Gesamtes Protokol
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Sitzung ist eröffnet.
Bevor ich den ersten Tagesordnungspunkt aufrufe, teile ich Ihnen mit, daß für die Fragestunde nur noch wenige Fragen zur mündlichen Beantwortung vorliegen. Ich gehe davon aus, daß die Fragestunde nur etwa 30 Minuten dauern wird. Um ohne Unterbrechung mit der Aktuellen Stunde beginnen zu können, bitte ich die Parlamentarischen Geschäftsführer, dafür Sorge zu tragen, daß die vorgesehenen Redner rechtzeitig anwesend sind. Gerade wird mir gesagt, die Aktuelle Stunde werde gegen 14 Uhr beginnen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf:
Befragung der Bundesregierung
Die Bundesregierung hat als Themen der heutigen Kabinettsitzung mitgeteilt: Bericht zum Aufbau Ost - die zweite Hälfte des Weges: Stand und Perspektiven; Bericht über Vorsorgemaßnahmen für den Hochwasserschutz.
Das Wort für den einleitenden Bericht hat der Bundesminister für Wirtschaft, Dr. Günter Rexrodt.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Bericht zum Aufbau Ost wird nicht nur aus Anlaß des fünften Jahrestages der Vereinigung vorgelegt; wir halten es auch für notwendig, den Standpunkt der Bundesregierung in der oft kontroversen Diskussion über die Förderung der neuen Bundesländer und ihre Erfolge klarzumachen.
Dieser Bericht enthält eine kurze Bilanz der letzten fünf Jahre, vor allem aber Vorstellungen über die Entwicklung in den neuen Ländern in den nächsten Jahren. Ich möchte in diesem Zusammenhang bekanntgeben, daß wir einen parteiübergreifenden Gesprächskreis von Persönlichkeiten aus Ost- und Westdeutschland berufen haben, um die Politik für die neuen Länder in den nächsten Jahren auch auf diese Weise mit Sachverstand begleiten zu lassen.
Der Inhalt des Berichts ist wie folgt: Wir können sagen, daß fünf Jahre nach der Wiedervereinigung Deutschlands und der Einführung der Sozialen
Marktwirtschaft in den neuen Ländern große Fortschritte beim Aufbau Ost unübersehbar sind. Aber das ist nur die erste Hälfte des Weges. Es wird deutlich gesagt: Es gibt noch eine zweite Hälfte des Weges, und das wird ebenfalls eine schwierige Wegstrecke sein. Wir dürfen die Augen nicht davor verschließen, daß noch viel zu tun ist.
Ziel bleibt, eine Wirtschaft zu entwickeln, die aus eigener Kraft wettbewerbsfähig ist. Ziel bleibt vor allem, die hohe Arbeitslosigkeit abzubauen. Die Förderung und der Aufbau der neuen Länder müssen zentrale Anliegen deutscher Politik bleiben.
Wir sagen dann in der Bilanz etwas, was weitgehend bekannt ist, nämlich daß der Aufbau bisher in vielen Bereichen eine Erfolgsstory war, daß ein Engagement der ostdeutschen Bevölkerung und deren Veränderungsbereitschaft wichtigste Grundlage für den bisherigen Aufbau war, daß daneben natürlich auch viele private und unternehmerische Hilfen aus Westdeutschland hinzukamen und daß auch die öffentlichen Finanzierungen der Infrastruktur nicht zu vergessen sind.
Wir glauben, daß eine gute Bilanz mit vielen positiven Beispielen gezogen werden kann; aber es gibt auch viele Probleme. Von den positiven Beispielen nenne ich hier nur eine Auswahl, nämlich das kräftige Wachstum von 20 % in 1994 und insbesondere die Erholung der Industrie - auf niedrigem Niveau, das muß einschränkend gesagt werden. Die Privatisierung ist weitgehend abgeschlossen. Wir haben in Ostdeutschland einen Existenzgründungsboom. Der Infrastrukturausbau ist erstaunlich vorangekommen. Die persönlichen Lebensverhältnisse haben sich verbessert. Auch die Lage am Arbeitsmarkt ist bei insgesamt unbefriedigender Situation besser geworden.
Probleme bleiben: Die Eigenleistungsfähigkeit der ostdeutschen Wirtschaft ist sehr gering. Wir haben ein Defizit in Lieferungen und Leistungen von sage und schreibe 220 Milliarden DM. Es gehen also, in der Größenordnung von 220 Milliarden DM mehr Waren und Dienstleistungen in die neuen Länder hinein, als aus ihnen herauskommen. Produktivität und Einkommen klaffen auseinander. Die Lohnstückkosten sind erheblich höher. Die industrielle Ba-
Bundesminister Dr. Günter Rexrodt
sis ist nach wie vor zu schmal. In vielen Bereichen fehlt Eigenkapital. Die Forschungslandschaft ist nicht so, wie wir uns das wünschen. Auch bei der Infrastruktur ist noch viel zu tun.
Aus diesen Tatsachen heraus, aus den Problemen, aber auch aus den Erfolgen, wollen wir die Konsequenz ziehen: Die wachstumsorientierte Politik im Osten Deutschlands muß fortgesetzt werden. Wir wollen und werden die Wirtschaftsförderung auf das verarbeitende Gewerbe konzentrieren. Wir wollen sie für den Zeitraum 1997/98 um 15 Milliarden DM im Volumen herunterfahren, was aber immer noch hohe Beträge bedeutet. Wir wollen die Rahmenbedingungen für die Investoren durch ein übersichtliches Fördersystem berechenbar halten bzw. kalkulierbar machen. Wir wollen vor allen Dingen dafür sorgen, daß in Bereichen, in denen noch aufzuholen ist, z. B. im Bereich Eigenkapitalausstattung der Unternehmen, entsprechende Förderprogramme auf gelegt werden. - Ich werde diese in wenigen Tagen vorstellen. - Der Ausbau der Infrastruktur muß vorankommen. Im Umweltbereich ist unermeßlich viel geleistet worden.
Dennoch sind die Aufgaben, die vor uns liegen, riesig. Vor allem steht an, daß die weitgehend zusammengebrochene Forschungslandschaft in Ostdeutschland eine neue Befruchtung erfährt, sowohl in den Unternehmen als auch in den Instituten, in den Forschungs-GmbHs, in den Universitäten und sonstigen Einrichtungen. Dafür sind die Weichen richtig gestellt. Mittel stehen zur Verfügung. Wir brauchen weiterhin Akzeptanz und Solidarität im Westen. Wir vertrauen auf die Kreativität und die Leistungsbereitschaft der Menschen im Osten.
Danke, Herr Minister.
Zur ersten Fragestellung hat der Kollege Schwanitz das Wort.
Herr Bundesminister, ich möchte Sie fragen: Wie paßt es denn zusammen, daß Sie auf der einen Seite heute in Ihrem Bericht konstatieren, es gebe eine zweite Hälfte des Weges, und auf der anderen Seite gleichzeitig ausführen, daß Sie die Wirtschaftsförderung für den Osten weiterhin herunterfahren wollen, so wie es im Jahressteuergesetz passiert ist?
Herr Abgeordneter, das paßt insofern zusammen, als ich gesagt habe, wir haben nicht nur Probleme, sondern auch riesige Erfolge. Es ist auch fast übereinstimmend Auffassung in den neuen Ländern, daß bestimmte Bereiche der Wirtschaftsförderung, beispielsweise der Bau von Bürohäusern
oder von Einkaufszentren oder auch von Hotels, der steuerlichen und sonstigen Förderung nicht mehr wie in der Vergangenheit bedürfen.
Deshalb ist es - wenn ich mir erlauben darf, das zu sagen - aus Ihrer Partei heraus immer wieder als Anregung zu hören gewesen, diese Art der Förderung herunterzufahren, und das tun wir denn auch.
Herr Bundesminister, wird denn der Bericht, über den Sie uns heute informiert haben, insofern Konsequenzen haben, als einige Kürzungen, die wir momentan im Bundeshaushaltsentwurf für 1996 diskutieren und die Ostdeutschland betreffen, so nicht in Kraft treten werden?
Herr Abgeordneter, da müßten Sie mir bitte einmal helfen. Welche Kürzungen meinen Sie, die mit Blick auf Ostdeutschland nicht in Kraft treten sollen?
Ich meine z. B. das Kürzen der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" um 500 Millionen DM.
Die Gemeinschaftsaufgabe sollte - das kann man ja ruhig sagen - nach den ursprünglichen Vorstellungen des Kollegen Waigel und einiger anderer um einen sehr viel höheren Betrag gekürzt werden, eben aus den Gründen, die ich Ihnen genannt habe. Die Gemeinschaftsaufgabe finanziert auch Gewerbeparks, bestimmte Infrastrukturmaßnahmen, von denen man zu Recht annehmen kann, daß sie weit genug vorangekommen sind. Es ist in der Koalition gelungen, Übereinstimmung darüber zu erzielen, daß der ursprüngliche Kürzungsansatz ganz erheblich reduziert wird und daß wir es bei einer Kürzung um nur 500 Millionen DM belassen. Wenn ich „nur" sage, dann muß man sich die Dimensionen der Gemeinschaftsaufgabe vor Augen halten. Es sind immerhin 7 Milliarden DM, die dort zur Verfügung gestellt werden - bei einem Ansatz der Gemeinschaftsaufgabe für Westdeutschland, d. h. für die alten Länder, von 700 Millionen DM. Daß dabei Akzeptanzprobleme entstehen und Diskussionsbedarf entsteht, muß bitte auch gesehen werden. 90 % oder sogar mehr als 90 % der Mittel, die über die Gemeinschaftsaufgabe vergeben werden, gehen in die neuen Bundesländer.
Ich möchte noch eine Zusatzfrage stellen. Herr Minister, nachdem Sie uns jetzt dargestellt haben, daß es gerade bei der Frage der Gemeinschaftsaufgabe offensichtlich unterschiedliche Intentionen zwischen dem Bundesminister der Finanzen und Ihnen gegeben hat, möchte ich Sie fragen, welche Intentionen denn nun für diesen konkreten Haushaltsansatz die entscheidenden waren. Was war denn maßgeblich auch vor dem Hintergrund des Berichtes, den Sie vorgelegt haben?
Herr Abgeordneter, das ist - wie so häufig - ein Kom-
Bundesminister Dr. Günter Rexrodt
promiß; in diesem Fall, wie ich meine, ein guter Kompromiß, mit dem wir leben können, mit dem auch in Ostdeutschland weiterhin gute Politik gemacht werden kann, und zwar in dem Sinne, daß alle anfinanzierten Projekte weiterfinanziert werden können und daß ein erheblicher Bewilligungsrahmen für neue Projekte zur Verfügung steht. Wir können niemals ein Maximum realisieren. Das geht nicht. Ich gab Ihnen zu verstehen, daß auch ich mir einen höheren Ansatz gewünscht hätte. Wir können nicht alles realisieren, was wir für wünschenswert halten. Aber der Kompromiß, wie er gefunden ist - dabei reflektiere ich auch das, was aus dem Osten kommt -, ist ein Kompromiß, mit dem wir leben können.
Danke. - Bitte, Kollege Küster.
Herr Bundesminister, ich freue mich, daß Sie gesagt haben, wir brauchen Solidarität. Ich würde mich noch mehr freuen, wenn Sie sagten, wir brauchen den Solidaritätszuschlag ein bißchen länger, als Sie bisher behauptet haben, um einfach auch Herrn Waigel zu helfen, die Kasse wieder in Ordnung zu bringen.
Nun aber zu der Frage. Sie haben eine Reihe von Defizitbereichen aufgezählt. Ich finde es gut, daß Sie sehr genau wissen, wo eigentlich Bedarf besteht. Ich möchte auf folgenden Punkt hinaus: 220 Milliarden DM Defizit pro anno. Können Sie differenzieren, welche Bereiche besonders defizitär sind, welche besonders entwickelt werden müßten und auf welche Sie Ihre besondere Aufmerksamkeit verwenden sollten?
Herr Minister.
Sehr gern, Herr Abgeordneter. Die Defizite bestehen insbesondere bei industriellen Erzeugnissen und bei Dienstleistungen, die üblicherweise überregional erbracht werden. Es ist ja gelungen, den örtlichen Bedarf durch insgesamt 500 000 neue mittelständische Existenzen weitgehend vor Ort zu decken. Auch in der Bauwirtschaft ist ein hohes Maß an Eigenversorgung erreicht. Ich schränke das wie folgt ein: Es gibt natürlich auch sehr viele Töchter von westdeutschen Großunternehmen, die dort tätig sind. Aber das wird ja mit Arbeitskräften und Arbeitsmaterial aus der Gegend gemacht.
Es ist ebenfalls gelungen, im Bereich von Nahrungs- und Genußmitteln den Eigenbedarf in den Städten und auf dem Lande weitgehend durch eigene Produkte zu decken. Es verhält sich also nicht mehr so wie unmittelbar nach der Wende, als selbst Fleisch und Milch oder Milchprodukte wie Joghurt aus Westdeutschland angefahren wurden. Aber in der industriellen Produktion und bei wichtigen Ingenieurleistungen, etwa beim Anlagebau und bei Engineering-Leistungen, erfolgt eben eine weitgehende Zulieferung aus Westdeutschland oder dem Ausland. Auf der anderen Seite besteht eine ganz große Schwäche der ostdeutschen Wirtschaft bis
heute darin, daß ihr Exportanteil so gering ist. Er ist viel, viel geringer und macht nur einen Bruchteil der Exportleistung der westdeutschen Wirtschaft, der westdeutschen Industrie aus.
Zusatzfrage, Herr Küster.
Das würde doch bedeuten, daß Sie gerade dem Bereich der Markteinführung von Industrieprodukten und der Exporthilfen besondere Aufmerksamkeit zuwenden und dementsprechend auch Haushaltsmittel bereitstellen müßten. Das ist eigentlich eine Aufgabe, die man in den letzten Jahren kaum entwickelt hat. Hier müßte man doch gezielt Mittel zur Verfügung stellen.
Ich muß dazu sagen, daß wir in dieser Beziehung viel machen und daß die diesbezüglichen Etatansätze, soweit ich das in den Details in Erinnerung habe, auch nicht gesenkt worden sind. Wir tun unheimlich viel, um die Absatzförderung aufrechtzuerhalten und erfolgreich zu gestalten, beispielsweise durch die Finanzierung der Teilnahme an Inlands- oder Auslandsmessen. Wir haben in den Auslandshandelskammern überall in der Welt Beschäftigte eingestellt, die sich nur darum kümmern, daß Ost-Produkte in den jeweiligen Märkten eingeführt werden. Wir machen Absatzberatung in größerem Umfang. Bitte legen Sie mich jetzt nicht genau fest - ich habe nicht jede Etatposition im Kopf -: Meines Erachtens ist der Ansatz in den Jahren 1994, 1995 und 1996 mit jeweils 65 Millionen DM konstant geblieben.
Danke. Kollege Türk.
Herr Minister, wir sind uns ja darin einig, daß die Industrieforschung in Ostdeutschland eine wichtige Sache ist. Wie sonst soll der Absatz gesteigert werden, wenn nicht über neue Produkte? Sehen Sie in der Haushaltsbereinigung einen Spielraum für eine Erhöhung des diesbezüglichen Etatpostens, zumal wir wissen, daß Ostdeutschland bisher nur mit einem Anteil von 2,5 % an den gesamten Ausgaben für ganz Deutschland bedacht ist?
Herr Türk, Sie sprechen mir aus der Seele, wenn Sie auf die ostdeutsche Forschungslandschaft abstellen, die in der Tat noch lange nicht so sein wird, wie wir uns das wünschen. Zwar sind die Etatansätze, die wir haben, gut und wichtig, aber ich mache keinen Hehl daraus - wenn Sie mich schon einmal fragen -, daß ich mir wünsche, daß sich das Parlament in der einen oder anderen Richtung bei den entsprechenden Förderprogrammen zu einer Aufstockung entschließt, insbesondere in den Bereichen, wo wir die Einstellung von Forschungspersonal bei kleinen und mittleren Unternehmen fördern. Hier haben wir ja Kürzungen hinnehmen müssen, die nicht gravierend
Bundesminister Dr. Günter Rexrodt
sind, von denen ich aber sagen muß, daß es schön wäre, wenn es sie nicht gäbe.
Vielen Dank.
Als nächster der Kollege Müller aus Zittau.
Herr Bundesminister, wir stimmen in der Beurteilung der Situation sehr überein, daß es in der nächsten Zeit darauf ankommt, eine zweite Phase, die ich für mich „Verstetigung gegründeter Existenzen" nennen möchte, in Ostdeutschland zu ermöglichen. Sie erwähnten zu Recht die mangelnde Kapitalausstattung als eines der Hauptprobleme. Wenn man einmal von dem vorgesehenen Kapitalsammelfonds absieht, möchte ich gerne von Ihnen wissen, welche Wege Sie einschlagen würden, um den Existenzgründern und denen, die bereits Existenzen aufgebaut haben, den Weg zu Banken zu erleichtern. Könnten Sie sich auch einen Weg vorstellen, der dahin führte, die staatlichen Banken, die Landesbanken, auf direkterem Wege in die Geschäftsbeziehungen zu solchen Existenzgründern einzubeziehen, da sich die regionalen Geschäftsbanken in Ostdeutschland bekanntlich sehr schwer tun, überhaupt unter zumutbaren Konditionen Kunden anzunehmen?
Herr Abgeordneter Müller, in der Analyse stimme ich mit Ihnen weitgehend überein. Ich will hierzu zunächst sagen: Wir dürfen nicht Fremdkapital und Eigenkapital durcheinander bringen. Eigenkapital entsteht durch nicht ausgeschüttete Gewinne und damit letztlich durch eine günstige Ertragssituation. Daß so wenig Eigenkapital zur Verfügung steht - was im übrigen statistisch angreifbar, faktisch aber schon so ist -, hängt damit zusammen, daß die Unternehmen jung sind, keine hohen Gewinne machen und damit keine innere Finanzkraft entwickeln und keine Reserven bilden konnten. Eigenkapitalbildung wird dadurch am besten befördert, daß man die Ertragssituation der Unternehmen verbessert, daß sich also die Märkte entsprechend entwickeln und daß die Steuergesetzgebung entsprechend angelegt ist.
Aber wir stellen darüber hinaus - Sie haben das schon angedeutet - eigenkapitalähnliche Mittel von außen zur Verfügung. Es kann nicht Eigenkapital sein, da es immer Kapital von außen ist, das aber eigenkapitalähnlichen Charakter hat. Das macht die Treuhandanstalt, das machen bestimmte Fonds aus Privatmitteln und das soll jetzt noch einmal über einen 500-Millionen-Fonds, der durch steuerliche Anreize gebildet wird, vorgenommen werden.
