Protokoll:
13055

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 13

  • date_rangeSitzungsnummer: 55

  • date_rangeDatum: 21. September 1995

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 09:00 Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 23:55 Uhr

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 13/55 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 55. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 21. September 1995 Inhalt: Begrüßung des Präsidenten der ungarischen Nationalversammlung, Herrn Dr. Zoltán Gal, und seiner Delegation . . . 4531 A Erweiterung und Abwicklung der Tagesordnung 4531 C Absetzung des Punktes 20a und b von der Tagesordnung 4532 A Tagesordnungspunkt 3: Wahl des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik Ergebnis 4536C, 4699* B Tagesordnungspunkt 4: Mittelstandsdebatte a) Große Anfrage der Abgeordneten Ernst Schwanhold, Dr. Uwe Jens, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Möglichkeiten zur Förderung einer Existenzgründungsbewegung (Drucksachen 13/ 896, 13/1793) b) Antrag der Abgeordneten Wolfgang Bierstedt, Dr. Christa Luft und der Gruppe der PDS: Unterstützung kleiner und mittlerer Unternehmen (KMU) der neuen Bundesländer bei der Markteinführung neuer Produkte - (Drucksache 13/2095) c) Antrag der Fraktionen der CDU/ CSU und F.D.P.: Den Mittelstand entlasten (Drucksache 13/2344) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 1: Antrag der Abgeordneten Ernst Schwanhold, Dr. Uwe Jens, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Den Stillstand in der Mittelstandspolitik beenden - Anstöße zur Schaffung von Arbeitsplätzen bei kleinen und mittleren Unternehmen der Industrie, des Handwerks, des Handels und der Freien Berufe geben (Drucksache 13/2363) Hansjürgen Doss CDU/CSU 4533A Ulrich Irmer F.D.P 4535A Herbert Lattmann CDU/CSU 4535 C Hans-Eberhard Urbaniak SPD . . . 4536A, 4540C, 4551D Ernst Schwanhold SPD 4536 D Ernst Hinsken SPD 4539 B Hans Michelbach CDU/CSU . . 4540A, 4557D Simone Probst BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 4543A Paul K. Friedhoff F.D.P 4544 C Ernst Schwanhold SPD . . . 4545B, 4557C Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk SPD . . . . 4545 C Carl-Ludwig Thiele F.D.P. 4546B Wolfgang Bierstedt PDS 4547D, 4553 B Dr. Günter Rexrodt, Bundesminister BMWi 4549D, 4553 C Wolfgang Bierstedt PDS 4550 C Christian Müller (Zittau) SPD 4553 D Dr. Kurt Faltlhauser CDU/CSU . . . 4555A Ingrid Matthäus-Maier SPD 4555 C Dr. Dietrich Sperling SPD . . . . . 4555C Ernst Hinsken CDU/CSU 4556 D Dr. Heinrich L. Kolb, Parl. Staatssekretär BMWi 4559 B Karl-Heinz Scherhag CDU/CSU . . . 4560 D Dr. Dietrich Sperling SPD 4562 B Dagmar Wöhrl CDU/CSU . . . . . . 4563 D Rolf Köhne PDS 4565 A Rolf Köhne PDS 4565 B Wolfgang Schulhoff CDU/CSU . . . . 4565 C Tagesordnungspunkt 6: a) Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD und F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Drucksachen 13/2245, 13/2373) b) Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Finanzausgleichsgesetzes (Drucksachen 13/2246, 13/2368, 13/2376) Dr. Theodor Waigel, Bundesminister BMF 4567 B Ingrid Matthäus-Maier SPD 4569B Hans-Peter Repnik CDU/CSU . . . 4570 C Hansgeorg Hauser (Rednitzhembach) CDU/CSU 4571 A Rainder Steenblock BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 4573 D Gisela Frick F.D.P 4574 D Dr. Barbara Höll PDS 4576 C Dr. Susanne Tiemann CDU/CSU . . . 4577 C Gunnar Uldall CDU/CSU . . . . . . 4578 A Namentliche Abstimmung . . . . . . 4580B Ergebnis 4581 D Tagesordnungspunkt 5: Beschlußempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) zu dem Jahressteuergesetz 1996 (Drucksachen 13/901, 13/1558, 13/1800, 13/1779, 13/1960, 13/2003, 13/2016, 13/2100, 13/2262 [Berichtigung]) Dr. Barbara Höll (Erklärung nach § 31 GO) 4580D Tagesordnungspunkt 7: a) Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten Entwurfs eines ... Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Drucksachen 13/1824, 13/2339) b) Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten Entwurfs eines Achtzehnten Gesetzes zur Änderung des Abgeordnetengesetzes und eines Fünfzehnten Gesetzes zur Änderung des Europaabgeordnetengesetzes (Drucksachen 13/1825, 13/2340, 13/2341) c) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung - zu der Beschlußempfehlung und dem Bericht des Ältestenrates zu den Empfehlungen der Kommission des Ältestenrates für die Rechtsstellung der Abgeordneten in den Vorlagen vom 16. Juni 1995 hier: Ziffer I. und II. - zu dem Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zu dem Antrag der Fraktionen CDU/ CSU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und F.D.P.: Weitergeltung von Geschäftsordnungsrecht - zu dem Änderungsantrag der Abgeordneten Dr. Gregor Gysi, Wolfgang Bierstedt und der weiteren Abgeordneten der PDS zu dem Antrag der Fraktionen CDU/CSU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und F.D.P.: Weitergeltung von Geschäftsordnungsrecht (Drucksachen 13/1803, 13/2, 13/12, 13/2342) d) Unterrichtung durch die Präsidentin des Deutschen Bundestages zur Einsetzung einer Reformkommission zur Größe des Deutschen Bundestages (Drucksache 13/2370) e) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung: Verhaltensregeln (Drucksache 13/834) Dr. Rita Süssmuth CDU/CSU 4585 A Hans-Ulrich Klose SPD 4588 B Gerald Häfner BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 4590D, 4606A Dieter Wiefelspütz SPD 4591 C Gerhard Scheu CDU/CSU . . . 4592D, 4593D, 4596A, 4614C, 4616B Jörg van Essen F.D.P. . . . . . . . . . 4593 B Dr. R. Werner Schuster SPD 4594 C Dr. Dagmar Enkelmann PDS 4597 C Gerhard Scheu CDU/CSU 4598D Christa Nickels BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 4599 C Peter Conradi SPD 4600A, 4609B, 4612B, 4619B Dr. Susanne Tiemann CDU/CSU . . . . 4600 A Hans Klein (München) CDU/CSU . 4600C, 4603 D Gerald Häfner BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 4602 B Dr. Burkhard Hirsch F.D.P. . . . . 4603A, 4612 C Dieter Wiefelspütz SPD 4603 D Dr. Antje Vollmer BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 4606B, 4608 A Dr. Wolfgang Weng (Gerlingen) F.D.P. . . 4607D Dr. Edzard Schmidt-Jortzig F.D.P. . . . 4608 B Horst Eylmann CDU/CSU 4611 C Klaus Bühler (Bruchsal) CDU/CSU . . 4612D Andreas Schmidt (Mülheim) CDU/CSU 4613B Norbert Gansel SPD 4615 C Wilhelm Schmidt (Salzgitter) SPD . . . 4617B Werner Schulz (Berlin) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (zur GO) 4619 C Joachim Hörster CDU/CSU (zur GO) . 4620 B Dr. Gregor Gysi PDS (zur GO) 4620 C Dr. Peter Struck (zur GO) 4621 C Jörg van Essen F.D.P. (zur GO) 4621 D Norbert Otto (Erfurt) CDU/CSU (Erklärung nach § 31 GO) 4627 D Namentliche Abstimmungen . . . 4622B, 4622B, 4627C, 4631 A Ergebnisse 4622C, 4625 A, 4628C, 4632 B Tagesordnungspunkt 19: Überweisungen im vereinfachten Verfahren a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu der Resolution vom 15. Januar 1992 zur Änderung des Internationalen Übereinkommens vom 7. März 1966 zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung und zu der Resolution vom 8. September 1992 zur Änderung des Übereinkommens vom 10. Dezember 1984 gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe (Drucksache 13/ 1883) b) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 18. April 1994 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Großherzogtum Luxemburg fiber den Autobahnzusammenschluß und den Bau einer Grenzbrücke fiber die Mosel im Raum Perl und Schengen (Drucksache 13/ 1885) c) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 10. Juni 1993 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Ukraine fiber den Luftverkehr (Drucksache 13/1886) d) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Protokoll vom 10. Mai 1984 zur Änderung des Abkommens vom 7. Dezember 1944 fiber die Internationale Zivilluftfahrt (9. Änderung des Abkommens fiber die Internationale Zivilluftfahrt) (Drucksache 13/2044) e) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 24. September 1992 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Lettland über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Kapitalanlagen (Drucksache 13/2045) f) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 2. April 1993 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Lettland fiber die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Kapitalanlagen (Drucksache 13/ 2046) g) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 2. April 1993 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Belarus fiber die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Kapitalanlagen (Drucksache 13/ 2047) h) Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur sozialen Absicherung des Risikos der Pflegebedürftigkeit (Drucksache 13/2207) i) Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Baugesetzbuchs (Drucksache 13/2208) j) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Anpassung von Dienst- und Versorgungsbezügen in Bund und Ländern 1995 (Bundesbesoldungs- und -versorgungsanpassungsgesetz - BBVAnpG 95) (Drucksache 13/2210) k) Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Achten Buches Sozialgesetzbuch und des Bundeserziehungsgeldgesetzes (Drucksache 13/2240) 1) Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD und F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines Dienstrechtlichen Begleitgesetzes im Zusammenhang mit dem Beschluß des Deutschen Bundestages vom 20. Juni 1991 zur Vollendung der Einheit Deutschlands (Dienstrechtliches Begleitgesetz - DBeglG) (Drucksache 13/2377) m) Antrag der Fraktion der SPD: Geplante Versenkung der Shell-Ölplattform und glaubwürdiger europäischer Nordseeschutz - (Drucksache 13/1738) n) Antrag der Abgeordneten Dr. Gerald Thalheim, Anke Fuchs (Köln), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Verlängerung des Veräußerungstermins von nicht betriebsnotwendigen Vermögenswerten im Zusammenhang mit der Altschuldenregelung der Landwirtschaft in den neuen Ländern (Drucksache 13/ 1772) o) Antrag des Bundesministeriums der Finanzen: Einwilligung gemäß § 64 Abs. 2 Bundeshaushaltsordnung in die Veräußerung des bundeseigenen Flugplatzes an die „Holding Unternehmen Hahn GmbH & Co. KG" (Drucksache 13/1897) p) Antrag des Bundesministeriums der Finanzen: Einwilligung gemäß § 64 Abs. 2 Bundeshaushaltsordnung in die Veräußerung eines Grundstücks in Berlin (Drucksache 13/2186) q) Antrag des Bundesministeriums der Finanzen: Einwilligung gemäß § 64 Abs. 2 Bundeshaushaltsordnung in die Veräußerung einer bundeseigenen Liegenschaft in Magdeburg („Schroteplatz") an das Land Sachsen-Anhalt (Drucksache 13/2224) . 4635 D Zusatztagesordnungspunkt 5: Weitere Überweisungen im vereinfachten Verfahren a) Antrag der Abgeordneten Gerd Poppe, Dr. Helmut Lippelt, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Voraussetzungen und Perspektiven einer Verhandlungslösung für das ehemalige Jugoslawien (Drucksache 13/2362) b) Antrag der Fraktion der SPD: Die Lage der Bürger in Bosnien-Herzegowina, Kroatien und Serbien und die Bedingungen für die rasche Hilfe beim Wiederaufbau nach einem Friedensschluß (Drucksache 13/2378) 4637 B Tagesordnungspunkt 20: Abschließende Beratungen ohne Aussprache c) Beschlußempfehlung des Rechtsausschusses zu den dem Deutschen Bundestag zugeleiteten Streitsachen vor dem Bundesverfassungsgericht Übersicht 1 (Drucksache 13/ 1882) d) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates fiber Anforderungen im Hinblick auf die Energieeffizienz von elektrischen Haushaltskühl- und -gefriergeräten und entsprechenden Kombinationen (Drucksachen 13/1096 Nr. 2.6, 13/1923) e) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für die Angelegenheiten der Europäischen Union zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: 54. Bericht der Bundesregierung fiber die Integration der Bundesrepublik Deutschland in die Europäische Union (Berichtszeitraum 1. Januar bis 30. Juni 1994) (Drucksachen 13/77, 13/342 Nr. 4, 13/1957) f) Beschlußempfehlung und Bericht des Finanzausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Festlegung der Fälle, in denen eine Befreiung von Einfuhr- und Ausfuhrabgaben gewährt werden kann (Drucksachen 13/725 Nr. 68, 13/2174) g) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Vorschlag für eine Verordnung des Rates über das Verbot der Verwendung bestimmter Stoffe mit hormonaler bzw. thyreostatischer Wirkung und von Beta-Agonisten in der tierischen Erzeugung (Drucksachen 13/725 Nr. 112, 13/2259) h-j) Beschlußempfehlungen des Petitionsausschusses: Sammelübersichten 56, 57, 58 zu Petitionen (Drucksachen 13/2271, 13/2272, 13/2273) k) Beschlußempfehlung des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung: Antrag auf Genehmigung zur Durchführung eines Privatklageverfahrens (Drucksache 13/2281) 4637 D Tagesordnungspunkt 11: Beschlußempfehlung und Bericht des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Marieluise Beck (Bremen), Angelika Beer und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Sicherstellung der Humanitären Hilfe für Bosnien-Herzegowina zu dem Antrag der Abgeordneten Angelika Beer, Dr. Helmut Lippelt und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Stärkeres politisches Engagement der Bundesrepublik Deutschland in Bosnien-Herzegowina (Drucksache 13/ 1881) 4638C Tagesordnungspunkt 2: Befragung der Bundesregierung (Aufstiegsfortbildungs-Förderungsgesetz; Verhandlungsziel der Bundesregierung auf der Konferenz zur Überprüfung des UN-Waffenübereinkommens; weitere aktuelle Themen) Dr. Jürgen Rüttgers, Bundesminister BMBF 4639 C Franz Thönnes SPD . . . . . . . . . 4640 B Dr. Jürgen Rüttgers, Bundesminister BMBF 4640 C Franz Thönnes SPD 4640 D Dr. Jürgen Rüttgers, Bundesminister BMBF . . . 4641A Doris Odendahl SPD 4641 B Dr. Jürgen Rüttgers, Bundesminister BMBF 4641 C Günter Rixe SPD 4641 D Dr. Jürgen Rüttgers, Bundesminister BMBF 4642 B Dr. Peter Glotz SPD 4642 C Dr. Jürgen Rüttgers, Bundesminister BMBF 4642 D Edelgard Bulmahn SPD 4643 A Dr. Jürgen Rüttgers, Bundesminister BMBF 4643 B Ernst Hinsken CDU/CSU 4643 C Dr. Jürgen Rüttgers, Bundesminister BMBF 4643 C Dr. Karlheinz Guttmacher F.D.P. . . . 4643D Dr. Jürgen Rüttgers, Bundesminister BMBF 4643 D Volker Kröning SPD 4644 A Dr. Werner Hoyer, Staatsminister AA . 4644 A Volker Kröning SPD 4644 B Dr. Werner Hoyer, Staatsminister AA . 4644 D Konrad Gilges SPD 4645 B Friedrich Bohl, Bundesminister BK . . 4645 C Tagesordnungspunkt 8: Antrag der Abgeordneten Dr. Herta Däubler-Gmelin, Christel Hanewinckel, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Reform des Kindschaftsrechts (Drucksache 13/1752) Margot von Renesse SPD 4646 A Dr. Wolfgang Götzer CDU/CSU . . . 4648 C Dr. Edith Niehuis SPD 4649 C Rita Grießhaber BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 4650 C Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundesministerin BMJ 4651 D Christina Schenk PDS 4653 B Tagesordnungspunkt 9: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neuregelung der steuerrechtlichen Wohneigentumsförderung (Drucksache 13/2235) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 2: Antrag der Abgeordneten Franziska Eichstädt-Bohlig, Christine Scheel, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Eckwerte für ein grünes Wohnungs-SelbsthilfeGesetz für eine soziale und ökologische Reform der Wohneigentumsförderung (Drucksache 13/2304) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 3: Antrag der Abgeordneten Klaus-Jürgen Warnick, Dr. Barbara Höll und der Gruppe der PDS: Reformierung der Wohneigentumsförderung als ein Bestandteil der Wohnungsbaupolitik (Drucksache 13/2357) Dr.-Ing. Dietmar Kansy (zur GO) . . . 4655A Achim Großmann SPD 4655 B Klaus-Jürgen Warnick PDS 4655 C Dr. Kurt Faltlhauser, Parl. Staatssekretär BMF 4656 A Otto Reschke SPD 4657 C Franziska Eichstädt-Bohlig BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 4659 D Hildebrecht Braun (Augsburg) F.D.P. . 4661 D Klaus-Jürgen Warnick PDS . . . 4663C, 4667 B Dr. Michael Meister CDU/CSU . . 4665A, 4667 C Wolfgang Ilte SPD 4668 B Klaus-Jürgen Warnick PDS 4668D Hildebrecht Braun (Augsburg) F.D.P. 4670C Dr. Bertold Reinartz CDU/CSU . . . . 4671 C Dr. Klaus Töpfer, Bundesminister BMBau 4674 A Tagesordnungspunkt 10: Antrag der Abgeordneten Dr. Angelica Schwall-Düren, Antje-Marie Steen, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Verbot dès Einsatzes von Pyrethroiden in Textilien und Innenräumen (Drucksache 13/1478) Antje-Marie Steen SPD 4676 B Dr. Harald Kahl CDU/CSU 4677 C Dr. Jürgen Rochlitz BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 4679A Birgit Homburger F D P. 4679D Eva Bulling-Schröter PDS 4680 C Walter Hirche, Parl. Staatssekretär BMU 4681 B Dr. Jürgen Rochlitz BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 4681D Dr. Angelica Schwall-Düren SPD . . . 4682 D Tagesordnungspunkt 12: Antrag der Abgeordneten Peter Bleser, Dr. Susanne Tiemann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/ CSU sowie der Abgeordneten Jürgen Türk, Paul K. Friedhoff, Ulrich Heinrich, Günther Bredehorn und der Fraktion der F.D.P.: Anpassung des Bergrechts (Drucksache 13/2359) Gottfried Tröger CDU/CSU 4684 A Hans-Joachim Hacker SPD 4685 A Vera Lengsfeld BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 4686 C Jürgen Türk F.D.P 4687 C Hans-Joachim Hacker SPD . . 4688A, 4690 B Gerhard Jüttemann PDS 4688B Ulrich Petzold CDU/CSU 4689 B Rolf Schwanitz SPD 4689 D Dr. Heinrich L. Kolb, Parl. Staatssekretär BMWi 4690 D Tagesordnungspunkt 13: a) Erste Beratung des von dem Abgeordneten Volker Beck (Köln) und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Sicherung der Wohnung für den hinterbliebenen Lebenspartner (Drucksache 13/847) b) Antrag des Abgeordneten Volker Beck (Köln) und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Gleichberechtigung von Schwulen und Lesben in der Bundesrepublik Deutschland (Drucksache 13/1822) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 4: Erste Beratung des von den Abgeordneten Christina Schenk, Dr. Gregor Gysi und der Gruppe der PDS eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Übernahme der gemeinsamen Wohnung nach Todesfall der Mieterin/des Mieters oder der Mitmieterin/des Mitmieters (Drucksache 13/2355) Volker Beck BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 4692 A Christina Schenk PDS 4692 D Dr. Dietrich Mahlo CDU/CSU 4693 C Volker Beck BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 4693D, 4698A Dr. Barbara Höll PDS 4694 C Margot von Renesse SPD 4695 D Rainer Funke, Pari. Staatssekretär BMJ 4697 B Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . 4698 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . 4699* A Anlage 2 Namen der Abgeordneten, die an der Wahl des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik teilgenommen haben 4699* B Anlage 3 Erklärungen nach § 31 GO zur Abstimmung über die in Tagesordnungspunkt 7 aufgeführten Gesetzentwürfe: Änderung des Grundgesetzes, Änderung des Abgeordnetengesetzes und des Europaabgeordnetengesetzes Klaus Barthel SPD 4701* D Friedhelm Julius Beucher SPD 4702* C Freimut Duve SPD 4703* A Günter Gloser SPD 4703* C Jürgen Koppelin F.D.P. . . . . . . . 4703* D Hermann Scheer SPD 4704* A Michael Müller (Düsseldorf) SPD . . . 4704* A Horst Schmidbauer (Nürnberg) SPD . 4704* B Uta Titze-Stecher SPD 4704* C Anlage 4 Zu Protokoll gegebene Reden zu Tagesordnungspunkt 8 (Antrag: Reform des Kindschaftsrechts) Dr. Edith Niehuis SPD 4704* D Ilse Falk CDU/CSU 4706* B Heinz Lanfermann F.D.P 4708* B Ronald Pofalla CDU/CSU . . . . . . 4710* D Anlage 5 Zu Protokoll gegebene Rede zu Tagesordnungspunkt 13 (a - Gesetz zur Sicherung der Wohnung für den hinterbliebenen Lebenspartner; b - Antrag: Gleichberechtigung von Schwulen und Lesben in der Bundesrepublik Deutschland und Zusatztagesordnungspunkt 4 (Gesetz zur Übernahme der gemeinsamen Wohnung nach Todesfall der Mieterin/des Mieters oder der Mitmieterin/des Mitmieters)) Heinz Lanfermann F.D.P. . . . . . . . 4713* A 55. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 21. September 1995 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Adler, Brigitte SPD 21. 9. 95 Blunck, Lilo SPD 21. 9. 95 * Böttcher, Maritta PDS 21. 9. 95 Dr. Däubler-Gmelin, SPD 21.9. 95 Herta Dr. Feldmann, Olaf F.D.P. 21. 9. 95 * Haack (Extertal), SPD 21. 9. 95 Karl Hermann Hörsken, Heinz-Adolf CDU/CSU 21.9. 95 Dr. Jacob, Willibald PDS 21.9. 95 Dr.-Ing. Jork, Rainer CDU/CSU 21.9. 95 Leidinger, Robert SPD 21. 9. 95 Lennartz, Klaus SPD 21. 9. 95 Meckel, Markus SPD 21. 9. 95 Scheel, Christine BÜNDNIS 21. 9. 95 90/DIE GRÜNEN Schmidt (Hitzhofen), BÜNDNIS 21.9. 95 Albert 90/DIE GRÜNEN Schmidt (Aachen), SPD 21.9. 95 Ulla Schönberger, Ursula BÜNDNIS 21.9. 95 90/DIE GRÜNEN Schumann, Ilse SPD 21. 9. 95 Dr. Wolf, Winfried PDS 21. 9. 95 Wolf (Frankfurt), BÜNDNIS 21. 9. 95 Margareta 90/DIE GRÜNEN Zierer, Benno CDU/CSU 21. 9. 95 * * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Anlage 2 Namen der Abgeordneten, die an der Wahl des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik teilgenommen haben CDU/CSU Ulrich Adam Peter Altmaier Anneliese Augustin Jürgen Augustinowitz Dietrich Austermann Heinz-Günter Bargfrede Franz Peter Basten Dr. Wolf Bauer Anlagen zum Stenographischen Bericht (C) Brigitte Baumeister Meinrad Belle Dr. Sabine Bergmann-Pohl Hans-Dirk Bierling Dr. Joseph-Theodor Blank Renate Blank Dr. Heribert Blens Peter Bleser Dr. Norbert Blüm Friedrich Bohl Dr. Maria Böhmer Jochen Borchert Wolfgang Börnsen (Bönstrup) Wolfgang Bosbach Dr. Wolfgang Bötsch Klaus Brähmig Rudolf Braun (Auerbach) Paul Breuer Monika Brudlewsky Georg Brunnhuber Klaus Bühler (Bruchsal) Hartmut Büttner (Schönebeck) Dankward Buwitt Manfred Carstens (Emstek) Peter Harry Carstensen (Nordstrand) Wolfgang Dehnel Hubert Deittert Gertrud Dempwolf Albert Deß Renate Diemers Wilhelm Dietzel Werner Dörflinger Hansjörgen Doss Dr. Alfred Dregger Maria Eichhorn Wolfgang Engelmann Rainer Eppelmann Heinz Dieter Eßmann Horst Eylmann Anke Eymer Use Falk Dr. Kurt Faltlhauser Jochen Feilcke Dr. Karl H. Fell Ulf Fink Dirk Fischer (Hamburg) Leni Fischer (Unna) Klaus Francke (Hamburg) Herbert Frankenhauser Dr. Gerhard Friedrich Erich G. Fritz Hans-Joachim Fuchtel Michaela Geiger Norbert Geis Dr. Heiner Geißler Michael Glos Wilma Glücklich Dr. Reinhard Göhner Peter Götz Dr. Wolfgang Götzer Joachim Gres Kurt-Dieter Grill Wolfgang Gröbl Hermann Gröhe Claus-Peter Grotz Manfred Grund Horst Günther (Duisburg) Carl-Detlev Freiherr von Hammerstein Gottfried Haschke (Großhennersdorf) Gerda Hasselfeldt Rainer Haungs Otto Hauser (Esslingen) Hansgeorg Hauser (Rednitzhembach) Klaus-Jürgen Hedrich Manfred Heise Dr. Renate Hellwig Ernst Hinsken Peter Hintze Josef Hollerith Dr. Karl-Heinz Hornhues Siegfried Hornung Joachim Hörster Hubert Hüppe Peter Jacoby Susanne Jaffke Georg Janovsky Helmut Jawurek Dr. Dionys Jobst Michael Jung (Limburg) Ulrich Junghanns Dr. Egon Jüttner Dr. Harald Kahl Bartholomäus Kalb Steffen Kampeter Dr.-Ing. Dietmar Kansy Manfred Kanther Irmgard Karwatzki Volker Kauder Peter Keller Eckart von Klaeden Dr. Bernd Klaußner Hans Klein (München) Ulrich Klinkert Dr. Helmut Kohl Hans-Ulrich Köhler (Hainspitz) Manfred Kolbe Norbert Königshof en Eva-Maria Kom Hartmut Koschyk Manfred Koslowski Thomas Kossendey Rudolf Kraus Wolfgang Krause (Dessau) Andreas Krautscheid Arnulf Kriedner Heinz-Jürgen Kronberg Dr.-Ing. Paul Krüger Reiner Krziskewitz Dr. Hermann Kues Werner Kuhn Karl Lamers Dr. Karl A. Lamers (Heidelberg) Dr. Norbert Lammert Helmut Lamp Armin Laschet Herbert Lattmann Dr. Paul Laufs Karl-Josef Laumann Werner Lensing Christian Lenzer Peter Letzgus Editha Limbach Walter Link (Diepholz) Eduard Lintner Dr. Klaus W. Lippold (Offenbach) Dr. Manfred Lischewski Wolfgang Lohmann (Lüdenscheid) Julius Louven Sigrun Löwisch Heinrich Lummer Dr. Michael Luther Erich Maaß (Wilhelmshaven) Dr. Dietrich Mahlo Erwin Marschewski Günter Marten Dr. Martin Mayer (Siegertsbrunn) Wolfgang Meckelburg Rudolf Meinl Dr. Michael Meister Dr. Angela Merkel Friedrich Merz Rudolf Meyer (Winsen) Hans Michelbach Meinolf Michels Dr. Gerd Müller Elmar Müller (Kirchheim) Engelbert Nelle Bernd Neumann (Bremen) Johannes Nitsch Claudia Nolte Dr. Rolf Olderog Friedhelm Ost Eduard Oswald Norbert Otto (Erfurt) Dr. Gerhard Päselt Dr. Peter Paziorek Hans-Wilhelm Pesch Ulrich Petzold Anton Pfeifer Angelika Pfeiffer Dr. Gero Pfennig Dr. Friedbert Pflüger Beatrix Philipp Dr. Winfried Pinger Ronald Pofalla Dr. Hermann Pohler Ruprecht Polenz Marlies Pretzlaff Dr. Albert Probst Dr. Bernd Protzner Dieter Pützhofen Thomas Rachel Hans Raidel Dr. Peter Ramsauer Rolf Rau Helmut Rauber Otto Regenspurger Christa Reichard (Dresden) Klaus Dieter Reichardt (Mannheim) Dr. Bertold Reinartz Erika Reinhardt Hans-Peter Repnik Roland Richter Roland Richwien Dr. Norbert Rieder Dr. Erich Riedl (München) Klaus Riegert Dr. Heinz Riesenhuber Hannelore Rönsch (Wiesbaden) Heinrich-Wilhelm Ronsöhr Dr. Klaus Rose Kurt J. Rossmanith Adolf Roth (Gießen) Norbert Röttgen Dr. Christian Ruck Volker Rühe Dr. Jürgen Rüttgers Roland Sauer (Stuttgart) Ortrun Schätzle Dr. Wolfgang Schäuble Hartmut Schauerte Heinz Schemken Karl-Heinz Scherhag Gerhard Scheu Norbert Schindler Dietmar Schlee Bernd Schmidbauer Christian Schmidt (Fürth) Dr.-Ing. Joachim Schmidt (Halsbrücke) Andreas Schmidt (Mülheim) Hans-Otto Schmiedeberg Hans Peter Schmitz (Baesweiler) Michael von Schmude Birgit Schnieber-Jastram Dr. Andreas Schockenhoff Dr. Rupert Scholz Reinhard Freiherr von Schorlemer Dr. Erika Schuchardt Wolfgang Schulhoff Dr. Dieter Schulte (Schwäbisch Gmünd) Frederick Schulze Diethard Schütze (Berlin) Clemens Schwalbe Dr. Christian Schwarz-Schilling Wilhelm Josef Sebastian Horst Seehofer Wilfried Seibel Heinz-Georg Seiffert Rudolf Seiters Johannes Selle Bernd Siebert Jürgen Sikora Johannes Singhammer Bärbel Sothmann Margarete Späte Wolfgang Steiger Erika Steinbach Dr. Wolfgang Freiherr von Stetten Dr. Gerhard Stoltenberg Andreas Storm Max Straubinger Michael Stübgen Egon Susset Dr. Rita Süssmuth Michael Teiser Dr. Susanne Tiemann Dr. Klaus Töpfer Gottfried Tröger Dr. Klaus-Dieter Uelhoff Gunnar Uldall Wolfgang Vogt (Duren) Dr. Horst Waffenschmidt Dr. Theodor Waigel Alois Graf von Waldburg-Zeil Dr. Jürgen Warnke Kersten Wetzel Hans-Otto Wilhelm (Mainz) Gert Willner Bernd Wilz Willy Wimmer (Neuss) Matthias Wissmann Simon Wittmann (Tännesberg) Dagmar Wöhrl Michael Wonneberger Elke Wülfing Peter Kurt Würzbach Cornelia Yzer Wolfgang Zeitlmann Benno Zierer Wolfgang Zöller SPD Gerd Andres Robert Antretter Ernst Bahr Doris Barnett Klaus Barthel Ingrid Becker-Inglau Wolfgang Behrendt Hans-Werner Bertl Friedhelm Julius Beucher Rudolf Bindig Dr. Ulrich Böhme (Unna) Arne Börnsen (Ritterhude) Anni Brandt-Elsweier Tilo Braune Dr. Eberhard Brecht Edelgard Bulmahn Ursula Burchardt Hans Martin Bury Hans Büttner (Ingolstadt) Marion Caspers-Merk Wolf-Michael Catenhusen Peter Conradi Christel Deichmann Karl Diller Dr. Marliese Dobberthien Peter Dreßen Rudolf Dreßler Freimut Duve Ludwig Eich Peter Enders Gernot Erler Petra Ernstberger Annette Faße Elke Ferner Lothar Fischer (Homburg) Gabriele Fograscher Iris Follak Norbert Formanski Dagmar Freitag Anke Fuchs (Köln) Katrin Fuchs (Verl) Arne Fuhrmann Monika Ganseforth Norbert Gansel Konrad Gilges Iris Gleicke Günter Gloser Dr. Peter Glotz Günter Graf (Friesoythe) Angelika Graf (Rosenheim) Dieter Grasedieck Achim Großmann Hans-Joachim Hacker Klaus Hagemann Manfred Hampel Christel Hanewinckel Alfred Hartenbach Dr. Liesel Hartenstein Klaus Hasenfratz Dr. Ingomar Hauchler Dieter Heistermann Reinhold Hemker Rolf Hempelmann Dr. Barbara Hendricks Monika Heubaum Uwe Hiksch Reinhold Hiller (Lübeck) Stephan Hilsberg Gerd Höfer Jelena Hoffmann (Chemnitz; Frank Hofmann (Volkach) Ingrid Holzhüter Erwin Horn Eike Hovermann Lothar Ibrügger Wolfgang Ilte Barbara Imhof Brunhilde Irber Gabriele Iwersen Renate Jäger Jann-Peter Janssen Use Janz Dr. Uwe Jens Volker Jung (Düsseldorf) Sabine Kaspereit Susanne Kastner Ernst Kastning Hans-Peter Kemper Klaus Kirschner Marianne Klappert Siegrun Klemmer Hans-Ulrich Klose Dr. Hans-Hinrich Knaape Walter Kolbow Fritz Rudolf Körper Nicolette Kressl Volker Kröning Thomas Krüger Horst Kubatschka Eckart Kuhlwein Konrad Kunick Christine Kurzhals Dr. Uwe Küster Werner Labsch Brigitte Lange Detlev von Larcher Waltraud Lehn Dr. Elke Leonhard Klaus Lohmann (Witten) Christa Lörcher Erika Lotz Dr. Christine Lucyga Dieter Maaß (Herne) Winfried Mante Dorle Marx Ulrike Mascher Christoph Matschie Ingrid Matthäus-Maier Heide Mattischeck Ulrike Mehl Herbert Meißner Angelika Mertens Dr. Jürgen Meyer (Ulm) Ursula Mogg Siegmar Mosdorf Michael Müller (Düsseldorf) Jutta Müller (Völklingen) Christian Müller (Zittau) Kurt Neumann (Berlin) Volker Neumann (Bramsche) Gerhard Neumann (Gotha) Dr. Edith Niehuis Dr. Rolf Niese Doris Odendahl Günter Oesinghaus Leyla Onur Manfred Opel Adolf Ostertag Kurt Palis Albrecht Papenroth Dr. Willfried Penner Dr. Martin Pfaff Georg Pfannenstein Dr. Eckhart Pick Joachim Poß Hermann Rappe (Hildesheim) Karin Rehbock-Zureich Margot von Renesse Renate Rennebach Otto Reschke Bernd Reuter Dr. Edelbert Richter Günter Rixe Reinhold Robbe Gerhard Rübenkönig Dr. Hansjörg Schafer Gudrun Schaich-Walch Dieter Schanz Bernd Scheelen Horst Schild Otto Schily Dieter Schloten Günter Schluckebier Horst Schmidbauer (Nürnberg) Dagmar Schmidt (Meschede) Wilhelm Schmidt (Salzgitter) Regina Schmidt-Zadel Heinz Schmitt (Berg) Dr. Emil Schnell Walter Schöler Ottmar Schreiner Gisela Schröter Dr. Mathias Schubert Richard Schuhmann (Delitzsch) Reinhard Schultz (Everswinkel) Volkmar Schultz (Köln) Dr. R. Werner Schuster Dietmar Schütz (Oldenburg) Dr. Angelica Schwall-Düren Ernst Schwanhold Rolf Schwanitz Bodo Seidenthal Lisa Seuster Horst Sielaff Erika Simm Johannes Singer Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast Wieland Sorge Wolfgang Spanier Dr. Dietrich Sperling Jörg-Otto Spiller Antje-Marie Steen Ludwig Stiegler Dr. Peter Struck Joachim Tappe Jörg Tauss Dr. Bodo Teichmann Margitta Terborg Jella Teuchner Dr. Gerald Thalheim Wolfgang Thierse Dietmar Thieser Franz Thönnes Uta Titze-Stecher Adelheid Tröscher Hans-Eberhard Urbaniak Siegfried Vergin Günter Verheugen Ute Vogt (Pforzheim) Karsten D. Voigt (Frankfurt) Josef Vosen Hans Georg Wagner Dr. Konstanze Wegner Wolfgang Weiermann Reinhard Weis (Stendal) Matthias Weisheit Gunter Weißgerber Gert Weisskirchen (Wienloch) Jochen Welt Hildegard Wester Lydia Westrich Inge Wettig-Danielmeier Dr. Norbert Wieczorek Helmut Wieczorek (Duisburg) Heidemarie Wieczorek-Zeul Dieter Wiefelspütz Berthold Wittich Dr. Wolfgang Wodarg Verena Wohlleben Hanna Wolf (München) Heidi Wright Uta Zapf Dr. Christoph Zöpel Peter Zumkley BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Gila Altmann (Aurich) Elisabeth Altmann (Pommelsbrunn) Marieluise Beck (Bremen) Volker Beck (Köln) Angelika Beer Matthias Berninger Annelie Buntenbach Franziska Eichstädt-Bohlig Dr. Uschi Eid Andrea Fischer (Berlin) Joseph Fischer (Frankfurt) Rita Grießhaber Gerald Häfner Antje Hermenau Kristin Heyne Michaele Hustedt Dr. Manuel Kiper Monika Knoche Dr. Angelika Köster-Loßack Steffi Lemke Vera Lengsfeld Dr. Helmut Lippelt Oswald Metzger Kerstin Müller (Köln) Winfried Nachtwei Christa Nickels Cem Özdemir Gerd Poppe Simone Probst Dr. Jürgen Rochlitz Halo Saibold Irmingard Schewe-Gerigk Rezzo Schlauch Wolfgang Schmitt (Langenfeld) Waltraud Schoppe Werner Schulz (Berlin) Rainder Steenblock Christian Sterzing Manfred Such Dr. Antje Vollmer Ludger Volmer Helmut Wilhelm (Amberg) F.D.P. Ina Albowitz Dr. Gisela Babel Hildebrecht Braun (Augsburg) Günther Bredehorn Jörg van Essen Gisela Frick Paul K. Friedhoff Horst Friedrich Rainer Funke Hans-Dietrich Genscher Dr. Wolfgang Gerhardt Joachim Günther (Plauen) Dr. Karlheinz Guttmacher Dr. Helmut Haussmann Ulrich Heinrich Walter Hirche Dr. Burkhard Hirsch Birgit Homburger Dr. Werner Hoyer Ulrich Irmer Dr. Klaus Kinkel Roland Kohn Dr. Heinrich L. Kolb Jürgen Koppelin Dr.-Ing. Karl-Hans Laermann Dr. Otto Graf Lambsdorff Heinz Lanfermann Sabine LeutheusserSchnarrenberger Uwe Lühr Jürgen W. Möllemann Günther Friedrich Nolting Dr. Rainer Ortleb Lisa Peters Dr. Günter Rexrodt Dr. Klaus Röhl Helmut Schäfer (Mainz) Cornelia Schmalz-Jacobsen Dr. Edzard Schmidt-Jortzig Dr. Irmgard Schwaetzer Dr. Hermann Otto Sohns Dr. Max Stadler Carl-Ludwig Thiele Dr. Dieter Thomae Jürgen Türk Dr. Wolfgang Weng (Gerlingen) PDS Wolfgang Bierstedt Petra Blass Eva Bulling-Schröter Heinrich Graf von Einsiedel Dr. Ludwig Elm Dr. Dagmar Enkelmann Dr. Ruth Fuchs Dr. Gregor Gysi Dr. Uwe-Jens Heuer Stefan Heym Dr. Barbara Höll Ulla Jelpke Gerhard Jüttemann Dr. Heidi Knake-Werner Rolf Köhne Rolf Kutzmutz Andrea Lederer Dr. Christa Luft Heidemarie Lüth Dr. Günther Maleuda Manfred Müller (Berlin) Rosel Neuhäuser Dr. Uwe-Jens Rössel Christina Schenk Steffen Tippach Klaus-Jürgen Warnick Gerhard Zwerenz Anlage 3 Erklärung nach § 31 GO zur Abstimmung über die in Tagesordnungspunkt 7 aufgeführten Gesetzentwürfe: Änderung des Grundgesetzes, Änderung des Abgeordnetengesetzes und des Europaabgeordnetengesetzes Klaus Barthel (SPD): Ich werde der Änderung des Grundgesetzes, der Diätenerhöhung und der Verkleinerung des Bundestages nicht zustimmen. Es wird argumentiert, daß die Diäten in den vergangenen Jahren nur selten und geringfügig erhöht wurden. Dem werden Zahlen der allgemeinen Einkommensentwicklung entgegengestellt und damit der Eindruck zu erwecken versucht, es habe für einen Großteil der Bevölkerung deutliche Einkommenszuwächse gegeben. Dies trifft auf die überwältigende Bevölkerungsmehrheit, auf die ich mich in meiner politischen Arbeit beziehe, nicht zu. Ihre Einkommenszuwächse wurden zusätzlich durch höhere Sozialbeiträge aufgezehrt. Das Einfrieren der Diäten in den letzten Jahren war meist als Vorbild zum Verzicht für alle begründet worden. Diese Gürtel-enger-schnallen-Theorie und die Angriffe auf immer weitere Teile des Sozialstaates haben in der Praxis die Polarisierung der Lebens- und Einkommensverhältnisse zugespitzt. Nur eine kleine Minderheit hat gut daran verdient. Dieses Konzept ist wirtschaftspolitisch gescheitert. Wenn heute an Hand der Diäten eine wirtschafts- und sozialpolitische Neuorientierung mit Vorbildfunktion eingeleitet würde, wäre dies sehr bedenkenswert. Leider kann davon nicht die Rede sein. Erst diesen Montag wieder hat es der Bundeskanzler nicht unterlassen können, im Rahmen seiner wirtschaftspolitischen Grundweisheiten erneut gegen den Tarifabschluß in der Metallindustrie zu polemisieren. Ihm sind also schon 3,2 % Lohnerhöhung zuviel. Der Bundestag will jetzt der Bevölkerung eine Diätenerhöhung in ganz anderer Höhe schmackhaft machen. Er bietet ein anderes Geschäft an: Weniger Abgeordnete sparen in der Summe, damit der und die einzelne mehr bekommen kann. Nur in diesem Paket sei das durchsetzbar. Wird die Qualität und der Wert unserer Arbeit in Relation zu anderen Einkommensgruppen erst dann höher, wenn wir weniger werden? Stimmt die Logik, daß die Leistung mit dem Einkommen steigt und daß nur eine Leistung, die wenige erbringen, besser bezahlt werden kann? In unserem Fall wird umgekehrt ein Schuh daraus: Weniger Abgeordnete haben weniger Kontakt zur Bevölkerung, haben weniger Gewicht gegenüber einer immer unangreifbareren, sich nach außen perfektionierenden Verwaltung und haben immer weniger die Chance, eine Regierung zu kontrollieren. Wenn es um die Bezüge von Abgeordneten geht, gäbe es Reformbedarf, der zusammen mit einer Strukturreform der Diäten zu vollziehen wäre. Die Offenlegung von Nebeneinkünften halte ich für unverzichtbar, wenn es um eine ehrliche Debatte der Abgeordnetenbezüge gehen soll. Um nicht Beifall von falscher Seite zu bekommen, betone ich, daß eine Diätenerhöhung für mich vorstellbar ist, ebenso eine Ankoppelung an Bezüge für gleichwertige Tätigkeiten oder an die allgemeine Einkommensentwicklung. Wir müssen uns dagegen wehren, als Abgeordnete Prügelknaben gerade von solchen Personenkreisen sein zu sollen, die es gerade nötig haben, von ihren Einkommensverhältnissen abzulenken. Fragen wir doch mal nach, welche Gelder und welche Leute hinter dem sogenannten „Bund der Steuerzahlers' stehen. Vergessen wir nicht: Die Union trägt maßgeblich die Verantwortung für die soziale Schräglage in unserem Lande und die Aggressionen in der Bevölkerung gegenüber der Politik. Die große Koalition in der Diätenfrage erlaubt es den Grünen und der F.D.P., gut dazustehen, und der CDU/CSU unbeschädigt zu bleiben. Wir Sozialdemokraten ernten von unseren Wählerinnen und Wählern und unseren Mitgliedern Enttäuschung, Wut und Unverständnis. Wir Sozialdemokraten werden zu Recht mit strengeren Maßstäben gemessen. Eine Reform tut not. Teile der derzeitigen Pläne sind sinnvoll, werden öffentlich aber leider nicht diskutiert. Wir brauchen eine angemessene Einreihung in das Einkommensgefüge, eine Ankoppelung an die allgemeine Einkommensentwicklung, eine Offenlegung eventueller weiterer Einkünfte der Abgeordneten, eine bessere Ausstattung mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und bessere Arbeitsbedingungen für diese zugunsten der Wählerinnen und Wähler, die wir vertreten, sowie für eine Effektivierung der parlamentarischen Arbeit. Das derzeitige Paket schnürt zusammen, was nicht zusammengehört, und läßt Wichtiges vermissen. Es paßt weder von der Begründung noch vom Inhalt her in die gegenwärtige politische und soziale Landschaft. Auch verfassungsrechtliche Zweifel, insbesondere im Hinblick auf bisherige Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichtes, konnten für mich nicht restlos ausgeräumt werden. Friedhelm Julius Beucher (SPD): Ich stimme den eingebrachten Entwürfen zur Änderung des Grundgesetzes, Drucksache 13/1824, und des Abgeordnetengesetzes bezüglich der Erhöhung der Diäten, Drucksache 13/1825, nicht zu. Ebenso halte ich die Verkleinerung des Parlaments für die falsche Antwort auf unserem langen Weg, immer „mehr Demokratie zu wagen". Warum unterwerfen sich die Abgeordneten des Deutschen Bundestages nicht dem unabhängigen Urteil einer Expertenkommission mit allen Konsequenzen, d. h. schaffen die für eine Demokratie notwendige Transparenz nicht mit einer offensiven Debatte über solche unabhängigen Expertenvorschläge? Die berechtigte Kritik vieler Bürger setzt nämlich genau an diesem Punkt ein: Als weitgehend einzige Berufsgruppe stimmen Politiker über die Höhe ihrer Einkünfte selbst ab. Wenn, wie im vorliegenden Fall, eine Grundgesetzänderung möglich ist, muß es auch einen Weg geben, die Entscheidung über die Diätenerhöhung außerhalb des Parlaments zu legen. Die hohe Erwartungshaltung der Bürgerinnen und Bürger an die Arbeit der Politiker erfordert eine angemessene Bezahlung, die über den jetzigen Bezügen liegt. Jede vergleichbare Arbeit wird in unserer Republik besser bezahlt als Abgeordnetenarbeit, insbesondere was Arbeitszeit, -aufwand und auch Qualität angeht. Man kann nicht in einem Zeitraum von wenigen Jahren das nachholen, was in den zurückliegenden Jahren mit Hinweis auf Verzicht nicht vollzogen wurde. Ein solcher Verzicht wirkt im Nachhinein unglaubwürdig und ist nicht nachvollziehbar. Ich habe das Selbstbewußtsein im Hinblick auf meine geleistete Arbeit, mich dem öffentlichen Urteil immer wieder neu zu stellen. Das verbietet aber auch jeglichen Automatismus. Wenn auch viel Kritik an den abzustimmenden Gesetzesvorlagen doppelzüngig und nicht ganz aufrichtig betrieben wurde, bleibt doch ein Kernpunkt der Kritik erhalten: Das Gesetzesvorhaben ist nicht ausreichend diskutiert, und es sind einige völlig verschiedene Bereiche unzulässig miteinander verknüpft worden. Was hat die notwendige Parlamentsreform, die die Abstimmungsrituale im Plenum und Tagen hinter verschlossenen Türen in den Ausschüssen endlich überflüssig machen soll, mit höheren Diäten zu tun? Wer kann eigentlich verantworten, ein Parlament zu verkleinern, und dabei verschweigen, daß dann die Abgeordneten wegen der zwangsläufig größeren Wahlkreise noch weniger Bürgerkontakte halten können? Alles sind diskussionswürdige Einzelpunkte, die hier unnötig zu einer Paketlösung verschnürt wurden. Die Kraft der Demokratie und des Parlamentarismus besteht vor allem auch darin, von scheinbar festgefahrenen Wegen abzugehen und Beschlossenes immer wieder in Frage zu stellen. Greifen wir offensiv die öffentliche Diskussion auf und ziehen heute die Gesetzesvorlagen zurück oder stimmen mit „Nein" I Freimut Duve (SPD): Es gibt Gründe, dieser Neuregelung nicht zuzustimmen: vor allem die nicht wirklich reformierte Altersversorgung des öffentlichen Dienstes und damit der Abgeordneten. Wegen dieser und anderer Gründe hatte sich in mir die Neigung verstärkt, dem Paket „Parlamentsreform" nicht zuzustimmen. Vor allem war ich der Meinung, wir müßten die öffentliche Debatte auch Jahr um Jahr aushalten können. „Wer immer dieser ,Ermächtigungsvorschrift' per Verfassungsänderung in dieser Woche zustimmt, wird auf Achtung und Ehre keinen Anspruch mehr erheben können." Seit ich allerdings von Rudolf Augstein den Satz gelesen habe, hat sich meine Auffassung geändert: Ich stimme nunmehr zu. Ich bin nach dieser Form des Angriffes nicht mehr überzeugt, daß in der medienbestimmten politischen Wirklichkeit unserer Zeit das Parlament mit solchen Formen der vernichtenden Kritik auf Dauer überleben kann. Wenn die Tagesthemen (am 19. September) optisch Geldscheine vom Himmel regnen lassen, wenn dann behauptet wird, wir zahlten keine Steuern, und wenn uns die Ausstattung unserer Büros, die Gehälter unserer Mitarbeiter und die Nutzung unserer Bürotelefone angelastet werden, dann ist die gewollte Botschaft nicht mehr: Abgeordnete verdienen zuviel - worüber sich streiten ließe -, sondern: Das Parlament ist deshalb viel zu teuer, weil es unnötig ist. Denn allein der Gedanke, man könne dem Abgeordneten persönlich die Kosten seines Büros zurechnen, geht ja davon aus, daß er einen „Arbeitsplatz" für seine Aufgaben gar nicht brauche. Gegen die Massivität solcher Angriffe können wir einzelnen Abgeordneten uns zwar wehren - nicht aber das Parlament. Mir geht es nicht um die Ehre - sie ist verschlissen auf ihren ureigenen Todesfeldern dieses Jahrhunderts. Mir geht es um die Achtung. Die Anlehnung an eine bestimmte Kategorie des öffentlichen Dienstes kann man diskutieren. Sie kann falsch, sie kann richtig sein. Aber sie ist kein Akt der Ehrlosigkeit. Die Wirkung solcher Kritik ist die Diffamierung und Denunziation des Parlaments und seiner Abgeordneten insgesamt, die Herstellung eines öffentlichen Zustandes, in dem die Abgeordneten als verächtlicher und nutzloser Berufsstand dargestellt werden, letztlich unabhängig davon, wieviel sie verdienen und um wieviel sie erhöhen. Gerade die Radikalität und die Maßlosigkeit dieser Kritik zeigt mir: Abgeordnete haben keine Chance mehr für autonome Einkommensanpassungen. Jahre der Nichtanhebung werden nicht gewürdigt, Jahre der Anhebungen gegeißelt. Streiten ließe sich über die Einstufung selbst. Ich halte die Bundesrichter für zu hoch, ich halte den Bezug zum Jahresgehalt - und nicht zum „Gehalt", also etwa nur zum Monatsgehalt - für falsch. Ich halte insbesondere die jetzt aufgenommene Nennung der einzelnen Zulagen des Bundesrichters für nicht vertretbar. Ich halte auch die weitgehende Herausnahme der derzeitigen Abgeordneten aus künftigen Kürzungen - etwa bei der Altersversorgung (Vertrauensschutz) - für nicht zwingend. Wir sind keine Angestellten. Aber mich hat die Art der Kritik der letzten Tage überzeugt, die grundsätzliche Entscheidung muß jetzt fallen. Für die Offenlegung aller Nebeneinkünfte werde ich mich mit den anderen Kollegen auch weiterhin einsetzen. Günter Gloser (SPD): Ich kann den Beschlußempfehlungen auf der Drucksache 13/2339 zum Entwurf eines Gesetzes zur Anderung des Grundgesetzes (Drucksache 13/1824) und auf der Drucksache 13/2340 zum Entwurf eines Achtzehnten Gesetzes zur Änderung des Abgeordnetengesetzes und eines Fünfzehnten Gesetzes zur Änderung des Europaabgeordnetengesetzes (Drucksache 13/1825) nicht zustimmen, weil die darin angestrebten Erhöhungen der Diäten meines Erachtens in keinem vernünftigen Verhältnis zu der realen Einkommensentwicklung der Gesamtbevölkerung stehen, weil ich mich für eine jährlich geführte transparente Diskussion von Diätenerhöhungen einsetze und dies mit den vorliegenden Gesetzen nicht gewährleistet ist und weil mir die Eile des Gesetzgebungsverfahrens nicht geboten erscheint aufgrund des noch bestehenden Klärungsbedarfs gegenüber von Fachleuten geäußerten Bedenken zur Umsetzung dieser Gesetze. Jürgen Koppelin (F.D.P.): Es ist für mich unverständlich, daß bereits heute das Gesetz zur Anderung des Grundgesetzes verabschiedet werden soll. Es gibt viele ernstzunehmende Bedenken gegen den Gesetzentwurf von CDU/CSU und SPD. Die „Stuttgarter Zeitung" vom 20. September 1995 schreibt nach meiner Auffassung zu Recht von einem Anschlag auf das Verfassungsgefüge. Heute soll eine Verfassungsdurchbrechung zum eigenen Vorteil der Bundestagsabgeordneten beschlossen werden. Gibt es heute eine Mehrheit für den Gesetzentwurf von CDU/CSU und SPD, ist das aus meiner Sicht eine Mißachtung des Bundesverfassungsgerichtsurteils von 1975, das die Doppelung der Abgeordnetendiäten mit der Beamtenbesoldung ausdrücklich verbietet. Ich werde dem Gesetzentwurf nicht zustimmen. Dr. Hermann Scheer und Michael Müller (Düsseldorf) (beide SPD): Alle Debatten über Abgeordnetenentschädigungen leiden seit Jahren darunter, daß zwei Sachverhalte miteinander vermischt werden: - die jeweilige Höhe der Abgeordnetenentschädigungen, die die Unabhängigkeit der Abgeordneten von finanziellen Interessen gewährleisten hilft und dem Stellenwert des Parlaments als höchstem Organ der demokratischen Institutionen entsprechen sollte; - die auch aus unserer Sicht für die Rolle und das Ansehen des Parlaments unerträglichen Regelungen gehäufter Altersversorgungen aus öffentlichen Tätigkeiten, die Möglichkeit von Nebenauskünften aus der Hand Dritter und die Tatsache, daß selbst Regierungsmitglieder noch zusätzlich Diäten erhalten. Diese Dinge sind es, die die Atmosphäre vergiften und dem Parlament als Ganzem schaden, obwohl nur eine Minderheit des Parlaments davon unverhältnismäßige und durch nichts zu rechtfertigende Privilegien hat. Weil alle bisherigen Änderungen als „Paket" präsentiert wurden, um sie dann in weitgehendem Parteikonsens zu verabschieden, ist es bisher nie praktisch möglich gewesen, diese Pakete aufzuschnüren. Mit der Grundgesetzänderung wird eine prinzipielle Regelung geschaffen, die auch zum Zeitpunkt des Einbringens im Juni 1995 nicht umstritten war und der wir zustimmen. Durch die Ankoppelung der Abgeordnetenentschädigungen an die Besoldungsgruppen von Bundesrichtern - und damit indirekt auch an andere höhere Beamte - wird die kritische öffentliche Aufmerksamkeit viel mehr auf die höheren öffentlichen Besoldungen gerichtet. Die Ankoppelung muß nach unserer Auffassung vom Bundestag künftig auch als Verpflichtung gesehen werden, generell überhöhte Versorgungsregeln im höheren Dienst und damit verbundene Privilegien von Beamten in der Altersversorgung und bei Versicherungsleistungen künftig Zug um Zug abzubauen. Dazu gehören rigorose Regelungen zum Abbau von kumulierten Altersversorgungen und zum Verbinden von finanzierten unselbständigen Nebentätigkeiten - ob es sich um Abgeordnete, Professoren oder Bürgermeister handelt. Auch die Ablehnung des eingebrachten Antrags gegen die Nebentätigkeiten wird nichts daran ändern, daß weitere Initiativen dieser Art von uns ergriffen bzw. unterstützt werden. Es wird in Zukunft leichter fallen, diese Privilegien abzubauen, weil entsprechende Maßnahmen nicht mehr verkoppelt sein werden mit den Bezügen der Abgeordneten, die sich voll und ganz ihren politischen Aufgaben widmen. Horst Schmidbauer (Nürnberg) (SPD): Diesen Beschlußempfehlungen stimme ich insbesondere aufgrund folgender Punkte nicht zu: Die angestrebte Erhöhung der Diäten steht in keinem angemessenen Verhältnis zu der realen Einkommensentwicklung in der Bevölkerung. Durch die Anpassung an die Gehaltsstruktur eines Richters und der damit verbundenen Automatik ist eine jährlich geführte transparente Diskussion über die Diätenerhöhung nicht mehr möglich. Durch das Gesetz wird das Problem der Nebeneinkünfte von Abgeordneten nicht gelöst. Uta Titze-Stecher (SPD): Hiermit möchte ich anzeigen und erklären, warum ich den beiden obengenannten Gesetzesvorschlägen nicht zustimmen werde. 1. Die Änderung des Grundgesetzes mißachtet meines Erachtens die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre 1975, wonach Unabhängigkeit und Transparenz bei der Entscheidung der Parlamentarier über die Höhe ihres Gehalts geboten sind: Dies ist meines Erachtens nur dann sichergestellt, wenn, wie bisher, ein gesondertes Abgeordnetengesetz über eine Diätenerhöhung beschlossen wird, nicht aber ein geplanter „Gehalts-Automatismus". Die Grundgesetzänderung verletzt weiterhin den Art. 20 GG, der u. a. die Prinzipien der Gewaltenteilung und der Demokratie festschreibt. Der Art. 20 GG gehört zu denjenigen Artikeln, für die Art. 79 Abs. 3 GG „Ewigkeitsgarantie" festlegt, also zum unveräußerlichen und unveränderbaren Kernbestand unseres Grundgesetzes. Wenn es erst einer Grundgesetzänderung bedarf, um das Abgeordnetengesetz aus der Reichweite der Anforderungen unseres Grundgesetzes und der Forderungen des Bundesverfassungsgerichts zu entfernen, damit das Verfassungsgericht keine Grundlage mehr hat für die Feststellung einer grundgesetzwidrigen Entscheidung, dann geht mir das zu weit. Im übrigen halte ich dieses Vorgehen für ungeeignet, verlorengegangenes Vertrauen der (Wahl-)Bevölkerung in eine funktionierende Demokratie zurückzugewinnen. 2. Ein Abgeordnetengesetz, das sich an den materiellen Rechten (Besoldung), nicht aber an den für Richter an einem obersten Bundesgericht geltenden Beschränkungen (Verbot von Nebenverdiensten) orientiert, lehne ich als inkonsequent ab. Ein Abgeordneter, der seine parlamentarische Arbeit in Bonn und seine Arbeit im Wahlkreis ernst nimmt, hat keine bzw. kaum Zeit - von Ausnahmen abgesehen - für eine regelmäßige, zu Nebenverdiensten führende Tätigkeit. Das Bundesverfassungsgericht hat ausdrücklich gefordert, die Einkünfte aus öffentlichen Tätigkeiten anzurechnen. Da dieser Forderung im geplanten Abgeordnetengesetz nur zum Teil entsprochen wird, ist dies ein weiterer Grund für meine Ablehnung. Anlage 4 Zu Protokoll gegebene Reden zu Tagesordnungspunkt 8 (Antrag: Reform des Kindschaftsrechts) Dr. Edith Niehuis (SPD): Weil es in dem Zusammenleben von Menschen in den letzten Jahrzehnten erhebliche Veränderungen gegeben hat, bei uns durch die deutsche Einheit noch pointierter, mahnt das Bundesverfassungsgericht in mehreren Urteilen eine Reform des Kindschaftsrechts an. Wenn es ein Beispiel gibt, das deutlich zeigt, wie wenig sich die Bundesregierung der alltäglichen Probleme der Menschen annimmt, dann ist es das Kindschaftsrecht. Spätestens die Ratifizierung der UN-Kinderrechtskonvention, die seit April 1992 bei uns in Kraft ist, hätte die Bundesregierung veranlassen müssen, das Kind, seine Bedürfnisse und Rechtsposition auch im Kindschaftsrecht in den Vordergrund zu rücken. Stattdessen kündigt die Justizministerin seit mehr als 2 Jahren die notwendige Reform an, ohne allerdings entsprechende Gesetzentwürfe vorzulegen. Sie sorgen mit diesen Ankündigungen seit Jahren für Verunsicherung bei den Menschen, die die Fürsorge des Gesetzgebers besonders verdienten, der Fürsorge oft auch besonders bedürfen. Können Sie sich eigentlich vorstellen, wie es nichtehelichen Vätern zumute ist, die gerne auch das Sorgerecht für ihr Kind hätten, die die vollmundigen Ankündigungen der Justizministerin vernehmen, dann aber feststellen, daß sich an ihrer rechtlichen Lage nichts ändert? Können Sie sich eigentlich vorstellen, wie einer in Scheidung lebenden Mutter zumute ist, die auf Grund von Arbeitslosigkeit und mangelnden Unterhaltszahlungen ohnehin schlecht weiß, wie sie den Tag mit ihren Kindern menschenwürdig übersteht, wenn sie in ihrer Situation noch die sich gebetsmühlenhaft wiederholenden Ankündigungen der Justizministerin hört, das gemeinsame elterliche Sorgerecht müsse nach der Scheidung Regelfall werden? Abgesehen von den Inhalten einer umfassenden Reform des Kindschaftsrechts, über die wir strittig debattieren werden, halte ich es für unerträglich, daß Sie den Streit innerhalb der Koalition auf dem Rükken der betroffenen Menschen austragen. Und bis heute liegt von Ihnen kein Gesetzentwurf vor, son-dem wie in der letzten Legislaturperiode nur der Antrag der SPD. Dieses gibt uns vielleicht die Möglichkeit, die Bundesregierung in ihrer Meinungsbildung noch ein wenig zu beeinflussen. Ich möchte ein paar Gedanken zum elterlichen Sorgerecht nach der Scheidung äußern. Nach intensiver Diskussion geht der SPD-Antrag nicht von einem gemeinsamen Sorgerecht der Eltern nach der Scheidung als Regelfall aus. Zu Recht hat das Bundesverfassungsgericht 1982 gefordert, neben der alleinigen elterlichen Sorge auch das gemeinsame Sorgerecht nach der Scheidung zu ermöglichen. 20 % der scheidungswilligen Eltern entscheiden sich seither für das gemeinsame Sorgerecht. Aus dieser geringen Zahl nun die Schlußfolgerung ziehen zu wollen, das gemeinsame Sorgerecht als Regelfall nach der Scheidung vorsehen zu müssen, entbehrt jeder logischen Grundlage. Nun wäre es durchaus legitim, wenn ein Gesetzgeber nicht nur die Wirklichkeit widerspiegeln, sondern mit einer Gesetzreform auch positive Normen wie z. B. die gemeinsame elterliche Sorge setzen will. Die gemeinsame elterliche Sorge als Regelfall nach der Scheidung wird aber nur dann als positive Norm gelten können, wenn sie eindeutig dem Kindeswohl dient und es sich aus diesem Grund rechtfertigt, eine Rangfolge zwischen den denkbaren Sorgerechtsmodellen herzustellen. Es ist unumstritten, daß eine gleichberechtigte Elternschaft dem Kindeswohl dient oder, wie Art. 18 der UN-Kinderrechtskonvention es formuliert, „ daß beide Eltern gemeinsam für die Erziehung und Entwicklung des Kindes verantwortlich sind". Wer sich an diese Norm allerdings erst bei der Diskussion um das Sorgerecht nach der Scheidung erinnert, zäumt das Pferd von hinten auf, muß scheitern und wird so dem Kindeswohl in keiner Weise gerecht. Wir wissen, daß es in Deutschland zu 87 % die Frauen sind, die das alleinige Sorgerecht haben. Wer nun behauptet, diese Situation diene nicht dem Kindeswohl, wird den alleinerziehenden Frauen, aber auch den wenigen alleinerziehenden Männern nicht gerecht. Wer nun behauptet, diese geschlechtsspezifische Rollenverteilung hinsichtlich der alltäglichen Verantwortung für Kinder würde sich durch eine gemeinsame elterliche Sorge verändern, der irrt. Hier genügt ein Blick in Länder mit anderen Sorgerechtsmodellen als in Deutschland, z. B. nach Kalifornien, einem der ersten Staaten mit einer gemeinsamen elterlichen Sorge nach der Scheidung. Auch hier leben die Kinder in 70 % der Scheidungsfälle bei den Müttern. Wer meint, die Zahlungsmoral der unterhaltspflichtigen Väter würde durch das gemeinsame elterliche Sorgerecht verbessert, der irrt. Vorliegende Untersuchungen bestätigen dieses nicht. Wer meint, das gemeinsame elterliche Sorgerecht hätte deutlich positive Auswirkungen auf den Kontakt des Vaters zu den Kindern, der irrt. Vorliegende Untersuchungen bestätigen dieses nicht. Es gilt, unabhängig von den denkbaren Sorgerechtsmodellen, die schlichte und auch nachvollziehbare Erkenntnis, daß sich nach der Scheidung in der Regel die geschlechtsspezifische Rollenverteilung fortsetzt, die es zuvor auch in der noch intakten Familie gegeben hat. Wer diese einfache Tatsache ignoriert und als normsetzend das Regelfallmodell der gemeinsamen Sorge nach der Scheidung propagiert, diskriminiert die Elternteile, die sich in den Familien um die Kinder kümmern, diskriminiert nach der vorherrschenden geschlechtsspezifischen Rollenverteilung in erster Linie die Frauen und, ich füge hinzu, drückt sich als Gesetzgeber davor, die Rahmenbedingungen zu schaffen, derer es bedarf, um die Probleme nach der Scheidung im Sinne des Kindeswohls wirklich lösen zu helfen. Wer will, daß die Entwicklung der Kinder gefördert wird, auch nach der Scheidung, darf nicht durch die Diskussion um die Sorgerechtsmodelle von den wirklichen Problemen ablenken. Das gemeinsame Sorgerecht hat auf die Entwicklung der Kinder - nachzulesen bei Furstenberg/Cherlin, 1993 - auf ihre Verhaltensschwierigkeiten, auf ihre Selbstachtung, auf ihre Kontaktschwierigkeiten keinen besseren Einfluß als andere Sorgerechtsmodelle. Was auf die Entwicklung von Kindern Einfluß hat, sind die Rahmenbedingungen, die es einem Elternteil, mit dem das Kind zusammenlebt, ermöglichen, seinen Aufgaben gerecht zu werden. In diesem Zusammenhang ist es äußerst bedenklich, daß die Zahl der Väter, die sich der Unterhaltspflicht entziehen, 1994 dem Deutschen Fa- miliengerichtstag zufolge auf 850 000 gestiegen ist. Diese Situation macht es den alleinerziehenden Frauen schwer, dem Kindeswohl täglich gerecht zu werden. Wichtig für die gedeihliche Entwicklung von Kindern nach der Scheidung ihrer Eltern sind die praktischen Fragen des Lebens, nämlich wo das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt haben soll, wie sein Umgang mit dem getrennt lebenden Elternteil gepflegt wird und welche Beiträge die Eltern zur weiteren Pflege, Erziehung und Versorgung der Kinder erbringen werden. Wenn sich scheidungswillige Eltern über diese Fragen gütlich einigen können, dann werden sie sich auch über das Sorgerecht gütlich einigen können, und erst dann hat der gemeinsame Wille über die Ausgestaltung des Sorgerechts, erst recht des gemeinsamen Sorgerechts einen Wert. Die SPD folgt in ihrem Antrag dieser logischen Folge. Nur wenn sich Mutter und Vater in der Trennungsphase über die praktischen Fragen einigen können, sich dann auch auf das alleinige oder gemeinsame Sorgerecht einigen können, kann man Hoffnung haben auf positive Auswirkungen auf das Kindeswohl. Ich lade die Bundesregierung herzlich ein, diesen pragmatischen und erfolgversprechenden Weg mit uns zu gehen. Gerade der liberalen Justizministerin möchte ich sagen, daß eine Prioritätensetzung des Staates hinsichtlich eines Sorgerechtsmodells der problematischen Lebenssituation von Familien im Scheidungsfall nicht gerecht wird; hier sind die betroffenen Menschen, Kind, Frau und Mann, die Expertinnen und Experten. Ihnen sollten wir die Entscheidung überlassen. Und wir sollten dafür Sorge tragen, daß die Entscheidungsfindung im vorgerichtlichen Raum Hilfestellung erfährt. Der § 17 des KJHG gibt die rechtlichen Rahmenbedingungen für Beratung und Hilfestellung in diesem schwierigen Entscheidungsprozeß. Wir sollten alles daransetzen, daß die materiellen und personellen Bedingungen es ermöglichen, die Beratung nach § 17 KJHG auch anbieten zu können. Seit geraumer Zeit macht ein Referentenentwurf des Justizministeriums die Runde. Er bedarf auch hinsichtlich des Sorgerechtsmodells dringend der Überarbeitung. Wenn Sie sich nicht von Ideologien leiten lassen wollen, sondern von den Erfordernissen für das Kindeswohl, muß dieser Referentenentwurf gerade hinsichtlich seines Sorgerechtsmodells überarbeitet werden. Ich wäre froh, wenn diese erste Debatte dazu einen Beitrag leisten könnte. Ilse Falk (CDU/CSU): Ich bin einigermaßen verblüfft über die Hektik, mit der die SPD auf einer Diskussion ihres hier vorliegenden Antrags zum jetzigen Zeitpunkt bestanden hat. Denn gerade jetzt konkretisiert sich ja, was Sie zu beschleunigen fordern: nämlich einen Gesetzentwurf zur Reform des Kindschaftsrechts vorzulegen. Es wird Ihnen, meine Damen und Herren von der SPD, nicht entgangen sein, daß ein Referentenentwurf in der Abstimmung, der im übrigen alle von Ihnen genannten Themen berücksichtigt! Das heißt, über die Notwendigkeit, eine umfassende Reform des Kindschaftsrechts durchzuführen, bestehen in diesem Hause keine Meinungsverschiedenheiten. Da gibt es mehrere Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichtes, die Impulse der UN-Kinderkonvention sowie die Rechtsangleichung zwischen alten und neuen Ländern, die von juristischer Seite her die Reform fordern. Es gibt aber auch das gesellschaftliche Argument - so will ich es einmal nennen -, das diesen Reformüberlegungen zugrunde liegt: Und das sind die einschneidenden Veränderungen der familiären Wirklichkeit in unserem Land. Dazu nur die Stichworte: Zunahme der Zahl der Alleinerziehenden, steigende Scheidungsrate, Zunahme nichtehelicher Lebensgemeinschaften, Anwalt des Kindes, Unterhaltsflucht - dies ließe sich beliebig fortsetzen. Im Mittelpunkt dieser Veränderungen stehen die Kinder als schwächste Glieder unserer Gesellschaft. Für sie bedeutet der Umbruch der familiären Wirklichkeit häufig große Verunsicherung, die wir sehr ernst nehmen müssen. Hier bietet uns die Reform des Kindschaftsrechts eine große Chance, die wir nicht durch Schnellschüsse und unüberlegte Vorabregelungen vergeben sollten. Betroffene sind neben den Kindern natürlich auch Mütter und Väter, Alleinerziehende, Großeltern, Stieffamilien. Damit betrifft das Kindschaftsrecht einen großen Teil der Menschen in unserem Land und hat große Auswirkungen auf das Zusammenleben in unserer Gesellschaft. Als Familienpolitikerin will ich einen mir wesentlichen Punkt aus dem großen Komplex herausgreifen, das Sorgerecht für minderjährige Kinder. Nichts spiegelt die Vermischung der privaten Seite der Pflege und Erziehung von Kindern mit rechtsstaatlichen Interventionen mehr wider als die Diskussion um die künftige Ausgestaltung des Sorgerechts. Ich will zwei Beispiele aus der jetzt gültigen Praxis geben: Die kleine Lisa Müller wächst bei ihren verheirateten Eltern auf. Sie haben, weil dies der Gesetzgeber richtigerweise als Regelfall vorsieht, die gemeinsame elterliche Sorge. Leider bricht die Ehe (nach dem statistischen Durchschnitt) etwa nach vier Jahren auseinander. Das Scheidungsverfahren sieht - neben allen anderen konfliktbeladenen Auseinandersetzungen - auch eine Entscheidung über die künftige Alleinsorge eines Elternteils vor. Die Fortsetzung der gemeinsamen Sorge für die Tochter ist nach heutigem Recht die schwer erreichbare Ausnahme. Der sogenannte barunterhaltspflichtige Partner verliert einen Großteil seiner Rechte. Leicht erkennbar wird, daß Sorge und Unterhalt (der ja etwas kostet!) damit unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten betrachtet bzw. umkämpft werden. Zweitens. Der kleine Lukas Meier wächst bei seinen nicht miteinander verheirateten Eltern auf. Das Sorgerecht für ihn besitzt seine Mutter, wenn sie es geschafft hat, die Amtspflegschaft vor oder nach der Geburt des Kindes erfolgreich „abzuwenden". Der Vater, auch wenn er in friedvoller häuslicher Gemeinschaft mit Mutter und Kind lebt, ist in bezug auf seinen Sohn nahezu rechtlos. Er ist damit praktisch auch von allen Pflichten entbunden, mit Ausnahme einer gewissen Unterhaltsverpflichtung, die jedoch unzureichend geregelt ist. Die nachträgliche „Ehelicherklärung" auf Antrag des Vaters bewirkt nach heutigem Recht den Verlust der Alleinsorge der Mutter. Trennen sich die Eltern von Lukas, bleibt die Alleinsorge der Mutter bestehen, die dann um die Unterhaltszahlungen und den Umgang mit dem Vater zu streiten hat. Schwieriger wird der Fall weiterhin, wenn der Sohn, selbst bei gegenseitigem Einverständnis, beim Vater leben soll. Die Mutter hat dann die Alternative, auf die Alleinsorge zu verzichten oder sich fortgesetzt mit dem Ex-Partner in allen Entscheidungen, die das Kind betreffen, zu verständigen. Diese beiden konstruierten Fälle zeigen folgende „Knackpunkte" auf, die die Sorgerechtsreform berücksichtigen muß: - Eheliche und uneheliche Kinder werden ungleich behandelt, d. h. die Art ihrer Pflege und Erziehung hängt - juristisch - davon ab, ob ihre Eltern verheiratet sind oder nicht. Diese Tatsache setzt sich auch bei der Trennung der Eltern fort: Während für die nichtehelichen Kinder „bestenfalls" alles beim alten bleibt, müssen die ehelichen Kinder eine Sorgerechtsübertragung und die damit verbundene Kindeswohlprüfung hinnehmen. Das Ergebnis aus dem Blickwinkel des Kindes ist bei beiden gleich: Verlust des einen Elternteils, Verschärfung der Spannungen im Umfeld der Trennung. - Die Vorgabe von Regelfällen jedweder Art erschwert den Blick auf das, was für die einen annehmbar und sinnvoll erscheint, für die anderen aber eine unzumutbare und konfliktverschärfende Harte bedeutet. Nicht selten beschwören erzwungende Regelfallentscheidungen dort erst Spannungen und Konflikte herauf, wo vorher die Eltern noch in der Lage waren, ihre Trennung und die Vereinbarung über die Sorge der Kinder auseinanderzuhalten. - Das heutige Recht - in seinen Auswirkungen für eheliche wie für nichteheliche Kinder - regelt in erster Linie die Beziehung der Eltern untereinander, und zwar weitgehend unabhängig davon, ob die Eltern konsensfähig sind oder nicht und worin vor allem eine optimale Lösung aus Kindessicht liegt. Die Sorgerechtsentscheidung für eheliche Kinder muß auf dem Höhepunkt der Auseinandersetzung zwischen den Eltern gefällt werden. Dies erscheint mir aus Kindessicht wohl der ungünstigste Zeitpunkt für eine tragfähige Entscheidung über die Zukunft des Kindes! Wir haben also auf der einen Seite das Problem - vorsichtig formuliert - einer Angleichung der Behandlung ehelicher und nichtehelicher Kinder im Sorgerecht, wenn die Eltern zusammenleben und sich gut verstehen. Auf der anderen Seite haben wir die unterschiedliche Behandlung im Trennungs- bzw. Scheidungsfall, also beim Auseinanderbrechen der Familie. Schauen wir uns dazu die derzeit geltende Formulierung des § 1626 BGB Abs. 1 genauer an: Der Vater und die Mutter haben das Recht und die Pflicht, für das minderjährige Kind zu sorgen. So wörtlich und einleuchtend, wie dieser Satz zunächst erscheint, sollte man ihn auch einmal nehmen. Das bedeutet: Wenn die Mutter und der Vater eines Kindes sich über die Pflege und Erziehung ihrer Kinder einig sind und mit ihnen zusammenleben, sollte man ihnen - uneingeschränkt von staatlichen Interventionen - auch gemeinsam die Rechte dieser Sorge zugestehen wie auch die Pflichten auferlegen. Diese Konsequenz ist zugleich auch in Art. 6 Abs. 2 unseres Grundgesetz formuliert, in dem es heißt: Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Gibt es einen einleuchtenden Grund dafür, dieses Grundrecht nicht auch auf nichteheliche Kinder zu übertragen? Ich meine, nein! Das Kindeswohl orientiert sich am Recht des Kindes auf beide Eltern. Vielen von Ihnen mag das noch logisch erscheinen. Jedoch zeigen die anhaltenden Diskussionen um die Ausgestaltung des künftigen Sorgerechts und die engagierten und kontroversen Stellungnahmen der betroffenen Familien-, Väter- und Mütterverbände, daß die Sache in der Regel eben so einfach nicht ist! Unter Wahrung der oben betrachteten Grundrechte ist es die Pflicht des Gesetzgebers - unjuristisch formuliert -, auch die Uneinigkeit der Eltern zu regeln. Dabei muß er naturgemäß die Interessen aller Beteiligten, auch die des Kindes, berücksichtigen. Und hier fängt das Dilemma an. Der vorliegende Antrag der SPD, der kein Gesetzentwurf ist, versucht bei der Kindschaftsrechtsreform den Blickwinkel zugunsten einer verbesserten Rechtsstellung des Kindes zu verschieben. Dabei erscheint mir die platte Formel „mehr Kindesrecht = mehr Kindeswohl" nicht ausreichend für die Lösung der anstehenden Probleme. Selbstverständlich geht es um die Wahrung der Interessen des Kindes. Aber es geht darüber hinaus vor allem um die Regelung der Beziehung des Kindes zu seinen Eltern und um deren Rechtsbeziehung, die wiederum starke Auswirkung auf das Kind hat. Daraus folgt, daß wir gemeinsam überlegen müssen, erstens, welche Mittel geeignet sind, die Konsensfähigkeit der Eltern zu stärken, und zweitens, ob es überhaupt einen Regelfall der gemeinsamen Sorge oder der Alleinsorge geben kann, und zwar für eheliche wie für nichteheliche Kinder. Jeglicher Automatismus bedeutet zusätzlichen Druck auf die Eltern, auf das Kind und für die Beziehung zwischen ihnen. Die Lösung muß beinhalten, daß Eltern in die Lage versetzt werden, eine bewußte Entscheidung zu fällen. Wesentlich erscheint mir dabei, die Verpflichtung, die mit der Geburt eines Kindes eingegangen wurde, zu betonen. Elterliche Verantwortung und Fürsorge sind nicht kündbar wie ein Mietvertrag. Gerade deshalb aber lassen sie sich auch nicht verordnen und in Muster pressen. Die Entscheidung, ob die gemeinsame Sorge immer die beste Lösung für eine befriedigende ElternKind-Beziehung ist, müssen zuallererst die Eltern untereinander erörtern. Ihre Entscheidung sollte ohne entmündigende Prüfungen akzeptiert werden. Erst wenn sie nicht zu einem Konsens in der Lage sind, können andere Instanzen beratend vermitteln und eine am Kindeswohl orientierte Entscheidung herbeiführen. In dieser für die Familie so zentralen Frage werde ich jeglichen Automatismus nicht mittragen! Aus der Sicht der Familienpolitik, die ich hier vertrete, sollten folgende Maßstäbe für die anstehende Reform in diesem Teilbereich gelten: - die Wahrung der Grundrechte für Kinder und Eltern, - der Vorrang elterlicher Verantwortung vor staatlicher Intervention, - der Anspruch von Kindern auf optimale Entwicklung und Entfaltung und - der Anspruch nichtehelicher Kinder - ich betone: Kinder, nicht Gemeinschaften! - auf Gleichbehandlung. Wenn es uns parteiübergreifend gelingt, diese Maßstäbe auch für die weiteren Elemente der Reform zu berücksichtigen, so haben wir damit einen großen Schritt getan für die Familien in unserem Land! Heinz Lanfermann (F.D.P.): Die SPD-Fraktion greift mit ihrem Antrag ein Anliegen auf, das nicht nur sie bewegt. Wie Sie alle wissen, hat das Bundesministerium der Justiz einen umfassenden Referentenentwurf zur Reform des Kindschaftsrechts erarbeitet, der derzeit den Ländern zur Stellungnahme vorliegt und in der Öffentlichkeit bereits positiven Anklang gefunden hat. Dieser umfangreiche - fast 500 Seiten umfassende - Text enthält eine Fülle von Vorschlägen Ich freue mich, daß nicht nur die Äußerungen der Länder, die in besonderem Maße die Erfahrungen der familiengerichtlichen Praxis einbeziehen können, zu einem Meinungsaustausch führen werden, sondern daß durch Ihren Antrag die Haltung der größten Oppositionsfraktion deutlich wird. Ich habe mich allerdings gefragt, warum Sie nicht ebenfalls den Weg eines Gesetzentwurfs gewählt, sondern sich auf den jetzt hier zur Debatte stehenden Antrag beschränkt haben. Aber gleichwohl können wir in einen konstruktiven Dialog eintreten. Dabei ist erfreulich, daß sowohl über den Reformbedarf als solchen als auch über viele Grundzüge und sogar Einzelheiten möglicher Regelungen Konsens besteht. Natürlich wird es im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens erforderlich werden, ggfls. durch Anhörungen noch streitige Einzelheiten weiter zu klären. Wir sind uns alle dessen bewußt, daß es nicht nur Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts, die Notwendigkeit, in alten und neuen Bundesländern einheitliche Regelungen zu schaffen, und Anstöße aus dem internationalen Bereich, vor allem in Gestalt der UN-Kinderrechtskonvention, sind, die Reformen erforderlich erscheinen lassen. Über diese Veranlassungen hinaus besteht zudem Einigkeit darüber, daß es unerläßlich ist, den Grundansatz des Kindschaftsrechts zu ändern. Mehr als dies bisher der Fall war, muß das Kind, muß das Wohl des Kindes in den Mittelpunkt gerückt werden: Es haben sich in erheblichem Maße soziale Veränderungen vollzogen. Viele Kinder wachsen von vornherein oder nach einer Scheidung der Eltern bei alleinerziehenden Elternteilen auf, viele Kinder bei Eltern, die in nichtehelicher Lebensgemeinschaft zusammenleben. Deshalb kann nicht mehr allein von dem Grundbild des Ehepaares, das mit seinen Kindern zusammenlebt, ausgegangen werden. Es ist auch nicht mehr gerechtfertigt, im Kindschaftsrecht in erster Linie Rechte der Eltern unter - ja gegeneinander - im Hinblick auf das Kind - zu regeln. Zentraler Orientierungspunkt für ein modernes Kindschaftsrecht muß vielmehr das Kind sein. Seine Rechte sollen verbessert und das Kindeswohl bestmöglich gefördert werden. Nicht nur in diesem Grundanliegen stimmen wir mit Ihnen überein: Es ist auch richtig, wenn Sie darauf hinweisen, daß es bei rechtlichen Regelungen nicht sein Bewenden haben darf. Es sind vielmehr flankierende Maßnahmen erforderlich, um unsere Gesellschaft kinderfreundlicher zu machen. Ihr Antrag enthält einige Elemente, die bereits in den vergangenen Jahren aufgegriffen und zum Gegenstand von Regierungsentwürfen gemacht worden sind. Ein Anliegen ist, die Rechtsposition der Eltern - soweit dies mit dem Kindeswohl vereinbar ist - vor unnötigen staatlichen Eingriffen zu schützen. In diesem Zusammenhang möchte ich auf das Beistandschaftsgesetz verweisen, das in der 12. Legislaturperiode nicht abschließend beraten werden konnte und nunmehr von der Bundesregierung erneut eingebracht worden ist. Sein Ziel ist es, die unerträgliche Bevormundung von Müttern nichtehelicher Kinder zu beseitigen, die in den alten Bundesländern noch immer darin besteht, daß bei der Geburt ihres Kindes eine gesetzliche Amtspflegschaft besteht. Sie greifen in Ihrem Antrag das Anliegen einer gewaltfreien Kindererziehung auf. Die Bundesregierung hatte hierzu in der vergangenen Legislaturperiode ebenfalls einen Gesetzentwurf zu einem Mißhandlungsverbotsgesetz vorgelegt. Es wäre wünschenswert gewesen, wenn, vor allem auch in den Beratungen des Bundesrates, Einigkeit über eine Formulierung hätte erzielt werden können. Kinder zählen zu den Schwachen und Hilfsbedürftigen in unserer Gesellschaft. Sie zu schützen, muß unser aller Anliegen sein. Deshalb sind erneut alle Anstrengungen gefordert, zu einem Konsens zu gelangen. Die zahlreichen Unterschiede, die heute noch hinsichtlich der rechtlichen Stellung ehelicher und nichtehelicher Kinder bestehen, sind überholt. Diese nicht mehr gerechtfertigten Differenzierungen müssen zugunsten eines einheitlichen Kindschaftsrechts so weit wie möglich beseitigt werden. Der Referentenentwurf des BMJ sieht hierzu eine Vielzahl von Regelungen vor. Sie haben in Ihrem Antrag insoweit ebenfalls Vorstellungen entwickelt. Es sollte aber nicht außer acht bleiben, daß ein Schritt zur Gleichstellung ehelicher und nichtehelicher Kinder bereits mit einem Regierungsentwurf aus der 12. Legislaturperiode gegangen worden war. Durch den Entwurf eines Erbrechtsgleichstellungsgesetzes sollten die in erbrechtlicher Hinsicht für nichteheliche Kinder noch bestehenden Sondervorschriften abgelöst werden. Dieser Entwurf konnte nicht mehr abschließend behandelt werden. Das Präsidium der F.D.P. hat sich erst kürzlich dafür ausgesprochen, ihn erneut einzubringen. Ich erwähnte es bereits eingangs: In vielen der Reformüberlegungen stimmen Regierungskoalition und SPD-Opposition überein. So etwa darin, daß - auch - im Abstammungsrecht die Unterschiede in der Rechtsstellung ehelicher und nichtehelicher Kinder beseitigt werden müssen, daß die familienrechtliche Zuordnung von Kindern bei Anwendung von Techniken der Fortpflanzungsmedizin zu klären ist und daß es verschiedener, u. a. durch Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts veranlaßter, Änderungen im Hinblick auf die Anfechtung der Elternschaft bedarf. In Einzelfragen kann Ihrem Antrag dagegen nicht zugestimmt werden, beispielsweise nicht der Ziffer II. 10, die auf eine „rechtsfolgenlose" Feststellung der Vater- bzw. Mutterschaft abzielt, d. h. auf die Klärung der genetischen Abstammung ohne Auswirkungen auf die familienrechtliche Zuordnung. Eine solche Regelung wäre nämlich nur schwer praktikabel und würfe eine Vielzahl schwer zu beantwortender Fragen auf. Im Grundsatz Einigkeit besteht darin, daß das Recht der elterlichen Sorge reformiert werden muß. So ist die Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts umzusetzen, daß auch für nicht miteinander verheiratete Eltern, selbst wenn sie nicht zusammenleben, auf Grund einer gemeinsamen Erklärung die gemeinsame elterliche Sorge möglich sein muß. Hier besteht aber ein entscheidender Unterschied zwischen Ihrer und unserer Auffassung: Sie wollen nämlich die gemeinsame Sorge nicht miteinander verheirateter Eltern davon abhängig machen, daß in einer zuvor in jedem Einzelfall durch des Familiengericht durchzuführenden Prüfung festgestellt wird, ob die gemeinsame Lösung dem Wohl des Kindes nicht widerspricht. Die Forderung nach einem solchen „Sorgerechtführerschein" bedeutet nicht nur, daß Unterschiede zwischen ehelichen und nichtehelichen Kindern in einem wichtigen Punkt beibehalten würden; denn bei miteinander verheirateten Eltern tritt ja die gemeinsame Sorge ohne vorherige gerichtliche Prüfung ein. Ihr Konzept läßt auch ein ungerechtfertigtes Mißtrauen gegenüber nicht miteinander verheirateten Eltern erkennen. Wenn diese sich entschließen, die Übertragung der gemeinsamen Sorge zu beantragen, wird dies ein Zeichen für ihr gemeinsames Bemühen um das Kind sein; es ist kaum wahrscheinlich, daß eine solche Regelung kindeswohlwidrig sein könnte. Einigkeit besteht wiederum darin, daß der im Scheidungsverfahren bestehende Zwangsverbund dahin aufgelockert werden soll, daß keine gerichtliche Sorgerechtsentscheidung mehr erfolgt, wenn die Eltern die gemeinsame elterliche Sorge wünschen. Alles andere wäre eine nicht vertretbare staatliche Bevormundung und ließe den Respekt vor dem Elternwillen vermissen. In einem weiteren Punkt weichen Ihre Vorstellungen von denen des Referentenentwurfs des BMJ ab. Während Sie vorschlagen, daß nach einer Scheidung den Eltern minderjähriger Kinder ein gemeinsames Sorgerecht nur übertragen werden soll, wenn beide Elternteile es beantragen, geht der Referentenentwurf davon aus, daß die gemeinsame Sorge fortbesteht, d. h. daß es bei der vor der Scheidung bestehenden Rechtslage - dem gemeinsamen Sorgerecht - verbleibt. Eine Änderung, d. h. die Übertragung der Alleinsorge auf einen Elternteil, soll nur auf einen Antrag hin erfolgen, über den unabhängig von dem Scheidungsverfahren zu befinden ist. Über diese Frage hat es in der Öffentlichkeit bereits heftige Kontroversen gegeben. Ihre Auffassung wird dabei von Frauenverbänden geteilt, die befürchten, die Frau, die die Übertragung der Alleinsorge auf sich beantrage, stehe vor sich, dem Kind und der Öffentlichkeit als konsensunfähig, als „Spielverderberin" da. Auch bestehe die Gefahr, daß auf eine Frau, die eigentlich die Alleinsorge beantragen wolle, durch den wirtschaftlich überlegenen Ehepartner Druck dahin ausgeübt werde, einen solchen Antrag zu unterlassen. Dies sind sicherlich ernstzunehmende Argumente. Andererseits darf auch nicht unberücksichtigt bleiben, daß bereits jetzt die Zahl derjenigen Ehegatten, die bei ihrer Scheidung das gemeinsame Sorgerecht beantragen, zwar noch immer recht gering ist; die Zahl der Fälle des gemeinsamen Sorgerechts ist aber in den letzten Jahren insgesamt angestiegen. Ferner ist zu fragen, ob Ihr Ansatz konsequent ist: Auch Sie wollen - zu Recht - das Kind in den Mittelpunkt der Neuregelung rükken. Auch Sie akzeptieren, daß es für das Kind eine schwere Belastung ist, erkennen zu müssen, daß nach der Scheidung nicht mehr beide Eltern gemeinsam für es verantwortlich sind. Darf dann den Befürchtungen von Elternteilen der Vorrang gegenüber diesen Überlegungen gegeben werden? Wir alle sind hier aufgefordert, in dieser Frage aufeinander zuzugehen und den Standpunkt der jeweils anderen Seite ernst zu nehmen. Ich hielte es für bedauerlich, wenn gerade in diesem Punkt die bestehenden Gräben zwischen den verschiedenen Auffassungen bestehen blieben. Ein Teil Ihres Antrages ist dem Recht auf Pflege persönlicher Beziehungen, d. h. dem Umgangsrecht, gewidmet. Wir sind uns darüber einig, daß der Umgang des Kindes mit den für seine Entwicklung bedeutsamen Bezugspersonen seinen Interessen und seiner Entwicklung dient. Konsens besteht auch in bezug auf die behutsame Erweiterung des Kreises der Personen, die von dem Umgangsrecht erfaßt sind, z. B. auf Groß- oder Stiefeltern. Es mag aber bezweifelt werden, ob es praktikabel ist, das Recht auf Pflege der persönlichen Beziehungen - wie Sie es tun - in der juristischen Konstruktion als „Umgangsrecht des Kindes" auszugestalten mit der Folge, daß bei unzureichenden Kontakten des Kindes mit Bezugspersonen, insbesondere dem Elternteil, der getrennt von dem Kind lebt, ein Pfleger für das Kind zu bestellen ist, der das Umgangsrecht dann im Namen des Kindes gegen den Elternteil, bei dem sich das Kind aufhält, geltend macht. Hier sollte gefragt werden, ob die Einmischung eines Außenstehenden die bereits vorhandenen Konflikte nicht eher noch verschärft. Die Vollstreckung eines gerichtlich festgelegten Umgangsrechts soll nach Ihrer Vorstellung grundsätzlich nicht erfolgen. Bei der Umgangsvereitelung ist eines der schwierigsten Probleme der Kindschaftsrechtsreform angesprochen. Einen „Königsweg" gibt es hier nicht. Auch der Blick auf andere Rechtsordnungen hilft insoweit nicht weiter. In Ihrem Konzept vermisse ich eines: Sie bedenken nicht, daß der Umgang nicht nur im Interesse des umgangsberechtigten Elternteils gewährt wird, sondern vor allem dem Interesse des Kindes und seiner Entwicklung dient. Dann ist es unerläßlich, eine Vollstreckungsmöglichkeit einzuräumen, da von einer solchen jedenfalls eine Signalwirkung ausgeht. Schon die Möglichkeit, die Umgangsrechtsentscheidung zu vollstrecken, kann entscheidend dazu beitragen, daß der Umgang in einer Vielzahl von Fällen nicht vereitelt wird. Dadurch könnte vielleicht auch verhindert werden, daß geschiedene Ehepartner - oder Mütter nichtehelicher Kinder - aus Verbitterung über den ungetreuen Partner das Umgangsrecht vereiteln, obgleich dieses dem Wohl des Kindes nicht abträglich wäre. Ein Elternteil, der mit dem anderen in partnerschaftlicher Beziehung in einem ungelösten Konflikt lebt und diesem womöglich sogar schweres Unrecht zugefügt hat, kann gleichwohl eine wichtige Bezugsperson für die Entwicklung des Kindes sein und zu diesem eine liebevolle Beziehung aufbauen. Im Umgangsrecht besteht noch ein weiterer Dissens: Sie knüpfen das Umgangsrecht eines Elternteiles an die Voraussetzung, daß das Umgangsrecht dem Kindeswohl nicht widerspricht, und wollen, wenn keine rechtlichen oder tatsächlichen Verbindungen zwischen dem Elternteil und dem Kind bestehen, die Zubilligung von Besuchskontakten davon abhängig machen, daß dies dem Wohl des Kindes entspricht. Dies bedeutet keine entscheidende Verbesserung für die Väter nichtehelicher Kinder, die noch nicht „über längere Zeit eine persönliche Beziehung zu dem Kind aufgebaut" haben; denn sie sind von der Feststellung abhängig, daß - und in welchem Umfang - der Umgang dem Kindeswohl entspricht. Aus Ihrem Regelungsvorschlag spricht ein Mißtrauen gegenüber dem nichtehelichen Vater. Ist es denn nicht ein gutes Zeichen, wenn ein nichtehelicher Vater, der bisher - aus welchen Gründen auch immer - noch keine längerwährende persönliche Beziehung zu dem Kind aufgebaut hatte, eine solche nunmehr anstrebt? Berücksichtigen Sie doch bitte, daß es für ein Kind grundsätzlich am besten ist, wenn Mutter und Vater seine Entwicklung begleiten. Bestand der Kontakt zum Vater zunächst noch nicht oder nur in ganz geringem Ausmaß, gilt dann doch die Maxime „Besser spät als nie". Die von Ihnen befürworteten einschränkenden Voraussetzungen widersprächen im übrigen den Regelungen der anderen europäischen Staaten. In den meisten Ländern des Kontinents sind Väter nichtehelicher Kinder grundsätzlich wie andere Eltern umgangsberechtigt. Teilweise ist sogar ausdrücklich festgelegt, daß die biologische Vaterschaft zur Begründung des Umgangsrechts immer genügt. In unserem Nachbarland Österreich ist sogar anerkannt, daß lange Nichtausübung grundsätzlich keinen Einfluß auf das väterliche Besuchsrecht hat. Mit Ihrer Forderung, eheliche und nichteheliche Kinder im Unterhalts- und Erbrecht gleichzustellen, rennen Sie offene Türen ein. Ich habe bereits auf den Regierungsentwurf eines Erbrechtsgleichstellungsgesetzes hingewiesen. Regelungen, wie Sie sie befürworten, sind auch auf dem Gebiet des Unterhaltsrechts in Vorbereitung. Das Bundesministerium der Justiz arbeitet am Entwurf eines Kindesunterhaltsgesetzes, das ein einheitliches Regelunterhaltsverfahren für alle minderjährigen Kinder, deren Eltern getrennte Haushalte führen, vorsieht. Im Hinblick auf das Adoptionsrecht ist wieder das bei Ihnen wie bei uns bestehende Anliegen hervorzuheben, die Stellung des nichtehelichen Vaters zu stärken. Während bisher eine Adoption des Kindes auch ohne seine Zustimmung erfolgen kann, soll die Einwilligung künftig Adoptionsvoraussetzung werden. Dies sieht sowohl Ihr Antrag als auch der Referentenentwurf des BMJ vor. Abschließend möchte ich den Antragstellern noch einmal versichern, daß wir uns auf eine breite und konstruktive Beratung freuen, die dem gemeinsamen Ziel, dem Kindeswohl zu dienen, nur nützen kann. Ronald Pofalla (CDU/CSU): Wenn wir heute im Parlament erneut die Beratungen über die Reform des Kindschaftsrechts aufnehmen, dann folgen wir mehreren Aufforderungen des Bundesverfassungsgerichts, das Kindschaftsrecht zu reformieren, versuchen aber auch, das geltende Recht an die veränderten Gegebenheiten anzupassen. Schon 1982 hat es das Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärt, daß die Möglichkeit einer gemeinsamen Sorge geschiedener Eltern für ein Kind nicht möglich ist. Ebenso wurde vom Verfassungsgericht 1989 das fehlende Recht eines Kindes auf Kenntnis der eigenen Abstammung beanstandet. Später hat das Gericht in Karlsruhe die fehlende Möglichkeit der gemeinsamen elterlichen Sorge für nicht miteinander verheiratete Eltern beanstandet. Und erst jüngst hat das oberste Gericht entschieden, daß die Väter nichtehelicher Kinder generell Träger des verfassungsrechtlich geschützten Elternrechts sind. 1991 hat das Gericht zudem mit Blick auf Art. 6 Abs. 5 dem Gesetzgeber aufgegeben zu prüfen, ob es die Regeln, die zwischen ehelichen und nichtehelichen Kindern unterscheiden, sachliche Gründe gibt. Dabei müsse als Maßstab der Normalfall des ehelichen Kindes gelten. Das Bundesverfassungsgericht hat uns als Gesetzgeber eine ganze Reihe von Aufgaben mit auf den Weg gegeben, die wir, so hoffe ich, in dieser Legislaturperiode lösen werden. Zudem gibt das Grundgesetz in Artikel 6 Abs. 5 dem Gesetzgeber auf, die gleichen Bedingungen für die leibliche und seelische Entwicklung ehelicher und nichtehelicher Kinder zu schaffen. Noch immer gelten in den alten und den neuen Bundesländern unterschiedliche Regelungen hinsichtlich des Kindschaftsrechts. Die von uns zu gestaltende Reform des Kindschaftsrechts bedeutet somit auch ein weiteres Stück Vereinheitlichung des deutschen Rechts und Vollendung der inneren Einheit Deutschlands. Doch nicht nur die gerade genannten Gründe erfordern eine Reform, sie ist auch im Blick auf die Realität zwingend notwendig. Mittlerweile wird in Deutschland nahezu jede dritte Ehe geschieden. Allein 1993 waren in den alten Bundesländern fast 105 000 Kinder von Scheidungen betroffen, in den neuen Ländern waren es fast 19 000 Kinder. 1993 waren in den alten Bundesländern fast 12 % der Geborenen nichteheliche Kinder, in den neuen Ländern sogar fast 41 %. Um uns einmal die Zahl vor Augen zu führen: Wir sprechen hier von 85 000 Kindern in den alten Bundesländern und von über 33 000 Kindern in den neuen Ländern. Die Zahl der nichtehelichen Lebensgemeinschaften steigt mit zunehmender Tendenz an. Dies ist die Realität. Das heute geltende Recht des Vaters eines nichtehelichen Kindes, bleibt weit hinter dem Recht des Vaters eines ehelichen Kindes zurück, der nicht Inhaber der elterlichen Sorge ist. Ich denke dabei beispielsweise an das Umgangsrecht. Zunehmend drängen die Mütter nichtehelicher Kinder, die mit dem leiblichen Vater zusammenleben, auf ein gemeinsames Sorgerecht. All dies zwingt uns dazu, eine Reform des Kindschaftsrechts vorzunehmen. Die Bundesregierung wird spätestens im nächsten Frühjahr einen eigenen Gesetzentwurf vorlegen. Momentan befindet sich der Referentenentwurf in der Ressortabstimmung. Ich mache keinen Hehl daraus, der vorliegende SPD-Antrag deutet in einigen Fällen in die falsche Richtung. Darauf möchte ich in meinen weiteren Ausführungen eingehen. Erstens. Besonders liegt mir die Stärkung der Position der Eltern und des Elternsorgerechts am Herzen. Unser Ziel muß es sein, den Eltern einen Schutz vor unnötigen staatlichen Eingriffen zu bieten. Als oberstes Ziel müssen wir das Kindeswohl anstreben. Deshalb halten wir an dem Begriff „elterliche Sorge" fest. Er charakterisiert am besten den Fürsorgecharakter der elterlichen Aufgabe. Sehr geehrte Damen und Herren von der SPD, die von Ihnen vorgeschlagene Formulierung „elterliche Verantwortung" lehnen wir ab; denn wer wie Sie von der „elterlichen Verantwortung" spricht, entläßt im Falle der Alleinzuweisung der elterlichen Sorge an einen Elternteil den anderen Elternteil aus seiner Verantwortung. Und dies wollen wir nicht. Zweitens. Wir plädieren für die Möglichkeit einer gemeinsamen Sorge bei nichtehelichen Kindern. Dies sollte eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein, wenn beide Eltern dies wollen. Mir ist es daher unverständlich, warum die SPD in ihrem Antrag einen Vorbehalt formuliert, der zunächst eine gerichtliche Prüfung vorsieht, ob dies nicht dem Wohl des Kindes widerspricht. Sie, meine Damen und Herren von der SPD, drücken damit ein nicht gerechtfertigtes Mißtrauen gegen diejenigen aus, die sich der elterlichen Verantwortung stellen und sie teilen wollen. Ich kann auch nicht nachvollziehen, warum Sie hier ein Zweiklassenrecht, das zwischen ehelichen und nichtehelichen Kindern unterscheidet, etablieren wollen, wo Sie sonst doch alles daransetzen, diesen Unterschied vollkommen aufzuheben. Drittens. Ich mache aber ausdrücklich darauf aufmerksam, daß wir, wenn wir die Möglichkeit der gemeinsamen Sorge schaffen, keine Entscheidung darüber treffen, ob wir der gemeinsamen Sorge oder der Alleinsorge den Vorzug geben. Wenn wir der einen oder anderen Art eine Präferenz einräumen wollten, müßten wir eindeutige Erkenntnisse darüber vorliegen haben, daß die Alleinsorge oder die gemeinsame Sorge dem Kindeswohl prinzipiell besser dient. Wir alle wissen, in der Wissenschaft ist hierüber seit Generationen ein breiter Disput im vollen Gange. Wenn die Eltern die gemeinsame Sorge innehaben, müssen sie diese im gegenseitigen Einvernehmen zum Wohle des Kindes ausüben. Das bedeutet aber auch, daß sie sich bei Meinungsverschiedenheiten - beispielsweise über den Schulbesuch - einigen und zusammenwirken, aber auch, daß sie sich jedenfalls grundsätzlich über die das Kind betreffenden Angelegenheiten des täglichen Lebens verständigen. Einiges von dem, was ich gerade gesagt habe, betrifft auch die Fälle, in denen es um die gemeinsame Sorge für geschiedene Eltern geht. Die von mir einleitend angesprochene Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts macht es schon heute möglich, daß die Eltern auch nach der Scheidung die Sorge für ihr Kind weiterhin gemeinsam innehaben. Wie wir wissen, wird von dieser Möglichkeit auch zunehmend Gebrauch gemacht. Allerdings fallen die Sorgeentscheidungen im Scheidungsverbund sehr unterschiedlich aus. Ich möchte dies anhand der Zahlen aus dem zweiten Halbjahr 1994 belegen. Die Prozentzahl der Zuweisung der elterlichen Sorge an beide Eltern im Scheidungsverfahren lag in Sachsen-Anhalt bei 6,5 %, während sie im Saarland 23,6 % erreichte. Diese Zahlen zeigen deutlich, wie unterschiedlich die Gerichte entscheiden und wie dringend erforderlich eine Rechtsklarheit ist. Bis heute haben wir dafür jedoch noch keine eindeutige gesetzliche Regelung; das ist unbefriedigend. Deshalb plädieren wir dafür, bei der Reform des Kindschaftsrechts eine entsprechende gesetzliche Verankerung vorzusehen. Die bisher geltende Regelung, daß das Familiengericht zwingend über die elterliche Sorge entscheidet, wenn es zu einem Scheidungsverfahren kommt - sogenannter Zwangsverbund -, halten wir für hinfällig. Die Eltern wissen in der Regel am besten, was das Beste für ihr Kind ist. Der Staat hat hier nur in Ausnahmefällen eine Rolle zu spielen und einzugreifen. Der Zwangsverbund gehört abgeschafft. Wir wollen, daß es nur in solchen Fällen noch zu einem Verfahren über die elterliche Sorge kommt, wenn ein Elternteil einen Antrag auf Alleinsorge stellt. Ansonsten wollen wir an der gemeinsamen Sorge festhalten. Wir lehnen eine gerichtliche Überprüfung und Entscheidung in den Fällen ab, in denen kein Antrag auf Übertragung der Alleinsorge gestellt wird. Denn allein der Zwang, über die Kinder ein Verfahren führen zu müssen, trägt zur Konfliktverschärfung bei und verringert die Chance, die bisherige gemeinsame Sorge beizubehalten. Mir ist ein weiterer Punkt bei der Abschaffung des Zwangsverbundes wichtig: Würde im Scheidungsfall der Zwangsverbund fortbestehen, so würden diese Eltern stärker staatlich überwacht, als die Eltern nichtehelicher Kinder beim Scheitern ihrer Partnerschaft. Dies kann nicht unser Ziel sein. Viertens. Sehr geehrte Damen und Herren von der SPD, bei der Lektüre Ihres Antrags habe ich mir manches Mal verwundert die Augen gerieben. Auf Unverständnis stößt bei mir Ihre Forderung nach einer Elternvereinbarung bei getrennt voneinander lebenden Eltern. In der Begründung des Antrags heißt es: „Die Elternvereinbarung muß die tatsächlichen Lebensbedingungen eines Kindes nach der Trennung umfassend regeln: Aufenthalt, Umgang, Pflege und Erziehung, Unterhalt. Sind sich die Eltern über alle diese Punkte einig, so bedarf es keiner richterlichen Entscheidung, es sei denn, eine erkennbare Gefährdung des Kindeswohl verpflichtet den Staat in Wahrnehmung seines Wächteramtes zum Eingreifen. " Wie dies in der Praxis funktionieren soll, ist mir ein Rätsel. Nicht verheirateten Eltern, die künftig die gemeinsame Sorge erlangen können, kann für den Fall des Scheiterns ihrer Gemeinschaft keine entsprechende Verpflichtung auferlegt werden, da ein Scheidungsverfahren dort nicht durchgeführt wird. Eltern, die miteinander verheiratet sind, würden durch die Pflicht zum Sorgeplan also stärker überwacht als Eltern nicht ehelicher Kinder. Gegen eine Pflicht zur Errichtung eines Sorgeplans spricht auch, daß in Fällen, in denen die gemeinsame Sorge während der Trennungszeit einigermaßen funktioniert, durch den Zwang zur schriftlichen Niederlegung erst Anlaß für einen Streit - und sei es nur um Formulierungen - entstehen kann. Auch kann der Sorgeplan in seiner scheinbaren Endgültigkeit dazu führen, daß Eltern nach der Scheidung nicht flexibel genug auf geänderte Situationen reagieren. Fünftens. Nach heutigem Recht kann der Vater eines nichtehelichen Kindes nur unter sehr erschwerten Voraussetzungen die Sorge für sein Kind erhalten. Dies gilt selbst dann, wenn die mit der Sorge ausgestattete Mutter des nichtehelichen Kindes stirbt oder ihr das Sorgerecht entzogen wird. Das ist besonders dann höchst unbefriedigend, wenn ein persönliches Verhältnis zwischen dem Vater und dem Kind besteht. Wir alle wissen: Es kann sehr wohl dem Kindeswohl dienen, wenn dem Vater die Sorge übertragen wird. Dies gilt auch, wenn sich der Kontakt zwischen dem Vater und dem Kind erst noch entwickeln muß. Der genannte Referentenentwurf der Bundesregierung verbessert das Recht eines Kindes auf Kenntnis seiner Abstammung. Das eheliche Kind kann nach geltendem Recht seine Ehelichkeit nur unter ganz bestimmten Umständen innerhalb einer Frist von zwei Jahren ab Erlangung der erforderlichen Kenntnisse anfechten; eine Anfechtung kann es längstens bis zur Vollendung seines 20. Lebensjahres geltend machen. Ähnlich verhält es sich bei nichtehelichen Kindern, jedoch ist eine absolute Altersgrenze nicht vorgesehen. Der Referentenentwurf sieht vor, daß ein volljähriges Kind ohne besondere Gründe ein Recht auf Kenntnis seiner Abstammung erhält. Dem Kind sollen vom Eintritt der Volljährigkeit an zwei Jahre für die Anfechtung der Vaterschaft zur Verfügung stehen. Erlangt es erst später Kenntnis von den Umständen, die gegen die Vaterschaft sprechen, beginnt erst dann die Anfechtungsfrist. Das künftige Anfechtungsrecht wird einheitlich für alle Kinder - egal, ob ehelich oder nichtehelich - gelten. Auch hier müssen wir die ehelichen und nichtehelichen Kinder gleichstellen. Dies fordert nicht zuletzt das Bundesverfassungsgericht. Die „Ehelichkeit„ bzw. „Nichtehelichkeit" eines Kindes soll künftig für keine Person mehr ein anhaftendes Statusmerkmal sein. Die das heutige Abstammungsrecht prägende Unterscheidung zwischen ehelicher und nichtehelicher Abstammung nähert der Referentenentwurf der Bundesregierung zugunsten einer einheitlichen Regelung an. Die heute vorhandenen Möglichkeiten einer Eioder Embryonenspende machen es erforderlich, daß wir zu einer gesetzlichen Definition der Mutterschaft kommen. Ich freue mich, daß die Regierungsfraktionen und die SPD-Fraktion in diesen grundlegenden Fragen dicht beieinander liegen. Der Referentenentwurf der Bundesregierung stellt klar - wie dies übrigens auch im Antrag der SPD vorgesehen ist -, daß die Mutter eines Kindes im Rechtssinne allein die Frau ist, die das Kind geboren hat. Diese Regelung ist im Interesse der Vermeidung einer „gespaltenen" Mutterschaft, insbesondere von Leihmutterschaften in Form der „Ammenmutterschaft", geboten. Keine Regelung enthält der Referentenentwurf - wie im übrigen der SPD-Antrag auch nicht - über die abstammungsrechtlichen Folgen einer Samenspende. Der Grund hierfür ist, daß die Zulässigkeit der Samenspende nach wie vor umstritten ist und eine einheitliche Regelung des Bundes noch aussteht. Lassen Sie mich abschließend noch auf einen weiteren Aspekt bei der Reform des Kindschaftsrechts eingehen. Das geltende Recht ist nicht nur für den juristischen Laien wenig überschaubar. Die bisherige Unterscheidung zwischen Sorgeverfahren, die in die Zuständigkeit der Familiengerichte fallen, und von vormundschaftsgerichtlichen Sorgeverfahren muß abgeschafft werden. Die unterschiedlichen Zuständigkeiten für die die elterliche Sorge betreffenden Verfahren bei ehelichen und nichtehelichen Kindern sollen künftig durch eine einheitliche Zuständigkeit bei Familiengerichten ersetzt werden. Lassen Sie uns zum Wohle der Kinder die bevorstehenden Beratungen in einem konstruktiven und zielgerichteten Geist führen. Anlage 5 Zu Protokoll gegebene Rede zu Tagesordnungspunkt 13 (a - Gesetz zur Sicherung der Wohnung für den hinterbliebenen Lebenspartner; b - Antrag: Gleichberechtigung von Schwulen und Lesben in der Bundesrepublik Deutschland) und Zusatztagesordnungspunkt 4 (Gesetz zur Übernahme der gemeinsamen Wohnung nach Todesfall der Mieterin/des Mieters oder der Mitmieterin/des Mitmieters) Heinz Lanfermann (F.D.P.): Die von BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN und der Gruppe der PDS vorgelegten Anträge beschäftigen sich mit einer Problematik, auf die die Bürgerrechtspartei F.D.P. in ihrem Wahlprogramm zur Bundestagswahl 1994 klare Antworten gegeben hat. Unverändert besteht der Vorschlag der F.D.P., den mein Kollege Hans-Joachim Otto in der Verfassungsdebatte der letzten Legislaturperiode auch hier im Plenum eingebracht hat, Art. 6 Abs. 1 Grundgesetz wie folgt zu ergänzen: Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung. Sie achtet andere auf Dauer angelegte Lebensgemeinschaften. Diese Ergänzung des Grundgesetzes ändert in keiner Weise etwas an dem tradierten und richtigen Schutz von Ehe und Familie des Grundgesetzes. Gleichwohl trägt der Vorschlag der F.D.P. - und das muß ein zentrales Anliegen der Politik sein - der gesamtgesellschaftlichen Entwicklung Rechnung. Im Jahre 1991 gab es in Deutschland rund 1,4 Millionen nichteheliche Lebensgemeinschaften. Den Wunsch einer solch beachtlichen Zahl von Bürgerinnen und Bürgern, eine solche Lebensform zu wählen, darf die Politik nicht ignorieren. Sie muß vielmehr im Rahmen der Möglichkeiten die in der Lebenswirklichkeit auftretenden Mängel beseitigen. Dazu gehört unter anderem das gegenseitige Besuchsrecht der nicht miteinander verheirateten Partner im Krankheitsfall, dessen Versagung ich - insbesondere wenn es um lebensgefährliche Verletzungen geht - als unmenschlich empfinde. Dazu gehört dann aber auch der Eintritt in bestehende Mietverträge im Todesfall eines Partners, um nur zwei Beispiele aufzugreifen. Wer nun einwendet: Darm sollen die Betroffenen doch heiraten, der vernachlässigt z. B., daß gleichgeschlechtlichen Paaren dies verwehrt ist. Die F.D.P. bekennt sich jedoch ausdrücklich zu einer Lebensgemeinschaft für gleichgeschlechtliche Paare und schlägt deshalb in ihrem Wahlprogramm vor, das Rechtsinstitut der „eingetragenen Partnerschaft" zu schaffen. Dieses Rechtsinstitut soll sich im Grundsatz am Familienrecht orientieren und insbesondere hinsichtlich des Angehörigen-, Hinterbliebenen- und Sozialrechts gleiche Rechte und Pflichten begründen wie die Ehe. Auf diese Weise könnte durch die Rechtsordnung für alle Lebensformen ein vernünftiger Rahmen geschaffen werden, der jedem Mann und jeder Frau nicht nur ermöglicht, nach eigenem Wunsch zusammenzuleben, sondern auch ein Mindestmaß an Rechtssicherheit garantiert. Der demokratische Rechtsstaat tut gut daran, nicht über persönliche Motive des Zusammenlebens zu urteilen, sondern sie zu respektieren. Hier geht es um die Freiheitlichkeit und Toleranz unserer Gesellschaft. Auch in Zukunft wird es rechtliche Unterschiede zwischen Ehe und Familie einerseits und nichtehelichen Lebensgemeinschaften andererseits geben. Dies folgt zwangsläufig aus der höheren Verbindlichkeit und dem größeren Pflichtenkreis von Ehe und Familie. Die F.D.P. geht mit ihrem Vorschlag einen vernünftigen Mittelweg. Keine Gleichstellung von Ehe und Nichtehe, wohl aber eine verfassungsrechtliche Achtung der auf Dauer angelegten Lebensgemeinschaften. Die F.D.P. unterstreitlich hiermit ihr Bekenntnis zur gesellschaftlichen Pluralität und zur gesellschaftlichen Toleranz. Das dauerhafte Zusammenleben und Füreinander-Einstehen von Partnern ist die bessere und dem Menschen gemäßere Form des Lebens als das unfreiwillige Alleinleben. Fürsorge und wechselseitige Verantwortung der Partner schafft gesellschaftliche Stabilität. So notwendig und hilfreich die vorgeschlagenen Gesetzesänderungen auch sein mögen, so wichtig ist aber auch die gesamtgesellschaftliche Akzeptanz gleichgeschlechtlicher Lebenspaare. Diese kann durch Gesetze bestenfalls positiv verstärkt werden. Die rechtliche Gleichstellung homosexueller Frauen und Männer ist also ein Signal für ihre gesellschaftliche Integration. Verständnis für den anderen Menschen und seine von der gesellschaftlichen Mehrheits-Norm abweichende Lebensauffassung kann nicht verordnet werden. Das erfordert einen gesamtgesellschaftlichen Bewußtseinswandel. Dieser muß sich entwickeln, und zwar insbesondere durch die Erziehung, in der Schule und Jugendarbeit. Dies ist ein langwieriger Prozeß, den die F.D.P. im Rahmen der Möglichkeiten unterstützen und fördern wird.
Gesamtes Protokol
Dr. Rita Süssmuth (CDU):
Rede ID: ID1305500000
Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Sitzung ist eröffnet. Ich bitte Sie, Platz zu nehmen.
Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, möchte ich auf der Ehrentribüne den Präsidenten der ungarischen Nationalversammlung, Herrn Dr. Zoltan Gal, mit seiner Delegation ganz herzlich begrüßen.

(Beifall)

Sie sind zum zweitenmal kurz nach Ihrer Wahl in Deutschland. Das erstemal waren Sie es, um des 10. September 1989 am Reichstagsgebäude in Berlin zu gedenken, wo wir ebenso wie am ungarischen Parlament eine Tafel befestigt haben, damit wir diesen entscheidenden Vorgang nicht vergessen. Sie haben die Grenzen geöffnet, um den Menschenrechten zum Durchbruch zu verhelfen, und dafür Verträge gebrochen.

(Beifall)

Sie wollen mit uns gemeinsam nach Europa. Wir brauchen einander, und ich bin davon überzeugt, daß die parlamentarischen Gespräche in diesen Tagen diesen Beziehungen und der Vorbereitung dieses Weges dienen. Herzlich willkommen und einen guten Aufenthalt!

(Beifall)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich komme jetzt zu den Amtlichen Mitteilungen.
Die Bundesrepublik Deutschland und das Land Nordrhein-Westfalen haben sich darauf verständigt, die Stiftung CAESAR, Center of Advanced European Studies and Research, mit Sitz in Bonn zu errichten. Nach der Satzung besteht der Stiftungsrat aus drei vom Bund berufenen Mitgliedern des Deutschen Bundestages.
Gemäß dem Vorschlag der Fraktionen der CDU/ CSU und der SPD werde ich dem Bundesminister für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie die Kollegen Steffen Kampeter, Dieter Pützhofen und Dieter Schanz als Mitglieder für den Stiftungsrat benennen.
Ich möchte Sie darauf hinweisen, daß das Ergebnis des Vermittlungsausschusses zum Jahressteuergesetz 1996 erst nach der Beratung der Gesetzentwürfe unter Tagesordnungspunkt 6 aufgerufen wird.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung soll die verbundene Tagesordnung erweitert werden. Die Punkte sind in der Ihnen vorliegenden Zusatzpunktliste aufgeführt:
1. Beratung des Antrags der Abgeordneten Ernst Schwanhold, Dr. Uwe Jens, Anke Fuchs (Köln), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Den Stillstand in der Mittelstandspolitik beenden - Anstöße zur Schaffung von Arbeitsplätzen bei kleinen und mittleren Unternehmen der Industrie, des Handwerks, des Handels und der Freien Berufe geben - Drucksache 13/2363 -
2. Beratung des Antrags der Abgeordneten Franziska Eichstädt-Bohlig, Christine Scheel, Ulrike Höfken, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Eckwerte für ein grünes Wohnungs-Selbsthilfe-Gesetz für eine soziale und ökologische Reform der Wohneigentumsförderung - Drucksache 13/2304 -
3. Beratung des Antrags der Abgeordneten Klaus-Jürgen Warnick, Dr. Barbara Höll, Dr. Uwe-Jens Rössel und der Gruppe der PDS: Reformierung der Wohneigentumsförderung als ein Bestandteil der Wohnungsbaupolitik - Drucksache 13/2357 -
4. Erste Beratung des von den Abgeordneten Christina Schenk, Dr. Gregor Gysi und der Gruppe der PDS eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Übernahme der gemeinsamen Wohnung nach Todesfall der Mieterur des Mieters oder der Mitmieterin/des Mitmieters - Drucksache 13/2355 -
5. Weitere Überweisungen im vereinfachten Verfahren (Ergänzung zu TOP 19)

a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Gerd Poppe, Dr. Helmut Lippelt, Waltraud Schoppe, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Voraussetzungen und Perspektiven einer Verhandlungslösung für das ehemalige Jugoslawien - Drucksache 13/2362 -
Überweisungsvorschlag:
Auswärtiger Ausschuß (federführend) Verteidigungsausschuß
Ausschuß für die Angelegenheiten der Europäischen Union
b) Beratung des Antrags der Fraktion der SPD
Die Lage der Bürger in Bosnien-Herzegowina, Kroatien und Serbien und die Bedingungen für die rasche Hilfe beim Wiederaufbau nach einem Friedensschluß - Drucksache 13/2378 -

Präsidentin Dr. Rita Süssmuth
Überweisungsvorschlag:
Auswärtiger Ausschuß (federführend) Verteidigungsausschuß
Ausschuß für die Angelegenheiten der Europäischen Union
6. Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Winfried Wolf, Dr. Willibald Jacob, Dr. Gregor Gysi und der Gruppe der PDS: Transfer von Zuwendungen in Höhe der Einnahmen aus der Kaffeesteuer in den Süden - Drucksache 13/2358 -
Von der Frist für den Beginn der Beratung soll, soweit erforderlich, abgewichen werden.
Weiterhin ist vereinbart worden, daß die Beratungen ohne Aussprache, Tagesordnungspunkte 19 und 20, im Anschluß an die Debatte über die Parlamentsreform aufgerufen werden sollen.
Gleichzeitig soll, ebenfalls ohne Aussprache, über die Beschlußempfehlung des Auswärtigen Ausschusses zur Hilfe für Bosnien-Herzegowina, Tagesordnungspunkt 11, abgestimmt werden.
Die Tagesordnungspunkte 20a und 20b sollen abgesetzt werden.
Sind Sie damit einverstanden? - Ich höre keinen Widerspruch. Es ist so beschlossen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 3 auf:
Wahl des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik
Ich gebe zunächst einige Hinweise zum Wahlverfahren:
Die weißen Stimmkarten für die Wahl wurden in der Lobby und an den Eingängen verteilt. Sollten Sie noch keine Stimmkarte erhalten haben, besteht jetzt noch die Möglichkeit, sie von den Plenarsekretären zu erhalten. Außerdem benötigen Sie Ihren weißen Wahlausweis, den Sie, soweit noch nicht geschehen, bitte Ihrem Schließfach entnehmen.
Bitte achten Sie unbedingt darauf, daß der Wahlausweis wirklich Ihren Namen trägt. Es ist in der Vergangenheit bei Wahlen wie auch bei namentlichen Abstimmungen zu Verwechslungen gekommen.
Die Wahlen finden offen statt. Sie können die Stimmkarten also an Ihrem Platz ankreuzen.
Nach § 35 Abs. 2 des Stasi-Unterlagen-Gesetzes wird der Bundesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik auf Vorschlag der Bundesregierung vom Deutschen Bundestag mit mehr als der Hälfte der gesetzlichen Zahl seiner Mitglieder gewählt. Zur Wahl sind also mindestens 337 Stimmen erforderlich.
Die Bundesregierung hat mit Schreiben vom 21. Juli 1995 Herrn Joachim Gauck vorgeschlagen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Sie können Ihre Stimmkarte bei Ja, Nein oder Enthaltung ankreuzen. Stimmkarten, die keine oder mehr als eine Ankreuzung, andere Namen oder Zusätze enthalten, sind ungültig.
Bevor Sie die Stimmkarte in eine der Wahlurnen werfen, übergeben Sie bitte Ihren Wahlausweis einer der Schriftführerinnen oder einem der Schriftführer an den Wahlurnen. Die Schriftführerinnen und Schriftführer bitte ich, darauf zu achten, daß vor der Stimmabgabe der Wahlausweis übergeben wird.
Ich bitte jetzt die Schriftführerinnen und Schriftführer, die vorgesehenen Plätze einzunehmen.
Haben alle Schriftführer die Plätze eingenommen? - Das ist offenbar der Fall. Ich eröffne die Wahl.
Haben alle Mitglieder des Hauses, auch die Schriftführerinnen und Schriftführer, ihre Stimmkarte abgegeben? - Das ist offenbar der Fall.
Ich schließe die Wahl und bitte die Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Das Ergebnis der Wahl wird später bekanntgegeben.*)
Meine Damen und Herren, bitte nehmen Sie Platz.
Ich rufe die Tagesordnungspunkte 4 a bis 4 c sowie den Zusatzpunkt 1, Mittelstandsdebatte, mit der Beratung mehrerer Vorlagen auf:
4. Mittelstandsdebatte
a) Beratung der Großen Anfrage der Abgeordneten Ernst Schwanhold, Dr. Uwe Jens, Hermann Bachmaier, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD
Möglichkeiten zur Förderung einer Existenzgründungsbewegung
- Drucksachen 13/896, 13/1793 -
b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Wolfgang Bierstedt, Dr. Christa Luft und der Gruppe der PDS
Unterstützung kleiner und mittlerer Unternehmen (KMU) der neuen Bundesländer bei der Markteinführung neuer Produkte
- Drucksache 13/2095 -
Überweisungsvorschlag:
Ausschuß für Wirtschaft (federführend)

Ausschuß für Bildung, Wissenschaft, Forschung, Technologie und Technikfolgenabschätzung Haushaltsausschuß
c) Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P.
Den Mittelstand entlasten
- Drucksache 13/2344 -Überweisungsvorschlag:
Ausschuß für Wirtschaft (federführend) Rechtsausschuß
Finanzausschuß
Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung
Ausschuß für Verkehr
Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Ausschuß für Post und Telekommunikation Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau
Ausschuß für Bildung, Wissenschaft, Forschung, Technologie und Technikfolgenabschätzung
s) Seite 4536D

Präsidentin Dr. Rita Süssmuth
ZP1 Beratung des Antrags der Abgeordneten Ernst Schwanhold, Dr. Uwe Jens, Anke Fuchs (Köln), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD
Den Stillstand in der Mittelstandspolitik beenden - Anstöße zur Schaffung von Arbeitsplätzen bei kleinen und mittleren Unternehmen der Industrie, des Handwerks, des Handels und der Freien Berufe geben
- Drucksache 13/2363 -
Überweisungsvorschlag:
Ausschuß für Wirtschaft (federführend)

Finanzausschuß
Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung
Ausschuß für Bildung, Wissenschaft, Forschung, Technologie und Technikfolgenabschätzung
Nach einer Vereinbarung im Ältestenrat sind für die gemeinsame Aussprache zwei Stunden vorgesehen. - Ich sehe keinen Widerspruch. Wir verfahren
so.
Ich eröffne die Aussprache. Als erster erhält der Kollege Hansjürgen Doss das Wort.

Dr. Hansjürgen Doss (CDU):
Rede ID: ID1305500100
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Letzte Woche traten Rudolf Scharping und der DGB-Vorsitzende Dieter Schulte vor die Presse und stellten sogenannte Eckwerte einer innovativen Politik sozialstaatlicher Reformen vor.

(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Eine gute Veranstaltung!)

Den einleitenden Feststellungen, da haben Sie recht, kann man zustimmen: „Die finanziellen Grundlagen des Sozialstaates sind ungesichert." Und: „Von der Lösung dieser internationalen und nationalen Probleme durch Modernisierung der Volkswirtschaft und der Reform des Sozialstaates hängt die Zukunft der Bundesrepublik Deutschland ab."

(Zuruf von der CDU/CSU: Richtig!)

Dann kommt die Feststellung, daß die Schaffung neuer Arbeitsplätze das wichtigste Ziel ist. So weit, so gut.
Als Mittel zur Erreichung dieses Ziels fallen Ihnen außer einigen Selbstverständlichkeiten, wie der qualifizierten beruflichen Bildung, nur reine Rückzugsmaßnahmen ein, z. B. Arbeitszeitverkürzung, Ausbau der öffentlichen Beschäftigung, mehr Mitbestimmung.
Stichwort: Arbeitszeitverkürzung. Raten Sie dem Einzelhändler, beim Umsatzrückgang Regale stillzulegen? VW zeigt im übrigen, daß wir auf dem Weg einer gespaltenen Gesellschaft sind:

(Beifall bei der CDU/CSU)

28 Stunden hier, 70 Stunden und mehr für Selbständige.
Stichwort: öffentliche Beschäftigung. Am besten, meine Damen, meine Herren, verbeamten wir die ganze Republik.

(Siegfried Hornung [CDU/CSU]: So denken manche!)

Dann hat jeder sein Gehalt und seinen Pensionsanspruch. Es kann doch nicht Ihr Ernst sein, daß in der Konsequenz wettbewerbsfähige Arbeitsplätze durch öffentliche Beschäftigung ersetzt werden sollen.
Stichwort: Mehr Mitbestimmung. Das ist doch der älteste Hut in Ihrer gesamten Kollektion. Die Stärken der Gewerkschaften liegen weiß Gott nicht auf dem Feld der Unternehmensberatung.

(Ernst Schwanhold [SPD]: Diese Unternehmen wären ohne die Initiative der Gewerkschaften längst pleite!)

Die Mittelstandspolitik der Bundesregierung, dieser Koalition, meine sehr verehrten Damen, meine Herren, setzt auf die Freisetzung der eigenen Kräfte statt auf staatliche Hilfskonstruktionen,

(Beifall bei der CDU/CSU)

auf vernünftige Rahmenbedingungen für die Betriebe, auf Entlastung bei den Unternehmensteuern, auf Förderung von Existenzgründern und auf Sicherung eines fairen Wettbewerbs. Wir brauchen konkurrenzfähige und rentable Betriebe. Nur so ist Arbeit in Deutschland zu halten und neu zu schaffen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir brauchen mehr originäre Wirtschaftskraft, durch die sich die rentablen Arbeitsplätze ihren Lohn am Markt selbst verdienen; denn nur rentable Arbeitsplätze sind sichere Arbeitsplätze.
Arbeitsmarktpolitik, der sogenannte zweite Arbeitsmarkt, ABM oder - wie die SPD dies formuliert - öffentlich geförderte Beschäftigung in gesellschaftlich nützlichen Feldern können, wenn überhaupt, nur als Krückstock dienen.
Mittelstandspolitik, meine sehr verehrten Damen und Herren, muß praxisorientiert sein und sich an den Interessen der Betriebe in Deutschland orientieren.
Die Unternehmensteuerreform bleibt für diese Koalition Punkt Nummer eins der wirtschaftspolitischen Tagesordnung.

(Zuruf von der CDU/CSU: Sehr richtig!)

Die beste Steuerreform ist die Abschaffung einer Steuer. Deshalb sind wir für die Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer.

(Beifall bei der CDU/CSU) Diese Steuer ist arbeitsplatzfeindlich.


(Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Die Lohnsteuer abschaffen!)


Hansjürgen Doss
- In Sachen Wirtschaftspolitik sollten Sie sich durch Beiträge qualifizieren, nicht durch Zwischenrufe. Sie hätten dann eine große Chance der Profilierung für die SPD.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Sollen wir uns an Ihnen messen, Herr Kollege?)

Im internationalen Wettbewerb ist diese Steuer ein Klotz am Bein der deutschen Wirtschaft, weil sie weltweit einmalig ist. Selbst in der SPD gibt es in der jüngsten Zeit Signale der Vernunft. So verkündete neulich Kurt Beck, der rheinland-pfälzische Ministerpräsident, er wolle die Gewerbekapitalsteuer abschaffen. Anscheinend hat er vergessen, daß er noch im Sommer im Bundesrat gegen eine solche Abschaffung gestimmt und im „Focus" vom 23. Dezember 1994 für deren Erhalt plädiert hat. Herzlich willkommen, „Paulus" Beck, im Kreise der Einsichtigen!

(Siegfried Hornung [CDU/CSU]: Es fängt an zu klingeln!)

Zur Unternehmensteuerreform gehört weiterhin die mittelstandsfreundliche Senkung der Gewerbeertragsteuer. Für meine Person will ich hier eindeutig sagen: Ich bin dafür, daß wir die Gewerbesteuer insgesamt abschaffen. Das muß unser Ziel sein. Keine halben Wege! Wir haben die Chance dazu, und es gibt jetzt, Gott sei Dank, Bewegung bei der SPD. Unser Ziel muß sein, die Betriebe zu entlasten und damit letztlich wirtschaftliche Tätigkeit in Deutschland stärker zu ermöglichen, als es bisher der Fall war.
Bei der Erbschaftsteuer haben wir mit dem Jahressteuergesetz 1996 für den Fall des Betriebsübergangs auf die nächste Generation gewisse Erleichterungen vorgenommen. Oberhalb des Freibetrags von 500 000 DM wird es einen Bewertungsabschlag von 25 % für die Berechnung der Erbschaftsteuer geben. Das ist ein Baustein an der Generationenbrücke. Wir sind aber noch nicht soweit, daß wir sagen können: Wir sind zufrieden, und der Vorgang ist abgeschlossen.
Dauerthema der Mittelstandspolitik ist die Senkung der Lohnzusatzkosten. Deutsche Arbeitnehmer verdienen nicht zuviel; sie kosten nur zuviel. Es ist die Differenz zwischen Nettolohn und Stundenverrechnungssatz, die legale Arbeit in Deutschland fast unbezahlbar macht.

(Siegfried Hornung [CDU/CSU]: Weil immer weniger arbeiten und die anderen das alles mitmachen müssen!)

