Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet. Ich rufe Tagesordnungspunkt 1 auf:
Fragestunde
- Drucksache 13/4035 -
Ich rufe den Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes auf. Die Fragen 1 und 2 der Kollegin Dr. Elke Leonhard sollen auf Wunsch der Fragestellerin schriftlich beantwortet werden. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Justiz auf. Die Frage 3 des Kollegen Manfred Such und die Frage 4 des Kollegen Norbert Gansel sollen schriftlich beantwortet werden. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten auf. Die Frage 47 des Kollegen Gottfried Haschke und die Fragen 48 und 49 der Kollegin Antje-Marie Steen sollen ebenfalls schriftlich beantwortet werden. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung auf. Die Frage 5 der Abgeordneten Dr. Dagmar Enkelmann soll schriftlich beantwortet werden. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend auf. Die Frage 6, gestellt vom Kollegen Jürgen Augustinowitz, soll schriftlich beantwortet werden. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie auf. Die Frage 7, gestellt vom Kollegen Horst Kubatschka, und die Fragen 8 und 9, gestellt von der Kollegin Simone Probst, sollen schriftlich beantwortet werden. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramtes auf. Zur Beantwortung der Fragen steht uns Staatsminister Anton Pfeifer zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 10 der Kollegin Dr. Dagmar Enkelmann auf:
Wieso schrieb der Bundesminister für besondere Aufgaben und Chef des Bundeskanzleramtes, Friedrich Bohl, noch am 20. Dezember 1995 an den Ministerpräsidenten MecklenburgVorpommerns, es gäbe bei der Bremer Vulkan Verbund AG „keinerlei Hinweise" für einen zweckentfremdeten Einsatz von Mitteln, der Ministerpräsident und der Wirtschaftsminister sollten „in Zukunft auf öffentliche Spekulationen verzichten" , obwohl solche Hinweise bereits am 13. Dezember 1995 Gegenstand einer Beratung des Verwaltungsrates der Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben (BVS) gewesen sein sollen (Parlamentarischer Staatssekretär Hansgeorg Hauser, Plenarprotokoll 13/91, S. 8043 A)?
Ich bitte um Beantwortung, Herr Staatsminister.
Herr Präsident, Frau Kollegin Dr. Enkelmann, das Antwortschreiben des Chefs des Bundeskanzleramtes vom 20. Dezember 1995 an den Ministerpräsidenten Dr. Seite sowie an den Wirtschaftsminister Dr. Ringstorff ist in Ihrer Anfrage verkürzt zitiert. Die hier einschlägigen Passagen lauten:Wie mir von der Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben nachdrücklich versichert wird, gehen die Investitionen in den ostdeutschen Weilten planmäßig voran. Auch seien die Aufträge für das erste Quartal 1996 bereits erteilt. Einige Bestellungen beträfen darüber hinaus bereits den gesamten Investitionszeitraum 1996 sowie das Jahr 1997. Die BVS erwartet vom Bremer Vulkan in Kürze einen Bericht über die gesamte Investitionsplanung der Jahre 1996 und 1997 sowie deren Finanzierung.Die BVS hat ferner mitgeteilt, daß derzeit keinerlei Hinweis für eine vertragswidrige Verwendung von Fördermitteln vorliegt. Dies ist durch Berichte des zuständigen Wirtschaftsprüfers bestätigt worden, die auch der EU-Kommission vorgelegt worden sind.Die vertraglich garantierten Arbeitsplatzzusagen sind bislang ebenfalls voll eingehalten worden.Diese Antwort war nach bestem Wissen und Gewissen erteilt worden. Sie entsprach dem damaligen Kenntnisstand der Bundesregierung und der BVS so-
Metadaten/Kopzeile:
8318 Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 94. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. März 1996
Staatsminister Anton Pfeiferwie des BVS-Verwaltungsrates, der sich am 13. Dezember 1995 mit diesem Thema befaßt hat.Da die damalige Erkenntnislage für einen weiteren Fortgang der Investitionen sprach und dem Bundeskanzleramt keine belastbaren Hinweise auf eine vertragswidrige Verwendung von Fördermitteln vorlagen, lag es zum damaligen Zeitpunkt im wohlverstandenen Interesse auch der ostdeutschen Werften, weitere öffentliche Vermutungen über die wirtschaftliche Situation des Bremer Vulkan zu unterlassen, die zu zusätzlicher Verunsicherung von Lieferanten, Kunden und Arbeitnehmern des Unternehmens hätten führen können.
Zusatzfrage, Frau Kollegin.
Herr Staatsminister, trifft es zu, daß es sich dabei um die Antwort auf ein Schreiben des Wirtschaftsministers des Landes Mecklenburg-Vorpommern, Herrn Ringstorff, handelt, in dem er glaubhaft Belege dafür beibringen konnte, daß es Zweifel an dem Verbleib der Fördermittel für die Ost-Werften gibt?
Es handelt sich hierbei, wie ich bereits gesagt habe, um ein Antwortschreiben an Ministerpräsident Dr. Seite sowie an Wirtschaftsminister Dr. Ringstorff, in dem zu den Fragen Stellung genommen wurde, wie ich es hier ausgeführt habe.
Zweite Zusatzfrage.
Weitere Konsequenzen als diesen Antwortbrief, zum Beispiel Anfragen bei der BVS, hat es nicht gegeben?
Das Bundeskanzleramt hat sowohl beim Bundesministerium für Wirtschaft als auch bei der BVS vor dieser Beantwortung mehrfach sorgfältig nachgefragt. Ich habe bereits auf die Verwaltungsratssitzung vom 13. Dezember hingewiesen.
Darüber hinausgehende, eigene Recherchen anzustellen ist nicht Aufgabe des Bundeskanzleramtes.
Werden aus dem Kollegenkreis weitere Fragen dazu gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Dann rufe ich die Frage 11, vom Kollegen Rolf Kutzmutz gestellt, auf:
Seit wann veranlaßte Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl im Zusammenhang mit dem Bremer Vulkan Verbund „von Anfang an das Notwendige" , und inwiefern hatte der Bundeskanzler seinerzeit Kenntnis von bzw. war an Aktivitäten des damaligen Bundesministers Günther Krause selbst beteiligt, im Februar/ März 1992 die Privatisierung eines „kleinen Verbundes" ostdeutscher Werften zugunsten der Bremer Vulkan Verbund AG öffentlich zu propagieren, dann politisch durchzusetzen?
Herr Staatsminister, ich bitte um Beantwortung.
Herr Kollege, im Zusammenhang mit der Privatisierung der ostdeutschen Werften ist in der Tat von Anfang an das Notwendige unternommen worden.
Die ostdeutschen Werften sind mit umfangreichen Hilfen der Treuhandanstalt zur Stärkung des Eigenkapitals, zum Ausgleich von Anfangsverlusten und zur Durchführung von Investitionen ausgestattet worden mit dem Ziel, sie an das internationale Wettbewerbsniveau heranzuführen. Die Bundesregierung und auch der Bundeskanzler haben sich intensiv dafür eingesetzt, daß die notwendigen Hilfen von der Europäischen Union genehmigt worden sind.
Nachdem die Schwierigkeiten des Bremer Vulkan bekanntgeworden waren, hat die Bundesregierung gegenüber der EU-Kommission erreicht, daß die für die Erfüllung von Schiffsbauaufträgen notwendigen Landesbürgschaften genehmigt worden sind. Die BVS unterstützt die ostdeutschen Werften bei der Ausarbeitung von Unternehmenskonzepten sowie bei der Beschaffung von Liquidität für Investitionen.
Dem Bundeskanzler war bekannt, daß der damalige Bundesminister Professor Krause ein Befürworter einer umfassenderen Privatisierungslösung unter dem Dach des Bremer Vulkan war, als diese in der Entscheidung der Treuhandanstalt ihren Niederschlag gefunden hat.
Der Bundeskanzler war aber weder daran beteiligt, die von Professor Krause für richtig gehaltene Lösung zu „propagieren", noch daran, diese „politisch umzusetzen" . Die Bundesregierung war vielmehr der Auffassung, daß alle wirtschaftlich tragfähigen Alternativen genutzt werden sollten, um die ostdeutsche Werftindustrie nicht von einem Unternehmen allein abhängig zu machen. Demgemäß wurde die Warnow-Werft in Warnemünde, die Peene-Werft in Wolgast sowie die Elbe-Werft in Boitzenburg an andere Interessenten veräußert.
Zusatzfrage.
Herr Staatsminister, seit wann war die Bundesregierung bzw. die BVS nach Ihrer Kenntnis über die absehbare Zahlungsunfähigkeit des Vulkan-Verbundes durch dessen Vorstand offiziell informiert?
Herr Kollege, ich weiß, daß es dazu heute in der Fragestunde eine Reihe von Fragen an die Ressorts gibt. Ich bitte Sie um Verständnis dafür, daß ich den zuständigen Ressorts mit meiner Antwort nicht vorgreifen möchte.
Zweite Zusatzfrage.
Können Sie mir die Frage beantworten, ob die Bundesregierung an der Auswahl von Herrn Jobst Wellensiek als Vergleichsverwalter beteiligt war und wann das geschehen ist?
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 94. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. März 1996 8319
Auch das ist eine Frage, die keinen Bezug zur zugrunde liegenden Frage hat und die in meinen Augen mit den zuständigen Ressorts besprochen werden sollte.
Da die Frage 12, die die Kollegin Annelie Buntenbach gestellt hat, schriftlich beantwortet werden soll - die Antwort wird als Anlage abgedruckt -, ist dieser Geschäftsbereich abgeschlossen.
Ich bedanke mich, Herr Staatsminister, für die Beantwortung.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern auf. Zur Beantwortung ist der Parlamentarische Staatssekretär Eduard Lintner erschienen.
Die Fragen 13 und 14 - beide von der Kollegin Dr. Barbara Hendricks gestellt - sollen schriftlich beantwortet werden. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Damit kommen wir zur Frage 15, die der Kollege Dr. Burkhard Hirsch gestellt hat.
Ist es zutreffend, daß die für eine grenzüberschreitende Nacheile von Polizeivollzugsbeamten bei der Verfolgung von Straftätern auf frischer Tat erforderlichen Durchführungsübereinkommen zum Schengener Abkommen bisher nur mit Luxemburg zustande gekommen sind, mit Belgien und den Niederlanden vorbereitet werden, während mit Dänemark und Frankreich zur Zeit nicht einmal Verhandlungen geführt werden?
Ich bitte um Beantwortung, Herr Staatssekretär.
Sehr geehrter Herr Kollege Dr. Hirsch, die Antwort lautet: Für die Ausübung der polizeilichen Nacheile über die Schengener Binnengrenzen bedarf es nicht zwingend zusätzlicher bilateraler Vereinbarungen. Die Modalitäten sind bereits in Art. 41 bis Art. 43 des Schengener Durchführungsübereinkommens - SDÜ - sowie in den nach Art. 41 Abs. 9 SDÜ abgegebenen Erklärungen der Schengen-Staaten festgelegt.
Die Mehrzahl aller von den Ländern gemeldeten Nacheile- und Observationsfälle fanden über die Grenzen zu den Niederlanden und Belgien statt, also im Verhältnis zu denjenigen am Schengener Regime teilnehmenden Staaten, mit denen bisher noch keine Übereinkunft zu Einzelfragen der polizeilichen Zusammenarbeit abgeschlossen wurde. Dies belegt, daß die Verfolgung flüchtiger Straftäter auf das Hoheitsgebiet der Schengener Nachbarstaaten auch ohne weitere vertragliche Regelung möglich ist und funktioniert.
Die Detailabkommen sehen für den Bereich der Nacheile lediglich vor, welche Stellen zu benachrichtigen sind. Solche Übereinkünfte wurden mit Luxemburg am 24. Oktober 1995 und mit Frankreich am 7. Dezember 1995 getroffen, wobei sich die Informations- und Koordinierungsaufgabe der mit der französischen Seite abgesprochenen gemeinsamen Kommissariate auch auf den Komplex der grenzüberschreitenden Observation und Nacheile erstreckt.
Das Kooperationsabkommen mit den Niederlanden steht kurz vor der Unterzeichnung; mit Belgien sind die Verhandlungen im Gange. Gegenüber Dänemark stellt sich die Frage der polizeilichen Nacheile erst nach dem Beitritt dieses Landes zur Schengener Gruppe, der zur Zeit vorbereitet wird.
Zusatzfrage, Herr Kollege Hirsch.
Herr Staatssekretär, wenn Sie jetzt sagen, es seien entsprechende Nacheileübereinkommen mit Frankreich geschlossen worden, muß ich Sie fragen, wie es dann zu erklären ist, daß Ihr Kollege, der Parlamentarische Staatssekretär Waffenschmidt, mir auf meine entsprechende Frage in einer Fragestunde erklärt hat, daß mit Frankreich zur Zeit keine Verhandlungen geführt würden.
Herr Kollege Dr. Hirsch, ich kann das nur darauf zurückführen, daß mein Kollege davon ausgegangen ist, daß das Übereinkommen schon geschlossen worden sei und deshalb keine Verhandlungen mehr notwendig seien.
Zweite Zusatzfrage.
Indem ich Ihnen zunächst sagen muß, daß das dann, wenn er das so gemeint hätte, wie er es gesagt hat, wirklich eine bewußte Irreführung des Fragestellers - die ich Herrn Waffenschmidt nicht unterstellen möchte - gewesen ist, möchte ich Sie weiter fragen, ob es denn bei dem Rechtszustand geblieben ist, den der Innenminister vor einiger Zeit den Innenministern der Länder mitgeteilt hat, wonach ein Polizeibeamter, der im Wege der Nacheile nach Frankreich kommt, dort nicht einmal ein Notwehrrecht in Anspruch nehmen kann.
Herr Kollege Dr. Hirsch, ich kann Ihnen jetzt die Details dieser Vereinbarung nicht dartun, weil ich sie nicht vorliegen habe. Aber ich gehe davon aus, daß die Information zutreffend ist.
- Herr Kollege Dr. Hirsch, Sie wissen, daß gemeinsame - -
Verzeihung, es gibt zu dieser Frage keinen weiteren Dialog. Da aber die nächste Frage ebenfalls der Kollege Dr. Hirsch gestellt hat, kann der Dialog mit der Beantwortung der Frage 16 fortgesetzt werden.Ich rufe damit die Frage 16 auf:Bestehen Nacheileregelungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland bzw. den entsprechenden Bundesländern auf der einen Seite und Polen, Tschechien, Österreich und der Schweiz auf der anderen Seite?Herr Staatssekretär.
Metadaten/Kopzeile:
8320 Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 94. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. März 1996
Seit dem Beitritt Österreichs zur Schengener Gemeinschaft am 28. April 1995 besteht die Nacheileregelung nach den Art. 41 bis 43 SDÜ in Verbindung mit den zugehörigen Erklärungen. Sie wird derzeit aber nicht angewandt, da Österreich das Durchführungsübereinkommen noch nicht in Kraft gesetzt hat.
Mit den Drittstaaten Polen, Schweiz und Tschechischer Republik sind bislang Vereinbarungen über die Zulassung der grenzüberschreitenden Observation und Nacheile, die aus verfassungsrechtlichen Gründen allein vom Bund geschlossen werden können, nicht zustande gekommen. Allerdings hat Polen grundsätzlich Bereitschaft signalisiert, Gespräche über diese Thematik aufzunehmen. Auch mit der Schweiz haben Beratungen über eine entsprechende Vertiefung der polizeilichen Kooperation begonnen.
Herr Staatssekretär, vor dem Hintergrund, daß ein Polizeibeamter bei der Verfolgung eines auf frischer Tat ertappten Täters in eines unserer europäischen Nachbarländer gelangen kann - wobei es für mich egal ist, ob es sich um Frankreich, einen Partner des Schengener Abkommens, oder um Polen, das nicht Partner des Schengener Abkommens ist, handelt -, möchte ich Sie fragen: Ist es nicht ein wirklich katastrophaler Sicherheitsmangel, daß dieser Polizeibeamte, kaum daß er die Grenze nur einen Meter überschritten hat, keine Notwehrrechte hat, das heißt sich gegen eine Tätlichkeit des Täters, den er verfolgt, nicht einmal wehren darf? Handelt es sich dabei nicht um einen Tatbestand, der so alarmierend ist, daß Sie unverzüglich zusammen mit den Innenministern der Länder dafür sorgen müssen, daß Polizeibeamte nicht einer solchen Gefahr ausgesetzt sind?
Herr Kollege Dr. Hirsch, Sie wissen aus der gemeinsamen Zeit im Innenausschuß, daß das Thema der Nacheile und der grenzüberschreitenden Observation ständig Gegenstand von Verhandlungen und der Arbeit im Bereich der deutschen Innenpolitik ist und daß wir all die Fragen, die in dem Zusammenhang auftauchen, bei jeder Gelegenheit mit den betreffenden Ländern erörtern. Von daher kann ich Ihnen nur bestätigen, daß wir allen Anlaß haben, diese intensiv betriebenen Gespräche weiter zu führen, um die Probleme, die übriggeblieben sind, noch zu lösen.
Zweite Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, da in der deutschen Innenpolitik insbesondere die Tätigkeit grenzüberschreitend operierender Straftäter aus Polen, zum Beispiel im Zusammenhang mit Autodiebstählen, immer wieder mit großem Aplomb dargestellt wird, möchte ich Sie fragen: Betrachten Sie es nicht als einen wirklich katastrophalen Mangel an innerer Sicherheit, daß gerade mit Polen und Tschechien Abkommen über die polizeiliche Zusammenarbeit in diesem Sinne bisher nicht zustande gekommen sind, und würden Sie diesem Hause oder dem Innenausschuß unverzüglich detailliert über den Stand der Verhandlungen berichten und darstellen, warum es noch nicht zu einem Abschluß gekommen ist?
Herr Kollege Dr. Hirsch, zunächst einmal: Den Ausdruck „katastrophaler Mangel in der inneren Sicherheit der Bundesrepublik" würde ich so nicht übernehmen. Es handelt sich um einen Mangel - das gestehe ich Ihnen zu -, aber er hat sich nicht zur Katastrophe entwickelt. Also, die Sicherheit leidet nicht in dem von Ihnen angedeuteten Umfange darunter.
Wir berichten im Grunde genommen ständig, auch im Innenausschuß - wenn dort der Wunsch vorgetragen wird -, über den Stand dieser Dinge. Ich glaube, ihn mit den Hinweisen, die ich Ihnen jetzt in der Antwort gegeben habe, einigermaßen charakterisiert zu haben.
Werden dazu aus dem Haus weitere Fragen gestellt? - Dies ist nicht der Fall.
Die Frage 17, gestellt von der Kollegin Annelie Buntenbach, soll schriftlich beantwortet werden. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich bedanke mich, Herr Parlamentarischer Staatssekretär, für die Beantwortung.
Ich rufe nun den Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen auf. Die Fragen wird uns die Parlamentarische Staatssekretärin Irmgard Karwatzki beantworten.
Ich rufe die Frage 18 der Kollegin Christina Schenk auf:
Trifft es zu, und wenn ja, warum, daß die Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben ohne Zustimmung der Firmen, die öffentliche Mittel der Treuhandanstalt/ BVS erhalten haben, dorthin keine eigenen Controller schicken und auch keine Wirtschaftsprüfer beauftragen darf, um den Fortgang der Investitionen und den Verbleib der Beihilfen zu kontrollieren?
Ich bitte um Beantwortung.
Frau Kollegin Schenk, Prüfrechte in den privatisierten Unternehmen hat die Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben nur dann, wenn sie bei der Privatisierung vertraglich vereinbart wurden. Dies ist in den Verträgen sehr unterschiedlich geregelt, abhängig von der Verhandlungsposition bei der Privatisierung. In der Regel werden die übernommenen Verpflichtungen im Unternehmen von unabhängigen Sachverständigen und von Wirtschaftsprüfern kontrolliert. Dies ist ein in der Wirtschaft übliches Verfahren.
Zusatzfrage, Frau Kollegin?
Nein.
Sie wollen keine Zusatzfrage stellen?
Ich selbst nicht, nein.
Dann bitte, Herr Kollege.
Ich stelle jetzt die Frage, die ich vorher nicht stellen konnte: Seit wann war die Bundesregierung bzw. die BVS über die absehbare Zahlungsunfähigkeit des Vulkan Verbundes durch dessen Vorstand - -
Herr Kollege, Entschuldigung.
Das gehört dazu.
Das Regelwerk sieht folgendes vor: Zu einer Frage kann der Fragesteller bis zu zwei Zusatzfragen stellen. Dann wird das Haus befragt, ob jemand weitere Zusatzfragen, die sich auf die ursprüngliche Frage beziehen, hat.
Zu dieser Frage. Vizepräsident Hans Klein: Zu dieser Frage. Rolf Kutzmutz : Ja.
Die Frage war: „Trifft es zu, und wenn ja, warum, daß die Bundesanstalt .. . ohne Zustimmung der Firmen ...? " Die Frage, ob die Bundesregierung irgendwas getan hat, hat keine Verbindung zu der ursprünglich gestellten Frage. Sie müssen warten, bis eine entsprechende Frage aufgerufen wird.
Es wurde die Antwort gegeben, daß keine eigenen Controller geschickt worden sind. Meine Frage lautet: Wenn man keine eigenen Controller geschickt hat, wie ist man dann informiert worden?
Gut, so geht es. Rolf Kutzmutz : Gut, okay.
Bitte, Frau Staatssekretärin.
Ich hoffe, ich habe die Frage richtig verstanden. - In diesem Falle war die Verhandlungsposition so, daß nicht die BVS Prüfrecht bekam - das ist überhaupt ganz selten -, sondern daß vereidigte Sachverständige bzw. Wirtschaftsprüfer die Aufgabe hatten, das zu überprüfen. Das haben sie getan. Dies ist mir ordnungsgemäß vorgelegt worden.
Bitte sehr, Herr Neumann.
Da der Bundesrechnungshof mehrfach moniert hat, daß die Kontrollmöglichkeiten der Treuhandanstalt bzw. der BVS nicht ausreichen, frage ich, ob die Bundesregierung im Rahmen ihrer Fach- und Rechtsaufsicht die Treuhandanstalt bzw. die BVS angewiesen hat, Kontrollmöglichkeiten generell in den Verträgen vorzusehen.