Sie sprechen dann das Problem der Bankenfinanzierung an. Das ist in aller Regel Fremdfinanzierung. Hier kann ich Ihnen in der Einschätzung nur folgen. Wir alle würden uns wünschen, daß die Banken beim Herangehen an Finanzierungsfälle im Osten risikofreudiger wären als bisher. Aber wenn man hier „die Banken" und „risikofreudiger" sagt, muß man fairerweise differenzieren. Es gibt auch in diesem Bereich solche und solche, und es gehört einfach zu einer fairen Berichterstattung, daß Banken bei ihren Engagements auch viel Geld verloren haben.
- Ja, sie haben auch viel gewonnen - viel verloren und viel gewonnen. Das muß man sehen. Ich sage das ganz differenziert.
Wir würden uns dennoch wünschen, daß die Kapitalfonds der Banken und die Banken selbst mit mehr Risikofreude an die Finanzierung herangingen. Wir haben in den Runden beim Bundeskanzler immer geworben. In x anderen Runden hat die Politik darauf hingewirkt. Anweisen können wir Banken nicht. Wir können auch Staatsbanken nicht anweisen. Die Staatsbank oder welche Bank auch immer sagt dann: Wir übernehmen den Kredit, aber das Ausfallrisiko übernimmst du als der Staat. Dann können wir gleich eine Staatsfinanzierung machen. Wir haben auch Garantiefonds. Es gibt, wie Sie wissen, auch Staatsbanken und Garantiebanken des Bundes und der Länder. Sie alle sind involviert.
Herr Abgeordneter Müller, alles in allem sind dort Defizite vorhanden. Der Bund und die Länder - unabhängig von der Couleur; es hat gar nichts mit politischer Couleur zu tun - versuchen da ihr Bestes. Wir können die Banken nicht anweisen. Wir können immer nur darum werben, daß sie ihr Engagement und ihre Risikofreude verbessern.
Zusatzfrage, Herr Müller.
Herr Minister, Sie erwähnten, daß Sie in den nächsten Tagen Ihre neuen Vorschläge hinsichtlich der Eigenkapitalförderung vorzustellen gedenken. Könnten Sie uns ein paar Impressionen davon geben, in welche Richtung dies zielt?
Das kann ich sehr gerne, Herr Abgeordneter Müller. Es wird ein Fonds sein, der dadurch gebildet wird, daß Unternehmen oder natürliche Personen, die Geld in diesen Fonds einzahlen, einen steuerlichen Anreiz erhalten, also eine bestimmte Summe steuermindernd geltend machen können, und daß dieser Fonds, der wahrscheinlich bei der Kreditanstalt für Wiederaufbau angesiedelt sein wird, seinerseits eigenkapitalähnliche Darlehen für solche Unternehmen zur Verfügung stellt, die dieses Eigenkapital brauchen, und zwar zu einem günstigen Zinssatz, mit einer tilgungsfreien Zeit und unter Risikogesichtspunkten, die besser sind als das, was wir jetzt üblicherweise am Markt finden.
Herr Minister, Sie haben in einer vorherigen Antwort Ihre Übereinstimmung auch damit bekundet, daß es sehr darauf ankommt, den ostdeutschen Unternehmen den überre-
Christian Müller
gionalen Absatz zu erleichtern, weil sie in der Regel zu wenig Kräfte im finanziellen wie auch im personellen Bereich besitzen, um in fremde Märkte einzudringen. Warum, Herr Minister, wurde dann eigentlich im Haushaltsansatz die Absatzförderung der Ostprodukte um 20 Millionen DM gekürzt?
Das ist ein Abwägungsprozeß, Herr Abgeordneter Müller. Jetzt müßte ich letztlich wieder auf die Kriterien von Maastricht abstellen, die es unmöglich machen, die Nettoneuverschuldung über 60 Milliarden DM hinaus zu erhöhen. Da müssen alle Ministerien Opfer bringen. Wir haben an anderer Stelle große Opfer gebracht. Hier war es ein kleines Opfer. Ich möchte Ihnen aber gar nicht widersprechen, wenn Sie sagen: Es ist ein Opfer.
Herr Abgeordneter Hampel.
Herr Minister, ich komme noch einmal auf das Eigenkapitalhilfeprogramm zurück, das Sie angekündigt haben. Ich halte es für richtig und gut, daß etwas Derartiges auf den Weg gebracht wird. Wir haben schon lange darauf gedrängt. Meine Frage ist: Wann wird es greifen? Sie sagten: Es wird steuerliche Vergünstigungen geben. Wenn man sich den Gesetzgebungsprozeß ansieht, dann dauert es eine geraume Zeit. Wenn man andererseits bedenkt, daß sich die Zahl der Insolvenzen im letzten Jahr im Vergleich zum Vorjahr mehr als verdoppelt hat, und das in Bereichen, die eigentlich in der Vergangenheit als Wachstumsträger anzusehen waren - im Baugewerbe, im Hotel- und Gaststättengewerbe und auch im Handel -, dann wäre es doch notwendig, ein solches Eigenkapitalhilfeprogramm schnell auf die Beine zu stellen. Das ist das eine.
Das andere ist: Sicherlich sind auch Zinsverbilligungen, Zinszuschüsse vorgesehen. Heute Nachmittag beraten wir im Ausschuß den Einzelplan 09. Da ist es gar nicht mehr möglich, in den Haushalt 1996 noch irgendwelche Mittel einzustellen. Wie sehen Sie das?
Herr Kollege, zunächst zu dem, was die Schnelligkeit, die Geschwindigkeit der Verabschiedung angeht: Wir haben diesen Eigenkapitalfonds im Jahressteuergesetz beschlossen. Die gesetzgeberischen Vorarbeiten sind abgeschlossen. Am 10. Oktober 1995 werde ich diesen Fonds gemeinsam mit dem Vorstandsvorsitzenden der KfW in Berlin vorstellen. Ab dann läuft dieser Fonds.
Herr Kollege, ich darf noch einmal darauf aufmerksam machen: Es mangelt, was die Ausstattung der ostdeutschen Wirtschaft mit Innovationskrediten, Investitionskrediten, Existenzgründungsdarlehen und auch eigenkapitalähnlichen Beträgen angeht, nicht an Geld. Worauf es ankommt, ist, daß diese Mittel in
der richtigen Weise unbürokratisch und risikofreudig über diejenigen, die sie anzulegen haben, verteilt werden und in die Unternehmen kommen. Da habe ich das Meine schon auf die Frage des Abgeordneten Müller gesagt. Der Geldmangel ist, was die öffentlichen Programme angeht, nicht das Entscheidende. Das Entscheidende ist die richtige, unbürokratische und risikofreudige Plazierung.
Dieser Fonds wird 500 Millionen DM zusätzlich bringen. Herr Kollege, das ist eine Menge Geld. Dies in einer Art und Weise unterzubringen, daß es greift, wird zunächst eine große Anstrengung sein. Da braucht nicht aufgestockt zu werden. Nun wollen wir erst einmal sehen, wie es läuft. Die Hauptsache ist, es läuft unbürokratisch. Das ist das Entscheidende.
Herr Minister, gestatten Sie mir noch eine weitere Frage? - Ich möchte noch einmal auf die Gemeinschaftsaufgabe Aufschwung Ost zu sprechen kommen. Verschiedene Informationen, die an mich seitens der Länder herangetragen wurden, sprechen vehement dagegen, diese Kürzung von 500 Millionen DM im Vergleich zum Vorjahr vorzunehmen. Eine Reihe von Ländern haben angeblich in ihren Haushalt Mittel eingestellt, die ungefähr der Höhe der Ausgaben des Jahres 1995 entsprechen - in der Erwartung, daß diese Mittel, weil der Bedarf nun einmal da ist, auch in 1996 eingestellt werden würden. Treten die Länder in dieser Hinsicht an Ihr Haus heran, um diesen Etat in entsprechender Weise aufzustocken?
Diese Regelung stellt ja auf eine 50/50-Finanzierung ab. Es gibt den Wunsch einiger Länder, den Etatansatz insgesamt nicht zu senken, ihn auf der alten Höhe zu lassen. Das aber ist aus fiskalischen Gründen nicht möglich gewesen. Das mag bedauerlich erscheinen, aber ich sage noch einmal: Es werden 7 Milliarden DM - 7 000 Millionen DM! - zur Verfügung gestellt. Das ist in der gegenwärtigen Haushaltssituation viel Geld. Man kann sich die Bereitstellung weiterer 500 Millionen DM wünschen - machbar war es nicht.
Bei allem Bedauern, das ich als Wirtschaftsminister ob dieser Kürzung empfinde: Daraus werden keine nachhaltigen Nachteile für ostdeutsche Unternehmen oder für Projekte, die auf dem Tisch liegen oder angedacht sind, entstehen.
Jetzt hat der Kollege Türk das Wort.
Herr Minister, es ist ja unbestreitbar ein Erfolg, daß ab 1996 die Mehrwertsteuer für einen Auftrag erst abgeführt werden muß, wenn die Rechnungen bezahlt worden sind. Gibt es eine Chance, diese Regelung dergestalt zu ändern, daß sie auch für Unternehmen mit mehr als 1 Million DM Jahresumsatz gilt? Diese Regelung hilft natürlich vielen, aber ein Bauunternehmer kann mit der Grenze von 1 Million DM nicht viel anfangen. Gibt es diesbezüglich eine Chance?
Herr Abgeordneter Türk, ob es eine Chance gibt, ist eine Frage, die an die Parlamentarier zu richten ist. Sicherlich gibt es eine Chance, aber sie ist nicht allzu groß. Denn wir haben ja die Umsatzgrenze, unterhalb der die Abführung erst bei Vorlage der Rechnung erfolgen muß, von 250 000 DM auf 1 Million DM erhöht. Das war ein großer Kampf. Ich bedanke mich gerade auch in Ihre Richtung für die Unterstützung, die wir in dieser Frage erhalten haben.
Mich haben viele Unternehmen wissen lassen, daß sie in dieser Vervierfachung der Umsatzgrenze eine große Hilfe sehen. Nun wollen wir erst einmal die fruchtbaren Wirkungen dieser Erhöhung abwarten.
Eine Zusatzfrage. Es ist unbestritten, daß die Existenz neuer Unternehmen auch davon abhängig ist, ob die erbrachte Leistung sofort bezahlt wird. Das verstehe ich unter Leistungsprinzip. Aber Sie wissen, daß die Schwierigkeiten mit diesem Problem wachsen. Sind Sie mit mir der Meinung, daß wir ernsthafte Schritte gegen diese wachsende Zahlungsunmoral unternehmen müssen?
Ich teile Ihre Auffassung, Herr Abgeordneter Türk. Die Bundesbehörden sind angewiesen, fällige Rechnungen unverzüglich zu bezahlen. Die Beschwerden gehen auch nicht in Richtung der Zahlungsmoral des Bundes, sondern in Richtung der Zahlungsmoral der Länder und der Kommunen. Aber man muß leider feststellen, daß auch die Zahlungsmoral der Privaten in den neuen Bundesländern außerordentlich schlecht ist. Das entbindet die öffentliche Seite nicht, Vorbild zu sein und die Rechnungen so zu bezahlen, wie sich das gehört. Da muß allgemein eine Kampagne gefahren werden.
Viele Handwerker klagen darüber, daß es in den neuen Bundesländern eingerissen sei, Rechnungen erst mit sehr großer Verzögerung zu bezahlen. Dann gibt es - wenn man so will - Liquiditätsprobleme; dann gibt es Kapitalprobleme. Das haben wir vorhin diskutiert.
Das Wort hat der Kollege Sperling.
Herr Minister, wenn ich Sie so höre, habe ich den Eindruck: Woran es besonders fehlt, ist die Risikobereitschaft der Banken.
Wäre es für die ostdeutsche Kreditwirtschaft deshalb nicht sehr viel besser, Sie würden in das Bankwesen zurückkehren und die Risikofreude, die Sie anderen predigen, dort selber darstellen und das Amt des
Wirtschaftsministers jemandem überlassen, der diese Risikofreude, die Sie dann zeigen würden, besser unterstützt als nur durch werbende Sprüche, die Sie den Banken zukommen lassen?
Herr Abgeordneter Sperling, diesem Vorschlag würde ich sehr gern nachkommen. Ich sehe mich für die neue Aufgabe aber nur dann richtig gerüstet und gewappnet, wenn ich vorher einen mehrere Monate umfassenden Kursus über Risikofreude, den Sie geben, absolvieren könnte.
- Aber Sie werden doch hier gebraucht, Herr Abgeordneter Sperling.
Das Wort hat jetzt der Kollege Hilsberg.
Herr Minister Rexrodt, wir hören mit Freude, daß Sie sich inzwischen auch der ostdeutschen Forschungslandschaft widmen wollen. Sie gehören einer Regierung an, die über weite Strecken mitverantwortlich dafür ist, daß der Anteil der ostdeutschen Forschungslandschaft im außeruniversitären Bereich auf einige wenige Prozente zusammengebrochen ist. Bekanntlich lassen sich zusammengebrochene Strukturen kaum oder gar nicht reaktivieren, d. h., man muß von vorne anfangen. Mit welchen Methoden wollen Sie zu einer überproportionalen Ausdehnung der ostdeutschen außeruniversitären Forschungslandschaft kommen?
Herr Abgeordneter, der erste Teil Ihrer Ausführungen war keine Frage, sondern eine Feststellung, die ich bitte zurückweisen darf.
Daß die ostdeutsche Forschungslandschaft in weiten Bereichen zusammengebrochen ist, liegt einfach daran, daß sie in ihrer gesamten Organisation und auch in ihren Inhalten nicht mit dem zusammenpaßte, was marktwirtschaftliche Strukturen verlangen. Das war eine auf eine in weiten Bereichen marode Kombinatswirtschaft zugeschnittene Forschungslandschaft, die in der Marktwirtschaft umgestaltet werden mußte. Dabei sind Hunderte von Millionen DM in die verschiedensten Bereiche, in Institute und auch in die neu gegründeten Forschungs-
GmbHs, geflossen, um wenigstens einen Kern der Forschungslandschaft zu erhalten. Ich glaube, das ist gelungen. Ich bin nicht ganz sicher, ob diese Zahl die allerneueste ist: Aber von zunächst 130 Forschungs-
GmbHs haben 70 den Durchbruch geschafft und sind auf marktwirtschaftliche Strukturen eingestellt.
Bundesminister Dr. Günter Rexrodt
Was jetzt im Osten Deutschlands anliegt - abgesehen von der Institutslandschaft, wo öffentliche Mittel in großem Umfang zur Verfügung stehen -, ist, daß in die bestehenden und neu entstandenen Unternehmen Forschungsabteilungen integriert werden, daß sie dort aufgebaut werden oder aber auch von Westdeutschland nach Ostdeutschland verlagert werden. Wir brauchen in den Unternehmen Forschungseinrichtungen, Forscher und Entwickler. Davon gibt es noch zuwenig. Das hat es in vielen ostdeutschen Kombinaten in dieser Form nicht gegeben. Das war separiert; das war in großen Forschungseinrichtungen zusammengefaßt, die beim Auseinanderbrechen der Kombinate einfach nicht mehr lebensfähig waren.
Wir müssen im Osten einen marktwirtschaftlichen Prozeß - natürlich durch eine öffentliche Forschungslandschaft flankiert - anstreben. Da sind wir trotz aller noch unbefriedigenden Ergebnisse auf einem guten Weg.
Vizepräsident Hans-Ulrich Klose: Ja, bitte.
Herr Minister, sind Sie der Meinung, daß die von Ihnen visierte Aufgabe erreichbar ist, ohne zusätzliche finanzielle Mittel zur Verfügung zu stellen? Wenn nein, möchte ich fragen: Wie erklären Sie es sich, daß die Koalitionsfraktionen es im Ausschuß für Bildung und Forschung abgelehnt haben, den Forschungshaushalt aufzustocken?
Ich halte diesen Weg, Herr Abgeordneter, ohnehin für einen Weg, den wir mit Erfolg gehen können; das ist nur eine Frage der Zeit. Ich sage Ihnen noch einmal: Was für Forschung und Entwicklung gerade für diese Institute zur Verfügung steht, ist ausreichend. Das kann und muß man nicht aufstocken. Aufstokken müssen wir bei dem Bereich, den ich eben angesprochen habe: der Förderung von Forschung und Entwicklung in kleinen und mittleren Unternehmen. Da würde ich mir eine Aufstockung wünschen und dankbar entgegennehmen. Ansonsten kommt es darauf an, daß entweder die noch vorhandenen oder neu entstandenen größeren Industriebetriebe von sich aus, aus eigenem Wachstum, aus eigener Kraft Forschungs- und Entwicklungsabteilungen aufbauen oder daß die überwiegend westdeutschen Zentralen Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten in den Osten verlagern.
Die Zeit für die Regierungsbefragung ist abgelaufen. Ich habe aber noch drei Wortmeldungen. Deshalb werde ich die Befragung um maximal 10 Minuten verlängern. Jetzt hat Kollege Ilte das Wort.
Herr Minister, ich komme auf Ihre Antwort auf die Frage des Abgeordneten Müller zurück. Habe ich Sie richtig verstanden, daß es die Auffassung der Bundesregierung ist, daß die Streichung von 20 Millionen DM für die Absatzförderung für Ostprodukte deshalb erfolgt ist, um 1999 die Maastricht-Kriterien zu erfüllen, und wenn dem so ist, teilt Ihre Auffassung auch der Finanzminister?
Herr Abgeordneter, das ist nun eine sehr verkürzte Interpretation. Die Kürzung ist vorgenommen worden, weil wir an vielen Stellen des Haushalts kürzen mußten, u. a. um die Kriterien von Maastricht zu erfüllen, Punkt.
Jetzt hat Kollege Pohler das Wort.
Herr Minister, wir beklagen immer - auch heute war davon die Rede - die geringe Risikobereitschaft der Banken bei der Kapitalvergabe. Wenn man mit den Banken spricht, beklagen diese wiederum fehlendes Management und anderes, was sie abhält, Kapital zu geben. Wie beurteilen Sie in diesem Zusammenhang das Pilotprojekt des sogenannten Runden Tisches, das in Leipzig unter Beteiligung der Banken, der IHK und auch von Betrieben durchgeführt wird, um dieses bestehende Manko auszugleichen und dann auch zu vernünftigen Kriterien zu kommen und das Risiko durch eine gute Beratung der Betriebe zu vermindern? Ist das ein gangbarer Weg, und wenn ja, welche Möglichkeit sieht die Regierung, diese Initiative zu unterstützen, um ähnliches an anderen Orten und in anderen Ländern zu fördern?