In diesem Zwischenbereich stecken zu viele Kosten, die teils vom Staat verantwortet werden, teils auch von den Tarifparteien vereinbart worden sind. Die Tarifparteien lassen wir ja immer viel zu sehr außen vor. Arbeitgeber und Gewerkschaften müssen auch hier ihrer Verantwortung gerecht werden. Wer die Arbeitsbedingungen bestimmt, muß auch die Beschäftigungswirkung seiner Entscheidungen bedenken. Die Arbeitsteilung, wonach die Lohnerhöhung bei den Tarifparteien stattfindet und der Staat die Arbeitslosigkeit zu tragen hat, machen wir nicht mit.
Die Arbeitnehmergruppe und der PKM haben gemeinsam beschlossen: Vor der Rückführung des Solidaritätszuschlages müssen die Lohnzusatzkosten gesenkt werden. Dies ist konsequent, wenn die Schaffung von Arbeitsplätzen Priorität haben soll.
Auch die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall bleibt für uns ein Thema. Sie bringt rund 63 Milliarden DM Kosten für die deutschen Unternehmen in jedem Jahr. Wenn montags 30 %, freitags ca. 36 % und mittwochs ca. 6 % der Krankheitstage anfallen, so liegt der Mißbrauch förmlich auf der Hand.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Deshalb lautet mein Vorschlag: Krankenversicherung vom ersten Tag an. Der Arbeitnehmer zahlt für seinen Beitrag selbst und bekommt ihn vom Betrieb erstattet. Er kann sich für eine 100 %-Versicherung, also eine Vollkaskoversicherung, oder für eine 80 %Versicherung entscheiden; dann zahlt er entsprechend weniger. Nimmt er die Versicherung nicht in Anspruch, bekommt er eine Rückerstattung. Dies schafft Kostenbewußtsein, stellt keinen Arbeitnehmer schlechter und bekämpft den Mißbrauch.
Die Lohnfortzahlung, die wir zur Zeit für alle Arbeitnehmer haben, geht auf die Brüningsche Notverordnung von Anfang der 30er Jahre zurück. Sie sollte dazu dienen, die gebeutelten Krankenkassen von Krankengeldzahlungen zu entlasten. Dieses Notmodell sollte doch nicht heute noch als mustergültig bezeichnet und entsprechend verteidigt werden.
Ein weiteres Mittelstandsthema, bei dem der Staat eine besondere Verantwortung trägt, ist die Auftragsvergabe der öffentlichen Hand. VOB und VOL müssen die Grundlage öffentlicher Auftragsvergabe bleiben, auch bei der Deutschen Bahn AG, die schließlich für den Bereich Fahrwege rund 10 Milliarden DM aus dem Bundeshaushalt erhält. Wir werden auf die Einhaltung der entsprechenden Bedingungen achten.
Der Mittelstand ist in den neuen Bundesländern Konjunkturmotor Nummer eins. Mehr als 400 000 neue selbständige Existenzen und 3,2 Millionen Beschäftigte sind eine stolze Zwischenbilanz. Das Förderinstrumentarium war erfolgreich, muß aber präzisiert werden. Vor allem wollen wir der Eigenkapitalschwäche stärker entgegenwirken. Ich verweise hier z. B. auf die gemeinsame Initiative der Arbeitnehmergruppe unserer Fraktion und des hier anwesenden Kollegen Herbert Lattmann, Vermögensbildung in Produktivkapital und Risikokapital attraktiver zu machen.
Schließlich die Fragen zum Einzelhandel. Hier meint man, das Ladenschlußgesetz sei der Nabel der Republik, und alles regt sich über diese, wie ich finde, doch nicht zentrale wirtschaftspolitische Frage auf. Ich könnte mir vorstellen, daß wir einen Korridor für 60 Stunden in der Woche machen, so daß sich der mittelständische Einzelhandelsbetrieb, von einer Familie getragen, nicht einem totalen Zeitwettbewerb ausgesetzt sieht: morgens um sechs Uhr anfangen

Hansjörgen Doss
und abends bis 20 Uhr arbeiten. Wir werden, Herr Wirtschaftsminister, in Freundschaft, wie das in dieser Koalition üblich ist, miteinander reden und zu einem guten Konsens kommen.

(Lachen bei der SPD Ernst Schwanhold [SPD]: Das haben wir gestern gemerkt!)

- Wir gehen in der Koalition besser miteinander um als Sie in Ihrer eigenen Partei.

(Beifall bei der CDU/CSU Ulrich Irmer [F.D.P.]: Herr Kollege, wie wollen Sie diese Korridorzeit kontrollieren?)

- Ich habe nur zwölf Minuten Redezeit. Für eine kurze Mittelstandsdebatte ist das Thema unglaublich umfangreich.

Dr. Rita Süssmuth (CDU):
Rede ID: ID1305500200
Herr Doss, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Irmer?

Dr. Hansjürgen Doss (CDU):
Rede ID: ID1305500300
Bitte; ja.

Ulrich Irmer (FDP):
Rede ID: ID1305500400
Vielen Dank. Es ist natürlich ein Gesichtspunkt, daß Sie wegen Ihrer knappen Zeit nicht auf Zwischenrufe reagieren können. Deshalb stelle ich jetzt eine Zwischenfrage.
Wenn Sie bei den Ladenschlußzeiten an eine Korridorlösung denken, dann müssen Sie auch daran denken, daß diese irgendwie kontrolliert werden müßte. Jeder Laden hätte ja die Möglichkeit, nach seinem Gusto innerhalb dieser Korridorzeiten zu öffnen. Heißt das, daß Sie vor jeden Laden einen Polizisten stellen wollen, der die Einhaltung der Öffnungszeiten kontrolliert?

(Widerspruch bei der SPD)


Dr. Hansjürgen Doss (CDU):
Rede ID: ID1305500500
Ich bedanke mich ausdrücklich, daß Sie meine Redezeit verlängern und ich Gelegenheit habe, auf dieses etwas schwierige Thema einzugehen. Ihre etwas polemische Frage zeigt mir, daß Sie auch in dieser Frage Ladenschluß emotional engagiert sind. Das sind die meisten, die darüber diskutieren. Wir sollten aber versuchen, das mit kühlem Kopf zu lösen.
Wir haben zwei Ziele. Das eine ist eine höhere Flexibilität. Darüber kann man reden. Das Ladenschlußgesetz war immer ein Kompromiß. Ein Kompromiß macht niemals alle Seiten absolut glücklich. Eine höhere Flexibilität ist u. a. das Ansinnen und Anliegen der F.D.P. Sehr einverstanden! Wir haben auf der anderen Seite die vielen Tausenden Familienbetriebe, die sich nicht einem totalen Zeitwettbewerb ausgesetzt sehen wollen.

(Siegfried Hornung [CDU/CSU]: Sehr gut!)

Auch wir wollen dies nicht. Wir wollen, daß der Einzelhandelsfamilienbetrieb in den Vororten der Städte und im ländlichen Raum nicht einem totalen Zeitwettbewerb ausgesetzt wird.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Weil wir das so wollen, machen wir den Vorschlag mit den 60 Stunden. Das ist ganz einfach praktikabel. Man hängt in die Ladentür ein Schild, auf dem gezeigt ist, von wann bis wann der Laden offen hat. Dann haben wir die beiden Ziele erreicht. Das ist ein Vorschlag, für den ich bisher viel Zustimmung gefunden habe.

(Ulrich Irmer [F.D.P.]: Danke; ich habe viel gelernt!)


Dr. Rita Süssmuth (CDU):
Rede ID: ID1305500600
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Lattmann?

Dr. Hansjürgen Doss (CDU):
Rede ID: ID1305500700
Sehr gern. Besonders gern.

(Ernst Schwanhold [SPD]: Die ist bestellt, Herr Doss?)

- Nein; das hatte ich vergessen!

Herbert Lattmann (CDU):
Rede ID: ID1305500800
Herr Kollege Doss, könnten Sie dem Kollegen Irmer erklären, daß nach dem geltenden Ladenschlußgesetz die dort eingeräumte Zeit bereits jetzt nicht voll ausgenützt wird, daß es also ohne den segensreichen Einsatz unserer Polizei einen Korridor gibt und daß es nur darum geht, diese Regelung in der Zukunft flexibler zu gestalten?

Dr. Hansjürgen Doss (CDU):
Rede ID: ID1305500900
Ich glaube, verehrter Herr Kollege Lattmann, daß diese Frage die Antwort bereits beinhaltet.

(Ernst Schwanhold [SPD]: Auf die Sie selber nie gekommen wären! Insofern kann ich zu meinem Thema zurückkehren. Das, was Sie vorgetragen haben, war wie oft absolut zutreffend. Noch eine Anmerkung zu dem Thema Ausbildungsplätze. Die Sozialdemokraten werden nicht müde, immer wieder eine Lehrstellenabgabe zu fordern. Sie brächte nach meinem Dafürhalten keinen einzigen zusätzlichen Arbeitsplatz. Ich möchte aber da ich seit rund 30 Jahren Ausbildungsplätze in meinem Büro habe darauf hinweisen, daß es einen weiteren Faktor gibt, den wir nicht ausreichend beachten: die Ausbildungsplatzkosten. Wenn Sie im dritten Jahr einen Lehrling haben, der 1 400 DM kostet und weniger als die Hälfte der Zeit im Büro oder im Betrieb ist, dann ist das einem Gehalt von 3 000 DM vergleichbar. Insofern tragen die Tarifparteien eine hohe Verantwortung für Ausbildungsplätze. Es muß den Betrieben finanziell möglich sein, daß sie Herr Doss, gestatten Sie eine letzte Zwischenfrage des Kollegen Urbaniak? Sehr gern. Herr Kollege, ich muß noch einmal auf das Ladenschlußgesetz zurückkommen: Wenn der Korridor, für den Sie sich ausgesprochen haben und der hier kommentiert worden ist, jetzt schon nicht ausgenutzt wird, warum wollen Sie ihn dann überhaupt erweitern? Ist es nicht so, daß bei der Öffnung des Ladenschlußgesetzes nach Ihren Vorstellungen die Großen mit ihrem Kapital und Personaleinsatz besonders gewinnen und der mittelständische Bereich dabei besonders leidet und weitere Konkursfälle angesagt sein können? Ich will Ihnen gerne gestehen, daß ich persönlich einen Sinn im Ladenschlußgesetz sehe. Man kann sich aber Entwicklungen nicht völlig verschließen. Wenn diese Entwicklungen in eine bestimmte Richtung laufen, muß man darauf achten, eine praktikable Lösung zu finden, die möglichst vielen Gesichtspunkten Rechnung trägt. Ich bin mit Ihnen der Meinung das impliziert Ihre Frage -, daß es zu einer Veränderung der Kaufströme kommen kann. Ich vermute, daß es so kommen wird, daß aber eine höhere Flexibilität auch eine bestimmte Erweiterung der Kaufkraftmöglichkeiten beinhaltet. Wir können also nicht völlig ausschließen, daß sich aus einer größeren Flexibilisierung auch positive Aspekte ergeben. Ich möchte aber nicht, daß der Großmarkt auf der grünen Wiese eine junge Dame oder einen jungen Herrn an die Kasse setzt, der von morgens 6 bis abends 20 Uhr kassiert. Da ist der Personalkostenanteil minimal, ganz klar. (Siegfried Hornung [CDU/CSU]: Das kann auch nicht jede Aushilfskraft machen!)


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Dr. Rita Süssmuth (CDU):
Rede ID: ID1305501000
Dr. Hansjürgen Doss (CDU):
Rede ID: ID1305501100
Hans-Eberhard Urbaniak (SPD):
Rede ID: ID1305501200

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Dr. Hansjürgen Doss (CDU):
Rede ID: ID1305501300

(Zuruf von der CDU/CSU: Zweifellos!)

Der Einzelhändler mit seiner Familie oder mit seiner Frau müßte, um ein vergleichbares Öffnungsangebot zu geben, quasi rund um die Uhr im Laden sein. Das wollen wir nicht. Das kann nicht zumutbar sein. Das machen diese Leute auch nicht mit. Beide Vorschläge, eine größere Flexibilität und die Eingrenzung der Öffnungszeiten für den Familienbetrieb, sind die Lösung.
Ich würde mir im übrigen sehr wünschen, daß die Sozialdemokraten in dieser Frage mitberaten und wir gegebenenfalls, wie wir das auch im Wirtschaftsausschuß beraten haben, zu einer gemeinsamen Lösung kommen, insbesondere mit den Kollegen der F.D.P., gar keine Frage, aber auch mit Ihnen von seiten der Sozialdemokraten.
Meine Damen, meine Herren, wir müssen die Unternehmerlücke in Deutschland schließen. Wenn wir dies nicht tun, werden wir keine Arbeitsplätze bekommen. Ich habe an diesem Pult mal von der Mutation des so achtbaren Handwerksgesellen gesprochen, der über Meisterqualifizierung zum Besserverdiener wurde. Das Unternehmerbild in Deutschland bedarf dringend der Reform.
Last, but not least: Heute beschließt das Kabinett das sogenannte Meister-BAföG - ein revolutionärer Schritt in Richtung berufliche Bildung. Herzlichen Glückwunsch, Jürgen Rüttgers! Das ist eine feine Sache. Endlich! Wir haben lange darauf gewartet. Das muß auch entsprechend gewürdigt werden.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der F.D.P. Zuruf von der SPD: Wo ist die Regierung?)

Ihren gestrigen Antrag zum Stillstand in der Mittelstandspolitik sollten Sie zurückziehen. Dieser Antrag verrät ein hohes Maß an Realitätsverlust, und er ist in keinem Satz gerechtfertigt. Es gibt eine ganze Reihe von zutreffenden Feststellungen in diesem Antrag. Das kann man in jedem Handbuch nachlesen. Lösungsvorschläge sind kaum enthalten. Man könnte das Ganze als eine Art Mittelstandslyrik bezeichnen. Wir finden es positiv, daß Sie sich mit dieser Thematik beschäftigen. Da gibt es noch viel zu lernen. Wir wollen Ihnen dabei gerne helfen.
Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P. Ernst Hinsken [CDU/ CSU]: Gute Rede! Dr. Sigrid SkarpelisSperk [SPD]: Nicht so gönnerhaft!)


Dr. Rita Süssmuth (CDU):
Rede ID: ID1305501400
Meine Damen und Herren! Bevor wir zum nächsten Redner kommen, möchte ich Ihnen das Ergebnis der Wahl bekanntgeben. Abgegebene Stimmen: 636, davon gültig: 634. Mit Ja haben gestimmt: 565 Abgeordnete, mit Nein haben gestimmt: 51, Enthaltungen: 18.*)
Herr Joachim Gauck hat die nach § 35 Abs. 2 des Stasi-Unterlagengesetzes erforderliche Mehrheit von mindestens 337 Stimmen erreicht und ist damit zum Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik gewählt.
Meinen herzlichen Glückwunsch an Herrn Gauck und eine gute Weiterführung seines Amtes!

(Beifall bei der CDU/CSU, bei der SPD, beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der F.D.P.)

Jetzt kommen wir zum nächsten Redner, zum Kollegen Schwanhold.

Ernst Schwanhold (SPD):
Rede ID: ID1305501500
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Bundeswirtschaftsminister und auch der Kollege Doss haben die völlige Aufhebung des Ladenschlußgesetzes zu einer der zentralen Fragen der deutschen Wirtschaftspolitik erhoben. Dazu hat der Minister ein umstrittenes, 460 Seiten starkes Gutachten erstellen lassen, laut Kollegen Hinsken ein „Gefälligkeitsgutachten".
Angesichts der Verschiebung der internationalen Wettbewerbsbedingungen, angesichts der Technologie- und Innovationslücke in der deutschen Wirtschaft, angesichts der Arbeitslosigkeit - es fehlen
*) Liste der Teilnehmer an der Wahl siehe Anlage 2

Ernst Schwanhold
weit mehr als fünf Millionen Vollzeitarbeitsplätze -, angesichts der immer weitergehenden Entindustrialisierung Ostdeutschlands kann man nur sagen: Wer die Frage der Ladenschlußzeiten zum zentralen Punkt der Auseinandersetzung erhebt, muß, wie wir Norddeutschen sagen, mit dem Klammerbeutel gepudert sein.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der PDS)

Ich komme später darauf zurück.
Die mittelständischen Unternehmen sind - das ist in vielen Sonntagsreden bekundet worden, die aber überhaupt nicht der realen Politik entsprechen - das Rückgrat und das Fundament unserer Wirtschaft. Diese dürfen wir bei allen notwendigen Bemühungen, den deutschen Großunternehmen im Wettbewerb zu helfen, nicht vergessen. Der Humusboden, auf dem unser Wohlstand, unser soziales Netz, die Leistungsstärke unserer Volkswirtschaft gedeihen, sind die mehr als zwei Millionen mittelständischen Unternehmen in Industrie, Handwerk, Handel, Dienstleistungsgewerbe und Selbständigen in den freien Berufen.

(Zustimmung bei der SPD)

Diese stellen rund 60 % der Arbeitsplätze und tragen mit 50 % zur Wertschöpfung aller Unternehmen bei. Ohne leistungsfähige mittelständische Zulieferer wären auch die deutschen Großunternehmen im internationalen Wettbewerb längst nicht so weit, wie sie jetzt teilweise wieder sind.

(Beifall bei der SPD)

Und obwohl noch mehr als 10 000 Ausbildungsplätze fehlen, muß auch an dieser Stelle der mittelständischen Wirtschaft für ihre großartige Ausbildungsleistung gedankt werden.

(Siegfried Hornung [CDU/CSU]: So, das ist recht!)

Sie stellt immerhin 80 % der Ausbildungsplätze. Nicht hinnehmen können wir allerdings, daß sich gute Teile der Großindustrie aus der beruflichen Ausbildung völlig zurückgezogen haben

(Siegfried Hornung [CDU/CSU]: Obwohl die Gewerkschaften da mitbestimmend sind!)

und sich ihrerseits durch Abwerbung gut ausgebildeter Fachkräfte schamlos an den Ausbildungsleistungen der mittelständischen Industrie bereichern.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN Hansjürgen Doss [CDU/CSU]: Das sind die mitbestimmten Betriebe!)

Da wir aber über Rahmenbedingungen sprechen wollen, will ich Ihnen einige Eckpunkte sozialdemokratischer Wirtschaftspolitik deutlich machen.

(Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Jetzt bin ich neugierig!)

- Das ist gut, das sollten Sie auch sein, Herr Hinsken.

(Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Sie müssen zuhören, Herr Hinsken!)

Erstens. Wir wollen die soziale Marktwirtschaft stabilisieren und fortentwickeln. Wir Sozialdemokraten wollen - genau hier liegt der Unterschied zu Ihnen von CDU/CSU und F.D.P. - eine Marktwirtschaft auf sozialem und ökologischem Fundament.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Wir wollen eine starke soziale und ökologische Komponente. Wir wollen den Einklang von Ökonomie, Ökologie und sozialer Verantwortung in die Tat umsetzen und den Unternehmen, die diesen Weg gehen, helfen.

(Beifall bei der SPD)

Genau dies wollen auch die Unternehmerinnen und Unternehmer der mittelständischen Wirtschaft. Sie kennen nämlich im Gegensatz zu Ihnen noch die Probleme ihrer Beschäftigten.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Wenn Sie von der Koalition vom Umbau des Sozialstaats reden, meinen Sie in Wirklichkeit Abbau. Wenn Sie von Effizienz reden, bereiten Sie in Wahrheit einen Kahlschlag vor.

(Siegfried Hornung [CDU/CSU]: Jetzt reden Sie an der Tatsache vorbei!)

Wir sollten mit dem Stabilitätsfaktor soziale Sicherheit nicht so sorglos umgehen, wie Sie damit umgehen.

(Beifall bei der SPD Hansjürgen Doss [CDU/CSU]: Leider nur Allgemeinplätze!)

Die mittelständischen Unternehmen wissen sehr wohl zu schätzen, was soziale Stabilität heißt.
Wir wollen mehr Effizienz, mehr unternehmerischen Freiraum, mehr Flexibilität und zugleich die Grundrechte der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie den Sozialstaat schützen. Wir wollen den Wirtschaftsstandort Deutschland stärken und zugleich den ökologischen Umbau voranbringen und damit neue Zukunftschancen gewinnen.
Zweitens. Wir bekennen uns zum Strukturwandel in der Wirtschaft, der auch in der Marktwirtschaft notwendig ist, zu neuen Technologien und zur Modernisierung der Wirtschaft, Gesellschaft und Verwaltung.

(Siegfried Hornung [CDU/CSU]: Sie verhindern doch alles!)

Auch hier gibt es klare Unterschiede zwischen sozialdemokratischer Wirtschaftspolitik und der von Ihnen konzipierten.

(Zuruf von der CDU/CSU: Das ist allerdings wahr!)


Ernst Schwanhold
Wir wollen eben nicht wie Sie und manche Ihrer Strategen mit der Axt in gewachsene Strukturen hineinhauen, sondern wir wollen die Risiken und Rückwirkungen neuer Technologien in einem gesellschaftlichen Dialog diskutieren und auch offenlegen.

(Beifall bei der SPD)

Man muß schon einen Weg suchen und finden zwischen blinder Technologie und Technikgläubigkeit und unverantwortlicher Scheu vor neuen Technologien. Aber wir müssen den Menschen auch die Ängste dabei nehmen.

(Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Sie schüren doch die Ängste!)

Wir sind deswegen nicht strukturkonservativ, sondern wir sind überzeugt von der Notwendigkeit eines offenen und auch strittigen gesellschaftlichen Dialogs. Nur im Dialog können wir Widerstände überwinden und können die notwendigen Grenzen gezogen werden. Dazu gehört zum Abschluß eines Dialogs auch die Bereitschaft, Risiko zu tragen. Nur durch diese Form der Annäherung gelingt es, moderne Technologien und Industrien bei uns zu etablieren und dauerhaft zu sichern.
Sie allerdings, meine Damen und Herren von der CDU/CSU, sind die wahren Strukturkonservativen, wenn es um Ihre Interessen und die Interessen Ihrer Klientel geht. Wie anders ist denn zu erklären, daß die Reform der Landwirtschaftspolitik bei uns und vor allem in Europa noch keinen Millimeter weitergekommen ist?

(Beifall bei der SPD)

Drittens. Wir bekennen uns zum Grundsatz, daß erst erwirtschaftet werden muß, was verteilt wird.

(Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Sehr gut!)

- Schauen Sie sich einmal die Schulden an, die in den letzten 12 Jahren aufgelaufen sind, die Ihr Schuldenminister Waigel angehäuft hat.

(Beifall bei der SPD)

Der Unterschied zwischen Ihnen von der Koalition und uns liegt auch hier nicht im Grundsatz, sondern in einem ganz wichtigen Detail, nämlich wie verteilt wird und unter welchen Bedingungen das zu Verteilende erwirtschaftet wird.
Sie haben in Ihrer 13jährigen Regierungszeit eine Politik des Verteilens von unten nach oben vorgenommen. Seit langem war der Anteil der Arbeitnehmeraufkommen am Volkseinkommen nicht so niedrig wie zur Zeit. Am Ende der Regierung von Helmut Schmidt war er bei fast 77 %. Heute liegt er knapp über 70 %, also 7 % Differenz.
Sie haben einen Kahlschlag bei allen vermögenspolitischen Maßnahmen betrieben. Bis heute haben Sie keine Vorschläge für mehr Arbeitnehmerbeteiligung am Produktivvermögen vorgelegt. Wir haben Ihnen dazu in der letzten Legislaturperiode schon einen Antrag vorgelegt, den Sie abgelehnt haben. Hier Fortschritte zu erzielen wäre übrigens auch im Sinne der mittelständischen Wirtschaft und würde die Investitionskraft der mittelständischen Wirtschaft stärken.
Auch in der Steuerpolitik haben Sie von der Koalition kräftig dafür gesorgt, daß von unten nach oben umverteilt worden ist. Das Bundesverfassungsgericht hat Sie doch erst kürzlich zur Ordnung gerufen und dafür gesorgt, daß die unteren Einkommen wieder von der Steuer entlastet werden. Was ist das denn anderes? Beim Solidaritätszuschlag waren wir es, die dafür plädiert haben, die unteren Einkommen freizustellen, während Sie dort wieder kräftig zugelangt haben.
Daß der private Konsum als Konjunkturmotor jetzt fehlt, ist auch zum Schaden der mittelständischen Unternehmen, ist das Resultat Ihrer Umverteilungspolitik und sonst überhaupt nichts.

(Beifall bei der SPD)

Viertens. Wir bekennen uns zur notwendigen Flexibilisierung in Wirtschaft und Gesellschaft. Die Globalisierung der Märkte und die Internationalisierung der Unternehmen zwingen uns dazu, daß auch bei uns effizientere und flexiblere Strukturen geschaffen werden.
Ohne Zweifel müssen dabei Maschinenlaufzeiten länger sein können.

(Siegfried Hornung [CDU/CSU]: An jedem Platz eine andere Rede! Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Es dauert zwar etwas, aber es kommt doch noch bei Ihnen!)

- Nun warten Sie doch einmal ab! Bleiben Sie doch ruhig! - Ohne Zweifel müssen wir bei Arbeitszeit und Arbeitseinsatz flexibler sein als in der Vergangenheit. Ich meine, daß die jüngsten Tarifabschlüsse in der Automobilindustrie in dieser Hinsicht richtungsweisend gewesen sind. Von übrigens über 40 000 Tarifverträgen - das sollten Sie sich einmal anschauen - schließt nur ein einziger Samstagsarbeit aus. Nur bei ganz wenigen ist zwingend die Zustimmung der Betriebsräte erforderlich. Alle anderen erlauben dieses heute schon. Die Wahrheit ist nämlich, daß die Samstagsarbeit im letzten Jahr um 5 % zurückgegangen ist. Sie bauen hier eine Scheindebatte auf, die Abbau von sozialen Rechten und Lohnanteilen zur Folge haben soll. Das werden wir nicht mitmachen.

(Beifall bei der SPD)

Ich komme jetzt noch einmal auf den Ladenschluß im Zusammenhang mit Flexibilität zurück. Dazu müßten Sie schon einige Fragen beantworten, Herr Wirtschaftsminister.
Erstens. Welche Maßnahmen ergreifen Sie, um zu verhindern, daß der bedrohliche Konzentrationsprozeß noch weiter fortschreitet oder gar beschleunigt wird?
Zweitens. Wie wollen Sie verhindern, daß durch höhere Flexibilität noch mehr heutige Vollzeitar-

Ernst Schwanhold
beitsplätze durch sozialversicherungsfreie ungeschützte Arbeitsverhältnisse ersetzt werden?

(Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Das wird er nicht verhindern!)

Drittens. Welche Maßnahmen ergreifen Sie, um ungeschützte Arbeitsverhältnisse zu geschützten, sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnissen zu machen?
Viertens. Was wollen Sie tun, um den mittelständischen Einzelhandel in den Innenstädten und in den Dörfern zu stärken und nicht durch längere Öffnungszeiten den großflächigen Einzelhandel auf der grünen Wiese zu unterstützen? Diese und andere Fragen sind zunächst zu beantworten.
Und dann, Herr Rexrodt, sollten Sie nicht so tun, als ob Sie beim Problem der Ladenschlußzeiten einen Erfolg erzielen könnten. Schauen Sie sich die Diskussion in der CDU, in der CSU, die Stellungnahmen des DIHT, des Hauptverbandes des Deutschen Einzelhandels und von HBV und DAG an, und dann wissen Sie, wo man Ihnen Widerstand entgegensetzt. Diesen Widerstand müssen Sie erst einmal überwinden, wenn Sie vollmundig ankündigen, Sie würden hinsichtlich der Ladenschlußzeiten etwas tun.

(Beifall bei der SPD)


Dr. Rita Süssmuth (CDU):
Rede ID: ID1305501600
Herr Schwanhold, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Hinsken?

Ernst Schwanhold (SPD):
Rede ID: ID1305501700
Ich möchte gern darauf verzichten. Herr Hinsken, wir können uns an anderer Stelle darüber auseinandersetzen.

(Siegfried Hornung [CDU/CSU]: Jetzt kneift er! Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

- Ich bitte Herrn Hinsken, seine Zwischenfrage zu stellen.

Ernst Hinsken (CSU):
Rede ID: ID1305501800
Herr Kollege Schwanhold, wie erklären Sie sich, daß der Fraktionsvorsitzende der SPD, Herr Scharping, jüngst lautstark nach einer Flexibilisierung der Ladenschlußzeiten gerufen hat, und haben Sie mit ihm schon einmal über die von Ihnen eben gestellten Fragen gesprochen?

Ernst Schwanhold (SPD):
Rede ID: ID1305501900
Herr Hinsken, ich gebe Ihnen jetzt die Antwort genau aus meinem Manuskript, und ich bitte Sie, so lange stehenzubleiben, wie die Passage dauert, weil ich dadurch Zeit gewinne.

(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der SPD und der PDS)

Den Arbeitnehmern müssen wir sagen: Wir wollen keine ungeschützten, keine sozialversicherungsfreien Arbeitsverhältnisse mehr; wir werden sie abschaffen. Dem mittelständischen Einzelhandel müssen wir sagen: Wir wollen nur einen Korridor für mehr Flexibilität, und wir wollen vor allem den mittelständischen Einzelhandel in den Innenstädten schützen. In diesem Sinne müssen wir uns um einen Konsens bemühen. Wir sind bereit, ihn mitzugehen und mitzugestalten, damit Arbeitnehmerinteressen nicht auf der Strecke bleiben.

(Beifall bei der SPD)

Das war der vorgesehene Text. Dies ist genau die Bestätigung dessen, was der Vorsitzende der SPD-Fraktion schon seit Wochen dazu sagt.
Fünftens. Wir bekennen uns dazu, den Wirtschaftsstandort Deutschland zu sichern und auch die Standortbedingungen für die mittelständische Wirtschaft zu verbessern.

(Siegfried Hornung [CDU/CSU]: Nachdem die Firmen ausgewandert sind!)

Hierzu gehört ohne Zweifel eine Reform der Unternehmensbesteuerung; hierzu gehört ohne Zweifel auch eine Senkung der Lohnnebenkosten; hierzu gehört aber zuallererst eine Offensive in Innovation, in neue Produkte und Produktionsverfahren, in mehr und bessere Bildung und Ausbildung. Anders als die mittelständische Wirtschaft denken Sie immer nur in Kapitalkategorien, anstatt in Menschen und deren Erfindungsreichtum, Kreativität und Bildung zu investieren.

(Beifall bei der SPD Zuruf von der CDU/ CSU)

Ich will Ihnen eines sagen, sehr verehrter Herr Kollege, der Sie dazwischenrufen: „Jetzt kommen Sie damit!": Seit viereinhalb Jahren hat in diesem Haus keine Mittelstandsdebatte mehr stattgefunden, weil die Regierung das nicht als notwendig erachtet. Wir haben Ihnen eine Große Anfrage vorgelegt und Sie so dazu gezwungen, diese Mittelstandsdebatte hier zu führen.

(Beifall bei der SPD)

Sie fahren den Technologiehaushalt permanent zurück. Das Studenten-BAföG haben Sie nur unter großem Druck auch von uns aufgestockt. Die von Ihnen geplante drastische Erhöhung der Patentgebühren konnten wir noch verhindern. Die von Ihnen hingenommene Zerschlagung der ostdeutschen Forschungslandschaft haben auch wir allerdings leider nicht verhindern können. Nun planen Sie mit allerhand Haushaltstricks im Einzelplan des Wirtschaftsministeriums wieder eine Kürzung der Forschungshilfen für die neuen Bundesländer. Ihre Anschläge auf die Forschungslandschaft in Deutschland sind jedenfalls alles andere als ein schlüssiges Konzept für den Wirtschaftsstandort Deutschland und insbesondere für Ostdeutschland.

(Beifall bei der SPD)


Dr. Rita Süssmuth (CDU):
Rede ID: ID1305502000
Herr Schwanhold, gestatten Sie noch eine Zwischenfrage des Kollegen Michelbach?

Ernst Schwanhold (SPD):
Rede ID: ID1305502100
Aber gerne.


Hans Michelbach (CSU):
Rede ID: ID1305502200
Herr Kollege Schwanhold, Sie zeigen in Ihrer Rede geradezu ein Horrorszenario des Mittelstandes auf.

(Ernst Schwanhold [SPD]: Nein, gar nicht! Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Der Politik!)

Sie sagen, bei uns sei ein Stillstand in der Mittelstandspolitik eingetreten. Ist es richtig, Herr Schwanhold, daß Sie in der SPD-Fraktion nicht einen einzigen selbständigen Unternehmer aus dem Mittelstand haben? Wie wollen Sie dann überhaupt die Wirtschafts- und Mittelstandspolitik kennen oder gar gestalten? Ist Ihnen bekannt, daß 80 % der Mittelständler bei der letzten Bundestagswahl sicherlich berechtigt CDU/CSU gewählt haben?

(Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Und F.D.P.!)


Ernst Schwanhold (SPD):
Rede ID: ID1305502300
Lieber Herr Kollege, vielleicht bleiben Sie so lange stehen; die Antwort dauert ein bißchen länger, und darauf freue ich mich schon.
Erstens. Ich finde es schon ziemlich dreist, daß Sie sich hier hinstellen und so eine Frage stellen, ohne sich die Biographie des Redenden anzuschauen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der PDS)

Ich komme nämlich aus einem mittelständischen Unternehmen, wo ich in ausreichendem Maße Verantwortung getragen habe. Ich habe mich sehr intensiv darum bemüht.

(Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Der konnte halt nicht wissen, daß ein selbständiger Unternehmer so daherreden kann!)

Zweitens. Wenn ich das richtig sehe, gibt es in der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands mehr Selbständige, als die F.D.P. Mitglieder hat.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der PDS Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Er hat vom Bundestag gesprochen!)

Drittens. Sie sollten sich die Mühe machen - wenn Sie schon sonst nichts zu tun haben; Sie hören noch nicht einmal zu -, den „Kürschner" zu lesen und sich die Biographien der Kollegen der SPD anzusehen. Da werden Sie z. B. Handwerksmeister, Menschen wie mich, Rechtsanwälte, eine ganze Menge Freiberufler finden. Also: Machen Sie zuerst Ihre Hausaufgaben.
Viertens. Ich habe kein Horrorszenario des Mittelstandes gezeichnet, sondern der Mittelstandspolitik. Das ist etwas anderes. Dafür sind Sie verantwortlich.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)


Dr. Rita Süssmuth (CDU):
Rede ID: ID1305502400
Herr Schwanhold, es gibt eine weitere Zwischenfrage des Kollegen Urbaniak.

Ernst Schwanhold (SPD):
Rede ID: ID1305502500
Gerne.

Hans-Eberhard Urbaniak (SPD):
Rede ID: ID1305502600
Herr Kollege Schwanhold, es ist klar, wie die Mittelstandspolitik der Bundesregierung zu beurteilen ist und welche Strategie sie verfolgt: Sie will mit dem Ladenschlußgesetz wohl einen Rundumschlag machen. Er wird aber nichts bringen.
Können Sie mir vor dem Hintergrund der Politik dieser Bundesregierung einmal erklären, warum wir so viele Konkurse, und zwar mit steigender Tendenz, haben und warum diese besonders den mittelständischen Bereich und den Bereich der Familienbetriebe treffen?

Ernst Schwanhold (SPD):
Rede ID: ID1305502700
Herr Kollege Urbaniak, ich nehme diese Frage gerne auf.

(Siegfried Hornung [CDU/CSU]: Die können Sie sehr kurz beantworten!)

Sie kommt in meinem Konzept auch noch vor. Wir haben im vergangenen Jahr deutlich über 20 000 Konkurse von Unternehmen gehabt. Auch für dieses Jahr zeichnet sich ab, daß wir wieder weit über 20 000 Konkurse haben werden.
Diese Konkurse sind auf unterschiedliche Ursachen zurückzuführen. Nach meiner festen Überzeugung sind sie auch darauf zurückzuführen, daß von seiten der Bundesregierung nichts unternommen worden ist, um erstens den Strukturwandel zu schaffen, um zweitens Kapital zu organisieren, damit sich Wachstumsunternehmen - in Ostdeutschland sind es ganz häufig solche - am Kapitalmarkt bedienen können, um wachsende Aufträge abzuwickeln und sie auch zu finanzieren. Es ist ein wichtiger Punkt, Risikokapital, Finanzierung und Zugang zum Kapitalmarkt nicht auf Kreditbasis, sondern auf der Basis privaten Vermögens zu aktivieren.

(Beifall bei der SPD Siegfried Hornung [CDU/CSU]: Dann müssen Sie erst zustimmen, daß wir die Gewerbekapitalsteuer abschaffen!)

Ich möchte jetzt gern in meinem Konzept fortfahren und darauf hinweisen, daß sich der Technologierat beim Bundeskanzler nur sehr wenig mit den wirklich anstehenden Fragen beschäftigt. Das ist eine Schauveranstaltung und hat überhaupt nichts mit dem zu tun, was meine Kollegen, die das gefordert haben, in der vergangenen Periode initiieren wollten.
Der Dialog der Bundesregierung mit der mittelständischen Wirtschaft, die sogenannte Kanzlerrunde, wurde uns von seiten mittelständischer Verbandsvertreter und mittelständischer Unternehmen so charakterisiert: der Bundeskanzler, ein paar Minister, ein paar Gewerkschafter, Herr Späth als Vertreter des Mittelstandes - sonst saß da nur die Industrie herum.
Was soll ein solcher Dialog eigentlich? Mittelstandsgespräche machen nur dann Sinn, wenn die mittelständische Wirtschaft maßgeblich daran beteiligt wird.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Ernst Schwanhold
Sozialdemokraten haben im Bundesrat bei der Debatte zum Standortsicherungsgesetz gezeigt, daß wir bereit sind, die Investitionsbedingungen in Deutschland zu verbessern. Wir waren es doch, die eine Verschlechterung der Abschreibungsbedingungen, die Sie wollten, verhindert haben.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Auch sind wir bereit, über die Gewerbekapitalsteuer mit uns reden zu lassen. Legen Sie uns aber bitte vorher zuerst einmal ein Konzept zur dauerhaften Sicherung der Gemeindefinanzierung vor, das auch den grundgesetzlichen Anspruch der Autonomie der Gemeinden bewahrt. Das ist die Aufgabe, die Sie bisher nicht erfüllen konnten.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Die Ausplünderung der Kommunen hat dazu geführt, daß im kommunalen Bereich keine Aufträge mehr vergeben werden können. Dies trifft die Bauwirtschaft ins Mark und wird sich mittelfristig zu einem Konjunkturrisiko ersten Grades ausweiten. Das hat damit zu tun, daß die Kommunen durch Sie als Gesetzgeber und Mehrheit immer mehr belastet worden sind und daß kein kommunaler Finanzausgleich vorgenommen worden ist.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN Zuruf des Abg. Herbert Lattmann [CDU/ CSU])

Zum Thema Lohnnebenkosten, Herr Lattmann, ist Ihnen bisher auch nichts eingefallen, außer in das soziale Netz hineinzuschlagen. Wir haben dagegen ein Konzept zur Senkung der Lohnnebenkosten vorgelegt, wie im Rahmen einer ökologischen Steuerreform Arbeit entlastet sowie Energie- und Ressourceneinsatz belastet werden kann.
Das volle Rückgabemodell entlastet den beschäftigungsintensiven Teil der Industrie und insbesondere den Mittelstand. Nicht die Höhe der Senkung ist entscheidend, sondern die Trendwende bei den Lohnnebenkosten ist das entscheidende Signal.

(Beifall bei der SPD)

Wie weit Sie sich, meine Damen und Herren von der Regierung, von den Interessen des Mittelstandes verabschiedet haben, kann exemplarisch dargelegt werden am Kreislaufwirtschafts- und Abfallbeseitigungsgesetz. In diesem Bereich hatte sich eine mittelständische Wirtschaft aufgebaut, die verantwortungsbewußt mit Abfallstoffen umgehen kann. Durch falsche Weichenstellung in der Gesetzgebung ist dieser mittelständische Wirtschaftszweig Begierde der Energieversorgungsunternehmen geworden, die wie Raubfische im Gartenteich die kleinen Friedfische aufgefressen haben.
Mittelstandspolitisch ist dies zu beklagen, unter Umweltaspekten ist das ebenfalls zu beklagen, da Wiederverwertungsstrategien, Demontage und ökologisch sensible Verwertung von Reststoffen in kleinen Wirtschaftskreisläufen besser vollzogen werden können als in Großtechnologien.
Deshalb müssen Sie erst wieder lernen zu fragen, welche Auswirkungen Gesetzgebung auf den Erhalt und den Ausbau des Mittelstandes hat und welche Gesetzgebung objektiv Großstrukturen in die Hände spielt. Also die Frage am Anfang, was bedeutet es für den Mittelstand, ist bei den Gesetzgebungsverfahren bei Ihnen durchgängig nicht mehr erkennbar. Darum können Sie die Interessen des Mittelstandes auch nicht wahrnehmen.

(Beifall bei der SPD)

Wir diskutieren heute auch über die Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage „Möglichkeiten zur Förderung einer Existenzgründungsbewegung". Es ist schon bemerkenswert, wie eine Regierung die Konfusion im eigenen Haus in e in e r Antwort so deutlich darstellen kann.
Als große Schwierigkeit bei der Beschaffung von Risikokapital stellt die Bundesregierung den Gesetzentwurf der SPD-Bundestagsfraktion dar, obwohl der in den Ausschüssen noch nicht einmal abschließend beraten worden ist. Dieser Gesetzentwurf läßt aber gerade die Bereiche Joint venture, Sanierungsfälle und Risikofinanzierung mit Ausnahmen zu. Die Bundesregierung kennt noch nicht einmal die tatsächliche Lage, zu der sie antwortet, und sie malt sich die Wirklichkeit rot-rosig.

(Dr. Gisela Babel [F.D.P.]: „Rot" ja!)

- Rosig! - Wenn Ihnen weiter nichts Mangelhaftes an meiner Rede auffällt, dann dürfen Sie sich gerne daran freuen.
Noch immer ist es in Deutschland leichter, mit einem schlechten Grundstück einen Kredit zu bekommen als mit einer guten Geschäftsidee und dazugehörenden Märkten.

(Beifall bei der SPD)

Ein anderes Beispiel trauriger Konzeptlosigkeit wird bei der Frage nach den Genehmigungen und den bürokratischen Hemmnissen geliefert. Die Bundesregierung sagt, wegen der Gewerbefreiheit sei keine Genehmigung einzuholen, es sei also jede Existenzgründung möglich. Einige Seiten weiter stellt sie das Problem völlig anders dar. Dort beklagt sie mannigfache Hemmnisse durch die diversen Genehmigungsverfahren.
Stellen Sie sich einmal vor, Bill Gates hätte in einer Garage in München angefangen. Er hätte in München überhaupt nicht anfangen können, weil die Garage, in der er gearbeitet hätte, kein Fenster hat. Fenster aber werden vom Arbeitsschutz verlangt. Garagen haben aber in Deutschland keine Fenster, das verlangt der Brandschutz.
Ich will das Beispiel von der Toilette, die schon bei zwei Angestellten unterschiedlichen Geschlechts für Männer und Frauen getrennt bereitgehalten werden muß, gar nicht ausweiten. Ich will auch nicht die rechtlichen Bestimmungen beim Wasserhaushaltsgesetz, beim Immissionsschutzgesetz, beim Umgang auch mit kleinen und kleinsten Mengen von Gefahrstoffen ausführen. Die Aufzählung ließe sich beliebig lang fortsetzen.

Ernst Schwanhold
Gates hätte schon im ersten Jahr entnervt aufgegeben, weil er Statistiken für die IHK aufstellen müßte, IHK-Beiträge zahlen, Beitrittsformulare ausfüllen müßte. Und er hätte Statistiken für das Statistische Bundesamt ausfüllen müssen.
Dies alles sind fixe Kosten, bei denen wir sehr genau hinzuschauen haben, ob wir darauf verzichten können, damit das Wirtschaften auch im Bereich des Mittelstandes sowohl für das Unternehmen als auch für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wieder lohnender wird.

(Beifall bei der SPD)

Nein, wer Fragen nach der Befreiung von bürokratischen Hemmnissen im Mittelstand so beantwortet, wie Sie sie beantwortet haben, ist unfähig, die vorhandenen Hemmnisse zu beseitigen, weil er sie noch nicht einmal erkennt und überhaupt nicht weiß, was sich im Mittelstand abspielt.

(Beifall bei der SPD)

Aus den Antworten auf die Große Anfrage haben wir einen Antrag entwickelt, der heute dem Haus vorliegt. Dieser Antrag ist von dem Grundtenor bestimmt, daß die Freiräume für die wirtschaftliche Betätigung erweitert werden müssen, ohne die Standards nach dem öffentlichen Interesse abzusenken. Wir haben dabei immer dafür zu sorgen, daß die meritorischen Güter höher bewertet werden als die individuellen Interessen. Daraus folgt, daß die Stellung, die Leistungskraft und die Wettbewerbsfähigkeit der kleinen und mittleren Unternehmen in den von mir genannten Bereichen gestärkt und gesichert werden müssen.
Erstens. Arbeits- und Ausbildungsplätze in der mittelständischen Wirtschaft sind nicht nur zu sichern, sondern zu vermehren. Dazu braucht die mittelständische Wirtschaft allerdings Hilfestellung.
Zweitens. Die Möglichkeiten zur Anpassung an den wirtschaftlichen und technologischen Prozeß sind zu verbessern. Zu Forschungsfragen habe ich ausführlich Stellung bezogen.

(Siegfried Hornung [CDU/CSU]: Sie sind doch forschungsfeindlich!)

Drittens. Die Voraussetzungen zur Bildung und Zuführung des notwendigen Eigenkapitals, insbesondere Risikokapitals, sind für die mittelständische Wirtschaft zu verbessern. Dabei geht es nicht in erster Linie darum, mit öffentlichen Mitteln Risikokapitalfonds auszustatten, sondern darum, privates Kapital in diese Anlageform zu locken.
Viertens. Die Gründung, Übernahme, Fortführung und der Ausbau von Unternehmen der mittelständischen Wirtschaft sind zu fördern und zu erleichtern. Dies gilt auch für Kooperationsmöglichkeiten.
Fünftens. Die Wettbewerbsfähigkeit der mittelständischen Wirtschaft, insbesondere die Chancen auf den Weltmärkten, sind zu stärken und zu fördern.
Die mittelständische Wirtschaft kann sich nicht aus eigener Kraft auf den Zukunftsmärkten bewegen, obwohl sie interessante Produkte zu bieten hat. Hier muß der Zugang durch Stärkung der Außenhandelskammern und durch Unterstützung bei der Präsentation auf Auslandsmessen gewährt und verbessert werden.
Es ist schon nicht zu verstehen, daß sich Länder in unterschiedlichen Regionen engagieren und Häuser der deutschen Wirtschaft finanzieren und die Bundesregierung nicht in der Lage ist, ein abgestimmtes Konzept für die vielen Regionen vorzulegen, obwohl sie Lateinamerika- und Asienoffensiven ankündigt und nichts tut: Worte, Worte, keine Taten.

(Beifall bei der SPD)

Wir werden die Beschäftigungsprobleme in der Bundesrepublik nicht ausschließlich mit Großunternehmen lösen; die mittelständische Wirtschaft hat in den letzten Jahren den Beweis dafür angetreten, daß sie allein in den letzten Jahren beschäftigungsintensiv gewachsen ist. Daß dabei die Zusammenarbeit zwischen mittelständischer Wirtschaft und der Großindustrie notwendig und richtig ist, ist selbstverständlich. Sie zu organisieren und den Rahmen dafür zu setzen ist Aufgabe des Staates.
Das bewirkt auch eine intelligente Industriepolitik, aber dieses Wort nehmen Sie ja aus ideologischen Sperren nicht in den Mund. Wie anders als mit Industriepolitik wäre der Strukturumbruch in NRW von Kohle und Stahl zu einem Technologieland möglich gewesen? Schauen Sie sich an, was Ihr Kollege Fischer in Niedersachsen in einzelnen Regionen gemacht hat, davon können Sie lernen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Sie, Herr Rexrodt, haben von den im Jahreswirtschaftsbericht angekündigten Zielen drei fundamentale Ziele nicht erreicht. Sie haben die Arbeitslosigkeit nicht geschmälert, im Gegenteil, Sie haben die Zahl der Erwerbstätigen nicht steigern können, Sie haben Ihr prognostiziertes Wirtschaftswachstum nicht erreicht und werden es in Ihrer Wachstumsprognose auf etwas über 2 % reduzieren müssen. Ich frage mich,

(Siegfried Hornung [CDU/CSU]: Nullwachstum und Minuswachstum bei Ihnen!)

ob das am 24. Oktober geschehen muß. Oder haben Sie das Herbstgutachten für den 24. Oktober bestellt, weil am 22. Oktober in Berlin Wahlen sind?

Dr. Rita Süssmuth (CDU):
Rede ID: ID1305502800
Sie müssen zum Schluß kommen.

Ernst Schwanhold (SPD):
Rede ID: ID1305502900
Ich weiß, herzlichen Dank, Frau Präsidentin. Wenn Sie gestatten, noch zwei Sätze.
Sie haben Ihre Prognose bei der Preisstabilität fast erreicht. Eines jedoch haben Sie erreicht: Die Gewinne aus Unternehmenstätigkeit sind übertroffen worden. Das ist eine schlechte Ausgangslage zu einem Zeitpunkt, an dem die mittelständische Wirtschaft Stärkung durch Belebung der Binnennachfrage benötigte, an dem sie Zeichen der Stabilisierung für die Zukunft benötigte und an dem sie Rah-

Ernst Schwanhold
mensetzungen benötigte, die das zukünftige Wirtschaften absichern, und in der das Signal wichtig gewesen wäre, daß die Lohnnebenkosten gesenkt und die Entbürokratisierung vorangetrieben würden.
Es lohnt sich für mich als jemand, der lange in einem mittelständischen Unternehmen verantwortlich tätig war, in Ideen, in den Betrieb und in die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu investieren. Diese Rahmensetzungen werden wir von Ihnen fordern, damit es sich endlich wieder lohnt, in der mittelständischen Wirtschaft aktiv zu werden, damit es dort bergauf geht.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der PDS)


Dr. Rita Süssmuth (CDU):
Rede ID: ID1305503000
Das Wort hat jetzt die Kollegin Simone Probst.

Simone Probst (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1305503100
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Drei Millionen Unternehmen gibt es in der Bundesrepublik. Davon sind 99,28 % - das stellt man fest, wenn man es einmal genau ausrechnet - kleine und mittlere Unternehmen. Sie erwirtschaften knapp die Hälfte aller steuerpflichtigen Umsätze und beschäftigen zwei Drittel aller Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.

(Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Das stimmt sogar!)

- Wir sind gut informiert. Sie brauchen sich nicht zu wundern.
Die Ausbildungsplatzmisere wurde schon angesprochen. Ich möchte betonen, daß 80 % aller Lehrlinge, d. h. mehr als drei Viertel, in mittelständischen Unternehmen ausgebildet werden.

(Siegfried Hornung [CDU/CSU]: So war das schon immer!)

Wir wollen eine umwelt- und sozialverträgliche Wirtschaftsentwicklung. Dabei spielt ein starker Mittelstand eine entscheidende Rolle. Es steht uns ein tiefgreifender wirtschafts- und arbeitsmarktpolitischer Strukturwandel bevor. Die kleinen und mittleren Unternehmen können als allererste durch ihre Flexibilität und ihre regionale Nähe zu den spezifischen Arbeitsmarktstrukturen und Märkten diesen Strukturwandel voranbringen. Deshalb muß sich die Politik endlich darauf einstellen, diese Stärken zu unterstützen, aber nicht allein mit hehren Worten, sondern mit ganz konkreten Initiativen.
Es kann hierbei nicht um Einzelförderung und um Flickschusterei gehen. Das inzwischen geflügelte Wort des nichtdurchschaubaren Förderungsdschungels ist ja nicht aus der Luft gegriffen. Dieser Wust von Förderungen benachteiligt eben gerade diejenigen Unternehmen, die einen kleinen Verwaltungsapparat haben, in ganz besonderem Maße.
Die Fördermaßnahmen müssen gebündelt und endlich transparent gemacht werden und an das Prinzip einer wirklich zukunftsfähigen Entwicklung
angepaßt werden. Fördern Sie doch Unternehmen, die neue Märkte für Umwelttechnologien und die Informationsgesellschaft erschließen, Unternehmen, die umweltverträgliche Produkte herstellen, die Dienstleistungen anbieten, die den Stoff- und Energiedurchsatz reduzieren, und nehmen Sie endlich Abschied von Ihrem anscheinend geliebten Gießkannenprinzip.
Das Büro für Technikfolgenabschätzung beim Deutschen Bundestag bescheinigt beispielsweise in seiner Studie den neuen Werkstoffen hohe Marktpotentiale und eine erhebliche Attraktivität für unternehmerische Tätigkeit. Wenn aber nicht endlich Strukturen geschaffen werden, die eine schnelle Umsetzung von neuen Forschungsergebnissen auch für kleinere und mittlere Unternehmen ermöglichen, wird hier eine große Chance verspielt. Neue Werkstoffe haben oft so spezifische Anwendungen, daß die Nähe zu regionalen Märkten, die gerade die kleinen und mittleren Unternehmen haben, von großem Vorteil ist.

(Siegfried Hornung [CDU/CSU]: Aber vor dem Neuen haben Sie ganz besondere Angst!)

- Nein, nein. Das ist die große Chance, denke ich, die einfach genutzt werden muß. Wenn Sie das begreifen, freue ich mich. Ich habe, was Ihre Politik angeht, allerdings nicht den Eindruck, daß das so ist.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der PDS)

Modellbildung, beispielsweise im medizinischen Bereich, wird sich in Zukunft rasch weiterentwickeln und wird sehr schnell umgesetzt werden müssen. Die ganze Frage des Zahnersatzes, die fast jeden von uns betrifft, ohne Amalgam und mit Kunststoffen stellt nicht nur die Forschung, sondern auch die Anwendung vor große Herausforderung, aber auch vor gewisse Rätsel.
Damit Sie mich nicht falsch verstehen oder irgendwelche Unklarheiten aufkommen: Ich möchte betonen, daß die Umsetzung dieser Forschungsergebnisse in wirklich lebensnahe Anwendung nicht durch schnöde Subventionen bewerkstelligt werden kann. Da der Mittelstand in der Regel keine Forschung mit hohem finanziellen Aufwand betreibt, brauchen wir einen verbesserten Innovations- und Technologietransfer, der es ermöglicht, daß durch aufbereitete Forschungsergebnisse schnell die sich anbietenden Chancen ergriffen werden.
Die Realität allerdings sieht ganz anders aus: Nicht nur die Großindustrie, sondern auch die Existenzgründer und kleine Unternehmen bauen sich eine Existenz im Ausland auf. Die Bundesrepublik verfügt über exzellentes Grundlagenwissen, die Umsetzung und Anwendung erfolgt leider oftmals nicht bei uns. Bestes Beispiel dafür ist die Abwanderung der letzten größeren Solarzellenfabrik aus Wedel. Bedauern habe ich darüber von fast allen Seiten sehr viel gehört.

Simone Probst
Aber Sie können diese Problematik nicht allein mit dem in der Debatte so häufig angewandten Argument der hohen Lohnnebenkosten abtun.

(Siegfried Hornung [CDU/CSU]: Das ist das neue Schlagwort der SPD!)

Es sind die Rahmenbedingungen, die falsch gesetzt sind. Die Politik der Bundesregierung schafft kein Innovationsklima, keine Aufbruchstimmung, sondern vermittelt ein träges und langweiliges „Immer weiter so".

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Allein die Dauer der Bearbeitung von Anträgen des Mittelstands und der Existenzgründer bis zur Genehmigung beträgt oftmals mehr als ein Jahr. Ich denke, das kann nicht so weitergehen. Es ist Sorgfalt und nicht Langwierigkeit angesagt. Es tut mir leid, daß Herr Kanther heute nicht da ist: Wir warten auf die Verwaltungsreform. Wo sind Ihre konstruktiven Vorschläge? Ich denke, wir müssen es anpacken. Es geht dabei allerdings nicht um den Abbau von Qualität und Standards, sondern um eine Umstrukturierung zugunsten von mehr Beratung für die kleinen Unternehmen und einer stringenteren Bearbeitung der Anträge.
Die von der Bundesregierung eingesetzte Schlichter-Kommission - das hat nichts mit Schlichten zu tun, vielmehr ist sie nach ihrem Vorsitzenden benannt - hat dieses Problem ebenfalls erkannt. Allerdings warne ich davor, die Ergebnisse der Kommission als Gesetz umzusetzen. Unter anderem sollen eine Reihe von neuen Vorschriften geschaffen werden. Dies wird im Ergebnis eher zu einer Behinderung als zum gewünschten Effekt führen und außerdem wiederum die Großindustrie gegenüber kleinen und mittleren Unternehmen bevorzugen. Nehmen Sie sich lieber ein Beispiel an Brandenburg und Hessen, und orientieren Sie sich besser an deren Erlassen zum Investitionserleichterungs- und Wohnbaulandgesetz!
Zur Förderung und Unterstützung des Mittelstands ist eine stärkere Transparenz und Bündelung der Förderprogramme unabdingbar. Wir fordern als ersten Schritt einen jährlichen Bericht und eine Analyse über die Verteilung der Finanzhilfen einschließlich der Subventionen an die Großindustrie und an die Meinen und mittleren Unternehmen. Dies wird die ökologisch bedenklichen und innovationshemmenden Subventionen an die Großindustrie verdeutlichen, die schnell abgebaut werden müssen. Allein eine bessere Koordination der Wirtschafts-, Innovations- und Umweltförderprogramme von EU, Bund und Ländern wird zu nicht unerheblichen Synergieeffekten führen.
Wir unterstützen nachdrücklich alle Bemühungen, die spezifischen Stärken Meiner und mittlerer Unternehmen auszubauen. Wir brauchen ein anderes Innovationsklima. Ich bin sehr optimistisch, daß mit dem anstehenden Generationswechsel viele Kräfte freigesetzt werden. Voraussetzung ist allerdings ein Weniger an Bürokratie, ein Mehr an Intelligenz und Kreativität, auch und gerade in der Politik.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der PDS)


Dr. Rita Süssmuth (CDU):
Rede ID: ID1305503200
Als nächster spricht Kollege Paul Friedhoff.

Paul K. Friedhoff (FDP):
Rede ID: ID1305503300
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir debattieren heute über die Mittelstandspolitik der Bundesregierung, und dies, obwohl es eine genaue Definition des Begriffs „Mittelstand" nicht gibt und auch nicht geben kann.

(Siegfried Hornung [CDU/CSU]: Trotzdem funktioniert es!)

Ich möchte deshalb zunächst sagen, was ich unter Mittelstand verstehe. Ich verstehe darunter Unternehmen, in denen weit weniger als 500 Mitarbeiter beschäftigt sind und bei denen - das ist das Wichtige, darauf kommt es mir an - das geschäftliche Risiko von den Unternehmern selbst getragen wird.

(Ernst Hinsken [CDU/CSU]: So ist es!)

Im Gegensatz zur Großindustrie oder deren mittelständischen Filialen - neuerdings gibt es mittelständische staatliche Betriebe, z. B. ausgegliederte Kommunalbetriebe - können sich diese Unternehmen nicht darauf verlassen, daß der Staat ihnen in wirtschaftlich schwierigen Situationen durch Subventionen hilft und sie so vor dem Konkurs bewahrt. Mittelständische Unternehmen, die etwa die Hälfte der Wertschöpfung in Deutschland erwirtschaften, zeichnen sich dadurch aus, daß sie - das ist schon gesagt worden - etwa zwei Drittel aller Arbeitnehmer beschäftigen und darüber hinaus etwa 80 % der Ausbildungsplätze zur Verfügung stellen. In den neuen Bundesländern ist der Mittelstand für den Arbeitsmarkt noch wichtiger. Diese wenigen Zahlen zeigen die große Bedeutung des Mittelstands für unsere Volkswirtschaft und vor allem für den Arbeitsmarkt.
Meine Damen und Herren, Politik für den Mittelstand ist, wenn diese Zahlen stimmen, also in hohem Maße eine Politik für Beschäftigung und gegen Arbeitslosigkeit. Die Bundesregierung ist deshalb gut beraten, daß sie weite Teile ihrer Wirtschaftspolitik auf die Belange des Mittelstands ausrichtet und immer ausgerichtet hat. Dabei ist richtig verstandene Mittelstandspolitik keine Klientelpolitik, denn Mittelstand und Großunternehmen sind gemeinsam unverzichtbare und in unserer arbeitsteiligen Wirtschaft aufeinander angewiesene Unternehmensformen. Wenn man also für den Mittelstand spricht, heißt das nicht, daß man sich gegen Großunternehmen ausspricht.

(Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Allerdings gibt es wirtschaftliche Rahmenbedingungen, die den Großunternehmen mehr und den kleinen und mittleren Unternehmen weniger nutzen.

(Siegfried Hornung [CDU/CSU]: Vor allen Dingen bei der Ausbildung!)

Diese Rahmenbedingungen müssen an einigen Stellen zugunsten des Mittelstandes verändert werden, wenn mehr Arbeitsplätze entstehen sollen und die deutsche Wirtschaft den notwendigen Strukturwan-

Paul K. Friedhoff
del, den die vielfältigen Veränderungen der Weltwirtschaft erzwingen, erfolgreich bewältigen will. Von diesen notwendigen Veränderungen ist im Antrag der Fraktionen von CDU/CSU und F.D.P. eine ganze Reihe aufgelistet. Deshalb kann ich mich hier auf einige wenige Punkte konzentrieren.
Bevor ich das tue, möchte ich Ihnen, Herr Schwanhold, etwas zu Bill Gates in München sagen. Sie haben gerade hier das Bild gezeichnet, daß es in Deutschland solche Unternehmer überhaupt nicht geben soll.

(Ernst Schwanhold [SPD]: Nicht geben soll?)

- Ja; das haben Sie gesagt. Sie unterschätzen Bill Gates gewaltig, wenn Sie glauben, daß er in Deutschland nicht fertiggeworden wäre. In Deutschland werden laufend mittelständische Unternehmen gegründet, auch in Garagen, auch in Kellern. Es ist nicht so, daß die Bürokratie alles verhinderte. Wir würden uns mehr Initiativen wünschen. Aber anschließend noch zu sagen, daß wir in NRW ein Technologieland hätten, während Bill Gates in München gescheitert wäre, scheint mir doch etwas weit hergeholt. Das wollte ich hier einmal deutlich machen.

(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

Da der Mittelstand im Verhältnis zur Wertschöpfung überproportional viele Arbeitsplätze bereitstellt, betreffen alle Probleme, die mit Arbeitsplätzen zusammenhängen, in besonderem Maße mittelständische Betriebe und damit den Sektor, der dem Arbeitsmarkt heute noch in nennenswertem Umfang Entlastung verschafft.

Dr. Rita Süssmuth (CDU):
Rede ID: ID1305503400
Herr Friedhoff, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Schwanhold?

Paul K. Friedhoff (FDP):
Rede ID: ID1305503500
Aber selbstverständlich.

Ernst Schwanhold (SPD):
Rede ID: ID1305503600
Herr Kollege Friedhoff, Sie wissen, daß Bill Gates ein Synonym für schnell wachsende Betriebe in einem Hochtechnologiebereich ist. Sind Sie in der Lage, mir zwei oder drei Unternehmen in der Bundesrepublik Deutschland nicht in gleicher, aber in annähernd gleicher Größenordnung, mit annähernd so großem Wachstum zu nennen, die in den vergangenen fünf Jahren gegründet worden sind?

Paul K. Friedhoff (FDP):
Rede ID: ID1305503700
Dazu bin ich nicht in der Lage. Ich bedaure, daß in Deutschland offensichtlich die Formen und die Möglichkeiten, die es in der amerikanischen Gesellschaft gibt, nicht vorhanden sind. Das liegt aber weniger daran, daß wir hier nicht solche Leute wie Bill Gates hätten, sondern in hohem Maße daran, daß wir in unserem Staat an den verschiedensten Stellen, angefangen in den Kommunen bis hin zu den Ländern, viele rechtliche Vorschriften so ausgestaltet haben, daß das, was Bill Gates gemacht hat, hier nicht möglich ist.

(Ernst Schwanhold [SPD]: Genau das ist es!)

Wenn er das hier tun würde, wären Sie, Herr Schwanhold, einer der größten Kritiker. Sie wären derjenige, der ihm den Manchesterkapitalismus und ähnliches vorwerfen würde.

(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Wer regiert denn hier?)

Ich habe deswegen für Ihre Zwischenfrage überhaupt kein Verständnis. Sie zeigt mir, daß Sie auf der einen Seite so tun, als wären solche Unternehmen erwünscht; wenn sie aber entstehen, bewirkt das, was Sie mit Ihrer Politik immer wieder fordern, genau das Gegenteil.

(Siegfried Hornung [CDU/CSU]: Genau! Das ist zutreffend!)


Dr. Rita Süssmuth (CDU):
Rede ID: ID1305503800
Es liegt ein weiterer Wunsch nach einer Zwischenfrage vor, und zwar von der Kollegin Skarpelis-Sperk.

Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk (SPD):
Rede ID: ID1305503900
Herr Kollege, sind Ihnen in diesem Zusammenhang die Probleme der deutschen Softwareindustrie bekannt, bei der ja bekanntlich nicht die Großen die Kleinen fressen, sondern die Schnellen die Langsamen überholen? Ist Ihnen bekannt, daß das weniger an behördlichen Auflagen als an der Tatsache liegt, daß sich die Banken in Deutschland nicht in der Lage sehen, ausreichend Risikokapital für Innovationen zur Verfügung zu stellen,

(Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Das ist es!)

daß die Branche dieses als das Zentralproblem ansieht, daß sie ferner als ein Problem ansieht, daß die öffentliche Infrastruktur auf dem Gebiet der Netze im Vergleich zu Amerika außerordentlich schleppend zur Verfügung gestellt wird, und daß für diesen Bereich in der Bundesrepublik Deutschland seit geraumer Zeit bis vor kurzem die Bundesregierung zuständig war?

Paul K. Friedhoff (FDP):
Rede ID: ID1305504000
Wenn wir uns darüber unterhalten, warum gerade im Bereich der Telekommunikation in diesem Land noch immer eine Überregulierung vorhanden ist, und dann das Verhalten Ihrer Fraktion bei dieser - -

(Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Wir sind an allem schuld! Sie regieren doch, Herr Kollege, seit 13 Jahren!)

- Ja, aber Sie sind im Parlament - -

(Wolfgang Schulhoff [CDU/CSU], an Anke Fuchs [Köln] [SPD] gewandt: Sie blockieren doch laufend durch Ihre Bundesratsmehrheit!)


Dr. Rita Süssmuth (CDU):
Rede ID: ID1305504100
Die Antwort gibt Herr Friedhoff.


Paul K. Friedhoff (FDP):
Rede ID: ID1305504200
Frau Fuchs - Sie können gleich noch ein paar Zwischenfragen stellen -, natürlich regiert diese Regierung.

(Ernst Schwanhold [SPD]: Und wie schlecht!)

Sie wissen aber, daß wir eine Arbeitsteilung mit dem Bundesrat haben. Dort blockieren Sie. Aus diesem Grunde sind viele der Gesetze, die etwas mit Deregulierung zu tun haben, nur sehr schleppend auf dem Vormarsch.
Ich will noch etwas zum Risikokapital sagen. Das Risikokapital wird von den Banken gesammelt und dann verteilt; sie stellen es letztendlich nicht zur Verfügung. In diesem Land aber gibt es wenige Leute, die dieses Risikokapital zur Verfügung stellen, weil die Bedingungen für Unternehmen insgesamt, nicht nur für kleine und mittlere Betriebe, sondern auch für Großbetriebe, nicht so sind, wie sie eigentlich sein müßten. Deshalb wird, insbesondere wegen der Unternehmensteuer, weniger Risikokapital zur Verfügung gestellt.
Daß wir in diesem Bereich noch eine Menge machen müssen - ich komme nachher noch darauf zurück -, gebe ich gerne zu. Ich würde mich aber freuen, wenn ich Sie dabei an unserer Seite, nicht auf der anderen Seite der Bank sähe.

(Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU Ernst Schwanhold [SPD]: Sie haben keinen Gesetzentwurf vorgelegt, um Risikokapital zu bevorteilen!)


Dr. Rita Süssmuth (CDU):
Rede ID: ID1305504300
Herr Friedhoff, Herr Kollege Thiele möchte noch eine Zwischenfrage stellen.

Carl-Ludwig Thiele (FDP):
Rede ID: ID1305504400
Herr Kollege, können Sie diese ganze Angelegenheit nicht auch deshalb beurteilen, weil Sie selbst in einer Garage als selbständiger Unternehmer gestartet sind

(Lachen bei der SPD und der PDS Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Mit Fenster oder ohne?)

und insofern aus eigener Erfahrung beurteilen können, mit welchen Problemen man in unserem Lande zu kämpfen hat, daß sie aber zu bewältigen sind und reduziert werden müssen, damit mehr Menschen diese Wege bewältigen können?

Paul K. Friedhoff (FDP):
Rede ID: ID1305504500
Herr Thiele, das, was Sie ansprechen, ist ein Problem. Es ist häufig so, daß diesen Menschen von Leuten, die aus einer ganz anderen Welt kommen, Ratschläge gegeben werden. Diese maßen sich dann an, über eine ganz andere Welt abschließende Urteile zu bilden. Das aber ist in dieser Welt so. Wir werden das nicht verändern können. - Vielen Dank aber für die Frage, Herr Thiele.

(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU Abg. Hans-Eberhard Urbaniak [SPD] meldet sich zu einer Zwischenfrage)


Dr. Rita Süssmuth (CDU):
Rede ID: ID1305504600
Herr Urbaniak, ich bitte um Verständnis, daß ich keine weiteren Zwischenfragen zulasse. Wir geraten sonst zu stark in Verzug.

Paul K. Friedhoff (FDP):
Rede ID: ID1305504700
Meine Damen und Herren, Falsches wird nicht dadurch richtig, daß man es ständig wiederholt. Richtiges wird aber auch dadurch nicht falsch, daß es durch häufiges Wiederholen den Charme der neuen Idee verliert.

(Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Das stimmt!)

In einer Mittelstandsdebatte muß man das Thema Arbeitskosten ansprechen, da es für den beschäftigungsintensiven Mittelstand ein zentrales Thema ist.
Es ist eine Binsenweisheit, daß die Lohnstückkosten in Deutschland absolute Weltspitze sind. Dies liegt weniger an den Nettolöhnen als vielmehr an den zahlreichen mit dem Lohn verbundenen Steuern, Abgaben und sonstigen sogenannten Zusatzkosten, von denen einige allerdings besser den Namen „Lohnhauptkosten" tragen könnten.

(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

Seit 1950 haben sich die Personalzusatzkosten von 35 % auf heute über 80 % mehr als verdoppelt. Dabei muß darauf hingewiesen werden, daß mehr als die Hälfte davon durch die Tarifvertragsparteien, also Arbeitgeber und Gewerkschaften, vereinbart wurde.
Meine Damen und Herren, noch einige aufschlußreiche Zahlen: Wurden 1950 bei 100 DM Nettolohn 31 DM an Lohnsteuern und Sozialabgaben fällig, so hat sich dies bis 1994 auf 91 DM fast verdreifacht. Diese Zahlen zeigen, wie stark die Arbeitskosten, denen der arbeitsintensive Mittelstand naturgemäß besonders schlecht ausweichen kann, durch den Staat und die Tarifparteien in die Höhe getrieben wurden.
Während Großbetriebe dieser Belastung durch den Einsatz von Maschinen oder durch die Auslagerung von beschäftigungsintensiver Produktion ins Ausland ausweichen, sind dem Mittelstand diese Möglichkeiten in der Regel verwehrt. Er muß die Last schultern. Hier hilft nur: Runter mit den Lohnnebenkosten! Runter mit den an den Lohn gekoppelten Steuern! Wer hier weitere Belastungen beschließt, muß wissen, daß er damit den Mittelstand an einer empfindlichen Stelle trifft und weitere Arbeitsplätze gefährdet bzw. erst gar nicht entstehen läßt.

(Siegfried Hornung [CDU/CSU]: Das hat zwar die SPD vorhin auch gesagt, aber sie meint es anders!)

Lassen Sie mich einen weiteren Punkt aufgreifen: die Unternehmensbesteuerung. Seit Jahren liegen Vorschläge auf dem Tisch, die Gewerbekapital- und die Gewerbeertragsteuer bei voller Kompensation der Kommunen abzuschaffen sowie die Körperschaftsteuer zu senken.
Auch bei der Unternehmensbesteuerung sind wir Weltspitze. Dies hat einen wesentlichen Einfluß auf den Mittelstand. Die Eigenkapitalquote mittelständischer Unternehmen in Deutschland liegt unter dem Niveau in den meisten anderen Industriestaaten. Der

Paul K. Friedhoff
Zugang größerer Mittelständler zum Kapitalmarkt ist durch ein überreguliertes, auf Großunternehmen zugeschnittenes Recht erschwert, wenn nicht gar verbaut. Einen Markt für Risikokapital gibt es im Vergleich vor allem zu den angelsächsischen Ländern in Deutschland nicht.
Wichtig ist, die Unternehmensteuerreform endlich durchzuführen. Wir werden Ihre Beteuerungen, Herr Schwanhold, und die Liebe der Opposition zum Mittelstand auf die Probe stellen. Die Gewerbekapital-und -ertragsteuer müssen weg. Die Körperschaftsteuer gehört auf das international vergleichbare Niveau von 30 % bis 35 %.

(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

Der Zugang zum Kapitalmarkt muß für mittelständische Unternehmen weit geöffnet werden.

(Carl-Ludwig Thiele [F.D.P.]: Moderne Wirtschaftspolitik!)

Meine Damen und Herren, eine Debatte über den Mittelstand und Beschäftigung im Mittelstand kann nicht das Thema Arbeits- und Sozialpolitik aussparen. Großunternehmen versuchen häufig, ihre Beschäftigungsprobleme durch die Überführung ihrer Mitarbeiter in die Frühpensionierung mit vorgeschalteter Arbeitslosigkeit zu lösen.
Damit werden die Systeme der sozialen Sicherung belastet, deren Mittel hauptsächlich durch den Mittelstand erwirtschaftet werden. Dagegen werden, wie der Sachverständigenrat und die Monopolkommission feststellen, mittelständische Unternehmen z. B. durch Kündigungsschutzgesetz und Sozialplanregelungen belastet.
Meine Damen und Herren, wenn ein Mittelständler wegen fehlender Aufträge Mitarbeiter entlassen muß, ist häufig sogar der gesamte Betrieb gefährdet. Daß der Unternehmer in dieser Phase auch noch Abfindungen zahlen und damit seinem gefährdeten Betrieb weitere Mittel entziehen muß, verstehen viele Mittelständler nicht. Sie empfinden dies als falsch, da Arbeitsplätze gefährdet werden, und als zutiefst ungerecht, da so ihre arbeitsplatzschaffenden Investitionen im nachhinein bestraft werden.

(Beifall bei Abgeordneten der F.D.P.)

Sie befinden sich damit in Übereinstimmung mit ausländischen Investoren, die auf Grund solcher und ähnlicher Regelungen den Standort Deutschland meiden.
Meine Damen und Herren, wir Freien Demokraten fordern die Überprüfung aller Gesetze, die mit dem Arbeitsmarkt in Verbindung stehen, auf ihre Arbeitsplatzverträglichkeit.

(Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Einige der Regelungen, die wir im Betriebsverfassungsgesetz, im Kündigungsschutzgesetz und anderen Bestimmungen aus dem Bereich des Arbeitsrechts finden, sind in Zeiten sorgloser Vollbeschäftigung, völlig anderer Arbeitsumstände und wesentlich größeren Wettbewerbsvorsprungs unserer Volkswirtschaft entstanden. Der Wunsch nach ihrer Verankerung war legitim; ihre Umsetzung erfolgte.
Es muß jedoch erlaubt sein, zu fragen, ob durch das Bestehen auf einzelnen Regelungen nicht das Entstehen der bitter benötigten Arbeitsplätze verhindert wird. Diese Frage zu stellen ist nicht, wie Herr Schwanhold hier eben sagte, der Abbau eines Sozialstaates, ist nicht, wie immer gern unterstellt wird, unsozial. Unsozial ist vielmehr eine Politik, die durch ihre sture Besitzstandswahrungsmentalität das Entstehen von neuen Arbeitsplätzen verhindert.

(Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Meine Damen und Herren, lassen Sie uns gemeinsam nach Lösungen suchen, wie wir den Mittelstand durch bessere Rahmenbedingungen wirklich stärken können. Dies geschieht nicht durch theoretische Vorschläge oder durch eine Klientelpolitik, die von der Interessenwahrung einzelner Gruppen gekennzeichnet ist.
Wir Liberalen stehen für Lösungen, die die Freiräume des einzelnen durch eine möglichst geringe Regelungsdichte erhalten und, wo nötig, wiederherstellen wollen. Dadurch wird die eigenständige unternehmerische Tätigkeit möglichst vieler Bürger erst ermöglicht. Insofern ist liberale Wirtschaftspolitik immer zu einem großen Teil Politik für den Mittelstand.
Mit einem starken Mittelstand lassen sich die zentralen Probleme am Wirtschaftsstandort Deutschland leichter lösen, die internationale Wettbewerbsfähigkeit stärken und ausreichend Arbeits- und Ausbildungsplätze schaffen.
Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)


Dr. Rita Süssmuth (CDU):
Rede ID: ID1305504800
Als nächster spricht Wolfgang Bierstedt.

Wolfgang Bierstedt (PDS):
Rede ID: ID1305504900
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die PDS hat im Zusammenhang mit der heutigen mittelstandspolitischen Debatte einen eigenen Antrag zur weitergehenden Unterstützung von kleinen und mittleren Unternehmen eingebracht.

(Siegfried Hornung [CDU/CSU]: Zur Weiterführung des Sozialismus?)

- Falls Sie irgendwelche Irritationen haben: Ich bin selber Mitglied eines Unternehmerverbandes.
Worum geht es in diesem Antrag? Nach der Deindustrialisierung in Ostdeutschland brauchen wir in den neuen Bundesländern eine Existenzgründerwelle vor allem im Bereich technologieorientierter Unternehmen.

(Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Das brauchen wir überall!)


Wolfgang Bierstedt
Zur Erneuerung der Wirtschaft in den neuen Bundesländern bedarf es einer stärkeren Mobilisierung von Risikokapital, insbesondere für innovative Unternehmen.
Deshalb fordern wir die Bundesregierung auf, das Eigenkapitalhilfeprogramm des Bundes für kleine und mittlere Unternehmen sowie Existenzgründer im Technologiebereich aufzustocken. Das ist deshalb so wichtig, weil in den neuen Bundesländern ca. 50 % des noch verbliebenen Wissenschaftlerpotentials in KMU mit einer durchschnittlichen Beschäftigungszahl von weniger als 100 Mitarbeitern arbeiten.
In den alten Bundesländern sieht es anders aus: Dort sind ca. 80 % des Forschungs- und Entwicklungspotentials in Betrieben mit über 1 000 Mitarbeitern konzentriert. Und das hat seinen guten Grund: Heute berechnen seriöse Unternehmen ihre Kosten für die Markteinführung neuer Produkte mit 50 % ihres Entwicklungsbudgets. Ich frage Sie: Welches kleine und mittlere Unternehmen kann sich einen solchen Kostenaufwand für die Markteinführung eines wirklich innovativen Produktes leisten?
Uns geht es auch um die Verbesserung von Rahmenbedingungen zur Unterstützung einer neuen Innovationspolitik. Das Vorhandensein einer Reihe von Besonderheiten der Entwicklung des mittelständischen Bereiches in den neuen Bundesländern - Eigenkapitalschwäche, Zusammenbruch der Industrieforschung, fehlende Großindustrie, keine bankenüblichen Sicherheiten, Probleme des Marktzugangs und der Markterschließung sowie vieles andere mehr - erfordert ein spezifisches Konzept für den Mittelstand, welches ähnliche außergewöhnliche Bedingungen schaffen muß, wie das bei der Förderung der Montanindustrie, der Raumfahrt und anderer Bereiche in den alten Bundesländern der Fall war.
Meine Damen und Herren, mit dem Setzen neuer, effektiverer, innovationsfördernder staatlicher Rahmenbedingungen und erweiterter Fördermaßnahmen ist über den Ausbau der Industrieforschung der innovative Mittelstand verstärkt zu fördern. Eine Industrie mit zuwenig Forschern, mit zuwenig Kapital und ungenügender Markterfahrung braucht ein durchgängiges Förderkonzept, also eine Förderung von der Ideenfindung bis zur Markteinführung. Das ist eine neue, jedoch, wie mir scheint, notwendige Förderphilosophie. Es geht insbesondere um den Ausbau einer marktorientierten Innovationsförderung, die auch markteinführende Maßnahmen beinhaltet, bis hin zum Musterbau.

(Siegfried Hornung [CDU/CSU]: Das muß doch alles Gift für Sie sein, was Sie da erzählen!)

Dieses durchgängige Förderkonzept sollte nach den Vorstellungen der PDS folgende Programmteile enthalten: die Förderung von Forschungs- und Entwicklungsaufgaben und Projekten, die fertigungstechnische und betriebswirtschaftliche Umsetzung von Innovationen, die Markterschließung von Innovationen, die Förderung aller Stufen des Innovationszyklus von der Produktentwicklung bis hin zur Markteinführung für mittelfristige Zeiträume von
fünf bis zehn Jahren und natürlich auch die Bereitstellung von Risikokapital zum Aufbau von Technologieunternehmen. Dabei sollte die Förderquote bei mindestens 50 % liegen.
Die Lösung der Zukunftsaufgaben der Industriegesellschaft in Deutschland ist unter den Bedingungen der weltweiten Konjunktur- und Strukturkrisen ohne eine technologische Vorwärtsstrategie und eine Steigerung der Innovationsdynamik undenkbar. Eine wichtige Grundlage dafür bildet die sinnvolle Auswertung prognostischer Studien zu Technologien des nächsten Jahrhunderts. Ungelöste strukturelle Defizite und Wettbewerbsnachteile kleiner und mittlerer Unternehmen haben zudem zu einer dramatischen Konkurswelle vor allem bei mittelständischen Unternehmen geführt. Diese erreichte 1994 den Rekordstand von über 20 000 Unternehmen. Mit einem weiteren Anstieg ist auch im Jahre 1995 zu rechnen. Dem Ausscheiden kleiner und mittlerer Unternehmen in bedenklicher Größenordnung steht keine inhaltlich gleichwertige Existenzgründungsbewegung gegenüber.
Nehmen wir das Beispiel Thüringen. Laut Wirtschaftsminister Schuster wurden im ersten Halbjahr 1995 10 681 gewerbliche Betriebe neu gegründet. Dem standen 8 099 vollständige Betriebsaufgaben gegenüber. Der Wirtschaftsminister begrüßte unverständlicherweise diese Entwicklung.
Ich frage Sie: Wo bleibt da der Aufschwung Ost, wo bleiben die „blühenden Landschaften" unseres „Obergärtners", wenn von den kleinen und mittleren Unternehmen in den neuen Bundesländern insgesamt 30 000 Existenzgründer und in Thüringen 2 582 übrig geblieben sind?

(Zuruf von der CDU/CSU: Ihr habt 50 Jahre Zeit gehabt!)

In der Statistik der Bundesregierung werden diese Zahlen optimistisch als Zuwachs ausgewiesen, obwohl diese KMU das erste Halbjahr gerade so überstanden haben und das Jahresende unter Umständen nicht mehr erleben werden. Oder wollen Sie beispielsweise allen Ernstes Versicherungs-, Handelsoder Reiseunternehmen - bei aller Wertschätzung für diese Art Gewerbe - als gleichwertige Unternehmen für weggebrochene Industrieunternehmen bezeichnen?
Der Wirtschaft in den neuen Bundesländern werden jährliche Wachstumsraten von 7 bis 9 % prognostiziert. Die neuen Bundesländer bleiben aber „dank" der oben geschilderten Trends und angesichts des äußerst bescheidenen Ausgangsniveaus nur Entwicklungsländer im sprichwörtlichen Sinne.
Der Bundesverband mittelständische Wirtschaft fordert in seinem Positionspapier „Mittelstand 2000":
Nur durch eine konsequente Förderung zukunftsträchtiger Technologien und eine entsprechende Produktentwicklung kann Deutschland seinen Platz unter den führenden Industrienationen behaupten. Dies ist nur durch eine gemeinsame Innovationsoffensive von Politik, Forschung und Wirtschaft und eine effektive Nutzung aller

Wolfgang Bierstedt
vorhandenen Ressourcen zu erreichen. Dabei sind Wettbewerbsnachteile der kleinen und mittleren Unternehmen gegenüber den Großbetrieben und Konzernen abzubauen und zukünftig zu verhindern.
Die Bundesregierung, wissend um die Nachteile der kleinen und mittleren Unternehmen, erklärt:
Solange für Existenzgründungen kein ausreichendes Kapitalangebot am Markt besteht, ist die Bundesregierung weiterhin bestrebt, dies durch geeignete Förderprogramme auszugleichen.
So weit, so gut. Speziell für technologieorientierte mittelständische Unternehmen hat die Bundesregierung bis 1994 200 Millionen DM Beteiligungskapital für junge Technologieunternehmen zur Verfügung gestellt. In dem bis zum Jahre 2000 laufenden Nachfolgeprogramm „Beteiligungskapital für kleine Technologieunternehmen" sollen jedoch nur noch ca. 100 Millionen DM Beteiligungskapital bereitgestellt werden - eine bescheidene und den tatsächlichen Bedürfnissen nicht gerechtwerdende Summe.

(Siegfried Hornung [CDU/CSU]: Können Sie das denn überhaupt beurteilen? Dr. Dagmar Enkelmann [PDS]: Besser als Sie!)

Diese Einschätzung teilte nicht überraschend auch die F.D.P. in der gestrigen Ausschußsitzung. Auf der einen Seite machen Sie große Sprüche zur Unterstützung, und auf der anderen Seite steht die Realität: 200 Millionen DM Förderhilfe pro Jahr für die technologieorientierten Unternehmen in Deutschland. Kein Wunder, daß die täglichen Meldungen über Insolvenzen der mittelständischen Betriebe in Deutschland zunehmen.
Bundeswirtschaftsminister Rexrodt erklärte vergangene Woche in einem Interview, er erwarte eine zweite Bereinigungsphase im ostdeutschen Mittelstand. Er sagte: „Ich weiß, daß das hart klingt, aber da müssen wir durch. " Ich meine, er persönlich muß ja nicht bis zum Arbeitsamt durch. Mir fällt im übrigen auf, Herr Minister: Immer, wenn es Schwierigkeiten gibt, sprechen Sie von „wir" und meinen die anderen; wenn es aber einmal auch noch so bescheidene Erfolge gibt, meinen Sie immer sich. Das wollte ich zumindest einmal eingewandt haben.

(Beifall bei der PDS)

Als Ursachen für den Niedergang des ostdeutschen Mittelstandes erkannte er: schlechte Eigenkapitalausstattung, Selbstüberschätzung der Selbständigen und Fehleinschätzungen des Marktes durch die Unternehmer. Vielleicht sollten Sie u. a. einmal in Richtung BVS schauen, wenn Sie schon Ursachen benennen.
Wenn das Bundeswirtschaftsministerium in seinem Bericht an den Ausschuß für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie behauptet, die Mittelkürzung gegenüber dem Haushalt 1995 schränke den Handlungsspielraum des Ministeriums in wichtigen forschungs-, technologie- und innovationspolitischen Feldern ein, so daß eine stärkere Beteiligung an innovationspolitischen Aktivitäten der Bundesregierung zur technologischen Erneuerung der deutschen Wirtschaft, insbesondere der Förderung von KMU, der Verstärkung des Technologietransfers und der Förderung von FuE in den neuen Bundesländern im Rahmen der bereitstehenden Haushaltsmittel nicht möglich ist, dann ist das für mich ganz einfach eine Bankrotterklärung.
Meine Damen und Herren, laut einer Pressemitteilung unseres Zukunftsministers sollen die Ausgaben für die allgemeine mittelstandsbezogene Innovationsförderung im Haushalt 1996 um 22 % auf 276 Millionen DM steigen. Die Gesamtförderung kleiner und mittelgroßer Unternehmen soll dabei mit etwa 600 Millionen DM ein strategischer Schwerpunkt bleiben.
Eine Innovationsfördersumme von 276 Millionen DM hört sich für den Laien wie eine gewaltige Summe an. Bedenkt man aber, daß in Deutschland von den rund 3 Millionen bestehenden Unternehmen 99,8 % kleine und mittlere Unternehmen sind, dann bleiben für jedes Unternehmen statistisch gesehen 90 DM an Fördermitteln für neue Technologien übrig - wahrlich eine gewaltige Summe.
Man kann natürlich Ablehnungsbescheide schikken, wenn ein kleines Unternehmen einen Antrag gestellt hat. Die Ablehnungsbescheide kosten auch noch 250 DM. Damit kann man seine Mittel aufstokken. Falls Sie es nicht glauben: Ich habe hier ein kleines Beispiel.
Die PDS fordert, daß die Vergabe von Fördermitteln - egal ob aus Mitteln der Gemeinschaftsaufgabe oder für technologieorientierte Unternehmen oder aus anderen Fördertöpfen - an die Schaffung von neuen Arbeitsplätzen bzw. an den Erhalt bestehender Arbeitsplätze und gemäß unserer prinzipiellen Ansichten an Arbeitsplätze im ausschließlich nichtmilitärischen Bereich zu binden ist.
Sonst erreichen wir einen kontraproduktiven Effekt, nämlich die Wegrationalisierung von Arbeitsplätzen statt deren Erhaltung und wahrlich keine Sicherung unseres Standortes.
Danke schön.

(Beifall bei der PDS)


Dr. Rita Süssmuth (CDU):
Rede ID: ID1305505000
Das Wort hat jetzt der Bundesminister für Wirtschaft, Dr. Günter Rexrodt.

Dr. Günter Rexrodt (FDP):
Rede ID: ID1305505100
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Unsere Marktwirtschaft lebt von Persönlichkeiten, die Chancen erkennen, Risiken übernehmen und Freiräume nutzen. Dies sind ganz überwiegend mittelständische Unternehmen und freie Berufe. Weil sie Schwung und Dynamik in die Wirtschaft bringen, stehen die Bundesregierung und die Koalition für mehr Selbständigkeit und eine vitale Unternehmenskultur in Deutschland.

(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)


Bundesminister Dr. Günter Rexrodt
Wir sind nicht der Auffassung, daß der Staat der bessere Unternehmer ist. Wir setzen auf den Suchprozeß des Marktes. Wir haben nicht das fertige Gesellschaftsmodell, das wir anderen überstülpen. Wir haben nicht klare und exakte Vorstellungen antizipiert, was die sektorale Aufteilung unserer Wirtschaft angeht. Wir haben auch nicht den fertigen Gesellschaftsentwurf für die Informationsgesellschaft. Vielmehr setzen wir immer wieder auf diesen Suchprozeß des Marktes.
Die kleinen Unternehmen leisten in diesem Punkt viel. Aber ich füge hinzu: Ihnen wird auch viel zugemutet. Sie sind es, die den Gesetzen des Marktes unmittelbar, ungefiltert, hautnah und knallhart ausgeliefert sind. Sie können sich nicht hinter den breiten Sesseln verstecken, die auf den Vorstandsetagen stehen. Deshalb, weil hier eine vitale Unternehmerschaft am Werke ist, stehen wir in unserer Standortpolitik zu einer umfassenden und breit angelegten Mittelstandspolitik.

(Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Die Dynamik der Selbständigen ist imponierend. Das muß bei einer Mittelstandsdebatte, wie wir sie Gott sei Dank heute nach langer Zeit wieder einmal führen, gesagt werden.

(Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Ja, wie kommt denn das?)

- Sie haben ja immer die Freiheit gehabt, eine solche Debatte zu beantragen. Das haben Sie aber nicht getan.

(Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Ach Gott, ach Gott!)

Es gibt immer mehr Selbständige in unserem Land. Im vergangenen Jahr waren es 120 000 neue Unternehmen. Herr Schwanhold, wir haben nicht 2,5 Millionen Unternehmen und Selbständige, sondern 3 Millionen, davon 2,5 Millionen in den alten und 500 000 in den neuen Ländern.
Selbständige schaffen viele Arbeitsplätze. Zwischen 1987 und 1992 sind in der mittelständischen Wirtschaft 2,3 Millionen neue Arbeitsplätze entstanden. Auch in den neuen Ländern wächst diese Zahl, trotz der Horrorgemälde, die gezeichnet werden. Wir haben, obwohl wir quasi bei Null begonnen haben, heute 500 000 neue selbständige Existenzen in den neuen Ländern. Wenn das kein Erfolg ist, frage ich: Was ist denn dann ein Erfolg?

(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

In diesen mittelständischen Unternehmen erhalten 1,5 Millionen Jugendliche eine qualifizierte Ausbildung und damit eine Perspektive fürs Leben.
Auch das Folgende muß in einer Mittelstandsdebatte gesagt werden: Hinter diesen Zahlen stehen verantwortungsvoll handelnde Menschen. Hier ist nichts anonymisiert; hier gibt es Menschen, engagierte Unternehmer, die mit vollem eigenen Risiko in Verantwortung für ihre Mitarbeiter handeln. Hier gibt es traditionsreiche Familienunternehmen, die sich um die Nachfolge in ihrer Firma sorgen, unter
vielen Aspekten; hier gibt es Pionierunternehmer mit neuen Ideen für neue Produkte und neue Märkte. Sie haben Schwierigkeiten mit der Beschaffung von Risikokapital; ich komme darauf noch zu sprechen.

Dr. Rita Süssmuth (CDU):
Rede ID: ID1305505200
Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Bierstedt?

Dr. Günter Rexrodt (FDP):
Rede ID: ID1305505300
Ja, bitte. - Wo ist er denn?

Wolfgang Bierstedt (PDS):
Rede ID: ID1305505400
Herr Minister, Sie haben eben schon einmal zu mir hinübergeschaut. - Ich habe folgende Frage: Ist Ihnen entgangen, daß ich die Leistung, die in der Schaffung von 3,5 Millionen Arbeitsplätzen besteht, nicht negiert habe? Ich möchte Sie ganz einfach darum bitten, auch die Gegenrechnung aufzumachen und zu fragen, wieviel Arbeitsplätze denn weggebrochen sind.

(Siegfried Hornung [CDU/CSU]: Wo denn?)

Zweitens möchte ich Sie fragen: Wären Sie unter Umständen bereit, mit mir in die Region Sachsen-Anhalt zu gehen, zu solchen Unternehmen wie SKET Magdeburg, MAW Magdeburg, Industrie- und Rohrleitungsbau, Waggonbau Dessau, Maschinenfabrik Buckau und zu vielen, vielen anderen Betrieben, und dort zu wiederholen, daß Sie 3,5. Millionen Arbeitsplätze geschaffen haben und daß die Leute doch endlich glücklich sein sollen?

Dr. Günter Rexrodt (FDP):
Rede ID: ID1305505500

Wissen Sie, Herr Kollege: Die vielen Arbeitsplätze, die in den neuen Bundesländern weggebrochen sind, sind doch nicht deshalb weggebrochen, weil es eine Soziale Marktwirtschaft gibt. Sie sind vielmehr weggebrochen, weil in 40 Jahren diese Unternehmen alles andere als wettbewerbsfähig gemacht wurden. Es handelte sich um Unternehmen, die auf den Weltmarkt nicht vorbereitet waren,

(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

die einen verrotteten Kapitalstock hatten, die nicht die Fähigkeit hatten, ihre Produkte zu vermarkten und zu entwickeln. Wir haben aufräumen müssen. Es ist ein Wunder, was da passiert ist, nämlich daß wir heute schon so weit sind. Wir haben erst die Hälfte des Weges zurückgelegt, aber der Weg führt in die richtige Richtung.

(Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Ich möchte nicht unbedingt gerne mit Ihnen nach Sachsen-Anhalt gehen; vielmehr gehe ich lieber selbst hin und spreche mit Unternehmern, mit Selbständigen und mit Vertretern der Unternehmen, die heute die Weichen richtig gestellt haben und die weltweit tätig werden auf Grund des Fleißes und des Ideenreichtums dieser Menschen, deren Inno-

Bundesminister Dr. Günter Rexrodt
vationsfähigkeit über 40 Jahre lang unterdrückt worden ist.

(Siegfried Hornung [CDU/CSU], zur PDS gewandt: Die Sie vorher hinter Mauer und Stacheldraht versteckt haben!)

Meine Damen und Herren, wenn ich bitte fortfahren dürfte. Unsere Politik für mehr Selbständigkeit und für eine vitale Unternehmenskultur setzt an fünf Punkten an.
Erstens. Wir brauchen Freiräume und Flexibilität, damit die kleinen und mittleren Unternehmen ihre Verantwortung für Wachstum, Innovation und Beschäftigung wahrnehmen können. Das sogenannte Wirtschaftswunder in Deutschland war ja kein Wunder, sondern das Ergebnis einer Politik, die damals auf wirtschaftliche Freiheiten, auf die Entfaltungsmöglichkeiten der Unternehmen und den Fleiß der Mitarbeiter in den Unternehmen gesetzt hat.

(Ernst Schwanhold [SPD]: Daran muß erinnert werden! Daran denke ich!)

Diese Freiräume brauchen wir auch heute, Herr Schwanhold. Sie stellen sich hier hin, sprechen von Bürokratie und zeigen auf uns. Ich sage Ihnen folgendes: Ich habe in einem Bundesland in zwei großen Behörden sieben Jahre lang Verantwortung gehabt. Ich habe diese Verantwortung in einem Bundesland gehabt, in dem es eine Reihe von Bezirksämtern gab. Diese Bezirksämter waren - nicht überall, aber in der Regel - mit Ihren Parteifreunden und zunehmend auch Leuten aus dem Bereich der Grünen besetzt.

(Zuruf von der CDU/CSU: Aha!)

Herr Schwanhold, ich bin bereit, für folgendes den Wahrheitsbeweis anzutreten: Die mittelständischen Unternehmen sind in Scharen zum Senator für Wirtschaft und zum Senator für Finanzen gekommen, weil sie sich in den Bezirksämtern, in denen Sie Verantwortung hatten, nicht gut aufgehoben fühlten, weil sie im Gegenteil kujoniert worden sind

(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

und weil dort wirtschaftlicher Geist und Unternehmenskultur Fremdwörter waren. Das ist ein Faktum.

(Widerspruch bei der SPD)

Wenn Sie in Sachen Bürokratie mit dem Finger auf uns zeigen, dann zeigen immer drei Finger auf Sie zurück, Herr Schwanhold. Das will ich Ihnen sagen.

(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU Hans Büttner [Ingolstadt] [SPD]: Wer ist denn verantwortlich als Exekutive?)

Auch bei den Lohnnebenkosten müssen wir auf die Bremse treten. Herr Schwanhold, ich habe heute gehört, daß Sie dabei sind, wenn es darum geht, die Lohnnebenkosten zu senken. Ich weiß auch, was Sie vorschlagen: Sie wollen bei der Arbeitslosenversicherung die Leistungen der Bundesanstalt für Arbeit durch den Steuerzahler finanzieren lassen. Sie entlasten damit zugegebenermaßen die Unternehmen und auch die Mitarbeiter. Aber ob das die Lösung ist, lasse ich dahingestellt. Wir können darüber reden.
Mir kommt es darauf an, daß wir in den anderen Bereichen nichts zu Tabuzonen erklären. Sie erklären alles zu Tabuzonen, wo wir im sozialpolitischen Bereich anstoßen und nachdenken wollen. Wir wollen nicht den Sozialstaat abbauen, aber wir wollen ihn auch für mittlere und kleine Unternehmen finanzierbar machen. Daran werden Sie gemessen.

(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Nichts als blasse Worte!)

Das war der erste Punkt. Der zweite Punkt: Wir müssen eine Wettbewerbskultur beleben und die Märkte für mittelständische Unternehmen offenhalten. Hier möchte ich etwas zur Telekommunikation sagen. Da sage ich auch wieder ein Wort in Richtung Opposition: Es reicht nicht, daß wir das Monopol durch Oligopole ersetzen, mit denen Sie liebäugeln. Sie wollen, daß die großen Unternehmen Universalverpflichtungen zur Bedienung der Fläche und darüber hinaus haben.

(Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Wer hat denn die Fusion von Daimler genehmigt?)

- Das hat nichts oder nur sehr wenig mit Telekommunikation zu tun. Lenken Sie doch nicht ab davon, daß Sie die Großbetriebsformen auch in einer Informationsgesellschaft konservieren wollen.

Dr. Rita Süssmuth (CDU):
Rede ID: ID1305505600
Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Urbaniak?

Dr. Günter Rexrodt (FDP):
Rede ID: ID1305505700
Diese gestatte ich noch.

Hans-Eberhard Urbaniak (SPD):
Rede ID: ID1305505800
Herr Minister Rexrodt, Sie haben selber zugegeben, daß der Finanzierungsvorschlag der SPD zur Senkung der Lohnnebenkosten und damit zur Schaffung einer besseren Kondition der Unternehmungen ein sehr interessanter Vorschlag ist. Wenn man diesem folgen würde, dann hätte man neue Möglichkeiten, Arbeitsplätze zu schaffen. Aber das Hauptproblem, das wir doch haben, ist die Arbeitslosigkeit. Wenn ich mir die heute veröffentlichten IWF-Zahlen ansehe, muß ich feststellen, daß da überhaupt keine Entlastung zu erwarten ist, sondern daß die Arbeitslosigkeit auf hohem Niveau bestehen bleibt, und das bis zum Jahre 2000. Sie müssen doch eine Strategie haben - auch mit der Mittelstandspolitik -, dieses Krebsgeschwür endlich auszubrennen.

(Beifall bei der SPD)


Dr. Rita Süssmuth (CDU):
Rede ID: ID1305505900
Ihre Frage, Herr Urbaniak!

Dr. Günter Rexrodt (FDP):
Rede ID: ID1305506000
Was ist denn Ihre Frage, Herr Kollege?


Hans-Eberhard Urbaniak (SPD):
Rede ID: ID1305506100
Ich kann nichts dafür. Eben konnten Sie nicht bis drei zählen, und jetzt haben Sie das nicht verstanden.

(Siegfried Hornung [CDU/CSU]: Er hat keine Frage gestellt!)

Wie Sie das ausbrennen wollen, ist meine Frage.

Dr. Günter Rexrodt (FDP):
Rede ID: ID1305506200
Ihre Frage in allen Ehren. Wir haben in vielen Debatten über die Standortpolitik deutlich gemacht, was wir wollen: Wir wollen, daß sich in diesem Land wettbewerbsfähige Unternehmen entfalten können, mittlere und kleine ganz vorneweg. Dazu müssen wir die Rahmenbedingungen verändern und punktuell auch die eine oder andere Fördermaßnahme ergreifen. Unsere Politik zielt darauf - ich kann Ihnen das in einer Antwort natürlich nur in wenigen Stichworten sagen; ich bitte um Nachsicht -, eine neue Dynamik bei Forschung und Entwicklung zu entfalten. Wir wollen die Sozialsysteme umbauen. Wir wollen Steuern und Abgaben senken. Wir setzen auf mehr Flexibilität bei der Arbeit und am Arbeitsmarkt. Wir setzen darauf, daß dereguliert und entbürokratisiert wird. Wir setzen darauf, daß in den Kommunen und Ländern mehr privatisiert wird, gerade dort, wo Sie Verantwortung tragen. Wir setzen darauf, daß auch kleine und mittlere Unternehmen auf den Weltmärkten, auf den boomenden Märkten vertreten sind.

(Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk [SPD]: Indem Sie die Haushaltsmittel kürzen!)

Das ist ein in sich stimmiges Konzept, zu dem Sie noch nie eine Alternative entwickelt haben, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU - Lachen bei der SPD)


Dr. Rita Süssmuth (CDU):
Rede ID: ID1305506300
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Schwanhold?

Dr. Günter Rexrodt (FDP):
Rede ID: ID1305506400
Nein, ich möchte jetzt gerne fortfahren. Bei 10 Minuten Redezeit bitte ich um Verständnis. Sie hatten 22 Minuten, Herr Schwanhold.

(Ernst Schwanhold [SPD]: Das wird doch nicht angerechnet!)

Ich wollte meinen Gedankengang hier vortragen: Wir brauchen eine Wettbewerbskultur, die kleinen und mittleren Unternehmen den Zugang zum Markt öffnet. Dazu gehört auch der Telekommunikationssektor. Dazu gehört der Ladenschluß, der nicht im Mittelpunkt der Wirtschaftspolitik steht. Er ist eine Unterabteilung des Bereichs Deregulierung, nicht mehr und nicht weniger. Darüber wird noch viel zu sagen sein. Ich erwarte von dort auch Impulse.
Drittens. Wir brauchen eine Gesellschaft, in der die Selbständigen mehr Zugang zum Kapitalmarkt haben. Hier haben wir wichtige Instrumente eingeführt und werden sie fortführen: das EKH-Programm und die ERP-Finanzierung. Wir werden neue Fonds auflegen und neue Möglichkeiten im Osten Deutschlands schaffen. Ich werde dazu in wenigen Tagen öffentlich Vorschläge unterbreiten.
Wir haben im Zuge der Globalisierung der Märkte eine stärkere Mobilität von Kapital und Know-how. Dies setzt die Unternehmen unter einen bestimmten Anpassungsdruck. Wir können in diesem Strukturwandel für unsere Unternehmen nur etwas tun, wenn wir auf der ganzen Breite den Mittelstand über Fördermaßnahmen unterstützen.
Das ist bei knappen Haushalten kein leichtes Unterfangen, aber das, was wir über die industrielle Gemeinschaftsforschung, über das RKW, über die vielen Programme, die beim Kollegen Rüttgers laufen, tun, kann sich sehen lassen.
Es wäre schön, wenn wir für den Osten Deutschlands noch mehr Mittel zur Verfügung hätten. Hier kommt es darauf an, daß bestimmte Strukturen nicht wegbrechen und neue nachwachsen. Das, was geschehen ist, kann sich sehen lassen. Es ist nicht so, daß es in Ostdeutschland einen Kahlschlag bei Forschung und Entwicklung gegeben hat. Wir standen vor der schwierigen Aufgabe, eine völlig anders strukturierte Forschungslandschaft mit null Aktivitäten im Mittelstand so zu strukturieren, daß in Ostdeutschland auch auf diesem Sektor eine Wettbewerbsfähigkeit mit dem entsteht, was auf dem Weltmarkt üblich ist.

(Beifall bei der F.D.P. sowie des Abg. HansUlrich Köhler [Hainspitz] [CDU/CSU])

Meine Damen und Herren, viele Beschäftigungsfelder sind blockiert. Wir haben in Deutschland beklagenswerterweise eine hohe Anzahl Arbeitsloser. Aber wenn wir neue Beschäftigungsfelder erschließen, wird immer noch blockiert. Es gibt genügend Potentiale in Deutschland, z. B. im Bereich der privaten Haushalte, im Bereich von Pflege und Gesundheit, bei Handel und Dienstleistungen, in der Umwelt- und Energietechnik und vor allem in Zukunftsbereichen wie der Informationstechnik.
Diese Felder wollen wir auch über steuerliche Maßnahmen offenhalten und erschließen. Sie sind es, die das durch unsinnige Vorstellungen, auch im Steuerrecht, blockieren, meine Damen und Herren von der SPD.

(Beifall bei Abgeordneten der F.D.P. und der CDU/CSU)

Wir fahren eine kontrollierte Offensive für mehr Selbständigkeit und eine Unternehmenskultur. Mit dem Jahressteuergesetz haben wir bereits die Generationenbrücke für die Unternehmensnachfolge gebaut. Für uns kommt es darauf an, daß wir bei der Unternehmensteuerreform vorankommen, bei der Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer, der mittelstandsfreundlichen Senkung der Gewerbeertragsteuer und deren endgültiger Abschaffung. Wir wollen am Ende so schnell wie möglich nach Abschaffung des Solidarzuschlags auch eine Steuersenkung

Bundesminister Dr. Günter Rexrodt
über den gesamten Tarif. Das ist nicht von heute auf morgen zu machen, aber dieses Ziel, gerade im Interesse des Mittelstands, dürfen wir in der Steuerpolitik nie aus den Augen verlieren.

(Beifall bei der F.D.P.)

Meine Damen und Herren, es reicht nicht, dem Mittelstand in Sonntagsreden Elogen zu machen, wie das eigentlich von allen Seiten gemacht wird. Es reicht auch nicht, uns gegenseitig in der Auflage von Förderprogrammen für den Mittelstand zu übertreffen. Der Mittelstand braucht Förderung, gezielt und so angelegt, daß daraus wirklich Selbständigkeit entsteht oder diese erhalten wird.
Wir brauchen eine Unternehmenskultur, die das Lebenswerk der Mittelständler anerkennt, die ihre Leistung würdigt, die ein Umfeld schafft, das dazu beiträgt, daß sich die Bürokratie als Dienstleister für Selbständige und für kleine und mittlere Unternehmer versteht. Die Verantwortlichen dürfen sich nicht hinsetzen und hoheitlich darüber befinden, was kleine und mittlere Unternehmen zu tun oder zu lassen haben, sondern müssen in den Behördenstuben darüber nachdenken, wie sie kleinen und mittleren Unternehmen helfen können, damit diese ihre Freiräume ausschöpfen und einen wesentlichen und wichtigen Beitrag dazu leisten können, daß in Deutschland mehr Beschäftigung entsteht.

(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

Diese Atmosphäre brauchen wir, das ist Unternehmenskultur.
Staatssekretär Kolb als Mittelstandsbeauftragter der Bundesregierung und der Bundesminister für Wirtschaft werden weiterhin ihr Hauptanliegen darin sehen, den Mittelstand in Deutschland zu fördern. Die Bundesregierung und die Koalition fühlen sich darauf verpflichtet.
Schönen Dank.

(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)


Dr. Rita Süssmuth (CDU):
Rede ID: ID1305506500
Das Wort zu einer Kurzintervention hat der Abgeordnete Wolfgang Bierstedt.

Wolfgang Bierstedt (PDS):
Rede ID: ID1305506600
Herr Minister Rexrodt, haben Sie keine Sorge, daß ich mich darüber beklage, daß Sie nicht mit mir in die Firmen gehen wollen! Ich kann Ihnen aber ein bißchen behilflich sein und Ihnen ein paar Termine verschaffen, sowohl bei den Geschäftsführungen als auch - da Sie sich da anscheinend nicht sehen lassen - bei den Gewerkschaften und den Betriebsräten.

(Vorsitz : Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch)

Es ist ganz einfach nicht wahr, was Sie sagen: daß auch jetzt noch Betriebe in den neuen Bundesländern kaputtgehen, weil sie marode gewesen sind, daß sie in die Knie gehen, weil 40 Jahre Mißwirtschaft geherrscht hat. Sie müssen die Tatsache zur Kenntnis nehmen, daß Betriebsräte, Gewerkschaften
und Geschäftsführungen mittlerweile gemeinsam für den Erhalt der Arbeitsplätze kämpfen, und das oftmals auch gegen die BVS. Ich nenne nur das Beispiel SKET, ich nenne die Maschinenfabrik Buckau. Dort geht es um Marktbereinigung, dort gibt es mittlerweile modernisierte Betriebe, engagierte Belegschaften - auch wenn sie einen schweren Stand haben - und engagierte Geschäftsführungen.
Sie sagen, Sie stellten fest, daß die Industrie im Osten kaputtgeht, weil die DDR es geschafft hat, die Betriebe in 40 Jahren marode zu machen. Das stimmt einfach nicht. Schauen Sie sich das dort an! Wenn Sie schon nicht mit mir gemeinsam dort hingehen, gebe ich Ihnen doch den guten Rat: Wenden Sie sich an mich, ich verschaffe Ihnen dort Wege hinein.
Danke schön.

(Beifall bei der PDS)


Dr. Burkhard Hirsch (FDP):
Rede ID: ID1305506700
Herr Minister, Sie haben die Möglichkeit zu antworten. - Bitte.

Dr. Günter Rexrodt (FDP):
Rede ID: ID1305506800
Herr Kollege, ich nehme Ihr Angebot dankend an, darf Ihnen aber versichern, daß ich gerade in Ihrem Heimatland Sachsen-Anhalt gute und enge Kontakte habe. Ich gebe Ihnen zu, daß sich dort viele gemeinsam bemühen, die Freiräume, die wir nun für sie geschaffen haben, auszunutzen.
Aber glauben Sie mir eines: Niemand dort übersieht, welches die Ursachen der schwierigen wirtschaftlichen Situation sind. Alle wissen, daß sie heute durch ihre eigenen Anstrengungen die Möglichkeit haben, mit Schwierigkeiten fertigzuwerden. Einige schaffen es, andere müssen ausscheiden. Das ist bitter, aber das ist nun einmal verbunden mit einer marktwirtschaftlichen Erneuerung, wie sie in einer außerordentlich erfolgreichen und beeindruckenden Weise auch in Sachsen-Anhalt stattgefunden hat.

(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)


Dr. Burkhard Hirsch (FDP):
Rede ID: ID1305506900
Ich erteile dem Abgeordneten Christian Müller das Wort.

Christian Müller (SPD):
Rede ID: ID1305507000
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Über die Situation des ostdeutschen Mittelstandes zu reden bedeutet zweifellos, Licht und Schatten gegenüberzustellen. Ich meine schon, daß der hier bereits öfters debattierte Mangel an Ausbildungsplätzen in Ostdeutschland ein Indikator für den Zustand der Wirtschaft an sich ist.
Kein Zweifel: Auch in den östlichen Bundesländern sind die kleinen und mittleren Unternehmen zu einem tragenden Bestandteil dieses in sich schwachen Teils unserer Volkswirtschaft geworden, der sich, ausgehend von einem sehr niedrigen Niveau, mit beachtlichen Zuwachsraten zu entwickeln beginnt.

Christian Müller (Zittau)

Es wäre allerdings deutlich verheißungsvoller, wenn man die Chance dieser mittelständischen Wirtschaft in einem Umfeld diskutieren könnte, das durch einen ausgeprägten industriellen Sektor mit bodenständigen Firmensitzen gekennzeichnet wäre, worin ohne Zweifel ein Hauptproblem der ostdeutschen Wirtschaft besteht, deren Transformation insgesamt wohl als abgeschlossen betrachtet werden kann. Dann allerdings müßte man auch noch einmal über die strukturellen Wirkungen der Treuhandprivatisierungspolitik reden.

(Beifall bei der SPD)

So ist zunächst nur festzustellen, daß in Ostdeutschland praktisch nur kleine und mittlere Unternehmen existieren. Zahl und Bedeutung dieser Unternehmen stehen außer Zweifel. Daß mindestens einige 30 % dieser Unternehmen in einer sehr schwierigen Situation sind, ist bekannt. Dabei hat in der ostdeutschen Industrie der Mittelstand erheblich an Bedeutung gewonnen. Zu ihm zählt der größte Teil der Unternehmen, knapp 80 %. Er stellt etwa 40 % der industriellen Arbeitsplätze. Den übrigen, an der Beschäftigung gemessen, größeren Teil der ostdeutschen Industrie machen im wesentlichen die Zweigbetriebe westdeutscher und ausländischer Unternehmen aus.
Das bedeutet dann insgesamt, daß in Ostdeutschland zwar knapp ein Fünftel der deutschen Bevölkerung wohnt, der Beitrag zur nationalen Industrieproduktion aber nur 5 % beträgt. Einem Beschäftigungsaufbau in den Dienstleistungsbereichen steht noch immer ein Abbau in den meisten industriellen Bereichen gegenüber.

(Ernst Schwanhold [SPD]: Dann stellt Herr Rexrodt sich hier hin und feiert sich ab!)

Lassen Sie mich einige Bemerkungen zu den wichtigsten Problemen der mittelständischen ostdeutschen Wirtschaft machen. Das DIW weist zu Recht darauf hin, daß in Ostdeutschland ein Defizit an großen Unternehmenszentralen besteht. Weil es vorrangiges Motiv westlicher Unternehmen war, den ostdeutschen Markt zu bedienen und ihn damit auch zu erobern, wurden in der Regel keine zentralen Aufgabenbereiche dorthin verlagert. Der Handel ist dafür nur ein typisches Beispiel. Der Mangel an einheimischen strukturbestimmenden Unternehmen, also an industriellen Kernen, und die dazugehörige geringe Zahl neu angesiedelter Großunternehmen verhindern bis heute noch eine Neuformierug der Zuliefererindustrie. Die früheren Netzwerke müssen mühsam durch neue ersetzt werden. Kontakte, Informationsaustausch, Lieferprofil und Kooperationsmöglichkeiten müssen neu hergestellt werden. Dabei haben die neu entstandenen strukturschwachen Regionen Ostdeutschlands besonders schlechte Karten, denn es sind die gleichen Gründe wie im Westen, die dazu führen, daß ein Unternehmen lieber in einen Ballungsraum anstatt in eine strukturschwache Region geht.

(Beifall bei der SPD und der PDS)

Um diese bedeutenden Defizite der ostdeutschen Industrie, der Wirtschaft an sich, wenigstens ansatzweise auszugleichen, müssen einerseits dringend die endogenen Potentiale in den Regionen deutlich verstärkt werden, was in erster Linie bedeutet, die Schwachstellen der vorhandenen Unternehmen, wie zu geringes Eigenkapital, Marktzugang, Mangel an FuE-Kapazitäten und Innovationsschwäche, abzubauen. Andererseits ist es aber notwendig, verstärkt Großinvestoren für die Ansiedelung in Ostdeutschland zu gewinnen, die einen ostdeutschen Standort als Basis für eine forschungsintensive und fernabsatzorientierte Produktion wählen. Die Einwerbung solcher Unternehmen ist notwendig, damit sich in Ostdeutschland Strukturen und Netzwerke herausbilden können, die später auch ohne Förderung Wachstum, Beschäftigung und hohes Einkommen sichern.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der PDS)

Beide Aspekte werden von der Bundesregierung im Jahressteuergesetz 1996 und im Haushaltsplan nicht richtig bewertet. Die Kürzung der Regionalförderung für Ostdeutschland um 500 Millionen DM und der Markterschließungshilfen um 20 Millionen DM weisen deutlich in eine falsche Richtung. Dies ist vom Grundsatz her falsch.

(Beifall bei der SPD)

Der mit dem Jahressteuergesetz auf den Weg gebrachte mittelfristige Abbau der Förderung für Ostdeutschland war insgesamt eine Fehlentscheidung.
Meine Damen und Herren von der Koalition: Andern Sie noch einmal diese falschen Ansätze. Sie haben dazu die Möglichkeit. Unsere Unterstützung werden Sie haben.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der PDS)

Auch unter Berücksichtigung des Grundsatzes, daß Förderung nicht den Anpassungsdruck von den Unternehmen entfernen darf, gibt es angesichts der vorhandenen Situation keine Alternative zu einer langfristigen überschaubaren Förderung des ostdeutschen Standortes.
Meine Damen und Herren, es ist auch bei einer befristeten und degressiv gestalteten Förderung sinnvoller, dafür heute einen Zeitraum von zehn Jahren anzulegen, statt kurzfristig angelegte Programme immer wieder zu verlängern. Dies heißt dann, die Förderung Ostdeutschlands muß im Mittelansatz der letzten Jahre für einen solchen Zeitraum verstetigt werden, damit ein sich selbst tragendes Gefüge entstehen kann.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der PDS)


Dr. Burkhard Hirsch (FDP):
Rede ID: ID1305507100
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Faltlhauser?


Christian Müller (SPD):
Rede ID: ID1305507200
Aber bitte, Herr Faltlhauser.

Dr. Kurt Faltlhauser (CSU):
Rede ID: ID1305507300
Herr Kollege, ich will mich ja nicht in die Frage einmischen, wo die wirtschaftspolitische Kompetenz in der SPD ihren geometrischen Mittelpunkt hat, hier im Bundestag oder draußen in den Ländern, aber ich will Sie angesichts Ihrer letzten Ausführungen doch fragen, ob Sie zur Kenntnis genommen haben, daß die Regierungschefs aller SPD-regierten Länder in den Verhandlungen über das Jahressteuergesetz der Auffassung waren, daß die Reduzierung der Förderung für die neuen Bundesländer der richtige Weg sei, und daß einige Ihrer Kollegen Länderchefs und Finanzminister in den Verhandlungen über das Jahressteuergesetz sogar kritisch festgestellt haben, daß die Bundesregierung diese Reduzierung der Förderung für die neuen Bundesländer nicht ausreichend stark in Angriff genommen habe.

(Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Hört! Hört! Uwe Lühr [F.D.P.]: Hört! Hört! Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk [SPD]: Wie war das denn bei den Ministerpräsidenten Ihrer Couleur, Herr Kollege?)

Wie können Sie angesichts dieser Tatsache behaupten, daß diese Entscheidung, die wir aus haushaltspolitischen und aus wirtschaftspolitischen Gründen getroffen haben, eine völlig falsche sei? Nehmen Sie an, daß Ihre Kollegen draußen in den Ländern, die auch wirtschaftspolitische Kompetenz haben, auch wenn der Mittelpunkt laut Scharping jetzt hier sein soll, völlig falsch liegen? War das also eine falsche Entscheidung Ihrer SPD-Kollegen?

(Dr. Helmut Haussmann [F.D.P.]: Sehr gut!)


Christian Müller (SPD):
Rede ID: ID1305507400
Sie weisen auf einen wirklich interessanten Aspekt der Debatte hin. Im Grunde genommen wird dieser Ansatz trotzdem nicht anders. Es ist eine Tatsache, daß Ostdeutschland unter den Bedingungen, die wir jetzt haben, letztendlich nicht besser gefördert wird.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Was falsch ist, ist falsch. Wenn wir hier angesichts unserer föderalen Tendenzen in der Bundesrepublik Deutschland diese Widersprüche ausleben müssen, dann ist der Bundestag immer noch der richtige Ort, zu sagen, daß dies trotzdem ein falscher Ansatz ist.

(Beifall bei der SPD)


Dr. Burkhard Hirsch (FDP):
Rede ID: ID1305507500
Herr Kollege, es gibt noch zwei weitere Wünsche nach Zwischenfragen, und zwar von Frau Matthäus-Maier und von Herrn Sperling.

Christian Müller (SPD):
Rede ID: ID1305507600
Ja, sehr gern.

Dr. Burkhard Hirsch (FDP):
Rede ID: ID1305507700
Frau Matthäus-Maier, bitte.

Ingrid Matthäus-Maier (SPD):
Rede ID: ID1305507800
Herr Kollege, können Sie dem Hause bestätigen, daß im Jahressteuergesetz auf Druck übrigens nicht nur der SPD, sondern auch anderer Verlängerungen für Ostdeutschland in bestimmten Teilbereichen vorgenommen worden sind, was wir begrüßen, daß wir aber als SPD z. B. im Finanzausschuß weitergehende Forderungen etwa beim Mietwohnungsbau und der Sonder-AfA erhoben haben, die von den Koalitionsfraktionen leider nicht angenommen wurden?

Christian Müller (SPD):
Rede ID: ID1305507900
Frau Kollegin, das bestätige ich ausdrücklich sehr gern.

Dr. Burkhard Hirsch (FDP):
Rede ID: ID1305508000
Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage des Kollegen Sperling?

Christian Müller (SPD):
Rede ID: ID1305508100
Sehr gern.

Dr. Dietrich Sperling (SPD):
Rede ID: ID1305508200
Könnten Sie dem ganzen Haus bestätigen, daß sich die wirtschaftspolitische Kompetenz von SPD-Länderfinanzministern leider unter dem Gesichtspunkt betätigen muß, daß es eine Bundesfinanz- und -haushaltspolitik eines Bundesfinanzministers Waigel gibt, dessen Politik zu katastrophalen Zuständen nicht nur im Bundeshaushalt geführt hat?

(Beifall bei der SPD Zuruf von der CDU/ CSU: Wo leben Sie denn?)


Christian Müller (SPD):
Rede ID: ID1305508300
Herr Kollege, ich bin Ihnen sehr dankbar für diesen Hinweis. Sie weisen damit auf einen Zusammenhang hin, der diese Situation sehr treffend charakterisiert.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Meine Damen und Herren, die Ostdeutschen müssen in jedem Falle eine Chance erhalten, ihre Lebensgrundlagen selbst zu erwirtschaften. Es liegt auf der Hand - das will ich ausdrücklich unterstreichen -, daß es auch im Interesse der westlichen Bundesländer liegt, daß Ostdeutschland ein wirtschaftlich selbständiger Standort wird.
Dies gilt ausdrücklich auch für den Bereich Forschung und Entwicklung. Zwar ist es mit einigem Mittelaufwand gelungen, den völligen Zusammenbruch der ostdeutschen Industrieforschung aufzuhalten - die Treuhandkonstruktion der ForschungsGmbHs hat diesen Aufschub letztendlich ermöglicht-, aber nur in den seltensten Fällen wurden bei der Privatisierung Arbeitsplätze in der Forschung gesichert. Das ist das eigentliche Problem.
Die innovationsorientierte Politik für Ostdeutschland muß daher auf den Prüfstand. Gegenstand der notwendigen längerfristigen Förderung muß sein, die Standortbedingungen für die Forschung attraktiv zu gestalten. Dazu erschiene es mir auch als sinnvoll, im Rahmen der Regionalförderung, also unserer Gemeinschaftsaufgabe, die Innovationsförderung für den ostdeutschen Markt im Sinne einer marktnahen

Christian Miller (Zittau)

Forschungsförderung auszubauen. Reden wir darüber doch einmal im Zusammenhang mit der Neuabgrenzung und der Neugestaltung der Gemeinschaftsaufgabe, Herr Minister.

(Beifall bei der SPD)

Ich möchte ein paar Bemerkungen zum Eigenkapitalmangel machen. Dieser steht bekanntlich an der Spitze des Problemberges. Bei vielen Unternehmen ist die Liquiditätslage angespannt, und die Möglichkeiten zur Finanzierung sind eingeschränkt oder nicht vorhanden. Das alles ist bekannt.
Hinzu kommt in nicht unerheblichem Maße, daß Existenzgründer und Investoren in ihrer Region auf das Problem stoßen, eine Hausbank zu finden, die überhaupt bereit ist, sich mit dem Vorhaben zu beschäftigen. Es geht also nicht nur um den bekannten Mangel an Risikokapital, sondern gelegentlich auch darum, daß selbst vorhandene dingliche Sicherheiten für Investitionskredite nicht als ausreichend angesehen werden.
Allerdings hat das manchmal auch etwas damit zu tun, daß im Gefolge von Kreisreformen erfolgreiche mit nicht erfolgreichen Sparkassen fusionieren, wodurch am Ende ein Gebilde entsteht, das angesichts seiner Erträge und vorher nicht kalkulierten Investitionen für eigene Gebäude eben nicht mehr der freundliche Ansprechpartner für den Mittelstand der Region ist. So etwas ist in meiner Region geschehen.
Angesichts solcher Probleme, die keinen Einzelfall darstellen, sollten wir gemeinsam darüber nachdenken, ob unsere staatlichen Banken, wie KfW und Ausgleichsbank, nicht für einen Zeitraum von fünf Jahren ohne die Zwischenschaltung von Geschäftsbanken Existenzgründer und Investoren als Kunden aufnehmen sollten und dies für diesen Zeitraum vielleicht auch mit einer Haftungsfreistellung von 80 % verbunden werden könnte.
Es ist außerdem eine sehr leidige Angelegenheit, daß nach den üblichen Modalitäten bewilligte Fördermittel erst nach Vorliegen der Rechnungen ausgereicht werden. Daran kann sowohl ein Investor als auch ein kleiner Handwerker kaputtgehen. Kapitalschwäche ist dafür die Ursache. Daher schlage ich Ihnen vor, über die Einrichtung eines Swingrahmens für kleine und mittelständische Unternehmen zu reden. Er könnte bei den Landesbanken niedrigverzinslich eingerichtet werden und zur Verstetigung und damit zur Sicherung mittelständischer Existenzen beitragen.
In diesem Zusammenhang ist es mir übrigens unverständlich, wie die Bundesregierung in ihrer Antwort auf die entsprechenden Punkte in unserer Großen Anfrage der Meinung sein kann, daß die Beschaffung von Risikokapital in Ostdeutschland und generell in Deutschland unproblematisch sei, während Experten, wie z. B. Landesbankpräsidenten, ganz andere Ansichten vertreten.
Auch bürokratische Verfahrensweisen verdienen Beachtung. Dieses Thema findet sich ebenfalls im Antrag der Koalition zur Entlastung des Mittelstandes wieder. Die Antragsteller bitten den Bundestag
festzustellen, daß der Mittelstand durch ein Übermaß an bürokratischen Regelungen auf allen Ebenen belastet sei. Genau dies streitet die Bundesregierung in ihrer Antwort auf unsere Große Anfrage ab.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie bei Abgeordneten der PDS)

Da ist doch irgendwo ein Widerspruch.
An einer weiteren Stelle in dieser Antwort befinden Sie sich schließlich auch im Gegensatz zur Bundesregierung. Sie fordern, die rechtlichen und steuerlichen Rahmenbedingungen für das Beteiligungsgeschäft attraktiver zu gestalten, was ausdrücklich unsere Unterstützung findet. Aber Ihre Bundesregierung sieht dafür keine Notwendigkeit. Lesen Sie das in dieser Antwort einfach einmal nach.
Eine Forderung in Ihrem Antrag ist besonders bemerkenswert. Da schreiben die Antragsteller von CDU/CSU und F.D.P.: Auch privatisierte Unternehmen, wie die Bundesbahn, müssen bei der Auftragsvergabe die berechtigten Belange des Mittelstandes beachten. - Schön! Wieso müssen sie, wenn sie doch privatisiert sind? Wäre dies von uns gekommen, dann hätten wir uns wieder die üblichen Vorlesungen über Marktwirtschaft anhören müssen.
Meine Damen und Herren, Erörterungen zu Managementproblemen, zu Marktzugang und Marketing gehören ausdrücklich in dieses Thema hinein, ebenso die Probleme des Einzelhandels. Dies ist ohnehin Gegenstand der gesamten Debatte und wird jetzt von mir nicht vertieft.
Abschließend will ich allerdings hinzufügen, daß auch ich sehr dafür bin, die Gewerbekapitalsteuer in Ostdeutschland nicht einzuführen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der F.D.P.)

Hier besteht Handlungsbedarf, meine Damen und Herren. Wir warten auf Ihre Vorschläge zu einer vernünftigen Kompensation für die Kommunen.

(Zuruf von der CDU/CSU: Sehr vernünftig!)

Dann können wir auch über den Rest noch reden.

(Beifall bei der SPD)


Dr. Burkhard Hirsch (FDP):
Rede ID: ID1305508400
Ich erteile das Wort dem Abgeordneten Ernst Hinsken.

Ernst Hinsken (CSU):
Rede ID: ID1305508500
Werter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich pflichte dem Kollegen Schwanhold bei, wenn er sagt, daß diese Mittelstandsdebatte im Deutschen Bundestag längst überfällig ist. Ich meine auch, daß es unser aller Aufgabe ist, die Bedeutung des Mittelstands so in der Öffentlichkeit herüberzubringen, wie es erforderlich ist.
Ludwig Erhard hat einmal gesagt: Wirtschaft ist nicht alles, aber ohne Wirtschaft ist alles nichts.

(Zuruf von der CDU/CSU: Sehr gut!)


Ernst Hinsken
Ich möchte das abwandeln und sagen: Mittelstand ist nicht alles, aber die ganze Wirtschaftspolitik ist ohne den Mittelstand nichts.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)

Werte Kolleginnen und Kollegen, neulich fragte mich jemand, wen ich denn überhaupt zum Mittelstand zähle. Ich antwortete: Jeder, der mit seinem ganzen Vermögen haftet, der seine ganze Kreativität und Leistungsbereitschaft einbringt, der von einer 35-Stunden-Woche träumt und nicht wie ein smarter Manager seinen Hut nehmen kann, wenn es danebengeht, ist für mich der wahre Mittelständler.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)

Ich erspare es mir jetzt, auf die große Zahl von mittelständischen Unternehmen und der darin beschäftigten Mitarbeiter einzugehen; das wurde bereits hinreichend getan. Aber eines möchte ich noch besonders hervorheben, Kollege Müller von der SPD: In den letzten Jahren wurden allein in den neuen Bundesländern über 500 000 mittelständische Unternehmen gegründet. Das war möglich, weil die Bundesregierung eine vernünftige Mittelstandspolitik auch für die neuen Bundesländer aufgelegt hat.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)

Mittelstand bedeutet für mich deutsche Wertarbeit. Für den Mittelstand bedeutet das auch immer zu sagen: Leistung muß sich lohnen. Wenn ich den SPD-Antrag lese, Kollege Schwanhold, dann meine ich, vieles könnte auch von uns sein, und ich weiß nicht: Hat man hier abgeschrieben oder ein bißchen umformuliert? Nach Auswertung dieses Antrages finde ich, Uwe Jens hatte recht, als er in der vorigen Woche feststellte, daß es in Sachen Wirtschaftspolitik zwischen der Regierungspolitik und der SPD nur marginale Unterschiede gibt. Auch Ihnen ist es heute nicht gelungen, allzuviel Gegensätzliches herauszuarbeiten.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich der Bedeutung des Mittelstands wegen noch ein Zitat unseres Bundespräsidenten Herzog anführen, der gesagt hat, „Eigeninitiative und Verantwortungsbewußtsein, Kreativität und Innovationsbereitschaft, Individualität und persönliches Können, Solidarität und Gemeinsinn", alles klassische Tugenden des Mittelstandes, seien heute und in Zukunft wichtiger denn je. Dem ist meines Erachtens nicht allzuviel hinzuzufügen.
Herr Bundeswirtschaftsminister Rexrodt, Ihnen und unserem Bundesfinanzminister Waigel möchte ich dafür danken, daß Sie im Bundeshaushalt über 2,3 Milliarden DM allein für die Mittelstandsförderung ausgewiesen haben. Das zeigt, daß die Bundesregierung auch weiterhin mittelstandsfreundliche Politik machen möchte.

(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

Werte Kolleginnen und Kollegen, wenn ich den einzelnen Mittelständler draußen frage, was ihn bedrückt, dann gibt es Klagen über zu hohe Steuern, zuviel Bürokratie, zu hohe Sozialkosten, zu hohe Lohnnebenkosten, zu lange Planungs- und Genehmigungsverfahren, zuwenig Fachkräfte.

Dr. Burkhard Hirsch (FDP):
Rede ID: ID1305508600
Herr Kollege Hinsken, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Schwanhold?

Ernst Hinsken (CSU):
Rede ID: ID1305508700
Selbstverständlich, Herr Kollege Schwanhold.

Ernst Schwanhold (SPD):
Rede ID: ID1305508800
Herr Kollege Hinsken, würden Sie mir bestätigen, daß man bei 2,3 Milliarden DM für den Mittelstand, die Sie bei einem Gesamtvolumen von 460 Milliarden DM ansprechen - das sind 0,5 % des Gesamthaushalts -, angesichts der Bedeutung, die Sie soeben beschworen haben, die Adäquatheit des Mitteleinsatzes in Frage stellen kann?

Ernst Hinsken (CSU):
Rede ID: ID1305508900
Herr Kollege Schwanhold, es kommt für den Mittelstand nicht nur darauf an, was man finanziell einsetzt, sondern es müssen vor allen Dingen die Rahmenbedingungen stimmen, für die wir sorgen. Wir werden finanziell soviel zur Verfügung stellen, wie es die Haushaltssituation erlaubt.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der F.D.P.)


Dr. Burkhard Hirsch (FDP):
Rede ID: ID1305509000
Gestatten Sie noch eine Zwischenfrage?

Ernst Hinsken (CSU):
Rede ID: ID1305509100
Ja, gern.

Hans Michelbach (CSU):
Rede ID: ID1305509200
Herr Kollege Hinsken, können Sie bestätigen, daß erstmals überhaupt bei der Förderung in den neuen Bundesländern auch der mittelständische Einzel- und Großhandel gefördert wird?

Ernst Hinsken (CSU):
Rede ID: ID1305509300
Herr Kollege Michelbach, auch das kann ich bestätigen, und ich bestätige es gern. Man hat hier versucht, den kleinen Händlern unter die Arme zu greifen und das Notwendige in finanzieller Hinsicht zur Verfügung zu stellen. Auch das spricht für die vernünftige Wirtschafts- und Mittelstandspolitik dieser Bundesregierung.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich habe soeben versucht, einige Aspekte dessen herauszuarbeiten, was den Mittelständler draußen bewegt. Ich habe seine Sorgen und Klagen beschrieben. Ich kann mir ersparen, näher auf die Einzelheiten im Hinblick auf die Steuer- und Abgabenpolitik einzugehen; denn dazu wurde bereits hervorragend und großartig vom ersten Redner der CDU/CSU-Fraktion, dem Kollegen Doss, etwas ausgeführt.

Ernst Hinsken
Er hat die Steuerpolitik in den Mittelpunkt seiner Ausführungen gestellt. Ich möchte nur ergänzend hinzufügen: Wir sind alle gefordert. Allein in den nächsten fünf, sechs Jahren stehen 700 000 Betriebsübernahmen bundesweit an. Wir müssen uns um ein Erbschaftsteuergesetz bemühen, das es dem einzelnen Betriebsnachfolger erlaubt, den Betrieb zu übernehmen. Die Übernahme muß für ihn wirtschaftlich interessant bleiben.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der F.D.P.)

Dabei setze ich auch auf Sie, meine Damen und Herren von der Opposition. Ich meine, man muß schon zwischen Betriebsvermögen mit Sozialpflichtigkeit und Privatvermögen unterscheiden. Ich möchte noch einen Satz hinzufügen: Bezüglich der Vermögensteuer bin ich der Meinung, daß sie keine Daseinsberechtigung hat. Über sie sollten wir nachdenken.