Selbst wenn der Bundesrechnungshof das getan hat, Herr Kollege Neumann: Es ist äußerst schwierig - Sie wissen das -, Kontrollrechte der BVS bei der Verhandlung zur Privatisierung durchzusetzen. Im Falle der Bremer Vulkan Verbund AG ist bekannt, daß es nur einen Interessenten gab. Ich gehe davon aus, daß die Mitarbeiter der Treuhand bzw. der BVS darauf gedrungen haben, Prüfrecht zu erhalten, sich hier aber nicht durchsetzen konnten. Insofern, glaube ich, ist das verantwortungsvoll geregelt worden.
Herr Kollege Schily.
Frau Staatssekretärin, es geht hier nicht um Glaubensfragen, sondern zunächst einmal um Tatsachen. Deshalb meine Frage: Soll ich Ihrer Antwort entnehmen, daß Sie in den Verhandlungen nicht darauf gedrungen haben, daß in den Verträgen eine eigene Prüfungsmöglichkeit vorgesehen wird, wenn es um Investitionsbeihilfen geht, die mehrere hundert Millionen DM ausmachen?
Herr Kollege Schily, Sie haben recht. Es geht nicht um Glaube, sondern in diesem Falle um Wissen. - Hier hat die Treuhandanstalt versucht durchzusetzen, was durchzusetzen war.
- Die Bundesregierung hat, als sie die Gestaltung der Treuhand bzw. der BVS übertragen hat, versucht, sicherzustellen
- Entschuldigung, ich kann Ihnen doch nur sagen, was ich weiß -, daß ein eigenes Prüfrecht zu verbriefen ist. Die Verhandlungen haben aber ergeben, daß es in einigen Fällen diese Möglichkeit nicht gab.Der Rechnungshof und der Rechnungsprüfungsausschuß haben sich erst nach der Vertragsgestaltung mit der Sache beschäftigen können. Danach hat es neue Anweisungen auch an die BVS gegeben.
Metadaten/Kopzeile:
8322 Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 94. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. März 1996
Frau Kollegin Lucyga.
Frau Staatssekretärin, Sie haben soeben die Frage, warum keine eigenen Kontroll- und Prüfrechte durch die Treuhandanstalt, später durch die BVS, begründet wurden, damit beantwortet, daß es nur eine einzige Privatisierungsabsicht gegeben habe. Ist der Bundesregierung bekannt, daß es zum Zeitpunkt der Privatisierung der ostdeutschen Werften ein anderes Konzept der DMS gab, wonach Sanierung vor Privatisierung vorgesehen war, daß es also sehr wohl eine Alternative gegeben hätte?
Ich sage Ihnen, daß das bekannt war. Aber es war das Grundprinzip, zuerst zu privatisieren.
Das haben wir bei der Bremer Vulkan Verbund AG getan.
Meine Damen und Herren, dies ist die Fragestunde und keine Debatte. - Werden zu dieser Frage weitere Zusatzfragen gestellt? - Das ist nicht der Fall.
Dann rufe ich die Frage 19 auf, ebenfalls von der Kollegin Christina Schenk gestellt:
Welche Erkenntnisse zur Liquidität der Bremer Vulkan Verbund AG hatte die Treuhandanstalt bei den Privatisierungsverhandlungen der ostdeutschen Werften 1991 bis 1993 angesichts der Behauptung von Friedrich Hennemann, Ex-Vorstandschef der Bremer Vulkan Verbund AG: „Mein Gott, der Laden war doch bereits pleite, als ich 1987 anfing" ?
Ich bitte, Frau Staatssekretärin, um Beantwortung.
Frau Kollegin Schenk, aus der schwierigen finanziellen Situation der Bremer Vulkan Verbund AG - im nachfolgenden werde ich die Abkürzung BVV oder BVV AG benutzen - Mitte der 80er Jahre konnten keine Schlüsse auf die Unternehmenssituation des Bremer Vulkan Verbunds in den Jahren 1991 bis 1993 gezogen werden, in denen die Ostunternehmen an die BVV AG privatisiert wurden. Vielmehr war die Cash-Situation der BVV AG nach den Erkenntnissen der Treuhandanstalt damals so, daß von einer ausreichenden Liquidität der BVV AG ausgegangen werden konnte.
Zusatzfrage, bitte.
Frau Staatssekretärin, können Sie mir sagen, ob es den Tatsachen entspricht, daß der Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben bereits im Frühjahr 1995, und zwar durch einen Bericht der C&L Treuarbeit, bekannt war, daß für die Anlagen des Bremer Vulkan Verbundes in Höhe von 788,6 Millionen DM keine Sicherheiten bestanden? Ich beziehe mich dabei auf einen Bericht des „Spiegel" vom 11. März 1996.
Das kann ich Ihnen nicht bestätigen, Frau Kollegin Schenk.
Eine weitere Zusatzfrage.
Können Sie mir sagen, warum die Treuhandanstalt im Falle des Bremer Vulkan Verbundes Milliardensubventionen gewährt hat, wenn der Bundesregierung bis heute nicht die Eigentümer der 25prozentigen Sperrminorität dieses Konzerns bekannt sind?
Frau Kollegin, ich habe die Frage nicht ganz verstanden.
Ich habe gefragt, wieso die Treuhandanstalt im Falle des Bremer Vulkans Milliardensubventionen gewährt hat, wenn doch die Bundesregierung bis heute keine Kenntnisse darüber hat, wer die Eigentümer der 25prozentigen Sperrminorität dieses Konzerns sind.
Frau Kollegin Schenk, ich beantworte Ihnen diese Frage schriftlich. Ich kann das hier nicht genau sagen. Ich glaube, das ist der richtige Weg.
Herr Kollege Schily.
Frau Staatssekretärin, ich glaube, Sie haben heute eine schwierige Aufgabe übernommen. Darf ich Sie fragen, ob es in Ihrem Hause auf Staatssekretärsebene jemanden gibt, der sich unmittelbar mit den Fragen der Treuhandanstalt und der BVS beschäftigt hat und dem es vielleicht besser angestanden hätte, sich heute für die Fragestunde zur Verfügung zu stellen?
Herr Kollege Schily, das ist ein Kommentar zur Form der Beantwortung der Fragen, aber keine Zusatzfrage zur vorliegenden Frage.
Werden weitere Fragen aus dem Kreis der Kolleginnen und Kollegen gestellt?
Frau Staatssekretärin, dann stelle ich Ihnen folgende Frage: In der Zeitung „Die Welt" vom 12. März 1996 ist ein Artikel unter der Überschrift „Subventionen außer Kontrolle" erschienen, der sich auch mit der fehlenden Kontrolle der Beihilfen beim Bremer Vulkan Verbund beschäftigt. Würden Sie der Einschätzung, die in der Überschrift dieses Artikels zum Ausdruck kommt, zustimmen?
Herr Kollege Schily, ich stimme dem nicht zu. Wir gehen allen Hinweisen nach und prüfen, ob irgend etwas zu ändern ist.
Im übrigen kenne ich den Artikel nicht. Ich kann mich nicht auf diese Fragestunde vorbereiten und dann auch noch alle Artikel eines jeden Presseorgans und alle Pressemitteilungen, die an uns herangetragen werden, lesen. Wenn Sie sich die Fragen anschauen, stellen Sie fest, daß überall aus irgendeiner Zeitung zitiert wird. Ich könnte den ganzen Tag nur damit verbringen, Zeitungen zu lesen und Mitarbeiter damit zu beschäftigen, zu prüfen, ob dieses oder jenes richtig ist.
Ich glaube, das kann weder in Ihrem Interesse noch in unserem Interesse sein.
Lassen Sie mich eine persönliche Anmerkung machen, Herr Präsident. Herr Schily, nach Ihrer Meinung kann ich die Fragen nicht beantworten. Ich beantworte alle Fragen politisch. Dafür bin ich hier. Wenn Sie Einzelheiten wissen wollen - die differenziert in den Bereich der Bürokratie hineinreichen -, dann, so finde ich, wäre es viel richtiger, Sie würden die Fragen schriftlich stellen oder wir würden ein Gespräch mit den zuständigen Mitarbeitern vereinbaren. Dann können Sie dies alles nachfragen.
Ich bin seit gut anderthalb Jahren Parlamentarische Staatssekretärin. All das, worauf Ihre Fragen zielen, ist vor meiner Zeit gelaufen.
Ich habe mir wirklich viel Mühe gegeben, diese Fragen zu beantworten. Herr Kollege Schily, die Frage ist doch, wie man miteinander umgeht.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Warum sind die Parlamentarischen Staatssekretäre nicht da? - So ist doch leider der Ablauf.
Herr Kollege Schily, lassen Sie uns nicht streiten! Wir sind doch nicht hier, um Schuldzuweisungen durch Fragestellungen zu ermöglichen. Sie nutzen doch die Fragestunde zu Recht - das habe ich früher auch getan -, um Aufklärung über bestimmte Prozesse zu bekommen. Das ist auch gut so.
Aber es gibt Dinge, die man politisch nicht klären kann und bei denen man Aktenberge mit sich führen müßte, um zu sehen, wie das oder das war.
Ich bitte um Verständnis, Herr Präsident, und ich bitte auch um Vergebung. Ich weiß, ich hätte das nicht sagen dürfen, aber ich wollte das aus meiner Sicht anmerken.
Sie dürfen das schon sagen, aber Sie müssen gewärtigen, daß das zu einem Dialog führt, der nicht mehr dem Charakter und dem Regelwerk der Fragestunde entspricht.
Zur nächsten Zusatzfrage gebe ich dem Kollegen Koppelin das Wort.
Frau Staatssekretärin, da in der Frage der Kollegin Schenk Herr Hennemann aus dem „Hamburger Abendblatt" mit dem Satz „Mein Gott, der Laden war doch bereits pleite, als ich 1987 anfing" zitiert wird, darf ich Sie fragen: Treffen die Informationen zu, die in den Medien wiedergegeben wurden, daß Herr Hennemann, Parteigenosse von Herrn Schily, einen Fünfjahresvertrag beim Bremer Vulkan bekommen hat, dort ein Büro, einen Dienstwagen und Fahrer hat und eine Abfindung erhielt?
Wie würden Sie das beurteilen, wenn dem so ist? Ich frage Sie, ob Sie darüber Erkenntnisse haben. Ich frage Sie: Kann man diese Dinge noch annehmen, wenn ein Laden pleite ist?
Herr Kollege, ich habe das auch nur aus der Zeitung entnommen. Ich maße mir kein Urteil an,
ob das Rechtens oder nicht Rechtens ist. Dafür gibt es Gremien innerhalb des Bremer Vulkan. Diese Gremien sollen entscheiden, ob das gut oder weniger gut ist.
Eine weitere Zusatzfrage zu dieser Frage stellt der Kollege Neumann.
War der Laden 1987 schon pleite oder fast pleite, Frau Staatssekretärin?
Nein, nach meiner Kenntnis nicht, nach den Kenntnissen, die wir den Prüfberichten entnommen haben, ebenfalls nicht.
Metadaten/Kopzeile:
8324 Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 94. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. März 1996
Zusatzfrage, Herr Kollege Uldall.
Frau Staatssekretärin, sind Sie nicht mit mir der Auffassung, daß diese Fragen eigentlich an den Bremer SPD-Senat gerichtet sein müßten,
da der SPD-Senat in Bremen für dieses Unternehmen im Jahre 1987 verantwortlich gewesen ist, als er einen hochgestellten Senatsdirektor als Vorstandsvorsitzenden zum Bremer Vulkan geschickt hat und Hauptgesellschafter dieses Unternehmens gewesen ist?
Es wäre richtiger, die Fragen dort zu stellen als hier.
Frau Kollegin Lucyga.
Sind Sie nicht mit mir der Meinung, daß vor der Privatisierung eines so großen Brockens mit derartigen goldenen Handschlägen die Treuhand und die Bundesregierung die Pflicht und Schuldigkeit gehabt hätten, sich über die Finanzlage des Erwerbers bis ins Detail zu erkundigen?
Das hat die Regierung getan. Mit den goldenen Handschlägen wäre ich sehr vorsichtig. Ich glaube, das war kein goldener Handschlag, wie wir sehen. Wir müssen auch sehr deutlich machen, wo die Verantwortlichkeiten liegen.
Man kann nicht nur von einem goldenen Handschlag sprechen und sagen, den habe die Bundesregierung bzw. die BVS gegeben. Ich schätze Sie als Kollegin, die für ihre Region sonst immer verantwortungsvoll streitet. Lassen wir aber den goldenen Handschlag beiseite!
Weitere Zusatzfragen zur Frage 19 werden nicht gestellt.
Ich rufe die Frage 20 der Kollegin Eva BullingSchröter auf:
Wann genau „Ende 1995" erhielten die Bundesregierung bzw. die Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben von der Bremer Landesregierung welche Hinweise, daß den ostdeutschen Werften über das Cash-Management des Konzerns 900 Mio. DM entzogen worden sein könnten (Parlamentarischer Staatssekretär Hansgeorg Hauser, Plenarprotokoll 13/91, S. 8042D)
Ich bitte die Parlamentarische Staatssekretärin um Beantwortung.
Auf Wunsch des Landes Bremen fanden am 26. Oktober 1995 eine Besprechung beim Bundesminister für Wirtschaft und am 14. November 1995 eine Besprechung beim Bundesminister der Finanzen über die Finanzentwicklung der BW AG statt. Dabei wurde mitgeteilt, daß Zweifel an der Leistungsfähigkeit der BW AG bestünden und daß die von der BVV AG vorgesehene Finanzierung der Investitionen in den Schiffbaustandorten in Mecklenburg-Vorpommern in Höhe von zunächst 650 Millionen DM nicht mehr möglich sei. Die Banken hätten bisher keine Bereitschaft gezeigt, die bis 1998 im Osten durchzuführenden Investitionen finanziell mitzutragen.
Anläßlich eines Telefongespräches zwischen einem Beamten des Wirtschaftsministeriums und einem Mitarbeiter des Bremer Senats insbesondere über beihilferechtliche Fragen im Zusammenhang mit dem Bremer Vulkan Verbund am 30. November 1995 deutete der Mitarbeiter des Bremer Senates an, daß den ostdeutschen Werften durch das Cash-Management des BVV möglicherweise 900 Millionen DM entzogen worden sein könnten. Die Bundesregierung hat daraufhin umgehend die BVS um Aufklärung des Sachverhaltes gebeten. Der BVS lagen jedoch keine Hinweise auf eine zweckwidrige Verwendung vor.
Zusatzfrage, Frau Kollegin.
Frau Staatssekretärin, wieso sahen sich BVS und Bundesfinanzministerium nach Bekanntwerden der Liquiditätsschwierigkeiten des Vulkan Anfang September 1995, die in das Rücktrittsangebot von dessen Vorstandschef Hennemann mündeten — das wurde heute schon besprochen —, nicht zu einer Kontrolle des Finanzgebarens des Konzerns veranlaßt?
Frau Kollegin, könnten Sie mir die Frage freundlicherweise noch einmal stellen?
Ja. Wieso fühlte sich nach dem Rücktrittsangebot des Vorstandschefs Hennemann die Bundesregierung nicht zu einer Kontrolle des Finanzgebarens veranlaßt?
Sowohl die Bundesregierung als auch die BVS haben sich immer veranlaßt gesehen, das Finanzgebaren zu durchleuchten. Ich kann nur sagen, daß unsere Aufsichtspflicht nichts mit dem Rücktritt des Herrn Hennemann zu tun hatte.
Kollege Dr. Küster.
Frau Staatssekretärin, kann es sein, daß sich durch die räumliche Entfernung zwischen BVS und den zuständigen Fachabteilungen des Finanzministeriums und des Wirtschaftsministeriums die Kontrollaufgabe etwas schwierig gestaltet,
Dr. Uwe Küster
und wäre es nicht vielleicht denkbar, die schwierigen Aufgaben der Kontrolle seitens der Bundesregierung, vertreten durch die beiden genannten Ministerien, von der BVS und deren Tochtergesellschaften in Berlin wahrnehmen zu lassen?
Herr Kollege Küster, ich möchte zuerst sagen, daß es einen wirklich intensiven Kontakt sowohl zwischen den Verantwortlichen der BVS und der beiden Ministerien als auch auf der Arbeitsebene gibt. Wir haben heute eine solche Fülle technischer Möglichkeiten, kurz, schnell, präzise Rückfragen zu halten, daß die Kontrolle optimal ausgeübt werden kann.
Kollege Börnsen.
Frau Staatssekretärin, können Sie bestätigen, daß im Rahmen der Kontrollfunktion der Bundesregierung seit 1993 Wirtschaftsprüfungsgesellschaften eingesetzt worden sind, die die Aufgabe hatten, jedes Vierteljahr einen Testatbericht abzugeben, daß die Bundesregierung diese Berichte der Wirtschaftsprüfer regelmäßig eingesehen und kontrolliert hat und daß in diesen Wirtschaftsprüfungsberichten bis Ende 1994 immer bestätigt wurde, daß in der Werft ordnungsgemäß gearbeitet worden sei?
Herr Kollege Börnsen, ich kann Ihnen bestätigen, daß diese Berichte regelmäßig eingegangen sind. Sie mußten nicht angefordert werden. Diese Berichte sind geprüft worden. Sie sind mit entsprechenden Testaten versehen gewesen, so daß eine Sicherstellung der Fakten gegeben war.
Kollege Teiser.
Frau Staatssekretärin, würden Sie mit mir übereinstimmen, wenn ich feststelle, daß nicht jeder personelle Wechsel im Vorstand einer deutschen Aktiengesellschaft zur Folge haben kann, Prüfungsverfahren einzuleiten, schon gar nicht von einer in diesem Fall unzuständigen Bundesregierung?
Herr Kollege Teiser, das ist eine arg allgemeine Frage, die nicht exakt an die Ausgangsfrage anknüpft.
Herr Präsident, ich darf Sie ganz kurz berichtigen. Da diese Intention in der Fragestellung vorhin zugelassen worden ist, müssen Sie auch die Nachfrage zulassen.
Diskutieren Sie nicht mit mir, Herr Kollege, bitte.
Ich ziehe es zurück. Meine Frage spricht für sich selbst. Danke schön.
Herr Kollege Schily.
Frau Staatssekretärin, können Sie bestätigen, daß das, was die BVS einmal im Jahr als Testat über den Verbleib der 850 Millionen DM Investitionsbeihilfe erhielt, nichts weiter war als ein routinemäßiger Bericht darüber, daß die Ostwerften Subventionen erhalten hatten und die Investitionsmittel ins vertraglich vereinbarte Cash-Management des Bremer Vulkan flossen, und daß es einen darüber hinausgehenden Prüfbericht nicht gegeben hat?
Es hat diesen jährlichen Prüfbericht gegeben. Es ist nicht nur ein Routinebericht; vielmehr wird er immer wieder verlangt, und das ist auch gut so. Ich glaube, die Differenz zwischen der von Ihnen angesprochenen Sache, Herr Kollege Schily, und der vorhergehenden Sache mit den Vierteljahresberichten, die ich auch bestätigt habe, liegt darin, daß einmal der testierte Jahresbericht und zum anderen der - wie wir in der Fachsprache sagen - nicht testierte vierteljährliche Spill-overBericht gemeint war. Insofern ist es keine Routine, sondern korrekt.
Kollege Graf Lambsdorff.
Frau Staatssekretärin, darf ich Sie angesichts des soeben benutzten Ausdrucks „Rücktrittsangebot" des Genossen Hennemann einmal fragen, ob Ihnen Informationen darüber vorliegen, daß die Aufsichtsratsmitglieder der Banken im Aufsichtsrat des Bremer Vulkan angedroht hatten, die Kredite aufzukündigen, wenn Herr Hennemann nicht vom Vorstandsvorsitz verschwände, und würden Sie mit meiner Beurteilung übereinstimmen, daß für einen solchen Rausschmiß die Bezeichnung „Rücktrittsangebot" reichlich euphemistisch ist?
Herr Kollege Lambsdorff, ich bestätige beides.
Herr Kollege Koppelin.
Frau Staatssekretärin, es soll einen Bericht des niedersächsischen Staatssekre-
Jürgen Koppeln
tärs Alfred Tacke, SPD, an seinen Minister Fischer geben. Ist der Bericht zum Bereich Bremer Vulkan, den der Herr Staatssekretär im niedersächsischen Wirtschaftsministerium seinem Minister gegeben hat, der Bundesregierung bekannt, oder wäre die Bundesregierung bereit, uns diesen Bericht zu beschaffen, damit wir auch im Haushaltsausschuß, wo wir uns mit dieser Sache beschäftigen, darüber diskutieren können? Ich darf Ihnen einmal eine Kostprobe geben, damit Sie sehen, wie brisant es ist. Vielleicht wären Sie dann bereit, das dann auch entsprechend zu kommentieren.
Es heißt dort:
Jahrelang wurden mit der Rückendeckung des Vorstands, Teilen des Aufsichtsrats
und des IG-Metall-Bezirksleiters Frank Teichmüller Hunderte von Millionen der öffentlichen Hand in die Kassen des Vulkan geleitet.
Weiter heißt es:
Die Ahnungslosigkeit der Bankenvertreter im Aufsichtsrat über die Risiken im Schiffbau wird nur noch überboten durch den Einfluß, den die IG Metall und der Bremer Senat auf die Unternehmenspolitik ausgeübt haben.
Wären Sie bereit, Frau Staatssekretärin, uns diesen Bericht zu beschaffen?
Frau Staatssekretärin, bevor Sie antworten: Entweder einigen wir uns jetzt darauf, daß wir bei jeder dieser Fragen den Gesamtkomplex Vulkan behandeln, das heißt, daß wir von den Regeln der Fragestunde abgehen und uns nicht mehr um den direkten Bezug zur schriftlich gestellten Frage kümmern, oder wir bleiben bei den Regeln; dann beantworten Sie diese Frage jetzt bitte nicht, so hilfreich Sie sie auch empfinden mögen.
- Die kamen darin nicht mehr vor, Herr Kollege Koppelin.
Jetzt hat Kollege Kues um eine Zusatzfrage gebeten.
Frau Staatssekretärin, stimmen Sie mir zu, daß sich die Fragen nach dem Cash-Management zunächst einmal an die Verantwortlichen im Unternehmen richten müßten, das heißt an den Vorstand? Ich habe ein bißchen den Eindruck, daß hier der Versuch gemacht wird, die Polizei für den Diebstahl verantwortlich zu machen.
Diese Einschätzung teile ich.
Der Aufsichtsrat ist als Kontrollinstanz zuständig.
Herr Kollege Teiser, Sie hatten vorhin die Gelegenheit zu einer Frage, die jedoch ein bißchen danebengegangen ist. Deshalb gebe ich Ihnen jetzt noch einmal das Wort zu einer Zusatzfrage.
Herr Präsident, ob diese Anmerkung erforderlich war, wage ich zu bezweifeln.
