Gesamtes Protokol
Guten Tag, liebe Kolleginnen und Kollegen. Die Sitzung ist eröffnet.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf:
Befragung der Bundesregierung
Die Bundesregierung hat als Thema der gestrigen Kabinettsitzung das Wehrrechtsänderungsgesetz mitgeteilt. Das Wort für den einleitenden Bericht hat der Bundesminister der Verteidigung, Herr Volker Rühe.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Im letzten Jahr haben wir mit dem Weißbuch 1994 und der Konzeptionellen Leitlinie den Rahmen gesteckt, wie sich die Bundeswehr angesichts der völlig veränderten sicherheitspolitischen Lage fortentwikkelt. Dazu gehört ein Paket von flankierenden Maßnahmen, mit denen die Wehrpflicht flexibilisiert und die Attraktivität des militärischen Dienstes gesteigert werden soll.
Bei dem vorliegenden Gesetzentwurf geht es insbesondere darum, die wehrrechtlichen Eckwerte der Konzeptionellen Leitlinie umzusetzen und materielle und ideelle Anreize für den Dienst als Soldat in der Bundeswehr zu schaffen. Die vier wesentlichen Kernpunkte der Neuregelung sind die folgenden:
Erstens. Der Grundwehrdienst wird ab Januar 1996 zehn Monate dauern. Hieran schließt sich eine zweimonatige Verfügungsbereitschaft an. In dieser Zeit kann der Wehrpflichtige einberufen werden, sollte die sicherheitspolitische Lage dies erfordern. Wir können dann jederzeit die Friedenshöchststärke der Bundeswehr von 370 000 Soldaten erreichen.
Zweitens. Es wird ein zusätzlicher Wehrdienst mit einer Dauer von 2 bis 13 Monaten angeboten. Grundwehrdienstleistende, die von dieser Wahlmöglichkeit Gebrauch machen, stehen auf wichtigen Funktionsdienstposten länger zur Verfügung und steigern die Einsatzfähigkeit der Einheit. Zugleich erhöhen wir die Flexibilität in der Lebensplanung für die Wehrpflichtigen.
Drittens. Wir schaffen zusätzliche finanzielle Anreize für den Dienst in der Bundeswehr. Freiwillig länger dienende Grundwehrdienstleistende erhalten ab dem elften Monat einen Zuschlag zum Wehrsold von monatlich 1 200 DM. Für alle Soldaten der Bundeswehr werden ab dem elften Dienstmonat die Tagessätze für erhöhte Dienstzeitbelastung um 40 % angehoben. Grundwehrdienstleistende, die sich für mindestens vier Jahre zum Soldaten auf Zeit verpflichten, erhalten bei ihrer Ernennung einen einmaligen Verpflichtungszuschlag, dessen Höhe sich aus der Zeit zwischen Verpflichtung und Ernennung ergibt. Pro Monat werden 1 200 DM angerechnet.
Heimatfern einberufene Grundwehrdienstleistende erhalten einen Mobilitätszuschlag von 60 DM monatlich, wenn sie mehr als 100 km, von 120 DM monatlich, wenn sie mehr als 200 km von zu Hause entfernt stationiert sind.
Viertens. Wir verbessern die Aufstiegsmöglichkeiten insbesondere in der Laufbahngruppe der Mannschaften. Die Mindestbeförderungszeiten für Mannschaften werden der verkürzten Dauer des Grundwehrdienstes angepaßt. Künftig kann ein Soldat beispielsweise schon nach drei Monaten zum Gefreiten befördert werden. Zur Zeit beträgt die Mindestfrist sechs Monate.
Ein neuer Spitzendienstgrad Oberstabsgefreiter wird für Mannschaften geschaffen. Außerdem können künftig mehr Offiziere des militärfachlichen Dienstes die Besoldungsgruppe A 13 erreichen.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, mit dem jetzt vorliegenden Gesetzentwurf ergänzen wir die Bundeswehrreform, verbessern die Einsatzbereitschaft der Streitkräfte, stärken die Akzeptanz der allgemeinen Wehrpflicht und sichern die Nachwuchsgewinnung. Für dieses Paket von Maßnahmen investieren wir ab 1996 jährlich mehr als 200 Millionen DM, die wir nicht zusätzlich vom Finanzminister erhalten, sondern, wie ich finde, in vorbildlicher Weise an anderer Stelle des Verteidigungshaushaltes einsparen, damit sie unseren Soldaten, vor allem den Wehrpflichtigen, für ihren schwierigen und wichtigen Dienst zugute kommen können.
Bundesminister Volker Rühe
Frau Präsidentin, soweit mein Bericht aus dem Bundeskabinett.
Danke schön, Herr Minister.
Das Wort zu einer Frage hat jetzt der Abgeordnete Kolbow.
Herr Minister, ich darf die Frage an Sie richten, ob Sie im Zusammenhang mit der künftigen Flexibilität der Wehrpflicht und der Einführung der - ich nenne es einmal so - freiwilligen Wehrpflicht die Absicht verbinden, nunmehr auch freiwillige Wehrpflichtige bei internationalen Einsätzen der Bundeswehr, z. B. schon in Bosnien, einzusetzen.
Die Maßnahmen, die jetzt geplant sind, kommen erst ab dem nächsten Jahr zur Geltung. In Zukunft wird es so sein, daß wir für diese Einsätze Krisenreaktionskräfte zusammenstellen, die im Prinzip zu 80 % aus Berufs- und Zeitsoldaten bestehen werden und zu ca. 20 % aus freiwilligen Wehrpflichtigen, die sich in der Tat aus diesem Bereich rekrutieren würden. Dies ist eine freiwillige Entscheidung, ebenso wie die Bereitschaft, einen längeren Wehrdienst zu leisten, so daß sie dann für solche Einsätze entsprechend vorbereitet wären.
Was die aktuelle Situation und die Vorbereitung der Streitkräfte für einen möglichen Einsatz im Zusammenhang mit der Eventualfallplanung der NATO angeht, so gehen wir davon aus, daß es sich ganz überwiegend um Berufs- und Zeitsoldaten handeln wird. Werden einzelne Wehrpflichtige beteiligt, dann ausschließlich auf freiwilliger Grundlage. Ich habe überhaupt noch keinen Überblick, ob das nennenswerte Zahlen sein werden oder nur einzelne Fälle. Also: Berufs- und Zeitsoldaten im Kern; wenn Wehrpflichtige, dann nur auf eindeutig freiwilliger Basis.
Eine Frage der Abgeordneten Schulte.
Herr Minister, wodurch würden Sie die Attraktivität der Wehrpflicht für die jungen Leute erhöhen? Glauben Sie nicht, daß die Leute merken, daß das ein Betrug an ihnen ist? Wer für zehn Monate zum Wehrdienst geht und bei einer Verlängerung weniger Geld bekommt als ein SaZ-2-Soldat, wird das sehr schnell feststellen.
Zunächst einmal, gnädige Frau, glaube ich, daß es sehr wichtig wäre, wenn alle Fraktionen des Hauses deutlich machen würden, daß der Dienst der Wehrpflichtigen derjenige Dienst ist, der in der Verfassung in erster Linie vorgesehen ist, und daß sie darin unser aller volle politische Unterstützung bekommen.
Das geht bis zur Frage von Empfängen. Ich freue mich, daß die Präsidentin des Deutschen Bundestages meine Anregung aufgegriffen hat, noch in diesem Jahr - wir haben 40 Jahre Bundeswehr - einen speziellen Empfang für Wehrpflichtige durchzuführen.
Das ist noch wichtiger als eine materielle Unterstützung für die Wehrpflichtigen.
Zweitens bin ich der Meinung, daß die Wehrpflicht dann am stabilsten ist, wenn die jungen Leute spüren, daß wir sie nur so lange behalten, wie es unbedingt notwendig ist. Deswegen wollen wir wegen der veränderten Lage eine Verkürzung auf zehn Monate. Aber diejenigen, die freiwillig länger dienen wollen, also über diese zehn Monate hinaus, müssen materiell einen entsprechenden Anreiz bekommen. Den leisten wir. Deswegen kann ich nicht ganz verstehen, warum Sie sich sprachlich mit der Formulierung, die Sie eben verwandt haben, etwas verirrt haben. Das ist ein wirklicher Anreiz.
Die Möglichkeiten des SaZ bleiben ja voll bestehen. Wir wollen mehr Flexibilität. Es gibt Wehrpflichtige, die 15 Monate bleiben wollen, weil sie erst dann ihren Studienplatz oder ihren Arbeitsplatz bekommen. Dem konnten wir bisher nicht entsprechen. Die Vorschläge der Flexibilisierung der Wehrpflicht stammen wirklich von der Basis und aus der Praxis. Wenn Sie sich einmal erkundigen würden, stellten Sie fest: Das ist das, was die jungen Leute brauchen. Sie wollen keinen festen Zeitraum vorgesetzt bekommen; sie wollen Flexibilität in der Lebensgestaltung.
Eine Nachfrage, bitte.
Ich will mir die Kommentierung Ihres polemischen Beitrages, den Sie eben, mit einem Soupçon auf die Vizepräsidentin, gebracht haben, sparen. Natürlich sind wir Sozialdemokraten der Ansicht, daß junge Leute ihren Dienst - entweder in der Bundeswehr oder im Zivildienst - leisten sollen. Es ist viel interessanter, zu fragen, aus welchen Kreisen denn jene jungen Leute kommen, die weder Wehrdienst noch Zivildienst leisten. Das zu untersuchen wäre für die Union vielleicht spannend.
Nein, Herr Minister, ich frage Sie noch einmal nach der Attraktivität. Sie wissen ganz genau, daß ein SaZ-2-Mann pro Jahr mehr Geld bekommt als ein Wehrpflichtiger. Ich möchte außerdem wissen, warum Sie, wenn Sie die Attraktivität erhöhen wol-
Brigitte Schulte
len, unsere Vorstellungen der Erhöhung des Wehrsolds abgelehnt haben;
sie hätten eine erhebliche Verbesserung für die jungen Leute gebracht und wären gerechter gewesen.
Wir haben andere Maßnahmen, die wirkungsvoller sind, vorgeschlagen. Sie haben auch den Vorteil, daß sie finanziell abgesichert sind. Ich glaube, Sie verwechseln da einige Dinge, gnädige Frau. Denn die Möglichkeiten des SaZ bleiben voll bestehen. Es wird ja niemand gezwungen, von diesen neuen Möglichkeiten Gebrauch zu machen. Das ist ein Angebot.
Im übrigen kann ich keinen Soupçon erkennen. Ich darf Sie vielleicht dahin gehend informieren, daß mir die Frau Vizepräsidentin vor einigen Tagen gesagt hat, daß sie sehr gerne auch an einem Empfang für Wehrpflichtige teilnehmen wird. Ich fände das eine sehr gute Sache, wenn das ganze Haus deutlich machen würde, welche große Bedeutung die Wehrpflicht hat.
- Ich dachte, Sie hätten eben mit mir gesprochen.
- Es gehört auch dazu, die Antworten aufzunehmen.
Jetzt hat der Kollege Heistermann das Wort.
Herr Minister, da Sie hier nur die Wohltaten verkündigt haben, möchte ich Sie auch nach den Nachteilen der von Ihnen beabsichtigten Regelung fragen. Aus Ihren Beschlüssen geht ja hervor, daß das Entlassungsgeld von derzeit 1 800 DM auf 1 500 DM, also um 300 DM, gesenkt werden soll. Das Weihnachtsgeld wird von 450 auf 375 DM gesenkt. Dieses Geld sparen Sie bei allen Wehrpflichtigen ein. Andererseits wollen Sie den Mobilitätszuschlag nur jenen Wehrpflichtigen zubilligen, die mehr als 100 km zwischen Heimatort und Stationierungsort zurückzulegen haben.
Könnten Sie sich eine Debatte unter den Wehrpflichtigen vorstellen: Einerseits nimmt man uns etwas in nicht unbedeutender Höhe, andererseits wird einem kleinen Teil der Wehrpflichtigen ein Ausgleich gewährt? Würden Sie das unter „Attraktivitätssteigerung der Wehrpflicht" rechnen? Oder würden Sie nicht mit uns als Mitgliedern des Verteidigungsausschusses gemeinsam zu dem Schluß kommen, daß auf der einen Seite anscheinend etwas gegeben wird, aber auf der anderen Seite allen Wehrpflichtigen etwas genommen wird?
Ich glaube, Herr Kollege, daß die Wehrpflichtigen selbst genauer hingucken, als Sie das eben getan haben. Wenn man zwei Monate weniger dient, dann verringert das anteilsmäßig das Weihnachtsgeld und Entsprechendes. Das ist doch eine Frage der Gerechtigkeit: Wer freiwillig länger dient, der erhält mehr. Ich glaube, da haben die jungen Leute doch ein besseres Verständnis von Gerechtigkeit als das, das Sie eben zum Ausdruck gebracht haben.
Eine Nachfrage.
Herr Minister, wenn man die Veränderungen sowohl beim Weihnachtsgeld als auch beim Entlassungsgeld auf den Monat umrechnet - die jungen Leute werden Ihnen eine Rechnung präsentieren -, sieht man, was Sie den Leuten pro Monat wegnehmen. Um das einmal für Sie nachvollziehbar zu machen: Sie nehmen jedem Wehrpflichtigen praktisch 40 DM pro Monat weg.
Welche Intention hat die Bundesregierung gehabt, gerade bei den untersten Dienstgruppen, nämlich bei den Wehrpflichtigen, derart massive Eingriffe vorzunehmen?
Herr Kollege, die Opposition hat es immer schwer. Aber Sie haben sich etwas völlig Unmögliches vorgenommen.
Wir verbessern die Leistungen um 200 Millionen DM; das ist wohl unbestritten. Sie kommen aber zu der Auffassung, daß es den meisten schlechtergeht.
Das erinnert mich an Überlegungen, die nur schwer rational zu begründen sind.
200 Millionen DM werden zusätzlich gewährt, um hier eine höhere Attraktivität zu schaffen, und zwar durch direkte Zuwendungen und durch Beförderungsverbesserungen.
Ich wünsche Ihnen viel Vergnügen, den einzelnen klarzumachen, daß es ihnen schlechtergehen wird, obwohl wir 200 Millionen DM zusätzlich einsetzen werden.
Herr Kollege Kolbow.
Herr Minister, ich kann verstehen, daß Sie wegen Jäger-90-Turbulenzen heute im Plenum etwas gereizt reagieren -
Haben Sie den Eindruck, daß ich gereizt bin?
- und nicht mit der notwendigen Gelassenheit unsere Fragen beantworten.
Ich darf deswegen auf die Genauigkeit der von Ihnen genannten Zahlen zu sprechen kommen. Sie gehen immer von 200 Millionen DM aus. Können Sie mir bitte erklären, Herr Minister, wieso in der Vorlage lediglich von 181,4 Millionen DM die Rede ist? Runden Sie immer so großzügig nach oben wie beim Jäger 90 nach unten?
Herr Kollege, erstens möchte ich vorschlagen, daß andere darüber befinden, wer von uns gelassener ist.
Zweitens begrüße ich es als einen großen Fortschritt, daß, nachdem Ihr Kollege vor wenigen Minuten gesagt hat, die Leute bekämen weniger, Sie immerhin sagen, die Leute werden 181,4 Millionen DM mehr bekommen. Über den Rest werden wir uns auch noch einigen.
Woraus besteht der Rest, Herr Minister? Butter bei die Fische! Gehen Sie mit Zahlen mal ordentlich um!
Herr Kollege, das machen wir schon im Ausschuß. Die Differenz zwischen der von Ihnen und der von Ihrem Vorgänger genannten Zahl liegt zwischen 0 und 181 Millionen DM, die Differenz zwischen den von uns beiden genannten Zahlen liegt zwischen dieser Größenordnung und 200 Millionen DM. Das werden wir im einzelnen im Ausschuß klären.
Das habe ich nicht gewußt.
Das Wort hat jetzt Herr Kollege Rauber.
Herr Minister, die SPD-Bundestagsfraktion hat vor einigen Wochen im Rahmen der Haushaltsberatungen den Antrag gestellt, den Titel „Personal" urn insgesamt 500 Millionen DM zu kürzen. Welche Konsequenzen hätte eine solche Kürzung gehabt, wenn die CDU diesem Anliegen gefolgt wäre?
Ich glaube, das ist eindeutig, wobei ich den Kollegen zugute halten muß: Sie haben es wirklich schwer; denn sie sind in ihrer eigenen Fraktion unterlegen gewesen. Das heißt, die Fachleute der SPD, die Verteidigungs- und Haushaltspolitiker, waren unserer Meinung. Aber die Mehrheit hat sich durchgesetzt. Das kann passieren.
Deswegen bitte ich um Verständnis, wenn ich jetzt nicht im einzelnen ausmale, was passieren würde, wenn sich diejenigen in der SPD durchsetzen, von denen die hier anwesenden Verteidigungspolitiker der Meinung sind, daß sie die falsche Haltung vertreten.
- Wo ist denn das Dreieck?
Sie wissen, daß die Berufung auf § 36 nicht ganz ungefährlich ist.
Bitte, Herr Augustinowitz.
Herr Bundesminister, eine wichtige Neuregelung in dem Gesetzentwurf ist die Frage des Dienstzeitausgleichs. Sie wollen wegen der Reduzierung beim Grundwehrdienst auf zehn Monate den zeitlichen Dienstzeitausgleich in den ersten zehn Monaten weitestgehend einschränken, um der Ausbildung gerecht zu werden.
Finden Sie als Vertreter der Bundesregierung es richtig, daß der Grundwehrdienstleistende diesen Ausgleich - in Zeit oder in Geld - erst ab dem siebten Monat bekommt, während der Zivildienstleistende bereits mit dem ersten Tag seiner Dienstleistung Dienstzeitausgleich in Form von Freizeit bekommt? Ist das mit dem Grundsatz der Gleichbehandlung und der Gerechtigkeit diesen beiden Diensten gegenüber vereinbar? Wenn nicht: Was macht die Bundesregierung, um das zu verbessern?
Das liegt nicht in meinem Zuständigkeitsbereich.
Für den Zivildienst bin ich wirklich nicht zuständig. Richtig ist, daß sich in manchen Fragen eine schiefe Ebene entwickelt hat. Deswegen gibt es jetzt unseren Vorschlag, einen Mobilitätszuschlag zu gewähren, damit jemand sich nicht aus materiellen Gründen - eigentlich soll es ja eine Gewissensentscheidung sein - gegen den Wehrdienst entscheidet. Aber ich als Bundesminister der Verteidigung - nur so haben wir ja auch die zehn Monate begründet - muß darauf achten, daß sie dann auch wirklich möglichst kompakt für die Ausbildung genutzt werden. Insofern ist es zu der Regelung gekommen, ganz überwiegend und prinzipiell einen finanziellen Ausgleich
Bundesminister Volker Rühe
zu schaffen und eben keinen zeitlichen, weil dann für die Ausbildung notwendige Zeit verlorenginge. Ich kann nicht beurteilen, wie das im Zivildienst aussieht und was für Regelungen man dort treffen kann. Ich wäre dafür dankbar, wenn die Abgeordneten das in den Beratungen im Auge behalten würden.