(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. sowie der Abg. Ingrid Matthäus-Maier [SPD])

Ich beziehe mich auch auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das jüngst gesagt hat, daß gerade bei der Entscheidungsfindung der Einheitsbewertung eine Mittelstandsverträglichkeit in den Vordergrund zu stellen ist.
Der zweite Bereich ist die Bürokratiebelastung. Wenn wir ehrlich sind, müssen wir Politiker uns an die eigene Brust klopfen. Wir haben zu viele Gesetze beschlossen und den Bürger zu sehr reglementiert. Das müssen wir jetzt ändern, denn die Bürokratie belastet vor allem den Mittelstand.
Von jährlich 58 Milliarden DM Kosten entfallen allein 56 Milliarden DM - das sind 96 % - auf mittelständische und kleine Betriebe. Jeder Arbeitsplatz ist hier mit 7 000 DM Bürokratiekosten belastet, während bei den Großbetrieben die Belastung durchschnittlich nur bei 305 DM liegt. Das heißt, der Mittelständler zahlt zwanzigmal soviel an Bürokratiekosten wie ein Großbetrieb.
Deshalb meine ich - das möchte ich auch fordern -, daß wir alle zusammen beim Beschluß neuer Gesetze darüber nachdenken sollten, ob es sinn- und zweckvoll ist, diese Gesetze auch auf Mittelstandsverträglichkeit zu überprüfen, bevor sie Gesetzesform erlangen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der F.D.P. sowie des Abg. Ernst Schwanhold [SPD])

Es darf nicht nur über den Mittelstand geredet werden, sondern es muß auch danach gehandelt werden.

(Ernst Schwanhold [SPD]: Das ist richtig!)

Ein weiterer Bereich betrifft die Soziallasten. Wir müssen Problembewußtsein dafür schaffen - Kollege Schwanhold, Sie haben mir vorhin aus der Seele gesprochen -, daß nur das verteilt werden kann, was erwirtschaftet wird.
Ich möchte noch etwas daraufsetzen. Sozial ist für mich nicht der, der verteilt - das kann jeder -, sozial ist für mich der, der arbeitet und etwas leistet, damit es überhaupt etwas zu verteilen gibt.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der F.D.P.)

Das müssen wir verstärkt herüberbringen, damit dem einzelnen bewußt wird, daß nicht alles, was an Wünschen herangetragen wird, auch umgesetzt werden kann.
Der nächste Problembereich sind die Planungs- und Genehmigungsverfahren. Hier handeln die Bundesregierung und die sie tragenden Parteien. Es wird nicht nur geredet. Wir haben uns in den letzten Monaten intensiv mit diesem Thema auseinandergesetzt. Wir haben einen Vorschlag erarbeitet, der jetzt in den Gang der Gesetzgebung geht und hoffentlich zum 1. Januar 1997 umgesetzt werden kann.
Kernelemente unseres Vorschlages sind: Wir wollen ein Angebotsmodell. Wir wollen, daß die Behörden nicht auf ein einziges starres Verfahrensmodell festgelegt werden. Wir wollen auch, daß sich die Behörden ihrer Rolle als Dienstleister stärker bewußt werden. Wir wollen gestreckte Genehmigungsverfahren. Wir wollen die Einschaltung eines Projektmanagers. Wir wollen ferner eine Anzeige an Stelle eines Genehmigungsverfahrens erreichen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Es kann und darf doch nicht so sein, wie es jüngst in meinem Heimatland Bayern geschehen ist: daß eine größere mittelständische Firma ein neues Betriebsgebäude plant, zur gleichen Zeit wie bei einem ähnlichen Projekt in Belgien beginnt, das Betriebsgebäude in Belgien bereits seit einem Jahr fertiggestellt ist und der Betrieb läuft, während man in Bayern noch beim Planen ist und dort noch dieser und jener Antrag eingebracht werden muß. Das festigt nicht den Wirtschaftsstandort Bundesrepublik Deutschland.

(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

Wir haben zuwenig Fachkräfte. Deshalb, so meine ich, muß das Bildungssystem vom Kopf auf die Füße gestellt werden. Es kann und darf doch einfach nicht sein, daß wir in der Bundesrepublik Deutschland über 200 000 Studenten mehr haben als Lehrlinge. Darum brauchen wir einen höheren Stellenwert für Meister und Facharbeiter. Bundesbildungsminister Rüttgers liegt richtig, wenn er heute im Bundeskabinett einen Entwurf einbringt, der in diese Richtung geht, der vor allen Dingen die berufliche Bildung mit der akademischen Bildung gleichstellt und der darüber hinaus eine arbeitsmarktpolitische Komponente beinhaltet, die von der CSU in den letzten Jahren landauf, landab gefordert wurde. Wenn nämlich jemand bereit ist, den Weg in die Selbständigkeit zu gehen, und er Arbeitsplätze schafft, dann bekommt er das Darlehen, das ihm für die Prüfung zur Verfügung gestellt worden ist, von seiten des Staates zur Hälfte erlassen. Das ist vernünftige, gute Politik. Diesen Weg sollten wir weiter beschreiten.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)


Ernst Hinsken
Meine Damen und Herren, in den letzten zwei Jahren gab es bei uns in der Bundesrepublik Deutschland eine große Standortdebatte. Sie hat meines Erachtens Früchte getragen, und zwar dahin gehend, daß den Bürgern klargeworden ist, daß mehr Wohlstand nicht erreichbar ist, indem man weniger leistet, daß soziale Systeme finanziert werden müssen, und zwar vom Beitrags- bzw. Steuerzahler, daß Arbeitsplätze nur dann sicher sind, wenn sie international wettbewerbsfähig sind. Das bedeutet, daß der Standort Deutschland wettbewerbsfähig sein muß. Das bedeutet aber auch, daß das neue Bewußtsein zu dem Konjunkturaufschwung im letzten Jahr beigetragen hat. Dieser Optimismus in wirtschaftlicher Hinsicht, aber auch das Vertrauen in die Handlungsfähigkeit und die Seriosität der Politik sind wichtige Grundvoraussetzungen für eine wirtschaftlich erfolgreiche Zukunft auch für den Mittelstand.

(Beifall des Abg. Eduard Oswald [CDU/ CSU])

Wenn wir diese Punkte aufgreifen und wenn wir das, was den einzelnen Mittelständler draußen bewegt, umzusetzen bereit und in der Lage sind, dann ist mir nicht bange, daß der Mittelstand eine Renaissance erlebt und daß bei jungen Mitbürgern vermehrt die Bereitschaft vorhanden ist, in den Mittelstand zu gehen, im Mittelstand tätig zu sein und den Weg in die Selbständigkeit anzutreten.
Ich darf mich für die Aufmerksamkeit herzlich bedanken.

(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)


Dr. Burkhard Hirsch (FDP):
Rede ID: ID1305509400
Ich erteile dem Parlamentarischen Staatssekretär Dr. Heinrich Kolb das Wort.

Dr. Heinrich L. Kolb (FDP):
Rede ID: ID1305509500
Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Der kategorische Imperativ dieser Legislaturperiode heißt: Die Wirtschaftspolitik muß sich verstärkt an den Belangen der kleinen und mittleren Unternehmen orientieren.

(Beifall bei der F.D.P.)

Daß dies so ist, dokumentieren die mittelstandspolitischen Ziele der Koalitionsvereinbarung. Das zeigt aber auch die Einsetzung eines Mittelstandsbeauftragten der Bundesregierung.

(Ernst Schwanhold [SPD]: Das Beauftragtenwesen der Regierung!)

Mein Ziel als Mittelstandsbeauftragter ist es, die Eigenanstrengungen der Unternehmerinnen und Unternehmer in den Fragen der Gründung, Festigung, Entwicklung sowie auch beim Unternehmensübergang durch eine Verbesserung der allgemeinen Rahmenbedingungen sowie durch eine flankierende, zielgerichtete Mittelstandsförderung zu begleiten. Dies ist mir in der Diskussion bisher zu wenig deutlich geworden. Unsere Gesellschaft in Deutschland
baut auf den Mittelstand auf. Ohne ihn hätten wir eine andere wirtschaftliche und auch eine andere soziale Realität, nämlich weniger Wohlstand, weniger Arbeitsplätze und auch weniger Ausbildungsplätze.

(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

Das heißt, liebe Kolleginnen und Kollegen, Mittelstandspolitik ist zugleich auch Gesellschaftspolitik. Wir brauchen im Interesse des Standorts Deutschland mehr Menschen, mehr Unternehmer und Selbständige, die Zukunftsoffenheit mit bewährten mittelständischen Traditionen verbinden, wir brauchen Unternehmer, die nicht nur das Risiko, sondern auch die Chancen unternehmerischer Betätigung sehen. Wir brauchen, um es kurz zu sagen, eine Unternehmergesellschaft.

(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

Ich will einmal auf die neuen Bundesländer eingehen. Was eine spezifische Unterstützung für den Mittelstand leisten kann, ist in den neuen Ländern überaus deutlich geworden. Ober 400 000 neue Existenzen, 3,2 Millionen neue Arbeitsplätze, das spricht für sich. Das kommt nicht von ungefähr. Es war nur durch die nachhaltige konzentrierte Förderung der Existenzgründung durch diese Bundesregierung möglich. So sind aus den beiden wichtigsten Förderprogrammen des Bundes, nämlich dem Eigenkapitalhilfeprogramm und dem ERP-Kreditprogramm, in den neuen Bundesländern insgesamt 56 Milliarden DM zinsgünstige, zum Teil eigenkapitalersetzende Darlehen rund 200 000 Existenzgründern und auch rund 80 000 bestehenden Unternehmen zugesagt worden. Es wird auch in Zukunft eine Förderung im Rahmen des mittelfristigen Förderkonzepts für die neuen Bundesländer geben. Wir haben die Gewährung der allgemeinen Investitionszulage und die Geltung der Sonderabschreibung in modifizierter Form bis 1998 verlängert. Die 10%ige Zulage für das mittelständische verarbeitende Gewerbe und das Handwerk wird unverändert bis 1998 fortgeführt. Neu führen wir ab dem nächsten Jahr - ich halte das für überaus wichtig - eine 10%ige Investitionszulage für den mittelständischen Groß- und Einzelhandel ein.
Darüber hinaus werden wir, was die Stärkung des Risikokapitals anbelangt, neue Wege beschreiten. Neben der Einführung der steuerlichen Freistellung der Gewinne bei Veräußerung von Beteiligungen für die Jahre 1996 bis 1998 bei Reinvestition in mittelständischen Unternehmen wird es auch einen Beteiligungsfonds Ost geben, bei dem in Anlehnung an den früheren § 16 des Berlinförderungsgesetzes eine steuerliche Förderung zusätzlichen langfristigen Haftkapitals für mittelständische Unternehmen bis zu einem jährlichen Gesamtplafond von 500 Millionen DM ermöglicht ist. Ich glaube, das ist ein ganz nachhaltiger Beitrag zur Stärkung der Eigenkapitalstruktur des Mittelstands in den neuen Ländern.

(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, ich sprach davon, daß nur der Mittelstand in den nächsten Jahren einen nachhaltigen Beitrag, zumindest bei summarischer Betrachtung, zur Lösung des Problems

Parl. Staatssekretär Dr. Heinrich L. Kolb
Nummer eins, nämlich der Schaffung neuer Arbeitsplätze in Deutschland, leisten kann. Wenn das so ist, dann ist es richtig, daß die Bundesregierung eine Initiative für mehr unternehmerische Selbständigkeit in Deutschland ergriffen hat, in deren Zentrum die mittelstandsfreundliche Gestaltung von Rahmenbedingungen in mehreren Arbeitsfeldern gehört. Ich kann aus Zeitgründen nur noch wenige nennen.
Es geht einmal darum, daß wir die Unternehmensteuerreform konsequenz fortsetzen. Da ist die Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer und die mittelstandsfreundliche Absenkung der Gewerbeertragsteuer ein ganz zentraler Baustein.

(Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Um es einmal deutlich zu sagen: Die Gewerbesteuer insgesamt ist eine Strafsteuer für diejenigen, die in Deutschland Arbeitsplätze schaffen. Deshalb ist es wichtig, Herr Kollege Schwanhold, die Frage der Kompensation ernst zu nehmen, sorgfältig zu bereden. Aber es darf auch nicht so sein, daß es hier zu einer Blockade kommt. Wir brauchen Bewegung beim Thema Gewerbesteuer.

(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

Wir müssen die Arbeits-, Tarif-, Sozialpolitik mit dem Ziel der Begrenzung der Lohnzusatzkosten überprüfen. Wenn in den nächsten Jahren Arbeitsplätze in kleinen und mittleren Unternehmen entstehen sollen, müssen wir uns auch der Frage der Wachstumsschwellen in kleinen und mittleren Unternehmen widmen, d. h. bestimmter Grenzen, die in das Arbeits- und Sozialrecht eingezogen sind und dazu führen, daß Unternehmen bewußt unter bestimmten Beschäftigungszahlen zurückbleiben. Dies sind Beschäftigungshemmnisse. Sie müssen auf die Tagesordnung.
Herr Kollege Hinsken, aber auch andere haben die Belastung durch Bürokratie schon angesprochen. Es ist richtig, daß das Institut für Mittelstandsforschung den Kostenfaktor Bürokratie thematisiert hat. Die Zahl von 56 Milliarden DM kann ich nur bestätigen. Damit ist die Belastungsfähigkeit der Unternehmen eindeutig überschritten.

(Beifall des Abg. Ernst Hinsken [CDU/ CSU])

Die Bundesregierung hat hier bereits reagiert; sie hat Initiativen ergriffen. Ich nenne nur die Stichworte Waffenschmidt-Kommission, Schlichter-Kommission, Sachverständigenrat „Schlanker Staat".
Um Ihnen einmal eine Vorstellung zu geben: Wenn es gelänge, die bürokratischen Belastungen um 10, 12, 15 % zurückzuführen, dann hätten wir - übrigens ohne daß wir uns im Haushalt Gedanken machen müßten - eine ähnliche Entlastung mittelständischer Unternehmen, wie wir sie etwa durch die Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer erreichen. Deswegen muß das Thema Bürokratieabbau auf der Tagesordnung bleiben.

(Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Ein letzter Punkt - ich muß mich beschränken -: Wer aufbauen will, braucht Nachwuchs. Deswegen ist die Unterstützung der Aus- und Weiterbildungsanstrengungen der Wirtschaft ein wichtiges Thema. Die Modernisierung von überbetrieblichen Bildungsstätten, die Förderung der Aus- und Fortbildung zum Handwerksmeister, das sind Maßnahmen, die den notwendigen unternehmerischen Nachwuchs sichern. Das heute im Kabinett verabschiedete Gesetz zur Förderung der beruflichen Aufstiegsfortbildung ist ein wichtiger Beitrag zur Gleichwertigkeit von beruflicher und akademischer Bildung.

(Dr. Karlheinz Guttmacher [F.D.P.]: Sehr gut!)

Ich glaube, das Parlament hat guten Grund, den beteiligten Bundesministern, dem Bundesminister für Wirtschaft, Herrn Dr. Rexrodt, und dem Bundesminister für Forschung und Technologie, Herrn Dr. Rüttgers, zu danken. Beide Häuser haben Seite an Seite gearbeitet und ihre Last bei der Finanzierung getragen.

(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

Zum Schluß: Mittelstandspolitik muß und kann noch mehr als bisher mit den Augen der Unternehmer gesehen werden. Dazu gehört auch, daß wir die Benutzerfreundlichkeit der Förderprogramme des Bundes und der Länder erhöhen und sie straffen.
Die Kollegin Probst, die jetzt leider nicht mehr da ist, hat hier einen weiteren Bericht angefordert. Ich würde ihr empfehlen, bevor sie neue Berichte fordert, erst einmal den Bericht zu lesen, den ich als Mittelstandsbeauftragter erst vor wenigen Wochen zum Thema Transparenz und Konsistenz der Mittelstandsförderung vorgelegt habe.

(Ernst Schwanhold [SPD]: 500 Programme!)

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, ich muß zum Schluß kommen. Ich glaube, wir brauchen in Deutschland einen starken Mittelstand, aber auch ein Umdenken, was die Anerkennung mittelständischer Leistung, der Leistung der selbständigen Unternehmer in Deutschland anbelangt.

(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

Auch dazu kann dieses Haus einen Beitrag leisten und dazu möchte ich Sie nachdrücklich auffordern.
Vielen Dank.

(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)


Dr. Burkhard Hirsch (FDP):
Rede ID: ID1305509600
Ich erteile dem Abgeordneten Karl-Heinz Scherhag das Wort.

Karl-Heinz Scherhag (CDU):
Rede ID: ID1305509700
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal lassen Sie mich eine Anmerkung zu dem gestern in der „Bild"-Zeitung erschienenen Artikel darüber, was Abgeordnete nebenbei verdienen, machen. Auch ich war dort genannt, und zwar mit elf Nebentätigkeiten. Dabei hat der Journalist natürlich vergessen, zu sagen, daß von den elf Nebentätigkeiten neun ehrenamtlich

Karl-Heinz Scherhag
ohne Bezahlung sind. Ich denke, das festzustellen, gehört zur Ordnung, wenn man schon über Abgeordnete und deren Verdienst spricht.
Zwei der Tätigkeiten sind, meine Damen und Herren, Tätigkeiten in meiner Firma. Ich gebe in meiner Firma immerhin 50 Familien Brot und Einkommen und garantiere ihre Existenz. Ich denke, daß der Schreiber dies zur Kenntnis nehmen sollte, wenn er schon über Abgeordnete des Mittelstands spricht.

(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

Des weiteren habe ich gestern abend im Fernsehen eine Anmerkung von Ihnen, Herr Kollege Schulz von den Grünen, gehört, wo Sie sagten, alle Nebentätigkeiten von Abgeordneten müßten eingestellt werden.

(Ernst Schwanhold [SPD]: Kluge Bemerkung!)

Ich gehe davon aus, daß Sie damit alle Mittelständler, Landwirte, Einzelhändler und Handwerker aus dem Parlament ausschließen wollen und daß Sie unter sich bleiben wollen. Anders kann ich das nicht interpretieren. Sie wissen doch: Wenn man in dieses Parlament gewählt wird, soll man finanziell unabhängig und frei sein und jederzeit in seinen Beruf zurückkehren können. Das sollten Sie sich merken. Ich weiß allerdings nicht, ob Sie noch einmal in Ihren Beruf zurückkehren können oder ob Sie überhaupt einen haben.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der F.D.P. Werner Schulz [Berlin] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie Sie beide Berufe miteinander vereinbaren können, ist mir ein Rätsel! Sie sind Mittelständler und Berufspolitiker!)

- Lieber Kollege, ich lebe von meinem Betrieb. Ich bin Gott sei Dank in jeder Weise unabhängig.
Meine Damen und Herren, der Mittelstand schafft in diesem Lande die meisten Arbeitsplätze. Er trägt einen Löwenanteil der Ausbildung und ist ein unverzichtbarer Teil der Sozialen Marktwirtschaft. Der Mittelstand braucht und verdient politische Rahmenbedingungen, nach denen er seine Leistungen entfalten kann.
Der Mittelstand ist zunächst einmal der Garant der Ausbildung. Ich möchte Ihnen die neuesten Zahlen bekanntgeben: Das Handwerk wird dieses Jahr 600 000 Lehrstellen zur Verfügung stellen, wie es sie versprochen hat. Damit ergibt sich bis zum 31. August in den neuen Bundesländern ein Plus von 17,2 %, in den alten Bundesländern ein Plus von 6,2 %. Das sind 216 100 Lehrstellen mehr.

(Ernst Schwanhold [SPD]: Sehr gut!)

Damit müßte nun eigentlich die Umlagenfinanzierung, die Sie, Herr Kollege Schwanhold, ständig fordern, endlich vom Tisch sein;

(Ernst Schwanhold [SPD]: Wovon reden Sie eigentlich? Ich habe nichts von einer Umlage gesagt!)

denn dies ist gegenüber den ausbildenden Betrieben in keiner Weise gerechtfertigt.
Meine Damen und Herren, in der Kürze der Zeit, die mir zur Verfügung steht, möchte ich noch zur Existenzsicherung kommen. Die Existenzsicherung der Unternehmen ist von besonderer Bedeutung. Wir brauchen gute Rahmenbedingungen und das Vertrauen der Betriebe. Wir brauchen die Möglichkeit, daß die Betriebe weiterhin existieren können. Wir brauchen aber nicht die Umverteilungsmentalität der SPD. Die Betriebe müssen sich selbst finanzieren können; sie müssen überleben können. Das ist nur möglich, wenn sie gute Bedingungen haben. Wir sollten deshalb diese Diskussion beenden.
Zu den Betriebsübergaben. Der Kollege Hinsken hat schon darauf hingewiesen, daß in den nächsten Jahren 700 000 Betriebe zur Übergabe anstehen, davon 250 000 im Handwerk. Meine Damen und Herren, wir brauchen hier auch Gesetze für die Erbschaftsteuer bei Unternehmensübergaben. Diese Betriebe können nur übernommen werden, wenn Kapitalleistungen und Kapitalhilfeprogramme zur Verfügung stehen.
Zur Existenzsicherung noch einige Daten: Rund 3 Millionen Unternehmen, 'das sind zu 99,8 % Meine und mittlere Unternehmen, d. h. Unternehmen mit weniger als 500 Beschäftigten bzw. weniger als 100 Millionen DM Umsatz, beschäftigen zwei Drittel aller Arbeitnehmer, bilden aber vier Fünftel aller Lehrlinge aus. Deshalb nochmals die Forderung, Kapitalhilfe für die Nachfolger zu leisten und die Möglichkeit einzuräumen, Arbeitsplätze und Lehrstellen zu sichern.
Ich möchte noch etwas zu dem Bereich der Existenzgründung sagen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, zur Existenzgründung gehört zunächst einmal Vertrauen. Wenn die Leute in die Kammern kommen und fragen: Was erwartet uns eigentlich als Existenzgründer?, dann muß gesagt werden: Viel Arbeit, viel Risiko, kein Urlaub. Am Schluß, wenn sie es geschafft haben, wenn sie tatsächlich Kapital gebildet haben, dann kommen die Umverteiler der SPD und nehmen das Geld wieder weg.

(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. Rolf Köhne [PDS]: Demagoge!)

- Das ist die Wahrheit. Sie brauchen nicht herumzugrölen. Immer Ihre Heuchelei, meine Damen und Herren von der PDS! Daß Sie hier im Saal sitzen und überhaupt den Mut haben, über Mittelstand zu sprechen! Sie müssen sich doch schämen.

(Dr. Dagmar Enkelmann [PDS]: Wir sind gewählt, Sie Demokrat!)

Soll ich Ihnen einmal etwas sagen: 40 Jahre lang haben Sie den Mittelstand unterdrückt. Sie hätten doch am liebsten das Wort „Mittelstand" aus dem Duden gestrichen.

Dr. Burkhard Hirsch (FDP):
Rede ID: ID1305509800
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Köhne?


Karl-Heinz Scherhag (CDU):
Rede ID: ID1305509900
Nein.

(Dr. Barbara Höll [PDS]: Das ist Mißachtung von Wählerwillen!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir brauchen unmittelbare Erleichterung von Existenzgründungen. Wir brauchen Steuerfreiheit und Umschulungen für Betriebe. Für die Existenzgründer brauchen wir vor allen Dingen ausgezeichnete Ausbildung und betriebliche Kenntnis.
Meine Damen und Herren, die Pleiten in den neuen Ländern sind nicht auf mangelnde Investitionen zurückzuführen. Es ist im Grunde genommen nichts anderes, als daß die meisten Betriebsinhaber ohne betriebswirtschaftliche Kenntnisse in bestimmte Situationen hineinkamen. Wir sollten viel mehr Mittel bereitstellen, damit diese Existenzgründer in der Tat mehr betriebliche Kenntnisse erwerben können. Dann werden wir weniger Pleiten haben.
Ich komme zum Schluß, meine Damen und Herren. Liebe Kollegen, ich hoffe und wünsche, daß wir alle gemeinsam die Rahmenbedingungen schaffen, die die Betriebe brauchen. Die Politik muß gemeinsam dem Mittelstand helfen. Ohne Mittelstand geht es bei uns nicht.
Meine Damen und Herren, der Mittelstand kann seine Arbeitsplätze, seine Existenz nicht ins Ausland verlagern. Er ist hier in Deutschland Garant für Arbeitsplätze, für Lehrplätze und für den Bestand unserer Demokratie.
Danke schön.

(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)


Dr. Burkhard Hirsch (FDP):
Rede ID: ID1305510000
Herr Kollege Scherhag, angesichts Ihrer langjährigen ehrenamtlichen Tätigkeit im Interregionalen Rat der Handwerkskammern des Saarlandes, Lothringens und Luxemburgs sowie in den Innungskrankenkassen und - was ich besonders hervorheben möchte - im Rat der Stadt Koblenz ist es fast unpassend, zu erwähnen, daß Sie hier zum erstenmal das Wort ergriffen haben. Aber traditionsgemäß möchte ich Ihnen dazu gratulieren.

(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

Ich erteile nun dem Abgeordneten Dr. Dietrich Sperling das Wort.

Dr. Dietrich Sperling (SPD):
Rede ID: ID1305510100
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen unten im Saal! Verehrte Mehrzahl der Anwesenden auf den Tribünen! Am Dienstag war in der SPD-Fraktion der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz zu Gast. Es war eine überaus interessante Stunde um Fragestellungen der Wertbindung von Politik, konkret und frei von jeder Vermeidung von Zielkonflikten. Es wurde offen geredet.
Am Abend hatten wir eine interessante Begegnung mit Vertretern von mittelständischen Verbänden, Lobbyisten, wenn man so will. Es war alles das Gegenteil von Sonntagsreden.
Das Plenum des Deutschen Bundestages ist für mich der Ort, an dem ich im wesentlichen mit Sonntagsreden konfrontiert werde. Wer wissen will, was eine Sonntagsrede ist, braucht nur die Worte „Der Deutsche Bundestag wolle beschließen" im Antrag der Regierungskoalition zu streichen und hätte dann das perfekte Beispiel einer Sonntagsrede vor sich.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Es sind nur Dinge darin, die sich selbst guten Willen bescheinigen, Versprechungen abliefern und im Abstrakten schwelgen. Konkret wird nichts. Würde man den Haushalt des Wirtschaftsministers durchfilzen, so würde man entdecken, daß er im wesentlichen ein Dementi auf die guten Sprüche in diesem Antrag ist.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der PDS)

Folge ich den Rednern hier weiter, sehe ich, daß Mittelstandspolitik eigentlich auf Subventionspolitik aus dem Haushalt reduziert wird, wenn überhaupt ein Anklang ans Konkrete da ist. Indessen ist Mittelstandspolitik doch wohl auch etwas ganz anderes, jedenfalls nach den Ergebnissen, die wir am Dienstagabend vorgetragen bekommen haben.

(Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Nun sagen Sie doch einmal, was es ist!)

Der Mittelstand ist interessiert an funktionierenden Kommunen.

(Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Auch das!)

Wer eine Finanzpolitik macht, die die Kommunen ruiniert, ruiniert den Mittelstand mit.

(Beifall bei der SPD Zuruf des Abg. Ernst Hinsken [CDU/CSU])

Versicherungsvertreter - hören Sie genau zu, Herr Hinsken; zu Ihnen komme ich gleich noch ein bißchen - bekommen langsam den Verdacht, daß eine Politik, die den Sozialstaat ruiniert, den Versicherungskonzernen neue Kunden zutreiben will.

(Zuruf von der CDU/CSU: Oh!)

- Oh!
Warum machen Sie denn dann nicht eine Politik, die dem entspricht, was eine Marktwirtschaft verlangt: aufgeklärte Kunden! Vom Bundestagshandbuch mit der Verweigerung der Aufklärung über Nebenerwerbseinkünfte der Abgeordneten bis zum Kleingedruckten des Steuerrechts ist alles unverständlich und Verschleierung.

(Zuruf von der CDU/CSU: Jawohl, Herr Oberlehrer!)

Dies gilt auch - an dem Beispiel will ich mich jetzt festhalten -, wenn Versicherungsmakler durch den deutschen Gesetzgeber unter Anführung des Wirtschaftsministers behandelt werden. Versicherungs-

Dr. Dietrich Sperling
makler stehen - sowie sich Europa formiert - vor der Tatsache, daß die ausländischen Versicherungskonzerne - und Versicherungsgesellschaften müssen immer groß sein, weil sie das Risiko auf viele Schultern verteilen müssen - auf den deutschen Markt kommen werden. Und unsere Konzerne fürchten das.
Die einzigen Versicherungsmakler in Europa, die kein Berufsbild haben, das ihren Beruf schützt, sind die deutschen. Europa fordert von uns aus Brüssel Richtlinien. Der Wirtschaftsminister, unter Beifall von Ihnen allen, verweigert die Einhaltung dieser Richtlinien. Demnächst wird im grenznahen Bereich der deutsche Versicherungsmakler den Konkurrenzdruck der französischen, belgischen, holländischen, Schweizer und weiteren Kollegen erfahren, bei denen Regulierungen vorliegen, was die Qualifizierung dieser Berufstätigkeit angeht.

(Zuruf von der CDU/CSU: Das ist keine Sonntagsrede, das ist eine Montagsrede!)

Nur die deutschen Versicherungsmakler bekommen so etwas verweigert.
Nun ist das Interessante: So wie wir als Steuerzahler mit dem Steuerrecht nicht mehr ohne Steuerberater fertig werden, wird man die Produkte der Versicherungskonzerne als Kunde gar nicht ohne sachkundige Beratung begreifen können. Es ist nicht mehr zu erkennen, was im Kleingedruckten der Versicherungsbedingungen steht. Eine sachkundige unabhängige Beratung wäre nötig. Dafür braucht der Kunde den Mittelstand. Dafür braucht der Wettbewerb eine Aufklärung durch selbständige mittelständische Unternehmer. Die gibt es auch. Die wollen dies. Ihnen wird dies verweigert. Sie leben folglich unter Wettbewerbsverzerrungen, und zugleich sind die Kunden die Benachteiligten. Denn Wettbewerb kann nur stattfinden, wenn die Kunden wissen, wie die Produkte im Vergleich aussehen.
Nun mag es Ihnen zu dicke kommen, aber so wie Sie auf den Regierungsbänken gebastelt sind, arbeiten Sie mehr im Interesse der Versicherungskonzerne, die an der Aufklärung der Kunden kein so großes Interesse haben, als im Interesse der Kunden, der kleinen Versicherungsnehmer, die eigentlich wissen müssen, wie die Produkte der Versicherungskonzerne zu vergleichen sind. Das geht nicht ohne eine Aufklärung über das Kleingedruckte.

(Beifall bei der SPD)

Infolgedessen wäre dem Mittelstand und dem Verbraucher gedient, wenn ein Berufsbild geschützt würde. Ergebnis: Sie reden über Deregulierung und verweigern unter diesem irrsinnigen Stichwort eigentlich effektiven Wettbewerb und Aufklärung der Verbraucher in unserem Land und nennen dies auch noch Mittelstandspolitik, obwohl Sie verstecken, daß Sie de facto im Interesse großer Versicherungskonzerne arbeiten.
Deswegen gehört der Mittelstand so organisiert und geschützt - dafür müssen gelegentlich auch Regulierungen sein -, daß die Verbraucher in unserer Marktwirtschaft wirklich sinnvoll informiert werden.
Nun könnte man sagen: Mittelstandspolitik ist, wenn kleine Bauunternehmen neben der unlauteren Konkurrenz der hereingeschleppten ausländischen Arbeitnehmer, die sich hier unter Dumpingpreisen anbieten lassen, arbeiten müssen. Da versagt eigentlich der Herr Minister Blüm in der Mittelstandspolitik - nicht der Herr Rexrodt, der sowieso versagt -, weil Mittelstandspolitik auch mit dem Schutz von Arbeitnehmern zu tun hat; denn Arbeitnehmer sind zu einem guten Teil beim Mittelstand beschäftigt. Zwei Drittel der Erwerbstätigen sind in mittelständischen Unternehmen beschäftigt. Mittelständische Unternehmen sind arbeitsplatzintensiv. Würden wir die Lohnnebenkosten senken, wäre dies mehr Mittelstandspolitik, als an der Steuerseite zu drehen.

(Beifall bei der SPD)

Denken Sie darüber einmal nach. Kapitalintensive Unternehmen haben viel weniger von der Senkung der Lohnnebenkosten als Mittelstandsunternehmen.

(Beifall bei der SPD)

In dem Moment, wo Sie an die Lohnnebenkosten herangehen, dienen Sie den Arbeitnehmern, den Kunden des Mittelstandes und den mittelständischen Unternehmen. In dem Moment, wo Sie an der Gewerbekapitalsteuer drehen, dienen Sie viel mehr den großen Unternehmen, den Konkurrenten, die den Mittelstand kleinmachen.

(Beifall bei der SPD)


Dr. Burkhard Hirsch (FDP):
Rede ID: ID1305510200
Herr Kollege Sperling, Sie müssen zum Schluß kommen.

Dr. Dietrich Sperling (SPD):
Rede ID: ID1305510300
Meine Zeit ist zu Ende, Herr Präsident. Deswegen verabschiede ich mich mit einem unfreundlichen Wort. Worum es geht, ist, eine Politik zu beenden, in der, wie man sonst sagen würde, eine Dame ohne Unterleib, die F.D.P., die keine Bodenhaftung durch kommunalpolitische Zehen und just noch einen Nabel in Form von Herrn Gerhardt in der Landespolitik hat, -

Dr. Burkhard Hirsch (FDP):
Rede ID: ID1305510400
Herr Kollege, Sie müssen Ihre Rede beenden. Dann bitte ich Sie, das auch zu tun. Haben Sie gehört?

Dr. Dietrich Sperling (SPD):
Rede ID: ID1305510500
- also gerechterweise als freischwebende Glatzenpartei bezeichnet werden müßte, was die Bundesebene angeht - -

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der PDS)


Dr. Burkhard Hirsch (FDP):
Rede ID: ID1305510600
Das Wort hat die Abgeordnete Dagmar Wöhrl.

Dagmar G. Wöhrl (CSU):
Rede ID: ID1305510700
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! An unserer heutigen Diskussion sehen wir wieder einmal, für was eine Debatte im Bundestag gut sein kann. Die SPD hat den Mittelstand entdeckt. Gerade noch rechtzeitig ging gestern abend ihr Antrag zum Mittelstand bei uns ein. Ich

Dagmar Wöhrl
muß dazu sagen: lieber spät als nie. Deswegen freuen wir uns natürlich über ihren Umdenkungsprozeß.

(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. Zurufe von der SPD)

Die immense Bedeutung des Mittelstandes sieht man nicht nur an seiner Größe - ca. 5 000 Großunternehmen gegenüber 2,5 Millionen mittelständischen Unternehmen -, sondern auch daran, daß er es ist, der neue Stellen schafft, während die Industrie immer mehr Arbeitsplätze wegrationalisiert.

(Dr. Uwe-Jens Rössel [PDS]: Hört! Hört!)

Er beschäftigt die meisten Arbeitnehmer und bildet die meisten Lehrlinge aus, und dies mit steigender Tendenz.
Ende der 50er Jahre gab es 9,5 Millionen Selbständige, heute sind es nur noch 3,5 Millionen. Obwohl die Quote von 1982 mit 6,9 % 1993 auf 8,2 % gestiegen ist, ist dies immer noch zuwenig. Allein bei 5 % mehr Selbständigen hätten wir 1,5 Millionen Arbeitsplätze mehr.
Leider ist es heute oft selbstverständlich, schon im Ausbildungsalter über die Rente nachzudenken. Risiko will keiner mehr wagen. Nur noch Sicherheit ist gefragt.
Was wir brauchen, ist unternehmerischer Nachwuchs, sind Menschen mit Mut zum Risiko und dem Willen, selbst etwas auf die Beine zu stellen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

Hier, meine Damen und Herren, muß ein gesellschaftlicher Diskurs über den Stellenwert des Unternehmertums in unserer Gesellschaft stattfinden. Ich wende mich besonders an die Kollegen der Opposition: Wer wirtschaftlich erfolgreich ist, darf gesellschaftlich nicht diskreditiert werden.

(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

Leistung und Risiko müssen sich wieder lohnen. Dieses Gefühl müssen die jungen Leute haben, die es wagen, in die Selbständigkeit zu gehen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

Wie schon erwähnt worden ist: Eine große Hürde ist eine zu dünne Eigenkapitaldecke und meist eine Vollkaskomentalität der Banken; das spreche ich hier ganz ausdrücklich an. 4 Billionen DM auf Sparbüchern und Festgeldkonten fehlen den expansionswilligen Betrieben, die oft nur eine Eigenkapitaldecke von 15 % haben.
Meine Damen und Herren, in den nächsten zehn Jahren werden wir einen Erbgang erleben, der ungefähr 1 500 bis 2 000 Milliarden DM zum Gegenstand hat. Wir können sicher sein, daß die Erben das Geld meist nicht unternehmerisch einsetzen werden. Wahrscheinlicher ist das Buddenbrooksche Phänomen, nämlich daß die dritte und vierte Generation eher verzehrt, als daß sie neu unternehmerisch tätig ist.
Die Frage ist nun die: Wie bringt man dieses Kapital zu den Menschen, die unternehmerisch tätig sein und eventuell auf Grund einer guten Auftragslage auch expandieren wollen, denen aber das nötige Kapital fehlt?
In bezug auf das bereits angesprochene Risikokapital können wir uns ein Beispiel nehmen an den USA und Japan. In den USA finanzieren sich allein 25 % der jungen Unternehmen mit Hilfe von Venture-Kapitalgesellschaften. In Europa sind es nur knapp 5 %.
Die Bereitstellung von Risikokapital ist nicht grundsätzlich Aufgabe des Staates. Auch das muß hier ausdrücklich erwähnt werden. Doch leisten wir unseren Beitrag, um fehlendes Kapitalangebot auf dem Markt durch geeignete Förderprogramme auszugleichen.
Ich verweise nur kurz auf das Eigenkapitalhilfeprogramm, die Hilfen des ERP-Sondervermögens und auf das neue Beteiligungskapital für kleine Technologieunternehmen. Auch das Jahressteuergesetz 1996 sieht Regelungen zur Bildung von Risikokapitalfonds vor.
Meine Damen und Herren, liebe Kollegen, unser Ziel ist die Entlastung des Mittelstandes. Dazu gehört auch das ungnädige Thema Tarife. Hier stellt sich die Frage, inwiefern unser Tarifsystem mittelstandsfreundlich ist.

(Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Sehr richtig!)

Gewerkschaften sind fast ausschließlich in großen Unternehmen organisiert. Der Organisationsgrad bei mittelständischen Betrieben liegt unter 15 %, zum Teil sogar bei nur 5 %. Bei Tarifverhandlungen sitzt also nur eine Minderheit legitimierter Interessensvertreter am Tisch. Ebenso ist es bei den Arbeitgebern. Dort sind es die Verbandsfunktionäre und Vorstandsmitglieder großer Firmen. Der Mittelstand ist im Verhältnis zu seiner volkswirtschaftlichen Bedeutung dort deutlich unterrepräsentiert. Lassen Sie es mich abgemildert ausdrücken: Die allgemeinverbindlichen und flächendeckenden Tarifsysteme sind kreativitätshemmend und demzufolge nicht gerade mittelstandsfreundlich. Denn was für ein Ballungszentrum wie München, Berlin oder Hamburg gilt, gilt noch lange nicht für den Bayerischen Wald oder Ostfriesland. Dabei müßte es doch darum gehen, in diesen Schwachzonen Betriebe zu erhalten. Ich frage mich schon: Wo bleibt hier die vielgepriesene Flexibilität, von der wir alle immer reden?

(Beifall bei der CDU/CSU)

Die Gewerkschaften orientieren sich bei ihren Forderungen an der ertragsstärkeren Großindustrie und ignorieren vollkommen die schlechtere Gewinnlage der kleineren Betriebe. Die Folgen kennen wir; sie sind uns ja alle ausreichend bekannt. Da der mittelständische Betrieb viel mehr mit saisonalen Schwankungen zu kämpfen hat als Großbetriebe, wären individuelle Arbeitszeit- und Entlohnungsmodelle verschiedentlich von großem Nutzen. Nur bei einer Anpassung an die Auftragslage könnten Kosten gespart werden.

Dagmar Wöhrl
Meine Damen und Herren, wir debattieren heute darüber, daß wir den Mittelstand entlasten und dadurch stärken wollen. Aber wir als Politiker können nur Rahmenbedingungen setzen.

Dr. Burkhard Hirsch (FDP):
Rede ID: ID1305510800
Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Köhne?

Dagmar G. Wöhrl (CSU):
Rede ID: ID1305510900
Ja, bitte.

(Zuruf von der [CDU/CSU]: Er soll sich einmal ein Sakko kaufen!)


Rolf Köhne (PDS):
Rede ID: ID1305511000
Frau Kollegin, können Sie sich vorstellen, daß die Ertragslage des Mittelstandes deshalb wesentlich schlechter ist als die der Großindustrie, weil es der Großindustrie auf Grund ihrer Machtlage gelingt, Preise durchzusetzen, die nicht korrekt sind, vor allem gegenüber ihren Zulieferern und den Selbständigen, die im Grunde genommen für die Großindustrie die Profite mit erwirtschaften?

Dagmar G. Wöhrl (CSU):
Rede ID: ID1305511100
Ich wundere mich immer, meine Damen und Herren von der PDS, wie Sie zu Ihren Kenntnissen kommen, wo Sie das alles herauslesen. Denn Erfahrungswerte haben Sie ja keine.

(Rolf Köhne [PDS]: Habe ich! Eduard Oswald [CDU/CSU]: Wenn man das „Kapital" von vorn bis hinten liest!)

In dieser Angelegenheit muß ich Ihnen vollkommen widersprechen.
Ich komme zum Schluß meiner Rede. Als Politiker können wir nur Rahmenbedingungen setzen. Was wir brauchen, ist mehr unternehmerische Freiheit statt abhängige Beschäftigung, mehr ungehinderte Kreativität statt hingenommene Routine, mehr Selbstbestimmung statt Fremdbestimmung.
Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)


Dr. Burkhard Hirsch (FDP):
Rede ID: ID1305511200
Ich erteile zu einer Kurzintervention das Wort dem Abgeordneten Köhne.

Rolf Köhne (PDS):
Rede ID: ID1305511300
Frau Kollegin, ich möchte Ihnen sagen, daß ich als Geschäftsführer eines Ingenieurbüros sehr wohl weiß, worüber ich rede. Ich könnte Ihnen aus den Erfahrungen in meinem Betrieb nachweisen, wie die Großindustrie vorgeht. Ich kann das allerdings hier nicht öffentlich tun, weil das bestimmte Firmen betreffen würde und es insofern eine heikle Sache wäre. Aber ich kann Ihnen diesen Nachweis führen.

(Eduard Oswald [CDU/CSU]: Vielleicht wirft Ihr Büro einmal einen Anzug ab!)


Dr. Burkhard Hirsch (FDP):
Rede ID: ID1305511400
Frau Kollegin Wöhrl, Sie haben die Möglichkeit zu antworten. - Da
Sie das nicht wünschen, erteile ich das Wort dem Abgeordneten Professor Wolfgang Schulhoff.

Wolfgang Schulhoff (CDU):
Rede ID: ID1305511500
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Leistungsfähigkeit der Sozialen Marktwirtschaft beruht u. a. auch auf einer ausgewogenen Struktur von Klein-, Mittel- und Großbetrieben. Der Ideenreichtum mittelständischer Unternehmer mit ihrer großen Innovations- und Entwicklungsdynamik, ihrer Fähigkeit, sich schnell auf Veränderungen einzustellen, ist eine der wesentlichen Stützen der deutschen Wirtschaft.
Sie, Herr Schwanhold, haben vom Humusboden gesprochen.

(Ernst Schwanhold [SPD]: Das ist ein kluges Bild, nicht?)

- Ich muß Ihnen ausdrücklich recht geben: Das ist ein kluges Bild. In der Analyse sind wir uns einig. Aber was danach von Ihnen kommt, ist nicht konkret; dann passen Sie, dann blockieren Sie, wie in den letzten Jahren gerade in der Steuerpolitik. Ich werde es Ihnen beweisen.

(Beifall bei der CDU/CSU Ernst Schwanhold [SPD]: Sie haben nicht zugehört!)

Dann kommen - wir haben es eben bei Herrn Sperling gesehen - einfach ideologische Ladenhüter. Damit werden Sie dem Mittelstand nicht gerecht.
Gerade der Mittelstand garantiert Wettbewerb und Angebotsvielfalt,

(Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk [SPD]: Wir sind hier nicht beim Stammtisch!)

auch im Interesse der Verbraucher und des Arbeitsmarktes. Diese Dynamik gilt es zu erhalten und zu fördern. Die Schaffung der dazu notwendigen Rahmenbedingungen war und ist das Ziel der CDU/ CSU-Bundestagsfraktion, und das seit Erhard.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Hierbei geht es nicht um Subventionen, sondern - Frau Kollegin Wöhrl hat es eben angesprochen - um den nötigen Freiraum zur unternehmerischen Entfaltung. Mehr will der Mittelständler doch gar nicht.
Hier spielt aber die Finanz- und Steuerpolitik eine wesentliche Rolle. Deshalb lassen Sie mich einige Aspekte zu diesem Komplex anführen. Uns Mittelständlern sind nämlich Fakten lieber als soziologische Phrasen, Herr Sperling. Ich frage Sie in diesem Zusammenhang nur: Warum ist denn Ihr wirtschaftspolitischer Sprecher Jens weggelaufen? Warum hat er das Handtuch geschmissen?

(Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Da hat er recht!)

Ich will Ihnen eine der Nagelproben nennen. Der Einkommensteuerhöchstsatz für gewerbliche Einkünfte wurde von 53 % auf 47 % gesenkt. Der Körperschaftsteuersatz für eingehaltene Gewinne wurde von 50 % auf 45 % reduziert. Hier haben Sie doch

Wolfgang Schulhoff
blockiert. Hier haben Sie doch wieder mit den alten Vorurteilen aufgewartet. Damit haben wir nämlich den leistungsfreundlichsten Einkommensteuertarif seit Bestehen der Bundesrepublik geschaffen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

Es sollte natürlich klar sein, daß dies nicht das Ende der Fahnenstange ist. Hier werden Sie gefragt, Herr Kollege, und hier können Sie die Nagelprobe auf Ihr mittelständisches Bekenntnis abgeben.
Über die Eigenkapitalhilfeförderung hat meine Kollegin Wöhrl gesprochen. Ich darf in diesem Zusammenhang nur die Ansparabschreibung erwähnen. Daneben wurden noch weitere Verbesserungen - auf das Konkrete kommt es nämlich an - für Klein-und Mittelbetriebe geschaffen: erstens die Erhöhung des Freibetrages bei der Gewerbeertragsteuer, zweitens die Senkung und Staffelung der Gewerbesteuermeßzahl, drittens die Erhöhung des Freibetrages für betriebliche Vermögen- und Gewerbekapitalsteuer und viertens die Verbesserung der steuerlichen Behandlung von Altersvorsorgeaufwendungen der Selbständigen.
Ein wichtiger Eckpfeiler der steuerpolitischen Erleichterung auch für den Mittelstand ist zweifellos das Jahressteuergesetz 1996. Leider ist es uns nicht gelungen, die SPD von der Notwendigkeit der Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer zu überzeugen. Ich kann nur hoffen, daß die Opposition ihre Blockadehaltung im Interesse des Wirtschaftsstandortes Deutschland jetzt aufgibt.

(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

Auch hier, Herr Schwanhold, können Sie sich bewähren.

(Ernst Schwanhold [SPD]: Ich habe Ihnen doch die Bedingungen gesagt! Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Kollege Müller hat einige gute Sätze gesagt!)

- Die Bedingungen sind hervorragend. Das ist doch nur eine Blockadehaltung, eine Verkrustung bei Ihnen.
Trotz hartnäckiger Widerstände der Opposition ist es der Koalition mit dem Jahressteuergesetz 1996 gelungen, eine Reihe wichtiger Neuregelungen durchzusetzen. Im einzelnen wären anzuführen: Erstens die Generationenbrücke, d. h. die steuerlich verbesserte Möglichkeit zur Weiterleitung von Betrieben an die nächste Generation; zweitens die Möglichkeit zur Stundung der Erbschaft- und Schenkungsteuer; drittens die Einführung eines Bewertungsabschlages von 25 % für das Betriebsvermögen oberhalb des Freibetrages von 500 000 DM.
Viertens gelten der Bewertungsabschlag und der Freibetrag von 500 000 DM künftig auch für die Anteile an Kapitalgesellschaften.
Fünftens sind anzuführen die Maßnahmen zur Steuervereinfachung, die im einzelnen hier gar nicht aufzuführen sind, die aber ganz wichtig gerade für den mittelständischen Bereich sind, der sich keinen
teuren Steuerberater Jahr für Jahr leisten kann. Ich will nichts gegen Steuerberater sagen, aber sie werden schon durch unsere Steuerpolitik hinreichend beschäftigt.
Sechstens werden die Investitionszulagen - darüber haben wir eben gesprochen - von 5 % in den neuen Ländern für das verarbeitende Gewerbe und von 10 % für den Mittelstand bis Ende 1998 verlängert, teilweise gegen den Widerstand der sozialdemokratischen Ministerpräsidenten.

(Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Nein, das ist nicht wahr!)

- Liebe Frau Matthäus-Maier, Sie wissen doch selber, daß die Bundestagsfraktion in den Kompromißverhandlungen gar nichts zu sagen hatte. Das wurde doch ausschließlich von den Ministerpräsidenten gemacht. Die haben das Heft des Handelns in die Hand genommen, und Sie haben geschwiegen. Von Ihrem Konzept ist nichts durchgesetzt worden.

(Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Wir haben Anträge gestellt!)

- Ja, Sie haben Anträge gestellt, natürlich. Wir kennen das. Aber Sie haben sich in keiner Weise durchsetzen können.
Siebtens wird die betriebliche Vermögensteuer in den neuen Ländern bis 1998 weiterhin ausgesetzt.
Die Intention des Bundesverfassungsgerichts bei seiner jüngsten Entscheidung zu den Einheitswerten begrüßen wir auch aus mittelstandspolitischer Sicht ausdrücklich. Sie ist gleichzeitig Bestätigung unserer Politik, den Mittelstand nicht zu schwächen. Dies gilt gerade für den Generationenwechsel. Daher müssen Vorschriften geschaffen werden - das wird jetzt unsere Arbeit sein, und das wird für Sie wieder eine Bewährungsprobe sein -, die den Übergang eines Betriebes auf einen Erben von der Besteuerung ausnehmen.

(Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk [SPD]: Das ist eine Bewährungsprobe für Sie!)

Eine steuerliche Freistellung sollte zumindest das zur Fortführung des Betriebes betrieblich notwendige Vermögen erfassen. Auch da dürften wir uns einig sein.
Ich kann zum Schluß die Opposition nur herzlich bitten, endlich den ersten Schritt in die finanzpolitische Realität zu tun, damit der Mittelstand als wichtige Stütze des Wirtschaftsstandortes Deutschland seine Leistungsfähigkeit behält. Lippenbekenntnisse genügen nicht.
Ich danke Ihnen herzlich.

(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)


Dr. Burkhard Hirsch (FDP):
Rede ID: ID1305511600
Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Ich schließe die Aussprache.
Der Ältestenrat schlägt die Überweisung der Vorlagen auf den Drucksachen 13/2095, 13/2344 und 13/ 2363 an die in der Tagesordnung aufgeführten Aus-

Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch
schüsse vor. Die Vorlagen auf den Drucksachen 13/ 2344 und 13/2363 sollen zusätzlich an den Ausschuß für Fremdenverkehr und Tourismus überwiesen werden. Sind Sie damit einverstanden? - Ich sehe und höre keinen Widerspruch. Dann sind die Überweisungen so beschlossen.
Ich rufe die Tagesordnungspunkte 6a und 6 b auf:
a) Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD und F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes
- Drucksache 13/2245 -(Erste Beratung 50. Sitzung)

Beschlußempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses (6. Ausschuß)

- Drucksache 13/2373 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Dr. Susanne Tiemann Dr. Herta Däubler-Gmelin
b) Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD und F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Finanzausgleichsgesetzes
- Drucksache 13/2246 - (Erste Beratung 50. Sitzung)

aa) Beschlußempfehlung und Bericht des Finanzausschusses (7. Ausschuß)

- Drucksache 13/2368 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Gisela Frick Volker Kröning
Christine Scheel
Gunnar Uldall
bb) Bericht des Haushaltsausschusses (8. Ausschuß) gemäß § 96 der Geschäftsordnung
- Drucksache 13/2376 -
Berichterstattung: Abgeordnete Oswald Metzger
Dankward Buwitt Karl Diller
Dr. Wolfgang Weng (Gerlingen)

Nach einer Vereinbarung im Ältestenrat ist für die gemeinsame Aussprache eine Stunde vorgesehen. - Ich sehe und höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.
Ich weise darauf hin, daß wir im Anschluß an die Aussprache über den Entwurf zur Änderung des Grundgesetzes namentlich abstimmen werden.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Bundesfinanzminister Dr. Theo Waigel.

Dr. Theodor Waigel (CSU):
Rede ID: ID1305511700
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Heute ist ein wichtiger Tag für die Steuerpolitik. Im Vermittlungsverfahren haben wir die entscheidenden Hürden für das Jahressteuergesetz 1996 überwunden. Es wird heute im Bundestag verabschiedet.
Dies ist auch ein besonderer Tag für die Familien. Mit den Änderungen im Grundgesetz und im Finanzausgleichsgesetz wird der neue Familienleistungsausgleich auf den Weg gebracht. Durch das Jahressteuergesetz 1996 werden insgesamt Nettoentlastungen von 19 Milliarden DM wirksam. Insbesondere die Bezieher kleiner und mittlerer Einkommen werden durch die Neuregelung des Existenzminimums mit 15,5 Milliarden DM entlastet. Die Familien erhalten ab 1996 7 Milliarden DM und ab 1997 weitere 4 Milliarden DM mehr. Besondere Vorteile hat die Neuregelung für kinderreiche Familien und Familien mit kleinen und mittleren Einkommen.
Um manchem bewußt konstruierten Beispiel, mit dem das in der Öffentlichkeit in Frage gestellt wird, den Wind aus den Segeln zu nehmen, will ich einmal das Beispiel einer Durchschnittsfamilie hier darstellen. Eine Familie mit Durchschnittseinkommen und zwei Kindern hat ab 1. Januar 1996 Monat für Monat 230 DM mehr Geld in der Tasche, und 1997 kommen noch einmal 50 DM im Monat dazu. Das ist ein gewaltiger Schritt beim Familienleistungsausgleich.

(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. Peter Dreßen [SPD]: Das haben Sie uns zu verdanken!)

Addiert man die Entlastung der Haushalte durch den Wegfall des Kohlepfennigs, der sich bei jeder Stromrechnung bemerkbar macht, wird das verfügbare Einkommen der Familien 1996 deutlich steigen. Damit wird auch ein wichtiger Impuls für den privaten Verbrauch gegeben. Neben weiterhin guten Exportdaten und einer dynamischen Investitionstätigkeit wird somit der Konjunktur 1996 weiterer Schub verliehen.
Daneben haben wir im Jahressteuergesetz 1996 die Steuervereinfachung vorangebracht und die Investitionsförderung für die neuen Länder zielgerichtet weiterentwickelt und verlängert.
Heute wird ein wichtiger steuerpolitischer Baustein in unsere symmetrische Finanzpolitik eingefügt.
Meine Damen und Herren, die Familie ist und bleibt eine zentrale Aufgabe unserer Politik. Kinder sichern unsere Zukunft. Gerade in einer Zeit, in der es oft an Orientierung fehlt, ist die Familie als die Basis der Persönlichkeitsentwicklung, der Vermittlung von Kultur und unserer Ethik unverzichtbarer denn je. In Familien erfahren Alt und Jung Geborgenheit und Zuwendung. Damit leisten die Familien für die Gesellschaft einen Zukunftsbeitrag, der unersetzlich ist und auch nicht auf andere Institutionen übertragen werden kann.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Roland Kohn [F.D.P.])

Der von mir sehr verehrte Münchener Philosoph
Spaemann hat dies einmal die „Freundschaft zwischen den Generationen" genannt. Das ist eigentlich

Bundesminister Dr. Theodor Waigel
die Grundlage unserer Gesellschaftspolitik, die weit in den Staat hineinreicht.

(Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Richtig!)

Daraus folgt die Verpflichtung der Politik, für die Familien einzutreten und sie zu fördern. Wir haben die familienpolitischen Leistungen seit 1982 glatt verdoppelt, auf mehr als 60 Milliarden DM, die neuen Beschlüsse nicht einmal eingerechnet. Das Kindergeld für das erste und zweite Kind wird 1996 jeweils 200 DM im Monat betragen und steigt mit Wirkung ab 1997 auf jeweils 220 DM im Monat. Für das dritte Kind wird es ab 1996 300 DM im Monat und für das vierte und jedes weitere Kind 350 DM im Monat geben. Es gibt also kein „Einheitskindergeld"; kinderreiche Familien werden noch besonders gefördert.

(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

Der Kinderfreibetrag wird von bisher 4 104 DM 1996 auf 6 264 DM und ab 1997 auf 6 912 DM angehoben.

(Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Steigerung über 50 %!)

Damit wird das Existenzminimum vollständig von der Besteuerung befreit.
Im laufenden Jahr wird das Kindergeld gezahlt. Ein Kinderfreibetrag wird abgezogen, wenn die gebotene Steuerfreistellung durch das Kindergeld nicht in vollem Umfang bewirkt wird. Ob das der Fall ist, stellt das Finanzamt bei der Veranlagung zur Einkommensteuer von Amts wegen fest. Ist ein Kinderfreibetrag abzuziehen, wird das erhaltene Kindergeld verrechnet. Die bewährten strukturellen Elemente des dualen Systems - Kindergeld und Kinderfreibetrag - haben so auch im neuen Familienleistungsausgleich Bestand.
Verantwortlich für die Durchführung des Familienleistungsausgleichs ist künftig die Bundesfinanzverwaltung. Die bisherigen Kindergeldkassen bei der Bundesanstalt für Arbeit werden zu Familienkassen und zu Organen der Bundesfinanzverwaltung.
Die von der Koalition angestrebte Systemumstellung auf das steuerrechtliche Optionsmodell und die Verbesserungen beim Familienleistungsausgleich waren von Anfang an mit der Zusage an die Länder verbunden, für die daraus resultierenden Lastenverschiebungen einen fairen, vollen Ausgleich zu gewähren. Im Vermittlungsausschuß haben wir uns auf die dauerhafte Absicherung des bisherigen Lastenteilungsverhältnisses von 74 : 26 beim Familienleistungsausgleich geeinigt. Dies erfolgt durch die Ergänzung des Art. 106 des Grundgesetzes.
Man kann darüber streiten, ob es schön und wünschenswert ist, daß eine solche Frage im Grundgesetz geregelt wird. Es war die unabdingbare Voraussetzung für die Zustimmung der Länder, und darum macht es auch gar keinen Sinn, darüber noch lange Diskussionen zu führen.

(Zuruf von der CDU/CSU: So ist es!)

Ich glaube, es ist notwendig, um den Familienleistungsausgleich insgesamt voranzubringen. Deshalb können wir damit leben, auch wenn immer neue Ergänzungen des Grundgesetzes es nicht gerade zu einer staatsrechtlichen Schönheitsgalerie werden lassen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Diese Ergänzung verpflichtet den Gesetzgeber, bei der Festsetzung des Beteiligungsverhältnisses an der Umsatzsteuer die sich durch den neuen Familienleistungsausgleich ergebenden Steuermindereinnahmen der Länder auszugleichen. Hierdurch wird die verfassungsrechtliche Voraussetzung für die dauerhafte Fortführung des bisherigen Lastenteilungsverhältnisses durch die entsprechenden Regelungen im Finanzausgleichsgesetz geschaffen.
Durch die Änderungen des Finanzausgleichsgesetzes erhalten die Länder zum Ausgleich ihrer Ausfälle bei der Lohn- und Einkommensteuer durch den Familienleistungsausgleich 1996 und 1997 zusätzlich 5,5 Umsatzsteuerpunkte. Dies entspricht 1996 13,8 und 1997 14,5 Milliarden DM. Die 5,5 zusätzlichen Umsatzsteuerpunkte 1996 und 1997 garantieren die Lastenteilung von 74 : 26, da sie dem Durchschnitt der Belastungsverschiebung in diesen beiden Jahren entsprechen. Der neue Anteil der Länder an der Umsatzsteuer beträgt dementsprechend 1996 und 1997 49,5 v. H. und der des Bundes 50,5 v. H. des Umsatzsteueraufkommens.
Bund und Länder sind verpflichtet, Mitte 1997 Verhandlungen über die zeitgerechte Anpassung dieses Prozentsatzes ab 1998 aufzunehmen, damit auch weiterhin das Lastentragungsverhältnis sichergestellt ist. Damit soll der Dynamik der Umsatzsteuer und einer Änderung bei der Bevölkerungsstruktur Rechnung getragen werden.
Wichtig ist: Die Länder haben sich verpflichtet, den Gemeinden die Steuerausfälle durch die Neuregelung des Familienleistungsausgleichs fair und voll auszugleichen. Wir alle miteinander werden aufmerksam darüber wachen, daß dies erfolgt. Die gleiche Fairneß, die der Bund den Ländern entgegenbringt, verlangen wir von den Ländern den Kommunen gegenüber.

(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der SPD)

- Sehen Sie, meine Damen und Herren, ich lese heute in einer Zeitung, an mir hätte sich die Frau Matthäus-Maier die Zähne ausgebissen. Sie hat mir Beifall geklatscht und hat mich noch nie gebissen. Ich wollte das nur zur Sprache bringen, um solche Falschmeldungen auch in einer so ernsten Debatte ganz entschieden zu widerlegen.

(Heiterkeit bei der CDU/CSU Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Dann müßte ich meine dritten Zähne nehmen!)

- Jetzt habe ich Sie gerade in Schutz genommen, jetzt fangen Sie schon wieder an.

(Heiterkeit bei der CDU/CSU und der SPD)


Bundesminister Dr. Theodor Waigel
Weitere Aufgaben in der Steuerpolitik warten auf uns. Wir werden einen Vorschlag zur Neuregelung der einheitswertabhängigen Steuern vorlegen. Am besten - ich sage das nochmals - wäre ein Verzicht auf die Vermögensteuer.

(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

Aber ich will natürlich hören, was die Länder, die sich in einer Arbeitsgruppe damit beschäftigen, sagen. Wenn dies damit finanziert werden sollte, zusätzliche Umsatzsteuerpunkte auf unsere Kosten, zu Lasten des Bundes zu bekommen, dann kann dies natürlich keine Lösung sein.
Demnächst werden wir auch die Beratungen zur Unternehmensteuerreform wiederaufnehmen. Die sich nach verschiedenen öffentlichen Äußerungen der Opposition abzeichnende Gemeinsamkeit stimmt mich optimistisch, zu einer überzeugenden Lösung für die Gewerbesteuer und die damit verbundene Gemeindefinanzreform zu kommen, auch wenn die finanz- und wirtschaftspolitische Kompetenz und Richtung der Opposition innerparteilich unterschiedlich beurteilt wird.
Ich glaube, ich habe mich sehr vorsichtig ausgedrückt, um dieser Debatte jede Schärfe zu nehmen. Aber die Objektivität und die Tatsache, daß ich auf die Wahrheit vereidigt bin,

(Heiterkeit bei der CDU/CSU)

zwingen mich, auch diesen Satz in die Debatte einzuführen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

Meine Damen und Herren, ich hoffe auf die Kraft guter Argumente, die Vernunft und die gemeinsame Verantwortung für die Zukunft des Standorts Deutschland.
Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)


Dr. Burkhard Hirsch (FDP):
Rede ID: ID1305511800
Ich erteile der Abgeordneten Ingrid Matthäus-Maier das Wort.

Ingrid Matthäus-Maier (SPD):
Rede ID: ID1305511900
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Jahressteuergesetz 1996 ist ein geradezu klassischer Kompromiß. Keine Seite im Vermittlungsausschuß konnte ihre Ziele voll erreichen. Wenn ich mir aber die Ausgangslage anschaue, dann bin ich damit zufrieden, was wir Ihnen von der Koalition alles abringen konnten, obwohl es sicher noch eine Menge gibt, was wünschenswert wäre, aber nicht durchgesetzt werden konnte.
Lassen Sie es mich an einigen Beispielen deutlich machen. Erfolg Nummer eins: steuerfreies Existenzminimum. Die Ausgangslage war: Die SPD forderte eine Erhöhung des Grundfreibetrages auf 13 000 DM bzw. bei Verheirateten 26 000 DM. Der Entwurf der Regierung sah vor, den Grundfreibetrag ganz abzuschaffen und ihn statt dessen durch eine außertarifliche Grundentlastung mit zwei Fehlern zu ersetzen.
Sie erinnern sich: Der eine Fehler war der Tarifbuckel, d. h. also eine sehr starke Steuerbelastung von geringen Einkommen. Der zweite Fehler war - das ist völlig vergessen - eine sehr hohe Steuersenkung für Spitzenverdiener. Das stand noch im Dezember letzten Jahres im Entwurf von Herrn Waigel. Danach sollten Spitzenverdiener mit 667 DM oder 1,7 % ihrer Steuerschuld viermal so stark entlastet werden wie Durchschnittsverdiener, die nur 170 DM, gleich 1,3 % ihrer Steuerschuld, als Steuersenkung erhalten sollten.
Das Ergebnis ist jetzt: Wir haben durchgesetzt, daß der Grundfreibetrag in Stufen auf 13 000 DM bzw. bei Verheirateten auf 26 000 DM steigt und daß die Entlastung ausschließlich auf kleinere und mittlere Einkommen konzentriert wird.
Ich will nicht verhehlen, daß es mir sehr mißfällt, daß wir bei der Stufenlösung im Jahre 1998 keine Erhöhung des Grundfreibetrags bekommen. Ich will auch nicht verhehlen, daß ich das für ein verfassungsrechtliches Risiko halte. Aber wenn ich die Ausgangslage des Regierungsentwurfs mit den Forderungen der SPD vergleiche, dann ist angesichts der höchsten Steuer- und Abgabenbelastung, die diese Bundesregierung den Menschen in diesem Lande auferlegt hat, das Ergebnis beim Grundfreibetrag insgesamt ein Erfolg, mit dem wir zufrieden sind, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Erfolg Nummer 2: Kindergeld. Wie war die Ausgangslage? Die SPD forderte 250 DM Kindergeld vom ersten Kind an für alle Kinder und keinen Kinderfreibetrag mehr. Demgegenüber haben Sie, Herr Waigel, noch im Februar dieses Jahres darauf beharrt, nur 20 DM beim Zweitkindergeld dazuzulegen und überhaupt nichts hinsichtlich der Verbesserung des Erstkindergeldes zu tun, es also bei 70 DM zu belassen.
Wenn ich mir dann das Ergebnis anschaue -200 DM Kindergeld für das erste und für das zweite Kind statt der von Ihnen geforderten 70 DM -, dann ist das ein sehr großer Erfolg.

(Beifall bei der SPD)

Übrigens, der Kinderfreibetrag bei der Steuer, der leider bestehenbleibt - wir sind ja für ein einheitliches System gewesen -, gilt dann nur noch für 5 % aller Steuerzahler; das heißt, für die große Masse gibt es kein duales System mehr, sondern ein klares, durchschaubares, überzeugendes Kindergeld.
Herr Waigel, Sie haben heute morgen wieder gesagt - es fällt mir auf, daß Sie das ständig wiederholen -, aus der Tatsache, daß von uns ein Kindergeld von 250 DM für alle vorgesehen gewesen sei, Sie aber - mit unseren Stimmen! - 300 DM für das dritte Kind durchgesetzt hätten, sei zu schließen, die SPD sei gegen die Mehrkinderfamilie. Ich darf Sie darauf aufmerksam machen, daß jede Drei-Kin-

Ingrid Matthäus-Maier
der-Familie auch ein erstes und ein zweites Kind hat.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD Heiterkeit bei der CDU/CSU Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Die Frau hat ja rechnen gelernt!)

- Ja, eben!
Das muß ich aber so erläutern, weil Herr Waigel dann nämlich folgendes einsehen muß: Da nach unserem Vorschlag das erste Kind 250 DM, das zweite 250 DM und das dritte auch 250 DM bekommen hätte, wären das immerhin 50 DM mehr als das, was Sie heute als Kindergeld für drei Kinder vorgesehen haben, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD Ernst Hinsken [CDU/ CSU]: Das ist eine Milchmädchenrechnung!)

- Das ist überhaupt keine Milchmädchenrechnung. Oder haben Sie schon einmal eine Vier-Kinder-Familie gesehen, die kein erstes und kein zweites Kind hat, Herr Hinsken? Ich weiß nicht, wie das bei Ihnen zu Hause ist. Ich habe zwar nur zwei, aber ich weiß, wenn ich ein drittes hätte, hätte ich trotzdem die beiden ersten behalten.

(Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Dann seien Ihnen die 250 DM auch gegönnt!)

Ich darf Sie außerdem darauf aufmerksam machen, daß ich sehr überrascht bin, daß Herr Repnik in der Haushaltsdebatte vor zwei Wochen den - so darf ich einmal sagen - geradezu verzweifelten oder fast schon komischen Versuch unternommen hat,

(Bundesminister Dr. Theodor Waigel: Aber es war eine gute Debatte!)

gerade die Kindergelderhöhung als großen Erfolg der CDU/CSU darzustellen. Die Bürgerinnen und Bürger erinnern sich sehr gut daran, daß nicht nur im Bundestagswahlkampf 1994, in dem die Forderung nach 250 DM Kindergeld vom ersten Kind an eine unserer Schwerpunktforderungen war, sondern auch in vielen Debatten in diesem Hause meine Kolleginnen und ich darauf aufmerksam gemacht haben, daß wir dieses Kindergeldmodell wollen.
Herr Waigel, wir stimmen ja heute gemeinsam ab, deswegen bin ich friedlich gesonnen, aber ich könnte Zitate von Ihnen, von Frau Rönsch, von Frau Nolte, sogar vom Bundeskanzler vorlegen, aus denen hervorgeht, daß Sie von unserem Modell nichts gehalten haben. Daß Sie heute weitgehend auf unser Modell eingeschwenkt sind, freut uns, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)


Dr. Burkhard Hirsch (FDP):
Rede ID: ID1305512000
Frau Kollegin Matthäus-Maier, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Repnik?

Ingrid Matthäus-Maier (SPD):
Rede ID: ID1305512100
Ja.

Hans-Peter Repnik (CDU):
Rede ID: ID1305512200
Verehrte Frau Kollegin Matthäus-Maier, weil es die letzte parlamentarische Auseinandersetzung in diesem Zusammenhang ist, möchte ich Sie doch noch einmal fragen, ob Sie mir zustimmen, daß das ursprünglich von der SPD vorgelegte Modell - einheitliches Kindergeld in Höhe von 250 DM - eindeutig nicht verfassungsgemäß war.

(Detlev von Larcher [SPD]: Immer diese alten Hüte!)

- Es scheint mir wichtig zu sein, diese Frage zu klären. Die SPD konnte sich mit diesem Modell nicht durchsetzen, weil es der Verfassung nicht entsprach. Wir haben jetzt ein Modell, das a) der Verfassung entspricht und das b) der besonderen Lage der Familien durch ein gestaffeltes Kindergeld stärker gerecht wird. Stimmen Sie mir in diesen Punkten zu?

Ingrid Matthäus-Maier (SPD):
Rede ID: ID1305512300
Herr Repnik, ich stimme Ihnen auf keinen Fall zu.

(Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Das darf doch nicht sein!)

Das wissen Sie auch, zumal wir über diese Frage im Bundestag x-mal gestritten haben.
Ich kenne die Urteile des Bundesverfassungsgerichts zum Familienlastenausgleich - vielleicht auch verschiedene von Ihnen, weil wir sie hier umsetzen - fast auswendig. Für mich besteht überhaupt kein Zweifel daran, daß wir über ein einheitliches Kindergeld und ohne duales System eine verfassungsgemäße Regelung selbstverständlich hätten herbeiführen können.

(Zuruf von der F.D.P.: Aber nicht ohne Rücksicht auf die Höhe!)

Ich wundere mich übrigens, daß Sie das hier sagen. Noch vor ungefähr einem halben Jahr hat der Kollege Staatssekretär Faltlhauser in einer Debatte im Deutschen Bundestag, an der ich teilgenommen habe, gesagt, er hielte 250 DM nicht für verfassungsgemäß, aber 267 DM. Herrgott, soll alles an den 17 DM liegen? Die 267 DM könnten Sie gern mit uns gemeinsam im Deutschen Bundestag durchsetzen.

(Beifall bei der SPD)

Das ist verfassungsgemäß. Das ist gerecht. Das ist gut für die Familien mit Kindern. Wir könnten das hier gemeinsam beschließen.
Meine Damen und Herren, daß wir uns hier durchgesetzt haben und daß Sie versuchen, das gerade beim Kindergeld auf Ihre Mühlen zu leiten, ist wirklich ein bißchen daneben. Das sieht man daran, daß das „Handelsblatt" gerade über diesen Teil des Jahressteuergesetzes schreibt, es handele sich um eine „Sozialdemokratisierung der Steuerpolitik" . Das „Handelsblatt" ist damit näher an der Wahrheit als Sie.

(Beifall bei der SPD)


Dr. Burkhard Hirsch (FDP):
Rede ID: ID1305512400
Frau Matthäus-Maier, gestatten Sie noch eine Zwischenfrage?


Ingrid Matthäus-Maier (SPD):
Rede ID: ID1305512500
Ja.

Hansgeorg Hauser (CSU):
Rede ID: ID1305512600
Frau Kollegin, teilen Sie die Meinung Ihrer früheren Kollegin, der jetzigen Ministerpräsidentin von Schleswig-Holstein, daß sich die SPD mit ihrer Forderung nach 250 DM Kindergeld verrechnet hat und daß sie den Bürgern endlich reinen Wein einschenken muß, daß diese Forderung nicht finanzierbar ist?

Ingrid Matthäus-Maier (SPD):
Rede ID: ID1305512700
Nein, Herr Kollege Hauser, diese Meinung von Frau Simonis teile ich nicht. Warum? Frau Simonis hat bei ihrer Äußerung vergessen - bewußt oder unbewußt; ich weiß es nicht, denn ich habe mit ihr nicht darüber gesprochen -, daß wir als sozialdemokratische Bundestagsfraktion ausdrücklich einen Finanzierungsvorschlag beigelegt hatten. Den hatte ich in meiner heutigen Rede gar nicht vorgesehen; denn wenn ich vom Ehegattensplitting rede, fangen Sie immer an zu schreien, weil Ihnen das unangenehm ist.
Aber wenn Sie mich schon danach fragen, dann darf ich dem Publikum doch bitte vortragen: Wir hatten zur Finanzierung der restlichen 30 DM - ich muß hinzufügen, worauf ich stolz bin, daß wir für 1997 eine Anhebung auf 220 DM Kindergeld vom ersten Kind an durchgesetzt haben; das ist ein wichtiger Erfolg - eine maßvolle Begrenzung des Ehegattensplittings vorgesehen.
Herr Hauser, da Sie mir die Gelegenheit geben, nehmen Sie mir es bitte nicht übel, daß ich den Menschen noch einmal sage: Daß das pure Verheiratetsein von Spitzenverdienern, auch wenn sie keine Kinder haben, einen Steuervorteil von 22 842 DM bringt, während Otto Normalverbraucher mit 200 DM Kindergeld auskommen muß, das ist ein Skandal. Sie werden sich noch daran erinnern, daß Sie das ändern müssen.

(Beifall bei der SPD Eduard Oswald [CDU/CSU]: Diese Aussage werden wir draußen verbreiten!)

- Was heißt „Das werden Sie draußen verbreiten"? Das haben wir überall erzählt.
Das würde bei etwa 96 000 DM greifen. Auch diese Familien hätten noch einen Splittingvorteil. Er würde aber nicht mehr bis auf die völlig verrückte Summe von 22 842 DM steigen.
Diese beiden wichtigen Erfolge - steuerfreies Existenzminimum und Kindergeld - führen konkret zu folgendem Beispiel:
1996 würde ein Verheirateter mit zwei Kindern und einem Brutto-Jahreseinkommen von 60 000 DM um 2 340 DM entlastet, im Monat immerhin um 195 DM. Im Jahre 1997 würde diese Entlastung, weil 1997 das Kindergeld und das steuerfreie Existenzminimum steigen, auf insgesamt 2 950 DM ansteigen. Oder: im Jahre 1996 würde bzw. wird, denn wir beschließen es Gott sei Dank heute, eine Alleinerziehende mit einem Kind und einem Brutto-Jahreseinkommen von 36 000 DM um 119 DM im Monat entlastet, im Jahr also insgesamt um 1 428 DM. Im Jahr darauf steigt die Entlastung für diese Steuerzahlerin sogar auf 1 730 DM.
Meine Damen und Herren, nachdem wir gestern noch einmal in der Zeitung lesen konnten, daß die Konjunktur auch deswegen lahmt, weil die Menschen zu wenig kaufen können, und dies deshalb, weil durch die Politik dieser Bundesregierung die Steuer- und Abgabenbelastung so hoch ist, daß ihnen zu wenig im Portemonnaie verbleibt, um einkaufen zu können, ist diese Steuerentlastung auch konjunkturell ein wichtiger Schritt.

(Beifall bei der SPD)

Dritter Punkt: Wir bleiben bei unserem Ziel von 250 DM und werden auch versuchen, das in Zukunft durchzusetzen. Ich bin aber der Ansicht, die Förderung von Familien mit Kindern ist nicht allein eine Frage des Geldes. In diesen Tagen, gerade gestern, ist der von der UNO ausgerufene Weltkindertag gewesen. Nun kann man darüber diskutieren, ob der Kinderschutzbund mit seinen Zahlen recht hat. Der Kinderschutzbund redet davon, zwei Millionen Kinder lebten in Armut. Ich habe bei einigen Kolleginnen und Kollegen gelesen, die sagen, das stimme überhaupt nicht, es sei „nur" eine Million. Meine Damen und Herren, wissen Sie, wovon wir da reden, welcher Zynismus dahintersteckt? „Nur" eine Million Kinder in Armut - Kinder, von denen wir doch wissen, daß sie bei Klassenfahrten nicht mitfahren! Und wenn man sich dann wundert, warum die immer krank sind, wenn die Klassenfahrt stattfindet, dann stellt sich heraus, daß die Eltern die Beiträge zur Klassenfahrt nicht bezahlen können. Nein, meine Damen und Herren, da werden wir mehr tun müssen. Und wir werden auch eine Verkehrspolitik machen müssen, mit der es dann nicht mehr so ist, daß wir in Europa die höchsten Zahlen von Kindertoten im Verkehr haben. Und wir werden dann endlich eine Ozonverordnung machen müssen, mit der auch auf die Umweltbelastung der Kinder stärker Rücksicht genommen wird.

(Beifall bei der SPD)

Ich will Ihnen nicht verhehlen - ich bin Mutter von zwei schulpflichtigen Kindern -: Wir können und müssen nicht nur als Politiker etwas tun, sondern die Verantwortung geht sehr viel weiter. Ich las zum Weltkindertag eine Presseerklärung meiner Kollegin Dorle Marx, darin schreibt sie: In Bayern wurde vor kurzem eine Malaktion vorgenommen. Es wurden 40 000 Bauernhofbilder an Kindergärten verteilt, und die Kinder sollten die Bilder ausmalen. Dabei stellte sich heraus, daß auf einem Drittel der zurückgegebenen Bilder die Kühe lila ausgemalt waren. Meine Damen und Herren, dazu kann ich Ihnen nur sagen: Das können wir als Politiker nicht ändern. Aber wir müssen hier an die Rundfunkanstalten und auch an die Werbewirtschaft - übrigens auch an die Eltern - appellieren, verdammt noch mal um die Werbeblöcke herum nicht immer noch

Ingrid Matthäus-Maier
Kinderfilme zu legen! Allerdings ist auch klar: das Fernsehen ist keine Kinderverwahranstalt.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der PDS)

- Ich wundere mich, daß Sie nicht einmal dazu klatschen können, meine Damen und Herren von der Koalition!
Der dritte Erfolg: Wir werden das Kindergeld ab 1. Januar 1996 von der Steuerschuld abziehen. Ich halte das für gut, damit auch aus der Sicht der Eltern gleich eine Verrechnung mit der Steuerschuld erfolgt. Das heißt, wenn z. B. in einem Büro zwei Arbeitnehmer nebeneinandersitzen, der eine hat keine Kinder und der andere hat zwei, dann zahlt der mit den zwei Kindern gleich 400 Mark weniger Lohnsteuer, denn seine Lohnsteuer wird mit dem Kindergeld, das ihm zusteht, verrechnet.
Das ist noch keine echte Finanzamtslösung, wie wir sie wünschen, aber es ist ein erster Einstieg. Es wird mit Sicherheit Übergangsprobleme bei der Verwaltung geben. Das darf aber kein Grund sein, in Zukunft nicht weiter auf die Finanzamtslösung zuzusteuern.

(Beifall bei der SPD)

Wir haben gemeinsam in diesem Gesetz vorgesehen, daß Arbeitgeber mit bis zu 50 Arbeitnehmern sich entscheiden können, ob sie das Kindergeld gleich mit der Lohnsteuer ihrer Arbeitnehmer verrechnen, oder ob ihre Arbeitnehmer es weiter über die Kinderkasse bekommen.
Es ist gut, daß sie das Recht zu wählen haben. Aber ich glaube, kluge Arbeitgeber, auch wenn sie unter 50 Arbeitnehmer haben, sollten prüfen, ob es nicht der bessere Weg ist, gleich eine Verrechnung mit der Lohnsteuerschuld vorzunehmen; denn ihre Arbeitnehmer haben dann, wenn sie Kinder haben, ein deutlich höheres Nettoeinkommen, und das würde auch zum Betriebsfrieden beitragen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)

Vierter Erfolg: Wir haben eine faire Finanzierung zwischen Bund und Ländern vereinbart. Ich kann dem Bundesfinanzminister zustimmen, die bisherige Lastenverteilung zwischen Bund und Ländern von 74 % zu 26 % wird abgesichert. Daß das im Grundgesetz geschieht, macht mir Bauchschmerzen. Ich will das nicht verhehlen.

(Beifall des Abg. Carl-Ludwig Thiele [F.D.P.])

Solche Finanzausgleichsregelungen im Grundgesetz machen die Verfassung dieses Landes unübersichtlich. Ich hätte das lieber anders geregelt.

(Beifall des Abg. Carl-Ludwig Thiele [F.D.P.])

Da aber bei den Ländern berechtigtes Mißtrauen bestand, ob der Bund sie in Zukunft nicht über den Tisch zieht,

(Carl-Ludwig Thiele [F.D.P.]: Unberechtigt!)

haben wir uns alle bereit erklärt, das ins Grundgesetz zu schreiben.
Fünfter Erfolg: Es ist vorgesehen, daß in einzelnen wichtigen Bereichen die Wirtschaftsförderung für Ostdeutschland, die eigentlich 1997 auslaufen sollte, verlängert wird. Ich begrüße das; denn zweifellos ist in Ostdeutschland noch nicht die Situation da, daß wir eine stetige, selbsttragende Aufwärtsbewegung haben. Ich will nicht verhehlen, wir Sozialdemokraten hätten dort gern etwas mehr eingebracht, insbesondere bei der Sonderabschreibung für den Mietwohnungsbau Ost.
Sechster Erfolg: Wir haben einen wichtigen ersten Schritt beim Subventionsabbau getan. Ich halte es für das Wichtigste, obwohl es nicht sehr viel Geld bringt, dennoch ist es ein wichtiges Signal, daß wir die steuerliche Absetzbarkeit von Schmiergeldern abbauen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Das ist ein Beispiel, über das wir in diesem Bundestag monate-, ja jahrelang gestritten haben. Ich frage Sie einfach: Wo sind denn die Kolleginnen und Kollegen bei Ihnen abgeblieben, die uns in den vielen Debatten mit Häme und Spott überzogen haben, als wir noch im Sommer 1995 gefordert haben, die steuerliche Absetzbarkeit von Schmiergeldern abzuschaffen. Sie sollten sich alle miteinander schämen, daß es so lange gedauert hat, bis Sie dem zugestimmt haben.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Dr. Kurt Faltlhauser [CDU/ CSU]: Sollen wir uns in die Ecke stellen?)

Das kann nur ein erster Schritt sein. Wir müssen auch dafür sorgen, daß das im internationalen Bereich bei Zahlungen von Schmiergeldern im Ausland zurückgeführt wird. Wir haben dazu im Vermittlungsausschuß folgendes vereinbart:
Zusätzlich zu der Beschlußempfehlung über das Verbot des steuerlichen Abzugs von inländischen Zuwendungen bei Korruption wird sich die Bundesregierung auch auf internationaler Ebene, z. B. der OECD, für entsprechende Regelungen einsetzen und konstruktiv mitarbeiten.
Meine Damen und Herren von der Regierung, wir Sozialdemokraten werden peinlich genau darauf achten, ob Sie wirklich auf internationaler Ebene konstruktiv daran mitarbeiten. Bisher haben Sie das nicht getan, im Gegenteil:

(Bundesminister Dr. Theodor Waigel: Das ist doch nicht wahr! Das ist doch unglaublich!)

Die Schweizer und die Amerikaner waren in dieser Frage sehr viel weitergehender als wir. Wir erwarten von Ihnen, daß Sie wirklich dafür sorgen, daß die internationale Korruption auf diese Weise zurückgedrängt wird.

(Beifall bei der SPD)

Der siebte Punkt ist leider nur ein Teilerfolg, aber immerhin: Wir haben als Sozialdemokraten verlangt, daß im Steuer- und Abgabenrecht die ökologische

Ingrid Matthäus-Maier
Komponente, der Umweltschutz, ein größeres Gewicht erhält, als es bisher der Fall ist. Wir konnten uns diesmal beim Vermittlungsverfahren nicht durchsetzen, wobei ich noch einmal betone: Wir hatten nicht einfach eine Erhöhung von irgendwelchen Energiesteuern vorgesehen, sondern unser Konzept sah und sieht vor, das, was wir durch die Verteuerung der Energie an Mehreinnahmen erzielen, zu 100 °A) an die Bürger und Wirtschaft zurückzugeben, und zwar z. B. durch die Senkung der Arbeitslosenversicherungsbeiträge, durch steuerliche Entlastung von energiesparenden Investitionen.
Aber immerhin: Nach all den Jahren, in denen wir uns hier nutzlos gezankt haben, haben Sie im Vermittlungsverfahren zugestimmt, daß wir im Herbst dieses Jahres über die Weiterentwicklung ökologischer Elemente im Steuersystem beraten. Dabei darf sich die Steuer- und Abgabenquote nicht erhöhen. Ich habe diese Hoffnung, vielleicht sogar die Zuversicht, nachdem sich aus Ihren Reihen die Stimmen mehren, die sagen - nur ein Beispiel -: Es kann doch nicht stimmen, daß der Autofahrer beim Benzin mit über 1 DM Mineralölsteuer pro Liter belastet wird, aber z. B. der Flugverkehr steuerfrei stattfindet. Es gibt viele Beispiele, bei denen wir gemeinsam handeln könnten. Wir fordern Sie auf, bei den Beratungen im Herbst wirklich Butter bei die Fische zu tun.
Damit komme ich zum letzten Punkt. Wir ändern heute Gesetze; wir ändern sogar das Grundgesetz. Es gibt Steuererleichterungen allein im nächsten Jahr von 19 Milliarden DM, die dringend nötig sind. Aber wir werden mit unseren Steuergesetzen scheitern, wenn es uns nicht gelingt, sie in die Praxis umzusetzen.
Ich bin zutiefst darüber beunruhigt, daß in diesem Lande eine Meinung um sich greift, die da heißt: Der Ehrliche ist der Dumme. Was müssen die Bürgerinnen und Bürger denn tagtäglich lesen? Der Baulöwe Schneider rühmt sich, er habe jahrelang überhaupt keine Steuern gezahlt. Herr Flick zieht ins Ausland, um seiner Steuerpflicht zu entgehen. Steffi Graf hat anscheinend auf 175 Millionen DM Einkommen mal gerade 10 Millionen DM Steuern gezahlt. Obwohl der normale Lohnsteuerzahler jeden Monat durch den Lohnsteuerabzug pingelig zur Kasse gebeten wird, hat in diesen Fällen über Jahre offensichtlich keine Betriebsprüfung stattgefunden. Oder: Die Bundesregierung öffnet die Scheunentore zur Steuerhinterziehung bei der Zinsbesteuerung nach Luxemburg. Die Steuergewerkschaft redet von dreistelligen Milliardenzahlen. Selbst wenn die Zahlen der Steuergewerkschaft überzogen sein sollten - ich glaube, daß die 140 Milliarden DM, die dort genannt worden sind, nicht sehr realistisch sind -, sage ich Ihnen: Wenn der Bürger dies alles liest und sieht, daß er pro zusätzlich verdienter Mark 48 Pfennig Sozialabgaben und Steuern bezahlt, dann fangen auch gutwillige Bürger an, sich zu überlegen, ob sie weiter alles versteuern sollten.
Ich kann Ihnen nur sagen: Wer dies weiter so schleifen läßt und wer nicht ernsthaft etwas gegen Steuerhinterziehung tut - ich habe bei dieser Bundesregierung da meine Zweifel -, der untergräbt die
Steuermoral in diesem Lande und trägt mit dazu bei, daß die ehrlichen Steuerzahler sehr viel höhere Steuern zahlen müßten, weil man, wenn man die Milliarden hereinholen würde, die Steuern senken könnte.
Meine Damen und Herren, ich bitte Sie darum - wissend, Herr Bundesfinanzminister, daß für die Steuereinziehung die Länder zuständig sind und nicht der Bund -:

(Bundesminister Dr. Theodor Waigel: Reden Sie doch mit Ihren Länderfinanzministern! Gegenruf des Abg. Detlev von Larcher [SPD]: Hören Sie mal zu! Das ist doch ein guter Vorschlag!)

Sorgen Sie mit entsprechenden Richtlinien dafür, daß es sich auch für die Länder lohnt, die Steuern einzutreiben, die ihnen zustehen, daß nicht länger die Scheunentore nach Luxemburg offen sind und daß wir, wenn wir die Bürger schon mit Steuern belasten, dies mit gutem Gewissen tun können.
Wir stimmen diesem Gesetz zu.

(Beifall bei der SPD)


Dr. Burkhard Hirsch (FDP):
Rede ID: ID1305512800
Herr Bundesfinanzminister, ich muß Sie darauf aufmerksam machen, daß Sie zwar jederzeit reden können, daß aber Zurufe von der Regierungsbank nicht zulässig sind.

(Eduard Oswald [CDU/CSU]: Herr Präsident, unsere Fraktion übernimmt den Zwischenruf!)

Das Wort hat der Abgeordnete Rainder Steenblock.

Rainder Steenblock (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1305512900
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben gerade erlebt, warum wir in diesem Hause möglichst niemals eine Große Koalition haben sollten. Denn wenn man sich anschaut, wie ein schlechter Kompromiß von zwei Seiten schöngeredet worden ist, dann ist festzustellen, daß das nicht nur von den Inhalten, sondern auch von den Formen her, die Politik haben müßte, eine höchst problematische Situation ist. Wenn man dann noch in der Lage ist, daß man nur wenige Minuten Redezeit hat, um gegen diese Große Koalition ein paar Argumente anzubringen - wir haben die Frage der Reform unseres Parlaments heute noch auf der Tagesordnung -, dann ist das schon bedenklich.
Gemessen an den Versprechungen, gemessen an den Erwartungen, die an dieses Reformwerk gerichtet worden sind, gemessen auch an den Anforderungen, die das Bundesverfassungsgericht aufgestellt hat, müssen wir feststellen, daß von all diesem lediglich ein gesetzgeberischer Torso übriggeblieben ist, der Ausdruck vieler verpaßter Reformchancen ist. Verpaßt wurde als erstes die Chance, durch die Festlegung des Existenzminimums an den tatsächlichen sozialen Erfordernissen ein soziales Signal zu setzen, das auch den Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts entsprochen hätte. Meine Damen und Herren, Sie alle wissen sehr genau, daß das, was

Rainder Steenblock
heute als Kompromiß verabschiedet wird, vor dem Bundesverfassungsgericht wahrscheinlich kaum Bestand haben wird, denn die Höhe der Entlastung ist so niedrig gewählt worden, daß die Kritik des Bundesverfassungsgerichts im Grunde überhaupt nicht berücksichtigt worden ist.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Verpaßt wurde die Chance, durch einen gerechten Familienlastenausgleich die unwürdige Situation in diesem Land endlich zu beenden, daß dem Staat die Kinder reicher Eltern anscheinend mehr wert sind als die übrigen Kinder. Wir befinden uns immer noch in der Situation, daß gutverdienende, daß sehr gut verdienende Eltern für ihre Kinder eine größere Entlastung erhalten. Das ist skandalös.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Groß angekündigt wurde ein Weiteres. Die BareisKommission, die sich Gedanken machen sollte, wie der Subventionsabbau in dieser Gesellschaft im Rahmen dieses Gesetzes angegangen werden könne, hat intensiv gearbeitet. Die Chancen, die sich mit ihrer Arbeit verbunden haben, sind aber völlig verpaßt worden. Man muß sich nur einmal anhören, was in der Mittelstandsdebatte für hehre Worte verwendet wurden: Wettbewerbsfähigkeit, freies Unternehmertum, Subventionsabbau, staatliche Eingriffe sollten zurückgedrängt werden. Hier hat eine große Herde von Löwen mit großem Imponiergehabe gebrüllt. Im Gegensatz hierzu muß man sich ansehen, was, als es darum ging, Subventionen tatsächlich abzubauen, für ein kümmerliches Häuflein von verschreckten Mäuslein zusammensaß und überhaupt nicht in der Lage war, in dieser Sache irgend etwas zu bewirken. Sie haben vor den Interessenverbänden auch des Mittelstandes gekuscht. Man muß sich nur einmal ansehen, wer in dieser Richtung alles initiativ geworden ist.
Für eine Sache möchte ich mich bei der Regierung ganz besonders bedanken. Sie hat es geschafft, die völlig konzeptionslosen Vorschläge von Herrn Lafontaine zur Ökosteuer hier herauszuhalten. Frau Matthäus-Maier hat gerade angemerkt, daß das ein Fehler gewesen sei. Ich halte es für einen der wesentlichen Erfolge, daß dies nicht vermischt worden ist. Was Herr Lafontaine zum damaligen Zeitpunkt vorgeschlagen hat, war als energiepolitisches Steuerungsinstrument von der Sache her völliger Unsinn. Dieses Instrument hätte durch die erforderliche Kompensation, die nur dazu gedient hätte, Steuerlöcher des Staatshaushalts zu stopfen, einer Diskreditierung der Ökosteuer Tür und Tor geöffnet. Das sollten wir auf gar keinen Fall zulassen. Glücklicherweise ist das auch nicht geschehen.
Geblieben ist ein Einkommensteuerrecht, das im wesentlichen so geblieben ist, wie es war: sozial ungerecht, für die Mehrheit dieses Landes völlig undurchschaubar, allerdings voller Schlupflöcher - darauf hat Kollegin Matthäus-Maier hingewiesen -, die es den Gutverdienenden mit ihren Steuerberatern ermöglichen, alle Finessen des Steuerrechts auszuschöpfen, um ihre Verpflichtung, die sie gegenüber
dieser Gesellschaft eigentlich hätten, zu reduzieren. Peter Graf kann man sicherlich vorwerfen, daß er den falschen Steuerberater gehabt hat. Aber ich glaube, daß es in diesem Staat durchaus legal sein kann, für 175 Millionen DM nur 10 Millionen DM Steuern zu bezahlen, wenn man einen cleveren Steuerberater hat.
Wir lehnen die Grundgesetzänderung, die heute zur Verabschiedung ansteht, insbesondere aus den Gründen ab, die schon angesprochen worden sind. Dem Finanzausgleich zwischen Bund, Ländern und Kommunen, der schon jetzt ein Flickenteppich ist, wurde ein neuer Flicken hinzugefügt. Die Belastung der Kommunen, die hier erfolgt, wird in keiner Weise ausgeglichen. 1 Milliarde DM kommt allein durch die steuerliche Freistellung des Existenzminimums als zusätzliche Belastung, die an keiner Stelle kompensiert wird, auf die Kommunen zu. 4 Milliarden DM aus dem Familienlastenausgleich sollen von den Ländern an die Kommunen weitergegeben werden.
Aber ich sage Ihnen: Wir haben die Nase voll von Selbstverpflichtungserklärungen sowohl von der Automobilindustrie als auch von der Energieindustrie oder auch von den Bundesländern. Diese Politik ersetzt mit Selbstverpflichtungserklärungen die Steuerung und verzichtet auf politische Handlung. Wir halten das für falsch.

(Dr. Wolfgang Gerhardt [F.D.P.]: Herr Fischer sieht es aber anders!)

Wir hätten es sehr viel lieber gehabt, wenn tatsächlich die Möglichkeit bestanden hätte, durch eine Beteiligung der Kommunen an der Einkommensteuer verläßliche Finanzierungsverhältnisse für die Kommunen zu schaffen. Was für die Kommunen bleibt, ist eine sehr hohe Belastung. Sie wissen selber, daß in diesem Lande viele Kommunen eigentlich den Konkurs anmelden müßten. Deshalb ist diese Belastung für die Kommunen nicht zumutbar. Sie wird sie weiter dem Raubrittertum von Bund und Ländern aussetzen. Aus diesem Grunde werden wir diesem faulen Kompromiß nicht zustimmen und die Grundgesetzänderung ablehnen.
Danke schön.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Dr. Burkhard Hirsch (FDP):
Rede ID: ID1305513000
Ehe ich das Wort weitergebe, möchte ich diejenigen Kollegen, die dem Redner dauernd den Rücken zuwenden, darauf aufmerksam machen, daß das als eine Art etwas einfältiger Meinungsäußerung verstanden werden könnte.
Ich gebe nun der Kollegin Frau Professor Gisela Frick das Wort.

Prof. Gisela Frick (FDP):
Rede ID: ID1305513100
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben heute eigentlich ein anderes Thema als das, was wir alle gehört haben.

(Beifall der Abg. Dr. Barbara Höll [PDS])


Gisela Frick
Denn wenn wir die ersten Beiträge hier gehört haben, müßten wir glauben, daß das gesamte Jahressteuergesetz noch einmal auf dem Prüfstand steht. Über das Vermittlungsergebnis soll nach der Tagesordnung des Plenums - das ist, soweit ich weiß, eine gute Übung - ohne Aussprache abgestimmt werden. Jetzt in der Debatte haben wir uns die Gesetzentwürfe zur Änderung des Grundgesetzes und zur Äderung des Finanzausgleichsgesetzes anzusehen.
Im Gegensatz zu Ihnen, Frau Matthäus-Maier, will ich einmal mit dem Ergebnis anfangen - wir stimmen nämlich diesen Gesetzen zu - und dann begründen, warum wir das tun. Bei Ihnen war die Abschlußbestätigung, daß Sie zustimmen, nach alledem, was Sie davor gesagt haben, vorsichtig gesagt, doch sehr überraschend.

(Heiterkeit und Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU Lachen bei der SPD Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Sechs Erfolge habe ich genannt!)

- Ich habe sogar sieben Erfolge gezählt.

(Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Nein, das siebte war ein Teilerfolg!)

- Ein Teilerfolg, okay. Dabei wäre bei allen sieben Punkten im einzelnen zu widerlegen, daß das Ihre Erfolge sind.

(Lachen des Abg. Detlev von Larcher [SPD])

Vielmehr sind das Erfolge der Koalition. Das ist doch wohl ganz eindeutig.

(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU Detlev von Larcher [SPD]: Das glauben Sie doch selbst nicht!)

- Herr von Larcher, Sie selbst waren dabei, als wir als Parlamentarier z. B. zum Punkt 1 - Existenzminimum - im Finanzausschuß einen neuen Tarifverlauf vorgelegt haben, weil auch uns die ersten beiden Tarife nicht gefallen haben. Wir brauchen das hier nicht zu vertiefen.

(Detlev von Larcher [SPD]: Da mußten wir Sie drücken, bis es soweit war!)

- Da wurde von Ihnen nichts gedrückt; wir waren selber Manns und Frau genug, um das zu ändern. Keine Sorge!
Das ist im Moment aber gar nicht das Thema. Vielmehr haben wir die Grundgesetzänderung zum Thema. Ich möchte für die F.D.P. begründen, warum wir zustimmen. In erster Linie möchten wir den neuen Familienleistungsausgleich. Dieser Familienleistungsausgleich ist in unseren Augen eine deutliche Verbesserung gegenüber dem bisherigen Zustand. Daß das noch nicht die optimale Lösung ist, die wir alle uns vorstellen können, ist bekannt. Daß das nicht am bösen Willen der Koalition, sondern an den Finanzmöglichkeiten scheitert, ist, glaube ich, auch bekannt.
Im übrigen möchte ich in diesem Zusammenhang daran erinnern, daß es gerade die SPD-Landesregierungen waren, die im weiteren Verfahren im Bundesrat und auch im Vermittlungsausschuß dahin gedrückt haben, daß die Entlastung der Bürger keineswegs, wie wir vorgesehen hatten, 22,5 Milliarden DM betragen sollte, sondern allenfalls 10 bis allerhöchstens 12 Milliarden DM. Wenn wir nun die Zahlen ansehen, dann können wir endgültig feststellen, daß die Entlastung der Bürger nach dem Ergebnis des Vermittlungsausschusses immerhin 19 Milliarden DM beträgt. Da frage ich Sie: Wer hat sich da mehr durchgesetzt? Allein die Zahlen zeichnen ein ganz eindeutiges Bild.

(Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Wir wollen diesen neuen Familienleistungsausgleich, sind dabei aber auf die Mitarbeit des Bundesrates, d. h. auf seine Zustimmung, angewiesen. Der Bundesrat hat im Vermittlungsverfahren zur Bedingung gemacht, daß die Lastenverteilung 74:26 dauerhaft festgeschrieben wird, und hat sich nicht darauf eingelassen, daß dies nur im Finanzausgleichsgesetz steht. Es soll ausdrücklich im Grundgesetz formuliert werden.

( Vo r s i t z: Vizepräsident Hans Klein)

Frau Matthäus-Maier, Sie sagten, daß Sie bei dieser Regelung Bauchschmerzen haben. Da treffen wir uns: Auch ich habe Bauchschmerzen deswegen. Ich finde es absolut nicht gut und frage mich: Wo soll das hinführen?
Wir werden in nächster Zeit die Unternehmensteuerreform in Angriff nehmen. Bei der Diskussion über die Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer steht eine Beteiligung an der Umsatzsteuer im Raum. Wir werden ökologische Elemente in unser Steuergesetz integrieren, das am Aufkommen der Kraftfahrzeugsteuer kratzen mag. Dann werden wir wieder Umverteilungen im Rahmen des Finanzausgleichs brauchen. Es stehen auch die Einheitsbewertung und damit Änderungen bei der Vermögensteuer und möglicherweise der Erbschaftsteuer ins Haus. Auch hier könnte es, weil dies Steuern sind, die die Länder betreffen, immer wieder zu neuen Verteilungen kommen.
Sollen wir dann immer wieder sozusagen ein Faß aufmachen und stets das Grundgesetz ändern, weil Sie sagen, es gebe das berechtigte Mißtrauen der Länder, daß sie vom Bund über den Tisch gezogen werden? Woher nehmen Sie denn dies?

(Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Das war schon immer so!)

- Das war schon immer so? Ursprünglich gab es eine Umsatzsteuerverteilung, die bei 70:30 lag. Heute sind wir schon nahezu bei 50:50. Wir sind bei 49,5 : 50,5 angelangt, wenn wir heute die Änderung beschließen. Und da sagen Sie, die Länder würden ständig über den Tisch gezogen.
Die Länder sind bei den Gemeinschaftsteuern in einer Risikogemeinschaft. Wenn bestimmte Elemente unseres Steuerrechtes verfassungswidrig sind und wir daraufhin Änderungen vornehmen müssen, dann

Gisela Frick
kann das doch nicht immer nur den Bund betreffen. Das ist doch keine reine Bundesangelegenheit.

(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

Sie übernehmen doch wie wir alle das Risiko und müssen, wenn Steuermindereinnahmen vorliegen, ihren Anteil entsprechend der Aufkommensverteilung an den Gemeinschaftssteuern tragen.
Ich glaube nicht, daß wir in Zukunft weiter eine solche Verteilung machen werden, schon gar nicht über das Grundgesetz. Das Grundgesetz soll die Grundordnung unserer Gemeinschaft enthalten. Von Roman Herzog stammt der Satz, wir sollten verhindern, daß das Grundgesetz in kleine Münzen umgesetzt wird. Wir sind aber im Moment schon gewaltig dabei, dies zu tun. Das ist nicht unser eigenes Bestreben. Wir beugen uns in gewisser Weise dem Bundesrat und seinen Vorhaben, weil sonst überhaupt nichts voranginge. Wir wären absolut reformunfähig, wenn stets oberstes Ziel ist, die Besitzstände der jeweiligen Finanzen zu halten.
Ich bin überrascht, daß der Bundesrat solche Bedingungen, die er in dieser Form eigentlich gar nicht stellen dürfte, durchsetzt, heute aber die Bundesratsbank leer ist und sich die Vertreter der Länder dies noch nicht einmal anhören, obwohl sie das angezettelt haben, was wir heute ausbaden müssen.

(Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU Günter Verheugen [SPD]: Sie haben völlig recht!)

Wir stimmen also zu, weil wir im Endergebnis den besseren Familienleistungsausgleich wollen.
Wir wollen einen verfassungsgemäßen Familienleistungsausgleich. Frau Matthäus-Maier, Sie wissen genausogut wie Herr Steenblock und wir, daß ein einheitliches Kindergeld nur dann verfassungsgemäß ist, wenn es in einer entsprechenden Höhe angesetzt wird. Es kommt nicht auf die Einheitlichkeit als solche an, sondern auf die entsprechende Höhe.

(Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Ja, genau!)

Daß gerade Ihre Landesfürsten ganz erhebliche Bauchschmerzen haben, wenn es um die Finanzierung eines solchen Kindergeldes geht, brauchen wir hier nicht zu erwähnen; das ist allgemein bekannt. Ein ordentliches Kindergeld in einer verfassungsrechtlich ausreichenden Höhe wäre selbst mit Ihren Landesregierungen im Bundesrat überhaupt nicht durchzusetzen.
Wir haben uns deshalb auf eine Lösung festgelegt, die verfassungsgemäß, aber nicht so wahnsinnig teuer ist wie das, was Sie beabsichtigt haben. Wir mußten sogar gegen die Landesfürsten kämpfen, um wenigstens die jetzige Höhe durchzusetzen.

(Beifall bei der F.D.P.)

Die Lösung ist gut, und wir wollen sie haben. Sie bringt den Familien etwa 7,2 Milliarden DM Entlastung im nächsten Jahr. Daß wir gewisse Einschränkungen im Bereich des Finanzausgleichs machen
müssen, nehmen wir als bittere Pille hin. Wir werden zustimmen, hoffen aber, daß es das letzte Mal ist, daß wir in diesem Zusammenhang einer Änderung des Grundgesetzes zustimmen müssen.

(Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Hans Klein (CSU):
Rede ID: ID1305513200
Ich erteile das Wort der Kollegin Dr. Barbara Höll.

Dr. Barbara Höll (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1305513300
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als erstes möchte ich sagen, daß es mir ähnlich wie Frau Professorin Frick ging, denn zur Frage der Gesetzesänderungen, die hier auf der Tagesordnung stehen, haben wir bisher sehr wenig gehört.
Durch die vorgesehenen Änderungen des Grundgesetzes und des Finanzausgleichsgesetzes sollen die höheren Belastungen der Länder aus dem Familienlastenausgleich ausgeglichen werden. Höhere Belastungen bzw. steuerliche Mindereinnahmen entstehen aber nicht nur für die Länder, sondern auch für die Städte und Gemeinden. Genau zu diesem Punkt war bisher von der Regierungskoalition, aber auch von der SPD ziemlich wenig zu hören. Es zeigt sich, daß da wohl die Hausaufgaben nicht gemacht wurden.
Die vorliegenden gesetzlichen Änderungen sehen keinen unmittelbaren Ausgleich der Mehrbelastungen für die Städte und Gemeinden vor. Ohne eine solche klare Regelung sind die Kommunen wieder vom guten Willen der Länder abhängig. Ob die Länder tatsächlich die entsprechenden finanziellen Mittel an die Kommunen weiterreichen, ist fraglich.
Es gibt hier durchaus berechtigtes Mißtrauen, das sich in den letzten Jahren entwickelt hat. Gerhard Seiler als Präsident des Deutschen Städtetages und CDU-Mitglied wies beispielsweise darauf hin, daß die westdeutschen Städte im Rahmen des Solidarpakts rund 5 Milliarden DM für den Aufbau in den neuen Bundesländern zahlen, daß aber nur eine Milliarde bei den Kommunen in den neuen Bundesländern ankommt.
Man fragt sich, warum das so ist. Es zeigt sich, daß sich die Länder vielfach aus diesen Mitteln zu ihrer Schuldentilgung bedient haben, aber nichts an die Kommunen weitergegeben haben.
Das Tauziehen zwischen Bund und Ländern, bei dem die Kommunen außen vor bleiben, ist peinlich. Es wäre auch nicht nötig gewesen. Die aus dem Familienlastenausgleich entstehenden Mehrbelastungen hätten bei politischem Willen durchaus aufkommensneutral durch den Abbau steuerlicher Subventionen ausgeglichen werden können.
Ich führe dafür nur ein Beispiel an. Allein aus dem vor allem Bezieher hoher Einkommen begünstigenden Sparerfreibetrag in Höhe von 6 000 DM für Alleinstehende und 12 000 DM für Verheiratete entste-

Dr. Barbara Höll
hen den öffentlichen Haushalten jährlich 5 bis 6 Milliarden DM Einnahmenausfälle. Und wir haben die Zahl von etwa 7 Milliarden DM für das Kindergeld als Ausgleich gehört.
Eine weitgehende Reduzierung des Sparerfreibetrages und die entsprechende Erhöhung des Anteils der Kommunen an der Einkommensteuer von 15 % auf 16 % hätten also die Mindereinnahmen der Kommunen in Höhe von rund 4 Milliarden DM durchaus kompensieren können.
Die gegenwärtige Lösung ist Ausdruck der weiteren Zentralisierung der öffentlichen Mittel in den Händen von Bund und Ländern. Das ist eine gravierende Beschneidung der Handlungsfreiheit der Kommunen.
Das Problem liegt aber, glaube ich, tiefer. Es werden Veränderungen in der Gesetzgebung vorgenommen, die über die Köpfe der Betroffenen - diesmal der Kommunen - hinweg entschieden werden. Die Kommunen sind in keiner Weise in den Entscheidungsprozeß einbezogen. Sie können sich tatsächlich nicht einbringen. Hier sehen wir die Auswirkungen der Veränderungen des Finanzausgleichsgesetzes. Die Kommunen sitzen eben nicht im Vermittlungsausschuß.
Somit sind die Gesetzesvorlagen zugleich beredtes Zeugnis für die Demokratiedefizite dieser Republik und für den tatsächlichen Abbau des im Grundgesetz festgelegten Rechts der Kommunen auf kommunale Selbstverwaltung.
Es ist hier sehr viel Grundlegendes zum Jahressteuergesetz gesagt worden. Da ich aber nur eine sehr begrenzte Zeit zur Verfügung habe, erlaube ich mir, wenigstens auf einen Punkt hinzuweisen.
Sie schmücken sich hier reihum wiederholt mit den tollen Leistungen für den Familienleistungsausgleich. Das ist auf alle Fälle ein schon lange notwendig gewesener Schritt, der tatsächlich zur Entlastung einer Vielzahl von Familien führt. Aber Sie verschweigen ständig, daß es nicht alle Familien betrifft. Bei den 1 Million Kindern und Jugendlichen, die von Sozialhilfe, von staatlicher Alimentierung, leben, wird dieses Kindergeld nur gegen die Sozialhilfe gegengerechnet. Ich glaube, auch das zeugt davon, in welcher Höhe das Kindergeld gezahlt wird und daß es trotz allem absolut unzureichend ist.
Man kann auf verschiedene Art und Weise rechnen, wie man ein Existenzminimum bestimmt. Zum Glück haben wir noch die Sozialhilferegelsätze, auch wenn sie in den letzten Jahren gedeckelt wurden. Sie sollten doch zumindest für Kinder und Jugendliche einen Maßstab abgeben. Solange das Kindergeld darunter bleibt, deckt es auf keinen Fall das Existenzminimum. Das, was Sie heute zustimmend verabschieden und wozu wir die gesetzliche Grundlage ablehnen, entspricht nicht den Erfordernissen der Zeit.
Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der PDS)


Hans Klein (CSU):
Rede ID: ID1305513400
Das Wort hat die Kollegin Dr. Susanne Tiemann.

Dr. Susanne Tiemann (CDU):
Rede ID: ID1305513500
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir werden heute einer Grundgesetzänderung zustimmen, die ich für weitaus wichtiger halte als die Grundgesetzänderung, die wir in der Folge beschließen werden, die aber in der Öffentlichkeit ihrerseits viel Aufsehen erregt.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich möchte auf die Tragweite dieser Grundgesetzänderung hinweisen.
Meine Damen und Herren, unsere Finanzverfassung beruht auf dem Grundsatz, daß Bund und Länder einen gleichmäßigen Anspruch auf die Deckung ihrer Ausgaben haben. Verändern sich die Einnahmen und die Ausgaben des Bundes und der Länder wesentlich, so müssen durch einfaches Gesetz die Anteile an der Umsatzsteuer geändert werden.
Auf diese Weise besteht ein flexibles Verteilungssystem, beruhend auf Deckungsquoten. Es soll bewirken, daß der Maßstab der Verteilung das jeweilige Haushaltsvolumen ist, und es soll verhindern, daß sich der Anteil von Schulden auf der einen oder der anderen Seite anhäuft. Dieses System des vertikalen Finanzausgleichs im Bundesstaat bewirkt weitestgehende bundesstaatliche Solidarität im Zusammenhang mit dem Ausgleich bei der Lastenverteilung. Ich meine, daß es den Ländern wohl angestanden hätte, an diesem Solidaritätsverbund auch für den so wichtigen Bereich der Familie teilzunehmen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

Darüber hinaus soll mit unserem gegenwärtigen System, meine Damen und Herren, aber auch die Verschuldungssituation der Haushalte von Bund und Ländern, der grundlegende Stabilitätsfaktor, gegenseitig ausbalanciert werden. Deswegen sind die Anteile an der Umsatzsteuer gegenwärtig eben nicht, wie bei der Einkommen- und der Körperschaftsteuer, in der Verfassung selbst festgelegt. Unser gegenwärtiges System ist deshalb ein Faktor in die Richtung konsolidierte Haushaltsführung.
Beim gegenwärtigen System wären in die Berechnung der Deckungsquoten folgerichtig auch die Steuermindereinnahmen einzubeziehen, die sich dadurch ergeben, daß das Kindergeld direkt von der Steuerschuld abgezogen werden soll. Insofern machen die Länder diese Grundgesetzänderung zur Bedingung, weil sich die Lastenverteilung zwischen Bund und Ländern zu ihren Ungunsten verändern würde. Wir schreiben mit dieser Grundgesetzänderung den Länderanteil fest, bewirken aber dadurch - und darauf möchte ich hinweisen - gewissermaßen einen Bund-Länder-Sonderausgleich für den Familienbereich.
Ich mache darauf aufmerksam, daß wir mit diesem Sonderausgleich in die Systematik unserer Finanzverfassung eingreifen. Sie stimmen mir zu, daß man mit Verfassungsänderungen an sich ohnehin sparsam umgehen sollte. Sie sollten nur da erfolgen, wo

Dr. Susanne Tiemann
eine zwingende Notwendigkeit dazu besteht. Meine Damen und Herren, nur weil diese zwingende Notwendigkeit im aktuellen Fall besteht, werden wir dieser Grundgesetzänderung zustimmen, denn wir können und dürfen den mühsam ausgehandelten Kompromiß, was den Familienleistungsausgleich anbelangt, nicht aufs Spiel setzen.
Insofern müssen wir diesen Sündenfall begehen und das Grundgesetz ändern, denn die Entlastung der Familien muß jetzt vorrangig sein. Alles, was wir hier im Rahmen unserer knapp bemessenen Möglichkeiten einsetzen können, ist eine Investition für die Zukunft. Deshalb muß auch der Preis dieser Grundgesetzänderung in Kauf genommen werden.
Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)


Hans Klein (CSU):
Rede ID: ID1305513600
Das Wort hat der Kollege Gunnar Uldall.

Gunnar Uldall (CDU):
Rede ID: ID1305513700
Herr Präsident! Meine Damen und meine Herren! Das Jahressteuergesetz ist ein großer Schritt nach vorn zu einer Entlastung für die Familien. Es ist ein großer Schritt nach vorn für eine gerechte Besteuerung der Bezieher niedriger und mittlerer Einkommen. Darüber können wir uns alle nur freuen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Freuen sollten sich auch die Sozialdemokraten und meine Vorrednerin Frau Matthäus-Maier; denn dieses ist wirklich ein gutes Ergebnis, das nach langen Beratungen herausgekommen ist.
Um nun keine Geschichtsklitterung aus der Rede von Frau Matthäus-Maier im Raum stehenzulassen, möchte ich auf zwei Aspekte eingehen, die sie genannt hat.
Der Tarif, den die sozialdemokratische Bundestagsfraktion gefordert hatte, sah immer ein Existenzminimum von 13 000 DM vor. Mit dieser Forderung hat sich die sozialdemokratische Bundestagsfraktion nicht durchgesetzt, weil das eine unseriöse, populistische und nicht finanzierbare Forderung gewesen ist. Das wurde denen von ihren eigenen Parteigenossen in den Landesregierungen ins Stammbuch geschrieben.

(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

Man kann nicht sagen, daß sich die SPD hier durchgesetzt hat, Frau Matthäus-Maier. Sie hat sich in dieser Frage blamiert.

(Beifall bei der CDU/CSU Widerspruch bei der SPD)

Das gleiche gilt für den Kinderfreibetrag. Die SPD wollte immer einen Betrag in Höhe von 250 DM. Die Ministerpräsidenten stellten das als absolut unrealistisch heraus. Sie haben ihre eigene Bundestagsfraktion zurückgestellt. Ist so etwas ein Erfolg, Frau Matthäus-Maier?

(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

Wenn man untersucht, was in diesem Beratungsgang neu in das Gesetz gekommen ist, dann stellt man fest, daß es sehr viele Verschlechterungen sind, mit denen sich die Sozialdemokraten durchgesetzt haben, z. B. die steuerliche Behandlung des Arbeitszimmers. Das ist nicht unsere Erfindung. Das ist Ihr Wunsch gewesen.

(Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Nein! Sie wissen genau, daß das nicht stimmt! Herr Repnik, sagen Sie das einmal!)

Oder nehmen Sie die Verschlechterung für die Arbeitnehmer mit dem doppelten Wohnsitz. Auch dies war Ihr und nicht unser Anliegen. Wir werden in der Öffentlichkeit immer deutlich sagen, wer der Erfinder dieser Dinge gewesen ist, Frau Matthäus-Maier.

(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

Die Koalition und die Bundesregierung wollten eine Nettoentlastung. Die Gegenfinanzierung ist eine Maßnahme, die die SPD mit eingebaut hat. Das gilt es festzuhalten; denn die Lage der Steuerzahler wäre noch mehr verbessert worden, als es jetzt schon durch dieses Gesetz geschieht.

(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

Meine Damen und Herren, jetzt aber zu dem eigentlichen Punkt unserer Tagesordnung, nämlich der Änderung des Grundgesetzes und des Finanzausgleichsgesetzes. Wir werden den beiden Anträgen zustimmen, tun das aber mit einigen Bedenken.
Bedenken Nummer eins. Die Neuaufteilung des Umsatzsteueraufkommens - es wurde eben schon von Frau Tiemann und Kollegen darauf hingewiesen - wird nicht durch eine einfache Gesetzesänderung, sondern durch eine Änderung des Grundgesetzes abgesichert. Wenn wir das in Zukunft mit allen finanzpolitischen Maßnahmen so machen würden, würden wir in Kürze alle Einzelfallregelungen in das Grundgesetz einbauen und dessen Systematik sprengen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Bedenken Nummer zwei. Der Familienleistungsausgleich zwischen Bund und Ländern wird im Verhältnis 74 zu 26 aufgeteilt und bevorteilt damit die Länder. Wie stark sich der Bund hiermit zugunsten der Länder festgelegt hat, wird sich erst in einigen Jahren zeigen, wenn die Familienleistungen im Zuge des steigenden Existenzminimums weiter angehoben werden.
Bedenken Nummer drei. Die Neuregelung ist kompliziert. Schon heute ist die Finanzverfassung, das Gestalten der Einnahmenaufteilung zwischen Bund, Ländern und Kommunen nur noch von ganz wenigen Fachleuten zu verstehen. Wenn wir jetzt diesen Weg gehen, wird es zu einer weiteren Komplizierung kommen.

(Carl-Ludwig Thiele [F.D.P.]: Sehr richtig!)

Schließlich müssen wir bedenken, daß die Umsatzsteuer mehr und mehr zu einer Ländersteuer wird. Nach der jetzigen Änderung wird dem Bund nur noch etwas mehr als die Hälfte, 50,5 %, zur Verfü-

Gunnar Uldall
gung stehen. Wenn wir dann noch in einiger Zeit die Gewerbekapitalsteuer beseitigen und damit nochmals 2,7 % an die Kommunen abgeben werden, wird der Bund bei einem Anteil von deutlich unter 50 % liegen. Aus einer Bundessteuer, deren Aufkommen ursprünglich zu 100 % dem Bundesstaat zugestanden hat, ist eine Steuer geworden, von der dann weniger als 50 % in die Bundeskasse fließen.
Meine Damen und Herren, die Lastenverteilung beim Familienleistungsausgleich zwischen Bund und Ländern beträgt heute 74 % zu 26 %. Bisher hat der Bund die Ausgaben für das Kindergeld allein getragen. Die Steuermindereinnahmen aus dem Kinderfreibetrag hingegen wurden vom Bund, von den Ländern und den Gemeinden gemäß ihrem Anteil am Aufkommen der Einkommensteuer getragen.
Als Bundespolitiker wundert es mich doch sehr, zu sehen, daß auf der einen Seite das Bundesverfassungsgericht ein höheres Existenzminimum gefordert hat und daß es auf der anderen Seite so getan hat, als ob sich nur für den Bund etwas ändern würde, aber nicht auch für die Länder. Man kann hier eine Schieflage feststellen. Die Erhöhung des Existenzminimums für Erwachsene von 5 600 DM auf 12 000 DM wird von Bund, Ländern und Gemeinden gemäß ihrem Anteil an der Einkommensteuer gemeinsam getragen. Die Erhöhung des Existenzminimums für die Kinder von 4 100 DM auf 6 200 DM aber trägt der Bund weitestgehend allein.

(Carl-Ludwig Thiele [F.D.P.]: Sehr richtig!) Wer kann dieses eigentlich erklären?


(Detlev von Larcher [SPD]: Der Finanzminister vielleicht! Gegenruf des Abg. CarlLudwig Thiele [F.D.P.]: Nein, die Länder, SPD-geführt!)

Der Steuerausfall ist durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts begründet, und zwar hinsichtlich der Freistellung des Existenzminimums, gleichermaßen bei Erwachsenen und bei Kindern. Folglich müßte der Bund auch bei der Freistellung des Existenzminimums der Kinder nur mit seinem Anteil an der Einkommensteuer belastet werden, ebenso wie bei den Erwachsenen. Wenn wir dennoch bereit sind, den Ländern großzügig entgegenzukommen, so tun wir das nur deswegen, weil wir wollen, daß das Existenzminimum für alle Bürger in der Bundesrepublik jetzt freigestellt wird und daß die Verbesserungen des Familienleistungsausgleichs jetzt durchgesetzt werden.

(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

Es gilt die Zusage von Minister Waigel, daß der Bund an der Systemumstellung des Familienleistungsausgleichs nichts verdienen will. Das Ergebnis ist aber, daß die Länder den Steuerausfall nicht in dem Umfang tragen, wie es gerechtfertigt wäre. Die Länder haben dies natürlich rechtzeitig erkannt. Das ist natürlich der Grund, weswegen sie eine Absicherung dieser Formulierung im Grundgesetz wünschen. Wenn das in einem einfachen Bundesgesetz geschähe, wäre eine solche einseitige Bevorzugung der Länder natürlich leichter rückgängig zu machen.
Minister Waigel hat vorgeschlagen, die Ausfälle der Gemeinden in Form eines höheren Anteils der Kommunen an der Einkommensteuer, nämlich statt heute 15 % dann 16 %, direkt zu kompensieren.

(Dr. Kurt Faltlhauser [CDU/CSU]: Das war ein hervorragender Vorschlag! Er wurde aber nicht angenommen!)

Das lehnte der Bundesrat ab. Auch hier ist der Grund klar. Die Länder wollten natürlich das Geld erst einmal in den eigenen Kassen haben, bevor sie den Gemeinden von den Einnahmen, die sie zusätzlich erhalten, etwas weitergeben. Wir fordern mit allem Nachdruck die Länder auf, den Kommunen den ihnen zustehenden Anteil aus der gesetzlichen Umsatzsteuer zukommen zu lassen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie des Abg. Carl-Ludwig Thiele [F.D.P.] Detlev von Larcher [SPD]: Da klatschen aber nur zwei Leute!)

Hinter allem steht aber die Frage: Warum muß der Bund überhaupt Anteile von der Umsatzsteuer abgeben? Wäre es nicht sehr viel sinnvoller gewesen, Anteile von der Einkommensteuer abzutreten? Denn die Einkommensteuer wird von der Freistellung des Existenzminimums und von der Regelung des Familienleistungsausgleichs betroffen. Insofern wäre dies der richtige Weg gewesen.

(Beifall der Abgeordneten der CDU/CSU)

Nun muß man mit Sorge feststellen, daß sich über viele Jahre die Steuerstruktur permanent zu Lasten des Bundes verschlechtert hat.
Der Anteil des Bundes am Gesamtsteueraufkommen ist seit 1970 von 53 % auf jetzt 44 % gesunken. Gleichzeitig stieg der Anteil der Länder am Gesamtsteueraufkommen von 30 % auf 39 %. Bei den Kommunen sank der Anteil leicht von 14 % auf 12 %. Das ist ein Grund mehr, weswegen die Länder jetzt in einer gerechten und fairen Verhandlung ihren Kommunen den entsprechenden Teil zukommen lassen müssen.

(Unruhe)


Hans Klein (CSU):
Rede ID: ID1305513800
Herr Kollege Uldall, darf ich Sie einen Moment unterbrechen?

(Anhaltende Unruhe)

Der Kollege Uldall hat noch gut zweieinhalb Minuten Redezeit; dann kommen wir zur Abstimmung. Seien Sie doch so kollegial und hören Sie ihm die zweieinhalb Minuten noch zu!

(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. Zuruf von der CDU/CSU: Das lohnt sich!)


Gunnar Uldall (CDU):
Rede ID: ID1305513900
Herr Präsident, es ist nicht so sehr eine Frage der Kollegialität - auch darüber freue ich mich -, sondern vor allem kommt es auf den Inhalt dessen an, was ich vortrage.

(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. Lachen bei der SPD)


Gunnar Uldall
Lassen Sie mich folgende Zahlen nennen: Die Schieflage der Finanzausstattung des Bundes wird sich gemäß mittelfristiger Finanzplanung weiter verschlechtern. Das Aufkommen des Bundes wird bis 1999 um 85 Milliarden DM steigen, das Aufkommen der Länder dagegen wird um 100 Milliarden DM steigen. Der Bund steigert sein Einkommen um ein Fünftel, die Länder steigern ihre Einnahmen um ein Drittel. Dies wird jetzt durch die Veränderung des Anteils an der Mehrwertsteuer noch weiter zugunsten der Länder verschoben.
Meine Damen und meine Herren, der Bund ist nicht der Zahlmeister der Länder. Es muß eine faire und gerechte Verteilung der Mittel zwischen allen Gebietskörperschaften, zwischen Bund, Ländern und Kommunen, geben.

(Michael Glos [CDU/CSU]: So ist es!)

Hier gibt es einen Nachholbedarf zugunsten des Bundes. Wir werden in den nächsten Jahren darauf achten, daß hier wieder Gerechtigkeit hergestellt wird. Aber zunächst freuen wir uns, daß es uns gelungen ist, ein gutes Gesetz über die parlamentarischen Hürden zu bringen. Wir freuen uns mit allen Familien, die in den Genuß des neuen Familienleistungsausgleichs kommen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)


Hans Klein (CSU):
Rede ID: ID1305514000
Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über den von den Fraktionen der CDU/CSU, der SPD und der F.D.P. eingebrachten Entwurf zur Änderung des Grundgesetzes, Drucksachen 13/2245 und 13/2373. Ich bitte diejenigen Kolleginnen und Kollegen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschußfassung zuzustimmen gedenken, um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Gegen die Stimmen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und PDS ist der Gesetzentwurf damit in zweiter Beratung angenommen.
Wir kommen zur
dritten Beratung
und Schlußabstimmung. Ich weise darauf hin, daß zur Annahme des Gesetzentwurfs eine Zweidrittelmehrheit erforderlich ist. Das sind mindestens 448 Stimmen. Es ist namentliche Abstimmung verlangt. Sind die Schriftführer an den Urnen? - Ich eröffne die Abstimmung. -
Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine Stimme nicht abgegeben hat? - Das scheint nicht der Fall zu sein.
Ich schließe die Abstimmung. Ich bitte die Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen.
Meine Damen und Herren, das Ergebnis wird Ihnen später bekanntgegeben. Wir setzen jetzt die Abstimmungen fort.

(Unruhe)

- Darf ich Sie bitten, Platz zu nehmen. Wir stimmen weiter ab. -
Wir kommen zur Abstimmung über den von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD und F.D.P. eingebrachten Entwurf zur Änderung des Finanzausgleichsgesetzes, Drucksachen 13/2246 und 13/2368.
Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschußfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Gegenstimmen! - Enthaltungen? - Gegen die Stimmen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und PDS ist der Gesetzentwurf in zweiter Beratung angenommen.
Wir kommen zur
dritten Beratung
und Schlußabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich von ihren Plätzen zu erheben. - Gegenprobe! - Wer enthält sich der Stimme? - Der Gesetzentwurf ist gegen die Stimmen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und PDS angenommen.
Ich rufe Tagesordnungspunkt 5 auf:
Beratung der Beschlußempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) zu dem Jahressteuergesetz 1996
- Drucksachen 13/901, 13/1558, 13/1800, 13/ 1779, 13/1960, 13/2003, 13/2016, 13/2100, 13/ 2262 (Berichtigung) -
Berichterstattung: Abgeordneter Dr. Peter Struck
Berichterstatter ist Abgeordneter Dr. Peter Struck. Wird das Wort zur Berichterstattung gewünscht? - Dies ist offensichtlich nicht der Fall.
Mir liegt eine Wortmeldung zur Abgabe einer Erklärung nach § 31 unserer Geschäftsordnung vor. Ich erteile hiermit das Wort der Kollegin Dr. Barbara Höll.

Dr. Barbara Höll (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1305514100
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte mein Abstimmungsverhalten hier erklären, u. a. auch vor dem Hintergrund, daß der PDS eine Mitgliedschaft im Vermittlungsausschuß verwehrt wurde, so daß wir an diesem Prozeß nicht teilnehmen konnten.
Ich werde gegen das Ergebnis des Vermittlungsausschusses stimmen, da damit meines Erachtens ein verfassungswidriger Zustand festgeschrieben wird. In 1996 führt die Steuerfreistellung des Existenzminimums und des Kindergeldes gemäß dem Ergebnis des Vermittlungsausschusses zu Mindereinnahmen in Höhe von rund 22 Milliarden DM. Davon trägt der Bund 10,24 Milliarden DM, die Länder tragen 6,37 Milliarden DM und die Gemeinden 6,03 Milliarden DM. Mit dem Antrag des Vermittlungsausschusses sollen die Einnahmeausfälle auf rund 18 Milliarden DM begrenzt werden, indem eine Streichung von sogenannten steuerlichen Vergünstigungen -„Subventionsabbau" genannt - in Höhe von 4,3 Milliarden DM vorgenommen wird.

Dr. Barbara Höll
Ich stimme gegen dieses Ergebnis des Vermittlungsausschusses, weil mit der Festschreibung des Existenzminimums für 1996 in Höhe von 12 095 DM fraktionsübergreifend ein verfassungswidriger Zustand festgeschrieben wird. Dies ist eigentlich sowohl die Auffassung der SPD als auch die der Fraktion BÜNDNIS 90/GRÜNE.
Ich möchte aus dem Entschließungsantrag der SPD zum Jahressteuergesetz 1996 zitieren - denn auch dies begründet meine Meinung zu dem Ergebnis -:
Nach den verfassungsrechtlichen Vorgaben muß daher der Grundfreibetrag mindestens auf 13 000 DM für Alleinstehende und 26 000 DM für Verheiratete angehoben werden.
Dies war bereits für 1996 vorgesehen.
Ich appelliere an die Abgeordneten von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, meinem Beispiel zu folgen und das Ergebnis des Vermittlungsausschusses abzulehnen, da sie ansonsten entgegen ihrer eigenen Überzeugung stimmen. Dies bedeutete nur das fortgesetzte Tragen der Regierungspolitik.

(Unruhe)

Des weiteren soll mit dieser Vorgabe nur eine Erhöhung ab 1999 festgeschrieben - - Herr Präsident, können Sie bitte einmal für Ruhe sorgen?

(Dr. Gerd Müller [CDU/CSU]: Das entscheidet doch der Präsident!)

- Ja, aber ich kann ihn doch einmal darum bitten.

Hans Klein (CSU):
Rede ID: ID1305514200
Frau Kollegin, die eingelegte Pause hat bereits dazu geführt, daß sich der Lärmpegel etwas gesenkt hat. Bitte fahren Sie fort.