Herr Kollege Teiser, Sie werden sich daran gewöhnen müssen, daß Sie hier die Amtsführung des Präsidenten nicht zu kommentieren, geschweige denn zu kritisieren haben.
Frau Staatssekretärin, stimmen Sie mit mir überein, daß die Aussage des Abgeordneten Schily über das Cash-Management, es seien Investitionsmittel der BVS in Höhe von 900 Millionen DM entzogen worden, falsch ist? Schließen Sie sich meiner Auffassung an, daß Investitionsmittel bis auf eine Summe von zirka 50 Millionen DM im Osten verbaut worden sind und daß die Zuwendungen der BVS, die zum Auffangen der Anfangsverluste gezahlt worden sind, möglicherweise im CashManagement verschwunden sind?
Herr Kollege Teiser, es tut mir leid - dies ist kein Revancheakt von mir -, aber dies war eine Dreiecksfrage, die nicht zulässig ist. Frau Karwatzki, Sie können darauf auch nicht antworten. Es tut mir leid.
Gibt es zu dieser Frage weitere Zusatzfragen? - Bitte, Herr Neumann.
Frau Staatssekretärin, war die Zahlung an das Cash-Management Bestandteil des Privatisierungsvertrages, oder stimmt die Presseinformation, daß die Treuhandanstalt erst nachträglich über die Einrichtung eines Cash-Managements beim Bremer Vulkan informiert worden ist?
Ich kann Ihnen das nicht hundertprozentig beantworten. Wenn ich aber sage „soweit ich weiß", antwortet Kollege Schily: Das geht nicht.
Soweit ich weiß, ist das in der Tat erst nachher erfolgt. Herr Kollege Neumann, der Fairneß halber: Ich prüfe das nach; Sie bekommen unmittelbar danach eine schriftliche Antwort von mir.
Weitere Zusatzfragen werden nicht gestellt.
Vizepräsident Hans Klein
Ich rufe die Frage 21 der Kollegin Eva Bulling-Schröter auf:
Wann erhielt die Bundesregierung von der Kreditanstalt für Wiederaufbau welche Informationen über ein Treffen von Vertretern der KfW, der Commerzbank und des Wirtschaftsministeriums Mecklenburg-Vorpommerns mit Vulkan-Finanzvorstand Günter Smidt am 14. November 1995, bei dem Günter Smidt eingeräumt haben soll, der Eigenanteil der Bremer Vulkan Verbund AG an den Investitionen in Mecklenburg-Vorpommern könne nicht erbracht werden und sei auch schon bei Zeichnung der Privatisierungsverträge problematisch gewesen (DER SPIEGEL 9/96, S. 26)?
Bitte, Frau Parlamentarische Staatssekretärin, zur Beantwortung.
Frau Kollegin, die Kreditanstalt für Wiederaufbau hat an der genannten Besprechung am 14. November 1995 teilgenommen. Gegenstand der Erörterung war die Sicherstellung der Baufinanzierungen für Neubauten auf den sogenannten Ostwerften der Bremer Vulkan Verbund AG durch die Gewährung von Bürgschaften des Landes Mecklenburg-Vorpommern. Anläßlich der Besprechung wurde auch das Problem der Sicherstellung der Investitionsfinanzierung für die Ostwerften thematisiert. Hierbei handelte es sich lediglich um ein Informationsgespräch. Es wurden weder konkrete Daten genannt, noch wurden Beschlüsse gefaßt oder Maßnahmen ergriffen bzw. verabredet. Die KfW hat keine Veranlassung gesehen, die Bundesregierung über die Gesprächsinhalte zu informieren, weil bereits am 26. Oktober 1995 Vertreter des Finanzsenates der Freien Hansestadt Bremen mit Vertretern des Bundes über diese Thematik gesprochen hatten.
Eine Zusatzfrage, Frau Kollegin?
Ja. Frau Staatssekretärin, wann erhielt die Bundesregierung bzw. die BVS welche Informationen über die Beratung am 25. August 1995 zwischen Bremer Vulkan, Banken, dem Land Bremen und Wirtschaftsprüfern, auf der eine beträchtliche Deckungslücke beim Bremer Vulkan konstatiert wurde?
Frau Kollegin, Sie wissen sehr viel, wie ich feststelle.
Ich kann nicht sagen, ob die BVS bereits am 25. August - mir sind hier andere Daten bekannt - von einer Deckungslücke gewußt hat.
Weitere Zusatzfragen werden zu dieser Frage offensichtlich nicht gestellt.
Dann rufe ich die Fragen 22 und 23 des Abgeordneten Rolf Köhne auf. Er bittet darum, daß beide Fragen schriftlich beantwortet werden. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich rufe die Frage 24, gestellt von der Kollegin Heidemarie Lüth, auf:
Entspricht die Aussage von Friedrich Hennemann, Bremer Vulkan Verbund AG, zur Privatisierung der ostdeutschen Werften gegenüber dem Fernsehsender „Nord 3" am 5. März 1992 den Tatsachen: „Ich muß zunächst sagen, daß die Karten von der Treuhand gemischt worden sind. Das Angebot, über das wir mit der Treuhandanstalt verhandelt haben, kam von der Treuhand" , und wenn ja, welche Gründe hatte die Treuhandanstalt, der Bremer Vulkan Verbund AG von sich aus ein Angebot zu unterbreiten?
Frau Parlamentarische Staatssekretärin, ich bitte um Beantwortung.
Frau Kollegin, die Treuhandanstalt hat weltweit mögliche Investoren auf ihr Interesse an der Übernahme einer der in Mecklenburg-Vorpommern gelegenen Werften angesprochen. Darunter befand sich neben zum Beispiel Kvaerner und Hegemann auch die BW AG, die zunächst ein Angebot sowohl für die Werft in Wismar als auch für die Werft in Warnemünde abgab und sich nur zögernd zu einer Beschränkung ihres Angebots auf die Matthias-Thesen-Werft und das Dieselmotorenwerk Rostock bereit erklärte. Die Erweiterung des Angebots der BVV AG zur Übernahme auch der Volkswerft Stralsund erfolgte erst später.
Keine Zusatzfrage. Auch keine Zusatzfrage aus dem Kreis der Kolleginnen und Kollegen.
Dann rufe ich die Frage 25, die ebenfalls die Kollegin Heidemarie Lüth gestellt hat, auf:
Was hat die Treuhandanstalt/Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben wann dazu bewogen, öffentliche Mittel im Block an die Bremer Vulkan Verbund AG zu überweisen und dabei nicht darauf zu bestehen, daß bei den Investitionen in Wismar und Stralsund die Eigenmittel des Konzerns - wie normalerweise üblich - zeitgleich mit den öffentlichen Mitteln eingesetzt werden?
Ich bitte um Beantwortung.
Frau Kollegin Lüth, die Mittel der Treuhandanstalt/BVS wurden den ostdeutschen Werftbetrieben gemäß einem in den Privatisierungsverträgen vereinbarten Zahlungsplan in drei Tranchen zur Verfügung gestellt. Die den ostdeutschen Betrieben dadurch zur Verfügung gestellte Liquidität sollte den Umstrukturierungsprozeß der Unternehmen unterstützen. Der Zahlungsplan war Verhandlungsergebnis. Der Treuhandanstalt gelang es im Gegenzug, eine Deckelung der Verlustausgleiche vertraglich zu vereinbaren. Ferner konnte trotz des schwierigen Marktumfeldes eine Arbeitsplatzgarantie der BVV AG durchgesetzt werden.
Zusatzfrage? - Bitte.
Frau Staatssekretärin, ich habe eine Zusatzfrage. Ist es richtig, daß die 1995 ausgereichten BVS-Kredite in Höhe von 112,4 Mil-
Heidemarie Lüth
lionen DM an die Matthias-Thesen-Werft in Wismar bei der EU-Kommission nicht angezeigt wurden, und wenn ja, warum nicht?
Diese Frage kann ich Ihnen nicht beantworten.
Werden dazu weitere Zusatzfragen gestellt? - Das ist nicht der Fall.
Dann rufe ich die Frage 26, die die Kollegin Dr. Christine Lucyga gestellt hat, auf:
Kann die Bundesregierung den konkreten Zeitpunkt benennen, zu dem sie erfahren hat, daß Fördermittel für die ostdeutschen Werften durch die Bremer Vulkan Verbund AG zweckentfremdet verwendet worden sind?
Ich bitte um Beantwortung.
Frau Kollegin, die Bundesregierung wurde von der BVS Anfang Januar 1996 darüber unterrichtet, daß der Vorstand der BW AG am 22. Dezember 1995 und am 3. Januar 1996 schriftlich die BVS darüber informiert hat, daß die Mittel für die ostdeutschen Werften vorläufig bzw. auf absehbare Zeit nicht mehr zur Verfügung stehen.
Mit Vorlage des ersten Zwischenberichts der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG über die Untersuchung des zentralen Cash-Managements der Bremer Vulkan Verbund AG am 23. Februar 1996 haben sich die Hinweise auf eine zweckentfremdete Verwendung von Fördermitteln für die ostdeutschen Werften durch die Bremer Vulkan Verbund AG konkretisiert.
Zusatzfrage, Frau Kollegin.
Frau Staatssekretärin, auch ich verkenne nicht, daß Sie in einer unglücklichen Lage sind, zumal ein Großteil der hier zur Sprache kommenden Dinge vor Ihrer Amtszeit gelaufen sind und Sie sich zudem mit einer Flut von Presseveröffentlichungen auseinandersetzen müssen. Deshalb beziehe ich mich nachdrücklich nur auf Schreiben der Bundesregierung sowie auf Dokumente von Fragestunden und parlamentarischen Ausschüssen.
Ich habe den konkreten Zeitpunkt, zu dem der Bundesregierung das Ganze klar war, aus Ihrer Antwort noch nicht heraushören können; denn Sie selbst haben dazu schon andere Aussagen gemacht. Es gibt aus der letzten Fragestunde im Grunde genommen noch immer Daten zwischen dem 13. Dezember 1995 und dem 23. Februar 1996. Können Sie das bestätigen, und wenn ja, warum hat die Bundesregierung bei den sich verdichtenden Hinweisen und konkreten Erkenntnissen von den guten parlamentarischen Sitten Abschied genommen, die fragenden Parlamentarier sowie den Ministerpräsidenten und den Wirtschaftsminister des Landes Mecklenburg-Vorpommern über die veränderten Erkenntnisse zu informieren?
Zu dem ersten Teil der Frage: Ich habe Ihnen mit Datum vom 21. Dezember auf Ihre Anfrage eine Antwort geschrieben. Sie gab meinen damaligen Wissensstand wieder. Ich habe gerade ausgeführt, daß wir am 22. Dezember mündlich und am 3. Januar schriftlich Kenntnis erhalten haben. Insofern, Frau Kollegin Lucyga, haben wir die Kollegen des Parlaments wahrheitsgemäß informiert.
Die zweite Zusatzfrage.
Wenn Sie am 23. Dezember mündlich informiert wurden,
- am 22. -, zu diesem Zeitpunkt also zweifelsfreie Erkenntnisse hatten, warum haben Sie dann entgegen den sonstigen Gepflogenheiten keine berichtigte Antwort gegeben, um auch den Parlamentariern die Möglichkeit zu geben, bei dem nun einsetzenden Prozeß der Rückführung von Mitteln und der Klärung der Umstände ihren Pflichten nachzukommen?
Ich gebe mir immer Mühe, meinen Pflichten nachzukommen. Ob ich in diesem Falle nicht korrekt geantwortet habe, will ich einmal dahingestellt sein lassen. Ich habe eben bereits ausgeführt, daß meine Informationen bei der BVS abgefragt worden sind. Mehr kann ich hier nicht sagen. Das waren die Fakten und Daten, die ich Ihnen dann unmittelbar danach zur Verfügung gestellt habe.
Frau Lucyga, können wir uns so verständigen - ich will mein Versäumnis hier einräumen -: Vielleicht hätte ich Sie informieren können; aber vielleicht hätten auch Sie mich anrufen können.
Eine Zusatzfrage, Dr. Uwe Küster.
Frau Staatssekretärin, auch ich bin Betroffener; denn Ihre Antwort vom 21. Dezember an mich entspricht nicht dem Kenntnisstand vom 22. Dezember. Es wäre gut gewesen, wenn ich im Januar einen entsprechenden Brief vorgefunden hätte. - Das als Kommentierung.Ich möchte noch einmal nachfragen: Wäre es nicht günstiger gewesen, wenn die für die vereinigungsbedingten Kontrollaufgaben, also für die Rechts- und Fachaufsicht, zuständigen Teile der Bundesregierung in Berlin gesessen hätten? Wäre es dann nicht durchaus möglich gewesen, bestimmte Informationen schneller zu bekommen und sie dann auch schneller an das Parlament heranzutragen? Ich beharre also auf meiner These, daß bestimmte Dinge,
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 94. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. März 1996 8329
Dr. Uwe Küsterdie hier entstanden sind, gerade was Abstimmungsprozesse angeht, vermeidbar gewesen wären.
Herr Kollege Küster, ich bleibe bei meiner Antwort: Angesichts der heutigen technischen Gegebenheiten ist, meine ich, die unmittelbare Anwesenheit in Berlin nicht erforderlich. Ich will Ihnen aber zusagen, daß wir gerade auch auf Grund Ihrer Nachfrage im Finanzministerium und sicherlich gemeinsam mit dem Wirtschaftsministerium überlegen werden, wie wir es noch besser gestalten können, so daß die Fachaufsicht, wenn das möglich ist, in Berlin ausgeführt wird. Aber, wie gesagt, wir sind hier in einem Diskussionsprozeß. Warten wir ab, was am Ende des Diskussionsprozesses steht.
Herr Kollege Schily.
Frau Staatssekretärin, Sie berichten uns jetzt, wann bekanntgeworden ist, daß Mittel möglicherweise zweckentfremdet verwendet wurden. Hätte eine solche Feststellung nicht früher getroffen werden können, und ist die Tatsache, daß eine frühere Feststellung offenbar nicht zustande gekommen ist, darauf zurückzuführen, daß die Prüfungsmöglichkeiten, die vertraglich ausbedungen wurden, und die Kontrollmaßnahmen, die seitens der BVS möglich waren, solche Feststellungen nicht erlaubten?
Herr Kollege Schily, wir sind heute sicherlich alle klüger als damals zu Beginn der Privatisierung. Dennoch möchte ich sagen: Die Verantwortlichen bei der BVS können nur so schnell handeln, wie ihnen Daten und Fakten bekannt werden. Wir können keine direkte Prüfung in einer Firma vornehmen, sondern sind auf Prüfberichte angewiesen.
Herr Kollege Börnsen.
Frau Kollegin, das Datum 22. bzw. 23. Dezember
- 21. und 22. Dezember hört sich so neutral an. Das sind ja die Tage kurz vor Heiligabend, als unsere Kollegen schon nicht mehr hier gewesen sind.
Könnte es nicht sein, daß es dort urlaubsbedingt Probleme in der Weitergabe von Informationen von seiten des eigentlich zuständigen Aufsichtsrates und auch des zuständigen Bremer Senats gegeben hat und daß es dort Fehleinschätzungen und einen Fehl an Übermittlungen gegeben hat?
Das liegt nahe, Herr Kollege. Aber die Anmerkungen der beiden Kollegen von der SPD richten sich gegen mich, daß ich am 21. wahrheitsgemäß unter den vorliegenden Daten eine schriftliche Aussage getroffen habe und am 22. die BVS mündlich davon in Kenntnis gesetzt worden sei, daß wir hier, ich sage einmal: vorsichtig sein müßten.
Wie ich das noch hätte transportieren sollen, weiß ich nicht. Aber ich nehme die Kritik an, gelobe Besserung, und vielleicht gelingt das dann auch.
Aber Sie haben völlig recht: Die Weihnachtstage, die Urlaubstage, all dies muß man natürlich in die Überlegungen mit einbeziehen.
Herr Kollege Marten.
Frau Staatssekretärin, stimmen Sie mir zu, wenn ich feststellen kann, daß Ihre Informationen, wie Sie sie uns heute hier gegeben haben, seit 1994 sozusagen regelmäßig auch von den Kontrollorganen der BVS an den Verwaltungsrat gegangen sind, und daß es sicherlich auch richtig ist, daß die Mitglieder des Verwaltungsrates informiert waren und somit auch der Wirtschaftsminister des Landes Mecklenburg-Vorpommern ständig über die derzeitige Situation informiert war?
Wer immer das war: In jedem Fall bestätige ich Ihnen, daß die Informationen auch dorthin gegeben wurden.
Werden zu dieser Frage weitere Zusatzfragen gestellt? - Das ist nicht der Fall.
Dann rufe ich die Frage 27 der Abgeordneten Dr. Christine Lucyga auf:
Hat die Bundesregierung bereits zu einem früheren als zu dem in den bisherigen Antworten angegebenen Zeitpunkt Hinweise erhalten, die zumindest eine Vermutung der zweckentfremdeten Verwendung von Fördermitteln für die ostdeutschen Werften nahegelegt hätten, und wenn ja, inwieweit ist die Bundesregierung diesen Hinweisen nachgegangen?
Frau Kollegin, die Antwort lautet: Nein. Seit Herbst 1995 gab es Pressemeldungen über Liquiditätsschwierigkeiten der Bremer Vulkan AG. Ab diesem Zeitpunkt bestand ständiger Kontakt zu dem zuständigen Vertragsmanagementdirektorat der BVS. Die Pressemeldungen konnten durch die BVS nicht bestätigt werden.
Die vorliegenden Spill-over-Berichte enthielten keine Hinweise auf eine zweckentfremdete Mittelverwendung.
Zusatzfrage.
Hat die Bundesregierung zum Zeitpunkt des Rücktritts des für die ostdeutschen Werften zuständigen Vorstandsmitgliedes Timmermann jemals Hinweise darauf erhalten, daß dieser Rücktritt im Zusammenhang mit einer nicht vertragsgemäßen Verwendung der Beihilfen für den ostdeutschen Schiffbau stehen könnte?
Das kann ich Ihnen nicht beantworten.
Dann ist Ihnen also auch nicht die Feststellung des damaligen Werftensanierers Dr. Krackow bekannt, der anmerkte, spätestens zum Zeitpunkt des Rücktritts von Herrn Timmermann hätten bei der BVS und der Bundesregierung die Alarmlampen angehen müssen?
Ich kann nur so antworten, wie ich es eben getan habe: Ich weiß das nicht. Insofern kann ich Ihnen hier keine andere Auskunft geben.
Kollege Schily.
Ich muß ja immer vorsichtig sein, daß ich nicht zu anzüglich formuliere. Daher versuche ich jetzt, eine nüchterne Formulierung zu finden.
Sie haben uns gesagt, Sie könnten nicht alle Zeitungen überprüfen. Aber, Frau Staatssekretärin, könnte es sein, daß im vergangenen Jahr doch einige Presseberichte Anlaß zu der Vermutung gegeben haben, daß bei Firmen, die zum Vulkan-Verbund gehören, Liquiditätsengpässe aufgetreten sind?
- Graf Lambsdorff, stellen auch Sie doch noch eine Frage.
Herr Schily, wollten Sie von mir ein Ja hören, daß wir davon Kenntnis hatten?
Entschuldigung! Herr Kollege Schily hat eine Frage gestellt. Es ist zwar in bestimmten Kreisen üblich, eine Frage mit einer Frage zu beantworten, aber das ist nicht die Art und Weise, wie die Bundesregierung antworten sollte.
Herr Kollege Schily, ich habe versucht - -
Die Frage war, ob es möglich ist, daß es schon vor diesem Zeitpunkt aus Pressemeldungen Andeutungen darüber gab, daß die Mittel nicht in der Weise verwendet worden seien, wie es gedacht war.
Darf ich, Herr Präsident, meine Frage wiederholen? Vielleicht war die Frau Staatssekretärin durch den Zwischenruf des Grafen Lambsdorff etwas abgelenkt, was ich verstehen kann.
Meine Frage war eine andere: Konnte die Bundesregierung aus Presseberichten im vergangenen Jahr entnehmen, daß es bei Firmen des Bremer VulkanVerbundes Liquiditätsengpässe gegeben hat?
Ich bin vorsichtig, wenn Zwischenrufe kommen. Ich kann mir nicht vorstellen, daß es so war, Herr Schily. Daß es Pressemitteilungen gab, mag sicherlich so sein. Aber wir können uns doch nur auf Daten und Fakten beziehen, die uns gegeben werden. Insofern, Herr Kollege Schily, habe ich eben mitgeteilt, daß wir auf Prüfberichte der vereidigten Wirtschaftsprüfer und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften zurückgreifen. Hier ist uns dies nicht mitgeteilt worden.
Herr Kollege Börnsen.
Frau Staatssekretärin, können Sie bestätigen - es werden ja immer wieder Pressemeldungen angeführt -, daß der Vorstandsvorsitzende Hennemann in der „Schweriner Volkszeitung" am 9. November 1995 mitgeteilt hat und damit auch aller Welt deutlich gemacht hat, daß die ökonomische Substanz des Unternehmens noch nie so gut war wie heute?
Herr Kollege Börnsen, ich habe die Zeitung nicht gelesen. Aber wenn es da stand - -
Herr Kollege Kunick.
Frau Staatssekretärin, hat sich die Bundesregierung in ihrer früheren ruhigen Beurteilung der Angelegenheit vielleicht auch davon leiten lassen, daß die Direktoren der ostdeutschen Werften im Vorstand der Bremer Vulkan AG waren, dort stimmberechtigt waren und von daher alle Geschäfte kannten?
Nein, das ist keine Grundlage, so oder so zu verfahren, sondern wir verfahren nach Recht und Gesetz.
Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 94. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13, März 1996 8331
Kollege Neumann.
Frau Staatssekretärin, Sie beziehen sich bei der Beurteilung der Lage der Bremer Vulkan, insbesondere im letzten Jahr, auf die vorgelegten Testate der Wirtschaftsprüfungsgesellschaften oder derer, die von der BVS dazu berufen worden sind. Haften diese Prüfungsgesellschaften für falsche Auskünfte? Wenn ja: für fahrlässiges oder nur für grob fahrlässiges Verhalten?
Soweit ich weiß, haben wir dafür ein Gesetz. Dort wird umschrieben, wann die Haftung eintritt und wann die Leute im einzelnen zur Verantwortung gezogen werden.
Herr Kollege Uldall.
Frau Staatssekretärin, ist der Bundesregierung bekannt, daß in der „Schweriner Volkszeitung" am 9. November 1995 der Wirtschaftsminister Ringstorff, SPD, des Landes Mecklenburg-Vorpommern erklärt hat, er sehe keinen Grund, an den ökonomischen Grunddaten der Vulkan zu zweifeln?