Ich erteile das Wort dem Kollegen Palis.
Herr Minister, ich habe in den Vorbemerkungen zum Wehrrechtsänderungsgesetz folgendes gefunden - ich darf zitieren -:
Außerhalb der Zielsetzung dieses Gesetzentwurfs wird dieser dazu benutzt, im Bundesbesoldungsgesetz die Besoldungsgruppe B 7 für den Präsidenten der Bundesakademie für Sicherheitspolitik zu eröffnen.
Könnten Sie mir sagen, welcher Grund Sie dazu bewogen hat, und insbesondere, wer diese Funktion wahrnehmen soll?
Das kann ich Ihnen gerne sagen. Die Spitze dieser Akademie wird in einem turnusmäßigen Wechsel besetzt. Es gibt eine Nominierung von seiten des Bundesministers der Verteidigung - das war bisher der frühere Generalinspekteur Wellershoff - und von seiten des Bundesministers des Auswärtigen. Der Bundesminister des Auswärtigen hat jetzt seinen Vorschlag für die Nachfolge von Admiral Wellershoff gemacht. Dabei handelt es sich nach meiner Kenntnis um einen Diplomaten, der sich bereits jetzt in dieser Besoldungsgruppe befindet. Für diese Auskunft würde ich meine Hand im Augenblick nicht ins Feuer legen. Aber es hängt zusammen mit dem Wechsel in der Führung der Bundessicherheitsakademie von einem vom Verteidigungsministerium zu Benennenden zu einem vom Auswärtigen Amt zu Benennenden. Wir können dem gern noch einmal nachgehen, nämlich ob der betreffende Botschafter - um einen solchen handelt es sich - schon jetzt in dieser Besoldungsgruppe ist oder ob es ein Wunsch des Auswärtigen Amtes war, hier zu einer Beförderung zu kommen.
Es besteht jetzt die Möglichkeit, auch zu anderen Themen Fragen zu stellen. - Der Kollege Conradi hat sich als erster gemeldet. Bitte.
Trifft es zu, daß der Herr Bundeskanzler den Autor Michael Ende beauftragt hat, jetzt ein Buch unter dem Titel „Die unendliche Geschichte des Schürmann-Baus" zu schreiben, oder hat sich das Kabinett in seiner heutigen Sitzung endlich darüber geeinigt, was es dem Haushaltsausschuß vorschlagen wird?
Hinter Ihnen, Herr Minister Rühe, sitzt der Bauminister. Vielleicht will er das beantworten.
Für den Schürmann-Bau bin ich wirklich nicht zuständig, auch die Marine nicht.
Das Gerücht, daß Michael Ende beauftragt worden ist, die unendliche Geschichte dieses Bauwerks zu schreiben, trifft ebenfalls nicht zu?
Die Regierungsbank ist gut besetzt. Es hat sich jemand zur Beantwortung gemeldet, und zwar der Minister Töpfer.
Zunächst beglückwünsche ich den Kollegen Conradi zu seinen guten literarischen Kenntnissen.
Zum zweiten möchte ich ihn darauf hinweisen, daß die Kabinettsitzung gestern stattgefunden hat.
Zum dritten möchte ich sagen, daß sich das Kabinett gestern mit dieser Frage nicht beschäftigt hat.
Eine Frage des Kollegen Erler.
Meine Frage richte ich an den Bundesminister der Verteidigung. Herr Minister, bei der Entwicklung in Jugoslawien haben wir zur Kenntnis nehmen müssen, daß sich die verschiedenen NATO-Länder darauf vorbereiten, verstärkt eigene Kampftruppen in das umkämpfte Gebiet von Bosnien-Herzegowina zu entsenden. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob der Charakter der bisherigen Zusagen der Bundesregierung, die ja noch vom Parlament bestätigt werden müssen, im Falle einer Entsatzoperation für eventuell in Not geratene Blauhelme ein anderer werden wird, nämlich ob es passieren kann, daß im Zuge der Operationen, die diese Kampftruppen unter Umständen auf ex-jugoslawischem Boden durchführen, auch die Bundesrepublik zu Hilfe gerufen werden kann, vielleicht auch mit der Forderung nach anderen oder mehr Einheiten als die, die bisher von der Bundesregierung in Aussicht gestellt worden sind. Wie wird die Bundesregierung darauf reagieren?
Das Bundeskabinett hat nach meinem Bericht beschlossen, daß die deutschen Streitkräfte auf eine Eventualfallplanung entsprechend den Zusagen, wie wir sie der NATO gegeben haben, vorbereitet werden. Dies bezieht sich auf die Eventualfallplanung für einen Rückzug oder einen Teilrückzug.
Auf der anderen Seite machen die Debatte und die Einlassungen eigentlich aller Parteien und Fraktionen im Deutschen Bundestag deutlich, daß ein vollständiger Abzug eine humanitäre Katastrophe, eine vernichtende Niederlage für die Vereinten Nationen wäre und danach ein noch größerer militärischer
Bundesminister Volker Rühe
Konflikt ausbrechen könnte. Deswegen vertreten eigentlich alle die Auffassung, daß es besser wäre, wenn die Blauhelme bleiben könnten. Dies ist aber auf der bisherigen Grundlage, die mit zu den Geiselnahmen geführt hat, eindeutig nicht mehr möglich. Deshalb gibt es, gerade auch von der französischen Seite angestoßen, erste Überlegungen, wie man zu einer Konzentration, zu einer besseren militärischen Absicherung, zu einer größeren militärischen Stärke dieser Blauhelmmission kommen kann.
Ich persönlich glaube - ich kann da nur für mich sprechen, denn diese Pläne sind ganz neu und noch nicht erörtert worden -, daß wir, wenn unsere Verbündeten mit Überlegungen auf uns zukommen, angesichts der Tatsache, daß auch wir einen völligen Abzug nicht wollen, offen sein müssen, mit ihnen gemeinsam zu prüfen, welches die richtigen Maßnahmen wären, damit die Blauhelmmission unter veränderten Bedingungen fortgesetzt werden kann.
Eine Zusatzfrage des Kollegen Erler; bitte.
Herr Minister, würden Sie mir zustimmen, daß das dann allerdings eine völlig andere Art von Einsatz als der wäre, auf den die deutsche Öffentlichkeit und auch die Mitglieder dieses Hauses bisher vorbereitet sind, und daß eine Umstellung auf einen solchen völlig anders gearteten Einsatz und die entsprechende Information darüber eigentlich nicht in einer sehr kurzen Frist erfolgen sollten, sondern dabei dem Zeit- und Beratungsbedarf auch des Parlaments Rechnung getragen werden müßte?
Noch ist diese Situation nicht eingetreten. Ich habe gerade gehört, daß sich auch der Auswärtige Ausschuß mit dieser Frage schon beschäftigt hat. Insofern sehen Sie, daß sich das Parlament mit den internationalen Entwicklungen beschäftigt. Aber es ist klar, daß es am Ende der notwendigen Beschlüsse bedarf. Im Augenblick ist noch niemand an uns herangetreten.
Wir alle sind der Meinung, daß es nicht zu einem völligen Abzug der Blauhelme kommen darf. Deswegen müssen wir gemeinsam prüfen, was wir zusammen mit unseren Verbündeten tun könnten, um diese nicht gewünschte Situation zu vermeiden. Im Augenblick kann man nicht mehr und nicht weniger sagen.
Herr Kollege Kolbow mit einer Nachfrage.
Herr Bundesminister, hat sich die Bundesregierung im Zusammenhang mit ihren jüngsten Beratungen zu dem gerade vom Kollegen Erler behandelten Problembereich hinsichtlich ihrer eigenen Vorbehalte für eine Zustimmung Deutschlands für den eventuellen Fall eines Abzugs oder eines Teilabzugs noch einmal gegenüber dem NATO-Rat geäußert, was die finanzielle Regelung, was die Regelung der Führungs- und Kommandostrukturen, aber auch die Kenntnisnahme des jeweiligen Operationsplans angeht?
Wir haben darüber eben im Ausschuß gesprochen. Es gibt keine veränderten Positionen. Wir brauchen einen Operationsplan; er ist noch nicht genehmigt. Wir brauchen für einen solchen Fall eine klare Kommandostruktur von der NATO. Es gibt schon jetzt Verhandlungen zwischen der NATO und der UNO über eine mögliche Finanzierung. Im übrigen habe ich im Ausschuß darauf hingewiesen, daß, wenn es zu einem solchen Einsatz wirklich kommt, die vorgesehenen deutschen Streitkräfte nicht aus dem Einzelplan 14 finanziert werden können und die Bundesregierung und das Parlament eine entsprechende Entscheidung treffen müssen.
Aber für dies alles ist es heute zu früh. Im Augenblick konzentrieren sich alle Bemühungen verständlicherweise darauf, wie man einen völligen Abbruch der Blauhelmmission vermeiden kann. Auch wir sollten dem unsere ganze Kraft widmen.
Herr Kollege Horn, bitte.
Herr Minister, ist Ihnen die Meldung vom heutigen Tage aus der „Frankfurter Rundschau" bekannt, nach der der Befehlshaber des Wehrbereichs VI auf die Frage von Journalisten nach der Benennung von Kasernen, und zwar einer Kübler-Kaserne und einer Dietl-Kaserne, geantwortet haben soll, ja, auch er würde eine Kübler-Kaserne ablehnen, da sich dieser General gegen die Prinzipien der Menschlichkeit vergangen habe, aber bei General Dietl handele es sich „nur" um einen glühenden Verfechter und Anhänger von Hitler und der NaziIdeologie? Halten Sie dies für eine angemessene Aussage im Sinne der Traditionslinien für die deutsche Bundeswehr?
Herr Kollege, ich gebe zu, daß ich die „Frankfurter Rundschau" lese, aber erst später am Tage.
Morgens, in begrenzter Zeit, lese ich zunächst andere Zeitungen. Deswegen bitte ich um Verständnis, daß ich mir den genauen Wortlaut dort erst noch einmal anschauen möchte.
Zur Sache: Ich habe militärhistorische und völkerrechtliche Untersuchungen im Hinblick auf die beiden genannten Persönlichkeiten in Auftrag gegeben. Ich bin sicher, daß ich im Laufe der nächsten Monate die Untersuchungsergebnisse vorlegen kann. Die will ich dann auch vor Ort zur Diskussion stellen. Insofern ist es richtig, daß das vor Ort diskutiert werden muß.
Bundesminister Volker Rühe
Ich halte aber nichts davon, daß der Bundesminister der Verteidigung von oben dekretiert, welche Namen angemessen sind und welche nicht;
denn wir haben z. B. fünf Hindenburg-Kasernen. Ich habe auch schon Zuschriften über die Lettow-Vorbeck-Kaserne bekommen, weil der Namensgeber in Afrika tätig war. Deshalb ist die Frage: Wo fangen Sie an, wo hören Sie auf?
Was die Haltung der Bundesregierung dazu angeht, so können Sie die am besten aus der Neubenennung von Kasernen erkennen. Mit der JuliusLeber-Kaserne und dem Bendler-Block - mit der Ehrung Stauffenbergs - gibt es überhaupt keinen Zweifel daran, wo wir den Schwerpunkt setzen. Aber ich wünsche mir, und ich will auch die Grundlage dafür schaffen, daß vor Ort angesichts der Materialien diskutiert wird, welcher Name heute für angemessen gehalten wird und welcher nicht, und daß man nach Möglichkeit Dekrete von oben vermeidet.
Eine Frage des Abgeordneten Gansel.
Herr Minister, da Sie wie ich wissen, daß die Benennung von Bundeswehrkasernen keine örtliche Angelegenheit ist, sondern durch den Bundesverteidigungsminister, also letztlich durch Sie, entschieden und auch verantwortet wird,
und da es nun schon seit Jahrzehnten eine kritische, immer heftiger und immer unverständlicher werdende Diskussion über die Benennung dieser Kaserne nach dem ehemaligen General Dietl gibt, frage ich Sie: Warm wird endlich die Bundesregierung, wann wird endlich der Bundesminister der Verteidigung begreifen, daß ein Dietl, der nicht nur ein glühender Anhänger Hitlers war, der die Wehrmacht in seinem Geist formen wollte, sondern der sich auch insbesondere in Norwegen schlimme Verbrechen hat zuschulden kommen lassen, nicht länger ein Vorbild für die Bundeswehr sein kann und daß die Kaserne deshalb endlich umbenannt werden muß?
50 Jahre danach - Herrgott noch einmal, wie lange wollen Sie noch prüfen lassen?
Herr Kollege, es gibt keinen Grund zur Aufregung. Ich will jetzt gar nicht untersuchen, unter welchem Verteidigungsminister diese Benennungen vorgenommen worden sind. Da würden Sie sich wundern.
Ich stehe in der Verantwortung für die Benennungen, die ich durchführe. Mir gegenüber wurde unlängst vom Vorsitzenden des DGB der Wunsch geäußert, den ich für sehr gut halte, Leuschner, den Mann des Widerstands, zu ehren. Ich glaube, auch die sonstigen Entscheidungen geben Ihnen nicht das Recht, das in dieser Weise so emotional anzusprechen.
Ich habe ja gesagt, wir werden die Dokumente vorlegen. Aber es muß vor Ort diskutiert werden - da sind häufig auch die verschiedensten Parteien in den Stadträten beteiligt -, und zwar auf der Grundlage der historischen und völkerrechtlichen Gutachten. Das muß man dann in jedem Einzelfall bewerten.
Mein Rat wäre, was erfolgte Entscheidungen angeht, mit Augenmaß vorzugehen. Denn eines kann auch nicht hingenommen werden - das sage ich als jemand, der nun wirklich viel Sympathie für den Widerstand hat und der viele Kasernen nach Widerstandskämpfern benannt hat -, daß generell die Soldaten, die im Zweiten Weltkrieg gekämpft und nicht zum Widerstand gehört haben, nachträglich kriminalisiert werden.
- Ich freue mich, wenn wir dort einig sind. Aber auf der Grundlage der Gutachten ist es vernünftig, wenn dann beraten wird.
Eine Zusatzfrage des Kollegen Büttner.
Herr Minister, seit Monaten liegen Ihnen Gutachten des militärgeschichtlichen Forschungsamtes zur Benennung der Dietl-Kaserne und auch der Kübler-Kaserne vor, die eindeutig belegen, daß Dietl ein glühender Anhänger des Nationalsozialismus und ein Gegner der Demokratie war, die weiter belegen, daß General Kübler gerade in Jugoslawien, im Adria-Bereich, einer der stärksten Verfechter des sogenannten Bandenbefehls war. Halten Sie es da nicht für absurd und der Demokratie-Verpflichtung der Bundeswehr in hohem Maße abträglich, gerade in der jetzigen Zeit, wo wir darüber reden, in Jugoslawien Hilfestellung zu leisten, nach wie vor so herumzueiern, statt endlich eine klare Entscheidung zu treffen, einen Strich zwischen Demokraten und Antidemokraten zu ziehen, zwischen denen, die Kriegsverbrechen begangen haben, und denen, die ihren Dienst ordnungsgemäß abgeleistet haben?
Herr Kollege, ich halte es für völlig unangemessen, jetzt Verbindungen nach Jugoslawien zu ziehen. Was vorliegt, waren die historischen Gutachten. Wenn Sie zugehört hätten, hätten Sie festgestellt, daß ich auch völkerrechtliche Gutachten in Auftrag
Bundesminister Volker Rühe
gegeben habe. In dem Moment, in dem das Material vollständig und bewertet vorliegt - und das wird in den nächsten Monaten der Fall sein -, werde ich es für eine fundierte Diskussion zur Verfügung stellen.
Aber noch einmal: Meine Vorstellung ist nicht, daß darüber ein Bundesverteidigungsminister in seinem Dienstzimmer entscheidet
- das ist eine ganz neue Vorstellung von Demokratie -, sondern das muß vor Ort unter den Betroffenen, in den Gemeinderäten und mit den Soldaten, besprochen werden. Ich glaube, daß man dann auch - ich weiß gar nicht, warum Sie so aufgeregt sind, Sie sollten einmal Zutrauen haben zu den Leuten vor Ort, die machen sich auch ihre Gedanken - zu vernünftigen Entscheidungen kommen wird.
Im übrigen finde ich, daß Sie wirklich ein schiefes Bild zeichnen. Denn Sie sollten lieber anerkennen, in welchem Maße die Bundeswehr Beispiele für die guten Traditionen in der deutschen Geschichte gegeben hat.
Dafür sollten Sie dankbar sein, und das sollten Sie auch dankbar anerkennen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die vorgesehene Zeit ist leider schon abgelaufen. Ich hatte dem Kollegen Zwerenz noch eine Frage erlaubt, aber die anderen muß ich leider streichen, sonst geht es nämlich von der Fragestunde ab. Das ist jetzt also die letzte Frage. Bitte!
Herr Minister, ich möchte nicht darauf zu sprechen kommen, daß ich feststellen mußte, daß es zwischen den Artikeln und Veröffentlichungen, die ich vor 15 Jahren über die Dietl-Kaserne publiziert habe, und den jetzigen wissenschaftlichen Arbeiten, die vorliegen, auch vom Freiburger Institut, keinen wesentlichen Unterschied gibt. Ich frage vielmehr darüber hinausgehend: Wäre es Ihnen lieber, wenn es keine Dietl-Kaserne gäbe, oder müssen Sie eigentlich Rücksicht auf bestimmte Abgeordnete Ihrer Fraktion nehmen, etwa auf den Kollegen Rossmanith, die nun eingefleischte Fürsprecher der Dietl-Kaserne sind?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich gebe Ihnen eine glasklare Antwort. Wenn ich jetzt neu über eine Kaserne, die einen neuen Namen zu bekommen hat, zu entscheiden hätte, würde ich keine Dietl-Kaserne vorschlagen und schon gar nicht eine Kübler-Kaserne.
Aber das ist nicht die Situation, mit der ich es zu tun habe. Das bitte ich zur Kenntnis zu nehmen. Deswegen halte ich es für den richtigen Ansatzpunkt für die Diskussion, daß ich den Betroffenen vor Ort die Materialien für die Diskussion zur Verfügung stelle.
Darf ich eine Nachfrage stellen?