Dr. Barbara Höll (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1305514300
Danke. - Darüber hinaus soll nach der Festschreibung für 1996 in Höhe von 12 095 DM die gesetzliche Verankerung von 13 000 DM als steuerfrei zu stellendes Existenzminimum erst für 1999 auf dann unbestimmte Zeit festgeschrieben werden. Ich glaube, hiermit wird tatsächlich eine Weiche für die Zukunft gestellt, die in diesem Hohen Hause so nicht tragbar ist.
Als letzten Grund dafür, daß ich nicht zustimmen kann, möchte ich anführen: Das, was hier „Subventionsabbau" genannt wird, ist kein Subventionsabbau. Es ist ein Versuch, den Bürgerinnen und Bürgern dieses Landes etwas vorzumachen. Denn das, was hier unter der irreführenden Parole „Subventionsabbau" als Finanzierung der Steuerentlastung verkauft wird, hat überhaupt nichts, aber auch gar nichts mit Subventionen zu tun.
Aufwendungen im Rahmen der doppelten Haushaltsführung und Aufwendungen für betriebliche oder berufliche Nutzung des häuslichen Arbeitszimmers sind steuerrechtlich Werbungskosten oder Betriebsausgaben. Sie dienen zur Erhaltung, Sicherung und Erwerbung von Einnahmen. Ihre Berücksichtigung führt demnach nicht zur Subventionierung oder Privilegierung, sondern entspricht der Beteuerung nach der Leistungsfähigkeit und stellt Steuergleichheit und Steuergerechtigkeit überhaupt erst her. Daß sie genau an diesen Punkten den Rotstift angesetzt haben, zeugt davon, wie unsozial auch dieses dem Jahressteuergesetz zugrundeliegende Anliegen ist.
Aus all diesen hier kurz angeführten Gründen werde ich gegen das Ergebnis des Vermittlungsausschusses stimmen und möchte, wie gesagt, meine Kollegen insbesondere der SPD und vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN an ihre Position, die sie noch in diesem Jahr vertreten haben, erinnern.
Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der PDS)


Hans Klein (CSU):
Rede ID: ID1305514400
Wir kommen zur Abstimmung. Der Vermittlungsausschuß hat gemäß § 10 Abs. 3 Satz 1 seiner Geschäftsordnung beschlossen, daß im Deutschen Bundestag über die Änderung gemeinsam abzustimmen ist.
Wer stimmt für die Beschlußempfehlung des Vermittlungsausschusses auf Drucksache 13/2100 mit den Berichtigungen auf Drucksache 13/2262? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Die Beschlußempfehlung ist gegen die Stimmen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und PDS angenommen.
Ich gebe das von den Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den von den Fraktionen der CDU/ CSU, SPD und F.D.P. eingebrachten Entwurf zur Änderung des Grundgesetzes auf den Drucksachen 13/ 2245 und 13/2373 bekannt. Abgegebene Stimmen: 607. Mit Ja haben gestimmt: 541; mit Nein haben gestimmt: 64; ihrer Stimme haben sich enthalten: 2. Der Gesetzentwurf ist mit der erforderlichen Mehrheit angenommen. Nach Art. 79 Abs. 2 des Grundgesetzes ist für die Annahme die Zustimmung von zwei Dritteln der Mitglieder des Deutschen Bundestages erforderlich. Das wären 448 Stimmen gewesen. Ich bedanke mich.
Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 607; davon
ja: 541
nein: 64
enthalten: 2
Ja
CDU/CSU
Ulrich Adam
Peter Altmaier
Anneliese Augustin Jürgen Augustinowitz Heinz-Günter Bargfrede Franz Peter Basten
Dr. Wolf Bauer
Brigitte Baumeister Meinrad Belle
Dr. Sabine Bergmann-Pohl Hans-Dirk Bierling
Dr. Joseph-Theodor Blank Renate Blank
Dr. Heribert Blens Peter Bleser
Dr. Norbert Blüm Friedrich Bohl
Dr. Maria Böhmer Jochen Borchert
Wolfgang Börnsen (Bönstrup) Wolfgang Bosbach
Dr. Wolfgang Bötsch Klaus Brähmig
Rudolf Braun (Auerbach)

Paul Breuer
Monika Brudlewsky Georg Brunnhuber Klaus Bühler (Bruchsal) Hartmut Büttner

(Schönebeck)

Manfred Carstens (Emstek) Peter Harry Carstensen (Nordstrand)

Vizepräsident Hans Klein
Wolfgang Dehnel Hubert Deittert
Gertrud Dempwolf Albert Deß
Renate Diemers Wilhelm Dietzel Werner Dörflinger Hansjürgen Doss Dr. Alfred Dregger Maria Eichhorn
Wolfgang Engelmann Rainer Eppelmann Heinz Dieter Eßmann Horst Eylmann
Anke Eymer
Ilse Falk
Dr. Kurt Faltlhauser Jochen Feilcke
Dr. Karl H. Fell
Ulf Fink
Dirk Fischer (Hamburg) Leni Fischer (Unna)
Klaus Francke (Hamburg) Herbert Frankenhauser Dr. Gerhard Friedrich Erich G. Fritz
Hans-Joachim Fuchtel Michaela Geiger Norbert Geis
Dr. Heiner Geißler Michael Glos
Wilma Glücklich
Dr. Reinhard Göhner Peter Götz
Dr. Wolfgang Götzer Joachim Gres
Kurt-Dieter Grill Wolfgang Gröbl Hermann Gröhe Claus-Peter Grotz Manfred Grund
Horst Günther (Duisburg) Gottfried Haschke

(Großhennersdorf) Gerda Hasselfeldt Rainer Haungs

Otto Hauser (Esslingen) Hansgeorg Hauser

(Rednitzhembach) Klaus-Jürgen Hedrich Manfred Heise

Dr. Renate Hellwig Ernst Hinsken
Peter Hintze
Josef Hollerith
Dr. Karl-Heinz Hornhues Siegfried Hornung Joachim Hörster
Hubert Hüppe Peter Jacoby GeorgJanovsky Helmut Jawurek Dr. Dionys Jobst
Michael Jung (Limburg) Ulrich Junghanns
Dr. Harald Kahl
Steffen Kampeter Dr.-Ing. Dietmar Kansy Volker Kauder
Peter Keller Eckart von Klaeden Dr.Bernd Klaußner Hans Klein (München) Ulrich Klinkert
Dr. Helmut Kohl Hans-Ulrich Köhler (Hainspitz)

Manfred Kolbe Norbert Königshofen Eva-Maria Kors Hartmut Koschyk Manfred Koslowski
Thomas Kossendey
Rudolf Kraus
Wolfgang Krause (Dessau) Andreas Krautscheid
Arnulf Kriedner Heinz-Jürgen Kronberg Dr.-Ing. Paul Krüger
Reiner Krziskewitz Dr. Hermann Kues Werner Kuhn
Dr. Karl A. Lamers

(Heidelberg) Karl Lamers

Dr. Norbert Lammert Helmut Lamp
Armin Laschet Herbert Lattmann Dr. Paul Laufs Karl-Josef Laumann
Werner Lensing Christian Lenzer Peter Letzgus Editha Limbach
Walter Link (Diepholz) Eduard Lintner
Dr. Klaus W. Lippold

(Offenbach)

Dr. Manfred Lischewski Wolfgang Lohmann

(Lüdenscheid) Julius Louven Sigrun Löwisch Heinrich Lummer Dr. Michael Luther

Erich Maaß (Wilhelmshaven) Dr. Dietrich Mahlo
Erwin Marschewski Günter Marten
Dr. Martin Mayer

(Siegertsbrunn) Wolfgang Meckelburg Rudolf Meinl

Dr. Michael Meister Dr. Angela Merkel Friedrich Merz
Rudolf Meyer (Winsen)

Hans Michelbach Meinolf Michels Dr. Gerd Müller
Elmar Müller (Kirchheim) Engelbert Nelle
Bernd Neumann (Bremen) Johannes Nitsch
Claudia Nolte Dr. Rolf Olderog Friedhelm Ost Eduard Oswald
Norbert Otto (Erfurt)

Dr. Gerhard Päselt Dr. Peter Paziorek Hans-Wilhelm Pesch
Ulrich Petzold Anton Pfeifer Angelika Pfeiffer Dr. Gero Pfennig
Dr. Friedbert Pflüger
Beatrix Philipp
Dr. Winfried Pinger Ronald Pofalla
Dr. Hermann Pohler Ruprecht Polenz
Marlies Pretzlaff Dr. Albert Probst Dr. Bernd Protzner
Thomas Rachel Hans Raidel
Dr. Peter Ramsauer
Rolf Rau
Helmut Rauber Peter Harald Rauen
Otto Regenspurger
Christa Reichard (Dresden) Klaus Dieter Reichardt

(Mannheim)

Dr. Bertold Reinartz
Erika Reinhardt Hans-Peter Repnik
Roland Richter Roland Richwien Dr. Norbert Rieder
Klaus Riegert
Dr. Heinz Riesenhuber Hannelore Rönsch

(Wiesbaden) Heinrich-Wilhelm Ronsöhr Dr. Klaus Rose

Norbert Röttgen Dr. Christian Ruck
Volker Rühe
Dr. Jürgen Rüttgers
Ortrun Schätzle
Dr. Wolfgang Schäuble Hartmut Schauerte
Heinz Schemken Karl-Heinz Scherhag Gerhard Scheu Norbert Schindler Dietmar Schlee Ulrich Schmalz Bernd Schmidbauer
Christian Schmidt (Fürth) Dr.-Ing. Joachim Schmidt

(Halsbrücke)

Andreas Schmidt (Mülheim) Hans-Otto Schmiedeberg Hans Peter Schmitz

(Baesweiler)

Birgit Schnieber-Jastram
Dr. Andreas Schockenhoff Dr. Rupert Scholz Reinhard Freiherr von
Schorlemer
Dr. Erika Schuchardt Wolfgang Schulhoff
Dr. Dieter Schulte

(Schwäbisch Gmünd) Gerhard Schulz (Leipzig) Frederick Schulze Diethard Schütze (Berlin) Clemens Schwalbe

Dr. Christian Schwarz-Schilling
Wilhelm Josef Sebastian Horst Seehofer
Wilfried Seibel Heinz-Georg Seiffert
Rudolf Seiters Johannes Selle Bernd Siebert Jürgen Sikora
Johannes Singhammer Bärbel Sothmann Margarete Späte Carl-Dieter Spranger Wolfgang Steiger Erika Steinbach
Dr. Wolfgang Freiherr von Stetten
Andreas Storm Max Straubinger Michael Stübgen Egon Susset
Dr. Rita Süssmuth Michael Teiser
Dr. Susanne Tiemann
Dr. Klaus Töpfer Gottfried Tröger Gunnar Uldall Wolfgang Vogt (Duren)

Dr. Theodor Waigel
Alois Graf von Waldburg-Zeil Dr. Jürgen Warnke
Kersten Wetzel
Hans-Otto Wilhelm (Mainz) Gert Willner
Bernd Wilz
Willy Wimmer (Neuss)

Simon Wittmann

(Tännesberg) Dagmar Wöhrl Michael Wonneberger

Elke Wülfing
Peter Kurt Würzbach Cornelia Yzer Wolfgang Zeitlmann
Benno Zierer Wolfgang Zöller
SPD
Gerd Andres Robert Antretter
Hermann Bachmaier
Ernst Bahr
Doris Barnett Klaus Barthel
Ingrid Becker-Inglau Wolfgang Behrendt Hans-Werner Bertl
Friedhelm Julius Beucher Rudolf Bindig
Dr. Ulrich Böhme (Unna) Arne Börnsen (Ritterhude) Anni Brandt-Elsweier
Tilo Braune
Dr. Eberhard Brecht
Edelgard Bulmahn
Ursula Burchardt Hans Martin Bury
Hans Büttner (Ingolstadt) Marion Caspers-Merk Wolf-Michael Catenhusen Peter Conradi
Christel Deichmann
Dr. Marliese Dobberthien Peter Dreßen
Rudolf Dreßler Freimut Duve Ludwig Eich Peter Enders Gernot Erler Petra Ernstberger
Annette Faße Elke Ferner
Lothar Fischer (Homburg) Gabriele Fograscher
Iris Follak
Norbert Formanski
Dagmar Freitag Anke Fuchs (Köln)

Katrin Fuchs (Verl)


Vizepräsident Hans Klein Arne Fuhrmann
Monika Ganseforth Norbert Gansel Konrad Gilges
Iris Gleicke
Günter Gloser
Dr. Peter Glotz
Günter Graf (Friesoythe) Angelika Graf (Rosenheim) Dieter Grasedieck
Achim Großmann Hans-Joachim Hacker
Klaus Hagemann Christel Hanewinckel Alfred Hartenbach Dr. Liesel Hartenstein
Klaus Hasenfratz
Dr. Ingomar Hauchler
Dieter Heistermann Reinhold Hemker Roll Hempelmann
Dr. Barbara Hendricks Monika Heubaum Uwe Hiksch
Reinhold Hiller (Lübeck) Stephan Hilsberg
Gerd Höfer
Jelena Hoffmann (Chemnitz) Frank Hofmann (Volkach) Ingrid Holzhüter
Erwin Horn
Eike Hovermann Lothar Ibrügger Wolfgang Ilte
Barbara Imhof Brunhilde Irber Gabriele Iwersen Renate Jäger
Jann-Peter Janssen Ilse Janz
Dr. Uwe Jens
Volker Jung (Düsseldorf) Sabine Kaspereit Susanne Kastner
Ernst Kastning Hans-Peter Kemper Klaus Kirschner Marianne Klappert Siegrun Klemmer Hans-Ulrich Klose
Dr. Hans-Hinrich Knaape Walter Kolbow
Fritz Rudolf Körper Nicolette Kressl Volker Kröning Thomas Krüger Horst Kubatschka Eckart Kuhlwein Konrad Kunick Christine Kurzhals Dr. Uwe Küster Werner Labsch Brigitte Lange Detlev von Larcher Waltraud Lehn
Dr. Elke Leonhard Klaus Lohmann (Witten) Christa Lörcher
Erika Lotz
Dr. Christine Lucyga Dieter Maaß (Herne) Winfried Mante Dorle Marx
Ulrike Mascher Christoph Matschie
Ingrid Matthäus-Maier
Heide Mattischeck Ulrike Mehl
Herbert Meißner Angelika Mertens
Dr. Jürgen Meyer (Ulm) Ursula Mogg
Siegmar Mosdorf
Michael Müller (Düsseldorf) Jutta Müller (Völklingen) Christian Müller (Zittau)
Kurt Neumann (Berlin)

Volker Neumann (Bramsche) Gerhard Neumann (Gotha)
Dr. Edith Niehuis Dr. Rolf Niese
Doris Odendahl Günter Oesinghaus Leyla Onur
Manfred Opel
Adolf Ostertag Kurt Palis
Albrecht Papenroth Dr. Wilfried Penner Dr. Martin Pfaff
Dr. Eckhart Pick Joachim Poß
Hermann Rappe

(Hildesheim)

Karin Rehbock-Zureich Renate Rennebach Otto Reschke
Bernd Reuter
Dr. Edelbert Richter Günter Rixe
Reinhold Robbe Gerhard Rübenkönig
Dr. Hansjörg Schäfer Gudrun Schaich-Walch
Bernd Scheelen
Dr. Hermann Scheer Horst Schild
Otto Scully
Dieter Schloten Günter Schluckebier Horst Schmidbauer

(Nürnberg)

Dagmar Schmidt (Meschede) Wilhelm Schmidt (Salzgitter) Regina Schmidt-Zadel
Heinz Schmitt (Berg) Walter Schöler Ottmar Schreiner Gisela Schröter
Dr. Mathias Schubert
Richard Schuhmann (Delitzsch)

Reinhard Schultz (Everswinkel) Volkmar Schultz (Köln)
Dr. R. Werner Schuster Dietmar Schütz (Oldenburg) Dr. Angelica Schwall-Düren Ernst Schwanhold
Rolf Schwanitz Bodo Seidenthal Lisa Seuster
Horst Sielaff
Erika Simm
Johannes Singer
Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk
Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast Wieland Sorge
Wolfgang Spanier Dr. Dietrich Sperling Jörg-Otto Spiller
Ludwig Stiegler Dr. Peter Struck Joachim Tappe Jörg Tauss
Dr. Bodo Teichmann
Margitta Terborg Jella Teuchner
Dr. Gerald Thalheim Wolfgang Thierse Dietmar Thieser Franz Thönnes Adelheid Tröscher
Hans-Eberhard Urbaniak Siegfried Vergin
Günter Verheugen
Ute Vogt (Pforzheim)

Karsten D. Voigt (Frankfurt) Josef Vosen
Reinhard Weis (Stendal) Matthias Weisheit Gunter Weißgerber
Gert Weisskirchen (Wiesloch) Jochen Welt
Hildegard Wester Lydia Westrich
Dr. Norbert Wieczorek Heidemarie Wieczorek-Zeul Dieter Wiefelspütz
Berthold Wittich
Dr. Wolfgang Wodarg
Verena Wohlleben Hanna Wolf (München)

Heidi Wright Uta Zapf
Dr. Christoph Zöpel
Peter Zumkley
F.D.P.
Dr. Gisela Babel Hildebrecht Braun

(Augsburg) Günther Bredehorn

Jörg van Essen Gisela Frick
Paul K. Friedhoff Horst Friedrich Rainer Funke
Hans-Dietrich Genscher
Dr. Wolfgang Gerhardt Joachim Günther (Plauen)

Dr. Karlheinz Guttmacher
Dr. Helmut Haussmann Ulrich Heinrich
Walter Hirche
Dr. Burkhard Hirsch
Birgit Homburger Dr. Werner Hoyer Ulrich Irmer
Dr. Klaus Kinkel
Detlef Kleinert (Hannover) Roland Kohn
Dr. Heinrich L. Kolb
Jürgen Koppelin
Dr.-Ing. Karl-Hans Laermann Dr. Otto Graf Lambsdorff Heinz Lanfermann
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger
Uwe Lühr
Jürgen W. Möllemann Günther Friedrich Nolting Dr. Rainer Ortleb
Lisa Peters
Dr. Günter Rexrodt
Dr. Klaus Röhl
Helmut Schäfer (Mainz) Cornelia Schmalz-Jacobsen Dr. Edzard Schmidt-Jortzig Dr. Hermann Otto Sohns Dr. Max Stadler
Carl-Ludwig Thiele
Dr. Dieter Thomae
Jürgen Türk
Nein
BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN
Gila Altmann (Aurich) Elisabeth Altmann

(Pommelsbrunn) Marieluise Beck (Bremen) Volker Beck (Köln) Matthias Berninger Annelle Buntenbach Franziska Eichstädt-Bohlig Dr. Uschi Eid

Andrea Fischer (Berlin) Joseph Fischer (Frankfurt) Rita Grießhaber
Michaele Hustedt Dr. Manuel Kiper Monika Knoche
Dr. Angelika Köster-Loßack Steffi Lemke
Vera Lengsfeld
Dr. Helmut Lippelt Kerstin Müller (Köln) Winfried Nachtwei Christa Nickels
Cem Özdemir Gerd Poppe
Simone Probst
Dr. Jürgen Rochlitz Halo Saibold
Irmingard Schewe-Gerigk Rezzo Schlauch
Wolfgang Schmitt

(Langenfeld) Waltraud Schoppe Werner Schulz (Berlin) Rainder Steenblock Christian Sterzing Manfred Such

Dr. Antje Vollmer Ludger Volmer
Helmut Wilhelm (Amberg)

PDS
Wolfgang Bierstedt
Petra Bläss
Eva Bulling-Schröter Heinrich Graf von Einsiedel Dr. Ludwig Elm
Dr. Dagmar Enkelmann
Dr. Ruth Fuchs Dr. Gregor Gysi Dr. Uwe-Jens Heuer
Stefan Heym Dr. Barbara Höll Ulla Jelpke
Gerhard Jüttemann
Dr. Heidi Knake-Werner
Rolf Köhne
Rolf Kutzmutz Andrea Lederer

Vizepräsident Hans Klein
Dr. Christa Luft Enthalten
Heidemarie Lüth
Dr. Günther Maleuda
Manfred Müller (Berlin) CDU/CSU
Rosel Neuhäuser
Dr. Uwe-Jens Rössel
Dr. Egon Jüttner
Christina Schenk
Steffen Tippach SPD
Klaus-Jürgen Warnick
Gerhard Zwerenz Margot von Renesse
Ich rufe die Tagesordnungspunkte 7 a bis 7 e auf:
a) Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten Entwurfs eines ... Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes
- Drucksache 13/1824 - (Erste Beratung 47. Sitzung)

Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung (1. Ausschuß)

- Drucksache 13/2339 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Andreas Schmidt (Mülheim) Wilhelm Schmidt (Salzgitter)
Simone Probst
Jörg van Essen
Dr. Dagmar Enkelmann
b) Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten Entwurfs eines Achtzehnten Gesetzes zur Änderung des Abgeordnetengesetzes und eines Fünfzehnten Gesetzes zur Änderung des Europaabgeordnetengesetzes
- Drucksache 13/1825 - (Erste Beratung 47. Sitzung)

aa) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung (1. Ausschuß)

- Drucksache 13/2340 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Andreas Schmidt (Mülheim) Wilhelm Schmidt (Salzgitter)
Simone Probst
Jörg van Essen
Dr. Dagmar Enkelmann
bb) Bericht des Haushaltsausschusses (8. Ausschuß) gemäß § 96 der Geschäftsordnung
- Drucksache 13/2341-
Berichterstattung:
Abgeordnete Ina Albowitz Antje Hermenau
Adolf Roth (Gießen)

Karl Diller c) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung (1. Ausschuß)

- zu der Beschlußempfehlung und dem Bericht des Ältestenrates
zu den Empfehlungen der Kommission des Ältestenrates für die Rechtsstellung der Abgeordneten in den Vorlagen vom 16. Juni 1995
hier: Ziffer I. und II.
- zu dem Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zu dem Antrag der Fraktionen CDU/CSU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und F.D.P.
Weitergeltung von Geschäftsordnungsrecht
- zu dem Änderungsantrag der Abgeordneten Dr. Gregor Gysi, Wolfgang Bierstedt, Petra Bläss und der weiteren Abgeordneten der PDS zu dem Antrag der Fraktionen CDU/CSU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und F.D.P.
Weitergeltung von Geschäftsordnungsrecht
- Drucksachen 13/1803, 13/2, 13/12, 13/2342 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Andreas Schmidt (Mülheim) Wilhelm Schmidt (Salzgitter)
d) Beratung der Unterrichtung durch die Präsidentin des Deutschen Bundestages zur
Einsetzung einer Reformkommission zur Größe des Deutschen Bundestages
- Drucksache 13/2370 -
e) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung (1. Ausschuß)

Verhaltensregeln
- Drucksache 13/834 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Anni Brandt-Elsweier Jörg van Essen
Dr. Peter Paziorek
Zum Gesetzentwurf zur Änderung des Abgeordneten- und des Europaabgeordnetengesetzes liegt je ein Änderungsantrag der Abgeordneten Peter Conradi, Norbert Gansel und weiterer Abgeordneter, der Fraktion der F.D.P. und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN vor.
Zur Beschlußempfehlung zur Änderung der Geschäftsordnung liegen ein Entschließungsantrag der Gruppe der PDS und ein Änderungsantrag der Ab-

Vizepräsident Hans Klein
geordneten Dieter Wiefelspütz, Andreas Schmidt (Mülheim) und Wilhelm Schmidt (Salzgitter) sowie zwei Änderungsanträge der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN vor.
Zur Beschlußempfehlung zur Verkleinerung des Bundestages liegt ein Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vor.
Der Ältestenrat geht für die gemeinsame Aussprache von einer Debattenzeit von - ich sage das sehr bewußt - ungefähr zwei Stunden aus. Dagegen erhebt sich kein Widerspruch.
Ich weise darauf hin, meine verehrten Kolleginnen und Kollegen, daß wir im Anschluß an die Aussprache mehrere namentliche Abstimmungen haben werden.
Zum Änderungsantrag der Abgeordneten Peter Conradi, Norbert Gansel und weiterer Abgeordneter wünschen die Antragsteller ebenfalls namentliche Abstimmung. Nach § 52 der Geschäftsordnung kann eine namentliche Abstimmung von einer Fraktion oder von anwesenden fünf vom Hundert der Mitglieder des Bundestages verlangt werden. Ob der Antrag auf namentliche Abstimmung die notwendige Unterstützung findet, werde ich vor der Abstimmung feststellen.
Ich eröffne die Aussprache und erteile der Kollegin Professor Dr. Rita Süssmuth das Wort.

Dr. Rita Süssmuth (CDU):
Rede ID: ID1305514500
Liebe Kolleginnen und Kollegen, was wir heute beraten, beschäftigt uns seit sechs Jahren. Seit 1989 haben sich zwei unabhängige Kommissionen mit dem Abgeordnetenrecht beschäftigt: die Leber-Kommission mit ihrem Bericht vom Juni 1990 und die Kissel-Kommission mit ihrem Bericht vom Juni 1993. Danach hat der Ältestenrat des Deutschen Bundestages die Neuregelung seit Beginn dieses Jahres in der Rechtsstellungskommission vorbereitet.
Was also soll an dem Paket, das wir heute verabschieden wollen, übereilt sein? Worin soll die „Nacht- und Nebelaktion" bestehen, die uns von Teilen der Öffentlichkeit vorgeworfen wird.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie der Abg. Ulrich Irmer [F.D.P.] und Dr. Antje Vollmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Diese Reform ist gründlich vorbereitet. Nur wenige Fragen sind so lange im öffentlichen Streit gewesen wie die Abgeordnetenbezüge, nämlich im Grunde seit dem Verfassungsgerichtsurteil 1975 - lange genug.
Das Ihnen vorliegende Paket besteht aus drei Teilen: der Parlamentsreform, der Neuregelung des Abgeordnetenrechts und der Verkleinerung des Parlaments.
Erstens zur Verkleinerung. Der Bundestag hat bereits am 29. Juni dieses Jahres beschlossen, daß er ab der 15. Wahlperiode, also regulär ab dem Jahre 2002, um maximal 100 Abgeordnete auf unter 600 Mitglieder verkleinert wird, und zwar unter Beibehaltung des geltenden, bewährten Wahlrechts.
Noch in dieser Woche wird eine Kommission eingesetzt, die alle Fragen behandeln soll, die mit dem schwierigen Problem des Neuzuschnitts der Wahlkreise verbunden sind. Diese Kommission legt ihren Bericht bis spätestens Frühjahr 1997 vor. Mit diesem Beschluß haben wir uns im Parlament selbst gebunden.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie der Abg. Dr. Antje Vollmer [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN])

Ich halte also fest: Daß der Bundestag wesentlich verkleinert wird, ist beschlossene Sache; wie er verkleinert wird, ist nach Vorlage des Berichts der Kommission zu entscheiden.
Zweitens. Wir wollen eine Verbesserung unserer politischen Arbeit im Plenum und in den Ausschüssen. Wir wollen eine Verlebendigung, eine straffere Arbeit, wir wollen, daß die zentralen Fragen der Nation hier im Parlament debattiert werden, sind dazu auf den Donnerstag mit Kerndebattenzeiten gekommen, und wir wollen, daß die Arbeit der Ausschüsse öffentlich gemacht wird.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)

Also mehr Transparenz im Parlament, mehr Einsicht in die Alltagsarbeit der Parlamentarier und der Parlamentarierinnen.
Drittens. Wir schaffen eine neue Grundlage und einen neuen Orientierungsrahmen für die Abgeordnetenbezüge, weil sich die alte Regelung nicht bewährt hat. Dies geschieht einmal in der Verfassung selbst, durch Ergänzung von Art. 48 Abs. 3 des Grundgesetzes. Dort ist schon jetzt niedergelegt, daß die Abgeordneten Anspruch auf eine angemessene, ihre Unabhängigkeit sichernde Entschädigung haben. Sie soll sich künftig an den Jahresbezügen eines Richters an einem obersten Bundesgericht orientieren. Diesen Satz wollen wir ergänzend in die Verfassung hineinnehmen.
Die nähere Ausgestaltung wird durch Bundesgesetz oder auf Grund eines Bundesgesetzes geregelt. Damit wird klargestellt, daß auch diese Regelung in einem förmlichen Gesetzgebungsverfahren vor der Öffentlichkeit getroffen werden muß.
Als Anknüpfungspunkt wählen wir die Richterbesoldung nach der Gruppe R 6. Ich wiederhole: die Besoldung eines Richters, nicht - wie uns unterstellt - des Vorsitzenden Richters oder des Präsidenten eines Bundesgerichts. R 6 ist nicht R 8 oder R 10. Dieser Bezug ist eindeutig und eine klare Begrenzung; er kann nicht nach oben ausgelegt werden und steht eindeutig im Abgeordnetengesetz.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Die Ankoppelung der Abgeordnetenbezüge an die Richterbesoldung soll in sechs Stufen erfolgen. Sie beginnt rückwirkend zum 1. Januar 1995 und endet am 1. Januar 2000. Die einzelnen Stufen werden in das Abgeordnetengesetz aufgenommen und sind

Dr. Rita Süssmuth
dort, jeweils bezogen auf das Richtergehalt R 6, nachprüfbar. Mit dieser Bezugsgröße haben wir uns an die Maßgaben der Kissel-Kommission von 1993 gehalten. Der Beginn der ersten Erhöhungsstufe rückwirkend zum 1. Januar 1995 bedeutet, daß die nach diesem Datum erfolgte Besoldungserhöhung 1995 nicht darin enthalten ist.
Im Zusammenhang mit der abgestuften Ankoppelung an die Richterbesoldung sind in den letzten Tagen abenteuerliche Zahlen genannt worden.

(Zustimmung bei der CDU/CSU und der SPD)

Lassen Sie mich klar feststellen: Dies sind trügerische Zahlenspielereien, die auf willkürlichen Annahmen beruhen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN und der F.D.P.)

Sie ermitteln hypothetisch für das Jahr 2000 Berechnungsdaten, mit denen in der Öffentlichkeit massiv Stimmung gegen uns als Parlamentarier und Parlamentarierinnen gemacht wird.

(Freimut Duve [SPD]: Und als Parlament!)

Ob und in welcher Höhe es Besoldungserhöhungen in den nächsten Jahren überhaupt geben wird, kann heute niemand sagen. Deswegen ist es abwegig, von Erhöhungen zwischen 50 und 60 % über sechs Jahre zu sprechen.
Ein weiterer Bestandteil der Neuregelung ist die Kostenpauschale. Sie bleibt 1995 unverändert und wird künftig jährlich, erstmalig zum 1. Januar 1996, der Entwicklung der allgemeinen Lebenshaltungskosten angepaßt. Nichts mit rückwirkenden Erhöhungen! Es bleibt bei der Pauschale, weil sie die wirtschaftlichste Form ist - ohne neuen bürokratischen Verwaltungsaufwand - und die sparsamste für den Steuerzahler.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich füge hinzu: Abgeordnete können über die Pauschale hinaus keine weiteren Aufwendungen steuerlich geltend machen.
Die abgestufte Erhöhung der Diäten bis zum Jahr 2000 wird von deutlichen Einschnitten bei der zukünftigen Altersentschädigung, nämlich minus 27 %, und dem Übergangsgeld begleitet. Der Bezugszeitraum für das Übergangsgeld nach § 18 des Abgeordnetengesetzes wird halbiert. Ab dem vierten Monat nach dem Ausscheiden aus dem Deutschen Bundestag werden künftig alle anderweitigen Einkünfte angerechnet.
Die Struktur der Altersentschädigung wird verändert. Die jährliche Steigerungsrate wird auf 3 % abgesenkt. Der Höchstsatz wird von 75 auf 69 % reduziert und zukünftig nicht nach 18, sondern erst nach 23 Jahren Mitgliedschaft im Parlament erreicht.
Die Mindestaltersversorgung, die eine Mandatszeit von wenigstens acht Jahren voraussetzt, wird künftig 24 statt bisher 35 % der Monatsentschädigung betragen; bei zwölf Jahren werden es 36 statt bisher 51 % sein.
Diejenigen Parlamentarier, die schon jetzt Ansprüche haben, genießen nicht wie allgemein üblich vollen Vertrauensschutz. Vielmehr wirkt sich die Erhöhung der Abgeordnetenbezüge nur zu 50 % auf die Altersversorgung aus. Von einer allgemeinen Erhöhung der Altersversorgung um 40 % kann nicht die Rede sein.
Warum werden diese deutlichen Einschnitte bei der zukünftigen Altersversorgung und beim Übergangsgeld von Teilen der Öffentlichkeit verdreht oder ganz verschwiegen? Das geschieht, weil sonst das Bild vom geldgierigen Parlamentarier zusammenbräche.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN und der F.D.P.)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, bei der Vorbereitung dieser Debatte haben wir einseitige und überzogene Angriffe auf das Parlament erlebt wie selten zuvor. Kritiker werfen uns vor, wir wollten uns mit der Neuregelung einen Freibrief zur Selbstbedienung ohne Transparenz und ohne jede Kontrolle verschaffen. Das ist medienwirksam und bringt die Öffentlichkeit gegen uns auf.
Absurd finde ich den öffentlich erhobenen Vorwurf der Verschleierung unserer wahren Absichten

(Zustimmung bei der CDU/CSU)

und eines Verfassungsbruchs von Parlaments wegen. Diese Vorwürfe sind böswillig.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN und der F.D.P.)

Hier werden Tatsachen verdeckt und verschleiert, um Vorurteile, ja Falschurteile bewußt zu erzeugen, weil diese sich mit ihrer Polemik und Diffamierung besser vermarkten lassen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)

Hier wird Stimmung gegen das Parlament und seine Mitglieder gemacht. Das ist gewollt. Diskussion: sie ist notwendig; Kritik: sie ist selbstverständlich; Diffamierung: sie ist undemokratisch.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN und der F.D.P.)

Was ist die Absicht? Wozu dieses Feindbild, mit dem seit Jahren und immer wieder penetrant die Parlamentarier als „Selbstbediener", „Absahner", „Geldgeile", nun auch als „Verfassungsbrecher" und „Verschleierer" heruntergemacht werden? Solche

Dr. Rita Süssmuth
Anfeindungen ersticken jede Bereitschaft zur sachlichen und ehrlichen Auseinandersetzung bei unterschiedlichen Positionen. Der Demokratie dienen solche Vorgehensweisen, solche Unterstellungen nicht.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN und der F.D.P.)

Wir verschleiern nicht, sondern legen für jeden nachvollziehbar offen, wir brechen nicht die Verfassung, sondern schreiben präzise in die Verfassung, was dort bislang unbestimmt ausgedrückt worden ist.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Jahrzehntelang war streitig, was ein Abgeordneter verdienen soll. Um diese Auseinandersetzung zu beenden, wollen wir jetzt vor den Augen der Öffentlichkeit eine Grundsatzentscheidung in der Verfassung selbst treffen.
Auch die Ausfüllung dieses Orientierungsrahmens in den entsprechenden Bundesgesetzen vollzieht sich vor den Augen der Öffentlichkeit - Jahr für Jahr, wenn es sein muß, jeweils bei der Anpassung des maßgebenden Besoldungsrechts für die Bundesrichter. Darüber hinaus werden die entsprechenden Zahlen jährlich im Handbuch des Deutschen Bundestages - für jeden zugänglich - veröffentlicht.
Schon bei der erstmaligen Festsetzung der Diäten nach dem Verfassungsgerichtsurteil 1975 waren als Orientierungsmaßstab die Jahresbezüge eines hauptamtlichen Oberbürgermeisters in mittelgroßen Städten, d. h. 100 000 bis 250 000 Einwohner, zugrunde gelegt worden. Inzwischen sind wir weit dahinter zurückgefallen. Zu diesem Maßstab kehren wir mit der Richterbesoldung als Anknüpfungspunkt zurück. Dies macht Sinn, weil Abgeordnete wie Richter nach Art. 38 des Grundgesetzes nicht an Aufträge und Weisungen gebunden sind.
Die Verfassungsänderung ist keine Aushöhlung des Grundgesetzes, sondern eine Konkretisierung, für jeden Bürger nachlesbar und vom Verfassungsgericht nachprüfbar.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie der Abg. Dr. Antje Vollmer [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN])

Art. 48 der Verfassung gehört nicht zu dem von Art. 79 Abs. 3 geschützten änderungsfesten Kern des Grundgesetzes. Ebensowenig ist das demokratische Prinzip durch die Änderung von Artikel 48 berührt. Wir entscheiden in dem dafür vorgesehenen Gesetzgebungsverfahren und haben dafür eine Zweidrittelmehrheit bei der Abstimmung aufzubringen. Dies zeigt, wie unberechtigt und abwegig der Vorwurf des Verfassungsbruchs gegen das Parlament ist.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Was unfreundliche Stimmen bei uns als Skandal bezeichnen, geschieht in über zwei Dritteln der westeuropäischen Demokratien, nämlich eine Bindung der Abgeordnetendiäten an Gehälter des öffentlichen Dienstes. Dazu zählen Richter- und Beamtengehälter. Eine Übersicht darüber enthält die Anlage zu
Drucksache 13/2339, die Ihnen vorliegt. Deshalb sollten die Kritiker unserer Reformen zumindest die Rechtslage bei unseren Nachbarn zur Kenntnis nehmen.
Auch der Gegenvorschlag, die Einsetzung einer unabhängigen Kommission zur Überprüfung der Diäten beim Bundespräsidenten, bringt keinen wirklich neuen Aspekt in die Diskussion.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Das alles haben wir im Rahmen der Verfassungsreformkommission eingehend erörtert.
Bei jeder Kommission, die eingesetzt wird, ist nichts gewonnen, wenn sie letztlich nur Empfehlungen ausspricht. Der Vorwurf der Selbstbedienung könnte dann immer wieder erhoben werden. Sollte dagegen eine Kommission mit ihrer Entscheidung das Parlament festlegen können, dann wäre ebenfalls eine Verfassungsänderung notwendig.
Vieles, was in diesen Tagen in der öffentlichen Diskussion zur Parlamentsreform gesagt wird, liegt neben der Sache, setzt uns in ein abträgliches Licht und schürt mit erheblichem Anteil eine Neiddiskussion. Das gilt besonders für die künftige Höhe der Abgeordnetenbezüge. Unter dem Deckmantel der Wissenschaftlichkeit werden spekulative Berechnungen präsentiert. Dagegen wehre ich mich mit aller Entschiedenheit.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)

Es sind schlichte Zahlenspielereien, die die öffentliche Debatte hochgradig emotionalisieren und mit denen bewußt Stimmung gegen das Parlament gemacht werden soll.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, was ich dieser Tage über das Gesetzgebungsverfahren gehört und gelesen habe - vom Durchpeitschen über Geldgier, Betrug, Verheimlichung bis hin zum Verfassungsbruch - hat mit den Vorlagen, die in der Rechtsstellungskommission, im Ältestenrat, in den Fraktionen und den Ausschüssen beraten wurden, kaum etwas zu tun.
Vergessen ist offenbar, daß sich das Parlament seit sechs Jahren mit diesem Thema befaßt; vergessen sind offenbar auch die Schlagzeilen vergangener Jahre, in denen uns die Vorschläge der Expertenkommissionen bereits als angeblich beschlossene Gehaltserhöhungen zugeschrieben wurden.
Klar ist, daß wir den bislang durch nichts zu entkräftenden Vorwurf der Selbstbedienung für die Zukunft ein für allemal ausräumen wollen. Deshalb fasse ich zusammen: Wir verschleiern nichts, sondern schaffen Transparenz; wir ändern das Grundgesetz in einem offenen Verfahren; wir heben die Abgeordnetenentschädigung in sechs Stufen bis zur Jahrtausendwende an; wir reduzieren die zukünftige Altersversorgung; wir verkleinern das Parlament und straffen seine Arbeit.

Dr. Rita Süssmuth
Ich halte fest: Trotz der Mehraufwendungen für die Neuregelung der Abgeordnetenbezüge wird unser Parlament nach der Verkleinerung den Steuerzahler deutlich entlasten.
Wir haben die Reform gründlich beraten und durchdacht. Dabei gab es unterschiedliche Vorstellungen. Die Kritik, der wir dabei ausgesetzt waren und noch sind, ist nicht neu; wir haben uns seit Jahren mit ihr auseinandergesetzt. Trotzdem überraschen mich die Vehemenz und Wucht dieser Kritik, deren Hauptziel es ist, diese Reform um jeden Preis zu verhindern.
Ehrverletzungen des Parlaments und der Parlamentarier können niemals ein verhältnismäßiges Mittel in unserer Demokratie sein. Sie schlagen auf ihre Urheber zurück.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der F.D.P. und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Der Deutsche Bundestag hat sich der Kritik zu stellen, hat seine Entscheidungen zu begründen und transparent zu machen, aber er muß auch nach seiner Überzeugung und nach eingehenden Beratungen die notwendigen Entscheidungen treffen und sie nicht vor sich herschieben. Deshalb schlage ich Ihnen das Reformpaket heute in all seinen Teilen zur Annahme vor.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)


Hans Klein (CSU):
Rede ID: ID1305514600
Ich erteile dem Kollegen Hans-Ulrich Klose das Wort.

Hans-Ulrich Klose (SPD):
Rede ID: ID1305514700
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte vorab der Präsidentin des Deutschen Bundestages und den Kolleginnen und Kollegen in der Rechtsstellungskommission danken. Wir haben ausführlich und sehr sorgfältig und sehr offen im Umgang miteinander beraten.
Daß wir unter Zeitdruck gearbeitet hätten, wird man schon deshalb nicht behaupten können, weil wir auf jahrelange Vorarbeiten im Parlament zurückgreifen konnten. Wir haben dem Ältestenrat und dem Parlament ein Paket vorgelegt, das drei Teile oder Körbe hat; die Präsidentin hat sie vorgestellt.
Alle Teile sind wichtig. Wir waren uns aber in der Rechtsstellungskommission einig, daß der Korb 2 der zentrale ist, jener also, der die Arbeit im Plenum und in den Ausschüssen, die Mitwirkungsmöglichkeiten des einzelnen Abgeordneten betrifft und das Zusammen- und Gegenspiel von Regierung und Parlament, von Regierungsmehrheit und Opposition. Hier, meine Damen und Herren, sind Verbesserungen dringend erforderlich: bei der Arbeit, aber auch bei der Medienvermittlung.
Letzteres, verehrte Kolleginnen und Kollegen, ist besonders wichtig, weil wir in einer totalen Mediengesellschaft leben. Der Dialog zwischen Politik und Öffentlichkeit wird zu ganz wesentlichen Teilen über die Medien vermittelt, was einerseits die Medien zum Partner der Politik macht, ihnen aber andererseits eine außerordentliche Machtstellung verleiht.

(Beifall der Abg. Dr. Antje Vollmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Etwas überspitzt könnte man sagen: Wenn es in unserem Lande so etwas wie kontrollose Macht gibt, dann ist es die der Medien.

(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der F.D.P. sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Das wird, füge ich gleich hinzu, auch so bleiben, weil jeder Versuch der Regelung in diesem Bereich fehlgehen muß und deshalb unterbleiben sollte.

(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der F.D.P.)

Die Medien haben unsere Arbeit zur Parlamentsreform von Anfang an begleitet und das Ergebnis begutachtet. Das Echo war nicht einheitlich, auch nicht im Falle der Diätenerhöhung, die immer in besonderer Weise, zumeist unfreundlich, sogar bösartig kommentiert wird. Im einzelnen will ich das weder analysieren noch bewerten. Zu den Veröffentlichungen im „Spiegel" muß allerdings ein deutliches Wort gesagt werden;

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

denn der „Spiegel" ist ja nicht irgendein Presseorgan und Rudolf Augstein auch nicht irgendein Journalist.
Meine Damen und Herren, natürlich steht dem „Spiegel" jedes Recht zur Kritik zu, was immer die Motive der Redaktion im Einzelfall sein mögen. Es hat auch wenig Sinn, sich zu ärgern. Ärgern ist keine angemessene politische Reaktion, wenngleich menschlich verständlich. Hier ist über Politik zu reden, und zwar über Politik, die der „Spiegel" macht. Dazu sage ich: Politisch absolut unakzeptabel sind in den Darstellungen des „Spiegel" vor allem zwei Punkte.
Erstens. Das Schaubild im „Spiegel" der vergangenen Woche trug die Überschrift „Mundwerk hat goldenen Boden". Wer so formuliert, setzt erkennbar auf Stimmung, auf wohlbekannte Stimmungsmache, die unter der Überschrift „Parlament gleich Schwatzbude" in eine Vergangenheit zurückreicht, die wir überwunden glaubten.

(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der F.D.P. sowie der Abg. Dr. Antje Vollmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Das Parlament ist die Bühne der öffentlichen Debatte. Dort muß geredet und gestritten werden; das ist konstitutives Merkmal des Parlamentarismus. Wer dies lächerlich macht, macht das Parlament lächerlich und nimmt die Verächtlichmachung des Parlaments zumindest in Kauf. Das ist jedenfalls unakzep-

Hans-Ulrich Klose
tabel und verheerend für die Demokratie. Das haben wir bitter gelernt.

(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der F.D.P. sowie der Abg. Dr. Antje Vollmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Darauf hinzuweisen und solche Art der Darstellung zurückzuweisen ist deshalb unsere Pflicht.
Ich will, meine Damen und Herren, nicht überziehen. Polemik ist, wie Sie wissen, meine Sache nicht. Ihnen allen wird aber wie mir aufgefallen sein, daß Herr von Arnim, mit dem ich mich im übrigen nicht weiter befassen möchte, weil es sinnlos ist,

(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der F.D.P.)

in seinem zweiten Pressestatement zur geplanten Änderung des Art. 48 des Grundgesetzes ausdrücklich und - was schlimm ist - wohl mit voller Absicht von Ermächtigungsvorschrift spricht. Ermächtigungsvorschrift, das erinnert doch sehr stark an Ermächtigungsgesetz und weist in eben jene Zeit zurück, als das Parlament als Schwatzbude diskreditiert und dann abgeschafft wurde.

(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der F.D.P.)

An diesem Punkt hat - so scheint es - auch Rudolf Augstein in seinem Kommentar gezuckt. Aber er benutzt das gleiche Wort, setzt es nur in Anführungszeichen, was die Sache nicht besser macht. So zu formulieren ist absolut unerträglich.

(Beifall der Abg. Dr. Antje Vollmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Ich wünschte mir, daß dies auch jene Kolleginnen und Kollegen als unerträglich zurückweisen, die aus ganz anderen Gründen, mit Argumenten nämlich und in angemessener Form, der vorgeschlagenen Änderung des Art. 48 des Grundgesetzes widersprechen. In diesem Punkt sind wir alle angesprochen.

(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der F.D.P.)

Zweitens. Mindestens ebenso ungeheuerlich sind zwei Bemerkungen in dem Kommentar von Rudolf Augstein, der diesem Parlament immerhin - wenn auch nur für wenige Wochen - einmal angehörte; länger wollte er die Mühsal nicht auf sich nehmen.

(Heiterkeit bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

Er schreibt an einer Stelle:
Wer immer dieser „Ermächtigungsvorschrift" per Verfassungsänderung in dieser Woche zustimmt, wird auf Achtung und Ehre keinen Anspruch mehr erheben können.

(Widerspruch bei der SPD und der CDU/ CSU)

Wenige Zeilen später:
Ein Parlament, das so wenig auf seine Selbstachtung bedacht ist, hat auf Achtung seitens der Wähler keinen Anspruch mehr.
Was um Gottes willen soll das heißen?

(Dr. Friedbert Pflüger [CDU/CSU]: Der starke Mann soll wieder herl)

Sollen Bundestagsabgeordnete, weil sie sich für eine bestimmte Systematik in der Diätenfrage entscheiden, ehrlos gestellt werden? Was bedeutet dies konkret? Die Freigabe zum mindestens politischen Abschuß? Soll das Parlament insgesamt künftig nicht mehr geachtet werden, und wenn ja, was heißt das für die Arbeit, die hier geleistet wird? Welche Grundeinstellung verbirgt sich hinter solcher Maßlosigkeit in der Kritik? Mit berechtigter Kritik, meine Damen und Herren, hat das nichts mehr zu tun, nicht einmal mehr mit Rechthaberei.

(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der F.D.P.)

Die akzeptiert zumindest, daß es eine andere Meinung gibt, während hier nur eine Meinung gilt, die des Rudolf Augstein, alles andere ist für ihn „Coup" und „Verfassungsbruch".
Es waren doch, verehrte Kolleginnen und Kollegen - dafür rufe ich auch jene als Zeugen an, die in der Rechtsstellungskommission mitgearbeitet, die die Mehrheitsvorschläge aber nicht akzeptiert haben und die dennoch die Ernsthaftigkeit der Diskussion bezeugen können - ganz und gar nicht Geldgier und Geldgeilheit, die uns veranlaßt haben, eine veränderte Systematik vorzuschlagen. Es war die gemeinsame Erkenntnis, daß wir niemals aus dem aufs immer neue vorgetragenen Vorwurf der willkürlichen Selbstbedienung herauskommen würden, wenn wir nicht einen objektiven Maßstab finden für das, was im Sinne von Art. 48 des Grundgesetzes angemessen ist.

(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Abgeordnete haben einen „Anspruch auf eine angemessene, ihre Unabhängigkeit sichernde Entschädigung", so steht es in unserer Verfassung. Wann jemals, frage ich mich, haben der Bund der Steuerzahler oder Rudolf Augstein eine Diätenerhöhung, wie bescheiden auch immer, bejaht oder sogar unterstützt? Sie waren es doch - nicht allein, sondern gemeinsam mit vielen anderen -, die ständig und ohne Zögern und ohne Skrupel von „Selbstbedienung" und „Willkür" geredet und geschrieben und damit Stimmung gegen das Parlament und Parlamentarier gemacht haben, und zwar - ich sage das mit großem Ernst - in einer Weise, die die Unabhängigkeit der Abgeordneten sehr viel nachhaltiger beeinträchtigt hat als sonstige Versuche, Abgeordnete gefügig zu machen.

(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der F.D.P.)

Es ist nicht übertrieben, in diesem Zusammenhang von gebeugten Abgeordneten zu sprechen; mit Mimosenhaftigkeit hat das wahrlich nichts zu tun.

Hans-Ulrich Klose
Meine Damen und Herren, ich kann nicht erkennen, daß die vorgeschlagene Regelung gegen das Demokratieprinzip und das Gebot der Öffentlichkeit, also gegen die Verfassung, verstößt. Kein Verfassungsjurist mit großem Namen hat sich so geäußert. Im Gegenteil: Auch der Vertreter der F.D.P. im Innenausschuß, ein habilitierter Jurist, hat für sich klargestellt, er halte den vorgeschlagenen Weg verfassungsrechtlich für unbedenklich. Er hat, wie andere auch, verfassungspolitische Zweifel angemeldet, und das ist völlig in Ordnung, weil man in der Tat politisch anderer Meinung sein kann.

(Beifall bei der F.D.P.)

Ich persönlich glaube allerdings, daß der Vorschlag, mit einer Kommission zu arbeiten, der weniger geeignete Weg ist, weil er uns von dem Vorwurf der Selbstbedienung nicht befreit, es sei denn, die Kommission würde abschließend für das Parlament entscheiden, was dann aber ganz gewiß verfassungsrechtliche Zweifel auslösen müßte. Wenn aber die Kommission nicht abschließend entscheidet, bleibt die Situation so, wie sie jetzt ist, nur wird der Bericht der Präsidentin durch den einer Kommission ersetzt. Ich kann nicht sehen, daß uns das weiterhelfen würde.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Nein, ich bin davon überzeugt, daß wir einen objektiven Maßstab brauchen, und zwar in der Verfassung selbst, für jedermann nachlesbar, für jedermann in der konkreten Höhe erkennbar - für die Medien und jene, übrigens sehr gut bezahlten, Berufskritiker, die sich gutachtlich zu äußern pflegen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU und der F.D.P.)

Im übrigen liegt die Entscheidung über die Jahresbezüge der Abgeordneten auch in Zukunft beim Parlament, ist also auf jeden Fall öffentlich. Wer anderes sagt, redet an der Wahrheit vorbei.
Noch einmal: Ich akzeptiere, daß es bei dieser Frage verfassungspolitisch unterschiedliche Meinungen gibt und geben kann. Sich so oder so zu entscheiden ist aber weder unehrenhaft noch verächtlich. Jedenfalls bin ich zutiefst davon überzeugt, daß die von der Rechtsstellungskommission vorgeschlagene Systematik ein Beitrag ist, um die Jahr für Jahr mit Lust und Fleiß betriebene Beschädigung des Parlaments zu stoppen. Anders als durch Vorgabe eines objektiven Maßstabes ist das nicht möglich. Die Orientierung an der Richterbesoldung liegt dabei schon deshalb nahe, weil für beide Berufsgruppen, die der Richter und die der Abgeordneten, Unabhängigkeit ein wesentliches Merkmal ihrer Arbeit ist.
Ich halte zudem die schrittweise - in sechs Schritten vollzogene - Angleichung der Bezüge an die Richterbesoldung der Gruppe R 6 - das sind Bundesrichter, nicht Verfassungsrichter - für maßvoll und füge hinzu: Wer Prozentzahlen nennt und Bezüge - Diäten und Versorgungsbezüge - vergleicht, arbeitet nach meiner Einschätzung nur dann wissenschaftlich, wenn solche Vergleiche für den gleichen Zeitpunkt unter Berücksichtigung der wahrscheinlichen
Veränderungen bis zum Jahr 2000 vorgenommen werden. Wenn man die vorgeschlagene Neuregelung mit 3 % Gehaltssteigerung pro Jahr auf das Jahr 2000 hochrechnet, dann muß man das auch für die gegenwärtige Regelung tun. Dann aber sehen die Vergleichszahlen ganz anders aus. Dies nicht getan zu haben ist der Trick des Herrn von Arnim.

(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der F.D.P.)

Eine letzte Bemerkung: Die Mitglieder der Rechtsstellungskommission haben dem Ältestenrat einen Gesamtvorschlag unter der Überschrift „Parlamentsreform" zugeleitet. Es geht - um darauf noch einmal hinzuweisen - nicht in erster Linie um die Abgeordnetenbesoldung. Es geht um die zu verbessernde Arbeitsweise des Parlaments im Plenum - Stichwort: Präsenz - und in den Ausschüssen - Stichwort: Transparenz, es geht um verbesserte Wirkungsmöglichkeiten des einzelnen Abgeordneten, um seine Unabhängigkeit. Dies und die von der Mehrheit vorgeschlagene Verkleinerung des Parlaments um bis zu 100 Abgeordnete, das ist die eigentliche Parlamentsreform, die der Bundestag in erster Lesung schon zustimmend zur Kenntnis genommen hat.
Ich weise deshalb ganz besonders auf diesen Gesamtzusammenhang hin, weil mir daran liegt, den Paketcharakter des Reformwerkes einmal mehr zu betonen. Wer einen Stein des Pakets kippt, kippt die Reform und will das wohl auch. Umgekehrt gilt aber auch, daß, wer heute zustimmt, sich später bei den anderen Teilen des Reformpaketes nicht verabschieden kann.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)

Ich betone das deshalb so nachdrücklich, weil die Vorschläge der Rechtsstellungskommission zur Parlamentsreform im engeren Sinne, Plenum und Ausschüsse betreffend, im Dialog der Fraktionen bisher nur zum Teil umgesetzt worden sind, was ich bedaure und was ich als Schlußpunkt der Reformbemühungen auf gar keinen Fall akzeptieren möchte.
Meine Damen und Herren, die Wirksamkeit des Parlaments erweist sich nicht an der Zahl der beschlossenen Gesetze, sondern nach innen und nach außen an unserer Fähigkeit und unserem Willen, das Parlament zu dem zu machen, was es nach der Verfassung sein sollte: das lebendige Zentrum in einer lebendigen Demokratie. Bei einer solchen Reform, mit diesem Ziel, mitzuarbeiten lohnt sich allemal.

(Anhaltender Beifall bei der SPD und der CDU/CSU Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN sowie der F.D.P.)


Hans Klein (CSU):
Rede ID: ID1305514800
Kollege Gerald Häfner, Sie haben das Wort.

Gerald Häfner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1305514900
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren!

Gerald Häfner
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es fällt nicht leicht, aber ich muß etwas Wasser in den Wein, der hier gereicht wurde, gießen.
Wir können - ich glaube, Herr Klose, wir tun das zu Recht - uns gegen ausgesprochen unschöne, antiparlamentarische und gefährliche Töne wehren, die gegenwärtig in der Öffentlichkeit wieder wohlfeil sind und die Runde machen.

(Beifall des Abg. Freimut Duve [SPD])

Wir sollten uns aber nicht darüber empören, ohne nachzudenken, ob wir daran nicht selbst schuld sind.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Ich bin dieser Meinung.

Heute sollte eigentlich ein großer Tag werden, eine Sternstunde des Parlaments: Dies sollte die erste wirklich große Parlamentsreform werden. Was ist es geworden? - Lieber Herr Vizepräsident, dieser Verlauf war absehbar, und zwar genau aus Gründen des Junktims, das Sie eben dargestellt haben. Der so wichtige Komplex der Parlamentsreform, also die Frage: Wie kann der Bundestag seine Arbeit, aber auch seine Darstellung nach außen - wir sollen ja das Volk vertreten - verbessern?, wurde der Fragestellung untergeordnet: Wie können wir die Diäten so erhöhen, daß in Zukunft niemand mehr mitreden kann und wir keine öffentlichen Debatten dazu mehr bestehen müssen? Das halte ich für ein unzuträgliches Verfahren. Ich bedaure von Herzen, daß die Parlamentsreform, die wir heute machen wollten, diesem Verfahren zum Opfer fällt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Dr. Burkhard Hirsch [F.D.P.])

Ich möchte an dieser Stelle - es geht hier ja zentral um die Grundgesetzänderung - etwas zum Grundgesetz und zu unserem Umgang damit sagen. Das Grundgesetz ist die Grundlage dieses Gemeinwesens - das sehe ich anders als die Herren Schäuble, Kanther und andere. Wenn wir uns fragen, was die Menschen in diesem Land in einer Zeit des wachsenden Individualismus, auch des wachsenden Egoismus und des Auseinanderbrechens gesellschaftlicher Strukturen zusammenhält, dann können das, so meine ich, nicht Werte des 19. Jahrhunderts, nicht Blut und Nation sein, das, was uns schon einmal in die tiefste Katastrophe dieses Jahrhunderts getrieben hat. Das kann eigentlich nur der Konsens über die Grundlagen unserer Verfassung sein.
Wir hatten lange Debatten über Änderungen des Grundgesetzes in der Gemeinsamen Verfassungskommission. Wir haben Staatszielbestimmungen, die Aufnahme von Volksbegehren und Volksentscheiden und vieles andere gefordert. Die Antwort war: Nein, das Grundgesetz hat sich bewährt. Es hat unserem Staat mehr als 40 Jahre lang Stabilität gegeben. Wir sollten es nicht vorschnell ändern.
Und heute? Heute soll das Grundgesetz ohne ausreichende Debatte in den Ausschüssen und im Parlament ganz schnell in einem Hauruck-Verfahren geändert werden,

(Widerspruch bei Abgeordneten der CDU/ CSU und der SPD)

damit die Diäten der Abgeordneten im Grundgesetz festgeschrieben sind. Sie wissen, meine Damen und Herren, daß das verfassungswidrig ist. Herr Wiefelspütz, Sie wissen, daß es in dem Sinne verfassungswidrig ist, als es gegen die geltende Verfassung und deren eindeutige Auslegung durch das Bundesverfassungsgericht verstößt.
Das ist genau der Grund, warum Sie jetzt die Verfassung ändern wollen. Sie müßten die Verfassung nicht ändern, wenn das, was heute beschlossen werden soll, verfassungskonform wäre.

Hans Klein (CSU):
Rede ID: ID1305515000
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Wiefelspütz?

Gerald Häfner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1305515100
Gerne, selbstverständlich.

Dr. Dieter Wiefelspütz (SPD):
Rede ID: ID1305515200
Herr Kollege Häfner, können Sie dem Parlament erläutern, warum wir heute von seiten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zum erstenmal verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Verfassungsänderung hören?

(Beifall bei Abgeordneten der F.D.P.)


Gerald Häfner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1305515300
Ich kann dies nicht bestätigen. Ich habe diese Bedenken in allen Stadien der Beratung, soweit es mir überhaupt möglich war, als Abgeordneter daran teilzunehmen, deutlich gemacht.
Ich möchte Ihnen als Antwort auf Ihre Frage, Herr Wiefelspütz, einfach eine Passage aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zitieren, wo es um die Frage geht, ob die Entschädigung der Abgeordneten an der Entschädigung von Beamten orientiert werden kann. Da heißt es:
Die Entschädigung hat auch nichts mit den Regelungen des Gehalts in den Besoldungsgesetzen zu tun. Sie verträgt deshalb auch keine Annäherung an den herkömmlichen Aufbau eines Beamtengehalts und keine Abhängigkeit von der Gehaltsregelung, etwa in der Weise, daß sie unmittelbar oder mittelbar in Von-Hundert-Sätzen eines Beamtengehalts ausgedrückt wird. Denn dies letztere ist kein bloß „formal-technisches Mittel" zur Bemessung der Höhe der Entschädigung, sondern der Intention nach dazu bestimmt, das Parlament der Notwendigkeit zu entheben, jede Veränderung in der Höhe der Entschädigung im Plenum zu diskutieren und vor den Augen der Öffentlichkeit darüber als einer selbständigen politischen Frage zu entscheiden. Wertet man also die „technische" Kopplung der Entschädigung an eine besoldungsrechtliche Regelung materialiter, so führt sie zur Abhängigkeit jeder Erhöhung der Entschädigung von einer entsprechenden Erhöhung der Besoldung. Genau dies aber

Gerald Häfner
widerstreitet der verfassungsrechtlich gebotenen selbständigen (und nicht in die ganz andere Entscheidung über die angemessene Besoldung der Beamten eingeschlossene) Entscheidung des Parlaments über die Bestimmung dessen, was nach seiner Überzeugung „eine angemessene ... Entschädigung" ist.
So schreibt das Bundesverfassungsgericht. Anderes kann ich hier nicht vertreten, wenn ich mich auf dieser Grundlage bewegen will.
Sie wollen, damit eine Feststellung der Verfassungswidrigkeit nicht möglich ist, das Grundgesetz ändern. Hätten Sie die Sorge nicht, daß eine solche Feststellung möglich wäre, wäre eine Verfassungsänderung nicht nötig. Ein einfaches Gesetz würde dann ausreichen.

(Beifall bei Abgeordneten der F.D.P. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Der Verfassungsgesetzgeber ist das Parlament!)

- Lieber Herr Wiefelspütz, wir haben es mit einer gegebenen Verfassung und deren Auslegung zu tun. Sie wollen die Verfassung deswegen ändern, weil das, was Sie jetzt machen, als Gesetz gegen die Verfassung verstieße.
Ich möchte hier auch deutlich machen, daß wir - anders als die Kruzifix-Fundis in der Bayerischen Staatsregierung und auch in Teilen der größten Fraktion des Hauses - der Meinung sind, daß Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichtes unbedingt beachtet werden müssen, ob sie einem passen oder nicht.

(Detlev von Larcher [SPD]: Der dreht wirklich alles um!)

Wer auch immer hier das Grundgesetz wegen unserer eigenen Diäten verändern möchte, der legt meines Erachtens die Axt an den Verfassungskonsens in der Bevölkerung.

(Widerspruch bei der SPD)

Denn was bedeutet es, wenn die Bürgerinnen und Bürger den Eindruck bekommen, daß unser Grundgesetz etwas ist, das die Abgeordneten zum Zwecke ihrer eigenen Diäten mal eben verändern? Das ist der Grund, warum wir dabei nicht mitmachen können.

(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Glatter Populismus! Schlimm!)

Wir sind andererseits nicht der Meinung - wir stimmen deswegen auch nicht in diesen platten Populismus ein -, daß die Abgeordneten Abkassierer sind, daß die Diäten viel zu hoch liegen. Inzwischen meine ich, daß das seriös nicht mehr behauptet werden kann. Sie alle wissen, daß von 1976 bis 1993 der Bruttoverdienst von Angestellten in Industrie und Handel um 115 %, bei den leitenden Angestellten um 128 % und bei den Abgeordneten im Vergleich dazu nur um 38 % gestiegen ist.

(Dr. Renate Hellwig [CDU/CSU]: Sehr gut, daß Sie das sagen!)

Die Frage der Höhe der Entschädigung für Abgeordnete ist eine schwierige Frage. Denn auf der einen Seite können wir nicht in der Bevölkerung Wasser predigen und selbst Wein trinken. Sie wissen, daß die jährliche Steigerung, die Sie jetzt beantragen, dem Doppelten des Sozialhilfesatzes entspricht, d. h., daß die Steigerung bis zum Jahre 2000 dem Zehnfachen des aktuellen Sozialhilfesatzes entspricht.

Hans Klein (CSU):
Rede ID: ID1305515400
Herr Häfner, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Scheu?

Gerald Häfner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1305515500
Nach Vollendung dieses Gedankens selbstverständlich gerne.
Auf der anderen Seite aber müssen wir auch sehen - das ist in meinen Augen eine Demokratiefrage -, daß es inzwischen Bürgerinnen und Bürger gibt, die sich die Wahrnehmung eines Mandates im Deutschen Bundestag nicht mehr leisten können, weil sie sich einkommensmäßig schlechterstellen würden. Insbesondere einige der Professoren und Journalisten, die uns in der Öffentlichkeit ständig als Abkassierer vorführen, verdienen - wie man sieht, wenn man nachschaut - deutlich mehr als die Abgeordneten des Deutschen Bundestages.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Bitte sehr, Herr Scheu.

Gerhard Scheu (CSU):
Rede ID: ID1305515600
Herr Kollege Häfner, ich möchte auf Ihre verfassungsrechtliche Würdigung zurückkommen und Sie fragen, ob Ihnen die Stellungnahmen der Professoren Preuß, Randelzhofer, Römer, Schmidt-Jortzig, Schneider, Steinberg, Würtenberger, Huber und Rommelfanger bekannt sind, die aus Anlaß der Indexierung der Diäten in Thüringen keine verfassungsrechtlichen Bedenken erhoben haben? Abweichender Meinung ist lediglich Herr von Arnim. Ist Ihnen auch das abweichende Sondervotum in der Diätenentscheidung von Vizepräsident Seuffert bekannt, in der ausgeführt wird:
Das Grundgesetz trifft jedoch keine Entscheidung darüber; ein verfassungsrechtliches Gebot, das hier eine „selbständige" Entscheidung verlangt, läßt sich nicht finden.
Herr Häfner, wenn die Sachverständigen der Wissenschaft, die sich seriös mit dem Thema beschäftigen, aus Anlaß der Regelung in Thüringen keine verfassungsrechtlichen Einwände unter der Geltung des Diätenurteils erheben, wie ist dann Ihre Behauptung juristisch noch tragfähig, der Art. 48 Abs. 3 (neu) sei verfassungswidrig?

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Gerald Häfner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1305515700
Herr Scheu, ich will Ihnen gerne auf diese Kurzintervention antworten. Ich habe mit Freude festgestellt, daß

Gerald Häfner
der Präsident eine ausgesprochen lange Zwischenfrage zugelassen hat.
Herr Scheu, die Verfassungsrechtslage ist eindeutig. Ich habe aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zitiert. Ich denke, dies ist der Maßstab und nicht die Auffassung des Kollegen Randelzhofer und anderer.
Zur Verfassungswidrigkeit sei dies noch einmal gesagt: Natürlich - und das ist Ihr Argument - ist der Deutsche Bundestag auch der Verfassungsgesetzgeber, nicht nur der einfache Gesetzgeber, d. h., wenn er die Verfassung ändert, dann gibt es eine neue Verfassungsrechtslage. Das Bundesverfassungsgericht hat dann keine Handhabe mehr, Ihren Beschluß als verfassungswidrig zu bezeichnen. Dann ist er verfassungsgemäß. Sie müssen die Verfassung ändern, weil Ihr Vorschlag der gegenwärtig geltenden Verfassungsrechtslage und dem Urteil des Verfassungsgerichts widerspricht. Sie nehmen damit die Angriffsmöglichkeiten, die nach gegenwärtiger Rechtslage möglich wären.
Ich möchte zum Ende noch sagen: Wir meinen, daß eine angemessene Entschädigung für die Abgeordneten des Deutschen Bundestags nötig ist, d. h. nicht Sekt und auch nicht Selters, nicht Privilegien, aber auch nicht am Hungertuch nagen. Die Frage, was eine angemessene Entschädigung ist, ist in diesem Land sicherlich schwer zu beantworten. Wir haben nach gründlicher Beratung die allgemeine Einkommensentwicklung im Jahr 1995, die nach gegenwärtig absehbarer Tendenz bei etwa 3,5 % liegen wird, zur Grundlage genommen. Ich meine, daß das eine Erhöhung ist, die wir alle in der Öffentlichkeit sehr gut vertreten könnten. Die Tragik ist, daß es hierfür ganz offensichtlich keine Mehrheit gibt. Wir sollten die allgemeine Einkommensentwicklung zugrunde legen, da wir Vertreter des ganzen Volkes sind. Das gilt auch für die Anpassung der Abgeordnetenentschädigung. Das wäre das, was das Grundgesetz verlangt, nämlich angemessen und maßvoll; so steht es im Grundgesetz. Das, was Sie heute vorschlagen - unter dem Strich bis zum Jahre 2000 zwischen 5 000 und 6 000 DM mehr -, ist nicht mehr maßvoll, sondern unmäßig, ist auch nicht angemessen, sondern anmaßend.
Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)


Hans Klein (CSU):
Rede ID: ID1305515800
Das Wort hat der Kollege Jörg van Essen.

Jörg van Essen (FDP):
Rede ID: ID1305515900
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die F.D.P. löckt wider den Stachel, nicht weil wir uns einen schlanken Fuß machen wollen, nicht weil wir populistischen Intentionen nachgehen.

(Zuruf von der SPD: Nein, nur nicht!)

Alles das konnten wir in den letzten Tagen insbesondere von denen lesen, die immer wieder eine eigenständige Rolle der F.D.P. in der Politik verlangen.

(Beifall bei der F.D.P. Zuruf von der SPD: Weiter so!)

Uns geht es um das Grundverständnis der Tätigkeit eines Mitgliedes des Bundestages. Das Berufsbild des Abgeordneten unterscheidet sich von dem des Beamten in grundlegender Weise.

(Dieter Wiefelspütz [SPD]: Wer bestreitet das?)

Das Bundesverfassungsgericht hat 1987 mit diesem Satz für Liberale eine Selbstverständlichkeit formuliert. Wir werden den von den großen Parteien geplanten Schritt einer weiteren Verbeamtung des Parlaments nicht mitmachen.

(Beifall bei der F.D.P. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Das ist unter Ihrer Würde!)

- Herr Wiefelspütz, hören Sie zu, bevor Sie ständig dazwischenquatschen. Der Abgeordnete hat ein öffentliches Amt, gehört aber nicht zum öffentlichen Dienst. Er ist weder Richter noch Beamter.

(Detlev von Larcher [SPD]: Das brauchen Sie uns nicht zu erzählen!)

Wir alle beklagen die immer größere Zahl von Staatsdienern im Parlament. Gerade weil ich dazugehöre, achte ich besonders sensibel auf die notwendige strikte Trennung beider Gruppen. Machen wir uns doch nichts vor: Es ist für die Beamten und Richter und für den Abgeordneten bequem, beruhigend und verlockend, sich mit der Leitmarke R6 in das Gefüge des öffentlichen Dienstes einordnen zu können.

(Erwin Marschewski [CDU/CSU]: Das ist Populismus und nichts anderes!)

Der Bundestag als Parlament von Beamten mit einer Besoldung wie im öffentlichen Dienst: Genau dieses Bild haben wir nicht. Wir gehen mit der Ankoppelung an die Richterbesoldung den verfassungspolitisch - ich wiederhole: verfassungspolitisch - falschen Weg.

Hans Klein (CSU):
Rede ID: ID1305516000
Herr Kollege van Essen, der Herr Kollege Scheu würde Ihnen gerne eine Frage stellen.

Jörg van Essen (FDP):
Rede ID: ID1305516100
Ja, gerne. Vizepräsident Hans Klein: Bitte.

Gerhard Scheu (CSU):
Rede ID: ID1305516200
Herr Kollege van Essen, ist Ihnen der Parlamentarische Geschäftsführer einer Bundestagsfraktion bekannt, der am 9. Juni 1995 in der Zeitschrift „Weltbild" zum Sachverhalt „Diäten so hoch wie Richter-Gehälter" folgendes ausgeführt hat:
Wenn wir diesem Trend entgegenwirken wollen,
muß die Arbeit im Parlament attraktiv gestaltet
werden. Dazu gehört eine angemessene Bezah-

Gerhard Scheu
lung. Mit Richtern an obersten Bundesgerichten können wir uns von der Bedeutung der Tätigkeiten sicher vergleichen.
Ist Ihnen dieser Parlamentarische Geschäftsführer bekannt? Sind Sie es vielleicht selbst?

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Jörg van Essen (FDP):
Rede ID: ID1305516300
Ja, dieser Parlamentarische Geschäftsführer ist mir bekannt. Lieber Herr Kollege Scheu, ich bin dieser Parlamentarische Geschäftsführer.

(Lachen bei der CDU/CSU)

Eine Ankopplung an die Besoldung ist etwas völlig anderes als die Bedeutung der jeweiligen Funktion.

(Beifall bei der F.D.P. Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Ein rhetorischer Klimmzug, Herr van Essen!)

Ich glaube, Herr Kollege Scheu, Sie als Jurist können diesen Unterschied sehr gut erkennen.
Das Bundesverfassungsgericht hat uns 1975 die Maßstäbe vorgegeben, wie der Bundestag die Entschädigung seiner Abgeordneten zu bestimmen hat: Der Willensbildungsprozeß muß für jedermann durchschaubar sein und das Ergebnis vor den Augen der Öffentlichkeit beschlossen werden. Unser Modell, das wir Ihnen mit unserem Änderungsantrag zur namentlichen Abstimmung stellen, wird genau diesen Kriterien gerecht.
Wir wollen, daß eine unabhängige Kommission allein das Initiativrecht für Diätenerhöhungen hat. Nicht wir, sondern die Kommission bestimmt, wann Erhöhungen erfolgen sollen, und gibt uns Empfehlungen für die Anpassung. Wir umgehen damit glaubhaft den Vorwurf der Selbstbedienung.
Der Bundespräsident soll diese Kommission berufen. Das vermeidet jeden Anschein, daß wir uns genehme Kommissionsmitglieder auswählen. Wir wollen, daß wir uns mit offenem Visier dazu bekennen, ob wir dem Erhöhungsvorschlag der Kommission folgen oder nicht. Es kann Situationen geben, in denen wir sagen, daß die Erhöhung niedriger ausfallen soll, weil wir damit politische Zeichen setzen wollen. Genau diese Freiheit dürfen wir uns nicht nehmen lassen.

(Beifall bei der F.D.P.)

Wir haben in den letzten Tagen von den Rednern der großen Parteien das Hohelied der großen Transparenz von Besoldungserhöhungen im öffentlichen Dienst singen hören. Die Wahrheit ist, daß die Vergütungen im öffentlichen Dienst in aller Regel bei den Tarifverhandlungen für die Arbeiter und Angestellten festgelegt und dann ohne große Änderungen und Diskussionen für die Beamten und Richter übernommen werden. Tarifpartner ist dabei die von uns gewählte und abhängige Bundesregierung.

Hans Klein (CSU):
Rede ID: ID1305516400
Herr Kollege van Essen, es gibt eine weitere Bitte um eine Zwischenfrage.

Jörg van Essen (FDP):
Rede ID: ID1305516500
Gerne, ja. Vizepräsident Hans Klein: Bitte.

Dr. R. Werner Schuster (SPD):
Rede ID: ID1305516600
Herr Kollege van Essen, ist Ihnen eigentlich bewußt, daß der vielzitierte einfache Mann und die einfache Frau auf der Straße mit dem Vergleich R 6 viel weniger Probleme haben als mit der Tatsache, daß einige von uns - diese prägen das Bild der Gesamtheit - Nebentätigkeiten ausüben, die um Größenordnungen über ihrer normalen Tätigkeit liegen?

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Wenn das so ist, warum haben Sie z. B. den Antrag von Herrn Conradi und anderen zur Offenlegung dieser Nebentätigkeiten nicht mit unterstützt? Warum sind Sie nicht dafür, daß man die Diäten gegenrechnet? Wenn jemand das Zweifache seiner Diäten nebenher verdient, hat er doch kaum noch Zeit, im Parlament zu arbeiten.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Jörg van Essen (FDP):
Rede ID: ID1305516700
Herr Kollege, ich gehe auf diesen Punkt im weiteren Verlauf der Rede noch ein und wäre Ihnen dankbar, wenn Sie das als Antwort hinnehmen würden.
Die Anpassung der Diäten wird nur formal vor den Augen der Öffentlichkeit beschlossen. In Wirklichkeit gehen wir den bequemen Weg, uns hinter den Besoldungserhöhungen für den öffentlichen Dienst zu verstecken. Wir treffen keine eigenverantwortliche Entscheidung für die Abgeordneten.

(Beifall bei Abgeordneten der F.D.P.)

Es wird behauptet, die Festsetzung der Höhe sei für den Bürger durchschaubar, weil er die Höhe des Richtergehaltes aus den entsprechenden Unterlagen entnehmen könne. Gilt das auch für das Weihnachtsgeld, welches in Zukunft ebenfalls eingerechnet wird? Die Beratungen haben gezeigt, daß die Festlegung dieses Betrages selbst für ausgewiesene Spezialisten wie den Kollegen Scheu außerordentlich kompliziert ist. Bereits diese Überlegungen zeigen, daß allein der Vorschlag der F.D.P. den Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts mit Sicherheit gerecht wird.

(Beifall bei der F.D.P.)

Wir sind - auch das muß gesagt werden - für eine maßvolle Diätenerhöhung. Bis zum Beginn der Tätigkeit der unabhängigen Kommission sehen wir zwei Diätenerhöhungen vor, eine zum 1. Juli 1995 auf 11 000 DM. Erst in zwei Jahren wollen wir eine weitere Erhöhung auf 12 000 DM. Weder eine Ministerialzulage noch ein 13. Monatsgehalt sind in unserem Vorschlag enthalten.

Jörg van Essen
Ich habe bereits gesagt, daß wir uns keinen schlanken Fuß machen. Das zeigt sich auch darin, daß wir den sicherlich populären Vorschlag von Kollegen der SPD nicht mitmachen, daß Abgeordnete verpflichtet werden sollen, alle ihre Einkünfte offenzulegen.

(Lachen bei Abgeordneten der SPD Zuruf von der SPD: Graf Lambsdorff!)

Es mag einiges dafür sprechen, das gegenüber den Wählern zu tun, und ich habe Respekt vor den Kollegen, die sich zu diesem Schritt entschließen. Aber auch hier kommt mir wieder das Thema Beamte im Bundestag in den Blick. Wer aus dem öffentlichen Dienst kommt, wird in den einstweiligen Ruhestand versetzt und hat nach dem Ausscheiden aus dem Parlament keinerlei Probleme, wieder in seinen Beruf zurückzukehren. Wer aus einem freien Beruf kommt, etwa Architekt oder Rechtsanwalt ist, muß dagegen sehr daran interessiert sein, die Verbindung in seinen freien Beruf zu halten. Es muß auch für einen Abgeordneten möglich sein, seinen mittelständischen Betrieb weiterzuführen.

(Detlev von Larcher [SPD]: Aber Sie sind doch so für Transparenz! Es geht doch nur um Transparenz!)

Wenn wir diese Kolleginnen und Kollegen zur Veröffentlichung ihrer Einkünfte aus einer privatwirtschaftlichen Tätigkeit zwingen, geben wir den Konkurrenten Hinweise auf die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens oder der Sozietät.

(Lachen bei der SPD - Beifall bei Abgeordneten der F.D.P.)

Es gibt zu Recht keinen Berufsstand, von dem wir dies verlangen.
Auch bei der Frage der Kostenpauschale für mandatsbedingte Ausgaben gehen wir keinen populistischen Weg. Der Bund der Steuerzahler hat die Einzelabrechnung gefordert, auch die Kissel-Kommission hat es getan. Es ist für uns ein Stück Beschneidung der Freiheit von Abgeordneten, wenn in Zukunft Beamte darüber entscheiden, ob eine Einzelausgabe tatsächlich politischen, halbpolitischen oder nichtpolitischen Zwecken dient. So, wie wir uns bei der Besoldung nicht an den öffentlichen Dienst ankoppeln lassen wollen, lassen wir Beamte nicht über die Art und Weise der Ausübung des Mandats richten.

(Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Die Einzelabrechnung hat auch einen unglaublichen bürokratischen Aufwand zur Folge; denn die Abrechnungen müssen im einzelnen jeweils geprüft werden. Die F.D.P. ist für den schlanken Staat und möchte nicht, daß der Bundestag mit einer Vermehrung der Beamtenstellen eine Vorreiterrolle für die Aufblähung des öffentlichen Dienstes spielt.

(Beifall bei der F.D.P.)

Das Übergangsgeld soll nach der Beendigung des Mandats den Weg zurück in den Beruf sichern. Diese Funktion hat es insbesondere bei den Kolleginnen und Kollegen zu leisten, die nicht sicher in den öffentlichen Dienst zurückkehren können. Es ist daher immer gerechtfertigt gewesen, z. B. bei Beamten eine Anrechnung der Gehälter vorzunehmen. Sie haben die Sorge des Übergangs nicht.
Wir sind hier einen Schritt weitergegangen und rechnen in Zukunft alle Einkünfte an, auch die aus der Wirtschaft. Wir haben dabei insbesondere an die Fälle gedacht, wo Kollegen unmittelbar nach dem Ausscheiden aus dem Parlament hochdotierte Positionen etwa bei einer Bank erreicht haben. Es erscheint uns gerecht, auch dies in Zukunft zu berücksichtigen. Die Aufgabe des Übergangsgeldes ist mit dem Eintritt in den Beruf erfüllt.
Ich verhehle nicht, daß die Reduzierung der Höchstdauer des Bezuges des Übergangsgeldes von 36 auf 18 Monate, die mit unserer Zustimmung beschlossen werden wird, auch zu Problemen führen kann. Wer etwa mit Mitte 50 aus dem Parlament ausscheidet und auf dem freien Markt eine Beschäftigung finden muß, wird sich Schwierigkeiten gegenübersehen, weil er kein Arbeitslosengeld bekommt. In diesen Fällen hat das Übergangsgeld eine wichtige Überbrückungsfunktion bis zum Beginn der Altersversorgung erfüllt. Das wird in Zukunft wegfallen. Dies macht aber gleichzeitig deutlich, daß nicht nur bequeme Entscheidungen gefallen sind.
Die Altersversorgung ist ein Gegenstand besonderer Kritik gewesen. Wir machen Ihnen auch da einen eigenständigen Vorschlag, der nach unserer Auffassung durch besondere Vernunft geprägt ist. Es gibt bisher eine Ungleichbehandlung von Mandatsträgern, die nur kurze Zeit im Bundestag waren, im Vergleich zu denen, die die Mindestzeit für eine Altersversorgung von zwei Wahlperioden erreicht haben. Dies führt dazu, daß viele Kollegen an ihrem Mandat kleben und der notwendige Austausch im Parlament nicht stattfindet. Das Parlament lebt gerade davon, daß Politiker mit neuen Ideen und beruflichen Erfahrungen in das Parlament kommen und diese hier umsetzen.
Die Tätigkeit als Abgeordneter ist ein Auftrag auf Zeit und kein Beruf. Daher muß auch die Altersversorgung so geregelt sein, daß nicht die Verweildauer, sondern jedes Jahr der Mitgliedschaft im Parlament für sich zu Altersversorgungsansprüchen führt. Wir sehen daher auch einen kürzeren Zeitraum für das Erreichen der Höchstversorgung vor. Während die großen Parteien 23,5 Jahre voraussetzen, soll nach unserem Vorschlag die Höchstpension nach 20 Jahren, also nach fünf Legislaturperioden, erfüllt sein. Da wir eine Diätenerhöhung mit Augenmaß vorsehen, bedeutet dies trotzdem eine geringere Erhöhung der Altersversorgung.
Der F.D.P. ist vorgeworfen worden, sie mache alle diese Vorschläge nur, weil sie gegen eine Verkleinerung des Parlaments sei.

(Zurufe von der CDU/CSU und der SPD: Ja! Ja!)

Der Vorwurf ist schon deshalb völlig unsinnig, weil die Angemessenheit von Entschädigungen völlig unabhängig von der Größe des Parlaments ist.

(Beifall bei der F.D.P.)


Jörg van Essen
In einem Parlament von 60 Abgeordneten kann die Entschädigung angemessen sein, in einem Parlament von 800 kann sie unangemessen sein.

Hans Klein (CSU):
Rede ID: ID1305516800
Herr Kollege, gestatten Sie eine erneute Zwischenfrage des Kollegen Scheu?

Jörg van Essen (FDP):
Rede ID: ID1305516900
Ich freue mich, daß der Kollege Scheu so wißbegierig ist. Gerne!

Gerhard Scheu (CSU):
Rede ID: ID1305517000
Herr Kollege van Essen, ich bin deswegen wißbegierig, weil Sie hier darstellen, daß es aus Ihrer Sicht keinen Zusammenhang zwischen Parlamentsverkleinerung und Abgeordnetenentschädigung gibt.

(Zurufe von der F.D.P.: So ist es! Angemessene Entschädigung!)

- Ja. - Herr van Essen, sind Sie dann in dem Protokoll über die Sitzung, in der wir diese Frage erörtert haben, falsch wiedergegeben, daß der von der F.D.P.-Fraktion eingebrachte Alternativvorschlag „eine Folge des aus einer anderen Interessenlage herrührenden Ansatzes der F.D.P. sei, keine Parlamentsverkleinerung durchführen zu wollen"? Seite 24 des Protokolls.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Jörg van Essen (FDP):
Rede ID: ID1305517100
Herr Kollege Scheu, ich habe immer wieder deutlich gemacht, daß wir die beiden Fragen unterschiedlich beantworten, daß es aber unsere Linie ist, in beiden Fragen maßvoll vorzugehen. Dazu werde ich meine Ausführungen jetzt machen.

(Lachen bei der SPD)

Es ist tatsächlich richtig, daß wir bei der Frage der Verkleinerung sehr kritisch sind. Nahezu alle Argumente, die in diesem Zusammenhang in die Debatte geworfen werden, halten einer Nachprüfung nicht einmal andeutungsweise stand.
Der Bundestag ist zu groß, wird behauptet. Unterschlagen wird die Tatsache, daß die Parlamente in Italien, in Frankreich, in Großbritannien etwa gleich groß wie bei uns sind. Dabei ist allerdings der kleine Unterschied zu beachten, daß alle diese Abgeordneten viel weniger Einwohner zu vertreten haben, als es beim Bundestag der Fall ist. Ich höre aus diesen Ländern nicht, daß diese Parlamente nicht arbeitsfähig seien. Außer dem amerikanischen Kongreß gibt es kein Parlament in den westlichen Demokratien, bei dem die Abgeordneten so viele Bürger wie im Bundestag zu vertreten haben. Im übrigen ist der Preis für die geringere Zahl der amerikanischen Abgeordneten hoch. Sie verfügen über einen riesigen Mitarbeiterstab und sind von diesem abhängig. Auch das entspricht nicht unserem Bild vom Abgeordneten.

(Beifall bei der F.D.P.)

Auch das immer wieder vorgebrachte Kostenargument geht fehl. Der Bundestag kostet den einzelnen Einwohner am viertwenigsten unter 20 Parlamenten der westlichen Demokratien, wie die Bundestagspräsidentin in ihrem jährlichen Bericht dankenswerterweise dargestellt hat.
Das Argument, daß man sich untereinander nicht mehr kenne, ist ebenfalls nicht stichhaltig. Ich habe es noch in dieser Woche erlebt, daß ein Kollege aus einer großen Fraktion den Namen eines Fraktionskollegen nicht kannte. Würde dieses Argument durchgreifen, müßte der Bundestag ja offensichtlich kleiner als die SPD-Bundestagsfraktion werden.

(Ulrich Irmer [F.D.P.]: Sehr gut! Sehr schlüssig!)

Wir lehnen eine Verkleinerung des Bundestages nicht völlig ab. Tatsache ist, daß Wahlkreise in der Bundesrepublik Deutschland neu geschnitten werden müssen. Wenn dies zu einer geringfügigen Reduzierung führt, wird das von uns mitgetragen.
Eines lassen wir auf keinen Fall zu: eine Manipulation am Wahlrecht.

(Beifall bei der F.D.P. und beim BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Die gefundene Mischung aus Mehrheitswahlrecht und Verhältniswahlrecht ist ein Eckpfeiler der stabilen Demokratie in der Bundesrepublik Deutschland. Andere Länder beneiden uns darum und haben sich an unseren Regeln orientiert. Die kleinen Parteien sind das Salz in der Suppe sowohl der Regierung als auch der Opposition.
Zum Schluß möchte ich mich mit dem Teil des Paketes befassen, der für mich besondere Bedeutung hat, der Parlamentsreform. Ich bedaure sehr, daß er in der öffentlichen Diskussion so wenig Erwähnung und Beachtung findet. Es ist uns endlich einmal gelungen, auf dem Weg zur Parlamentsreform einen entscheidenden ersten Schritt zu tun, nachdem dies lange Jahre vergeblich versucht worden ist. Insbesondere liberale Kolleginnen und Kollegen wie Hildegard Hamm-Brücher und Burkhard Hirsch haben dies immer wieder angemahnt.

(Beifall bei der F.D.P.)

Ich habe bewußt von einem ersten Schritt gesprochen. Das, was wir beschließen und als F.D.P. mittragen werden, muß in einem Jahr in doppelter Weise auf dem Prüfstand stehen. Dinge, die sich nicht bewähren, sollten nicht fortgesetzt werden. Aber wir müssen auch für neue Schritte offen sein, wenn sich die Richtung, die wir jetzt einschlagen werden, bewährt haben wird.
Unsere Reformvorschläge gehen in zwei Richtungen. Wir wollen auf der einen Seite den einzelnen Abgeordneten in seiner Tätigkeit und Funktion stärken. Wir wollen auf der anderen Seite die Arbeit im Plenum und in den Ausschüssen interessanter gestalten.

Jörg van Essen
Hauptpunkt der öffentlichen Kritik an unserer tagtäglichen Arbeit ist der leere Plenarsaal. Wir müssen zugeben, daß diese Kritik berechtigt ist. Wir tragen selbst zu diesem leeren Plenarsaal durch die Genehmigung von parallelen Sitzungen anderer Gremien und durch nicht immer interessante Debatten bei.
Die Kerndebatte am Donnerstag ist eine gute Chance, um in offenen und nicht vorgegebenen Diskussionen miteinander um die beste Lösung zu ringen. Solche Debatten sind dann nicht nur für die Abgeordneten, sondern auch für die Öffentlichkeit besonders interessant. Nicht umsonst haben ARD und ZDF die Einrichtung eines Parlamentskanals beschlossen. Es macht allerdings sehr nachdenklich, daß das ZDF trotz seines Informationsauftrages gerade diese wichtige Debatte nicht überträgt.

(Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der SPD)

Interessante Debatten dienen auch unserem allgemeinen Ansehen. Wir alle wissen, daß die Plenardebatten häufig auch deshalb nicht gut besucht werden, weil sie eine protokollarische Wiedergabe des Beratungsstandes aus den Ausschüssen sind, wo nichtöffentlich genau dieses Ringen um die beste Lösung stattgefunden hat. Die neu eingeführte öffentliche Ausschußsitzung macht diese Arbeit des Parlaments transparenter und vermeidet Plenardebatten, die nur für ein Fachpublikum interessant sind.
Insbesondere auf Initiative der F.D.P. gibt es auch mehr Rechte für den einzelnen Abgeordneten. Es stärkt seine Stellung, wenn er in Zukunft bereits in der ersten Lesung Änderungsanträge stellen und auch dann, wenn er einem bestimmten Ausschuß nicht angehört, an der Beratung teilhaben kann.

(Beifall bei Abgeordneten der F.D.P.)


(Vorsitz : Vizepräsident Hans-Ulrich Klose)

Es hat in den Beratungen des Geschäftsordnungsausschusses mit Zustimmung der großen Parteien einige Beschneidungen von Reformen gegeben, die wir nicht unterstützt haben. Ich darf bereits jetzt ankündigen, daß wir die Auswirkungen der Parlamentsreform sorgfältig beobachten werden und uns ausdrücklich vorbehalten, unsere Vorschläge gegebenenfalls im nächsten Jahr erneut einzubringen. Nur wer den Mut hat, etwas Neues zu wagen, kann eine wirkliche Reform durchführen.
Unsere Vorschläge beweisen in jedem Punkt Augenmaß. Sie entsprechen voll den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts und verbessern die Arbeit des Parlaments. Ich bitte daher sehr um Zustimmung zu unserem Änderungsantrag.
Herzlichen Dank.

(Beifall bei der F.D.P. Dr. Antje Vollmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sehr begeistert klingen Sie aber nicht!)


Hans-Ulrich Klose (SPD):
Rede ID: ID1305517200
Das Wort hat die Kollegin Dr. Dagmar Enkelmann, PDS.

Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1305517300
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Versprochen wurde den Bürgerinnen und Bürgern des Landes eine grundlegende, umfassende Reform des Parlaments. In Abwandlung eines Sprichworts möchte man heute sagen: Der Bundestag kreißte und gebar ein Reförmchen. Aber so ganz stimmt auch das nicht, denn am Ende steht eine mächtige Revolution: in den Portemonnaies der Abgeordneten.

(Zurufe von der CDU/CSU und der SPD: Oh!)

Dabei wäre es doch so lohnenswert, über Veränderungen nachzudenken, die zu mehr Demokratie, zu Transparenz und größerer Effizienz der parlamentarischen Arbeit führen. Hier muß man die Frage stellen: Stimmen die Rahmenbedingungen? Ist es tatsächlich länger hinnehmbar, daß gesellschaftlich wichtige Entscheidungen in der Exekutive gefällt werden, die vom Parlament nur noch abgesegnet werden? Ist es tatsächlich gewollt, daß Lobbyisten der privaten Wirtschaft und zahlungskräftiger Verbände de facto größere Befugnisse als die Mehrheit der Abgeordneten haben und noch dazu über Hausausweise verfügen?
Dieses Geflecht einmal aufzureißen könnte reizvolles Ergebnis einer Parlamentsreform sein. Gleichwohl sollte sie wesentlich weiter greifen. Auf die Gefahr hin, daß Sie gleich wieder losbrüllen: Statt weiteren Demokratieabbaues sollten die Demokratiedefizite beseitigt werden, im übrigen auch in diesem Parlament.

(Beifall bei der PDS)

Wenn Kollege Scherhag, CDU, der PDS vorwirft, überhaupt in diesem Hohen Haus zu sitzen, dann muß sich dieser christliche Demokrat sagen lassen: Die PDS ist von 2 Millionen Wählerinnen und Wählern demokratisch und rechtmäßig gewählt. Um diese Tatsache kommen Sie nicht herum. Sie müssen uns hier schon aushalten - ich hoffe, möglichst lange.

(Beifall bei der PDS)

Die Stärkung des Parlaments und seiner Abgeordneten setzt eine Demokratisierung der Gesellschaft, die unmittelbare Teilhabe von Bürgerinnen und Bürgern am politischen Entscheidungsprozeß vermittels Volksgesetzgebung sowie die Erweiterung von Mitbestimmungsrechten in Betrieben und Unternehmen voraus. Hier liegt meines Erachtens der Knackpunkt und die wesentliche Ursache für das Scheitern einer grundlegenden Parlamentsreform.
Meine Damen und Herren, natürlich will ich nicht verhehlen, daß es in den vorliegenden Anträgen durchaus auch einige positive Ansätze gibt. So können wir einer Neuregelung der Fragestunde ebenso zustimmen wie erweiterten öffentlichen Ausschußberatungen oder der Möglichkeit zur Verlängerung der Debattenzeiten bei spannenden Themen. Daß die Redezeiten grundsätzlich auf zehn Minuten begrenzt werden sollen, findet bei uns nur ein müdes Lächeln. Damit mußten wir, von wenigen Ausnahmen abgesehen, schon immer auskommen. Nun lernen endlich auch die anderen, sich kurz zu fassen.

(Beifall bei der PDS)


Dr. Dagmar Enkelmann
Die Vorschläge der PDS aber gehen darüber hinaus. So sollten z. B. die Kompetenzen des Petitionsausschusses deutlich erweitert werden und Inititativrechte auch gegenüber Privatpersonen bzw. Unternehmen enthalten. Wir könnten uns ebensogut vorstellen, daß Massenpetitionen künftig im Bundestag zwingend verhandelt werden müssen und ein Vertreter oder eine Vertreterin der Petenten hier Rederecht bekommt. Wünschenswert wären auch Vetorechte von Umwelt- oder kommunalen Spitzenverbänden.

(Beifall bei Abgeordneten der PDS)

Wenn von der Erhöhung der Effektivität der parlamentarischen Arbeit die Rede ist, dann ist zu hinterfragen, ob das überhaupt mit der Anzahl von mehr als 270 Gremien - mit steigender Tendenz - bei 672 Abgeordneten zu vereinbaren ist. Den großen Fraktionen ermöglicht das durchaus, ihre Abgeordneten zu beschäftigen. Die kleinen aber müssen sich drei- oder vierteilen, einmal ganz abgesehen von dem personellen und damit auch finanziellen Aufwand.
Leider haben alle diese Fragen in der Öffentlichkeit kaum eine Rolle gespielt. Die Empörung vieler Bürgerinnen und Bürger richtet sich vor allem gegen die Neuregelung der Abgeordnetenentschädigung, und die kann ich sehr gut nachvollziehen.
Gehen wir zwei Wochen zurück. Ein Zitat von Minister Blüm aus seiner Rede zum Haushalt 1996:
Jede Mark muß von Arbeitnehmern und Arbeitgebern bezahlt werden. Insofern beginnt der Sozialstaat nicht erst auf der Ausgabenseite, sondern er beginnt bei der Belastungsfähigkeit seiner Zahler.
Oder weiter:
Der Haushalt steht unter dem Motto „Sparen und Gestalten". Sparen ist notwendig, auch aus sozialen Gesichtspunkten.
Sein Kollege Fuchtel von der CDU forderte, „daß wir Einsparungen vornehmen müssen". Frau Babel von der F.D.P. hatte den Mut, „Einschnitte im sozialen Bereich zu vertreten".
All das Schnee von gestern? Oder meint da mancher: Was kümmert mich mein Geschwätz von vor zwei Wochen? Und jetzt regen Sie sich darüber auf, daß die Leute hellhörig geworden sind und Wut im Bauch haben. Wissen Sie, ich glaube, es geht gar nicht darum, daß man Abgeordneten kein angemessenes Einkommen gönnt, daß man neidisch auf ihre Privilegien schielt. Nein, die Leute haben absolut kein Verständnis dafür, daß Sie mit dem Rotstift eine Sozialleistung nach der anderen streichen und bei sich selbst gleichzeitig kräftig draufsatteln.

(Beifall bei der PDS sowie der Abg. Christa Nickels [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Solange Ihnen kein Konzept einfällt, wie Massenarbeitslosigkeit, die Zunahme der Zahl von Sozialhilfebedürftigen - unter ihnen inzwischen immerhin eine Million Kinder -, Obdachlosigkeit oder Altersarmut beseitigt werden können, dürfen Sie auch kein Verständnis erwarten.
Womit die Leute aber ebensowenig klarkommen, ist die Tatsache, daß mehr als die Hälfte der Abgeordneten über Nebeneinkünfte aus Aufsichtsratsposten, Gutachter- oder Rechtsanwaltstätigkeit verfügen. Mir ist schon schleierhaft, wie das mit intensiver Arbeit in Bonn und im Wahlkreis vereinbar ist.
Das Problem, um das es uns hier aber gehen sollte, ist, ob sich aus solcher Nebentätigkeit nicht Interessenkonflikte zur parlamentarischen Arbeit ergeben. Der Fall Neuling ist hier ja ziemlich glimpflich abgegangen. Vor allen Dingen deshalb fordern wir die Offenlegung von Nebeneinkünften. Ich meine, unsere Wählerinnen und Wähler haben ein Recht auf diese Information. Sie sollten die Abgeordneten eben nicht nur politisch auf Herz und Nieren prüfen dürfen, sondern bis in die Taschen hinein. Das schafft Vertrauen und könnte wenigstens ein Mittel gegen Politikverdrossenheit sein.

(Beifall der Abg. Ulla Jelpke [PDS])

Nun versuchen Sie die empörte Öffentlichkeit zu beruhigen, indem Sie ihr die Volkskammerabgeordneten, die nur eine Legislaturperiode in Bonn waren, zum Fraß vorwerfen. Abgesehen davon, daß wir angesichts vieler ostdeutscher Lebensbiographien mit gravierenden Brüchen Probleme mit einer Sonderregelung für diese Abgeordneten hätten, ist es ziemlich leicht zu durchschauen und zeugt nicht gerade von Charakter, daß Sie sich so schnell einer Gruppe entledigen, die sich hier nicht wehren kann, und Zugeständnisse an einer Stelle signalisieren, die Ihnen selbst nicht wehtut.

(Beifall bei der PDS)

Meine Damen und Herren, wir sollten uns nicht davor drücken, auch künftig über unsere Einkünfte selbst zu entscheiden. Grundlage dafür könnten Ergebnisse einer unabhängigen Kommission sein. Gute Arbeit soll gut bezahlt werden. Lassen Sie uns deshalb zuerst über eine bessere Arbeit und danach über eine bessere Bezahlung reden.
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der PDS)


Hans-Ulrich Klose (SPD):
Rede ID: ID1305517400
Zu Beginn der zweiten Runde hat der Kollege Scheu das Wort zu einer Kurzintervention.

Gerhard Scheu (CSU):
Rede ID: ID1305517500
Herr Präsident! Liebe Kollegen! Der Bund der Steuerzahler hat uns ein Anschreiben übersandt und das Buch „Der Staat sind wir" von Professor von Arnim

(Freimut Duve [SPD]: Hoffentlich ist das nicht aus Steuergeldern bezahlt!)


Gerhard Scheu
mit der Bitte, unser Gewissen zu prüfen, ob wir dem Gesetz zustimmen könnten. Da darauf eine andere Antwort nicht möglich ist, möchte ich es auf diese Weise sagen: Ja, ich kann besten Gewissens zustimmen. Ich würde den Bund der Steuerzahler bitten, daß er uns für seine Argumentation mit anderen Sachverständigenausführungen bekannt macht.
Das sage ich vor dem Hintergrund der Antrittsrede des Herrn Professor von Arnim vom 2. November 1993 in Speyer, die den Kollegen vielfach nicht bekannt ist. Die zentrale These von Herrn von Arnim lautet, unsere Demokratie sei in der Krise, weil sie „in Wahrheit gar keine Demokratie" sei - Seite 28 der Antrittsrede. Unser System sei „neofeudalistisch" - Seite 19 der Antrittsrede. Wir hätten in der Bundesrepublik „sogenannte Wahlen" - Seite 24 -, weil die Partei und nicht das Volk die Mandate verteile. Seite 25: Die Verheißung des Grundgesetzes, alle Staatsgewalt gehe vom Volke aus, sei nicht eingelöst. Es gelte, „die Institutionen zu ändern". Eine „Abschwächung der Rolle der Parteien" könne aus seiner Sicht sogar „zu einer Tugend werden" - Seiten 21 und 25.
Bei diesem Teil seiner Antrittsrede erinnere ich mich an die Vorlesungen des großen sozialdemokratischen Philosophen Gustav Radbruch 1947.

Hans-Ulrich Klose (SPD):
Rede ID: ID1305517600
Herr Kollege Scheu, es tut mir leid, wenn ich Sie einen Augenblick unterbreche. Die Kurzintervention ist im Prinzip dazu da, um auf den Beitrag eines Kollegen in der Debatte zu antworten, nicht aber um einen eigenständigen Debattenbeitrag zu leisten.

(Beifall bei der PDS)

Sie bringen mich damit etwas in Schwierigkeiten. Herr von Arnim ist nicht Mitglied des Parlaments. Das mag jeder bewerten, wie er will.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der F.D.P.)

Also wäre ich Ihnen dankbar, Herr Kollege Scheu, wenn Sie den Bezug zu einem Debattenbeitrag fänden, um mir aus den Schwierigkeiten wieder herauszuhelfen.

Gerhard Scheu (CSU):
Rede ID: ID1305517700
Herr Präsident, ich bedanke mich. Ich möchte zum Schluß kommen mit dem Satz, daß ich deshalb nicht diesen Intentionen folge, weil Herr von Arnim inzwischen seine ehemals zur Institution gewordene Rolle als Bürgeranwalt gegen die höchst zweifelhafte Rolle des populistischen Demagogen mit Ressentiments gegenüber der Demokratie getauscht hat; so Greven in: Vorgänge 1995, 1.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD sowie der F.D.P.)


Hans-Ulrich Klose (SPD):
Rede ID: ID1305517800
Ich habe hier noch den Wunsch zu einer Kurzintervention von der Kollegin Christa Nickels. Sie war vor Ihnen an der Reihe, Herr Kollege Conradi. Sie müssen einen Augenblick warten.
Frau Kollegin Nickels.

Christa Nickels (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1305517900
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Präsident! Ich möchte mich auf die Beiträge, die gehalten worden sind, beziehen und stimme ausdrücklich zu, daß Abgeordnete ordentlich bezahlt werden müssen. Ich glaube nicht, daß wir Superverdiener sind und uns bereichern.
Zum zweiten stimme ich auch zu, daß das Medienecho teilweise wirklich parlamentsverachtend ist und man die Medien auch sehr genau befragen muß, ob sie damit nicht wirklich einer Tendenz Vorschub leisten, die sie zu beklagen vorgeben. Das finde ich wichtig.

(Beifall im ganzen Hause)

Ich habe trotzdem sehr viel Sympathie für das, was von Frau Enkelmann gesagt worden ist und was generell auch der Kern dessen ist, was normale Leute an dieser Debatte schwierig finden. Daher möchte ich Sie auch bitten, noch einmal darüber nachzudenken, die anstehende Entscheidung in die Ausschüsse zurückzuverweisen.
Ich glaube, daß es uns in einer Zeit, in der die Verteilungskämpfe immer heftiger werden, der Spielraum bei den Finanzen enger wird, schmerzhafte Entscheidungen anstehen, in der sich arme Menschen auf dem Sozialamt sozusagen entblößen und die privatesten Verhältnisse offenlegen müssen und wegen einem Paar Sportschuhe für ihre Kinder anstehen müssen, eigentlich gut ansteht, die Mühe und die Belastung auf uns zu nehmen, jedes Jahr eine Begründung vorzutragen. Das ist schwer, weil sich an uns dann wirklich ein Konflikt austobt, dem in der Regel ein Drittel der Bevölkerung, das mehr verdient, nicht ausgesetzt ist. Viele Kinder wissen überhaupt nicht, was ihre Lehrer verdienen. Sie würden genauso Mund, Nase, Augen und Ohren aufsperren, wenn sie diese Summen hören würden. Ich finde, es steht dem Parlament in solchen Zeiten, in denen Leute gar nicht wissen, wie sie klarkommen sollen, sehr gut an, in aller Ruhe und mit aller Würde darüber zu reden, was auf der einen Seite ein Mensch zum Leben braucht und was auf der anderen Seite ein Mensch wirklich mit der Arbeit von zwei Händen und seinem Kopf verdienen kann. Das ist für mich wirklich der einzige Grund, zu sagen, daß die Volksvertreterinnen und -vertreter sich dieser schwierigen Aufgabe - weil wirklich die Medien wie die Geier warten und in einer unanständigen Art und Weise diskutieren - einmal im Jahr im Parlament stellen.
Danke schön.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der F.D.P. und der PDS)


Hans-Ulrich Klose (SPD):
Rede ID: ID1305518000
Ich lasse jetzt noch eine Kurzintervention zu und möchte dann in der Reihenfolge der Wortmeldungen fortfahren. Das Wort zu einer Kurzintervention hat der Kollege Conradi.


Peter Conradi (SPD):
Rede ID: ID1305518100
Es ist auch nur ein Satz, Herr Präsident.
Nachdem mehrere Debattenredner auf den Bund der Steuerzahler und Herrn Professor Achim von Arnim abgehoben haben, stelle ich hier die Frage, ob die allseits geschätzte Abgeordnete Frau Dr. Tiemann, die Ehrenmitglied des Bundes der Steuerzahler ist und lange Zeit dessen Vorsitzende war, die an vielen Stellungnahmen mitgewirkt und in der Kissel-Kommission mitgearbeitet hat, nicht etwas zu den Anwürfen des Bundes der Steuerzahler und seines Gutachters von Arnim sagen will.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU Ulrich Irmer [F.D.P.]: Achim von Arnim war ein Dichter!)


Hans-Ulrich Klose (SPD):
Rede ID: ID1305518200
Die Kollegin Tiemann ist angesprochen. Ich gebe ihr die Möglichkeit zu einer kurzen Gegenrede.

Dr. Susanne Tiemann (CDU):
Rede ID: ID1305518300
Vielen Dank, Herr Präsident, daß Sie mir noch die Gelegenheit zu dieser Kurzintervention geben, nachdem mich Herr Kollege Conradi freundlicherweise angesprochen und mir damit einen großen Gefallen getan hat, weil ich nicht auf der Rednerliste dieser Debatte stehe.
Herr Kollege Conradi, wir kennen uns ja noch aus der Zeit, als Sie unbedingt Mitglied des Bundes der Steuerzahler werden wollten.

(Heiterkeit bei der CDU/CSU Dr. Antje Vollmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Warum wurde er das nicht?)

Ich persönlich habe mit dem Vorschlag, der heute zur Debatte steht, nicht die geringsten Schwierigkeiten. Ich bewundere Herrn Kollegen Scheu, wie er mit den anderen zusammen diesen Vorschlag ausgearbeitet hat. Er hat mich dankenswerterweise sehr früh in die Information einbezogen, und ich habe die Struktur dieses Vorschlags von Anfang an außerordentlich begrüßt.
Wie Sie richtig sagten, Herr Conradi, durfte ich Mitglied dieser unabhängigen Kommission, der Kissel-Kommission, sein. Der Vorschlag, über den wir heute entscheiden, entspricht in seiner Struktur genau dem, was ich in der Kissel-Kommission mit erarbeitet habe.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Er beinhaltet eine spürbare Anhebung der Entschädigungen der Abgeordneten, so wie es dem Ansehen dieses Parlaments und auch der Erwartung der Steuerzahler entspricht, die von ihren Abgeordneten gute Arbeit verlangen und verlangen können, ein Abspekken dagegen beim Übergangsgeld und bei der Altersversorgung - Regelungen, die die Bürger in diesem Lande nicht so recht einsehen können.
Deswegen geht dieser Vorschlag genau den richtigen Weg. Insbesondere, meine verehrten Kolleginnen und Kollegen, gehen wir auch mit der Verfassungsänderung genau den richtigen Weg, um endlich Transparenz zu schaffen,

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

die Transparenz, die die Bürger unseres Landes bei der Entschädigung ihrer Parlamentarier erwarten können. Das entspricht nicht nur unserer Kompetenz als Gesetzgeber, sondern wir können hier auch auf Grund von Feststellungen des Bundesverfassungsgerichts reagieren; denn das Bundesverfassungsgericht sagt, hier dürfe nicht einzelgesetzlich gehandelt werden, sondern hier müsse der Verfassungsgesetzgeber handeln.
Es entspricht, meine ich, auch dem Ansehen dieses Parlaments, daß es selbstbewußt diese Klarstellung in der Verfassung vornimmt.
Ich hoffe, sehr verehrter Kollege Conradi, daß Ihre Frage insoweit beantwortet ist.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)


Hans-Ulrich Klose (SPD):
Rede ID: ID1305518400
Das Wort hat der Kollege Hans Klein, CDU/CSU.

Hans Klein (CSU):
Rede ID: ID1305518500
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte zunächst den Dank, der unserer Präsidentin ausgesprochen worden ist, unterstreichen und ihn erweitern auf den Vizepräsidenten Hans-Ulrich Klose

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)

sowie alle Kolleginnen und Kollegen, die an dieser Arbeit mit großem Ernst, mit großem Einsatz beteiligt waren.
Ich bin jetzt ein bißchen versucht, auf meinen Kollegen Jörg van Essen und auf den Kollegen Gerald Häfner einzugehen, die hier eine schwierige Aufgabe zu erfüllen hatten.

(Heiterkeit)

Frau Kollegin Enkelmann, bitte nehmen Sie es einfach als chevalereske Neigung, daß ich Ihren Beitrag unkommentiert lasse.

(Heiterkeit Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der F.D.P.)

Wir haben heute von allen Seiten dieses Hauses Zurückweisungen dieses geradezu ungeheuerlichen Szenarios, das in den letzten Tagen entworfen worden ist, gehört. Worüber reden wir? Worüber schreiben und reden die Medien? Sie schreiben und reden über den Deutschen Bundestag als die parlamentarische Vertretung von rund 80 Millionen Menschen. Seine Abgeordneten sind in unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl gewählt. Als einziges Verfassungsorgan dieser Republik wird der Deutsche Bundestag direkt gewählt.

Hans Klein (München)

Seit Herbst 1990 hat die Grundgesetzformulierung „Vertreter des ganzen Volkes" ihre volle Bedeutung.
Schon die Bundestage in der alten Bundesrepublik Deutschland und die im März 1991 erst- und einmalig frei gewählte Volkskammer in der damaligen DDR haben eine gesetzgeberische Arbeit geleistet, die den Nutzen des deutschen Volkes gemehrt und den Frieden in Europa befestigt hat.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN und der F.D.P.)

Kein heutiges und kein früheres Mitglied dieses Hohen Hauses braucht sich von einem schreibenden Multimillionär der Geldgeilheit und des Betrugs zeihen zu lassen,

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und der F.D.P. sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

wenn es den im Grundgesetzartikel 48 Abs. 3 festgeschriebenen „Anspruch auf eine angemessene " und die „Unabhängigkeit sichernde Entschädigung" zu verwirklichen trachtet.
Ich weiß nicht, ob ein journalistischer Zyniker oder ein in bürokratischen Gedankengängen befangener Professor nachzuvollziehen vermögen, daß die Mitglieder eines Parlaments, das von 1949 bis heute die gewaltigsten Solidarleistungen in der deutschen Geschichte - vom Lastenausgleich über die Wiedergutmachung bis zum Aufbau Ost - durchgesetzt hat, ihre 80-und-mehr-Wochenstunden-Tätigkeit aus Verantwortungsbewußtsein und nicht aus Geldgier ausüben.
Marie von Ebner-Eschenbach hat dennoch recht mit der Feststellung, daß keinen Anspruch auf Schonung habe, wer sich in die Öffentlichkeit begibt. Schonung - das wäre eine Art Sonderbehandlung. Niemand von uns will das. Öffentliche Kritik ist integraler Bestandteil der Demokratie. Aber das Recht auf freie Meinungsäußerung setzt den Art. 1 unseres Grundgesetzes nicht außer Kraft, der die Würde des Menschen für unantastbar erklärt. Meine Damen und Herren, Abgeordnete sind auch Menschen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)

Zugegeben: Die meisten Publikationsorgane haben die parlamentarische Diskussion über Strukturverbesserungen und Außendarstellung der Arbeit des Deutschen Bundestages, Neuregelung der Rechtstellung, mithin auch der Entschädigung der Abgeordneten und die Verkleinerung der Abgeordnetenzahl in den vergangenen Monaten fair und sachkundig begleitet. Der innere Zusammenhang dieser drei Bereiche wurde überwiegend positiv kommentiert, zumal da wir die Diskussion in und mit der Öffentlichkeit geführt haben.
Die gegenwärtige Struktur der parlamentarischen Arbeit bedarf in der Tat sorgfältiger Überprüfung, die meiner Meinung nach mit der Verabschiedung der vorgelegten Reformbeschlüsse erst beginnen wird, wiewohl sie bereits eine ganze Reihe wichtiger Verbesserungen enthalten.
Daß sich - das ist eben zitiert worden - der Deutsche Bundestag in über 280 Gremien zergliedert, daß die Tagesordnungen seiner Plenardebatten mit absurden Randgruppenthemen überfrachtet sind und Fragen von brennender Aktualität oft nur durch den schmalen Geschäftsordnungsspalt der Aktuellen Stunde gezwängt werden, daß hektische Ad-hocEntscheidungen immer wieder langfristige Planungen und somit auch gründliche Redevorbereitungen beeinträchtigen, wenn nicht vereiteln, und daß auch Parlamentsneulinge bald der Beispielkraft arrivierter Kolleginnen und Kollegen unterliegen, sich mehr auf Gremiensitzungen, öffentliche Auftritte oder Interviews zu konzentrieren als auf die Präsenz im Plenarsaal, das alles sind Strukturschwächen mit nachhaltiger Wirkung für das öffentliche Bild der Parlamentsarbeit. Sie können nicht durch PR-Maßnahmen oder Werbekampagnen überspielt, sie müssen behoben werden.
Unbestreitbar wird die heute ebenfalls zu beschließende Verkleinerung des Deutschen Bundestages um bis zu hundert Abgeordnete zu Einsparungen führen, die ein Vielfaches dessen ausmachen werden, was die bis zum Jahre 2000 in sechs Stufen geplante Erhöhung der Abgeordnetenbezüge kosten soll.
Ich war - das sage ich jetzt vor allem an die Adresse der Kolleginnen und Kollegen der F.D.P. - anfänglich ein erklärter Gegner der Parlamentsverkleinerung, weil ich als Folge die Forderung nach mehr Mitarbeitern befürchtete und allein die Verwaltung des Deutschen Bundestages schon heute, von der Öffentlichkeit freilich kritiklos hingenommen, weit über 2 000 Beamte, Angestellte und Arbeiter beschäftigt, weil ich den Vorschlag zunächst für reinen Populismus gehalten habe und weil ich die Arbeitsfähigkeit der Kolleginnen und Kollegen der CSU sowohl in den dann größer gewordenen Wahlkreisen als auch im Parlament selbst in Gefahr sah. Doch ich habe mich überzeugen lassen, vor allem von der kompensatorischen Verbindung zwischen Parlamentsverkleinerung und Erhöhung der Abgeordnetenbezüge.

(Zuruf von der F.D.P.)

- Das halte ich nicht für etwas Lächerliches.

(Zuruf von der F.D.P.: Aber es ist nicht logisch!)

Das ist - auch der Öffentlichkeit gegenüber - ein wichtiger Zusammenhang.
Es war mein bayerischer Kollege Gerhard Scheu, der mit der ihm eigenen - Sie haben es heute schon ein paarmal erlebt -, ich möchte sagen: fanatischen Akribie

(Zuruf von der F.D.P.: Man kann auch sagen: akribischer Fanatismus!)


Hans Klein (München)

nicht nur meine parteipolitisch begründeten Bedenken ausgeräumt, sondern dem ganzen Reformwerk an wichtigen Punkten zum Durchbruch verholfen hat.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Basierend auf einer sechsjährigen Diskussion, den Vorschlägen zweier unabhängiger Kommissionen und der Arbeit der zuständigen Bundestagsgremien wurde vor den Sommerferien das Reformpaket der Öffentlichkeit vorgestellt. Im Diätenteil wird vorgeschlagen, die verfassungsrechtlich gebotene Angemessenheit der Abgeordnetenbezüge in der Verfassung selbst zu definieren. Transparenter geht es nicht.
Als Orientierungsgröße nennen wir die Bezüge eines Richters an einem obersten Gericht, der wie wir an Aufträge und Weisungen nicht gebunden ist. Da diese Bezüge jeweils erst nach den öffentlich geführten Tarifverhandlungen für den öffentlichen Dienst im Bundesbesoldungsgesetz festgelegt werden, geht es auch nicht öffentlicher. Und ausgerechnet dafür werden wir von denen beschimpft, die uns jahrelang der Selbstbedienung beschuldigt haben.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Nach der Sommerpause aber hat sich jener Speyerer Professor, der sich seit Jahren mit wissenschaftlich fragwürdigen Angriffen auf das Parlament einen Namen zu machen sucht, noch einmal in die „Neiddiskussion", wie das „Handelsblatt" vorgestern schrieb, eingeschaltet. Seine Vorwürfe sind so monströs, wie sein selbsterfundenes Zahlenwerk wirr ist.
So spricht er beispielsweise vom 72 000-DM-Privileg und meint damit die Kostenpauschale von monatlich 5 978 DM für Fahrtkosten und Büro im Wahlkreis sowie die doppelte Haushaltsführung. Niemand käme auf die groteske Idee, meine Damen und Herren, bei einem Firmenangestellten, einem Zeitungsreporter oder auch einem Professor die Kosten für Fahrten und Reisen in Ausübung dienstlicher Tätigkeit als Gehaltsbestandteil zu betrachten.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Hans-Ulrich Klose (SPD):
Rede ID: ID1305518600
Herr Kollege Klein, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Häfner?

Hans Klein (CSU):
Rede ID: ID1305518700
Bitte sehr.

Gerald Häfner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1305518800
Herr Kollege Klein, Sie sprachen gerade von Gehaltsbestandteilen. Können Sie mir eine Antwort auf die Frage geben, warum Sie bei der Anlehnung an die Richtereinkommen nach Besoldungsgruppe R 6 die gesamten Zulagen, also Ortszuschlag, allgemeine Zulage, Weihnachtsgeld und Ministerialzulage, hinzurechnen, obwohl sie für Abgeordnete nicht zutreffen, da das Treueprämien für den öffentlichen Dienst sind?
Ich will Ihnen sagen, was mir als Antwort auf diese Frage im Ausschuß gegeben wurde. Die Öffentlichkeit würde endlich einmal sehen, was alles an versteckten und überhaupt nicht mehr begründbaren Zulagen in einem Beamtengehalt enthalten sei. Das wüßte sonst niemand. Das sei somit ein Beitrag zur Aufklärung der Öffentlichkeit. Vielleicht haben Sie - das ist meine Frage - eine für mich überzeugendere Antwort.

Hans Klein (CSU):
Rede ID: ID1305518900
Herr Kollege Häfner, ich hätte mit ziemlicher Sicherheit die Antwort, die Sie vorgetragen haben, nicht gegeben. Wir haben gesagt, wir orientieren uns mit unseren Bezügen am Einkommen oberster Bundesrichter. Das umfaßt alles. Zu sagen, Zulagen würden nicht dazugerechnet, halte ich für lächerlich. Wir orientieren uns an diesem Einkommen.
In vielen anderen Fragen ist eine Orientierung an obersten Bundesrichtern nicht möglich, beispielsweise werden wir nicht, obwohl das der eine oder die andere sicherlich als sympathisch empfände, nicht auf Lebenszeit gewählt. Das ist ein entscheidender Unterschied. Wir müssen alle vier Jahre neu antreten.

(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der F.D.P. und der SPD)

Daß wir das gesamte Einkommen eines obersten Bundesrichters zur Richtschnur nehmen, was auch, wie bereits die Kollegin Dr. Tiemann dargelegt hat, weitgehend den Vorschlägen entspricht, die uns die Kommission gemacht hat, halte ich für völlig normal.
Es hält niemand für ein Privileg, daß ein Monteur Auslösung und Trennungszulagen erhält, wenn er in näherer oder weiterer Entfernung von zu Hause tätig sein muß. Bei uns geht es nicht nur um die Entfernung zwischen Wohnort und Sitz des Bundestages; aus der Kostenpauschale müssen auch die Aufwendungen für das Büro im Wahlkreis und die Zweitwohnung in Bonn gedeckt werden. Wir haben zwei Arbeitsorte. Das unterscheidet uns vom Monteur.
Eine aufgefächerte Pauschalierung dieser Aufwendungen, angeknüpft an die Kostenentwicklung in den betreffenden Bereichen, ist wirtschaftlich wie fiskalisch sinnvoll. Das kann nur bezweifeln, wem an Ausweitung der Bürokratie liegt.
Daß uns Rudolf Augstein einen giftigen Kommentar und sein Blatt einen herabsetzenden Beitrag widmet, gehört inzwischen - so schätze ich das ein - leider zur deutschen Normalität. Daß er sich dabei aber fast ausschließlich auf die Argumentation jenes Professors stützt, halte ich für intellektuelle Selbsterniedrigung.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der F.D.P. und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Dieses Delikts haben wir uns, wenn auch auf andere Weise, leider oft genug selber schuldig gemacht. Denn so gut wie alle Verbalinjurien, Beleidigungen und Verdächtigungen, mit denen wir in den letzten Tagen von einigen besonders pampigen Kom-

Hans Klein (München)

mentatoren bedacht wurden, sind von Mitgliedern des Hohen Hauses irgendwann schon einmal im politischen Streit übereinander geäußert worden. Auch daraus sollten wir Konsequenzen ziehen.
In unserer parlamentarischen Demokratie entscheiden die Bürgerinnen und Bürger alle vier Jahre darüber, wer sie im nächsten Deutschen Bundestag vertreten soll. Alle während einer Legislaturperiode mit parlamentarischer Mehrheit gefaßten Beschlüsse sind legitim. Daran können weder Demoskopen noch Medien, noch Professoren rütteln. Der Souverän ist das Volk, das uns letztlich an den Ergebnissen unserer Arbeit mißt.
Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P. und der SPD)


Hans-Ulrich Klose (SPD):
Rede ID: ID1305519000
Das Wort zu einer Kurzintervention hat der Kollege Dr. Hirsch.

Dr. Burkhard Hirsch (FDP):
Rede ID: ID1305519100
Herr Kollege Klein, da Sie besonders die Fraktion der F.D.P. im Zusammenhang mit der Transparenz

(Zuruf von der CDU/CSU: Und der Verkleinerung!)

- und mit der Verkleinerung; das kommt alles, keine Sorge - angesprochen haben, möchte ich Ihnen doch noch einmal vorlesen - Herr Häfner hat das zitiert -, was das Verfassungsgericht in der Entscheidung von 1975 gesagt hat: „Diese Entschädigung hat auch nichts mit den Regelungen des Gehalts in den Besoldungsgesetzen zu tun. " Die Angleichung an die Von-Hundert-Sätze ist „der Intention nach dazu bestimmt, das Parlament der Notwendigkeit zu entheben, jede Veränderung in der Höhe der Entschädigung im Plenum zu diskutieren und vor den Augen der Öffentlichkeit darüber als einer selbständigen politischen Frage zu entscheiden."

(Beifall des Abg. Uwe Lühr [F.D.P.])

Die Verfassungsänderung, die Sie uns vorschlagen, dient ausschließlich dem Zweck, genau diese Diskussion zu vermeiden. Sie wollen das; denn es heißt in § 11 des Entwurfs zur Änderung des Abgeordnetengesetzes zur Entschädigung:
Ein Mitglied des Bundestages erhält eine monatliche Abgeordnetenentschädigung in Höhe eines Zwölftels der jährlichen Bezüge eines Richters an einem obersten Bundesgericht.
Dann folgt die Aufzählung der Besoldungs- und Ortszuschläge einschließlich der Ministerialzulage, die wir auf diesem Wege für Abgeordnete ruhegehaltsfähig machen, was wir bei den Beamten verneinen und ablehnen.
Diese Automatik, daß wir unsere Verfassung zu dem Zweck ändern, nicht jährlich über die Angemessenheit unserer Bezüge zu entscheiden - sie mögen
ja 11 000, 12 000 DM betragen; das ist überhaupt nicht unser Thema -, um also diese Verantwortung zu vermeiden, ist der Stein des Anstoßes. Das, finde ich, ist mit politischer Kultur nicht vereinbar.

(Beifall bei der F.D.P., dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN und der PDS)

Ich darf noch eine weitere Bemerkung machen, die den Zusammenhang mit der Größe des Bundestages betrifft. Lassen Sie uns darüber reden, wenn wir wissen, wie sich das auf die Wahlkreise auswirkt. Sie haben doch selber gesagt, der Zusammenhang sei da, so daß man dem Bürger sagen könne: Laßt uns die Diäten ruhig erhöhen; denn per saldo kommt es für euch auf dasselbe heraus, weil wir den Bundestag verkleinern. - Die Größe des Bundestages muß in einer Demokratie von den Bedingungen seiner Funktionsfähigkeit abhängen und von nichts anderem. Sonst könnten Sie hier genausogut vorschlagen, den Bundestag auf die Hälfte zu reduzieren und die Diäten zu verdoppeln. Das ist ein völliger Unsinn.

(Beifall bei der F.D.P., dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN und der PDS sowie bei Abgeordneten der SPD)

Ich bitte wirklich darum, dieses populistische Argument fallenzulassen und über die Funktionsfähigkeit und die politische Verantwortung zu reden und über nichts anderes.

(Beifall bei der F.D.P. und der PDS)


Hans-Ulrich Klose (SPD):
Rede ID: ID1305519200
Herr Kollege Klein, Sie haben die Gelegenheit zu einer Gegenrede, und zwar für drei Minuten, weil ich das auch dem Kollegen Hirsch gestattet habe.

Hans Klein (CSU):
Rede ID: ID1305519300
Ich freue mich, Herr Kollege Hirsch, daß ich Ihnen mit der Erwähnung des Parteikürzels F.D.P. Gelegenheit verschafft habe, doch noch zu diesem Thema zu sprechen. Ihre Fraktion hatte einen anderen Redner gewählt. Ich kann nur sagen: Ich habe der F.D.P. gegenüber meine Motivation dargelegt. Sie können sie für gut oder für schlecht halten.

Hans-Ulrich Klose (SPD):
Rede ID: ID1305519400
Wir fahren in der Rednerliste fort. Das Wort hat der Kollege Dieter Wiefelspütz, SPD.

Dr. Dieter Wiefelspütz (SPD):
Rede ID: ID1305519500
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist mehrfach darauf hingewiesen worden, daß wir heute am Ende eines sehr langen Diskussionsprozesses stehen. Viele derjenigen Rednerinnen und Redner, die sich heute zu Wort gemeldet haben, kennen sich aus den verschiedensten parlamentarischen Gremien der vergangenen Jahre und Monate, wo sie miteinander um die Probleme gerungen haben.

Dieter Wiefelspütz
Wir waren, Herr Hirsch und Herr Häfner, bis vor kurzem alle der Meinung - ich schließe alle Kolleginnen und Kollegen, alle Fraktionen und Gruppen ein -, daß wir nicht eine Diskussion führen wollten, bei der die einen für die Moral und die anderen für das Geld zuständig sind.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der Abg. Dr. Antje Vollmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Wir wollten keine Diskussion führen, in der die einen die Hüter der Verfassung sind und die anderen Verfassungsbruch vornehmen wollen.

(Dr. Peter Struck [SPD]: Sehr wahr!)

Offenbar ist dieser Konsens, diese gemeinsame Überzeugung in den letzten Tagen aufgebrochen. Ich bin auch erstaunt, Herr Häfner - Sie sind ein Kollege, den ich aus vielen, vielen Arbeitszusammenhängen sehr schätze -, daß ich heute von Ihrer Fraktion, deren Sprecher Sie sind, erstmals Argumente höre, die die Vizepräsidentin Frau Vollmer und Ihr Geschäftsführer nicht vorgetragen haben, die sich vielmehr kritisch, aber auch konstruktiv an den Diskussionen mit Argumenten beteiligt haben, die mich glauben gemacht haben, daß die Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN den Vorschlag heute ablehnen wird. Auch das respektiere ich. Aber die Argumentation sollte dann bitte durchgehalten werden. Verfassungsrechtliche Argumente, Herr Häfner, haben Sie nie geltend gemacht.
Auch Ihnen, Herr Vizepräsident Hirsch, muß ich dies vorhalten. Für mich ist das, was Sie jetzt sagen, in dieser Form auch neuartig.
Ich fand auch Ihren Beitrag, Herr van Essen, sehr widersprüchlich. Aber in einem will ich meinen ausdrücklichen Respekt deutlich machen. Sie haben im Hinblick auf den Gesetzentwurf der Fraktionen der SPD und der CDU/CSU nicht den Vorwurf des Verfassungsbruchs erhoben. Das wäre allerdings auch kühn, obwohl auch Ihr Parteivorsitzender in den letzten Tagen kurzzeitig der Versuchung nicht widerstehen konnte, das anklingen zu lassen.
Wir haben, liebe Kolleginnen und Kollegen, in diesem Bereich eine besondere Verantwortung. Die Sätze, die wir von uns geben, holen uns alle irgendwann einmal ein. Dann kann man damit auch zitiert werden. Ich finde, man sollte sehr sorgsam argumentieren.
Das öffentliche Interesse an der Parlamentsreform und an der Verkleinerung des Parlaments hält sich in Grenzen. Andererseits ist das Interesse an dem Thema „Bundestagsabgeordnete und Geld" in den letzten Tagen spürbar gewachsen. Ich kritisiere das nicht, im Gegenteil. Es ist ein wichtiges Thema. Darüber muß offen geredet werden - das tun wir heute -, und darüber muß auch gestritten werden können, soweit das nötig ist.
Es ist aber reichlich unverfroren, wenn der Vorwurf erhoben wird, wir überstürzten hier wichtige Entscheidungen; ich habe „Augen zu und durch" gehört. Nein, liebe Kolleginnen und Kollegen, Augen offen und verantwortungsbewußt entscheiden, das ist unsere Aufgabe heute.

(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)

Wir haben die Aufgabe, uns alle Zeit zu nehmen, die wir brauchen, um wichtige Entscheidungen zu treffen. Aber dann muß auch mit dem Ziel beraten werden, Entscheidungen zu treffen. Heute ist der Zeitpunkt, wo nach einer langen, ausführlichen Beratung, Herr Hirsch, die Entscheidung getroffen werden kann, und dann muß jeder seine Entscheidung treffen, ja oder nein sagen oder sich enthalten. Das sind doch die normalen Regeln.
In den letzten Tagen werden verstärkt verfassungsrechtliche Bedenken gegen die vorgeschlagene Verfassungsänderung geltend gemacht. Das ist ein wichtiger Punkt. Über ihn muß ausführlich geredet werden; ich will das jetzt tun.
Das gegenwärtige Verfassungsrecht in Gestalt der Auslegung durch das Bundesverfassungsgericht zwingt die Mitglieder des Bundestages, in eigener Sache über ihr Gehalt und ihre Versorgung zu entscheiden. Das ist bis heute geltendes Recht. Auch wenn viele Menschen uns das nicht glauben: So ist die Rechtslage seit 20 Jahren. Dieses Recht wollen wir ändern, dieses Recht dürfen wir aber auch ändern, und zwar nicht, weil wir die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts unterlaufen wollen, sondern weil wir Verfassungsgesetzgeber sind und das Recht haben - wenn die Mehrheiten ausreichend sind -, eine andere Form der Regelung in das Grundgesetz hineinzuschreiben.
Warum tun wir das, und welche Gründe gibt es? Das gegenwärtige Recht hat zu zwei Problemen geführt, die ich kurz erläutern will.
Im Jahre 1977, als das Abgeordnetengesetz erstmals verabschiedet wurde, stellte sich die Frage: Was ist bei der Entschädigung eines Abgeordneten angemessen? Dann sind Vergleichsmaßstäbe gesucht und gewählt worden. Es war die Rede von dem hauptamtlichen Landrat in Süddeutschland oder dem Bürgermeister. Es war die Rede von dem Ministerialdirigenten, dem Unterabteilungsleiter in einem Bonner Ministerium. Es war auch vom Bundesrichter die Rede. Damals, im Jahre 1977, hat man eine zu versteuernde Bruttoentschädigung für Abgeordnete von monatlich 7 500 DM gewählt. Das war in etwa das damalige Gehalt von Bundesrichtern.
Dahin wollen wir zurück. Wir wollen wieder in die Kategorie des Bundesrichtergehalts, wo wir früher schon einmal waren, Herr Hirsch. Die Gehälter wurden in den letzten 17, 18 Jahren natürlich angehoben, bei den Abgeordneten, aber auch bei den Bundesrichtern - bei den Bundesrichtern prozentual in doppelter Höhe gegenüber den Abgeordneten des Deutschen Bundestages: Bei allen anderen Beamten war es ebenso.

Dieter Wiefelspütz
Die angemessene Entschädigung kann nur dann dauerhaft gesichert werden, wenn wir einen verfassungsrechtlich klaren Maßstab wählen. Im Moment steht in der Verfassung, die Entschädigung solle „angemessen" sein. Was ist denn eigentlich „angemessen"? Wir als Verfassungsgesetzgeber sagen jetzt: Es sollen die Jahresbezüge eines Bundesrichters sein. Dies führt zu einem klaren Maßstab, der dann durch den § 11 des Abgeordnetengesetzes noch einmal präzisiert wird. Das ist der eine Punkt: die angemessene Entschädigung, die durch die Verfassungsänderung auf Dauer gesichert werden soll.
Der zweite Punkt ist nicht minder wichtig, vielleicht noch wichtiger. Auch er ist in dieser Debatte schon angesprochen worden. Es ist gut, wenn man sagt: Der Bundestag soll jährlich vor den Augen der Öffentlichkeit in eigener Sache entscheiden. Das haben wir in der Vergangenheit getan. Wir haben uns selbstverständlich an die Rechtsprechung von Karlsruhe gehalten.
Dies hat uns aber immer wieder, Jahr für Jahr, dem Vorwurf der Selbstbedienung, der Entscheidung in eigener Sache ausgesetzt. Dies hat, liebe Kolleginnen und Kollegen, ob wir das wollen oder nicht, dem Ansehen des Parlaments, dem Ansehen eines jeden einzelnen Abgeordneten und der demokratischen Kultur Schaden zugefügt. Das muß leider festgestellt werden.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)

Deswegen plädieren wir für die Indexierung des Gehaltes in bezug auf die Besoldung der Bundesrichter. So entgehen wir dauerhaft dem Vorwurf, in eigener Sache zu entscheiden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben die Frage der Verfassungsmäßigkeit dieser Verfassungsänderung äußerst sorgfältig geprüft. Herr van Essen und Herr Hirsch, ich habe nicht den geringsten Zweifel, daß Ihre Vorstellungen verfassungsrechtlich unbedenklich sind. Aber akzeptieren Sie bitte, daß wir nicht die geringsten Zweifel haben, daß die Verfassungsänderung, die wir vorschlagen, mit unserem Grundgesetz in Übereinstimmung steht.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Juristen sind bekanntlich sehr meinungsfreudig.

(Dr. Wolfgang Weng [Gerlingen] [F.D.P.]: Das ist aber höflich ausgedrückt!)

- Es gehört sich doch wohl, hier höflich gegenüber dem eigenen Berufsstand zu sein, Herr Weng.

(Dr. Wolfgang Weng [Gerlingen] [F.D.P.]: Aber man darf feststellen!)

Es gibt in der sehr vielgestaltigen deutschen Juristenlandschaft unter den Verfassungsrechtlern, unter den Staatsrechtlern einen einzigen

(Jörg van Essen [F.D.P.]: Aber keinen renommierten!)

- ich habe mir vorgenommen, den Namen hier nicht
zu erwähnen -, der die Verfassungsmäßigkeit bezweifelt und die Verfassungsänderung als „Verfassungsbruch„ , sogar als Staatsstreich bezeichnet.

(Carl-Detlev Freiherr von Hammerstein [CDU/CSU]: Davon lebt er! Das wird nicht erwähnt!)