Verzeihung, Herr Kollege Uldall. Die letzten Fragen, also nicht nur Ihre Frage, haben sich ziemlich weit von der Frage entfernt, über die wir hier mit Zusatzfragen operieren. Ihre Frage ist aber gerade noch so zulässig. Bitte, Frau Staatssekretärin.
Wenn der Kollege Ringstorff das festgestellt hat, dann mag das so sein.
Herr Kollege Dr. Küster.
Frau Staatssekretärin, Sie haben gerade ausgeführt, daß es ein Gesetz gibt, nach dem die Steuerprüfungsgesellschaften haften. Macht denn die BVS von dem Recht Gebrauch, die Steuerprüfungsgesellschaften für fahrlässige und grob fahrlässige Falschangaben haftbar zu machen?
Herr Kollege Küster, zur Zeit wird dieser Fall intensiv geprüft. Sollte sich herausstellen, daß das so ist, dann greift das Gesetz wie in allen anderen Fällen auch.
Wir sind jetzt wirklich nicht mehr bei der Ausgangsfragestellung.
Werden zu Frage 27 noch Zusatzfragen gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Dann rufe ich jetzt die Frage 28, gestellt von unserem Kollegen Hans-Joachim Hacker, auf:
Ist die Bundesregierung der Auffassung, daß durch die Treuhandanstalt/Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben eine qualifizierte Controlling-Praxis hinsichtlich der zweckbestimmten Verwendung der Fördermittel der Treuhandanstalt/Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben für die ostdeutschen Werften möglich war, und konnte die Treuhandanstalt/Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben aufgrund vertraglicher Bestimmungen z. B. durch unmittelbare Betriebsprüfungen innerhalb der Bremer Vulkan Verbund AG die Einhaltung von Investitionszusagen und den Verbleib von Fördermitteln kontrollieren?
Bitte, Frau Parlamentarische Staatssekretärin.
Herr Kollege Hacker, die Treuhandanstalt/Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben hatte auf Grund der vertraglichen Regelungen der Privatisierungsverträge nur begrenzte Kontrollrechte; das habe ich eben schon ausgeführt. Sie hatte nicht das Recht, durch unmittelbare Betriebsprüfungen innerhalb der Bremer Vulkan Verbund AG die Einhaltung von Investitionszusagen und den Verbleib von Fördermitteln zu kontrollieren. Nur innerhalb eines eingeschränkten Handlungsspielraums war der BVS ein Controlling möglich.
Die BVS hat die ihr eingeräumten Rechte wahrgenommen. In den Spill-over-Berichten der Ostunternehmen und der Wirtschaftsprüfer wurde aber immer eine fristkongruente Anlage der Gelder bestätigt. Für die Werften wurde die Durchführung der Investitionen durch die Wirtschaftsprüfungsgesellschaften ebenfalls bestätigt.
Zusatzfrage, Herr Kollege.
Frau Staatssekretärin, darf ich Ihre Antwort so bewerten, daß Sie der Auffassung sind, daß weder der Treuhandanstalt noch der BVS Vorwürfe hinsichtlich einer unterlassenen Kontrolle gemacht werden können?
Ja, das können Sie mir unterstellen.
Bitte.
Ich habe eine zweite Zusatzfrage. Frau Staatssekretärin, kommt die Bundesregierung vor dem Hintergrund des Ergebnisses der jetzt klargewordenen Unebenheiten bei Vulkan - ich sage das einmal so - nicht doch zu dem Schluß, daß es dringend notwendig ist, die Richtlinien über die durchzuführenden Kontrollmaßnahmen seitens der BVS zu präzisieren, damit derartige Vorgänge
Hans-Joachim Hacker
wie die, über die wir heute diskutieren, weitestgehend ausgeschlossen werden können?
Herr Kollege Hacker, ich habe eben schon einmal ausgeführt: Wir werden die Diskussionen um den Bremer Vulkan sehr ernst nehmen. Wir werden die Prüfergebnisse abwarten. Sollte sich herausstellen, daß Fehler gemacht wurden - das habe ich eben schon Herrn Küster zugesagt - und daß wir im Sinne der Kontroll- und Fachaufsicht alles noch verbessern können, dann wird das entsprechend geregelt. Das sage ich Ihnen zu.
Kollege Schily.
Frau Staatssekretär, Sie haben hier bestätigt, daß es sehr eingeschränkte Prüfmöglichkeiten gab. Sind diese vertraglich vereinbarten eingeschränkten Prüfmöglichkeiten bei Privatisierungsfällen der Treuhandanstalt eine Ausnahme, oder muß man annehmen, daß das in der Regel so gehandhabt wurde?
Nein, das wird in der Regel nicht so gehandhabt. Die BVS hat durchaus die Möglichkeit, direkte Prüfungen vorzunehmen.
Nur, Herr Kollege Schily, das war eine Sache der Vertragsverhandlung. Weil man das nicht hat durchsetzen können - das habe ich eben schon einmal ausgeführt -, mußte man den anderen Weg gehen.
Herr Kollege Dr. Küster.
Frau Staatssekretärin Karwatzki, zur Frage nach der Mittelverwendung haben Sie am 21. Dezember geschrieben, daß die Mittel, die für die Sanierung der ostdeutschen Werften vorgesehen waren, offensichtlich alle zweckentsprechend verwandt worden sind. Wie würden Sie diese Frage heute beantworten?
Herr Kollege Küster, wenn ich mich richtig erinnere, geht Ihre Frage ähnlich wie die Frage von der Kollegin Lucyga dahin, ob die Investitionsmittel ordnungsgemäß verwendet worden sind. Das kann ich bestätigen.
Kollege Börnsen.
Frau Staatssekretärin, in Ergänzung zu der Frage unseres Kollegen Hans-Joachim Hacker hätte ich Sie gerne gefragt, ob Sie bestätigen können, daß nach dem Bericht der KPMG am 25. August 1995 in Bremen eine Sitzung stattgefunden hat, an der Vertreter des Bremer Vulkan, der Banken, des Landes Bremen sowie Wirtschaftsprüfer teilnahmen, daß zu diesem Treffen, an dem offensichtlich auch schon Deckungslücken festgestellt worden sind, weder die BVS noch das
Land Mecklenburg-Vorpommern eingeladen waren und daß dem Wirtschaftsministerium - das in dieser Angelegenheit federführend ist - auch im nachhinein keine Informationen gegeben worden sind. Das heißt doch: Es ist niemand informiert worden; das ist im Insiderkreis gehalten worden. Wie kann man dann kontrollieren?
Herr Kollege, wenn das so war, bin ich mit Ihnen der Meinung, daß uns dann jegliche Prüfmöglichkeit entzogen wird, überhaupt eine Kontrolle auszuüben. Ich gehe Ihrer Fragestellung aber natürlich nach, weil mich das zur Aufklärung des gesamten Sachverhaltes sehr interessiert. Herzlichen Dank für den Hinweis.
Ich rufe die Frage 29 des Kollegen Hans-Joachim Hacker auf:
Ist der Bundesregierung inzwischen die genaue Höhe der durch die Treuhandanstalt für die ostdeutschen Werften zur Verfügung gestellten Fördermittel bekannt, die von der Bremer Vulkan Verbund AG zweckentfremdet verwendet worden sind?
Ich bitte um Beantwortung.
Herr Kollege Hacker, die zweckwidrige Verwendung von Mitteln durch die BVV AG wird zur Zeit durch die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG weiter untersucht. Die Untersuchungen sind noch nicht abgeschlossen. Genaue Angaben können erst nach Abschluß der Untersuchungen gemacht werden. Laut erstem Zwischenbericht der KPMG vom 23. Februar 1996 belaufen sich die zweckwidrig verwendeten Fördermittel auf ca. 57,2 Millionen DM sowie auf Zinserträge in noch unbekannter Höhe. Insgesamt vermutet - ich betone: vermutet - KPMG in ihrem Zwischenbericht, daß die Mittel in Höhe von rund 716 Millionen DM nicht vertragskonform verwendet wurden.
Zusatzfrage.
Frau Staatssekretärin, Sie sprachen eben eine nicht vertragskonforme Verwendung von Mitteln an. Könnten Sie diesen Bereich bitte noch etwas näher erklären? Bezieht sich Ihre Auskunft auf Mittel, die dafür bestimmt waren, an den Standorten Wismar und Stralsund Investitionstätigkeiten zu ermöglichen, oder sind das Mittel, die über den reinen Bereich der Investitionen hinausgehen sollten?
Herr Kollege, das letztere ist zutreffend. Die Investitionsmittel sind alle ordnungsgemäß verwendet worden.
Ich kann Ihnen jetzt keine Antwort in bezug auf die von Ihnen angesprochenen Standorte geben. Hinsichtlich der Investitionsmittel ist - das ist überprüft worden - alles in Ordnung gegangen.
Zweite Zusatzfrage.
Frau Staatssekretärin, sind Ihrem Hause im Zuge der Überprüfung der Privatisierung und der Einhaltung der Zusagen in Privatisierungsverträgen weitere Fälle bekannt geworden, in denen Vertragsabreden nicht eingehalten wurden - insbesondere finanzielle Mittel nicht zweckbestimmt eingesetzt worden sind - oder zugesagte Mittel seitens der Privatisierer nicht erbracht worden sind?
Herr Kollege Hacker, das kann ich Ihnen so nicht beantworten. Ich prüfe das nach und gebe Ihnen Nachricht.
Ich habe gefragt, ob Ihnen solche Informationen vorliegen.
Ich weiß das jetzt aus dem Kopf nicht zu sagen; mir ist das nicht bekannt.
Ja.
Herr Kollege Hacker, es ist doch besser, wenn ich Ihnen das hier so ehrlich sage, es abprüfe und Ihnen eine gute und richtige Antwort gebe, als wenn ich die Frage „Pi mal Daumen" beantworte. Damit wäre uns allen nicht gedient. Ich bitte um Nachsicht.
Herr Kollege Kunick.
Frau Staatssekretärin, wann ist der endgültige Bericht der KPMG zu erwarten? Sie haben ja zu Recht das Wort „vermutet" betont. Wenn Sie den Bericht durchlesen, werden Sie finden, daß mindestens fünfzehnmal etwas vermutet wird oder vorläufig ist oder daß der Ausdruck „nach unserer Einschätzung" oder „Wir haben die Rechnungslegung des Unternehmens noch nicht überprüft" verwendet wird. Das ist alles keine Unterlage für ein begründetes Urteil.
Herr Kollege Kunick, das geschieht so schnell wie eben möglich. Legen Sie mich jetzt aber bitte nicht auf ein Datum fest. Daß es auch in unserem Interesse liegt, das Ergebnis so schnell wie eben möglich zu bekommen, davon dürfen Sie ausgehen.
Kollege Schily.
Ich weiß nicht, ob der Kollege zur Aufklärung dieser Frage etwas beitragen will. Ich habe das Gefühl, er ist deshalb herbeigeeilt.
Nein, er sitzt schon die ganze Zeit hier.
Ach so, nein; ich hatte diesen Eindruck, vielleicht war er falsch.
Ich wollte zu der Frage des Kollegen Hacker eine Nachfrage stellen. Ich könnte mir vorstellen - vielleicht ist meine Vorstellungsgabe da falsch -, daß man in Ihrem Hause, wenn ein solcher Fall vorkommt und der Verdacht auftritt, daß es eine Zweckentfremdung von Fördermitteln gegeben habe, schon einmal prüft, ob es andere Fälle gibt oder ob es in anderen Fällen besser aufgeklärt worden ist oder ob andere Kontrollmaßnahmen besser funktioniert haben. Deshalb bin ich ein wenig darüber verwundert, daß Sie sagen, Sie können dazu keine Auskunft geben. Haben denn die mit dem Vulkan Verbund zusammenhängenden Vorgänge in Ihrem Haus Anlaß gegeben, die Fragen einmal etwas grundsätzlicher zu diskutieren, ob die Vergabe von Fördermitteln korrekt und effizient kontrolliert wird?
Herr Kollege Schily, ich habe jetzt wiederholt ausgeführt, daß wir immer erst dann tätig werden, wenn es einen Grund zum Tätigwerden gibt.
- Nein, nein. Ich glaube, so einfach darf man die Frage des Vulkan nicht angehen, nämlich zu sagen: Das Kind ist in den Brunnen gefallen. Ich bitte Sie, liebe Kollegen, daß wir der Fairneß halber gerade mit solchen Aussagen etwas vorsichtiger umgehen.
Es geht um einen großen Konzern und um die Arbeiter, die dort ihr Brot verdienen. Ich glaube, so einfach darf man sich das nicht machen.Wenn Fördermittel zweckentfremdet worden sind, dann werden wir - da dürfen Sie sicher sein - alles dafür tun, daß sie zurückgezahlt werden.Wenn Sie, Herr Kollege Schily, vielleicht darauf abheben - das habe ich bewußt nicht angesprochen -, daß in dieser Beziehung in den Untersuchungsausschüssen das eine oder andere zutage gefördert worden wäre,
- ich sehe, das meinen Sie nicht; in Ordnung -, dannhätten wir uns vielleicht verständigen können. Abermir ist es im Augenblick nicht präsent. Es mag sogar
Metadaten/Kopzeile:
8334 Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 94. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. März 1996
Parl. Staatssekretärin Irmgard Karwatzkisein, daß es irgendwann über meinen Schreibtisch gegangen ist. Ich weiß es nicht.
Weitere Zusatzfragen? - Das ist nicht der Fall.
Die Fragen 30 und 31, die der Kollege Friedhelm Julius Beucher gestellt hat, sollen schriftlich beantwortet werden. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich rufe die Frage 32, gestellt vom Kollegen Volker Neumann, auf:
Kann die Bundesregierung bestätigen, daß die von der Treuhandanstalt gewährten Investitionsbeihilfen entgegen der üblichen Praxis als Einmalzahlung und nicht abgezinst zur Verfügung gestellt wurden, und wenn ja, welche Gründe waren hierfür maßgebend?
Ich bitte um Beantwortung.
Herr Kollege Neumann, die Investitionsbeihilfen wurden im Rahmen des an die Unternehmen zu zahlenden Gesamtausgleichsbetrages nicht als Einmalzahlung, sondern in drei Tranchen gezahlt. Die Termine für die Zahlungen wurden in den Privatisierungsverträgen festgelegt. Der Zahlungsplan war Ergebnis der Privatisierungsverhandlungen und muß im Zusammenhang mit den übrigen Vertragsregelungen gesehen werden. So konnte die BVS im Gegenzug eine Deckelung der Verlustausgleiche und Arbeitsplatzzusagen trotz schwieriger Marktlage erreichen.
Zusatzfrage?
Nur eine kurze Zusatzfrage. Sie sagten, der Betrag wurde in drei Tranchen ausgezahlt. Wurde jeweils nach Auszahlung einer Tranche ein Kontrollmechanismus in Gang gesetzt, um die Zusagen des Bremer Vulkan bis zu diesem Zeitpunkt zu überprüfen? Wenn Sie das jetzt nicht beantworten können, würden Sie mir das dann bitte schriftlich mitteilen?
Ja, das mache ich lieber, Herr Kollege Neumann.
Keine weiteren Zusatzfragen?
Dann rufe ich die Frage 33 des Kollegen Volker Neumann auf:
Kann die Bundesregierung darüber Auskunft geben, ob bei der Privatisierung des ostdeutschen Schiffbaus bereits die ab 1992 bei der Treuhandanstalt üblichen Bonusprämien an Mitarbeiter der Treuhandanstalt gezahlt worden sind, und wenn ja, in welcher Höhe?
Herr Kollege Neumann, Bonuszahlungen wurden den einzelnen Mitarbeitern der Treuhandanstalt nicht für einzelne Privatisierungen, sondern für die Gesamtleistungen im Laufe eines Jahres gewährt. Die Bonuszahlungen bezogen sich aber in der Regel auf eine größere Zahl von Privatisierungen. Die Höhe der Zahlungen richtete sich nach den internen Regelungen der Treuhandanstalt.
Zusatzfrage.
Frau Staatssekretärin, verstehe ich Sie richtig, daß für die Privatisierung der Werften keine gesonderten Bonuszahlungen an Mitarbeiter der Treuhandanstalt geleistet worden sind?
Davon gehe ich aus.
Keine zweite Zusatzfrage. Dann hat der Kollege Schily das Wort zu einer Zusatzfrage.
Frau Staatssekretärin, würden Sie mir zustimmen, daß gerade bei der Privatisierung des Werftenbereiches - wenn man das, was auch Kollegin Lucyga beschrieben hat, betrachtet, nämlich DMS und jetzt das Debakel, das im Moment zu diskutieren ist - im Zusammenhang mit den Bonuszahlungen der Gesichtspunkt der Sanierung an Stelle der schnellen Privatisierung ein bißchen stärker hätte berücksichtigt werden müssen?
Herr Kollege Schily, ich glaube, daß Ihre Frage so nicht gestellt werden kann. Ich will Sie nicht kritisieren, aber man kann doch nicht generell sagen, daß die Kollegen oder die Mitarbeiter, die damit beauftragt wurden zu privatisieren, nur ihr eigenes Ziel gesehen hätten. Ich glaube, damit tun wir vielen, vielen Unrecht.
Werden weitere Zusatzfragen aus dem Hause gestellt? - Dies ist nicht der Fall.
Ich rufe Frage 34 des Abgeordneten Otto Schily auf und bitte um Beantwortung:
Auf welche Gründe führt die Bundesregierung die Tatsache zurück, daß die Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben über die Verwendung von Investitionsbeihilfen bei der Bremer Vulkan Verbund AG erst falsch und über den wahren Sachverhalt zu spät informiert worden ist?
Herr Kollege Schily, die BVS hat regelmäßige Berichte über die zweckentsprechende Verwendung der Beihilfen gefordert und auch erhalten. Diese Berichte waren von unabhängigen Wirtschaftsprüfern testiert. Danach hatte die BVS keinen Anlaß, an der richtigen Verwendung der Mittel zu zweifeln. Auch auf ständige zusätzliche Nachfragen seit Sommer 1995 erhielt sie keine an-
Parl. Staatssekretärin Irmgard Karwatzki
dere Auskunft. Erst durch das KPMG-Gutachten, das nur unter der Mitwirkung des neuen Vorstandes des BVV erstellt werden konnte, wurde jetzt offenkundig, daß der alte Vorstand des Bremer Vulkan gegen seine Verpflichtungen aus der Cash-ManagementVereinbarung verstoßen und die BVS falsch informiert hatte.
Zusatzfrage.
Frau Staatssekretärin, wir sind jetzt wieder bei dem Thema, das Sie schon mehrfach erklärt haben, nämlich daß es vertraglich nicht durchsetzbar gewesen sein soll, andere Prüfungsmöglichkeiten zu vereinbaren. Jetzt frage ich Sie bei einem Privatisierungsprojekt dieser Größenordnung: Hat die Bundesregierung eigentlich ihren Einfluß geltend gemacht, eine solche bessere Prüfungsmöglichkeit vertraglich zu vereinbaren?
Wir haben von Anfang an gemeinsam mit der Treuhand die Vorgaben erarbeitet. Ich habe großes Vertrauen in die Mitarbeiter der Treuhandanstalt, aber auch in die der BVS, daß sie sehr verantwortungsvoll ihre Verhandlungslinie zur Durchsetzung der eigenen Prüfung auf den Weg gegeben haben.
Wenn das nicht durchzusetzen gewesen wäre, dann hätte ja die Frage angestanden, Herr Kollege Schily: Wird privatisiert oder wird nicht privatisiert? Man hat Privatisierung unter den Konditionen, die ich eben dem Kollegen Neumann genannt habe, erreicht.
Zweite Zusatzfrage.
Frau Staatssekretärin, ist denn seinerzeit die Hilfe der Bundesregierung in Anspruch genommen worden, um eine solche vertraglich weitergehende Vereinbarung hinsichtlich der Kontrollmöglichkeiten durchzusetzen?
Herr Kollege Schily, das weiß ich nicht. Das muß ich in den Akten nachschauen.
Kollege Börnsen.
Frau Staatssekretärin, unterschwellig wird ja der Eindruck erweckt, als hätte die Bundesregierung ihre Kontrollaufgaben nicht ordnungsgemäß wahrgenommen. Wurden den Wirtschaftsprüfern im Rahmen des Vertrages zwischen der BVV AG und der Treuhand - um sich gegen diesen Spill-over-Effekt abzusichern und damit das Verbot der unrechtmäßigen Mittelverwendung bleibt - nicht drei Auflagen gemacht, sollten im Rahmen ihrer Prüfung nicht drei Schwerpunkte gesondert wahrgenommen werden:
Erstens sollte bei der Bestätigung nachgefragt werden, ob die Beihilfen eben diesen Spill-over-Effekt nicht verursachen. Zweitens sollte eine ständige Nachprüfung der Beihilfenregelung vorgenommen werden. Drittens sollte eine Liste aller Transaktionen mit der Muttergesellschaft angefertigt werden, mit Angaben von Preisen und Marktpreisen.
Durch diese Auflagen sind die Wirtschaftsprüfer eigentlich in der Lage gewesen, genau zu kontrollieren, ob die Mittel auch sachorientiert eingesetzt worden sind.
Herr Kollege Börnsen, das kann ich Ihnen bestätigen.
Kollege Kunick.
Frau Staatssekretärin, berufen Sie sich für die Bundesregierung darauf, daß der Bremer Vulkan bis Ende August 1995 Ihnen seine Lage mit Hilfe eines der renommiertesten Wirtschaftsprüfungsunternehmen der Bundesrepublik dargelegt hat?
Das ist so.
Bitte, Herr Kollege.
Frau Staatssekretärin, können Sie mir sagen, ob bei Abschluß des Vertrages zwischen der Treuhandanstalt und der Vulkan AG konkrete Festlegungen über die Mittelverwendung und über ihre Rückführung in ostdeutsche Werften, zum Beispiel bei Fehlverwendung, getroffen wurden?
Ich finde es schon ganz prima, daß mir der Kollege aus dem Wirtschaftsministerium - das ist ja mit zuständig - jetzt zur Hilfe eilt. Deshalb kann ich Ihnen sagen: Die zinsgünstige Anlage von Finanzmitteln war auf Grund des Kaufund Übertragungsvertrages, der der Kommission seit 1972 vorlag, in § 5 I 4 ausdrücklich möglich.
Ich bitte um Nachsicht, daß ich das jetzt so abgelesen habe.