Herr Kollege, die Aussagen der Banken, aber nicht nur der Banken, daß viele Schwierigkeiten ostdeutscher mittelständischer und auch anderer Unternehmen auf mangelnde Erfahrung und mangelndes Managementwissen zurückzuführen sind, sind sicherlich nicht falsch. Man muß aber differenzieren. Viele - auch ich - kennen ungeheuer viele engagierte, mittlerweile auch erfahrene Unternehmer aus den neuen Bundesländern. Aber was Managementwissen angeht, kann und muß man viel tun. Da gibt es Beratungsprogramme, die öffentlich gefördert werden, da gibt es Patenschaften westdeutscher Unternehmen mit ostdeutschen Unternehmen, da gibt es Verbandsaktivitäten, IHK- Aktivitäten und vieles andere mehr. Da müssen viele Blumen blühen. Der Weg, den Sie beschrieben haben, daß man sich mit Verbänden, den Institutionen und den Banken an einen Tisch setzt, kann ein Weg unter vielen sein. Öffentliche Förderung solcher Aktivitäten ist meistens über Länderprogramme möglich. Ich finde das gut, und das soll so gemacht werden. Wie das am besten organisiert wird, sollte, glaube ich, nicht die Bundesregierung entscheiden, sondern sollten diejenigen vor Ort entscheiden, die ihre aktuellen und regionalen Probleme viel besser als wir hier in Bonn kennen.
Jetzt noch Kollege Sorge.
Herr Minister, ist Ihnen bekannt, daß in vielen Teilen der neuen Bundesländer die Kosten für Energie, für Abwasser und Wasser, aber auch die Gebühren wesentlich höher sind als in den alten Bundesländern? Befürchten Sie nicht, daß es dadurch zu einer Verzerrung des Wettbewerbs kommt und daß die mittelständischen Unternehmen, denen Sie bescheinigt haben, daß sie ein geringes Eigenkapital haben, dadurch überhaupt keine Chance haben, und ist Ihnen bekannt, daß sich dadurch auch Unternehmen aus den alten Bundesländern scheuen, in die neuen Bundesländer zu gehen?
Mir sind diese Probleme sehr wohl bekannt. Wir versuchen, unseren Teil dazu beizutragen, sie zu lindern. Nur ist das schwierig. Denn die meisten Gebühren werden von den Kommunen erhoben, einige auch von den Ländern und über den Bund so gut wie gar keine. Diese Frage müßte eigentlich, wenn ich mir erlauben darf, das zu sagen, Herr Kollege, an die Kommunen gerichtet werden. Es liegt im Ermessen und an der Wirtschaftsfreundlichkeit der Kommunen, wie sie die Gebühren für Wasser, Abwasser, Recyclingaufgaben, Transportaufgaben, Umweltschutzmaßnahmen und anderes mehr ansetzen.
Ein Problem gibt es - die diesbezügliche Kritik ist nicht immer bei den Kommunen abzugeben, aber auch -, das ist die Energieversorgung. Wir wissen sehr wohl, daß es Unterschiede gibt, die zwar nicht übermäßig gravierend sind, die aber ins Gewicht fallen und eine abschreckende Wirkung haben. Das sind die Stromkosten des großen Verbundunternehmens. Diese höheren Kosten sind erklärbar. Die Energieversorgung in Westdeutschland erfolgt zu weiten Teilen über bereits abgeschriebene Anlagen, während im Osten die Neuinvestitionen in sehr viel höherem Maße in den Strompreis eingehen. Das ist die Ursache.
Wir wirken mit allergrößtem Nachdruck auf die westdeutschen Verbundunternehmen, die Eigentümer der ostdeutschen Unternehmen sind, ein, alle Chancen auszunutzen, um die Strompreise im Osten so niedrig wie möglich zu halten. Das ist zu einem gewissen Teil gelungen; aber es bleibt an dieser Stelle noch einiges nachzuholen.
Herr Minister, Sie sprachen vorhin von der Förderung im Bereich der Forschung. Gibt es bereits Beispiele dafür, daß es bei den vorhandenen industriellen Forschungseinrichtungen der alten Bundesländer zu einer Verlagerung in die neuen Bundesländer gekommen ist?
Ja, Beispiele gibt es. Wenn Sie mich jetzt fragen, ob ich sie Ihnen aufzählen kann, dann muß ich Ihnen sagen, daß ich passen muß. Aber ich kann das gerne schriftlich nachholen.
Damit sind wir am Schluß angelangt. Das zweite Thema kann ich nicht mehr aufrufen. Die Regierungsbefragung ist beendet.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 2 auf: Fragestunde
- Drucksache 13/2407 -
Die Frage 1 zu dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern wird schriftlich beantwortet. Das gleiche gilt für die Frage 2 zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung auf. Zur Beantwortung steht Herr Staatssekretär Jung bereit.
Ich rufe die Frage 3 des Abgeordneten Dr. Wodarg, SPD, auf:
Auf welche Weise kontrolliert die Bundesregierung, ob und in welchem Umfang eines der wichtigsten Ziele der Pflegeversicherung, die bessere soziale Absicherung der Pflegepersonen, per Saldo erreicht wird?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Herr Abgeordneter Wodarg, die Bundesregierung teilt Ihre Einschätzung, daß die Beiträge zur Rentenversicherung für Personen, die zu Hause betreuen, ein Kernstück und damit auch ein wichtiges Ziel der neuen Pflegeversicherung darstellen. Wir sehen darin neben dem Pflegegeld in erster Linie einen wirksamen Beitrag für die Motivation zur häuslichen Pflege, zur Stärkung der Bereitschaft zur häuslichen Pflege und damit auch zur Durchsetzung des Grundsatzes des Vorrangs der häuslichen Pflege vor stationärer Versorgung. Der Grundsatz vom Vorrang der häuslichen Pflege entspricht auch den Wünschen der Pflegebedürftigen und der Wirklichkeit; denn 75 % der Pflegebedürftigen werden zu Hause gepflegt, nur 25 % müssen stationär im Pflegeheim versorgt werden.
Die Ausgestaltung der neuen Beitragsleistungen sind im Pflegegesetz detailliert geregelt. Die Beiträge sind von der Stufe der Pflegebedürftigkeit und vom Umfang der wöchentlichen Pflegeleistungen - wöchentlich wenigstens 14 Stunden, höchstens 28 Stunden - abhängig. Wir gehen davon aus, daß auf Grund dieser exakten gesetzlichen Vorgaben die Pflegekassen in der Lage sind, mit diesem neuen Instrument sachgerecht umzugehen. Zumindest gibt es keine gegenteiligen Feststellungen, keine Klagen und keine Schwierigkeiten.
Was die zahlenmäßigen Auswirkungen der Neuregelung angeht, so ist folgendes zu sagen: Die Leistungen zur häuslichen Pflege werden seit dem 1. April, also seit gut fünf Monaten, gewährt. Bisher haben wir etwa eine Million Leistungsempfänger nach dem neuen Pflegeversicherungsgesetz. Allerdings
Staatssekretär Karl Jung
liegen exakte Statistiken noch nicht vor. Deshalb kann im einzelnen nichts zu der Art und Weise der gewährten Leistungen und zu der Zahl der Leistungsempfänger gesagt werden.
Wir werden erst im nächsten Jahr eine exakte Stichtagserhebung haben, die dann über die Zahl derjenigen Auskunft gibt, die Pflegegeld und Sachleistungen in Anspruch nehmen, und auch über die Zahl derjenigen, denen diese Rentenleistungen gezahlt werden.
Aus der Vierteljahresausgaben- und -einnahmestatistik der Pflegekassen, die zum Juni dieses Jahres für die ersten drei Monate vorliegt, ist zu entnehmen, daß für den Bereich der Rentenversicherungsbeiträge im ersten Quartal 76 Millionen DM ausgegeben worden sind. Das sind etwa 25 Millionen DM für einen Monat. Bei einer durchschnittlichen Beitragshöhe von 400 DM, die sich aus den verschiedenen Beitragsklassen errechnen läßt, kann man von 62 500 Leistungsberechtigten ausgehen.
Zusatzfrage?
- Dann rufe ich die Frage 4 auf:
Wie verhält sich die Zahl der durch die Pflegeversicherung neu sozialversicherten pflegenden Angehörigen zur Zahl der durch die Pflegeversicherung neu entstandenen nicht versicherungspflichtigen Arbeitsplätze bei professionellen Anbietern von Pflegeleistungen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Zu der zweiten Frage, Herr Abgeordneter, können wir das Verhältnis leider nicht angeben, weil uns die Zahl derjenigen, die bei den ambulanten Pflegediensten beschäftigt sind, nicht bekannt ist. Wir haben bei diesen Pflegediensten einen großen Zugang. Es gibt insgesamt 7 000 Pflegedienste.
Aber die Zahl der dort Beschäftigten und auch die Art und Weise ihrer Arbeitsverhältnisse - Sie haben ja nach den dort nicht versicherungspflichtigen Beschäftigten gefragt - sind leider nicht bekannt. Da müssen wir die Pflegestatistik abwarten. Sie ist im Gesetz vorgesehen, aber deren Aufbau wird noch einige Zeit dauern.
Deshalb kann ich zum Verhältnis derjenigen, die häusliche Pflegeleistungen erbringen, dafür rentenversichert werden, zu denjenigen, die draußen bei den ambulanten Diensten beschäftigt sind, nichts sagen.
Zusatzfrage.
Bei meiner Frage ging es mir hauptsächlich darum, den Saldo zu erfahren. Wir haben zwar sehr viele Pflegepersonen, die sozial abgesichert sind. Wir beobachten aber auch, daß im Bereich der ambulanten Pflegedienste zunehmend nicht versicherungspflichtige Pflegende tätig werden. Das heißt, auf der einen Seite haben wir einen positiven Effekt, auf der anderen Seite haben wir zunehmend Menschen, die in der Pflege tätig sind, die nicht sozial abgesichert sind.
Ist es möglich, daß Sie, wenn Sie Ihren ersten Bericht in Kürze vorlegen, auch zu diesem Saldo etwas sagen, daß Sie beide Dinge gegenüberstellen? Welche Maßnahmen gedenken Sie zu ergreifen, um negative Effekte zu minimieren?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Zur Frage, was die Bundesregierung konkret tun kann: Sie haben in Ihrer ersten Frage davon gesprochen, welche Kontrollmöglichkeiten die Bundesregierung hat. Das Pflegegesetz wird von den Pflegekassen durchgeführt. Das sind selbständige Selbstverwaltungskörperschaften. Sie unterstehen zwar der Rechtsaufsicht - zum Teil der Länder, zum Teil des Bundesversicherungsamtes. Aber die Bundesregierung hat keinen unmittelbaren Einfluß auf die konkrete Leistungsgewährung.
Wir stehen allerdings im Kontakt mit den Spitzenverbänden der Pflegekassen. Dort wirkt man darauf hin, daß bei den Pflegediensten tunlichst nicht in die nicht versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse ausgewichen wird. Vielmehr sollte man schon bei der Zulassung im Versorgungsvertrag zur Leistungserbringung für die Pflegeversicherung darauf Wert legen, daß ordentliche, d. h. versicherungspflichtige Arbeitsverhältnisse abgeschlossen werden. Das ist eine Empfehlung der Spitzenverbände. Sie kann allerdings mit rechtlichem Zwang nicht durchgesetzt werden.
Zusatzfrage.
Können Sie sich vorstellen, daß es Auflagen, daß es Regelungen gibt, die diesen negativen Effekt, nämlich zunehmend Nichtversicherte im Bereich der professionellen Pflege, auffangen, und wie stehen Sie dazu?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter Wodarg, solange wir die Zulässigkeit der versicherungsfreien Beschäftigung, die sogenannten 580- DM-Verhältnisse, haben und solange aus der Beschäftigung derartiger Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter keine negativen Folgen auf die Qualität der Pflege ausgehen, kann man die Beschäftigung derartiger Mitarbeiter zwangsweise nicht verhindern. Wie gesagt, die Pflegekassen wirken darauf hin und haben auch Empfehlungen abgegeben. Aber rechtlich durchsetzbar ist dies nicht, weil es sich um eine erlaubte Art der Beschäftigung handelt.
Zusatzfrage dazu, Frau Ganseforth, bitte.
Herr Staatssekretär, werden Sie bei Ihren Daten auch ermitteln, ob und wie viele Personen bei der von Ihnen angesprochenen gewünschten Motivation in die häusliche Pflege
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4792 Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 57. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 27. September 1995
Monika Ganseforthhinein damit ihre Erwerbstätigkeit aufgeben? Wird dieser Switch, diese Zahl, auch ermittelt?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Soweit ich den Aufbau der Statistik kenne, ist die Frage nach der Aufgabe einer bisherigen Erwerbstätigkeit nicht vorgesehen. Allerdings setzt ja die Leistungsgewährung voraus, daß eine Erwerbstätigkeit neben dieser häuslichen Pflege, die mit den Beiträgen honoriert wird, 30 Wochenstunden nicht übersteigen darf. Insofern haben wir eine gewisse Beschränkung für die Vollerwerbstätigkeit. Aber wir wissen im Augenblick nicht, ob da Erwerbstätigkeit aufgegeben worden ist oder Teilzeitarbeit nebenher weiter geleistet wird. Das ist bisher in den statistischen Fragen nicht enthalten.
Keine Zusatzfrage. - Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung auf. Wir kommen zur Frage 5 der Kollegin Monika Ganseforth:
Wie viele Gäste und Soldaten werden jeweils anläßlich des Gelöbnisses von Heer, Luftwaffe und Marine in Neustadt am Rübenberge, Ortsteil Bordenau, erwartet, und wo werden die Soldaten untergebracht?
Frau Kollegin Ganseforth, am Gelöbnis nehmen voraussichtlich 282 Rekruten der drei Teilstreitkräfte, eine Ehrenkompanie des Wachbataillons in Stärke von 97 Soldaten und das Stabsmusikkorps der Bundeswehr mit 85 Soldaten teil. Neben dem benötigten Organisationspersonal des Wehrbereichskommandos II 1. Panzerdivision werden weitere 200 Soldaten als Gäste und Zuschauer erwartet. Insgesamt werden also zirka tausend Soldaten anwesend sein.
An zivilen geladenen Gästen rechnen wir derzeit mit rund tausend Personen. In dieser Zahl sind auch die etwa 600 Angehörigen der am Gelöbnis teilnehmenden Rekruten enthalten. Dazu kommen natürlich noch Zuschauer; vielleicht sind es 1 500 bis 2 000. Man kann also mit 3 500 bis 4 000 Teilnehmern rechnen. Das ist allerdings eine Schätzung.
Die auswärtigen Soldaten, die im Rahmen der Vorbereitung und Durchführung der Veranstaltung übernachten müssen, werden in Luttmersen beim Panzerbataillon 33 untergebracht. Die übrigen Soldaten übernachten an ihren Standorten.
Zusatzfrage.
Frau Staatssekretärin, Sie haben es schon angedeutet. Ich möchte noch einmal präzise fragen, wie der örtlichen Bevölkerung der Zugang dazu ermöglicht wird; denn sie wird ja durch diese Maßnahmen erheblich beeinträchtigt. Ich halte es für sinnvoll, daß sie zugelassen wird. Wie ist das gedacht?
Die Detailplanung wurde vorgestern, am 25., mit der Gemeinde und der Bundeswehr besprochen. Ich bin davon überzeugt, daß das so wie überall geregelt wird: Die Bevölkerung kann selbstverständlich dazustoßen. Im allgemeinen kommt die Bevölkerung gerne und empfindet das nicht als Belästigung, ganz im Gegenteil. Ich hoffe, daß es auch in diesem Ort keine größeren Beanstandungen geben wird.
Zusatzfrage.
Ich wüßte dann noch gerne folgendes. Da wird ja eine sehr große Zahl von Personen anwesend sein, mehrere tausend, wie ich es gehört habe. Es werden also keine Personen im Ort in Zelten untergebracht, sondern ich habe Sie so verstanden, daß sie in den Kasernen wohnen oder wieder nach Hause fahren werden. Wie wird die Beköstigung, die Verpflegung stattfinden?
Das ist alles bei der Besprechung am 25. September mit der Gemeinde genau erörtert worden. Ich kann Ihnen sagen, welche Orte die Bundeswehr in Betracht zieht. Das ist die Sporthalle der Scharnhorst-Schule in Bordenau, die Pausenhalle und der Schulhof dieser Schule, der Sportplatz Bordenau und der Festplatz Bordenau, außerdem das Erdgeschoß des Geburtshauses Schamhorsts und ein Teil des Gartens - letzteres natürlich mit Einverständnis der Eigentümer -, die Anmietung von Parkflächen bei privaten Grundeigentümern und die Sondernutzung an der Straße Am Dorfteich zwischen der Bordenauer Straße und der Straße Alte Mühle. Aber, wie gesagt, das wurde alles ganz genau mit der Gemeinde besprochen. Man ist im besten Einvernehmen, und man wird sich sicherlich gut einigen.
Keine Zusatzfrage. Dann rufe ich die Frage 6 der Kollegin Ganseforth auf:
Welche Kosten entstehen durch die Umbaumaßnahmen anläßlich des feierlichen Gelöbnisses, und wie wird gewährleistet, daß die betroffenen Vereine ihre Aktivitäten, z. B. Punktspiele, durchführen können?
Umbaumaßnahmen im Sinne fester Umbauten werden nicht vorgenommen. Im Rahmen der zeitlich begrenzten Maßnahmen zur Vorbereitung und Durchführung des Gelöbnisses ist geplant, Zelte und zerlegbare Tribünen für Besucher und Presse aufzubauen. Ferner sollen Flaggenmasten aufgestellt sowie der Sportplatz für die Veranstaltung z. B. durch den Abbau von Zäunen hergerichtet werden. Diese Maßnahmen werden auf das unbedingt Notwendige beschränkt.
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Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 57. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 27. September 1995 4793
Parl. Staatssekretärin Michaela GeigerDie Bundeswehr hat sich verpflichtet, die Anlage wieder so herzurichten, wie sie sie übernommen hat. Eventuelle Schäden werden von der Bundeswehr selbstverständlich beseitigt.Die Kosten für die Bewirtung der Gäste, Versicherungen, Wasser, Strom, Klein- und Verbrauchsmaterial sowie Anmietungen, z. B. der Sanitäreinrichtungen, werden derzeit auf knapp 40 000 DM geschätzt. Sie werden aber verstehen, Frau Kollegin, daß eine umfassende Kostenaufstellung erst nach der Veranstaltung möglich sein wird.Damit die Vereine ihre Aktivitäten, z. B. Punktspiele, durchführen können, hat der Vorbereitungsstab dem TSV Bordenau über den Ortsgemeinderat Bordenau angeboten, die Sportanlagen der umliegenden Bundeswehrliegenschaften zu nutzen. Dies haben die Vertreter des TSV Bordenau allerdings bisher abgelehnt. Die Bundeswehr konzentriert sich deshalb jetzt darauf, die für die Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung der Veranstaltung notwendigen Nutzungszeiten für die Anlagen so kurz wie möglich zu halten, um so die Belange der betroffenen Vereine zu berücksichtigen.