Es gibt keine weiteren nennenswerten Stimmen, die die Verfassungsmäßigkeit dieser Verfassungsänderung in Zweifel ziehen. Das ist leicht nachvollziehbar; denn zum änderungsfesten Kern unserer Verfassung gehören das Bundesstaatsprinzip, das Sozialstaatsprinzip, das Demokratiegebot. Die Art und Weise, wie wir das Thema „Abgeordnete und Geld" regeln, steht in der Regelungsverantwortung des Verfassungsgesetzgebers.
Ich halte es für eine deutliche Verbesserung der Rechtslage und auch der öffentlichen Akzeptanz, wenn wir in das Grundgesetz schreiben, wie der Maßstab für die Bezahlung der Abgeordneten im einzelnen aussehen soll. Genau das wird durch diese Verfassungsänderung bewirkt.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich noch einen letzten Gedanken anführen. Ich will aufgreifen, was Frau Nickels angesprochen hat. Wann ist denn der richtige Zeitpunkt für solche Regelungen? Gibt es ihn überhaupt? Wir sind Mitglieder des Bundestages, sind Bundestagsabgeordnete. Ich sage häufig sehr gerne: Wir sind Volksvertreter und Volksvertreterinnen. Was heißt das? Wir vertreten die Bürgerinnen und Bürger, die uns in dieses Haus gewählt haben. Wir alle achten darauf und haben auch allen Grund dazu, daß wir keine politische Klasse werden, daß wir Teil dieser Bevölkerung bleiben -

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)

in unseren Maßstäben, in unseren Verhaltensweisen, bis hinein in das Finanzielle.
Die Mitglieder des Deutschen Bundestages bekommen ein gehobenes Gehalt; das ist richtig. Wir haben uns bei dieser schwierigen Gratwanderung gefragt: Was ist angemessen? - Das Jahresgehalt eines Bundesrichters sollte der Maßstab sein. Wir können und wollen uns nicht an Spitzengehältern in der Wirtschaft oder auch im Staat orientieren. Auch in Zukunft werden wir nicht so bezahlt wie Vorstandsmitglieder in der Wirtschaft oder Staatssekretäre bzw. Bundesverfassungsrichter. Wir wollen einen vernünftigen, vertretbaren Maßstab wählen.
Ich denke, wir können guten Gewissens sagen: Der Maßstab Bundesrichtergehalt, verbürgt durch unser Grundgesetz, ist eine solide Grundlage für die Zukunft; er wird uns allen viele unnötige und ungute Diskussionen ersparen. Wir werden auf diese Weise auf Dauer den Vorwurf los, daß wir in eigener Sache entscheiden, daß wir uns selbst bedienen. Wir haben mit dieser Verfassungsänderung einen zukunftsweisenden Vorschlag gemacht, den wir alle guten Gewissens vertreten können.
Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Hans-Ulrich Klose (SPD):
Rede ID: ID1305519600
Das Wort zu einer Kurzintervention hat der Kollege Häfner.

Gerald Häfner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1305519700
Herr Kollege Wiefelspütz, Sie haben mich hier falsch zitiert und damit den Eindruck erweckt, als hätte ich in den Beratungen zu keiner Zeit die Verfassungswidrigkeit dieses Entwurfs geltend gemacht. Das ist falsch. Ich habe dies von Anfang an getan. Sie wissen allerdings auch, daß der Entwurf erst sehr spät überwiesen worden ist.

(Zurufe von der SPD: Im Juni!)

- In der letzten Woche vor der Sommerpause.

(Zuruf von der SPD: Vor drei Monaten!)

Gerade Sie, Herr Wiefelspütz, der Sie als Zeuge dabei waren, wissen, welch ungeheure Anstrengung es gekostet hat, in der einzigen Sitzung des Rechtsausschusses, die in der Zeit danach stattfand, durchzusetzen, daß wir uns überhaupt damit befassen. Die Behandlung des Themas ist dann auf diese Woche verschoben worden. In dieser Woche aber ist es auf Antrag der CDU/CSU-Fraktion abgesetzt worden. So stelle ich mir eine vernünftige parlamentarische Beratung nicht vor. Das sei, wenn sich hier so viel Unmut erhebt, noch deutlich gesagt.
Herr Wiefelspütz, jeder ernsthafte Verfassungsrechtler wird Ihnen bestätigen, daß das, was Sie jetzt machen, dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre 1975 zutiefst widerspricht.

(Widerspruch bei der SPD)

Anders wäre dies, wenn Sie eine Orientierungsgröße nähmen, auf die man sich verständigen kann, dann aber den Bundestag noch jeweils neu entscheiden lassen, ob er dieser folgen möchte oder nicht. Dies war unser Vorschlag.

(Beifall der Abg. Dr. Gisela Babel [F.D.P.])


Hans-Ulrich Klose (SPD):
Rede ID: ID1305519800
Jetzt hat die Kollegin Antje Vollmer, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Wort.

Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1305519900
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch ich habe mich angesichts der heißen Tonlage in einigen Zeitungen und Magazinen in den letzten Tagen manchmal gefragt, ob wir noch dieselbe Wirklichkeit teilen. So viel Heuchelei, so viel hohles Pathos, so viele selbsternannte Retter des Vaterlandes, so viele falsche Verfassungsfreunde!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)

Dabei ist kaum etwas so schwer zu stemmen wie die Reform eines Parlaments, besonders bei laufendem Betrieb. Alle Beteiligten wissen das.
Ich stehe hier, um zu erklären, warum sich auch die Grünen bei dem Konzept einer umfassenden Parlamentsreform für den Weg entschlossen haben mitzumachen - was wir auch getan haben - und warum wir uns nicht auf die billige Seite folgenloser Totalkritik gestellt haben.
Seit langem sehen wir: Das Ansehen des Parlaments stand und steht nicht zum Besten. Das hat viele Gründe, auch selbstverschuldete. Jahrelang hatte das Parlament nicht sensibel genug auf Kritik reagiert. Jahrelang haben wir mit der Bevölkerung nicht offen genug über die wirklichen Probleme unserer Arbeit gesprochen. Jahrelang sind wir aber auch vor mancher ungerechtfertigter Kritik am Parlamentarismus gebeutelt weggetaucht. Ich finde, mit diesem Wegtauchen muß es jetzt ein Ende haben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Wir sind jetzt an dem entscheidenden Punkt, daß auch die Parlamentarier wieder Selbstbewußtsein und einen geraden Rücken bekommen müssen. Wir sagen: Die Kritik ist bei uns angekommen, und wir bemühen uns ernsthaft um eine Verbesserung unserer Arbeit. Wir erwarten aber auch jenes Minimum an Respekt und öffentlicher Akzeptanz, ohne das kein Parlament der Welt auf Dauer die schweren Probleme eines Landes regeln kann.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU und der SPD)

Der erste Teil dieser Reform bedeutet eine umfassende Modernisierung des Politikbetriebs Parlament. Manche unserer Kritiker wissen, glaube ich, gar nicht, was für ein Risiko wir selbst mit diesem Plan der Donnerstagsdebatten eingehen. Wir kommen damit in der Mediendemokratie und somit in der Gegenwart an. Das Aushandeln der Themen für diese Debatten wird von den Parlamentarischen Geschäftsführern äußerste Fairneß und von uns allen einen Sinn fürs Ganze verlangen.
Diesen Sinn fürs Ganze braucht auch - ich fordere sie dazu auf - die Regierung mit ihrem Recht, jederzeit - so steht es in der Verfassung - in die Debatte eingreifen zu können. Wenn sich das Parlament auf das Wesentliche konzentriert, muß das auch die Regierung tun. Sie muß darauf vertrauen, daß mit einer schlechten Selbstdarstellung des Parlaments und mit geschmälerten Rechten der Opposition auch die Politik der Regierung schlechter wird. Zur Stärkung der Rechte der Opposition gibt es noch einiges zu tun.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der PDS)

Im zweiten Teil des Pakets reduzieren wir die Besatzung, die Zahl der Abgeordneten. Dies ist beschlossene Sache, und das gilt. Das ist vor der ganzen Öffentlichkeit gesagt worden. Auf dem Weg von der Bonner zur Berliner Republik verschafft sich das Parlament damit Legitimität für eine Phase, in der alles noch einmal auf den Prüfstand gehört. Längst nämlich stehen grundlegende Reformen des Staates und der öffentlichen Verwaltungen auf der politi-
Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 55, Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 21. September 1995 4607
Dr. Antje Vollmer
schen Tagesordnung. Ich habe immer die Reform des Parlaments als den entscheidenden Probelauf für diese Reformfähigkeit angesehen. Wie denn sonst sollte ein Parlament solche großen Reformen initiieren können, wenn es nicht selbst mit gutem Beispiel vorangeht? Das versuchen wir im Moment.
Ein persönliches Wort zum Junktim zwischen Verkleinerung des Parlaments und Anhebung der Bezahlung der Parlamentarier. Diese Verkleinerung ist für mich keine Gegenfinanzierung zur Neuregelung der Diäten, selbst wenn es so erscheinen mag. Die Verkleinerung ist für mich vielmehr das Symbol für die Fähigkeit der Politik, gegen die Verstaatlichung der Parteien und gegen Wucherung des Parteienstaates, also gegen sich selbst, noch einmal Handlungsfähigkeit zu beweisen. Das ist sehr schwer.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Daß einzig die F.D.P. sich einer Verkleinerung verweigert, zeigt das Bild einer Partei, die zwar sehr gerne von Rücknahme des Staates und von Deregulierung redet, die aber im entscheidenden Moment, wenn es darauf ankommt, kneift.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Schließlich der dritte Korb: Bezahlung von Parlamentariern am festen Maßstab von Richtergehältern. Ich bin, und zwar aus tiefer Überzeugung, wegen der notwendigen Selbstachtung des Parlaments für diesen Maßstab. Die ewig gleich inszenierte Prügelnummer mit den bekannt verteilten Rollen und den Kraftausdrücken, die den Parlamentariern in Sachen Bezahlung jährlich abverlangt wird, muß endlich einmal ein Ende haben, auch wenn das die Pfründe von Herrn von Arnim schmälern würde.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Man kann nämlich den Politikerberuf so lange verächtlich machen und in den Dreck ziehen, bis auch nur halbwegs Qualifizierte nicht mehr für ein Parlament kandidieren wollen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU und der SPD)

Im übrigen haben auch die klassischen Demokratien wie England und Frankreich solche Bezugsgrößen. Frau Süssmuth hat schon darauf hingewiesen.
Um es deutlich zu sagen, auch für die Öffentlichkeit: Ich glaube nicht, daß die Bezahlung das entscheidende Argument ist, warum jemand Politiker oder Politikerin wird. Ich glaube aber, daß man Leidenschaft, Kreativität und den persönlichen Preis, den dieser Beruf auch kostet, nur zahlen kann, wenn er ein Minimum an öffentlicher Achtung hat.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der F.D.P. und der PDS)

Dafür zu kämpfen, habe ich mir auch als Vizepräsidentin vorgenommen, und deswegen werde ich für die Grundgesetzänderung stimmen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Ich stimme aber gegen das Ausführungsgesetz, weil mir die Diätensteigerung zu schnell geht und zu hoch erscheint. Mir persönlich reicht es, wenn meine parlamentarischen Enkel von dem profitieren, was wir heute einführen, nämlich von der Vergleichsgröße, die uns aus den unwürdigen Debatten herausnimmt.
Ich persönlich finde den Vergleichsmaßstab eines Bundesrichters auch von der Verfassung her akzeptabel für einen Parlamentarier.
Bei allem Respekt vor dem Bundesverfassungsgericht: Der Gesetzgeber, auch der verfassungsändernde Gesetzgeber, sitzt hier in Bonn und nicht in Karlsruhe.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN und der F.D.P.)

Das sieht übrigens auch Karlsruhe so. Dort will man, daß wir diese Rolle endlich auch einnehmen.

(Dieter Wiefelspütz [SPD]: Sehr richtig!)

Zum Schluß: Uns Bündnisgrünen fällt die Entscheidung zu diesem Reformpaket nicht leicht. Das können Sie sich denken. Vielleicht ist aber die Vorstellung einer einmaligen umfassenden Reform überhaupt zu hochfliegend, zu ehrgeizig. Es ist ein Prozeß, und dieser Prozeß ist änderbar wie alles in der Demokratie. Aber die Richtung muß stimmen und auch die Haltung, mit der wir in diesen Prozeß hineingehen. Das Ansehen eines Parlaments, liebe Kolleginnen und Kollegen und liebe Pressevertreter, ist leicht zu verspielen. Es ist sehr schwer, es wieder aufzubauen. Ich finde, wir sollten uns darin nicht beirren lassen, und letztlich glaube ich immer noch, daß sich Mut lohnt und nicht das Zurückweichen vor billigem Populismus.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU und der SPD)


Hans-Ulrich Klose (SPD):
Rede ID: ID1305520000
Der Abgeordnete Dr. Wolfgang Weng hat das Wort zu einer Kurzintervention.

Dr. Wolfgang Weng (FDP):
Rede ID: ID1305520100
Herr Präsident! Meine Kolleginnen und Kollegen! In der eben gehörten Rede ist mir eines besonders aufgefallen. Das war der Hinweis darauf, wie unwürdig das öffentliche Verhalten auf die jährlichen Erhöhungen der Diäten in der Vergangenheit gewesen sei. Ich möchte Sie, Frau Vollmer, hierzu fragen, ob Sie sich daran erinnern, daß die wesentlichen Wortgeber zu einem außerordentlich hohen Prozentsatz der Stichwortgeber für diese Medienmeinungen genau aus den Reihen Ihrer Fraktion, aus Ihrer Partei gekommen sind. Ich möchte das um so mehr tun, als Sie einen in der Sache nicht gerechtfertigten Zwischenein-

Dr. Wolfgang Weng (Gerlingen)

wurf gegen die F.D.P. gemacht haben, nämlich wir verweigerten uns einer maßvollen Verkleinerung des Parlaments. Dies steht heute und hier nicht zur Debatte. Wir haben aber gesagt, daß wir uns dem nicht verweigern werden. Insoweit ist dieser Anwurf von Ihrer Seite und auch aus Ihrer Gruppe heraus ein falscher Anwurf gewesen.

Hans-Ulrich Klose (SPD):
Rede ID: ID1305520200
Zur Gegenrede erhält die Kollegin Vollmer das Wort.

Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1305520300
Verehrter Herr Kollege Weng! Wenn Sie genau hingehört haben, dann haben Sie in unserer Mitarbeit und in dem, was ich gesagt habe, indirekt natürlich auch eine Kritik an mancher Tonlage, wie sie am Anfang unserer Arbeit im Parlament aus unserer Fraktion gekommen ist, gehört. Ich denke, das habe ich sehr redlich dargestellt.

(Beifall des Abg. Gert Willner [CDU/CSU))

Ich finde es aber hochinteressant - wir waren damals eine sehr junge Partei -, daß Sie jetzt mit uns die Rollen tauschen und daß die F.D.P. nach so langer Parlamentserfahrung bei moralischem Fundamentalismus und populistischen Äußerungen ankommt.

(Heiterkeit und Beifall beim BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU und der SPD)


Hans-Ulrich Klose (SPD):
Rede ID: ID1305520400
Das Wort hat der Kollege Dr. Schmidt-Jortzig, F.D.P.-Fraktion.
Darf ich um etwas Ruhe bitten.

Prof. Dr. Edzard Schmidt-Jortzig (FDP):
Rede ID: ID1305520500
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin Parlamentsneuling und nehme mit Interesse und sicherlich auch Verständnis zur Kenntnis, wie bei diesem sehr ernsten Thema bei vielen Kollegen die Gereiztheit, die Polemik und der Sarkasmus in Maßen zunehmen, wie sie eigentlich dem Thema nicht angemessen sind.
Lassen Sie mich das zu Anfang sagen, bevor ich zu meiner Rede komme, die, glaube ich, einigermaßen ruhig und gemessen ist und gleichwohl einen Gegenstandpunkt formuliert.

(Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

- Den müssen Sie auch ertragen, Frau Kollegin; das gehört zur Ruhe im Parlament dazu.
Mir liegt daran, gleich am Anfang klarzustellen, daß es uns Liberalen nicht gegen eine maßvolle Erhöhung der Abgeordnetenentschädigung zu tun ist, wenn wir den Mehrheitsentwurf kritisieren. Ich sage ausdrücklich - gerade weil Herr Kollege Wiefelspütz einen Verdacht geäußert hat, den ich schlimm fände, wenn er begründet wäre -: Meinetwegen kann die Steigerung durchaus eine Größenordnung erreichen, wie sie nach dem Mehrheitsentwurf im Gespräch ist. Das Geld ist hier nicht das Thema. Vielmehr geht es um etwas anderes, auf das ich noch zu sprechen kommen werde. Ich bitte Sie, das zu ertragen.
Ich möchte außerdem ausdrücklich betonen, daß es nicht um Vorwürfe der Verfassungswidrigkeit gegen den Mehrheitsentwurf geht. Ich bestätige ausdrücklich - Herr Vizepräsident, Sie haben mich dabei freundlich angeschaut, und ich bin vorhin auch zitiert worden -, daß nach meiner Auffassung - ich denke, das ist eine relativ breite Einstellung im Bereich der Verfassungsrechtler - die Initiative der Mehrheitsmeinung der großen Fraktionen nicht verfassungswidrig ist. Das muß mit Deutlichkeit gesagt werden.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

An dieser Stelle würde ich gerne - selbst wenn es mir den Vorwurf eintragen wird, von oben herab zu argumentieren - Herrn Kollegen Häfner meine Reverenz erweisen für seinen Mut, mit dem er letzte Weisheiten aus dem Verfassungsrecht verkündet. Ich als Nicht-Waldorf-Pädagoge jedenfalls hätte nicht den Mut, um letzte Wahrheiten der Waldorf-Pädagogik zu streiten.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Wenn Sie behaupten, daß es keinen ernsthaften Verfassungsrechtler gibt, der nicht meint, das Ganze sei verfassungswidrig, dann muß ich Ihnen leider sagen: Das ist doch ziemlich daneben.
Wir haben mit Befriedigung zur Kenntnis genommen, Herr Wiefelspütz, daß kein Einwurf - ich sehe ihn auch nicht ernsthaft - gegen unseren Entwurf bezüglich der Verfassungsmäßigkeit besteht. Deswegen lassen Sie mich auf die Einzelheiten zu sprechen kommen; denn es geht nicht um das Wegdrücken der Argumentationen hinter vorgeblichen Verfassungsrechtspositionen. Vielmehr muß man sich auf eine politische Diskussion der Alternativen einlassen.

Hans-Ulrich Klose (SPD):
Rede ID: ID1305520600
Herr Kollege Schmidt-Jortzig, darf ich noch einmal intervenieren? - Es ist wirklich zu laut. Ich finde es nicht fair. In dieser wichtigen Debatte sollte jeder die Möglichkeit haben, so zu reden, daß auch jeder zuhören kann, und jeder, der zuhören will, sollte dazu die Möglichkeit haben.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der F.D.P.)

Bitte.

Prof. Dr. Edzard Schmidt-Jortzig (FDP):
Rede ID: ID1305520700
Also noch einmal: Ich lade Sie dazu ein, sich auf die politische Diskussion der Alternativen einzulassen und alle Schaugefechte mit falschen Argumenten einmal beiseite zu lassen.
Ich sage ganz deutlich: Die Differenz der F.D.P. zum Mehrheitsentwurf liegt im Verfassungspolitischen. Die F.D.P. ist gegen ein Wegducken vor der öffentlichen Auseinandersetzung um die geplanten Erhöhungen der Abgeordnetenentschädigungen, selbst wenn ich natürlich nachempfinden kann, daß Sie sich quasi in einem Akt der Notwehr die ständig wiederkehrenden Anwürfe aus der Öffentlichkeit vom Hals halten wollen. Ich denke aber, es ist der fal-

Dr. Edzard Schmidt-Jortzig
sche Weg, diesen Anwürfen und Vorwürfen nachzugeben und dann nicht mehr jährlich und kontinuierlich zu diskutieren, d. h. eben, sich wegzuducken. Wir streiten hier jedenfalls für ein Vorgehen mit demokratisch offenem Visier.

(Beifall bei der F.D.P.)

Die F.D.P. ist gegen eine Koppelung an irgendeine Drittbesoldung; denn auch sie muß ja letztlich das Parlament beschließen. Deshalb würde die Selbstbedenkung - ich sage nicht: Selbstbedienung - nur mediatisiert, also etwas komplizierter, aber damit wohl auch problematischer. Wir streiten statt dessen für eine verfassungsmäßig wie inhaltlich eigenständige Bestimmung der Abgeordnetenentschädigung.
Die F.D.P. ist gegen jede Verquickung mit Gehaltsbemessungsaspekten des öffentlichen Dienstes, und sei es auch solchen der unabhängigen Richter. Denn dort spielen nun einmal ganz andere Gesichtspunkte eine Rolle, als sie für den Abgeordneten maßgeblich sein sollten. Dort geht es auch um Beförderungsaussichten, um Dienstleistungs- und Treuepflichten, um Lebenszeitprinzip, Urlaubsansprüche, Ortszuschläge, Pensenschlüssel etc. Der Abgeordnete hingegen hat einen politischen Auftrag. Er ist nur seinem Gewissen unterworfen - so steht es ja im Grundgesetz -, und er ist frei von hierarchischen und bürokratischen Einschnürungen. Wir streiten zwar gleichfalls für eine Objektivierung der Diätenfestsetzung, aber das soll über eine unabhängige Kommission laufen mit einem förmlichen, definierten Gutachtenauftrag und ohne das Parlament in seiner Entscheidungsverantwortung einzuschränken.

(Beifall bei der F.D.P.)

Deshalb werden wir gegen die Mehrheitsinitiative und für unsere bessere Alternative stimmen.
Vielen Dank.

(Beifall bei der F.D.P.)


Hans-Ulrich Klose (SPD):
Rede ID: ID1305520800
Das Wort hat der Kollege Peter Conradi.

Peter Conradi (SPD):
Rede ID: ID1305520900
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Erlauben Sie mir eine Vorbemerkung. Die beiden öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten haben uns in den letzten Tagen heftig kritisiert, zum Teil mit verdrehten Zahlen, zum Teil mit giftigen Kommentaren. Wir haben die Bilder von den herunterschwebenden Hundertmarkscheinen gesehen. Das ist in Ordnung. Aber ich finde es nicht in Ordnung, daß die beiden öffentlich-rechtlichen Anstalten diese Debatte nicht übertragen. Das finde ich schäbig.

(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der F.D.P. sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

In der zweiten Lesung des Achtzehnten Gesetzes zur Änderung des Abgeordnetengesetzes bringe ich - nicht namens der SPD-Fraktion - gemeinsam mit dem Abgeordneten Norbert Gansel und 150 Abgeordneten des Hauses - das ist fast ein Viertel - einen Gruppenantrag ein, der den Art. 1 des Gesetzentwurfs um eine neue Nr. 7 a ergänzen will. Diese Nummer soll dazu führen, daß § 44 a des Abgeordnetengesetzes so geändert wird, daß die Verhaltensregeln zukünftig Bestimmungen über die Pflicht zur jährlichen Anzeige der Art und Höhe aller Einkünfte im Sinne des § 2 des Einkommensteuergesetzes und über die Veröffentlichung dieser Angaben enthalten müssen. Ich will diesen Antrag begründen.
Das Ansehen der Politik, des Parlaments und der Abgeordneten in unserer Demokratie hat in den letzten Jahren Schaden genommen. Das erleben wir alle schmerzhaft in unseren Wahlkreisen. Das sehen wir auch an der sinkenden Beteiligung bei Wahlen. Es wäre ungerecht, dafür allein die Mehrheit des Hauses und die von ihr getragene Regierung verantwortlich zu machen. Wir alle, Mehrheit und Minderheit, haben dazu beigetragen, daß viele Menschen mit der Art und Weise, in der wir hier über ihr Leben, über unser Zusammenleben reden und oft genug entscheiden, nicht zufrieden sind. Sie vermissen Orientierung und Stetigkeit, sie vermissen soziale Gerechtigkeit, Ehrlichkeit und Mut.
Das Ansehen der parlamentarischen Demokratie hat aber auch Schaden genommen, weil an einigen Stellen unseres öffentlichen Lebens und in der Wirtschaft Unehrlichkeit, Vorteilsnahme und Korruption um sich greifen.

(Unruhe)


Hans-Ulrich Klose (SPD):
Rede ID: ID1305521000
Herr Kollege Conradi, einen Augenblick! - Ich muß noch einmal, verehrte Kolleginnen und Kollegen, an Sie appellieren, etwas ruhiger zu sein. Wir haben noch eine Reihe von Wortmeldungen, und es macht Sinn, gut zuzuhören.
Herr Conradi.

Peter Conradi (SPD):
Rede ID: ID1305521100
Danke, Herr Präsident.
Wer ehrlich ist, wer seine Steuern ordnungsgemäß zahlt, wer nicht lügt und betrügt, muß sich als der Dumme vorkommen, wenn nicht nur bei Opel, Siemens und Daimler-Benz, sondern auch in Behörden und Ämtern gegen Recht und Gesetz verstoßen wird.

(Beifall bei der SPD)

Durch Affären und Skandale in allen Parteien ist bei vielen Bürgern der Eindruck entstanden, die Politiker bereicherten sich auf Kosten der Allgemeinheit. Viele fragen sich, ob die Krankheit der Käuflichkeit auch die Politik ergriffen hat, ob sich Parteien und Parlament am Wohl des Volkes oder an finanziellen Interessen orientieren. Niemand sollte die Gefahr unterschätzen, die von dieser Entwicklung ausgeht. Ein Blick in unser Nachbarland Italien, in dem das alte Parteiensystem an der Korruption zerbrochen ist, sollte uns warnen.
Unser Antrag will ein deutliches Zeichen gegen diese Entwicklung setzen. Wir meinen, die Wählerinnen und Wähler haben einen Anspruch darauf, zu er-

Peter Conradi
fahren, ob wir neben unserer Abgeordnetenentschädigung von anderer Seite Einkünfte bekommen, die unsere Unabhängigkeit beeinträchtigen könnten.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)

Das Demokratieprinzip gebietet doch, daß der Wähler vor seiner Wahlentscheidung erfährt, ob und in welcher Weise der Abgeordnete in der Ausübung seines Mandats auch persönliche Interessen verfolgt. Der Wähler kann die Folgen seiner Wahlentscheidung nur ermessen, wenn er die maßgebenden Umstände kennt, und dazu gehören auch die Einkünfte des Abgeordneten bzw. des Kandidaten.
In seinem heute oft zitierten Diätenurteil hat das Bundesverfassungsgericht 1975 im 5. Leitsatz erklärt - ich bitte, das zitieren zu dürfen -:
Art. 48 Abs. 3 in Verbindung mit Art. 38 Abs. 1 GG verlangt gesetzliche Vorkehrungen dagegen, daß Abgeordnete Bezüge aus einem Angestelltenverhältnis, aus einem sog. Beratervertrag oder ähnlichem, ohne die danach geschuldeten Dienste zu leisten, nur deshalb erhalten, weil von ihnen im Hinblick auf ihr Mandat erwartet wird, sie würden im Parlament die Interessen des zahlenden Arbeitgebers, Unternehmers oder der zahlenden Großorganisation vertreten und nach Möglichkeit durchzusetzen versuchen. Einkünfte dieser Art
- so das Verfassungsgericht -
sind mit dem unabhängigen Status der Abgeordneten und ihrem Anspruch auf gleichmäßige finanzielle Ausstattung in ihrem Mandat unvereinbar.
Die gesetzlichen Vorkehrungen, die das Verfassungsgericht 1975 verlangt hat, hat der Bundestag bis heute nicht erfüllt.
Ein Weiteres: Das Verfassungsgericht hat im Parteienfinanzierungsurteil unter ausdrücklichem Hinweis auf Art. 38 des Grundgesetzes festgelegt, daß die Verhaltensregeln „verfassungskonform so auszulegen sind, daß Geldspenden oder andere geldwerte Zuwendungen an die Mitglieder des Bundestages ... zu veröffentlichen sind, soweit sie ... den Wert von 20 000 DM überschreiten. " Das war peinlich für den Bundestag; denn bis dato hatte sich das Präsidium standhaft geweigert, diese Spenden zu veröffentlichen. Jetzt werden sie veröffentlicht; aber die Verhaltensregeln sind in dem Punkt bis heute nicht geändert.
Ein letztes Zitat aus Karlsruhe:
Die Bundesregierung
- so heißt es im Urteil zum „Flick-Ausschuß" -
und die obersten Dienstbehörden haben schon um des öffentlichen Ansehens der Bundesrepublik Deutschland willen ... alles zu tun, um Zweifel an der Lauterkeit von Regierungs- und Verwaltungsmaßnahmen ... zu zerstreuen.
Soll das nur für die Exekutive gelten? Muß das nicht sehr viel mehr noch für das Parlament gelten?
Unser Gesetzentwurf - der Wissenschaftliche Dienst hat uns dankenswerter Weise bei der Ausarbeitung geholfen - respektiert das Steuergeheimnis. Er respektiert auch das Recht der Ehegatten auf informationelle Selbstbestimmung. Nicht der Einkommensteuerbescheid soll offengelegt werden; der oder die Abgeordnete soll lediglich eine Erklärung über Art und Höhe der Einkünfte im Sinne von § 2 des Einkommensteuergesetzes abgeben.
Gegen diese Regelung wird der Einwand erhoben, ein Selbständiger oder ein mittelständischer Unternehmer müßte im Wettbewerb mit Konkurrenten Nachteile befürchten, würden seine steuerpflichtigen Einkünfte bzw. Entnahmen bekannt. Das könnte dazu führen - so wurde gesagt -, daß im Parlament bald keine Unternehmer oder Selbständigen mehr säßen.
Interessant für mich war, daß im Geschäftsordnungsausschuß kein Unternehmer aus diesem Hause diesen Einwand erhob, sondern ein Oberstaatsanwalt, eine Professorin, ein Verwaltungsjurist und ein Bezirksbürgermeister a. D. Würde uns ein Unternehmer aus diesem Hause hier konkret darlegen, welche Nachteile er aus der Veröffentlichung seiner steuerpflichtigen Einkünfte oder Entnahmen gegenüber Konkurrenten befürchten müßte, dann könnte man ja über eine Ausnahmeregelung für nachweislich schutzwürdige Interessen reden. Doch einstweilen klingt mir dieser Einwand eher nach einer Schutzbehauptung von Abgeordneten, denen die ganze Richtung nicht paßt.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Andere Abgeordnete, so die geschätzte finanzpolitische Sprecherin meiner Fraktion, wollen einer Offenlegung nur zustimmen, wenn auch die Einkünfte anderer „Besserverdiener", also etwa von Chefredakteuren, Unternehmensvorständen und Hochschullehrern, öffentlich gemacht werden,

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)

so wie das in Schweden für alle Bürger gesetzlich geregelt ist. Ich finde das sehr sympathisch. Wer von uns wüßte nicht gerne, was der mit seiner Lehrtätigkeit offenbar nicht ausreichend ausgelastete Professor von Arnim neben seinem schmalen Professorengehalt vom Bund der Steuerzahler für seine Nebentätigkeiten als Gutachter bekommt?

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Übrigens, ich habe das Gerücht gehört Peter Graf sei dem „Bund der Nichtsteuerzahler" als Ehrenmitglied beigetreten.

(Heiterkeit)

Doch Professoren sind nicht vom Volk gewählt, und Professoren und Chefredakteure sind nicht wie wir dem Volk, sondern nur ihrem Arbeitgeber verantwortlich. Wir sollten uns mit solchen Leuten nicht

Peter Conradi
gleichsetzen. Herr von Arnim wird seine Einkünfte ebensowenig veröffentlichen wie unsere ehemalige Kollegin Frau Dr. Hamm-Brücher, die uns ja häufig moralische Belehrungen zuteil werden läßt

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

und dabei geflissentlich verschweigt, daß sie selbst aus ihren öffentlichen Mandaten und Ämtern eine kumulierte Altersversorgung von 17 000 DM im Monat bekommt.

(Zuruf von der CDU/CSU: Sehr richtig, Herr Conradi!)

Mir fällt zum Steuerzahlerbund, zu Herrn von Arnim und zu Frau Hamm-Brücher immer Heinrich Heine ein:
Ich kenne die Weise, ich kenne den Text, ich kenne auch ihre Verfasser, ich weiß, sie trinken heimlich Wein und predigen öffentlich Wasser.

(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Einige Abgeordnete, darunter der ehrenwerte Vorsitzende des Rechtsausschusses, behaupten, der hier vorgelegte Änderungsantrag verstoße „recht eindeutig gegen die Verfassung". Da bin ich natürlich ser erschrocken, weil ich aus vielen Parlamentsjahren weiß, was die Juristen, vor allem die Verfassungsrichter Erstaunliches aus unserer Verfassung herauslesen oder besser: hineinlesen.
Wir haben den Änderungsantrag vom Wissenschaftlichen Dienst auch unter verfassungsrechtlichen Kriterien prüfen lassen. Gegen den weitergehenden Vorschlag der Offenlegung der Einkommensteuerbescheide gibt es überzeugende verfassungsrechtliche Argumente. Deshalb verfolgen wir diesen Vorschlag nicht weiter. Aber gegen die nun vorliegende Lösung haben wir keine verfassungsrechtlichen Argumente gehört. Deswegen bin ich nun gespannt, ob der Vorwurf des „recht eindeutigen Verstoßes gegen die Verfassung" hier begründet wird.
Die vorgeschlagene Regelung entspricht dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Ich frage mich: Wer könnte einer solchen Regelung ernsthaft widersprechen? Wer neben der Abgeordnetenentschädigung Einkünfte aus anderen Tätigkeiten hat, braucht doch das Licht der Öffentlichkeit nicht zu scheuen, wenn diese seine Unabhängigkeit nicht beeinträchtigen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Und selbst wenn Anlaß zu der Vermutung besteht, andere Einkünfte könnten die Unabhängigkeit beeinträchtigen, kann der betroffene Abgeordnete das doch öffentlich machen und, wenn eine Interessenkollision zu besorgen ist, auf die Beteiligung an Beratungen und Abstimmungen verzichten, so wie das auf der Gemeindeebene allgemein üblich ist. Wer nichts zu verbergen hat - das ist nach meiner festen Überzeugung die weit überwiegende Mehrheit der Abgeordneten dieses Hauses -, sollte diesem Gesetzentwurf zustimmen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Wir beschließen heute eine deutliche Erhöhung unserer Abgeordnetenentschädigung. Ich stimme dem zu; ich stimme auch der Grundgesetzänderung zu. Bisher entspricht unser Einkommen dem Gehalt eines verheirateten Oberstudiendirektors mit zwei Kindern. Im Jahr 2000 wird es dem Gehalt eines Bundesrichters entsprechen. Das halte ich für in Ordnung. Die derzeitige Bezahlung der Abgeordneten ist unserem Amt und unserer Arbeit nicht angemessen. Ich werde diese Erhöhung auch gegen alle Kritiker temperamentvoll verteidigen.

(Beifall des Abg. Dieter Wiefelspütz [SPD])

Ich meine allerdings, wir sollten mit dieser Erhöhung unserer Entschädigung durch Offenlegung unserer Einkünfte unsere Unabhängigkeit und damit das Ansehen des Parlaments und der parlamentarischen Demokratie stärken. Dazu bitte ich Sie um Ihre Unterstützung.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Hans-Ulrich Klose (SPD):
Rede ID: ID1305521200
Das Wort zu einer Kurzintervention hat der Kollege Eylmann.

Horst Eylmann (CDU):
Rede ID: ID1305521300
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Vorweg: Ich bin ein Nebenverdiener.

(Zuruf von der SPD: Ich auch!)

Ich habe daraus nie einen Hehl gemacht und sage das, weil man mir sonst gleich vorwerfen könnte - Sie haben mich ja angesprochen -: Der redet im eigenen Interesse.
Ich habe meine Einkünfte auch immer offengelegt. Ich will nur einige Zahlen nennen: 1982, dem letzten Jahr bevor ich in den Bundestag gewählt wurde, versteuerte ich als Rechtsanwalt und Notar 230 000 DM. Im nächsten Jahr bekam ich Diäten in Höhe von 73 000 DM. Im Augenblick beziehe ich noch Einkünfte aus meiner Anwaltstätigkeit, die je nach Jahr zwischen 60 000 und 80 000 DM schwanken. Selbst wenn ich die Diäten dazuzähle, habe ich noch heute nicht das Einkommen von 1983.
Obwohl ich meine Einkünfte offengelegt habe, bin ich aber entschieden dagegen, die Abgeordneten zu zwingen, das zu tun.

(Beifall des Abg. Wolfgang Vogt [Düren] [CDU/CSU])

Es gibt in dieser Republik viele Frauen und Männer, die große Macht haben. Es gibt Menschen, die viel größere Macht haben als wir hier.

(Beifall des Abg. Wolfgang Bierstedt [PDS])

Wenn die Mächtigen in unserem Lande ihre Einkünfte, aus welcher Quelle auch immer, aus öffentlichem Interesse offenlegen sollen, dann muß das bitte für jeden gelten.

(Beifall bei Abgeordneten der F.D.P. Rudolf Bindig [SPD]: Machen wir ein Gesetz, prima!)


Horst Eylmann
Jede andere Lösung ist für mich ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz.
Ein Beispiel: Sie wollen, daß ein Abgeordneter, der ein Mietshaus hat, angibt, er habe 50 000 DM Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Ich weiß, was dann für Stimmen kommen, wenn er über ein Mietgesetz abstimmt. Der Richter in einer Mieterkammer mit genau denselben Einkünften braucht dies nach Ihrem Vorschlag nicht offenzulegen. Ich frage mich: Warum denn nicht?

(Rudolf Bindig [SPD]: Machen wir ein Gesetz!)

Also, wenn man sich davon wirklich etwas verspricht, dann muß das, liebe Kolleginnen und Kollegen, für alle und nicht nur für uns gelten.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P. und der SPD Detlev von Larcher [SPD]: Wann kommt der Gesetzentwurf von Ihnen?)

Da ich gerade das Wort habe, nur noch drei, vier Sätze zur F.D.P. - auch sie ist angesprochen worden -: Ich teile die Auffassung des Kollegen Hirsch, daß die Verkleinerung des Bundestages überhaupt nichts mit den Finanzen zu tun hat.

(Dieter Wiefelspütz [SPD]: Richtig!)

Ich bin aus ganz anderen Gründen für die Verkleinerung. Ich habe auch immer dafür gestritten, daß der Bundestag den Mut haben sollte, doch selbst die richtigen Diäten festzusetzen. Nur, wo waren denn in den letzten Jahren die mutigen Vorschläge der F.D.P., die Diäten so angemessen festzusetzen, wie Sie das selber wollten?

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Ich weiß ja, daß auch Sie alle die Diäten für zu niedrig halten. Heute sind Sie mutig. Da kann ich nur sagen: Gut gebrüllt, Herr Vizepräsident!

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Hans-Ulrich Klose (SPD):
Rede ID: ID1305521400
Ich muß die Geschäftsordnung wieder etwas großzügig handhaben; denn mit einer Kurzintervention sind zwei Kollegen angesprochen worden, die beide die Gelegenheit zur Gegenrede erhalten müssen. Zunächst der Kollege Conradi, dann der Kollege Dr. Hirsch.
Bitte, Herr Kollege Conradi.

Peter Conradi (SPD):
Rede ID: ID1305521500
Verehrter Herr Abgeordneter Eylmann! Erstens. Ich freue mich darüber, daß die Veröffentlichung von steuerpflichtigen Einkünften eines selbständigen Anwalts keinen Schaden auf seine Berufsausübung bewirkt. Dieses Argument, das von vielen Ihrer Fraktion eingebracht wurde, sticht also nicht.
Zweitens. Ich räume ein, mir wäre es lieber, wenn auch die versteuerten Einkünfte aller anderen offengelegt würden. Ich meine nur: Abgeordnete sind nicht „alle anderen". Wir werden vom Volk gewählt, und das Volk, das uns wählt, hat einen Anspruch darauf, daß wir offenlegen, mit welchen Interessen, von welchen Einkünften geleitet wir hier handeln.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN sowie bei der PDS)

Drittens. Nach diesem lebhaften Beifall dafür, daß alle ihre Einkünfte offenlegen sollen, werde ich mir erlauben, noch in diesem Jahr einen Antrag einzubringen, in der Bundesrepublik Deutschland die schwedische Lösung, nämlich die Offenlegung der steuerpflichtigen Einkünfte aller Bürger, einzuführen. Die vielen, die hier geklatscht haben - Sie voran, geschätzter Herr Kollege -, werden das dann sicher unterschreiben. Ich mache keinen Spaß. Das wird im Hause diskutiert. Dann werden wir sehen, wie diejenigen, die geklatscht haben, abstimmen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)


Hans-Ulrich Klose (SPD):
Rede ID: ID1305521600
Das Wort hat der Kollege Dr. Hirsch.

Dr. Burkhard Hirsch (FDP):
Rede ID: ID1305521700
Ich bedanke mich dafür, daß Sie inhaltlich unseren Vorschlägen zustimmen.
Ich möchte Sie nur daran erinnern, daß wir einen in allen wesentlichen Punkten exakt gleichen Vorschlag für die Einrichtung eines - wir haben das damals so genannt - Senats für Parlamentsfragen schon im Jahr 1968 in den Deutschen Bundestag eingebracht haben. Er ist hier in erster Lesung behandelt worden. Er ist von Genscher und der Fraktion unterzeichnet worden. Er ist dann leider, aus derselben Überlegung heraus nicht weiter behandelt worden. Die Angemessenheit einer Diät, die ein Bundestagsabgeordneter bekommen muß, zu objektivieren, dann aber die Entscheidung in diesem Hause jedesmal offen zu treffen, diesen Vorschlag haben wir bereits 1968 gemacht.

(Zuruf von der SPD: Da waren Sie noch nicht da!)

- Richtig, da war ich noch nicht da.
Wir haben ihn immer wieder eingebracht. Ihr Vorhalt, wir kämen nun erst mit diesem Gedanken aus der Deckung, ist unzutreffend.

(Beifall bei der F.D.P.)


Hans-Ulrich Klose (SPD):
Rede ID: ID1305521800
Jetzt hat das Wort der Kollege Klaus Bühler.

Klaus Bühler (CDU):
Rede ID: ID1305521900
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Vizepräsidentin Frau Vollmer hat vorhin von den „lieben Medienvertretern" gesprochen. Ich möchte kurz von einem Vorgang berichten, der nicht nur mir heute nachmittag mit Medienvertretern widerfahren ist.

Klaus Bühler (Bruchsal)

Wir alle haben volles Verständnis dafür, daß die heutige Debatte großes öffentliches Interesse findet und daß die Medien in großer Zahl vertreten sind, um das transparent zu machen. Wenn man aber einem Abgeordneten kurz vor dem Parlament mehr oder weniger auflauert, ihn am Arm festhält, während die Kamera läuft, und dann mit einem Geldbündel vor seinem Gesicht herumfuchtelt, dann hat das mit korrekter, seriöser Berichterstattung überhaupt nichts mehr zu tun.

(Beifall bei der CDU/CSU, der F.D.P. und der SPD, sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich finde das deswegen so ungeheuerlich - das ist keine Pauschalschelte -, weil ein großer deutscher Privatsender, RTL, zu solchen Mätzchen greift,

(Zurufe von der CDU/CSU: Pfui!)

der ansonsten stets beteuert, für wie wichtig er es erachtet, die Würde des Parlaments und die Würde der parlamentarischen Demokratie zu schützen.
Ich sage das auch deswegen, weil es anderen Kollegen in gleicher Weise passiert ist, und um zu vermeiden, daß nachher ein Zusammenschnitt erscheint, in dem in etwa dargestellt wird, daß man heute nicht nur über eine Erhöhung der Diäten diskutiert habe, sondern daß die paar Abgeordneten auch bereit seien, auf der Straße mit Geld in irgendeiner Weise beeinflußt zu werden.
Ich bin über dieses Vorgehen wirklich zutiefst empört, nicht nur weil es mich getroffen hat, sondern weil das Parlament, das ganze Haus, dadurch betroffen ist.
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU, der F.D.P. und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Hans-Ulrich Klose (SPD):
Rede ID: ID1305522000
Das Wort hat der Kollege Andreas Schmidt, CDU/CSU-Fraktion.

Andreas Schmidt (CDU):
Rede ID: ID1305522100
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn ich die letzten kurzen Beiträge Revue passieren lasse, dann frage ich mich: Welches Selbstverständnis haben wir als Abgeordnete eigentlich? Einerseits halten wir das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung hoch und wollen den Datenschutz verbessern, andererseits wollen wir uns selbst zwingen, alles offenzulegen, uns praktisch nackt auszuziehen. Ich glaube, das ist nicht nur rechtswidrig, das ist auch inkonsequent und kein positiver Beitrag zu einer Parlamentsreform.
In den letzten Tagen und Wochen ist viel Falsches über das Thema Parlamentsreform geschrieben und gesagt worden. Ich finde, wir sollten vor allem dem Eindruck entgegentreten, daß es heute in erster Linie um Geld gehe. Wir reden heute nicht in erster Linie
über eine Diätenreform, sondern das Thema, das auf der Tagesordnung steht, heißt Parlamentsreform. Parlamentsreform heißt, daß es um ein Reformpaket geht.
Erstens geht es um die Verbesserung der Struktur und der Darstellung der parlamentarischen Arbeit. Ich glaube, hier haben wir gute Vorschläge vorgelegt.
Zweitens geht es - das ist ganz wichtig und auch schon beschlossen - um die Verkleinerung des Deutschen Bundestages ab dem Jahr 2002. Es geht nicht mehr um das Ob, sondern nur noch um das Wie. Auch dies sollten wir heute noch einmal bekräftigen und deutlich machen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P. und der SPD)

Es geht auch um die Rechtsstellung der Abgeordneten und um deren Entschädigungen. Auch da muß reformiert werden.
Da wird dann der Vorwurf erhoben - das ist schon öfter erwähnt worden -, hier werde ein Gesetz durch das Parlament gepeitscht, hier handele es sich um einen Schnellschuß. Dieser Vorwurf ist nicht nur bösartig und unwahr, er ist einfach perfide.
Lassen Sie uns doch kurz über eine Frage nachdenken: Da gibt es einen Professor aus Speyer, der heute schon mehrfach zitiert worden ist. Er behauptet, wir machten einen Schnellschuß, und gleichzeitig hat er die Zeit, ein Buch über diese Parlamentsreform vorzulegen und auf den Markt zu bringen. Wie paßt das eigentlich zusammen?

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

In allem Ernst: Wenn das ein Schnellschuß ist, dann muß Herr von Arnim dieses Buch mit Lichtgeschwindigkeit geschrieben haben. Das würde natürlich auch erklären, warum es in dem Buch so viele Fehler gibt.
Ich will wegen dieses Vorwurfs in Erinnerung rufen, welche Vorlaufzeit dieses Reformwerk hat. Am 25. Juni 1992 ist die sogenannte Kissel-Kommission eingesetzt worden. Ich will auch noch einmal daran erinnern, daß in der Kissel-Kommission der Bund der Steuerzahler vertreten war. Es war eine unabhängige Kommission. Der Bericht der Kommission ist am 3. Juni 1993 vorgelegt worden.
Was stand mit Zustimmung des Bundes der Steuerzahler in diesem Bericht der unabhängigen Kommission? Der Bericht sagt: Eine angemessene Entschädigung der Abgeordneten liegt bei 14 000 DM im Monat. Jetzt gehen wir auf R 6, und R 6 ist heute weniger als 14 000 DM.
Wir haben in der Rechtsstellungskommission auf der Grundlage dieses Berichtes seit März 1995 sehr intensiv weitergearbeitet. Ich finde - ich will das verbinden mit einem Dank an alle, die dort mitgearbei-

Andreas Schmidt (Mülheim)

tet haben -, wir haben in dieser Kommission sehr verantwortungsbewußt gearbeitet.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Ich würde mir wünschen, daß ein bißchen von diesem Verantwortungsbewußtsein bei einigen Medien und auch bei Herrn von Arnim vorhanden wäre.

(Zuruf von der CDU/CSU: Sehr richtig!)

Mit einer populistischen Neidkampagne wird man seiner Verantwortung für diesen Rechtsstaat j eden-falls nicht gerecht. Nicht der Inhalt dieser Parlamentsreform schadet dem Ansehen des Parlamentarismus, sondern eine bewußt wahrheitswidrige und falsche Darstellung des Inhalts der Parlamentsreform.
Ich will etwas zu dem, wie ich finde, nicht nachvollziehbaren Vorwurf des Verfassungsbruchs sagen. Meine Damen und Herren, worum geht es denn in Wahrheit? Es geht gar nicht um eine inhaltliche Verfassungsänderung, sondern es geht um eine Ergänzung, eine Konkretisierung des Grundgesetzes. Was ist denn das Ziel? Diejenigen, die uns jetzt den Angriff auf die Verfassung vorwerfen, haben uns in der Vergangenheit vorgeworfen, wir würden uns selbst bedienen, weil wir die Verfassung so angewendet haben, wie sie ist.
Jetzt machen wir nichts anderes, als mehr Transparenz zu schaffen. Bisher steht im Grundgesetz, die Abgeordneten müßten angemessen entschädigt werden, und jetzt schaffen wir mehr Transparenz, indem wir sagen, was angemessen ist. Wir machen es für jeden Bürger transparent, indem wir auch den objektiven Maßstab - was „angemessen" bedeutet - in die Verfassung hineinschreiben. Meine Damen und Herren, im Ernst: Wer die Schaffung von mehr Transparenz und die Einführung eines objektiven Maßstabs für die Abgeordnetenentschädigung als „Angriff auf die Verfassung" bezeichnet, hat wirklich jeden realen Bezug zum deutschen Verfassungsrecht verloren.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Peter Struck [SPD])

Schauen wir uns doch einmal an, wie es eigentlich bei unseren Nachbarn in Europa ist. Machen wir mit der Ankoppelung wirklich etwas so Ungewöhnliches? Ich will Ihnen sagen, wo das mit der Ankoppelung genauso gemacht wird. Ich will es den Kritikern sagen. Es wird in Dänemark so gemacht; Sie werden nicht sagen, Dänemark sei kein anständiger demokratischer Rechtsstaat. Es wird in Frankreich so gemacht, in Griechenland, in Italien, in Luxemburg, in den Niederlanden, in Österreich, in Schweden, in Portugal und in Großbritannien. Was dort richtig ist, kann bei uns nicht ganz falsch sein.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Dr. Antje Vollmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Als ich mir überlegt habe, was ich heute sage, habe ich mir die Frage gestellt, wie Herr Professor von Arnim und einige Medien den idealen Abgeordneten sehen. Wie sollte er eigentlich sein? Ich glaube, nach der Vorstellung von Herrn Arnim sollte er so sein: fleißig, kompetent, mit dem wirtschaftspolitischen Sachverstand von Ludwig Erhard und mit der Uneigennützigkeit der Heilsarmee. Dies ist eine Illusion.
In diesem Zusammenhang möchte ich sagen: Es geht nicht nur um die Bezüge, die wir für die von uns geleistete Arbeit bekommen, sondern es geht auch um die Frage, wie die Zukunft des Parlaments aussieht. Welche Kompetenz, welchen Sachverstand und welche berufliche Erfahrung werden wir in Zukunft in diesem Parlament versammeln? Auch darüber entscheiden wir im Zusammenhang mit der Parlamentsreform.

Hans-Ulrich Klose (SPD):
Rede ID: ID1305522200
Herr Kollege Schmidt, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Scheu?

Andreas Schmidt (CDU):
Rede ID: ID1305522300
Bitte schön, Herr Kollege Scheu.

Gerhard Scheu (CSU):
Rede ID: ID1305522400
Herr Kollege Schmidt, Sie sind zu Recht auf die Veröffentlichung von Herrn von Arnim eingegangen. Deshalb möchte ich Sie in diesem Zusammenhang fragen, ob Sie das Zitat von Herrn Michael Greven in „Parlamentsgröße und Wahlrecht" kennen, der sich gegen die teils
demagogischen und Ressentiments gegen die Demokratie insgesamt mobilisierenden Kampagnen wegen der angeblichen Selbstversorgungsmentalität der Politiker
wendet. Er meint damit ganz konkret die Veröffentlichung von Arnims,
der inzwischen seine ehemals geradezu zur Institution gewordene Rolle als „Bürgeranwalt" gegen parlamentarischen Amtsmißbrauch gegen eine höchst zweifelhafte Rolle des populistischen Demagogen zu verspielen droht.
Kennen Sie dieses Zitat? Würden Sie ihm zustimmen, Herr Schmidt?

Andreas Schmidt (CDU):
Rede ID: ID1305522500
Ich kenne es nicht. Aber ich bin dankbar, daß Sie es hier gebracht haben, Herr Kollege Scheu.
Ich will noch einmal darauf zurückkommen, daß es nicht nur darum geht, wieviel Geld wir bekommen, sondern daß es auch darauf ankommt, welche Qualität das Parlament in Zukunft haben wird. Konkret geht es doch um die Frage, ob wir auch in Zukunft einen Freiberufler gewinnen können, das Risiko einzugehen, für einige Jahre ins Parlament zu gehen, oder ob eine junge Frau oder ein junger Mann mit beruflicher Karriere, gutes Geld verdienend, bereit ist, dieses Risiko einzugehen und die Berufserfahrung ins Parlament einzubringen. Ohne angemessene Entschädigung wird das nicht gehen.

Andreas Schmidt (Mülheim)

Ich finde, auch wenn es vielleicht vergeblich ist, sollten wir einen Appell an die Medien und auch an viele Bürger in der Öffentlichkeit zu richten versuchen: Lassen Sie die Neiddiskussion sein und versuchen Sie, auch die Argumente und Aspekte, die hier heute sehr sachlich vorgetragen worden sind, zu berücksichtigen!
Ich meine, mit dem Paket der Parlamentsreform werden wir unserer Verantwortung gerecht. Wir steigern das angemessene Gehalt für die Abgeordneten nicht in einem Schritt - was eigentlich durchaus logisch wäre, wenn man über angemessene Entschädigung spricht -, sondern wir machen es in sechs Stufen. Wir kappen das Übergangsgeld von 36 Monaten auf 18 Monate; und wir machen eine Absenkung bei der Altersentschädigung auf jetzt linear 3 % und eine Deckelung bei 69 %. Der Höchstsatz wird erst nach 23 Jahren erreicht.
Meine Damen und Herren, da es nicht nur um das Geld geht, will ich auch noch auf die anderen wichtigen Punkte hinweisen. Ich will unterstreichen, daß die Verkleinerung des Bundestages definitiv für das Jahr 2002 beschlossen worden ist. Die Kommission, die jetzt eingesetzt werden wird, wird über das Wie und nicht mehr über das Ob beraten und dazu Vorschläge vorlegen. Wir werden fachspezifische Debatten in öffentlichen Ausschußsitzungen haben. Das wird das Parlament von fachspezifischen Debatten entlasten und bei interessanten Donnerstagsdebatten eine größere Präsenz im Plenum zur Folge haben.
Ich will in diesem Zusammenhang auch einmal deutlich sagen: Die Leere im Plenum ist kein Indiz für die Faulheit der Abgeordneten. Auch dies müssen wir der Öffentlichkeit deutlich sagen, weil viele Bürgerinnen und Bürger das nicht wissen. Das Problem ist, daß teilweise Parallelveranstaltungen stattfinden. Mit der Parlamentsreform wollen wir verhindern, daß diese Parallelität weiterhin stattfindet. Wir erwarten, daß zukünftig bei den Donnerstag-Kerndebatten das Plenum voll besetzt sein wird. Das wird auch dem Ansehen des Parlaments nutzen.
Ich bin der festen Überzeugung, daß wir mit dieser Parlamentsreform dem Parlamentarismus in Deutschland einen großen Dienst erweisen werden. Wir werden auch - dies ist zugegebenermaßen so - Herrn von Arnim ein Spielwiese wegnehmen, aber ich finde, der drohende Verlust einer Spielwiese kann kein Argument gegen die Durchsetzung einer positiven Parlamentsreform sein.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Wir haben mit großem Verantwortungsbewußtsein in der Rechtsstellungskommission eine gute Arbeit geleistet. Auch ich möchte für meine Fraktion dem Vorsitzenden der Kommission, Herrn Vizepräsidenten Klose, für die geleistete Arbeit danken. Ich glaube, es war eine gute, kooperative Atmosphäre.
Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion wird dem Reformwerk in allen seinen Teilen zustimmen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Hans-Ulrich Klose (SPD):
Rede ID: ID1305522600
Das Wort hat jetzt der Kollege Norbert Gansel.

Norbert Gansel (SPD):
Rede ID: ID1305522700
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin für morgen mit RTL zum Frühstücksfernsehen verabredet. Diese Verabredung findet nicht statt, solange nicht feststeht, daß die beleidigenden Aufnahmen, von denen der Kollege Bühler berichtet hat, nicht gesendet werden, und solange nicht feststeht, daß sich der Sender beim Kollegen Bühler und bei anderen dafür entschuldigt hat.

(Beifall im ganzen Hause)

Ich gehe davon aus, daß sich auch alle anderen Abgeordneten in gleicher Weise kollegialverhalten werden.
Als 1976 die Rechtsverhältnisse der Bundestagsabgeordneten neu geregelt, die Diäten auf 7 500 DM erhöht und zugleich steuerpflichtig wurden, habe ich im Bundestag erklärt:
Vorbehalte bezüglich der Höhe der MdB-Entschädigung und der Amtsausstattung hätten mich allein nicht bewogen, dem Gesetz meine Zustimmung zu verweigern.
Meine Ablehnung gründet sich darauf, daß durch dieses Gesetz ein eigenständiges System der sozialen Sicherheit geschaffen wird, das die Volksvertreter von den sozialen Interessen des Volkes entfremdet.
... Der Abgeordnete hat aber nur Anspruch auf soziale Sicherheit wie andere Staatsbürger, keinen Anspruch auf Privilegien.
Als Sozialdemokrat und Parlamentarier identifiziere ich mich ... mit einer Aussage des Bundesverfassungsgerichts in seinem Urteil vom 5. November 1975: „Die Demokratie des Grundgesetzes ist eine grundsätzlich privilegienfeindliche Demokratie."
Das war 1976. - Auch jetzt bestimmt sich meine Haltung nicht durch die geplante Erhöhung der Diäten. Ich habe 1976 vorgeschlagen, die Abgeordnetendiäten in Zukunft jährlich nur mit dem Prozentsatz zu erhöhen, mit dem auch die Renten aus der Sozialversicherung erhöht werden.

(Beifall bei der SPD)

Draußen bin ich dafür bejubelt worden, drinnen wäre ich fast gelyncht worden; für einen Abgeordneten keine glückliche Position, der ja nicht nur draußen gewählt werden will, sondern drinnen auch etwas bewirken will.
Von 1977 bis 1992 sind die Renten um 75 % gestiegen. Mit dem gleichen Anpassungssatz würden die Diäten der Bundestagsabgeordneten heute über 13 000 DM betragen und nicht, wie jetzt vorgeschlagen wird, 11 000 DM.
Was lehrt uns das?

(Heiterkeit)

Erstens. Bescheidenheit könnte sich gelegentlich langfristig auszahlen.

(Erneute Heiterkeit)


Norbert Gansel
Zweitens: Manche Kritik am Bundestag ist geheuchelt und unehrlich.

(Beifall im ganzen Hause)

Es gibt konstruktive Kritik, auf die wir hören sollten. Aber es gibt auch Zeichen von Bösartigkeit, die ohne Verantwortung für ihre zerstörerischen Folgen zu Papier gebracht werden wie in der letzten Ausgabe des „Spiegel".

(Beifall im ganzen Hause)

Zu dem Änderungsantrag, den mein Kollege Peter Conradi und ich mit über 150 Abgeordneten des Bundestages eingebracht haben, möchte ich fünf ergänzende Bemerkungen machen.
Erstens. Mit der von den großen Fraktionen vorgeschlagenen Neuregelung wird aus der Abgeordnetenentschädigung praktisch ein Gehalt; Status und Selbstverständnis von Abgeordneten werden sich ändern.

(Beifall bei Abgeordneten der F.D.P.)

Die Konsequenzen sind nicht zu Ende gedacht, und sie sind nicht geregelt worden.
Zweitens. Keines der jetzt schon für Abgeordnete bestehenden Privilegien wird abgeschafft. Die in der Parlamentshierarchie zwischen Präsidialmitgliedern, Regierungsmitgliedern und den sogenannten einfachen Abgeordneten oder zwischen städtischen und ländlichen Wahlkreisen begründeten Privilegien werden ebenfalls nicht angetastet. Eine wirkliche Korrektur gibt es nur beim Übergangsgeld.
Drittens. Die vorgeschriebene Verfassungsänderung kann Auswirkungen auf die Länderparlamente haben. Deshalb ist es nicht verwunderlich, daß die Verfassungsänderung im Bundesrat nicht als Selbstgänger gilt. Die Länderparlamente könnten nachziehen. Im Ergebnis wird die Distanz, die jetzt schon zwischen den wenigen tausend Quasi-Berufspolitikern, also uns Abgeordneten, und den mehreren hunderttausend ehrenamtlichen Kommunalpolitikern, Funktionären und Aktivisten in den Gemeinden und an der Basis unserer Parteien und Bürgerinitiativen besteht, zunehmen.

(Beifall des Abg. Dr. Burkhard Hirsch [F.D.P.])

Viertens. Vor allem aber befürchte ich, daß die Distanz zwischen Bundestag und Bevölkerung zunehmen wird. Haben wir uns wirklich ausreichend um die vielzitierte Akzeptanz bemüht? Besteht jetzt nicht die Gefahr einer Trotzentscheidung?

Hans-Ulrich Klose (SPD):
Rede ID: ID1305522800
Herr Kollege Gansel, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Scheu?

Norbert Gansel (SPD):
Rede ID: ID1305522900
Bitte sehr.

Gerhard Scheu (CSU):
Rede ID: ID1305523000
Herr Kollege Gansel, Sie haben angesprochen, daß die Rechtsstellungskommission gewisse Rechtsstellungen von Ministern und Parlamentarischen Staatssekretären nicht angesprochen habe. Darf ich Ihnen zur Kenntnis bringen, daß der Chef des Bundeskanzleramts, Bundesminister Friedrich Bohl, mir auf meine Anfrage am 7. September 1995 folgendes geschrieben hat:
Ihre Vorschläge im Hinblick auf die Rechtsverhältnisse der Bundesminister und Parlamentarischen Staatssekretäre, insbesondere im Hinblick auf das von Ihnen angesprochene Übergangsgeld, habe ich mit Interesse zur Kenntnis genommen. Die Bundesregierung wird prüfen, ob und welche Konsequenzen sich aus der beabsichtigten strukturellen Neuordnung der Abgeordnetenentschädigung, des Übergangsgeldes und der Altersentschädigung für die Bezüge der Mitglieder der Bundesregierung und der Parlamentarischen Staatssekretäre ergeben.
Wie würdigen Sie diese Antwort der Bundesregierung und die Antwort der Rechtsstellungskommission?

Norbert Gansel (SPD):
Rede ID: ID1305523100
Ich finde es gut, daß die Bundesregierung prüft. Ich fände es noch besser, sie würde entscheiden. Das würde manchem in diesem Haus auch seine Entscheidung erleichtern.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der PDS)

Herr Präsident, meine Damen und Herren, ich glaube nicht, daß wir Politiker bessere Menschen sind und deshalb Vorbilder für die Gesellschaft sein können. Aber das moralische Minimum, dem wir uns nicht entziehen können, bedeutet, daß wir kein schlechtes Vorbild liefern dürfen.
„Verlange von anderen nichts, was du nicht selbst zu tun bereit bist! " Das ist die simpelste Form des kategorischen Imperativs in der Politik. Wir alle wissen, daß wir den Wählerinnen und Wählern in den nächsten Jahren Veränderungen werden zumuten müssen, gegenüber denen sich Bundestagsabgeordnete nicht auf finanzielle oder soziale Immunität werden berufen können.
Fünftens. Jedes Gesetz im Bundestag ist ein Kompromiß. Deshalb kann niemand eine Abstimmung erwarten, die alle seine Vorschläge verwirklicht. Ich bin zu einem Kompromiß bereit, wenn wenigstens eine kontrollierbare Konsequenz daraus gezogen wird, daß wir quasi Gehaltsempfänger werden.
Das ist das, was Peter Conradi, 150 andere Abgeordnete und ich vorgeschlagen haben. Es ist ein ganz pragmatischer und eigentlich milder Vorschlag, daß Abgeordnete in Zukunft ihre Nebeneinkünfte veröffentlichen sollen. Damit sollen Interessenkollisionen verhindert werden, damit soll für Wählerinnen und Wähler kontrollierbar werden, ob die Abgeordneten ihre ganze Arbeitskraft wirklich der Volksvertretung widmen. Wer das nicht tun kann oder nicht tun will, soll wenigstens verpflichtet sein, sich seinen Wählerinnen und Wählern zu erklären.
Wir haben unseren Änderungsantrag nicht als Alibi gemeint. Viele von uns legen schon jetzt ihre finanziellen Verhältnisse offen. Es werden in Zukunft mehr sein. Wo der Gesetzgeber versagt, werden

Norbert Gansel
auch die Parteien durch besondere Verhaltensregeln für ihre Mandatsträger Vorkehr treffen können. Auch wenn unser Änderungsantrag heute keine Mehrheit finden sollte, wird von der großen Zahl der ihn unterstützenden Abgeordneten doch eine Dynamik ausgehen, die hoffen läßt.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Herr Präsident, zum Schluß eine persönliche Bemerkung und eine persönliche Bitte, für die ich niemanden im Bundestag vereinnahmen will: Weil ich zum Kompromiß bereit bin, würde ich einer Grundgesetzänderung und dem Ausführungsgesetz zustimmen, wenn darin die Offenlegung aller Einkünfte geregelt wäre. Deshalb bitte ich darum, daß zuerst über das Abgeordnetengesetz abgestimmt wird - ich stelle keinen Antrag nach der Geschäftsordnung - und erst dann über das Grundgesetz. Das würde die Entscheidung erleichtern. Anderenfalls würde mir nichts anderes übrigbleiben, als gegen die Grundgesetzänderung zu stimmen, die ich verfassungsrechtlich für zulässig halte, mit der ich aber nicht sozusagen die Blankogrundlage für ein Gesetz schaffen möchte, bei dem ich vor den Einzelabstimmungen nicht ausschließen kann, daß es der parlamentarischen Demokratie eher schaden als nutzen könnte.
Und ganz am Schluß: Allen, die zustimmen, auch der Grundgesetzänderung - das muß nach Augsteins bösem Artikel im „Spiegel" gesagt werden -, zolle ich ausdrücklich meinen Respekt, obwohl ich ihre Meinung nicht teile. Bitte teilen Sie die Meinung, daß Abgeordnete für mehr Transparenz und für mehr Glaubwürdigkeit unserer parlamentarischen Demokratie sorgen müssen, indem sie ihre finanziellen Verhältnisse für Wählerinnen und Wähler kontrollierbar machen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der PDS)


Hans-Ulrich Klose (SPD):
Rede ID: ID1305523200
Das Wort hat der Kollege Wilhelm Schmidt, SPD-Fraktion.

Wilhelm Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1305523300
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Da ich der letzte Redner in der Runde hier heute bin, der zu diesem Thema sprechen darf, erlauben Sie mir eine kurze persönliche Wertung dieser Debatte. Ich finde, bei allem, was uns zum Teil getrennt hat, war es ein unheimlicher Gewinn für die Demokratie und den Parlamentarismus in diesem Lande. Wir haben gut daran getan, so ausführlich über die Parlamentsreform insgesamt zu debattieren. Ich danke allen Vorrednerinnen und Vorrednern herzlich dafür.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Ich bin auch dankbar für die Kurzbeiträge und die Kurzinterventionen, die immer wieder stattgefunden haben, weil ich glaube, sie haben einen Teil des Spektrums, das für diese Debatte sehr bedeutsam ist, zusätzlich in die Öffentlichkeit gehoben.
Ich danke vor allem dem Kollegen Scheu - damit auch für seine sonstige Arbeit im Verlauf der vergangenen sechs Monate, in denen wir miteinander verbunden waren - dafür, daß er sich auch heute hier wieder sehr intensiv zu vermeintlichen Kleinigkeiten geäußert hat. Denn damit ist klargeworden, daß wir nicht nur viele Expertinnen und Experten außerhalb des Parlaments bei dieser Arbeit immer wieder eingebunden haben, sondern auch in den eigenen Reihen hohen Sachverstand hatten. Deswegen danke ich auch gerade den Kolleginnen und Kollegen in der Rechtsstellungskommission für diese Arbeit.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Daß Frau Präsidentin Süssmuth und Herr Vizepräsident Klose dadurch, daß sie sich persönlich so engagiert haben, über die Monate hinweg dazu beigetragen haben, die Akzeptanz des Gesamtthemas über einen langen Zeitraum hinweg aufrechtzuerhalten oder zu sichern- ich denke, das ist schon erwähnt worden -, will ich hier ergänzend sagen. Ich glaube, es ist ein Selbstverständnis, aber auch ein Akt der Selbstachtung, den wir hier heute darstellen, bei dem einen oder anderen Widerspruch, den ich dabei durchaus einbinde und den ich durchaus respektiere.
Das allerdings, meine Damen und Herren, was sich in großen Teilen der Medien insbesondere in den vergangenen Tagen abgespielt hat, kann ich nicht akzeptieren und respektieren. Ich frage: Wo waren diese Medienvertreterinnen und -vertreter in den vergangenen Monaten, als die ganzen Inhalte schon längst vor ihnen in der Öffentlichkeit ausgebreitet waren? Niemand hat sich für dieses Thema interessiert. Ich weiß jetzt nicht, ob ich sagen sollte, wofür sie sich in den Sommermonaten hauptsächlich interessiert haben, aber das muß an dieser Stelle nicht auch noch einmal strapaziert werden.
Der entscheidende Punkt ist, glaube ich, daß dies Ganze, wie Kollege Schmidt von der CDU mit Recht gesagt hat, nicht im Schweinsgalopp und gewissermaßen in Form eines U-Boot-Verfahrens durchgeführt worden ist. Im Gegenteil, wir haben das höchstmögliche Maß an Transparenz - das war nicht wenig - immer wieder an den Tag gelegt. Wir haben uns jeder Diskussion im Hause, aber auch in der Öffentlichkeit gestellt.
Ich will das gar nicht so sehr verteidigend sagen. Man muß manchmal fragen: Woher kommt eine solche Einstellung von Medienvertreterinnen und -vertretern? Da sollte man dann auch selbstkritisch genug sein: Ein Teil davon wird hier im Hause selber produziert. Gerade das Umkippen der kleinen Fraktionen in den letzten Tagen und einiger Spezialvertreter insbesondere der F.D.P.

(Jörg van Essen [F.D.P.]: In den letzten Tagen?)

erinnert mich daran, daß es auf diesem Weg schon einmal bessere Etappen miteinander gegeben hat, in denen wir um die Sache gerungen haben. Nun auf einmal findet insbesondere bei Herrn Hirsch und

Wilhelm Schmidt (Salzgitter)

anderen der blanke Populismus statt. Ich kann das nicht akzeptieren.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Es ist wichtig, daß wir am Ende dieser Debatte zusammenfassend noch einmal betonen, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, daß es nicht darum geht, nach, wie Vizepräsident Klose es ab und zu genannt hat, Art von Rosinenpickerei nun für den einen oder anderen das Angenehme aus dem Gesamtpaket herauszunehmen, sich dann auch noch damit zu schmücken und zu sagen: Jawohl, das tragen wir mit, z. B. die innere Reform des Parlaments oder die Verkleinerung, und dann das andere, gewissermaßen den Rest, abzulehnen. Dies kann nicht die Methode sein, schon gar nicht die, die wir miteinander verabredet haben und die über die letzten Wochen und Monate als Konsens gegolten hat.
Es gehört auch dazu, daß man diese Dinge dann sehr offen so anspricht, daß man hier nicht gewissermaßen im letzten Reißaus auf der Zielgeraden des gesamten Unternehmens auf einmal den Eindruck erweckt - vielleicht auch mit Blick auf die bevorstehenden Wahlen -, daß sich diese Dinge vielleicht in anderer Weise an anderer Stelle auszahlen können.
Ich verurteile dies deswegen zutiefst, weil sie an vielen Stellen auch so widersprüchlich argumentieren. Gerade Herr Häfner und Herr Dr. Hirsch haben, wie ich finde, klargemacht, daß die geäußerte Kritik, wenn man das Ganze einer näheren Prüfung unterzieht, gar nicht aufrechtzuerhalten ist. Ich habe nun nicht mehr die Zeit dafür, dies im einzelnen zu erläutern, aber ich stelle mich gern künftigen Debatten; das will ich hier prophylaktisch sagen. Eine haben wir demnächst, am Sonntagabend. Dort können wir die Debatte dann fortsetzen.
Der Punkt ist doch, daß Sie nicht im entferntesten klarmachen können, daß es logisch wäre, auf der einen Seite so zu tun, als wenn man eine gewisse Erhöhung mitmache, und auf der anderen Seite den Weg nicht mitzutragen, der in Ihren eigenen Reihen über Monate als der richtige Weg, z. B. von Herrn Schmidt-Jortzig, angesehen wurde.

(Widerspruch bei der F.D.P.)

Auf diese Weise können wir nicht miteinander umgehen. Auch deswegen tragen wir das so vor.
Meine Damen und Herren, das Gesamtpaket ist in diesem Zusammenhang das Wichtigste. Es besteht nun einmal aus dem Element der Verkleinerung des Parlaments, das uns von der Öffentlichkeit mit Recht abgefordert worden ist und das wir deswegen am 29. Juni dieses Jahres als eine der Säulen in unseren Beschluß eingepflanzt haben, und dem zweiten Element einer inneren Reform. Warum ist es denn nicht ein Gewinn, auch wenn wir uns für die nächsten Monate ein Prüfungsverfahren selbst auferlegt haben, daß wir die Donnerstagskernzeit, öffentliche Ausschußsitzungen, erweiterte Ausschußsitzungen und viele andere Dinge schon jetzt miteinander praktizieren?
Um kurz noch auf die Diäten einzugehen: Die Punkte, die ich eben genannt habe, werden von der sehr vordergründigen Diätendebatte einer ganzen Reihe von Medien und auch Vertretern in diesem Hause unzulässig überdeckt. Ich kann es nicht extragen, wenn wir dann so tun, als wenn wir hier alle in Sack und Asche gehen müßten, und dennoch unsere Arbeit in dem Maße verrichten, wie das die Öffentlichkeit allerdings mit Recht von uns verlangt. Kennt aber jeder Medienvertreter, der in den letzten Tagen über uns hergefallen ist, eigentlich den Alltag eines Abgeordneten, einer Abgeordneten? Über die Hälfte des Jahres sind wir hier im Parlament und in der Umgebung Bonns durch Sitzungswochen festgenagelt. Wir haben darüber hinaus viele andere Aufgaben auch in den Nichtsitzungswochen. Wenn wir dann am Freitagabend in unsere Wahlkreise, man muß ab und zu fast sagen: gegen jede ökologische Vernunft zurückrasen, dann ist es doch so, daß wir dort gleich das gesamte Wochenende mit Wahlkreisarbeit beschäftigt sind, und dies, wie ich finde, mit Recht. Dies kann der Bürger, dies kann der Wähler von uns verlangen.
Dieses Pensum an Arbeit, das - wie ich finde, viel zu gering - auf 80 Stunden wöchentlich - im Jahresdurchschnitt, wohlgemerkt - berechnet wurde, muß angemessen honoriert werden. Hierzu gehört - auch das haben wir betont -, daß wir den Vergleich mit hochstehenden Beamten, mit Richtern und auch mit Vertretern der Wirtschaft und des öffentlichen Lebens durchaus aushalten können und ihnen sogar unter Hinweis darauf ganz deutlich machen wollen, was wir 1975/1977 in diesem Hause schon einmal für richtig gehalten haben und wobei wir an manchen Stellen in den vergangenen Jahren immer wieder vor der öffentlichen Reaktion eingeknickt sind.
Ich will - auch das gehört dazu - ganz kurz etwas zu den Sonderanträgen sagen. Meine Fraktion wird den Änderungsanträgen aus den Fraktionen des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der F.D.P. sowie dem Entschließungsantrag von der Gruppe der PDS nicht zustimmen, weil wir meinen, daß wir dadurch den Konsens, den wir insgesamt erreicht haben, gefährden würden, wiewohl wir, gerade was die Frage der Änderungen in den inneren Abläufen des Parlamentarismus betrifft, auch für die eine oder andere Anregung in den nächsten Monaten noch zugänglich sind, weil wir uns an dieser Stelle eine Offenheit und einen weiteren Fortgang dieser Veränderungen gegenseitig zugesagt haben.
Ich glaube, es ist wichtig, daß wir hier deutlich machen: Das Paket, das wir hier tragen, ist ein geschlossenes. Diese gefundene Geschlossenheit wollen wir nicht verletzen. Wir wollen vor allen Dingen dazu beitragen, daß die Öffentlichkeit erfährt, daß wir überhaupt nicht vor einer öffentlichen Meinung einknicken, die uns nach unserer Auffassung genau in die falsche Richtung führen würde, wenn wir den Parlamentarismus in Deutschland richtig bewerten.
Ich will deswegen an dieser Stelle noch einen Satz zu dem Änderungsantrag, den die Kollegen Conradi und Gansel begründet haben, sagen. Bei allem Respekt, den ich dafür empfinde, seine Einkünfte offen-

Wilhelm Schmidt (Salzgitter)

zulegen, was man vielleicht nicht nur kann, sondern sogar sollte, muß man sagen: Die SPD-Fraktion hat sich mit Mehrheit dagegen gewandt, dies zu einem festen Rechtssatz, zu einer gesetzlichen Vorschrift zu erheben. Ich finde, das muß jeder mit sich selber ausmachen. Ich fordere die Wählerinnen und Wähler und Bürgerinnen und Bürger in den Wahlkreisen auf, das mit ihrem Wahlkreisabgeordneten abzumachen und ihn vielleicht dazu zu überreden, das zu tun.

(Vorsitz: Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer)

Auch ich habe das in meinem Wahlkreis getan. Ich habe das dann vor zwei Jahren einmal abgelehnt, als ein Journalist mich noch einmal darauf ansprach. Ich habe ihm gesagt: Ich bin bereit, meine Einkünfte offenzulegen, wenn Sie Ihre Einkünfte in der Zeitung daneben veröffentlichen. Von da ab war das Thema von seiten der Zeitung ein und für allemal vorbei. Damit ist auch ein gewisser Zustand in der Akzeptanz solcher Fragen erreicht, von denen ich meine, daß sie sehr viel sorgfältiger als in einer solchen Debatte behandelt werden sollten.
Ich will darauf hinweisen, daß ich es nicht für richtig halte, jetzt über andere Anträge abzustimmen und später über den Antrag zur Änderung des Grundgesetzes. Wir sollten deshalb das Abstimmungsverfahren in der vorbesprochenen Weise aufrechterhalten. Die Grundgesetzänderung liefert uns erst die rechtliche Grundlage dafür, über die Geschäftsordnung und über die Abgeordnetenentschädigung abzustimmen. Darum müssen wir zunächst über den Gesetzentwurf zum Grundgesetz abstimmen. In einer anderen Reihenfolge geht es nicht, auch wenn dadurch erreicht wird, daß der Kollege Gansel leider nicht mitstimmen kann.
In diesem Sinne danke ich noch einmal herzlich für die lebendige, für die aufschlußreiche und für die - wie ich finde - dieses Parlament ehrende Debatte. Wir sollten uns von der öffentlichen Meinung, die in Medien ab und zu verbreitet wird und die Gott sei Dank nicht durchgängig ist, nicht übermäßig negativ beeinflussen lassen. Darum wünsche ich diesem Verfahren einen guten Abschluß.
Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1305523400
Das Wort erteile ich jetzt dem Abgeordneten Conradi zu einer Kurzintervention.

Peter Conradi (SPD):
Rede ID: ID1305523500
Der letzte Redner hat gesagt, die SPD-Bundestagsfraktion habe den Gruppenantrag mehrheitlich abgelehnt. Es handelt sich um einen Gruppenantrag, der von Abgeordneten aus vielen Fraktionen getragen wird. Ich stelle dazu fest: Die SPD-Bundestagsfraktion hat über diesen Antrag zu keiner Zeit abgestimmt.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1305523600
Das Wort zur Geschäftsordnung erteile ich jetzt dem Kollegen Schulz.

Werner Schulz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1305523700
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir sollten uns nicht vormachen, daß über diesem Reformpaket nur eitel Sonnenschein läge und daß es hier im Parlament große Stimmigkeit gäbe, auch wenn dieses Gefühl heute erweckt worden ist. Wir sollten vor allen Dingen nicht den Meinen Unterschied zwischen der Stimmung in diesem Haus und der draußen vergessen.
Ich will die Kritik im Vor- und Umfeld nicht überbewerten; Sie alle kennen sie. Es helfen uns auch keine mutigen Reden, uns darüber hinwegzusetzen. Es gibt aber auch Kritik in diesem Haus. Ich denke dabei nur an das Schreiben der Vorsitzenden des Arbeits- und Sozialordnungsausschusses, Ulrike Mascher, die Bedenken angemeldet hat, ob manche Regelung dieser Parlamentsreform überhaupt praktikabel sei.

(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Das haben wir bereinigt, Herr Kollege!)

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ist der Auffassung, daß durchaus Klärungs- und Beratungsbedarf besteht. Wir sollten deshalb nach § 82 unserer Geschäftsordnung sämtliche Anträge zur Parlamentsreform noch einmal in die Ausschüsse überweisen und uns überlegen, ob das Vorhaben ausgereift ist.
Ich will nicht sagen, daß hier ein Hauruck-Verfahren praktiziert worden wäre. Schätzen Sie es aber bitte einmal selbstkritisch ein: Ich glaube, wir legen hier ein enormes gesetzgeberisches Tempo vor: erste Lesung vor der Sommerpause, zweite und dritte Lesung unmittelbar danach. Wenn wir das an anderer Stelle täten, nicht nur in eigener Sache, hätten wir schon den ersten Schritt der Parlamentsreform erreicht.

(Dieter Wiefelspütz [SPD]: Das ist wahr!)

Es geht tatsächlich um das Ansehen des Parlaments, um das Vertrauen in Politik, in Politiker. Es geht um das große nationale Thema. Das Thema heute und morgen wird aber diese Diätenerhöhung sein, nicht die Parlamentsreform. Darüber werden die Leute reden.
Ich frage Sie: Warum haben wir nicht die Souveränität, mit dem Souverän selbst ins Gespräch zu kommen, dem Souverän selbst Rede und Antwort zu stehen? Jedes andere Reformprojekt, jede andere Grundgesetzänderung wird von einer großen Anhörung begleitet.

(Widerspruch bei der CDU/CSU)

Wo war sie denn? Warum laden wir nicht die Kritiker ein, anstatt hier das Gespräch über den abwesenden Herrn von Arnim zu führen?

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der PDS)


Werner Schulz (Berlin)

Warum stellen wir nicht Zahlen gegen Zahlen, Fakten gegen Fakten, Argumente gegen Argumente? Wir haben doch nichts zu verbergen.

(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Haben Sie das denn beantragt? Sie haben es nie beantragt!)

Wenn dies ein wirklich durchdachtes Reformprojekt ist, dann können wir nur gewinnen, Herr Schmidt. Ich bitte Sie: Lassen Sie uns doch diese große Anhörung machen!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Reiner Populismus! Das ist Unsinn!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, überlegen Sie sich genau, was Sie heute machen! Lassen Sie sich Ihren Reform- und Oppositionsschneid nicht abkaufen!

(Zuruf von der SPD: Da brauchen wir keine Nachhilfe von Ihnen!)

Schauen Sie hin! Sehen Sie sich an, wie die Oppositionsrechte in der 13. Wahlperiode eingeschränkt worden sind! Wir erleben zunehmend Regierungserklärungen, während es das Instrument der Oppositionserklärung noch nicht gibt. Wir haben heute nicht mehr die Möglichkeit, über Entschließungsanträge direkt zu Regierungserklärungen abzustimmen. Eine hauchdünne Mehrheit in diesem Hause hat es geschafft, die Opposition nicht nur kleinzureden - das tun Sie selbst -, sondern auch einzuschränken.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1305523800
Herr Kollege, Sie haben das Wort zur Geschäftsordnung.

Werner Schulz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1305523900
Ich sage Ihnen: Wir haben den Schürmann-Bau tagtäglich warnend vor Augen.

(Widerspruch bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

Sorgen wir dafür, daß nach einem langen Planungsvorlauf und einer erfolgten Grundsteinlegung nicht durch eine plötzliche, heftige Woge von außen am Ende nur noch die rostige Armierung einer gewollten Diätenerhöhung aus dem Rohbau einer Parlamentsreform herausragt!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der PDS)


Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1305524000
Ich muß der Ordnung halber noch feststellen, daß die Aussprache zu den Tagesordnungspunkten 7 a bis 7 e vor diesem Beitrag geschlossen wurde. Damit es klar ist: Wir sind jetzt in der Geschäftsordnungsdebatte.
Das Wort zur Geschäftsordnung hat jetzt der Kollege Hörster.

Joachim Hörster (CDU):
Rede ID: ID1305524100
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn die
Kriterien, die der Kollege Schulz eben dafür angeführt hat, eine Parlamentsdebatte nicht zu Ende zu führen und abzuschließen, in allen Fällen gelten würden, kämen wir nie zu einem Ergebnis, weil es immer den einen oder anderen gibt, der mit unseren Entscheidungen nicht zufrieden ist.
Wir haben nun seit fünf Jahren die Frage der Parlamentsreform beraten, und es ist hinreichend deutlich geworden - Sie haben es selbst eingeräumt, Kollege Schulz -, daß es kein Schnellschuß ist, sondern daß die Vorschläge sehr intensiv in den parlamentarischen Gremien beraten worden sind.
Ich bin der Auffassung, daß wir jetzt die Entscheidung zu treffen haben. Das sollten wir heute tun und die Dinge nicht weiter verzögern.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der F.D.P.)


Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1305524200
Das Wort zur Geschäftsordnung erhält nun der Kollege Gysi.

(Unruhe bei der CDU/CSU Zuruf von der CDU/CSU: Wo war er denn den ganzen Tag?)


Andrea Lederer (PDS):
Rede ID: ID1305524300
Sie müssen sich nicht darüber aufregen, wo ich war. Sie haben ja noch andere Sünden begangen: Ich war die ganze Zeit im Plutoniumausschuß.

(Beifall bei der PDS sowie des Abg. Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Im Namen der Abgeordnetengruppe der PDS unterstütze ich diesen Geschäftsordnungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Wir denken auch, daß es noch Beratungsbedarf gibt. Bei der Größe des Vorhabens scheint uns das in jeder Hinsicht angemessen zu sein.
Ich will mir einen einzigen Komplex heraussuchen. Es hat tatsächlich in diesem Sinne keine Anhörung von - meinetwegen auch verschiedenen - Verfassungsrechtlern gegeben. Ich halte eine solche Anhörung für ganz wichtig.
Es ist zwar heute in einer Vielzahl von Beiträgen pauschal gesagt worden, daß das Grundgesetz durch die heutige Entscheidung nicht verletzt wird. Aber ich meine, daß man daran auch ernsthafte Zweifel haben kann, und zwar im Sinne des Art. 79 Abs. 3 in Verbindung mit dem Art. 20 Abs. 1 und Abs. 2.
Zum einen geht es bekanntlich um die Frage der Unabhängigkeit der Abgeordneten und die Tatsache, daß Sie öffentlich und selbst entscheiden müssen, wie die Entschädigung aussieht, und daß sie dafür auch öffentlich rechenschaftspflichtig sind.
Durch die jetzt geplante Grundgesetzänderung entscheiden wir künftig nie wieder unabhängig, sondern immer abhängig, weil wir nämlich über Beamte entscheiden und damit indirekt über uns. Das ist dann ein Abhängigkeitsverhältnis. Dies ist verfassungsrechtlich zumindest problematisch.

Dr. Gregor Gysi
Wer sollte uns denn daran hindern, in einer Anhörung z. B. Verfassungsrechtler dazu einmal grundsätzlich zu hören, um diese Bedenken entweder auszuräumen oder aber ernst zu nehmen?
Das zweite Problem. Ich sehe auch eine Gefahr für die Gewaltenteilung im Sinne des Art. 20 Abs. 2 des Grundgesetzes. Denn machen wir uns doch nichts vor, durch die Grundgesetzänderung erreichen wir eines, was alle Beamten nicht verdient haben: Wir ziehen sie in unser Boot.
Das Parlament muß über die Besoldung der Beamten entscheiden, das wissen Sie. So formal das auch sein mag, jede Entscheidung über die Besoldung der Beamten und damit über die Besoldung der Richter ist künftig zugleich eine Entscheidung über unsere Besoldung. Damit setzen wir auch die Richter einem öffentlichen Druck aus. Wenn wir uns vor Wahlkämpfen, was ja üblich ist, nicht trauen, unsere Entschädigung zu erhöhen, dann trauen wir uns auch nicht mehr, die Besoldung der Richter zu erhöhen, was vielleicht fällig gewesen wäre.

(Unruhe bei der CDU/CSU)

- Auch wenn Sie sich aufregen, es bleibt trotzdem eine Tatsache! Und wenn wir sie dennoch erhöhen, dann schieben wir die Richter und andere vor, obwohl es uns in Wirklichkeit um uns selbst geht. Aus dieser moralischen Verquickung kommen wir nicht mehr heraus. Das wird man doch noch problematisieren dürfen, auch die Frage, ob nicht vielleicht die Unabhängigkeit der Richter dadurch gefährdet ist, daß sie gehaltsmäßig plötzlich an uns geknüpft werden,
) und das auch noch durch das Grundgesetz!

(Beifall bei der PDS Zuruf von der SPD: Vielleicht einmal zur Geschäftsordnung?)

Aus diesen Gründen und um das zu beraten, meine ich, müßten wir eine Anhörung mit Verfassungsrechtlern durchführen, bevor hier endgültig entschieden wird. Deshalb unterstützen wir den Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.
Gestatten Sie mir nur noch zwei Sätze.

(Unruhe bei der CDU/CSU Zurufe von der CDU/CSU: Nein!)

- Das haben Sie gar nicht zu erlauben; so weit geht es ja nun noch nicht!
Ich sage Ihnen folgendes. Hier haben heute sehr viele gesprochen, und sie waren über die Kritik sehr beleidigt. Sie haben sehr beleidigt und sehr getroffen reagiert. Ich bitte Sie, darüber nachzudenken, ob wir wirklich das Recht haben, in diesem Sinne gegenüber der Öffentlichkeit beleidigt zu sein.

(Lachen bei der CDU/CSU - Joachim Hörster [CDU/CSU]: Ausgerechnet die PDS!)

Und als zweites: An dem moralischen Dilemma sind wir doch selber schuld. Sie alle fahren ständig durch das Land und tun so, als ob Sie die kleinen Leute vertreten, und dann wollen Sie hier entscheiden, daß Sie verdienen wie die Großen! Das nehmen Ihnen die Leute übel, und dafür habe ich Verständnis.

(Beifall bei der PDS)


Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1305524400
Das Wort zur Geschäftsordnung hat nun der Kollege Struck.

Dr. Peter Struck (SPD):
Rede ID: ID1305524500
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist bedauerlich, daß gegen Ende der Debatte eigenartige Töne in diese Debatte hineinkommen.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)

Das gilt sowohl, für Ihren Beitrag, Herr Kollege Schulz, als auch für den des Kollegen Gysi, wobei ich als Jurist anfügen möchte: So eine verfassungsrechtliche Argumentation, wie Sie sie vorgetragen haben - dreimal durch die Brust von hinten ins Auge -, kann man sich wirklich schwer vorstellen. Ich denke, damit werden Sie kaum Erfolg haben. Aber das mögen diejenigen prüfen, die sich dazu berufen fühlen.
Nun zu Ihnen, Herr Kollege Schulz. Es ist schon unglaublich, wenn Sie sich hier hinstellen und sagen, man habe nicht einmal eine Anhörung durchgeführt. Dann frage ich Sie einmal: Warum haben Sie keine Anhörung beantragt und kommen erst jetzt damit?

(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der F.D.P.)

Das ist schon eigenartig, und es ist ein bißchen dick aufgetragen.
Ich denke, Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, es gibt kaum ein Gesetzgebungsverfahren zu dem Thema, das uns heute beschäftigt, das so ausführlich, so intensiv nicht nur in den Ausschüssen des Deutschen Bundestages, sondern auch in der Öffentlichkeit diskutiert worden ist. Es bringt überhaupt nichts, die Angelegenheit noch einmal zu vertagen, weil es keine neuen Erkenntnisse geben wird, sondern wir müssen heute entscheiden. Deshalb plädiere ich gegen diese Anträge.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)


Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1305524600
Das Wort zur Geschäftsordnung hat der Kollege van Essen.

Jörg van Essen (FDP):
Rede ID: ID1305524700
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich kann es kurz machen: Wir sind gegen den Antrag der Grünen.

(Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Warum?)

Die F.D.P.-Bundestagsfraktion hat schon im Frühjahr eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die sich mit all diesen Fragen befaßt hat. Wir haben die Arbeit der Rechtsstellungskommission ständig begleitet. Wir haben alle Vorschläge in der Fraktion sowohl vor der Sommerpause als auch jetzt ausführlich diskutiert. Deshalb sind wir der Auffassung, daß jetzt auch entschieden werden muß.

(Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD - Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: O ihr Helden!)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1305524800
Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat beantragt, die Vorlagen zu den Tagesordnungspunkten 7 a bis 7 e an die Ausschüsse zurückzuüberweisen. Darüber gab es jetzt die Geschäftsordnungsdebatte. Wer stimmt für den Antrag auf Zurücküberweisung? - Gegenprobe!
- Enthaltungen? - Die Zurücküberweisung ist damit gegen die Stimmen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und PDS mit den Stimmen des ganzen Hauses abgelehnt.

(Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Des Restes des Hauses!)

- Mit den Stimmen des restlichen Hauses, (Heiterkeit)

was eine bedeutende Anzahl ist.
Wir kommen zu den Abstimmungen. Da wir mehrere namentliche Abstimmungen und zahlreiche weitere Abstimmungen durchführen werden, bitte ich Sie um Ihre besondere Aufmerksamkeit.
Es ist vereinbart, zunächst über zwei Änderungsanträge zum Entwurf zur Änderung des Abgeordnetengesetzes abzustimmen.
Wir stimmen zunächst über den Änderungsantrag der Fraktion der F.D.P. auf Drucksache 13/2364 ab. Die Fraktion der F.D.P. verlangt namentliche Abstimmung.

(Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Sie hat doch kaum noch Namen! Heiterkeit beim BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Ich bitte die Schriftführer, an die Urnen zu gehen, und eröffne die namentliche Abstimmung.
Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine Stimme nicht abgegeben hat? - Das ist nicht der Fall.
Ich schließe die Abstimmung und bitte die Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Das Ergebnis wird später bekanntgegeben.
Wir stimmen nun über den Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zum Abgeordnetengesetz auf Drucksache 13/2372 ab. Auch die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN verlangt namentliche Abstimmung. Sind die Schriftführer an den Urnen? - Ich eröffne die Abstimmung.
Ist ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine Stimme noch nicht abgegeben hat? - Das ist nicht der Fall.
Ich schließe die Abstimmung. Ich bitte die Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen, und unterbreche die Sitzung, bis die Ergebnisse der namentlichen Abstimmungen vorliegen.

(Unterbrechung der Sitzung von 17.20 Uhr bis 17.32 Uhr)


Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1305524900
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet.
Ich gebe das von den Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstimmung fiber den Änderungsantrag der F.D.P. auf Drucksache 13/2364 bekannt. Abgegebene Stimmen: 647. Mit Ja haben gestimmt: 45; mit Nein haben gestimmt: 599; Enthaltungen: 3. Der Änderungsantrag ist damit abgelehnt.
Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 645 davon
ja: 45
nein: 597
enthalten: 3
Ja
F.D.P.
Ina Albowitz
Dr. Gisela Babel Hildebrecht Braun (Augsburg)

Günther Bredehorn Jörg van Essen
Gisela Frick
Paul K. Friedhoff Horst Friedrich
Rainer Funke
Hans-Dietrich Genscher
Dr. Wolfgang Gerhardt Joachim Günther (Plauen)

Dr. Karlheinz Guttmacher
Dr. Helmut Haussmann Ulrich Heinrich
Walter Hirche
Dr. Burkhard Hirsch Birgit Homburger Dr. Werner Hoyer Ulrich Irmer
Dr. Klaus Kinkel
Detlef Kleinert (Hannover) Roland Kohn
Dr. Heinrich L. Kolb Jürgen Koppelin
Dr.-Ing. Karl-Hans Laermann Dr. Otto Graf Lambsdorff Heinz Lanfermann
Sabine LeutheusserSchnarrenberger Uwe Lühr
Jürgen W. Möllemann Günther Friedrich Nolting
Dr. Rainer Ortleb Lisa Peters
Dr. Günter Rexrodt Dr. Klaus Röhl
Helmut Schäfer (Mainz) Cornelia Schmalz-Jacobsen Dr. Edzard Schmidt-Jortzig Dr. Hermann Otto Solms Dr. Max Stadler
Carl-Ludwig Thiele Dr. Dieter Thomae Jürgen Türk
Dr. Wolfgang Weng
Nein
CDU/CSU
Ulrich Adam Peter Altmaier Anneliese Augustin
Jürgen Augustinowitz
Dietrich Austermann Heinz-Günter Bargfrede
Franz Peter Basten
Dr. Wolf Bauer Brigitte Baumeister
Meinrad Belle
Dr. Sabine Bergmann-Pohl Hans-Dirk Bierling
Dr. Joseph-Theodor Blank Renate Blank
Dr. Heribert Blens Peter Bleser
Dr. Norbert Blüm Friedrich Bohl
Dr. Maria Böhmer Jochen Borchert
Wolfgang Börnsen (Bönstrup) Wolfgang Bosbach
Dr. Wolfgang Bötsch
Klaus Brähmig
Rudolf Braun (Auerbach)

Paul Breuer
Monika Brudlewsky
Georg Brunnhuber
Klaus Bühler (Bruchsal) Hartmut Büttner

(Schönebeck)

Dankward Buwitt
Manfred Carstens (Emstek) Peter Harry Carstensen

(Nordstrand) Wolfgang Dehnel Hubert Deittert Gertrud Dempwolf

Albert Deß
Renate Diemers Wilhelm Dietzel Werner Dörflinger Hansjürgen Doss Dr. Alfred Dregger
Maria Eichhorn Wolfgang Engelmann
Rainer Eppelmann
Heinz Dieter Eßmann
Horst Eylmann Anke Eymer Ilse Falk
Dr. Kurt Faltlhauser
Jochen Feilcke Dr. Karl H. Fell Ulf Fink

Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer
Dirk Fischer (Hamburg) Leni Fischer (Unna)
Klaus Francke (Hamburg) Herbert Frankenhauser Dr. Gerhard Friedrich Erich G. Fritz
Hans-Joachim Fuchtel Michaela Geiger Norbert Geis
Dr. Heiner Geißler Michael Glos
Wilma Glücklich
Dr. Reinhard Göhner Peter Götz
Dr. Wolfgang Götzer Joachim Gres
Wolfgang Gröbl Hermann Gröhe Claus-Peter Grotz Manfred Grund
Horst Günther (Duisburg) Carl-Detlev
Freiherr von Hammerstein Gottfried Haschke

(Großhennersdorf) Gerda Hasselfeldt Rainer Haungs

Otto Hauser (Esslingen) Hansgeorg Hauser

(Rednitzhembach) Klaus-Jürgen Hedrich Manfred Heise

Dr. Renate Hellwig Ernst Hinsken
Peter Hintze
Josef Hollerith
Dr. Karl-Heinz Hornhues Siegfried Hornung Joachim Hörster
Hubert Hüppe
Peter Jacoby
Susanne Jaffke
Georg Janovsky Helmut Jawurek Dr. Dionys Jobst
Michael Jung (Limburg) Ulrich Junghanns
Dr. Harald Kahl Bartholomäus Kalb Steffen Kampeter Dr.-Ing. Dietmar Kansy Manfred Kanther Irmgard Karwatzki Volker Kauder
Peter Keller
Eckart von Klaeden Dr. Bernd Klaußner Hans Klein (München) Ulrich Klinkert
Dr. Helmut Kohl Hans-Ulrich Köhler (Hainspitz)

Manfred Kolbe
Norbert Königshofen Eva-Maria Kors
Hartmut Koschyk Manfred Koslowski Thomas Kossendey Rudolf Kraus
Wolfgang Krause (Dessau) Andreas Krautscheid Arnulf Kriedner Heinz-Jürgen Kronberg Dr.-Ing. Paul Krüger Reiner Krziskewitz
Dr. Hermann Kues Werner Kuhn
Karl Lamers
Dr. Karl A. Lamers

(Heidelberg)

Dr. Norbert Lammert Helmut Lamp
Armin Laschet Herbert Lattmann Dr. Paul Laufs
Karl-Josef Laumann Werner Lensing Christian Lenzer Peter Letzgus
Editha Limbach Walter Link (Diepholz) Eduard Lintner
Dr. Klaus W. Lippold

(Offenbach)

Dr. Manfred Lischewski Wolfgang Lohmann

(Lüdenscheid) Julius Louven

Sigrun Löwisch Heinrich Lummer Dr. Michael Luther
Erich Maaß (Wilhelmshaven) Dr. Dietrich Mahlo
Erwin Marschewski Günter Marten
Dr. Martin Mayer

(Siegertsbrunn) Wolfgang Meckelburg Rudolf Meinl

Dr. Michael Meister Dr. Angela Merkel Friedrich Merz
Rudolf Meyer (Winsen)

Hans Michelbach Meinolf Michels Dr. Gerd Müller
Elmar Müller (Kirchheim) Engelbert Nelle
Bernd Neumann (Bremen) Johannes Nitsch
Claudia Nolte
Dr. Rolf Olderog Friedhelm Ost Eduard Oswald Norbert Otto (Erfurt) Dr. Gerhard Päselt Dr. Peter Paziorek Hans-Wilhelm Pesch Ulrich Petzold Anton Pfeifer
Angelika Pfeiffer Dr. Gero Pfennig
Dr. Friedbert Pflüger Beatrix Philipp
Dr. Winfried Pinger Ronald Pofalla
Dr. Hermann Pohler Ruprecht Polenz Marlies Pretzlaff
Dr. Albert Probst Dr. Bernd Protzner Dieter Pützhofen Thomas Rachel Hans Raidel
Dr. Peter Ramsauer Rolf Rau
Helmut Rauber Peter Harald Rauen Otto Regenspurger
Christa Reichard (Dresden)

Klaus Dieter Reichardt (Mannheim)

Dr. Bertold Reinartz
Erika Reinhardt Hans-Peter Repnik
Roland Richter Roland Richwien Dr. Norbert Rieder Dr. Erich Riedl

(München) Klaus Riegert

Dr. Heinz Riesenhuber Hannelore Rönsch

(Wiesbaden) Heinrich-Wilhelm Ronsöhr Dr. Klaus Rose

Kurt J. Rossmanith
Adolf Roth (Gießen)

Norbert Röttgen Dr. Christian Ruck Volker Rühe
Dr. Jürgen Rüttgers
Roland Sauer (Stuttgart) Ortrun Schätzle
Dr. Wolfgang Schäuble Hartmut Schauerte
Heinz Schemken Karl-Heinz Scherhag Gerhard Scheu Norbert Schindler Dietmar Schlee Ulrich Schmalz Bernd Schmidbauer
Christian Schmidt (Fürth) Dr.-Ing. Joachim Schmidt

(Halsbrücke)

Andreas Schmidt (Mülheim) Hans-Otto Schmiedeberg Hans Peter Schmitz

(Baesweiler) Michael von Schmude

Birgit Schnieber-Jastram
Dr. Andreas Schockenhoff Dr. Rupert Scholz Reinhard Freiherr von
Schorlemer
Dr. Erika Schuchardt Wolfgang Schulhoff Gerhard Schulz (Leipzig) Frederick Schulze Diethard Schütze (Berlin) Clemens Schwalbe
Dr. Christian Schwarz-Schilling
Wilhelm Josef Sebastian Horst Seehofer
Wilfried Seibel Heinz-Georg Seiffert
Rudolf Seiters Johannes Selle Bernd Siebert Jürgen Sikora
Johannes Singhammer Bärbel Sothmann Margarete Späte Carl-Dieter Spranger Wolfgang Steiger Erika Steinbach
Dr. Wolfgang Freiherr von
Stetten
Dr. Gerhard Stoltenberg Andreas Storm
Max Straubinger Michael Stübgen Egon Susset
Dr. Rita Süssmuth Michael Teiser
Dr. Susanne Tiemann
Dr. Klaus Töpfer Gottfried Tröger
Dr. Klaus-Dieter Uelhoff Gunnar Uldall Wolfgang Vogt (Duren)

Dr. Horst Waffenschmidt
Dr. Theodor Waigel
Alois Graf von Waldburg-Zeil Dr. Jürgen Warnke
Kersten Wetzel
Hans-Otto Wilhelm (Mainz) Gert Willner
Bernd Wilz
Willy Wimmer (Neuss) Matthias Wissmann Simon Wittmann

(Tännesberg) Dagmar Wöhrl Michael Wonneberger

Elke Wülfing
Peter Kurt Würzbach
Cornelia Yzer
Wolfgang Zeitlmann
Benno Zierer
Wolfgang Zöller
SPD
Gerd Andres Hermann Bachmaier
Ernst Bahr
Doris Barnett Klaus Barthel
Ingrid Becker-Inglau Wolfgang Behrendt
Hans Berger Hans-Werner Bertl
Friedhelm Julius Beucher Rudolf Bindig
Dr. Ulrich Böhme (Unna) Arne Börnsen (Ritterhude) Anni Brandt-Elsweier
Tilo Braune
Dr. Eberhard Brecht
Edelgard Bulmahn
Ursula Burchardt
Hans Martin Bury
Hans Büttner (Ingolstadt) Marion Caspers-Merk Wolf-Michael Catenhusen Peter Conradi
Christel Deichmann
Karl Diller
Dr. Marliese Dobberthien Peter Dreßen
Rudolf Dreßler Freimut Duve Ludwig Eich Peter Enders Petra Ernstberger
Annette Faße Elke Ferner
Lothar Fischer (Homburg) Gabriele Fograscher
Iris Follak
Norbert Formanski
Dagmar Freitag Anke Fuchs (Köln)

Katrin Fuchs (Verl)

Arne Fuhrmann

Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer
Monika Ganseforth Konrad Gilges
Iris Gleicke
Günter Gloser Dr. Peter Glotz
Günter Graf (Friesoythe) Angelika Graf (Rosenheim) Dieter Grasedieck
Achim Großmann Hans-Joachim Hacker
Klaus Hagemann Manfred Hampel Christel Hanewinckel
Alfred Hartenbach Dr. Liesel Hartenstein
Klaus Hasenfratz
Dr. Ingomar Hauchler
Dieter Heistermann
Reinhold Hemker Rolf Hempelmann Dr. Barbara Hendricks
Monika Heubaum Uwe Hiksch
Reinhold Hiller (Lübeck) Stephan Hilsberg
Gerd Höfer
Jelena Hoffmann (Chemnitz) Frank Hofmann (Volkach)
Ingrid Holzhüter Erwin Horn
Eike Hovermann Lothar Ibrügger Wolfgang Ilte Barbara Imhof Brunhilde Irber Gabriele Iwersen Renate Jäger Jann-Peter Janssen Ilse Janz
Dr. Uwe Jens
Volker Jung (Düsseldorf)

Sabine Kaspereit Susanne Kastner Ernst Kastning Hans-Peter Kemper
Klaus Kirschner Marianne Klappert
Siegrun Klemmer Hans-Ulrich Klose Dr. Hans-Hinrich Knaape
Walter Kolbow Fritz Rudolf Körper
Nicolette Kressl Volker Kröning Thomas Krüger Horst Kubatschka Eckart Kuhlwein Konrad Kunick Christine Kurzhals Dr. Uwe Küster Werner Labsch Brigitte Lange Detlev von Larcher
Waltraud Lehn
Dr. Elke Leonhard Klaus Lohmann (Witten)

Christa Lörcher Erika Lotz
Dr. Christine Lucyga
Dieter Maaß (Herne)

Winfried Mante Dorle Marx
Ulrike Mascher Christoph Matschie
Ingrid Matthäus-Maier
Heide Mattischeck Ulrike Mehl
Herbert Meißner
Angelika Mertens
Dr. Jürgen Meyer (Ulm) Ursula Mogg
Siegmar Mosdorf
Michael Müller (Düsseldorf) Jutta Müller (Völklingen) Christian Müller (Zittau) Kurt Neumann (Berlin) Volker Neumann (Bramsche) Gerhard Neumann (Gotha) Dr. Edith Niehuis
Dr. Rolf Niese
Doris Odendahl
Günter Oesinghaus Leyla Onur
Manfred Opel
Adolf Ostertag
Kurt Palis
Albrecht Papenroth Dr. Wilfried Penner Dr. Martin Pfaff
Georg Pfannenstein Dr. Eckhart Pick
Joachim Poß
Rudolf Purps
Hermann Rappe

(Hildesheim)

Karin Rehbock-Zureich Margot von Renesse Renate Rennebach Otto Reschke
Bernd Reuter
Dr. Edelbert Richter Günter Rixe
Reinhold Robbe
Gerhard Rübenkönig Dr. Hansjörg Schäfer Gudrun Schaich-Walch Dieter Schanz
Rudoll Scharping Bernd Scheelen
Dr. Hermann Scheer Siegfried Scheffler Horst Schild
Otto Schily
Dieter Schloten
Günter Schluckebier Horst Schmidbauer (Nürnberg)

Ursula Schmidt (Aachen) Dagmar Schmidt (Meschede) Wilhelm Schmidt (Salzgitter) Regina Schmidt-Zadel
Heinz Schmitt (Berg) Dr. Emil Schnell
Walter Schöler
Ottmar Schreiner Gisela Schröter
Dr. Mathias Schubert Richard Schuhmann (Delitzsch)

Brigitte Schulte (Hameln) Reinhard Schultz (Everswinkel)
Volkmar Schultz (Köln) Dr. R. Werner Schuster
Dietmar Schütz (Oldenburg) Dr. Angelica Schwall-Düren Ernst Schwanhold
Rolf Schwanitz
Bodo Seidenthal
Lisa Seuster
Horst Sielaff
Erika Simm
Johannes Singer
Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk
Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast Wieland Sorge
Wolfgang Spanier Dr. Dietrich Sperling Jörg-Otto Spiller Antje-Marie Steen Ludwig Stiegler
Dr. Peter Struck Joachim Tappe
Jörg Tauss
Dr. Bodo Teichmann Margitta Terborg Jella Teuchner
Dr. Gerald Thalheim Wolfgang Thierse Dietmar Thieser Franz Thönnes
Uta Titze-Stecher Adelheid Tröscher Hans-Eberhard Urbaniak Siegfried Vergin
Günter Verheugen Ute Vogt (Pforzheim)

Karsten D. Voigt (Frankfurt) Josef Vosen
Hans Georg Wagner Dr. Konstanze Wegner Wolfgang Weiermann
Reinhard Weis (Stendal) Matthias Weisheit Gunter Weißgerber
Gert Weisskirchen (Wiesloch) Jochen Welt
Hildegard Wester Lydia Westrich
Inge Wettig-Danielmeier Helmut Wieczorek (Duisburg) Heidemarie Wieczorek-Zeul Dieter Wiefelspütz
Berthold Wittich
Dr. Wolfgang Wodarg Verena Wohlleben Hanna Wolf (München)

Heidi Wright
Uta Zapf
Dr. Christoph Zöpel Peter Zumkley
BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN
Gila Altmann (Aurich) Elisabeth Altmann

(Pommelsbrunn) Marieluise Beck (Bremen) Volker Beck (Köln) Matthias Berninger Annelie Buntenbach Franziska Eichstädt-Bohlig Dr. Uschi Eid

Andrea Fischer (Berlin) Joseph Fischer (Frankfurt) Rita Grießhaber
Gerald Häfner
Antje Hermenau Kristin Heyne
Ulrike Höfken
Michaele Hustedt Dr. Manuel Kiper Monika Knoche
Dr. Angelika Köster-Loßack Steffi Lemke
Vera Lengsfeld
Dr. Helmut Lippelt Oswald Metzger Kerstin Müller (Köln) Winfried Nachtwei Gerd Poppe
Simone Probst
Dr. Jürgen Rochlitz Halo Saibold
Irmingard Schewe-Gerigk Rezzo Schlauch
Wolfgang Schmitt

(Langenfeld) Waltraud Schoppe Werner Schulz (Berlin) Rainder Steenblock Marina Steindor Christian Sterzing Manfred Such

Dr. Antje Vollmer Ludger Volmer
Helmut Wilhelm (Amberg)

PDS
Wolfgang Bierstedt Petra Bläss
Eva Bulling-Schröter Heinrich Graf von Einsiedel Dr. Ludwig Elm
Dr. Dagmar Enkelmann
Dr. Ruth Fuchs Dr. Gregor Gysi Dr. Uwe-Jens Heuer
Stefan Heym Dr. Barbara Höll Ulla Jelpke
Gerhard Jüttemann
Dr. Heidi Knake-Werner
Rolf Köhne
Rolf Kutzmutz Andrea Lederer Dr. Christa Luft Heidemarie Lüth
Dr. Günther Maleuda Manfred Müller (Berlin) Rosel Neuhäuser
Dr. Uwe-Jens Rössel Christina Schenk Steffen Tippach Klaus-Jürgen Warnick
Dr. Winfried Wolf Gerhard Zwerenz
Enthalten
CDU/CSU
Dr. Egon Jüttner
SPD
Norbert Gansel
BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN Christa Nickels

Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer
Ich gebe jetzt das von den Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Drucksache 13/2372 bekannt. Abgegebene Stimmen: 641. Mit Ja haben gestimmt: 39; mit Nein haben gestimmt: 598; Enthaltungen: 4. Der Änderungsantrag ist damit abgelehnt.
Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 637 davon
ja: 38
nein: 595
enthalten: 4
Ja
BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN
Elisabeth Altmann

(Pommelsbrunn) Marieluise Beck (Bremen) Volker Beck (Köln) Matthias Berninger Annelie Buntenbach Franziska Eichstädt-Bohlig Dr. Uschi Eid

Andrea Fischer (Berlin) Joseph Fischer (Frankfurt) Rita Grießhaber
Gerald Häfner
Antje Hermenau Kristin Heyne
Ulrike Höfken
Michaele Hustedt Dr. Manuel Kiper Monika Knoche
Dr. Angelika Köster-Loßack Vera Lengsfeld
Dr. Helmut Lippelt Oswald Metzger Kerstin Müller (Köln) Winfried Nachtwei Christa Nickels
Gerd Poppe
Simone Probst
Dr. Jürgen Rochlitz Halo Saibold
Irmingard Schewe-Gerigk Rezzo Schlauch
Wolfgang Schmitt

(Langenfeld)

Waltraud Schoppe Werner Schulz (Berlin) Rainder Steenblock Marina Steindor Christian Sterzing Ludger Volmer
Helmut Wilhelm (Amberg)

Nein
CDU/CSU
Ulrich Adam
Peter Altmaier
Anneliese Augustin Jürgen Augustinowitz
Dietrich Austermann Heinz-Günter Bargfrede Franz Peter Basten
Dr. Wolf Bauer
Brigitte Baumeister Meinrad Belle
Dr. Sabine Bergmann-Pohl Hans-Dirk Bierling
Dr. Joseph-Theodor Blank Renate Blank
Dr. Heribert Blens Peter Bleser
Dr. Norbert Blüm Friedrich Bohl
Dr. Maria Böhmer Jochen Borchert
Wolfgang Börnsen (Bönstrup) Wolfgang Bosbach
Dr. Wolfgang Bötsch Klaus Brähmig
Rudolf Braun (Auerbach) Paul Breuer
Monika Brudlewsky Georg Brunnhuber Klaus Bühler (Bruchsal) Hartmut Büttner

(Schönebeck)

Dankwart Buwitt
Manfred Carstens (Emstek) Peter Harry Carstensen

(Nordstrand)

Wolfgang Dehnel Hubert Deittert
Gertrud Dempwolf Albert Deß
Renate Diemers Wilhelm Dietzel Werner Dörflinger Hansjürgen Doss Dr. Alfred Dregger Maria Eichhorn
Wolfgang Engelmann Rainer Eppelmann Heinz Dieter Eßmann Horst Eylmann
Anke Eymer
Ilse Falk
Dr. Kurt Faltlhauser Jochen Feilcke
Dr. Karl H. Fell
Ulf Fink
Dirk Fischer (Hamburg)

Leni Fischer (Unna)

Klaus Francke (Hamburg) Herbert Frankenhauser
Dr. Gerhard Friedrich Erich G. Fritz
Hans-Joachim Fuchtel Michaela Geiger Norbert Geis
Dr. Heiner Geißler Michael Glos
Wilma Glücklich
Dr. Reinhard Göhner Peter Götz
Dr. Wolfgang Götzer Joachim Gres
Kurt-Dieter Grill Wolfgang Gröbl Hermann Gröhe Claus-Peter Grotz Manfred Grund
Horst Günther (Duisburg) Carl-Detlev Freiherr von
Hammerstein
Gottfried Haschke

(Großhennersdorf) Gerda Hasselfeldt Rainer Haungs

Otto Hauser (Esslingen) Hansgeorg Hauser

(Rednitzhembach) Klaus-Jürgen Hedrich Manfred Heise

Dr. Renate Hellwig Ernst Hinsken Peter Hintze
Josef Hollerith
Dr. Karl-Heinz Hornhues Siegfried Hornung Joachim Hörster
Hubert Hüppe Peter Jacoby
Susanne Jaffke Georg Janovsky Helmut Jawurek Dr. Dionys Jobst
Michael Jung (Limburg) Ulrich Junghanns
Dr. Egon Jüttner Dr. Harald Kahl Bartholomäus Kalb Steffen Kampeter
Dr.-Ing. Dietmar Kansy Manfred Kanther Irmgard Karwatzki Volker Kauder
Peter Keller
Eckart von Klaeden Dr. Bernd Klaußner Hans Klein (München) Ulrich Klinkert
Dr. Helmut Kohl Hans-Ulrich Köhler

(Hainspitz)

Manfred Kolbe Norbert Königshof en Eva-Maria Kors Hartmut Koschyk Manfred Koslowski Thomas Kossendey Rudolf Kraus
Wolfgang Krause (Dessau) Andreas Krautscheid Arnulf Kriedner Heinz-Jürgen Kronberg Dr.-Ing. Paul Krüger Reiner Krziskewitz
Dr. Hermann Kues Werner Kuhn
Karl Lamers
Dr. Karl A. Lamers

(Heidelberg)

Dr. Norbert Lammert Armin Laschet Herbert Lattmann Dr. Paul Laufs Karl-Josef Laumann Werner Lensing Christian Lenzer Peter Letzgus
Editha Limbach Walter Link (Diepholz) Eduard Lintner
Dr. Klaus W. Lippold (Offenbach)

Dr. Manfred Lischewski Wolfgang Lohmann

(Lüdenscheid) Julius Louven

Sigrun Löwisch
Heinrich Lummer Dr. Michael Luther
Erich Maaß (Wilhelmshaven) Dr. Dietrich Mahlo
Erwin Marschewski Günter Marten
Dr. Martin Mayer

(Siegertsbrunn) Wolfgang Meckelburg Rudolf Meinl

Dr. Michael Meister Dr. Angela Merkel Friedrich Merz
Rudolf Meyer (Winsen) Hans Michelbach Meinolf Michels
Dr. Gerd Müller
Elmar Müller (Kirchheim) Engelbert Nelle
Bernd Neumann (Bremen) Johannes Nitsch
Claudia Nolte
Dr. Rolf Olderog Friedhelm Ost
Eduard Oswald Norbert Otto (Erfurt) Dr. Gerhard Päselt Dr. Peter Paziorek Hans-Wilhelm Pesch Ulrich Petzold
Anton Pfeifer
Angelika Pfeiffer Dr. Gero Pfennig
Dr. Friedbert Pflüger Beatrix Philipp
Dr. Winfried Pinger Ronald Pofalla
Dr. Hermann Pohler Ruprecht Polenz Marlies Pretzlaff
Dr. Albert Probst Dr. Bernd Protzner Dieter Pützhofen Thomas Rachel
Hans Raidel
Dr. Peter Ramsauer Rolf Rau
Helmut Rauber
Peter Harald Rauen Otto Regenspurger
Christa Reichard (Dresden) Dr. Bertold Reinartz
Erika Reinhardt Hans-Peter Repnik Roland Richter
Roland Richwien Dr. Norbert Rieder Dr. Erich Riedl

(München)

Klaus Riegert
Dr. Heinz Riesenhuber Hannelore Rönsch

(Wiesbaden) Heinrich-Wilhelm Ronsöhr Dr. Klaus Rose

Kurt J. Rossmanith

Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer
Adolf Roth (Gießen)

Norbert Röttgen Dr. Christian Ruck Volker Rühe
Dr. Jürgen Rüttgers
Roland Sauer (Stuttgart) Ortrun Schätzle
Dr. Wolfgang Schäuble Hartmut Schauerte
Heinz Schemken Karl-Heinz Scherhag Gerhard Scheu Norbert Schindler Dietmar Schlee Ulrich Schmalz Bernd Schmidbauer
Christian Schmidt (Fürth)

Dr.-Ing. Joachim Schmidt

(Halsbrücke)

Andreas Schmidt (Mülheim) Hans-Otto Schmiedeberg Hans Peter Schmitz

(Baesweiler) Michael von Schmude

Birgit Schnieber-Jastram
Dr. Andreas Schockenhoff Dr. Rupert Scholz Reinhard Freiherr von
Schorlemer
Dr. Erika Schuchardt Wolfgang Schulhoff
Dr. Dieter Schulte

(Schwäbisch Gmünd) Gerhard Schulz (Leipzig) Frederick Schulze Diethard Schütze (Berlin) Clemens Schwalbe

Dr. Christian Schwarz-Schilling
Wilhelm Josef Sebastian Horst Seehofer
Wilfried Seibel Heinz-Georg Seiffert
Rudolf Seiters Johannes Selle Bernd Siebert Jürgen Sikora
Johannes Singhammer Bärbel Sothmann Margarete Späte Carl-Dieter Spranger Wolfgang Steiger Erika Steinbach
Dr. Wolfgang Freiherr von
Stetten
Dr. Gerhard Stoltenberg Andreas Storm
Max Straubinger Michael Stübgen Egon Susset
Dr. Rita Süssmuth Michael Teiser
Dr. Susanne Tiemann
Dr. Klaus Töpfer Gottfried Tröger
Dr. Klaus-Dieter Uelhoff Gunnar Uldall Wolfgang Vogt (Duren)

Dr. Horst Waffenschmidt
Dr. Theodor Waigel
Alois Graf von Waldburg-Zeil Dr. Jürgen Warnke
Kersten Wetzel
Hans-Otto Wilhelm (Mainz) Gert Willner
Bernd Wilz
Willy Wimmer (Neuss) Matthias Wissmann Simon Wittmann

(Tännesberg)

Dagmar Wöhrl
Michael Wonneberger Elke Wülfing
Peter Kurt Würzbach Cornelia Yzer
Wolfgang Zeitlmann Wolfgang Zöller
SPD
Gerd Andres
Robert Antretter Hermann Bachmaier Ernst Bahr
Doris Barnett
Klaus Barthel
Ingrid Becker-Inglau Wolfgang Behrendt Hans Berger
Hans-Werner Bertl Friedhelm Julius Beucher Rudolf Bindig
Dr. Ulrich Böhme (Unna) Arne Börnsen (Ritterhude) Anni Brandt-Elsweier
Tilo Braune
Dr. Eberhard Brecht Edelgard Bulmahn Ursula Burchardt Hans Martin Bury
Hans Büttner (Ingolstadt) Marion Caspers-Merk Wolf-Michael Catenhusen Peter Conradi
Christel Deichmann Karl Diller
Dr. Marliese Dobberthien Peter Dreßen
Rudolf Dreßler
Freimut Duve
Ludwig Eich
Peter Enders
Gernot Erler
Petra Ernstberger Elke Ferner
Lothar Fischer (Homburg) Gabriele Fograscher
Iris Follak
Norbert Formanski Dagmar Freitag Anke Fuchs (Köln) Katrin Fuchs (Verl) Arne Fuhrmann Monika Ganseforth Norbert Gansel
Konrad Gilges
Iris Gleicke
Günter Gloser
Dr. Peter Glotz
Dieter Grasedieck Hans-Joachim Hacker Klaus Hagemann Manfred Hampel Christel Hanewinckel Alfred Hartenbach
Dr. Liesel Hartenstein Klaus Hasenfratz
Dr. Ingomar Hauchler Dieter Heistermann Reinhold Hemker Rolf Hempelmann
Dr. Barbara Hendricks Monika Heubaum Uwe Hiksch
Reinhold Hiller (Lübeck) Stephan Hilsberg
Gerd Höfer
Jelena Hoffmann (Chemnitz) Frank Hofmann (Volkach) Ingrid Holzhüter
Erwin Horn
Eike Hovermann Lothar Ibrügger Wolfgang Ilte
Barbara Imhof Brunhilde Irber Gabriele Iwersen Renate Jäger
Jann-Peter Janssen Ilse Janz
Dr. Uwe Jens
Volker Jung (Düsseldorf) Sabine Kaspereit Susanne Kastner
Ernst Kastning Hans-Peter Kemper Klaus Kirschner Marianne Klappert Siegrun Klemmer Hans-Ulrich Klose
Dr. Hans-Hinrich Knaape Walter Kolbow
Fritz Rudolf Körper Nicolette Kressl Volker Kröning Thomas Krüger Horst Kubatschka Eckart Kuhlwein Konrad Kunick Christine Kurzhals Dr. Uwe Küster Werner Labsch Brigitte Lange Detlev von Larcher Waltraud Lehn
Dr. Elke Leonhard Klaus Lohmann (Witten) Christa Lörcher
Erika Lotz
Dr. Christine Lucyga Dieter Maaß (Herne) Winfried Mante Dorle Marx
Ulrike Mascher Christoph Matschie Ingrid Matthäus-Maier
Heide Mattischeck Ulrike Mehl
Herbert Meißner Angelika Mertens
Dr. Jürgen Meyer (Ulm) Ursula Mogg
Siegmar Mosdorf
Michael Müller (Düsseldorf) Jutta Müller (Völklingen) Christian Müller (Zittau) Volker Neumann (Bramsche) Gerhard Neumann (Gotha) Dr. Edith Niehuis
Dr. Rolf Niese
Doris Odendahl Günter Oesinghaus Leyla Onur
Manfred Opel Adolf Ostertag Kurt Palis
Albrecht Papenroth
Dr. Wilfried Penner Dr. Martin Pfaff Georg Pfannenstein Dr. Eckhart Pick Joachim Poß
Rudolf Purps
Hermann Rappe

(Hildesheim)

Karin Rehbock-Zureich Margot von Renesse Renate Rennebach Otto Reschke
Bernd Reuter
Günter Rixe
Reinhold Robbe Gerhard Rübenkönig
Dr. Hansjörg Schäfer
Gudrun Schaich-Walch Dieter Schanz
Rudolf Scharping Bernd Scheelen
Dr. Hermann Scheer Siegfried Scheffler Horst Schild
Otto Schily
Dieter Schloten Günter Schluckebier
Horst Schmidbauer (Nürnberg)

Ursula Schmidt (Aachen) Dagmar Schmidt (Meschede) Wilhelm Schmidt (Salzgitter) Regina Schmidt-Zadel
Heinz Schmitt (Berg)

Dr. Emil Schnell Walter Schöler Ottmar Schreiner Gisela Schröter Dr. Mathias Schubert
Richard Schuhmann (Delitzsch)

Brigitte Schulte (Hameln) Reinhard Schultz

(Everswinkel) Volkmar Schultz (Köln)

Dr. R. Werner Schuster Dietmar Schütz (Oldenburg) Dr. Angelica Schwall-Düren Ernst Schwanhold
Rolf Schwanitz Bodo Seidenthal Lisa Seuster
Horst Sielaff
Erika Simm
Johannes Singer
Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk
Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast Wieland Sorge
Wolfgang Spanier Jörg-Otto Spiller Antje-Marie Steen Dr. Peter Struck Joachim Tappe Jörg Tauss
Dr. Bodo Teichmann Margitta Terborg Jella Teuchner Wolfgang Thierse Dietmar Thieser Franz Thönnes
Uta Titze-Stecher Adelheid Tröscher Hans-Eberhard Urbaniak Siegfried Vergin
Günter Verheugen Ute Vogt (Pforzheim)


Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer
Karsten D. Voigt (Frankfurt) Josef Vosen
Hans Georg Wagner Dr. Konstanze Wegner Wolfgang Weiermann
Reinhard Weis (Stendal) Matthias Weisheit Gunter Weißgerber
Gert Weisskirchen (Wiesloch) Jochen Welt
Hildegard Wester Lydia Westrich
Inge Wettig-Danielmeier
Dr. Norbert Wieczorek Helmut Wieczorek (Duisburg)

Heidemarie Wieczorek-Zeul Dieter Wiefelspütz
Berthold Wittich
Dr. Wolfgang Wodarg Verena Wohlleben Hanna Wolf (München)

Heidi Wright
Uta Zapf
Dr. Christoph Zöpel Peter Zumkley
BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN Gila Altmann (Aurich)

F.D.P.
Ina Albowitz
Dr. Gisela Babel Hildebrecht Braun (Augsburg)

Günther Bredehorn Jörg van Essen
Gisela Frick
Paul K. Friedhoff Horst Friedrich
Rainer Funke
Dr. Wolfgang Gerhardt Joachim Günther (Plauen)

Dr. Karlheinz Guttmacher
Dr. Helmut Haussmann
Ulrich Heinrich Walter Hirche
Dr. Burkhard Hirsch Birgit Homburger Dr. Werner Hoyer Ulrich Irmer
Dr. Klaus Kinkel
Detlef Kleinert (Hannover) Roland Kohn
Dr. Heinrich L. Kolb Jürgen Koppelin
Dr.-Ing. Karl-Hans Laermann
Dr. Otto Graf Lambsdorff
Heinz Lanfermann Sabine Leutheusser-Schnarrenberger
Uwe Lühr
Jürgen W. Möllemann Günther Friedrich Nolting Dr. Rainer Ortleb
Lisa Peters
Dr. Günter Rexrodt
Dr. Klaus Röhl
Helmut Schäfer (Mainz) Cornelia Schmalz-Jacobsen Dr. Edzard Schmidt-Jortzig Dr. Hermann Otto Solms Dr. Max Stadler
Carl-Ludwig Thiele
Dr. Dieter Thomae
Jürgen Türk
Dr. Wolfgang Weng (Gerlingen)

PDS
Wolfgang Bierstedt
Petra Bläss
Eva Bulling-Schröter Heinrich Graf von Einsiedel Dr. Ludwig Elm
Dr. Dagmar Enkelmann Dr. Ruth Fuchs
Dr. Gregor Gysi
Dr. Uwe-Jens Heuer Dr. Barbara Höll
Ulla Jelpke
Gerhard Jüttemann
Dr. Heidi Knake-Werner Rolf Köhne
Rolf Kutzmutz
Andrea Lederer
Dr. Christa Luft
Heidemarie Lüth
Dr. Günther Maleuda Manfred Müller (Berlin) Rosel Neuhäuser
Dr. Uwe-Jens Rössel Christina Schenk
Steffen Tippach
Klaus-Jürgen Warnick Dr. Winfried Wolf
Gerhard Zwerenz
Enthalten
SPD
Dr. Edelbert Richter BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN
Steffi Lemke
Dr. Antje Vollmer
PDS
Stefan Heym
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung kommen wir jetzt zur Abstimmung über den von den Fraktionen der CDU/CSU und der SPD eingebrachten Entwurf zur Änderung des Grundgesetzes, Drucksache 13/1824. Der Ausschuß für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung empfiehlt auf Drucksache 13/2339, den Gesetzentwurf unverändert anzunehmen.
Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung mit den meisten Stimmen der SPD und den Stimmen der CDU/CSU gegen die Stimmen der F.D.P., des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, einiger Sozialdemokraten und der PDS angenommen worden.
Dritte Beratung
und Schlußabstimmung. Ich weise darauf hin, daß zur Annahme des Gesetzentwurfs eine Zweidrittelmehrheit - das sind mindestens 448 Stimmen - erforderlich ist. Es ist namentliche Abstimmung verlangt worden.
Ich eröffne die Abstimmung.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, damit keine Mißverständnisse entstehen, weise ich darauf hin, daß es noch eine namentliche Abstimmung gibt. -
Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine Stimme nicht abgegeben hat? - Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Abstimmung und bitte die Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Das Ergebnis der Abstimmung wird Ihnen später bekanntgegeben.' )
Wir setzen jetzt die Beratungen fort. Dafür bitte ich um etwas Ruhe. Bitte machen Sie auch die Gänge frei.
Das Wort zu einer Erklärung zur Abstimmung nach § 31 unserer Geschäftsordnung erhält der Kollege Norbert Otto.

Norbert Otto (CDU):
Rede ID: ID1305525000
Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Ich bitte um Verständnis, daß ich meine Erklärung nicht schriftlich abgegeben habe. Ich möchte ein Thema ansprechen, das heute nur am Rande zur Sprache gekommen ist. Frau Enkelmann hatte das als einzige angesprochen.
Die anstehende Änderung des Abgeordnetengesetzes ist die erste Änderung dieses Gesetzes nach der Wiedervereinigung Deutschlands. In diesem Zusammenhang wäre es richtig gewesen, die Leistungen und die Zeiten der Tätigkeit in der letzten demokratisch gewählten Volkskammer zu würdigen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Damals, im März 1990, haben sich Menschen in der ehemaligen DDR politische Verantwortung für die Gestaltung der deutschen Einheit aufgebürdet, haben ihren Beruf, ihre Stellung, völlig ungeachtet ihrer späteren Lebensplanung und ihrer sozialen Sicherheit aufgegeben. Eine Reihe dieser Politikerinnen und Politiker der ersten Stunde haben in der 12. Wahlperiode in diesem Haus ihre politische Arbeit im Deutschen Bundestag fortgesetzt und sind danach ausgeschieden. Viele dieser ehemaligen Abgeordneten haben heute keine Anstellung in Wirtschaft und Verwaltung gefunden. Vor allem für die älteren Abgeordneten unter diesen ist das eine
*) Siehe Seite 4628

Norbert Otto (Erfurt)

schmerzliche Erfahrung. Erschwerend kommt natürlich hinzu, daß der Einstieg in den Vorruhestand diesen Ex-Abgeordneten, so wie das jedem Arbeitnehmer möglich ist, nicht möglich ist.
In sozialer Verantwortung für die ehemaligen Abgeordneten und deren Familien gab es eine Reihe von Vorschlägen, z. B. die Gleichsetzung der letzen Wahlperiode der Volkskammer mit einer Wahlperiode des Deutschen Bundestages oder ein bescheidenes Ruhegeld für ältere Ex-Abgeordnete, analog zu den Regelungen in den Landtagen oder bei den Wahlbeamten.
Keiner dieser Vorschläge wurde in den Gesetzentwurf aufgenommen. Dies betrifft insbesondere unsere Kollegen aus der 12. Wahlperiode, die ausgeschieden und heute noch arbeitslos sind. Eine derartige fehlende Solidarität gegenüber unseren ehemaligen Kolleginnen und Kollegen und die Ignoranz der persönlichen Leistungen auf dem Weg in die deutsche Einheit dürften eigentlich nicht noch gesetzlich festgeschrieben werden.
Wenn denn letztlich keine Versorgungsansprüche ableitbar gewesen wären und sind, hätte man wenigstens die Zeit der letzen Volkskammerwahlperiode einer Wahlperiode des Deutschen Bundestages gleichsetzen müssen. Aber auch diese Anerkennung der parlamentarischen Arbeit bleibt den damaligen Abgeordneten versagt. Ich meine, das ist beschämend.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der F.D.P. und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1305525100
Herr Kollege, Sie müssen eine Erklärung zur Abstimmung geben.

Norbert Otto (CDU):
Rede ID: ID1305525200
Ich komme zu meinem letzten Satz. - Dennoch habe ich dem Gesetz zugestimmt, um die anderen notwendigen Veränderungen zur Neugestaltung des Abgeordnetengesetzes nicht zu verhindern. Ich verbinde allerdings damit die Hoffnung, daß der Bund seiner sozialen Verantwortung für diese ausgeschiedenen Abgeordneten auch nachträglich nachkommt.
Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der F.D.P. sowie der Abg. Andrea Lederer [PDS])


Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1305525300
Weitere schriftliche Erklärungen nach § 31 der Geschäftsordnung liegen von den Abgeordneten Friedhelm Julius Beucher, Freimut Duve, Günter Gloser, Jürgen Koppelin, Uta Titze-Stecher, Horst Schmidbauer, Klaus Barthel, Hermann Scheer und Michael Müller vor. *)
s) Anlage 3
Weitere Erklärungen werden nicht gewünscht. Bis zum Vorliegen des Ergebnisses der namentlichen Abstimmung über die Grundgesetzänderung unterbreche ich noch einmal die Sitzung, weise aber darauf hin, daß es noch eine namentliche Abstimmung geben wird.