Weitere Zusatzfragen aus dem Kreis der Kolleginnen und Kollegen?
- Keine Dialoge bitte.
Herr Kollege Schily,
Metadaten/Kopzeile:
8336 Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 94. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. März 1996
P
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Der Kollege ist ein netter Kollege.
Frau Staatssekretärin, Sie machen es sich selber schwer. Wenn Sie auf diese Zwischenrufe eingehen, kann ich von meiner Ordnungsgewalt nur schwerlich Gebrauch machen.
Herr Kollege Schily, Sie haben die nächste Frage gestellt. Ich rufe die Frage 35 auf:
Sieht die Bundesregierung die von der Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben im Falle der Bremer Vulkan Verbund AG verfügten Kontrollmaßnahmen hinsichtlich der Verwendung der Investitionsbeihilfen für ausreichend an, und ermöglichten diese insbesondere eine zeitnahe Feststellung, ob die Investitionsbeihilfen zweckentsprechend eingesetzt wurden?
Herr Kollege Schily, wie die Entwicklung gezeigt hat, waren die im Privatisierungsvertrag mit dem Bremer Vulkan-Verbund vereinbarten Kontrollmaßnahmen insgesamt nicht ausreichend. Die gewährten Investitionsbeihilfen sind allerdings fast völlig investiert. Hier haben die Kontrollen der BVS offensichtlich gegriffen.
Insgesamt muß aber darauf hingewiesen werden: In einem Konkursfall oder bei vorsätzlicher Täuschung stoßen selbst die engsten Kontrollmechanismen an ihre Grenzen.
Zusatzfrage.
Frau Staatssekretärin, Sie sagen selber, bestimmte Tatbestände sind Ihnen relativ spät bekanntgeworden. Sie sagen auch, eine weitergehende Prüfmöglichkeit war vertraglich nicht durchsetzbar.
Ich würde von Ihnen doch ganz gerne einmal wissen, ob in Ihrem Haus im Hinblick auf Erkenntnisse des Untersuchungsausschusses, den Sie hier selber angesprochen haben, und auf jetzt neugewonnene Erkenntnisse einmal nachgeprüft worden ist, ob alle Prüfmechanismen, die von der BVS bzw. früher von der Treuhandanstalt angewendet worden sind, es berechtigt erscheinen lassen, davon zu sprechen, daß die zweckgebundene Verwendung von Fördermitteln sichergestellt ist.
Herr Kollege Schily, auch der Bundesrechungshof hat sich damit beschäftigt.
Wir haben, nach ausgiebiger Diskussion in den einschlägigen Ausschüssen, die Auflagen, die erbeten und im Parlament erörtert worden sind, durchgesetzt.
Ich habe Ihnen bereits bestätigt, daß wir, wenn wir auf Grund der Prüfungsvorgaben bei der Vulkan AG feststellen sollten, daß man das noch verbessern kann, diese Verbesserungen durchführen, und dabei bleibt es auch.
Zweite Zusatzfrage, Herr Schily.
Frau Staatssekretärin, hat sich der Bundesfinanzminister einmal persönlich um diese Fragen gekümmert?
Der Bundesfinanzminister kümmert sich im Rahmen seiner Zuständigkeit immer um alles.
Kollege Börnsen.
Frau Staatssekretärin, ich möchte in Ergänzung zur Frage des Kollegen Otto Schily gern wissen, ob Sie meinen Eindruck bestätigen können, daß die Bundesregierung alles Mögliche im Rahmen ihrer Kontrollfunktion über die BVS und die Treuhand und andere Organisationen bis hin zu einer renommierten Wirtschaftsprüfungsgesellschaft getan hat, um sicherzustellen, daß alle Mittel zweckorientiert eingesetzt worden sind, und daß es sich eigentlich mehr um die übergeordnete Frage handelt: Können wir mit diesem System von Wirtschaftsprüfungsgesellschaften in Zukunft noch bei einem so großen Unternehmen leben, und können wir es verantworten, daß ein paritätisch besetzter Aufsichtsrat seine eigentliche Verantwortung in dieser Frage überhaupt nicht mehr wahrgenommen hat?
Herr Kollege Börnsen, ich möchte Ihnen zuerst in Ihrer Einschätzung recht geben, daß man auf Grund mancher Fragen glauben könnte, daß die Bundesregierung ihrer Verantwortung nicht nachgekommen ist. Ich habe bereits wiederholt versucht, diese Frage zu beantworten und sage jetzt noch einmal: Diese Frage möchte ich nachdrücklich mit Nein beantworten.
Ich teile auch Ihre Meinung, daß wir stärker die Fragestellung angehen müssen, wie die Kontrollmechanismen in den eigenen Unternehmen angewendet werden.
Als drittes haben Sie angefragt, ob wir uns nicht Überlegungen darüber machen müssen, ob die Wirtschaftsprüfungsgesellschaften bei solch großen und komplexen Einrichtungen weiterhin in der Lage sind, ihrer Aufgabe gerecht zu werden. Ich bin gern bereit, mit Ihnen darüber nachzudenken.
Kollege Neumann.
Frau Staatssekretärin, Sie hatten mehrfach gesagt, daß in den Privatisierungsverhandlungen weitere Kontrollmöglichkeiten, wie sie von der BVS offensichtlich gefordert worden waren, nicht durchsetzbar waren. Ist es nicht
Volker Neumann
so, daß der seinerzeit für die Treuhandanstalt zuständige Staatssekretär Grünewald, CDU, heute Verwaltungsratsvorsitzender der BVS, gerade aus dieser Sache heraus eine besondere Verpflichtung gehabt hätte, den Vorgang Bremer Vulkan im einzelnen ständig mit Ihnen, also mit dem Finanzministerium, und dem Wirtschaftsministerium zu erörtern?
Ich teile Ihre Meinung, Herr Kollege Neumann, daß der Kollege Grünewald ein sehr verantwortungsvoller Staatssekretär war, der gerade im Bereich der Privatisierung Optimales geleistet hat.
Ob er mit der Arbeitsebene - das sind im Grunde die Leute, denen die Durchführung obliegt - Gespräche geführt hat, weiß ich nicht, aber ich gehe davon aus, und zwar deshalb, weil er ein verantwortungsvoller Mitarbeiter war.
Weitere Zusatzfragen werden nicht gestellt.
Ich rufe die Frage 36 unseres Kollegen Wolfgang Bierstedt auf:
Metadaten/Kopzeile:
8338 Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 94. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. März 1996
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 94. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. März 1996 8339
Metadaten/Kopzeile:
8340 Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 94. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. März 1996
- Wenn das Haus zustimmt, bin ich gerne bereit, mit dem Beginn der Aussprache ein paar Minuten zu warten. Der Finanzminister ist offensichtlich aufgehalten worden. Es ist ja auch nur fair, wenn er die Hauptrede der Opposition zur Kenntnis nehmen kann.
Damit unterbreche ich die Sitzung für wenige Minuten.
Wir setzen die unterbrochene Sitzung fort.
Ich erteile das Wort der Kollegin Ingrid MatthäusMaier.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Anlaß für die heutige Aktuelle Stunde ist ungewöhnlich: Nicht die Opposition, nein, der Haushaltssprecher der CDU/CSU verkündet gerade einmal zwei Monate nach Beginn des Haushaltsjahres, daß schon jetzt ein Loch von 14 Milliarden DM klafft. Ein in der Zeitung nicht namentlich genannter Haushaltsexperte der Union spricht sogar von 20 Milliarden DM, und von einer Haushaltssperre ist die Rede.
Und was macht der Finanzminister? Herr Waigel macht es beim Haushalt wie Herr Blüm bei den Renten: beschönigen, Löcher verschweigen, sich über die Landtagswahlen retten; der eine täuscht bei den Renten, der andere bei den Staatsfinanzen.
Bürger und Parlament haben ein Recht darauf, die Wahrheit über die Staatsfinanzen jetzt zu erfahren.
Sie kritisieren, wir griffen das Haushaltsloch als Wahlthema auf. Wir sagen: Wenn Demokratie einen Sinn machen soll, dann müssen doch die Wähler vor ihrer Wahlentscheidung wissen, woran sie sind.
Der „General-Anzeiger" hat doch recht, wenn er schreibt:
Nicht nur die Opposition, auch die Steuerzahler haben das Recht, zu erfahren, wie hoch das Etatdefizit tatsächlich ist. Und vor allem, wie es der Finanzminister zu schließen gedenkt.
Ingrid Matthäus-Maier
Das „Handelsblatt" meint, der Finanzminister sollte heute der Öffentlichkeit reinen Wein einschenken.
Jeder weiß, warum Sie bisher keinen reinen Wein einschenken, nämlich weil Sie nicht vor, sondern erst nach den Landtagswahlen mit der Wahrheit herausrücken wollen. Ich bin überzeugt, zu dieser Wahrheit nach der Wahl gehört auch, daß Sie eine Mehrwertsteuererhöhung planen, die Sie heute verschweigen. Es schürt doch Politikverdrossenheit, wenn die Öffentlichkeit immer mehr den Eindruck gewinnt, es gebe zweierlei Wahrheiten: eine Wahrheit vor den Wahlen und eine Wahrheit nach den Wahlen. Nach den Wahlen stellt sich dann heraus, daß die angebliche Wahrheit vor der Wahl die blanke Unwahrheit war.
Wie lange wollen Sie das eigentlich noch fortsetzen? Wir hatten doch schon die Steuerlüge, die Schuldenlüge, die Rentenlüge. Wollen Sie sich denn nun wirklich auch noch einer Haushaltslüge schuldig machen?
Die Verfallszeiten der Waigelschen Haushaltszahlen werden immer kürzer.
Im Januar fehlten 5 Milliarden DM, im Februar fehlten 10 Milliarden DM, im März fehlen schon 14 Milliarden DM, und das, obwohl Sie in Ihrem Haushalt ohnehin schon neue Schulden in Höhe von 60 Milliarden DM eingeplant haben. Das kann doch nicht so weitergehen, meine Damen und Herren. Deshalb: Beenden Sie das Versteckspiel, legen Sie heute die Karten auf den Tisch! Erstens. Wie groß sind die Haushaltslöcher wirklich? Zweitens. Wie wollen Sie die Haushaltslöcher stopfen? Drittens. Welche Sozialkürzungen planen Sie? Viertens. Geben Sie zu, daß Sie eine Mehrwertsteuererhöhung vorhaben. Und sagen Sie schließlich - das ist das Wichtigste des Ganzen -, was Sie gegen die Arbeitslosigkeit tun wollen. Denn da liegt der Schlüssel für die Sanierung der Haushalte.
Arbeitslose kosten Geld. Menschen in Arbeit aber bringen Geld, neue Steuern und Beiträge zur Sozialversicherung. Deswegen wollen wir Sozialdemokraten den Erfolg für das „Bündnis für Arbeit". Unsere Mitarbeit haben wir angeboten.
Denken Sie nicht, Sie könnten sich mit der Ankündigung einer Haushaltssperre heute über die Runden retten. Das wäre zwar eine Bestätigung unserer Befürchtungen und das Eingeständnis Ihrer unseriösen Finanzpolitik. Es wäre auch besser als nichts, und die Aktuelle Stunde hätte ein Stückchen Wahrheit erzwungen. Aber eine Haushaltssperre löst die Probleme nicht; denn es bleibt weiter im dunkeln, wie groß die Löcher sind. Es bleibt weiter im dunkeln, wo Sie konkret kürzen wollen. Es bleibt weiter im dunkeln, ob Sie nach der Landtagswahl die Mehrwertsteuer anheben wollen. Mit einer Haushaltssperre mogeln Sie sich an der Wahrheit vorbei und hebeln das Parlament aus.
Der saubere Weg für Öffentlichkeit und Parlament ist ein Nachtragshaushalt mit konkreten Zahlen und konkreten Einsparvorschlägen, meine Damen und Herren.
Ich erteile das Wort dem Bundesminister der Finanzen, Dr. Theodor Waigel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die SPD handelt nach der Devise: Lieber eine schlechte Vorstellung als gar keine Vorstellung.
Nach diesem Motto wird die Kassandra, in der Hauptrolle Frau Matthäus-Maier, in der Nebenrolle Herr Diller, jetzt jede Woche aufgeführt.
Nicht in einem einzigen Jahr haben Sie mit Ihren Negativprognosen recht behalten. Auch in diesem Jahr sprechen die Fakten für sich. Es gibt keine Daten, die belegen, daß die vorübergehende Wachstumspause in eine Rezession führt. Nationale und internationale Wirtschaftsexperten erwarten vielmehr das Gegenteil, für die Weltwirtschaft ebenso wie für Deutschland. Aktuelle Wachstumsprognosen für Deutschland wie die des RWI, Realwachstum im Jahre 1996 um 2 Prozent, oder des IWF
- sagen Sie es ihm -, Realwachstum im Jahre 1996 um 1,3 Prozent und im Jahre 1997 um 2,5 Prozent, belegen dies.
Seit November melden die Unternehmen eine Verbesserung ihrer Exporterwartungen - zu Recht. Für den Export stehen die Chancen gut. Der Welthandel wächst 1996 um real 6 bis 7 Prozent. Die Konjunktur in den USA und bei anderen wichtigen Handelspartnern gibt keinen Anlaß zur Sorge. Die deutliche Aufwertung der D-Mark aus dem Frühjahr 1995 hat sich zurückgebildet. Deutsche Unternehmen waren bei der Erschließung wichtiger Exportmärkte erfolgreich. Die Exporte in Regionen mit einem hohen Anteil am Weltwachstum, MOE-Länder und Südostasien, haben deutlich zugenommen.
Seit 1995 hat sich der Verbrauch robust gezeigt. 1996 kommt es trotz höherer Beiträge zur Sozialversicherung durch den Wegfall des Kohlepfennigs und durch das Jahressteuergesetz 1996 zu einer ver-
Bundesminister Dr. Theodor Waigel
brauchstützenden Nettoentlastung für die privaten Haushalte in Höhe von 15 bis 20 Milliarden DM.
Die andauernd niedrigen Preissteigerungsraten sichern die Realeinkommen
und stärken das Vertrauen der Märkte. Im Januar betrug die Preissteigerungsrate im Vergleich zum Vorjahr nur noch 1,5 Prozent.
In einer solchen Situation verhalten wir uns konjunkturgerecht. Mit einem geplanten Defizit von etwa 60 Milliarden DM wirkt das Budget expansiv. Was wollen Sie eigentlich, Frau Matthäus-Maier? Wollen Sie weniger als 60 Milliarden DM oder mehr?
Ein Teil Ihrer Partei fordert mehr, und Sie bezeichnen das als zu hoch. Das, was Sie hier betreiben, bezeichne ich als doppelzüngig und pharisäerhaft.
Neue Arbeitsplätze und Konsolidierung sind kein Gegensatz, sondern zwei Seiten einer Medaille. Um das Wachstum voranzubringen, neue Arbeitsplätze zu schaffen und die Maastricht-Kriterien einzuhalten, bedarf es einer zielgenauen und ruhigen Haushaltspolitik.
Nun hat die Wachstumspause Konsequenzen für die öffentlichen Haushalte für 1996 und 1997: beim Bund in Form von Steuermindereinnahmen und Mehrausgaben für den Arbeitsmarkt. In dieser Situation ist es schon ein starkes Stück, wenn die aktuelle Haushaltslage beklagt wird, gleichzeitig aber alle Einsparmaßnahmen im Bundesrat von der SPD torpediert und blockiert werden.
Sie sind die Arbeitsplatzblockadepartei. Sie sind die Verhinderungspartei.
Sie wollen auf diese Art und Weise ganz bewußt Politik verhindern. Nur, meine Damen und Herren, Sie werden auf diese Art und Weise nicht in eine große Koalition hineinschlüpfen. Sie werden die erfolglose Opposition bleiben, als die Sie sich bisher leider auch in diesem Jahr dargestellt haben.
Es stehen 2,8 Milliarden DM zur Debatte: Arbeitslosenhilfe, Umstellung des BAföG, Asylbewerberleistungsgesetz und Sozialhilfereform.
Sie haben scheinbar vergessen, daß wir im Haushaltsjahr 1995 Steuermindereinnahmen von 16,5 Milliarden DM ohne signifikante Erhöhung der Nettokreditaufnahme aufgefangen haben. Was haben Sie mir damals in diesem Hause alles unterstellt! Nachher waren Sie ganz schweigsam, weil die Fakten Sie widerlegt haben.
Wir wissen sehr wohl: Die Einhaltung der Neuverschuldung von 60 Milliarden DM für 1996 wird schwierig. Im Bericht an den Finanzausschuß haben wir auf der Basis der Daten des Jahreswirtschaftsberichts frühzeitig über Steuerausfälle von weiteren 6,5 Milliarden DM informiert.
Ich habe heute vormittag noch mit Präsident Jagoda telefoniert. Niemand kann uns im Moment wirklich sagen, wie sich der Arbeitsmarkt in diesem Jahr genau entwickelt. Das kann man Anfang März noch nicht sagen. Trotzdem sind wir durchaus darauf eingestellt, daß für den Arbeitsmarkt Mehrausgaben notwendig sein könnten.
Das für uns entscheidende Datum ist die Steuerschätzung im Mai. Wir haben die verdammte Pflicht und Schuldigkeit, bei unseren Haushaltsansätzen jeweils die letzte Steuerschätzung zu berücksichtigen. Genauso werden wir es auch in diesem Jahr halten.
Meine Damen und Herren, wir können doch jetzt noch nicht die Entlastungen im Haushalt - niedrige Zinsen und andere Entlastungsfaktoren -, die sicherlich eintreten werden, quantifizieren. Das kann man wirklich nicht mit gutem Gewissen tun.
Die Haushaltssperre nach § 41 der Bundeshaushaltsordnung ist ein flexibles und angemessenes Instrument, um die Haushaltsdisziplin und die Sparsamkeit im Haushaltsvollzug weiter zu verstärken, ohne die konjunkturelle Entwicklung zu beeinträchtigen. Ich habe daher veranlaßt, in den obersten Bundesbehörden das nach dem Haushaltsrecht notwendige „Benehmen über eine maßnahmenbezogene Haushaltssperre" auch in diesem Jahr herzustellen.
Damit bricht Ihre gemeine Unterstellung, wir würden so etwas erst nach dem 24. März in Betracht ziehen, in sich zusammen.
Sie sollten so anständig sein, diese Unterstellung sofort zurückzunehmen. Das erfordert das Minimum an europäischer Anständigkeit.
Danach - lassen Sie mich das jetzt ausführen - bedürfen ab dem 15. März 1996 Beträge über 500 000 DM bei den sächlichen Verwaltungsausgaben, über 1 Million DM bei den Zuweisungen und Zuschüssen sowie über 5 Millionen DM bei Beschaffungen und Investitionen meiner Einwilligung.
Bundesminister Dr. Theodor Walgel
- Der Kollege Diller hat ein kräftiges „Aha" gerufen. Haben Sie das gehört? Das ist ein toller Bursche!
Gleiches gilt für das Eingehen von Verpflichtungen, wenn sie mit mehr als 1 Million DM im Jahr 1997 kassenwirksam werden.
Wir werden von der Sperre differenziert, aber im notwendigen Umfang Gebrauch machen. Wirklich vordringliche Investitionen werden nicht behindert werden. Es bleibt aber Ziel der Sperre, in bestimmten Bereichen weniger auszugeben, als das Parlament bewilligt hat.
Auch 1997 muß beim Bund, aber auch bei den Ländern und Kommunen, entschlossen gespart werden. Die strikte Anwendung des Haushaltsmoratoriums, der Verzicht auf neue Leistungsgesetze und die längst fällige Umsetzung der bereits beschlossenen Entlastungsmaßnahmen sind unverzichtbar, reichen aber allein nicht aus. Darum ist es notwendig, mit Bund, Ländern, Kommunen und den sozialen Sicherungssystemen einen nationalen Stabilitätspakt abzuschließen. Dem dienen unsere Einsparungen und restriktiven Haushaltspolitiken in der Europäischen Union, wo wir genauso verfahren wie im nationalen Bereich.
Auf die Sparvorschläge der SPD bin ich allerdings noch gespannt.
Hier wird eine Wahlkampfposse aufgeführt; es wird unerträgliche Demagogie begangen.
Sie, Herr Scharping, vergleichen mich in dem Zusammenhang mit Herrn Hennemann. Das ist doch Ihr Genosse und nicht mein Genosse.
Bei Ihnen, lieber Herr Scharping, ist er letzte oder vorletzte Woche noch zum Delegierten gewählt worden. Es ist eine Unverschämtheit, uns das als Haushaltsgebaren anzurechnen, wenn sich der eigene Genosse so benimmt. Überall, wo Genossen in den Spitzen arbeiten, war es leider nicht besser.
Ein Letztes, meine Damen und Herren. Im „Hamburger Abendblatt" -
- hören Sie gut zu; es betrifft eine Freundin von Ihnen, nämlich die schleswig-holsteinische Ministerpräsidentin - stand am 12. März 1996, daß ein 200 Millionen DM großes Haushaltsloch in Schleswig-Holstein drohe. Jetzt kommt es - hoch interessant -: Ein Sprecher des Finanzministeriums in Kiel verwies in der Zeitung darauf, daß mit der neuen regionalisierten Steuerschätzung erst im Mai zu rechnen sei und daß man sich an Spekulationen nicht beteiligen werde.
Meine Damen und Herren, hier ein Theater aufführen und in Schleswig-Holstein sagen, man beteilige sich nicht an Spekulationen und warte auf die neue Steuerschätzung, das entlarvt den Theaterdonner, den Sie hier wöchentlich aufführen wollen.
Sie führen hier niemand anderen vor als sich selbst.
Vielen Dank.
Als nächster der Kollege Oswald Metzger.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die jetzt vom Bundesfinanzminister verkündete Haushaltssperre und die Behauptung, dadurch, daß sie bereits ab 15. März gelte, werde der Vorwurf der Opposition gegenstandslos, man plane für die Zeit nach den Wahlen und wolle der Bevölkerung vor den Landtagswahlen unangenehme Wahrheiten nicht sagen, entlarven sich doch selbst.
Die Opposition in diesem Parlament hat die Strategie der Regierung unterlaufen. Dies konnte deswegen passieren, weil ein geschwätziger Staatssekretär Hauser am Sonntag vorschnell gegenüber „dpa" eine Mitteilung herausgegeben hat, die ein Dementi aus dem Finanzministerium unmöglich machte. Wie man hört, hat der Finanzminister diesen Staatssekretär auch gehörig „in den Senkel gestellt" .