Eine Zusatzfrage.
Frau Staatssekretärin, ich wüßte gerne, ob nicht auch Sie es so sehen, daß es ziemlich schwierig ist, z. B. Rasenflächen, die im November in Mitleidenschaft gezogen werden, relativ schnell für Sportveranstaltungen wieder herzurichten. Wie soll das gewährleistet werden? Im Dorf wird darüber geredet, daß dann ein Ersatzrasen aufgelegt wird. Ist an so etwas gedacht?
Die Details dazu kann ich Ihnen nicht schildern. Andererseits kennen Sie ja den Grund: Der 12. November 1995 gilt als der 40. Geburtstag der Bundeswehr; außerdem ist der 12. November der Geburtstag von Scharnhorst. Diese beiden Ereignisse haben zu der Entscheidung geführt, das Gelöbnis in Bordenau durchzuführen. Ich glaube, das ist ein gutes Ereignis, ein gutes Datum. Wir werden versuchen, die Schäden so gering wie möglich zu halten. Da es eine einmalige Veranstaltung ist, hoffe ich auch, daß wir das Verständnis der Bordenauer haben.
Zusatzfrage.
Ich wüßte gern noch, ob und in welcher Form die Vereine, aber auch vor allen Dingen der Orts- und der Stadtrat in die Vorbereitung mit einbezogen wurden und inwieweit sie über das informiert wurden, was ansteht.
Soweit ich informiert bin, hat die erste Information schon am 4. Mai 1995 stattgefunden. Dabei wurde auch die Zustimmung
der Repräsentanten der Kommune eingeholt. Es gab dann im Laufe der Zeit weitere Abstimmungen; wie gesagt, die letzte fand am 25. August statt. Es erfolgte also alles in enger Abstimmung mit der Gemeinde und damit natürlich auch der Vereine. Es ist ja ganz klar, daß sie nicht gegeneinander arbeiten. Wir waren uns auch immer der Unterstützung der Kommune und der Repräsentanten der Kommune sicher. Ich hoffe, es wird eine harmonische Veranstaltung.
Keine Zusatzfrage. Ich danke Ihnen, Frau Staatssekretärin.
Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit. Die Fragen 7 und 8 werden schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich rufe dann den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Post und Telekommunikation auf. Die Fragen 9 und 10 wurden zurückgezogen; die Fragen 11 und 12 werden schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Wir kommen damit zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie. Die Fragen 13 bis 15 werden schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich rufe dann den Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes auf. Die Fragen 16 bis 20 werden schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Wir kommen damit zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen. Die Frage 21 wird schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich begrüße den Parlamentarischen Staatssekretär Herrn Dr. Faltlhauser und rufe die Frage 22 des Kollegen Hans Büttner, SPD, auf:
Hält die Bundesregierung einen Bundesminister, der mit seinem Amtseid geschworen hat, Schaden vom deutschen Volk abzuwenden, länger für tragbar, der durch seine Äußerungen zur Lira und dem belgischen Franc eine Spekulation in die Deutsche Mark und damit deren weitere Aufwertung ausgelöst hat, mit der Folge, daß Exporteure deutscher Produkte aus Mittelstand, Industrie und Landwirtschaft dadurch Verluste erleiden, die sich im Rahmen bestehender Kursabsicherungsmöglichkeiten nicht voraussehen lassen und dadurch eine weitere Gefährdung für Arbeitsplätze am Produktionsstandort Deutschland ausgelöst wurde?
Herr Kollege Büttner, Sie erlauben mir, daß ich die polemische Einleitung Ihrer Frage unbeachtet lasse und auf den Inhalt Ihrer Frage eingehe, der darauf abzielt, ob die angeblichen Äußerungen des Bundesfinanzministers in einer nichtöffentlichen Sitzung des Finanzausschusses und des Europaausschusses dieses Bundestages Schaden, und zwar nicht nur internationalen, sondern auch auf Deutschland rückwirkenden Schaden für die Arbeitsplätze, angerichtet haben. Lassen Sie mich dies in drei Teilen beantworten.
Parl. Staatssekretär Dr. Kurt Faltlhauser
Erstens eine Anmerkung zu dem Umstand der Veröffentlichung: Es handelte sich um eine interne Sitzung des Finanzausschusses gemeinsam mit dem Europaausschuß über die sehr ernste Frage der Erfüllung der Konvergenzkriterien nicht nur bei uns, sondern auch in anderen Ländern. Der Bundesminister der Finanzen hat dort einen sehr umfassenden Bericht vorgetragen, in dem er in keiner Weise irgendein Land apostrophiert oder irgendwelche Benotungen abgegeben hat. In der darauf folgenden Diskussion, die nicht zuletzt auch von den Kollegen Ihrer Fraktion angestoßen worden war, hat er auf konkrete Fragen in bezug auf Länder wie Italien und Belgien in vorsichtiger Weise, soweit es die Zahlen zuließen, geantwortet.
Ich halte eine derartige Diskussion in Fachgremien wie dem Finanzausschuß und dem Europaausschuß angesichts der Tatsache, daß wir vor konkreten Entscheidungen stehen, für dringend erforderlich. Daß in diesem Raum ein Mitarbeiter des Bundestages saB, um eine Pressemeldung zu erstellen, hat nicht nur mich, sondern alle, insbesondere auch den Vorsitzenden des Finanzausschusses, überrascht. Ich hoffe - das sage ich als Mitglied dieses Hauses -, daß daraus Konsequenzen gezogen werden. Es kann natürlich nicht sein, daß der Charakter von internen Sitzungen gewissermaßen offiziell vom Bundestag aufgehoben wird.
Über die Art der Berichterstattung und über das Mißverständnis, das durch diese Art der Berichterstattung aus dem Bundestag ausgelöst wurde, will ich mich nicht weiter äußern.
Ich fasse zusammen: Das, was der Minister vorsichtig und klug abgewogen berichtet und dargelegt hat, fand den Beifall des gesamten Ausschusses, insbesondere auch Ihrer Kollegen aus der SPD-Fraktion. Ich hätte es für klug gehalten, daß Sie sich, bevor Sie diese Frage gestellt haben, mit Ihren SPD-Kollegen, die dabei waren, abgestimmt hätten.
Zweitens. Es gibt gar keinen Zweifel darüber, daß diese Veröffentlichung in Italien, aber auch anderswo gewisse Aufregungen verursacht hat. Ob dies Aufgeregtheiten waren, die im Grunde nicht notwendig waren, will ich hier nicht werten. Nur müssen wir alle in Europa uns daran gewöhnen, daß wir über die Konvergenzkriterien und ihre Einhaltung offener und ehrlicher auch in der Öffentlichkeit diskutieren. Das, was jetzt an Reaktionen auf die Pressemeldung geschehen ist, ist nicht unbedingt ein gutes Anzeichen für eine derartige offene, klare und sachorientierte Diskussion.
Drittens. Die Rückwirkung auf die Bundesrepublik Deutschland, die Sie in Ihrer Frage unterstellen, war ein kleiner Ausschlag des Kurses der Lira. Mit dem Kurs der Lira haben wir ohnehin schon große Probleme gehabt. Grundlage der entsprechenden Kursentwicklung sind immer - das ist eine uralte Erkenntnis - die tatsächlichen wirtschaftlichen Gegebenheiten und nicht minimale Schwankungen durch Äußerungen oder Aufgeregtheiten an dem einen oder anderen Tag.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, Ihre Äußerung, daß solche Einflüsse angesichts der Situation auf den Währungsmärkten ohne Wirkung blieben, geht an der Tatsache vorbei, daß sich Firmen zwar gegen langfristige Entwicklungen durch Derivate und andere Geschäfte absichern können, nicht aber dagegen, daß durch solche Äußerungen auf Grund der Finanzmarktsituation schnelle Änderungen eintreten.
Deshalb meine Frage: Sehen Sie nicht die Problematik, die dadurch entsteht, gegen die sich Firmen nicht absichern können und die zu erheblichen Verlusten bei deutschen Unternehmen führt? Ich erinnere daran, daß die Spekulation Soros' vor zwei Jahren allein der deutschen Automobilindustrie 4 Milliarden DM Verluste eingebracht hat.
Herr Kollege Büttner, ich wiederhole das, was ich bereits gesagt habe. Die Währungsrelationen fußen auf den wirtschaftlichen Bedingungen in den verschiedenen Ländern. Es kann ein, zwei Tage auf Grund aller möglichen, von uns nicht vorausberechenbaren Gegebenheiten, Äußerungen oder Aufgeregtheiten irgendwelche Ausschläge geben, aber die Fundamente werden dadurch sicherlich nicht beeinträchtigt. So ist es wohl auch in diesem Fall.
Zweite Zusatzfrage.
Wenn ich Ihre Antwort und auch die Äußerungen von Herrn Finanzminister Waigel richtig verstanden habe, war das - um es vorsichtig auszudrücken - ein verklausuliertes „Nein" oder „Jetzt noch nicht", was die Lira und den belgischen Franc angeht. Der Bundeskanzler hat auf Mallorca - auch das vorsichtig interpretiert - zumindest wieder ein verklausuliertes „Ja, aber" ausgedrückt. Was gilt nun eigentlich?
Herr Kollege Büttner, wir sollten nicht von diesem Ort aus für weitere Mißverständnisse und Aufgeregtheiten Anlaß geben. Für die Beurteilung der Kriterien und ihrer Einhaltung und insofern für die Voraussetzungen zum Eintritt in die dritte Stufe der Währungsunion gibt es nach dem Maastrichter Vertrag eine präzise Vorgabe in Zahlen, die ungewöhnlich detailliert in den Anlagen dieses Vertrages niedergelegt ist. Es gibt auch eine ganz präzise Vorgabe, welche Institutionen diese Kriterienprüfen.Wir als Bundestag - ich erinnere daran - haben dies damals ausdrücklich durch die Aussage ergänzt, daß der Bundestag in eine eigenständige Prüfung eintritt. Vorfestlegungen gibt es mit Sicherheit nicht. Kein Mitglied dieser Bundesregierung wird seiner-
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Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 57. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 27. September 1995 4795
Parl. Staatssekretär Dr. Kurt Faltlhauserseits von Deutschland aus sagen: Dieser darf, jener darf nicht. Das ist eine Gemeinschaftsaktion auf der Basis objektiver Kriterien.
Zusatzfrage, Herr Kollege Fischer.
Herr Staatssekretär, gestatten Sie mir dennoch die Frage, ob Sie denn die von Ihrem Minister im Finanzausschuß in nichtöffentlicher Sitzung - die nun aus den genannten Gründen öffentlich geworden ist - geäußerte Meinung heute noch teilen?
Ich darf erstens darauf hinweisen, Herr Kollege Fischer, daß ich nicht bestätigt habe, daß das, was vom Bundestag veröffentlicht wurde, so vom Minister gesagt wurde. Zweitens ist Ihnen anheimgestellt, sich die gegenwärtige Konvergenzlage in Italien anzuschauen und dann Spekulationen darüber anzustellen, welche Chancen dieses Land hat, bis 1997 oder 1999 die entsprechenden Kriterien zu erfüllen. Das überlasse ich Ihrer persönlichen Interpretation. Aber vor allem überlasse ich das - wie ich gerade schon dargelegt habe - der Interpretation der dafür genannten Institutionen zum richtigen Zeitpunkt.
Zusatzfrage, Frau Kollegin Dr. Höll.
Herr Staatssekretär, Sie haben in Ihrer Antwort angesprochen, daß sich aus der letzten Sitzung des Finanzausschusses Konsequenzen ergeben müssen. Heißt das auch, daß der betreffende Mitarbeiter entlassen wird, wie es Gerüchte besagen, oder können Sie das dementieren?
Das ist ein Mißverständnis. Es ist gut, daß Sie mich fragen. Ich habe hier nicht als Vertreter des Finanzministers über Positionen innerhalb des Bundestages zu urteilen. Das ist Sache des Haushaltsausschusses und des Bundestages insgesamt. Ich meine nur, daß ein derartiges Mitschreiben in nichtöffentlichen Sitzungen so nicht fortgeführt werden kann. Ich werde als Vertreter des Finanzministeriums im Finanzausschuß, soweit die Sitzung geschlossen ist - wir haben ja jetzt neue Bedingungen -, immer fragen, ob einer da ist, der professionell mitschreibt. Wenn einer professionell mitschreibt, werde ich mich anders einlassen als in einer geschlossenen Sitzung. Das ist eine der konkreten Konsequenzen, die ich daraus ziehen werde.
Es gibt keine weitere Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 23 des Kollegen Büttner auf:
Ist die Bundesregierung bereit, nach dieser jüngsten, weitgehend nicht von Wirtschaftsdaten verursachten Währungsturbulenz, endlich Schritte zu ergreifen, um wenigstens zwischen den Währungen der dominierenden Wirtschaftsnationen USA, Japan und Deutschland zu stabileren Kursrelationen zu kommen?
Bitte, Herr Staatssekretär.
Herr Kollege Büttner, Sie zielen in Ihrer Frage auf die Währungsrelationen zwischen Deutschland, Japan und den USA ab. All das, was wir hier besprochen haben, hat mit diesen Dingen sicherlich nichts zu tun. Die Währungsrelation des Dollars ist - jetzt muß ich vorsichtig sein, damit das nicht wieder etwas auslöst - durch größere Diskussionen über die Glaubwürdigkeit des Konsolidierungsprozesses im Zusammenhang mit dem amerikanischen Haushalt beeinflußt worden. Die Yen-Entwicklung ist - das ist für jeden Experten erkennbar - sehr stark von den negativeren Konjunkturauspizien in Japan beeinflußt gewesen. Gegen derartige große Grundwogen können auch wir bei aller Aufgeregtheit nicht ankommen.
Zusatzfrage.
Entgegen Ihrer Auffassung gibt es sehr wohl ernstzunehmende Wissenschaftler und auch Politiker, die gerade die Schwankungen zwischen den großen Währungen als wesentliche Ursache für Währungsturbulenzen ansehen, die nachteilige Auswirkungen auf die wirtschaftliche Entwicklung haben.
Meine Frage dazu: Wie steht die Bundesregierung zu dem Vorschlag des Professors der Stanford-Universität, Ronald McKinnon, gerade die drei Ankerwährungen D-Mark, Yen und US-Dollar künftig auf der Ebene der Preissteigerungsraten für handelbare Güter festzuzurren, damit sie nicht mehr diesen Schwankungen unterliegen, so daß weltweit der Wirtschaft eine größere Stabilität gegeben wird?
Herr Kollege Büttner, dies öffnet die Türe zu einer uralten Grundsatzdiskussion: feste Wechselkurse, freie Wechselkurse, Wechselkurse innerhalb von Korridoren, angebundene Wechselkurse. Wenn Sie mich persönlich fragen: Ich halte von dem abenteuerlichen Versuch, die Wechselkurse der USA, Japans und der Bundesrepublik Deutschland gewissermaßen festzuzurren - an welchem Indikator auch immer -, überhaupt nichts, weil dies der wirtschaftlichen Leistungskraft und der Entwicklung der Länder abträglich wäre. Dieser Versuch - auch wenn er von einem hochwohllöblichen Professor der USA vorgeschlagen wurde - würde sicherlich scheitern.
Zusatzfrage.
Darf ich daraus schließen, daß die Bundesregierung kein Interesse daran hat, wenigstens bei den wichtigsten Währungen zu stabileren Kursverhältnissen zu kommen?
Das ist eine ganz andere Frage, Herr Kollege. Um die Währungsrelationen
Parl. Staatssekretär Dr. Kurt Faltlhauser
zwischen den Ländern zu stabilisieren, gibt es ein klassisches Schulbeispiel innerhalb dieses überschaubaren Bereichs Europa, nämlich den Versuch einer Währungsunion, indem man stufenweise zunächst wirtschaftliche Konvergenz mit allen möglichen Kriterien herstellt, die Sie alle genau kennen, und dann versucht, eine Währungsunion zu bilden, die selbstverständlich als Grundvoraussetzung eine Wechselkursunion hat, also irreversibel festgezurrte Wechselkurse. Das ist das Schulbeispiel, wie man es eigentlich machen muß. Entsprechend müßten die Konvergenzkriterien zwischen Japan, den USA und Europa oder Deutschland zunächst einmal abgeglichen werden.
Sie sehen die Schwierigkeiten, die wir in Europa haben, die wir überwinden wollen und werden. Um so schwieriger werden sie zwischen den USA, Japan und Deutschland zu überwinden sein. Dies wird ein langer und weiter Weg.
Keine Zusatzfragen. Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär.
Die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr - das sind die Fragen 24 bis 29 - werden schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Damit ist die Fragestunde beendet. Ich rufe den Zusatzpunkt 1 auf:
Aktuelle Stunde
auf Verlangen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Aktuelle Schwierigkeiten des europäischen Einigungsprozesses und die Haltung der Bundesregierung
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Kollege Lippelt, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ein Familientreffen sollte der Gipfel auf -Mallorca wohl werden,
eine Fortsetzung der Kamingespräche in Essen.
Der erste Bericht der Reflexionsgruppe liegt vor. Über eine Bestandsaufnahme geht er nicht hinaus. Weisungen, zumindest aber eine Meinungsbildung im Rahmen der Regierungschefs waren sehr gefragt, statt dessen nun eine massive Krise der EU,
ausgelöst durch Ihren Finanzminister, der so eben mal die Währungskurse purzeln ließ, ausgelöst durch den französischen Präsidenten, der der Welt nukleare Stärke vorführt, obwohl diese davon längst nichts mehr wissen will, der kurz einmal aus dem
Schengener Abkommen aussteigt und sich über dänische und österreichische Einwände lustig macht.
- Ja, das ist nun einmal meine Sache; Sie werden sehr schnell da nachkommen.
Herr Bundeskanzler, Sie haben als Resultat verkündet: 1996 werden wir Maastricht II machen, im Frühjahr 1997 ist der Revisionsprozeß abgeschlossen.
Das ist keine Neuigkeit; als wenn wir diese frommen Sprüche nicht schon lange kennten. So hat dieses denn auch mehr den Charakter einer Beschwörung, mehr den Charakter einer Schönfärberei, die über die real existierende Krise hinwegtäuscht. Weil das so ist, hätten wir heute ganz gern auch Sie, Herr Bundeskanzler, hier gehört, nicht nur Herrn Hoyer, der schon bereitsitzt.