Leider darf ich das nicht mehr genehmigen.
Danke schön, Herr Minister. Die für die Befragung der Bundesregierung vorgesehene Zeit ist abgelaufen.
Ich beende die Befragung und rufe den Tagesordnungspunkt 2 auf:
Fragestunde
- Drucksache 13/1498 -
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung auf. Zur Beantwortung steht uns die Parlamentarische Staatssekretärin Michaela Geiger zur Verfügung.
Die Frage 1, gestellt von der Kollegin Blunck, soll schriftlich beantwortet werden. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 2, gestellt von der Kollegin Ursula Schönberger, auf:
Kann die Bundesregierung die Aussagen der Sendung ,,ZDF Spezial" vom 25. Mai 1995 bestätigen, daß US-amerikanische Streitkräfte in Misau und Baumholder den Einsatz von Munition mit abgereichertem Uran, die im Krieg gegen den Irak eingesetzt wurde, geübt haben, und wenn ja, welche Übungen wurden in Deutschland genau durchgeführt?
Frau Staatssekretärin, ich bitte um Beantwortung.
Frau Kollegin Schönberger, die Bundesregierung kann die Aussagen der genannten Sendung nicht bestätigen. Der Bundesregierung liegt die Bestätigung des US-Hauptquartiers vor, daß Munition mit Geschossen aus abgereichertem Uran bei der Ausbildung nicht benutzt wird. Der Gebrauch dieser Munition ist auf Übungsplätzen in Deutschland untersagt. Die Bundesregierung hat keine Anhaltspunkte dafür, daß die US-Streitkräfte auf dem Truppenübungsplatz Baumholder oder anderswo dagegen verstoßen hätten.
Zusatzfrage, Frau Kollegin.
Kann denn die Bundesregierung bestätigen, daß Munition mit abgereichertem Uran in Misau und Baumholder stationiert ist?
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 31. Mai 1995 3145
Ja, die Munition ist gelagert, sie wird aber nicht eingesetzt.
Zweite Zusatzfrage.
Heißt das, daß die Bundesregierung zu hundert Prozent ausschließen kann, daß auf deutschen Truppenübungsplätzen Munition mit abgereichertem Uran bewegt oder verwendet wird?
Wir können uns auf die US-Angaben verlassen. Danach heißt es: Die Munition wird nur gelagert; sie ist bei der Ausbildung nicht eingesetzt worden.
Bitte.
Zu welchen Zwecken wird dann diese Munition hier in der Bundesrepublik Deutschland gelagert, wenn nicht beabsichtigt ist, mit ihr zu üben?
Da es sich um Bestände der US Army handelt, kann ich Ihnen darüber keine Auskunft geben.
Eine weitere Zusatzfrage dazu, bitte.
Im Golfkrieg ist aber diese Munition mit abgereichertem Uran von den US-amerikanischen Streitkräften eingesetzt worden. Die katastrophalen Folgen zeigen sich jetzt. Es hat Vergiftungen und Verstrahlungen während des Einsatzes gegeben, und jetzt stellt man bei der irakischen Bevölkerung zusätzlich Behinderungen bei Neugeborenen fest. Auch bei den US-amerikanischen Soldaten sind ähnliche Erscheinungen zu sehen, wie sie im VietnamKrieg beim Einsatz von Agent Orange auftraten.
Wie ist die Haltung der Bundesregierung dazu, jetzt auch mit Blick auf den Einsatz deutscher Soldaten als Krisenreaktionskräfte?
Frau Kollegin, die Bundeswehr hat auf die Entwicklung und Beschaffung solcher Munition verzichtet. Wir verwenden andere Schwermetalle. Wir haben deshalb auch keine eigenen Erkenntnisse über die Gefährlichkeit des Materials. Ich kann Ihnen hier keine exakte Auskunft geben.
Weitere Zusatzfragen dazu werden nicht gestellt. Dann, Frau Parlamentarische Staatssekretärin, bedanke ich mich für die Beantwortung.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit auf. Die Frage 3, die von dem Kollegen Benno Zierer gestellt worden ist, soll schriftlich beantwortet werden. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Dann rufe ich den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Post und Telekommunikation auf. Die Frage 4 von der Kollegin Dr. Elke Leonhard soll ebenfalls schriftlich beantwortet werden. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau auf. Zur Beantwortung steht uns der Herr Bundesminister Dr. Klaus Töpfer selbst zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 5 auf, die der Kollege Peter Conradi gestellt hat:
Wann wird die Bundesregierung die Asbestsanierung des „Palasts der Republik" in Berlin ausschreiben, und wird sie bei der Ausschreibung die Anbieter auffordern, alternative Angebote für eine Asbestentsorgung mit darauffolgendem Abriß und für eine Asbestsanierung für Umbau und Weiternutzung des Gebäudes zu machen?
Ich bitte, Herr Bundesminister, sie zu beantworten.
Herr Präsident! Herr Kollege Conradi, ich darf die Frage wie folgt beantworten: In der Sitzung des Gemeinsamen Ausschusses Bund-Berlin am 22. Mai dieses Jahres wurde einvernehmlich beschlossen, die Planung der Asbestbeseitigung des Palastes der Republik in Berlin-Mitte kurzfristig auszuschreiben. Die Ausschreibung der Planungsleistung dient als Grundlage für die Haushaltsunterlage Bau gemäß § 24 BHO.
Die Ausschreibung erfolgt in dieser Woche. Sie steht jedoch unter dem Vorbehalt der Zustimmung des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages. Es ist dabei vorgesehen, alternative Angebote zur Planung der Asbestbeseitigung einzuholen.
Die Beantwortung der Frage nach Abriß, Umbau oder Weiternutzung des Gebäudes wird selbstverständlich erst nach Vorlage eines Nutzungskonzepts für den gesamten Schloßplatzbereich möglich sein - und auch in Kenntnis des Anhörverfahrens des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages.
Zusatzfrage, Herr Kollege Conradi? - Nein. Hat sonst jemand eine Zusatzfrage? - Das ist nicht der Fall.
Dann kann ich gleich die Frage 6 aufrufen, die ebenfalls der Kollege Conradi gestellt hat:
Wann wird die Bundesregierung dem Deutschen Bundestag eine Haushaltsunterlage Bau gemäß § 24 BHO für den geplanten Abriß des Ministeriums für Auswärtige Angelegenheiten der ehemaligen DDR-Regierung vorlegen, und wann soll mit dem Abbruch begonnen werden?
Ich bitte um Beantwortung.
Herr Präsident!
Bundesminister Klaus Töpfer
Herr Kollege Conradi, ich darf die Frage wie folgt beantworten: Der Abbruch des Ministeriums für Auswärtige Angelegenheiten der ehemaligen DDR wird als Ordnungsmaßnahme im städtebaulichen Entwicklungsbereich Hauptstadt Berlin - Parlament und Bundesregierung - durchgeführt, und zwar durch den Entwicklungsträger Deutsche Stadtentwicklungsgesellschaft mbH (DSK) im Auftrage des Landes Berlin. Das heißt, wegen der Einbindung dieses Abrisses in die Aufgaben der DSK ist die von Ihnen erwähnte Haushaltsunterlage Bau nicht zu erstellen. Sie ist in dem genehmigten Haushalt der DSK mit abgedeckt.
Mit den Vorarbeiten zum Abbruch ist begonnen worden. Gegenwärtig wird innerhalb des Hauses das, was wir als chemische Entsorgung und Beseitigung bezeichnen, durchgeführt. Es werden also diejenigen Substanzen gesichert und vernünftig entsorgt, die noch in dem Gebäude enthalten sind.
Wir gehen davon aus, daß mit den äußerlich dann stärker sichtbaren Abrißmaßnahmen etwa im Juni begonnen wird.
Zusatzfrage, Herr Kollege Conradi.
Herr Minister, der Abbruch wird doch vom Bund bezahlt. Ist es dann korrekt, daß das über eine andere Gesellschaft, die Zuwendungsempfänger ist, abgewickelt wird, ohne daß dem Haushaltsausschuß die nach der Haushaltsordnung erforderlichen Unterlagen vorgelegt werden?
Ich sage es noch einmal: Der Abriß wird über den Haushalt der DSK bezahlt. An dem Haushalt der DSK sind der Bund mit 64 % und das Land Berlin mit den restlichen 36 % beteiligt. Ich wiederhole: Es ist als Ordnungsmaßnahme in diesen städtebaulichen Entwicklungsbereich mit integriert. Deswegen war die DSK der Antragsteller für den Abriß beim Berliner Senator für Bau- und Wohnungswesen. Der Abriß ist so genehmigt worden. Ich glaube, daß dies voll und ganz den Haushaltsanforderungen gerecht wird.
Keine weitere Zusatzfrage des Kollegen Conradi, auch nicht aus anderen Teilen des Hauses. Vielen herzlichen Dank, Herr Bundesminister, für die Beantwortung.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen auf. Zur Beantwortung ist Herr Staatssekretär Dr. Overhaus erschienen.
Die Fragen 7 und 8, gestellt von dem Kollegen Christian Müller , sollen schriftlich beantwortet werden. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 9 des Kollegen Rolf Schwanitz auf:
Verfolgt die Bundesregierung bzw. die bundeseigene .,Gesellschaft für kommunale Altschulden und Sonderaufgaben im
Zusammenhang mit der Währungsumstellung mbH" die gerichtliche Durchsetzung ihrer Forderungen aus den sog. Altschulden für gesellschaftliche Einrichtungen gegenüber den ostdeutschen Gemeinden, oder ist sie bereit, jenseits der strittigen Rechtsauffassungen der Beteiligten eine pragmatisch-politische Lösung dieser Probleme in Verhandlungen mit den Landesregierungen der neuen Bundesländer einschließlich der betroffenen Gemeinden anzustreben?
Ich bitte, Herr Staatssekretär, um Beantwortung.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Herr Abgeordneter Schwanitz, weder die Bundesregierung noch die „Gesellschaft für kommunale Altschulden und Sonderaufgaben im Zusammenhang mit der Währungsumstellung mbH" haben ein Interesse an gerichtlichen Auseinandersetzungen über die Altschulden für gesellschaftliche Einrichtungen.
Grundsätzlich ist die Lösung der Altschuldenproblematik keine Bundesaufgabe. Zuständig sind die neuen Länder. Durch die Neuordnung des bundesstaatlichen Finanzausgleichs zum 1. Januar 1995 ist die Finanzausstattung der neuen Länder und ihrer Gemeinden auf eine dauerhaft sichere Grundlage gestellt worden.
Für die meisten Gemeinden ist die Kreditbelastung wirtschaftlich tragbar.
Besondere finanzielle Probleme einzelner Gemeinden können durch den kommunalen Finanzausgleich gelöst werden.
Die Bundesregierung strebt nach wie vor im Interesse der Kommunen als Kreditschuldner eine rasche Lösung des Altschuldenproblems an, um ein weiteres Auflaufen von Zinsverpflichtungen zu vermeiden. Der Bund hat deshalb mit den Ländern Gespräche eingeleitet, die aber bisher zu keinem abschließenden Ergebnis geführt haben.
Zusatzfrage, Herr Kollege Schwanitz.
Herr Staatssekretär, nachdem Sie in Ihrer Antwort darauf verweisen, daß es hier um eine Zuständigkeitsfrage der Kommunen bzw. der Länder geht, möchte ich die Frage stellen, wie Sie dies vor dem Hintergrund beurteilen, daß wir in der zurückliegenden Zeit sehr wohl eine politische Lösung für die Altschuldenfrage beispielsweise im Bereich der ostdeutschen Wohnungswirtschaft gefunden haben.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, im Zusammenhang mit dem Föderalen Konsolidierungsprogramm haben wir uns die Frage gestellt, wie die östlichen Bundesländer insgesamt finanziell ausgestattet werden müssen, und haben dabei das spezielle Problem des Wohnungsbaus mitberücksichtigt. Im Wohnungsbau hatten wir das Problem, einerseits die Mieter nicht zu überlasten, andererseits die
Staatssekretär Dr. Manfred Overhaus Wohnungsbaugesellschaften in eine wirtschaftlich vernünftige Lage zu versetzen. Das bedeutete, daß die Wohnungsunternehmen, die besonders neue und teuer finanzierte Plattenbauten hatten, bei den von uns vorgesehenen Mieten keine wirtschaftliche Überlebenschance gehabt hätten, wenn ihnen nicht gezielt geholfen worden wäre.
Deswegen hat man damals gesagt: Aus der insgesamt zur Verfügung stehenden Finanzmasse wird ein Teil gezielt zur Kappung dieser Schulden eingesetzt. Für die hier zur Diskussion stehenden kommunalen Altschulden wurde diese Möglichkeit nicht gesehen. Man hat gesagt: Insgesamt besteht sehr wohl die Möglichkeit, daß die Länder und Kommunen als wirtschaftliche Einheit dieses Problem mit der zur Verfügung gestellten Finanzmasse lösen.
Zweite Zusatzfrage, Herr Kollege Schwanitz.
Herr Staatssekretär, Sie haben in Ihrer Antwort - aus meiner Sicht: richtigerweise - soeben noch einmal auf die Frage der Belastbarkeit - damals auf die der Wohnungswirtschaft - abgestellt. Ich möchte Sie fragen, ob Sie der Auffassung sind, daß die Altschuldenlast - inklusive der aufgelaufenen Zinsen - der ostdeutschen Kommunen, gemessen an ihrer Pro-Kopf-Verschuldung, angemessen ist.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, dieses Problem möchte ich gerne zweiteilen: Wir haben einmal das Problem der Durchschnittsverschuldung der einzelnen Gemeinden zu sehen. Dieses Problem halte ich für lösbar und möchte dazu gleich etwas sagen.
Der zweite Punkt ist: Es gibt einzelne Gemeinden, insbesondere ganz kleine Gemeinden mit vielleicht 150 Einwohnern, die zufälligerweise ein ganz bestimmtes Objekt haben. Hier gibt es Probleme.
Was die Durchschnittsbelastung angeht, so sind diese Beträge nach unserer Einschätzung sehr wohl akzeptabel. Der Grundbestand der Schulden betrug 1990 fünf Milliarden DM. Der ist jetzt mit Zins und Zinseszins auf 7,5 Milliarden DM aufgelaufen. Das ist im Durchschnitt aller Gemeinden, pro Kopf der Bürger, ein Betrag von gut 500 DM. Das halten wir für tragbar.
Eine andere Frage ist es, wie es mit einzelnen Sonderfällen, mit ganz bestimmten Gemeinden, aussieht. Hier gibt es eine ganze Reihe von kleinen Gemeinden mit 150, 180, 200 Einwohnern und einem ganz bestimmten Objekt. Hier kommen in Einzelfällen untragbare Lasten zustande. Das geht bis zu einer Pro-Kopf-Verschuldung in diesen Gemeinden von über 30 000 DM.
Für uns ist ganz klar, daß dieser Zustand so nicht bleiben darf. Dieses Problem muß gelöst werden, aber nicht im Zuständigkeitsbereich des Bundes. Das sind Aufgaben, die die Länder mit dem ganz normalen Instrumentarium des kommunalen Finanzausgleichs lösen können. Der Finanzbedarf zur Lösung dieser Probleme ist relativ klein.
Ich darf die Größenordnung vielleicht noch mit einer anderen Zahl koppeln: Wollte man eine Kappung - was wir von uns aus nicht vorschlagen - all der Schulden vornehmen, die sich in den Gemeinden pro Kopf der Bevölkerung auf mehr als 1 000 DM belaufen, dann ergäbe sich ein Kappungsbetrag von rund 825 Millionen DM. Dieser Betrag - wenn er denn von den Ländern übernommen würde - würde zu Belastungen der einzelnen Länder pro Jahr in Höhe von 1,8 Millionen DM, in Sachsen, bis auf, wenn ich es aus dem Kopf richtig zitiere, etwa 20 oder 25 Millionen in den Ländern führen, die am stärksten belastet sind. Größenordnungen dieser Art erfordern keine Hilfe des Bundes. Diese Aufgaben können die Länder allein erledigen.
Herr Kollege Küster, Sie haben das Wort zu einer Zusatzfrage. Bitte.
Herr Staatssekretär, ich habe den Eindruck, daß die Kredite, die angeblich hinter den Altschulden stehen sollen, überhaupt nicht nachweisbar sind, da die Beziehung zwischen Kredit auf der einen Seite und beliehenem Objekt auf der anderen Seite sehr umstritten ist. Wie verhält sich die Bundesregierung dazu?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Hier gibt es Einzelfälle, bei denen Probleme entstehen, genau wie wir das im Bereich des Wohnungsbaus, im Bereich der Landwirtschaft oder auch bei den Unternehmen kennen. Grosso modo, über alles, ist eine Identifizierung der Kredite sehr wohl möglich. Die Objekte sind mit den darauf lastenden Krediten in der weitaus überwiegenden Zahl aller Fälle bekannt. Von daher haben wir im Bereich dieser kommunalen Altschulden denselben Grundsatz akzeptieren können - daß die Schulden dem Objekt folgen - wie bei den Unternehmen, wie in der Landwirtschaft und in der Wohnungswirtschaft.
Herr Kollege Krüger.
Herr Staatssekretär, Sie haben selber gesagt, daß es einzelne Gemeinden gibt, in denen die Pro-Kopf-Verschuldung bis zu 30 000 DM geht. Hält die Bundesregierung in solchen Fällen eine Härtefallregelung für denkbar, und wie sähe eine solche Härtefallregelung für die entsprechenden Kommunen aus? Vor diesem Hintergrund und wegen der Umstrittenheit der entsprechenden Altschuldenbelastung bei diesen Gesellschaftsbauten: Ist die Bundesregierung willens und in der Lage, Einzelnachweise objektbezogen durchzuführen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Es geht bei diesen Objekten in der Summe der Hilfe, die erforderlich ist, um,
Staatssekretär Dr. Manfred Overhaus
wie wir meinen, relativ kleine Beträge. Deswegen muß dieses Problem nach unserer Auffassung von den Ländern gelöst werden. Hierbei kann, wie wir meinen, nicht mit globalen Instrumenten gearbeitet werden, sondern wir müssen gezielt vorgehen. Man muß die einzelnen Objekte herausfinden, bei denen es Probleme gibt. Hier wollen wir den Ländern selbstverständlich helfen, weil sie die Informationen häufig gar nicht haben. Das ist der erste Ansatzpunkt.