(Unterbrechung von 17.44 Uhr bis 17.45 Uhr)


Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1305525400
Ich kann die unterbrochene Sitzung gleich wieder eröffnen und gebe jetzt das von den Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den von den Fraktionen der CDU/CSU und der SPD eingebrachten Entwurf zur Änderung des Grundgesetzes auf den Drucksachen 13/1824 und 13/2339 bekannt. Abgegebene Stimmen: 651; mit Ja gestimmt haben: 507; mit Nein haben gestimmt: 139; Enthaltungen: 5. Der Gesetzentwurf ist damit mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit angenommen.
Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 649 davon
ja: 505
nein: 139
enthalten: 5
Ja
CDU/CSU
Ulrich Adam
Peter Altmaier
Anneliese Augustin Jürgen Augustinowitz Dietrich Austermann Heinz-Günter Bargfrede Franz Peter Basten
Dr. Wolf Bauer
Brigitte Baumeister Meinrad Belle
Dr. Sabine Bergmann-Pohl Hans-Dirk Bierling
Dr. Joseph-Theodor Blank Renate Blank
Dr. Heribert Blens Peter Bleser
Dr. Norbert Blüm Friedrich Bohl
Dr. Maria Böhmer Jochen Borchert
Wolfgang Börnsen (Bönstrup) Wolfgang Bosbach
Dr. Wolfgang Bötsch Klaus Brähmig
Rudolf Braun (Auerbach)

Paul Breuer
Monika Brudlewsky Georg Brunnhuber Klaus Bühler (Bruchsal) Hartmut Büttner

(Schönebeck)

Dankward Buwitt
Manfred Carstens (Emstek) Peter Harry Carstensen

(Nordstrand) Wolfgang Dehnel Hubert Deittert Gertrud Dempwolf Albert Deß

Renate Diemers Wilhelm Dietzel Werner Dörflinger Hansjürgen Doss Dr. Alfred Dregger Maria Eichhorn Wolfgang Engelmann
Rainer Eppelmann Heinz Dieter Eßmann
Horst Eylmann Anke Eymer
Ilse Falk
Dr. Kurt Faltlhauser Jochen Feilcke
Dr. Karl H. Fell Ulf Fink
Dirk Fischer (Hamburg)

Leni Fischer (Unna)

Klaus Francke (Hamburg) Herbert Frankenhauser
Dr. Gerhard Friedrich
Erich G. Fritz Hans-Joachim Fuchtel Michaela Geiger Norbert Geis
Dr. Heiner Geißler Michael Glos Wilma Glücklich
Dr. Reinhard Göhner
Peter Götz
Dr. Wolfgang Götzer
Joachim Gres Kurt-Dieter Grill Wolfgang Gröbl Hermann Gröhe Claus-Peter Grotz Manfred Grund
Horst Günther (Duisburg)


Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer
Carl-Detlev
Freiherr von Hammerstein Gottfried Haschke (Großhennersdorf)

Gerda Hasselfeldt Rainer Haungs
Otto Hauser (Esslingen) Hansgeorg Hauser

(Rednitzhembach) Klaus-Jürgen Hedrich Manfred Heise

Dr. Renate Hellwig
Ernst Hinsken Peter Hintze
Josef Hollerith
Dr. Karl-Heinz Hornhues Siegfried Hornung
Joachim Hörster Hubert Hüppe Peter Jacoby Susanne Jaffke Georg Janovsky Helmut Jawurek Dr. Dionys Jobst
Michael Jung (Limburg) Ulrich Junghanns
Dr. Harald Kahl Bartholomäus Kalb
Steffen Kampeter Dr.-Ing. Dietmar Kansy Manfred Kanther Irmgard Karwatzki
Volker Kauder Peter Keller
Eckart von Klaeden
Dr. Bernd Klaußner
Hans Klein (München) Ulrich Klinkert
Dr. Helmut Kohl Hans-Ulrich Köhler

(Haitispitz) Manfred Kolbe Norbert Königshofen Eva-Maria Kors Hartmut Koschyk Manfred Koslowski

Thomas Kossendey
Rudolf Kraus
Wolfgang Krause (Dessau) Andreas Krautscheid
Arnulf Kriedner Heinz-Jürgen Kronberg Dr.-Ing. Paul Krüger
Reiner Krziskewitz
Dr. Hermann Kues
Werner Kuhn Karl Lamers
Dr. Karl A. Lamers

(Heidelberg)

Dr. Norbert Lammert Helmut Lamp
Armin Laschet Herbert Lattmann Dr. Paul Laufs Karl-Josef Laumann
Werner Lensing Christian Lenzer Peter Letzgus Editha Limbach
Walter Link (Diepholz) Eduard Lintner
Dr. Klaus W. Lippold

(Offenbach)

Dr. Manfred Lischewski Wolfgang Lohmann

(Lüdenscheid) Julius Louven Sigrun Löwisch Heinrich Lummer Dr. Michael Luther

Erich Maaß (Wilhelmshaven) Dr. Dietrich Mahlo
Erwin Marschewski Günter Marten
Dr. Martin Mayer

(Siegertsbrunn) Wolfgang Meckelburg Rudolf Meinl

Dr. Michael Meister Dr. Angela Merkel Friedrich Merz
Rudolf Meyer (Winsen)

Hans Michelbach Meinolf Michels Dr. Gerd Müller
Elmar Müller (Kirchheim) Engelbert Nelle
Bernd Neumann (Bremen) Johannes Nitsch
Claudia Nolte Dr. Rolf Olderog Friedhelm Ost Eduard Oswald
Norbert Otto (Erfurt) Dr. Gerhard Päselt Dr. Peter Paziorek Hans-Wilhelm Pesch
Anton Pfeifer
Angelika Pfeiffer Dr. Gero Pfennig Dr. Friedbert Pflüger
Beatrix Philipp
Dr. Winfried Pinger Ronald Pofalla
Dr. Hermann Pohler Ruprecht Polenz Marlies Pretzlaff
Dr. Albert Probst Dr. Bernd Protzner Dieter Pützhofen Thomas Rachel Hans Raidel
Dr. Peter Ramsauer Rolf Rau
Helmut Rauber Peter Harald Rauen Otto Regenspurger
Christa Reichard (Dresden) Klaus Dieter Reichardt

(Mannheim)

Dr. Bertold Reinartz Erika Reinhardt Hans-Peter Repnik Roland Richter Roland Richwien Dr. Norbert Rieder
Dr. Erich Riedl (München) Klaus Riegert
Dr. Heinz Riesenhuber Hannelore Rönsch

(Wiesbaden) Heinrich-Wilhelm Ronsöhr Dr. Klaus Rose

Kurt J. Rossmanith Adolf Roth (Gießen)

Norbert Röttgen Dr. Christian Ruck Volker Rühe
Dr. Jürgen Rüttgers
Roland Sauer (Stuttgart) Ortrun Schätzle
Dr. Wolfgang Schäuble Hartmut Schauerte
Heinz Schemken Karl-Heinz Scherhag Gerhard Scheu Norbert Schindler Dietmar Schlee Ulrich Schmalz Bernd Schmidbauer
Christian Schmidt (Fürth)

Dr.-Ing. Joachim Schmidt

(Halsbrücke)

Andreas Schmidt (Mülheim) Hans-Otto Schmiedeberg Hans Peter Schmitz

(Baesweiler) Michael von Schmude

Birgit Schnieber-Jastram
Dr. Andreas Schockenhoff
Dr. Rupert Scholz Reinhard Freiherr von
Schorlemer
Dr. Erika Schuchardt Wolfgang Schulhoff
Dr. Dieter Schulte

(Schwäbisch Gmünd) Gerhard Schulz (Leipzig) Frederick Schulze Diethard Schütze (Berlin) Clemens Schwalbe

Dr. Christian Schwarz-Schilling
Wilhelm-Josef Sebastian Horst Seehofer
Wilfried Seibel Heinz-Georg Seiffert
Rudolf Seiters Johannes Selle Bernd Siebert Jürgen Sikora
Johannes Singhammer Bärbel Sothmann Margarete Späte Carl-Dieter Spranger Wolfgang Steiger Erika Steinbach
Dr. Wolfgang Freiherr von
Stetten
Dr. Gerhard Stoltenberg Andreas Storm
Max Straubinger Michael Stübgen Egon Susset
Dr. Rita Süssmuth Michael Teiser
Dr. Susanne Tiemann
Dr. Klaus Töpfer Gottfried Tröger
Dr. Klaus-Dieter Uelhoff Gunnar Uldall Wolfgang Vogt (Duren)

Dr. Horst Waffenschmidt
Dr. Theodor Waigel
Alois Graf von Waldburg-Zeil Dr. Jürgen Warnke
Kersten Wetzel
Hans-Otto Wilhelm (Mainz) Gert Willner
Bernd Wilz
Willy Wimmer (Neuss)

Matthias Wissmann
Simon Wittmann

(Tännesberg) Dagmar Wöhrl Michael Wonneberger

Elke Wülfing
Peter Kurt Würzbach Cornelia Yzer Wolfgang Zeitlmann
Benno Zierer Wolfgang Zöller
SPD
Gerd Andres
Robert Antretter Hermann Bachmaier Ernst Bahr
Doris Barnett
Wolfgang Behrendt Hans Berger
Rudolf Bindig
Dr. Ulrich Böhme (Unna) Arne Börnsen (Ritterhude) Anni Brandt-Elsweier
Tilo Braune
Dr. Eberhard Brecht Edelgard Bulmahn Ursula Burchardt Hans Martin Bury
Hans Büttner (Ingolstadt) Marion Caspers-Merk Wolf-Michael Catenhusen Peter Conradi
Christel Deichmann Karl Diller
Dr. Marliese Dobberthien Rudolf Dreßler
Freimut Duve
Peter Enders
Gernot Erler
Annette Faße
Elke Ferner
Lothar Fischer (Homburg) Gabriele Fograscher
Iris Follak
Norbert Formanski Dagmar Freitag Anke Fuchs (Köln) Katrin Fuchs (Verl) Arne Fuhrmann Monika Ganseforth Iris Gleicke
Dr. Peter Glotz
Günter Graf (Friesoythe) Angelika Graf (Rosenheim) Dieter Grasedieck
Achim Großmann Hans-Joachim Hacker Klaus Hagemann Manfred Hampel Christel Hanewinckel Alfred Hartenbach Klaus Hasenfratz
Dr. Ingomar Hauchler Dieter Heistermann Rolf Hempelmann
Dr. Barbara Hendricks Monika Heubaum Reinhold Hiller (Lübeck) Stephan Hilsberg
Gerd Höfer
Frank Hofmann (Volkach) Ingrid Holzhüter
Erwin Horn

Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer
Eike Hovermann Lothar Ibrügger Wolfgang Ilte Barbara Imhof Brunhilde Irber Gabriele Iwersen Renate Jäger
Jann-Peter Janssen Ilse Janz
Dr. Uwe Jens
Volker Jung (Düsseldorf)

Sabine Kaspereit Susanne Kastner Ernst Kastning Hans-Peter Kemper Klaus Kirschner Marianne Klappert Siegrun Klemmer Hans-Ulrich Klose
Dr. Hans-Hinrich Knaape
Walter Kolbow Fritz Rudolf Körper Nicolette Kressl Volker Kröning Thomas Krüger Eckart Kuhlwein Konrad Kunick Christine Kurzhals Dr. Uwe Küster Brigitte Lange Detlev von Larcher Waltraud Lehn
Dr. Elke Leonhard Klaus Lohmann (Witten)

Dr. Christine Lucyga
Dieter Maaß (Herne)

Winfried Mante Dorle Marx
Ulrike Mascher Christoph Matschie Ingrid Matthäus-Maier
Heide Mattischeck Ulrike Mehl
Angelika Mertens
Dr. Jürgen Meyer (Ulm)

Ursula Mogg
Siegmar Mosdorf
Michael Müller (Düsseldorf) Jutta Müller (Völklingen) Christian Müller (Zittau)
Kurt Neumann (Berlin)

Volker Neumann (Bramsche)

Dr. Edith Niehuis Dr. Rolf Niese Doris Odendahl Leyla Onur
Manfred Opel Adolf Ostertag Kurt Palis
Albrecht Papenroth Dr. Winfried Penner Dr. Martin Pfaff Georg Pfannenstein Dr. Eckhart Pick Joachim Poß
Rudolf Purps
Hermann Rappe (Hildesheim)

Karin Rehbock-Zureich
Margot von Renesse
Renate Rennebach Otto Reschke
Bernd Reuter
Günter Rixe
Reinhold Robbe Gerhard Rübenkönig
Gudrun Schaich-Walch
Dieter Schanz Rudolf Scharping Bernd Scheelen
Dr. Hermann Scheer Siegfried Scheffler
Horst Schild
Otto Schily
Dieter Schloten Günter Schluckebier
Ursula Schmidt (Aachen) Dagmar Schmidt (Meschede) Wilhelm Schmidt (Salzgitter) Heinz Schmitt (Berg)
Dr. Emil Schnell Walter Schöler Ottmar Schreiner Dr. Mathias Schubert
Richard Schuhmann

(Delitzsch)

Brigitte Schulte (Hameln) Reinhard Schultz

(Everswinkel) Volkmar Schultz (Köln)

Dr. R. Werner Schuster Dietmar Schütz (Oldenburg) Dr. Angelica Schwall-Düren Ernst Schwanhold
Rolf Schwanitz Bodo Seidenthal Lisa Seuster
Horst Sielaff
Erika Simm
Johannes Singer
Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk
Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast Wieland Sorge
Dr. Dietrich Sperling Jörg-Otto Spiller Antje-Marie Steen
Ludwig Stiegler Dr. Peter Struck Joachim Tappe Jörg Tauss
Dr. Bodo Teichmann
Margitta Terborg Jella Teuchner
Dr. Gerald Thalheim Wolfgang Thierse Dietmar Thieser Franz Thönnes Adelheid Tröscher
Hans-Eberhard Urbaniak Siegfried Vergin
Günter Verheugen
Ute Vogt (Pforzheim)

Karsten D. Voigt (Frankfurt) Josef Vosen
Hans Georg Wagner
Dr. Konstanze Wegner Wolfgang Weiermann Reinhard Weis (Stendal) Matthias Weisheit Gunter Weißgerber
Gert Weisskirchen (Wiesloch) Jochen Welt
Hildegard Wester Lydia Westrich
Inge Wettig-Danielmeier
Dr. Norbert Wieczorek Helmut Wieczorek (Duisburg) Heidemarie Wieczorek-Zeul Dieter Wiefelspütz
Berthold Wittich
Dr. Wolfgang Wodarg
Verena Wohlleben
Hanna Wolf (München) Heidi Wright
Uta Zapf
Dr. Christoph Zöpel
Peter Zumkley
Nein
SPD
Klaus Barthel
Ingrid Becker-Inglau Hans-Werner Bertl Friedhelm Julius Beucher Peter Dreßen
Ludwig Eich
Petra Ernstberger Norbert Gansel Konrad Gilges
Günter Gloser
Dr. Liesel Hartenstein Reinhold Hemker Uwe Hiksch
Horst Kubatschka Werner Labsch
Christa Lörcher Erika Lotz
Herbert Meißner
Gerhard Neumann (Gotha) Günter Oesinghaus
Dr. Edelbert Richter Dr. Hansjörg Schäfer Horst Schmidbauer

(Nürnberg)

Regina Schmidt-Zadel Gisela Schröter
Uta Titze-Stecher
BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN
Gila Altmann (Aurich) Elisabeth Altmann

(Pommelsbrunn) Marieluise Beck (Bremen) Volker Beck (Köln) Matthias Berninger Annelie Buntenbach Franziska Eichstädt-Bohlig Dr. Uschi Eid

Andrea Fischer (Berlin) Joseph Fischer (Frankfurt) Rita Grießhaber
Gerald Häfner
Kristin Heyne
Ulrike Höfken
Michaele Hustedt Dr. Manuel Kiper Monika Knoche
Dr. Angelika Köster-Loßack Steffi Lemke
Vera Lengsfeld
Dr. Helmut Lippelt Oswald Metzger Kerstin Müller (Köln) Winfried Nachtwei Christa Nickels
Cern Özdemir
Gerd Poppe
Simone Probst
Dr. Jürgen Rochlitz Halo Saibold
Irmingard Schewe-Gerigk Rezzo Schlauch
Wolfgang Schmitt

(Langenfeld)

Waltraud Schoppe Werner Schulz (Berlin) Rainder Steenblock Marina Steindor Christian Sterzing Manfred Such
Ludger Volmer
Helmut Wilhelm (Amberg)

F.D.P.
Ina Albowitz
Dr. Gisela Babel
Hildebrecht Braun

(Augsburg)

Günther Bredehorn Jörg van Essen
Gisela Frick
Paul K. Friedhoff Horst Friedrich
Rainer Funke
Dr. Wolfgang Gerhardt Joachim Günther (Plauen) Dr. Karlheinz Guttmacher Dr. Helmut Haussmann Ulrich Heinrich
Walter Hirche
Dr. Burkhard Hirsch Birgit Homburger Dr. Werner Hoyer Ulrich Irmer
Dr. Klaus Kinkel
Detlef Kleinert (Hannover) Roland Kohn
Dr. Heinrich L. Kolb Jürgen Koppelin
Dr.-Ing. Karl-Hans Laermann Dr. Otto Graf Lambsdorff Heinz Lanfermann
Sabine LeutheusserSchnarrenberger Uwe Lühr
Jürgen W. Möllemann Günther Friedrich Nolting Dr. Rainer Ortleb
Lisa Peters
Dr. Günter Rexrodt Dr. Klaus Röhl
Helmut Schäfer (Mainz) Cornelia Schmalz-Jacobsen Dr. Edzard Schmidt-Jortzig Dr. Hermann Otto Sohns
Dr. Max Stadler
Carl-Ludwig Thiele Dr. Dieter Thomae Jürgen Türk
Dr. Wolfgang Weng (Gerlingen)

PDS
Wolfgang Bierstedt Petra Bläss
Eva Bulling-Schröter Heinrich Graf von Einsiedel Dr. Ludwig Elm
Dr. Dagmar Enkelmann Dr. Ruth Fuchs
Dr. Gregor Gysi
Dr. Uwe-Jens Heuer Stefan Heym
Dr. Barbara Höll
Ulla Jelpke

Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer
Gerhard Jüttemann
Dr. Heidi Knake-Werner Rolf Köhne
Rolf Kutzmutz
Andrea Lederer Dr. Christa Luft Heidemarie Lüth
Dr. Günther Maleuda Manfred Müller (Berlin) Rosel Neuhäuser
Dr. Uwe-Jens Rössel Christina Schenk Steffen Tippach Klaus-Jürgen Warnick Dr. Winfried Wolf Gerhard Zwerenz
Enthalten
CDU/CSU
Dr. Egon Jüttner Ulrich Petzold
SPD
Jelena Hoffmann (Chemnitz) Wolfgang Spanier
BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN Antje Hermenau
Wir kommen jetzt wieder zum Entwurf zur Änderung des Abgeordneten- und Europaabgeordnetengesetzes.
Ich rufe den Änderungsantrag der Abgeordneten Peter Conradi, Norbert Gansel und weiterer Abgeordneter auf Drucksache 13/2343 auf. Hierzu wurde zwischenzeitlich von den Fraktionen der CDU/CSU und der SPD namentliche Abstimmung verlangt. Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, die vorgesehenen Plätze wieder einzunehmen.
Ich eröffne die Abstimmung. -
Ist ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine Stimme noch nicht abgegeben hat? - Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Abstimmung und bitte die Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen.
Das Ergebnis der namentlichen Abstimmung über diesen Änderungsantrag hat auf die nun folgenden Einzelabstimmungen keinen Einfluß.) Wir können deshalb mit den Abstimmungen über den Gesetzentwurf zur Änderung des Abgeordneten- und Europaabgeordnetengesetzes in der Ausschußfassung fortfahren.
Ich bitte um die notwendige Ruhe; denn es gibt jetzt eine ganze Reihe getrennter Abstimmungen. Die Fraktion der F.D.P. verlangt, über einzelne Vorschriften getrennt abzustimmen.
Ich rufe Art. 1 Nr. 1 auf. Wer stimmt für Art. 1 Nr. 1 in der Ausschußfassung? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Art. 1 Nr. 1 ist gegen die Stimmen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, F.D.P., PDS und zwei Stimmen der SPD angenommen.
Ich rufe Art. 1 Nr. 2 auf. Ich bitte diejenigen, die der aufgerufenen Vorschrift in der Ausschußfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Bei wenigen Gegenstimmen, insbesondere der F.D.P., und einigen Enthaltungen ist Art. 1 Nr. 2 angenommen.
Ich rufe Art. 1 Nr. 2 a bis 3 auf. Ich bitte diejenigen, die zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Einen Moment! Die Gruppe der PDS hat getrennte Abstim-
*) Bekanntgabe des Ergebnisses Seite 4632 B
mung verlangt. Sie will über Art. 1 Nr. 2 a bis c und Nr. 3 getrennt abstimmen lassen.

(Brigitte Baumeister [CDU/CSU]: Nein, wir waren jetzt in der Abstimmung! Andrea Lederer [PDS]: Ich habe es vorher beantragt!)

- Es ist zulässig, so zu verfahren; denn die Notiz hat hier gelegen, allerdings nicht auf meinem Pult. Das heißt aber, daß sie hier oben angekommen ist.
Ich rufe jetzt Art. 1 Nr. 2 a bis c auf. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Art. 1 Nr. 2a bis c ist gegen die Stimmen von BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN angenommen.
Ich rufe jetzt Art. 1 Nr. 3 auf. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Art. 1 Nr. 3 ist bei Enthaltungen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und PDS angenommen.
Ich rufe Art. 1 Nr. 4 auf. Wer stimmt für Art. 1 Nr. 4 in der Ausschußfassung? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Art. 1 Nr. 4 ist gegen die Stimmen von F.D.P., BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, PDS und einige Stimmen der SPD angenommen.

(Norbert Gansel [SPD]: Frau Präsidentin, das gilt auch für die anderen Abstimmungen!)

- Norbert Gansel, ich bitte Sie, dann auch in den Block der SPD zu gehen. Ich habe es registriert: mit einigen Stimmen der SPD.

(Zurufe von der SPD)

- Wir sind in der Abstimmung!

(Dr.-Ing. Dietmar Kansy [CDU/CSU]: Keine Kritik an der Präsidentin!)

Ich rufe jetzt Art. 1 Nr. 4 a auf. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Gegen die Stimmen der F.D.P. und von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN angenommen.

(Norbert Gansel [SPD]: Und?)

- Und der PDS und gegen einige Stimmen aus der SPD.
Ich rufe Art. 1 Nr. 5 auf. Die Gruppe der PDS hat beantragt, über 5 a und 5 b und davon getrennt über 5 c abzustimmen. Also rufe ich Art. 1 Nr. 5 a und 5 b auf. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen?
- Enthaltungen? - Bei Enthaltung der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS angenommen.
Ich rufe Art. 1 Nr. 5 c auf. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Bei Enthaltung der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN angenommen.
Ich rufe Art. 1 Nr. 6, 6a bis 6 c auf. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Gegen einige Stimmen aus den Reihen der SPD bei Enthaltung von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und PDS angenommen.

Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer
Ich rufe Art. 1 Nr. 7 auf. Wer stimmt für die Nr. 7 in der Ausschußfassung? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Gegen die Stimmen der F.D.P., von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und einige Stimmen aus den Reihen der SPD und der PDS angenommen.
Ich rufe Art. 1 Nr. 8 auf. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Bei Enthaltung von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, einer Enthaltung aus der SPD und gegen einige Stimmen aus der SPD und der PDS angenommen.
Ich rufe Art. 2 Nr. 1 auf. Wer stimmt für Art. 2 Nr. 1 in der Ausschußfassung? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Bei Enthaltung von BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN, gegen die Stimmen der F.D.P. und der PDS und einige Stimmen der SPD angenommen.
Ich rufe Art. 2 Nr. 2 auf. Wer stimmt für Art. 2 Nr. 2 in der Ausschußfassung? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Bei Enthaltung der PDS gegen die Stimmen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der F.D.P. sowie einige Stimmen aus der SPD angenommen.
Ich rufe Art. 2 Nr. 3, Art. 3, Einleitung und Überschrift auf. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Bei Enthaltung der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie einigen Enthaltungen aus der SPD und der PDS angenommen.
Ich gebe das von den Schriftführern und Schriftführerinnen ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den Änderungsantrag der Abgeordneten Peter Conradi, Norbert Gansel und weiterer Abgeordneter auf Drucksache 13/2343 bekannt. Abgegebene Stimmen: 644. Mit Ja haben gestimmt: 251;

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der PDS)

mit Nein haben gestimmt: 377; Enthaltungen: 16. Der Änderungsantrag ist damit abgelehnt.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 641; davon
ja: 251
nein: 374
enthalten: 16
Ja
CDU/CSU
Günter Marten
Gerhard Schulz (Leipzig) Michael Teiser
Elke Wülfing
SPD
Gerd Andres Ernst Bahr
Doris Barnett
Klaus Barthel
Ingrid Becker-Inglau Wolfgang Behrendt Hans-Werner Bertl Friedhelm Julius Beucher Rudolf Bindig
Dr. Ulrich Böhme (Unna) Anni Brandt-Elsweier Dr. Eberhard Brecht Edelgard Bulmahn
Hans Martin Bury
Hans Büttner (Ingolstadt) Marion Caspers-Merk Wolf-Michael Catenhusen Peter Conradi
Christel Deichmann
Karl Diller
Dr. Marliese Dobberthien Peter Dreßen
Freimut Duve
Ludwig Eich
Gernot Erler
Petra Ernstberger
Elke Ferner
Gabriele Fograscher Iris Follak
Dagmar Freitag Katrin Fuchs (Verl) Arne Fuhrmann Monika Ganseforth Norbert Gansel
Iris Gleicke
Günter Gloser
Günter Graf (Friesoythe) Angelika Graf (Rosenheim) Dieter Grasedieck
Achim Großmann Hans-Joachim Hacker Klaus Hagemann Manfred Hampel Christel Hanewinckel Alfred Hartenbach
Dr. Liesel Hartenstein Dieter Heistermann Reinhold Hemker Rolf Hempelmann
Dr. Barbara Hendricks Monika Heubaum Uwe Hiksch
Reinhold Hiller (Lübeck) Stephan Hilsberg
Gerd Höfer
Frank Hofmann (Volkach) Ingrid Holzhüter
Eike Hovermann Lothar Ibrügger Barbara Imhof
Brunhilde Irber Gabriele Iwersen Ilse Janz
Sabine Kaspereit Susanne Kastner Hans-Peter Kemper Klaus Kirschner Marianne Klappert Siegrun Klemmer
Dr. Hans-Hinrich Knaape Nicolette Kressl
Thomas Krüger Horst Kubatschka Eckart Kuhlwein Konrad Kunick
Werner Labsch
Brigitte Lange
Detlev von Larcher Waltraud Lehn
Dr. Elke Leonhard Klaus Lohmann (Witten) Christa Lörcher
Erika Lotz
Dr. Christine Lucyga Dorle Marx
Ulrike Mascher Christoph Matschie Heide Mattischeck Ulrike Mehl
Herbert Meißner Angelika Mertens
Dr. Jürgen Meyer (Ulm) Ursula Mogg
Siegmar Mosdorf
Michael Müller (Düsseldorf) Jutta Müller (Völklingen) Kurt Neumann (Berlin)
Dr. Edith Niehuis Doris Odendahl Günter Oesinghaus Leyla Onur
Adolf Ostertag
Kurt Palis
Albrecht Papenroth Georg Pfannenstein Dr. Eckhart Pick
Joachim Poß
Karin Rehbock-Zureich Margot von Renesse Renate Rennebach Otto Reschke
Bernd Reuter
Dr. Edelbert Richter Reinhold Robbe
Gudrun Schaich-Walch Dieter Schanz
Bernd Scheelen
Dr. Hermann Scheer Siegfried Scheffler Horst Schild
Dieter Schloten
Günter Schluckebier Horst Schmidbauer (Nürnberg)

Ursula Schmidt (Aachen) Dagmar Schmidt (Meschede) Regina Schmidt-Zadel
Heinz Schmitt (Berg) Dr. Emil Schnell
Walter Schöler
Ottmar Schreiner
Gisela Schröter
Dr. Mathias Schubert Richard Schuhmann (Delitzsch)

Reinhard Schultz

(Everswinkel)

Dr. R. Werner Schuster Dietmar Schütz (Oldenburg) Dr. Angelica Schwall-Düren Ernst Schwanhold
Rolf Schwanitz
Lisa Seuster
Horst Sielaff
Johannes Singer
Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk
Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast Wieland Sorge
Wolfgang Spanier Dr. Dietrich Sperling Jörg-Otto Spiller
Antje-Marie Steen Ludwig Stiegler
Joachim Tappe
Margitta Terborg
Jella Teuchner
Dr. Gerald Thalheim Wolfgang Thierse Dietmar Thieser
Franz Thönnes
Uta Titze-Stecher
Adelheid Tröscher Günter Verheugen Ute Vogt (Pforzheim)

Karsten D. Voigt (Frankfurt) Josef Vosen
Hans Georg Wagner Dr. Konstanze Wegner
Reinhard Weis (Stendal) Matthias Weisheit Gunter Weißgerber
Gert Weisskirchen (Wiesloch) Hildegard Wester
Inge Wettig-Danielmeier Heidemarie Wieczorek-Zeul Dieter Wiefelspütz
Berthold Wittich
Dr. Wolfgang Wodarg Verena Wohlleben

Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer
Hanna Wolf (München) Heidi Wright
Dr. Christoph Zöpel
BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN
Gila Altmann (Aurich) Elisabeth Altmann

(Pommelsbrunn) Marieluise Beck (Bremen) Volker Beck (Köln) Matthias Berninger Annelle Buntenbach Franziska Eichstädt-Bohlig Dr. Uschi Eid

Andrea Fischer (Berlin) Joseph Fischer (Frankfurt) Rita Grießhaber
Gerald Häfner
Antje Hermenau Kristin Heyne
Ulrike Höfken
Michaele Hustedt Dr. Manuel Kiper
Dr. Angelika Köster-Loßack Steffi Lemke
Vera Lengsfeld
Oswald Metzger Kerstin Müller (Köln) Winfried Nachtwei Christa Nickels
Cern Özdemir
Gerd Poppe
Simone Probst
Dr. Jürgen Rochlitz Halo Saibold
Irmingard Schewe-Gerigk Rezzo Schlauch
Wolfgang Schmitt

(Langenfeld)

Werner Schulz (Berlin) Rainder Steenblock Christian Sterzing Manfred Such
Dr. Antje Vollmer Ludger Volmer
Helmut Wilhelm (Amberg)

F.D.P.
Hildebrecht Braun

(Augsburg)

Jürgen Türk
PDS
Wolfgang Bierstedt Petra Bläss
Eva Bulling-Schröter Heinrich Graf von Einsiedel Dr. Ludwig Elm
Dr. Dagmar Enkelmann
Dr. Ruth Fuchs Dr. Gregor Gysi Dr. Uwe-Jens Heuer
Dr. Barbara Höll Ulla Jelpke
Gerhard Jüttemann
Dr. Heidi Knake-Werner Rolf Köhne
Rolf Kutzmutz Andrea Lederer Dr. Christa Luft
Heidemarie Lüth
Dr. Günther Maleuda Manfred Müller (Berlin) Rosel Neuhäuser
Dr. Uwe-Jens Rössel Christina Schenk Steffen Tippach Klaus-Jürgen Warnick Dr. Winfried Wolf Gerhard Zwerenz
Nein
CDU/CSU
Ulrich Adam
Peter Altmaier
Anneliese Augustin Jürgen Augustinowitz Dietrich Austermann Heinz-Günter Bargfrede Franz Peter Basten
Dr. Wolf Bauer
Brigitte Baumeister Meinrad Belle
Dr. Sabine Bergmann-Pohl Dr. Joseph-Theodor Blank Renate Blank
Dr. Heribert Blens Peter Bleser
Dr. Norbert Blüm Friedrich Bohl
Dr. Maria Böhmer Jochen Borchert
Wolfgang Börnsen (Bönstrup) Wolfgang Bosbach
Dr. Wolfgang Bötsch Klaus Brähmig
Rudolf Braun (Auerbach) Paul Breuer
Monika Brudlewsky Georg Brunnhuber Klaus Bühler (Bruchsal) Hartmut Büttner

(Schönebeck)

Dankward Buwitt
Manfred Carstens (Emstek) Peter Harry Carstensen

(Nordstrand)

Wolfgang Dehnel Hubert Deittert Gertrud Dempwolf Albert Deß
Renate Diemers Wilhelm Dietzel Werner Dörflinger Hansjürgen Doss Dr. Alfred Dregger Maria Eichhorn Wolfgang Engelmann
Rainer Eppelmann Heinz Dieter Eßmann Horst Eylmann
Anke Eymer
Ilse Falk
Dr. Kurt Faltlhauser Jochen Feilcke
Dr. Karl H. Fell Ulf Fink
Dirk Fischer (Hamburg)

Leni Fischer (Unna)

Klaus Francke (Hamburg) Herbert Frankenhauser
Dr. Gerhard Friedrich
Erich G. Fritz
Hans-Joachim Fuchtel Michaela Geiger Norbert Geis
Dr. Heiner Geißler Michael Glos
Wilma Glücklich
Dr. Reinhard Göhner
Peter Götz
Dr. Wolfgang Götzer Joachim Gres
Kurt-Dieter Grill Wolfgang Gröbl Hermann Gröhe Claus-Peter Grotz Manfred Grund
Horst Günther (Duisburg) Carl-Detlev
Freiherr von Hammerstein Gottfried Haschke (Großhennersdorf)

Gerda Hasselfeldt Rainer Haungs
Otto Hauser (Esslingen) Hansgeorg Hauser

(Rednitzhembach) Klaus-Jürgen Hedrich Manfred Heise

Dr. Renate Hellwig Ernst Hinsken Peter Hintze
Josef Hollerith
Dr. Karl-Heinz Hornhues Siegfried Hornung Joachim Hörster
Hubert Hüppe Peter Jacoby
Susanne Jaffke Georg Janovsky Helmut Jawurek Dr. Dionys Jobst
Michael Jung (Limburg) Ulrich Junghanns
Dr. Egon Jüttner Dr. Harald Kahl Bartholomäus Kalb Steffen Kampeter
Dr.-Ing. Dietmar Kansy Manfred Kanther Irmgard Karwatzki Volker Kauder
Peter Keller
Eckart von Klaeden Dr. Bernd Klaußner Hans Klein (München) Ulrich Klinkert
Dr. Helmut Kohl Hans-Ulrich Köhler

(Hainspitz)

Manfred Kolbe Norbert Königshofen Eva-Maria Kors Hartmut Koschyk Manfred Koslowski Thomas Kossendey Rudolf Kraus
Wolfgang Krause (Dessau) Andreas Krautscheid
Arnulf Kriedner Heinz-Jürgen Kronberg Dr.-Ing. Paul Krüger
Reiner Krziskewitz Dr. Hermann Kues Werner Kuhn
Karl Lamers
Dr. Karl A. Lamers

(Heidelberg)

Dr. Norbert Lammert Armin Laschet Herbert Lattmann Dr. Paul Laufs
Karl-Josef Laumann Werner Lensing Christian Lenzer Peter Letzgus
Editha Limbach Walter Link (Diepholz) Eduard Lintner
Dr. Klaus W. Lippold

(Offenbach)

Dr. Manfred Lischewski Wolfgang Lohmann

(Lüdenscheid) Julius Louven

Sigrun Löwisch Heinrich Lummer Dr. Michael Luther
Erich Maaß (Wilhelmshaven) Dr. Dietrich Mahlo
Erwin Marschewski Dr. Martin Mayer

(Siegertsbrunn)

Wolfgang Meckelburg
Rudolf Meinl
Dr. Michael Meister Dr. Angela Merkel Friedrich Merz
Rudolf Meyer (Winsen)

Hans Michelbach Meinolf Michels Dr. Gerd Müller
Elmar Müller (Kirchheim) Engelbert Nelle
Bernd Neumann (Bremen) Johannes Nitsch
Claudia Nolte Dr. Rolf Olderog Friedhelm Ost Eduard Oswald
Norbert Otto (Erfurt) Dr. Gerhard Päselt Dr. Peter Paziorek Hans-Wilhelm Pesch
Anton Pfeifer
Angelika Pfeiffer Dr. Gero Pfennig Dr. Friedbert Pflüger
Beatrix Philipp
Dr. Winfried Pinger Ronald Pofalla
Dr. Hermann Pohler Ruprecht Polenz Marlies Pretzlaff
Dr. Albert Probst Dieter Pützhofen Thomas Rachel Hans Raidel
Dr. Peter Ramsauer Rolf Rau
Helmut Rauber Peter Harald Rauen Otto Regenspurger
Christa Reichard (Dresden) Klaus Dieter Reichardt

(Mannheim)

Dr. Bertold Reinartz Erika Reinhardt Hans-Peter Repnik Roland Richter Roland Richwien Dr. Norbert Rieder

Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer
Dr. Erich Riedl (München) Klaus Riegert
Dr. Heinz Riesenhuber Hannelore Rönsch

(Wiesbaden) Heinrich-Wilhelm Ronsöhr Dr. Klaus Rose

Kurt J. Rossmanith Adolf Roth (Gießen)

Norbert Röttgen Dr. Christian Ruck Volker Rühe
Dr. Jürgen Rüttgers
Roland Sauer (Stuttgart) Ortrun Schätzle
Dr. Wolfgang Schäuble Hartmut Schauerte
Heinz Schemken Karl-Heinz Scherhag Gerhard Scheu Norbert Schindler Dietmar Schlee Ulrich Schmalz Bernd Schmidbauer
Christian Schmidt (Fürth) Dr.-Ing. Joachim Schmidt

(Halsbrücke)

Andreas Schmidt (Mülheim) Hans-Otto Schmiedeberg Hans Peter Schmitz

(Baesweiler) Michael von Schmude

Birgit Schnieber-Jastram
Dr. Andreas Schockenhoff Dr. Rupert Scholz Reinhard Freiherr von
Schorlemer
Dr. Erika Schuchardt Wolfgang Schulhoff
Dr. Dieter Schulte

(Schwäbisch Gmünd) Frederick Schulze Diethard Schütze (Berlin) Clemens Schwalbe

Dr. Christian Schwarz-Schilling
Wilhelm Josef Sebastian Horst Seehofer
Wilfried Seibel Heinz-Georg Seiffert
Rudolf Seiters Johannes Selle Bernd Siebert Jürgen Sikora
Johannes Singhammer Bärbel Sothmann Margarete Späte Carl-Dieter Spranger Wolfgang Steiger Erika Steinbach
Dr. Wolfgang Freiherr von
Stetten
Dr. Gerhard Stoltenberg Andreas Storm
Max Straubinger Michael Stübgen Egon Susset
Dr. Rita Süssmuth
Dr. Susanne Tiemann
Dr. Klaus Töpfer Gottfried Tröger
Dr. Klaus-Dieter Uelhoff Gunnar Uldall Wolfgang Vogt (Duren)

Dr. Horst Waffenschmidt
Dr. Theodor Waigel
Alois Graf von Waldburg-Zeil Dr. Jürgen Warnke Hans-Otto Wilhelm (Mainz) Gert Willner
Bernd Wilz
Willy Wimmer (Neuss) Matthias Wissmann Simon Wittmann

(Tännesberg)

Dagmar Wöhrl
Michael Wonneberger Peter Kurt Würzbach Cornelia Yzer
Wolfgang Zeitlmann Benno Zierer
Wolfgang Zöller
SPD
Hans Berger
Arne Börnsen (Ritterhude) Tilo Braune
Rudolf Dreßler Annette Faße
Lothar Fischer (Homburg) Norbert Formanski
Anke Fuchs (Köln) Konrad Gilges
Dr. Peter Glotz Klaus Hasenfratz Erwin Horn
Wolfgang Ilte
Jann-Peter Janssen Volker Jung (Düsseldorf) Ernst Kastning Hans-Ulrich Klose
Fritz Rudolf Körper Volker Kröning
Dr. Uwe Küster Dieter Maaß (Herne) Winfried Mante
Ingrid Matthäus-Maier Christian Müller

(Zittau)

Volker Neumann

(Bramsche)

Gerhard Neumann (Gotha) Dr. Rolf Niese
Manfred Opel
Dr. Willfried Penner Rudolf Purps
Hermann Rappe (Hildesheim) Gerhard Rübenkönig
Dr. Hansjörg Schäfer
Rudolf Scharping Otto Schily
Wilhelm Schmidt

(Salzgitter)

Brigitte Schulte

(Hameln)

Volkmar Schultz (Köln)

Bodo Seidenthal Erika Simm
Dr. Peter Struck Hans-Eberhard Urbaniak Siegfried Vergin Wolfgang Weiermann Jochen Welt
Lydia Westrich
Dr. Norbert Wieczorek Helmut Wieczorek

(Duisburg)

Uta Zapf
Peter Zumkley
F.D.P.
Ina Albowitz
Dr. Gisela Babel
Günther Bredehorn
Jörg van Essen
Gisela Frick
Paul K. Friedhoff
Horst Friedrich
Rainer Funke
Dr. Wolfgang Gerhardt Joachim Günther (Plauen) Dr. Karlheinz Guttmacher Dr. Helmut Haussmann Ulrich Heinrich
Walter Hirche
Dr. Burkhard Hirsch
Birgit Homburger
Dr. Werner Hoyer
Ulrich Irmer
Dr. Klaus Kinkel
Detlef Kleinert (Hannover) Roland Kohn
Dr. Heinrich L. Kolb
Jürgen Koppelin
Dr.-Ing. Karl-Hans Laermann Dr. Otto Graf Lambsdorff Heinz Lanfermann
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger
Uwe Lühr
Jürgen W. Möllemann Günther Friedrich Nolting Dr. Rainer Ortleb
Lisa Peters
Dr. Günter Rexrodt
Dr. Klaus Röhl
Helmut Schäfer (Mainz) Cornelia Schmalz-Jacobsen Dr. Edzard Schmidt-Jortzig Dr. Hermann Otto Solms Dr. Max Stadler Carl-Ludwig Thiele
Dr. Dieter Thomae
Enthalten
CDU/CSU
Hans-Dirk Bierling Helmut Lamp
Kersten Wetzel
SPD
Robert Antretter Hermann Bachmaier
Ursula Burchardt
Peter Enders
Dr. Ingomar Hauchler
Jelena Hoffmann (Chemnitz) Renate Jäger
Dr. Uwe Jens Walter Kolbow Christine Kurzhals
Dr. Martin Pfaff Günter Rixe
Dr. Bodo Teichmann
Ich stelle fest: Der Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Abgeordnetengesetzes ist in der Ausschußfassung in zweiter Beratung angenommen.
Wir kommen zur
dritten Beratung
und Schlußabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist gegen die Stimmen der F.D.P. und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN sowie einiger Stimmen aus der SPD und der PDS und einer Enthaltung bei der SPD angenommen.
Wir kommen zur Beschlußempfehlung des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung zur Änderung der Geschäftsordnung und des parlamentarischen Verfahrens. Das ist die Drucksache 13/2342 Nr. 1. Dazu liegen drei Änderungsanträge vor.
Wer stimmt für den Änderungsantrag der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN auf Drucksache 13/2371? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei einigen Enthaltungen aus der PDS ist der Änderungsantrag der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN abgelehnt.
Wer stimmt für den Änderungsantrag der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN auf Drucksache 13/2379? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist gegen die Stimmen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und PDS abgelehnt.

Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer
Wir kommen zum Änderungsantrag der Abgeordneten Dieter Wiefelspütz, Andreas Schmidt (Mülheim) und Wilhelm Schmidt (Salzgitter) auf Drucksache 13/2374, mit dem Nr. I 3 der Zusammenstellung der Beschlüsse des 1. Ausschusses geändert werden soll. Es handelt sich um das Abstimmungsverfahren bei Bezweifelung der Beschlußfähigkeit. Wer stimmt für diesen Änderungsantrag? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Bei einigen Enthaltungen der PDS ist der Änderungsantrag mit den sonstigen Stimmen des Hauses angenommen.
Wer stimmt für die Beschlußempfehlung mit der soeben angenommenen Änderung? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei Enthaltung der PDS ist die Beschlußempfehlung gegen die Stimmen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN angenommen.
Wir kommen zur Beschlußempfehlung des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung zu dem Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN zur Änderung der Geschäftsordnung auf Drucksache 13/2342 Nr. 3. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 13/2 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist gegen die Stimmen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS angenommen.
Wir kommen zur Beschlußempfehlung des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Gysi, Bierstedt, Bläss und weiterer Abgeordneter zur Änderung der Geschäftsordnung auf Drucksache 13/ 2342 Nr. 4. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 13/12 abzulehnen. Wer stimmt für die Beschlußempfehlung? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei Enthaltung der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ist die Beschlußempfehlung gegen die Stimmen der PDS angenommen worden.
Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Gruppe der PDS auf Drucksache 13/2375. Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei Enthaltungen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ist der Entschließungsantrag mit den Stimmen des ganzen Hauses gegen die Stimmen der PDS abgelehnt worden.
Wir kommen zur Beschlußempfehlung des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung zur Verkleinerung des Bundestages und zur Unterrichtung durch die Präsidentin des Deutschen Bundestages zur Einsetzung einer Reformkommission zur Größe des Deutschen Bundestages.
Zunächst kommen wir zur Beschlußempfehlung des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung zur Verkleinerung des Bundestages, Drucksache 13/2342 Nr. 2.
Dazu liegt ein Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Drucksache 13/2369 vor. Wer stimmt für den Änderungsantrag? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei Enthaltung der Fraktion der F.D.P. und der Gruppe der PDS ist dieser Änderungsantrag gegen die Stimmen von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN abgelehnt worden.
Wer stimmt für die Beschlußempfehlung in der Ausschußfassung? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei Enthaltung der Fraktionen der F.D.P. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ist die Beschlußempfehlung gegen die Stimmen der PDS angenommen worden.
Der Unterrichtung zur Einsetzung einer Reformkommission zur Größe des Deutschen Bundestages auf Drucksache 13/2370 können Sie die Namen der Mitglieder, der stellvertretenden Mitglieder und der Sachverständigen entnehmen. Außerdem enthält die Unterrichtung eine Darstellung der Aufgaben der Kommission, wie wir sie bereits am 29. Juni beschlossen haben. Die Fraktionen haben mich wissen lassen, daß Herr Vizepräsident Klose den Vorsitz der Reformkommission übernehmen soll. Ich gehe davon aus, daß die Unterrichtung und der Vorschlag zum Vorsitz der Reformkommission zur Größe des Deutschen Bundestages Ihre Zustimmung findet. - Das ist der Fall.
Wir kommen nun zur Abstimmung über die Beschlußempfehlung des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung zu den Verhaltensregeln, Drucksache 13/834. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei Enthaltung der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN und eines Mitglieds der PDS ist diese Beschlußempfehlung mit den Stimmen des ganzen Hauses angenommmen worden.
Ich rufe jetzt die Tagesordnungspunkte 19a bis 19q sowie Zusatzpunkte 5 a und 5 b auf:
19. Überweisungen im vereinfachten Verfahren
a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu der Resolution vom 15. Januar 1992 zur Änderung des Internationalen Übereinkommens vom 7. März 1966 zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung und zu der Resolution vom 8. September 1992 zur Änderung des Übereinkommens vom 10. Dezember 1984 gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe
- Drucksache 13/1883 —
Überweisungsvorschlag:
Rechtsausschuß (federführend)

Ausschuß für die Angelegenheiten der Europäischen Union
b) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 18. April 1994 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Großherzogtum Luxemburg über den Autobahnzusammenschluß und den Bau einer Grenzbrücke über die Mosel im Raum Perl und Schengen
- Drucksache 13/1885 -




Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1305525500

Ausschuß für Verkehr (federführend)

Finanzausschuß
Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Haushaltsausschuß gemäß § 96 GO
c) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 10. Juni 1993 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Ukraine über den Luftverkehr
- Drucksache 13/1886 —
Überweisungsvorschlag:
Ausschuß für Verkehr (federführend) Finanzausschuß
d) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Protokoll vom 10. Mai 1984 zur Änderung des Abkommens vom 7. Dezember 1944 über die Internationale Zivilluftfahrt (9. Änderung des Abkommens über die Internationale Zivilluftfahrt)

- Drucksache 13/2044 —
Überweisungsvorschlag: Ausschuß für Verkehr
e) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 24. September 1992 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Jamaika über die gegenseitige Förderung und den Schutz von Kapitalanlagen
- Drucksache 13/2045 —Überweisungsvorschlag: Ausschuß für Wirtschaft
f) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 20. April 1993 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Lettland über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Kapitalanlagen
- Drucksache 13/2046 —
Überweisungsvorschlag:
Ausschuß für Wirtschaft
g) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 2. April 1993 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Belarus über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Kapitalanlagen
- Drucksache 13/2047 —
Überweisungsvorschlag:
Ausschuß für Wirtschaft
h) Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur sozialen Absicherung des Risikos der Pflegebedürftigkeit
- Drucksache 13/2207 - Überweisungsvorschlag:
Ausschuß für Arbeit und Sozialordung (federführend) Ausschuß für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Ausschuß für Gesundheit
i) Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Baugesetzbuchs
- Drucksache 13/2208 —
Überweisungsvorschlag:
Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau (federführend)

Ausschuß für Wirtschaft
Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
j) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Anpassung von Dienst- und Versorgungsbezügen in Bund und Ländern 1995 (Bundesbesoldungs- und -versorgungsanpassungsgesetz - BBVAnpG 95)

- Drucksache 13/2210 - Überweisungsvorschlag:
Innenausschuß (federführend)

Haushaltsausschuß mitberatend und gemäß § 96 GO
k) Erste Beratung des von vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Achten Buches Sozialgesetzbuch und des Bundeserziehungsgeldgesetzes
- Drucksache 13/2240 —
Überweisungsvorschlag:
Ausschuß für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (federführend)

Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung
1) Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD und F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines Dienstrechtlichen Begleitgesetzes im Zusammenhang mit dem Beschluß des Deutschen Bundestages vom 20. Juni 1991 zur Vollendung der Einheit Deutschlands (Dienstrechtliches Begleitgesetz - DBeglG)

- Drucksache 13/2377 —
Überweisungsvorschlag:
Ältestenrat
Innenausschuß (Federführung strittig)

Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau Haushaltsausschuß
m) Beratung des Antrags der Fraktion der SPD
Geplante Versenkung der Shell-Ölplattform und glaubwürdiger europäischer Nordseeschutz
- Drucksache 13/1738 -




Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1305525600

Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (federführend)

Ausschuß für Wirtschaft
Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Ausschuß für Verkehr
Ausschuß für Fremdenverkehr und Tourismus
n) Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Gerald Thalheim, Anke Fuchs (Köln), Ernst Bahr, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD
Verlängerung des Veräußerungstermins von nicht betriebsnotwendigen Vermögenswerten im Zusammenhang mit der Altschuldenregelung der Landwirtschaft in den neuen Ländern
- Drucksache 13/1772 —
Überweisungsvorschlag:
Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (federführend)

Haushaltsausschuß
o) Beratung des Antrags des Bundesministeriums der Finanzen
Einwilligung gemäß § 64 Abs. 2 Bundeshaushaltsordnung in die Veräußerung des bundeseigenen Flugplatzes an die „Holding Unternehmen Hahn GmbH & Co. KG"
- Drucksache 13/1897 —
Überweisungsvorschlag: Haushaltsausschuß
p) Beratung des Antrags des Bundesministeriums der Finanzen
Einwilligung gemäß § 64 Abs. 2 Bundeshaushaltsordnung in die Veräußerung eines Grundstücks in Berlin
- Drucksache 13/2186 —
Überweisungsvorschlag: Haushaltsausschuß
q) Beratung des Antrags des Bundesministeriums der Finanzen
Einwilligung gemäß § 64 Abs. 2 Bundeshaushaltsordnung in die Veräußerung einer bundeseigenen Liegenschaft in Magdeburg ( „Schroteplatz" ) an das Land Sachsen-Anhalt
- Drucksache 13/2224 —
Überweisungsvorschlag: Haushaltsausschuß
ZP5 a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Gerd Poppe, Dr. Helmut Lippelt, Waltraud Schoppe, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Voraussetzungen und Perspektiven einer Verhandlungslösung für das ehemalige Jugoslawien
- Drucksache 13/2362 -
Überweisungsvorschlag:
Auswärtiger Ausschuß (federführend) Verteidigungsausschuß
Ausschuß für Angelegenheiten der Europäischen Union
b) Beratung des Antrags der Fraktion der SPD
Die Lage der Bürger in Bosnien-Herzegowina, Kroatien und Serbien und die Bedingungen für die rasche Hilfe beim Wiederaufbau nach einem Friedensschluß
- Drucksache 13/2378 —
Überweisungsvorschlag:
Auswärtiger Ausschuß (federführend) Verteidigungsausschuß
Ausschuß für die Angelegenheiten der Europäischen Union
Interfraktionell wird vorgeschlagen, die Vorlagen an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse zu überweisen. Bei Tagesordnungspunkt 191, Dienstrechtliches Begleitgesetz, ist die Federführung jedoch strittig. Die Fraktionen der CDU/CSU und der SPD wünschen Federführung beim Ältestenrat, die Fraktionen der F.D.P. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN beim Innenausschuß. Wer stimmt für den Überweisungsvorschlag der F.D.P. und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Überweisungsvorschlag ist gegen die Stimmen von dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der F.D.P. abgelehnt.
Wer stimmt für den Vorschlag der Fraktionen der CDU/CSU und der SPD? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Gegen die Stimmen der F.D.P. bei Enthaltung der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ist der Überweisungsvorschlag angenommen worden. Damit liegt die Federführung beim Ältestenrat.
Die übrigen Vorlagen sollen wie in der Tagesordnung angegeben überwiesen werden. Sind Sie damit einverstanden? - Dann sind die Überweisungen so beschlossen.
Ich rufe die Tagesordnungspunkte 20c bis 20k und 11 auf:
20. Abschließende Beratungen ohne Aussprache
c) Beratung der Beschlußempfehlung des Rechtsausschusses (6. Ausschuß)

zu den dem Deutschen Bundestag zugeleiteten Streitsachen vor dem Bundesverfassungsgericht
Übersicht 1
- Drucksache 13/1882 -
Berichterstattung: Abgeordneter Horst Eylmann
d) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (16. Ausschuß) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung
Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Anforderungen im Hinblick auf die Ener-

Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer
gieeffizienz von elektrischen Haushaltskühl- und -gefriergeräten und entsprechenden Kombinationen
- Drucksachen 13/1096 Nr. 2.6, 13/1923 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Dr. Norbert Rieder
Klaus Lennartz Michaele Hustedt Dr. Rainer Ortleb
e) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für die Angelegenheiten der Europäischen Union (22. Ausschuß) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung
54. Bericht der Bundesregierung über die Integration der Bundesrepublik Deutschland in die europäische Union (Berichtszeitraum: 1. Januar bis 30. Juni 1994)

- Drucksachen 13/77, 13/342 Nr. 4, 13/1957 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Friedrich Merz Heidemarie Wieczorek-Zeul Christian Sterzing
Dr. Helmut Haussmann
f) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Finanzausschusses (7. Ausschuß) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung
Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Festlegung der Fälle, in denen eine Befreiung von Einfuhr- und Ausfuhrabgaben gewährt werden kann
- Drucksachen 13/725 Nr. 68, 13/2174 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Detlev von Larcher Heinz-Georg Seiffert
g) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (10. Ausschuß) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung
Vorschlag für eine Verordnung des Rates über das Verbot der Verwendung bestimmter Stoffe mit hormonaler bzw. thyreostatischer Wirkung und von Beta-Agonisten in der tierischen Erzeugung
- Drucksachen 13/725 Nr. 112, 13/2259 -
Berichterstattung: Abgeordnete Ulrike Höfken
h) Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses (2. Ausschuß)

Sammelübersicht 56 zu Petitionen - Drucksache 13/2271-
i) Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses (2. Ausschuß)

Sammelübersicht 57 zu Petitionen - Drucksache 13/2272 -
j) Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses (2. Ausschuß)

Sammelübersicht 58 zu Petitionen - Drucksache 13/2273 -
k) Beratung der Beschlußempfehlung des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung (1. Ausschuß)

Antrag auf Genehmigung zur Durchführung eines Privatklageverfahrens
- Drucksache 13/2281 -
Berichterstattung:
Abgeordneter Dr. Berthold Reinartz
11. Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Auswärtigen Ausschusses (3. Ausschuß)

- zu dem Antrag der Abgeordneten Marieluise Beck (Bremen), Angelika Beer, Dr. Helmut Lippelt, Gerd Poppe und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Sicherstellung der Humanitären Hilfe für Bosnien-Herzegowina
- zu dem Antrag der Abgeordneten Angelika Beer, Dr. Helmut Lippelt, Gerd Poppe und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Stärkeres politisches Engagement der Bundesrepublik Deutschland in Bosnien-Herzegowina
- Drucksachen 13/1015, 13/1252, 13/1881 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Christian Schmidt (Fürth) Freimut Duve
Gerd Poppe
Ulrich Irmer
Tagesordnungspunkt 20 c: Beschlußempfehlung des Rechtsausschusses zu Streitsachen vor dem Bundesverfassungsgericht, Drucksache 13/1882. Das ist Übersicht 1. Wer stimmt für die Beschlußempfehlung? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei Enthaltung der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ist die Beschlußempfehlung angenommen worden.
Tagesordnungspunkt 20 d: Beschlußempfehlung des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Anforderungen an die Energieeffizienz von elektrischen Kühlgeräten, Drucksache 13/1923. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei einigen Enthaltungen aus den Reihen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ist die Beschlußempfehlung angenommen worden.

Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer
Tagesordnungspunkt 20 e: Beschlußempfehlung des Ausschusses für die Angelegenheiten der Europäischen Union über die Integration der Bundesrepublik Deutschland in die Europäische Union, Drucksache 13/1957. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist einstimmig angenommen worden.
Tagesordnungspunkt 20 f: Beschlußempfehlung des Finanzausschusses zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Befreiung von Einfuhr- und Ausfuhrabgaben, Drucksache 13/2174. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist einstimmig angenommen worden.
Tagesordnungspunkt 20 g: Beschlußempfehlung des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Rates über das Verbot bestimmter Stoffe in der tierischen Erzeugung, Drucksache 13/2259. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Gegen die Stimmen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ist die Beschlußempfehlung angenommen worden.
Tagesordnungspunkt 20h bis 20j: Beschlußempfehlungen des Petitionsausschusses auf den Drucksachen 13/2271 bis 13/2273. Das sind die Sammelübersichten 56 bis 58. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlungen? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei Enthaltung der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Gruppe der PDS sind die Beschlußempfehlungen angenommen worden.
Tagesordnungspunkt 20 k: Beschlußempfehlung des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung zu einem Antrag auf Genehmigung zur Durchführung eines Privatklageverfahrens, Drucksache 13/2281. Wer stimmt für die Beschlußempfehlung? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei Enthaltung der Gruppe der PDS und einer Enthaltung aus der Fraktion der SPD ist die Beschlußempfehlung angenommen.
Tagesordnungspunkt 11: Beschlußempfehlung des Auswärtigen Ausschusses zu den Anträgen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zur Sicherstellung der Humanitären Hilfe für Bosnien-Herzegowina und zum stärkeren politischen Engagement der Bundesrepublik Deutschland in Bosnien-Herzegowina, Drucksache 13/1881. Der Ausschuß empfiehlt, die Anträge auf den Drucksachen 13/1015 und 13/1252 zusammenzufassen und in der Ausschußfassung anzunehmen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei Enthaltung der Gruppe der PDS und einer Enthaltung aus der Fraktion der CDU/CSU ist die Beschlußempfehlung mit den übrigen Stimmen des Hauses angenommen worden.
Wir kommen zum nächsten Tagesordnungspunkt. Ich bin erstaunt, aber im Programm steht jetzt „Befragung der Bundesregierung".

(Dr. Uwe Küster [SPD]: Die Tagesordnung ist so verabredet!)

- Das war so verabredet. Deswegen gibt es keinen Grund zum Staunen.
Ich rufe Tagesordnungspunkt 2 auf:
Befragung der Bundesregierung
Die Bundesregierung hat als Themen der heutigen Kabinettsitzung mitgeteilt: AufstiegsfortbildungsFörderungsgesetz, Verhandlungsziel der Bundesregierung auf der Konferenz zur Überprüfung des UN-Waffenübereinkommens.
Das Wort für den einleitenden Bericht hat der Bundesminister für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie, Dr. Jürgen Rüttgers. Bitte, Herr Minister.

Dr. Jürgen Rüttgers (CDU):
Rede ID: ID1305525700
Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich will Ihnen, Frau Präsidentin, ausdrücklich recht geben. Die Parlamentarischen Geschäftsführer haben bewußt eine Steigerung in der Tagesordnung vorgesehen. Deshalb berichte ich jetzt über den Beschluß des Bundeskabinetts, das heute den Entwurf eines Gesetzes zur Förderung der beruflichen Aufstiegsfortbildung verabschiedet hat.
Fachkräfte, die an Maßnahmen der beruflichen Aufstiegsfortbildung teilnehmen, sollen ab dem 1. Januar 1996 staatliche Zuschüsse und zinsgünstige Bankdarlehen erhalten.

(Günter Rixe [SPD]: 8 %! Weiterer Zuruf von der SPD: 8,5 % bei jeder Sparkasse!)

Damit haben wir die Ankündigungen der Koalitionsvereinbarung und der Regierungserklärung des Bundeskanzlers vom 23. November 1994 zügig umgesetzt.
Werte Kolleginnen und Kollegen, ich will ausdrücklich darauf hinweisen, daß dieses Gesetz zur Förderung der beruflichen Aufstiegsfortbildung nach heutigem Stand das erste und einzige neue Leistungsgesetz in dieser Legislaturperiode ist.

(Franz Thönnes [SPD]: Reparaturgesetz!)

Deshalb bin ich dem Finanzminister dankbar, daß es möglich war, dieses Gesetz im Kabinett so zügig zu beschließen. Ich knüpfe daran die Hoffnung, daß es zu einer sehr zügigen parlamentarischen Beratung kommt, und bin sicher, daß diese Hoffnung im Bundestag erfüllt wird. Ich hoffe, daß auch der Bundesrat seine Beratungen zügig führen kann, weil nach dem Willen der Bundesregierung dieses Gesetz zum 1. Januar 1996 in Kraft treten soll.
Dies ist nicht nur ein politisch festgesetztes Datum. Vielmehr ergibt es sich aus der Notwendigkeit, den Damen und Herren, die jetzt die Meisterkurse oder Kurse für mittlere Führungskräfte machen wollen, rasch Sicherheit zu geben, damit die notwendigen Anmeldungen zu den Kursen erfolgen.
Meine Damen und Herren, wir erwarten, daß rund 90 000 Teilnehmer an dieser Aufstiegsfortbildung gefördert werden. Wir gehen davon aus, daß von diesen

Bundesminister Dr. Jürgen Rüttgers
90 000 Geförderten rund 20 000 ein Unternehmen gründen werden. Damit werden allein im Gründungsjahr rund 60 000 neue Arbeitsplätze geschaffen. Mittelfristig wird die Zahl weit darüber liegen.
Ich will darauf hinweisen, daß im ersten Jahr für das Gesetz rund 155 Millionen DM bereitgestellt werden sollen. Wenn man den gesamten Finanzierungszeitraum in der mittelfristigen Finanzplanung zugrunde legt, werden hierfür Mittel in Höhe von rund 1,1 Milliarden DM eingesetzt. Rechnet man die Zuschüsse und die Bankdarlehen zusammen, erreicht man pro Jahr eine Förderung in Höhe von 1 Milliarde DM. Ich sage dies deshalb, weil sich diese Beträge sehen lassen können und sicherstellen, daß die Geförderten die notwendige finanzielle Unterstützung für ihren Lebensunterhalt bekommen.
Die Bundesregierung hat nach der Anhörung der Verbände und Länder die Fördersätze noch einmal erhöht. Es ist jetzt vorgesehen, daß ein Alleinstehender 373 DM Zuschuß und 672 DM Bankdarlehen erhält, daß Verheiratete insgesamt 1 465 DM erhalten und pro Kind weitere 250 DM gezahlt werden.
Im Hinblick auf den Zuschuß zu den Prüfungskosten und den Teilzeitkosten bleibt es bei der Existenzgründungskomponente, d. h., es findet ein Schuldenerlaß statt, wenn sich jemand anschließend selbständig macht.
Ich will zusammenfassen: Mit diesem Gesetz wird erstmalig in einem eigenständigen Bundesgesetz die Förderung der Aufstiegsfortbildung umfassend geregelt. Auf die Leistungen besteht ein Rechtsanspruch. Die Förderung wird aus Steuermitteln finanziert. Das Gesetz ist in Anlehnung an das Bundesausbildungsförderungsgesetz konzipiert. Das heißt konkret: Die Förderung ist abhängig vom Einkommen und vom Vermögen des Geförderten. Wie auch beim BAföG jetzt vorgesehen, erfolgt die Förderung teilweise in Form von verzinslichen Bankdarlehen. Der besonderen Lebenssituation der Geförderten entsprechend ist die Leistung zum Lebensunterhalt bei Vollzeitmaßnahmen nach Familienstand und Familiengröße gestaffelt.
Frau Präsidentin, das war der Bericht der Bundesregierung.

Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1305525800
Danke schön.
Ich bitte, zunächst Fragen zu dem Themenbereich zu stellen, über den soeben berichtet wurde. - Bitte.

Franz Thönnes (SPD):
Rede ID: ID1305525900
Bei aller Liebe zu der zentralen Bedeutung dieses Themas liegt mir die Frage auf der Zunge, ob den Abgeordneten dieses Hauses in Zukunft vielleicht empfohlen werden sollte, eher in die Pressekonferenzen der Minister zu gehen, als in einer später stattfindenden Fragerunde dazu hier sozusagen kalten Kaffee serviert zu bekommen.

(Beifall bei der SPD)

Ich will diese Frage aber nicht stellen, sondern mich auf den Minister konzentrieren und ihn fragen, ob er mir zustimmen kann, daß es bereits eine funktionierende und attraktive Aufstiegsfortbildung gegeben hat, die von dieser Bundesregierung abgeschafft worden ist, und daß es nicht so ist, wie es heute morgen in einem Debattenbeitrag zur Mittelstandspolitik anklang, nämlich daß es sich hierbei um eine revolutionäre Erneuerung handele, sondern daß die jetzigen Regelungen noch weit hinter den bisherigen AFG-Regelungen zurückbleiben.

(Zuruf von der SPD: Sehr richtig! Konrad Gilges [SPD]: Schlechte Revision!)


Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1305526000
Herr Minister Rüttgers, bitte.

Dr. Jürgen Rüttgers (CDU):
Rede ID: ID1305526100
Herr Abgeordneter, erstens möchte ich darauf hinweisen, daß die Bundesregierung, wie sie es immer tut, angeboten hat, unmittelbar nach der Kabinettsitzung hier im Bundestag zur Regierungsbefragung zur Verfügung zu stehen. Die Bundesregierung hat leider keinen Einfluß auf die Gestaltung der Tagesordnung des Deutschen Bundestages.

(Dr. Peter Glotz [SPD]: Was heißt hier „leider"?)

Insofern bitte ich um Nachsicht. Ich stehe natürlich jederzeit zur Verfügung, wenn der Deutsche Bundestag dies will. Das war nach dem Beschluß des Bundestages zu dieser Minute der Fall.
Zweitens. Es hat zu einem früheren Zeitpunkt eine Förderung im Rahmen des Arbeitsförderungsgesetzes gegeben, die sich allerdings, Herr Abgeordneter, in wesentlichen Punkten von dem jetzigen Meister-BAföG unterscheidet. Dies ist auch von den Verbänden, etwa vom Zentralverband des Deutschen Handwerks und vom Deutschen Industrie- und Handelstag, ausdrücklich betont worden. Das eine war ein Gesetz im Rahmen des AFG, das in andere Fördermaßnahmen eingebunden war. Jetzt handelt es sich um ein eigenständiges Gesetz mit einem eigenständigen Rechtsanspruch.,
Ich will auf einen Unterschied hinweisen - es gibt noch andere -: Wir erreichen damit, daß nicht indirekt die Lohnkosten erhöht werden, weil es sich nicht mehr um eine Versicherungsleistung handelt, sondern in diesem Fall ganz konkret um eine Maßnahme, die aus Steuergeldern bezahlt wird.

(Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Sehr gut!)


Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1305526200
Möchten Sie noch eine Zusatzfrage stellen? - Bitte, Herr Thönnes.

Franz Thönnes (SPD):
Rede ID: ID1305526300
Herr Minister, ist es neben der Tatsache, daß das Abhalten von Pressekonferenzen, insbesondere was die Variabilität angeht, natürlich in der Gewalt der Regierung liegt, richtig, daß dem zuständigen Ausschuß des Deutschen Bundestages im Moment eine Finanzierungsgröße vorliegt, die nicht mit der Höhe des Finanzbedarfes übereinstimmt, der Ihrerseits gegenüber der Presse erläutert worden ist? Ist es, ergänzend dazu, auch richtig, daß

Franz Thönnes
die Frage der Finanzierung mit den Ländern noch
nicht geklärt ist? Was wollen Sie eigentlich tun, wenn
sich die Länder nicht an der Finanzierung beteiligen?

Dr. Jürgen Rüttgers (CDU):
Rede ID: ID1305526400
Herr Abgeordneter Thönnes, ich bedaure, Ihnen widersprechen zu müssen. Auch die Frage, wann Pressekonferenzen stattfinden, liegt nicht im Belieben der Bundesregierung, sondern im Belieben der Bundespressekonferenz, die, wie Sie wissen, ein eigenständiger Verein ist und die Termine festlegt.
Zum zweiten ist es so, daß die Summen, die ich hier genannt habe, mit denen identisch sind, die dem Deutschen Bundestag im Haushaltsplan vorliegen. Dabei handelt es sich zum einen um die Aufteilung für dieses Jahr, die Sie im zweiten Teil Ihrer Frage angesprochen haben: 65 % Bund, 35 % Länder. Zum anderen habe ich auf die Summe im Finanzplanungszeitraum hingewiesen. Das waren, wenn ich es richtig im Kopf habe, 1,1 Milliarden DM. Die Summe, die sich aus Darlehen und den Zuschüssen, die etatisiert sind, ergibt, beträgt diese 1 Milliarde DM, die zur Verfügung steht. Das ist auch so im Haushalt niedergelegt.
Zu der Frage, die sich auf die Länder bezog. Ich habe eben eine Bemerkung im Hinblick auf den Bundesrat gemacht. Es hat natürlich auch Gespräche mit Landesregierungen gegeben. Ich gehe davon aus, daß es im Rahmen des parlamentarischen Verfahrens, d. h. im Bundesrat, zu einer Zustimmung kommt. Sie selber haben dankenswerterweise darauf hingewiesen, daß das gesetzgeberische Ziel hier im Hause weitgehend unstreitig ist. Es gibt eine Vielzahl von Landesregierungen - ich darf etwa an die niedersächsische erinnern -, die durch eigene Anträge im Bundesrat initiativ geworden sind. Wenn einer Landesregierung das Thema der Aufstiegsförderung so am Herzen liegt, dann kann ich mir nicht vorstellen, daß sie sich weigert, an der Finanzierung mitwirken zu dürfen.

(Franz Thönnes [SPD]: Ein gutes Vorstellungsvermögen!)


Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1305526500
Jetzt hat das Wort die Kollegin Odendahl.

Doris Odendahl (SPD):
Rede ID: ID1305526600
Herr Minister, nachdem Sie das Ziel erläutert haben, gehe ich denn doch davon aus, daß man durchaus im Ziel übereinstimmen kann, aber vielleicht über den Weg verschiedener Meinung ist. Kommen wir jetzt einmal auf die Verschiedenheit.
In Ihrem Statement führen Sie - vom Ziel abgesehen - aus, daß Sie es für selbstverständlich halten, daß sich die Länder wie beim BAföG mit 35 % an den Kosten beteiligen. Nun ist Ihnen aber, obwohl Sie noch nicht so sehr lange in Ihrer Position als Bildungs- und Forschungsminister sind, doch bekannt, daß BAföG - die Bundesausbildungsförderung - als
Erstausbildungsgesetz konzipiert wurde und die berufliche Erstausbildung darauf beruht, daß Auszubildende eine Ausbildungsvergütung von seiten des Arbeitgebers, der Wirtschaft, erhalten.
Wie kommen Sie zu Ihrer hier geäußerten Zuversicht, es sei selbstverständlich, daß die Länder sich daran beteiligen? Diese Selbstverständlichkeit ist noch nicht gegeben.
Ich habe noch eine zweite Frage, die sich vielleicht gleich anschließen läßt. Sie hat noch mit der Abwicklung zu tun - ganz abgesehen davon, was entsteht, wenn man die Zinsen hochrechnet. Ich habe mich selbst einmal selbständig gemacht. Daß man zwei Jahre lang Zinsfreiheit hat, ist schön. Aber ins Rutschen kommt ein junger Betrieb, wenn er einigermaßen seriös anfängt, nicht im ersten Jahr. Im zweiten Jahr kann man es manchmal absehen. Ins Rutschen kommt er dann im dritten und vierten Jahr. Ich würde sehr gern hören, welche Regelungen Sie dafür vorsehen wollen.

Dr. Jürgen Rüttgers (CDU):
Rede ID: ID1305526700
Zur ersten Frage nach dem prognostizierten Verhalten der Bundesländer, Frau Odendahl. Mein Optimismus beruht einfach darauf, daß ich die Erklärungen der Länder ernst nehme. Ich kann mir nicht vorstellen, daß sie zu einem zwiespältigen Verhalten neigen. Wenn ich für die Aufstiegsfortbildung bin, kann ich mich nicht verweigern; und wenn ich für die Gleichberechtigung von beruflicher und akademischer Ausbildung bin, kann ich mich auch nicht verweigern. Ich kann dann nicht dagegen sein, daß wir dieses Gesetz so konzipiert haben, wie dies auch im Bereich des studentischen BAföGs kommen wird.
Der zweite Punkt ist die Frage der Belastung. Wir haben ja nicht nur einen relativ günstigen Zinssatz ermöglicht.

(Doris Odendahl [SPD]: Günstig?)

Ihnen geht es um die Belastung in den ersten Jahren, und das Wichtigste ist: Wenn Sie von einem variablen Zinssatz von 6 % beim heutigen Stand ausgehen, würde sich im Vollzeitfall, also bei einem Darlehen für Lebensunterhalt und Maßnahmekosten von 18 000 DM, bei einer Rückzahlungsdauer von sieben Jahren und sechs Monaten die monatliche Rate auf 250 DM belaufen. Auch im Teilzeitfall würde ein entsprechender Betrag bei einer Rückzahlungszeit von drei Jahren und sechs Monaten erreicht.
Ich glaube nicht, daß man davon ausgehen kann, daß bei einer Summe von 250 DM monatlich eine Existenzgründung gefährdet wäre, vor allem, wenn man dann noch einrechnet, daß ein Teil dieser Beträge im Existenzgründungsfall erlassen werden kann.

Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1305526800
Als nächster erhält Kollege Rixe das Wort.

Günter Rixe (SPD):
Rede ID: ID1305526900
Herr Minister, es ist ja nun doch wahr geworden, was wir immer befürchtet ha-

Günter Rixe
ben und was ich hier auch einmal gesagt habe: daß es nun wirklich ein BAföG-Gesetz für Meister bei der Aufstiegsförderung ist.
Beantworten Sie mir doch bitte folgende Frage. Wenn ich die Zahlen sehe und eine zweijährige Vollausbildung in der Aufstiegsförderung nehme, stelle ich fest, daß der Betreffende nach Ihren Vorstellungen 35 000 DM Darlehen nehmen muß, nämlich 20 000 DM für die Lehrgänge und alles, was dazugehört, und 14 000 DM für die zwei Jahre, weil Sie ja nur 337 DM pro Monat an Zuschuß zahlen.
Er bekäme dann in den zwei Jahren 35 000 DM Darlehen zu Zinsen von 6 bis 8 %. Ob die günstiger sind als bei der Sparkasse, weiß ich nicht; denn ich bekomme heute schon normale Zinsen bei der Sparkasse von 6,8 %, da muß ich nicht zur Ausgleichsbank gehen. Er bekommt 9 000 DM Zuschuß.
Woher soll denn dann noch das Interesse kommen, sich überhaupt diesem Papierkrieg auszusetzen? Er kann auch die letzten 8 000 DM bei der Bank aufnehmen und seine Meisterprüfung machen. Sie schreiben in dem Papier, daß es 200 000 Meister im Handwerk gibt; da soundsoviel Betriebe schließen, sind es also noch Meistersöhne. Ich würde meinem Sohn raten: Gehe dort gar nicht erst hin, lasse es Dir gar nicht erst ausfüllen, sondern gehe gleich zur Bank! Sehen Sie in diesem Programm eigentlich noch eine Zukunft?

Dr. Jürgen Rüttgers (CDU):
Rede ID: ID1305527000
Ich bedauere, Herr Kollege Rixe, Ihre Frage kann ich nicht beantworten.

(Günter Rixe [SPD]: Das habe ich mir gedacht!)

- Das hat einfach damit zu tun, daß ich Ihre Zahlen nicht nachvollziehen kann. Ich bin gerne bereit, mich irgendwann mit Ihnen hinzusetzen und das noch einmal durchzurechnen. Ich bin mir ganz sicher, daß wir dann auch zu übereinstimmenden Zahlen kommen. Die Zahlen, die ich Ihnen vorgetragen habe, stehen so, sind anders. Insofern kann ich es wirklich nicht nachvollziehen.
Wenn ich Ihre Frage auf einen Punkt bringen will, so wollen Sie wissen: Wo liegt das Interesse? - Es liegt erstens in einem günstigeren Zinssatz, und es liegt zweitens in einem Zuschuß.

(Konrad Gilges [SPD]: 6 bis 8 %! Das ist doch kein günstiger Zinssatz! Das ist doch Quatsch!)

- Ich weiß nicht, Frau Präsidentin, ob ich jetzt noch auf Zwischenrufe eingehen soll, denn dann stellt sich das Problem, daß ich die Fähigkeit zur Beurteilung von Sachverhalten in Frage stellen muß, was ich aber an sich beim Kollegen Gilges, den ich aus einem Nachbarwahlkreis kenne, nicht tun möchte. Normalerweise kann er als Gewerkschaftsvorsitzender rechnen. Insofern weiß ich nicht, welche Probleme er im Moment hat.
Herr Kollege Rixe, das ist eine Frage, die wir anhand der Zahlen durchgehen müssen. Es ist eine sehr günstige Sache. Ich darf darauf hinweisen und würde Sie bitten, das einmal zu bedenken, weil ich weiß, daß Sie ein nachdenklicher Mann sind:

(Günter Rixe [SPD]: Das machen wir im Ausschuß!)

Es kann für diejenigen, die das betrifft, nicht völlig uninteressant sein, wenn der Zentralverband des Deutschen Handwerks, wenn der Deutsche Industrie- und Handelstag, wenn die anderen Organisationen aus diesem Bereich, wenn die Bildungsorganisationen nach der Anhörung diese Lösung in vollem Umfang begrüßen. Ich kann mir auch nicht vorstellen, daß die SPD wirklich wieder eine Position einnehmen will, die jenseits aller Stellungnahmen der gesellschaftlichen Gruppen ist.

Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1305527100
Ich rufe jetzt die Frage des Kollegen Peter Glotz auf.

Prof. Dr. Peter Glotz (SPD):
Rede ID: ID1305527200
Herr Bundesminister, auch wir haben eine Anhörung gemacht, bei der alle Verbände anwesend waren. In unserer Anhörung haben all diese Verbände, darunter viele, die Ihnen näherstehen als den Sozialdemokraten, klipp und klar insbesondere die geplanten Größenordnungen kritisiert, und zwar ganz im Sinne der Frage, die der Kollege Rixe gerade gestellt hat. Darf ich Sie fragen: Halten Sie die Feststellung aufrecht, daß alle großen Verbände den Gesetzentwurf, wie er jetzt vorliegt, begrüßt haben?

Dr. Jürgen Rüttgers (CDU):
Rede ID: ID1305527300
Ja, die halte ich aufrecht, Herr Kollege Glotz, wobei Ihr Zitat auf einer früheren Vorlage beruht, als die Beträge noch niedriger waren.
Es gibt einen zweiten Aspekt - das habe ich bei den verschiedenen Debatten zu diesem Thema schon betont -: Man kann sich natürlich bei jedem Leistungsgesetz vorstellen, daß die Leistungen noch größer sind. Das ist eine alte Erfahrung. Das ist der Unterschied zwischen dem Spatz in der Hand und der Taube auf dem Dach. Ich finde es wichtig, daß es in einem Jahr - und deswegen habe ich es betont -, in dem der Haushalt insgesamt mit minus 1,3 % vom Finanzminister und der Bundesregierung gefahren wird, möglich ist, daß ein neues Leistungsgesetz in Kraft gesetzt wird. Ich könnte Ihnen noch andere Punkte nennen, auch auf der Linie, die Frau Kollegin Odendahl angesprochen hat, und zwar bezüglich der Frage der Erstausbildung und der Zweitausbildung, wo man sich noch weitere Verbesserungen vorstellen kann. Da ich aber weiß, daß Sie mit mir zusammen immer bereit sind, für Umschichtungen im Gesamthaushalt zu sorgen, können wir vielleicht im nächsten oder übernächsten Jahr weiter darüber diskutieren.

Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1305527400
Ich rufe jetzt die Frage der Kollegin Bulmahn auf.


Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1305527500
Sehr geehrter Herr Minister! Ist es richtig, daß sich der jetzige Vorschlag von dem vorherigen Vorschlag darin unterscheidet, daß die Teilnehmer einen höheren Kredit aufnehmen können und einen geringeren Zuschuß erhalten? Wenn dieses zutrifft - und das entspricht den Zahlen -, dann ist es zumindest meiner Rechnung nach - der Zuschuß in der ersten Version Ihres Vorschlags betrug 472,50 DM; jetzt beträgt er 373,- DM - deutlich weniger. Von daher kann ich die veränderte Beurteilung, die es angeblich geben soll, anhand der Verbände nicht ganz nachvollziehen. Aber wir werden das sicherlich noch im zweiten Schritt nachprüfen.
Ich habe aber noch eine weitere Nachfrage. Die Aufstiegsfortbildung soll für diejenigen gelten, die schon längere Zeit im Berufsleben gestanden haben, die eine weitere Qualifikation erlangen wollen. Für diejenigen, die schon längere Zeit im Beruf gestanden haben, ist die Frage der Sozialversicherungsbeiträge eine ganz wesentliche und wichtige Frage.
Im AFG, nach dem vorher die Meisterfortbildung gefördert worden ist, stand die Regelung, daß auch während der Meisterfortbildung die Rentenversicherungsbeiträge gezahlt wurden. Ist es richtig, daß nach dem vorliegenden Gesetzentwurf diese Rentenversicherungsbeiträge nicht mehr gezahlt werden?

Dr. Jürgen Rüttgers (CDU):
Rede ID: ID1305527600
Zu der ersten Frage, Frau Kollegin Bulmahn: Ich beziehe mich auf öffentliche Erklärungen der Verbände - insofern ist das kein Geheimnis -, die bei der Presse und anderswo öffentlich vorliegen. Das, was Sie an Sachverhalt dargestellt' haben, ist richtig. Aber dies ist auf Wunsch der Verbände erfolgt.
Ich glaube, das Argument wird Ihnen auch einleuchten. Wir haben von Anfang an, seit meiner ersten Erklärung hier im Parlament zu diesem Thema, gesagt, daß die Summe, die dafür zur Verfügung steht, nicht nach oben erweitert werden kann. Also konnte es bei einer Verbesserung nur darum gehen, die Konditionen bei den einzelnen Summen, die zur Verfügung stehen, zu verbessern.
Deshalb ist in der Anhörung von den Verbänden der Vorschlag gemacht worden, den Darlehensanteil zu Lasten des Zuschußteils zu erhöhen, um damit sicherzustellen - das ist für die Betroffenen ein wichtiger Punkt -, daß die Summe, die man während des Kurses zur Verfügung hat, es einem ermöglicht, einen entsprechenden Lebensstandard aufrechtzuerhalten. Die Summen sind nicht riesig; das weiß ich. Es ist aber so, daß das als ausreichend betrachtet wird und in den Erklärungen so vorgetragen worden ist.
Ich habe gerade versucht - ich bitte um Nachsicht, Frau Bulmahn -, die Feinheiten zu klären: Die Krankenversicherung ist berücksichtigt, und bei der Renten- und Arbeitslosenversicherung werden Ausfallzeiten angerechnet. Das ist im Gesetzentwurf so vorgesehen.

(Edelgard Bulmahn [SPD]: Aber es werden keine Beiträge gezahlt!)

- Ja, es werden keine Beiträge gezahlt.

Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1305527700
Eine Frage des Kollegen Hinsken.

Ernst Hinsken (CSU):
Rede ID: ID1305527800
Herr Minister, haben Sie bereits die heutigen positiven Äußerungen verschiedener Verbände nach der Regierungsbeschlußfassung zur Kenntnis genommen, insbesondere seitens des deutschen Handwerks, daß man sich darüber freut, daß endlich einmal etwas auf einen vernünftigen Weg gebracht wurde? Stimmen Sie mir zu, daß unmittelbar vor Ort viele Bürger, insbesondere Gesellen, darauf warten, daß Diesbezügliches umgesetzt wird, und zwar möglichst bald, so wie Sie das hier heute angekündigt haben? Können Sie den übrigen Plenumsmitgliedern mitteilen, daß Sie bereits breiteste positive Resonanz gefunden haben und weiterhin finden werden?

Dr. Jürgen Rüttgers (CDU):
Rede ID: ID1305527900
Ich kann dem Plenum gerne mitteilen, daß dies schon vor der Beschlußfassung des Kabinetts der Fall war. Ich stimme Ihnen zu: Es ist völlig klar, daß das so kommt, denn das Gesetz ist so gut, daß man es nur begrüßen kann. Im Wahlkreis wird der Kollege Rixe das auch tun.

Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1305528000
Eine Frage des Kollegen Dr. Guttmacher, bitte.

Dr. Karlheinz Guttmacher (FDP):
Rede ID: ID1305528100
Herr Minister, Sie haben an die Förderung die Voraussetzung geknüpft, daß bei der Vollzeitausbildung eine Ausbildung von mindestens sechs Monaten erfolgt. Meine Frage: Haben Sie damit alle Handwerksberufe erfaßt, wenn man daran denkt, daß die monatliche Ausbildung mit 150 Stunden, wenn sie eine Vollzeitausbildung ist, bilanziert werden muß und in verschiedenen Handwerksberufen, wie z. B. bei den Bäckern und Fleischern, nicht die von Ihnen mit sechsmonatiger Vollausbildung vorgesehenen 900 Stunden erreicht werden?

Dr. Jürgen Rüttgers (CDU):
Rede ID: ID1305528200
Herr Kollege Guttmacher, diese Frage ist im Vorfeld Gegenstand von Debatten, gerade auch mit dem ZDH, gewesen. Herr Kollege Hinsken war in diesem Bereich sehr engagiert. Wir haben die Abstimmung mit denen, die Kurse veranstalten, so vorgenommen, daß es von ihnen jetzt so gewünscht und akzeptiert wird.

(Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Vielen Dank!)


Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1305528300
Weitere Fragen zu diesem Komplex liegen offensichtlich nicht vor.

Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer
Gibt es weitere Fragen zu den sonstigen im Kabinett behandelten Themen, oder gibt es allgemeine Fragen an die Bundesregierung? - Bitte.

Volker Kröning (SPD):
Rede ID: ID1305528400
Frau Präsidentin, ich habe gehört, daß das Bundeskabinett sich heute auch mit der Vorbereitung der Konferenz zur Überprüfung des UN-Waffenübereinkommens beschäftigt hat. Wir wären für Ausführungen darüber dankbar.

Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1305528500
Wer antwortet für die Bundesregierung? - Bitte, Herr Hoyer.

Dr. Werner Hoyer (FDP):
Rede ID: ID1305528600
Herr Kollege, wir haben die Thematik heute im Bundeskabinett kurz aufgegriffen. Eine intensivere Beratung erschien nicht erforderlich, da vorher völliges Einvernehmen bestand. Dieses Einvernehmen besteht auch, denke ich, mit dem Deutschen Bundestag, da wir uns auf der Basis der Entschließung des Deutschen Bundestages vom 29. Juni 1995 zur weitgehenden Einsatzbeschränkung für Landminen bewegt haben.
Unsere Verhandlungsziele für die Konferenz, die vom 25. September bis zum 13. Oktober 1995 in Wien stattfinden wird, sind klar, nämlich erstens die Geltung des Minenprotokolls auch in Friedenszeiten und bei innerstaatlichen bewaffneten Konflikten durchzusetzen, zweitens die Schaffung eines wirksamen Überprüfungsmechanismus zur Abschreckung und Ahndung von Verstößen gegen das Minenprotokoll, drittens ein Verbot des Einsatzes aller Landminen, die nicht mit herkömmlichen Minensuchgeräten aufzuspüren sind - das ist ja ein erhebliches praktisches Problem, um das zu kümmern sich lohnt -, viertens besondere Einsatzbeschränkungen für und Verbote von Landminen, die sich nach einer bestimmten Frist nicht selbst zerstören - diese stellen, wie wir wissen, angesichts der enormen Mengen an Landminen, die in dieser Welt leider herumliegen, eine ganz besondere Gefährdung dar, und ihre Beseitigung erfordert einen enormen Aufwand -, fünftens Exportbeschränkungen und Verbote für Landminen, sechstens ein Verbot des militärischen Einsatzes von Laserstrahlen, sofern sie dazu dienen, das menschliche Augenlicht dauerhaft zu schädigen, und schließlich ein Verbot der Produktion und des Einsatzes von Laser-Blendwaffen. Diese Position, abgestimmt zwischen dem Auswärtigen Amt und dem Bundesminister der Verteidigung, ist von der Bundesregierung einvernehmlich gebilligt worden.

Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1305528700
Eine Nachfrage, bitte.

Volker Kröning (SPD):
Rede ID: ID1305528800
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! In der Tat, Herr Staatsminister, können wir die Befassung mit diesem Thema heute knapp halten, da wir uns mit ihm zweimal im Plenum des Deutschen Bundestages und auch gestern abend im Unterausschuß für Abrüstung und Rüstungskontrolle beschäftigt haben. Ich stehe nicht an, in unserem Namen und im Namen der anderen Fraktionen, die hier nicht durch ihre Berichterstatter zu diesem Punkt vertreten sind, für die gute Zusammenarbeit in der unmittelbar zurückliegenden Zeit zu danken.
Dennoch interessiert die Öffentlichkeit, gerade auch nach den Verlautbarungen, die bereits über den Ticker gelaufen sind, das Folgende: Sie wissen, daß wir uns nicht über die Forderung der SPD-Fraktion verständigt haben, schon auf der Wiener Konferenz von seiten der Bundesregierung ein Verbot von Antipersonenminen zu fordern, weil angesichts der Ergebnisse der Vorbereitungstreffen die Befürchtung bestand, daß man dann die anschließende Ratifizierung durch eine größere Zahl von Staaten als bisher und vor allem die Erstreckung des Abkommens auf innerstaatliche Konflikte gefährden könnte.
Nun gibt es aber einen Mehrländervorschlag, u. a. von uns so nahestehenden Staaten wie Belgien, Norwegen, der Schweiz, Österreich, aber auch von einem besonders betroffenen Staat wie Kambodscha, schon auf dieser Konferenz über ein Verbot von Antipersonenminen ohne Selbstzerstörungsmechanismus zu verhandeln. Meine Frage ist, ob die Bundesregierung bereit ist, sich dieser Forderung anzuschließen und dafür auch in Wien einzutreten.
Sie haben im Rahmen Ihrer Punkte auch Exportverbote angesprochen. Auch dazu hatte die SPD-Fraktion eine sehr weitreichende Forderung gestellt, nämlich Exportverbote für Landminen schlechthin, und zwar nicht nur als Gegenstand der Konferenz, sondern auch im Wege einer einseitigen Entscheidung bzw. einer Selbstbindung der Bundesrepublik Deutschland. Damit sind wir nicht durchgedrungen. Statt dessen haben wir uns aber im Bundestag darauf geeinigt, das von der Bundesregierung im vorigen Jahr erlassene Exportmoratorium für Antipersonenminen, also die im Moment im Vordergrund der öffentlichen Aufmerksamkeit stehende Kategorie, zu „entfristen", also das Moratorium in ein Verbot umzuwandeln. Wie weit sind die Überlegungen der Bundesregierung gediehen, diesem Beschluß des Bundestages zu entsprechen?
Da ich nicht zu ausführlich werden will, möchte ich nur noch eine dritte Frage anschließen. Wir wissen, daß die Ratifizierung des bisherigen Abkommens sehr lange, nämlich neun Jahre, gedauert hat. Wie schnell gedenken Sie ein fortentwickeltes Waffenabkommen nebst Protokollen dem Deutschen Bundestag zur Ratifizierung zuzuleiten?

Dr. Werner Hoyer (FDP):
Rede ID: ID1305528900
Herzlichen Dank, Herr Kollege. Zunächst bedanke ich mich für die guten Worte zu Beginn Ihrer Ausführungen; es ist wirklich so, daß wir hier ein gemeinsam getragenes Ziel verfolgen. Das, was in dieser Welt an Landminen, speziell an Antipersonenminen, herumliegt und einen riesigen Beseitigungsaufwand erfordert, ist eine Geißel der Menschheit. Wir müssen uns diesem Thema zuwenden, und ich freue mich, daß Bundesregierung und Deutscher Bundestag hier völlig einig sind.

Staatsminister Dr. Werner Hoyer
Zu den konkreten Fragen: Ich fürchte, daß die erste Frage sehr eng mit der dritten zusammenhängt. Wir könnten uns hier sicherlich auf noch ambitiösere Ziele verständigen, wenn wir nicht damit rechnen müßten, sie dann nicht oder nicht ganz umsetzen zu können, was eine unbefriedigende Ratifizierungssituation oder eine nicht hinreichende Unterstützung auf der Konferenz zur Folge hätte.
Die Bundesregierung hat sich deshalb für einen, wie ich finde, gleichwohl ambitiösen Schritt-fürSchritt-Ansatz entschieden. Im ersten Schritt muß das Minimalziel sein, zu strengen Einsatzauflagen für Antipersonenminen ohne Selbstzerstörungsmechanismen zu kommen und nicht detektierbare Minen völlig zu verbieten. In einem zweiten Schritt, den wir für ebenso bedeutsam halten - wir hoffen, daß wir hier so schnell wie möglich nachlegen können -, muß es zu einem Verbot von Antipersonenminen ohne Selbstzerstörungsmechanismus kommen.
Daß das Ziel für uns alle letztendlich darin bestehen muß, ein globales Verbot sämtlicher Antipersonenminen herbeizuführen, ist, glaube ich, klar und unbestritten.
Was Ihre zweite Frage angeht, so will ich hier nicht herumeiern oder eine möglicherweise nicht hundertprozentig zutreffende Antwort geben. Nach der Information, die meiner Beantwortung Ihrer Fragen heute hier zugrunde liegt, bin ich davon ausgegangen, daß gegenwärtig Antipersonenminen weder in der Bundesrepublik Deutschland hergestellt noch aus ihr exportiert werden, so daß die Frage gegenwärtig keine große Aktualität besitzt. Ich werde diese Angelegenheit aber hinsichtlich der Frage, wie es mit einer Fortschreibung oder „Entfristung" des Moratoriums aussieht, gerne noch einmal sorgfältig überprüfen und Ihnen die Antwort schriftlich zukommen lassen oder im persönlichen Gespräch liefern.

Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1305529000
Jetzt hat das Wort der Kollege Gilges. Das ist zugleich die letzte Frage in dieser Befragung.

Konrad Gilges (SPD):
Rede ID: ID1305529100
Ich habe heute morgen im „Kölner Stadtanzeiger" gelesen - das ist selbstverständlich eine Frage an die Bundesregierung -, daß es zwischen der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände und der Bundesregierung knirscht. Es gibt da großen Streit und Auseinandersetzungen über die Entsenderichtlinie, über die Frühverrentung und über die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall. Dort wird dargestellt, daß es im Bundeskanzleramt eine große Verärgerung über die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände gebe, weil sie zu unsoziale Forderungen stelle. Mich erstaunt, daß die Bundesregierung damit Schwierigkeiten hat; aber das lasse ich jetzt mal beseite.
Meine Frage ist: Haben Sie denn heute morgen im Kabinett dazu beraten, und wenn Sie dazu beraten haben, zu. welchen Entscheidungen sind Sie insbesondere in bezug auf die Tatsache gekommen, daß ja
heute abend das Gespräch zwischen der Bundesregierung, den Gewerkschaften und den Arbeitgeberverbänden stattfindet? Wie wollen Sie denn nun den Konflikt, der da entstanden ist, lösen?

Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1305529200
Wer möchte für die Bundesregierung antworten? - Bitte, Herr Bundesminister Bohl.

Friedrich Bohl (CDU):
Rede ID: ID1305529300
Frau Präsidentin! Herr Kollege Gilges, ich kenne den Pressebericht, der von Ihnen hier sicherlich richtig zitiert wurde, leider nicht. Das von Ihnen angesprochene Thema, das mir als solches bisher nicht erkenntlich war, ist heute im Kabinett nicht behandelt worden. Die Bundesregierung pflegt sowohl zu den Gewerkschaften als auch zu den Wirtschaftsverbänden gute, intensive und sehr informative Beziehungen. Das wird schon daraus ersichtlich, daß wir um 19.30 Uhr unter dem Vorsitz des Bundeskanzlers ein weiteres Gespräch dieser Art haben werden.
Diese Gespräche sind einzigartig in Europa. Es gibt keine vergleichbare Veranstaltung in einem europäischen Land, was zum Ausdruck bringt, daß alle am Wirtschaftsleben in dieser Republik Beteiligten den Wunsch und das Bedürfnis haben, zusammenzuwirken, um den Standort Deutschland zu stärken.
Vor diesem Hintergrund ist es ganz selbstverständlich, daß auch unterschiedliche Bewertungen und Vorstellungen vorgetragen werden, auch vor solchen Veranstaltungen. Darüber wird man, wenn sie denn in der Veranstaltung, heute abend oder bei ähnlicher Gelegenheit wieder aufgegriffen werden, sprechen müssen und können. Aber insgesamt haben diese Gespräche schon in der Vergangenheit einen sehr wichtigen Impuls gegeben, und sie haben einen hohen politischen Wert für die Bundesregierung, aber auch, wie ich glaube, für alle Menschen in Deutschland.
Deshalb meine ich, daß ein solcher Bericht, der offensichtlich nur sehr vereinzelt erschienen ist - ich nehme an, daß es sich um einen Bericht handelt, der nur in dieser Zeitung oder in vergleichbaren Blättern erschienen ist, da er jedenfalls in der überregionalen Presse für mich nicht ersichtlich ist -, nicht weiter zu bewerten ist.

Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1305529400
Herr Kollege Gilges, die Fragezeit ist leider schon überschritten. In Anbetracht der Tatsache, daß wir heute noch bis nach 1 Uhr hier tagen werden, möchte ich es dabei belassen. Es tut mir leid.
Damit beende ich die Befragung der Bundesregierung. Ich danke für das Erscheinen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 8 auf:
Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Herta Däubler-Gmelin, Christel Hanewinckel, Dr. Edith Niehuis, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD
Reform des Kindschaftsrechts - Drucksache 13/1752 -

Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die gemeinsame Aussprache eineinhalb Stunden vorgesehen. - Ich sehe keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat die Kollegin Margot von Renesse.

Margot von Renesse (SPD):
Rede ID: ID1305529500
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Justizministerin, nachdem wir von der SPD-Fraktion nun schon das zweite Mal eine Konzeption des Kindschaftsrechts ins Parlament gebracht haben, sind wir jetzt zutiefst erfreut, daß es einen Referentenentwurf aus dem Justizministerium gibt. Das ist doch schon einmal was.

(Heinz Lanfermann [F.D.P.]: Und was für einen! 500 Seiten, Frau Kollegin!)

Er eröffnet die Freude auf eine hoffentlich gelingende Zusammenarbeit bei diesem in der Tat großen Werk.
Lieber Herr Lanfermann, der Entwurf ist wirklich gut in den 90 %, in denen Sie die Dinge so regeln wollen wie wir. Aber in 10 % haben wir süße, kleine Unterschiede, und diese sind bezeichnend.

(Günther Friedrich Nolting [F.D.P.]: Jetzt aber keine Kritik!)

Ich denke, daß unser Entwurf den Vorzug genießt, daß er erstens verfassungsrechtlich sauber, zweitens ohne innere Widersprüche - sehr wichtig! -, drittens menschlich und realitätsnah sowie viertens ungeheuer tolerant gegenüber der Tatsache ist, daß Menschen nun einmal verschieden leben. Das, was ich für mich mache, und das, was ich meinen Kindern raten kann, ist nicht das, was der Gesetzgeber als Vorschrift machen darf. Das muß man beim Kindschaftsrecht wissen.
Ich wünsche Ihnen viel Glück auf dem Weg. Ich hoffe, daß Sie es schaffen, entsprechend Ihrem Zeitplan einen Kabinettsbeschluß zu bekommen, so daß es losgehen kann. Denn das ist nicht einfach.
Das, was bisher die Reform des Kindschaftsrechts trotz unbestrittener Notwendigkeit behindert hat, ist die Macht der bildergeladenen Vorurteile. Wenn ich das in Richtung auf die Koalition ohne jeden Vorwurf und ohne jede Häme sagen kann - denn auch wir haben ähnliche Probleme, wenn auch auf anderem Gebiet -: Es sind die Verlustängste, die Angst, es könnten Werte, Wertsetzungen in Gefahr geraten, wenn man die Verfassung beim Wort nimmt, die nicht nur in dem berühmten Art. 6 Abs. 5 die Gleichstellung des nichtehelichen Kindes fordert, sondern die davon ausgeht, daß Eltern Eltern sind und Eltern bleiben, die das Vertrauen in die Eltern nicht davon abhängig macht, ob sie verheiratet, geschieden, getrennt lebend usw. sind. Die Eltern haben das Wohl des Kindes zu bedenken. Das ist der elementare, existenzsichernde Beitrag, den wiederum Kinder von ihren Eltern fordern können.
Elternrecht und Elternpflicht sind eins. Das betet jeder Kommentar vor sich hin. Aber das bedeutet konkret: Gegenüber den Kindern sind Eltern Schuldner. Gegenüber allen Dritten können sie sich auf das Recht berufen, daß eine Intervention davon abhängig ist, daß sie wegen des Kindeswohls nötig ist; anderenfalls darf sie nicht erfolgen.
Das Problem, daß daraus - wenn wir das nichteheliche Kind gleichstellen - nicht unversehens eine Diskriminierung verheirateter Eltern wird, ist nicht ganz einfach zu lösen. Sie wissen das; ich weiß das auch. Aber das müssen wir leisten. Wir lösen dieses Problem in unserem Entwurf auf eine, wie ich finde, außerordentlich wirklichkeitsnahe Weise. Wir gehen davon aus, daß die Eltern im Prinzip, auch bei Scheidung und Trennung, die Verantwortung behalten, eine Regelung zum Wohl ihrer Kinder zu finden. Ich habe selten Eltern gefunden - bei allem Streit, den Eltern haben konnten -, die ihren Kindern feindlich gegenüberstanden. Das gibt es, aber das ist sehr selten.
Sie auf das zu behaften, was der eigentliche Grund dafür ist, daß sie dieses Vertrauen genießen, nämlich daß sie ihre Kinder mehr lieben als die Jugendämter und Familienrichter - und auch mehr als die Justizministerin und die Abgeordneten -, sollten wir alle bedenken, bevor man mit der Vorstellung von richterlicher oder gesetzgeberischer Omnipotenz in dieses komplizierte Geflecht hineinregiert. Es gibt Verlustängste auf allen Ebenen, deswegen ist es ein harter Kampf.
Ich denke, wir als Parlament haben die Chance, gemeinsam mit Ihrem Hause etwas Vernünftiges hinzubekommen. Leider gibt es bei Ihnen traurige Kompromisse und fehlt an vielen Stellen die ganze Wahrheit. Warum um alles in der Welt lassen Sie das Recht der Kinder auf Versorgung und Deckung des Finanzbedarfs durch ihre Eltern, auf Betreuungsunterhalt seitens der nichtehelichen Mutter - beide Seiten des Unterhalts sind gesetzlich verpflichtend - mit dem dritten Geburtstag des nichtehelichen Kindes enden? Wo ist da die Gleichstellung mit dem ehelichen Kind? Denn Sie wissen - so hat es auch das Verfassungsgericht dargestellt -: Der Betreuungsunterhalt ist nicht das Recht des Elternteils, sondern ist das Reflexrecht des Kindes auf ungeschmälerte Versorgungssicherheit. Das endet nun einmal nicht mit dem dritten Geburtstag, einmal ganz abgesehen davon, daß die Erwerbsfähigkeit von Menschen, die Kinder betreuen, weit höher beeinträchtigt ist, als es überhaupt mit dem dritten Geburtstag markiert werden kann.
Ich denke, hier liegt ein Widerspruch in Ihrer Regelung. Zudem gibt es auch bei Ihrem Vorschlag zum Erbrecht immer noch diese leidige Stichtagsregelung. Ich weiß natürlich, daß wir mitunter Stichtage brauchen: wenn Menschen im Vertrauen auf das Bestehen oder Nichtbestehen von Rechtsregelungen Vorkehrungen getroffen, Planungen und Initiativen entfaltet haben. Aber hat, um Himmels willen, ein Mann, der vor 1949 ein nichteheliches Kind in diese Welt gesetzt hat, dies im Vertrauen darauf getan, daß er diesem Kind nichts schuldet? Diese Überlegung muß man sich wirklich erst einmal auf der Zunge zergehen lassen, will man noch den Mut haben, in diesem Bereich überhaupt von Vertrauensschutz zu sprechen.

Margot von Renesse
Kinder sind Kinder - nichtehelich und ehelich sind nun einmal keine Eigenschaften von Kindern, sondern der Beziehung zwischen ihren Eltern.

(Beifall bei der SPD)

Diese Erkenntnis ist bei Ihnen nicht ganz konsequent zugrunde gelegt. Vielleicht - das gehört zu den 10 % - bekommen wir noch etwas Besseres hin, und zwar ohne Verlustangst, denn die Verlustängste auf diesem Gebiet sind tatsächlich so zahlreich wie die Steine auf dem Pflaster. Aber das kriegen wir hin, wir werden das schaffen.

(Beifall des Abg. Jörg Tauss [SPD])

Zum Persönlichkeitsrecht des Kindes, um das es bei allem geht: Wenn wir Eltern respektieren, respektieren wir mittelbar ihre Kinder. Nur darum respektieren wir ihr Elternrecht, aber auch deshalb in vollem Umfang. Die Frage, wie Sie mit dem Persönlichkeitsrecht des Kindes umgehen, stellt sich mir bei zwei Punkten.
Sie wollen den isolierten Feststellungsantrag der Abstammung nicht zulassen. Liebe Frau Ministerin, wir sind Juristinnen. Juristinnen sollten nicht dem Furor teutonicus iuristicus unterfallen, der da alles rechtstechnisch sieht, und - wie ich das in der Begründung Ihres Entwurfs gelesen habe - einen isolierten Feststellungsantrag des Kindes bezüglich seiner Abstammung deswegen ausschließen, weil nichts vollstreckbar ist, weil ein klassischer Fall des mangelnden Rechtsschutzinteresses vorliegt. Beim adoptierten Kind lassen wir das zu.
Muß ein Kind, wenn es erfährt, der Same des Vaters stammt von einer Samenbank - was ja leider auch nach dem Embryonenschutzgesetz in Deutschland nicht ausgeschlossen ist -, und wissen will, wer es gezeugt hat, dann gleich seine sozialen Eltern verlassen und diesen Samenspender zu seinem Vater erklären oder darauf verzichten festzustellen, wer es denn war? Es will vielleicht nur wissen, ob dieser Mensch zwei Augen im Gesicht, eine Nase, zwei Arme und zwei Beine hat, ob es sich seiner Herkunft schämen muß. Dies alles kann reichen. Ich denke, menschlich und nach dem Persönlichkeitsrecht des Kindes gefragt, bedeutet dies, daß wir die Feststellungsklage auch isoliert zulassen.
Ein zweiter Fall, wo meines Erachtens das Persönlichkeitsrecht des Kindes bei Ihnen nicht die gebotene Rolle spielt, ist das eigenständige Besuchsrecht des Kindes. Sie geben der Großmutter - natürlich finde ich das sehr gut; ich bin selber Großmutter - ein eigenes Besuchsrecht, ebenso wie Stiefeltern, Pflegeeltern und Geschwistern. Frau Ministerin, wenn man Besuchsrechtsprozesse kennt, weiß man, wie böse sie sind. Man weiß, daß fast alle Menschen, die Besuchsrechtsprozesse anstrengen, wie alle Menschen im übrigen auch, von Motivbündeln geprägt sind. Ich kann bei der Großmutter nicht mehr unterscheiden, weil sie es selber nicht mehr kann, ob sie es nur tut, weil sie in ihre Kissen weint, da sie das heißgeliebte Enkelkind nicht mehr sehen kann, oder ob sie auch Druck auf die frühere Schwiegertochter
ausüben will, ob sie kontrollieren will, wo Mißtrauen herrscht. Ich möchte das nicht. Ich will nicht weitere Besuchsberechtigte, denn diese haben kein Recht am Kind, sondern das Kind hat ein Recht auf sie.

(Beifall bei der SPD)

Dadurch schränke ich auch gleich die Anzahl der Besuchsrechtsprozesse technisch ein. Ich habe wohl gewußt, daß ich auf diese Weise eine Belastung der Justiz vermeide, nämlich die Prüfung, ob etwas für das Wohl des Kindes wichtig ist, geht dem Prozeß vor, vor allem aber gehen die Vermittlungsversuche vor.
Es gibt eine Rechtsfigur, die bei Ihnen, weil Sie den Kreis der Besuchsberechtigten erweitern und gleichzeitig einschränken, nicht vorkommt, aber immer häufiger von Bedeutung ist. Ich habe allein in den letzten Wochen drei solche Fälle erlebt. Ich meine - lachen Sie sich nicht kaputt - den nichtehelichen Nichtvater. Ein verheiratetes Paar trennt sich. Die Frau lebt mit einem anderen Mann zusammen und bringt ein Kind auf die Welt. Man lebt mehr oder minder lange zusammen. Es kommt wieder zu einer Versöhnung der Ehegatten, keiner ficht an. Der nichteheliche Nichtvater weiß, er ist der Vater. Vielleicht liebt er sein Kind. Vielleicht hat das Kind Beziehungen zu ihm. Er ist weder Pflege- noch Stiefvater, wenn die Beziehung nicht eine Weile gedauert hat. Hier muß dem Kind - wohlgemerkt nur dann, wenn das Kind dies braucht, sonst nicht; ich will nicht den nichtehelichen Nichtvater in einer Anspruchshaltung sehen - die Möglichkeit zu einer Beziehung eröffnet werden.
Ihre Juristen haben gesagt: Das ist doch nicht vollstreckbar. Frau Ministerin, ich kenne keine Besuchsrechtstitel, die vollstreckbar sind. Wenn ein Richter solche erteilt, können sich das die Berechtigten hinter Glas an die Wand hängen. Wo nicht Akzeptanz durch das Verfahren erreicht wird, sind die Sachen nichts wert. Das wissen alle. Ich denke, wir brauchen nur das Verfahren, nicht die Vollstreckbarkeit, um das zu machen, was viele Familienrichter in Zusammenarbeit mit den Jugendämtern gemeinsam tun.

(Vorsitz : Vizepräsident Hans Klein)

Heute können Menschen Beziehungen eingehen und wieder lösen. Es gibt keine Sanktionen, kaum mehr Tabus, vielleicht noch in Bayern auf dem Lande. Ich weiß das nicht. Ich könnte es mir vorstellen.

(Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk [SPD]: Dort erst recht nicht!)

- Nicht immer Bayern. Vielleicht gibt es das auch in Niedersachsen; ich weiß es nicht.
Eines muß man bedenken: Erwachsene können ihre Beziehungen regulieren, wie sie wollen. Aber Kinder werden in eine Lebensumwelt geboren und können sie sich nicht aussuchen. Elterliche Verantwortung heißt, auch bereit zu sein, sein eigenes Leben für das Kind, für das man Verantwortung trägt,

Margot von Renesse
einzuschränken. Ich denke, das können wir in einem Gesetz so zum Ausdruck bringen, daß es eine prägende Kraft über das Gesetz und über die Gerichtsverfahren hinaus erhält. Das wäre wichtig.
Frau Ministerin, ich glaube, daß bei Ihnen auch das Verhältnis zwischen dem Justizrecht und dem Sozialrecht darumherum, insbesondere dem Kinder-und Jugendhilferecht, noch nicht richtig gesehen wird. Die Stellung des Jugendamts und des allgemeinen sozialen Dienstes, wie wir sie heute haben, ist immer noch die eines Außendienstes des Gerichtes. Das führt zu unhaltbaren Verwerfungen in der Arbeit bemühter Sozialarbeiter und Sozialarbeiterinnen.

(Beifall bei der SPD)

Davon ist in Ihrem Entwurf nicht die Rede. Wir bereinigen in unserem Entwurf dieses Verhältnis. Wir sagen, das Jugendamt und der ASD stehen auf Grund ihrer Fachlichkeit dem Gericht gegenüber und haben nicht auf dessen Wink zu gehorchen, sondern handeln nach eigenem Recht und eigenem Urteil.
Dieses wird der Vermittlungs- und Beratungstätigkeit der Bediensteten dort und natürlich auch der Sinnerfüllung sehr dienen; denn sie sind nicht mehr diejenigen, von denen sich die Leute untereinander erzählen: Haben Sie schon gehört, die Frau X hatte Besuch vom Jugendamt? - So etwas macht ihre Arbeit kaputt, und das muß man bereinigen wie in anderen Gesetzen auch. Ich sprach schon im Rechtsausschuß davon.
Wir können nicht immerzu das Heil aller Welt in Justizverfahren sehen, sondern die Möglichkeit des Self-Restraint auch des Familienrichters, der verfassungsrechtlich geboten und menschlich vernünftiger ist, müssen wir so in das Gesetz hineinformulieren, daß nicht alles um den Tausendsassa Familienrichter oder Familienrichterin - ich will mein Geschlecht nicht ausnehmen - herum zentriert wird. Richter sind Volljuristen, und nichts ist schlimmer als die Berufskrankheit des Omnipotenzwahnes, dem manche unterliegen, weil sie alles gestalten können.
Es ist eine Zumutung - das habe ich lange nicht so gesehen, ich habe es dann später so empfunden, als ich versuchte, mich in diese Rolle zu versetzen -, wenn ein anderer oder eine andere, die mein Kind kaum kennt, mir vorschreibt, mit wem es Stunden und Stunden seines Lebens verbringen darf. Ich habe das später so ausgedrückt: Niemals wollte ich wohl, daß ein Familienrichter - Verzeihung! - mit seinen schmutzigen Fingern in der Seele meiner Kinder herumgrabbelt.
Ich möchte, daß klar und deutlich ist, daß Juristen Juristen sind und Konflikte entscheiden müssen. Daß sie auch das Wächteramt des Staates wahrnehmen, ist völlig klar. Das ist eine Selbstverständlichkeit. Aber sie sollen bei ihren Leisten bleiben und sollen nicht denken, die Angehörigen ihres Standes seien so etwas wie die besseren Eltern, sozusagen Überväter oder Übermütter. Das ist eine Gefahr, der wir vorbeugen müssen.
Unser Entwurf hat die Zustimmung des Familiengerichtstages gefunden. Darauf bin ich sehr stolz, denn ich weiß, daß dort interdisziplinär gearbeitet wird, daß dort Anwälte, Richter, Psychologen, Sozialarbeiter, alle, die um das Kindeswohl bemüht sind, gemeinsam etwas überlegen. Ich denke, um diese 10 %, bei denen Sie Kompromisse machen, werden wir zwar, wie immer zwischen Regierung und Opposition, in streitiger Zusammenarbeit ringen, aber wir werden das hinbekommen.
Danke sehr.

(Beifall bei der SPD)


Hans Klein (CSU):
Rede ID: ID1305529600
Ich erteile dem Kollegen Dr. Wolfgang Götzer das Wort.

Dr. Wolfgang Götzer (CSU):
Rede ID: ID1305529700
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Frau Kollegin von Renesse, Sie haben heute so sympathisch zum Thema gesprochen

(Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk [SPD]: Und auch so gut!)

- und auch gut, ja -, daß ich mich einmal mehr auf die gemeinsame Berichterstatterarbeit zu diesem Komplex freue.
Wir sind uns, glaube ich - Sie haben das heute zum Ausdruck gebracht -, in sehr vielen Dingen einig, nicht nur was die Notwendigkeit der Reform des Kindschaftsrechts angeht, sondern auch über die wesentlichen Ziele und Inhalte dieser Reform: die Gleichstellung ehelicher und nichtehelicher Kinder, die Stärkung der Stellung des Vaters eines nichtehelichen Kindes und auch die stärkere Verankerung der gemeinsamen Sorge. Wir sind uns natürlich auch darüber einig, daß im Mittelpunkt der ganzen Reform das Wohl des Kindes stehen muß.
Der SPD-Antrag enthält eine ganze Reihe von Punkten, in denen wir sehr nahe beieinander sind oder direkt übereinstimmen. Er enthält auch einige Positionen, die sich von den unseren unterscheiden. Das ist ganz natürlich. Darüber werden wir dann in die Diskussion einsteigen.
Ich möchte für die CSU und die CDU allerdings eine Klarstellung vornehmen: Die Gleichstellung der ehelichen und nichtehelichen Kinder und die Reform des Kindschaftsrechts überhaupt sind nicht gleichzusetzen mit einer Gleichstellung der ehelichen und der nichtehelichen Lebensgemeinschaften. Das hat für uns nichts miteinander zu tun, gehört nicht in diesen Entwurf, und die CSU verteidigt selbstverständlich den verfassungsmäßigen Schutz und Vorrang der Ehe.

(Zuruf von der SPD: Wir auch! Dr. Edith Niehuis [SPD]: Wir reden aber über die Kinder!)

- Ja, aber es gab schon Überlegungen, das zusammen zu regeln. Sie wissen, was ich meine.

Dr. Wolfgang Götzer
Ich möchte einige Themen in diesem großen Komplex ansprechen. Bei der Vaterschaftsvermutung gibt es in der Tat dringenden Lösungsbedarf, vor allen Dingen für die Fälle, in denen die Geburt sehr lange nach der Scheidung erfolgt ist.
Ebenso verhält es sich bei den Anfechtungsmöglichkeiten bezüglich der Elternschaft. Auch in diesem Punkt müssen wir formell und materiell weitere Möglichkeiten schaffen.
Ob man statt „elterliche Sorge" künftig „elterliche Verantwortung" sagt, ist für mich nicht essentiell. In § 1626 Abs. 1 BGB steht ohnehin, daß es Rechte und Pflichten sind, die die elterliche Sorge ausmachen. Wenn man von elterlicher Verantwortung spricht und die elterliche Sorge einem Partner übertragen wird, kann der andere nach meinem Gefühl meinen, er habe keine Verantwortung mehr, die elterliche Verantwortung sei nur noch auf ein Elternteil beschränkt. Dagegen lassen Trennung und Scheidung die gemeinsame elterliche Verantwortung für das Kind bei beiden Partnern in gleicher Weise fortbestehen, weswegen das gemeinsame Sorgerecht in der Regel andauert.
Unser Ziel bei der gemeinsamen Sorge ist, daß wir diese nach der Scheidung fördern. Ich bin der festen Überzeugung, daß sie die fortbestehende elterliche Verantwortung für die Kinder am besten verdeutlicht und in der Regel auch für das Kindeswohl am besten ist.
In Bayern gibt es bisher in rund 17 % der Fälle die gemeinsame Sorge, wobei die Tendenz steigend ist. Ich begrüße das außerordentlich.
Auch bei den nichtehelichen Kindern wollen wir die gemeinsame Sorge künftig leichter ermöglichen. Ich habe meine Vorbehalte, ob man das, wie in Ihrem Antrag vorgesehen, der gerichtlichen Prüfung hinsichtlich des Kindeswohles unterziehen soll, und frage, ob man das nicht besser einem gemeinsamen Antrag der beiden Elternteile überläßt.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Frau Kollegin von Renesse, Sie hatten vorhin auch davon gesprochen, daß die Richter bei ihren Leisten bleiben sollen -

(Margot von Renesse [SPD]: Da gibt es Mißverständnisse!)

- Sie haben noch etwas deutlichere Formulierungen gebraucht - und sich nicht in Dinge hineinbegeben sollen, die in der Familie vielleicht besser geregelt werden. Das wäre ein solcher Fall. Außerdem wäre es eine Ungleichbehandlung der nichtehelichen gegenüber den ehelichen Kindern. Die beiden werden dann nicht mehr mit gleicher Elle gemessen. Auch das ist ein Thema für sich; darüber sprechen wir noch.
Im Fall der Scheidung wollen wir die Sorgeregelung aus dem Zwangsverbund herausnehmen. So sieht es der Referentenentwurf vor. Eine richterliche Entscheidung soll es nur auf Antrag geben. Auch das liegt auf derselben Linie, die ich gerade skizziert habe.
Mit der Elternvereinbarung haben wir unsere Probleme. Ich kann mir nicht vorstellen, daß der Zwang, sich einigen zu müssen, der Sache unbedingt förderlich ist. Man zieht das Kind mit in den Streit hinein.

(Widerspruch bei der SPD Christina Schenk [PDS]: Wie soll es denn sonst gehen?)

Man provoziert möglicherweise da Streit, wo er eventuell gar nicht aufgekommen wäre. Ich weiß nicht, ob das der Weisheit letzter Schluß ist.

Hans Klein (CSU):
Rede ID: ID1305529800
Herr Kollege, Frau Dr. Niehuis möchte gern eine Frage stellen.

Dr. Wolfgang Götzer (CSU):
Rede ID: ID1305529900
Bitte schön.

Dr. Edith Niehuis (SPD):
Rede ID: ID1305530000
Sie haben gesagt, daß Sie bei einer Scheidung für die gemeinsame elterliche Sorge im Regelfall sind. Sie denken, es sei gut, wenn beide Eltern zuständig sind. Dann wundert mich aber, daß Sie meinen, Eltern könnten keine gemeinsame Vereinbarung treffen, weil sie sich doch so streiten. Sie meinen, die Eltern seien im Scheidungsfall nicht in der Lage, eine gemeinsame Verantwortung zu übernehmen. Sind Sie wirklich der Meinung, daß Eltern, die sich über die praktischen Fragen des Lebens nicht einigen können, irgendwann sinnvoll eine gemeinsame Sorge ausüben können?

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der PDS)


Dr. Wolfgang Götzer (CSU):
Rede ID: ID1305530100
Frau Kollegin, ich denke, es kann schon ein Problem sein, wenn man sich ausdrücklich zusammensetzen muß und sich dann möglicherweise an den Formulierungen verbeißt.

(Christina Schenk [PDS]: Hört! Hört! Ein Formulierungsproblem!)

Ich habe da Erfahrungen; ich bin von Beruf Rechtsanwalt. Ich erinnere mich, daß Heiratswillige, wenn sie einen Ehevertrag zu Papier bringen wollen, plötzlich über sehr viele Dinge streiten, die sie vorher überhaupt nicht als Problem angesehen haben. Deswegen habe ich Vorbehalte.

(Christina Schenk [PDS]: Das ist doch nur gut!)

- Ob das nur gut ist, wenn sie sich streiten, weiß ich nicht. Das mag Ihre Ideologie sein. Ich empfinde es nicht so.

(Christina Schenk [PDS]: Wenn sie sich darüber verständigen, wenn sie sich über manche Dinge klarwerden, ist das immer gut!)

Was passiert im Fall des Todes eines allein sorgeberechtigten Elternteils? Ich meine auch in diesem Punkt, daß es nicht, wie in Ihrem Antrag vorgesehen, Frau Kollegin von Renesse, in erster Linie der Entscheidung des Gerichts bedürfen sollte, sondern daß

Dr. Wolfgang Götzer
man auch davon ausgehen sollte, daß die Übertragung des Sorgerechts auf den anderen Elternteil eigentlich normal wäre, zumindest dann, wenn vorher ein gemeinsamer Haushalt geführt worden ist.
Beim Umgangsrecht wollen wir gemeinsam eine einheitliche Regelung für eheliche und nichteheliche Kinder. Maßgeblich soll auch hier selbstverständlich das Kindeswohl sein, wobei wir von der Vermutung ausgehen, daß der Umgang des Kindes mit beiden Elternteilen in der Regel dem Kindeswohl entspricht.

(Christina Schenk [PDS]: Dafür gibt es keine empirischen Belege!)

- Das Eheleben besteht nicht aus empirischen Belegen, Frau Kollegin. Ich weiß nicht, ob Sie da eigene Erfahrungen haben. Da sollte man besser nicht nur mit Empirie, Soziologie und ähnlichem kommen.
Was die Ergänzung des § 1626 um einen Abs. 2 bezüglich der seelischen Verletzungen angeht, so erinnere ich mich an die Debatte in der vergangenen Legislaturperiode, als wir z. B. über das Züchtigungsrecht gesprochen haben. Ich glaube, daß die Formulierung „seelische Verletzungen" nicht ganz geglückt ist, denn ein Kind kann möglicherweise schon durch eine Zurechtweisung, die aber in einer bestimmten Situation durchaus einmal angebracht sein kann, seelisch verletzt sein. Wir wissen beide, was wir meinen; auch darüber haben wir in der vergangenen Periode schon gesprochen. Es ist nur ein Problem, das zu formulieren. Im Grunde sind wir uns einig.
Was die Zwangsmittel zur Durchsetzung eines Anspruchs, eines Rechts angeht, so habe ich meine Zweifel, ob der völlige Verzicht auf Zwangsmittel bei entgegenstehendem Kindeswillen wirklich praktikabel ist und der Sache dient. Natürlich - das ist völlig klar - kann es keine staatliche Gewalt gegenüber dem Kind geben. Aber gegenüber einem Elternteil, der Umgangsregelungen hintertreibt, sabotiert, muß es die staatliche Durchsetzung von Zwangsmitteln geben; ansonsten wäre das ein Freibrief.

(Margot von Renesse [SPD]: Das steht da nicht!)

- Vielleicht ist das ein Mißverständnis in der Formulierung oder in der Begründung; dann würde ich mich um so mehr darüber freuen.
Ein wesentlicher Punkt ist die Gleichstellung nichtehelicher und ehelicher Kinder im Erbrecht. Auch da gibt es Übereinstimmung. Wir hatten innerhalb der Unions-Rechtspolitiker dazu eine hochinteressante Anhörung. Letztlich finden sich - ich sage das auch als Jurist - keine überzeugenden juristischen Argumente für eine Beibehaltung der jetzigen Differenzierung.
Ich komme zum Schluß. Es gibt also eine ganze Reihe von Gemeinsamkeiten. Darüber sollten wir sehr rasch Einvernehmen herstellen. Die Punkte, die wir noch unterschiedlich diskutieren, müssen wir gründlich erörtern, sicherlich auch mit Anhörungen zu den verschiedenen Komplexen; das Thema ist ungeheuer umfangreich. Wir sollten das Vorhaben zügig anpacken - im Interesse und zum Wohle der Kinder.
Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)


Hans Klein (CSU):
Rede ID: ID1305530200
Frau Kollegin Rita Grießhaber, Sie haben das Wort.

Rita Grießhaber (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1305530300
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich denke, es wäre wirklich bahnbrechend, wenn es ein Gesetz gäbe, das Väter motivieren könnte, tatsächlich die Hälfte der Erziehungsarbeit zu leisten, und das dazu führen würde, daß sie nach der Scheidung weiterhin intensiven Kontakt zu ihren Kindern hielten und, sozusagen als Sahnehäubchen obendrauf, auch noch regelmäßig Unterhalt zahlten.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Das wäre wirklich absolut bahnbrechend. Dies mit der automatischen gemeinsamen elterlichen Sorge nach einer Scheidung erreichen zu wollen bedeutet allerdings, das Pferd von hinten aufzuzäumen. Da müssen wir noch ganz andere Dinge in Gang setzen, als die gemeinsame elterliche Sorge automatisch herzustellen. Natürlich gibt es die Eltern, die das schaffen und die das machen. Natürlich wollen wir, daß möglichst viele Eltern das gemeinsame Sorgerecht haben wollen und ausüben wollen. Aber was zum Teufel spricht denn dagegen, daß die Eltern sich dafür bewußt entscheiden? Wir wollen diese gemeinsame Sorge, aber auf Antrag und selbstverständlich auch für nicht verheiratete Eltern.
Wir wissen doch auch, daß die Realität so aussieht, daß zur Zeit die Kinder zu 77 % der Mutter zugesprochen werden und bei ihr leben, und bei Müttern, die Sorge tragen, muß man sich sehr genau überlegen, wann und wo sie die Rechte teilen.
Wir sind bei der Erarbeitung einer Vorlage, bei der - das gilt natürlich für alle hier im Hause - das Kind im Mittelpunkt steht. Unsere Schwerpunkte sind dabei, das Recht des Kindes auf eine gewaltfreie Erziehung zu verankern, endlich die Gleichstellung ehelicher und nichtehelicher Kinder zu erreichen, ferner ein eigenes Umgangsrecht für das Kind und die Einführung einer Verfahrenspflege. Dazu, Frau Justizministerin, finden wir den § 50 des Referentenentwurfs sehr schön, der besagt, daß das Gericht dem minderjährigen Kind einen Pfleger für die Verfahren, die seine Person betreffen, beistellt.
Wir finden nicht, daß die Verfahren damit aufgebläht werden. Dieser sogenannte Anwalt des Kindes ist keine dritte Prozeßpartei, sondern ein Sprachrohr für das Kind. Ihre Regelung gefällt uns ausgesprochen gut.
Hier steht aber nicht der Regierungsentwurf, sondern der SPD-Antrag zur Debatte. Dazu sage ich: Es hat uns sehr gefreut, daß Sie nach Ihrer Anhörung zu

Rita Grießhaber
einer Kursänderung gekommen sind und sich von der automatischen gemeinsamen Sorge in Scheidungsfällen verabschiedet haben.
Im Feststellungsteil Ihres Antrags heißt es, daß im neuen Recht das Kind als Rechtspersönlichkeit im Vordergrund stehen muß und daß seine Rechtsposition gestärkt werden muß. Das sind Positionen, die wir teilen. Ich habe jedoch Zweifel, ob das so durchgehalten wird, wie es vorgesehen ist.
Ihr Antrag umfaßt bezüglich der Verfahrenspflege in Ziffer 7 die Vaterschaftsanfechtung, in Ziffer 19 den Tod eines allein sorgeberechtigten Elternteils und in Ziffer 25 das Verfahren über das Recht zur Pflege der persönlichen Beziehungen. Im Begründungsteil wird plötzlich von der Erforderlichkeit einer unabhängigen Vertretung des Kindes allgemein gesprochen.
Tatsache ist aber, daß der SPD-Antrag zwei für das Kind absolut entscheidende Problemkreise nicht aufgenommen hat, nämlich die tatsächlich unvergleichlich häufig vorkommenden Fälle der Kindeswohlgefährdung und die Sorgerechtsverfahren. Das kann ich nicht nachvollziehen. Wir wollen die grundsätzliche Möglichkeit einer Verfahrenspflege für das Kind und damit eine durchgängige Stärkung seiner Rechtsposition.
Ich frage mich auch, wie ernst Sie es mit dem Schutz der Bedürfnisse des Kindes und dem Rückzug des Staates aus der Familie bei Scheidungsverfahren meinen. In diesem Zusammenhang komme ich wie der Kollege von der CSU zu der Frage des sogenannten Sorgeplans, den Sie so nicht nennen, der aber so verankert wurde.
Meine Schwierigkeiten bestehen darin, daß im Sorgeplan vorgesehen ist, daß die sich scheiden lassenden Eltern dem Gericht darlegen müssen, in welcher Weise sie den weiteren Aufenthalt des Kindes, den Umgang mit dem Kind und alles weitere regeln wollen, damit das Gericht nicht von sich aus ein Verfahren einleitet.
Es ist richtig, daß sich Eltern darüber auseinandersetzen, sich Gedanken machen und Regelungen finden. Aber man kann es doch nicht als Rückzug des Staates vom Wächteramt bezeichnen, wenn das Gericht zukünftig zu prüfen und zu beurteilen hat, ob private Überlegungen auch wirklich angestellt wurden. Das geht uns entschieden zu weit.
Wer mündige Bürgerinnen und Bürger will, kann von den Eltern durchaus eine bewußte Entscheidung darüber verlangen, ob sie für ihre Kinder auch nach einer Scheidung gemeinsam sorgen wollen. Wir sehen deshalb das Antragserfordernis für die gemeinsame Sorge vor. Der Eingriff ist minimal und dient dem Schutz des Kindes; denn das Interesse des Kindes kann nicht sein, daß sich die Eltern wegen des Kindes streiten und erst dann eingegriffen wird, wenn sich bereits eine konkrete Kindeswohlgefährdung manifestiert hat.
Daß sich die Eltern zukünftig einer staatlichen Kontrolle über ihre tatsächliche Verantwortlichkeit unterziehen müssen, nur weil sie etwas fortsetzen wollen, was sie schon immer zusammen getan haben, nämlich gemeinsam die Verantwortung für ihr Kind zu tragen, empfinden wir als massive Einmischung. Der SPD-Antrag klärt nicht darüber auf, welcher Grad an Verbindlichkeit diesem Sorgeplan zukommt.
Ich frage auch, wie Sie die Entscheidungen definieren, die im Zusammenleben mit Kindern „regelmäßig" vorkommen. Was ich mir unter regelmäßigen Entscheidungen vorstelle, ist: Was ißt das Kind, wie wird das Kind gekleidet, wie werden die leidigen Hausaufgaben geregelt? In der Klammer stehen - ich habe Ihren Antrag aufmerksam gelesen - die Herzstücke der elterlichen Verantwortung, nämlich das Aufenthaltsbestimmungsrecht und die Ausbildungsfrage. Das ist eigentlich schon die Sorge, und ich frage mich, was dann noch gemeinsam bleibt.
Wenn das Konfliktpotential im Scheidungsfall so hoch ist, daß man ohne staatliche Kontrolle nicht auszukommen glaubt, sollte dann nicht lieber gleich eine gerichtliche Entscheidung gesucht werden, und zwar eine solche, bei der mit der Verfahrenspflege von vornherein das Kind einbezogen wird? Die Erfahrung zeigt, daß, wenn eine Familie unwiderruflich auseinandergeht, von allen Beteiligten nichts dringlicher gewünscht wird als klare, tragfähige und durchsetzbare Regelungen. Solche werden wir noch in diesem Jahr einbringen.
Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der PDS)


Hans Klein (CSU):
Rede ID: ID1305530400
Ich erteile der Bundesministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger das Wort.

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP):
Rede ID: ID1305530500
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich freue mich, daß die bisherige Debatte zu dem zweiten Antrag der SPD-Fraktion mehr Gemeinsamkeiten als Trennendes gezeigt hat. Sie wissen, was mein Entwurf beinhaltet, da er Ihnen vorliegt. Er ist Ihnen allen zugegangen, so daß ich voraussetze, daß wir uns über die entscheidenden Punkte, um die es in den Beratungen voraussichtlich im nächsten Jahr gehen wird, austauschen können. Sie sehen, wie sich auf der einen Seite der Referentenentwurf entscheidet und wie Sie auf der anderen Seite Ihren Antrag und vielleicht konkrete Anträge zum Gesetzentwurf formulieren.
Ich hoffe, daß es uns gelingt, die 90 % Gemeinsamkeiten, die Frau von Renesse angesprochen hat, nicht nur zu verbalisieren, sondern auch umzusetzen. Ich denke, das ist ein sehr wichtiges Vorhaben. Es ist von so großer gesellschaftlicher Bedeutung, daß es insbesondere im Interesse einer Stärkung der Stellung der Kinder gerade gegenüber ihren Eltern wäre, wenn wir die Regelungen möglichst über die Fraktionen hinweg im Konsens beschließen könnten.

Bundesministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger
Ich kann hier nur betonen - das ist schon einige Male gesagt worden -, daß bei der rechtlichen Gleichstellung ehelicher und nichtehelicher Kinder - es geht nicht um die nichtehelichen Lebensgemeinschaften - bei der gemeinsamen Verantwortung und Sorge der Eltern, wenn sie nicht miteinander verheiratet sind, für ihre Kinder und auch hinsichtlich des Umgangsrechts eines nichtehelichen Vaters im wesentlichen Konsens besteht. Ich bin der Meinung, so wie es der Kollege Götzer ausgeführt hat, daß bei der gemeinsamen Sorge von Eltern, die nicht miteinander verheiratet sind, ein gemeinsamer Antrag ausreichen sollte. Wenn man sich dazu entscheidet, die Verantwortung für die Kinder oder das Kind gemeinsam zu tragen, auch wenn man nicht zusammenlebt - das sagen, glaube ich, auch Sie -, dann sollte eine weitere Prüfung durch das Gericht nicht erforderlich sein.
Beim gemeinsamen Sorgerecht im Falle von Trennung und Scheidung sind auch durch Ihren jetzt vorgelegten Antrag die Schwierigkeiten deutlich geworden, die sich um diese Frage ranken. In dem ersten Antrag von 1992 bewegten Sie sich im wesentlichen in Übereinstimmung mit dem von mir vorgelegten Referentenentwurf. Wir hatten denselben Ansatz und im wesentlichen auch dieselben Regelungen vorgesehen. Jetzt haben Sie eine Änderung vorgenommen, wobei im Mittelpunkt die obligatorische Vereinbarung steht. Es ist schon richtig, diesen Punkt zu problematisieren.
Es geht nicht darum, daß man generell sagt, es sei nicht gut, wenn sich Eltern, vielleicht auch noch schriftlich festgehalten, über viele Punkte verständigen müßten. Aber ich sehe Gefahren darin, wenn wir eine Vereinbarung vorschreiben, die ja sehr viele Punkte umfassen soll. Sie haben auch festgelegt, welche Fragen entscheidend sind, gerade für den Elternteil, der die Betreuung ausübt. Sie haben dargelegt, daß sich das auf die Erziehung, das Aufenthaltsrecht, die Pflege, die Versorgung, das Berufsrecht und andere Punkte bezieht. Ich glaube, daß sich gerade dann, wenn man auseinandergeht und sich scheiden läßt, sehr schnell die Verhältnisse, die Rahmenbedingungen und die Lebensbedingungen, ändern.
Für mich sind die Fragen noch nicht beantwortet, wie dann mit einer solchen möglichen Vereinbarung umgegangen wird, wieweit sie dann, vielleicht auch schriftlich und wieder mit einem Verfahren, geändert werden muß. Es ist dann vielleicht auch schwieriger, Änderungen zur Anpassung an neuere Lebensverhältnisse vorzunehmen, weil der eine oder andere Elternteil auf der Vereinbarung besteht und auf sie pocht, sie aber den Lebensbedingungen, die dann bestehen, vielleicht nicht mehr entspricht. Deshalb, meine ich, gibt es noch erheblichen Erörterungs- und Klärungsbedarf.
Bei mir überwiegen im Moment die Bedenken gegenüber dem von Ihnen gemachten Vorschlag. Ich denke, daß zum gemeinsamen Sorgerecht und zu der Frage, was wir tun können, damit es in der Zukunft günstigere Rahmenbedingungen als bisher geben wird, in den parlamentarischen Beratungen eine Lösung gefunden wird. Auch wenn wir alles schon mit den Verbänden, mit den Interessengruppen besprochen haben, werden wir diese Themen in den Ausschüssen und Gremien sicher noch gemeinsam beraten. Man sollte nicht davor Angst haben, zu versuchen, gemeinsamer Sorge eine größere Chance als bisher zu geben. So verstehe ich die in meinem Referentenentwurf vorgesehene Regelung, die keine zwangsweise Verordnung von Verantwortung und Sorge beinhaltet. Ich glaube, wir sind uns alle einig, daß das überhaupt kein Weg sein könnte.
Interessanterweise laufen manche Überlegungen in anderen Staaten in diese Richtung. In Schweden findet z. B. im Moment eine Diskussion in diese Richtung statt. Man hat dort seit vielen Jahren ein mit dem in meinem Entwurf vorgesehenen fast vergleichbares Recht und gute Erfahrungen damit gemacht. Aber ich sage ganz klar: Das, was dort jetzt diskutiert wird, kann ich mir in der Praxis überhaupt nicht vorstellen. Es führt nicht zu mehr Konsens, im Gegenteil, Streitigkeiten würden erst recht provoziert.
Bei dem Personenkreis, der in das Umgangsrecht einbezogen wird, haben wir konzediert, die Großeltern einzubeziehen. Über die anderen Punkte werden wir gemeinsam reden. An diesem Punkt wird dieses große Vorhaben nicht scheitern.
Die grundsätzlichen Fragen des Unterhaltsrechts sind von Ihnen in Ihrem Antrag angesprochen. Gott sei Dank muß man die Sachverhalte, gerade auch was das Verfahren betrifft, in einem Antrag nicht im einzelnen formulieren und darlegen. In der Ausgestaltung gerade des Verfahrens liegen wirklich die Schwierigkeiten. Wir arbeiten an einem gesonderten Entwurf, den wir, wie ich das im Rechtsausschuß ausgeführt habe, Anfang nächsten Jahres vorlegen wollen. Wir wollen beim Unterhaltsrecht eine Gleichstellung der ehelichen und nichtehelichen Kinder. Hierzu wollen wir ein einheitliches Mindestunterhaltsverfahren für minderjährige Kinder schaffen und eine jährliche Dynamisierung einführen, damit wir nicht mehr die Schwierigkeiten der Unterscheidung zwischen ehelichen und nichtehelichen Kindern haben und zu einer zügigen und schnellen und richtigen Anpassung an geänderte Lebensverhältnisse und zu gesteigertem Lebensunterhalt kommen. Dies wird mit zu den Beratungen über den jetzt vorgelegten Entwurf und über Ihre Vorschläge gehören. Wir werden das hoffentlich alles zusammen beraten können. Ich wäre für jede Unterstützung, die zu einer Besserung führen kann, dankbar.
Auf der anderen Seite müssen wir die Schwierigkeit sehen, daß der Unterhaltsschuldner nur bis zu einem gewissen Grade belastbar ist. Wir kennen aus der Praxis die Schwierigkeiten bei der Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen. Entsprechende Überlegungen haben wir natürlich auch beim Betreuungsunterhalt angestellt. Die Verbesserungen aus der letzten Legislaturperiode, eine Frist von bis zu drei Jahren vorzusehen, waren gut und richtig. Bei aller berechtigten Sorge der Betroffenen muß man sehen, was in der Realität dann tatsächlich durchgesetzt

Bundesministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger
worden ist. Gerade diese Frage spielt im Unterhaltsrecht eine wichtige Rolle.
Das Argument der Vollstreckbarkeit von Entscheidungen darf, gerade auf das Umgangsrecht bezogen, nicht so schnell beiseite gelegt werden. Wenn wir uns überlegen, wie Ansprüche im allerungünstigsten Fall auch durchgesetzt und damit vollstreckt werden, müssen wir gleichzeitig überlegen, was Ansprüche wert sind.
Wir haben alle die fürchterlichen Bilder vor Augen, die dabei auftreten können. Ich glaube, keiner von uns mag sich vorstellen, daß ein Kind mit Kräften des Staates von der einen Person, wo es sich aufhält, für einige Stunden zu der anderen gebracht wird, um ein Umgangsrecht und Besuchsrecht durchzusetzen. Aber wir sollten uns schon Gedanken machen, ob wir nicht eine Vollstreckbarkeit für allerschwierigste Fälle vorsehen müßten, damit nicht dieses Recht letztendlich nur auf dem Papier steht und sich in der Realität nichts ändert.
Mein Fazit nach dem ersten Durchgang Ihres Antrags lautet: Wir haben auch im grundsätzlichen Ansatz sehr viele Gemeinsamkeiten. Wenn hinterher etwas wirklich Vernünftiges im Interesse der Kinder herauskommt - da bin ich sehr zuversichtlich; 482 Seiten sprechen ihre Sprache -, dann haben wir in dieser Legislaturperiode etwas Vernünftiges gemeinsam geschaffen.
Vielen Dank.

(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)


Hans Klein (CSU):
Rede ID: ID1305530600
Frau Kollegin Christina Schenk, Sie haben das Wort.

Christina Schenk (PDS):
Rede ID: ID1305530700
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte in meiner Rede nur auf einen Punkt des Antrags der SPD eingehen, und zwar auf die Frage der Regelung des Sorgerechts nach Trennung und Scheidung. Immerhin muß man, wenn man den jetzt vorgelegten Antrag mit dem aus der vergangenen Legislaturperiode vergleicht, zu der sehr positiven Feststellung kommen, daß sich die SPD vom gemeinsamen Sorgerecht als Regelfall, d. h. von der Vorstellung, das in der Ehe gegebene gemeinsame Sorgerecht könne auch nach der Trennung und Scheidung automatisch fortexistieren, verabschiedet hat.
Die ursprünglichen Vorstellungen der SPD haben in der Gesellschaft eine sehr breite Diskussion hervorgerufen. Je länger diese andauerte und je stärker tatsächlich das Wohl des Kindes in den Mittelpunkt gestellt wurde, desto länger wurde die Liste derjenigen, die die Regelfallregelung beim gemeinsamen Sorgerecht ablehnen. Die Regelfallregelung wird keineswegs nur von Verbänden, die vorwiegend die Interessen Alleinerziehender vertreten, abgelehnt, wie das hier zuweilen behauptet wird. Vielmehr sind es auch die Familienverbände und der Deutsche Paritätische Wohlfahrtsverband, die ihre Erfahrungen aus der Betreuungs- und Beratungspraxis in die Debatte eingebracht haben.
Es ist in der Folge dieser breiten gesellschaftlichen Diskussion zu einem außerparlamentarischen Bündnis „Gemeinsames Sorgerecht? Ja - auf Wunsch beider Eltern, nicht als Regelfall" gekommen. Ich meine, daß die intensive, sachliche und auch beharrliche Arbeit wesentlich dazu beigetragen hat, daß die SPD hat einsehen müssen, daß das gemeinsame Sorgerecht als Regelfall gerade nicht mit dem Kindeswohl begründet werden kann.
Jetzt hat die SPD die Forderung des Bündnisses „Gemeinsames Sorgerecht? Ja - auf Wunsch beider Eltern, nicht als Regelfall" nach einer Elternvereinbarung aufgegriffen, der zufolge die Eltern künftig gehalten sein sollen, unabhängig von der Sorgerechtsregelung zunächst einmal die Frage des Aufenthalts, des Umgangs, der Pflege, der Erziehung des Kindes und nicht zuletzt die Frage des Unterhalts einvernehmlich zu klären. In der Frage der Sorgerechtsregelung selbst hat sich die SPD dazu durchgerungen, daß das Gericht dem übereinstimmenden Vorschlag der Eltern zur Regelung der nachehelichen Sorge folgen soll, wenn dieser dem Kindeswohl nicht widerspricht. All das ist ausdrücklich zu begrüßen.
Beim genauen Lesen des Antragstextes wird aber deutlich, daß sich die SPD noch immer nicht von der nicht nur irrigen, sondern auch, wie ich meine, gefährlichen Ansicht getrennt hat, das gemeinsame Sorgerecht sei per se die das Kindeswohl am besten fördernde Sorgerechtsform.
Der Antrag der SPD sieht vor, daß im Streitfall - ich rede jetzt nur über die strittigen Fälle - der Art, daß nur ein Elternteil das alleinige Sorgerecht beantragt, das Gericht diesem nur dann folgen soll, „wenn dies zur Wahrung des Kindeswohls angezeigt ist". Das heißt, die SPD führt in ihrem Antrag für die Übertragung des alleinigen Sorgerechts im Streitfall ein Kriterium ein, das sehr viel schärfer gefaßt ist als die jetzige Regelung in § 1671 BGB, nach der eine Sorgerechtsregelung getroffen werden soll, „die dem Wohle des Kindes am besten entspricht".
Warum diese Unterschiede? Warum wird diese Differenz aufgebaut? Ich meine, der Hintergrund ist, daß transportiert werden soll, daß das gemeinsame Sorgerecht grundsätzlich doch das bessere sei.
Folgt man dem Antrag der SPD, muß derjenige Elternteil, der das alleinige Sorgerecht, aus welchen Gründen auch immer, will, den Nachweis erbringen, daß trotz Trennung und Scheidung die Beibehaltung des gemeinsamen Sorgerechts nicht zur Wahrung des Kindeswohls geeignet ist bzw. dem Kindeswohl sogar schadet.
Angesichts der noch immer virulenten Fiktion, die Wahrnehmung der elterlichen Verantwortung insbesondere durch Väter lasse sich durch das Rechtsinstitut der gemeinsamen Sorge befördern - Frau Grießhaber hat das hier deutlich formuliert -, wird es dem Elternteil, der das alleinige Sorgerecht beantragt - das sind in der Regel Frauen - nicht oder nur sehr schwer gelingen, diesen Nachweis zu erbringen und die Übertragung des alleinigen Sorgerechts durchzusetzen.

Christina Schenk
Im übrigen heißt das, daß die von der SPD vorgesehene Regelung dazu führen kann, daß das gemeinsame Sorgerecht auch im strittigen Fall gegen den Willen eines Elternteils angeordnet wird. Im Antrag der SPD wird diese für das Kind absolut schlimmste Variante jedenfalls nirgendwo explizit ausgeschlossen. Der Ermessensspielraum für die Gerichte ist enorm.
Es ist mir sehr wichtig, das so deutlich zu sagen: Es muß klar sein, daß es im strittigen Fall im Interesse des Kindes stets nur die Entscheidung geben kann, das alleinige Sorgerecht auf einen Elternteil zu übertragen. Die nacheheliche Sorgerechtsregelung hat das Kind vor den Konflikten der Eltern zu schützen und es diesen nicht schutzlos auszuliefern. Von daher wäre es durchaus angebracht, Eltern, die den Wunsch nach einem gemeinsamen Sorgerecht äußern, aufzufordern, darzutun, daß sie willens und vor allem in der Lage sind, den besonderen Anforderungen, die die nacheheliche Ausübung des gemeinsamen Sorgerechts an Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit stellt, gerecht zu werden.
Noch einmal: Die für das Kind beste Sorgerechtsregelung ist immer die, die das Kind so gut wie nur möglich vor eventuellen Elternkonflikten schützt. Das heißt, das gemeinsame Sorgerecht kann nach einer Trennung bzw. Scheidung nur dann dem Wohl des Kindes zuträglich sein, wenn die Eltern die notwendige Bereitschaft und die notwendige Fähigkeit zur Kommunikation und Kooperation mitbringen.
Meine Damen und Herren, an dieser Stelle ist es ganz hilfreich, auch einmal einen Blick auf die gesellschaftlichen Realitäten zu werfen. Höchstens 10 % der geschiedenen Eltern - das mag gebietsweise etwas unterschiedlich sein - entscheiden sich für das gemeinsame Sorgerecht. Eine Begründung dafür, die Ausnahme per Gesetz zur Regel umdefinieren zu wollen, wenn auch nur durch die Hintertür, ist bislang noch nicht geliefert worden.
Ich will anschließend noch einmal die Grundprinzipien nennen, die unserer Auffassung nach einer Neuregelung des elterlichen Sorgerechts zugrunde liegen sollten.
Erstens. Die gesetzliche Regelung des Sorgerechts muß ohne Bevorzugung eines bestimmten Modells erfolgen, so daß sich Eltern frei und entsprechend ihren persönlichen Bedingungen für eine Sorgerechtsform entscheiden können.

(Zuruf von der SPD: Das wollen wir!)

Dies allein ist der bestmögliche Schutz des Wohls des Kindes.
Ich meine, die Jugendämter sollten in ihren Beratungsgesprächen explizit darauf hinweisen, daß zu den notwendigen Voraussetzungen für das nacheheliche gemeinsame Sorgerecht die Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit der Eltern unabdingbar dazugehört. Sie müssen die Eltern über die Gefahr für das Wohl des Kindes aufklären, die entsteht, wenn diese Voraussetzungen nicht gegeben sind. In solchen Fällen ist das alleinige Sorgerecht immer die bessere Entscheidung.
Zweitens. Bei einer Scheidung sind die Eltern aufgefordert, dem Gericht einen einvernehmlichen Vorschlag zur nachehelichen Sorgerechtsregelung zu unterbreiten. Die Gerichte haben diesem Vorschlag zu entsprechen, wenn dieser dem Kindeswohl nicht widerspricht.
Drittens. Beantragt nur ein Elternteil die Zuweisung des alleinigen Sorgerechts oder stellen die Eltern sich widersprechende Anträge, so soll das Gericht wie bisher dem Antrag folgen, der dem Kindeswohl am ehesten entspricht. Die Übertragung und die Aufrechterhaltung des gemeinsamen Sorgerechts gegen den Willen eines Elternteils ist auszuschließen, und zwar absolut.
Der letzte Punkt ist meiner Meinung nach für die Praxis des gemeinsamen Sorgerechts sehr wichtig. Können sich die Eltern bei Ausübung des gemeinsamen elterlichen Sorgerechts in einer einzelnen Angelegenheit der elterlichen Sorge nicht einigen, so hat der betreuende Elternteil Entscheidungsvorrang.
Ich meine, gerade bei der Frage des Sorgerechts ist es relativ einfach, zu vernünftigen Regelungen zu kommen, zumindest solange man sich den Blick nicht durch Mythen oder durch Wunschdenken verkleistern läßt.
Vielen Dank.

(Beifall bei der PDS)


Hans Klein (CSU):
Rede ID: ID1305530800
Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen! Die nächsten vier Redner, der Kollege Pofalla, die Kollegin Niehuis, die Kollegin Falk und der Kollege Lanfermann, geben ihre Reden zu Protokoll.') Ich muß dafür die Zustimmung des Hauses einholen. Sind Sie damit einverstanden? -

(Zurufe: Ja!)

Dies wiederum führt dazu, daß sich die jetzige Aussprache um über eine halbe Stunde verkürzt. Das bedeutet, daß der erste Redner zum nächsten Tagesordnungspunkt fehlt. Das ist nicht seine Schuld, denn er konnte sich ursprünglich darauf verlassen, daß er erst in einer halben Stunde zu kommen braucht. Andere Redner möchten ihre Debattenbeiträge zu Protokoll geben.
Darf ich vorab schon einmal für diese Redner das Einverständnis des Hauses einholen? - Das Einverständnis ist erteilt.
Dies wiederum, meine verehrten Kolleginnen und Kollegen, heißt, daß wir mit unserer Tagesordnung um eine Stunde im voraus sind. Ich mache Ihnen einen Vorschlag zur Praktikabilität, um auch den Geschäftsführern die Arbeit ein wenig zu erleichtern. Ich schlage vor, daß wir die Sitzung jetzt für einige Minuten unterbrechen, damit die Geschäftsführer mit den vorgesehenen weiteren Rednern in Kontakt treten können.
Ich unterbreche die Sitzung.

(Unterbrechung von 19.47 Uhr bis 19.52 Uhr) *) Anlage 4





Hans Klein (CSU):
Rede ID: ID1305530900
Meine Kolleginnen und Kollegen! Wir setzen die unterbrochene Sitzung fort.
Ich habe zunächst, nachdem ich die Genehmigung eingeholt habe, daß die restlichen Reden zu Tagesordnungspunkt 8 zu Protokoll gegeben werden können, die Aussprache zu schließen und Ihnen zu sagen, daß interfraktionell die Überweisung der Vorlage auf Drucksache 13/1752 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgesehen ist. Besteht damit das Einverständnis des Hauses? - Das ist offensichtlich der Fall. Dann sind die Überweisungen so beschlossen.
Wie vorhin bereits festgestellt, wollen auch die Kolleginnen und Kollegen einschließlich der Vertreter der Bundesregierung die Debattenbeiträge zu dem Tagesordnungspunkt 9 sowie zu den Zusatzpunkten 2 und 3 zu Protokoll geben. Darf ich dazu noch einmal das Einverständnis des Hauses offiziell einholen? -Zur Geschäftsordnung hat der Kollege Kansy das Wort.

Dr.-Ing. Dietmar Kansy (CDU):
Rede ID: ID1305531000
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist jetzt zugegebenermaßen eine unglückliche Situation, aber wir haben heute den ganzen Nachmittag wirklich Parlament gezeigt, wie Sie sich das vorstellen und wie wir uns das vorstellen. Es war eine sehr wichtige Debatte. Millionen von Menschen sind allerdings auch davon betroffen, wie die Förderung des Wohnungsbaus und die Eigentumsbildung beim Wohnungsbau aussehen werden. Meine persönliche Meinung als wohnungspolitischer Sprecher der CDU/CSU ist, daß es durchaus angemessen ist, die langjährigen Überlegungen zu diesem Thema auch im Plenum des Deutschen Bundestages zu diskutieren.

(Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wo ist denn das Plenum?)

- Das Plenum sind wir jetzt, verehrte Kollegin. - Dies ist jedenfalls meine persönliche Meinung und ich betrachte die Diskussion darüber als nicht abgeschlossen.

Hans Klein (CSU):
Rede ID: ID1305531100
Bitte, Herr Kollege Großmann.

Achim Großmann (SPD):
Rede ID: ID1305531200
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch ich möchte darauf hinweisen, daß, als über die Entscheidung nachgedacht wurde, noch nicht alle Redner im Saal waren. Ich habe gerade noch einmal mit einigen Rednern Rücksprache genommen. Auch ich als wohnungspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion möchte fragen, ob es die Möglichkeit gibt, die Entscheidung noch einmal zu überdenken und die wohnungspolitische Debatte doch zu führen.
Die Irritationen sind u. a. dadurch zustande gekommen, daß der letzte Tagesordnungspunkt etwas verkürzt worden ist. Von daher hat jeder Mann und jede Frau ein Einsehen, daß man diese Entscheidung noch einmal überdenkt, weil die Zeit nicht hinreichend gegeben war.

Hans Klein (CSU):
Rede ID: ID1305531300
Bitte sehr.

Klaus-Jürgen Warnick (PDS):
Rede ID: ID1305531400
Ich schließe mich dieser Argumentation an. Auch ich fühle mich ein bißchen überfahren; denn ich wurde im Hereinkommen gefragt, ob wir bereit sind, zu Protokoll zu geben, weil alle anderen auch zu Protokoll geben. Erst im nachhinein habe ich erfahren, daß bei den anderen kein Zugeständnis in diesem Sinne vorliegt.

Hans Klein (CSU):
Rede ID: ID1305531500
Damit kein falscher Zungenschlag in die Geschichte kommt: Wenn das Haus zu debattieren wünscht, wird debattiert. Ich habe sowieso Dienst. Nur, darüber wollen wir uns klar sein: Wenn die Geschäftsführer in einer bestimmten Situation eine Abmachung treffen, die wieder aufgerollt wird, dann tun wir uns selber keinen Gefallen. Aber es ist jetzt so beschlossen. Es ist thematisiert. In dem Augenblick, in dem man sagt, erst heute nachmittag haben wir über unsere Arbeit gesprochen, also dürfen wir jetzt nichts zu Protokoll geben, weil die Nation danach lechzt, unsere Stimmen zu hören, ist das selbstverständlich für mich hier zwingend.
Ich rufe deshalb den Tagesordnungspunkt 9 sowie die Zusatzpunkte 2 und 3 auf:
9. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neuregelung der steuerrechtlichen Wohneigentumsförderung
- Drucksache 13/2235 —
Überweisungsvorschlag:
Finanzausschuß (federführend)

Ausschuß für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau
Haushaltsausschuß mitberatend und gemäß § 96 GO
ZP2 Beratung des Antrags der Abgeordneten Franziska Eichstädt-Bohling, Christine Scheel, Ulrike Höfken-Deipenbrock, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Eckwerte für ein grünes Wohnungs-Selbsthilfe-Gesetz für eine soziale und ökologische Reform der Wohneigentumsförderung
- Drucksache 13/2304 —
Überweisungsvorschlag:
Finanzausschuß (federführend)

Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung
Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau Haushaltsausschuß
ZP3 Beratung des Antrags der Abgeordneten Klaus-Jürgen Warnick, Dr. Barbara Höll, Dr. Uwe-Jens Rössel und der Gruppe der PDS
Reformierung der Wohneigentumsförderung als ein Bestandteil der Wohnungsbaupolitik
- Drucksache 13/2357 —
Überweisungsvorschlag:
Finanzausschuß (federführend)

Ausschuß für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau Haushaltsausschuß

Vizepräsident Hans Klein
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die gemeinsame Aussprache eineinhalb Stunden vorgesehen. Ich setze das Einverständnis des Hauses dazu voraus. - Dieses liegt auch offenbar vor. Dann ist das so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache und erteile dem Parlamentarischen Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen, Professor Dr. Kurt Faltlhauser, das Wort.

Dr. Kurt Faltlhauser (CSU):
Rede ID: ID1305531600
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir legen Ihnen heute in erster Lesung einen Gesetzentwurf zur Beratung und zur Verabschiedung vor, der, glaube ich, ein sehr guter Ansatz für die Förderung des selbstgenutzen Wohnungsbaus ist.
Wir haben in einer komplizierten Debatte während der letzten Jahre und besonders der letzten Monate in der Bundesregierung ein Optimierungskonzept gesucht und schließlich auch gefunden, das vom Wohnungsbauminister, vom Finanzminister und von den übrigen Experten der Bundesregierung gemeinsam getragen wird. Ich bedanke mich insbesondere beim Wohnungsbauminister, daß dieser Konsens in so großer Harmonie und gleicher Zielsetzung gelungen ist.
Meine Damen und Herren, es besteht immer eine große Schwierigkeit, wenn man ein altes System ablöst, ein neues versucht und für das neue System den gleichen finanziellen Rahmen hat. Da knapst es an allen Enden. Da gibt es große Schwierigkeiten. In dem Augenblick, in dem Sie - das ist zwingend - die Aufkommensneutralität sichern wollen, reifen nicht alle Blütenträume, die es gibt.
Erstens. Wir wollten mit unserem System von vornherein insbesondere die Schwellenhaushalte besser fördern.
Zweitens. Wir wollten die Berechenbarkeit der Förderung für die Bauwilligen vergrößern.
Drittens. Wir wollten eine deutliche Vereinfachung sicherstellen. Ich glaube, das ist uns mit dieser Vorlage gelungen.
Wir haben das Ganze in den Rahmen eines Steuergesetzes eingebaut. Man hätte es auch anders machen können. Sicherlich kann man überlegen: Wir verwirklichen das in einem Leistungsgesetz. Dann aber läge die ganze Finanzierung natürlich beim Bund, und wir hätten die großen Schwierigkeiten, das Geld von den Ländern gewissermaßen zurückzubekommen.
Wir haben heute mittag ein entsprechendes Beispiel im Zusammenhang mit dem Jahressteuergesetz erlebt, und zwar beim Familienleistungsausgleich. Wir haben gesehen, wie das dann ist. Die Länder haben zur Absicherung ihrer Forderungen gegenüber dem Bund eine Grundgesetzänderung verlangt, um die 5,5 % zusätzlicher Mehrwertsteuer abzusichern.
Wir müßten dann ebenfalls, wenn wir mißtrauisch sein wollen, eine entsprechende Absicherung von den Ländern verlangen. Ich glaube, das ist nicht unbedingt der Weisheit letzter Schluß.
Wir schlagen eine Eigenheimzulage vor, bei der der Bauherr acht Jahre lang bis zu 5 000 DM jährlich erhält und der Erwerber 2 200 DM. Die volle Förderung erhält bereits derjenige, der förderungsfähige Kosten in Höhe von 100 000 DM nachweisen kann.
Ich füge gleich folgendes hinzu, weil ich weiß, wie die Diskussionsbeiträge in den Debatten der Ausschüsse aussehen werden. Man könnte sich fragen: Wäre es nicht schöner, mehr als 2 200 DM für den Erwerb eines Altbaus in den neuen Bundesländern aufzuwenden? Ich erinnere mich an Ihre Forderung, Frau Kollegin Eichstädt-Bohlig, da deutlich zuzulegen. Ich sage nur unter Berücksichtigung des Prinzips der Aufkommensneutralität: Was ich hier zusätzlich drauflege, muß ich an anderer Stelle wegnehmen. Soll ich es bei der Familienkomponente wegnehmen? Oder wo soll ich es wegnehmen? Ich wäre dankbar, wenn dies immer gesehen würde. Jeder hat seine bestimmten Präferenzen. Je nachdem, wie die Präferenz ist, etwa Förderung in den neuen Bundesländern, wird dann auch der Vorschlag im Rahmen der ausgewogenen Förderung innerhalb dieses Gesetzes aussehen.
Es gibt das Problem der Familienförderung. Die Förderung kann von jedem Steuerpflichtigen nur einmal in seinem Leben in Anspruch genommen werden, von Ehegatten insgesamt zweimal, aber eben nicht gleichzeitig für dieselbe Wohnung. Steht eine Wohnung im Miteigentum mehrerer Personen, z. B. bei nichtehelichen Lebensgemeinschaften, kann jeder Miteigentümer ebenso wie im Falle von Ehegatten, die Miteigentümer sind, die Förderung nur anteilmäßig erhalten. Eine Kumulation der Förderbeträge bei Ehegatten hält die Bundesregierung nicht für zu verwirklichen. Dies würde zum einen zu einer ungerechtfertigten Benachteiligung von Alleinerziehenden mit Kindern führen und zum anderen eine weitere Verkomplizierung bei Ehescheidung, Tod eines Ehegatten, Wiederheirat nach Inanspruchnahme der Förderung durch einen Ehegatten mit sich bringen. Hierfür kann es aus Haushaltsgründen keinen Handlungsspielraum geben.
Die Kumulation wird z. B. vom Wohnungsbauausschuß des Bundesrates gefordert. Aber die Gesetzesanträge - ich weise darauf hin - von Nordrhein-Westfalen, Herr Reschke, und Rheinland-Pfalz sehen eben keine Kumulation vor.
Wir haben im Rahmen dieses Konzeptes Einkommensgrenzen vorgesehen. Es sind die gleichen Einkommensgrenzen wie bei dem obsolet gewordenen § 10e, der uns allen miteinander nun wirklich zu kompliziert war. Wir sollten froh darüber sein, daß wir das komplizierte und umfangreiche Gesetzeswerk des § 10e endlich verabschieden können. So ganz weg ist es ja noch nicht; es wirkt ja immer noch nach. Was getan wurde, ist aber ein guter Schritt voran zur Vereinfachung unseres Steuerrechtes. Wir übernehmen diese Einkommensgrenzen, 120 000 DM für Ledige und 240 000 DM für Verheiratete.

Parl. Staatssekretär Dr. Kurt Faltlhauser
Diejenigen, die radikal vereinfachen wollen, sagen natürlich: Gar keine Einkommensgrenzen. Das ist gar nicht unvernünftig, weil die Einkommensgrenzen lediglich in 5 % der Bau- und Erwerbsfälle überschritten werden. Es ist also ein relativ geringer Prozentsatz. Allerdings hätten wir auch hier wieder die Problematik der Haushaltsklemme. Wir müßten dann unsere Vorstellungen einer Aufkommensneutralität aufgeben.
Übrigens, so kompliziert ist die Sache mit den Einkommensgrenzen nicht; denn wir haben eines vorgesehen - das scheint mir wichtig zu sein -: Wir stellen diese Einkommensgrenzen einmal fest, und dann belassen wir es dabei. Dies ist, wie ich meine, ein wesentlicher Bestandteil auch der Anreizwirkung dieses Systems. Wenn ich nämlich einmal im Förderbereich bin, weil ich unterhalb dieser Einkommensgrenzen liege, dann kann ich eben acht Jahre lang mit diesem Geld rechnen. Das fördert meinen Mut, diese wichtige Familien- und Lebensentscheidung tatsächlich zu treffen, da ich dann nicht das Risiko auf mich nehmen muß, nach drei oder vier Jahren möglicherweise nicht mehr unter diesen Fördertatbestand zu fallen. Dies ist ein ganz wichtiger Punkt, der überdies wesentlich verwaltungsvereinfachend wirkt.
Sicherlich wird der eine oder andere - da nehme ich einmal die zukünftige Diskussion voraus - über diese Einkommensgrenze hinauswachsen. Aber angesichts der Tatsache, daß bisher nur 5 % der Bau- und Erwerbsfälle über dieser Grenze lagen, wird dies ein zu vernachlässigender, marginaler Gesichtspunkt sein.

(Achim Großmann [SPD]: Er wird nur ein Jahr lang „runterwachsen" ! )

Lassen Sie mich noch einen wichtigen steuersystematischen Punkt hier anführen, bevor ich noch einmal kurz zur Familienkomponente komme. Auch in den eigenen Reihen gibt es die Diskussion, ob es nicht unstatthaft sei, jetzt zu einer pauschalen Förderung zu kommen und die Progressionsabhängigkeit aufzugeben. Ich glaube, daß die Förderung des Wohnungsbaus nicht zwingend in das Steuersystem hineingehört. Für mich war das immer schon ein schlichter Subventionstatbestand, der mit dem Prinzip der Leistungsfähigkeit innerhalb des Steuerrechts nicht zwingend etwas zu tun hat. Deshalb haben wir keine großen Schwierigkeiten gehabt, von den progressionsabhängigen Vorstellungen der Vergangenheit Abschied zu nehmen und zu diesem neuen System zu kommen.
Wir haben etwas ganz Sensationelles gemacht, indem wir das Baukindergeld als Teil der Familienförderung drastisch erhöht haben. Bisher haben wir, soweit ich es im Kopf habe, etwa 3,2 Milliarden DM für die Familienkomponente ausgegeben, und wir werden in Zukunft fast 2 Milliarden DM mehr ausgeben, indem wir von 1 000 DM auf 1 500 DM hinaufgehen. Das ist ein guter Schritt, ein richtiges familienpolitisches Signal. Wenn Sie diese drastische Erhöhung des Baukindergeldes mit dem zusammenknüpfen, was wir heute mittag gemacht haben, nämlich im ersten Jahr schon zusätzlich 7 Milliarden DM für die
Kinder im Rahmen des Jahressteuergesetzes auszugeben, dann ist es ein unglaubliches Signal dieser Koalition für Familienpolitik. - Das ist weiß Gott des Beifalles wert.

(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

Meine Damen und Herren, ich weiß, Wohnungsbaupolitik ist schon alleine ein kompliziertes Feld. Wenn Wohnungsbaupolitik aber mit Haushaltspolitik und Steuerpolitik sowie mit Verwaltungs- und administrativen Fragen zusammenwirkt, dann wird es eine sehr komplizierte Debatte geben. Aber angesichts der Vorschläge, die auch im Bundesrat vorliegen, werden wir gemeinsam zu einem vernünftigen Ergebnis zum Wohle derjenigen kommen, die in der Zukunft selbstgenutztes Wohneigentum bilden wollen. Mit diesem Gesetz, daß wir heute zur ersten Lesung vorlegen, helfen wir ihnen in massiver Weise.
Ich bedanke mich.

(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)


Hans Klein (CSU):
Rede ID: ID1305531700
Das Wort hat der Kollege Otto Reschke.

Otto Reschke (SPD):
Rede ID: ID1305531800
Herzlichen Dank, Herr Präsident!
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der vorliegende Gesetzentwurf zur Neuregelung der steuerlichen Wohneigentumsförderung übernimmt in wichtigen Punkten - wie gesagt, in wichtigen Punkten - langjährige Forderungen der SPD. Die Regierung will auf eine einkommensunabhängige Förderung abstellen; das ist unsere Forderung schon seit über zehn Jahren.

(Beifall bei der SPD)

Die Förderung soll wirksamer gestaltet und vereinfacht werden; das ist schon seit sechs Jahren eine einstimmige Forderung des Deutschen Bundestages. Das Baukindergeld ist zu erhöhen. Ja, wer wünscht sich das nicht? Warum haben wir bisher keine Umschichtung und Bereitstellung der Mittel gehabt? Und bei der Vorsparförderung sind sich alle Parteien einig. Manchmal habe ich den Eindruck, daß sie sich bei diesem Punkt im Wahlkampf ein bißchen überboten haben. Diese Vorschläge werden also grundsätzlich von uns begrüßt.
Wir sind jedoch der Auffassung, daß die Koalition viel zu lange gebraucht hat, um den unüberschaubaren, unwirksamen und ungerechten § 10e abzulösen.

(Achim Großmann [SPD]: Sieben Jahre!)

Falscher Reformeifer von Herrn Schneider 1986/87 und die Reparaturgesetze förderten immer mehr Haushalte mit hohen Einkommen. Anträge der SPD zu Reformen sind von der Koalition stets abgelehnt worden. Heute sagen Sie, Herr Faltlhauser, eigentlich sei das immer schon ein Subventionstatbestand gewesen. Hätten Sie das mal ein bißchen früher gesagt, als Sie noch Sprecher der Arbeitsgruppe Finanzen waren!

Otto Reschke
Auf unser Drängen hin forderte der Bundestag 1991 die Bundesregierung auf, ein effizientes Förderkonzept zu entwickeln. Wie gesagt: Die Richtung des Gesetzentwurfes stimmt, aber, Herr Minister Töpfer - jetzt spreche ich Sie als Wohnungsbauminister an -, bleiben Sie mit der Reform nicht auf halbem Wege stehen. Wir sollten gemeinsam versuchen, etwas zu tun.
Beratungsbedarf besteht für uns in folgenden acht Punkten: Erstens. Die Fördergrenze soll bei einem Einkommen von 120 000 DM für Ledige bzw. 240 000 DM für Verheiratete liegen. Zugrunde gelegt wird nur noch der Gesamtbetrag der Einkünfte, die im Jahr der Fertigstellung oder des Kaufs einer Wohnung erzielt wurden. Auf Grund meiner Kenntnis des Steuerrechts sage ich deutlich: Es gibt genug Möglichkeiten, den Gesamtbetrag der Einkünfte im Jahr der Fertigstellung oder Anschaffung einmalig zu senken, um so die Förderung zu erlangen, lieber Kollege Staatssekretär.
Fakt ist, daß es eine jährliche Überprüfung des Einkommens über den gesamten Förderzeitraum von acht Jahren nicht mehr geben soll. Sie begründen dies mit Verwaltungsvereinfachung und sehen es als Anreiz zum Einstieg. Ich frage mich, was Sie sagen würden, wenn die SPD den Vorschlag machte, aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung bei Wohngeld- und Sozialhilfeempfängern die Einkommensverhältnisse sieben Jahre lang nicht zu überprüfen. Sie würden in diesem Haus auf den Tischen stehen, will ich mal prophezeien.

(Beifall bei der SPD)

Zu Ihrem Vorschlag kann ich nur sagen: Verwaltungsvereinfachung darf nicht zu weiterer Fehlförderung oder sozialer Ungerechtigkeit führen.
Zweitens. Den Vorkostenabzug, der an die Eigenheimzulage gekoppelt werden soll, lassen Sie weiterhin progressionsabhängig. Genauso wie der Bundesrat fordern wir die Streichung der Möglichkeit, Werbungskosten vor dem Einzug von der Steuer abzuziehen. Hier können nicht nur 325 Millionen DM umgeschichtet werden, sondern fast 2 Milliarden DM. Dadurch würde mehr Geld für die Grundförderung und das Baukindergeld oder für die Förderung ökologischen Bauens zur Verfügung stehen.
Drittens. „Wir sind nicht blauäugig, sondern glauben, realistisch Familien mit Einkommen ab 60 000/ 70 000 DM im Visier zu haben„, so Minister Töpfer am 1. August 1995 im „Handelsblatt„ . Herr Minister, im Visier hatten Sie anscheinend die Familien, aber dann, wie man als Waidmann sagt, danebengeschossen oder das Ziel verfehlt. So ist es zumindest im Gesetzentwurf zu lesen.
Im Gesetzentwurf ist die geplante jährliche Grundförderung von 5 000 DM für Neubauten und 2 200 DM für Gebrauchtimmobilien für Verheiratete mit mittleren und unteren Einkommen nicht ausreichend. Das sollte verbessert werden. Die SPD fordert, die Förderbeträge mit steigendem Einkommen - man kann darüber streiten - ab 80 000 DM bzw.
160 000 DM aufwärts stufenweise abzuschmelzen. Diese Einsparungen können zugunsten von Familien, zugunsten der Grundförderung verwendet werden.
Viertens. Es bestehen auch in der Frage der Zusammenlegung von Förderbeträgen für Ehepaare bei uns keine Schwierigkeiten. Selbstverständlich gibt es differenzierte Ansichten der Bundesländer, bei unterschiedlichen Modellen.
Die SPD fordert, daß Eheleuten das Zusammenlegen des jeweiligen Förderbetrages bis zum eineinhalbfachen Betrag ermöglicht wird. Der Spareffekt durch Kumulation und Objektverbrauch bei Ehepaaren liegt damit auf der Hand. Es ist nur ein Vorzieheffekt. Warum er von der Koalition nicht angegangen wird, bleibt Ihr Geheimnis. Sie sollten die zugrundeliegenden Zahlen dem Haus darlegen.
Nach Ihrem Modell kann die Devise für Unverheiratete nur lauten: Erst bauen, Kinderkomponente vorziehen, dann heiraten. Oder für Verheiratete heißt es nach Ihrem Modell mit der mangelnden Kumulation ab 1996: Erst scheiden lassen, Kinderkomponente teilen, dann bauen und später wieder zusammenziehen. Eine Wahlmöglichkeit für Familien wäre gerechter, sozial und überschaubar für viele Familien.
Fünftens. Der Gesetzentwurf der Regierung nimmt keine Rücksicht auf die erheblich höheren Kosten beim Bau oder Erwerb von Wohneigentum in Ballungsgebieten. Bodenknappheit und hohe Grundstückskosten sind der Grund, daß in den Ballungsgebieten die Eigentumsquote dreimal niedriger ist als in ländlichen Regionen oder in den Randzonen der Großstädte. Nicht selten machen die Grundstückskosten mehr als die Hälfte der gesamten Gebäudeoder der gesamten Herstellungskosten aus.
Gerade der Beschluß des Bundestages von 1991 fordert die besondere Berücksichtigung der Ballungsgebiete. Die SPD verlangt daher einen Zuschlag für Ballungsgebiete. Dieser Zuschlag ist auch notwendig, um dem Trend der immer stärker werdenden Zersiedlung entgegenzuwirken. Dieses Problem kann natürlich nicht allein mit der Wohneigentumsförderung gelöst werden. Die SPD fordert daher nachdrücklich ergänzende Maßnahmen zur Senkung der Grundstücks- und Baukosten, aber auch zur besseren Bodenbereitstellung.
Sechstens. Der Entwurf der Regierung enthält keine Möglichkeit zur Förderung ökologischen Bauens. Provokativ kann man fragen: Wo, Herr Minister Töpfer, bleibt eigentlich die „Öko-Z", wie die ÖkoZulage in Kurzform genannt werden könnte? Ich darf Sie auch hier wieder zitieren: „Mein Ziel bleibt es, durch Fördermaßnahmen auch künftig die ökologische Erneuerung zu unterstützen." Dies jedenfalls schrieben Sie, Herr Töpfer, in der Zeitschrift „Die Wirtschaft" vom 1. September 1995.
Leider finden wir im Gesetzentwurf auch von diesem Versprechen nichts. Die SPD fordert eine zusätzliche Förderung für Niedrigenergiehäuser oder ähnli-

Otto Reschke
che Maßnahmen, um die erhöhten Investitionen für die Bauherren aufzufangen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Belassen Sie es, Herr Töpfer, nicht immer nur bei Ankündigungen. Lassen Sie Ihren Worten auch in der Regierung Taten folgen. Es wäre schön, wenn Sie sich mit den Ankündigungen, die Sie vorher machen, auch in der Regierung, in der Koalition durchsetzen.
Böse Zungen behaupten in bezug auf die Ankündigungen immer wieder, um Frau Merkel sei es deshalb so ruhig, weil sie die ganze Wahlperiode brauche, um Ihre Ankündigungen zu sichten. Aber wollen wir einmal abwarten, was sie in diesem Punkte macht.

(Dr.-Ing. Dietmar Kansy [CDU/CSU]: Sie haben doch den Gesetzentwurf auf dem Tisch, Herr Reschke! Wir wollten ihn doch zu Protokoll nehmen!)

Siebtens. „Darüber hinaus werden wir darüber zu beraten haben, in welcher Form auch die Gründung von Genossenschaften begünstigt werden kann." Auch das ist ein Zitat von Herrn Töpfer. Ich will ja nur aufführen, was alles in den letzten acht Wochen gesagt worden ist. Wir freuen uns natürlich, daß Herr Töpfer die Genossenschaftsidee unterstützen will, fragen uns jedoch: Was ist aus den Beratungen in der Koalition über die Förderung von Genossenschaften geworden? Im Gesetzentwurf vermißt die SPD nach wie vor die steuerrechtliche Gleichstellung von Mitgliedern in Wohnungsbaugenossenschaften mit den Regelungen des Erbbaurechts und des Kaufeigentums. Diese sind vor dem Steuerrecht gleich. Warum gilt dies nicht auch für die Mitglieder einer Genossenschaft, die Anteile halten?
Achtens. Ein Wort zur Aufkommensneutralität der neuen Regelung: Für 1996 veranschlagen Sie für die Umschichtung je Baujahrgang rund 17 Milliarden DM als Steuermindereinnahmen einschließlich Grundförderung, Kinderkomponente und Vorkostenabzug. Sie legen dabei den Baujahrgang 1996 zugrunde, den Sie noch gar nicht kennen. Sie wollen die Förderung für die nächsten Jahre bei 17 Milliarden DM einfrieren. Anpassungen hängen in Zukunft also, genauso wie beim Wohngeld, vom Finanzminister ab.

(Parl. Staatssekretär Dr. Kurt Faltlhauser: Das ist gut so!)

Aufkommensneutral ist diese Regelung, wenn man einmal genau nachsieht, trotzdem nicht. Die ersten Zahlen zeigen dies. Herr Bauminister, Sie haben ja versprochen, daß wir im Bauausschuß noch neuere Zahlen bekommen. Nach meiner Rechnung sammeln sich bei Bund, Ländern und Gemeinden bis zum Jahre 1999 insgesamt Mehreinnahmen in Höhe von 2,9 Milliarden DM an, die Sie aus der heutigen Förderung herausnehmen. Nimmt man die Bausparförderung hinzu, sind es sogar 3,3 Milliarden DM, die vom Bund weniger ausgegeben werden.

(Achim Großmann [SPD]: So ist das!)

Über die finanziellen Auswirkungen nach 1999 gibt es in der Begründung des Gesetzentwurfs gar keine Auskunft. Die Regierung schätzt, daß bei der vollen Auswirkung der Rechtsänderung im ersten Veranlagungszeitraum im Entstehungsjahr für Bund, Länder und Gemeinden Mehreinnahmen in Höhe von 585 Millionen entstehen. Das ist Ihre Aufkommensneutralität. Wir werden dies zur Diskussion stellen. Machen Sie die Lösung tatsächlich aufkommensneutral, und schummeln Sie nicht Milliardenbeträge für die Haushaltskonsolidierung weg! Legen Sie für die parlamentarische Beratung die Zahlen auf den Tisch! Dies ist dringend notwendig.
Zu den Beratungen in den zuständigen Gremien möchte ich zum Schluß sagen: Nichts wäre schlechter für die ohnehin dramatisch zurückgehenden Investitionen in den Wohnungsbau, als in diesen Tagen ein mit heißer Nadel gestricktes Gesetz zu verabschieden, das sich in der Praxis als untauglich erweist und seine Ziele nicht erreicht. Auf der einen Seite muß die Politik versuchen, einen breiten Konsens zwischen Bund, Ländern und Gemeinden herbeizuführen. Er ist dringend notwendig. Auf der anderen Seite sollten wir in der nächsten Woche genau zuhören, was zur Ausgestaltung des neuen Gesetzes von der Bauindustrie, den Sozialpartnern, den Mieterverbänden, den Verbrauchern, den Verbänden der Wohnungswirtschaft und den Investoren gesagt wird.
Allerdings sollten wir schon in der kommenden Woche vorweg zwischen allen Fraktionen eine Einigung herbeiführen, wie eine verbindliche Übergangslösung aussehen könnte. Der Regierungsvorschlag ist unzureichend. Familien und Investoren - so haben es alle Parteien festgestellt - sind ein bißchen verunsichert. Vielleicht findet man in der nächsten Woche ein gemeinsames Signal, auf das man sich später bei der Gesamtlösung beziehen kann.
Auch wenn die Zeit drängt, um das neue Gesetz wie geplant zum 1. Januar 1996 in Kraft zu setzen, wird die SPD auf eine gründliche Beratung und Diskussion zwischen Bund und Ländern und in den zuständigen Ausschüssen nicht verzichten. Ich glaube, die Chance für eine Einigung zu einer vernünftigen Neuregelung sind gut. Aber wir sollten die Eckwerte noch einmal wirklich auf Ziel- und Treffsicherheit überprüfen. So eine Panne wie in der Umstellung 1987 sollten wir uns nicht noch einmal leisten.
Schönen Dank.

(Beifall bei der SPD)


Hans Klein (CSU):
Rede ID: ID1305531900
Frau Kollegin Franziska Eichstädt-Bohlig, Sie haben das Wort.

Franziska Eichstädt-Bohlig (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1305532000
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Töpfer, Herr Faltlhauser, Sie haben uns von der Regierungskoalition einen Gesetzentwurf zur Reform der Wohnungseigentumsförderung vorgelegt. Leider ist dies ein Reförmchen, das das Ziel hat, den Mißbrauch der Wohnungspolitik zur

Franziska Eichstädt-Bohlig
Vermögensbildung der besser verdienenden Schichten wenigstens etwas einzudämmen.
Wir müssen Ihnen aber sagen - ich habe es neulich schon in der Haushaltsdebatte und im Finanzausschuß gesagt -: Dieser Reformschritt kommt eindeutig zu spät - es ist ja betont worden, wie lange die Debatte schon dauert - und ist zu klein angesichts der Herausforderungen, vor denen wir heute stehen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Im Klartext: Der Regierungsentwurf ist uns zu teuer. Er ist nach wie vor sozial unausgewogen und ökologisch - das ist mir das Wichtigste - schlicht eine Katastrophe.
Wir haben in diesem Sommer intensiv gearbeitet und wollen Ihrem Gesetzentwurf ein grünes Wohnungsselbsthilfegesetz entgegenstellen. Dafür haben wir ein Konzept erarbeitet, dessen wichtigste Punkte ich jetzt nennen will.
Erstens - ich habe eben gesagt, der Entwurf ist zu teuer -: Aufkommenssenkung gegenüber Aufkommensneutralität. Wir sind der Meinung, es kann nicht angehen, daß für die Wohnungseigentumsförderung insgesamt 17,2 Milliarden DM Steuervolumen aufgebracht werden soll. Das sind allein auf Bundesebene 7,3 Milliarden DM. Dem stehen in unserem Haushalt 2,95 Milliarden DM für Wohngeld, 2,9 Milliarden DM für sozialen Wohnungsbau und knapp 1 Milliarde DM für Stadterneuerung gegenüber. Das heißt also, im Endeffekt haben wir nicht einmal 7 Milliarden DM für die wirklich existentiellen wohnungspolitischen Instrumente, während 7,3 Milliarden DM in das eine Instrument Eigentumsförderung gegeben werden. Das darf wirklich nicht sein. Es ist den Haushalten mit einem niedrigen Einkommen nicht verständlich zu machen, daß diese Schieflage sanktioniert werden soll. Von daher sind wir deutlich für eine Proportionenverschiebung.
Damit komme ich gleich zum zweiten Punkt. Wir fordern - sogar noch stärker als die SPD - einen degressiven Förderabbau, der bei den besser verdienenden Schichten, bei den höheren Einkommen greift. Es muß nicht sein, daß ein Haushalt mit 240 000 DM Einkommen noch eine Eigentumsförderung bekommt. Dort kann man deutlich nach unten gehen. Deshalb schlagen wir vor, uns die Einkommensgrenzen im sozialen Wohnungsbau anzuschauen, § 25 ff. des Zweiten Wohnungsbaugesetzes.
Wir wollen, daß die Förderung in drei Stufen abgebaut wird. Erste Förderstufe: bis 140 % der Sozialwohnungsberechtigung, zweite Förderstufe: bis 160 % der Sozialwohnungsberechtigung, dritte Förderstufe: bis 200 %. Dann ist Schluß. - Es

(Achim Großmann [SPD]: Dann wird das 15 Jahre nicht angehoben!)

ist dann Aufgabe des Parlaments, die Einkommensgrenzen des sozialen Wohnungsbaus zu ändern. Aber, die Marge ist angesichts dessen, was sozial wohnungsberechtigte Mieter sonst für Möglichkeiten auf dem Wohnungsmarkt haben, richtig.
Der nächste, der dritte Punkt betrifft die Problematik der Kumulation im Haushalt. Wir sind der Meinung, daß diese Frage nur durch ein persönliches Lebensförderkonto gelöst werden kann, bei dem es egal ist, ob es sich um ein Kind oder um einen Erwachsenen handelt, ob die Personen verheiratet sind oder nicht. Alle Lebensformen können da endlich gleich behandelt werden. Denn die vielen Familien, auf die Sie das ganze Gesetz zuschneiden, gibt es so gar nicht. Deswegen sind wir der Meinung, daß man personenbezogen vorgehen sollte.
Für die von mir genannten Förderstufen schlagen wir in der ersten Förderstufe pro Jahr - wir gehen auch von demselben Achtjahresmodell aus - 1 500 DM pro Person als Grundförderung und einen Ökobonus vor, den ich gleich noch erläutere, der zwischen 250 DM und im Höchstfall 1 000 DM pro Person ausmachen kann. In der zweiten Förderstufe wollen wir die Grundförderung auf 750 DM pro Person absenken, zuzüglich wieder der Ökobonus, und in der dritten Förderstufe wollen wir nur noch den Ökobonus, um das ökologische Bauen maximal anzureizen.
Dementsprechend sind wir also für eine Kumulation, allerdings in einem Finanzrahmen - da unterscheiden wir uns deutlich von der SPD -, der insgesamt in etwa um das Volumen pendelt, das Sie politisch vorgegeben haben und das wir auch im Bereich der Schwellenhaushalte für ein verantwortbares Volumen halten.
Bei unserem Modell ergibt sich eine deutliche Bevorzugung von Familien, weil, der Drei-, Vier- und Fünf-Personen-Haushalt eine günstigere Förderung hat als der Ein- und Zwei-Personen-Haushalt. Das halten wir auch für nötig und für gerechtfertigt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ein vierter Punkt: Mieter und Genossenschaften sollten dem Wohnungseigentum gleichgestellt werden. Ich selbst komme aus der Berliner Mieterbewegung. Es stört mich seit Jahr und Tag, daß Sie letztlich die Vermögens- und die Eigentumsbildung fördern wollen und nicht, was uns sehr viel wichtiger ist, die Eigeninitiative, die Selbsthilfebereitschaft der Menschen. Warum werden die Mieter, die selbst investieren wollen, bestraft? Warum werden die Genossenschaftsmitglieder, die selbst investieren wollen, Kapital geben wollen, bauen wollen, Muskelhypothek bereitstellen, schlechter gestellt als die, die über ihre Wohnung auch gleichzeitig Vermögensbildung betreiben? Das ist für uns nach wie vor nicht einsehbar.
Daher fordern wir - weiter gehend als die SPD - nicht nur die Gleichstellung von Genossenschaftskapital und Genossenschaftsbeiträgen, sondern auch die Gleichstellung von Mieterinvestitionen, soweit sie über 10 000 DM ausmachen. Es ist klar, daß es nicht darum geht, jeden 500-Mark-Schein per Antrag zurückzufordern.
Wir sind der Meinung, daß dieses Instrument insbesondere für Ostdeutschland wichtig ist. Sie haben uns - und ich sage deutlich: Sie - über das Vermögensgesetz einen Leerstand in Ostdeutschland ein-

Franziska Eichstädt-Bohlig
gebrockt, der wirklich skandalös ist. Geben Sie uns doch bitte ein paar Instrumente, um diesen Leerstand vernünftig abzubauen. Sie können doch nicht sämtliche Wohnungen im Osten in Eigentumswohnungen umwandeln, nur damit irgendwann Ihre Instrumente greifen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Daher bitten wir Sie dringend, auch einmal darüber nachzudenken. Der Begriff Schwellenhaushalte darf eben nicht nur für Eigentümerhaushalte gelten, sondern über diese Instrumente sollten wir auch die echten Schwellenhaushalte erreichen.
Ein fünfter Punkt. Wir sind der Meinung, daß Neubau- und Bestandswohnungen gleichgestellt werden müssen. Ihr Konzept - ich habe es vorhin schon gesagt - ist unserer Meinung nach eine Aufforderung zur Zersiedlung und zum Flächenfraß. Wir alle können rechnen, wir alle kennen die Bodenpreise. Dieses Modell greift am besten, wenn ich irgendwo j. w. d., weit ab vom Ballungsraum das Häuschen baue, auf billigem Bauland und auf dem frisch erschlossenen Ackerland.
Das ist ökologisch nicht zu verantworten. Wir wollen hier schließlich nicht das Dauerfinanzierungsprogramm für Herrn Wissmann organisieren.

(Heiterkeit und Beifall beim BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Daher wollen wir - das gilt insbesondere für den Osten -, daß hier ganz deutlich auch Stadterneuerung aktiviert wird; denn es ist eines der wenigen wohnungspolitischen Instrumente, die wir auf finanziellem Gebiet noch haben, so daß wir es uns nicht leisten können, die Entwicklung solcher Siedlungen voranzutreiben.
Wir machen eine Einschränkung. Wir wollen nicht, daß damit die Eigentumsumwandlung forciert wird. Daher beinhaltet unser Vorschlag eine Bedingung: Gebrauchtwohnungen werden nur dann gefördert, wenn der Eigentümer mit dem bisherigen Mieter identisch ist. Das soll ab 1995 gelten. Für rückwirkende Eigentumsumwandlungen können wir natürlich keine Regelungen mehr treffen.
Jetzt komme ich zum Wichtigsten, dem Ökobonus. Daran haben wir, weil wir nun einmal GRÜNE sind, sehr intensiv gearbeitet. Ich muß schon fragen: Herr Töpfer, was haben Sie uns eigentlich in Rio versprochen? Ich frage das, auch wenn Sie mir jetzt den Rükken zudrehen. Ich kann mir schon vorstellen, daß Sie das Thema langweilt. Sie haben uns die CO2-Minderung versprochen. Wann kommen in diesem Haus endlich einmal Instrumente, die auch die Chance haben, realisiert zu werden?

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Warten Sie darauf, daß Frau Merkel, die praktisch überhaupt keinen Etat hat, die Probleme löst? Warum nutzen Sie diese von Ihnen gegebenen 17 Milliarden DM nicht, um wirklich ökologische Ziele durchzusetzen?
Unsere Forderung - ich habe vorhin gesagt, es sollte ein Öko-Bonussystem in fünf Stufen geben, pro Stufe 250 DM - zielt sowohl auf städtebauliche Instrumente als auch auf bautechnische Instrumente. Ich will sie kurz benennen.
Das erste Ziel heißt: Bauen in Großstädten über 150 000 Einwohner, um die Konzentration auf die besiedelten Bereiche zu aktivieren.
Das zweite Ziel heißt, flächensparendes Bauen besonders zu fördern.
Das dritte Ziel heißt, den Niedrigenergiestandard besonders zu fördern.
Das vierte Ziel heißt, den Einsatz umweltverträglicher Baustoffe und wassersparender Maßnahmen besonders zu fördern.
Das fünfte Ziel heißt, das Bauen im Sanierungsgebiet besonders zu unterstützen, weil dort kleinteilig und meistens sehr kompliziert gebaut und erneuert werden muß.
Von daher sind wir der Meinung: Mit diesen 17 Milliarden DM kann, wenn man es intelligent macht, eine Menge für die Umwelt getan werden. Wir fordern Sie dringend auf, in diesem Bereich noch einmal nachzubessern und sich nicht einfach auf die bequeme Tour zu begeben: Eigentumsförderung ist Eigentumsförderung, und Ökologie soll sehen, wo ihre Probleme gelöst werden können.
Ich komme zum Schluß. Ich bin der Meinung, unser Modell zeigt eines ganz deutlich - Sie haben bisher zuwenig Mut, daranzugehen -: Man kann mit einem Modell mehrere Ziele miteinander verknüpfen und zur Lösung bringen. Fiskalisches Ziel: öffentliche Gelder sparen. Soziales Ziel: die Mittel wirklich auf die Schwellenhaushalte konzentrieren. Ökologisches Ziel: über ein Öko-Bonussystem die Menschen herausfordern, beim Bauen nachzudenken, wie dieses ökologisch organisiert werden kann.
Ich bitte Sie von den Regierungsfraktionen, insbesondere auch die SPD mit ihrem Einfluß auf die Länderpositionen und den Bundesrat, dringend: Geben Sie sich noch einmal einen Ruck, nicht den einfachen Weg zu gehen. Unterstützen Sie unser Konzept oder zumindest die wichtigsten Elemente davon im ökologischen Bereich und im Genossenschaftsbereich.
Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Hans Klein (CSU):
Rede ID: ID1305532100
Das Wort hat der Kollege Hildebrecht Braun.

Hildebrecht Braun (FDP):
Rede ID: ID1305532200
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Allzu viele Bürger glauben: Die Parteien wollen doch eigentlich alle dasselbe; es gibt keinen großen Unterschied mehr zwischen ihren Konzepten. Ich wünschte, viel mehr würden unserer heutigen Debatte lauschen: Sie müßten große Differenzen feststellen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Hildebrecht Braun (Augsburg)

Ein zentrales Ziel liberaler Wohnungspolitik ist und bleibt: die eigenen vier Wände für alle. Ich weiß, das klingt wie Utopie. Ich weiß aber auch, daß andere Länder diesem Ziel viel näher sind als Deutschland. Ich frage mich, warum dies eigentlich so sein muß; denn der Wunsch nach den eigenen vier Wänden ist in Deutschland nicht weniger verbreitet als in Irland, in Spanien oder in Finnland. Die Deutschen sind auch nicht weniger wohlhabend als die Finnen, die Spanier und die Iren. Aber an irgend etwas muß es doch wohl liegen. Wir haben uns schon in den letzten Monaten kräftig darum bemüht, ein Konzept zu erarbeiten, das diesen Rückstand in der Eigentumsquote Deutschlands gegenüber den Nachbarländern aufzuholen geeignet ist.
Natürlich legen die Zwänge des Haushalts unseren wohnungspolitischen Anliegen deutliche Fesseln an. Wir müssen Aufkommensneutralität sicherstellen. Das bedeutet: gestalten statt einfach zusätzlich Geld ausgeben. Wir haben schon auf den Regierungsentwurf, der bei der Debatte im Parlament sicherlich nicht unverändert bleiben wird, wesentlich Einfluß genommen. Einige Eckdaten verdienen es, hervorgehoben zu werden.
Erstens. Familien mit Kindern brauchen den Schutz der eigenen vier Wände ganz besonders stark. Deshalb haben wir einen großen Schluck aus der Pulle genommen und das Baukindergeld um 50 % angehoben. Das ist ein gesellschaftspolitisch nicht hoch genug einzustufendes Zeichen. Familienförderung ist auch ein Stück Sozialpolitik.

(Beifall bei Abgeordneten der F.D.P.)

Wer die Familien stärkt, verhindert soziale Probleme in der Zukunft mit hohen Nachfolgekosten.
Zweitens. Wir ermutigen speziell junge Menschen, auf das Ziel der eigenen vier Wände hinzuarbeiten. Wir haben daher das Vorsparen wieder attraktiv gemacht. Die Bausparförderung war in den letzten Jahren nahezu auf Null zurückgefahren worden, weil die Einkommensgrenzen über Jahrzehnte nicht angehoben wurden. Diese Entwicklung wird nun korrigiert. Die Anhebung der Grenzen für die Erlangung der Bausparprämie von 28 000 auf 50 000 DM bei Nichtverheirateten und von 56 000 gar auf 100 000 DM bei Verheirateten ist beträchtlich. Sie führt dazu, daß die Mehrheit der Bevölkerung wieder mit staatlichen Anreizen zum Bausparen rechnen kann. Bausparen ist ein hervorragender Weg, über den nach Jahren möglichen Erwerb einer Immobilie zugleich der Altersvorsorge zu dienen. Die staatliche Förderung des Bausparens ist auch als Förderung der Altersvorsorge sehr gut angelegtes Geld.
Da muß ich der Frau Kollegin Eichstädt-Bohlig etwas ins Stammbuch schreiben: Wenn sie immer wieder gegen die Wohneigentumsförderung polemisiert, dann möge sie doch zur Kenntnis nehmen, daß es kein Instrument gibt, mit dem wir mit weniger Geld mehr Wohnungsbau zustandebringen als mit der Wohneigentumsförderung.

(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

Je mehr Wohnungen wir haben, desto stärker ist die Position der Mieter. Das sollte man doch einmal sehen, und das müßten eigentlich auch die Grünen verstehen.
Drittens. Die Wohneigentumsquote ist in den neuen Bundesländern besonders niedrig. Wir wollen ein Volk von Wohnungseigentümern. Aus diesem Grund müssen unsere Bemühungen gerade auf die neuen Bundesländer gerichtet sein, wo aus gesellschaftspolitischen Erwägungen heraus ein extra Nachholbedarf an Wohneigentum vorliegt. Die speziellen Bedingungen der neuen Bundesländer legen ein Bürgschaftsprogramm nahe, das nicht nur für den Staat sehr preiswert ist; es ist dort auch deshalb besonders hilfreich, weil die Bevölkerung in den neuen Bundesländern nur fünf Jahre Zeit hatte, Eigenkapital anzusparen, und demgemäß die Banken Probleme bei der Vollfinanzierung des Wohnungserwerbs haben. Was nützt uns eine pauschale Investitionszulage, wenn der Bewerber keine Kredite bekommt? Daher das Bürgschaftsprogramm. Auf dessen Ausgestaltung und Durchsetzung werden wir dringen, denn wir wollen, daß hier nicht mehr Bürokratie entsteht, weder für den Staat noch für die Baubewerber. Das muß über die Banken laufen. Wenn die einmal die Darlehensgewährung auf Sicherheiten usw. durchgeprüft haben, dann müßte dies ausreichen.
Viertens. Die Koalition hat sich für die Einführung einer progressionsunabhängigen Investitionszulage als zentraler Teil der Wohneigentumsförderung entschieden. Sie löst damit ein Modell ab, das nicht mehr befriedigen konnte. Ich will klarstellen, daß ich die Progressionsabhängigkeit von Steuererleichterungen nicht in Zweifel ziehen will, da sie leistungsfördernd ist und unsere Gesellschaft davon lebt, daß Menschen zur Leistung bereit sind. Der bisherige § 10e des Einkommensteuergesetzes sorgte jedoch für nicht nachvollziehbare Ergebnisse. So verweigerte er beispielsweise dem Unverheirateten mit dem keineswegs völlig unüblichen Monatsgehalt von 9 300 DM bereits jegliche Förderung. Auf die Hand erhält aber ein Arbeitnehmer mit diesem Einkommen nur 4 700 DM, wobei ein Arbeitgeberbeitrag zur Krankenversicherung bereits eingerechnet ist. Mit DM 4 700 netto ist es aber nicht leicht, ohne jegliche Förderung Wohneigentum anzustreben.
Zentraler Kritikpunkt war aber, daß der § 10 e schwer verständlich und kaum handhabbar war. Wer im Vertrauen auf Steuererleichterungen nach dieser Bestimmung Wohneigentum erwarb, mußte sich schon sehr sicher sein, daß er mindestens acht Jahre lang seinen Job nicht verlieren würde. Diese Sicherheit haben heute viele Menschen nicht mehr.
Auch und gerade aus diesem Grunde ist es richtig, daß wir uns für die Investitionszulage entschieden haben, die auf acht Jahre hinaus klar kalkulierbar ist und deswegen viele Menschen ermutigen wird, den Schritt zum Wohneigentum zu wagen.

(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) Das ist für viele Leute ein gewaltiger Schritt.


Hildebrecht Braun (Augsburg)

Und die Sache ist einfach zu handhaben. Man muß nicht mehr zum Steuerberater mit unendlich vielen Unterlagen gehen, um dann eine Prognose für die Entwicklung des Einkommens und der Steuererleichterungen für die Zukunft zu bekommen, sondern jeder weiß vom ersten Tag an, was er in den nächsten Jahren bekommt und womit er rechnen kann.
Die Investitionszulage ist nicht die ideale Lösung, aber ich gehe davon aus, daß sie uns insgesamt dem Ziel, mehr Menschen Wohneigentum zu ermöglichen, näherbringen wird. Sie fördert insbesondere die sogenannten Schwellenhaushalte, also die Haushalte, die vom Einkommen her nicht so ohne weiteres in der Lage sind, tatsächlich Wohneigentum zu erwerben. Das war gewünscht und wird von uns voll und gern mitgetragen.
Der Vorkostenabzug ist um 20 % gekürzt worden. Das ist betrüblich, aber es war nötig.
Wir wollen uns im Zuge der Beratungen noch mit zwei Fragen beschäftigen, die noch nicht abschließend geklärt sind. Es stellt sich zunächst die Frage einer Sonderförderung für bestimmte Städte; denn die Zahlen für Wohneigentum in den Städten schwanken beträchtlich. Berlin hat 10 % Wohneigentum, Frankfurt 12,3 %, Mannheim 18,5 %, Freiburg 18,9 %, aber Bremen 31,8 %, Reutlingen gar 43,1 % und Augsburg - das ist nicht so, weil ich dort Abgeordneter bin - 47,4 %.
Dieses Bild signalisiert Handlungsbedarf; denn eines ist klar: die einheitliche Förderung, wie sie nach dem Gesetzentwurf beschlossen werden soll, führt zu deutlich mehr Wohneigentum auf dem Land als in den Städten. Ob das sinnvoll ist, mag füglich bezweifelt werden. Denn viele Innenstadtviertel, die zu kippen drohen, würden revitalisiert, wenn es gelänge, gerade dort, in den sozial schwachen Bereichen der Städte, wieder mehr Wohneigentum zu schaffen und dafür zu sorgen, daß Familien, die an den Stadtrand oder sogar in die umliegenden Landkreise gezogen sind, wieder zurückziehen würden, weil sie dort preiswert Wohneigentum bekommen können.
Wir sollten im Zuge dieser Erwägung auch darüber nachdenken, ob nicht doch die Förderung des Erwerbs von Gebrauchtimmobilien gegenüber dem Modell, das jetzt im Gesetzentwurf steht, verbessert werden kann, auf jeden Fall nachdenken. Es spricht viel dafür, daß wir dann, wenn wir die Gebrauchtimmobile verbilligen, mehr Leute dazu bringen können, Wohneigentum zu erwerben. Das wäre natürlich sehr im Sinne unserer Ziele.
Ich möchte einen letzten Gedanken anführen, was mir der Präsident verzeihen mag. Der Wunsch nach der Förderung von Genossenschaftsanteilen ist uralt und wird keineswegs auf Dauer für unmöglich erachtet. Aber solange das Genossenschaftsgesetz nicht reformiert ist und die Rechte der Genossen in der Genossenschaft nicht stärker ausgestaltet sind, die Genossenschaftsanteile nicht handelbar sind,

(Zuruf von der SPD: Haben Sie schon mal in das Gesetz geguckt?)

nicht mit Hypotheken belastet werden können und solange sie in der jetzigen Konstruktion die Mobilität der Genossen innerhalb unseres Landes behindern statt fördern, kann eine Gleichsetzung der Genossenschaftsbeteiligung mit dem Volleigentum nicht in Frage kommen.
Ich bedanke mich sehr für Ihre Geduld.

(Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Hans Klein (CSU):
Rede ID: ID1305532300
Herr Kollege Braun, die Gedanken sind frei, aber die Redezeit ist begrenzt.
Das Wort hat der Kollege Klaus-Jürgen Warnick.

Klaus-Jürgen Warnick (PDS):
Rede ID: ID1305532400
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zuerst: Wir erleben hier - zumindest aus unserer Sicht - den seltenen Fall, daß eine Gesetzesänderung von der Regierung vorgeschlagen wird, die ausnahmsweise keine Verschlechterung des bestehenden Zustandes zur Folge hat. Das ist ja schon was.
Das müßte eigentlich ein Grund zur Freude sein. Wann erleben wir so etwas schon einmal? Doch die Freude wird getrübt; denn die geplanten Verbesserungen sind bei weitem nicht ausreichend. Außerdem erdreistet sich die Regierungskoalition so zu tun - jetzt kommt die SPD dran -, als ob die Vorschläge zur Verbesserung der Wohneigentumsförderung ihrer eigenen Feder entsprungen wären.
In Wirklichkeit ist der Gesetzesantrag nur die längst überfällige Reaktion auf real bestehende Sachzwänge und eine - wenigstens teilweise - Aufgabe des Widerstands gegen schon lange vorgetragene Lösungsansätze von SPD, den Grünen und - seit es sie gibt - natürlich auch der PDS.
Aber man oder frau ist froh, wenn Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, lernfähig sind.
Im grundsätzlichen Herangehen an die Wohneigentumsförderung unterscheiden wir uns allerdings. Ihnen geht es urn die Förderung von selbstgenutztem Eigentum, sprich: um Eigentumsbildung. Unser Grundgedanke ist ein anderer: Wir wollen damit nicht die Ideologie der „Privatisierung über alles" bedienen, so wie bei Bahn und Post, wo sie sich ja zum Nachteil der Bürger nicht bewährt hat, sondern uns geht es darum, a) die bestehende Wohnungsnot zu beheben, und b) möchten wir, daß die Fördergelder denjenigen zugute kommen, die sie auch wirklich benötigen, um neuen Wohnraum zu schaffen bzw. zerfallenden wiederherzustellen.

(Zuruf von der SPD: Gesellschaftliches Wohneigentum!)

Das ist ein grundsätzlicher Unterschied. Denn für uns ist Eigentumsförderung nur ein Mittel von vielen, nicht aber das Ziel der Wohnungspolitik.
Der Antrag der PDS konzentriert sich deshalb auf wohnungs- und nicht auf vermögenspolitische Effekte und unterscheidet sich dem Regierungsentwurf gegenüber durch folgende Forderungen:

Klaus-Jürgen Warnick
Erstens. Wir möchten, daß Ehepartner, Lebensgefährten und sonstige dauerhaft zusammenlebende Personen ebenfalls die Möglichkeit einer Kumulierung ihres Förderanspruches bekommen.
Zweitens. Das Baukindergeld wird nach unserem Modell von 1 500 auf 2 000 DM je Kind erhöht. Das ist auch die von der Expertenkommission Wohnungspolitik vorgeschlagene minimale Höhe, um Familien mit Kindern eine wirksame Unterstützung zu gewähren. 1 500 DM sind hier zuwenig.
Drittens. Die jährlich maximal mögliche Bauzulage wird von 5 000 auf 4 000 DM reduziert. Dafür erhöht sich dieser Betrag bei Kumulierung um 50 %.
Viertens. Der Vorkostenabzug nach § 10e des Einkommensteuergesetzes wird durch eine Verdopplung der Bauzulage im ersten Förderjahr ersetzt, was die ganze Wohneigentumsförderung wesentlich vereinfacht.
Fünftens. Statt eines „Fallbeileffektes" bei 120 000 DM bzw. bei Zusammenveranlagung 240 000 DM steuerpflichtigem Jahreseinkommen setzt ab 66 000 DM bzw. 105 000 DM eine Degression um jeweils 10 % ein.
Sechstens. Die Schaffung von genossenschaftlichem Wohneigentum soll von uns gleichermaßen gefördert werden wie die Anschaffung oder Herstellung eines selbstgenutzten Eigenheims, einer Eigentumswohnung oder die Wiederherstellung, der Ausbau und die Erweiterung einer bestehenden Wohnung.
Siebtens. Wir sind grundsätzlich dafür, daß der Erwerb von Wohnungen aus dem Bestand nicht gefördert wird. Das unterscheidet uns von allen anderen Fraktionen. Der Handel mit Altbauten schafft nämlich keine einzige zusätzliche Wohnung und behebt nicht die Wohnungsnot in Deutschland. Im Gegenteil: Er reduziert durch Umwandlung und Zusammenlegung von kleinen Wohnungen den Bestand an preiswerten Wohnungen. Einzige Ausnahme: nachträgliche Haus- und Grundstückskäufe in Ostdeutschland nach dem Sachenrechtsbereinigungsgesetz. Diese speziell Betroffenen wurden im Regierungsentwurf anscheinend „vergessen", obwohl gerade sie unter der unseligen Entscheidung der Rückgabe statt Entschädigung leiden und dringender Hilfe zum Erhalt ihres Wohneigentums vor allem in Gebieten mit hohen Bodenwerten bedürfen.
Achtens. Um Manipulationen mit der Antragsberechtigung zur Bauzulage einzuschränken, sollen die letzten drei Jahre - und nicht nur ein Jahr - des durchschnittlichen versteuerbaren Einkommens zugrunde gelegt werden. Damit ist die Konzentration von Verlusten und hohen Steuerabschreibungen auf nur ein Jahr ausgeschlossen.
Neuntens. Bund und Länder sollen zusätzlich den Bau von behinderten- und altengerechten Wohnungen, eine ökologische Bauweise sowie die Gründung von Wohnungsbaugenossenschaften fördern. In Anspruch genommene Fördergelder aus anderen Förderprogrammen sollen den Anspruch auf Bauzulage und Baukindergeld nicht reduzieren. Durch Verordnungen soll Zersiedlungstendenzen entgegengewirkt werden, und Neubauten sollen eine Grundversorgung mit öffentlichen Verkehrsmitteln erhalten. Wohn- und Siedlungsprojekte, die ein Leben ohne Auto ermöglichen, sind ebenfalls zu fördern.
Der Antrag der demokratischen Sozialisten stellt immer die wohnungspolitischen Effekte in den Mittelpunkt, gibt die Mittel denjenigen, die aus eigener Kraft Wohneigentum nicht schaffen können, ist familienfreundlich, sozial gerecht und ökologisch sinnvoll. Er ist weiterhin überschaubar, berechenbar und erfordert geringen Verwaltungsaufwand.
Unser Antrag zur Wohneigentumsförderung soll aber nicht verhehlen, daß das Wohnen zur Miete bei uns nach wie vor eine hohe Priorität genießt. Wir wollen nicht wie Herr Braun alle Bürger mit einer eigenen Wohnung beglücken. Ich glaube, Herr Braun ist der Meinung, daß einige Bürger nicht wissen, was wirkliches Glück bedeutet. Deswegen muß der Staat anscheinend für sie mitdenken und ihnen diese Wohltat schmackhaft machen. Aber ich denke, die Bürger sind selber in der Lage zu entscheiden, was sie möchten.
Auf dem Land, in städtischen Vororten sowie für Familien mit Kindern und einer gesicherten Arbeit am Ort ist Wohnen im eigenen Haus in jedem Fall eine akzeptable Wohnform. Das darf aber nicht dazu führen, daß das Wohnen zur Miete als etwas Minderwertiges abqualifiziert wird, wie es oftmals erscheint. Für viele Menschen ist es ganz normal, zur Miete zu wohnen, vor allem, wenn Mobilität im Berufsleben gefordert ist, und das wird sie zunehmend. Wohnen zur Miete ist auch besser geeignet, die Wohnungsgröße der sich verändernden Familiengröße anzupassen.
Wir sind für die Stärkung gemeinnütziger Wohnungsunternehmen, von Genossenschaften und kommunalen Wohnungsbaugesellschaften, für ein System kontrollierter ortsüblicher Mieten, für ein neues Wohngeldgesetz und die Gewährleistung eines ausreichenden Bestandes an Sozialwohnungen mit entsprechenden Belegungsrechten. Das erfordert eine neue Haushaltspolitik und eine Umverteilung vorhandener Mittel. Die dafür erforderlichen Mittel können u. a. durch die Beseitigung ungerechtfertigter Eigentumsförderung mobilisiert werden.
Bei Realisierung unseres Vorschlags werden einerseits die wohnungspolitischen Effekte der Wohneigentumsförderung erhöht, andererseits sinken insgesamt die Aufwendungen von Bund, Ländern und Gemeinden um ca. 20 bis 30 %. Damit können weitere bezahlbare Mietwohnungen mit dauerhaften Belegungsbindungen und Mietpreisbegrenzungen gebaut werden.
Sehr geehrter Herr Bundesbauminister, warum so kleinmütig? Ich denke, ein bißchen mehr dürfte es schon sein. Ich hoffe, daß man mit diesen Kindereien im Bundestag eines Tages aufhört und vernünftige Vorschläge der PDS eventuell aufnimmt.

(Beifall bei der PDS Dr.-Ing. Dietmar Kansy [CDU/CSU]: Trümmer schaffen ohne Waffen!)



Hans Klein (CSU):
Rede ID: ID1305532500
Ich erteile das Wort dem Kollegen Dr. Michael Meister.

Dr. Michael Meister (CDU):
Rede ID: ID1305532600
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir zunächst ein Wort zum Kollegen Warnick. Der Ausschuß war letzte Woche zwei Tage in den östlichen Stadtteilen Berlins und in Cottbus. Wir konnten dort sehen, was die Wohnungspolitik und die wohnungspolitischen Komponenten, Herr Warnick, Ihrer Vorgängerpartei dort bewirkt hat. Wir haben zerfallene Plattenbauten, sanierungsbedürfte Plattenbauten, heruntergekommene Wohnviertel gesehen, die jetzt für viele Milliarden saniert werden müssen. Das ist das Ergebnis Ihrer Wohnungspolitik. Vor diesem Hintergrund wirken Ihre Belehrungen hervorragend!

(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der SPD)

Liebe Kollegen, die Schaffung von Wohneigentum für möglichst viele Menschen in der Bundesrepublik, insbesondere für Familien, ist für die Union schon immer ein zentraler Baustein ihrer wohnungspolitischen Zielsetzungen gewesen. Die Bildung von Wohneigentum ist für viele Bürgerinnen und Bürger ein wichtiges Standbein der Vermögensbildung, aber auch der privaten Altersvorsorge. Von der starken Wohnungsbautätigkeit seit 1988, die ihren vorläufigen Höhepunkt im letzten Jahr, 1994, mit nahezu 600 000 Genehmigungen fand, hat hauptsächlich der Mietwohnungsbau profitiert. Frau Eichstädt-Bohlig, wenn Sie von einer Schieflage sprechen, so ist es keine Schieflage zugunsten des Wohneigentums, sondern eine Schieflage zugunsten des Mietwohnungsbaus. Selbstverständlich muß man auch dort Kapital mobilisieren. Aber wenn Sie die Auffassung vertreten, daß wir das alles mit öffentlichen Mitteln tun können, dann sind Sie auf dem falschen Pfad.

(Franziska Eichstädt-Bohlig [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Sehen Sie sich die Zahlen doch an!)

Wir müssen darangehen, die Wohneigentumsquote, die in Deutschland - Kollege Braun hat es erwähnt - im europäischen Vergleich sehr niedrig liegt, anzuheben, und auch versuchen, Privatkapital für den Bausektor zu mobilisieren. Wir müssen auch versuchen, das Lebensalter derjenigen, die bauen wollen, zu senken und die Leute früher zu Wohneigentum zu bringen.
Diese Zielsetzungen hat die Koalition in der Koalitionsvereinbarung vor neun Monaten niedergelegt. Wenn vom Kollegen Reschke kritisiert worden ist, daß wir zum einen diese Vorgabe nicht schnell genug umsetzen und andererseits einen Entwurf haben, der mit heißer Nadel gestrickt worden ist, dann, glaube ich, Herr Reschke, haben Sie sich damit selbst widersprochen.

(Zuruf von der SPD: Immerhin haben Sie zehn Jahre dafür gebraucht!)

Der Entwurf der Bundesregierung, meine Damen und Herren, hat vier zentrale Punkte. Zum ersten wird versucht, die soziale Treffsicherheit und Zielgenauigkeit zu verbessern. Das heißt, wir versuchen die Überführung der alten, progressionsabhängigen Regelung in ein System von Bauzulagen, um insbesondere Haushalte mit mittleren und niedrigen Einkommen besser zu fördern. Hierzu gehören insbesondere Familien in der Familiengründungsphase, aber auch - das wurde von den Vorrednern schon angesprochen - Schwellenhaushalte.
Der Entwurf der Bundesregierung verstärkt die familienpolitische Komponente. Neben der Begünstigung der Schwellenhaushalte wird durch die Erhöhung des Baukindergeldes um 50 % von bisher 1 000 DM pro Kind und Jahr auf 1 500 DM das Volumen des Baukindergeldes um nahezu 2 Milliarden DM erhöht. Ich glaube, das ist ein wesentliches familienpolitisches Signal. Wir von der Unionsfraktion sind dafür dankbar, daß es im Bereich des Wohnungsbaus gesetzt wird.
Der Entwurf der Bundesregierung ist zudem aufkommensneutral. Wir als Wohnungsbaupolitiker verstehen darunter auch die Beibehaltung des Volumens. Frau Kollegin Eichstädt-Bohlig, man muß es klar und deutlich aussprechen: Wenn Sie sich für eine Senkung des Volumens einsetzen, wie Sie es eben hier getan haben, dann wirkt das gegen die Eigentumsförderung. Dann ist, was Sie angesprochen haben, keine Familienförderung. Das sind Widersprüche: Wenn man das Volumen absenkt, dann kann man nicht die gesetzten Ziele verfolgen, wie es die Koalition will.

(Franziska Eichstädt-Bohlig [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Wie wir das wollen!)

Meine Damen und Herren, wir wollen - allerdings mit den gegebenen Haushaltsmitteln und dem vorgegebenen Volumen - eine zielgenauere Förderung erreichen. Ich glaube, daß wir in diesem Bereich richtig liegen.
Der Entwurf der Bundesregierung führt auch zu einer deutlichen Verwaltungsvereinfachung: Die Höhe der Bauzulage orientiert sich allein an der getätigten Investition und vermeidet komplizierte Berechnungen. Wenn hier jetzt vorgeschlagen wird, während acht Jahren mehrfach Prüfungen durchzuführen oder etwa ökologische Komponenten aufzunehmen, dann muß man dazu eines sagen: Wer zusätzliche Prüfkriterien, zusätzliche Zielsetzungen oder Verfeinerungen von Zielsetzungen einführt, der verkompliziert natürlich und erhöht den Verwaltungsaufwand. Auch geht dabei die Transparenz verloren.

(Franziska Eichstädt-Bohlig [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Der CO2-Ausstoß geht nach unten!)

Ich glaube, die Transparenz gerade für Bauherren ist ein wichtiges Element in dem Bereich, den wir hier neu regeln wollen.
Wenn Sie, Frau Eichstädt-Bohlig, die ökologische Komponente ansprechen, dann muß man Sie daran erinnern, daß wir seit dem 1. Januar dieses Jahres

Dr. Michael Meister
eine neue Wärmeschutzverordnung haben und daß wir die Absicht haben, sie im Laufe dieser Legislaturperiode erneut zu novellieren, und zwar hin zu mehr Wärmeschutz. Des weiteren haben wir ein Milliardenprogramm für die Sanierung des Altbaubestandes ab dem 1. Januar 1996 aufgelegt. Das sind ökologische Komponenten. Das können Sie nicht einfach wegdiskutieren.

(Achim Großmann [SPD]: Das kann man alles besser machen!)

Aus Sicht der Koalitionsfraktionen ist darüber hinaus positiv hervorzuheben, daß das Bausparen durch die Anhebung der Einkommensgrenzen auf 50 000 DM für Ledige und 100 000 DM für Verheiratete eine deutliche Verbesserung erfährt. Auch dies entspricht unserer gesellschaftspolitischen Zielsetzung. Das Bausparen erleichtert die Schaffung von Wohneigentum durch die hierfür erforderliche Eigenkapitalbildung.
Nach unserer Auffassung ist es nach 20 Jahren mit unveränderten Einkommensgrenzen notwendig, diese Grenzen nach oben zu korrigieren. In diesem Zeitraum ist das Einkommensniveau um etwa 148 % angewachsen. Ich glaube, da ist es angemessen, daß man diese Grenzen erhöht. Deshalb plädieren wir nachdrücklich dafür, daß die Anhebung der Einkommensgrenzen, wie im Regierungsentwurf vorgesehen, vorgenommen und nicht, wie die SPD gestern im Ausschuß vorgeschlagen hat, zurückgenommen wird.
Die von der Bundesregierung vorgesehene Neuregelung der Förderung des Wohneigentums ist ein wesentlicher Schritt zur Umsetzung dieser vier genannten Ziele. Ich darf sie noch einmal nennen: die Aufkommensneutralität, das familienpolitische Signal, die Verwaltungsvereinfachung und die zielgenauere Förderung.
Um diese vier Ziele zu erreichen, muß das Ganze flankiert werden. Sie, Herr Reschke, haben selbstverständlich recht, wenn Sie davon sprechen, daß wir, wenn wir eine Förderung gewähren, auch die Bodenpreise und die Baukosten betrachten müssen. Herr Bundesminister Töpfer hat uns zum Thema Baupreise dieser Tage ein Expertengutachten zugeleitet, das wir auf parlamentarischer Ebene diskutieren werden, um uns in die richtige Richtung kostensparenden Bauens zu bewegen. In bezug auf die Bodenpreise haben wir den Kommunen schon in der letzten Legislaturperiode Instrumente, um genau in diesem Sinne etwas zu tun, an die Hand gegeben. Auch von seiten der Koalition werden Signale gesetzt. Ich denke hier etwas an Bundesliegenschaften.
Meine Damen und Herren, die differenzierte Situation der Wohnungsmärkte der alten und der neuen Bundesländer macht zusätzliche Anstrengungen für die Bürgerinnen und Bürger in den neuen Bundesländern erforderlich.

(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

Sie profitieren zum einen durch die neugeregelte
Förderung von dem niedrigen Einkommensniveau;
denn wir gestalten sie progressionsunabhängig. Dennoch sind wir Wohnungsbaupolitiker der Meinung, daß eine weitere Verbesserung durch ein Burgschaftsmodell kommen sollte, damit eine Absicherung der dünnen Eigenkapitaldecke der Bauherren erfolgen kann. Wir denken daran, von seiten des Staates eine Bürgschaft von etwa 20 % der Gesamtkosten unter der Prämisse zu geben, daß die Gesamtfinanzierung gesichert ist. Dies wollen wir im Haushaltsgesetz regeln.

(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

Ich möchte hier aber klar und deutlich sagen, daß wir nicht die Absicht haben, bei der Neuregelung des § 10e ein getrenntes Recht zwischen alten und neuen Bundesländern zu schaffen. Wir wollen in diesem Fall keine Lex Ost, sondern eine einheitliche Rechtsregelung.

(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich glaube, die Qualität des Regierungsentwurfs wird auch durch die ersten Diskussionen in den Fachausschüssen des Bundesrates und des Bundestages unterstrichen. Kritik gab es nicht an den Grundprinzipien, sondern lediglich in Detailfragen. Das wurde auch bisher in der Debatte deutlich.
Ich darf ausdrücklich die Oppositionsfraktionen einladen, in der nun beginnenden parlamentarischen Auseinandersetzung in diesem Sinne ins Gespräch mit uns einzutreten, um insbesondere für die Bauherren in der Bundesrepublik Deutschland zu einer guten Lösung zu kommen. Wir möchten deutlich machen, daß wir als Fraktion am Termin des Inkrafttretens 1. Januar 1996 festhalten wollen und alles dafür tun werden, daß dieser Termin eingehalten wird, damit Sicherheit für die Bauherren und die Bauindustrie geschaffen wird.

(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

Ich möchte hier noch drei Anregungen geben. Zum einen bitten wir als Fraktion die Regierung, zu prüfen, ob bei der Berechnung der Förderhöchstgrenzen zur Vermeidung der Überförderung das Baukindergeld unberücksichtigt bleiben kann.

(Dr.-Ing. Dietmar Kansy [CDU/CSU]: Sehr gut!)

Damit wollen wir sicherstellen, daß keine Kappung des Baukindergelds erfolgt.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU Dr.-Ing. Dietmar Kansy [CDU/CSU]: Das ist sehr wichtig!)

Zum zweiten wird das Baukindergeld im Regierungsentwurf für Kinder ab dem Geburtsjahr für den Rest des Förderzeitraums gewährt. Auch hier möchten wir prüfen lassen, ob es nicht möglich ist, dies für den gesamten Zeitraum der Förderung zu tun. Wir bitten auch hier die Regierung, eine entsprechende Prüfung anzustellen.

(Beifall bei der CDU/CSU Dr.-Ing. Dietmar Kansy [CDU/CSU]: Ebenfalls sehr gut!)


Dr. Michael Meister
Meine Damen und Herren, die Gremien des Bundesrates haben bereits eine Angleichung der Wohnungsbauprämie und der Arbeitnehmersparzulage angeregt und eine entsprechende Prüfung empfohlen. Wir denken, daß wir das entweder hier oder im Rahmen des neuen Vermögensbildungsgesetzes regeln können, und werden uns dafür einsetzen.
Wenn gefordert wird, die Kumulation für Ehepartner einzuführen oder Verbesserungen im Gebäudebestand vorzunehmen, muß darauf hingewiesen werden, daß dies Mehrkosten verursacht. Wenn ein Kumulationsanteil in Höhe von 50 % angesetzt wird, muß man von etwa 4 Milliarden DM Mehrkosten ausgehen. Dann muß natürlich derjenige, der sich dafür einsetzt, auch sagen, woher das Geld kommen soll.

(Zuruf von der SPD: Das ist Quatsch!)

Ich möchte zum Schluß noch einige Bemerkungen zu dem Thema des Genossenschaftsbegriffs machen. Aus unserer Sicht ist es zunächst notwendig - das hat der Minister vor der Sommerpause hier ausgeführt -, daß der Begriff der Genossenschaft und die Rechtsstellung des Mitglieds einer Genossenschaft zunächst neu definiert und reformiert wird. Wenn die Rechtsstellung eines Genossenschaftsmitglieds verbessert ist, dann können wir auch über eine Förderung nachdenken. Solange dies aber nicht erfolgt ist, ist dies unserer Meinung nach nicht möglich.
Meine Damen und Herren, ich möchte Sie abschließend noch einmal einladen, an der Debatte intensiv teilzunehmen und mit uns gemeinsam nach einer guten Lösung für die Bauherren in der Bundesrepublik zu suchen. Wir stehen zum Gespräch zur Verfügung. Ich hoffe, daß wir auch zu einem guten Ergebnis kommen.
Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)


Hans Klein (CSU):
Rede ID: ID1305532700
Zu einer Kurzintervention erteile ich dem Kollegen Warnick das Wort.

Klaus-Jürgen Warnick (PDS):
Rede ID: ID1305532800
Da ich hier ständig angegriffen und für 40 Jahre Wohnungsbaupolitik in der DDR verantwortlich gemacht werde

(Ulrich Petzold [CDU/CSU]: Doch nicht Sie persönlich!)

- ich bin gerade wieder persönlich verantwortlich gemacht worden -, möchte ich klar und deutlich sagen: Ich habe mit der DDR, so wie sie war, nichts am Hut gehabt. Ich war mit dem, was in der DDR an Wohnungspolitik betrieben wurde, genauso wie die Masse der DDR-Bürger nicht einverstanden. Ich finde es wirklich populistisch und albern, daß ich dafür immer wieder verantwortlich gemacht werde. Wenn wir uns Mühe geben, mitzudenken und konstruktive Vorschläge einzubringen, können wir nicht auf immer und ewig rückwärts schauen.
Ich möchte von denjenigen, die sich so äußern, gern einmal wissen, wann eigentlich der Punkt gekommen ist, an dem einmal gesagt wird, daß dies
vergessen ist. Ist das im Jahre 2005 oder im Jahre 2010? Will im Jahre 2012 noch immer jemand in den Bundestag kommen und Leuten, die überhaupt nichts damit zu tun hatten, vorwerfen, was 40 Jahre lang in der DDR passiert ist? Irgendwann muß dieser Unsinn ein Ende haben.
Danke.

(Beifall bei der PDS Zuruf von der CDU/ CSU: Die geistigen Enkel!)


Hans-Ulrich Klose (SPD):
Rede ID: ID1305532900
Zur Replik Herr Kollege Meister.

Dr. Michael Meister (CDU):
Rede ID: ID1305533000
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Warnick, ich glaube, ich habe Sie mit dem, was ich gesagt habe, nicht persönlich angegriffen. Ich habe vielmehr darauf Bezug genommen, daß wir in der letzten Woche mit dem Ausschuß zwei Städte, nämlich die östlichen Stadtteile Berlins und Cottbus, besucht haben und uns dort ein Bild davon machen konnten, zu welchen Ergebnissen die Wohnungsbaupolitik in der ehemaligen DDR geführt hat. Ich habe geschildert, wie heruntergekommen die Wohnungen dort waren, daß ein riesiger Sanierungsbedarf, insbesondere bei den Plattenbauten, besteht und daß gerade im Bereich Sanierung nichts geschehen ist.
Ihre Partei, Herr Warnick, die PDS, für die Sie soeben wohnungsbaupolitische Leitlinien vorgetragen haben, steht, glaube ich, bewußt in der Tradition der SED. Es würde Ihnen besser anstehen, vielleicht einmal ein paar Worte zu der Situation zu finden, in die die Mieter und Bewohner dieser Wohnungen gekommen sind, warum sie dahin gekommen sind, als sich hier hinzustellen und zu sagen: Das betrifft uns nicht, das ist nicht unsere Verantwortung.
Sie nehmen ständig diejenigen in die Pflicht, die sich bemühen, die Mißstände zu beseitigen, die durch 40 Jahre SED-Herrschaft hervorgerufen worden sind. Wir bemühen uns, diese Schäden zu beseitigen. Sie sollten das endlich einmal anerkennen, auch einmal etwas Vergangenheitsbewältigung bei sich selbst betreiben und dies nicht einfach vom Tisch wischen.
Danke schön.

(Beifall bei der CDU/CSU - Dr. Ruth Fuchs [PDS]: Warum verkaufen Sie dann diese maroden Wohnungen für ich weiß nicht wieviel tausend Mark an diese Leute? - Abg. Hannelore Rönsch [Wiesbaden] [CDU/ CSU] meldet sich zu einer Kurzintervention)


Hans Klein (CSU):
Rede ID: ID1305533100
Frau Kollegin Rönsch, nach unsere Usancen gibt es keine Kurzintervention auf eine Kurzintervention. Die Kurzinterventionen sind an sich ein Instrument, um auf einen Redner zu antworten, der dann noch einmal die Gelegenheit bekommt zu replizieren. Meine Empfehlung wäre,

Vizepräsident Hans Klein
den nächsten Redner abzuwarten und sich da einzuhängen.

(Hannelore Rönsch [Wiesbaden] [CDU/ CSU]: Der Herr Kollege Warnick wollte wissen, wie lange er von denen noch angegriffen wird, die ihn in die Verantwortung nehmen! Deshalb habe ich mich persönlich angesprochen gefühlt! Ich muß sagen Otto Reschke [SPD]: Das wollen wir doch gar nicht wissen! Wieso erzählen Sie uns das? Weiterer Zuruf von der SPD: Wieso reden Sie, ohne das Wort zu haben? Otto Reschke [SPD]: Wieso redet die ohne Worterteilung? Singen wir jetzt gemeinsam, Herr Präsident? Unruhe bei der SPD Zuruf von der SPD: Joschka Fischer macht Probesitzen auf der Regierungsbank!)

- Einen Moment, bitte! Damit wir ein Minimum an Ordnung aufrechterhalten, wende ich mich zunächst einmal an den Kollegen Fischer.

(Achim Großmann [SPD]: Der will doch sowieso Außenminister werden! Zuruf von der SPD: Der macht Probesitzen!)

Mir geht es ja nur darum, daß unsere Besucher nicht irritiert werden, wenn sie den Joschka Fischer auf der Regierungsbank sehen.

(Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Herr Präsident, die Besucher irritiert das schon nicht mehr, eher irritiert es die F.D.P.!)

Das ist Punkt 1. Jetzt der Punkt 2: Frau Kollegin Rönsch, es tut mir leid. Ich muß es wiederholen: Auf eine Kurzintervention gibt es im Regelfall keine Kurzintervention. Wenn ein Kollege „ihr" sagt und in eine bestimmte Richtung zeigt, könnten sich nach Ihrer Theorie sämtliche Mitglieder der angesprochenen Fraktion zu einer Kurzintervention melden.
Wir wollen bitte in der normalen Rednerliste fortfahren. Ich erteile das Wort dem Kollegen Wolfgang ilte.

(Vorsitz : Präsidentin Dr. Rita Süssmuth)


Wolfgang Ilte (SPD):
Rede ID: ID1305533200
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Warnick, entschuldigen Sie, ich muß auch noch einmal darauf eingehen. Im wesentlichen haben Sie gesagt, Eigentumsförderung sei für Sie oder für Ihre Partei nicht alles. Das mag schon sein, aber es ist natürlich etwas Wesentliches. Wenn Sie hervorheben, daß wir im Osten offensichtlich keine Vermögensbildung brauchen, liegen Sie einfach schief. Das ist unsere Aufgabe!

(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der F.D.P.)

Wenn Sie sich die Vermögensverhältnisse in Ost und West anschauen, werden Sie eine erhebliche Schieflage feststellen. Die müssen wir abbauen.

(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der F.D.P.)

Mit Ihren Vorschlägen, die Sie anzudeuten versucht haben, würden Sie die Schieflage noch verstärken. Sie wollen - das war mein Eindruck während Ihrer Rede - zurück zum gesellschaftlichen Wohneigentum. Da muß ich den Kollegen von der Koalition natürlich recht geben: An der Stelle finden wir genau das wieder, was wir in Marzahn und im Prenzelberg heute noch besichtigen können.

(Beifall bei der SPD und der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Der Gesetzentwurf der Bundesregierung, über den wir heute diskutieren, ist wieder einmal ein äußerst begrüßenswertes Zeichen der Sozialdemokratisierung der Steuerpolitik der Koalition.

(Beifall bei der SPD)

Da kann man nur sagen: Weiter so, meine Damen und Herren, bravo! Sie sind zumindest erst einmal auf dem richtigen Weg.
Erinnern darf ich in diesem Zusammenhang daran, daß das in dieser Legislaturperiode mit dem einheitlichen Grundfreibetrag im Einkommensteuertarif statt der außertariflichen Grundentlastung begonnen hat. Und es hat sich im Familienleistungsausgleich fortgesetzt, sprich: mit dem einheitlichen Kindergeld für 95 % aller Familien. Weiter nenne ich die Absicht der Koalition, sich zur steuerlichen Abzugsfähigkeit von Schmiergeldern zu bewegen. Diese Linie führt bis zur Vorlage dieses Gesetzentwurfes, der im Prinzip eine ureigene langjährige Forderung der SPD aufgreift, nämlich die Wohneigentumsförderung progressionsunabhängig zu gestalten.

Dr. Rita Süssmuth (CDU):
Rede ID: ID1305533300
Herr Ilte, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Warnick?

Wolfgang Ilte (SPD):
Rede ID: ID1305533400
Bitte sehr.

Klaus-Jürgen Warnick (PDS):
Rede ID: ID1305533500
Herr Kollege Ilte, sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, daß das, was Sie gesagt haben, so nicht stimmt und daß wir genau deswegen einen Antrag zur Wohneigentumsförderung eingebracht haben, weil wir der Meinung sind, daß eine Förderung auch sinnvoll und notwendig ist? Genau das war der Grund. Sind Sie bereit, das anzuerkennen?

Wolfgang Ilte (SPD):
Rede ID: ID1305533600
Dann haben Sie hier etwas anderes gesagt, Herr Kollege Warnick, als Sie eingebracht haben.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU und der F.D.P.)

Sie haben gesagt, daß die Wohneigentumsförderung nicht wesentlich ist, sondern daß Mieteigentum wesentlich ist und daß Sie dies - und das habe ich Ihrer Rede entnommen - wieder gesellschaftlich regeln wollen.
Ich bin jetzt leider unterbrochen worden. Ich hoffe, Sie haben das, was ich gerade aufgezählt hatte, noch

Wolfgang Ilte
im Kopf. Wenn nicht, lesen Sie es bitte noch einmal nach, meine Damen und Herren.

(Zuruf von der SPD: Noch einmal vorlesen!) - Das werde ich nicht tun.

Des weiteren haben Sie - Ihrer Einsicht sei gedankt - auch außerhalb der Steuerpolitik schon eine Reihe von Schritten in diese Richtung angekündigt. Herr Kollege Schäuble ist endlich bereit, unsere Forderung nach einer Beseitigung des Rentenstrafrechts im Osten in die Gesetzgebung einfließen zu lassen. Wie ich vorgestern der „Tagesschau" entnommen habe, sind die Koalitionsfraktionen mittlerweile ebenfalls bereit, sich unseren Vorstellungen zum Straftatbestand der Vergewaltigung in der Ehe anzunähern, obgleich da offenbar mit Halbherzigkeiten zu rechnen ist.

(Zuruf des Abg. Dr.-Ing. Dietmar Kansy [CDU/CSU])

- Sie von der Koalition können hier aber nicht nur auf Vorschläge der SPD warten. Irgendwann müssen Sie sich selber einmal etwas einfallen lassen. Dafür regieren Sie schließlich. Andererseits müssen Sie beim Umsetzen unserer sozialdemokratischen Vorstellungen auch noch richtig hinhören, sonst passiert Ihnen wieder das, was eben hin und wieder geschieht, nämlich der eine oder andere Lapsus, wie prompt auch bei diesem Gesetz. Aber Sie sind sicherlich lernfähig. Deshalb lassen Sie mich an dieser Stelle noch einmal die Punkte aufzählen, an denen dieser Gesetzentwurf verbesserungsfähig ist.
Erster Kritikpunkt. Wenn Sie, wie im vorgelegten Gesetzentwurf vorgesehen, die Einkommensgrenzen für die Förderung lediglich einmal, und zwar im ersten Jahr der Förderung, überprüfen, ergeben sich - das müßte eigentlich allen klar sein, die sich mit Finanzpolitik befassen - reichliche Manipulationsmöglichkeiten.

(Achim Großmann [SPD]: Sehr wahr!)

Ich glaube, ich muß Ihnen überhaupt nicht erläutern, daß beispielsweise ein Selbständiger, der plant, in zwei Jahren ein Eigenheim zu bauen, und der über der Einkommensgrenze von 120 000 bzw. 240 000 DM liegt, mit Leichtigkeit in der Lage ist,

(Achim Großmann [SPD]: Der lacht sich tot!)

in dem Jahr, in dem er die Förderung beanspruchen kann, durch Gewinnplanung sein zu versteuerndes Einkommen unter diese Einkommensgrenze zu drükken. Begünstigt werden vor allem diejenigen, die die Höhe ihrer Einkünfte gestalten können. Das sind vor allem Steuerpflichtige, die ihren Gewinn gemäß § 4 Abs. 3 EStG durch den Überschuß der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben ermitteln. Betriebseinnahmen werden hier steuerlich erst erfaßt, wenn sie tatsächlich zugeflossen sind. So ist es etwa einem Freiberufler ohne weiteres möglich, die Höhe seines Gewinns dadurch zu gestalten, daß er Rechnungen erst später ausstellt. Bei der Gewinnermittlung gibt es ebenfalls Gestaltungsmöglichkeiten, die ein Arbeitnehmer nicht hat.

(Achim Großmann [SPD]: Offen für alle Manipulationen!)

Darüber hinaus besteht auch die Gefahr, daß der Steuerpflichtige vorwiegend wirtschaftlich unsinnige Engagements, z. B. Beteiligungen an Verlustzuweisungsgesellschaften, eingeht, um so im Investitionsjahr die Einkommensgrenzen zu unterschreiten. Damit bekommen wir aber doch genau die Mitnahmeeffekte, die wir eigentlich gemeinschaftlich abbauen wollten.

(Beifall bei der SPD)

Lassen Sie das, meine Damen und Herren! Glauben Sie mir bitte, daß uns alle die kontinuierliche Oberprüfung der Einkommensgrenze über den Förderzeitraum, sprich: 8 Jahre, durch die Finanzämter im Endeffekt wesentlich billiger kommt, als die Manipulationsmöglichkeiten zu bezahlen, die sich jetzt durch diese Regelung ergeben.
Prüfen sollten wir, ob wir auf eine jährliche Überprüfung der Einkommensgrenzen verzichten können. Eventuell ist auch eine zweijährige Überprüfung der Einkommensgrenzen machbar, um auf diesem Wege die Mißbrauchs- und Manipulationsmöglichkeiten ausschließen zu können. Klar ist auf jeden Fall schon jetzt, daß wir eine Einkommensgrenze, die nur zu Beginn des Förderzeitraumes überprüft wird, ablehnen werden.

(Beifall bei der SPD)

Der Kollege hat schon mit Recht darauf hingewiesen: Wenn Sie es umgekehrt bei den Sozialhilfeempfängern auch machen, könnten wir vielleicht noch einmal darüber nachdenken.
Zweiter Kritikpunkt. Sie wollen den steuerlichen Abzug von Vorkosten erhalten und sogar weiterhin progressionsabhängig ausgestalten. Statt dieser teuren, komplizierten und wieder einmal für diejenigen besonders interessanten Regelung, die auch ohne Förderung bauen würden, sollten Sie besser etwas Vernünftiges tun. Es ist völlig systemwidrig, die bisherige einheitliche Wohneigentumsförderung in einen progressionsabhängigen Vorkostenabzug und eine progressionsunabhängige Eigenheimzulage aufzusplitten.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Der progressionsabhängige Vorkostenabzug geht insbesondere in den neuen Ländern auf Grund der Einkommensverhältnisse weitgehend ins Leere. Durch den Wegfall des Vorkostenabzuges würde eine durchgängig progressionsunabhängige Förderung erreicht. Wir sollten deshalb prüfen, ob wir auf Grund des dadurch erreichten Einsparungseffektes die Förderung des Erwerbs von Altbauten insgesamt aufkommensneutral erhöhen könnten.
Die im Gesetzentwurf vorgesehene Begrenzung des Förderbetrages auf 2 200 DM jährlich beim Erwerb einer Wohnung aus dem Bestand erschwert die wirksame Unterstützung der Eigentumsbildung im

Wolfgang Ilte
Wohnungsbestand. Gerade für Haushalte mit mittleren und niedrigen Einkommen bietet der Erwerb einer Wohnung aus dem Bestand häufig die einzige Möglichkeit, Wohneigentum zu bilden. Dies gilt insbesondere auch für Haushalte in den neuen Ländern, in denen auf Grund des Privatisierungsgebotes des Altschuldenhilfegesetzes relativ preisgünstige Wohnungen angeboten werden.
So könnte etwa der Fördergrundbetrag für den Bestandserwerb auf 3 000 DM pro Jahr angehoben werden. Dies entspricht einem Anteil der Neubauförderung von 60 %. Die Differenzierung zur Förderung des Neubaus selbstgenutzten Wohneigentums mit 5 000 DM bliebe immer noch groß genug, um wirksame Anreize zur Schaffung von Wohneigentum zu bilden.
Dritter Kritikpunkt. Nach Ihrem Gesetzentwurf können zwei Alleinstehende für zwei selbständige Wohneinheiten in einem Haus die doppelte Förderung erhalten wie Ehegatten für dieselben Objekte. Damit erreichen Sie genau das Gegenteil von dem, was Sie immer propagieren: Ehe und Familie fördern.
Mein Sohn beispielsweise wäre schön dumm, wenn er jetzt mit 22 Jahren heiraten und dann bauen würde. Besser wäre doch, er baut erst und heiratet dann mit 30. Das kann doch nun wirklich nicht Sinn unserer Politik sein. Greifen Sie doch bitte - ich habe es eingangs angedeutet - unsere Vorschläge richtig auf! Integrieren Sie in das Gesetz eine Kumulationsmöglichkeit für Ehepaare, wobei man aus haushaltspolitischer Sicht durchaus bei Ehepaaren den eineinhalbfachen Fördersatz ansetzen kann, weil sich das aller Voraussicht nach zumindest nicht negativ auf unsere Familienpolitik auswirken würde.

(Zuruf von der CDU/CSU: Es fehlen trotzdem 4 Milliarden DM, Herr Kollege, bedauerlicherweise!)

Vierter Kritikpunkt. Wir fordern die steuerliche Gleichstellung des genossenschaftlichen Wohneigentums bei der Wohneigentumsförderung. Genau an diesem Punkt, meine Damen und Herren von der Koalition, wird sich zeigen, wie ernst Sie es mit den Bürgerinnen und Bürgern in Ostdeutschland meinen. Sie wissen sehr wohl - die Zahlen haben Sie selber ermittelt -, daß im Osten nur ca. 24 % der Familien über Wohneigentum verfügen, während es in Westdeutschland ca. 40 % sind.
Ich habe es Ihnen schon bei der Debatte zum Jahressteuergesetz gesagt, und ich sage es immer wieder: Hier ist Nachholbedarf. Herr Warnick, das gilt auch für Sie. Es ist Ihre Verantwortung, dem gerecht zu werden. Sie kennen doch die Vermögenssituation bei uns in Ostdeutschland. Daran kommt man nicht vorbei. Es gibt nun einmal eine ganze Reihe von Familien, die nur in der Lage sind, sich über den Weg gemeinschaftlichen Wohneigentums wie eben bei einer Genossenschaft mit Wohnraum zu versorgen.
Die Einbeziehung von Geschäftsanteilen an Wohnungsgenossenschaften in die steuerliche Förderung würde die Finanzierbarkeit der Anteilsleistungen
deutlich verbessern, der Wohnungsneubautätigkeit zusätzliche Impulse verleihen und die Wohnungsgenossenschaften als demokratische und moderne Formen der Selbstorganisation unterstützen.
Für die neuen Länder ist die Einbeziehung der steuerlichen Förderung von Wohnungsgenossenschaften auf Grund der Privatisierungsverpflichtungen nach dem Altschuldenhilfegesetz von besonderer Bedeutung. Mit der Anerkennung von Genossenschaftslösungen werden die Privatisierungsanstrengungen der Wohnungsunternehmen wirksam unterstützt. Da die Privatisierungsförderung des Bundes im Jahre 1995 auslaufen wird, ist eine wirksame steuerliche Entlastung von Genossenschaftsmitgliedern unerläßlich.

(Beifall bei der SPD)


Dr. Rita Süssmuth (CDU):
Rede ID: ID1305533700
Herr Ilte, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Braun?

Wolfgang Ilte (SPD):
Rede ID: ID1305533800
Ja, bitte.

Hildebrecht Braun (FDP):
Rede ID: ID1305533900
Herr Kollege, Sie sprechen von genossenschaftlichem Wohneigentum. Nun hat das Bundesverfassungsgericht 1993 in der Tat auch dem Mieter den Status des Eigentümers, obgleich er nur Mieter ist, zugebilligt. Wir alle wissen noch nicht recht damit umzugehen. Aber würden Sie die Güte haben, mir zu erläutern, inwiefern die Position des Nutzungsberechtigten in einer Genossenschaft mit Eigentum irgend etwas zu tun haben könnte?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1305534000
Bitte schön, lassen Sie es uns doch ändern; lassen Sie uns endlich darauf eingehen und damit anfangen. Wir müssen ja im Endeffekt irgendwann anfangen, weil die jetzigen Wohnungsgesellschaften im Osten - das haben Sie ja auch in das Gesetz geschrieben - die Privatisierung vornehmen müssen. Die Mieter, die jetzt darin wohnen, wollen im Rahmen der Genossenschaft bauen. Geben wir ihnen doch gemeinschaftlich die Möglichkeit, dies über eine Genossenschaft auch zu tun. Ich sehe, offen gestanden, bei Ihnen lediglich wieder ideologische Vorbehalte.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN Achim Großmann [SPD]: Der begreift das nie mit den Wohnungen!)


Dr. Rita Süssmuth (CDU):
Rede ID: ID1305534100
Darf ich noch einmal auf die Frage zurückkommen? Ich glaube, hier liegen Mißverständnisse vor.

Hildebrecht Braun (FDP):
Rede ID: ID1305534200
Ja, ich habe die Befürchtung, daß wir uns noch nicht so ganz verstanden haben. Ich darf noch einmal fragen: Inwieweit können Sie bei dem Nutzungsrecht des Genossen in einer Wohnungsgenossenschaft eigentumsmäßige oder eigentumsähnliche Rechte erkennen?


Wolfgang Ilte (SPD):
Rede ID: ID1305534300
Ganz einfach: Für mich ist das so. Wenn nicht, dann fordere ich Sie auf: Ändern wir das doch gemeinsam.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN Zuruf von der SPD: Erstklassig!)

Fünfter Kritikpunkt. Zu prüfen wäre, ob nicht auch ökologische Aspekte - angeführt wurde es ja schon - in diese Förderung mit einbezogen werden können.

(Achim Großmann [SPD]: Der Braun kann nicht lesen; das ist das Problem!)

Denn wenn wir schon einmal in der heutigen Situation ein solches Gesetz machen, dann sollten wir es richtig machen. Die neue Wärmeschutzverordnung erreicht nicht den Standard des Niedrigenergiehauses.

(Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Genau!)

Familien, die selbstgenutztes Wohneigentum auf Niedrigenergiestandard schaffen, sollten deshalb zusätzlich gefördert werden.

(Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Da sitzt er, der Ankündigungsminister! Jetzt wird er von seiner eigenen Untätigkeit eingeholt!)

Zu überlegen wäre daher, zeitlich befristet eine höhere Förderung für solche Objekte zu gewähren, die den Niedrigenergiehausstandard erfüllen. Dies entspräche auch den von der Bundesregierung beschlossenen Maßnahmen zur CO2-Reduktion und zur rationellen Energieanwendung sowie dem Beschluß des Deutschen Bundestages zu den Empfehlungen seiner Enquete-Kommission „Schutz der Erdatmosphäre". Auch der Bundesrat hat die Förderung und die Einführung des Niedrigenergiehausstandards gefordert.
Sechster Kritikpunkt. Wenn wir ein Ehepaar mit zwei Kindern acht Jahre lang mit 8 000 DM pro anno unterstützen, kann es leicht passieren, daß die eine oder andere Familie durch die vorgesehene Fallbeilwirkung ab dem neunten Jahr in finanzielle Probleme getrieben wird, da sie selbst ja nunmehr den gesamten Kapitaldienst bestreiten muß. Prüfen könnte man hier z. B. einen Vorschlag des Deutschen Volksheimstättenwerkes, nämlich einen Förderzeitraum von 12 Jahren mit jährlicher Abschmelzung der Fördersumme um ein Zwölftel zu wählen, was zwar das gleiche Fördervolumen darstellen würde, aber eben mit dem Unterschied, daß der Fallbeileffekt ausbliebe. Auch Professor Oberhauser schlägt dies im übrigen vor, allerdings aus anderen Gründen, die mir ebenfalls einleuchten. Bekanntlich steigen innerhalb von 12 Jahren die Einkommen unserer Familien, und wir würden so die monatlichen Belastungen familienfreundlicher verteilen.

(Dr.-Ing. Dietmar Kansy [CDU/CSU]: Genau das Gegenteil ist der Fall! Das größte Problem ist die Liquidität in den ersten Jahren!)

Des weiteren habe ich auch bei der ersten Beratung des Gesetzentwurfes im Finanzausschuß schon angedeutet, daß es darüber hinaus noch eine ganze Reihe anderer überlegenswerter Möglichkeiten gibt, die Förderung von Wohneigentum aufkommensneutral weiter zu verbessern.
Soviel zu den Nachteilen des Gesetzes. Alles in allem gesehen, wäre es natürlich besser gewesen, wenn sich die Regierungskoalition einmal etwas Neues hätte einfallen lassen und nicht immer nur verspätet alte SPD-Forderungen nachbeten würde,

(Achim Großmann [SPD]: Und zwar gute!)

um sie dann als ihre Ideen zu verkaufen. Der prinzipielle Ansatz ist ja richtig. Nun lassen Sie uns ihn einfach nachbessern.
Danke sehr.

(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Dr. Rita Süssmuth (CDU):
Rede ID: ID1305534400
Als nächster Redner spricht der Kollege Dr. Bertold Reinartz.

Dr. Bertold Reinartz (CDU):
Rede ID: ID1305534500
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Angenehme an der heutigen Debatte über den Gesetzentwurf zur Neuregelung der steuerlichen Wohneigentumsförderung ist, daß mit Ausnahme vielleicht der PDS große Einigkeit hinsichtlich der Bedeutung der Eigentumsbildung in unserem Land besteht.

(Zuruf von der [F.D.P.]: Er hat den GRÜNEN nicht zugehört!)

Wohnungseigentum ist in hervorragender Weise geeignet, subjektive Wünsche nach sicherem und familiengerechtem Wohnen zu erfüllen. Dieser Grundsatz stand in ähnlicher Ausgestaltung in fast allen großen Gesetzgebungsvorhaben der CDU/CSU, die sich mit Wohnungsbauförderung befaßten. Dieser Satz steht jetzt als Eingangsfeststellung in dem am 29. Mai 1995 eingebrachten Fraktionsantrag der SPD zur Neugestaltung der Wohneigentumsförderung. Zu Recht ist von den Fraktionen dieses Hauses eine Reform der Wohneigentumsförderung als dringlich erachtet worden. Trotz der großen Übereinstimmung in bezug auf Dringlichkeit und Ziele gibt es bei verschiedenen Gebieten allerdings auch Kritikpunkte, die heute hier geäußert wurden.
Die SPD hat den Vorschlag der Bundesregierung, die Wohneigentumsförderung progressionsunabhängig zu gestalten, als längst überfällig dargestellt. Richtig ist, daß für die jetzt vorgesehene Abkehr von der progressionsabhängigen Förderung erst Voraussetzungen zu schaffen waren. Diese sind nunmehr durch die großen Steuerreformen, die in drei Abschnitten von diesem Hause durchgeführt wurden, geschaffen worden. Weiterhin ist für eine Abkehr von der progressionsabhängigen Förderung sicherlich die besondere Situation in den neuen Bun-

Dr. Bertold Reinartz
desländern mit niedrigeren Einkommen als in den alten Bundesländern entscheidend.

(Dr.-Ing. Dietmar Kansy [CDU/CSU]: Sehr richtig! Sehr wahr!)

Bei der gemeinsamen Freude hierüber, meine Damen und Herren, bleibt, daß jede progressionsunabhängige Fördermaßnahme in den nach der Leistungsfähigkeit und unter Gerechtigkeitsgesichtspunkten ausgestalteten Einkommensteuertarif eingreift. Die Wirkung für den Steuerzahler mag sich bei hohen und höchsten Einkommen verflüchtigen; aber sie ist insbesondere da gegeben, wo sie mit einem wenn auch geringfügigen Überschreiten der Einkommensgrenze zusammenfällt.
Wichtig ist aber das Ziel, mehr Bürger als bisher zu erreichen, die sich ein Eigenheim bislang nicht erlauben konnten. Die Intention des Gesetzentwurfes ist es, diejenigen Haushalte zum Bau oder Erwerb von Wohneigentum zu ermutigen, die ohne eine solche Förderung den Mut zu dieser das familiäre Leben dauerhaft beeinflussenden Investition nicht hätten und wegen des finanziellen Risikos vielleicht auch gar nicht haben sollten. Es ist keine Frage, daß gerade die Familien, die sich mit ihrem Einkommen in diesem Grenzbereich befinden, mit dem Erwerb eine für die Familie einschneidende Entscheidung treffen. Es ist eine Entscheidung, die sicherlich familienstabilisierend ist, die aber gleichzeitig zwangsläufig Konsumverzicht für alle Familienmitglieder bedeutet. Genau diesen Familien wollen wir helfen.
Dieses Ziel rechtfertigt nach unserer Auffassung die Minderung der Förderung bei höheren Einkommen gegenüber dem geltenden Recht. Es rechtfertigt den Kompromiß, der unter Beachtung der Aufkommensneutralität zwischen alter und neuer Förderung im Ergebnis auch einen Eingriff in den Steuertarif darstellt.
Eine Einkommensbegrenzung für die Inanspruchnahme der Eigenheimzulage, wie man sie einführen will, darf allerdings nicht dazu führen, daß diejenigen, die geringfügig über der Einkommensgrenze liegen und deshalb keinen Anspruch auf Förderung haben, die staatliche Förderung bei vergleichbaren Einkommen direkt unterhalb der Einkommensgrenze zu Recht als Ungerechtigkeit empfinden müssen. Ungerecht wäre es, wenn in diesem Fall Familien ohne Förderung bei einer Entscheidung für ein Eigenheim gegenüber Familien mit Förderung ihre Lebensführung spürbar einschränken müßten. Eine staatliche Förderung, die dieses Empfinden bei den Bürgern auslösen würde, kann nicht sinnvoll sein.
Deshalb ist es richtig, wenn die Einkommensgrenze so hoch angelegt ist, daß sie auch von den Bürgern akzeptiert wird. Eine niedrigere Einkommensgrenze, wie sie hier teilweise gefordert wird, würde als willkürlich und ungerecht empfunden, während man oberhalb der jetzt vorgesehenen Einkommensgrenzen das Ausbleiben der Förderung zwar bedauern, aber nicht als staatliche Ungerechtigkeit empfinden würde.

(Achim Großmann [SPD]: Die ist doch genauso willkürlich!)

Es läßt sich aber feststellen, daß die Ziele, die in der Koalitionsvereinbarung als Offensive für mehr Wohneigentum für Familien mit Kindern festgelegt wurden, durch diesen Gesetzentwurf erreicht werden. Die Festlegung, daß die Neuregelung zu einer Vereinfachung führen und aufkommensneutral sein muß, wird erreicht. Die Grundbedingung, daß diese Fördermaßnahmen sozialer ausgestaltet werden müssen, ist erfüllt. Dies ist zwar kein Grund, sich selbstgerecht zurückzulehnen; aber es ist schon Anlaß zur Freude, daß dieses schwierige Vorhaben hoffentlich mit ausdrücklicher Zustimmung der Länder zum 1. Januar 1996 in Kraft treten kann.

(Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Dann tragen Sie mal freudiger vor!)

- Ich habe Sie immer im Auge, Herr Fischer; da fällt mir das schwer.
Vorsicht ist allerdings geboten, wenn sich jetzt die Opposition zu Gralshütern der Förderung von Ehepaaren aufschwingt. Für Ehepaare wird eine Kumulation, also eine Erhöhung der Förderung gefordert, um eine angebliche Schlechterstellung gegenüber Nichtverheirateten auszuschließen. So wurde eine Presseerklärung verbreitet, in der es heißt: „Erst bauen, dann heiraten, sonst bist du der Dumme!"

(Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Wer schreibt denn das?)

- Frau Matthäus-Maier schreibt das.

(Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Hört! Hört!)

Zwar haben auch nach dem neuen Recht Ehegatten weiterhin die Möglichkeit, jeder für sich für ein Objekt die steuerliche Eigenheim-Bauförderung in Anspruch zu nehmen. Im Gegensatz zu nicht verheirateten Paaren muß es sich dabei aber bei Ehepaaren um zwei räumlich getrennte Wohneinheiten handeln.
Hierdurch wird der Eindruck erweckt, daß nicht verheiratete Paare bei dem Erwerb einer Wohnung zweimal die volle Förderung erhalten können.

(Dr. Wolfgang Freiherr von Stetten [CDU/ CSU]: Ist ja unerhört! Otto Reschke [SPD]: Ja!)

- Dies aber ist nicht der Fall, Herr Reschke.

(Otto Reschke [SPD]: Das weise ich Ihnen nach! Sogar die Kinderkomponente!)

Passen Sie auf: Erwerben nicht verheiratete Paare gemeinsam eine Wohnung, kann jeder von ihnen die Förderung nur entsprechend seinem Eigentumsanteil in Anspruch nehmen. Erwerben nicht verheiratete Paare zwei Wohnungen, und zwar jeder von ihnen eine, so kann naturgemäß jeder auch die volle Förderung in Anspruch nehmen.

(Zuruf von der SPD: Eben!)


Dr. Bertold Reinartz
Voraussetzung ist, daß jeder die Wohnung zu eigenen Wohnzwecken nutzt.

(Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Die treffen sich im Treppenhaus!)

Eine doppelte Inanspruchnahme der Förderung kann ein nicht verheiratetes Paar nur in dem Fall in Anspruch nehmen, in dem in einem Haus zwei benachbarte Wohnungen erworben werden und dann durch bauliche Gestaltung dies letztendlich als eine Wohnung genutzt wird. Die Kosten für diese besondere Ausgestaltung würden aber vermutlich die Förderung, die der Staat dafür verspricht, übersteigen.
Diesen extremen Ausnahmefall einer Doppelförderung bei nicht verheirateten Paaren möchte nun die SPD dadurch vermeiden, daß sie den Ehepaaren eine um 50 % höhere Förderung zukommen läßt.

(Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Wenn das der Vatikan erfährt, was ihr hier vorhabt! Der wird das nicht billigen!)

- Furchtbar, Herr Joschka Fischer!
Selbst diese Regelung würde aber im Ergebnis gleichwohl den Vorwurf nicht ausräumen, daß Ehepaare in dem extrem gelagerten Beispielsfall eine Benachteiligung erfahren, jetzt nur nicht in Höhe des vollen Förderbetrages, sondern in Höhe der Hälfte.
Diese halbe Lösung eines scheinbaren Gerechtigkeitsproblems führt allerdings zu einer Mehrbelastung von 4 Milliarden DM.

(Zuruf von der SPD: Jetzt kommen die Gründe!)

Eine vollständige Kumulation bedeutet 8 Milliarden DM Mehraufwand. Wer Aufkommensneutralität akzeptiert - das wollen wir eigentlich alle; ich habe niemanden gehört, der das nicht will -, kann einen Ausgleich nur durch erhebliche Absenkung der Förderbeträge erreichen.

(Dr.-Ing. Dietmar Kansy [CDU/CSU]: Fast eine Halbierung! Achim Großmann [SPD]: Nein, durch Umschichtung!)

Diese Absenkung würde wiederum gerade die Familien mit geringem Einkommen treffen, denen wir mit unserem Förderziel zu einem eigenen Wohnungseigentum verhelfen wollen.

(Wolfgang Ilte [SPD]: Das wollen Sie! Wir wollen umschichten! Dr.-Ing. Dietmar Kansy [CDU/CSU]: Es ist schon richtig, was er sagt!)

- Das ist nicht richtig, Herr Kollege. Sie haben das nicht verstanden. Wir wollen mit diesem Gesetzentwurf gerade eine Förderung der Schwellenhaushalte erreichen, mit einer Grundförderung von 5 000 DM oder einer Förderung von 1 500 DM für jedes Kind. Daran müßten Sie gehen, wenn Sie die Kumulation bei Ehepaaren einführen würden.

(Achim Großmann [SPD]: Denkfehler!)

Meine Damen und Herren, das Motto heißt also nicht „Erst bauen, dann heiraten", sondern „Erst schauen, dann bauen".

(Joseph Fischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Erst schauen, dann heiraten! - Heiterkeit)

Es ist das Ziel von CDU/CSU und F.D.P., daß der Anteil der Familien erhöht wird, die bislang wegen ihrer Einkommenssituation ihre Eigenheimabsichten nicht umsetzen konnten oder das Risiko des Eigenheimerwerbs gescheut haben. Diese Familien können jetzt einfach rechnen: 5 000 DM vom Staat, pro Kind 1 500 DM. Das ist soziale und familienfreundliche Förderung.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)

Der Gesetzentwurf berücksichtigt zu Recht den besonderen Risikozeitraum - das wird auch von Ihnen bestritten - zwischen dem Stellen des Bauantrages als dem Abschluß der Planungsphase bis zum Nutzungsbeginn der neuen Wohnung. Dies ist die Zeit, wo viele Familien angesichts der vorher möglicherweise zwar bedachten, aber in ihrer Höhe nicht präzise einkalkulierten zusätzlichen Aufwendungen Verzweiflung überkommt.

(Otto Reschke [SPD]: Zum Beispiel für den Notar!)

- Zum Beispiel, natürlich.
Die Miete für die alte Wohnung läuft weiter, Wohngeldzahlungen können sich überschneiden, Kreditzinsen fallen an, das Disagio und natürlich, Herr Kollege Reschke, Notar- und Gerichtskosten.

(Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Was machen wir im Scheidungsfall? Sagen Sie dazu doch mal etwas!)

- Dann nehmen wir einen Anwalt, Herr Fischer. Das kennen Sie doch.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Daß hierbei dann auch die Einkommensgrenzen Anwendung finden, ist ein Schönheitsfehler, der aber im Hinblick auf das Ziel der Aufkommensneutralität möglicherweise in Kauf zu nehmen ist.
Der Bauförderung allgemein ist die Geltung der Einkommensbegrenzung nicht förderlich, da ein steuerlicher Anreiz bei den Vorkosten, etwa bei der Abzugsmöglichkeit des Disagios, auch den Entschluß zum Bau oder Kauf einer Wohnung bei höheren Einkommensbeziehern fördert.

(Achim Großmann [SPD]: Das ist doch nur etwas für Durchblicker!)

Insgesamt gilt, daß mit diesem Gesetzentwurf für die Ausschußberatungen eine Grundlage geschaffen wurde, die hoffen läßt, daß in der gebotenen Kürze die Bürger zum 1. Januar 1996 eine wirksame Hilfe für Bau oder Erwerb eines Eigenheims erhalten.

Dr. Bertold Reinartz Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)


Dr. Rita Süssmuth (CDU):
Rede ID: ID1305534600
Das Wort hat jetzt der Bundesminister für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau, Herr Töpfer.

Prof. Dr. Klaus Töpfer (CDU):
Rede ID: ID1305534700
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte mit allem Freimut an den Anfang stellen: Ich bin sehr froh, daß wir heute dieses Gesetz hier diskutieren können.

(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der SPD - Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Laßt uns froh und munter sein!)

Ich denke daran zurück, wie ich hier vor zehn Monaten zum erstenmal als Bauminister darüber gesprochen habe. Es gab von seiten der Opposition hinreichend skeptische Zwischenrufe. Lieber Herr Kollege Reschke, dieses Gesetz ist real, es ist keine Ankündigung. Wir können es in diesem Hohen Hause wirklich beraten.

(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Ich wollte das nur deutlich gesagt haben.

Genauso erwähnenswert ist es, daß wir in dieser Zeit ein Mietenüberleitungsgesetz erarbeitet haben, das in diesem Hohen Hause - das sollte man immer wieder unterstreichen - mit breiter Übereinstimmung und im Bundesrat einstimmig verabschiedet wurde. Das habe ich immer erwähnt: Lassen Sie uns daraus lernen, damit wir vielleicht auch andere Gesetze in dieser Übereinstimmung behandeln können.
Ich hatte große Hoffnungen; denn als wir das Gesetz vorgelegt haben - es ist ja schon einige Wochen in jedermanns Kenntnis -, hat der gute Kollege Großmann gesagt, dies sei ein ganz großer Schritt hin zu einer parteiübergreifenden Lösung.

(Achim Großmann [SPD]: Ist es auch!)

Da hat er gesagt: Wunderbar. - Und wenn man sich das jetzt alles anhört, scheint es, als seien wir davon weit entfernt. Nein, meine Damen und Herren, das ist eine vernünftige Grundlage.
Ich habe mich zu bedanken für die gute Zusammenarbeit mit dem Finanzministerium, für viele gute Gespräche mit den Kolleginnen und Kollegen aus der Fraktion und dafür, daß wir hier vorangekommen sind.

(Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Können Sie jetzt zum Ende kommen?)

Dieses Gesetz betrifft einen wichtigen Bereich. Wo mehr als 17 Milliarden DM umgeschichtet werden, da ist nun wirklich etwas in aller Breite zu gestalten. Das geht bis hin zum Einfluß auf die Baukonjunktur, die heute etwas wenig angesprochen worden ist. Gerade deswegen möchte ich bei aller Notwendigkeit,
vieles weiterzudiskutieren, dringend darum bitten, daß wir die Termine einhalten. Wir können uns offene Enden nicht leisten, wir müssen die Vorschläge zusammenbringen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

Natürlich kann man bei jedem Gesetz anfügen, was noch alles gut, wünschenswert und überzeugend ist. Natürlich kann man auch hier ökologische Komponenten ansetzen.

(Franziska Eichstädt-Bohlig [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Muß man!)

Sie können der festen Überzeugung sein, daß man bei mir nicht allzusehr nachbohren müßte.
Wenn allerdings die Frau Kollegin Eichstädt-Bohlig mit Tremolo in der Stimme, was bei ihr selten genug vorkommt, zu mir sagt: „Aber Herr Minister, Sie waren doch in Rio, und jetzt ist es wieder nichts mit CO2-Minderungen!", kann ich sie nur darauf hinweisen: Überprüfen Sie einmal den Haushalt des Bauministeriums. Sie werden feststellen, daß wir in der Zwischenzeit ein eigenes CO2-Programm beschlossen und finanziert haben, mit dem pro Jahr 1 Milliarde DM eingesetzt werden kann, um gerade in Fragen der Bausubstanz etwas zu machen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

Wenn man meint, die Wärmeschutzverordnung leiste dies noch nicht, wäre es vielleicht ganz gut, sich die damalige Beschlußlage des Bundesrates - der freundlich lächelnde Kollege Fischer war da noch Umweltminister - durchzulesen. Demnach ist nämlich diese Wärmeschutzverordnung noch in diesem Jahrzehnt - das sind nicht mehr allzu viele Jahre - mit dem Standard des Niedrigenergiehauses zu überarbeiten.

(Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Ach, ach, ach! Märchen!)

Ich bin der Überzeugung: An dieser Stelle können wir unbürokratisch und damit sehr sozial helfen und die ökologischen Forderungen an anderer Stelle weiter umsetzen. Darum geht es mir.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P. Franziska EichstädtBohlig [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist doch ein Alibi!)

- Das ist alles andere als ein Alibi. Wir werden uns ja auch in den Ausschüssen über die Ökofragen unterhalten; ich bin herzlich gern dazu bereit.
Aber eines möchte ich doch sagen: Wenn wir die Geschoßflächenzahlen, die Sie uns als Ökopunkte vorlegen, realisieren, dann ist dies zugleich ein Förderprogramm für den Bereich von Herrn Wissmann; denn dann müssen die Leute, die so dicht siedeln, wie Sie das haben wollen, jeden Feierabend herausfahren, um irgendwo im Grünen einmal frische Luft holen zu können. Das paßt also an anderer Stelle wieder nicht zusammen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)


Bundesminister Dr. Klaus Töpfer
Ich bin sehr gerne bereit, alle diese Punkte sehr ernst zu nehmen. Ich habe dafür sehr viel Sympathie. Ich will auch nicht Gräben aufreißen, sondern ich will sie dort, wo sie sind, ein Stückchen überdecken.

(Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Da wird die Töpfer-Zimmerlinde hingestellt! Franziska Eickstädt-Bohlig [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Zuhören, Herr Kollege!)

- Das ist doch die alte Vorgehensweise des Kollegen Fischer. Nun lassen Sie ihm doch die Freude! Mich bringt er nicht durcheinander, und er hat sein Image gestärkt. Mehr kann man doch gar nicht verlangen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Ich will also gar keine Gräben ausheben. Ich will doch versuchen, die Diskussion danach weiterzuführen.
Man muß bei der Energie überlegen. Dieses Thema halte ich für bedenkenswert. Aber dabei müssen wir uns sehr gründlich dagegen wappnen, daß nicht hinterher jemand kommt und sagt: Aha, auf diese Art und Weise wollen Sie eigentlich Ihrer Verpflichtung zur Weiterentwicklung der Wärmeschutzverordnung entgehen. Das möchte ich dann aber bitte von vornherein klargemacht haben; denn eines steht fest: Es geht hier um über 140 000, 150 000, vielleicht sogar 160 000 Wohneinheiten pro Jahr. Wir ha-. ben in Deutschland über 30 Millionen Wohnungen. Wir müssen doch in die Bestände hineinkommen. Deswegen ist es ungleich sinnvoller, in diesen Beständen Wärmeschutz zu installieren, als an dieser Stelle alleine vorzugehen. Darum geht es mir.

(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. Achim Großmann [SPD]: Man muß das eine tun, ohne das andere zu lassen!)

Ich lasse mich nicht gerne in eine Ecke stellen, in der das nun wirklich nicht mehr sinnvoll ist. Nein! Das größte Programm, das gegenwärtig im Energiebereich läuft, sind die 60 Milliarden DM Kreditsumme der Kreditanstalt für Wiederaufbau für die Modernisierung der Bausubstanz in den neuen Bundesländern.

(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. Franziska Eichstädt-Bohlig [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Das geht 1996 zu Ende! Was haben Sie danach?)

Über 30 % davon ist für Energieeinsparung vorgesehen. Ab 1. Januar kommenden Jahres muß eine individuelle Energieabrechnung vorgenommen werden. Da kann jemand, der die Heizung etwas drosselt, der also energiebewußt ist, Geld sparen. Das ist Energie- und CO2-Sparen, wie wir es permanent vorantreiben.
Noch einmal: Wenn es möglich ist, machen wir es gerne. Aber wenn es durch ein neues Beschäftigungsprogramm erarbeitet werden muß, Frau Kollegin Eichstädt-Bohlig, nämlich ein Beschäftigungsprogramm in den Finanzämtern, die das alles, was Sie in diesen Punkten vorgesehen haben, überprüfen müssen, dann ist das falsch. Denn dann geht das genau an denen vorbei, die wir fördern wollen, nämlich die Schwellenhaushalte. Also, lassen wir uns da nicht in irgendeine Ecke hineindrängen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Andere Bereiche: Aufkommensneutralität. Herr Kollege Reschke, jeder von uns weiß es, Sie auch, daß wir die Aufkommensneutralität im Förderjahrgang betrachten. Daß das in den ersten Jahren eine Liquiditätsentlastung für den Haushalt und in den folgenden Jahren eine Liquiditätsbelastung bedeutet, ist doch für jeden klar. Nebenbei: Die Zahlen sind in der Drucksache nachzulesen. Niemand hat sie verschwiegen oder verschleiert. Wir haben nicht heimlich irgendwelche Haushaltssanierungen vorgenommen. Das ist für jeden nachvollziehbar und nachlesbar.
Lassen Sie uns darüber nachdenken, welche weiteren Konsequenzen möglich sind. Ich habe es im Ausschuß angesprochen: Wie sieht es mit dem Solidarzuschlag aus? Alles dies sind für mich wichtige Punkte, aber von Verschleiern kann keine Rede sein. Dies sind doch wieder Pappkameraden, die uns hinterher ganz viele Schwierigkeiten bereiten, wenn wir, wie ich hoffe, ohne Vermittlungsausschuß wiederum in breiter Übereinstimmung ein solches Gesetz verabschieden wollen. Ich werbe dafür, daß wir das offenhalten und daß wir dabei vorankommen.
Die Zahlen - ich sage es noch einmal - liegen auf dem Tisch. Sehen Sie sich die anderen Punkte an: Wir werden auch beim Bundesrat genau die Diskussion wiederfinden, die wir in der Bundesregierung gehabt haben. Der Bauausschuß beschließt das, was hier heute für die SPD vorgetragen worden ist. Der Finanzausschuß beschließt genau das Gegenteil. In beiden Ausschüssen des Bundesrates ist dieselbe Mehrheit, nämlich die der SPD-geführten Länder.

(Achim Großmann [SPD]: „Das Gegenteil" stimmt ja wohl nicht!)

- Der Finanzausschuß ist gegen Kumulation, die gerade der Kollege Ilte hier mit großer Begeisterung als unumgängliches wirkliches Essential der SPD vorgetragen hat. Die Finanzminister sagen: Das können wir nicht machen, weil es uns sehr viel zusätzliches Geld kostet. Lesen Sie sich doch bitte die Berichte über die Erfahrungen durch, die wir beim Jahressteuergesetz gemacht haben und die Sie auch mit ihren Ländern gemacht haben!
Nebenbei, Frau Kollegin Eichstädt-Bohlig: Sie argumentieren, hier würden für die Eigentumsförderung 17,2 Milliarden DM ausgegeben und für alles andere so wenig. 17,2 Milliarden DM geben Bund, Länder und Gemeinden zusammen aus. Sie haben dann freundlicherweise nur das dagegengestellt, was der Bund ausgibt.

(Franziska Eichstädt-Bohlig [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Nein!)

Dann können Sie beim besten Willen keine Gleichmäßigkeit erreichen.



Bundesminister Dr. Klaus Töpfer
Genauso ist es bei der jährlichen Einkommensüberprüfung.

(Wolfgang Ilte [SPD]: Zwei Jahre reichen auch!)

Der Bauausschuß des Bundesrates sagt: jährlich. Der Finanzausschuß des Bundesrates ist gegen die jährliche Einkommensüberprüfung und gegen jede Umstellung.
Ich will doch nur nicht - dafür muß man doch werben -, daß wir jetzt Punkte herausarbeiten, dann zusammenkommen und Schwierigkeiten haben, wirklich einen gemeinsamen Weg zu finden.
Nein, meine Damen und Herren, dieses Gesetz ist eine ganz wichtige Grundlage für die Arbeit. Es ist nicht das, was im Gesetzgebungsblatt stehen wird, Herr Kollege Braun. Das haben Sie sicherlich zu Recht gesagt. Anderenfalls wäre das auch ein seltsames Verständnis. Wir sind in die Diskussion hineingegangen. Aber ich bleibe bei dem, was Herr Großmann gesagt hat: Es ist ein wichtiger, ein wesentlicher Schritt zu einem parteiübergreifenden Konsens in dieser Frage.
Wenn wir weiter mit dieser Meinung darangehen, haben wir, glaube ich, eine gute Arbeit vor uns.
Recht herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)


Dr. Rita Süssmuth (CDU):
Rede ID: ID1305534800
Damit sind wir am Ende der Aussprache, und ich schließe sie.
Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlagen auf den Drucksachen 13/2235, 13/2357 und 13/ 2304 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall. Dann sind die Überweisungen so beschlossen.
Ich rufe jetzt den Tagesordnungspunkt 10 auf:
Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Angelica Schwall-Düren, Antje-Marie Steen, Lilo Blunck, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD
Verbot des Einsatzes von Pyrethroiden in Textilien und Innenräumen
- Drucksache 13/1478 —Überweisungsvorschlag:
Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Ausschuß für Gesundheit (Federführung strittig) Ausschuß für Wirtschaft
Nach einer Vereinbarung im Ältestenrat ist für die Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. - Auch dazu gibt es keinen Widerspruch.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat Frau Antje-Marie Steen.

Antje-Marie Steen (SPD):
Rede ID: ID1305534900
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist das erste Mal, daß sich der Deutsche Bundestag mit der Problematik des Einsatzes der sogenannten Pyrethroide beschäftigt, und das, obwohl seit Jahren durch die Medien, in Studien, wissenschaftlichen Publikationen und Petitionen der Betroffenen auf die hochtoxische Wirkung dieser Substanzen hingewiesen wird.
Wir hätten eigentlich erwartet, daß der Bundesgesundheitsminister handeln würde. Nun legen wir einen Antrag vor.
Zur Erklärung: Was sind Pyrethroide? Im Gegensatz zu den in der Natur vorkommenden Pyrethroiden, den sogenannten Chrysanthemextrakten, besitzen synthetisch hergestellte Pyrethroide eine wesentlich längere Halbwertzeit, bauen sich sehr langsam ab und führen bei Kontamination zu Reizerscheinungen der Gesichtshaut, der Schleimhäute, verursachen Übelkeit, Durchfall bis hin zu schwersten neurologischen Auffälligkeiten und bleibenden Funktionsstörungen. Laut Untersuchung des Bremer Umweltmediziners Eberhard Greiser stehen Pyrethroide auch im Verdacht, Leukämie und Lymphdrüsenkrebs auszulösen.
Nach meiner Einschätzung handelt es sich bei dem eben Beschriebenen um eine gesundheitliche Beeinträchtigung vieler Bürgerinnen und Bürger und um eine ähnlich dramatische Entwicklung, wie wir sie aus dem sogenannten Holzschutzmittelskandal kennen.
Es ist unverantwortlich, daß Stoffe mit dieser hochgiftigen Auswirkung mit irreführenden Begriffen wie „naturidentisch" und als „Bioprodukte" vermarktet werden, daß sie für Produkte verwandt werden, die, nicht gekennzeichnet und ohne Warnhinweise, den Eindruck vermitteln, sie seien harmlos. Aber wenn Fliegen und Mücken durch pyrethroidhaltige Insektensprays tot zur Erde fallen, ist nicht schwer zu diagnostizieren, daß diese Mittel auch für Menschen schädlich sind.
In Amerika ist dieser Wirkstoff, der besonders das zentrale Nervensystem angreift, bereits seit 1987 auf die Liste der 50 toxikologisch bedenklichen Stoffe gesetzt.
Trotz Warnung des BGA bzw. des BgVV z. B. vor dem Gebrauch von Elektroverdampfern - dort sind nämlich Plättchen, mit Pyrethroid getränkt, enthalten - und der Aufforderung des Petitionsausschusses, diese Elektroverdampfer zu verbieten, läßt der Bundesgesundheitsminister eine Verordnung zu, die den Einsatz nachts erlaubt. Was am Tag als gesundheitsschädlich gilt, das ist es logischerweise wohl auch des Nachts! Diese Verordnung zeigt auf, wie wenig nachhaltig der Gesundheitsminister den gesundheitlichen Schutz der Verbraucher und Verbraucherinnen verfolgt.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Wo finden wir diese Stoffe noch? Der Blumenstrauß kann damit behandelt sein, vor allen Dingen bei Importware; Supermärkte sprühen regelmäßig großflächig gegen Schädlingsbefall die Verkaufsräume aus, der schöne Wollsiegelteppich erweist sich als tickende Zeitbombe. Und alles geschieht ohne ausreichende Kennzeichnung, ohne Warnhinweise.

Antje-Marie Steen
Wir fordern ein Verbot des Einsatzes von Pyrethroiden in Textilien und Innenräumen, weil hier die größten Einsatzfelder dieses Insektizids sind. In Teppichen, Polsterstoffen, Kleidung, bei Hunde- und Katzenhalsbändern gegen Flöhe, in Insektensprays gegen Silberfische, Fliegen, Mücken, gegen Schädlinge in der Küche - überall ist das Vergiftungsrisiko durch Pyrethroide gegenwärtig.
Trotz Warnung und Wissen um die Gefahr für die menschliche Gesundheit werden z. B. auch Fluggäste der Lufthansa, der Condor und der LTU bei der Ankunft in tropischen Regionen mit pyrethroidhaltigen Insektiziden besprüht; und die Bundeswehr imprägniert die Zelte. der Soldaten mit diesem Mittel.
Inzwischen häufen sich die Klagen von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die auf Grund der Einsätze von Pyrethroiden am Arbeitsplatz oder in Materialien arbeitsunfähig wurden und wohl auch bleiben.
Es gibt keine gesicherten Erkenntnisse, wie viele Erkrankungen und auf Dauer Geschädigte es in der Bundesrepublik gibt. Eine erste Studie, auf sehr schmaler Basis angelegt, im Auftrag des BgVV und durchgeführt von Herrn Professor Altenkirch, hatte neben dem Hinweis auf sechs Fälle einer PyrethroidExposition auch die Erkenntnis geliefert, daß das Krankheitsbild weiter untersucht werden muß. Hier möchte ich den Gesundheitsminister nachdrücklich auffordern, diese Forschung zu intensivieren und eine breit angelegte Studie über die Auswirkungen von Pyrethroiden auf die menschliche Gesundheit zu veranlassen.

(Beifall bei der SPD und der PDS)

Besonders die Gefährdung der Kinder und die möglichen dauerhaften Schäden für ihre Gesundheit sind bislang nicht untersucht. In diesem Punkt ist besonders die Frage nach gegebenenfalls möglichen genetischen Veränderungen und erhöhten Krebsdispositionen zu beantworten. Dabei sind Kinder auf Grund ihrer schwächeren Konstitution den toxischen Wirkungen dieses Nervengifts viel stärker ausgesetzt - sei es durch den Verzehr kontaminierter Nahrungsmittel, sei es, weil sie belastete Textilien tragen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Leidensdruck der Erkrankten ist unbeschreiblich groß, da Diagnose und Nachweis der Exposition durch das Nervengift äußerst schwierig sind. Die Betroffenen haben oft keine Ahnung von der erfolgten Schadstoffbelastung und müssen in langwierigen und oft sehr kostenintensiven Verfahren den Nachweis der Kontaminierung führen. Das BMG selber konzediert in 70 Fällen eine Pyrethroidvergiftung. Um so notwendiger ist deshalb ein Verbot des Einsatzes.
Da, wo der Einsatz von Insektenvernichtungsmitteln unvermeidbar ist, darf er auch nur noch unter strengen Auflagen durch qualifizierte Schädlingsbekämpfer erfolgen. Dazu wird meine Kollegin Schwall-Düren noch detaillierte Ausführungen machen. Wir sind der Meinung, daß jährlich eingesetzte
14 t Pyrethroide zuviel sind. Hier bedarf es einer wirklich strengen Regelung.

(Beifall bei der SPD)

Wenn wir am Ende dieser Debatte den Antrag zur Beratung in den Ausschuß verweisen, dann bitte ich Sie um eine zügige Behandlung in der folgenden Zeit. Wir müssen schnell handeln, weil Menschen nicht tagtäglich einer hohen Schadstoffbelastung ausgesetzt werden dürfen, der sie sich nicht entziehen können und über deren verhängnisvolle Auswirkungen sie nicht informiert sind. Der gesundheitliche Verbraucherschutz darf nicht den Wirtschaftsinteressen unterliegen.
Einen ähnlichen gesundheitspolitischen Skandal wie den der Holzschutzmittelgeschädigten können wir uns nicht leisten. Er muß vermieden werden.
Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordnten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Dr. Rita Süssmuth (CDU):
Rede ID: ID1305535000
Das Wort hat jetzt der Kollege Dr. Harald Kahl.

Dr. Harald Kahl (CDU):
Rede ID: ID1305535100
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Von der Kollegin Steen haben wir soeben wieder einmal erfahren, wie gefährdet die Menschen in unserem Lande leben. Das Gespenst, das umgeht, heißt dieses Mal „Anwendung von Pyrethroiden". Die SPD-Fraktion hat dem Deutschen Bundestag einen Antrag vorgelegt, der vorsieht, Pyrethroide zur Insektenbekämpfung in Textilien und Innenräumen zu verbieten.
Lassen Sie mich zum Inhalt einiges anmerken und einigen in diesem Antrag angeführten Thesen entgegentreten. Pyrethroide sind chemisch abgewandelte Naturprodukte, die weltweit zur Insektenbekämpfung eingesetzt werden. Sie sind hochwirksam, besitzen eine geringe Warmbluttoxizität und gehören zu den am gründlichsten untersuchten Stoffgruppen. Hauptsächlich werden sie in Elektroverdampfern zur Insektenvernichtung in Innenräumen sowie in der Bekleidungs- und Teppichindustrie zur Ausrüstung von Naturprodukten, z. B. zum Schutz vor Motten- und Teppichkäfern, angewendet. Laut SPD-Antrag soll das in Deutschland in Zukunft nicht mehr möglich sein. Das sei ein durchaus löbliches Vorgehen, wenn hiervon signifikante Gefahren ausgingen, wird manch einer sagen.
Beim näheren Hinsehen jedoch entpuppt sich der Antrag als unausgegoren und als Schnellschuß, der eher als Reaktion der SPD auf oberflächliche und falsche Darstellungen in den Medien zu werten ist als ein ernstgemeinter Vorschlag.

(Dr. Jürgen Rochlitz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist eine unerhörte Aussage!)

Die Tatsache allein, daß Pyrethroide weltweit eingesetzt werden, zeigt doch, daß mit ihrem Gebrauch ein geringes Risiko, wenn es denn ein wirkliches Risiko im wörtlichen Sinne dieses Wortes überhaupt gibt, verbunden ist.

Dr. Harald Kahl
Meine Damen und Herren, ein Verbot dieser Wirkstoffgruppe und ihr Inverkehrbringen wären zwar mit unseren rechtlichen Mitteln leicht zu kontrollieren bzw. zu unterbinden, dennoch würde der Verzicht auf Pyrethroide für die überwältigende Mehrheit unserer Bevölkerung zum Teil erhebliche Nachteile mit sich bringen und die Bevormundung durch eine öffentlichkeitswirksame Minderheit bedeuten. Es hieße, das Einfallstor zu öffnen für die Übertragung von Krankheitserregern und eine erhebliche Beeinträchtigung der Hygiene in Kauf zu nehmen, ganz zu schweigen von der Tatsache, daß deutsche Hersteller gegenüber anderen Ländern erheblich benachteiligt wären.
Genau das ist es, meine Damen und Herren von der SPD, was an Ihrem Antrag zu kritisieren ist. Sie springen auch hier wie häufig auf, wenn in Deutschland der Panikzug abgeht, dessen Lokführer wie immer die Medien sind. Wenn es jedoch darum geht, echte Alternativen aufzuzeigen, steht bei Ihnen ein großes Fragezeichen und steht das Signal auf Halt.
Oder wollen Sie etwa im Ernst glauben machen, daß das Beispiel der Großküche der Uni-Klinik Heidelberg, in der Küchenschaben mittels eines auf Lebensmittelbasis entwickelten Klebestreifens vernichtet werden, hier verallgemeinerungsfähig ist? Sicher ist das ein diskussionswürdiger Ansatz, er ist jedoch weit entfernt davon, eine echte Ersatzlösung für die Problematik zu bieten.
In Ihrem Antrag ist weiter die Rede davon, daß Professor Müller-Mohnssen vermutet, daß mehrere tausend Menschen in Innenräumen mit Pyrethroiden vergiftet worden sind, und dabei weder beschrieben wird, ob in Deutschland, Europa oder weltweit. Ich meine, es wäre leichtsinnig, ja sogar unverantwortlich, lediglich auf Grund von Vermutungen eines Professors gänzlich auf die Anwendung von Pyrethroiden verzichten zu wollen, ganz abgesehen davon, daß sich natürlich gleich die Frage stellt, welcher Art und Schwere denn die Vergiftungen tatsächlich waren.
Als Gifte, um das nochmals klarzustellen, bezeichnet man Stoffe, die in relativ kleinen Mengen Funktionsstörungen, Gesundheitsschädigungen oder sogar den Tod herbeiführen können. Das trifft sicher auch für Pyrethroide zu. Viele andere Stoffe aber können ebenfalls solche Wirkungen erzielen, beispielsweise Nikotin, Alkohol. Selbst Kochsalz, in größeren Mengen genossen, kann verheerende Wirkungen haben;

(Dr. Jürgen Rochlitz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Also, jetzt reicht es aber! Unerhört, was Sie hier verbreiten!)

und sogar Wasser! Entscheidend, meine Damen und Herren, ist die Dosis, und schon Paracelsus meinte dazu: „Dosis facit venenum".
In Deutschland kommen über 80 Millionen Menschen täglich in irgendeiner Form mit Pyrethroiden in Berührung, ohne gesundheitliche Schäden davon-
zutragen. Etwa 10 % der von uns getragenen Kleidung, nämlich solche aus Naturprodukten wie Wolle oder Baumwolle, oder auch z. B. Teppiche aus diesen Stoffen werden heute mit Pyrethroiden behandelt.
Nach den Aussagen des BgVV sind seit 1991 lediglich 130 Fälle in ganz Deutschland bekannt, bei denen entsprechend dem Chemikaliengesetz und auf Grund der Meldepflicht der Ärzte Beschwerden von Patienten bekannt wurden, bei denen allerdings ein ursächlicher Zusammenhang mit der Einwirkung von Pyrethroiden nicht zweifelsfrei erbracht werden kann. Diesen Beweis schlüssig zu erbringen ist schwer angesichts der mannigfaltigen Umwelteinflüsse und deren Interaktionen sowie der verschiedenartigen Erscheinungen, mit denen Menschen darauf reagieren.
Nach meinem Dafürhalten kommt es bei der Diskussion um dieses Thema darauf an, die Verhältnismäßigkeit zu wahren, abzuwägen, ob wir mit diesem geforderten Verbot mehr Schaden anrichten als Nutzen daraus ziehen.
Unsere Antwort auf den Antrag der SPD läßt sich wie folgt formulieren: Die Bekämpfung von Krankheitserregern und eine umfassende Hygienevorsorge sind in unserem Land unverzichtbar. Pyrethroide sind dafür besonders geeignet und leisten bereits einen wirksamen Beitrag. Gegenwärtig werden sie weltweit angewandt. Eine vernünftige Alternative dazu gibt es nicht.
In Abwägung möglicher Wirkungen auf den Menschen ist dem Schutz des überwiegenden Teils der Bevölkerung vor schädlichen Insekten und damit verbundenen Belästigungen, Gesundheitsgefährdungen sowie Hygienebeeinträchtigungen eindeutig der Vorrang zu geben gegenüber dem solcher Menschen, die auf Grund von Überempfindlichkeitsreaktionen über kurzzeitige Beschwerden oder Mißempfindungen klagen.
Die deutsche Industrie nimmt jedoch diese, wenn auch verschwindend geringen Fälle ernst und hat die Etiketten von pyrethroidhaltigen Schädlingsbekämpfungsmitteln bereits mit zusätzlichen Warnzeichen versehen. Damit wird zumindest sichergestellt, daß überempfindlichen Personen die Nebenwirkungen des Gebrauchs von pyrethroidhaltigen Mitteln bekannt werden.
Im übrigen ist eine noch so umfassende Information keine Garantie gegen eine unsachgemäße Anwendung und deren Folgen. Das gilt nicht nur für Pyrethroide. Genauso wichtig ist aus meiner Sicht der verantwortungsvolle und fachgerechte Umgang damit.
Meine Damen und Herren von der SPD, das Wort Eigenverantwortung kommt in Ihrem Antrag überhaupt nicht vor. Ich finde das sehr bedauerlich. Wir können Ihrem Antrag nicht folgen.
Ich bedanke mich.

(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. Rita Süssmuth (CDU):
Rede ID: ID1305535200
Als nächster spricht der Kollege Dr. Jürgen Rochlitz.

Prof. Dr. Jürgen Rochlitz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1305535300
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zunächst möchte ich die unerhörte Verharmlosung ganz entschieden zurückweisen, die Sie, Herr Dr. Kahl, verbreitet haben. Zumindest das Deltametrin, eines der Pyrethroide, hat eine derart niedrige LD50-Dosis, daß Sie die Aussagen, die Sie hier gemacht haben, nicht aufrechterhalten dürfen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der PDS)

Vielleicht haben Sie die Parallelitäten als Chemiker noch nicht richtig wahrgenommen, Herr Dr. Kahl, aber im Fall der Pyrethroide fand eine ganz typische Fehleinschätzung und Fehlentwicklung in der chemischen Industrie statt, ähnlich denjenigen, die zu FCKWs, zum Pentachlorphenol und anderen Produkten der Chlorchemie geführt haben.
Zunächst ganz harmlose, schnell abbaubare Naturprodukte aus Chrysanthemen, nämlich die Pyrethrine, waren der Ausgangspunkt für die Entwicklung langlebiger und stärker wirkender und damit auch schwerer abbaubarer Pyrethroide.
Mit dem für Pflanzenschutzmittel schon vor 1981 erfolgten üblichen Zulassungsverfahren werden derzeit 42 t pro Jahr in der deutschen Landwirtschaft versprüht, und - hören Sie genau zu, Herr Kahl! - ohne jegliches Zulassungsverfahren - Sie sprachen davon, daß das alles genau kontrolliert werde, dem ist nicht der Fall -

(Beifall der Abg. Antje-Marie Steen [SPD])

werden 12 t pro Jahr in Innenräumen und nicht unerhebliche 500 kg in Textilien und Teppichen ubiquitär verteilt.
Gegen diesen breitgefächerten Angriff durch diese Nervengifte können wir uns noch nicht einmal wehren. Überall in Einkaufsmärkten, Kaufhäusern, Krankenhäusern, nicht zuletzt auch in Kindergärten, ja, auch in Flugzeugen, möglicherweise ebenso in Bahnabteilen werden sie eingesetzt; aus Textilien, Teppichen und Hölzern verdampfen sie ohne jeglichen Warnhinweis oder gar Kennzeichnung.
Wieviel von ihnen über die landwirtschaftliche Anwendung in Weinen, Mosten, auf Obst und Gemüse landen, wissen wir noch nicht einmal. Nach den bisher bekanntgewordenen Krankheitsfällen kann man nur schlicht feststellen: Das Maß ist voll. Diese Stoffklasse ist reif für ein Verbot, zumindest in Innenräumen und bei Textilien.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der PDS)

Andernfalls ist mit dem nächsten Giftprozeß zu rechnen, ähnlich jenem um das Holzschutzmittel PCP. Immerhin liegt seit kurzem die Anerkennung einer Berufskrankheit durch Pyrethroide vor; schwere Nervenschädigungen und Gehirnatrophie konnten festgestellt werden.
Ich kann Ihnen, Herr Dr. Kahl, den Befund geben. Dann können Sie sehen, wie unerhört verharmlosend das gewesen ist, was Sie uns haben weismachen wollen. Wer weiß, wie viele derartige Fälle schon vorgekommen sind; denn nicht nur Kammerjäger sind als Anwender betroffen. Wir wissen, daß viele Pyrethroiderkrankte bis heute noch nicht einmal ahnen, woher ihre Beschwerden kommen; denn die Symptome können viele Gesichter haben. Rückschlüsse auf Pyrethroide als Verursacher sind schwierig.
In der sogenannten Pyrethroidstudie des Bundesinstituts für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinärmedizin wurde bei 14 von 23 Patienten der Zusammenhang zur Einwirkung von Pyrethroiden belegt. Seit 1990 sind darüber hinaus 132 Einzelfälle mit pyrethroidtypischen Krankheitssymptomen festgehalten. Aus China wissen wir, daß schon 1989 sieben - Herr Dr. Kahl, hören Sie zu! - Todesfälle bei insgesamt 573 Vergiftungsfällen beklagt werden mußten.
Bei dieser Datenlage verbleibt eigentlich nur das schnellstmögliche Verbot. Andernfalls steht ein weiterer Giftprozeß bevor ähnlich dem leider noch nicht abgeschlossenen um das Holzschutzmittel Pentachlorphenol. Um unserer Gesundheit willen sollten wir aus diesen einschlägigen Erfahrungen lernen und diesmal nicht zu spät, sondern rechtzeitig die Bremse des Verbots ziehen.
Danke schön für die Aufmerksamkeit.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der PDS)


Dr. Rita Süssmuth (CDU):
Rede ID: ID1305535400
Das Wort hat jetzt die Kollegin Birgit Homburger.

Birgit Homburger (FDP):
Rede ID: ID1305535500
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Pyrethroide sind, wie wir schon gehört haben, synthetisch hergestellte Stoffe, die dem Pyrethrum ähnlich sind. Dieses wird aus Chrysanthemen gewonnen, ist aber für eine allgemeine Verwendung nicht ausreichend stabil. Die synthetisch hergestellten Pyrethroide werden im Pflanzenschutz, bei der Schädlingsbekämpfung und auch in Holzschutzmitteln verwendet.
Vor allen Dingen durch Fehler bei der Anwendung pyrethroidhaltiger Mittel sind in der Vergangenheit Gesundheitsbeeinträchtigungen bekannt geworden. Dabei zeigen sie eine starke Wirkung auf das periphere Nervensystem und lösen Kribbeln und Taubheitsgefühle beispielsweise in den Fingern aus. Nach dem heutigen Stand der Wissenschaft handelt es sich dabei um lokale Effekte, die auftreten können, wenn die Pyrethroidkonzentration auf der Haut eine bestimmte Schwelle überschreitet. Diese Effekte

Birgit Hamburger
verschwinden aber wieder innerhalb von Stunden oder einem Tag. Eine langzeitige Schädigung kann nicht festgestellt werden und wird nach Auskunft der Wissenschaft nicht hinterlassen.
Auf einer fachöffentlichen Anhörung des Bundesinstituts für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinärmedizin - Kollege Rochlitz hat das gerade schon erklärt - im März in Berlin betonten Sachverständige, daß chronische oder irreversible Schäden derzeit nicht bekannt sind. Allerdings können Pyrethroide möglicherweise im Rahmen einer vielfachen Chemikalienempfindlichkeit Gesundheitsstörungen hervorrufen. Um hierzu genauere Daten zu erhalten, müssen aber noch weitere wissenschaftliche Untersuchungen durchgeführt werden. Das ist eine der Empfehlungen aus dieser Anhörung des Bundesinstituts.
Andererseits kann auf den Einsatz von Pyrethroiden nicht immer verzichtet werden. Bei der Bekämpfung von Krankheitsüberträgern beispielsweise können sie nicht immer durch andere Mittel ersetzt werden. Auch bei wollhaltigen Teppichbelägen kann durch eine Behandlung mit einem Pyrethroid der Befall mit Teppichschädlingen verhindert werden, die beim Menschen wiederum Allergien auslösen können. Dafür gibt es offensichtlich nicht in allen Fällen Ersatzstoffe, die ebenso wirksam sind. Daher kann ein allgemeines Verbot der Pyrethroide nicht die Lösung sein.
Wichtig ist aus unserer Sicht die Aufklärung des Verbrauchers, damit er Gelegenheit hat, zu entscheiden, ob er behandelte oder unbehandelte Ware erwerben möchte. Daher sollten Teppiche und Teppichböden entsprechend gekennzeichnet werden. Hierüber finden zur Zeit Gespräche zwischen den Behörden und der Wirtschaft statt. Ich finde, da sollte zügig eine Lösung gefunden und entschieden werden.
Bei Textilien werden ohnehin nur 2 % mit Pyrethroiden behandelt. Hier kann meines Erachtens auf den Einsatz ganz verzichtet werden. Ich mache hier eindeutig eine Differenzierung. Es ist gut, daß inzwischen eine Rechtsverpflichtung beispielsweise bei Elektroverdampfern besteht, die Pyrethroide enthalten, Warnhinweise vor fortdauerndem Gebrauch anzubringen.

(Dr. Jürgen Rochlitz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das reicht doch alles nicht, Frau Homburger!)

- Die Frage ist, für wie entscheidungsfähig man Verbraucherinnen und Verbraucher hält und ob sie nicht selber in der Lage sind, wenn ein Warnhinweis angebracht wird, diesen zu beachten und zu entscheiden. Jedenfalls liegen nach den derzeitigen wissenschaftlichen Untersuchungen keine Hinweise vor, die es erforderlich machen, diesen Stoff total zu verbieten.
Die Forderung nach einer Beschränkung der gewerblichen Schädlingsbekämpfung auf sachkundige Personen, die Sie von der SPD ansonsten erheben, läuft meines Erachtens leer, da ab dem 1. November dieses Jahres nach der geltenden Gefahrstoffverordnung nur noch sachkundige Personen gewerbliche Schädlingsbekämpfung mit sehr giftigen, giftigen und gesundheitsschädlichen Stoffen und Zubereitungen durchführen dürfen. Diese sachkundigen Personen müssen z. B. die Prüfung zum geprüften Schädlingsbekämpfer erfolgreich abgelegt haben. Daher erübrigt sich aus meiner Sicht die Forderung, daß innerhalb einer Frist von drei Jahren nur noch geprüfte Schädlingsbekämpfer und Schädlingsbekämpferinnen gewerblich tätig sein sollen.
Die Frage der obligatorischen Haftpflichtversicherung, denke ich, kann man nicht abschließend beurteilen. Sicherlich ist die Gefahr von Gesundheitsschäden bei diesem Dienstleistungsgewerbe beachtlich. Aber das gilt auch in vielen anderen Fällen. Da müssen wir eine Gesamtbetrachtung vornehmen. Dabei muß auch beachtet werden: Eigenverantwortung führt zu mehr Sorgfalt, Versicherungsdenken oft zu Nachlässigkeit. Daß das dann im Interesse des Verbrauchers ist, bezweifle ich.
Vielen Dank.

(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)


Dr. Rita Süssmuth (CDU):
Rede ID: ID1305535600
Als nächste hat Frau Eva Bulling-Schröter das Wort.

Eva-Maria Bulling-Schröter (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1305535700
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Abgeordnete! Aus meiner früheren Tätigkeit im Petitionsausschuß des Deutschen Bundestages sind mir die schrecklichen Leiden, die die heute zur Debatte stehenden Pyrethroide bei Menschen verursachen, gut bekannt. So wurden im Januar 1985 im Haus einer Petentin pyrethroidhaltige Schädlingsbekämpfungsmittel eingebracht, die nachweislich Rückstände hinterließen. Infolge der Kontaminierung sind erhebliche gesundheitliche Beschwerden aufgetreten - sie wurden heute schon zum Teil genannt -: Verlust des Geruchs- und Geschmackssinns, Kopfschmerzen, vermehrter Durst, starker Ham- und Stuhldrang, nächtliches Schwitzen und vermehrter Speichelfluß. Im weiteren Verlauf der Krankheit stellten sich zunehmende Taubheitsgefühle, Schleimhautschwellungen, Steifheit und Schwellungsgefühle in Fingern sowie Schweregefühle in den Beinen, Augenbrennen und Atembeklemmungen ein.
Nach Herrn Dr. Kahl gibt es nur 130 Fälle, die eventuell davon betroffen sind. Die Argumentation bei Umweltgiften ist eigentlich immer dieselbe: „Es könnte ja vielleicht ..." Ich kenne das aus der betrieblichen Praxis zur Genüge. Neben den gesundheitlichen Schäden hat die Betroffene zudem einen hohen materiellen Schaden zu tragen. Das Haus der Petentin ist auf Grund noch immer vorhandener Insektizidrückstände unbewohnbar geworden. Wegen Zahlungsunfähigkeit des Schädlingsbekämpfers konnte aber der gerichtlich festgestellte Schadensersatzanspruch nicht vollstreckt werden.
Dieser tragische Fall ist aber nur einer von vielen. Aus ihnen ergeben sich folgende Fragen: Erstens. Wie kann es sein, daß die amerikanische Gesundheitsbehörde bereits 1987 Pyrethroide in die Liste der 50 bedenklichen Stoffe aufgenommen hat, in der

Eva Bulling-Schröter
Bundesrepublik aber diese zu den stärksten bisher bekannten Nervengiften zählenden Stoffe in die hiesige Gefahrstoffverordnung immer noch nicht aufgenommen wurden? Im Gegenteil, Unternehmen wie beispielsweise der Bayer-Konzern als größter Hersteller pyrethroidhaltiger Schädlingsbekämpfungsmittel können ihr pyrethroidhaltiges Produktangebot immer weiter ausweiten. In - das wurde vorhin schon gesagt - Wollsiegel-Teppichen, Matratzen, überall, selbst auf dem Acker machen sie sich breit, so zu lesen in einer Publikation der Koordination gegen Bayer-Gefahren.
Im besagten Petitionsfall weist das Bundesministerium für Gesundheit einfach darauf hin, daß die Verantwortung für den Einsatz dieser hochtoxischen Mittel grundsätzlich beim Hersteller bleibt, weil bislang kein Zulassungsverfahren bestehe. Verantwortung sollen also jene wahrnehmen, die mit dem Einsatz der Mittel Geld verdienen und denen deshalb der Gesundheitsschutz herzlich egal sein kann - eigentlich ein Skandal.
Zweitens. Wer kommt für Schadensersatzansprüche auf, wer schützt die Opfer? Eine Haftpflichtversicherung für Schädlingsbekämpfer wäre ein Anfang, damit die Geschädigten wenigstens eine sichere Schadensregulierung erhalten. Aber warum wird die chemische Industrie hier völlig aus ihrer sogenannten Verantwortung entlassen? Bei einer Haftpflichtversicherung zahlt doch letztlich der Schädlingsbekämpfer für ein für ihn oft unüberschaubares Risiko, welches die großen Konzerne mit ihren Chemiecocktails produzieren.
Die Bundestagsgruppe der PDS unterstützt den Antrag der SPD als ersten Schritt, weil es uns vor allem um ein schnelles Verbot des Einsatzes, aber natürlich auch um ein generelles Verbot dieser Umweltgifte geht.

(Beifall bei der PDS und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Dr. Rita Süssmuth (CDU):
Rede ID: ID1305535800
Als nächsten bitte ich den Parlamentarischen Staatssekretär Walter Hirche.

Walter Hirche (FDP):
Rede ID: ID1305535900
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es sind hinreichend viele Fälle bekannt, die den Schluß nahelegen, daß Pyrethroide nachteilige Auswirkungen auf den Menschen haben können. Besonders häufig werden als Symptome Kopfschmerzen, schmerzhafte Reizungen der Haut und der Schleimhäute im Gesichtsbereich sowie lokale leichte Narkoseerscheinungen wie ein Taubheitsgefühl registriert.
Diese Fälle traten allerdings in der Regel nach Fehlanwendungen auf, wenn also Schädlingsbekämpfungsmittel in übertriebener Menge oder zu oft und zu lange ausgebracht wurden. Zum anderen sind die beobachteten Symptome nach heutigem Kenntnisstand als reversibel anzusehen, d. h., blei-
bende Schäden wurden nicht beobachtet. Das ist anders, als Herr Rochlitz hier dargestellt hat; davon ist nichts belegt. Andererseits gibt es auch keine repräsentativen Untersuchungen.

(Dr. Jürgen Rochlitz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich kann Ihnen das zeigen! Eine Berufskrankheit!)

Das heißt dennoch nicht, daß nicht auch vorübergehende Symptome die betroffenen Menschen belasten und hier Abhilfe zu schaffen ist.
Was ist zu tun? Ich will nur drei Punkte nennen.
Erstens. Wichtig ist eine sachgerechte Aufklärung der Öffentlichkeit bis hin zu Warnhinweisen bei bestimmten Produkten. Das Bundesinstitut für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinärmedizin und das Umweltbundesamt haben mehrfach vor der übermäßigen Ausbringung von Schädlingsbekämpfungsmitteln, insbesondere von Pyrethroiden, in Innenräumen gewarnt. Dies hat nicht nur mit dem Schutz der Verbraucher vor einer vermuteten Gefahr zu tun, sondern auch damit, daß im Sinne einer Ressourcenschonung der Einsatz von Chemikalien nur dann erfolgen sollte, wenn er notwendig und sinnvoll ist.

Dr. Rita Süssmuth (CDU):
Rede ID: ID1305536000
Herr Staatssekretär, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Dr. Rochlitz?

Walter Hirche (FDP):
Rede ID: ID1305536100
Ja, bitte.

Prof. Dr. Jürgen Rochlitz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1305536200
Herr Staatssekretär, sind Sie bereit, folgendes zur Kenntnis zu nehmen? Mit Genehmigung der Frau Präsidentin möchte ich hier aus einem Bescheid der Landesunfallkasse der Freien und Hansestadt Hamburg zitieren. Es wurde „eine durch Pyrethroide verursachte Erkrankung" festgestellt.
Als Folgen der Krankheit werden anerkannt: Negativ beeinflußte vorbestehende persistierende Leukozytose und Erhöhung der Blutsenkungsgeschwindigkeit, diskrete Hirnatrophie, auch im Kleinhirnbereich, ... in den ... Untersuchungen gesicherte diskrete Zeichen einer älteren neurogenen Läsion .. .
Dies ist anerkanntermaßen eine Berufskrankheit auf der Basis des Einwirkens von Pyrethroiden, sicherlich in hoher Konzentration.
Würden Sie des weiteren zur Kenntnis nehmen, daß es der Vorsorge dienen würde, wenn man hier Verbote ausspräche?

Walter Hirche (FDP):
Rede ID: ID1305536300
Ich darf noch einmal sagen - das haben Sie selber eben gesagt -: Es handelt sich um Fehlanwendungen. Zweitens habe ich gesagt: Bleibende Schäden sind nicht anerkannt. Ich habe dann hinzuge-

Parl. Staatssekretär Walter Hirche
fügt, daß wir trotzdem im Sinne von Vorbeugung und Vorsorge etwas tun wollen.
Ich komme damit zu den beiden anderen Punkten, die ich anführen wollte.
Zweitens. Es ist wichtig, daß dann, wenn gravierender Schädlingsbefall z. B. in Schulen, Altenheimen oder Krankenhäusern auftritt, unter angemessenen Bedingungen bekämpft wird, daß professionelle Schädlingsbekämpfer eingesetzt werden müssen. Dafür muß gesorgt werden; das ist ein Anliegen der Bundesregierung. Deswegen wurde die Gefahrstoffverordnung so geändert, daß künftig bei bestimmten Schädlingsbekämpfungsmitteln die Schädlingsbekämpfer ihre Sachkunde nachzuweisen haben.
Drittens. Die beste Lösung zur Regelung der Vermarktung und des Einsatzes von Schädlingsbekämpfungsmitteln ist sicher ein Zulassungsverfahren, wie dies auch für andere Stoffe und Zubereitungen mit speziellen Auswirkungen auf Lebewesen wie Arzneimittel und Pflanzenschutzmittel existiert.
In Europa wird derzeit über eine Richtlinie über das Inverkehrbringen von Biozid-Produkten beraten. Allerdings wissen wir alle: Die Prozesse dort dauern manchmal etwas länger als berechnet. Wir erwägen, vorzuschreiben, daß in Schädlingsbekämpfungsmitteln, die an private Verbraucher abgegeben werden, nur bestimmte Wirkstoffe eingesetzt werden dürfen.
Ein generelles Verbot nach § 17 des Chemikaliengesetzes - damit komme ich zum zweiten Teil Ihrer Frage -, wie im Antrag der SPD-Fraktion gefordert, hält die Bundesregierung nach heutigem Erkenntnisstand für eine überzogene Reaktion. Einem generellen Verbot stehen sowohl die echte Notwendigkeit einer Schädlingsbekämpfungsmaßnahme in Seuchenfällen als auch die bei sachgerechter Anwendung gegenüber früher gängigen Schädlingsbekämpfungsmitteln immer noch günstig zu bewertenden Gesamteigenschaften der Pyrethroide entgegen.
Um den Verbraucher in die Lage zu versetzen, selbst zu entscheiden, ob er solche Heimtextilien akzeptiert oder nicht, wurde die Industrie aufgefordert, eine entsprechende Kennzeichnung der Textilien vorzunehmen. Vorschläge dazu werden derzeit geprüft.
Die zweite Forderung des SPD-Antrags nach Sachkundepflicht ist übrigens schon im wesentlichen erfüllt. Die Gefahrstoffverordnung enthält die erforderliche Regelung hierzu.
Meine Damen und Herren, ich fasse wegen der Kürze der Zeit zusammen: An Stelle von Verbotsregelungen in Einzelfällen strebt die Bundesregierung eine europaweite, umfassende Zulassungsregelung für Biozide, einschließlich der Pyrethroide, an, wie sie der Vorschlag der EG-Kommission über das Inverkehrbringen von Biozid-Produkten vorsieht. Daneben geht es darum, die Information für den Verbraucher zu verbessern. Die beteiligte Industrie ist aufgerufen, über die Kennzeichnungspflicht ihren Beitrag zu leisten.
Wir wollen keine Verbotsgesellschaft und deshalb keine Verbote an einer Stelle, wo sie nicht notwendig sind. Wir wollen allerdings, daß die Verantwortung des Verbrauchers beim Umgang mit Produkten, die er kauft, gestärkt wird.

(Beifall bei der CDU/CSU Dr. Jürgen Rochlitz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

wurde früher auch argumentiert bei Pentachlorphenol! )

Dr. Rita Süssmuth (CDU):
Rede ID: ID1305536400
Ich schließe die Aussprache. Interfraktionell wird vorgeschlagen - -

(Zurufe von der SPD: Wir haben noch Redezeit! Horst Kubatschka [SPD]: Das Geld muß hier hart verdient werden!)

- Nur zu.

(Heiterkeit)

Entschuldigen Sie, ich hatte Frau Dr. Angelica Schwall-Düren schon auf der Rednerliste gestrichen. Das geschah durch die Änderung der Reihenfolge der Redner.

(Dr. Angelica Schwall-Düren [SPD]: Das war ja noch zu klären!)

- Das war ja noch zu retten. Vielleicht sind wir uns bis zur Abstimmung darüber einig, wer die Federführung übernimmt.
Ich erteile Ihnen, Frau Schwall-Düren, das Wort.

Dr. Angelica Schwall-Düren (SPD):
Rede ID: ID1305536500
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Herren und Damen! Meine Kollegen Frau Steen und Herr Rochlitz haben, so denke ich, eindrucksvoll deutlich gemacht, daß ein Pyrethroidverbot tatsächlich notwendig ist.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Herr Kahl - ich weiß gar nicht, wo Sie sind -, ich wundere mich über das, was Sie hier vorgetragen haben. Ich meine, mich zu erinnern, daß ich Ihre verharmlosende Einschätzung bei einer Stellungnahme des Industrieverbandes Agrar gelesen habe. Es ist schon fragwürdig, wenn man seine Informationen so einseitig bezieht.
Ich halte es für Zynismus, wenn davon die Rede ist, daß die Verbraucher mehr Selbstverantwortung an den Tag legen sollen, wenn sie mit Produkten in Kontakt gebracht werden, deren Behandlung mit Pyrethroiden sie gar nicht kennen können und wozu es gar keine Alternativen gibt.
Wir haben schon in der Vergangenheit mehrfach ein Einschreiten der Bundesregierung angemahnt. Dies war bisher ohne Erfolg. Trotz der Warnungen des Bundesgesundheitsamtes in den Jahren 1989, 1990 und 1993 - das möchte ich hier betonen - und trotz der Versprechen Herrn Töpfers, sich im Rahmen einer EU-Biozid-Richtlinie um eine schnelle Rege-

Dr. Angelica Schwall-Düren
lung zu bemühen und schon vor deren Verabschiedung Maßnahmen zum Schutz der menschlichen Gesundheit gegenüber Pyrethroiden zu ergreifen, ist nichts geschehen.

(Antje-Marie Steen [SPD]: Hört! Hört!)

Mit gestrigem Datum teilt mir Frau Bergmann-Pohl mit, daß die Beratungen über den Richtlinienvorschlag nicht kurzfristig zum Abschluß kommen werden.
Ich dachte eigentlich, daß das Votum des Petitionsausschusses, daß Gesundheitsrisiken nur dann ausgeschlossen werden könnten, wenn der Gebrauch von Pyrethroiden in Innenräumen völlig verboten würde, die Hoffnung wachsen lassen würde, daß wir jetzt tatsächlich im Sinne des gesundheitlichen Verbraucherschutzes zu einer einvernehmlichen Regelung kommen könnten. Die Stellungnahmen von Herrn Kahl und Frau Homburger lassen mich wieder enttäuscht zurück.
Der Petitionsausschuß hat ebenfalls festgestellt, daß die von Ihnen angesprochenen Warnhinweise nicht ausreichen.
Die Bundesregierung prüft ja nun tatsächlich - so wurde mir mitgeteilt -, ob Maßnahmen zum Schutz des Verbrauchers hinsichtlich der Verwendung von Schädlingsbekämpfungsmitteln und anderen Biozidprodukten im Haushalt über die bestehenden Regelungen hinaus zu treffen sind. Aber gleichzeitig wird gesagt: Ein innerhalb der Bundesregierung abgestimmter Verordnungsentwurf liegt noch nicht vor.
Sehr geehrte Damen und Herren, auch das Gesundheitsministerium scheint sich - wie der Umweltminister der letzten Legislaturperiode, und die Stellungnahme von Staatssekretär Hirche läßt ähnliches vermuten - vor allen Dingen darauf zu verstehen, in bezug auf den Gesundheitsschutz der Bürgerinnen und Bürger bei Ankündigungen stehenzubleiben.

(Horst Seehofer [CDU/CSU]: Lassen Sie uns in Ruhe, gelt!)

Wir müssen aber schnell handeln.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wenn wir, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen, mit unserem Antrag ebenfalls verlangen, daß nach einer Frist von drei Jahren nur noch geprüfte Schädlingsbekämpfer gewerblich tätig sind und daß mit der Prüfung ein qualifizierter Sachkundenachweis erbracht werden muß, so geschieht dies, wie dargestellt, aus gutem Grund.
Nun höre ich, daß das alles schon erledigt sein soll. Meiner Kenntnis nach ist aber in die Gefahrstoffverordnung die Stoffgruppe der Pyrethroide noch nicht aufgenommen. Ich lasse mich jedoch gern eines Besseren belehren.
Die Bundesregierung gibt ja selbst zu, daß es in der Schädlingsbekämpfung tatsächlich notwendig ist, mit mehr Professionalität vorzugehen. Uns kommt es auch darauf an, daß nichttoxische Schädlingsbekämpfungsmethoden in diese Sachkunde eingeschlossen sind.
Ich komme noch zur Haftpflichtversicherung für gewerbliche Schädlingsbekämpfer. Dieser Fall, den der Petitionsausschuß behandelt hat, ist ja nun kein Einzelfall. Er ist gerichtlich anerkannt, ein rechtskräftiges Urteil liegt vor; und dennoch können die Geschädigten, weil die Schädlingsbekämpfer nicht liquide sind, nicht an Entschädigungen kommen. Deshalb ist die Haftpflichtversicherungspflicht für alle Beteiligten eine letzte Absicherung.
Gerade die durch bittere Einzelfallerlebnisse sichtbar gewordenen Auswirkungen zeigen uns, daß wir in der modernen Industriegesellschaft vielfach Mittel anwenden, deren Wirkung wir nicht übersehen. Deshalb ist es dort, wo wir auf Grund mangelnder Kenntnisse oder fehlerhaften Verhaltens die schädigenden Wirkungen nicht verhindern können, notwendig, daß wir diese Schäden wenigstens eindämmen und abmildern.
In diesem Sinne bitte ich Sie sehr herzlich um Unterstützung bei der Beratung unseres Antrags in den entsprechenden Ausschüssen.
Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und der PDS)


Dr. Rita Süssmuth (CDU):
Rede ID: ID1305536600
Meine Damen und Herren, ich schließe die Aussprache.
Interfraktionell wird vorgeschlagen, die Vorlage auf Drucksache 13/1478 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse zu überweisen. Die Federführung ist jedoch strittig. Die Fraktion der CDU/ CSU wünscht Federführung beim Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit; die SPD wünscht Federführung beim Ausschuß für Gesundheit. Gibt es auch noch einen F.D.P.-Vorschlag? - Nein .
Wer stimmt für den Überweisungsvorschlag der SPD? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Überweisungsvorschlag ist mit den Stimmen der CDU/CSU und der F.D.P. gegen die Stimmen der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS abgelehnt.
Wer stimmt für den Überweisungsvorschlag der CDU/CSU? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Überweisungsvorschlag ist gegen die Stimmen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - bei der PDS war es nicht so ganz klar - angenommen. Die Federführung liegt also beim Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit. Ich wünsche ihm gute Gesundheit.
Ich rufe Tagesordnungspunkt 12 auf:
Beratung des Antrags der Abgeordneten Peter
Bleser, Dr. Susanne Tiemann, Christian Lenzer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion



Präsidentin Dr. Rita Süssmuth
der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Jürgen Türk, Paul K. Friedhoff, Ulrich Heinrich, Günther Bredehorn und der Fraktion der F.D.P.
Anpassung des Bergrechts - Drucksache 13/2359 —
Überweisungsvorschlag:
Ausschuß für Wirtschaft (federführend)

Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Rechtsausschuß
Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten
Nach einer Vereinbarung im Ältestenrat ist für die Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. - Ich sehe keinen Widerspruch. Wir verfahren so.
Es beginnt der Kollege Gottfried Tröger.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1305536700
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Ihnen vorliegende Antrag der Regierungskoalition auf Drucksache 13/2359 dient der Anpassung des zwischen den alten und den neuen Bundesländern bestehenden unterschiedlichen Bergrechts bei oberflächennahen Berggütern wie Kies, Sand und Steinen.
Gestatten Sie mir zunächst einige grundsätzliche Anmerkungen. In den alten Bundesländern ist der Eigentümer von Grund und Boden gleichzeitig Eigentümer dieser oberflächennahen Bodenschätze und damit auch Abbauberechtigter. Im Unterschied dazu hieß es im Bergrecht der ehemaligen DDR:
Mineralische Rohstoffe, deren Nutzen von volkswirtschaftlicher Bedeutung ist, sind Bodenschätze und unabhängig vom Grundeigentum als Volkseigentum zu betrachten.
Diese unterschiedliche Rechtsstellung der Grundeigentümer wurde im Einigungsvertrag für die neuen Bundesländer so übernommen und den Grundeigentümern somit das Verfügungsrecht auch weiterhin entschädigungslos entzogen. Die gute Absicht, mit dieser Regelung eine schnelle Verfügbarkeit der Rohstoffe zu sichern, war zum damaligen Zeitpunkt gerechtfertigt -

(Vera Lengsfeld [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gestehen Sie wenigstens einmal einen Fehler ein!)

- Sie müssen hören, was ich sage -, besonders im Hinblick auf die Bedeutung für die Bauwirtschaft und den Verkehrswegebau. Hemmnisse wie langwierige Rückübertragungsansprüche und ungeklärte Eigentumsfragen konnten so umgangen werden.
Weil aber damals allein wirtschaftliche Belange ausschlaggebend waren und weder Eigentümerrechte noch Interessen des Umwelt- oder Naturschutzes Berücksichtigung fanden, gerät diese Regelung heute, nach fünf Jahren, immer heftiger unter Kritik und ist der Zeit unangemessen.

(Vorsitz : Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer)

Die dazu seit 1992 beim Bundesverfassungsgericht anhängige Klage von mehr als 15 Grundeigentümern unterstreicht dies ebenso wie das Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes aus dem Jahre 1993, welches die Rechtfertigung einer dauerhaften Abspaltung des Gewinnungsrechtes oberflächennaher Bodenschätze vom Grundeigentum ausdrücklich offenläßt. Das heißt, die als Übergangsregelung formulierte Rechtssituation wird fragwürdig, wenn versucht wird, zur Wahrung wirtschaftlicher Interessen daraus eine Dauerlösung zu machen. Nach Informationen des Oberbergamtes Freiberg in Sachsen waren bereits vor einem Jahr Abbaurechte für mehr als die Hälfte der Vorkommen an oberflächennahen Berggütern vergeben. Darunter sind bei derzeitigem Abbau Rechte für zehn bis 15 Jahre zu verstehen.
Vor diesem Hintergrund ist die Fortsetzung der Benachteiligung der Grundeigentümer in den neuen Bundesländern nicht mehr hinnehmbar. Entmündigt und ihrer Wirtschaftskraft beraubt, fühlen sie sich als „Gast im eigenen Land", wenn die Bagger meist altbundesdeutscher Bauunternehmer ihre Rohstoffvorkommen leerräumen.
Eine Regelung im Anhang des Einigungsvertrages räumt dem Bundeswirtschaftsminister ein, per Rechtsverordnung eine andere Zuordnung dieser oberflächennahen Bodenschätze vorzunehmen. In Kenntnis dessen reichte der Freistaat Thüringen im Bundesrat eine Entschließung zu diesem Anliegen ein. Der Bundesrat forderte daraufhin am 12. Mai 1995 die Bundesregierung auf, eine Rechtsvereinheitlichung auf dem Gebiet des Bergrechtes herbeizuführen.
Ein Wort noch zu den vom Bundesfinanzminister und von den Länderfinanzministern befürchteten Einnahmeausfällen. Weil diese Übergangslösung hätte längst beendet werden müssen, haben Bund und Länder länger an der Konzessionsabgabe verdient, als ihnen zugestanden hätte. Mit gutem Grund hat der Antragsteller für den Geltungstermin der Rechtsverordnung einen Rückgriff auf den 1. März dieses Jahres vorgesehen.
Damit sollte verhindert werden, daß im Wissen um die bevorstehende Veränderung der Rechtslage Bewilligungen und Abbaugenehmigungen in Größenordnungen beantragt und vergeben werden, die die Rechtsangleichung an sich für die Grundeigentümer gegenstandslos werden läßt.
Obwohl für eine Vielzahl Betroffener diese Regelung zu spät kommen wird, kann vorliegender Prüfauftrag dazu beitragen, ein Stück Vertrauen in die Bundesrepublik bei ostdeutschen Grundeigentümern zurückzugewinnen.
Lassen Sie uns nicht erst auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes warten, sondern mittels der Autorität dieses Hauses ein Zeichen zur Verwirklichung der inneren Einheit dieser Bundesrepublik Deutschland setzen!
Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1305536800
Es spricht jetzt der Kollege Hans-Joachim Hacker.

Hans-Joachim Hacker (SPD):
Rede ID: ID1305536900
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren, auch auf den Tribünen und vor den Bildschirmen! Herr Tröger, ich bin schon etwas ernüchtert. Das, was Sie uns hier geboten haben, war wirklich das Nullimit.

(Zuruf von der CDU/CSU: Das war eine gute Jungfernrede!)

Wir haben dieses Thema schon vier Jahre behandelt. Ich hätte erwartet - Herr Petzold wird sicherlich darauf eingehen -, daß Sie ein bißchen die Historie bewerten. Alles das, was Sie heute anbieten und in Aussicht stellen, sind genau die Forderungen, die die SPD-Bundestagsfraktion genau seit drei Jahren im Deutschen Bundestag zur Sprache bringt und bei denen sie auf eine Lösung dringt.
Deswegen komme ich zu dem Ergebnis, daß eine scheinbar endlose Geschichte heute in eine weitere Runde gelangt: die Frage der vermögensrechtlichen Zuordnung von mineralischen Bodenschätzen in den neuen Ländern, d. h. die notwendige Vereinheitlichung des Bergrechtes in Deutschland.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, man kann die Diskussion nicht ohne einen Rückblick auf die Geschichte dieser Debatte führen. Bereits im Jahre 1991 hatte ich in einem Brief vom 22. Februar an den damaligen Bundeswirtschaftsminister Jürgen W. Möllemann - schade, daß er nicht da ist - diese Problematik angesprochen und gebeten zu prüfen, inwieweit die bestehende Regelung im Einigungsvertrag, wonach eine Neuzuordnung von bergfreien hochwertigen Steinen und Erden möglich ist, tatsächlich umgesetzt werden kann.
Die Antwort des damaligen Bundeswirtschaftsministers Jürgen W. Möllemann entbehrt nicht einer gewissen Pikanterie, wenn man sich den heute von der Koalition eingebrachten Antrag anschaut. Ich möchte einen Satz aus dem Brief vom 15. März 1991 zitieren, um die Problematik deutlich zu machen, die in Ihrem Antrag steckt, vor allen Dingen vor dem Hintergrund der jahrelangen Diskussion. Herr Möllemann schrieb:
In dieser Verordnung
- das ist die Verordnung vom 15. August 1990 -
sind u. a. alle volkseigenen Bodenschätze aufgezählt und in einer Art und Weise umschrieben worden, die an das Bundesberggesetz angelehnt ist. Die Voraussetzungen
- jetzt kommt das Entscheidende -
für eine Inanspruchnahme der im Einigungsvertrag erhalten gebliebenen Verordnungsermächtigung sind daher nicht mehr gegeben.
Gleiches führte auch Herr Staatssekretär Kolb in seiner Rede im Plenum aus. Die gleiche Argumentation wurde von ihm auch im Wirtschaftsausschuß des Deutschen Bundestages vorgetragen.
Ich frage Sie also: Warum wird jahrelang argumentiert, die Verordnungsermächtigung geht nicht? Jetzt kommen Sie mit dieser Krücke und wollen damit das Problem für die Menschen, das Sie produziert haben, lösen.
Nicht bestritten wurde allerdings, daß tatsächlich eine Ungleichheit bei der rechtlichen Regelung in den neuen Ländern gegenüber der Rechtssituation in den alten Ländern besteht.
Die parlamentarischen Initiativen der SPD-Bundestagsfraktion in der letzten Legislaturperiode wie auch in dieser Legislaturperiode zielen genau darauf ab, diese Ungleichheit zu beseitigen; das vor allen Dingen vor dem Hintergrund, daß wir über vier, ja nahezu fünf Jahre mit einer erheblichen Konsequenz die Rechtseinheit in Deutschland gestaltet haben. Gerade in diesem Bereich, im Bergrecht, ist die Rechtsuneinheitlichkeit erhalten worden. Die Begründungen, die dafür angezogen worden sind, sind nicht exakt und nicht nachvollziehbar.
Ihnen fehlte die Konsequenz, gleiches Recht in bezug auf das Bergrecht in den neuen Ländern zu schaffen. Auch der heutige Antrag wird dem Anspruch, der an uns gestellt ist, nicht gerecht, nämlich bei mineralischen Bodenschätzen einheitliches Recht zu schaffen. Sie, meine Damen und Herren von der Koalition, haben damit auch in den neuen Ländern vor Ort Konflikte unnötigerweise eskalieren lassen, die jetzt offen ausgebrochen sind, weil Privatgrundstücke mit Bergwerksrechten der Treuhand belastet worden sind. Wenn Sie unseren Anträgen gefolgt wären, hätten Sie auch einen Beitrag dazu geleistet, die Verantwortung und die Mitwirkungsrechte der kommunalen Gebietskörperschaften bei der Entscheidung über den Abbau von Rohstoffen zu stärken und in diesem Prozeß den Belangen des Umweltschutzes mehr Bedeutung beizumessen. All dieses haben Sie leider nicht getan. Sie haben den Prozeß der Herstellung der Rechtseinheit in Deutschland in dieser Hinsicht massiv verzögert, und Sie haben den Streit vor Ort, wie ich das bereits sagte, provoziert.
Meine Damen und Herren, es stellt sich jetzt die Frage, ob mit dem vorgelegten Antrag der Fraktionen von CDU/CSU und F.D.P. das dringende Regelungsbedürfnis in den neuen Ländern befriedigt wird und ob Rechtseinheit im Bergrecht tatsächlich hergestellt wird. Das ist ja immer das Ziel gewesen. Ich komme zu der Bewertung, daß der vorliegende Antrag diesen Erwartungen nicht gerecht wird. Er ist inhaltlich unausgegoren, weil er nicht zur Rechtseinheit führt, und er wird zudem mit einer Fristenregelung beschwert, die es uns unmöglich macht, eine sachgerechte Prüfung der Problematik, über die wir seit mehr als zwei Jahren diskutieren, durchzuführen.
Wenn man sich den Antrag anschaut, dann stellt man fest, daß der Bundestag lediglich die Bundesregierung auffordern soll, eine Prüfung durchzuführen, ob denn nun endlich die bergfreien hochwertigen Steine und Erden durch Rechtsverordnung den grundeigenen Bodenschätzen im Sinne des Bundesberggesetzes angepaßt werden können. Dieses ent-

Hans-Joachim Hacker
spricht aber nicht der Rechtslage in den alten Bundesländern. Hier sind die vergleichbaren Bodenschätze nicht unter den Geltungsbereich des Bundesberggesetzes gestellt. Es handelt sich bei diesen Bodenschätzen um Grundeigentümerbodenschätze, und insofern gelingt mit Ihrem Antrag, meine Damen und Herren von der Koalition, die Herstellung der Rechtseinheit nicht.
Daran - Herr Petzold, das wissen Sie genausogut wie ich - ändert auch die völlig fehlerhafte Information unseres Kollegen - das darf ich einmal so sagen - Kolbe aus Sachsen nichts, der jetzt verkündet, mit dem neuen Antrag würde das Problem der rechtlichen Uneinheitlichkeit in Deutschland überwunden. Ich nehme Sie dafür hier auch nicht in die Pflicht, weil ich weiß, daß Sie im Grunde genommen zu dieser Problematik eine andere Auffassung haben als Herr Kolbe. Ich will damit nur zum Ausdruck bringen: So wird hier für die neuen Länder Politik gemacht. Das finde ich nicht in Ordnung.
Ich frage Sie, meine Damen und Herren von der Koalition, vor dem Hintergrund der jahrelangen Diskussion: Warum soll nun im Gesetzgebungsprozeß, den Sie einleiten, den wir schon seit Jahren fordern, ein derartig unnötiger Zeitdruck entwickelt werden? In dem vorliegenden Antrag fordern Sie die Bundesregierung auf, dem Bundestag bis zum 1. Oktober 1995, also innerhalb von 14 Tagen, einen Bericht zu erstatten. Wir können einem solchen Zeitdruck nicht zustimmen; wir sind der Auffassung, daß jetzt das umgesetzt werden muß, was seit Monaten gefordert wird, daß nämlich eine Anhörung durchgeführt wird und daß in dieser Anhörung - das kann innerhalb von wenigen Wochen geschehen - die Probleme, die auf der Tagesordnung stehen, inhaltlich durchdiskutiert werden und daß vor allen Dingen die Interessen der Betroffenen, d. h. der Kommunen und der Bürgerinitiativen, die sich in den neuen Ländern ja weitflächig gebildet haben, Berücksichtigung finden. Gerade darum geht es uns; es geht uns darum, daß die Interessen der Kommunen, ganz gleich, in welchem Land und bei welcher parteipolitischen Konstellation, Berücksichtigung finden und daß wir die Forderungen der Bürger, die von diesem Abbau betroffen sind und die sich in Bürgerinitiativen zusammengefunden haben, endlich stärker berücksichtigen.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1305537000

Im Ergebnis sollten in der Tat - wie in den alten Bundesländern auch - die Baugrundstoffe Sand und Kies von den Regelungen des Bundesberggesetzes ausgenommen werden, mit der Folge, daß insbesondere die sogenannte Bergbau-Vorrangklausel für diese Rohstoffe entfällt und eine verstärkte Mitwirkungsmöglichkeit der Umweltbehörden sowie der kommunalen Planungsträger erreicht würde.
Genau das ist der Punkt, auf den unsere Anträge seit Jahren abzielen, und das ist der Punkt, über den wir bereits in diesem Jahr die Diskussion geführt haben. Bei dieser Diskussion haben Sie aber genau diese Forderung leider nicht unterstützt. Ich fordere Sie auf, ich bitte Sie: Schließen Sie sich jetzt unseren Forderungen an, vor allen Dingen in der Hinsicht - das fasse ich jetzt noch in drei Punkten zusammen -, daß wir tatsächlich Rechtseinheit in Deutschland herstellen. Es kann nicht angehen, daß im fünften und sechsten Jahr der deutschen Einheit noch unterschiedliches Recht in den neuen und alten Ländern existiert.
Stimmen Sie zu, daß die Kommunen endlich Mitwirkungsrechte und auch Mitwirkungsverantwortung bekommen, und stimmen Sie auch zu, daß wir die Umweltverträglichkeitsprüfung einführen, das heißt, auf einem höheren Niveau als bisher die Fragen des Umweltschutzes in den neuen Ländern bei der Entscheidung über den Kiesabbau und über den Abbau anderer Stoffe prüfen! Ich bitte Sie herzlich: Schließen Sie sich insofern unserem Antrag an, der seit Monaten im Deutschen Bundestag liegt!
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD)


Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1305537100
Das Wort hat jetzt die Kollegin Vera Lengsfeld.

Vera Wollenberger (CDU):
Rede ID: ID1305537200
Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Kollege Tröger, ich war auch etwas überrascht von Ihrem Beitrag; denn wir diskutieren seit fünf Jahren dieses Berggesetz und hatten auch in diesem Hohen Hause schon drei Debatten, eine davon im übrigen Anfang dieses Jahres. Das hätte Ihnen eigentlich nicht verborgen bleiben dürfen.
Wir haben das Bergrecht debattiert, weil mit der Regelung der Anlage II des Einigungsvertrages in Kapitel V, Sachgebiet D, „Recht des Bergbaus und der Versorgungswirtschaft", nicht nur zweierlei Recht in Deutschland in bezug auf Rohstoffsicherung und -gewinnung festgeschrieben wurde, sondern von Anfang an - dieses Problem spart Ihr Antrag völlig aus - gegen Kapitel III, Rechtsangleichung, Artikel 10, Recht der Europäischen Gemeinschaften, und damit gegen geltendes Recht der EG verstoßen wurde. Das bestätigte kürzlich die Europäische Kommission auf Anfrage der grünen Europaabgeordneten Elisabeth Schroedter. Von all diesen Problemen findet sich in Ihrem Antrag kein Wort.
Die gängige Praxis in den neuen Bundesländern, Genehmigungsverfahren für Rahmenbetriebspläne im Bergbau durchzuführen, stellt einen eklatanten Verstoß gegen die Durchsetzung der europäischen Umweltverträglichkeitsrichtlinie dar. Durch Beschwerden von Umweltschutzverbänden in den neuen Bundesländern wurde von der EG-Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesregierung eingeleitet, welches nun auch den Europäischen Gerichtshof beschäftigen wird. Es be-

Vera Lengsfeld
steht also in der Tat Handlungsbedarf; aber von diesen Problemen war in Ihrem Antrag - ich wiederhole es - nicht die Rede. Spätestens jetzt, da ein Verfahren beim Europäischen Gerichtshof anhängig ist, sollten wir wenigstens über dieses Problem reden.
Der uns vorliegende Antrag der Regierungskoalition zur Anpassung des Bergrechts in Deutschland stellt den Versuch dar, fünf Jahre nach der deutschen Einheit die Rechtsprinzipien auf dem Gebiet des Bergbaus zu vereinheitlichen, ohne allerdings die eben genannten Verstöße gegen geltendes EG-Recht zu korrigieren.
Warum die Regierungskoalition diesen Antrag überhaupt gestellt hat, ist aus der Begründung nicht ersichtlich, jedenfalls nicht für mich. Im Stile eines deutschen demokratischen Politbürorechenschaftsberichtes wird erst einmal darüber geschrieben, wie erfolgreich das System der Bergfreiheit der Bodenschätze sich bewährt habe, und zwar - ich zitiere; das muß man sich auf der Zunge zergehen lassen - durch die „Aufrechterhaltung der schon zu DDR-Zeiten vergebenen individuellen Rechte".
Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, ich hielt es schon immer für eine der besonderen Scheußlichkeiten des Einigungsvertrages, DDR-Unrecht um vermeintlicher wirtschaftlicher Vorteile willen festzuschreiben, und wir haben ja heute statt der wirtschaftlichen Vorteile in den neuen Bundesländern eine schwere Hypothek zu tragen.
Kürzlich hat mir Innenminister Schuster in Thüringen erzählt, vor welchen Schwierigkeiten das Land Thüringen durch in den letzten Wochen der DDR massenhaft vergebene Bergbaukonzessionen steht. Alle diese Konzessionen, meine Kolleginnen und Kollegen aus der CDU/CSU, wollen Sie aus Gründen der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes unter Bestandsschutz stellen? Das kann doch wohl nicht wahr sein!
Wir haben allein in Thüringen 2 000 Anträge, und zwar - lieber Herr Kollege Tröger, hören Sie zu - nicht nur die nächsten 15, 20 Jahre betreffend, sondern es sind für die nächsten 30, 50, 80 und 100 Jahre Konzessionen vergeben worden.

(Hans-Joachim Hacker [SPD]: Das ist unerhört!)

Die Beispiele kann ich Ihnen im Privatgespräch erläutern. Leider reicht meine Redezeit dazu nicht aus.
Das führt dazu, daß z. B. in Mecklenburg bereits eine Abbaufläche beantragt ist, die der Größe der Insel Rügen entspricht.

(Ulrich Petzold [CDU/CSU]: Beantragt ist!)

Meine Damen und Herren von der CDU, Ihr Antrag kommt fünf Jahre zu spät. Wir müssen jetzt retten, was zu retten ist. Ihr Antrag taugt dazu leider nicht. Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat am Anfang dieses Jahres einen Antrag vorgelegt, der meiner Meinung nach besser geeignet ist, die Probleme zu lösen.
Lassen Sie uns darüber in den Ausschüssen diskutieren. Wir haben da viel zu tun.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD Hans-Joachim Hacker [SPD]: Sie können auch unserem Antrag beitreten!)


Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1305537300
Es spricht jetzt der Kollege Jürgen Türk.

Jürgen Türk (FDP):
Rede ID: ID1305537400
Sehr verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der heute zu behandelnde Antrag zur Anpassung des Bergrechts sichert endlich ein Verfahren, um auch auf dem Gebiet des Bergrechts zur Rechtsangleichung zu kommen.
In der Sache sind wir uns in allen Fraktionen einig - so verstehe ich das jedenfalls -, daß es zu einer Anpassung des Bergrechts und damit zu einer Rechtsvereinheitlichung kommen muß.

(Hans-Joachim Hacker [SPD]: Anpassung oder Vereinheitlichung?)

- Sie sind Jurist; Sie wissen, was ich meine.

(Hans-Joachim Hacker [SPD]: Das ist ein Unterschied!)

Das System der Bergfreiheit der Bodenschätze war ein altes DDR-Recht. Es ist durch den Einigungsvertrag fortgeschrieben worden, um die Rohstoffgewinnung und -versorgung in der Übergangszeit von der zentralen Planwirtschaft zur Marktwirtschaft sicherzustellen. Ich glaube, das war auch bis zu einem gewissen Zeitraum richtig und notwendig. Der Beschluß war von vornherein als eine Übergangsregelung gedacht, und er konnte damit auch nur für eine Übergangszeit Gültigkeit haben. Wir können uns darüber streiten, ob das zu lange gedauert hat. Wichtig ist, daß wir es jetzt endlich machen wollen und werden.
Denn mit der zeitlich befristeten Zuordnung wurde das Verfügungsrecht des Grundeigentümers eingeschränkt. Der Grundeigentümer ging leer aus. Mit dem jetzt vorliegenden Antrag kommen wir endlich zur Gleichbehandlung der Grundeigentümer in Ost- und Westdeutschland.
Wie ich schon in der letzten Debatte am 17. März dieses Jahres ausführte, sind die Bedingungen für ein zweigeteiltes Recht nicht mehr gegeben und die Forderungen einer Anpassung völlig gerechtfertigt oder auch überfällig, wenn Sie so wollen.
Da der Wille zur Anpassung des Bergrechts, wie schon ausgeführt, nach unserer Debatte am 17. März unstrittig war, machte ich mich auf den Weg, das zu klären. Mein Ziel war, das noch vor der Sommerpause hinzubekommen. Es gibt natürlich unterschiedliche Interessen, und deswegen hat sich das weiter verzögert. Um so froher bin ich, daß es jetzt endlich etwas werden wird.

Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1305537500
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Hacker?


Jürgen Türk (FDP):
Rede ID: ID1305537600
Bitte, wenn es nicht zu juristisch-spitzfindig ist.

Hans-Joachim Hacker (SPD):
Rede ID: ID1305537700
Lieber Herr Türk, bitte keine Angst. Weil ich Ihren Diskussionsbeitrag auch für die weitere Beratung in den Ausschüssen für sehr wichtig halte, möchte ich nachfragen: Unterstützen Sie die Forderung, die allenthalben erhoben wird, daß wir zu einer Rechtsvereinheitlichung kommen müssen und auch die Auffassung, daß das immer noch geteilte Bergrecht im wiedervereinigten Deutschland unhaltbar ist? Oder meinen Sie, daß es im Grunde genommen nur kosmetische Änderungen geben soll?

Jürgen Türk (FDP):
Rede ID: ID1305537800
Klare Antwort: richtige Rechtseinheit.

(Hans-Joachim Hacker [SPD]: Ich bedanke mich, Herr Türk! Rolf Schwanitz [SPD]: Dann müssen Sie aber einen anderen Antrag stellen!)

Die Frage, wer und aus welchem Bundesland stammend Interessen hat, wurde schon gestellt. Es läßt sich jetzt nicht mehr ganz genau ergründen, aber es gab sicherlich unterschiedliche Interessen. Die Anpassung im Bergrecht ist jetzt jedenfalls umgehend zu vollziehen. Sie haben vom 1. Oktober gesprochen. Das muß sicherlich aktualisiert werden, wenn es technisch nicht ganz möglich ist. Dazu wird der Staatssekretär sicherlich etwas sagen können.
Ich kann nur hoffen, nachdem bis hin zum Wirtschaftsministerium grünes Licht besteht - wir haben uns da versichert -, daß wir uns im Wirtschaftsausschuß - ich glaube, daß es dort hingehört - so schnell wie möglich auf die Durchführung der Anpassung einigen können.

(Hans-Joachim Hacker [SPD]: Warum muß das Wirtschaftsministerium dem Parlament grünes Licht geben?)

- Jetzt sind wir doch schon wieder bei den Spitzfindigkeiten. Ich wollte damit sagen: Wir haben uns mit dem Wirtschaftsministerium abgestimmt und sind uns einig, daß das schnellstens umgesetzt werden muß.
Die F.D.P.-Fraktion ist jedenfalls nicht mehr bereit
- das sage ich ganz deutlich -, noch einen Tag länger zu warten, an dem das nicht endlich in Angriff genommen wird. Wir wollen die Rechtsvereinheitlichung. Da der Wille zur Vereinheitlichung des Bergrechts besteht, sollte dies jetzt ohne Umwege umgesetzt werden.
Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1305537900
Es spricht jetzt der Kollege Gerhard Jüttemann.

Gerhard Jüttemann (PDS):
Rede ID: ID1305538000
Sehr verehrte Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Eines
möchte ich vorweg richtigstellen: Zu DDR-Zeiten hat es einen solch drastischen Raubbau an Bodenschätzen nicht gegeben.

(Vera Lengsfeld [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Lausitz! Herr Jüttemann, was erzählen Sie denn für Märchen? Zuruf von der SPD: Heiliges Kanonenrohr! Tomaten auf den Augen! Das kann doch nicht wahr sein!)

- Wir reden von diesen Bodenschätzen. Horchen Sie mal gut zu!
Rund 900 Lagerstätten von Bodenschätzen gibt es in Ostdeutschland. Der überwiegende Teil davon wird heute intensiv genutzt. Allein in Sachsen, wo die Hälfte dieser Lagerstätten zu finden ist, hat sich das Abbauvolumen in der kurzen Zeitspanne zwischen 1992 und 1994 von 34 Millionen Tonnen pro Jahr auf 72 Millionen Tonnen mehr als verdoppelt.
In meiner Heimat Thüringen betrug das Volumen 1994 ca. 50 Millionen Tonnen, bei steigender Tendenz. Das entspricht ca. 19 Tonnen pro Einwohner, fast doppelt soviel wie im Bundesdurchschnitt, der bei ca. 10 Tonnen pro Einwohner liegt. Entsprechend geschunden ist das Land. Erholungsgebiete mit üppiger Flora werden zu Stein- und Sandwüsten. Die Anwohner leben in Staub und Lärm, Touristen kommen schon lange nicht mehr. Wenn Sie sich für Details interessieren, dann sehen Sie sich am Dienstag um 20.15 Uhr im MDR das Wirtschaftsmagazin „Umschau" an. Da können Sie erfahren, wie es im Osten mit dem Bergrecht zugeht.
Wenn dort jemand Privatland besitzt, auf dem Bodenschätze festgestellt werden, hat er kaum eine Chance. In einem Verfahren, in dem die Eigentümer „keine demokratischen Grundrechte" haben,

(Clemens Schwalbe [CDU/CSU]: Wie früher in der DDR, oder wie?)

wie der Sprecher der Mittweidaer Bürgerinitiative, Pfarrer Christoph Körner, sagt, droht ihnen die Zwangsverpachtung an die Abbaufirma - für jährlich 11 bis 12 Pfennig pro Quadratmeter.
Möglich gemacht hat das der Einigungsvertrag, den Sie mit Herrn Krause, also mit sich selbst, abgeschlossen haben. Dann haben Sie gewartet, bis fast alle Kinder in den Brunnen gefallen sind.
Ihr heutiger Antrag kommt mindestens zwei Jahre zu spät.

(Vera Lengsfeld [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Fünf!)

Inzwischen ist bereits soviel bewilligt, daß vielerorts bis zum Jahr 2020 abgebaut werden kann, mit all den katastrophalen Folgen.
Aber Ihr Antrag kommt nicht nur zu spät, er greift auch zu kurz. Wieder einmal wollen Sie dem Osten lediglich Ihr Westrecht überstülpen.

(Hans-Joachim Hacker [SPD]: Das ist aber gut, das Westrecht! Unsinn!)


Gerhard Jüttemann
Die Ursprünge des Bundesberggesetzes gehen bis in das vergangene Jahrhundert zurück, als sich Deutschland unabhängig von ausländischen Bodenschätzen machen wollte. Deshalb bevorzugt das Gesetz in so starkem Maße die Förderung von Bodenschätzen gegenüber allen anderen öffentlichen Interessen. Unter anderem deshalb haben auch Kommunen und Bürgerbewegungen nur eingeschränkte Mitspracherechte. Das wollen Sie verewigen.
Wir dagegen fordern die Durchsetzung mindestens der Gleichrangigkeit ökologischer Interessen mit denen der Rohstoffgewinnung. Wir wollen, daß die betroffenen Grundeigentümer, Kommunen und Bürgerinitiativen in allen Phasen des bergrechtlichen Verfahrens wirkliche Mitspracherechte erhalten. Demokratische Basisbeteiligung muß gesetzlich festgeschrieben werden. Auch bei Abbauflächen von weniger als 10 Hektar bzw. Förderung von weniger als 3 000 Tagestonnen müssen Planfeststellungsverfahren mit Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt werden.
Das funktioniert nicht mit einer neuen Rechtsverordnung. Dazu muß das Gesetz umgeschrieben, demokratisiert und vereinheitlicht werden.
Recht schönen Dank.

(Beifall bei der PDS Vera Lengsfeld [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Unser Antrag, Herr Jüttemann!)


Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1305538100
Das Wort hat jetzt der Kollege Ulrich Petzold.

Ulrich Petzold (CDU):
Rede ID: ID1305538200
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben schon wahrlich sehr viel darüber gesprochen. Ich glaube, gerade die heutige Diskussion über das Bergrecht zeigt, wie wichtig eine Parlamentsreform ist, nach der ein solches Fachthema in Fachausschüssen durchgesprochen und nicht hier im Plenum irgendwie abgehandelt wird.
Lieber Herr Hacker, Sie haben leider so gesprochen, als gäbe es das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 24. Juni 1993 nicht. Ich muß Ihnen sagen, es klang auch ein wenig so, als kennten Sie Ihren eigenen Antrag nicht ganz, denn die Unklarheiten bei der Zielsetzung gerade auch Ihres Antrages liegen wohl doch ein bißchen auf der Hand. Auf der einen Seite fordern Sie in der Überschrift eine Rechtsvereinheitlichung, auf der anderen Seite steht im letzten Satz des ersten Absatzes der Begründung, daß Sie davon ausgehen, daß die Bodenschätze weiterhin der Bergaufsicht unterstehen, was bedeuten würde, daß sie also nicht wie in den Altbundesländern Grundeigentümerbodenschätze werden würden, sondern höchstens grundeigene Bodenschätze nach § 3 Abs. 4 des Bundesberggesetzes. Damit, meine sehr geehrten Damen und Herren, lieber Herr Hacker, befinden Sie sich auf dem Weg, den das Land Brandenburg in seinem Antrag eingeschlagen hat und den auch wir als sinnvoll und richtig ansehen und auch irgendwie verfolgen können. Der Antrag des Bundesrates, der eigentlich aus Branden-
burg stammt, ist zwar auch unsauber formuliert, wenn er in der Überschrift ein einheitliches Bergrecht in Ost und West propagiert und im zweiten Anstrich den entscheidenden Unterschied formuliert: im Osten grundeigene Bodenschätze nach Bergrecht; im Westen soll es so wie bisher bleiben: Grundeigentümerbodenschätze außerhalb des Bergrechts.
Trotzdem ist der Ansatz in den neuen Bundesländern, das grundeigene Recht dort durchzusetzen, wo in den alten Ländern das Grundeigentümerrecht gilt, sehr interessant, da dadurch die Rechte der Grundeigentümer weitgehend - ich will nicht sagen: allgemein - gleichgestellt sind. Dieses ist auch Grundlage unserer Überlegungen. Wesentlich für unseren Antrag ist auch, daß im Einigungsvertrag Anlage I, Kapitel V, Sachgebiet D, Abschnitt III, Nr. 1, Buchstabe m, Doppelbuchstabe aa - Sie kennen es alle; das ist auch im Urteil aufgeführt - der Bundeswirtschaftsminister ermächtigt wird, mit Zustimmung des Bundesrates die von uns heute betrachteten mineralischen Rohstoffe innerhalb des § 3 des Bundesberggesetzes anders zuzuordnen. Diese Zuordnung der Bodenschätze von den bergfreien zu den grundeigenen Bodenschätzen wird damit ohne kompliziertes Rechtsverfahren oder Gesetzgebungsverfahren möglich und würde die ganze Sache doch im gegenseitigen Einvernehmen zwischen uns wahrscheinlich sehr beschleunigen.

(Hans-Joachim Hacker [SPD]: Das ist bisher durch das Bundesministerium verneint worden!)

- Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts bejaht dies ja wohl.
Nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts aus dem Jahre 1993 verdichtet sich diese Änderung der Zuordnung des Gewinnungsrechtes zur Pflicht, wenn sich die Verhältnisse der Bereitstellung von Rohstoffen in den neuen Bundesländern angeglichen haben. Um diese Angleichung der Verhältnisse gerichtsfest feststellen zu können - denn ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts steht immer noch aus -, haben wir unseren Antrag mit einem Prüfauftrag versehen. Wir meinen, so der Aufforderung des Bundesverwaltungsgerichts besser nachzukommen.

Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1305538300
Gestatten Sie eine Zwischenfrage Ihres Kollegen?

Ulrich Petzold (CDU):
Rede ID: ID1305538400
Ja, Herr Schwanitz.

Rolf Schwanitz (SPD):
Rede ID: ID1305538500
Herr Petzold, nachdem das Bundesverwaltungsgericht bereits 1993 dieses Urteil gefällt hat und wir vor einem Dreivierteljahr noch eine Debatte gehabt haben, in der Sie die Notwendigkeit der Vereinheitlichung oder der Rechtsangleichung - den Begriff haben Sie gewählt - abgelehnt haben, wie erklärt sich denn nun auf einmal die Erleuchtung, die Sie uns jetzt hier präsentieren?

Ulrich Petzold (CDU):
Rede ID: ID1305538600
Es geht um einen gerichtsfesten Punkt, an dem wir diese Angleichung vornehmen können. Wenn wir diesen gerichtsfesten

Ulrich Petzold
Punkt nicht wählen, werden wir uns vor Prozessen nicht retten können.
Wir sind uns wohl einig, daß gerade dieses andere Recht ganz wesentlich zur Stärkung der Bauwirtschaft in den neuen Bundesländern beigetragen hat. Sie geben das letztendlich auch zu. Es geht darum, den Punkt zu finden, an dem wir wirklich, wie es im Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes heißt, dieses Recht ändern. Hier muß vorher eine vernünftige, ordentliche und tiefgründige Prüfung vorgenommen werden. Diese haben wir im Bundeswirtschaftsministerium - das kann ich klar sagen - nicht erst mit diesem Antrag angemahnt, sondern darüber sind wir mit dem Bundeswirtschaftsministerium schon seit Anfang dieses Jahres im Gespräch, so daß die Prüfung - das kann ich Ihnen versichern - kein Schnellschuß sein wird.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, meine Redezeit geht zu Ende. Deswegen kann ich leider nicht mehr zu all den Punkten etwas sagen, zu denen ich noch etwas sagen wollte, z. B. zu der Salamitaktik. Ich bin der Meinung, daß wir hier durchaus etwas machen können und machen müssen. Das können wir mit einer Regelung zur UVP-Verordnung Bergbau machen. Ich glaube, wir sollten in der Anhörung einen vernünftigen Weg suchen. Ich gehe davon aus, daß das durchaus machbar ist.

Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1305538700
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Hacker?

Hans-Joachim Hacker (SPD):
Rede ID: ID1305538800
Ich möchte Ihre Redezeit verlängern und stelle deshalb noch eine Zwischenfrage.

Ulrich Petzold (CDU):
Rede ID: ID1305538900
Ja, danke schön.

Hans-Joachim Hacker (SPD):
Rede ID: ID1305539000
Ich würde gern noch einmal nachfragen: Das Kernproblem scheint ja zu sein, ob man Rechtsvereinheitlichung oder Rechtsanpassung will. Was halten Sie denn von der Bemerkung der Bundesumweltministerin Frau Dr. Angela Merkel, die eindeutig von Rechtseinheit spricht, d. h. Nichtunterstellung unter das Bergrecht?

Ulrich Petzold (CDU):
Rede ID: ID1305539100
Ich gehe von folgendem aus: Da es schneller und besser möglich ist, zunächst eine Angleichung vorzunehmen, sollten wir diese Angleichung so schnell wie möglich durchführen. Klar ist - Herr Tröger hat das vorhin schon darzustellen versucht -, daß es uns auch um die Eigentumsfrage bei den jetzt noch verbliebenen Grundstücken geht. Sie wissen, daß in Thüringen noch in großem Maßstab Anträge auf Erteilung des Bergrechts vorliegen. Thüringen hält sich da natürlich sehr zurück.

(Vera Lengsfeld [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, mit Recht!)

- Darüber kann man gern diskutieren. Ich gehe davon aus, daß wir hier so schnell wie möglich eine Regelung beschließen. Deswegen auch - ich komme leider nicht mehr dazu, darauf einzugehen - diese
Rückgriffsregelung zum 1. März, die wir unbedingt durchsetzen wollen, damit uns hier nichts wegläuft, nichts anbrennt. Wir wollen hier etwas schaffen, damit der Grundeigentümer nicht mehr wie bisher seine Rechte auf die Bodenschätze verliert.

(Vera Lengsfeld [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

- Ich glaube, wir kommen jetzt in eine allgemeine Diskussion hinein.

Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1305539200
Ich möchte alle Kollegen bitten, von weiteren Zwischenfragen abzusehen. - Ihre Redezeit war bereits vorbei.

Ulrich Petzold (CDU):
Rede ID: ID1305539300
Ich komme zum Schluß. Ich glaube, eine Diskussion zu diesem Punkt ist lohnenswert, und wir sollten sie im Fachausschuß führen. Wir sind sehr gern zu Gesprächen bereit. Aber uns ist erst einmal unser Antrag sehr wichtig, um für die Grundeigentümer wieder eine gewisse Rechtssicherheit zu erlangen.
Danke schön.

(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)


Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1305539400
Es spricht jetzt zum Schluß der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Kolb.

Dr. Heinrich L. Kolb (FDP):
Rede ID: ID1305539500
Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Wir befassen uns heute auf Grund eines Koalitionsantrages erneut mit dem Bergrecht, nachdem wir vor nicht allzu langer Zeit an dieser Stelle die Initiativen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zum gleichen Thema behandelt haben. In der Zwischenzeit hat sich auch der Bundesrat auf Antrag des Freistaates Thüringen dieses Themas angenommen und sich mit einer Entschließung vom 12. Mai 1995 für die Beseitigung der unterschiedlichen eigentumsmäßigen Zuordnung der mineralischen Rohstoffe ausgesprochen.
Wenn man die nunmehr drei vorliegenden Anträge im Deutschen Bundestag und auch die Entschließung des Bundesrates näher prüft, stellt man fest, daß alle Initiativen ein gemeinsames Ziel haben, nämlich die Vereinheitlichung der eigentumsmäßigen Zuordnung der hochwertigen Steine und Erden in den alten und in den neuen Bundesländern.
Die Anträge unterscheiden sich allerdings ganz erheblich in den Modalitäten der angestrebten Rechtsvereinheitlichung. Das gilt sowohl für die Art der Regelung - ob durch Gesetz oder durch Verordnung - als auch für das Spektrum der zu treffenden Regelung.
Zu dem gemeinsamen Ziel der Vereinheitlichung der Eigentumszuordnung sollte zunächst rückblikkend festgestellt werden, daß die seit der Herstellung der Einheit eingetretene Entwicklung im Bereich der Bauindustrie die Zweckmäßigkeit der damaligen Entscheidung im Einigungsvertrag durch-



Parl. Staatssekretär Dr. Heinrich Kolb
aus bestätigt. Tatsächlich ist der Aufschwung Ost wesentlich von den Bauaktivitäten mit einer starken regionalen Nachfrage nach geeigneten Baurohstoffen und einer entsprechenden jährlichen Produktion von über 220 Millionen Tonnen allein im Bereich der Massenrohstoffe Sand, Kies, Hartgestein und Kalkstem getragen. Das bedeutet eine Verdoppelung der Produktionszahlen der DDR innerhalb kürzester Zeit auf der Basis des Jahres 1994.
Das System der Bergfreiheit der Bodenschätze der Steine- und Erdenindustrie hat sich insofern im Hinblick auf die Kontinuität der Rohstoffversorgung im Zuge des Übergangs von einer Staats- zur Marktwirtschaft und im Hinblick auf die Schaffung neuer Produktionskapazitäten bewährt. Dennoch - damit haben die Vorredner zweifellos recht - bleibt eine unbestreitbar ungewöhnliche Rechtssituation, die, unabhängig von der Beurteilung der Zweckmäßigkeit in der Vergangenheit, für die Zukunft geprüft und in einer vernünftigen Weise geändert werden muß. Eine Änderung dieser rechtlichen Rahmenbedingungen bedeutet allerdings einen einschneidenden Eingriff in das jetzt vorhandene System mit erheblichen wirtschaftlichen Konsequenzen, die dabei bedacht werden müssen.
Die Unterschiede der drei vorliegenden Anträge betreffen das Spektrum der zu vereinbarenden Regelung. Der Antrag der SPD und noch mehr der Antrag vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gehen weit über das gemeinsame Ziel der Vereinheitlichung der eigentumsmäßigen Zuordnung hinaus. Aus meiner Sicht gehen diese Zusatzforderungen zudem ins Leere.
Ohne auf die Einzelheiten eingehen zu wollen bzw. wegen der Zeit eingehen zu können, möchte ich hierzu folgendes sagen: Die vorgeschlagene Umstellung der materiellen eigentumsmäßigen Rechtslage bringt bereits einschneidende Veränderungen in den betroffenen Bereichen mit sich. Im Interesse der Kontinuität des Industriezweiges sollte deswegen nach Auffassung der Bundesregierung von einer nicht zwingend gebotenen Umstrukturierung des Genehmigungsverfahrens abgesehen werden. Neben dem finanziellen Mehraufwand für die Unternehmen würden nicht unbedeutende zeitliche Verzögerungen für geplante und auch schon begonnene oder zu ändernde Vorhaben mit entsprechenden Konsequenzen für den Baurohstoffmarkt eintreten.
Ich darf in diesem Zusammenhang darauf hinweisen, daß sich auch der Bundesrat nach eingehender Diskussion in der Entschließung 127/95 vom 12. Mai auf das Kernanliegen der Eigentumsneuordnung beschränkt und weitergehende Änderungswünsche ausdrücklich abgelehnt hat. Diesem Votum der Länder kommt besonderes Gewicht zu, weil die Länder mit der Durchführung des Bergrechts betraut sind und aus der Sicht der Praxis besonders gut beurteilen können, welches Maß an Rechtsänderung verkraftbar ist.
Meine Damen und Herren, die Bundesregierung hat bereits bei der Beratung im Bundestag im März dieses Jahres die Bereitschaft zu unvoreingenommener Prüfung nötiger Veränderungen und möglicher
Verbesserungen mit dem Ziel erklärt, das ich hier gern noch einmal unterstreichen möchte, nämlich die im Bundestag wie im Bundesrat angemeldeten Veränderungsabsichten auf eine möglichst breite, wenn eben möglich, gemeinsame Basis zu stellen.
Ich möchte jetzt an Sie, an das Parlament appellieren, einen der vorliegenden Anträge - ich vermute, es wird der Koalitionsantrag sein - möglichst schnell zu beschließen, damit der entsprechende Bericht im Kabinett und in der Folge auch die Verordnung verabschiedet werden können, mit der das von uns, glaube ich, gemeinsam verfolgte Ziel erreicht werden kann.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)


Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1305539600
Ich schließe damit die Aussprache.
Interfraktionell wird vorgeschlagen, die Vorlage auf Drucksache 13/2359 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse zu überweisen. Die Federführung soll beim Ausschuß für Wirtschaft liegen. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen.
Ich rufe die Tagesordnungspunkte 13 a und b und Zusatzpunkt 4 auf:
13. a) Erste Beratung des von dem Abgeordneten Volker Beck (Köln) und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Sicherung der Wohnung für den hinterbliebenen Lebenspartner
Drucksache 13/847 —Überweisungsvorschlag:
Rechtsausschuß (federführend)

Ausschuß für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
b) Beratung des Antrags des Abgeordneten Volker Beck (Köln) und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Gleichberechtigung von Schwulen und
Lesben in der Bundesrepublik Deutschland
- Drucksache 13/1822 —
Überweisungsvorschlag:
Rechtsausschuß (federführend)

Ausschuß für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
ZP4 Erste Beratung des von den Abgeordneten Christian Schenk, Dr. Gregor Gysi und der Gruppe der PDS eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Übernahme der gemeinsamen Wohnung nach Todesfall der Mieterin/ des Mieters oder der Mitmieterin/des Mitmieters
- Drucksache 13/2355 —Überweisungsvorschlag:
Rechtsauschuß (federführend)

Ausschuß für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die gemeinsame Aussprache drei Viertelstunden vorgesehen. - Ich sehe keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Kollege Volker Beck.

Volker Beck (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1305539700
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir debattieren heute hier zu später Stunde über zwei Initiativen mit sehr unterschiedlicher Reichweite zur Rechtsstellung von Lesben und Schwulen. Unser Antrag zielt auf umfassende Gleichberechtigung. Unser Gesetzentwurf ist der kleinste denkbare Schritt, um Benachteiligung abzubauen.
Meine Damen und Herren, im Februar 1994 hat das Europaparlament einen wichtigen Meilenstein für Demokratie und Bürgerrechte in Europa gesetzt. Mit großer Mehrheit wurde eine Entschließung zur Gleichberechtigung von Schwulen und Lesben in der Europäischen Union verabschiedet. Die Entschließung fordert die Länder der EU auf, im Zusammenwirken mit den nationalen Lesben- und Schwulenorganisationen Maßnahmen und Kampagnen zur Bekämpfung jeglicher Form der sozialen Diskriminierung von Homosexuellen einzuleiten. Das Europaparlament verlangt u. a. ein entschiedeneres Einschreiten gegen antihomosexuelle Gewalt und die rechtliche Gleichstellung homosexueller Lebensgemeinschaften.
Die Entschließung des Europaparlaments trägt auch in Deutschland erste Früchte. In zwei Bundesländern, Sachsen-Anhalt und Nordrhein-Westfalen, haben die Regierungsparteien im Koalitionsvertrag vereinbart, sich im Land wie im Bund für die Umsetzung der Empfehlungen des Europäischen Parlaments zur Gleichberechtigung von Schwulen und Lesben einzusetzen. Brandenburg, Thüringen und Berlin haben in ihren Landesverfassungen ausdrücklich festgelegt, daß niemand wegen seiner sexuellen Identität benachteiligt werden darf.
In Bonn freilich gehen die Uhren leider noch anders. Schwulen- und lesbenpolitisch ist Deutschland ein Entwicklungsland. Anderswo fallen die rechtlichen Schranken. In vielen europäischen Nachbarstaaten gibt es Antidiskriminierungsgesetze. Dänemark, Norwegen und Schweden haben die Standesämter für homosexuelle Paare geöffnet. Auch osteuropäische Staaten schicken sich an, Deutschland zu überholen.
Mit unserem Antrag wollen wir erreichen, daß sich der Bundestag endlich ernsthaft mit den Vorschlägen des Europäischen Parlaments auseinandersetzt.
Meine Damen und Herren, uns ist nicht verborgen geblieben, wie schwer sich die Regierungsfraktionen bei den Bürgerrechten für Schwule und Lesben tun, an den europäischen Standard heranzukommen. Der vorliegende Gesetzentwurf zur Sicherung der Wohnung für den hinterbliebenen Lebenspartner sollte Ihnen aber keine ideologischen Probleme bereiten. Er sieht vor, gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften wenigstens mit nichtehelichen verschiedengeschlechtlichen Lebensgemeinschaften im § 569 a BGB gleichzustellen. Denn hier muß dringend gehandelt werden. Der Bundesgerichtshof hat den Schutz nach diesem Paragraphen zwar von Ehegatten und Familienangehörigen auf heterosexuelle nichteheliche Lebensgemeinschaften ausgedehnt, homosexuelle Paare hiervon aber ausdrücklich ausgenommen. Das macht sie zu Lebensgemeinschaften dritter Klasse. Anders als Ehegatten oder Partner heterosexueller Lebensgemeinschaften kann der Hinterbliebene einer homosexuellen Partnerschaft beim Tod des Partners nicht in dessen Mietvertrag eintreten.
Durch Aids ist diese Frage des Mieterschutzes eines der drängendsten Probleme im Bereich schwuler Partnerschaften. Die Rechtlosigkeit homosexueller Paare wirkt sich hier besonders brutal aus. Mir sind Fälle bekannt, in denen Menschen, die ihren kranken Freund jahrelang gepflegt haben, ihre Wohnung verloren haben. Jetzt stehen sie auf der Straße.
So kann das nicht weitergehen. Die Rechtslage ist zutiefst diskriminierend, unsozial und unbarmherzig. Dies muß ein Ende haben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren von der CDU/CSU, gerade eine christliche Partei sollte doch anerkennen, daß hier Menschen füreinander einstehen und daher auch rechtlich abgesichert werden müssen. Ich fordere Sie auf, diese Frage ohne ideologische Scheuklappen ernsthaft zu prüfen. Hier geht es nicht um die Stellung der Ehe an sich. Es geht allein darum, ob jemand massive soziale Nachteile erleiden muß, nur weil er in einer homosexuellen Partnerschaft lebte.
Ich hoffe sehr, daß wir in dieser Frage wirklich zu einer Einigung hier im Hause kommen. Die Justizministerin hat bereits öffentlich erklärt, daß sie dem Ziel unserer Initiative zustimmt und diese Benachteiligung homosexueller Paare im Mietrecht beseitigen will. Das freut mich sehr. Nun müssen aber Taten folgen. Die betroffenen Menschen können nicht warten. Wir müssen rasch handeln und das Unrecht beseitigen. Das geht mit der Zustimmung zu unserem Gesetzentwurf.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1305539800
Jetzt spricht die Kollegin Christina Schenk.

Christina Schenk (PDS):
Rede ID: ID1305539900
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist ganz sicher nicht so, daß man allein aus der Tageszeit, zu der eine bestimmte Debatte stattfindet, zwingend auf die Bedeutung des Tagesordnungspunktes schließen kann. Bei einem Thema, das in so grundsätzlicher Weise die Grundlagen der Demokratie betrifft, wie das bei der Bekämpfung von Diskriminierungen jeder Art der Fall ist, ist es mir schon unverständlich, daß es zu so später Stunde behandelt wird.

Christina Schenk
Man muß daraus, wie ich denke, leider den Schluß ziehen, daß die etablierte politische Klasse der Bundesrepublik Deutschland sowohl die Notwendigkeit als auch die Tragweite einer entschlossenen Antidiskriminierungspolitik noch immer nicht erfaßt hat.
Noch immer wird gerade in Deutschland die heterosexuelle Kleinfamilie, in der sich die Frau treusorgend und ohne eigenständige Existenzsicherung um Mann, Kind, Haushalt und vielleicht auch das Ehrenamt kümmert, als alleiniges und generell zu favorisierendes Lebensmodell propagiert und gefördert.
Genau diese Bevorzugung eines von vielen möglichen Lebensentwürfen ist eine der Hauptursachen für die Diskriminierung von Lesben und Schwulen. Die einseitige Ausrichtung auf die eine Lebensform verhindert die Entwicklung einer positiven Identität für Lesben und Schwule.
Von der Erkenntnis, daß Homosexualität und Heterosexualität gleichwertige Varianten menschlicher Sexualität und Lebensweisen sind, ist sowohl der größte Teil des öffentlichen Bewußtseins als auch die Gesetzgebung der Bundesrepublik noch sehr weit entfernt. Das betrifft im übrigen nicht nur Lesben und Schwule, sondern generell alle, die nicht nach den klassischen Mustern leben wollen.
Der Antrag der Grünen zur Gleichberechtigung von Lesben und Schwulen, der heute zur Debatte steht, entspricht einem Teil der diesbezüglichen Entschließung des Europäischen Parlaments und ist bis auf einen Punkt durchaus zu begrüßen.
Es ist natürlich völlig richtig, daß es absolut keinen Grund gibt, Lesben und Schwulen das Recht auf Eheschließung zu verweigern, aber dabei muß auch klar sein, daß das allein kein Beitrag zur Gleichstellung aller Lebensformen ist.
Die PDS will die tatsächliche Gleichberechtigung aller Lebensweisen, d. h., sie will den Abbau von Diskriminierungen, und sie will den Abbau von Privilegien. Es also allein bei der Forderung nach den Vorteilen, wie es in diesem Antrag steht, die sich aus dem Eheschließungsrecht ergeben, zu belassen, ist, wie jedenfalls ich meine, anachronistisch und kein Beitrag zur notwendigen Antidiskriminierungspolitik.
Der Gesetzentwurf der Grünen zur Sicherung der Wohnung für den hinterbliebenen Lebenspartner ist ein wesentlicher Schritt in die richtige Richtung, aber er greift aus unserer Sicht zu kurz. Wir haben daher einen eigenen Gesetzentwurf eingebracht, der die Übernahme von Wohnmietverträgen beim Todesfall einer Person im Falle der gemeinsamen Haushaltsführung vorsieht. Ich denke, das ist der entscheidende Schritt in Richtung Abbau von Diskriminierungen.
Nach dem jetzt geltenden Recht haben nur Eheleute oder Familienangehörige beim Todesfall der Mieterin oder des Mieters das Recht, das Mietverhältnis zu übernehmen. Selbst wenn zwei Personen
einen gemeinsamen Mietvertrag abgeschlossen haben, existiert nur für hinterbliebene Verwandte bei einem Todesfall das Recht, den Mietvertrag allein fortzusetzen.
Der Gesetzentwurf der Bündnisgrünen löst in der Form, wie er jetzt vorliegt, nur die Probleme von lesbischen, schwulen oder heterosexuellen eheähnlichen Lebensgemeinschaften. Ich meine, er ignoriert damit die Vielfalt der Lebensentwürfe. Deswegen muß man darüber hinausgehen und den Versuch unternehmen, alle Formen des Zusammenlebens in gleicher Weise zu behandeln, wie das in unserem Gesetzentwurf geschehen ist.
Danke.

(Beifall bei der PDS)


Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1305540000
Es spricht jetzt der Kollege Dr. Dietrich Mahlo.

Dr. Dietrich Mahlo (CDU):
Rede ID: ID1305540100
Frau Präsidentin! Meine lieben Kollegen! Die drei Gesetzentwürfe, die uns vorliegen, werden wir zunächst einmal in den Ausschüssen besprechen. Ich möchte das Ergebnis dieser Besprechungen hier nicht vorwegnehmen.
Herr Beck, wenn Sie Ihren Fraktionskollegen eine Tafel Schokolade schenken, aber mir keine, bin ich dann diskriminiert? Das Problem ist doch nicht, daß Sie eine Abwesenheit von Diskriminierung verlangen, sondern Sie begehren die Teilhabe an bestimmten Privilegien, die anderen, z. B. ehelichen Partnerschaften, gewährt werden. Ich finde, der Umgang mit dem Wort „Diskriminierung" ist nicht korrekt. Er ist eine Art Kampfbegriff, mit dem Sie immer hantieren, aber der den Sachverhalt korrekterweise nicht trifft.
Die Suche nach immer mehr Sicherheit und immer mehr Gleichheit ist eine unendliche Geschichte. Sie, Herr Kollege Beck, sind im Begriff, ein neues Kapitel dieser Geschichte aufzuschlagen. Wenn wir Ihnen heute zustimmen, dann werden Sie spätestens in einem Jahr wieder hier stehen, eine neue unerträgliche Unsicherheit des Lebens oder Ungleichheit unter den Menschen erkannt und aufgespießt haben und im Namen des Fortschritts und der Moral nach weiterer Sicherheit und weiterer Gleichheit verlangen.

(Christina Schenk [PDS]: Sie wissen gar nicht, worum es hier geht!)


Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1305540200
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Beck?

Dr. Dietrich Mahlo (CDU):
Rede ID: ID1305540300
Bitte sehr.

Volker Beck (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1305540400
Ich würde Ihnen gerne bezüglich der Schokolade antworten, aber da ich hier nur Fragen stellen darf, werde ich Ihnen eine Frage stellen.

(Margot von Renesse [SPD]: Herr Beck, geben Sie ihm ein Stück!)


Volker Beck
- Sie würden von mir auch immer ein Stück bekom-
men. Im Ausschuß können Sie einmal danach fragen.
Zum Thema Privilegien. Ich denke, eine Regelung, die sich auf nichteheliche heterosexuelle Lebensgemeinschaften erstreckt, wie die, auf die sich § 569a BGB bezieht, ist sicher kein Privileg, das Ausfluß z. B. aus Art. 6 Abs. 1 des Grundgesetzes ist, weil dort Ehe und Familie und nicht die heterosexuelle nichteheliche Lebensgemeinschaft geschützt wird.
Meinen Sie nicht auch, daß wir als Gesetzgeber neben ideologischen Problemen, wem wir Schokolade geben wollen und wem nicht, die praktischen Probleme der Menschen lösen müssen? Da haben homosexuelle Lebensgemeinschaften nicht nur beim Mietrecht - aber darüber wollen wir heute vor allen Dingen reden - keine Möglichkeit, ihre Lebensgemeinschaft so zu schützen, wie das für Heterosexuelle möglich ist.

Dr. Dietrich Mahlo (CDU):
Rede ID: ID1305540500
Herr Kollege, ich bestreite überhaupt nicht, daß hier eine Ungleichgewichtigkeit vorhanden ist. Man könnte nur die Frage stellen: Soll man auf dem Weg des BGH weitergehen, wie Sie es wünschen, oder soll man die Entscheidung des BGH als nicht richtig ansehen und wieder zurückdrehen?

(Rezzo Schlauch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die gesellschaftlichen Realitäten auf den Kopf stellen!)

- Herr Kollege, es geht hier doch nicht um Realitäten, sondern es geht um Wertungen.

(Beifall bei der CDU/CSU Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein, es geht um die Lösung der Probleme! Christina Schenk [PDS]: Sie haben das mißverstanden, aber völlig!)

- Was heißt denn eigentlich „mißverstanden", Frau Kollegin?
Der Sachverhalt ist sehr einfach. Die Entscheidung des BGH ist jedem bekannt. Das Problem, das daraus entsteht, ist ebenfalls völlig bekannt. Warum sollen wir jetzt aber z. B. gerade bei den gleichgeschlechtlich Veranlagten aufhören, sie zu schützen?

(Christina Schenk [PDS]: Richtig!)

Warum wollen wir nicht unter sozialen Gesichtspunkten Arbeitslose, Kinderreiche, Alleinerziehende, Asylbewerber, Ausländer, Aussiedler, Alte, Angehörige niedriger Lohngruppen, Studenten, Kleinwüchsige usw. einbeziehen?

(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie verfehlen das Thema!)

Die Möglichkeit, unterprivilegierte Gruppen zu finden und mit einer gewissen Plausibilität ihre Unterprivilegierung in der Tat darzulegen, ist immer gegeben. Ich bestreite überhaupt nicht, daß Ihre Argumentation eine gewisse Plausibilität bietet. Sie sind
natürlich nur an einer besonderen Gruppe interessiert. Bitte sehr!

(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist unglaublich!)

Aber es gibt soundso viel andere Gruppen, deren Unterscheidung überhaupt nicht dargetan ist. Aus diesem Grunde: Plausibilität räume ich ein, aber in dem Sinne, daß keine Irrlehre ganz des Richtigen entbehrt. Aber ich frage, ob man dem nachgeben muß und ob das Gesamttableau, das Sie dann eines Tages haben, förderlich ist.

Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1305540600
Gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Höll?

Dr. Dietrich Mahlo (CDU):
Rede ID: ID1305540700
Bitte sehr.

Dr. Barbara Höll (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1305540800
Herr Kollege, es stehen hier zwei Gesetzentwürfe und ein Antrag zur Debatte. Ich möchte fragen, ob Sie zur Kenntnis genommen haben, daß in dem Gesetzentwurf der PDS nicht von einer bestimmten Gruppe, an der Sie es jetzt hier festzumachen versuchen, und zwar indem Sie in sehr unberechtigter Weise eine ganze Menge von Gruppen von Menschen mit völlig verschiedenen Problemlagen aneinanderreihen, die Rede ist, sondern daß wir eindeutig von häuslichen Gemeinschaften sprechen. Würden Sie bitte auch noch zur Kenntnis nehmen, daß, wie insbesondere Herr Beck erläutert hat, die im Gesetzentwurf des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN angesprochene Problemlage durch die Krankheit Aids und, was Ihrer Partei am Herzen liegen müßte, durch die besondere Situation bei der Pflege, die in sehr großem Maße ehrenamtlich geleistet wird, und zwar nicht wie üblich auf Grund familiärer Beziehungen, sondern durch den Lebenspartner und die Lebenspartnerin, verschärft worden ist?

Dr. Dietrich Mahlo (CDU):
Rede ID: ID1305540900
Das, was Sie gesagt haben, ist mir nicht unbekannt. Sie gehen genau den Schritt weiter, den ich heute als den Mainstream kennzeichne. Sie haben sich sofort darangehängt und den Kreis, den Sie zu privilegieren wünschen, nochmals erweitert. Das ist eine unendliche Geschichte. Die Frage ist, ob wir eines Tages eine Gesellschaft von nur noch Unterprivilegierten sind, die ganz besondere Vorrechte in Anspruch nehmen. Das heißt, Leute, die einen bestimmten Mietvertrag nicht haben, können einen anderen, der es gar nicht will, dazu zwingen, einen Mietvertrag mit ihnen abzuschließen. Das ist doch das Ziel.

(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist bei allen Familienangehörigen der Fall!)

Auf irgendwessen Kosten geht das natürlich. Diese Fälle müßte man in die Betrachtung billigerweise einbeziehen. Aber ich will dem Ergebnis der Beratungen gar nicht vorgreifen.
Ausgangspunkt Ihres Anspruchs ist die Tatsache, daß in der Verfassung, in einer Reihe von Gesetzen und meinetwegen bereits in der Bibel von besonde-

Dr. Dietrich Mahlo
ren Rechten für die Ehe gesprochen wird. Dies beruht darauf, daß die Lebensgemeinschaft von Mann und Frau als kleinste gesellschaftliche Einheit, aus der typischerweise, allerdings nicht in jedem Fall, die Familie mit Kindern hervorgeht, einen Ausgangspunkt der Sozialisation des Menschen darstellt und für das Wohl jeder Gemeinschaft, ob sie Staat, Gesellschaft oder Volk heißt, von lebenswichtiger Bedeutung ist. Es ist die Frage, ob die Gemeinschaften, für die Sie Forderungen aufstellen, von gleicher Bedeutung sind.
Dann geht es um die Frage, ob die Nachteile, die die gegenwärtige Rechtslage ihnen auferlegt, so gravierend, so unerträglich sind, daß sie ihnen wie vielen anderen auch nicht billigerweise zugemutet werden können, ohne sie gewissermaßen plattzumachen, ohne ihnen Möglichkeiten zu lassen, sich lebensgemäß zu entwickeln. Nur im letzten Fall müßte man sie auf viele Schultern umlegen, was der eigentliche Inhalt des Sozialstaates ist.
Die Frage ist in der Tat: Welche Unterschiede können wir hinnehmen, und welche Unterschiede können wir nicht hinnehmen? Das Leben ist bunt, die Menschen sind verschieden. Es gibt Heterosexuelle und homosexuell veranlagte Menschen, und niemand bestreitet, daß letzteres für die Betroffenen in der Regel ein besonderes Lebenserschwernis darstellt.

(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber nur die Rechtssituation!)

Aber es gibt Menschen mit robuster Gesundheit und solche mit labiler Gesundheit und Menschen, die schön sind, und Menschen, die häßlich sind und darunter leiden. Es gibt sehr kluge und sehr dumme Menschen usw. Es gibt eine Fülle von persönlichen Nachteilen. Es ist die Frage, ob wir sie qua Gesetzgebung einander angleichen sollen oder ob wir in einem gewissen Umfang die Unterschiedlichkeit des Lebens akzeptieren.

(Rezzo Schlauch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wenn ich Sie so reden höre!)

- Ich kann von Ihnen nur noch die Füße sehen, Herr Kollege.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU)


Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1305541000
Die Füße sehe ich zwar nicht, aber die Knie, und auch das ist nicht so gut. Ich bitte doch, sie einmal herunterzunehmen.

(Rezzo Schlauch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber es ist auch schon ziemlich spät!)

- Aber wenn wir im Präsidium mit gleicher Waffe zurückschlagen?

Dr. Dietrich Mahlo (CDU):
Rede ID: ID1305541100
Wir müssen diese Dinge gegeneinander abwägen. Die Suche nach immer mehr Gleichheit und immer mehr Sicherheit
führt auf der anderen Seite zu immer mehr Abhängigkeit und immer weniger Freiheit.

(Lachen bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN und der PDS Rezzo Schlauch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit das war die französische Revolution!)

Sie wendet sich im Ergebnis mit ihrer bleiernen Decke möglicherweise auch gegen diejenigen, denen zu dienen sie vorgibt.
Ich bezweifle, daß wir den selbsternannten Sozialheitsprotektoren,

(Wolf-Michael Catenhusen [SPD]: Was ist das denn?)

die Sicherheit, Glück, Lebensführung und politische „correctness" vorschreiben., folgen sollten und daß wir auf diesem Wege zu immer schärferen Eingriffen, immer neuen Geboten, immer weiteren Abgaben, immer mehr Wohlfahrtsadministration kommen sollten.

(Wolf-Michael Catenhusen [SPD]: An Ihrer Rede ist nichts scharf!)

Unser Sozialstaat ist bereits jetzt überlastet. Er braucht nicht mehr Regulierung, sondern mehr Deregulierung.
Aber warten wir die Beratungen in den Ausschüssen ab!

(Beifall bei der CDU/CSU)


Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1305541200
Es spricht jetzt die Kollegin Margot von Renesse.

Margot von Renesse (SPD):
Rede ID: ID1305541300
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist nicht ganz leicht für mich, nach dieser Rede überhaupt einen Anfang zu finden. Ich kann es eigentlich nur, in dem ich das vergesse, was ich gerade gehört habe.

(Zuruf von der CDU/CSU: Na, na! Rezzo Schlauch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein!)

Ich kann es insofern nicht vergessen, Herr Beck, als dies sehr deutlich gemacht hat: Der Weg ist noch sehr weit.
Jetzt wollen wir einmal ernsthaft werden. Ihr Entwurf zum Mietrecht ist, würde ich sagen, gut gemeint, aber leider nicht gut gemacht. Er ist technisch, handwerklich nicht das, was die Betroffenen von Ihnen erwarten dürfen, zumindest von uns als dem Gesetzgeber. Ich will Ihnen sagen, warum.
Sie setzen einen Brocken in eine Rechtsumgebung, ohne daß Sie definieren, wovon Sie sprechen. Sie beziehen sich zwar in Ihrer Begründung - ich habe sie noch einmal nachgelesen - auf bestimmte Gerichtsentscheidungen. Aber alle diese Gerichtsentscheidungen setzen im Grunde genommen an subjektiven Sachverhalten an, die nur ermittelbar sind, wenn zwei Leute sich zu der Emotionalität des Füreinandereinstehens bekannt haben und bekennen. Sie ha-

Margot von Renesse
ben nichts dazu gesagt, was Sie als Lebensgemeinschaft - ob eheähnlich oder gleichgeschlechtlich, interessiert mich hier einmal am allerwenigsten - definieren, wenn einer tot ist.

(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das machen wir genau wie der BGH, genau wie die Rechtsprechung!)

Aber darüber können wir reden.
Wir haben im Augenblick - da gebe ich Ihnen recht; Sie wissen, daß ich diese Auffassung teile - eine Rechtsunsicherheit, die für eine Vielzahl von Menschen an eine Rechtsnot grenzt, und zwar keineswegs - da kann ich mich vielleicht doch an Herrn Mahlo wenden - allein von Menschen, die Liebesgemeinschaften bilden, sondern auch von solchen, die in Wohngemeinschaften, Haushaltsgemeinschaften leben, die etwa vom Diakonischen Werk, von der Caritas, hochwohllöblichen Verbänden, für Behinderte, für alte Menschen - aus welchen Motiven auch immer - zunehmend organisiert werden und die mitunter in derselben Problematik stehen.
Wir werden uns darauf einrichten müssen, daß die Menschen nicht nur die Wahl zwischen Ehe und Alleinsein haben wollen.

(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Daher müssen wir unterscheiden und Definitionen bringen: Was ist eine lockere Wohngemeinschaft? Was ist und woran verlautbart sich eine Bindung, die darüber hinausgeht und die ein Füreinandereinstehen nach sich zieht? Es kann sogar sein, daß sich durch die Unklarheit der Tatbestände, die wieder zum Richterrecht führen würde - der eine macht es so, der andere so; wie Herr Richter meinen -, sogar gegen Betroffene, die Sie meinen und denen auch ich helfen will, so etwas wie eine Abwehrhaltung seitens potentieller Vermieter entwickelt, die jede Bremse einsetzen, damit ihnen bestimmte Leute nicht ins Haus kommen.
Deswegen müssen wir nicht nur diese Regelungen erweitern; dafür bin auch ich. Vielmehr müssen wir mit Konzeptionen ansetzen, die die Diskrepanz zwischen Vermieterinteressen und sonstigen Interessen, aber auch die Diskrepanz zwischen gebendem und nehmendem Staat - siehe Sozialhilfe und Steuerrecht - endlich auflösen, damit daraus ein Ganzes wird.
Ich möchte noch einmal Sie, Herr Mahlo, ansprechen: Wir befinden uns auf dem Boden der alten Tradition Europas, des christlichen Abendlandes.

(Dr. Dietrich Mahlo [CDU/CSU]: Aha!)

Denn das ganze Mittelalter kannte eine Vielzahl von Lebensgemeinschaften, von denen es übrigens bis in die heutigen Tage Reste gibt, vom Kloster - Nonnen und Mönchen - angefangen bis hin zum Beginenhof. Damals wurden Rechtsantworten gegeben. Die Entwicklung hin zu der Wahl, entweder in einer Familie im klassischen Sinne zu leben oder allein zu sein, hat erst das 19. Jahrhundert hervorgebracht. Da sind wir in unseren Rechtsvorstellungen eigentlich viel weniger traditionell, als es die Konservativen meinen. Die sind, fürchte ich, was die Rechtsgeschichte Europas angeht, nicht ganz im Bilde. Dem kann man aber abhelfen.
Ich denke, wir brauchen eine Gesamtkonzeption. Wir sind dabei, diese zu erarbeiten; das wissen Sie. Das können wir gerne gemeinsam machen.
Nun zu dem großen Thema der Benachteiligung, das ich viel weniger als einen, wenn auch notwendigen Schritt zu mehr Sozialrecht sehe. Nein, ich möchte mich eher mit dem Thema des Art. 3 und seinen Weiterungen und nicht vorhandenen Weiterungen befassen. Sie wissen, daß wir Sozialdemokraten gern mehr gehabt hätten.

(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir werden das „Gleichbehandlungsgesetz", wie ich es aus sprachlichen Gründen lieber nenne als „Antidiskriminierungsgesetz", als ein Gesetz für die Gesellschaft insgesamt verstehen müssen, Art. 3, das heißt, die Nichtbenachteiligung - nicht die Gleichheit - als Bauprinzip dieser Gesellschaft erkennbar werden zu lassen.
Diese Gesellschaft lebt davon, daß es in ihr keine Benachteiligung geben darf. Wenn Sie Angst haben, daß auch die Kleinwüchsigen und all die anderen, die Sie, Herr Mahlo, genannt haben, dazugehören, dann sehen Sie sich Art. 3 an. Dieser Artikel nennt besondere Risikogruppen beim Namen, in einer Tautologie, die die Verfassung schon klugerweise macht. Hier werden Herkunft, Rasse und Geschlecht angesprochen. Ich weiß nicht, ob die Sprache dabei ist; mein Gedächtnis verläßt mich im Augenblick. Aber die Behinderung gehört dazu. Das alles betrifft Leute, die wegen ihrer Andersartigkeit in jüngst vergangenen Zeiten schwer zu leiden gehabt haben.
Historische und humane Gründe, christliches Abendland in Vollendung mahnen uns, unsere Gesellschaft als eine Gesellschaft der Gleichbehandlung zu verstehen. Wir werden ein solches Gesetz machen. Dabei werden die gleichgeschlechtlichen Paare eine Gruppe bilden. Ich möchte kein Schwulen- und Lesbengesetz, weil der Artikel-3-Appell für mich der übergreifende Gesichtspunkt ist. Ich will nicht ein Behindertengesetz, ein Ausländerbenachteiligungsgesetz und ein Herkunftsbenachteiligungsgesetz. Ich will ein Artikel-3-Gesetz, in dem der Punkt „für die Gesellschaft" zum Ausdruck kommt und beim Namen genannt wird.

(Beifall bei der SPD Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da sind Sie ganz auf unserer Linie!)

Es gibt einen Punkt, wo ich in der Tat eine rechtliche Benachteiligung sehe. Das sage ich nur für mich persönlich. Darum wird noch gestritten werden müssen; das wissen auch Sie. Diese Benachteiligung sehe ich darin - Frau Schenk, da bin ich ganz anderer Meinung als Sie -, daß wir kein familienrechtliches Äquivalent für die personale Gemeinschaft zweier Homosexueller - ob Männer, ob Frauen ist mir egal - haben, die sich genauso wie Heterosexu-

Margot von Renesse
elle lieben - ich benutze dieses altmodische Wort - und daraus mit der Übernahme von Verantwortung für den anderen diese anthropologische Konstante mit den merkwürdigen Worten „ewig", „solange wir leben" ableiten wollen.

(Christina Schenk [PDS]: Quatsch!)

- Sie sagen „Quatsch"; Frau Schenk. Eines aber werden Sie nicht tun wollen, gerade weil Sie an Gleichbehandlung interessiert sind. Sie wollen nicht, daß Gleichgeschlechtliche diskriminiert werden.
Es gibt aber keinen Grund, Leute, die heiraten wollen, zu diskriminieren.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Es ist nun einmal genauso notwendig, dies zu erkennen. Solange es noch ein Paar auf der Welt gibt, das heiraten will, so lange wird man es niemandem verweigern dürfen. Ob das nun Gleichgeschlechtliche sind oder nicht: Wir brauchen, weil es sozial erwünscht ist, personale Verantwortung für einen anderen. Dies brauchen wir, in welcher Form auch immer und von wem auch immer. Dies gehört in ein Gleichbehandlungsgesetz; denn hier ist rechtliche Diskriminierung vorhanden. Das darf nicht mehr sein; da folge ich Ihnen.
Lassen Sie uns dieses Gesetz aber bitte technisch so ausgestalten, daß es gutes Handwerk darstellt! Der Gesetzgeber hat gute Gesetze zu machen; wie der Schuster, wenn er Schuhe macht, gute Schuhe machen soll. Alles andere schadet nur.
Danke.

(Beifall bei der SPD)


Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1305541400
Der Herr Kollege Lanfermann hat gebeten, seine Rede zu Protokoll geben zu dürfen. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall.
Dann spricht jetzt der Parlamentarische Staatssekretär Funke.

Rainer Funke (FDP):
Rede ID: ID1305541500
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der allgemeine Beschlußantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zur Gleichberechtigung homosexueller Lebensgemeinschaften verfolgt ja das Ziel, daß sich der Deutsche Bundestag Forderungen, die das Europäische Parlament hierzu an die Mitgliedstaaten und vor allem an die EG-Kommission gerichtet hat, zu eigen macht und an die Bundesregierung richtet.
Die Bundesregierung hat sich wiederholt zu gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften geäußert. Dabei hat sie stets betont, daß niemand wegen seiner Homosexualität diskriminiert oder benachteiligt werden darf. Die Toleranz und die Freiheitlichkeit einer Gesellschaft bewähren sich in dem Maße,
in dem gerade jene vor Benachteiligung und Herabwürdigung geschützt werden, die ihr Leben anders als die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung gestalten.
Ich bin mit den Antragstellern der Auffassung, daß die Berücksichtigung nichtehelicher Lebensgemeinschaften im deutschen Recht noch nicht befriedigend geregelt ist. Allerdings sind schwule und lesbische Lebensgemeinschaften in Deutschland nicht - wie Sie es formuliert haben - völlig rechtlos.
Gerade, weil ich mit Ihnen der Auffassung bin, daß mehr für nichteheliche und gerade auch gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften getan werden sollte, sollten derartige Pauschalurteile, die der Realität nicht entsprechen, unbedingt vermieden werden. Nur dann können, wie dies notwendig ist, die Probleme differenzierter angegangen werden.
Dies gilt auch hinsichtlich mancher der von Ihnen erhobenen Forderungen, wie etwa der auf Zulassung von homosexuellen Paaren zur Eheschließung oder auf Eröffnung entsprechender Rechtsinstitute, die alle Vorteile bieten sollen, wie sie sich aus dem Recht der Eheschließung ergeben.
Man kann darüber diskutieren - und Sie wissen, gerade die Bundesjustizministerin hat das wiederholt getan -, ob auch außerhalb der Ehe bestehende, auf Dauer angelegte Lebensgemeinschaften in den Schutz des Grundgesetzes einbezogen werden sollen.
Wir kommen aber nicht an der Tatsache vorbei, daß Ehe und Familie nach geltendem Verfassungsrecht unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung stehen und die Ehe nach ganz überwiegender Auffassung eine Geschlechtsverschiedenheit der Partner voraussetzt.
Dies schließt sicher nicht aus, zu prüfen, ob nicht ein Rechtsinstitut der „eingetragenen Partnerschaft", mit dem einige nordeuropäische Länder gute Erfahrungen sammeln konnten - Herr Beck hat ja die Länder aufgeführt -, in das deutsche Recht integriert werden kann.
Wie Sie wissen, steht die Bundesregierung der Einführung einer solchen Partnerschaft zurückhaltend gegenüber. Ich werde aber mit der Bundesjustizministerin daran festhalten, für den Abbau von Vorbehalten zu streiten und zu einer Prüfung zu kommen, die von dem Verständnis für die Bedürfnisse gleichgeschlechtlicher Partnerschaften geleitet ist.
Rechtlos sind gleichgeschlechtliche Partner aber schon heute nicht. Sie können eine Vielzahl der zwischen Ehepartnern geltenden Ehewirkungen durch vertragliche Vereinbarung miteinander herbeiführen und fahren dabei möglicherweise sogar besser, weil sie damit für ihre konkrete Partnerschaft maßgeschneiderte Regelungen treffen können.

Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1305541600
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Beck?

Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer

Rainer Funke (FDP):
Rede ID: ID1305541700
Ja, bitte.

Volker Beck (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1305541800
Würden Sie mir zustimmen, daß alle Partnerschaftsverträge natürlich keine Drittwirkung entfalten, weder gegenüber dem Staat noch gegenüber anderen Personen in der Gesellschaft, und daß deshalb z. B. Fragen wie Pflichtteilregelung im Erbrecht, Aufenthaltsrecht von ausländischen Lebenspartnern oder auch die Mietrechtsfrage in keiner Weise durch einen noch so guten Partnerschaftsvertrag gelöst werden können?

Rainer Funke (FDP):
Rede ID: ID1305541900
Wenn Sie etwas geduldiger gewesen wären, Kollege Beck! Ich werde auf diese konkreten Fragen noch eingehen.
Probleme bestehen allerdings - das kann ich auf Ihre Frage hin gleich einräumen - im Verhältnis zu Dritten. Das geltende Recht knüpft vielfach Rechtsfolgen nur pauschal an die Ehe. Dies war so lange gerechtfertigt, wie die Ehe die einzige gesellschaftlich akzeptierte Form einer dauerhaften Verbindung darstellte. Heute müssen wir uns dagegen die Frage stellen, ob der maßgebende Grund für bestimmte gesetzliche Regelungen nicht allein im besonderen persönlichen Verhältnis zweier Partner zueinander oder in ihrem Zusammenleben in persönlicher Verbundenheit liegt. Hier muß eine Vielzahl von Einzelregelungen im Lichte der gesellschaftlichen Entwicklung überprüft und gegebenenfalls angepaßt werden, Herr Kollege Beck, um den Betroffenen zu helfen, wo ihnen das geltende Recht im einzelnen Probleme bereitet.
Einer dieser konkreten Problembereiche ist das Mietrecht, zu dem Sie hier einen konkreten Gesetzentwurf vorgelegt haben. Der Gesetzentwurf zur Sicherung der Wohnung für den hinterbliebenen Lebenspartner ist - das gebe ich zu - sehr subtil und auch ausführlich begründet. Die zentrale Frage bleibt aber freilich offen, ob zur Sicherung der Wohnung hinterbliebener Lebenspartner in gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften eine gesetzliche Regelung wirklich so dringend notwendig ist, wie dies von Ihnen, Herr Kollege Beck, dargestellt wird.
Immerhin wird in der Begründung zu Recht auf die erbrechtlichen Möglichkeiten hingewiesen: Wer als Mieter für den Fall seines Todes die Wohnung seinem Lebenspartner sichern will, kann ihm seinen mietrechtlichen Besitzanspruch vererben. Wer dies nicht will, kann mit seinem Vermieter eine entsprechende vertragliche Vereinbarung treffen.

(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das funktioniert in der Regel der Fälle nicht! Ich kann Ihnen x Prozesse zeigen, wo es gescheitert ist, wenn Leute es versucht haben!)

- Ich weiß es, aber gerade in diesen konkreten Fällen, die Sie ansprechen, ist der mietrechtliche Besitzanspruch nicht vererbbar. Es ist keine Regelung getroffen worden. Das ist das, was ich hier vortrage, daß nämlich durch vertragliche und testamentarische Verfügung durchaus Möglichkeiten bestehen. Dies ist genauso, wenn man entsprechende vertragliche Vereinbarungen mit dem Vermieter trifft. Noch stärker wird die Stellung des überlebenden Partners, wenn er den Mietvertrag selbst mitunterschreibt, was auch möglich ist, was auch in sonstigen Lebensgemeinschaften passiert.
Angesichts dieser vertraglichen oder erbrechtlichen Möglichkeiten müssen wir sorgfältig prüfen, ob für eine gesetzliche Regelung wirklich ein vordringliches Bedürfnis besteht. Die Bundesregierung hat sich ohnehin vorgenommen, an diese und andere im Zusammenhang mit nichtehelichen Lebensgemeinschaften bestehenden mietrechtlichen Fragen bei der beabsichtigten Bereinigung des Mietrechts heranzugehen. Dazu wird schon in Kürze eine Bund-LänderArbeitsgruppe unter Federführung des Bundesjustizministeriums zusammentreten.
Wenn sich herausstellen sollte, daß die Probleme verschieden- und gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften wegen ihrer praktischen Bedeutung vorrangig gelöst werden müssen, dann werden wir uns auch für vorgezogene Regelungen stark machen. Auch wenn wir alle Probleme, die die Behandlung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften aufwerfen, sicher nicht auf einmal gelöst werden können, so werde ich mich doch für Verbesserungen im einzelnen, vielleicht auch in kleineren Schritten, einsetzen.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)


Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1305542000
Ich schließe die Aussprache.
Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlagen auf den Drucksachen 13/847, 13/1822 und 13/2355 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? - Dann sind die Überweisungen so beschlossen.
Wir sind damit am Schluß unserer heutigen, langen Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Freitag, 22. September 1995, 9 Uhr ein.
Die Sitzung ist geschlossen. Gute Nacht.