- Natürlich ist Herr Hoyer gut; aber was Herr Hoyer meint, wissen wir aus dem Bericht der Reflexionsgruppe.
Herr Bundeskanzler, da die beruhigenden Sprüche von Ihnen kommen, hätten wir gern von Ihnen gehört, wie Sie mit dieser Krise umgehen, wie Sie sich den Fortgang der Europapolitik vorstellen. Denn wir müssen uns nun angesichts solcher Schönfärberei wirklich fragen, ob nicht die Parlamente in die intergouvernementalen Gespräche eingreifen sollten. Deshalb haben wir diese Aktuelle Stunde beantragt. Eigentlich wäre es Ihre Sache gewesen, von vornherein eine Regierungserklärung anzukündigen, was Sie nicht getan haben.
Aber die Aktuelle Stunde ist ja für uns eine Möglichkeit, Sie zu veranlassen, sich hier zu äußern.
Wir hätten gern folgende Frage diskutiert: Verbirgt sich eigentlich hinter den starken Worten unseres Finanzministers und hinter der Antwort, wie der französische Ministerpräsident Juppé sie mit dem Hinweis gibt, daß, wer die Währungsunion nicht wolle, nur solche starken Worte gebrauchen müsse, wie der Finanzminister sie gebraucht habe, nicht längst schon der Ausstieg aus den Illusionen der Währungsunion? Soll es denn nun etwa eine luxemburgischdeutsche Währungsunion werden? Wenn es mehr
Dr. Helmut Lippelt
werden soll, frage ich: Warum gibt es dann nicht parallelgeschaltete Wirtschaftspolitiken, die doch die Voraussetzung dafür sein müssen, um überhaupt in die Nähe der Erfüllung dieser Kriterien zu kommen?
Ist nicht richtig, was die „Herald Tribune" geschrieben hat, wenn sie heute einen Brüsseler Spitzenbeamten mit den Worten zitiert: „Wenn die deutsch-französische Zusammenarbeit nicht mehr länger funktioniert, dann ist, ob wir es wollen oder nicht, die Europäische Union gefährdet"? Wir brauchen nur den Artikel in der „Herald Tribune" nachzulesen, um in die Tiefen der Zerwürfnisse hineinzublicken, die im Moment bestehen.
Wird es deshalb nicht Zeit, einmal grundsätzlich die Frage zu diskutieren, Herr Lamers, ob denn das hochgehaltene Prinzip „Vertiefung vor Erweiterung" noch richtig ist oder ob wir nicht in lange Verschiebungsprozesse hineinkommen, die die assoziierten Staaten lange, lange im Regen stehen lassen? Wer die polnischen Reaktionen auf den Besuch Santers in Warschau studiert, wird erneut auf die immer wieder von Polen, Ungarn und Tschechien vorgetragene Forderung stoßen, daß die assoziierten Länder schon jetzt an der Debatte über die zukünftige Gestaltung der Union als Beobachter oder Berater teilnehmen möchten. Aber sie müssen in der Lage sein, ihre Probleme und ihre Vorstellungen einzubringen. Gerade im Moment der Krise in der EU, gerade in dem Moment, da den EU-Regierungen doch nun endgültig bewußt werden muß, daß ihre Zeitpläne und deren voraussehbare Verzögerung auch Gesamteuropa gefährden, sollten wir den Weg nach vorn suchen. Das aber bedeutet: Es wird höchste Zeit, die bequeme Illusion zugunsten eines vielleicht noch möglichen Gesamteuropas aufzugeben. Denn die zentrale Frage lautet nicht: Währungsreform sofort oder später. Die zentrale Frage lautet, ob wir das noch mögliche Gesamteuropa herbeiführen oder nicht.
Das Wort hat der Kollege Friedrich Merz, CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Lippelt, lassen Sie mich mit dem Letzten beginnen, was Sie gesagt haben. Ich unterstelle, es war ein Versprecher, aber wir sollten auch solche Versprecher vermeiden. Das Ziel lautet nicht: europäische Währungsreform, sondern Europäische Währungsunion.
Es ist für den Sprachgebrauch außerordentlich wichtig, daß wir uns daran halten.
Sie haben fünf Minuten Zell gehabt, die „massive Krise" der Europäischen Union zu begründen. Ich frage mich: Was hat er eigentlich gesagt, und wo liegt die Krise, meine Damen und Herren?
Passiert ist in der letzten Woche etwas, was sich in allen Ländern der Europäischen Union tagtäglich ereignet, nämlich daß über die anderen in nichtöffentlicher Sitzung gesprochen wird. Ich sage Ihnen: Es muß doch im Interesse der Opposition sein, daß in nichtöffentlichen Sitzungen des Deutschen Bundestages der Finanzminister der Bundesrepublik Deutschland auf deren Befragen hin - es waren Fragen aus den Reihen der SPD und der Grünen - Antworten gibt, wie er die Lage in anderen Ländern der Europäischen Union einschätzt. Dies muß doch noch möglich sein in Deutschland, ohne, daß anschließend gleich in Europa eine Krise an die Wand gemalt wird.
Nein, wir haben keine Krise, sondern es gibt Fortschritte bei der sehr ernsthaften Entwicklung in der Europäischen Union hin zur Vertiefung und, Herr Lippelt, zur Erweiterung.
Meine Damen und Herren, für die Bundesrepublik Deutschland und auch für die Koalitionsfraktionen ist nie streitig gewesen, daß es einen klaren Zeitplan gibt. Aber es gibt auch die klare Priorität: Stabilität vor Zeitplan.
Dieses ist nie bestritten worden.
Im übrigen hat das der Bundeskanzler mehrfach von dieser Stelle aus gesagt, und so hat es der Bundesfinanzminister letzte Woche im Finanzausschuß gesagt. Wir befinden uns, wenn wir dies aus den Reihen der Koalitionsfraktionen heraus so sehen, in guter Gesellschaft. Denn, meine Damen und Herren, auch der Präsident des Europäischen Währungsinstitutes Herr Lamfalussy, mit Sitz in Frankfurt stellt klar die Priorität fest: Stabilität vor Zeitplan. Deshalb weiß ich nicht, wo die Krise liegt.
Im übrigen ist die Aufgabenverteilung nach dem EG-Vertrag in der Gemeinschaft klar. Jedes Land in dieser Gemeinschaft muß seine Hausaufgaben machen, jedes Land für sich allein. Die Bundesrepublik Deutschland erfüllt seit einigen Monaten die Konvergenzkriterien. Wir können stolz darauf sein, daß das so ist. Es wird auch in der Zukunft Anstrengungen erfordern, die Konvergenzkriterien weiterhin zu erfüllen. Diese Anstrengungen wollen wir unternehmen. Jedes andere Land muß dies nach dem Vertrag auch so tun. Darauf hinzuweisen, Herr Kollege Lippelt, kann doch keine Krise in der Europäischen Union auslösen.
Für uns ist klar, daß am Ende des Prozesses, und zwar nach dem Zeitplan, wie er im Vertrag vorgesehen ist, diejenigen Institutionen die Beurteilung abgeben, die dazu aufgerufen sind. Das sind die EG- Kommission, das Europäische Währungsinstitut und der Rat der Finanzminister in der Europäischen Union. Dieses sind die Gremien, in denen die Beurteilungen stattzufinden haben.
Ich sage Ihnen: Wir wollen die Europäische Währungsunion spätestens im Jahr 1999, zum Jahreswechsel 2000, verwirklichen. Wir wollen dies nicht nur, um die Einigung Europas voranzubringen. Wir wollen dies nicht nur, weil wir aus ökonomischen
Friedrich Merz
Gründen die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Volkswirtschaften stärken wollen, z. B. gegenüber dem Dollarraum oder auch gegenüber der asiatischen Konkurrenz.
Wir wollen dies auch, weil wir wissen, daß die Bundesrepublik Deutschland überfordert wäre, mit einer D-Mark als de facto europäischer Währung Währungspolitik für die gesamte Europäische Union zu machen. Damit wären wir überfordert, und damit wäre auch die Deutsche Bundesbank überfordert.
Deswegen wollen wir in Europa eine Stabilitätsgemeinschaft errichten, eine Europäische Wirtschafts- und Währungsunion, an der alle teilnehmen können, die die strengen Kriterien des Maastricht-Vertrages erfüllen. Wir sind stolz darauf, daß wir es heute tun. Wir freuen uns über jeden, der auf diesem Weg mitmacht.
Herzlichen Dank.
Das Wort hat die Kollegin Heidemarie Wieczorek-Zeul, SPD-Fraktion.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auf dem außerordentlichen EU- Gipfel von Mallorca war es symptomatisch und symbolisch, daß die Regierungschefs anschließend sehr individuell informiert haben, sehr individuell im Hinblick auf die jeweilige nationale Situation in ihren Ländern. Es sind, wie alle Bewertungen zeigen, offene Fragen übrig geblieben. Auf dem Gipfel sind keine Fragen beantwortet worden, um nun wissen zu können, auf welcher Basis die weitere europäische Integration im Vorfeld der Überprüfungskonferenz voranschreitet.
Ich denke, es stellt sich immer wieder eine Frage, die ich schon mehrfach gestellt habe. Seit es die neue französische Regierung gibt, gibt es auch eine Veränderung ihrer Europapolitik. Ich nenne nur die Stichworte „nationalistische Rücksicht auf Le Pen und seine Leute oder Partnerländer vor vollendete Tatsachen stellen - Stichwort: Atomwaffentests. An der Stelle noch einmal - wir werden am Freitag noch einmal eine Debatte darüber haben -: Ich finde, daß es ein Armutszeugnis ist, daß, wenn aus Frankreich angekündigt ist, daß ein solcher Test in dieser oder der nächsten Woche stattfindet, es die Regierungschefs nicht schaffen, gemeinsam die französische Regierung aufzufordern, solche Tests zu unterlassen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, zu den Veränderungen gehört auch, daß z. B. die zugesagte Veränderung an den Grenzen, nämlich keine Grenzkontrollen von Frankreich aus mehr durchzuführen, für das nächste Jahr nicht vollzogen wird. Das heißt, auch in diesem Bereich wird eine Linie durchbrochen, deren Einhaltung bisher zugesagt worden war.
Wenn man dann sieht, daß die Bundesregierung mit einem trampeligen Verhalten vor dem Gipfel und nach dem Gipfel die Schwierigkeiten sozusagen noch erhöht, dann muß man sagen: Es muß einem wirklich angst um die weitere europäische Entwicklung sein. Ich möchte heute hier von der Bundesregierung, auch vom Bundeskanzler, wissen: Welche konkreten Festlegungen für die Überprüfungskonferenz sind getroffen worden? In einem Vierteljahr soll es losgehen. Auf welches Ziel hin wird verhandelt? Wie wird die Bevölkerung einbezogen? Will die Bundesregierung denn die Stabilitätskriterien aus politischen Rücksichtnahmen aufweichen? Dann soll sie es hier sagen, vor den Deutschen Bundestag treten und in dieser Frage Position beziehen.
Was soll gemacht werden, um die Rechte des Europäischen Parlaments zu stärken? Wie soll denn die große Frage der Erweiterung der Europäischen Union vorbereitet werden und vor allen Dingen die Einbeziehung der mittel- und osteuropäischen Länder finanziert werden? Kohl sagt: Für die EU steht nicht mehr an Finanzmitteln zur Verfügung. Bitte - so sagen wir -, dann muß aber auch gesagt werden, daß der Agrarhaushalt, der 49 % ausmacht, um die Hälfte reduziert werden muß, damit die Vorbereitung der Aufnahme mittel- und osteuropäischer Länder aus den Mitteln der Europäischen Union finanziert werden kann. Ich bitte jetzt endlich einmal um konkrete Antworten auf Finanzfragen, die die Menschen in der Bundesrepublik und in Europa wirklich interessieren. Was schlägt eigentlich die Bundesregierung vor, damit die Stagnation im deutsch-französischen Verhältnis tatsächlich überwunden wird?
- In der Beziehung bin ich wirklich die falsche Adresse.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich sage jedem einzelnen von Ihnen: Ich freue mich, daß ich Sie lebend wiedersehen kann, und ich hätte mich gefreut, wenn der eine oder andere von Ihnen in dieser Form auf mich zugekommen wäre und nicht die Häme in einer solchen Situation auch noch den zwischenmenschlichen Umgang prägte.
Aber zur Sache selbst: Wir meinen, daß es darum geht, jetzt vor allen Dingen einen europäischen beschäftigungspolitischen Pakt zu schließen, ihn national zu untermauern, ihn durch die eigene praktische Politik zu untermauern und damit die Punkte aufzugreifen, die Jacques Delors in seinen Initiativen angesprochen hat. Eines der Probleme des Rückfalls in Nationalismus ist doch, wie es auch schon in den zwanziger und dreißiger Jahren
Heidemarie Wieczorek-Zeul
war, die dramatisch anwachsende Arbeitslosigkeit und die Tatsache, daß in dieser Situation alle Länder auf Nationalismus, auf das Exportieren von Arbeitslosigkeit zurückgreifen. Der Kern der Krise in der Europäischen Union ist, daß in diesem Bereich keine gemeinsame Politik betrieben wird, um Arbeitslosigkeit zu bekämpfen: Wenn man im Kern anfangen will, muß man deshalb in dieser Richtung Schwerpunkte setzen. Ich warte auf die Vorschläge, die von seiten der Bundesregierung kommen.
Ich bedanke mich sehr herzlich bei Ihnen.
Das Wort hat der Kollege Helmut Haussmann, F.D.P.-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Klar ist aus Sicht der F.D.P.: Es muß möglich sein, daß der jeweilige Ressortminister in den Fachausschüssen eine Auskunft über den Vertrag gibt. Herr Waigel hat gesagt: Beim jetzigen Stand in bezug auf Erfüllung der Konvergenzkriterien gibt es einzelne Mitgliedstaaten, die an der Währungsunion nicht teilnehmen könnten.
Es war ja keine diplomatische Meisterleistung nach außen gefordert; er will ja auch nicht Außenminister werden.
Das war eine klare, verläßliche Auskunft des Finanzministers. Wir setzen uns dafür ein, daß das auch in Zukunft so bleibt.
Zur Sache selbst: Es herrscht aus Sicht der F.D.P. überhaupt kein Zweifel, daß es einen sehr engen Zusammenhang zwischen Währungsunion und Politischer Union gibt.
Schon deshalb ist der Zeitpunkt 1999 so wichtig. Wer 1999 in Frage stellt, stellt natürlich auch die nächsten Fortschritte bei der Politischen Union in Frage. Ich wehre mich gegen Aussagen von Sprechern der deutschen Industrie und der Opposition, die ihr schlechtes Gewissen - sie haben bisher zuwenig für die Aufklärung der Bevölkerung, für die Werbung für eine europäische Währung getan - beruhigen, indem sie dafür eintreten, das Projekt zu gegebener Zeit zu verschieben.
Der Bundeskanzler hat klar gesagt: Stabilitätskriterien und Zeitplan gehören zusammen. Herr Merz, ich sehe keine Vorrangstellung des einen. Genauso
weise ich die Aussagen aus Brüssel zurück, wonach der Zeitplan Vorrang vor der Einhaltung der Kriterien hat. Weder werden die Kriterien verwässert, noch wird der Zeitplan nicht eingehalten. Der Zeitplan ist Vertragsbestandteil, meine Damen und Herren.
Wir wollen Stabilität jetzt und nicht erst im Jahr 2002. Wer 1995 den Zeitplan für 1999 in Frage stellt, nimmt den innenpolitischen Druck in allen EU-Staaten weg,
sorgt dafür, daß in Frankreich und anderen Ländern die Kriterien nicht eingehalten werden und macht damit die Währungsunion mangels Teilnehmern tot, mit allen Folgen für die Politische Union. Das ist der Zusammenhang.
Der wirkliche Wahrer der D-Mark ist derjenige, der nicht nur die Stabilitätskriterien verteidigt, sondern auch alles tut, damit der Zeitplan 1999 eingehalten werden kann.
Nun höre ich eben über die Medien, daß Herr Schröder dem ganzen einen neuen Touch gegeben hat, indem er gesagt hat: Eine europäische Währung kann und darf es nur geben, wenn Rom und London teilnehmen. Das ist völlig außerhalb des Vertrags von Maastricht. Das ist die neue europäische Währung aus niedersächsischer Sicht.
Ich nehme an, daß sich die Finanzmärkte auf Grund dieser Äußerung von Herrn Schröder nicht beunruhigen lassen. Wir können das nur hoffen.
Ich möchte also für die F.D.P. zusammenfassen: Währungsunion führt zur Politischen Union. Beides ist wichtig, beides ist erreichbar. Es ist auch nicht so, wie es heute in einer führenden Tageszeitung in Deutschland dargestellt wird, wonach 1999 kein Fixpunkt ist. Die Festlegung auf 1999 ist Vertragsbestandteil. Wer den Zeitpunkt 1999 ändern will, der braucht eine einstimmige Vertragsänderung. Die F.D.P. bleibt vertragstreu und wird dafür sorgen, daß nicht nur die Konvergenzkriterien eingehalten werden, sondern auch baldmöglichst die Voraussetzungen geschaffen werden, damit der Zeitplan 1999 eingehalten wird.
Die gesamte Welt globalisiert und internationalisiert sich. Es wäre ein Witz, wenn Europa auf dem Weg zur Renationalisierung wäre. Das Gegenteil der Währungsunion sind nämlich ein Abwertungswettlauf und neue Massenarbeitslosigkeit in Europa. Wenn in Deutschland der Zusammenhang zwischen
Dr. Helmut Haussmann
Währungsunion und Beschäftigungspolitik nicht stärker herausgestellt wird, werden wir die Bevölkerung für dieses schwierige Unternehmen nicht überzeugen können.
Ich bedanke mich für Ihr Interesse.
Das Wort hat der Kollege Müller, PDS.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Was der Kollege Waigel gar nicht gesagt haben will oder doch zumindest nicht so gesagt haben will, jedenfalls nicht so gemeint haben will, also das, was er auf keinen Fall veröffentlicht sehen wollte, hatte ein Nachspiel weniger für ihn selbst. Nicht er mußte seinen Kopf hinhalten, sondern, wenn meine Informationen zutreffen, bezeichnenderweise zunächst einmal ein Mitarbeiter des Bundestagspressezentrums, der wohl am allerwenigsten etwas für den Inhalt des Waigelschen Fehltritts kann.