Dann gibt es unterschiedliche Instrumente, wie wir helfen können. Es gibt gesellschaftliche Einrichtungen, die heute noch in Betrieb sind und die einer ganz bestimmten Gemeinde zugeordnet sind, die aber von einer Reihe von Nachbargemeinden ebenfalls genutzt werden. Würden sich alle Nachbargemeinden, die dieses Objekt nutzen, an der Finanzierung beteiligen, wäre das Problem schon gelöst. Es kann also vor Ort gelöst werden. Die Instrumente des Bundes würden in diesem Bereich nicht helfen. Hier müssen typische Länderinstrumente angesetzt werden. Wir werden den Ländern natürlich helfen, diese Problemfälle herauszufinden. Insoweit sind wir im Gespräch.
Jetzt hat Frau Kollegin Lucyga das Wort.
Herr Staatssekretär, Ihre Antwort veranlaßt mich zu einer Nachfrage: Sind alle Altschulden wirklich zweifelsfrei zuzuordnen? Das klang aus Ihrer Antwort nicht unbedingt heraus. Wenn ja: Ist die Bundesregierung dann bereit, zu veranlassen, daß die Gesellschaft für kommunale Altschulden solche Schulden wirklich nur dort geltend machen kann, wo sie zweifelsfrei zuzuordnen sind und den Belastungen reale Vermögenswerte gegenüberstehen, oder ist sie andernfalls bereit - Sie sagten, die Länder müßten etliches regeln -, in Verhandlungen mit den Ländern über die Übernahme derjenigen Altverbindlichkeiten einzutreten, die nicht zugeordnet werden können oder nicht mehr zuzuordnen sind? Denn sonst wäre es eine unbillige Härte für Gemeinden mit Objekten, denen kein Vermögenswert gegenübersteht und bei denen die Schulden nicht konkret festzumachen sind.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich stimme mit Ihnen darin überein, daß es für manche Gemeinden, so wie der gegenwärtige Stand ist, zu unzumutbaren Belastungen käme, die der Hilfe der öffentlichen Hand bedürfen.
Sie sprachen von den Vermögenswerten, die hinter diesen Objekten stehen. Wir haben bisher nicht alle Objekte einschätzen können, aber geben uns große Mühe, das zu machen. Nach allem, was wir wissen, ist der Vermögenswert für die Objekte insgesamt wesentlich höher als die Schuld. Somit haben die Gemeinden, denen ein solches Objekt zugeordnet ist, netto einen Vermögenszuwachs bekommen.
Sie sind deswegen in vielen Fällen besser gestellt als Nachbargemeinden, die solche Objekte später, vielleicht auch über Kredite, erst noch schaffen und finanzieren müssen.
In Einzelfällen gibt es natürlich Probleme. Ich habe selbstverständlich nicht die gesamten Unterlagen der Gesellschaft für kommunale Altschulden durchblättern können. Ich bin ganz sicher, daß es Einzelfälle geben wird, wo die Aktenlage unklar ist. Das muß man nachvollziehen. Aber das ist nicht Gegenstand einer generellen Regelung. Hier muß sich die beauftragte Gesellschaft mit den Kommunen auseinandersetzen. Vielleicht muß mit den Ländern zusammen eine Lösung gefunden werden.
Frau Kollegin Schulte, kann ich der Tatsache, daß Sie stehen, entnehmen, daß Sie eine Frage stellen wollen?
Ja.
Bitte sehr, Frau Kollegin.
Herr Vizepräsident, ich danke Ihnen.
Herr Staatssekretär, wissen Sie eigentlich, wie hoch der Investitionsbedarf der Kommunen in den neuen Bundesländern noch ist, um den Standard der durchschnittlichen westdeutschen Kommunen zu erreichen? Ist Ihnen überhaupt bewußt, welche Verschuldung dann diese Kommunen im Vergleich zu den Kommunen Westdeutschlands haben werden? Stimmen Sie mir zu, daß der Städtetag, der jetzt in Magdeburg tagt, aus diesem Grunde zu Recht entschieden dafür ist, daß die Übernahme der Altschulden durch den Bund erfolgt?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Nein, Frau Abgeordnete, ich stimme Ihnen nicht zu. Die Finanzausstattung der neuen Bundesländer ist so erfolgt, daß es nicht erforderlich ist, sämtliche Infrastrukturinvestitionen, die in den ostdeutschen Ländern und ihren Gemeinden noch erforderlich sind, um Weststandard zu erreichen, über künftige Kredite zu finanzieren. Die Finanzausstattung der neuen Bundesländer ist pro Kopf deutlich höher als die Finanzausstattung der alten Länder.
Hieraus soll im wesentlichen der Nachholbedarf finanziert werden, so daß ich Ihnen in diesem Punkt nicht zustimmen kann.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 31. Mai 1995 3149
Die nächste Frage stellt die Kollegin Kastner.
- Frau Kollegin, das Haus hat das Recht, Fragen zu stellen, und die Bundesregierung hat das Recht zu antworten. Wie umfassend sie antwortet, ist ebenfalls Sache der Bundesregierung.
Bitte, Frau Kollegin Kastner, Sie haben die nächste Frage.
Herr Staatssekretär, ich hätte gerne von Ihnen gewußt, wie sich die Bundesregierung in der Altschuldenfrage zu den Initiativen des Ministerpräsidenten Seite aus Mecklenburg-Vorpommern und den Initiativen der dortigen CDU- Fraktion stellt.
Herr Staatssekretär, vielleicht nehmen Sie jetzt gleichwohl Gelegenheit, den nach der Empfindung der Frau Kollegin Schulte offengebliebenen Teil in ihrer Frage mit zu beantworten.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident, ich danke Ihnen, daß Sie mir die Gelegenheit geben, dies noch nachzuholen.
Frau Abgeordnete Schulte, ich würde gerne die Zahl nennen. Aber so ist das nun einmal mit der Summe der Wünsche: Wir können sie nicht quantifizieren. Ich glaube, daß es gegenwärtig keine vernünftige Zahl gibt, die man in diesem Zusammenhang nennen kann. Genausogut hätten wir 1948 keine Zahlen nennen können, die einen Hinweis darauf gegeben hätten, welche Investitionen erforderlich sind, um wieder auf den alten Stand zu kommen.
Bitte jetzt keinen Dialog mehr, Frau Kollegin.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Frau Abgeordnete Kastner, eine Stellungnahme zu den Länderinitiativen selbst - derer gibt es verschiedene - hat die Bundesregierung bisher noch nicht erarbeitet. Deswegen möchte ich im Moment nicht dazu Stellung nehmen.
Es kann immer nur eine Frage gestellt werden. Die Zufriedenheit oder Unzufriedenheit kann sich leise äußern, aber es gibt keinen Dialog, Frau Kollegin.
Herr Kollege Krziskewitz, Sie haben die nächste Frage.
Herr Staatssekretär, wie beurteilen Sie die Vorstellung, daß Kommunen Objekte, die sie 1990 unter den damaligen, von der heutigen Situation völlig abweichenden Bedingungen übernommen haben und die nun mit entsprechenden Schulden belastet sind, nicht mehr benötigen und an den Bund zurückübertragen möchten?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, die Bundesregierung ist nicht der Meinung, daß diese Objekte an den Bund zurückgegeben werden sollten. In vielen Fällen wird es den Gemeinden sicherlich möglich sein, diese Objekte am Markt zu verkaufen, um damit auch die aufgelaufenen Schulden für diese Objekte zu finanzieren.
Ich weise darauf hin, daß ich jetzt noch eine Zusatzfrage zu dieser Frage zulasse und dann die nächste aufrufe.
Bitte, Herr Kollege Büttner.
Wie stellt sich die Bundesregierung in der Altschuldenfrage zu den Initiativen, die die CDU und Ministerpräsident Seite dazu ergriffen haben?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, ich verweise dazu auf die Ausführungen, die ich zur ersten Frage gemacht habe, nämlich daß die Bundesregierung insgesamt der Meinung ist, daß die neuen Bundesländer diese Probleme aus eigener Finanzkraft lösen können.
Ich rufe Frage 10 auf, die ebenfalls der Kollege Rolf Schwanitz gestellt hat:
Teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß die seit dem 1. Juli 1990 aufgelaufenen Zinsen auf sog. Altschulden ostdeutscher Gemeinden für gesellschaftliche Einrichtungen zum Teil oder zur Gänze vom Bund übernommen werden müssen?
Ich bitte Sie, Herr Staatssekretär, um Beantwortung.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Bundesregierung teilt diese Auffassung nicht.
Eine Zusatzfrage, Herr Kollege.
Herr Staatssekretär, nachdem Sie schon bei der vorhergehenden Frage zu Recht darauf verwiesen haben, daß die bisher aufgelaufenen Zinsen eine Summe von insgesamt 2,4 Milliarden DM ausmachen, möchte ich Sie fragen, wie es im Zuge der Währungsunion und des Einigungsvertrages zu dieser Zinsvereinbarung gekommen ist und ob sich die Bundesregierung dabei über ein solches Volumen im klaren war.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Gemeinden haben es seit 1990 unterlassen, in diesem Bereich Zinszahlungen zu leisten. Die Folge davon war, daß diese Zinszahlungen jetzt der Gesamtsumme zugeschlagen worden sind. Wir haben hierüber mit den Gemeinden keine ausdrückliche Vereinbarung getroffen. Wir haben dies aber hingenommen, weil wir sehr wohl wußten, daß die Finanzausstattung der Gemeinden bis 1994 hierfür noch nicht hinreichend war.
Nachdem ab dem 1. Januar 1995 die Finanzausstattung der Länder insgesamt vernünftig geworden ist und die Länder damit in der Lage sind, auch den Kommunen die Finanzausstattung zu gewähren, die sie für ihre Aufgaben benötigen, glauben wir, daß jetzt der Zeitpunkt gekommen ist, die Zinszahlungen durch die Gemeinden aufbringen zu lassen, so daß künftig ein weiteres Auflaufen dieser Schulden nicht mehr erfolgt.
Haben Sie eine zweite Zusatzfrage? - Bitte.
Herr Staatssekretär, nachdem Sie eingangs erwähnt haben, daß Sie der Meinung sind, daß der Bund hier keine Zinsen zu übernehmen und auch keine Hilfestellung zu leisten habe, möchte ich Sie fragen, ob Sie nicht meine Auffassung teilen, daß die Zinslast heute wesentlich geringer wäre, wenn bereits 1990 Zinsen eingestellt worden wären, die dem üblichen Zinssatz bei Kommunalkrediten entsprochen hätten?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Zinslast wäre ein wenig niedriger gewesen; das ist richtig. Man muß aber umgekehrt fragen, wie es denn zu dieser relativ teuren Refinanzierung, die Sie kritisieren, gekommen ist. Dies ist auch darauf zurückzuführen, daß die Kredite umstritten waren. Wir versuchen jetzt, die Kommunen zu einer Umschuldung zu bewegen, damit wir eine preisgünstige, niedrige Anschlußfinanzierung zur Verfügung stellen können. Dies wollen wir über die Kreditanstalt für Wiederaufbau machen. Es ist erklärt worden, daß die Kreditanstalt für Wiederaufbau über ihre eigenen, günstigen Refinanzierungsmöglichkeiten hinaus auch noch einen Teil ihrer eigenen Erträge einsetzen will, um zu wirklich günstigen Verzinsungen in der Zukunft zu kommen.
Frau Kollegin Schulte.
Herr Staatssekretär, welche Zinslast werden die Kommunen Ostdeutschlands Ihrer Meinung nach pro Einwohner durchschnittlich tragen können?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Frau Abgeordnete, diese Zahl ist nicht feststehend, sie hängt von der Finanzausstattung durch die neuen Bundesländer ab.
In der Geschäftsordnung steht - ich wage kaum, das einer solch erfahrenen Kollegin wie Ihnen in Erinnerung zu rufen -, daß die Antworten nicht zu kommentieren sind.
Frau Kollegin Lucyga, Sie sind die nächste Fragestellerin.
Ich darf Ihnen, wenn ich auch Ihrer Logik, was die vermeintliche Rechtswirksamkeit der Schulden angeht, nicht immer folgen kann, das Eingeständnis zumuten, daß ein Teil des Problems hausgemacht ist, nämlich dadurch, daß den Gemeinden mit der Währungsunion sofort ein marktüblicher Zinssatz berechnet wurde. Das ist nicht nur eine unbillige Härte, sondern auch ein Vertrauensbruch. Das möchte ich hier feststellen.
Meine Frage: Sind Sie, wenn schon seinerzeit versäumt wurde, nach den Bedingungen des Kommunalkreditprogramms umzuschulden, jetzt bereit, mit den betroffenen Ländern in Verhandlungen einzutreten, um über eine Übernahme der Zinslast, so wie es auch Ihr Parteifreund Ministerpräsident Seite fordert, zu verhandeln?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Frau Abgeordnete, ich kann Ihnen nicht zustimmen. Ich kann in diesem Punkt kein Versäumnis der Bundesregierung in der Vergangenheit erkennen.
Darf ich die Feststellung treffen - vielleicht sind Sie besser informiert als ich, Frau Kollegin Lucyga -, daß es sich um den beamteten Staatssekretär des Hauses handelt. Mir ist nicht bekannt, ob er einer Partei angehört.
Herr Kollege Küster.
Herr Staatssekretär, offensichtlich ist die Bundesregierung nicht in der Lage, Zahlen vorzulegen, die zeigen wie hoch der Investitionsstau ist. Er übersteigt offenbar die Vorstellungskraft der Bundesregierung. Nun kommen Sie noch mit den Zinsen. Wie beurteilen Sie die Situation, daß offensichtlich bei der Zinslastverteilung einige Gemeinden, gerade im südlichen Teil Ostdeutschlands, von diesen Altschulden nicht betroffen sind, während im Norden besonders hohe Altschulden und natürlich auch Zinsen aufgelaufen sind? Gibt es dafür besondere Ursachen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ja, die Ursache besteht darin, daß irgendwann in den 80er Jahren in der DDR einige Städte von diesen Schulden entlastet wurden. Das führt zu aus unserer Sicht völlig unausgewogenen Ergebnissen, wenn man beispielsweise die Städte Leipzig und Dresden oder Leipzig mit Chemnitz miteinander vergleicht. Weder Chemnitz noch Dresden haben heute diese Schulden. Sie sind irgendwann entschuldet worden.
Aus der Sicht Leipzigs kann ich verstehen, daß sich die Stadt beschwert fühlt, daß sie alleine und nicht die Stadt Dresden beispielsweise diese Schulden hat. Nur, Herr Abgeordneter, dies macht es dem Land Sachsen um so leichter - weil einzelne Städte nicht belastet sind -, im Wege des kommunalen Finanzausgleichs zu einer gerechten Lösung zu kommen. Es ist nicht erforderlich, daß der Bund diese Aufgabe übernimmt.
Herr Kollege Krüger, bitte.
Herr Staatssekretär, nachdem sich die Bundesregierung offenbar an diesen Zinslasten nicht beteiligen will und vor dem Hintergrund Ihrer vorhin gemachten Aussage, daß solche schuldenbelasteten Gebäude oder z. B. Sportplätze auf dem freien Markt verkauft werden sollten, wollte ich Sie fragen, ob Sie sich vorstellen können, schuldenbelastete Rathäuser und Sportplätze verkaufen zu können und wer als Käufer in Frage kommt.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, ich habe nicht davon gesprochen, daß Rathäuser verkauft werden müssen. Um bei diesem Beispiel zu bleiben: Ich glaube, daß die Gemeinden, die diese Rathäuser haben, besser dran sind als Nachbargemeinden, die diese künftig erst bauen müssen, weil diese Rathäuser mit ziemlicher Sicherheit einen Nettovermögenszuwachs dieser Gemeinde darstellen. Ähnlich wird es auch mit Sportplätzen sein. Ich glaube nicht, daß Kredite, die Sportplätzen zuzuordnen sind, außerordentlich hoch sind. Wie Sie wissen, sind Grund und Boden damals nicht kreditfinanziert worden, sondern wurden so zur Verfügung gestellt. Auch hier glaube ich, daß es im großen und ganzen keine ernsthaften Probleme geben wird.
Gibt es dazu weitere Fragen? - Das ist nicht der Fall.
Herr Staatssekretär, ich danke Ihnen herzlich für die Beantwortung.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft auf. Zur Beantwortung steht uns der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Heinrich Kolb zur Verfügung.
Die Frage 11, gestellt vom Kollegen Dr. Jüttner, die Fragen 13 und 14, gestellt vom Kollegen Büttner , die Frage 15, gestellt vom Kollegen Gansel, sowie die Fragen 16 und 17, gestellt von der Kollegin Mehl, sollen schriftlich beantwortet werden. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Somit verbleibt die Frage 12, die der Kollege Dr. Rainer Jork gestellt hat:
Welche Möglichkeit sieht die Bundesregierung, traditionell spezifische und geachtete Berufe, wie Stuhlmacher, Hufschmied, Glasbläser, auch in Zukunft zu erhalten, so daß Erfahrung und Tradition nicht verlorengehen und entsprechende Auszubildende geschult werden können?
Bitte, Herr Parlamentarischer Staatssekretär.
Herr Kollege Jork, eine moderne Berufsausbildung im dualen System will durch eine breitangelegte Qualifizierung berufliche Mobilität und Flexibilität der Absolventen sicherstellen. Angesichts des wachsenden Bedarfs an flexibel einsetzbaren Mitarbeitern liegt eine möglichst breite Erstausbildung auch im Interesse der Wirtschaft.Bereits 1974 hat der Bundesausschuß für Berufsbildung unter Mitwirkung der Sozialpartner sowie von Bund und Ländern Kriterien für die Anerkennung und Aufhebung von Ausbildungsberufen erarbeitet. Dabei wurde insbesondere ein hinreichender, zeitlich unbegrenzter und einzelbetriebsunabhängiger Bedarf an entsprechenden Qualifikationen sowie eine ausreichende Abgrenzung von anderen Ausbildungsberufen hervorgehoben. Die Anwendung dieser Grundsätze in der Berufsbildungspolitik der alten Bundesrepublik hat in den letzten 20 Jahren zu einer Verringerung der Zahl der Ausbildungsberufe geführt.Die Berufe Stuhlmacher, Hufschmied und Glasbläser waren zum Zeitpunkt der Vereinigung in den alten Bundesländern keine anerkannten Ausbildungsberufe. Die Integration des Stuhlmachers in den breitangelegten Beruf Tischler bzw. den industriellen Beruf Holzmechaniker, Fachrichtung Sitzmöbel- und Gestell-Industrie, und die Integration des Hufschmieds in den Handwerksberuf Metallbauer, wie bereits 1989 auch in Westdeutschland vollzogen, erscheinen angesichts der Vorzüge einer breitangelegten Erstausbildung sachgerecht.Beim Glasbläser wird bei der Novelle der Anlage A der Handwerksordnung der Gesetzgeber entscheiden, ob dieser Beruf, gegebenenfalls unter Zusammenfassung mit anderen Glasberufen, in die Anlage A als Handwerk aufgenommen wird. Der Bundeswirtschaftsminister setzt sich auf jeden Fall dafür ein. So-
Metadaten/Kopzeile:
3152 Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 31. Mai 1995
Parl. Staatssekretär Dr. Heinrich L. Kolblange die Glasbläser allerdings nicht in die Anlage A der Handwerksordnung aufgenommen sind, wird zur Sicherung ihrer Berufsausbildung derzeit eine Ausbildungsordnung nach § 25 des Berufsbildungsgesetzes vorbereitet.Lassen Sie mich zum Schluß noch sagen: Die Bundesregierung prüft in jedem Einzelfall - wir tun dies auch im Fall der Pfefferküchler; ich sage dies, weil ich den Kollegen Brähmig sehe -, ob ein traditionsreicher Beruf der ehemaligen DDR, insbesondere wenn er für eine Region besondere Identifikationsmöglichkeiten bietet, erhalten werden kann. Dies geschieht dann in Form seiner Anerkennung für Gesamtdeutschland. Beispiele hierfür sind der Holzspielzeugmacher und der Manufakturporzellanmaler.
