicherung macht, mit Pensionen und Renten.
Dazu müßte aber gesagt werden, daß bei der steuerlichen Gleichbehandlung von Pensionen und Renten völlig außer acht gelassen wurde, daß Beamte keine Beiträge für ihre Alterssicherung zahlen, daß mit der Rentenreform von 1992 bereits eine Nettoanpassung und damit eine Besteuerung erfolgt ist; man kann das nicht zweimal machen.
' Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Frau Kollegin, Ihre Redezeit ist abgelaufen.
Sofort. - Es bleibt das Überprüfen des Ertragsanteils. Wenn man diesen meint, dann sollte man davon auch sprechen.
Insgesamt ist zu bemerken, daß die Bundesregierung dem Sozialstaat mit diesen Vorschlägen keinen guten Dienst erwiesen hat.
Ich erteile dem Abgeordneten Peter Dreßen das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich halte es schon für ein unmögliches Verhalten gegenüber dem Parlament, wenn man im „Stern" lesen muß, welche Vorstellungen der Bundesgesundheitsminister hat, und wenn er hier im Parlament schweigt. Sie haben hier doch die Möglichkeit zu reden.
Oder ist es der CDU versagt, ihre profilierten Sozialpolitiker ins Rennen zu schicken, um hier zu reden? Ich würde ganz gerne einmal hören, was Herr Geißler zu den Vorstellungen von Herrn Seehofer sagt. Wie ist Ihre Meinung dazu? Es wäre doch interessant, das einmal zu erfahren.
Kolleginnen und Kollegen, wenn der Bundeshaushalt mit seinen angeschlossenen Nebenhaushalten den Bilanzgesetzen für Wirtschaftsunternehmen unterliegen würde, dann würden die Herren Kohl, Waigel, Blüm neben Jürgen Schneider in einer Gefängniszelle schmoren - und das vollkommen zu Recht; sie verfälschen nämlich ohne Ende die Bilanzen.
Ich will das an zwei Beispielen deutlich machen: Erstens müßte der Bundeszuschuß mindestens um 25 Milliarden DM höher liegen, als er tatsächlich ist, um alle Fremdleistungen abzudecken.
Zweitens. Die Finanzierung der deutschen Einheit wollten Sie aus der Portokasse bezahlen. Sie hatten nie den Mut, diesen Fehler zu korrigieren.
Ergebnis: Solche Kosten, die eigentlich alle hätten tragen müssen, wurden auf die Schultern der Sozialkassen abgeladen und damit auf die Arbeiter und Angestellten in diesem Land. Sie von der Koalition haben immer nur auf die Ausgabenseite geschaut. Sie haben sich aber nie darüber Gedanken gemacht, wie die Einnahmenseite verbessert werden könnte. Ich will Ihnen dazu ein paar Beispiele sagen; ihre Zahl ließe sich erweitern.
Warum lassen Sie es eigentlich zu, daß die 4,4 Millionen Menschen, die heute mit 590-DM-Jobs versehen sind, nicht sozialversicherungspflichtig werden? Dann hätten Sie Geld.
Zweitens. Seit 13 Jahren steigen und steigen die Arbeitslosenzahlen. Diese Bundesregierung hat effektiv gar nichts unternommen, um die Arbeitslosigkeit zu beseitigen. Statt dessen legen Sie uns ein Sozialabbruchgesetz nach dem anderen vor und wollen dem Bürger weismachen, daß das etwas mit Beschäftigung zu tun hat.
Wenn wir die Arbeitslosigkeit halbieren könnten, hätten wir insgesamt fast 14 Milliarden DM pro Jahr an Mehreinnahmen allein in der Rentenversicherung; schließlich würden auch noch die Kosten bei der Arbeitslosigkeit wegfallen.
Aber bei diesem Thema fallen Ihnen nur Schlagworte wie Deregulierung, Lohnverzicht, Billiglöhne oder Abschaffung des Ladenschlusses ein. Das wird auch nicht dadurch kreativ, daß man das permanent wiederholt.
Nun kommen noch die sogenannten Sanierer mit den Schlagworten: Grundrente, längere Arbeitszeiten, Besteuerung der Rente usw. Diese Herren sind keine Sanierer, sondern die Totengräber des Systems - Herr Blüm, das sollten Sie diesen Herren einmal sagen -, das sich seit über 100 Jahren bewährt hat.
Welch ein schäbiges Schauspiel! Vielleicht einigen Sie sich wenigsten darauf, daß vor den Wahlen die Renten immer sicher sind, danach leider nicht mehr.
In Baden-Württemberg haben Sie sich stark vergaloppiert. Wir haben das Rententhema in Baden-Württemberg nicht so hochgefahren. Wir haben gesagt: Da gibt es Schwierigkeiten. Ihr Bundeskanzler hat doch jedem einzelnen Rentner einen Brief geschickt, zu dem er heute wahrscheinlich gar nicht mehr steht.
Solange Sie es zulassen, daß in diesem Land jährlich 100 Milliarden DM Steuern hinterzogen werden, daß in diesem Land Einkommensmillionäre legal immense Abschreibungen vornehmen können und dadurch keine einzige Mark Steuern zahlen, solange Sie es zulassen, daß die Vermögensteuer gestrichen werden soll und die Gewerbekapitalsteuer abgeschafft wird, müssen Sie sich gefallen lassen, daß wir die Frage nach der Gerechtigkeit stellen.
Festzuhalten ist aus meiner Sicht, daß mit Ihrer Steuer-, Finanz- und Beschäftigungspolitik die Arbeitslosigkeit ständig zugenommen hat und weiter zunimmt. Außerdem haben Sie die Wirtschaft in Ostdeutschland nicht auf die Beine gebracht.