Ein Nachspiel hatte es natürlich auch für Sie, Herr Bundeskanzler; denn Sie mußten Schadensbegrenzung betreiben. Entsprechend wenig scheint das Meeting insgesamt gebracht zu haben.
Aber war das wirklich ein Fehltritt, ein Fauxpas, eine unglückliche, falsch oder unvollständig zitierte Äußerung des Finanzministers? Das mag alles sein. Dennoch bringt diese Äußerung genau das zum Ausdruck, was den Kern der Europapolitik der Bundesregierung ausmacht: die Herausbildung Kerneuropas, die Herausbildung eines neuen, exklusiven Machtzentrums innerhalb der Europäischen Union.
Wer die europäische Integration vor allem unter dem Gesichtspunkt betreibt, die Wirtschafts-, die Außen-, die Sicherheits- und die Innenpolitik zu vereinheitlichen, wer die Währungsunion auf einen möglichst kleinen Kreis beschränken will - wenn er sie überhaupt will - und wer vor allem kein Interesse an der Sozialunion, an Vollbeschäftigung und erst recht an der Demokratisierung der Entscheidungsprozesse innerhalb der Union hat, wen die Rechte der innerhalb der Union lebenden Menschen weniger interessieren als die Außenhandelsbilanz, der muß sich den Vorwurf gefallen lassen, daß er selbst es ist, der nicht nur die Erweiterung, sondern auch die Vertiefung der Union entscheidend blockiert.
Die Bundesregierung betreibt Europapolitik vor allem mit dem Ziel der wirtschaftlichen Konkurrenzfähigkeit gegenüber den USA sowie gegenüber Japan und der Bildung eines neuen politischen und militärischen Machtblocks in der Welt. Diejenigen Staaten, die dabei - d. h. nach den Bedingungen und Kriterien, die vor allem die Bundesregierung aufstellen möchte - nicht mithalten können oder wollen, werden folglich lediglich als Ballast begriffen und letztlich auch so behandelt.
Sie dürfen in der zweiten Reihe Platz nehmen. Sie können sehen, wo sie bleiben. Da kann es auch schon einmal Staaten wie Italien und Belgien treffen, wenn sie nicht so spuren, wie der deutsche Kanzler und sein Finanzminister es wollen. Die Erweiterung der Union hat bei dieser Politik gar keinen Platz oder nur den dritten.
Ja, der Kanzler will die Union, und er setzt sich dafür ein. Das will ich nicht bestreiten. Aber er will eine andere Union als die meisten an ihr interessierten Staaten.
Er will eine Union der zwei oder drei Klassen, eine Union, in der die erste Klasse bestimmt, was gemacht wird.
Das hat zwar wenig mit der Idee eines gesamteuropäischen Einigungsprozesses zu tun, dafür aber um so mehr mit der Durchsetzung machtpolitischer Interessen. Da nimmt es kaum Wunder, daß der informelle Gipfel auf Mallorca „reich an Fragen und arm an Antworten" war, wie die „Frankfurter Rundschau" titelte.
Wenn diese Politik fortgesetzt wird - leider sieht alles danach aus -, könnte sie der Anfang vom Ende der europäischen Integration sein. Eine Union der zwei oder noch mehr Klassen ist keine Union. Europäische Integration kann nur gleichberechtigt, sozial und demokratisch sein, oder sie wird nur auf dem Papier stehen.
Um diesen Anspruch der Menschen in Europa zu erfüllen, hat die Bundestagsgruppe der PDS heute einen Antrag eingereicht, mit dem die Bundesregierung aufgefordert wird, einen Grundrechtekatalog auf die Tagesordnung der Regierungskonferenz 1996 zu setzen.
Das Wort hat der Kollege Fischer, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Uns geht es nicht hauptsächlich um die Äußerung des Kollegen Waigel. Das ist eine Frage, die hier schon ausführlich beantwortet wurde.
Uns geht es um die Ergebnisse des Mallorca-Gipfels und den Zustand Europas, der dort auf deprimierende Art und Weise - ich füge hinzu: zu unserem Bedauern auf deprimierende Art und Weise - offensichtlich wurde. Uns geht es natürlich auch um entsprechende Fragen an die Bundesregierung. Unsereins kennt die regierenden Pappenheimer. Im Laufe der Jahre hat man so manches mitbekommen.
Wenn dér Gipfel ein Erfolg gewesen wäre, säße Herr Kohl hier und würde vermutlich morgen, am Donnerstag, zur besten Fernsehzeit eine Regierungs-
Joseph Fischer
erklärung abgeben. Heute nimmt er mit den Hinterbänken vorlieb.
Ich kann Ihnen auch sagen, warum. Sie werden die Presse gelesen haben. Ich nehme an, Sie teilen die dort geäußerten Sorgen viel mehr, als Ihr freundliches Lächeln auf der Hinterbank das klarmacht. Uns geht es auch nicht darum, Sie vorzuführen, sondern darum, Sie dazu zu bringen, daß die Bundesregierung, der Bundeskanzler den Weg zur europäischen Integration verdeutlicht. Es geht nicht nur um das Ziel, das wir im wesentlichen gemeinsam anstreben, sondern auch darum, daß unter dem Gesichtspunkt der Konkretisierung des Weges endlich Butter bei die Fische kommt.
Ich lese Ihnen einmal etwas aus Ihrem Leib-undMagen-Blatt „FAZ" vor. Günther Nonnenmacher schreibt auf Seite 1:
Auf dem Weg nach nirgendwo
Das Treffen der Staats- und Regierungschefs der EU-Mitgliedsländer in Mallorca lieferte ein akkurates Bild vom gegenwärtigen Zustand Europas: Selbst die Hoffnung, es könne nur besser werden, ist Zweckoptimismus.
Die in Maastricht zur Union umgetaufte Gemeinschaft befindet sich in einem Prozeß der Zerrüttung.
Herr Bundeskanzler, da erwarten wir hier natürlich, daß Sie vor dem Bundestag einmal Stellung beziehen, wie es denn tatsächlich aussieht. Wenn hier verkündet wird, Stabilität habe die oberste Priorität, dann müssen Sie aber hinzufügen, daß die Wahrscheinlichkeit, daß es dann zu einer Währungsunion 1999 kommen kann, täglich geringer und nicht täglich größer wird.
Das wissen Sie doch fast noch besser als unsereins.
Zweitens ist die Frage, die zu entscheiden ist, eine strategische Grundsatzfrage. Vertiefung vor Erweiterung, das ist die große Frage. Geht die Erweiterung mit dem bestehenden EG-Agrarmarktsystem überhaupt? Da werden Sie sofort sagen: Nein, geht nicht. Wie sieht dann eine solche Reform aus? Wie soll das funktionieren? Wie sieht das bezogen auf das Verhältnis Bundesrepublik Deutschland zu Frankreich aus? Das ist die entscheidende Frage vor allen Dingen für die Franzosen.
Zu all diesen Dingen, über die in Mallorca u. a. gesprochen wurde, hätten wir gern ein Wort des Bundeskanzlers und nicht des ansonsten sehr geehrten Parlamentarischen Staatssekretärs gehört, der uns - davon gehe ich fest aus - in diplomatisch geschliffenen Worten gleich wieder nichts sagen wird.
Ich möchte von Ihnen, Herr Kollege Kohl, Herr Bundeskanzler, folgendes wissen. Es ist Herr Dini gewesen, der sogar in Ihrer Anwesenheit den Termin 1999 in Frage gestellt hat. Es ist auch nicht die Opposition, die mit einer solchen Aussage durch die Lande zieht. Es ist doch Herr Stoiber, der hier zunehmend Fragezeichen setzt, und die CSU, die in Sachen Stabilität den Termin 1999 in Frage stellt. Darauf möchten wir hier und heute eine Antwort des Bundeskanzlers. Dieses Parlament - dies richte ich einmal an Sie, meine Damen und Herren von der Regierungsmehrheit - kann sich doch alles schöne Reden über Parlamentsreform abschminken, wenn es nach einem solch bedeutenden Tag wie dem des Treffens in Mallorca nicht das Recht hat und sich die Regierung nicht verpflichtet fühlt, hier seitens dessen, der sein politisches Schicksal und nicht nur das irgendeines Staatssekretärs daran gebunden hat - im Fernsehen war zu hören, daß Helmut Kohl mit der Herstellung der Währungsunion sein eigenes politisches Schicksal verbindet; eine schlechte Nachricht für den Kollegen Schäuble, denn dann wird es für ihn vermutlich länger dauern -,
Auskünfte zu all diesen Punkten zu verlangen bzw. zu geben. Wir möchten gern wissen, was wirklich Sache ist.
Ich fordere Sie auf, Herr Bundeskanzler, vor dem Deutschen Bundestag Ihre Position klipp und klar darzustellen.
Das Wort hat Herr Staatsminister Hoyer.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe den Eindruck, daß ich den Kollegen Fischer hinsichtlich seiner Bewertung über die angeblich fehlende Substanz, die die Bundesregierung in diese Aktuelle Stunde einzubringen gedenke, enttäuschen muß. Ich freue mich über jede Gelegenheit, als für Europa zuständiger Staatsminister zu diesem Thema sprechen zu können. Wir müssen das viel öfter tun. Aber ich habe überhaupt kein Verständnis dafür, daß Sie hier eine Krise der Europäischen Union herbeireden und das zum Gegenstand einer Aktuellen Stunde machen, wenn es diese Krise nicht gibt, es sei denn, Sie wollen sie herbeireden.
In der Tat können wir gar nicht genug über Europa reden, denn natürlich haben wir aus der Erfahrung mit der Maastricht-Diskussion gelernt. Damals wurden die Menschen erst sehr spät auf das aufmerksam, was an gravierenden Veränderungen auf sie zukommen würde. Auf die nächste Stufe des Einigungsprozesses müssen wir die Menschen frühzeitig vorbereiten, sie nach Europa mitnehmen. Das heißt
Staatsminister Dr. Werner Hoyer
vor allen Dingen, wir dürfen uns nicht in institutionellen, strukturellen und prozeduralen Details verlieren, sondern müssen die Themen anpacken, die für die Völker Europas wirklich von Interesse sind und die Menschen bewegen.
Im übrigen scheint der Sinn eines informellen Treffens und der dortigen Abläufe vom Oppositionsführer überhaupt nicht begriffen worden zu sein. Wenn ich nach dem informellen Treffen der Staats- und Regierungschefs am Wochenende auf Mallorca, das der Bundeskanzler zu Recht als erfolgreich bezeichnet hat, eine Krise schlicht bestreite, dann heißt das natürlich nicht, daß ich um die Probleme, Schwierigkeiten und Herausforderungen, denen wir uns stellen müssen, herumreden möchte.
In der Tat, Europa steht vor schwerwiegenden Entscheidungen. Wir werden zu wählen haben und dabei sicherlich auch feststellen, daß die Vision Europa in den verschiedenen Ländern unterschiedlich aussieht. Trotzdem müssen wir den Integrationsprozeß vorantreiben, denn er ist ein Friedensprozeß. Stillstand bedeutet Rückschritt.
Die Regierungskonferenz wird dabei der erste, bei weitem aber nicht der einzige Schritt sein.
- Ich gehe darauf noch direkt ein, Frau Kollegin. Ich freue mich sehr, daß ich Sie heute hier gesund wiedersehe.
- Ich hätte Sie ja nicht direkt hören müssen; das ist ein anderes Thema.
Bald nach dem absehbaren Abschluß der Regierungskonferenz werden die letzten Entscheidungen für den Übergang in die dritte Stufe der Wirtschafts- und Währungsunion zu treffen sein. Hinsichtlich der Erweiterung der Union, sozusagen der Öffnung der Union, vor allem in Richtung der neuen Demokratien in Mittel- und Osteuropa muß in den nächsten Jahren Klarheit geschaffen werden, urn eine historische Chance nicht zu verpassen. Die Finanzregelung der Europäischen Union in der Nachfolge von Delors-II muß rechtzeitig vor dem Ende des Jahrzehnts stehen. Schließlich ist zu Recht auf die notwendigen weiteren Reformen im Bereich Agrarstruktur und Regionalpolitik hingewiesen worden.
Über alle diese Themen ist getrennt zu verhandeln, anders als übrigens bei der Frage der Zukunft der Westeuropäischen Union. Diese Themen stehen nicht auf der Tagesordnung der Regierungskonferenz 1996, und doch sind sie alle miteinander verwoben.
Leichtfertige Entscheidungen oder gar Fehlentscheidungen an einem Verhandlungstisch können nachhaltige Auswirkungen auf das Gelingen des Verhandlungsprozesses an einem anderen Tisch haben. Deshalb steht im Vordergrund der Beratungen der Europastrategie das Management der Agenda bis zum Jahr 2000.
Das bedeutet, daß der Zusammenhang der verschiedenen Tische, an denen in den nächsten vier Jahren zu verhandeln sein wird, die entscheidende strategische Frage ist. Die Bundesregierung hat klipp und klar festgestellt, daß sie ihre Verhandlungsziele und ihre Verhandlungsstrategie für die Regierungskonferenz, diesen ersten großen Schritt, nach Abschluß der Arbeiten der Reflexionsgruppe, d. h. nach dem Europäischen Rat in Madrid, festlegen und im Deutschen Bundestag selbstverständlich debattieren wird.
Aber vergessen wir vor lauter Problemdruck und angesichts vermeintlich kaum zu bewältigender Schwierigkeiten doch nicht, die Aufgaben der nächsten Zeit in einen größeren Zusammenhang einzuordnen.
Die Europapolitik war 1945 und danach in allererster Linie eine gigantische Friedensaufgabe. Sie hat dem westlichen Teil unseres Kontinents ein ungekanntes Maß an politischer und wirtschaftlicher Stabilität, an friedlichen Beziehungen untereinander und mit der übrigen Welt und nicht zuletzt die Chance zu einem Wiederaufbau ohne Beispiel nach der Katastrophe des Zweiten Weltkrieges gebracht. Schließlich hat uns Europa und unsere Integration in die EU und NATO die Chance zur Wiedergewinnung der Einheit gebracht. Daß unsere europäischen Partner die Menschen aus der früheren DDR von der ersten Minute an ohne Wenn und Aber als Bürgerinnen und Bürger der Europäischen Union akzeptiert haben, zeigt doch die Tragfähigkeit des europäischen Prozesses.
Meine Damen und Herren, es waren nicht die Kleinmütigen und Verzagten, es waren nicht die Ängstlichen und erst recht nicht die griesgrämigen Bedenkenträger, die in den 50er und 60er Jahren das europäische Einigungswerk auf den Weg gebracht haben. Es bedurfte schon einer gewaltigen Portion Mut und Entschlossenheit, um damals Gräben zu überwinden und aus Erbfeinden Freunde zu machen,
die, wie z. B. Deutsche und Franzosen, auch bei gravierenden Meinungsverschiedenheiten, wie wir sie beispielsweise in der Frage der Atomtests gehabt haben, ohne Wenn und Aber an ihrem Kurs von Zusammenarbeit und Freundschaft festhalten. Dies erfor-
Staatsminister Dr. Werner Hoyer
derte die Bereitschaft und die Fähigkeit, über Schatten zu springen, über die riesigen Schatten der Vergangenheit, aber bisweilen eben auch über die eigenen Schatten.
Wer das Europa der Bürgerinnen und Bürger will, muß auf ihre Sorgen und Nöte eingehen. Sie sind verunsichert. Sie sind verunsichert hinsichtlich der wirtschaftlichen Entwicklung und der Beschäftigung. Sie sind verunsichert hinsichtlich der Tragfähigkeit der sozialen Sicherungssysteme. Sie sind verunsichert hinsichtlich der Kriminalitätsentwicklung. Sie sind verunsichert, wenn sie sehen, daß es in Europa wieder Krieg und Nationalismus gibt. Das heißt, die Europäische Union, die in Maastricht einen großen Fortschritt gemacht hat, muß die Defizite insbesondere im Bereich der Außen- und Sicherheitspolitik sowie im Bereich der Innen- und Rechtspolitik ausgleichen. Darum geht es auf der Regierungskonferenz 1996/97.
Das wird alles nicht von jetzt auf nun zu schaffen sein. Man muß sich gerade bei der Außen- und Sicherheitspolitik einmal vergegenwärtigen, was für einen gewaltigen Weg insbesondere einige der neuen Partner in den letzten Jahren haben zurücklegen müssen. Deswegen sollten wir es hier an Geduld und Rücksichtnahme nicht fehlen lassen. Aber es ist klar, daß die Politische Union der Europäer unvollständig wäre, wenn wir die Solidarität auf die wirtschaftliche und soziale Sphäre begrenzen würden. Was ist das für eine Politische Union, in der der solidarische Ausgleich über Kohäsionsfonds funktioniert, aber nicht dann, wenn ein Mitgliedstaat einer äußeren Bedrohung zum Opfer fällt?
Schließlich muß ich, wenn ich nicht neue Verunsicherung schaffen, sondern Sicherheit geben will, dafür sorgen, daß die Menschen das bewahren und ausbauen können, was für ihre Identität und Selbstvergewisserung gerade im Zeichen von weithin empfundener Unsicherheit bedeutsam ist.
Wir wollen nicht das Europa des Schmelztiegels, das hier ständig als Monstrum an die Wand gemalt wird. Wir müssen den Menschen die Chance geben, sich auf ihre nationale, ethnische, religiöse, kulturelle Identität zu stützen, und hierzu eine europäische Identitätsfacette hinzufügen.
Selbstverständlich ist es dann auch unsere Pflicht, dafür zu sorgen, daß die Menschen nicht befürchten müssen, etwas zu verlieren, was ihnen nach zwei Hyperinflationen in diesem Jahrhundert ein besonders hohes Sicherheitsgefühl vermittelt hat. Die Deutsche Mark und die Währungsverfassung der Bundesrepublik Deutschland sind nicht ein ökonomisch-politisches Konstrukt. Sie sind Kernelement politischer wie ökonomischer Psychologie.
Deshalb ist es für uns, die wir die gemeinsame Währung aus wirtschaftlicher und politischer Überzeugung wollen, selbstverständlich und unverzichtbar, daß die gemeinsame europäische Währung der deutschen Währung in Stabilität, Sicherheit und weltweiter Geltung in nichts nachsteht.
Deshalb unterstütze ich mit allem Nachdruck das, was von mehreren Kollegen gesagt worden ist, daß ein ganz wesentlicher Verhandlungserfolg von Maastricht zu dieser Frage, nämlich die Stabilitätskriterien und der Zeitplan, überhaupt nicht zur Debatte stehen.
Das heißt, daß der Druck, der durch diese Stabilitätskriterien und den Zeitplan erzeugt worden ist und der sich sehr segensreich und erfolgreich in allen Mitgliedstaaten der Union ausgewirkt hat, aufrechterhalten bleiben muß.