Eine Zusatzfrage, Herr Kollege Jork.
Welche Möglichkeit sehen Sie, die angesprochenen - und die von Ihnen ergänzten - Berufe so in übergeordnete Berufe aufzunehmen, daß deren Spezifik nicht verlorengeht? Ich denke z. B. daran, daß das bei den Hufschmieden mit einem Zusatzlehrgang von zwei Wochen nicht getan ist, sondern sie in praxi etwa ein halbes Jahr anatomische Ausbildung an einer Universität bekommen. Das sollte nicht verlorengehen.
Vielen Dank, Herr Kollege Jork, für die Anregung. Soviel ich weiß, findet die Zusatzausbildung bei den Hufschmieden in der Weise statt, daß im dritten und vierten Ausbildungsjahr zusätzliche Lehrgänge belegt werden können, um die Qualifikation des Hufbeschlagens zu erlangen. Ob das mit akademischen Zusatzausbildungen verbunden sein muß - ich bezweifle das -, möchte ich hier zumindest offenlassen. Aber ich bin gerne bereit, Ihre Anregung aufzunehmen.
Eine weitere Zusatzfrage.
Ich darf kurz etwas zu der Antwort sagen. Das ist kein Teil akademischer Ausbildung. Die akademische Einrichtung wird lediglich für die Berufsbildung benutzt. Das ist der Zusammenhang.
Damit zu meiner Frage: Welche Möglichkeiten sehen Sie - angesichts meiner Auffassung, daß die genannten Berufe wertvolle kulturelle Erfahrungen und Traditionen darstellen und damit auch für die Zukunft wichtig sind -, diese Berufe angemessen in den Anhang A der Handwerksordnung aufzunehmen? Und welche Voraussetzungen sehen Sie hinsichtlich Inhalt, Abgrenzung, Partnerschaft und Organisation?
Herr Kollege Jork, das kann man sicherlich nicht allgemein für alle hier in Rede stehenden Berufe sagen. Ich habe darauf hingewiesen, daß wir bereit sind, im Einzelfall zu prüfen, ob ein Beruf, der in der ehemaligen DDR ausgeübt wurde, entsprechend aufgenommen werden kann.
Für den Fall der Glasbläser habe ich das noch einmal präzisiert. Da sieht es konkret so aus, daß wir uns bei den Beratungen zur Novelle der Anlage A der Handwerksordnung entsprechenden Fachrat aus der Wissenschaft und den Handwerksorganisationen holen werden. Wir werden dann, auf der Basis dieser Beratungen mit Expertenunterstützung, einen Vorschlag unterbreiten, welche Handwerke in die Anlage A aufgenommen werden sollen und welche nicht.
Nur, ich kann heute nicht das Ergebnis generell voraussagen. Ich will aber gerne noch einmal unsere Bereitschaft bekräftigen, das in jedem Einzelfall sehr sorgfältig zu prüfen.
Weitere Zusatzfragen dazu werden nicht gestellt.
Herr Parlamentarischer Staatssekretär, ich bedanke mich herzlich für die Beantwortung dieser Fragen.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung auf. Zur Beantwortung steht uns der Parlamentarische Staatssekretär Horst Günther zur Verfügung.
Herr Parlamentarischer Staatssekretär, die Fragen 18 und 19 des Kollegen Hans-Eberhard Urbaniak sollen schriftlich beantwortet werden. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich rufe die Frage 20 des Kollegen Dr. Jürgen Meyer auf:
Wird sich die Bundesregierung für eine baldige Verabschiedung der Entsenderichtlinie der Europäischen Union einsetzen, um dadurch einer Arbeitsmarktspaltung entgegenzuwirken, auch wenn der Sachverständigenrat der Bundesregierung zur Entsenderichtlinie die Auffassung vertritt, daß zu unterscheiden sei zwischen gesetzlichen Regelungen, für die das Produktionsortprinzip gelte, und tarifrechtlichen Regelungen, auf die das Sitzlandprinzip anzuwenden sei?
Herr Parlamentarischer Staatssekretär, ich bitte um die Beantwortung.
Herr Präsident, wenn Sie und der Kollege Dr. Meyer einverstanden sind, beantworte ich die Fragen 20 und 21 zusammen, weil sie im Zusammenhang stehen.
Ist der Kollege Meyer einverstanden?
Nein!
Dann beantworte ich zunächst die Frage 20. Die Bundesregierung wird sich selbstverständlich auch weiterhin für eine baldige Verabschiedung der geplanten Entsenderichtlinie einsetzen.
Verzeihung, wir können hier nicht feststellen, ob der Kollege Meyer zugestimmt hat oder nicht, daß die Fragen gemeinsam beantwortet werden. Die Zahl der Zusatzfragen vermindert sich durch eine gemeinsame Beantwortung nicht.
Ich hatte darauf gewartet, daß das Mikrofon in Betrieb ist.
Entschuldigung.
Ich wollte darum bitten, bei der Beantwortung Frage für Frage vorzugehen.
Gut, bitte.
Meine erste Zusatzfrage zu Frage 20 lautet: Wie steht die Bundesregierung zur Empfehlung ihres Sachverständigenrates von 1989/90, die Geltung der arbeits- und sozialrechtlichen Regelungen innerhalb der Grenzen eines Landes auch für Ausländer vorzusehen? Denn im Falle der Geltung des Sitzlandprinzips entstünden gespaltene Arbeitsmärkte.
Herr Kollege Dr. Meyer, vielleicht darf ich jetzt erst die Frage 21 und Ihre Zusatzfrage beantworten. Diese bezieht sich nämlich nicht auf Ihre erste Frage, in der es um die EU-Entsenderichtlinie geht. Sie sprechen nationales Recht an. Wenn Sie einverstanden sind, beantworte ich jetzt erst die Frage 21 und anschließend Ihre Zusatzfrage. Sind Sie einverstanden?
Wenn Sie es in Ihrem Konzept nur so vorgesehen haben, bin ich einverstanden. Ich kündige aber drei weitere Fragen an.
Ich habe in meinem Konzept Ihre Zusatzfrage nicht vorhersehen können. Aber sie paßt nicht zu Frage 20; denn der Sachverständigenrat hat sich zu nationalen Fragen und nicht zur EU-Entsenderichtlinie geäußert. Ich versuche, das zusammenzufassen, damit Sie eine adäquate Antwort bekommen.
Dann rufe ich auch die Frage 21 des Kollegen Dr. Meyer auf:
Denkt die Bundesregierung daran, zur Bekämpfung von Lohn- und Sozialdumping in der EU zumindest über eine nationale Gesetzgebung die am Produktionsort gültigen Arbeitsbedingungen verbindlich festzuschreiben?
Die Bundesregierung beabsichtigt, einen Regierungsentwurf vorzulegen, in dem die im Baubereich zwingend geregelten Arbeitsbedingungen auch auf ausländische Arbeitgeber und ihre nach Deutschland entsandten Arbeitnehmer erstreckt werden. Sie folgt somit natürlich auch dem Sachverständigenrat, den Sie eben angesprochen haben.
Ist diese Antwort so zu verstehen, daß die Bundesregierung die Arbeitsbedingungen sowohl nach Tarifvertrag als auch nach Gesetz in dieser Initiative erfassen möchte? Wie steht sie zur Tarifautonomie und den sich daraus ergebenden Spannungen?
Die Bundesregierung beabsichtigt nicht, Mindestlöhne festzusetzen, sondern ihr Gesetzentwurf basiert darauf, daß Allgemeinverbindlichkeitserklärungen durch die Tarifpartner erfolgen und damit die Lohnrichtlinien eingehalten werden können, was auch der Tarifautonomie entspricht.
Hält die Bundesregierung dieses Vorgehen für ausreichend, um gespaltene Regelungen am Arbeitsplatz für In- und Ausländer vollständig auszuschließen?
Wenn diese Bedingungen gesetzgeberisch zum Tragen kommen - gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort -, sind die Bedingungen erfüllt.
Eine letzte Zusatzfrage.
Wann ist mit dieser Gesetzesinitiative der Bundesregierung zu rechnen? Wann wird sie dem Parlament zugeleitet werden?
Wir bemühen uns, weil das Thema eilbedürftig ist, Herr Kollege Dr. Meyer. Wir sind jetzt in der Ressortabstimmung. Möglicherweise kann die Bundesregierung noch vor der Sommerpause einen Entwurf vorlegen. Verbindlich kann ich das hier aber nicht erklären, weil ich nicht weiß, wie lange die Abstimmung zwischen den Ressorts dauert.
Herr Kollege Büttner.
Ich habe eine Zusatzfrage zu Frage 20 und zu Frage 21.Zu Frage 20: Welche Initiativen hat die Bundesregierung gegenüber der französischen Ratspräsident-
Metadaten/Kopzeile:
3154 Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 31. Mai 1995
Hans Büttner
schaft in den letzten Wochen und Monaten ergriffen, damit das Thema Entsenderichtlinie noch während der französischen Ratspräsidentschaft aufgegriffen werden kann?
Herr Kollege Büttner, Initiativen seitens der Bundesregierung zusätzlicher Art zu den ohnehin breitangelegten waren im Hinblick auf die französische Präsidentschaft nicht notwendig, weil sowohl bei der ersten Ministerratsitzung, die bereits stattgefunden hat, als auch bei der kommenden am 29. Juni dieses Thema auf der Tagesordnung stand bzw. stehen wird.
Die Zusatzfrage zur zweiten Frage.
Meine Zusatzfrage zu Frage 21: Herr Staatssekretär, wie wollen Sie auf der Basis der jetzt gültigen Allgemeinverbindlichkeitsvorschriften durch ein Gesetz sicherstellen, daß die Tarifparteien die Allgemeinverbindlichkeit von Tarifverträgen auch wirklich beantragen und damit durch eine nationale gesetzliche Regelung die nötige europarechtliche Voraussetzung dafür geschaffen wird, daß eine Gleichbehandlung zwischen Deutschen und EU-Ausländern stattfindet?
Die Bundesregierung kann natürlich die Tarifvertragsparteien nicht zwingen, einen solchen Antrag zu stellen. Aber nach den Gesprächen, die wir geführt haben, gehen wir davon aus, daß jedenfalls die zuständigen und beteiligten Gewerkschaften diese Anträge stellen werden. Es bedarf dann allerdings der Zustimmung der Arbeitgeberverbände. Wir werden in dem zuständigen Tarifausschuß feststellen, ob diese Zustimmung gegeben wird oder ob sie verweigert wird.
Weitere Zusatzfragen dazu werden nicht gestellt.
Herzlichen Dank, Herr Parlamentarischer Staatssekretär.
Ich rufe auf den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Die Fragen wird die Frau Parlamentarische Staatssekretärin Gertrud Dempwolf beantworten.
Ich rufe die Frage 22, die unser Kollege Thomas Krüger gestellt hat, auf:
Trifft es zu, daß die neuen Bundesländer für den Aufbau der Dienststellen für Zivildienstleistende einen Zuschlag zu den normalen Sätzen in Höhe von 4,50 DM bekommen, und wie begründet die Bundesregierung die Tatsache, daß der Westteil Berlins von diesen Zuschlägen ausgenommen wird, obwohl sich der Westteil Berlins seit 1990 in derselben Situation des Aufbaus vom Punkt Null befindet?
Bitte, Frau Parlamentarische Staatssekretärin.
Gertrud Dempwolf, Parl. Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident, die Frage des Kollegen Krüger beantworte ich wie folgt: Die Beschäftigungsstellen des Zivildienstes in den neuen Bundesländern haben seit Januar 1991 einen Zuschuß des Bundes zu den Kosten erhalten, die der Einsatz von Zivildienstleistenden verursacht. Dieser sogenannte Aufwandszuschuß soll die Kosten für die Verpflegung und die Arbeitskleidung der Zivildienstleistenden tragen helfen.
Ursprünglich wurden alle Zivildienstplätze in den neuen Bundesländern gefördert. Inzwischen beschränkt sich die Förderung auf die bei den Wohlfahrtsverbänden bestehenden Zivildienstplätze. Der Aufwandszuschuß beträgt zur Zeit 4,50 DM pro Tag bei einem besetzten Zivildienstplatz. Die Aufwandszuschüsse sollen der besonderen Situation in den neuen Bundesländern Rechnung tragen und die Bereitstellung von Zivildienstplätzen erleichtern.
Die allgemeine Förderung von Zivildienstplätzen bei Verbänden im Westteil Berlins wurde nicht in Erwägung gezogen, weil davon auszugehen ist, daß die Finanzierungsmöglichkeiten der im Westteil der Stadt bereits seit vielen Jahren tätigen Wohlfahrtsverbände nicht anders zu beurteilen waren als die in den westlichen Bundesländern. Im Gegensatz hierzu mußten sich Wohlfahrtsverbände im Ostteil Berlins und in den neuen Bundesländern erst etablieren und unter schwierigen Bedingungen ihre finanziellen Grundlagen schaffen.
Eine Zusatzfrage.
Frau Staatssekretärin, ist Ihnen bekannt, daß die Wohlfahrtsverbände, die im Ostteil der Stadt tätig sind, auch im Westteil operieren und daß sie sich angesichts der Tatsache, daß es dort lange keinen Zivildienst gegeben hat, auch im Westteil natürlich genauso eine Logistik aufbauen mußten wie in den neuen Bundesländern und im Ostteil? Von daher sind natürlich die Lasten auch in bezug auf den Westteil der Stadt zu tragen.
Es sind uns keine Forderungen der Wohlfahrtsverbände aus dem Westteil Berlins bekannt.
Vizepräsident Hans Klein: Zweite Zusatzfrage. Thomas Krüger (SPD): Das ist sehr interessant.
Zweite Zusatzfrage: Hält die Bundesregierung eine Schlußwoche für die Zivildienstleistenden, in der die Erfahrungen in der pflegerischen und betreuerischen Arbeit reflektiert werden, für sinnvoll? Wie beurteilt die Bundesregierung die Tatsache, daß sich derartige Initiativen bisher nur in den Bundesländern finanzieren lassen, in denen die Wohlfahrtsverbände wohlhabender als in den neuen oder den
Thomas Krüger
ärmeren Bundesländern sind? Ist das nicht eine Ungleichbehandlung zwischen den verschiedenen Ländern und damit eine Ungleichbehandlung der Zivildienstleistenden?
Auch davon ist mir nichts bekannt.
Dann frage ich, ob weitere Zusatzfragen gestellt werden? - Das ist nicht der Fall.
Ich rufe Frage 23 auf, die ebenfalls der Kollege Thomas Krüger gestellt hat:
Wie beurteilt die Bundesregierung die Tätigkeit der Interessenvereinigung für Humanistische Jugendarbeit und Jugendweihe e. V. auf dem Feld der Jugendarbeit und Jugendbildung sowie als Träger der Jugendweiheveranstaltung, und beabsichtigt sie, das Gesprächsangebot der Interessenvereinigung vom 18. April 1995 aufzugreifen?
Ich bitte, Frau Parlamentarische Staatssekretärin, um Beantwortung.
Herr Präsident, Herr Kollege Krüger, nach Auffassung der Bundesregierung ist die Tätigkeit des Trägers „Interessenvereinigung für Humanistische Jugendarbeit und Jugendweihe e. V." auf die Durchführung der Jugendweihe - eines weltanschaulichen Aktes - ausgerichtet. Demzufolge ist dieser Träger den Weltanschauungsgemeinschaften und somit nicht dem Bereich förderungsfähiger Jugendhilfeträger zuzuordnen, die als Träger der freien Jugendhilfe anerkannt werden. Soweit der Bundesregierung bekannt ist, wird diese Auffassung von der Mehrheit der obersten Landesjugendbehörden der neuen Bundesländer auch weiterhin geteilt.
Zusatzfrage, Herr Kollege Krüger.
Frau Staatssekretärin, ist Ihnen bekannt, daß z. B. das Land Berlin diesen Träger als Träger der freien Jugendhilfe anerkannt hat und daß eine Vielzahl von Jugendlichen nicht nur den weltanschaulichen Akt, den der Träger anbietet, wahrnehmen, sondern in der Vorbereitung auf die Feierstunden in eine ausführliche Jugendarbeit eingebunden sind und dies aus den entsprechenden Broschüren und dem Informationsmaterial des Trägers hervorgeht?
Das ist der Bundesregierung bekannt, hat aber auf unsere Entscheidung keinen Einfluß.
Zweite Zusatzfrage.
Frau Staatssekretärin, ist die Bundesregierung bereit, ihren politischen Einfluß auf die Bundesanstalt für Arbeit zurückzunehmen, so daß dieser Träger Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen sowie Lohnkostenzuschüsse nach § 249h des Arbeitsförderungsgesetzes beantragen kann und dies nicht mit der Begründung abgelehnt wird, dies sei ein politisch belasteter Träger? Wie beurteilen Sie vor dem Hintergrund dieser Einschätzung die Tatsache, daß der Vorsitzende dieser Interessenvereinigung Mitglied der F.D.P. ist?
Es ist nicht meine Aufgabe, zu prüfen, wer wo Mitglied ist. Daß es hier Mittel der Bundesanstalt für Arbeit geben kann, sehe ich nicht.
Herr Kollege Dr. Küster.
Frau Staatssekretärin, die Jugendweihevereine sind in den östlichen Bundesländern sehr verbreitet. Ich hätte gerne gewußt, welche Weltanschauung diese Interessenvereinigung für Jugendweihe vertritt. Sie haben gesagt, sie sei weltanschaulich ausgerichtet. Ich hätte gerne gewußt, in welcher Richtung.