Was wir heute hören, ist trotz allem natürlich ein Stück weit Wahlkampfgetöse. Alle hier im Haus wissen doch genau, daß wir, was die öffentlichen Haushalte anlangt, und zwar Bund wie Länder, nicht mit dem Rücken zur Wand stehen, sondern buchstäblich mit dem Rücken in der Wand.
Was bringt denn die Haushaltssperre, die Sie jetzt verkünden und die bedeutet, daß der Finanzminister auf den Haushaltsvollzug Einfluß nimmt? Wenn man rigide auch an den investiven Bereich herangeht und
Oswald Metzger
Investitionen kappt, bedeutet das in Teilbereichen immer, daß der Staat eine Verschärfung auf dem Arbeitsmarkt auslöst. Hier gibt es einen klassischen Zielkonflikt.
Ein anderer Zielkonflikt ist, daß Sie dann, wenn Sie auf Defizitfinanzierung, also auf eine Erhöhung der Neuverschuldung, hinauswollen, mit den Maastricht-Kriterien in bezug auf die Defizitquote kollidieren. Die Drei-Prozent-Quote werden Sie in diesem Jahr ja ohnehin nicht einhalten können. Also bleibt als Ausweg nach den Wahlen bitte schön nur eine Mehrwertsteuererhöhung, die man dann unter dem Strich als nationalen Solidaritätspakt verkauft. Oder hat dieses Parlament und haben die Parteien den Mut, tatsächlich Diskussionen darüber zu führen - ich nenne einmal die Stichworte Haushaltsbegleitgesetz, Haushaltssicherungsgesetz -, wie man die Kosten sozial gerecht auf die Bevölkerung verteilen kann?
Wir alle müßten doch ehrlich sein - ich bin vielleicht vom Wahlkampf in Baden-Württemberg geprägt; ich habe zur Zeit viel mit normalen Bürgern zu tun - und sagen: Der Normalbürger weiß doch ganz genau, daß die öffentlichen Haushalte nicht so weiter wirtschaften können. Der Bürger hat sich darauf eingestellt, daß wir in den nächsten Jahren in unserer Gesellschaft eher einen Wohlstandsabbau organisieren müssen, aber bitte schön sozial gerecht.
Vor diesem Hintergrund ist viel eher als psychologisches Moment auf die Tagesordnung zu setzen, einmal im Rahmen einer Steuerreform das Einkommensteuerrecht zu vereinfachen und es dadurch gerechter zu gestalten, daß man die Menschen in unserem Land, die mehr Lasten schultern können, auch tatsächlich zur Finanzierung der Lasten heranzieht und keine Sparpolitik mit dem Rasenmäher macht, indem man den Durchschnittsbürger schröpft und die Opfer der jetzigen Arbeitsmarktpolitik durch die Kürzung der Arbeitslosenhilfe und der Sozialhilfe abstraft.
Wir brauchen außerdem eine Diskussion im Bereich der Lohnnebenkosten.
Wir Grünen sagen: Man kann sich gerade in Krisenzeiten nicht von dem Konzept einer Ökosteuer verabschieden. Wir brauchen eine Steuer, die eine ökologische Lenkungswirkung hat, die aufkommensneutral ist und mit der somit versucht wird, das Aufkommen zielgerichtet in die Senkung der Lohnnebenkosten zu stecken. Davon erhoffen wir uns einen Push für die Zukunft.
Weiterhin muß der Staat natürlich versuchen, im eigenen Bereich zu sparen, und zwar nicht nur tagespolitisch auf ein Haushaltsjahr bezogen, sondern bitte schön strategisch vernünftig. Es gibt beispielsweise, was den Berlin-Umzug betrifft, eine Herkulesaufgabe für dieses Parlament, nämlich darauf zu achten, daß hier strategische Weichen richtig gestellt werden, daß uns die Personalkosten nicht aus dem Ruder laufen, weil es auf Dauer außerordentlich problematisch ist, zwei Standorte, Bonn und Berlin, zu finanzieren. Es darf nicht passieren, daß Baumaßnahmen so enden wie beim Bundeskanzleramt, dessen Kosten von 400 Millionen auf 600 Millionen DM explodiert sind. Wir müssen uns insgesamt, auch in unserem eigenen Verantwortungsbereich, angewöhnen, ein wenig kleinere Brötchen zu backen.
Das wäre reell und vernünftig. Das sage ich auch bewußt für unsere Fraktion in einer Debatte, eineinhalb Wochen vor einer Landtagswahl.
Vielen Dank.
Als nächster spricht der Kollege Dr. Wolfgang Weng.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir wußten schon beim Abschluß der Beratungen zum Haushalt 1996, daß, wie schon 1995, der Haushaltsvollzug nicht einfach sein würde.
Die Einnahmen beruhen auf Schätzungen. Natürlich sind solche Schätzungen von der Wirtschafts-, von der Arbeitsmarktentwicklung abhängig.
Die Privatisierungsvorhaben der Koalition werden für das laufende Jahr noch große Anstrengungen erfordern. Der Haushalt aber - das ist vielleicht gerade in einer hektischen Debatte wie heute wichtig zu sagen - stellt eine Ausgabenermächtigung für die Bundesregierung dar und nicht eine Ausgabenverpflichtung.
Jede Bundesregierung und jeder Finanzminister ist gerade in der gegebenen Situation gut beraten, wenn zu erwartende oder mögliche Veränderungen mit den zur Verfügung stehenden Instrumenten flankiert werden. Der Finanzminister hat gerade gesagt, daß er eines dieser Instrumente einsetzen will. Im Klartext: Wenn es sich zeigt, daß die Einnahmeentwicklung hinter den Erwartungen zurückbleibt, dann muß im Haushaltsvollzug gespart werden.
Zusätzlich, meine Damen und Herren: Wenn es sich zeigt, daß größere Ausgaben unabwendbar auf den Haushalt zukommen, dann heißt das um so mehr, es muß gespart werden.
Was wäre denn die Alternative? Höhere Schulden, wie sie von der SPD ins Gespräch gebracht worden sind? Das kann sicher nicht das Ziel einer Koalition sein, die haushaltspolitische Solidität und Konsolidierung zum Schwerpunkt ihrer Politik gemacht hat.
Dr. Wolfgang Weng
Wir lassen uns, Herr Kollege Scharping, nicht vom richtigen Weg abbringen, auch wenn dieser richtige Weg steinig und schwer ist.
Das Rollenspiel der SPD ist unredlich. Es ist zu verurteilen.
Der Finanzminister hat darauf hingewiesen. Die SPD hat im Bundesrat Spargesetze, die der Deutsche Bundestag beschlossen hat, in einem Volumen von rund 3 Milliarden DM angehalten.
Öffentliche Äußerungen der SPD sagen in ganz bewährter, aber populistischer Manier, man werde
Rückführung staatlicher Leistungen nicht hinnehmen. Überall sagen Sie, mit Ihnen gäbe es keinen Abbau öffentlicher Zahlungen, und gleichzeitig machen Sie einen doppelzüngigen Ruf nach mehr Sparsamkeit.
- Sie, Frau Matthäus-Maier, gerade Sie.
Beim Abschluß des Haushalts 1995 konnte der Bund Mindereinnahmen von über 16 Milliarden DM so verkraften, daß die Nettokreditaufnahme nicht wesentlich verändert werden mußte. Das zeigt, daß im Laufe eines Haushaltsjahres im Vollzug durchaus Entwicklungen aufgefangen werden können. Das heißt auch, daß im Moment zu Hektik überhaupt kein Anlaß besteht.
Meine Damen und Herren, daß die Opposition kurz vor Wahlen Unsicherheit schürt, dabei natürlich ausweislich der Äußerungen der Kollegin MatthäusMaier jeden eigenen Vorschlag schuldig bleibt, dies ist ein gewohntes Bild. Wahrscheinlich wären allerdings auch Kollegen aus dem Finanzministerium gut beraten gewesen, nicht außerhalb der üblichen Zeitpläne öffentlich über Steuermindereinnahmen zu diskutieren.
Ziel der Politik der Koalition ist, die Voraussetzungen hierfür im Laufe des Jahres noch zu verbessern.
- Sie haben, Herr Kollege Kuhlwein, überhaupt keinen Grund zum Lachen. Vielmehr müßten Sie sehr ernst darüber nachdenken, ob Sie sich an solch einer Verbesserung nicht beteiligen.
Wenn die SPD nämlich unseren Spargesetzen zustimmt, dann ist ein wichtiger Teil der Sicherung des Etats 1996 erreicht. Wenn die SPD das Aktionsprogramm der Koalition für Investitionen und Arbeitsplätze nicht behindert, dann wird das prognostizierte Wirtschaftswachstum erreicht, dann kann es sogar verbessert werden.
Wir können damit positive Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt erreichen. Das hält dann den Bundeszuschuß für die Arbeitslosenversicherung in Grenzen. Aber was betreibt die SPD? Eine Kampagne für Steuer- und Abgabenerhöhungen zu Zeiten, wo die Bürger die Grenzen ihrer Belastbarkeit längst überschritten sehen.
Man soll, meine Damen und Herren, in der Politik wirklich nicht übertrieben spekulieren. Aber wenn die Entwicklung tatsächlich negativ verlaufen sollte, können Sie sicher sein, daß sich die Koalition dieser Situation auch im weiteren Verlauf des Haushaltsjahres stellen wird.
Vorsichtige und sparsame Ausgabenpolitik ist jedenfalls das richtige Signal - wir werden den Finanzminister darin unterstützen -, vor allem dann, wenn - Sie haben es angedeutet, Herr Waigel - staatlicher Konsum betroffen ist und Investitionen möglichst ungeschoren bleiben.
Die Opposition wird sich beim Subventionsabbau neuen Auseinandersetzungen stellen müssen. Daß die Verantwortlichen des Subventionsmißbrauchs bei den Werften - Stichwort Vulkan - das SPD-Parteibuch in der Tasche haben, muß doch auch dem Bundeshaushalt verpflichtete Sozialdemokraten im Deutschen Bundestag nachdenklich stimmen.
Meine Damen und Herren, bei Vorliegen konkreter Zahlen, bei Vorliegen der neuen Steuerschätzung ebenso wie der gesicherten Arbeitsmarktdaten, wird die Koalition entsprechend ihrer politischen Zielgebung handeln: keine Ausweitung der Verschuldung, sparsame Ausgabenpolitik - vor allem beim staatlichen Konsum - und eine konsequente Privatisierung, verbunden mit einer Arbeitsplätze schaffenden Standortpolitik. So werden wir die Probleme lösen.
Vielen Dank.
Als nächste die Kollegin Dr. Christa Luft.
Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wer kann sich eigentlich ahnungslos geben und so tun, als käme das heutige Thema völlig überraschend zur Sprache, aus Wahlkampfgründen oder nur, weil sich jemand verplaudert habe?
Es war doch nur eine Frage der Zeit, wann der Finanzminister die Katze aus dem Sack lassen muß, wann er den Offenbarungseid für seine verfehlte Politik leisten muß. Diesmal kann er das nicht auf die deutsche Einheit und auf die marode DDR, die dazugekommen ist, schieben.
Die Oppositionsparteien haben an dieser Stelle bei der Hals-über-Kopf-Verabschiebung des Haushaltes 1996 mit Fakten, mit Argumenten, aber eben leider vergeblich davor gewarnt, daß eine Mehrheit in die-
Dr. Christa Luft
sem Hause bereit sein würde, „Makulatur" - so hatte ich in meiner Rede gesagt - zu beschließen.
Der Bundesetat lebte von Anfang an vom Prinzip Hoffnung. Mit dem Schicksalsbuch eines Gemeinwesens, das 80 Millionen Menschen umfaßt, wurde Schindluder getrieben. Der Finanzminister aber strotzte und strotzt immer noch vor Selbstbewußtsein, obwohl schon damals die Löcher im Haushalt nur so klafften und die Risiken unübersehbar waren.
Großes war dem Kassenleiter unseres Landes angeblich gelungen: Der Trend zu steigenden Ausgaben und Schulden sollte gebrochen worden sein. Nun, so denke ich, hat die Glaubwürdigkeit der Politik dieser Regierung eine weitere Schlappe erlitten.
Was an Problemen ist denn gegenüber Oktober/ November vergangenen Jahres eigentlich wirklich neu? - Ich kann da nichts erkennen. Die grassierende Pleitewelle ist doch kein Ergebnis des langen Winters; das ganze Jahr 1995 über zeichneten sich schon Rekordmarken und ein ständiger Aufwärtstrend ab. Die Folgen für den Arbeitsmarkt und für die Steuereinnahmen waren abzusehen. Die schlappe Inlandsnachfrage ist doch ebenfalls kein Ergebnis der Situation im Januar und Februar 1996. Auch dieser Trend war im gesamten Jahr 1995 erkennbar. Da lohnt es auch nicht, auf die Exportzahlen zu verweisen.
Nicht erst jüngst, sondern seit Monaten korrigiert die Industrie ihre Konjunkturerwartungen nach unten. Die Investitionsdynamik, vor allen Dingen in den neuen Bundesländern, ist ins Stocken gekommen - alles, und man könnte noch weitere hundert Dinge aufzählen, keine Über-Nacht-Erscheinungen.
Daß das Wirtschaftswachstum 1995 weit unter den Wunschwerten der Regierung bleiben würde, ist auch nicht erst nach der Haushaltsbestätigung deutlich geworden. Der Wirtschaftsminister aber geht durch das Land und philosophiert, daß es sich bei den gegenwärtigen Problemen nicht um eine Rezession, sondern nur um eine Wachstumsschwäche handele. Herr Roth, der Haushaltsobmann der CDU/ CSU-Fraktion, meinte in einem Artikel, es gebe ein Konjunktur-, aber eben kein Haushaltsproblem.
Ich frage Sie, meine Damen und Herren: Was soll dieser semantische Aberglaube? Was haben Bürgerinnen und Bürger in diesem Lande von solchen Haarspaltereien, wenn sie bereits arbeitslos sind oder wenn sie von den zu erwartenden Ausgabensperren - mit all den Kettenwirkungen, die entstehen - betroffen sein werden?
Was soll ein haushaltstechnischer Streit mit diesem Finanzminister, der die Staatsfinanzen an den Baum gefahren hat, bringen? Sicherlich kann man auf die neue Steuerschätzung hoffen, und ein Nachtragshaushalt ist zweifelsohne notwendig. Aber die eigentlichen Probleme löst man damit nicht.
Statt stupide Haushaltssanierung durch Kaputtsparen und Ausgabenkürzungen bei Sozialleistungen und öffentlichen Investitionen zu betreiben, sind endlich energische Anstrengungen zur Einnahmenverbesserung notwendig. Dabei denke ich überhaupt nicht an eine Mehrwertsteuererhöhung, die wahrscheinlich der Regierung vorschwebt.
Leiten Sie endlich Maßnahmen gegen die Steuerhinterziehung ein, und wiegeln Sie nicht länger das Problem der Steuerflucht ab, wie Sie es erst im Februar dieses Jahres in einer Antwort auf eine Kleine Anfrage der PDS getan haben! Sorgen Sie für eine regelmäßige Bilanzprüfung von Unternehmen aller Größenklassen und für die Einstellung einer entsprechenden Zahl von Finanzbeamten!
Ziehen Sie zur Finanzierung öffentlicher Ausgaben einen Teil der Gewinne heran, die von Banken, Handelsketten und durch Vermögensübertragungen im Vereinigungsprozeß erzielt worden sind!
Besteuern Sie wirksam Gewinne aus spekulativen Immobilien- und Wertpapiergeschäften! Reformieren Sie das Beamtenrecht einschließlich der Pensionen! Wie jüngst einer Pressemitteilung zu entnehmen war, schreit auch die Versorgung ausgeschiedener Minister und Staatssekretäre nach einer Reform.
Vor allem: Geben Sie endlich Ihre Lethargie in bezug auf ein „Bündnis für Arbeit" auf! Sehen Sie nicht länger tatenlos zu, wie für Millionen von Menschen der Alltag inzwischen zu einem Tanz auf dem Seil geworden ist! Jeden Moment drohen weitere Zehntausende abzustürzen.
Wenn Sie bei diesen und vielen anderen Themen so fix wären, wie Sie im vergangenen und in diesem Jahr bei der Reform, sprich: Kürzung der Sozial- und der Arbeitslosenhilfe gewesen sind, dann könnte noch 1996 und vor allem 1997 allerhand an Milliardenbeträgen zusätzlich in diesen Bundeshaushalt eingebracht werden. Dann würden die Staatsfinanzen von Grund auf saniert werden können.
Danke schön.
Es spricht jetzt der Kollege Adolf Roth.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! CDU und CSU unterstützen die heute getroffene Entscheidung des Bundesfinanzministers zu strenger Haushaltsführung und zu strikter Ausgabenkontrolle.
Wir setzen damit ein frühes und deutliches Signal, wir gehen finanzpolitischen Schwierigkeiten nicht aus dem Weg. Wir handeln, wir flüchten nicht in Auswege und sorgen weiter für die Sicherheit unserer Staatsfinanzen, weil das die Voraussetzung zur Ge-
Adolf Roth
sundung unserer Konjunktur ist. Das ist unser Ziel für 1996.
Verehrte Kollegin Matthäus-Maier, Sie haben ein kurzes Gedächtnis. Im letzten Jahr war die Situation in der Haushaltsführung um keinen Deut leichter. Wir hatten auch 1995 Steuerausfälle in Höhe von über 14 Milliarden DM. Dennoch kam es am Ende zu einem sauberen Haushaltsabschluß ohne signifikante Überschreitung und ohne Überziehung der Kreditlinie. Wir haben 1,4 Prozent weniger ausgegeben als im Vorjahr. Ich frage Sie: Welchen Finanzminister der SPD können Sie benennen, der schon einmal in einem Jahr weniger ausgegeben hat als im Jahr zuvor?
Das ist die Politik dieser Koalition und dieser Bundesregierung.
Wir haben damit 13 Milliarden Mark eingespart. Wir haben sogar die Kreditaufnahme um 20 Milliarden Mark gegenüber der Veranschlagung vor der Bundestagswahl zurückgeführt. Das SPD-Krisenszenario 1994/95, Ihr Kartenhaus, ist zusammengebrochen. Ihre Krisenszenarien werden auch in diesem Jahr zusammenbrechen; denn Sie haben überhaupt keine Alternative. Wo sind Ihre Vorschläge zur Gesundung dieser Situation?
Wir gehen 1996 den gleichen Weg weiter. Frau Kollegin Matthäus-Maier, ich sage es noch einmal: Kassandra wird nicht gewählt.
Glauben Sie doch nicht im Ernst, den Bürgern wäre es wohler ums Herz oder um ihren Geldbeutel bei der Aussicht, das Dreigestirn Lafontaine, Fischer und womöglich Gysi würde in Deutschland die Kontrolle über die Staatsfinanzen in die Hand bekommen!
Im Mai findet die Steuerschätzung statt. Daran wird die SPD über die Bundesländer beteiligt sein. Wir müssen dann gemeinsam vor der Sommerpause die notwendigen Entscheidungen zum nationalen Stabilitätspakt treffen. Wir müssen Klarheit über die steuerlichen Reformmaßnahmen schaffen, und wir müssen die Finanzbeziehungen zwischen dem Bund und den Ländern nachjustieren. Das wissen Sie ganz genau.
Sie wissen auch - das ist schon gestern in der Arbeitsgruppe des Bundes und der Länder angeklungen -, daß wir ein soziales Konsolidierungspaket beschließen müssen. Es ist die Grundlage für einen stabilen Gesamthaushalt 1997. Dann kommt auch die
SPD zum Schwur, Herr Scharping; denn Sie können nicht länger Ihrer gesamtstaatlichen Verantwortung ausweichen. Die SPD muß endlich begreifen, daß vordergründige verteilungspolitische Agitation hier nicht weiterhilft.
Auch die Tarifvertragsparteien werden auf ihre Schlüsselrolle angesprochen werden müssen. Denn auch von den Tarifabschlüssen 1996 hängt sehr viel ab. Fallen sie zu hoch aus, werden die Arbeitslosigkeit und die Belastungen der öffentlichen Haushalte mit den Folgekosten von Arbeitslosigkeit weiter zunehmen.
Was wir jetzt nicht brauchen können, sind die Zahlenbeschwörungen der SPD und ihre elende Krisenhuberei.
Damit haben die Bürger nichts mehr am Hut.
Wir haben eine Offensive für Arbeitsplätze eingeleitet.
Wir haben das Aktionsprogramm für Wachstum und Beschäftigung. Genau das sind die zielgerichteten Antworten für eine Gesundung der Wachstumsschwäche und zur Überwindung der schleppenden Arbeitsmarktentwicklung.
Dieses Programm muß jetzt ohne Wenn und Aber zügig Punkt für Punkt umgesetzt werden. Dazu sind wir bereit.
Jeder Prozentpunkt Wachstum bringt dem Staat 9 Milliarden DM mehr Steuern in die Kassen. Jeder Zuwachs an Beschäftigung senkt die Belastung der Sozialkassen.
Was wir brauchen, sind niedrigere Steuern und Abgaben und erfolgreiche Existenzgründer. Wir brauchen ein Klima der Ermutigung, Herr Scharping; dazu haben Sie noch nicht beigetragen.
Deshalb ist das Signal von Theo Waigel logisch und zielgerichtet. Was wir nicht brauchen, ist ein Nachtragshaushalt. Der ist völlig überflüssig.
Wir brauchen auch keine Steuererhöhungen. Was
wir brauchen - das ist populäre Politik -, ist öffentli-
Adolf Roth
che Sparsamkeit. Dafür geben wir ein Beispiel. Diese Politik unterstützen wir.
Das Wort hat jetzt der Kollege Karl Diller.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn Theo Waigel am Ende seines Lateins ist, wird er ausfallend. Seine heutige Rede ist ein klarer Beweis dafür.
Seine heute angekündigte Haushaltssperre ist nämlich nichts anderes als hektischer Aktionismus, mit dem die grundlegenden Probleme des Haushalts 1996 nicht gelöst, sondern nur verschleiert werden.
Die Haushaltssperre ist nicht die Lösung, sondern der Beweis für sein finanzpolitisches Chaos.
Deshalb sind Sie, Herr Waigel, vorhin so ausfallend geworden.
Theo Waigel und seriöse Finanzplanung - das ist ein Widerspruch in sich geworden.
Im September des letzten Jahres hat er gesagt: Der Karl Diller redet wieder nur von den Haushaltslöchern, die angeblich im 1996er Haushaltsentwurf steckten.
Vier Wochen später sind Sie ertappt worden, daß Sie dem Plenum nicht die Wahrheit gesagt hatten: Sie mußten im Oktober ein 20-Milliarden-DM-Loch eingestehen.