Herr Staatsminister, darf ich Sie einen Augenblick unterbrechen; ich habe auch die Uhr angehalten: Ich weise Sie nur vorsorglich darauf hin, daß Sie im Begriff sind, die Zehnminutengrenze zu überschreiten. Sie wissen, was die Geschäftsordnung dann vorsieht.
Herr Präsident, ich habe in keiner Weise die Absicht, die Zehnminutengrenze zu überschreiten.
Ich möchte zum Abschluß meiner Rede noch darauf hinweisen, daß die enge und erfolgreiche deutsch-französische Zusammenarbeit, die sich gegenwärtig in allen europäischen Gremien immer wieder zeigt, auch von den anderen Partnern in der Europäischen Union als Voraussetzung wahrgenommen wird, um diesen europäischen Integrationsprozeß vorantreiben zu können.
Herzlichen Dank.
Das Wort hat der Kollege Altmaier, CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach den Beiträgen der Kollegen Wieczorek-Zeul und Fischer habe ich den Eindruck, daß Sie mangels vorzeigbarer Erfolge in der Innenpolitik der Versuchung nicht widerstehen konnten, in Ihrer Not künstlich eine Krise der europäischen Einigung zu konstruieren und die Schuld an dieser Krise dann der Bundesregierung zuzuschieben.
Peter Altmaier
Meine Damen und Herren, das ist natürlich Ihr gutes Recht, daß Sie diesen Versuch hier machen. Nur steht dieser Versuch leider Gottes in krassem Gegensatz zur Realität und zu allem, was Sie erfahren können, wenn Sie die Zeitungen lesen, von Finnland bis nach Sizilien, und wenn Sie mit Ihren Parteikollegen von den Sozialdemokraten und von den Grünen in den europäischen Partnerländern reden.
Wenn es in der Europäischen Gemeinschaft eine Persönlichkeit gibt, der in den Nachbarstaaten zugetraut wird, daß sie die schwierigen Fragen der Regierungskonferenz zusammenbinden und einer Lösung zuführen kann, dann ist das nicht Joschka Fischer und nicht Heidemarie Wieczorek-Zeul, sondern der deutsche Bundeskanzler Helmut Kohl.
Ich freue mich über Lebhaftigkeit, aber bitte etwas ruhiger.
Herr Präsident, ich kann das verstehen. Die Opposition hat sonst sehr wenig zu lachen, und das versucht sie jetzt halt nachzuholen.
Meine Damen und Herren, es ist in der Tat sehr schwierig, 15 Mitgliedstaaten mit sehr unterschiedlichen Interessen, die zum Teil intern Probleme haben, ihre Position zu bestimmen, in diesem Prozeß der Regierungskonferenz 1996 zusammenzuführen und einen Konsens zu finden, der für alle Mitgliedstaaten einstimmig tragbar ist. Wie schwierig das ist, sehen Sie doch am Beispiel der SPD, einer inzwischen recht überschaubar gewordenen Oppositionspartei, die es noch nicht einmal in zentralen Fragen der deutschen Politik mit Mehrheit schafft, zu einer einigermaßen klaren und erkennbaren Meinung zu kommen.
Meine Damen und Herren, der europäische Integrationsprozeß hat von jeher nach dem Muster der Echternacher Springprozession Fortschritte und Rückschläge gekannt. Es gab Unkenrufe im Vorfeld der Europäischen Einheitlichen Akte, es gab Unkenrufe im Vorfeld der Regierungskonferenz von Maastricht, und Sie können auch jetzt der Versuchung nicht widerstehen, in den Chor derer einzustimmen, die bereits wieder von einem Scheitern und von Erfolglosigkeit sprechen. Nur, werden Sie sehen, Sie werden sich auch diesmal ganz genauso täuschen und irren, wie Sie sich 1987 und wie Sie sich bei Maastricht geirrt haben.
Wir wollen den Erfolg der Wirtschafts- und Währungsunion, und wir wollen den Erfolg der Regierungskonferenz im Jahre 1996. Die Gipfelkonferenz, von der wir sprechen, war keine Gipfelkonferenz zur Entscheidung all der Fragen, die gelöst werden müssen, sondern das war ein informeller Gipfel, der zu einem Gedanken- und Meinungsaustausch bestimmt war,
ein Familientreffen, wie es beschrieben war, nicht mehr und nicht weniger.
Trotzdem, meine Damen und Herren, kann sich die Bilanz dieses informellen Gipfeltreffens sehen lassen. Auf diesem Gipfeltreffen ist deutlich geworden, daß wir an den Stabilitäts- und Konvergenzkriterien sowie am Zeitplan festhalten werden und daß sich eine Agenda für die Lösung der anstehenden Fragen über die Regierungskonferenz 1996/97, über die Frage der Beitrittsverhandlungen mit den osteuropäischen und mitteleuropäischen Staaten und über die schwierigen Fragen abzeichnet, die sich im Hinblick auf die europäischen Strukturfonds und die notwendigen Reformen der europäischen Finanzierung anschließen.
Wir wollen in diesem Zusammenhang, daß ohne Hektik, entschlossen - -
- Herr Lippelt, ich kann ja verstehen, daß Sie mangels Argumenten versuchen, mit Polemik Stimmung zu erzeugen. Aber Sie werden sehen, daß wir auf dem Weg zur Regierungskonferenz unbeirrt weitergehen. Wir tun dies nicht, weil wir der Reihe der Regierungskonferenzen eine weitere hinzufügen wollen, sondern wir tun dies, weil wir glauben, daß es wichtige Probleme gibt, die gelöst werden müssen. Ich möchte drei Probleme nennen: Die Bürger erwarten von uns, daß wir in absehbarer Zeit eine europäische Antwort geben - -
Zeit, Zeit!
Die Redezeit ist zu Ende. Wir werden trotzdem die Antwort auf die Fragen geben,
Peter Altmaier
denen wir uns auf der Regierungskonferenz gegenübersehen. Wir laden Sie ein, dabei mitzumachen. Wir werden noch oft Gelegenheit haben, diese Diskussion in diesem Haus zu führen.
Vielen Dank.
Das Wort hat der Kollege Norbert Wieczorek, SPD.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich hoffe ja, daß wir noch einmal Antworten bekommen; von Mallorca haben wir leider keine bekommen. Was wir von Mallorca bekommen haben, ist eindeutig Unsicherheit in der Fortentwicklung der politischen Union, es sei denn, Sie beziehen sich auf Ihr Minimalkonzept. Das kann wohl nicht langen. Ich darf daran erinnern - der Herr Bundeskanzler ist ja da -, daß es vor Maastricht auch immer aus seinem Munde hieß: Die Währungsunion und die Politische Union müssen parallel gestaltet werden. Davon kann ich im Moment sehr wenig erkennen.
Das führt mich zu dem, was mich an den Stellungnahmen des Kollegen Waigel eigentlich überrascht hat. Wie sie an die Öffentlichkeit gelangt sind, ist eine zweite Frage. Inhaltlich hat er das gesagt, was das Haus hier beschlossen hat: Es gibt keinen Rabatt bei den Kriterien. Man hat Bewertungen vorgenommen, die jeder auf den Zeitungsseiten nachlesen kann. Das Überraschende ist doch, wie die Reaktionen darauf waren; das zeigt aber, wie brüchig das Eis ist, auf dem wir sind. Das macht mir viel mehr Sorgen, und darüber sollten Sie nachdenken.
Deswegen sage ich hier noch einmal in aller Deutlichkeit für die SPD: Wir wollen diese Währungsunion erfüllen, wenn die Kriterien erfüllt sind. Daran kann es kein Rütteln geben.
Aber das ist die deutsche Position. Natürlich wünschen wir uns - ich habe den Eindruck, auch andere -, daß wir, wenn wir die Währungsunion haben werden, eine bessere Zusammenarbeit bei Haushalts-, bei Fiskalpolitik und - ich füge hinzu - bei Wirtschaftspolitik und Sozialpolitik bekommen werden; denn dies ist notwendig.
Aber das führt uns genau zu dem Problem, das wir haben: Der Maastricht-Vertrag bezieht sich in seinen Kriterien auf realwirtschaftliche Entwicklungen. Diese kann man nicht mit schierem politischen Willen beeinflussen. Das ist das eigentliche Problem. Realwirtschaftliche Konvergenz ist allerdings - da hoffe ich, daß wir uns einig sind - Voraussetzung für einen dauerhaften Erfolg der Währungsunion. Eine weiche Währungsunion würde nicht nur in der Bundesrepublik nicht akzeptiert; sie würde vielmehr den Teilnehmerländern entscheidende Wettbewerbsnachteile gegenüber den anderen Welthandelsregionen und auf den Kapitalmärkten weltweit bescheren. Sie würde ferner das viel größere Risiko in sich bergen, daß die EU wieder auseinanderbricht und damit insgesamt kaputtgeht.
- Das ist genau das Problem, Herr Haussmann. Sie können nicht einerseits fordern, die Kriterien müßten erfüllt sein, und andererseits sagen: Alles muß 1999 laufen. Das ist genau das Problem, vor dem wir stehen.
Das ganze Vertragswerk ist auf eine Spaltung zwischen Mitgliedern und Nichtmitgliedern eingerichtet. Herr Dini hat dies ja jetzt artikuliert, indem er sagt: Dann brauchen wir eine Verschiebung. Ich warne aber davor, daß die deutsche Politik, wenn sie diese Diskussion mit betreibt, den Verdacht erweckt, sie wolle aus der Wirtschafts- und Währungsunion ausbüchsen.
In diesem Zusammenhang will ich einmal sehr deutlich auch etwas zum Bundeskanzler sagen - er sitzt ja zum Glück da oben -: Dieser Zeitplan ist damals in den Vertrag von Maastricht von Bundeskanzler Kohl und Präsident Mitterrand hineingeschrieben worden. Wenn jetzt vom Bundeskanzler gesagt wird, dann müsse er eben 1996 im Trockenlaufverfahren überprüft werden, ist natürlich der Verdacht sehr groß, daß er vor den Folgen des eigenen Handelns durch die Hintertür weglaufen will.
Die Verabredung mit Präsident Mitterrand in der allerletzten Phase, im Vertrag den Zeitrahmen vorzusehen, rächt sich eben jetzt, weil sich, ganz simpel, Herr Kollege Haussmann, ökonomische Prozesse nicht nach dem Willen von Politikern richten; das sollten auch Sie erfahren haben.
Das Dilemma der Zweiteilung ist doch real. Der Vertrag sieht das vor. Alle haben zugestimmt. Es zeichnet sich ab, daß es möglicherweise eine immer kleinere Gruppe von Ländern sein wird, die den Zeitplan erfüllen kann. Dann stehen wir aber vor der Frage: Kann man sich eine Währungsunion vorstellen, in der nur ein großes Land ist, und hat das integrationspolitische Wirkungen oder nicht? Ich fürchte, es würde fatale Wirkungen haben.
- Aber, Herr Kollege Haussmann, ich gebe Ihnen einen kleinen Hinweis: Warten Sie mal ab, was in den
nächsten zwei Monaten in einem sehr großen Land -
Dr. Norbert Wieczorek
außer unserem - passiert. Ich nehme das sehr ernst, was da jetzt passiert.
- Sie mögen gern Vertrauen in Juppé haben. Die Frage ist, wie das in Frankreich mit der Bevölkerung und Juppé ist. Aber das wird sich ja herausstellen. Ich will hier jetzt nicht den gleichen Fehler machen wie andere. Nur würde ich an Ihrer Stelle nicht vorlaut sein wollen.
Das Entscheidende ist doch, daß natürlich jedes Land die Kriterien selbst erfüllen muß. Aber was bisher nicht geschieht - das ist meine Kritik an dieser Bundesregierung -, ist, daß sich die Bundesregierung nicht bemüht, die realwirtschaftlichen Bedingungen in diesen Ländern mit zu verbessern. Es ist für mich zentral, daß es endlich einen gemeinsamen Ansatz für eine Beschäftigungspolitik geben muß.
Es ist doch gerade die Arbeitslosigkeit, die etwa einem Land wie Frankreich solche Schwierigkeiten macht, die Budgetkriterien zu erfüllen. Deswegen müssen wir in bezug auf die Beschäftigungspolitik endlich etwas machen. Es ist die Arbeitslosigkeit, die nationalistisches Denken fördert; es ist die Arbeitslosigkeit, die in den reichen Nationen die Spaltung der Gesellschaft bewirkt, zunehmend auch bei uns.
Es ist die Aufgabe der Bundesregierung hier, den einheitlichen Markt zu verwirklichen; er ist ja noch gar nicht endgültig verwirklicht. Ich fordere zugleich, daß die Bundesregierung darangeht, sich zu überlegen und mit Vorschläge zu machen, wie wir das EWS, das ja praktisch moribund ist, wiederbeleben können. Gerade dann, wenn das passiert, was Dini jetzt in Gang gesetzt hat - der Zug hält noch nicht; ich fürchte, er wird noch stärker laufen -, brauchen wir das, um keine Wettbewerbsverzerrung aus Auf- und Abwertungen zu bekommen. Da ist die Bundesregierung gefordert. Dazu habe ich aber hier und heute überhaupt nichts gehört. Ich meine, wir sollten dieses machen.
Zeit!
Ich möchte zum Schluß kommen. Ich möchte nur noch eines sagen: Die Krise im Integrationsprozeß werden wir nicht durch Aussitzen, sondern nur durch entschlossenes Handeln bewältigen.
- Dies habe ich gerade vorgeworfen, weil es in bezug
auf die Beseitigung der Arbeitslosigkeit und die Stabilisierung des EWS eben nicht geschieht. Das muß
aber im einheitlichen Markt endlich geschehen, damit wir mehr Beschäftigung bekommen.
Denn wenn das so weitergeht, dann helfen wir nicht nur der Währungsunion nicht und der politischen Integration nicht, sondern dann schaden wir vielmehr Europa und der Bundesrepublik, auch den Ländern, die noch Mitgliedsländer werden wollen, nicht nur den Ländern, die heute schon Mitglied sind.
Das Wort hat der Kollege Martin Mayer, CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist schwer nachvollziehbar, warum die Grünen diese Aktuelle Stunde beantragt haben, mit Ausnahme der Absicht, ungerechtfertigte Vorwürfe gegen die Bundesregierung zu erheben.
Auf Mallorca wurden wichtige Ziele erreicht. Dort gab es persönliche Begegnungen. Ihren Wert kann man nicht in Punkt und Komma ausdrücken.
Der Zeitplan für die Regierungskonferenz ist festgelegt worden. Für diese Konferenz kann man natürlich zum jetzigen Zeitpunkt keine Details festlegen; die Grundzüge wurden von der Bundesregierung jedoch bereits mehrmals dargelegt. Die Fragen, die der Herr Kollege Fischer vorhin gestellt hat, sind von der Bundesregierung mehrfach beantwortet worden.
Es geht darum, die europäischen Institutionen schlanker und effizienter zu machen und damit die Voraussetzungen für eine Erweiterung zu schaffen. Es geht darum, die politische Union zu vertiefen. Es geht darum, den Zeitplan für die Wirtschafts- und Währungsunion einzuhalten.
Wenn es aber zum Konflikt zwischen Terminen und der Geldwertstabilität kommt, dann hat für uns die Geldwertstabilität Vorrang.
Auch das ist bereits mehrfach gesagt worden.
Dr. Martin Mayer
Die Grünen wollen mit dieser Aktuellen Stunde wohl davon ablenken, daß sie selbst in grundlegenden europäischen Fragen heillos zerstritten sind.
Sie reden von einer Krise der Europäischen Gemeinschaft. In Wirklichkeit wollen sie von der Krise der Grünen in grundlegenden politischen Fragen ablenken.
- Nehmen Sie doch das Thema Bosnien-Herzegowina, nehmen Sie das Thema Gemeinsame Außen-
und Sicherheitspolitik! Hier wird doch deutlich - das bewegt die Menschen in unserem Land -, daß bestimmte Leute nur mit militärischen Mitteln zur Vernunft gezwungen werden können. Es wird deutlich, daß sie nur durch den Einsatz der NATO, die Sie abschaffen wollen, gemeinsam mit den USA an den Verhandlungstisch gezwungen werden konnten. An diesem Beispiel wird deutlich, daß mehr Gemeinsamkeit in der europäischen Außen- und Sicherheitspolitik denn je notwendig ist. Das ist ein Ziel, für das die Bundesregierung wirbt.
Die Grünen wollen auch davon ablenken, daß ihre Vorstellung von der Europäischen Union wirklichkeits- und weltfremd ist. Ich will aus dem Bundestagswahlprogramm Ihrer Partei zitieren. Sie schreiben da von einem „Dreiklang der Reformen der Europäischen Union". Eine Reform aus diesem „Dreiklang" heißt „radikale gesamteuropäische Öffnung". Ich kann Ihnen nur sagen: Dann würde es nicht nur einen Chaos-Tag in Hannover geben;
es würde Chaosjahre in Europa geben, wenn wir verwirklichen wollten, was Sie in Ihrem Programm fordern - abgesehen davon, daß solch eine Öffnung niemand in Europa mitmacht.
Ich will Ihnen auch sagen: Die Grünen geben in ihrem Programm und in ihren Aussagen keine einzige Antwort auf die Frage, wie wir der großen Herausforderung der organisierten Kriminalität in Europa begegnen sollten. Darüber müssen Sie sich doch einmal Gedanken machen!
Wir können feststellen: Die Zusammenkunft der Regierungschefs war nützlich. Bundeskanzler Kohl hat einen wichtigen Beitrag dazu geleistet, Europa auf dem richtigen Weg vorwärtszubringen. Auch wenn es nur ein kleiner Schritt war: In solch schwierigen Situationen sind auch kleine Schritte ein Erfolg.
Die Leistungen des Bundeskanzlers und des Finanzministers werden mittlerweile in ganz Europa und in der Welt anerkannt.
Ich möchte an die Adresse der Grünen sagen: Bevor Sie kleinkariert an den Leistungen der Bundesregierung herumkritisieren, sollten Sie in Klausur gehen und Ihre unausgegorenen, weltfremden und vorpubertären Vorstellungen von Europa über Bord werfen und durch bessere ersetzen.
Das Wort hat der Kollege Spiller, SPD.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Stabiles Geld gibt es nicht ohne breites Vertrauen. Dieses Vertrauen darf nicht auf bloßen Hoffnungen, sondern muß auf einer soliden Grundlage beruhen. Die Europäische Wirtschafts- und Währungsunion muß eine Stabilitätsgemeinschaft sein.