Für uns steht fest, daß es sich hier um eine Gemeinschaft handelt, die nicht dem Kreis der förderungswürdigen Jugendhilfeträger zuzurechnen ist.
Keine Nachklappbemerkungen, Herr Kollege Küster!
Bitte, Frau Kollegin Lemke.
Auf welchen Untersuchungen und Grundlagen beruht die Erkenntnis, die Sie eben dargestellt haben?
Wir haben weder bewilligungsfähige Anträge noch irgendwelche sonstigen Anforderungen, die das rechtfertigen könnten.
Weitere Zusatzfragen? - Bitte, Herr Kollege Dreßen.
Könnten Sie die Frage der Kollegin jetzt wirklich einmal beantworten? Sie drehen sich im Kreis. Man muß doch wirklich wissen, welche Erkenntnisse dazu geführt haben, daß nichts
Peter Dreßen
über das Arbeitsamt laufen kann oder darf. Dem muß doch irgend etwas vorhergegangen sein.
Es geht um nicht anerkannte Jugendverbände.
Herr Kollege Weis.
Frau Staatssekretärin, gibt es weltanschauliche Kriterien, die der Verteilung von ABM-Mitteln und Fördermitteln zugrunde liegen?
Das zu entscheiden ist nicht meine Aufgabe.
Frau Kollegin Reinhardt.
Frau Staatssekretärin, Sie haben davon gesprochen, daß es sich hier um eine Interessengemeinschaft handelt. Trifft es zu, daß die Kirchen für Kommunionen und Firmungen keine Zuschüsse bekommen, hier aber auf der anderen Seite gefordert wird, für die Jugendweihe Zuschüsse zu bekommen?
Das trifft zu, Frau Kollegin.
Herr Krziskewitz.
Frau Staatssekretärin, ist Ihnen bekannt, daß die Vereinigung Jugendweihe von der Unabhängigen Kommission „Parteivermögen" als eine mit der PDS verbundene Organisation eingestuft und ihr Vermögen entsprechend behandelt wurde?
Auch das ist richtig, Herr Kollege.
Bitte, Herr Kollege Hagemann.
Frau Staatssekretärin, trifft es zu, daß diese Mittel für die Jugendarbeit und nicht für die Jugendweihe beantragt worden sind?
Von welchen Mitteln reden Sie jetzt, Herr Kollege?
Ich meine die beantragten Mittel, von denen eben die Rede war. Trifft es zu, daß sie für die Jugendarbeit und nicht für die Jugendweihe beantragt worden sind?
Wenn es sich um diesen Verband handelt, dann muß es ja für die Jugendweihe gewesen sein.
Danke, Frau Parlamentarische Staatssekretärin. Wir haben unsere Zeit schon ein klein wenig überschritten. Ich schließe die Fragestunde.
Ich rufe den Zusatzpunkt 1 auf:
Aktuelle Stunde
auf Verlangen der Fraktion der SPD
Verwendung von Steuergeldern bei der Deutschen Zentrale für Tourismus e. V. im Zusammenhang mit Vorwürfen des Rassismus und der Verletzung von Aufsichts- und Fürsorgepflichten
Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort der Kollegin Susanne Kastner.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen!
Wie verfilzt ist die DZT? Nach mehreren Skandalen häufen sich die Indizien, daß die Führung eine parlamentarische Kontrolle bewußt erschwert.
So urteilt die Zeitung „Die Zeit" am 26. Mai 1995. Als „Saustall" wird die DZT in Presseberichten inzwischen bezeichnet. Dieselbe Einschätzung äußern ehemalige Beschäftigte.
- Das ist ein Zitat, Herr Feldmann.
Wir Sozialdemokraten wollen eine schlagkräftige DZT.
Susanne Kastner
Wir wollen eine Institution, die ihrem satzungsgemäßen Auftrag nachkommt, dafür zu sorgen, daß Touristen nach Deutschland kommen. 85 % ihrer Mittel erhält die DZT vom deutschen Steuerzahler. Sie erhält sie dafür, daß Arbeitsplätze im Tourismus in der Bundesrepublik Deutschland erhalten und ausgebaut werden können, daß die Wertschöpfung gesteigert wird.
Die Arbeitsplätze von 2 Millionen Beschäftigten hängen direkt oder indirekt vom Tourismus in Deutschland ab. Das sind Arbeitsplätze, die fest hierbleiben und nicht verlagert werden können. Diese Beschäftigten zahlen rund 17 Milliarden DM an Einkommensteuer. Der Steuerkasse werden durch ihre Umsätze und Gewinne 42,6 Milliarden DM an direkter oder indirekter Unternehmensteuer zugeführt. Dies alles zu erhalten und für einen Anstieg der nach Deutschland reisenden Touristen zu sorgen ist Aufgabe der DZT.
Nun ist die New Yorker Filiale in Verruf geraten. Sexismus und Rassismus sind die schrecklichen Vorwürfe, die bis heute nicht ausgeräumt sind. Unverantwortliches Abwiegeln der Problematik von seiten des Vorstands und der Vertreter des Wirtschaftsministeriums hat dazu geführt, daß sich die Arbeitsgerichtsprozesse häufen. Horrende Klagesummen von mehreren Millionen Dollar stehen im Raum, die bei Prozeßgewinn der Kläger und Klägerinnen der deutsche Steuerzahler zu berappen hat.
Im Vorfeld des 8. Mai, liebe Kolleginnen und Kollegen, macht diese Einrichtung im Ausland negativ auf sich aufmerksam.
- Herr Kollege Feldmann, auch Ihr Zwischenruf macht die Tatsache nicht besser. Das wurde x-mal im Ausschuß behandelt, und in der Sache haben wir nie etwas gehört.
Noch am 8. März hat Herr Kolb eine heiße Verteidigungsrede auf die Verantwortlichen der DZT gehalten und uns Sozialdemokraten beschimpft, wir hätten uns einseitig in diese Auseinandersetzung eingeschaltet,
dabei die Ausführungen der Bundesregierung abqualifiziert und die Organe der DZT auf Basis unbewiesener Tatsachen öffentlich herabgewürdigt - so die Aussage des Staatssekretärs Kolb.
Ich muß schon sagen, Herr Kolb: ein schlechtes Beispiel menschlichen Umgangs mit Parlamentskolleginnen und -kollegen,
aber dafür ein gutes Beispiel für Inkompetenz.
Heute haben Ihr Desinteresse, Ihre mangelnde Information und Ihre Blauäugigkeit Sie längst eingeholt. Ihr Minister Rexrodt, der vermutlich - ich spreche jetzt einen Verdacht aus - nicht einmal die von mir genannten Wirtschaftszahlen kennt, äußert sich entsetzt über eine verheerende Studie, die sein Ministerium - allerdings vor langen Jahren - in Auftrag gegeben hat, mit bösem, nicht mehr vertretbarem rassistischen Inhalt. Keiner wußte von deren Existenz, keiner hat sie gelesen, weder Herr Geisendörfer aus dem Bundeswirtschaftsministerium noch Herr Kolb aus dem Bundeswirtschaftsministerium,
noch Herr Rexrodt; aber der Herr Minister ist entsetzt.
Herr Geisendörfer kennt diese Studie seit vier Wochen, so seine Aussage in der ARD,
hat es aber nicht für nötig gehalten, in dieser Zeit die Mitglieder des Fremdenverkehrsausschusses auch nur ein einziges Mal zu informieren. Dazu kann ich nur sagen: Selig sind alle Unwissenden; denn sie dürfen im Wirtschaftsministerium arbeiten.
Oder handelt das Ministerium in Sachen DZT doch nach dem Motto „Tarnen, täuschen und vertuschen"?
Ich denke, nun sind wir Parlamentarier gefragt, weil es eine Tatsache ist, daß die Verantwortlichen in Frankfurt viel zu spät und falsch reagiert haben, um den sich ausbreitenden Flächenbrand einzudämmen.
Rassismus, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist kein Kavaliersdelikt, ebensowenig wie Sexismus.
Susanne Kastner
Wer dies nicht weiß und erkennt, der gehört nicht in die Spitze der Deutschen Zentrale für Tourismus und der sollte auch keine Aufsicht darüber führen.
Schon deshalb brauchen wir eine neue Struktur der DZT. Wir alle sollten uns darüber im klaren sein: Hier steht das Bild Deutschlands im Ausland auf dem Spiel.
Herr Kollege Dr. Rolf Olderog, Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Natürlich kritisieren und verurteilen auch wir sexistische, rassistische und antisemitische Äußerungen,
wie sie in der DZT-Außenstelle in New York passiert sein sollen.
- Ich sage „sein sollen", weil es da Rechtsstreitigkeiten gibt.
Was dort geschehen sein soll oder geschehen ist - ich denke, es ist geschehen -, beschämt uns genauso wie Sie. Aber haben wir schon deshalb ein Recht, den Vorstand der DZT und den Verantwortlichen im Wirtschaftsministerium so persönlich abzuqualifizieren und persönlich verantwortlich zu machen,
wie Sie von seiten der SPD und der GRÜNEN das in vielen Äußerungen getan haben?
SPD und GRÜNE haben nach meiner Überzeugung nicht in einem einzigen Fall den Beweis erbracht, daß Vorstandsmitglieder der DZT in Frankfurt von den Vorgängen Kenntnis hatten
oder daß sie fahrlässig unwissend waren oder daß sie bei Bekanntwerden erster Verdachtsmomente nicht zügig die notwendigen Untersuchungen eingeleitet hätten.
Im Gegenteil - ich sage Ihnen meine Überzeugung als Jurist -: Die DZT Frankfurt hat mit Nachweisen belegt, daß sich die Außenstelle in New York auf Grund einer Art Bunkermentalität, einer merkwürdigen Gruppenmentalität, offensichtlich gegenüber der DZT in Frankfurt abgeschottet hat.
Wir werfen Ihnen, Frau Kastner, und auch Ihnen, Frau Saibold - Sie haben ähnliches gesagt -, vor, daß Sie leichtfertig unzutreffende Behauptungen verbreitet haben, über die Sie - vielleicht nicht ganz so zügig, wie das normalerweise der Fall ist - Aufklärung im Fremdenverkehrsausschuß hätten erlangen können.
Ich nenne für Ihre öffentlichen Falschinformationen Beispiele: SPD und GRÜNE haben behauptet, als erste Mitteilungen über antisemitische Vorgänge in New York nach Frankfurt gekommen seien, habe Frankfurt nichts unternommen. Die Wahrheit ist: Schon kurze Zeit später hat die DZT einen unabhängigen amerikanischen Anwalt beauftragt, diese Vorgänge zu untersuchen.
Oder ein anderes Beispiel: Sie haben behauptet, als die New Yorker Mitarbeiterinnen sich über den DZT-Außenstellenleiter beschwert haben, sei in Frankfurt wieder nichts geschehen. Die Wahrheit ist: Frankfurt hat sofort den Leiter zur Stellungnahme aufgefordert. Einige Zeit später ist dann das Vorstandsmitglied Frau Ellmauer zunächst einmal nach New York geflogen und anschließend sogar noch zweimal, um sich persönlich in diese Angelegenheiten einzuschalten. Der Leiter in New York ist abberufen worden.
Oder: SPD und GRÜNE behaupten, die inzwischen berüchtigte Marketingstudie sei deutlich rassistisch und antisemitisch.
Daß Sie leichtfertig, ohne den genauen Sachverhalt zu kennen, so etwas in die Öffentlichkeit tragen, finde ich unverantwortlich, und ich bin fassungslos darüber.
Meine Damen und Herren, die Wahrheit ist: Die Studie stammt aus dem Jahre 1984.
- Nun lassen Sie mich doch einmal ausreden. - Ein angesehenes amerikanisches Marktforschungsunternehmen hat empirisch untersucht, bei welchen Gruppen der Bevölkerung man eine durch Werbung der DZT ansprechbare Neigung für Deutschlandreisen
Dr. Rolf Olderog
am ehesten vorfindet. Wie in den USA üblich, ist in dieser Untersuchung nach verschiedenen demographischen Kriterien, nach Rasse, ethnischer Abstammung und Religion, differenziert worden.
Wenn in den Empfehlungen für die am besten ansprechbaren Zielgruppen einer Deutschlandwerbung weißstämmige protestantische US-Bürger positiv als ansprechbar, Schwarze, Lateinamerikaner, Asiaten und Juden hingegen negativ als wenig durch die Werbung ansprechbar genannt werden, so hat das doch überhaupt nichts mit Rassismus zu tun.
Die für deutsche Leser aber tatsächlich sehr mißverständlichen Formulierungen - ich räume das ausdrücklich ein - verstecken sich lediglich an zwei kurzen Stellen in einem 750 Seiten starken Opus.
Wenn jemand das hätte korrigieren müssen, so waren das damals der Leiter der DZT-Außenstelle in New York und der Leiter der DZT-Führung in Frankfurt, beide mir persönlich in Sympathie verbundene Sozialdemokraten.
Die Redezeit ist abgelaufen.
Herr Präsident, lassen Sie mich noch eine Schlußbemerkung machen: SPD und GRÜNE haben von der Plattform des Deutschen Bundestages aus übertriebene, verzerrte und falsche Darstellungen weltweit verbreitet. Sie haben damit dem Ansehen der DZT, dem Ansehen der deutschen Fremdenverkehrswirtschaft und dem Ansehen Deutschlands schweren Schaden zugefügt.
Das Wort hat die Kollegin Halo Saibold.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Dr. Olderog, Ihre letzten Ausführungen hätte ich Ihnen wirklich nicht zugetraut. Das enttäuscht mich zutiefst, weil ich Sie sonst als Person eigentlich sehr schätze. Unseren Einfluß überschätzen Sie sowieso, wenn Sie sagen, daß wir das alles weltweit verbreiten. Nicht wir waren in der ARD, sondern ganz andere Leute.
Jetzt zur Sache: Bei dieser Angelegenheit geht es eben nicht nur um Steuermittel. Der immaterielle Schaden, den die DZT verursacht hat, wiegt viel schwerer. Nicht nur das Ansehen der Tourismusindustrie ist betroffen, sondern das Ansehen der ganzen Republik leidet schwer darunter.
Es würde mich sehr interessieren, was eigentlich unser Außenminister dazu meint. Aber vermutlich hält er sich aus Rücksichtnahme auf seinen bereits schwer angeschlagenen Ministerkollegen zurück.
Sexistische, rassistische und antisemitische Sprüche werden leider in vielen Kreisen unserer Gesellschaft noch immer nicht als das angesehen, was sie sind, nämlich menschenverachtendes Geschwätz.
Der Vorstand der DZT und der Vertreter des Wirtschaftsministeriums schoben solche Vorkommnisse als Kavaliersdelikte achselzuckend beiseite. Ungeniert ließen diese Herren den Skandal eskalieren. Erst der durch die Presse erzeugte massive öffentliche Druck bewog die Verantwortlichen dazu, die dann enttarnte Holocaust-Leugnerin zu entlassen.
Für mich und meine Partei ist das Skandalöse und nicht Entschuldbare an diesen ganzen Vorfällen das Verhalten der politischen Verantwortungsträger.
Auf jeder Stufe der Skandaltreppe wurde verharmlost und abgewiegelt. Selbst uns Ausschußmitglieder wollten die Verantwortlichen mit Schweigen oder mit Halbwahrheiten abspeisen, allerdings mit wenig Erfolg. Es ist fast nicht zu glauben, daß mit Schreiben vom 15. Mai 1995 die DZT durch ihren Rechtsanwalt die Studie von 1984 mit dem äußerst dubiosen Inhalt auch noch rechtfertigen ließ. In dem Schreiben heißt es, die Studie sei äußerst gewissenhaft erstellt worden und sei in keiner Weise zu kritisieren. Dabei wäre die einzige richtige Konsequenz gewesen, sie unverzüglich einstampfen zu lassen.
Gestern wurde mir übrigens aus dem Wirtschaftsministerium mitgeteilt, daß ich als Vorsitzende des Fremdenverkehrsausschusses diese Studie nicht bekommen könnte, weil rechtliche Gründe dagegen sprächen. Ich habe sie natürlich längst.
Die politische Verantwortung für diesen Schlamassel tragen eindeutig Minister Dr. Rexrodt und sein Parlamentarischer Staatssekretär Dr. Kolb. Im Verwaltungsrat der DZT, der die Aufgabe hat, den von ihm bestellten Vorstand zu kontrollieren, sitzt als Vertreter des Ministers ein gewisser Ministerialdirektor Geisendörfer. Er hatte die Dreistigkeit, im Fernsehen zu behaupten, diese Studie sei in keiner Weise relevant gewesen, obwohl die DZT selbst zugibt, daß sie sehr wohl in einigen Bereichen Anwendung fand.
Dieser Ministerialdirektor hat nicht nur seit März dauernd gemauert und abgeblockt, nein, er hat auch die ganzen Jahre über die dubiosen Zustände in der DZT gedeckt, ob es um die obskure Besetzung des Vorstands im Jahre 1993 oder um die freihändige Vergabe eines sündteuren Gutachtens oder andere Dinge ging. Deshalb trifft ihn in erster Linie die Schuld an diesem Skandal. Herr Geisendörfer ist aber Ihr Vertreter, Herr Minister. Welche Konsequenzen ziehen Sie eigentlich?
Halo Saibold
Ich frage Sie: Was haben Sie denn getan, als Sie diese Schlagzeilen gelesen und die Skandalberichte im Fernsehen gesehen haben?
Außerdem: Welches Deutschlandbild wollen Sie eigentlich vermarkten lassen? Haben Sie sich mit dieser Frage überhaupt schon einmal befaßt? Bei dem sehr niedrigen Stellenwert, den die Tourismuswirtschaft bei Ihnen und in Ihrem Hause genießt, war dies sicher noch nicht der Fall.
Dabei trifft das verbreitete Image alle anderen Wirtschaftszweige ebenso und die ganze Republik.
Was gedenken Sie denn nun zu tun, Herr Minister? Ich erwarte heute hier klare Aussagen von Ihnen. Verschanzen Sie sich nicht hinter irgendwelchen Scheinaktivitäten der DZT, sondern tragen Sie zur Lösung dieses schon lange schwelenden Problems bei. Mit der üblichen Filzokratie kommen Sie hier nicht mehr weit. Sie befördern damit bestenfalls Ihren eigenen kaum mehr aufzuhaltenden politischen Niedergang.
Es besteht dringender Handlungsbedarf. Verordnen Sie der DZT das wohlverdiente Ende mit Schrekken, und bewahren Sie damit sich und uns vor einem Schrecken ohne Ende!