Einer der politischen Offenbarungseide wird uns nun durch das klaffende Loch in der Rentenversicherung präsentiert. Das ist nicht nur unsozial, sondern das grenzt schon an Kriminalität.
Peter Dreßen
Für uns Sozialdemokraten ist sicher: Die Rente gibt es auch noch in 50 oder 100 Jahren, und zwar die leistungsbezogene Rente. Notfalls müssen Steuern zur Mitfinanzierung herangezogen werden. Wie anders wollen Sie heute einen 25jährigen davon überzeugen, daß sein fast zehnprozentiger Lohnabzug für die Rentenversicherung etwas Gutes ist, das ihm im Alter ein angemessenes Auskommen garantiert?
Ich fordere Sie auf, unsere Rentner nicht in Existenzangst zu treiben.
Ich fordere Sie auf, bei unseren jungen Menschen das Vertrauen in die Rentenversicherung wiederherzustellen. Das haben Sie mit Ihrem Gerede nämlich verpaßt, Frau Babel.
Das Schlimme an der ganzen Debatte ist, daß ein Keil zwischen jung und alt getrieben wird. Das muß aufhören. Diesen Systemveränderern muß das Handwerk gelegt werden.
Ich erteile das Wort dem Vorsitzenden der SPD-Fraktion, Rudolf Scharping.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte diesen einmaligen parlamentarischen Vorgang festhalten, daß die Regierungsfraktionen jede Debatte über ihre eigenen Vorschläge verweigern.
Ich finde es eine grobe Mißachtung des Parlaments und einen politischen Skandal ersten Ranges, daß sich ein nicht zuständiger Minister, was sein gutes Recht ist, in Interviews zur Rentenversicherung äußert, einem Teil der Debatte beiwohnt, dann flugs durch die Türen verschwindet
- oh, Entschuldigung, Herr Seehofer - und dem Parlament jede Antwort auf die Frage verweigert, was denn nun mit der Rentenversicherung, dem sensibelsten Thema des Sozialstaates überhaupt, in Zukunft geschehen soll. Unerträglich!
Ich finde es unerträglich, daß sich der Bundesfinanzminister vor der Jungen Union in Bayern äußert, dem Deutschen Bundestag aber jede Antwort auf die Frage verweigert, was seiner Ansicht nach in Zukunft mit der Rentenversicherung geschehen soll.
Ich finde es unerträglich, daß bestimmte Mitglieder der Regierungskoalition Zeit haben, sich morgens ins Fernsehstudio zu setzen, aber nachmittags dort, woher sie ihre Bezüge erhalten und wo sie Verantwortung gegenüber den Wählerinnen und Wählern zu tragen haben, jede Antwort auf die Frage verweigern, was sie in Zukunft mit der Rentenversicherung vorhaben.
Ich finde es unerträglich und einen politischen Skandal ersten Ranges, daß sich Mitglieder dieses Hauses von einer Fraktionsführung den Mund verbieten lassen, nach der Methode: Wir wollen erst einmal in Kommissionen reden.
Wie Sie mit Ihrem Selbstbewußtsein umgehen, das ist nun wirklich Ihre Sache. Aber die Rentnerinnen und Rentner in Deutschland, die Wählerinnen und Wähler - das deutsche Volk - haben Anspruch darauf, daß in diesem Parlament von denen, die die Mehrheit haben, gesagt wird, was sie vorhaben, und daß sie offen darüber reden, anstatt jede Debatte zu verweigern. Das ist empörend, es ist unerträglich, es ist eine Mißachtung des Parlaments, es ist eine Mißachtung der Wählerinnen und Wähler!
Wenn der Bundesarbeitsminister sagt, er halte an der lohnbezogenen und beitragsfinanzierten Rente fest, dann nehme ich das ernst und zur Kenntnis.
- Wer bei Ihnen zuständig ist! Herr Kollege Geißler, dazu will ich Ihnen eines sagen: Zuständig ist offenbar überhaupt niemand mehr; es quatscht jeder bei dem sensibelsten Thema herum. Und auch Ministerpräsidenten, die etwas sagen könnten, halten im Parlament den Mund und äußern sich draußen. Ob Herr Blüm in dieser Koalition noch irgend etwas zu sagen und zu beeinflussen hat, daran habe ich angesichts der Gesetze, die Sie vorlegen, erhebliche Zweifel.
Deswegen möchte ich für die SPD-Fraktion festhalten: Die politische Auseinandersetzung nicht im Parlament, nicht durch Diskussion, nicht durch Argumente und nicht durch Information der Bürgerinnen und Bürger zu suchen, sondern mit allerlei Interviewäußerungen Verunsicherung und Angst zu säen und den Menschen allerlei Hinweise zu geben, ohne konkret zu sagen, was geschehen soll, ist ein Verhalten, das sich selbst richtet. Sie haben die Wählerinnen und Wähler belogen; Sie haben die Rentnerinnen und Rentner betrogen. Wir werden darauf hinwirken, daß Sie die Quittung dafür bekommen.
Rudolf Scharping
Es ist - ich wiederhole es - unerträglich, wie Sie sich im Parlament verhalten.
Es ist auch nicht hinnehmbar, daß sich die Bundesregierung in dieser Weise verhält. Wenn Sie so weitermachen, ruinieren Sie die Glaubwürdigkeit politischer Institutionen, nicht nur Ihre eigene - das könnte uns egal sein.
Die Aktuelle Stunde ist beendet.
Wir sind damit am Schluß unserer heutigen Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 9. Mai 1996, 9 Uhr ein.
Die Sitzung ist geschlossen.