An der Entschließung, die der Deutsche Bundestag am 2. Dezember 1992 auf Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, der SPD und der F.D.P. verabschiedet hat, gibt es keine Abstriche zu machen. Die Vorgänge der letzten sieben Tage waren allerdings leider eher ein Zeichen von Unsicherheit. Ich nehme es dem Bundesfinanzminister ab, daß er nicht davon ausgegangen ist, daß seine Äußerungen vor dem Finanzausschuß in vergröberter und verkürzter Form der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Aber ich meine, daß das, was der Herr Bundesfinanzminister im Anschluß getan hat, verfehlt war. Das Interview in der „Bild"-Zeitung an diesem Montag beispielsweise war überflüssig. Das kraftmeierische Nachhaken war überflüssig.
Nachdem Herr Waigel am Montag sein Interview gegeben hatte, erschien einen Tag später, gestern, „Le Monde" mit einem großen Artikel, in dem stand, Deutschland gebärde sich als Gendarm. Daß wir Hüter der Stabilität sein wollen ist eine gute Rolle. Aber schulmeisterischer Besserwisser für ganz Europa sein zu wollen, wird uns nicht guttun.
Wenn in der letzten Woche eines deutlich geworden ist, dann war das: Die Nervosität der Devisenmärkte ist ein Faktor, den man berücksichtigen muß. Ich erinnere daran, daß auch die Stabilität von Wechselkursen ein Kriterium für Maastricht, die Wirtschafts- und Währungsunion, ist.
Wir haben kein Interesse daran, solche Nervosität durch unbedachte Äußerungen noch zu erhöhen. Wir haben ein Interesse daran, daß der Konsens in Europa über diese Stabilitätsgemeinschaft nicht gefährdet wird.
Jörg-Otto Spiller
Im übrigen steht uns auch Hochmut nicht an. Vor einem Jahr mußte sich der Bundesfinanzminister noch große Sorgen machen, ob Deutschland überhaupt den Kriterien des Maastricht-Vertrages gerecht wird. Das ist noch immer relativ knapp. Deswegen sollte man keine großen Anklagen oder rechthaberische Vorwürfe an andere Mitgliedsländer der Europäischen Union richten.
Wir haben im Deutschen Bundestag bisher einen Konsens darüber, daß die Kriterien von Maastricht strikt auszulegen sind. Ich bedaure, daß es leider aus den Reihen der Koalition neuerdings auch Äußerungen gegeben hat, die Zweifel daran nähren. Ich weiß nicht, ob das ein korrektes Zitat ist; aber das „Handelsblatt" hat am 25. September gemeldet, der CDU- Politiker Karl Lamers habe am Gardasee erklärt, wenn sich die politische Lage in Italien festige, sei die Einhaltung der Konvergenzkriterien bis aufs Komma nicht mehr maßgebend.
Ich meine, es kommt darauf an, daß wir Verläßlichkeit und Stetigkeit in der deutschen Politik, speziell in der Währungspolitik, nicht in Zweifel ziehen. Die Maßstäbe dürfen nicht zum Gummiband werden.
Wir haben nicht nur gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern unseres Landes, sondern auch gegenüber unseren Partnern in Europa darauf zu achten und wir haben die Verpflichtung, daß Währungspolitik in Deutschland mit Stetigkeit und Verläßlichkeit betrieben wird.
Das Wort hat der Kollege Michael Stübgen, CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Sehr verehrte Damen und Herren! Ich stelle fast am Ende dieser Debatte fest: Der europäische Motor stottert nicht, er ist auch nicht ausgefallen. Das europäische Schiff treibt auch nicht manövrierunfähig auf hoher See. Das europäische Schiff bewegt sich vorwärts, in der Tat zu langsam. Es muß seine Geschwindigkeit noch deutlich beschleunigen, um die notwendigen Ziele in den nächsten Jahren zu erreichen. Ich glaube, darüber sind wir uns im wesentlichen einig.
Allerdings bin ich auch fast am Ende dieser Debatte in einer Frage noch nicht wesentlich klüger als am Anfang dieser Debatte: wo denn nun ganz konkret nach diesem Wochenende oder nach der letzten Woche die ganz besonderen Probleme und die sogenannte Krise der Europäischen Union liegen.
Es gibt sehr viele Bereiche, die defizitär sind. Wir sprechen, Herr Wieczorek, permanent im EuropaAusschuß darüber und versuchen, darüber zu debattieren, wie wir diese Defizite reduzieren oder sogar beseitigen können. Aber ich kann nicht sehen, daß ausgerechnet nach dem Gipfel eine besondere Krise in der Europäischen Union ausgebrochen wäre, es
sei denn - jetzt muß ich es doch noch einmal sagen, gemäß einem alten pädagogischen Grundsatz, daß häufiges Wiederholen den Lernprozeß fördert -, man hat immer noch nicht verstanden, was ein informeller Gipfel soll und was er bestenfalls leisten kann. In Mallorca fand ein informeller Gipfel statt. Wer erwartet hat, daß es dort Beschlüsse zur Europäischen Union, zur europäischen Einigung, zu 1996 gab, Beschlüsse, die der Ratsgipfel in Madrid am Ende dieses Jahres zu fassen hat, der liegt einfach völlig falsch. Ein informeller Gipfel - dieses Institut ist unter der deutschen Ratspräsidentschaft in Essen eingerichtet worden - dient dazu, ohne Termin- und Entscheidungsdruck innerhalb weniger Stunden eine Vielzahl von wichtigen Entscheidungen fällen zu müssen, debattieren und gemeinsame wie differierende Standpunkte feststellen zu können.
Ich halte die Einrichtung dieses Instituts für gut und hoffe, daß es weitergeführt wird. Denn wir brauchen in der europäischen Politik beides, einerseits den konkreten Entscheidungsdruck für europäische Gremien, ebenso den Ratsgipfel. Ohne diesen passiert nichts. Das wissen wir. Andererseits brauchen wir aber auch die informellen Gespräche, wie es sie am Wochenende gab.
Der Erfolg, den ich aus dem informellen Gipfel vom vergangenen Wochenende herauslese, ist der, daß in wichtigen Punkten gemeinsame Interessen und Gemeinsamkeiten festgestellt werden konnten. Die Probleme der Ausführung liegen natürlich weiterhin im Detail und werden uns und die europäische Politik in den nächsten Jahren beschäftigen.
Aber ich möchte darauf hinweisen: Es besteht unter den europäischen Regierungschefs offensichtlich weitestgehend Einvernehmen über die Schwerpunkte der zu beratenden und zu lösenden Themen bei der Regierungskonferenz 1996. Es geht um Fortführung der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik, d. h. um eine Gestaltung, bei der die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union auch so genannt werden kann und wirklich in der Tat eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik wird; Weiterführung der Zusammenarbeit im Innen- und im Justizbereich. Es ist wichtig, dort festzustellen, daß man erst einmal an diesem Punkt arbeiten will. Der nächste Punkt wäre, Effizienz und Handlungsfähigkeit der Europäischen Union zu stärken und außerdem die Transparenz der europäischen Entscheidungsprozesse zu verbessern.
In diesem Bereich herrscht zunächst einmal Einigkeit, daß das die Schwerpunkte für 1996 sind. Wenn hierüber Einigkeit besteht, dann ergibt sich daraus zwangsläufig auch die Übereinstimmung über die Folgen, die nämlich unmittelbar im Anschluß daran kommen. Das heißt, im unmittelbaren Anschluß an die Konferenz von 1996, die möglicherweise bis Mitte 1997 dauern wird, folgen die notwendigen Entscheidungen zur Wirtschafts- und Währungsunion.
Daß wir hier darüber debattieren, ist richtig, aber das ist erst der nächste Schritt. Die Konferenz von 1996 ist der erste Schritt. Der nächste Schritt sind die notwendigen Entscheidungen für die Wirtschafts- und Währungsunion, die Reform der Systeme der Ei-
Michael Stübgen
genmittel der Agrar- und Strukturpolitik, die Frage der Erweiterung der Europäischen Union um Malta und Zypern sowie Beginn und Vorbereitung der Beitrittsverhandlungen für Mittel- und Osteuropa.
Nach diesem Gespräch in Mallorca ist es mitnichten so, daß diese Probleme alle gelöst sind. Aber ich halte es für einen Erfolg, daß erstens weitestgehend klar ist: Was muß 1996 beraten werden? Zweitens ist klar: Was muß danach beraten werden? Es ist auch offensichtlich allgemein bekannt, unter welchem Zeitdruck diese Entscheidungen der Europäischen Union in den nächsten Jahren erfolgen müssen und daß eine Verzögerung bei einem dieser Schritte im Prinzip den gesamten Einigungsprozeß gefährden würde.
Herr Kollege, Ihre Zeit!
Darf ich dann noch einen Satz anfügen?
Einen Satz, okay.
Es handelt sich um ein Entgegenkommen den Antragstellern gegenüber. Ich gehe davon aus, daß es keine besondere Krise der Europäischen Union gibt, die eine Aktuelle Stunde rechtfertigt. Sollten Sie aber der Meinung sein, daß die Zeit, in der die Europapolitik im Deutschen Bundestag beraten wird, angesichts der fundamentalen Bedeutung dieses Prozesses für die Bundesrepublik Deutschland und jeden ihrer Bürger nicht angemessen, d. h. nicht ausreichend ist, dann teile ich Ihre Überzeugung. Aber dann sollten wir nicht versuchen, mit herbeigeredeten Krisen und Aktuellen Stunden hier im Bundestag mehr über Europapolitik, ihre Probleme, die Herausforderungen und Lösungswege zu debattieren, -
Ein ziemlich langer Satz, Herr Kollege.
- sondern wir sollten gemeinsam überlegen, wie wir, ausgehend von einer positiven Position, über Europapolitik debattieren können.
Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
Das Wort hat der Kollege Uwe Hiksch, SPD.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Rede des Staats-
ministers Hoyer, den ich übrigens persönlich sehr schätze,
ist ein beredtes Beispiel dafür, wie sich die Konzeptionslosigkeit der Bundesregierung in Sachen Europapolitik in Worte fassen läßt. Das Plauderstündchen, so wie es Herr Hoyer in seinen acht Minuten geliefert hat, ist ein typisches Beispiel dafür, daß mit so wenig Inhalt Europapolitik nicht fortschrittlich gestaltet werden kann.
Aber in einem, Herr Hoyer, möchte ich Ihnen recht geben, nämlich darin, daß sich Europa nicht in der Krise befindet, daß auch das Gerede davon, daß Europa in der Krise sei, falsch ist. In der Krise befindet sich vielmehr die neokonservative Wirtschafts- und Sozialpolitik, in der Krise befindet sich die Finanzpolitik.
Meine sehr geehrten Damen und Herren von der Regierungskoalition, glauben Sie denn, daß, wenn Sie eine Politik betreiben, die die Reichen immer reicher und die Armen immer ärmer werden läßt, wenn Sie davon reden, daß Sie durchsetzen wollen, daß eine Wirtschafts- und Sozialpolitik gemacht wird, die diesen Namen nicht mehr verdient, und wenn Sie dann gleichzeitig sagen - das ist eine Drohung -, Sie wollen dies auf die europäische Ebene übertragen, die Menschen begeistert sind, wenn von Europa die Rede ist?
Ihre falschen Politikansätze tragen dazu bei, daß die europäische Einigung in der Bevölkerung immer schlechter dasteht. Die Aufbruchstimmung, die es noch vor wenigen Jahren gegeben hat, ist durch die verfehlte Wirtschaftspolitik einer einseitigen Betonung des wirtschaftlichen Interesses von Europa zerstört worden. Die Menschen sind enttäuscht von der Regierungspolitik. Die Regierungspolitik schafft es immer wieder, durch Ablenken von den Tatsachen, durch ein einseitiges Lenken von Problemen auf die europäische Dimension, von den eigenen Problemen abzulenken. Lesen Sie doch in Ihren Presseerklärungen nach, in denen Sie immer wieder Europa als Vorwand genommen haben, als Vorwand für den Abbau des Sozialstaates, als Vorwand für den Abbau der demokratischen Rechte von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern und als Vorwand dafür, in der innenpolitischen Diskussion auf Europa abzulenken und dies alles mit Sachzwängen zu begründen.
Innerhalb der CDU/CSU-Fraktion hat sich eine konservative Offensive gesammelt, eine Offensive, die sich vorgenommen hat, neue Nationalismen in die eigene Politik einzubringen und mit diesen
Uwe Hiksch
neuen Nationalismen europäische Dimensionen zu zerstören.
Nicht der europäische Bundesstaat, dieses große, hehre Ziel, ist heute noch das perspektivische Ziel eines immer größer werdenden Teils Ihrer Regierungskoalition, nein, von „Kerneuropa", von einem „Bollwerk der Reichen gegen die Armen", von einem „Bollwerk derjenigen, die stark sind, gegen diejenigen, die schwach sind", wird immer mehr geredet.
Mit dem sogenannten Schäuble/Lamers-Papier wurde der europäischen Einigung geschadet. Neue Vorurteile, neue Ängste wurden geweckt und gaben Euro-Skeptikern bei uns im Lande, aber auch in den anderen Ländern neue Argumente.
Solche Papiere und solche Diskussionen, wie sie mit dem Schäuble/Lamers-Papier losgetreten wurden, sind der eigentliche Grund für das, was heute als Krise der europäischen Einigung und der europäischen Politik bezeichnet werden kann.
Meine Damen und Herren von der Regierungskoalition, wo sind denn Ihre Konzepte, wie Sie die mittel- und osteuropäische Einigung vorantreiben wollen? Wo sind denn Ihre Konzepte, wie Wirtschaftspolitik gestaltet werden soll, bei gleichzeitiger Erhaltung der Arbeitsplätze in unserem Land, innerhalb der Europäischen Union und in den mittel- und osteuropäischen Ländern? Wo sind denn Ihre Vorschläge, wie die Wirtschafts- und Währungsunion vernünftig gestaltet werden kann? All das ist bei Ihnen Fehlanzeige.
Lassen Sie mich zum Schluß noch kurz etwas sagen: Wenn es uns nicht gelingt, diese Lethargie der konservativ-liberalen Politik zu durchbrechen,
wenn es uns nicht gelingt, diese Lethargie der falschen ökonomischen, der fehlenden ökologischen und der aufgegebenen sozialpolitischen Ansätze zu überwinden und Europa endlich wieder zu verbinden mit einer europäischen demokratischen Reformperspektive, dann ist der europäische Einigungsprozeß gefährdet, aber nicht, weil Europa in der Krise ist, sondern Ihre Politik.
Danke schön.
Das Wort hat der Kollege Hans Michelbach, CDU/CSU.
Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Heute ist der Popanz in die Welt gesetzt worden, es gebe eine europäische massive Krise. Ich meine, für diesen Ausdruck, für diesen Eindruck, meine Damen und Herren von der Opposition, sollten Sie sich schämen.
Ich habe den Eindruck, die Grünen müssen heute scheinbar den Umfaller der letzten Woche wiedergutmachen. Sie mußten eingestehen, daß man völlig auf dem Holzweg war, gestern auf dem falschen Asylweg und heute auf dem europäischen Holzweg. Sie sind sich wirklich, meine Damen und Herren von der Opposition, für nichts zu schade.
Ein politisches Geschäft mit der Angst unserer Bürger wird hier probiert, nichts anderes.
Europa braucht keine Ängste, keine Unruhen und auch keine Spekulationen. Es braucht auch nicht diese Ideologie, die mein Vorredner hier vorgetragen hat. Wir brauchen keine Dauerbedenkenträger namens Fischer. Wir brauchen für unsere Bürger in Europa stabile Finanzen, eine stabile Währung, eine gerechtere Lastenverteilung und gleiche Wettbewerbsbedingungen für mehr Arbeitsplätze.
Wesentlich ist doch, meine Damen und Herren, daß der Bundesfinanzminister für unsere Stabilität ganz klare Prioritäten gesetzt hat. „Die Erfüllung der Stabilitätskriterien ist wichtiger", so seine Aussage, „als der Termin für den Beginn der dritten Stufe der Währungsunion. "
Es ist längst bekannt, daß zur Zeit nur Deutschland und Luxemburg die Konvergenzkriterien erfüllen. Dies ist nichts Sensationelles. Nicht ohne Grund hat die Europäische Kommission kürzlich blaue Briefe an zwölf Mitgliedstaaten wegen übermäßiger Haushaltsdefizite geschickt.
Wir kümmern uns um die Stabilität der Mark. Andere Länder müssen das gleiche für ihre stabile Währung tun. Es geht dabei nicht um Notengebung oder Besserwisserei, sondern um eine offene und ehrliche Analyse des europäischen Status quo.
Ich möchte noch einmal deutlich hervorheben: Die Wirtschafts- und Währungsunion steht selbstverständlich allen EU-Mitgliedstaaten offen, aber die Konvergenzkriterien müssen in jedem Fall erfüllt sein. Dies ist im Vertrag von Maastricht deutlich festgeschrieben. Nur dann ist die Stabilität der Währung gesichert. Nur dann ist die Währungsunion unseren Bürgern vermittelbar.
Natürlich werden wir nicht so lange warten können, bis die Schuldenpräsidenten der SPD, Lafontaine und Schröder, diese Konvergenzkriterien erfül-
Hans Michelbach
len. Da würden wir lange warten. Die werden sie wohl nie erfüllen, auch nicht mit einer sogenannten Heidschnuckenklausel. Für Niedersachsen werden wir die sicher nie erreichen können.
Gestatten Sie mir noch einmal eine deutliche Feststellung. Die Europäische Wirtschafts- und Währungsunion ist für uns von existentieller Bedeutung. Deswegen sollten Sie diese Bedeutung hier nicht beschädigen.
Für die deutsche und europäische Wirtschaft und für unsere Arbeitsplätze bedeutet die Währungsunion: Wirtschaftsförderung für mehr Wachstum, Währungsstärkung für vermehrten Export und Unternehmensförderung für mehr Beschäftigung gefordert. Das sind hohe Ziele, meine Damen und Herren. Deshalb können wir diese Dinge dann doch nicht einfach mit einer Aktuellen Stunde so beschädigen, wie Sie dies heute versucht haben.
Schon heute hängt jeder dritte Arbeitsplatz vom europäischen Binnenmarkt und der europäischen Wirtschafts- und Währungsunion ab. Somit ist für die Zukunft unserer Arbeitsplätze und für den Standort Deutschland das gemeinsame Europa unerläßlich. Deswegen sollte man nicht falsches Zeug reden, sondern dieses anerkennen, meine Damen und Herren.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, die Aktuelle Stunde ist beendet. Wir sind damit am Schluß unserer heutigen Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Donnerstag, den 28. September 1995, 9.00 Uhr ein.
Die Sitzung ist geschlossen.