Der gesamte Tourismusmarketing-Bereich muß endlich umstrukturiert werden. Ich schlage deshalb vor, daß die DZT mit dem Deutschen Fremdenverkehrsverband zusammengelegt und so eine effektiv arbeitende Organisation geschaffen wird, die die Imagepflege für das Reiseland Deutschland sowohl im Inland als auch im Ausland erfolgreich betreiben kann.
Dabei muß natürlich die Einflußnahme der Landesfremdenverkehrsverbände und damit die Wahrung der Interessen der vielen kleinen und mittleren touristischen Betriebe in unserem Land gesichert werden. Es wird höchste Zeit, daß wieder ein positives, offenes, multikulturelles und freundliches Image der Bundesrepublik im Ausland verbreitet wird.
Die DZT muß schnellstens aufgelöst werden. Herr Ministerialdirektor Geisendörfer muß von seiner Aufgabe in diesem Bereich entbunden werden. Er ist dort nicht mehr tragbar.
Das Wort hat der Kollege Olaf Feldmann.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Diese Aktuelle Stunde macht wirklich nur dann Sinn, wenn sie auch genutzt wird, um die vielen Falschmeldungen auszuräumen und um nach vorne zu schauen. Nur so, Frau Kastner, können wir die DZT wieder stärken und den
Schaden begrenzen. Sonst wird der Scherbenhaufen noch größer, und die Antragsteller laufen Gefahr, daß sie nicht nur der DZT, sondern dem gesamten deutschen Fremdenverkehr schaden.
Natürlich ist es Aufgabe der Opposition, klärungsbedürftige Vorgänge zu hinterfragen. Das geschah im Fremdenverkehrsausschuß mehrfach. Nichts wurde vertuscht, Mißstände wurden abgestellt. Auch die Gespräche mit dem Verwaltungsrat und dem Vorstand der DZT am Montag brachten volle Aufklärung. Für die vorgelegte Dokumentation möchte ich mich beim Vorsitzenden des Verwaltungsrats der DZT, Herrn Dr. Kaub, und den Vorstandsmitgliedern Kruse und Colonius ausdrücklich bedanken.
Auch Oppositionspolitiker, Frau Saibold, sind dem Gemeinwohl verpflichtet. Die schlimmen Vorgänge bei der DZT in New York dürfen nicht parteipolitisch mißbraucht werden.
Es besteht die Pflicht zur Abwägung zwischen dem erhofften Nutzen, den Sie aus dieser Debatte glauben ziehen zu können, und dem angerichteten Flurschaden für den gesamten deutschen Fremdenverkehr. Letzterer ist irreparabel. Sie müssen die Proportionen beachten.
Zu den Fakten: Aus den bedauerlichen Vorgängen in der Vertretung in New York wurden unverzüglich personelle Konsequenzen gezogen.
Wer beleidigende und diskriminierende Sprüche macht, muß die Konsequenzen tragen. Dies gilt für sexistische, für rassistische und auch für antisemitische Äußerungen. Jetzt müssen die Gerichte sprechen.
Zum Sonderfall Groß: Mit seiner bösen Falschinterpretation der 1984 vorgelegten Studie hat er nicht nur die Loyalität gegenüber seinem Arbeitgeber DZT grob verletzt, sondern auch der DZT und vor allem dem deutschen Fremdenverkehr unermeßlichen Schaden zugefügt. Wir erwarten, daß gegen ihn mit aller Härte vorgegangen wird.
Meine Damen und Herren, diese kritikwürdigen Einzelfälle dürfen nicht mit der DZT gleichgesetzt werden. Wir Liberalen stellen uns daher vor die DZT-
Mitarbeiter, die in überwiegender Zahl gute Arbeit leisten. Es dient sicherlich nicht der Sache, wenn Sie hier im Plenum die in die Öffentlichkeit gebrachten bösartigen und falschen Behauptungen - und das sind die Behauptungen von Herrn Groß - großartig wiederholen und damit noch verstärken. Ich meine, es ist unsere Aufgabe, die Sache hier richtigzustellen.
- Ich will es jetzt versuchen.
Dr. Olaf Feldmann
Die kritisierten Aussagen befinden sich im Anhang einer 750-Seiten-Marketing-Untersuchung nach US- üblichen Erhebungsmethoden.
Es handelt sich also nicht um Aussagen der DZT. Die Studie wurde auch nicht, wie Sie gerade wieder fälschlich behauptet haben, zur Grundlage von DZT-
Marketingaktivitäten gemacht.
- Warum behaupten Sie es denn immer wieder? - Genau das Gegenteil ist der Fall: Gerade die DZT in New York hat mehrere Sonderaktionen für jüdische US-Bürger durchgeführt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die DZT steht seit dem vom früheren Vorsitzenden des Verwaltungsrats vorgenommenen chaotischen Umorganisationsversuch im Kreuzfeuer der Kritik. Dies und die Vergabe des Strukturgutachtens von 1993 am Parlament vorbei - Frau Kastner, da stimmen wir vielleicht sogar überein -
sind die eigentliche Ursache der heutigen Misere und haben den Bundesrechnungshof zu Recht auf den Plan gerufen; denn hier geht es - das beklagen ja auch Sie - um Steuermittel. Das Ergebnis der Überprüfungen sollte in Ruhe abgewartet werden. Die jetzigen DZT-Verantwortlichen und der deutsche Fremdenverkehr müssen heute leider die Fehler von damals ausbaden.
Wir Fremdenverkehrspolitiker können dem zuständigen Minister und dem Verwaltungsrat der DZT in der augenblicklichen Situation nicht empfehlen, einen schnellen Vorstandswechsel - wie vorgesehen - vorzunehmen, auch wenn dies auf den ersten Blick - vor allem aus finanziellen Gründen - günstig erscheint. Das Recht des Verwaltungsrates, den Vorstand vorzuschlagen, bleibt natürlich unberührt.
Über die Struktur und die Organisationsform der DZT muß gesprochen werden. Die hierzu am Montag signalisierte Bereitschaft des Verwaltungsrates begrüße ich ausdrücklich.
Oberstes Ziel für uns muß sein: Schadensbegrenzung.
Ich darf daher zum Schluß für die F.D.P. feststellen: Die DZT erfüllt eine öffentliche Aufgabe: das Bild Deutschlands im Ausland darzustellen und für den Urlaub in Deutschland zu werben. Sie ist ein Instrument zur Förderung des touristischen Mittelstandes. Vom Erfolg der Arbeit der DZT - wir alle wollen diesen Erfolg - hängen Millionen von Arbeitsplätzen in Deutschland ab.
Die DZT - vielleicht können Sie mir da zustimmen - hat trotz aller Vorkommnisse gute Arbeit geleistet - sowohl heute als auch früher. Wir brauchen die DZT - in welcher Organisationsform auch immer.
Vielen Dank.
Das Wort hat die Kollegin Ulla Jelpke.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der jetzige Skandal um die New Yorker Filiale der Deutschen Tourismuszentrale, der Anfang Mai öffentlich wurde, ist für mich nur ein weiteres Beispiel des erschreckenden Umgangs mit Rechtsextremismus, Antisemitismus, Rassismus und Sexismus in unserem Land. Es wird immer wieder verharmlost, verzögert, vertuscht, geleugnet und Verantwortung hin- und hergeschoben.
Gefeuert wird der Überbringer der schlechten Botschaft, entlassen werden ein paar Sündenböcke, und wie immer bleiben die politisch Verantwortlichen unangetastet, wie z. B. der Ministerialdirigent im Wirtschaftsministerium Ulrich Geisendörfer, der offenbar schon im Frühjahr letzten Jahres konkrete Hinweise auf die rechtsextremistischen Aktivitäten der Frau Elke Berg hatte, die im übrigen seit 1979 bei der DZT arbeitete.
Unbehelligt konnte sie seit Ende der 80er Jahre in einschlägigen Zeitschriften die Leugnung des Holocaust und die Verharmlosung der Verbrechen des Naziregimes verbreiten. Das tat sie gemeinsam mit ihrem ersten Ehemann Kniepkamp und mit ihrem heutigen Ehemann Friedrich Paul Berg, einem seit langem einschlägig bekannten Rechtsextremisten, der in US-Publikationen des internationalen Geschichtsrevisionismus auf widerlichste Art und Weise die Vernichtung der Juden und Jüdinnen in Auschwitz und anderen KZs der Nazis leugnet.
In meiner Anfrage vom April diesen Jahres habe ich die Bundesregierung nach der Rolle von Friedrich Paul Berg innerhalb der Riege der sogenannten Auschwitz-Leugner und Geschichtsrevisionisten gefragt. Die Antwort der Bundesregierung lautet lapidar und auf solche Anfragen inzwischen fast stereotyp:
Personenbezogene Daten und wertende Stellungnahmen zur politischen Tätigkeit von Einzelpersonen im Bereich des Extremismus veröffentlicht die Bundesregierung nur im Rahmen des § 16 Abs. 2 des Bundesverfassungsschutzgesetzes.
Somit stehen Rechtsextremisten unter dem ausdrücklichen Schutz der Bundesregierung.
In der Anklageschrift einer DZT-Mitarbeiterin findet sich auch der Hinweis, daß sich Frau Berg über
Ulla Jelpke
„Sachkunde" und „Talent" eines ehemaligen Mitarbeiters bewundernd geäußert hat,
der im New Yorker Büro ungehindert Neonazi-Hetzschriften verteilen konnte. Auch da gab es keinerlei Intervention, keine Untersuchung, nichts.
Da paßt sich auch naht- und bruchlos eine seit 1984 als Arbeitsgrundlage für die DZT vom Bundeswirtschaftsministerium in Auftrag gegebene Marktforschungsstudie ein,
wonach „Juden, Schwarze, Lateinamerikaner und Asiaten" in Deutschland nicht erwünscht seien. Das stellt die rechtsextremistischen „Ausländer raus"-Parolen der Neonazis auf der Straße weit in den Schatten. Und wieder: keine Empörung, keine Intervention, keine Konsequenzen.
Das höchste Gericht des Staates New York hat nun die Beschlagnahmung fast des gesamten Besitzes der DZT-Filiale verfügt,
falls diese nicht eine Kaution in Höhe von 75 000 Dollar hinterlegt.
Die Mitarbeiterin Monique Schlein hatte diese wegen sexueller Belästigung auf 2,5 Millionen US-Dollar Schadenersatz verklagt. Die Chancen auf einen erfolgreichen Prozeß scheinen aussichtsreich.
Nach Angaben der Bundesregierung wurden allein im vergangenen Jahr 1366 antisemitische Straftaten in der Bundesrepublik begangen, was einer Steigerung von über 100 % gegenüber dem Vorjahr entspricht. Es ist Fakt, daß sich in den letzten Jahren die rechtsextremen Straf- und Gewalttaten mit rassistischer Motivation explosionsartig entwickelt haben. Wen wundert es, wenn Touristinnen und Touristen angesichts dieser Tatsachen Deutschland meiden?
Im Falle der DZT werden hier wie in anderen Fällen mit Millionenbeträgen aus dem Bundeshaushalt - diesmal des Wirtschaftministeriums, das für die DZT zuständig ist - Antisemitismus und Rechtsextremismus de facto gefördert und salonfähig gemacht.
Ich schließe mich den Forderungen der Abgeordneten der GRÜNEN an: Die Gelder müssen sofort gestrichen werden.
Ich erteile dem Bundesminister für Wirtschaft, Dr. Günter Rexrodt, das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich muß zunächst darauf hinweisen, daß es sich bei der DZT um einen eingetragenen Verein der deutschen Fremdenverkehrswirtschaft handelt, der allerdings mit 85 % aus öffentlichen Mitteln finanziert wird.
Bei den in der Öffentlichkeit und anderswo diskutierten Vorgängen geht es um folgende Sachverhalte:
Erstens. Gegen den leitenden Mitarbeiter der New Yorker Geschäftsstelle ist ein Gerichtsverfahren wegen sexueller Belästigung anhängig. Das Gerichtsverfahren ist noch nicht entschieden. Die Vorwürfe gegen den Leiter der Geschäftsstelle sind seit Herbst 1993 bekannt. Der Mitarbeiter wurde inzwischen wegen mangelnder Kontrolle und Vernachlässigung der Berichtspflichten gegenüber dem Vorstand entlassen. Ich wiederhole: Das Gerichtsverfahren ist noch nicht entschieden.
- Sie fordern doch schonungslose Aufklärung und ein Konzept. Ich bin gerade dabei, Ihnen das vorzutragen, und wäre Ihnen dankbar, wenn ich das hintereinander weg tun könnte.
Zweitens. Dem Stellvertreter des Leiters der Geschäftsstelle New York wurde aus den gleichen Gründen gekündigt.
Drittens. Es wurden in der Öffentlichkeit, vor allem der amerikanischen Öffentlichkeit, Vorwürfe gegen eine weitere Mitarbeiterin erhoben, die bei der Veröffentlichung rechtsradikaler Schriften mitgewirkt haben soll. Ich muß das so ausdrücken. Diese Vorwürfe sind dem Ministerium seit Mai 1995 bekannt. Die Mitarbeiterin wurde nach Bekanntwerden dieser Vorwürfe sofort entlassen.
Viertens. Eine weitere Mitarbeiterin hat vor Gericht gegen die DZT wegen rassischer Diskriminierung ein Verfahren eingeleitet. Eine Entscheidung in dieser Sache ist noch nicht ergangen.
Fünftens. 1984 wurde durch die DZT bei einer Münchner Gesellschaft eine Marktanalyse in Auftrag gegeben. Zweck dieses Gutachtens war es, in Amerika Zielgruppen für den Tourismus nach Deutschland zu identifizieren und geeignete Werbemaßnahmen zielgruppengerecht zu entwerfen. Diese Studie wurde im Unterauftrag durch eine New Yorker Marketinggesellschaft erarbeitet. Gegen dieses Gutachten wird der Vorwurf der Rassendiskriminierung erhoben und außerdem kritisiert, daß bestimmte Bevölkerungsgruppen zu unerwünschten Gästen der Bundesrepublik Deutschland erklärt wurden.
Es handelt sich bei dem zitierten Gutachten um eine 700 Seiten umfassende Studie. Die Bestimmung der Zielgruppen in Zusammenarbeit mit einem amerikanischen Institut erfolgte auf der Grundlage der
Bundesminister Dr. Günter Rexrodt
vom US Bureau of Census, also vom Statistischen Amt der Vereinigten Staaten, vorgegebenen Kategorien, die von allen amerikanischen Meinungsforschungsinstituten verwandt werden. Zu diesen Standards zählen in den USA als klassischem Einwanderungsland neben Fragen nach dem Alter und Geschlecht auch Fragen nach der Abstammung und der Religion. In bezug auf einen Deutschlandurlaub ergab diese Untersuchung ein überdurchschnittliches Interesse evangelischer und katholischer weißstämmiger Amerikaner mittleren Alters und ein unterdurchschnittliches Interesse bei anderen Bevölkerungsgruppen. Das Gutachten formuliert in unakzeptabler Weise: „Keine Juden, Schwarzen, Hispanier und Asiaten".
Ich distanziere mich hiermit erneut und nachdrücklich von den Formulierungen dieses Gutachtens.
Ich möchte aber eindringlich feststellen, daß die DZT die Empfehlungen der Studie zu keinem Zeitpunkt zur Grundlage ihrer Arbeitsplanung in den USA gemacht hat. Es hat niemals eine Anweisung der DZT-Zentrale gegeben, bestimmte Bevölkerungsgruppen nicht anzusprechen. Im Gegenteil, die Werbung der DZT in den USA hat sich nachweislich stets an alle Amerikaner gerichtet. An zahlreichen Beispielen läßt sich nachweisen, daß sich die DZT besonders um die jüdische Bevölkerungsgruppe in den USA bemüht hat, u. a. in Abstimmung mit dem American Jewish Committee.
Frau Kollegin, meine Vorgänger im Amt und auch ich haben seit 1988/89 eine Strukturänderung in der Arbeit der DZT dringend angestrebt. Ziel ist und bleibt die Steigerung der Leistungsfähigkeit und der internen Kontrolle in der DZT durch eine unternehmensnahe Besetzung des Vorstands und des Verwaltungsrats. Dem dienten das Gutachten von Roland Berger im Sommer 1993 und die personelle Neubesetzung der Gremien im Herbst 1993.
- Ich komme gleich darauf zu sprechen; ich möchte systematisch vorgehen.
Der Vorstand und der Verwaltungsrat haben versucht, die dringend notwendige innere Strukturveränderung der DZT durchzuführen. Dies ist jedoch trotz aller Bemühungen nicht in ausreichendem Maß gelungen. Es gilt jetzt, aus den Fehlern der Vergangenheit zu lernen und einen grundlegenden Neuanfang einzuleiten.
Dazu ist meiner Meinung nach folgendes zu tun:
Erstens. Der Vorstand muß möglichst bis Juli 1995 neu geordnet werden. Sie wissen: Der Marketing-Vorstand ist ausgeschieden, der ehrenamtliche Vorstandsvorsitzende steht nur befristet zur Verfügung.
Wenn die Gehaltsstruktur für den Vorstand kein entsprechendes Ergebnis bringt, müssen sich die Zuständigen in der Bundesregierung und, wenn ich bitten darf, auch im Bundestag zusammensetzen, um eine Lösung zu suchen, die eine fachgerechte Besetzung ermöglicht.
Zweitens. Die organisatorischen und personellen Strukturen der Auslandsvertretungen müssen durchleuchtet werden. Dies gilt im wesentlichen für die Vertretung in New York. Um das Führungssystem im Ausland vor dem Versagen zu schützen, müssen Kooperationen gefunden werden. Ein institutionalisiertes Vier-Augen-Prinzip bietet mehr Sicherheit und Kontrolle. Die Gespräche dazu werden mit geeigneten Kooperationspartnern ab sofort aufgenommen.
Drittens. Der Vertreter des BMWi im Verwaltungsrat wird ausgewechselt.
Viertens. Die finanzielle Verantwortung der DZT liegt, wie eingangs gesagt, derzeit mit 85 % beim Bund. Meine Damen und Herren, das kann nicht so bleiben. Wenn die DZT mit unternehmerischer Führung der Wirtschaft wirklich etwas wert ist, so müssen sich die Finanzbeiträge aus der Wirtschaft erhöhen. Dabei ist auch an die Rechtsform einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung zu denken, in der sich die Partner der Wirtschaft mit ihren Finanzbeiträgen treffen können.
Ich werde noch vor der Sommerpause die Gespräche mit der Wirtschaft über einen Neuanfang der DZT einschließlich deren Finanzierung aufnehmen. Mir geht es vor allem um die Fortsetzung einer wirksamen Förderung der mittelständisch geprägten Fremdenverkehrswirtschaft. Die Bundesregierung wird auf diesem Gebiet auch weiterhin ihre Verantwortung wahrnehmen. Insbesondere die Expo 2000 stellt uns in dieser Hinsicht vor besondere Anforderungen.