Das haben Sie mit dem Waigel-Wisch zuzukleistern versucht. Wir alle erinnern uns noch. Wieder hieß es: Alles im Griff.
Im Januar haben Sie ein neues Haushaltsloch von 10 Milliarden DM eingeräumt. Der Kollege Roth hat es letzte Woche auf 14 Milliarden DM beziffert. Jetzt kommt Ihre Haushaltssperre, und wieder tönt es: Alles im Griff. Nichts haben Sie im Griff, Herr Waigel! Das ist der Punkt.
Denn selbst die eingestandenen 14 Milliarden DM sind nur die halbe Wahrheit.
14 Milliarden DM ergeben sich nämlich allein aus der Anpassung nach dem Jahreswirtschaftsbericht vom Januar. Dieser ist bekanntlich leider Gottes wieder zu optimistisch. Realistisch, sagen Institute, sei eher eine schwarze Null für die Steigerung des Bruttoinlandsprodukts 1996. Dann kämen aber weiter 5 Milliarden DM an Steuermindereinnahmen und Mehraufwendungen für die Bundesanstalt für Arbeit auf uns zu. Ich erinnere daran, daß beispielsweise die Ausgaben für den Währungsausgleich Landwirtschaft im Kostenansatz nicht enthalten sind.
Wie sich fünf Monate nach Verabschiedung des Haushalts zeigt, sind von den veranschlagten Privatisierungseinnahmen in Höhe von 9 Milliarden DM allenfalls 5 Milliarden DM erzielbar, und auch das ist optimistisch.
Sie haben heute ein klares Problem von bis zu 25 Milliarden DM. Die Haushaltssperre gibt keine Antwort darauf, wie Sie das Loch schließen wollen: durch Sozialabbau, durch Steuererhöhungen oder durch Erhöhung der Verschuldung oder durch alles zusammen. Das ist die Frage, die Sie den Bürgerinnen und Bürgern dieses Landes beantworten müssen. Allein der Wahltermin am 24. März bestimmt Ihre Verweigerungstaktik. Wie sonst wäre es denn zu erklären, daß Sie vor drei Jahren, am 26. Februar
1993, angesichts eines damals erkennbaren Haushaltsrisikos von 15 Milliarden DM einen Nachtragshaushalt dem Deutschen Bundestag zuleiteten? Wenn Sie damals im Februar in der Lage waren, die Ansätze für Steuern, Arbeitsmarktpolitik usw. neu zu schätzen: Wieso sind Sie heute dazu nicht in der Lage, meine Damen und Herren?
Die Antwort kann nur sein: Weil die Wahlen vor der Tür stehen. Sie wollen die Wählerinnen und Wähler wieder betrügen. Das ist Ihre Absicht.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
„Was bringt sie denn?" , sagte er: „Wir haben null Ahnung, was sie bringen kann. "
Er hat gar keine Vorstellung, was sie bringen kann.
1994 verhängten Sie eine Haushaltssperre, die 270 Milliarden DM betraf und am Schluß nur 5 Milliarden DM erwirtschaftete.
Im letzten Jahr waren es 1,7 Milliarden DM. Wie
fragwürdig Ihre Haushaltssperre ist, zeigte sich im
Karl Diller
übrigen in der heutigen Sitzung des Haushaltsausschusses. Nachher sollen wir zusätzliche Beschaffungen im Bereich der Bundeswehr beschließen, die weit über das hinausgehen, was im Haushalt steht.
Sie geben schon wieder Geld aus, das Sie nicht haben, Herr Waigel.
Ein Schlag ins Gesicht der Arbeitslosen, eine volle Breitseite gegen das „Bündnis für Arbeit" ist die Ausdehnung der Sperre auf Maßmaßnahmen und sonstige Investitionen. Ein Investitionsvolumen von 66 Milliarden DM ist tangiert. Das letzte, was wir an der Schwelle zur Rezession noch brauchen können, ist ein Signal des Bundesfinanzministers, den konjunkturellen Steuermindereinnahmen mit Investitionskürzungen hinterherzulaufen. Das geht doch aus wie das Rennen zwischen Hase und Igel: Der Konjunkturabschwung ist immer schon eine Runde weiter. Eine schlichte Unverschämtheit ist es, wenn sich die Koalition in der letzten Woche hier hinstellt und ausgerechnet die Länder ermahnt, ihre Investitionen im Interesse der Konjunktur nicht zu kürzen, und heute verkünden Sie die gleiche Absicht. Das ist doch unglaublich.
Ihre Politik verunsichert die Menschen wie die Wirtschaft. Sie gefährdet Wirtschaft und Arbeitsplätze.
Herr Diller, Ihre Redezeit ist zu Ende.
Schaffen Sie endlich Klarheit! Legen Sie einen Nachtragshaushalt vor!
Als nächster spricht Kollege Dietrich Austermann.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Kollege Diller ist jetzt, glaube ich, in der dritten Wahlperiode im Bundestag. Aber ich kann mich nicht erinnern, daß er ein einziges Mal eine Prognose von sich gegeben hat, die hinterher gestimmt hat.
Das wird mit den Zahlen der SPD auch diesmal so sein.
Sieht man sich die Situation in den Bundesländern an - erlauben Sie mir dieses Bild; ich bitte, es nicht persönlich zu nehmen -, so zeigt sich: Der Pleitegeier trägt ein rotes Gefieder.
Ich spreche von Zeitungsmeldungen der letzten drei Tage. Herr Eichel erklärt, er müsse eine Haushaltssperre von 3 Milliarden DM verhängen. Ich rechne das einmal auf die Situation des Bundes hoch. In Nordrhein-Westfalen, so liest der staunende Bürger, gibt es noch nicht einmal einen Haushalt für das Jahr 1996. Kann das denn sein? Die Grünen, Teil der Regierung, erklären, sie wüßten noch nicht, ob sie dem Haushalt zustimmen wollten. So handelt Hans Eichel, der Pleitegeier. Sie können auch andere nehmen, Frau Matthäus-Maier. Es ist genau die gleiche Situation.
Halten wir uns an die Fakten. Ich habe mich heute einmal bemüht, den zuständigen Präsidenten der Oberfinanzdirektion in Kiel zu fragen: Was kannst du mir über die Entwicklung der Steuereinnahmen im Land Schleswig-Holstein sagen? Dann sagt er: Ich habe die Prognose des Monats Januar vorliegen, mehr kann ich nicht sagen.
Darüber hinaus gibt es bei der Bundesanstalt für Arbeit Zahlen, die etwas aussagen über die Auswirkungen des tatsächlich etwas länger als jemals zuvor dauernden Winters und der Kälte, die natürlich Folgen für die Bauwirtschaft mit sich bringt. Es gibt keine konkreten Fakten. Es gibt keinen Anlaß, heute in Konjunktur- und Haushaltspessimismus zu verfallen, es sei denn, man kommt aus bestimmten Bundesländern und sieht sich die dortigen Finanzminister oder Finanzministerinnen an.
Vor dem Hintergrund der letzten Tage gibt es allerdings eine ganze Reihe von positiven Prognosen. Das RWI sagt wörtlich: Es besteht kein Anlaß zu Konjunkturpessimismus. Das Institut geht auch noch in diesem Jahr von einem zweiprozentigen Wachstum aus. Das Kieler Institut für Weltwirtschaft und andere machen ähnlich positive Prognosen. Wenn Sie sich die Situation im Exportbereich, bei der Dollarkursentwicklung - es gab ja einmal ein Dolores-Programm - und andere Daten ansehen, meine ich, daß es völlig unzutreffend ist, heute durch diese Debatte den Versuch zu unternehmen, die Bürger zu verunsichern und den Eindruck zu vermitteln, die Bundesregierung habe das Heft nicht in der Hand. Wir haben es in der Tat in der Hand und werden die Entscheidung treffen.
Wie hätten Sie denn geurteilt, wenn der Finanzminister heute etwas anderes gesagt hätte, als er gesagt hat? Er hat darauf verwiesen, was der schleswig-holsteinische Landesfinanzminister gesagt hat: Zu Spekulationen besteht kein Anlaß.
Man wird sich auf die Steuerschätzung des Monats Mai zurückziehen und heute keine Erklärung dazu abgeben.
Uns werfen Sie ein ähnliches Handeln vor. Sie aber kommen hier vorne an das Rednerpult und geben überhaupt keine einzige konkrete Angabe über Vorstellungen, über Alternativen seitens der SPD von
Dietrich Austermann
sich. Der Zeitung „Welt am Sonntag" vom letzten Wochenende kann man entnehmen, wie Sie es handhaben und über die Notwendigkeit sprechen, tatsächlich Maßnahmen vorzunehmen und im sozialen Netz Veränderungen einzuleiten. Da heißt es unter der Überschrift „Nach den Wahlen Tacheles reden":
In der SPD gerät Sozialexperte Rudolf Dreßler unter Druck.
In diesem Artikel werden die Haushaltspolitiker - der Kollege Wieczorek, Kollege Purps und andere - in der Hinsicht zitiert, daß es so mit dem Schlendrian in unserer Fraktion - gemeint ist die Fraktion der SPD - nicht weitergeht.
„Nach den Wahlen Tacheles reden" - und dann kommen die SPD-Politiker hierher und werfen uns vor, wir würden Zahlen verheimlichen und verschleiern. Nein, wir verlassen uns auf Schätzungen von anerkannten Gutachtern.
Wir werden die Daten einsetzen und zugrunde legen, die wir bisher hatten.
Es gibt aus der Vergangenheit keine einzige Prognose, über die man sagen müßte: Es hat sich am Ende des Jahres etwas zum Schlechteren verändert. Wir machen das Geschäft seit 13 Jahren, jetzt im 14. Jahr. Sie können nicht ein einziges Jahr benennen, in dem wir am Ende schlechter dastanden als am Anfang. Diese Politik ist in der Tat die Voraussetzung für mehr Beschäftigung, für eine bessere Situation auf dem Arbeitsmarkt.
Wenn es tatsächlich darum geht, Entscheidungen zu treffen, dann kann man es nicht so machen, wie der Kollege Metzger, der sagt: Er hat im Wahlkampf zum erstenmal in seinem Leben mit Bürgern gesprochen.
Man kann nicht nur über bestimmte Dinge reden. Es geht vielmehr darum, Entscheidungen zu treffen. Die Entscheidungen liegen auf dem Tisch. Sie liegen im Bundesrat auf dem Tisch; sie liegen hier im Parlament auf dem Tisch. Jedesmal, wenn es um Entscheidungen geht, dann kneifen Sie, ziehen den Schwanz ein und sagen hinterher: Wir müssen uns das ansehen. Dann kritisieren Sie, es dauere alles viel zu lange, und fragen, wann die Regierung endlich Entscheidungen treffen wolle.
Wir haben mit dem 50-Punkte-Programm eine konkrete Vorlage gemacht. Die Antwort dazu steht aus. Ich sage das ganz klar - damit keine Meinungsunterschiede entstehen -: Das, was im Bereich der aktiven Arbeitsmarktpolitik bisher geleistet worden ist, ist mehr als vernünftig. Dies haben uns Vertreter der Arbeitgeber in den Selbstverwaltungsgremien der Bundesanstalt für Arbeit gesagt. Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, ein zweiter Arbeitsmarkt lösen die Probleme nicht. Jede Mark, die wir zusätzlich für Forschung ausgeben, können wir bei Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen sparen.
Sehen Sie sich die Situation - ich nenne nur ein Beispiel und will damit schließen - -
Herr Austermann, Ihre Redezeit ist vorbei. Es reicht nicht mehr für dieses Beispiel.
Letzter Satz, Frau Präsidentin. Es gibt seit drei Jahren keine Einigung der vier norddeutschen Küstenländer
über die Finanzierung des kümmerlichen Landesanteils in einem Forschungsinstitut des Bundes. Sie kommen hierher und sagen: Wir setzen die falschen Weichen. Ich glaube, diese Aktuelle Stunde hat Sie selbst blamiert.
Herzlichen Dank.
Als nächster spricht der Kollege Helmut Wieczorek.
Ich sammle keine Rede ein, und ich rede auch nicht Tacheles. Ich habe das große Glück, daß ich nicht aus einem Land komme, in dem in 14 Tagen gewählt wird. Darum werde ich mich auf den primitiven Austausch von Meinungen hier nicht einlassen, sonst müßte ich mich mit den Ausführungen des Kollegen Austermann auseinandersetzen.
Herr Minister, wenn man all das, was in den letzten Wochen und Monaten, ja in den letzten zwei Jahren hier geschehen ist, Revue passieren läßt, dann muß man sagen: Ihre Probleme werden von Tag zu Tag größer. Sie sollten sich einmal daran erinnern, wie Sie in diese Situation gekommen sind.
Wir haben unser Land vor fünf Jahren um 20 Millionen Menschen vergrößert.
Wir haben das Volumen unseres Haushalts fast verdoppelt. Wir haben die Steuern in einem Maß angehoben, wie wir es uns vorher überhaupt nicht haben vorstellen können. Wir haben die Staatsverschuldung in so hohem Maße in die Höhe treiben müssen - ich sage ausdrücklich „wir" und „treiben müssen" -, um unsere Aufgaben zu erledigen. Wir
Helmut Wieczorek
haben auch das, was wir als Staat in der Reserve hatten, einsetzen müssen.
Wir müssen uns fragen: Wie kommt es eigentlich, daß wir jetzt bei einer vergleichsweise geringfügigen Delle in der Nachfrage und in der wirtschaftlichen Entwicklung zu einem solchen Krisengespräch kommen müssen? Und wir müssen in der Tat dazu kommen.
Sie werden von einer Lebenslüge eingeholt, nämlich von der Lebenslüge, daß wir die deutsche Einheit mit den Instrumenten finanzieren könnten, die wir vor der Einheit gehabt haben, von der Lebenslüge, daß wir sie mit den Zuwächsen finanzieren könnten, die sich durch die Vergrößerung des Wirtschaftsbereiches ergeben haben. Wir werden von der Lebenslüge eingeholt, daß wir insgesamt eine Finanzierung vornehmen könnten, die sich selbst trägt und mit der wir auch noch einen Großteil der gesamtwirtschaftlichen Betätigungen und des Wohles unseres Volkes tragen könnten. Das alles, Herr Minister, ist nicht eingetreten.
Wir haben uns nie begreiflich gemacht, daß wir die Bundesrepublik nicht nur um 20 Millionen Menschen vergrößert, sondern daß wir ein neues Land geschaffen haben und daß wir für dieses neue Land Instrumente schaffen müssen, um es zu entwickeln. Ich sage bewußt nicht „zu finanzieren", sondern „zu entwickeln". Die Entwicklung dieses Landes ist nicht erfolgt.
Wir haben es nicht fertiggebracht, uns eine neue Finanzverfassung zu geben.
Herr Minister, wir leben noch heute mit der Finanzverfassung, die Fritz Schäffer den Ländern abgerungen hat. Wir haben sie 15mal novelliert, aber nicht ein einziges Mal die Kraft gefunden, die Finanzverteilung zwischen den Gebietskörperschaften und auch die Aufgaben neu zu ordnen.
Sie haben hier an keiner Stelle dazu einen Versuch unternommen, weil Sie den Menschen suggerieren wollten, Sie könnten mit dem jetzigen Instrumentarium weiterarbeiten. Das können Sie aber nicht. Wir müssen wirklich den Mut haben, zu sagen, daß wir in eine neue Phase gekommen sind und daß wir deswegen unser Instrumentarium verändern müssen.
Dazu gehört, daß wir uns darüber klar werden müssen, daß wir nicht mit einer Staatsverschuldung leben können, die eine durchschnittliche Laufzeit von dreieinhalb Jahren hat. Wir müssen einmal darüber nachdenken, ob wir nicht aus der Wirtschaft Maßnahmen ableiten können, die man dort ergreift. Wenn ich in einem Unternehmen Verantwortung trage und kurzfristige Verbindlichkeiten habe, die ich nicht tragen kann, dann ist das Nächstliegende, daß ich versuche, mein Vermögen mit einzusetzen und eine langfristige Finanzierung meiner Verpflichtungen zu erreichen.
In der alten Bundesrepublik konnte man mit dem bekannten Instrumentarium arbeiten. In der neuen Bundesrepublik, in der 60 Millionen Menschen das Sozialprodukt für 80 Millionen erarbeiten müssen, ist das, was wir bisher getan haben, nicht mehr möglich. Wir müssen uns darüber klar werden, daß wir eine neue Form finden müssen, bei der wir die Tilgung der Staatsverschuldung auf der Zeitachse weiter hinausschieben. Die Amerikaner haben Schuldverschreibungen mit einer Laufzeit von 30 Jahren. Bei uns liegt sie bei dreieinhalb Jahren. Warum können nicht auch wir einen solchen Weg gehen? Natürlich werden unsere Zinsen durch solche Maßnahmen nicht geringer; das weiß auch ich. Aber wir bekommen den Spielraum, den wir brauchen, indem wir eine andere Form der Tilgung schaffen.
Jeder, der ein Haus baut, weiß, daß er eine Hypothek aufnehmen muß und daß diese 30 Jahre läuft.
Wir bauen das Haus Deutschland und glauben, wir könnten es mit einem Kleinkredit finanzieren.
Herzlichen Dank.
Ich erteile jetzt dem Kollegen Bartholomäus Kalb das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin erfreut darüber, daß gerade ein sehr ernsthafter Beitrag in dieser Debatte geliefert worden ist.
- Im Gegensatz zu dem, was wir vorher gehört haben.
- Im Gegensatz zu dem, was wir bis dahin von der Opposition gehört hatten. Denn das, was hier von der SPD geboten worden ist, ist nichts anderes als eine inszenierte künstliche Aufregung mit Blick auf den 24. März, in der Hoffnung, damit Stimmen gewinnen zu können. Dabei müßten zumindest die Haushälter unter Ihnen in der SPD die Situation und die Zahlen eigentlich kennen. Aber es kann ja auch sein, daß Ihnen einige Informationen fehlen, weil Sie bekanntlich bei der Schlußberatung des Haushaltes 1996 durch Abwesenheit geglänzt haben, da Sie sich auch damals dem unguten Einfluß von Frau Matthäus-Maier ausgesetzt hatten.
Jedermann in unserem Lande weiß, daß wir es im Moment mit einer verhaltenen konjunkturellen Entwicklung zu tun haben und daß demzufolge die Einnahmequellen öffentlicher Haushalte nicht so üppig
Bartholomäus Kalb
sprudeln. Jeder vernünftige Mensch wird in einer solchen Situation sein Ausgabeverhalten überdenken und anpassen. Nicht anders werden diese Bundesregierung, dieser Bundesfinanzminister und diese Koalition handeln.
Die gegenwärtige Situation rechtfertigt dabei in keiner Weise die von Ihnen in Szene gesetzte Hysterie und Panikmache. Wenn ich die öffentlichen Äußerungen Ihres Fraktionsvorsitzenden vom heutigen Tage zur Kenntnis nehme, kann ich nur noch sagen: ahnungslos, geschmacklos und verantwortungslos.
Hier wird verunsichert und eine miese Stimmung erzeugt, ohne Rücksicht auf Verluste, in der Hoffnung und in der Absicht, hieraus könnten sich bei den bevorstehenden Landtagswahlen Stimmen zugunsten der SPD ergeben. Aber auch dabei wird Ihnen der Schnabel sauber bleiben.
Es gehört ja schon zum Ritual in diesem Hause, daß Sie zu jedem Haushalt ein Horrorszenario entwickeln und den Teufel an die Wand malen.
Ich habe mir vorhin noch das Protokoll der 122. Sitzung des 12. Deutschen Bundestages vom 24. November 1992 angesehen.
Damals forderte der seinerzeitige Vorsitzende des Haushaltsausschusses, Rudi Walther, die Absetzung der zweiten und dritten Lesung des Bundeshaushalts 1993 von der Tagesordnung. Er verlangte eine neue Steuerschätzung sowie eine Ergänzungsvorlage und vermutete sogar einen Verstoß gegen Art. 110 des Grundgesetzes usw. Dieses Verlangen war so ungeheuerlich, daß daraufhin sogar die Mikrophonanlage hier im Plenarsaal den Geist aufgab. Manchmal gibt es eben doch eine intelligente Technik.
Und wie hat dann unser Finanzminister diesen Haushalt 1993 abgeschlossen? - Mit weniger Ausgaben und mit weniger Nettokreditaufnahme. Und wie hat er den Haushalt 1994 abgeschlossen? - Mit erheblich weniger Ausgaben und erheblich weniger Nettokreditaufnahme.
Ich habe mir die Haushaltsabschlüsse von 1991 bis 1995 herausgesucht. Sie sehen wie folgt aus: 1991: Ausgaben, also Soll-Ist-Vergleich, minus 8,6 Milliarden DM, Nettokreditaufnahme minus 9,6 Milliarden DM; 1992: Ausgaben plus 2,1 Milliarden DM, Nettokreditaufnahme minus 1,9 Milliarden DM; 1993: Ausgaben minus 0,7 Milliarden DM, Nettokreditaufnahme minus 1,4 Milliarden DM; 1994: Ausgaben minus 8,8 Milliarden DM, Nettokreditaufnahme minus 19,1 Milliarden DM; 1995: Ausgaben - das ist schon dargestellt worden - minus 13 Milliarden DM, Nettokreditaufnahme plus 1,1 Milliarden DM. Also, selbst im besonders schwierigen Haushaltsjahr 1995 konnte der Finanzminister noch eine Punktlandung hinlegen. Trotz dieser erwiesenen erfolgreichen Haushaltspolitik wollen Sie ernsthaft bezweifeln, er werde es 1996 schaffen? Ich bin sicher, er wird im Haushaltsvollzug den Risiken und Unwägbarkeiten rechtzeitig gegensteuern, so wie er es eben vorgetragen hat, und am Ende dieses Jahres wieder einen soliden Haushaltsabschluß melden können.
Wichtig für die Menschen im Lande und für die Wirtschaft ist aber auch, daß in diesem Hause in der parteipolitischen Auseinandersetzung nicht noch mehr miese und depressive Stimmung erzeugt wird.
Leider haben manche Wirtschaftsführer, die zeitweise recht stolz auf ihre innere Nähe zur SPD waren - und umgekehrt -, durch ihre Fehlleistungen - da fällt mir nicht nur der Name Hennemann ein - nicht unerheblich zur Verschlechterung der Lage und zur schlechten Stimmung im Lande beigetragen.
Das, was wir heute früh lesen konnten, dieser mentale Versuch, den Hennemann in die Nähe von Waigel zu schieben, und dieser ungeheure Vergleich sind an Geschmacklosigkeit und an Bodenlosigkeit nicht mehr zu übertreffen.
Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Letzter Satz.
Der Haushalt 1996 wird zweifellos ein sehr sorgsames Vorgehen im Vollzug erfordern. Ich bin aber keineswegs so pessimistisch, was die Chancen für eine Verbesserung der Wirtschaftsentwicklung betrifft. Die vernehmbaren Signale lassen durchaus Licht am Ende des Tunnels erkennen.
Es wird jetzt darauf ankommen, daß wir vernünftig handeln und Überreaktionen vermeiden. Wir dürfen das Kind nicht mit dem Bade ausschütten. Wir müssen insbesondere die Investitionen im Auge behalten, auch im Interesse der Entwicklung des. Arbeitsmarktes.
Danke schön.
Es folgt der Kollege Adolf Ostertag.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das Motto „schönreden, tricksen und täuschen" beherrscht die Regierungskoalition ganz phantastisch.
Schon bei der Einbringung des Haushalts 1996 wollten Sie uns weismachen, daß das größte Haushaltsrisiko, die Massenarbeitslosigkeit, dank Ihrer „erfolgreichen" Politik zurückgehen werde. Bereits mit dem Jahreswirtschaftsbericht mußten Sie diese Zahlen über den Haufen werfen und zugeben, daß genau das Gegenteil eingetreten ist.
Adolf Ostertag
Die Zahl der offiziell registrierten Arbeitslosen wird im Jahresdurchschnitt vermutlich die Viermillionenmarke erreichen. Anscheinend wollen Sie das trotz der 4,3 Millionen Arbeitslosen im Februar überhaupt noch nicht wahrhaben und begreifen. Fachleute gehen mittlerweile davon aus, daß die Zahlen noch ungünstiger sein werden. Der Deutsche Industrie- und Handelstag, der uns in der Tat nicht sehr nahesteht,
rechnete aus, daß wir beim Wirtschaftswachstum eine schwarze Null haben werden. Das paßt zur Regierung, weil den vielen schwarzen Nullen noch eine hinzugefügt wird. Aber sonst paßt das überhaupt nicht, insbesondere nicht für die Konjunktur, die wir bräuchten, um die Massenarbeitslosigkeit zu bekämpfen.
Jetzt hat die Bundesregierung die Karre so tief in den Dreck gefahren, daß eine Haushaltssperre verkündet wird. Ich frage: Wie soll das weitergehen?
Welche Rechnungen wollen Sie eigentlich den Menschen in diesem Jahr noch präsentieren? - Anscheinend passiert das aber erst ab dem 25. des Monats.
Bereits heute kürzt die Bundesregierung in Einzelbereichen: in der Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik, bei den Renten und im Gesundheitswesen. Ich erinnere nur an die unrühmlichen Gesetze zur Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe. Diese Kürzungen treffen nicht nur die Arbeitslosen, sondern sie belasten milliardenschwer auch die Kommunen. Auf diese werden die Kosten abgewälzt. Wenn zum Beispiel die Gebühren für Büchereien und Bildungsveranstaltungen steigen, den Sportvereinen die Mittel gestrichen werden und das Geld für Kindergärten und soziale Einrichtungen fehlt, können sich die Menschen beim Finanzminister Waigel dafür ganz herzlich bedanken.
Regierungsvertreter und Arbeitgeber behaupten, der Sozialstaat sei nicht mehr finanzierbar. Die Arbeitgeber fordern jetzt einen 20prozentigen Abbau der Lohnkosten. - Das ist wirklich Klassenkampf von oben. Da sollten Sie sich wirklich Ihre dummen Zwischenfragen sparen. Das muß man sich wirklich auf der Zunge zergehen lassen. - Ihr 50-Punkte-Programm verlangt weitere tiefe Einschnitte in unser soziales Netz und ist ebenfalls eine Kampfansage an Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.
Die Verschuldung, die Defizite sind doch nicht die Folge überzogener Ansprüche der Bürgerinnen und Bürger an den Sozialstaat. Die Staatsschulden sind doch kein Beleg dafür, daß der Sozialstaat nicht mehr finanzierbar ist. Die Verschuldung ist vielmehr Folge der Wachstumsschwäche, der Massenarbeitslosigkeit, steigender Zins- und Tilgungslasten und einer ungerechten Steuerpolitik. Das sind die eigentlichen Ursachen.
Meine Damen und Herren, es geht um nicht mehr und nicht weniger als um den Bestand der sozialen Demokratie in diesem Land, wenn weiter daran gestrickt wird, dieses Sozialnetz wirklich aufzuknüpfen. Nötig wäre eigentlich ein Signal, daß es in unserem Land wieder vorwärtsgeht, um den Bürgerinnen und Bürgern die Angst vor der Zukunft zu nehmen. Darauf haben sie einen Anspruch. Die Haushaltssperre wird sie nur weiter verunsichern.
Sagen Sie den Menschen doch heute, daß die 5 Milliarden DM Deckungslücke bei der Bundesanstalt für Arbeit nicht dazu führt, daß weiter Leistungen gekürzt und die Beiträge erhöht werden! Sagen Sie doch, daß der Bund angesichts einer Deckungslücke von 2,5 Milliarden DM bei der Arbeitslosenhilfe nicht weiter bei den Betroffenen abkassiert! Sagen Sie doch hier im Parlament, wie Sie mit den Finanzrisiken bei der Rentenversicherung umgehen, wenn in der Tat 1997 6 Milliarden DM fehlen werden, und welche Auswirkungen das auf den Bundeshaushalt hat! Sagen Sie doch den Bauarbeitern, die in den letzten Monaten schon sehr gebeutelt worden sind, was es heißt, wenn auf Grund der Haushaltssperre wegen dann fehlender Zuweisungen massenhaft Baustellen stillgelegt werden! Das sollten Sie hier sagen, damit die Menschen wissen, woran sie mit Ihrer Politik sind.
Dazu sagen Sie aber bekanntlich nichts. Sie reden nur schön vom „Bündnis für Arbeit". Das ist reine Rhetorik. Es wird sich nichts ändern, meine Damen und Herren von der Regierungskoalition, wenn Sie die Massenarbeitslosigkeit nicht massiv bekämpfen. Das andere ist in der Tat nur billiges Geschwätz.
Es redet jetzt der Kollege Steffen Kampeter.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist schon ungewöhnlich, welche Redner von der Opposition hier präsentiert werden. Da kommt die Kollegin Matthäus-Maier und jammert, wie sie seit Jahren jammert: mit austauschbaren Worthülsen. Da redet der Kollege Diller aus Rheinland-Pfalz, wo er mit seiner SPD selbst in der Verantwortung ist, viel vom Sparen, beispielsweise im Zusammenhang mit einem Personalabbaukonzept davon, 1996 500 Stellen abbauen zu wollen; aber nur eine einzige Stelle ist abgebaut geworden. Er ist also absolut inkompetent, hier übers Sparen zu reden.
Dann kommt ein nordrhein-westfälischer Genosse und erzählt, die Bundesregierung sei schuld an der hohen Arbeitslosigkeit.
Steffen Kampeter
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn es ein „Bündnis gegen Arbeit" gibt, dann ist es die rotgrüne Koalition im industriellen Kernland von Deutschland.
Das betrifft ja nicht nur einige hundert Arbeitsplätze im Raum Köln. Das betrifft auch viele Zukunftsbereiche. Die Sozialdemokraten klammern sich mit Macht an die Macht in Düsseldorf. Und hier will uns ein Genosse erzählen, wir seien für die Arbeitslosigkeit politisch verantwortlich. Diese nordrhein-westfälische Landesregierung vertreibt Arbeitsplätze aus Deutschland. Damit ist diese Landesregierung ein zentrales Haushaltsrisiko wie viele andere rot-grüne Landesregierungen auch.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wohin rotgrüne Politik in den Länderhaushalten führt, sehen wir an Hessen. Wenn wir eine Haushaltssperre in dem Umfang ausführen würden, wie Hessen sie machen will, und praktisch den gesamten Haushalt sperren würden, wie groß wäre da der Aufstand hier! Bisher ist von den Genossen zu dieser Maßnahme in Hessen kein Wort zu hören. Es gibt auch keinen konstruktiven Vorschlag, zumindest in der heutigen Debatte, zum nationalen Stabilitätspakt.
Es ist schon interessant: Frau Matthäus-Maier erweckt den Eindruck, als wären die unsozialen Sparmaßnahmen von der Bundesregierung entwickelt. Am vergangenen Wochenende hat die Unterausschußgruppe „Konsolidierung des Sozialstaates" getagt, und einer der Sprecher einer sozialdemokratischen Landesregierung sagte, ohne einschneidende Einschnitte in den Sozialstaat werde es nicht gehen. - Selbstverständlich sind solche einschneidenden Einschnitte in den Sozialstaat auch ein Beitrag zur Konsolidierung. Wie ernst man es tatsächlich mit der Mitwirkung an der nationalen Konsolidierungsaufgabe meint, kann man beweisen, wenn es an die konkreten Gesetze geht. Aber wenn wir Gesetzgebungsverfahren der vergangenen Wochen und Monate ansehen, so stellen wir fest: Überall dort, wo ein substantieller Konsolidierungsbeitrag geleistet werden soll, haben sich die SPD-geführten Bundesländer verweigert und verweigert sich die SPD-Bundestagsfraktion. Auch hier läßt sich feststellen: Sozialdemokratisch inszenierte Haushaltspolitik ist das eigentliche Haushaltsrisiko in dieser Bundesrepublik
Meine sehr verehrten Damen und Herren, es gilt festzuhalten: Die Wirtschaftsforschungsinstitute stellen fest, daß die konjunkturelle Erholung im Jahre 1996 einsetzen wird. Entgegen den pessimistischen Annahmen des Jahreswirtschaftsberichts haben sowohl das Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung als auch das Institut für Weltwirtschaft in Kiel eine positivere Wachstumsprognose gegeben. 1 Prozent mehr Wachstum bedeutet 120 000 Arbeitsplätze, bedeutet eine substantielle Entlastung der Bundesanstalt für Arbeit. Das ist ein tatsächlicher Konsolidierungsbeitrag.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir müssen auch festhalten, daß die Lohnpolitik einen ganz wesentlichen Einfluß auf unsere Haushaltslage hat. Die Gewerkschaften haben inzwischen anerkannt, daß es einen substantiellen Zusammenhang zwischen Lohnhöhe und Beschäftigung gibt. Das war 40 Jahre lang in jeder gewerkschaftlichen Aussage tabu.
Seit neuestem kann man offen darüber reden, daß Lohnverzicht Arbeitsplätze schafft. Daher ist die Tarifrunde 1996 insbesondere an der Frage zu messen: Wird sie es schaffen, die Kostenschere zwischen Arbeitsproduktivität und Lohnentwicklung zugunsten der Beschäftigung zu öffnen? Lohnabschlüsse, die 1 Prozent über dem Produktivitätsfortschritt liegen, vernichten weit über 100 000 Arbeitsplätze. Wir können von hier aus nur an die Tarifpartner appellieren, nicht eine Tarifpolitik zu Lasten des Bundeshaushalts zu machen; denn hier müssen wir gesamtstaatlich Verantwortung tragen.
Der Bundesfinanzminister hat frühzeitig auch in diesem Haushalt auf die Ausgabenbremse gedrückt. Dafür verdient er Respekt und die Unterstützung der Koalition.
Das Wort nimmt jetzt der Kollege Eckart Kuhlwein.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Eines verstehe ich an dieser Debatte nicht: Die Kollegen von der CDU/CSU stellen die Welt so heil und wunderbar dar, als bestehe überhaupt kein Handlungsbedarf. In derselben Stunde kündigt der Bundesfinanzminister hier an, daß er eine Haushaltssperre erlassen werde. Beides scheint mir nicht ganz zusammenzupassen.
Irgendwie, Herr Kollege Koppelin, gibt es da Differenzen. - Diese gibt es übrigens auch, wenn man bedenkt, daß Ihr Kollege Weng in der „Heilbronner Stimme" sogar über einen Nachtragshaushalt geredet hat
oder gute Gründe für ein Haushaltssicherungsgesetz sieht. - Und Sie werfen uns vor, wir seien zu aufgeregt, würden die Lage falsch einschätzen und hätten nicht genügend Hoffnung in die zukünftigen Monate.
In Schleswig-Holstein - Jürgen Koppelin, das weißt du auch - ist solide gewirtschaftet worden. Die Zu-
Eckart Kuhlwein
wachsraten im Haushalt gehören zu den niedrigsten in der Bundesrepublik.
Wenn man das einmal festhalten darf: Ich verstehe nicht, wieso sich diese Bundesregierung völlig aus der wirtschafts- und arbeitsmarktpolitischen Verantwortung herausstehlen will, wenn es um die Beurteilung von Verhältnissen in den Ländern geht. Bei dieser Bundespolitik kann die beste Landespolitik nur relativ wenig Korrekturen anbringen.
Herr Waigel, schenken Sie der Bevölkerung endlich reinen Wein ein! Sagen Sie ehrlich, daß Sie nicht mehr weiter wissen! Geben Sie zu, daß Sie haushaltspolitisch eigentlich den Offenbarungseid leisten müßten! Machen Sie das in aller Ehrlichkeit noch vor den Landtagswahlen! Überlassen Sie diesen Balanceversuch nicht den Kollegen aus Ihrer Fraktion!
Ihr Haushalt für 1996 stand von Anfang an auf tönernen Füßen. Wir haben Sie rechtzeitig vor den Risiken gewarnt. Sie haben das immer wieder schöngeredet; das haben Sie auch heute getan. Herr Waigel, Sie selber haben heute das Pfeifen im dunklen Walde fortgesetzt in der Hoffnung, daß vielleicht im Mai die finanzpolitischen Bäume wie durch ein Wunder ausschlagen werden.
Sie wissen aber genau, daß die Risiken in diesem Bundeshaushalt, wie er im November 1995 beschlossen wurde, sehr groß und kaum zu bewältigen sind und daß Ihre „Sparkassen", die Sie im vorigen Jahr noch nutzen konnten, für 1996 nicht mehr zur Verfügung stehen.
Manchmal mutet es mich sehr komisch an, wenn 41 erwachsene Menschen im Haushaltsausschuß Tage und Nächte am Bundeshaushalt kneten, hier eine Million drauflegen, dort um eine Million kürzen, und dann dem Bundesfinanzminister in Form eines Blankoschecks überlassen, was er damit machen will und was nicht.
Manchmal kommen mir diese Beratungen sehr komisch vor. Ich werde das an geeigneter Stelle immer wieder anführen - zum Beispiel heute nachmittag, wenn wir tatsächlich noch Rüstungsbeschaffungsaufträge beschließen sollen, die der Haushaltssperre offenbar nicht unterliegen sollen, obwohl das die großen Volumina sind, bei denen man sparen könnte, wenn man wirklich Sparbeiträge erbringen wollte.
Wie auch immer der BMF durch die beabsichtigten Sperren Haushaltslöcher stopfen will: Mit Haushaltswahrheit und -klarheit hat dies alles nichts mehr zu tun. Aber an Klarheit ist dieser Regierung ohnehin nicht gelegen. Sie scheuen mit Ihren Operationen geradezu das Licht der Öffentlichkeit.
Sie haben das den Grünen in der Antwort auf eine Kleine Anfrage bestätigt, in der Sie schreiben:
Im übrigen würde eine öffentliche Diskussion über einzelne Einsparentscheidungen die Durchsetzbarkeit und Akzeptanz von haushaltswirtschaftlichen Eingriffen erschweren.
Das ist die Art und Weise dieses Finanzministers, mit der Öffentlichkeit umzugehen.
Eine letzte Bemerkung, meine Damen und Herren. Wir halten aus vielen Gründen, die wir seit einigen Wochen vorgetragen haben, die Vorlage eines Nachtragshaushalts für dringend erforderlich.
Der Bundesfinanzminister müßte dem eigentlich folgen, wenn er jemals seine eigenen Broschüren gelesen hätte.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Durch nicht vorhergesehene Entwicklungen kann sich innerhalb eines Haushaltsjahres so viel an der Ausgangslage ändern, daß der geplante Haushalt nicht mehr der Realität entspricht. In einer solchen Situation werden Regierung und Parlament den beschlossenen Etat durch einen Nachtragshaushalt im oben beschriebenen Verfahren abändern.
Das ist genau das, was wir von Bundesregierung und Regierungsfraktionen erwarten.
Wir erwarten das insbesondere deshalb, damit für diejenigen, die aus dem Bundeshaushalt Investitionszuschüsse erhalten sollen oder darauf warten, wieder Planungssicherheit entsteht, sie also wissen, daß sie mit Bundesmitteln rechnen können, bzw. wissen, womit sie nicht mehr rechnen können. Auf jeden Fall können mit einem solchen Nachtragshaushalt Einzel- und Rahmendaten, Herr Kollege Roth, für die wirtschaftliche Entwicklung gesetzt werden, damit die Unternehmen, die für ihre Arbeit auf Zuschüsse aus dem Bundeshaushalt angewiesen sind, wieder planen können. Auf diese Weise würde auch ein Beitrag zur Verbesserung der Arbeitsmarktsituation geleistet werden.
Wir können uns bei 4,4 Millionen Arbeitslosen keine Kürzung im investiven Bereich mehr leisten. Das wissen Sie ganz genau. Deswegen brauchen wir von Ihnen einen Nachtragshaushalt, in dem Sie sehr
Eckart Kuhlwein
sorgfältig aufschreiben, was Sie weiter machen wollen, und den wir dann parlamentarisch ordentlich, Herr Kollege Weng, beraten können.
Dann wären wir nicht immer auf ein Hin- und Hergeschiebe zwischen Bundesfinanzminister und anderen Ressorts angewiesen. Das Parlament ist bei Ihnen inzwischen ausgeschaltet worden. Ich wundere mich, daß die Koalitionsfraktionen und die Haushälter der Koalition im Parlament so freiwillig auf ihr Budgetrecht verzichten, wie sie das heute hier tun.
Als letzter Redner in der Aktuellen Stunde der Kollege Gunnar Uldall.
Frau Präsidentin! Meine Damen und meine Herren! Vieles von dem, was der Vorsitzende des Haushaltsausschusses vorhin gesagt hat, ist bedenkenswert. Aber gerade im Anschluß an seine Rede sage ich: Die heute von Finanzminister Waigel angekündigte Haushaltssperre ist exakt der richtige Schritt in die Richtung, die auch unser Kollege Wieczorek eben beschrieben hat. Denn Haushaltssperre heißt auf deutsch: Der Staat gibt seine Mittel auf sparsamste Weise aus. Wer kann auch nur irgend etwas dagegen sagen, daß sich der Staat Selbstdisziplin bei seinen Ausgaben auferlegt? Die Haushaltssperre ist deshalb nachdrücklich von uns zu unterstützen und zu begrüßen. Das ist jetzt die richtige und erforderliche Maßnahme.
Die Steuereinnahmen werden wesentlich durch den Konjunkturverlauf bestimmt. Deswegen möchte ich einige Worte hierzu ausführen. Es ist überhaupt gar keine Frage, daß wir am Anfang dieses Jahres in einer wenig erfreulichen konjunkturellen Ausgangslage sind. Die Arbeitslosenzahlen geben Anlaß zu großer Sorge. Die Stimmung im Lande ist nicht gut. Aber man darf jetzt auch nicht in den Fehler verfallen, daß man die Konjunktur schlechterredet, als sie tatsächlich ist.
Es ist häufig zu beobachten, daß in Schönwetterperioden die Zukunft noch rosiger dargestellt wird als sie ist, während in schlechten Zeiten die Zukunft noch düsterer gemalt wird, als es der tatsächlichen Situation entspricht. Wird die konjunkturelle Entwicklung zu kritisch beschrieben, kann leicht das eintreten, was man als eine „sich selbst erfüllende Prophezeiung" bezeichnen kann.
Weil die Perspektiven schlecht sind, verschiebt man
Investitionen; das reduziert die Nachfrage. Weil die
Nachfrage dann schlecht ist, ist die Investition, die
ursprünglich geplant wurde, auch gar nicht mehr erforderlich. Damit hätte dann Kassandra das herbeigeführt, was sie tatsächlich vorher ausgerufen hat.
Eine solche Entwicklung darf es bei uns in Deutschland nicht geben, auch wenn eine Wahl vor der Tür steht.
Es ist deswegen notwendig, sich die tatsächliche konjunkturelle Entwicklung vor Augen zu halten. Die ganz überwiegende Zahl der Konjunkturforscher sieht übereinstimmend keine Rezession auf uns zukommen. Es ist zwar eine Abschwächung des Wachstums im ersten und zweiten Quartal 1996 zu verzeichnen, aber einhellig wird damit gerechnet, daß in der zweiten Hälfte des Jahres die Konjunkturdaten wieder besser werden. Anfang dieser Woche hat das Kieler Institut für Weltwirtschaft nachdrücklich betont, daß ein Umkippen in eine Rezession nicht stattfinden wird. Zu ähnlichen Ergebnissen kommen das Hamburgische Weltwirtschaftsarchiv, das RWI und andere führende Institute. Der Konjunkturweg führt weiter bergauf, aber die Steigung ist im Moment nicht mehr ganz so steil, wie sie ursprünglich erwartet wurde. Wichtig ist jedoch, daß der Weg weiter nach oben führt.
Meine Damen und Herren, auch von den Exporten gehen gute Signale für unsere Konjunktur aus. Nicht das Schlechtreden sollte heute auf der Tagesordnung stehen. Vielmehr sollten wir uns einmal anschauen, was die Tageszeitungen heute gemeldet haben: „Deutsche Exporte auf Rekordhöhe". Darüber müssen wir reden, wenn wir etwas Gutes für unsere Konjunktur tun wollen. Nicht das Schlechtreden, nicht das Heruntermachen ist gefordert, sondern das positive Reden mit dem Blick nach vorn.
Um nicht mißverstanden zu werden: Wir müssen große Anstrengungen unternehmen, um unsere gute Position in der Weltwirtschaft zu halten. Aber ich appelliere an alle Kolleginnen und Kollegen, auch wenn wir jetzt drei wichtigen Wahlen entgegensehen: Nehmen Sie die Verantwortung ernst, die Sie haben, und reden Sie die Konjunktur nicht kaputt, sondern stellen Sie sie so dar, wie sie ist!
Die Aktuelle Stunde ist beendet. Wir sind damit am Schluß unserer heutigen Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 14. März 1996, 9 Uhr ein.
Die Sitzung ist geschlossen.