Wir haben in Deutschland eine Menge vorzuzeigen: touristisch, kulturell und auf vielen anderen Gebieten. Wir werden dafür in geeigneter Weise mit Nachdruck und in Verantwortung werben.
Frau Kollegin Anke Fuchs, Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Minister Rexrodt
Anke Fuchs
- das hat aber lange gedauert, Herr Kollege -, wie kann es denn angehen, daß ein Wirtschaftsministerium alle öffentlichen Warnungen, die es gegeben hat, nicht ernst nimmt, sondern erst auf Druck reagiert? Sie hätten Schaden von der Bundesrepublik abwenden können, wenn Sie früher reagiert hätten, Herr Kollege.
Meine Kollegin Susanne Kastner, die in dieser Thematik mehr drinsteckt als ich, hat zu mir gesagt: Nun hat er unser Konzept übernommen. In Ordnung, dann handeln sie endlich. Dann kommt Ruhe rein.
Ich stimme Ihnen zu, Herr Olderog, es geht nicht darum, daß wir miteinander mehr Schaden verursachen. Es geht darum, einmal ganz knallhart festzustellen: Das, was sich getan hat, ist für die Bundesrepublik Deutschland eine Schande, meine Damen und Herren.
Dann sollen wir aber auch nicht so tun, als ob es kein gravierender Vorgang gewesen wäre.
Damit stellt sich an den Herrn, der jetzt andere Aufgaben bekommt, die Frage: Wie kann es eigentlich passieren, daß sich in dieser Zentrale solch rassistisches, antisemitisches Denken zusammenbraut? Das war doch eine Zelle von Männern und Frauen, die ein anderes Deutschlandbild vermitteln wollten, eine Zelle von Männern und Frauen, die dort angestellt waren, ihr Brot verdient haben und unserem Land Schaden zugefügt haben. Deswegen ist auch der unsensible Umgang mit unserer Vergangenheit und mit unserer Gegenwart das, was wir diesen Menschen dort vorwerfen müssen. Daß erst der öffentliche Protest dazu geführt hat, daß in diesem Saustall endlich saubergemacht wird, hat mich schon sehr bedrückt, meine Damen und Herren. Das muß man ganz klar sagen.
- Ja. Er übernimmt unser Konzept. Als der Herr Minister sagte, nun sei den Betreffenden gekündigt worden, fand ich das auch ein bißchen zu zögerlich.
Ich will noch einmal auf einen Punkt zurückkommen, Herr Minister Rexrodt. Wenn Sie sagen, das war ein Gutachten, die Sprache ist nicht in Ordnung, und es hat sich niemand danach gerichtet, fragt man sich: Wie kann es, wenn es eine sensible Zentrale ist, zu einer solchen Zusammenfassung kommen, wo schwarz auf weiß steht: keine Juden, keine Schwarzen, keine Hispanier, keine Asiaten? Ich finde, dann dürfen wir nicht, Herr Kollege Olderog, so tun, als ob das nichts sei. Man muß auch bei Gutachten, die für
die Bundesrepublik, also für diese Zentrale, erstellt werden, erwarten können, daß man mit solchen Vorgängen sensibler umgeht. Das war eigentlich mein größter Vorwurf.
- Auch wenn es 1984 war, fragt man sich um so mehr: Wenn so etwas 1984 geschehen konnte und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dieser Zentrale nicht wachgeworden sind, zeigt es doch, daß zu nachlässig mit der Auswahl von Personen umgegangen wird, die in dieser Zentrale gearbeitet haben. Deswegen muß man sehen, daß man jetzt vernünftige Konsequenzen zieht.
Wir freuen uns, daß nun diese Konsequenzen gezogen werden sollen. Nun wollen wir in die Zukunft sehen, Herr Kollege Feldmann. Wir sind durchaus der Auffassung: Okay, nun wollen wir auch sorgfältig beobachten, was im Vorstand vor sich geht. Bitte keine Unregelmäßigkeiten mehr bei der Ausschreibung, bitte keine Schummeleien mehr bei der Besetzung von Vorstandsposten, und bitte: den gesamten Vorstand zurückziehen und dann einmal genau schauen, mit welchem Deutschlandbild dort gearbeitet wird, so daß es zu einem Neuanfang kommen kann.
Ich will dann noch versöhnend für alle Seiten dieses Hauses feststellen: Wenn wir alle wissen, daß wirklich auch außenpolitischer Schaden entstanden ist, dann sollten wir auch die Vergangenheit nicht zu tief hängen und nicht so tun, als ob kein Skandal geschehen ist.
- Sehen Sie, dann sind wir uns einig. Wir haben allen Anlaß, zu wünschen, nicht nur aus ökonomischen Gründen, sondern auch aus politischen Gründen, daß Menschen gerne zu uns kommen, daß Menschen aus allen Schichten zu uns kommen, daß wir multikulturell offen sind, wenn es um Tourismus geht. Dies ist ein wichtiger Wirtschaftszweig, aber es ist auch ein Zeichen der Bundesrepublik nach außen. Daran sollten wir gemeinsam arbeiten. Wenn das auf unseren Vorstoß heute das Ergebnis der Aktuellen Stunde ist, bin ich schon ganz zufrieden, meine Damen und Herren.
Vielen Dank.
Das Wort hat der Kollege Michael Jung.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren Kollegen! Über die Deutsche Zentrale für Tourismus ha-
Michael Jung
I ben wir des öfteren diskutiert: über Fragen der Struktur, der Finanzierung und anderes mehr.
- Aber selbstverständlich. Ob die Folgerungen daraus gezogen worden sind, ist eine andere Frage, aber die Diskussionen haben wir sehr oft geführt.
Die Debatte, die wir jetzt gemeinsam betreiben, wird vermischt mit Problemen und Vorfällen in New York, die sich in drei Bereiche gliedern: einmal Vorwürfe gegen einen Mitarbeiter - Sexismus, Rassismus. Diesem Mitarbeiter ist gekündigt worden, obwohl die gerichtlichen Verfahren noch nicht abgeschlossen sind und die Unschuldsvermutung unseres Rechtssystems auch für ihn gelten muß.
Der zweite Vorfall sind die antisemitischen Äußerungen. Die sind geahndet worden, indem auch hier direkt eine Kündigung ausgesprochen worden ist.
Der dritte Vorfall ist die Studie von 1984. Die Verantwortlichkeit derjenigen, die das Sagen hatten, ist vorhin beschrieben worden, wobei klar geäußert worden ist, daß diese Studie niemals Anwendung in der praktischen Arbeit gefunden hat.
Das sind die drei Bereiche, die man nennen muß, damit man sich sachlich damit auseinandersetzt. Von den sechs gerichtlichen Verfahren, die im Moment von der DZT betrieben werden, hängen drei damit zusammen. Ich finde es schon etwas merkwürdig, wenn man auf der einen Seite sagt, Konsequenzen werden nicht gezogen, man aber dann, wenn sie gezogen werden und zu arbeitsgerichtlichen Verfahren
I führen, sagt: Soundso viel Verfahren gerichtlicher Art hat die DZT, da kann etwas nicht in Ordnung sein. Eines von beiden gilt. Frau Kollegin Saibold, wenn Sie sich die Bilanz der gerichtlichen Verfahren der DZT der früheren Jahre angeschaut haben, wissen Sie: Es ist durchaus eine beeindruckende Bilanz, daß vier Fünftel von verhältnismäßig geringfügigen Verfahren dort tatsächlich gewonnen worden sind.
Menschliches Versagen ist niemals ausschließbar. Deswegen stellen sich besonders die Frage der Kontrolle und die Frage, welche Konsequenzen gezogen werden, wenn etwas festgestellt wird. Wir haben bei dem Gespräch, das wir mit dem Verwaltungsrat und den Vorstandsmitgliedern geführt haben, gemeinsam den Eindruck gewonnen - auch auf Grund dessen, was uns sehr detailliert aufgelistet worden ist -, daß nach Kenntnisnahme und Durchführung der Kontrolle das Notwendige in die Wege geleitet worden ist. Bei Gesprächen in New York unternahm man zunächst den Versuch, sich gütlich zu einigen. Hinterher, nachdem dies fruchtlos war, mußte mit dem Aussprechen von Kündigungen der Rechtsweg eingeschlagen werden.
Diese Diskussion hat der Werbung für den deutschen Fremdenverkehr geschadet. Deswegen sage ich - unabhängig davon, ob diese Vorwürfe richtig sind oder nicht -: Diese Diskussion muß beendet werden, in unser aller Interesse, damit wir weiter nach vorne blicken können.
Dazu gehört, daß wir uns überlegen, was wir für die zukünftige Entwicklung tun können. Ich möchte dazu noch wenige Anmerkungen machen: Erstens zur Struktur. Ich glaube, daß wir dieses Thema nutzen müssen, um endgültig klarzustellen: Werbung für Deutschland, egal ob im Inland oder im Ausland, gehört in eine Hand.
Wir sollten diese Situation nutzen, um gemeinsam Entsprechendes zu tun - vielleicht auch gegen Widerstände von Ländern. Diese dürfen uns nicht davon abhalten, eine Organisation zu finden, die geeignet ist, Werbung aus einer Hand zu garantieren.
Zweitens. Wir müssen überlegen - ich sage dies mit allem Nachdruck -, inwieweit in diesem Bereich eine Beteiligung der Politik an Aufsichtsgremien möglich ist. Auch dies sollte im Mittelpunkt unserer Debatten über die künftige Struktur stehen. Gleiches gilt für eine Beteiligung der Wirtschaft: Sie sollte nicht nur für die Mittelbeschaffung herangezogen werden - wir erinnern uns noch an alte Diskussionen, an Beträge von 50 Millionen DM -, sondern auch mitbestimmen können.
Genauso müssen wir uns Gedanken über die personelle Struktur machen. Der Vorstand hat bisher aus drei Personen bestanden, wobei eine Person, der Vorstandsvorsitzende, ehrenamtlich tätig war. Wir müssen uns die Frage stellen, ob wir das Ausscheiden des Vorstandsmitglieds, das für den Marketingbereich zuständig war, jetzt nicht nutzen, um die Zahl der Vorstandsmitglieder eventuell auf zwei zurückzuführen, die das hauptamtlich betreiben und eine schlagkräftige Führungsspitze der DZT bilden. Ich meine, auch dies sollte im Rahmen unserer Debatte hier erörtert werden.
Meine Damen und Herren, unser gemeinsames Ziel muß sein, die Handlungsfähigkeit dieser Werbeeinrichtung für Deutschland zu stärken,
damit mehr ausländische Touristen zu uns kommen und damit auch Deutsche den Wunsch verspüren, nicht nur im Ausland, sondern auch in unserem schönen Deutschland Urlaub zu machen. Daran sollten wir jetzt gemeinsam arbeiten.
Vielen Dank.
Kollege Karl-Hermann Haack, Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist sicherlich feststellbar, daß die heutige Aktuelle Stunde dazu führt, daß in die Reorganisation der Deutschen Zentrale für Tourismus erneut Bewegung kommt, nachdem wir uns mit diesem Thema letztmalig im Januar 1994 unter Strukturgesichtspunkten befaßt haben.
Karl-Hermann Haack
Seit gut einem halben Jahr befaßt sich dieser Ausschuß mit den aktuellen Vorkommnissen der DZT, Außenstelle New York, die uns über die Presse berichtet worden sind. Abermals ist ein Gipfel erreicht, der es notwendig macht, im Rahmen einer Aktuellen Stunde darüber zu sprechen. Wir sind uns einig, daß es der Vorstand hat vermissen lassen, ein entsprechendes Krisenmanagement aufzubauen. Denn wir leben in einer offenen Gesellschaft, d. h. wir leben mit Medien.
Wer in einer offenen Gesellschaft lebt, muß sich auch durch seine Handlungsweise zu deren Prinzipien bekennen, indem er Vorwürfe annimmt, prüft und Schadensbegrenzung betreibt.
- Und Falschmeldungen muß man richtigstellen.
Da bin ich bei dem entscheidenden Punkt: Meine Fraktion hat den Eindruck, daß Vorstand und Teile des parlamentarischen Bereiches auf diese aktuelle Situation, ausgelöst von der DZT in New York, mit Larmoyanz reagiert haben, anstatt Schadensbegrenzung zu betreiben. Die Art und Weise, wie uns am Montagabend eine Dokumentation vorgelegt worden ist, hat für mich persönlich unterstrichen, daß man sich nach dem Grundsatz des protestantischen Liedes zurückgezogen hat: „Eine feste Burg ist unser Gott" - in diesem Fall die DZT.
Man hat alle Brücken hochgezogen und sich mit verbalen Attacken hinter den dicken Mauern versteckt, sowohl gegenüber der Presse als auch im parlamentarischen Bereich.
Bedauerlicherweise ist die Wahrheit auf Befragung dessen, der nun abgelöst worden ist - wofür ich mich bei Ihnen, Herr Minister, bedanken möchte -, nämlich des Herrn Kollegen Geisendörfer, nur tröpfchenweise an die Ausschußöffentlichkeit gelangt.
Es gibt dafür aber einen Spruch: Wir mußten Ihnen, bezogen auf das, was in der DZT abgelaufen ist, die Würmer aus der Nase ziehen.
Die aktuelle Situation führt uns zu einem weiteren Punkt; der Minister und Herr Jung haben das gesagt. Welches Konzept hat die SPD, wenn man ihr unterstellt, Herr Kollege Olderog, wie Sie es getan haben, nur auf der DZT herumzutrampeln und eiligen Pressemitteilungen eilfertig nachzulaufen? Was hat die SPD tatsächlich zur weiteren Struktur der DZT zu sagen? Ich kann Ihnen nur sagen: Wir sind im Konsens.
Am Montag abend hatte ich Ihnen namens der Fraktion vorgetragen, wie wir uns das vorstellen. Wir wollen die Struktur verändern. Ich gebrauche das Wort des Ministers, weil die DZT im Grunde eine Exportaufgabe hat, nämlich den Tourismusplatz Deutschland im Ausland zu verkaufen. Wir wollen so etwas wie eine Privatisierung betreiben. Das heißt, wir wollen weg von der Zwitterkonstellation - e. V. und ehrenamtliche Tätigkeit - hin zu einer GmbH-Lösung
mit klaren, verbindlich definierten Verantwortlichkeiten. Wir wollen den derzeitigen Zuschuß der Bundesrepublik Deutschland zur DZT erhalten. Wir wollen die DZT, damit sie auf dem Personalmarkt konkurrenzfähig sein kann, aus dem BAT herausnehmen, sie z. B. an dem orientieren, was bei der TUI Haustarifverträge sind, so daß wir tatsächlich das an Manpower und Frauenpower einkaufen können, was notwendig ist, um den Tourismusplatz Bundesrepublik Deutschland im Ausland verkaufen zu können.
- In fünf Minuten kann ich nicht alles vortragen. Ich gehe darauf bei anderer Gelegenheit ein.
Für uns gilt der Grundsatz: Diejenigen, die die Musik bestellen, die also in der DZT vertreten sein wollen, müssen einen Gesellschafteranteil erwerben; denn wer die Musik bestellt, der muß sie bezahlen. Nassauern und Trittbrettfahren gibt es nicht. Die Kompetenz der deutschen Fremdenverkehrswirtschaft wollen wir in eine Beiratskonstruktion einbinden, die ihre Kompetenz in die Gestaltung der Arbeit der zukünftigen DZT einbringt.
Das Parlament muß vertreten sein; denn kurze Wege - das ist deutlich geworden - sind notwendig, wenn ein Ausschuß für Tourismus 45 Millionen DM pro Jahr bereitstellt.
Um was geht es denn?
Herr Kollege, Ihre Redezeit ist abgelaufen.
Ich komme zum Schluß. - Tourismusplatz Deutschland heißt: Zwei Millionen Beschäftigte. Tourismusplatz Deutschland heißt: 100 Milliarden DM Umsatz. Das sind 5,6 % der Nettowertschöpfung in der Bundesrepublik Deutschland. Von daher bin ich der Meinung: Wir alle sind aufgerufen, nach Abklärung der aktuellen Situation vertrauensvoll zusammenzuarbeiten. Den Anfang hat am Montag Herr Dr. Kaub gemacht, indem er als Verwaltungsratsvorsitzender uns eingeladen hat. Ich hätte mir gewünscht, der Vorstand hätte dies getan.
Danke.
Kollege Ulrich Schmalz, Sie haben das Wort.
Verehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst die einschränkende Bemerkung: Ich glaube nicht, daß die Vorgänge in New York repräsentativ für die DZT sind.
Ich glaube, daß man sachgerecht hinzufügen muß: Es gibt 25 Auslandsvertretungen. New York ist eine wichtige, aber es ist nur eine. Auch sprachlich darf es nicht heißen: Das ist ein Skandal der DZT.
Ich will ausdrücklich hinzufügen, damit das um der Historie willen klar ist: Wir behandeln hier natürlich personelle Altlasten. Wir spazieren sozusagen durch personelle Altlasten. Ich finde es nicht so ganz fair, wenn man jetzt einem Vorstand, der sich bemüht, mit der Summe der schädlichen Vorgänge fertig zu werden, diese Altlasten anlasten will.
Ich muß gestehen, meine parlamentarische Erfahrung war bisher, daß sich solche komplexen Sach-
und Personaldiskussionen nicht eignen, in einer Aktuellen Stunde behandelt zu werden,
weil Aktuelle Stunden im Regelfall ein Instrument sind, mit denen man eine undifferenzierte Schlagzeile erzielen, mit dem man aber keine Sachaufklärung herbeiführen kann. Ich gebe zu, Herr Minister Rexrodt hat durch klare Entscheidungen, auch durch klare zukunftsweisende Überlegungen beachtlich dazu beigetragen, daß das heute doch eine gute Stunde geworden ist.
Ich bin der Meinung, daß eine generelle Auseinandersetzung
über den Weg und die Struktur der DZT notwendig ist. Denn wir sollten uns darüber im klaren sein: Die Deutschen werden in diesem Jahr, 1995, nach allen Prognosen rund 72 Milliarden DM für Auslandsurlaub ausgeben. Dabei handelt es sich um einen konkreten Kapitaltransfer in viele Länder der Welt. Die Ausländer, die in Deutschland Urlaub machen, geben bei uns etwa 15 Milliarden DM aus - auch das ist eine Prognose -; die Tendenz ist fallend. Das heißt, die Differenz zwischen 72 Milliarden DM und 17 Milliarden DM geht zu Lasten unserer Leistungsbilanz, mit dem Ergebnis, daß wir schon seit längerem mit einer negativen Leistungsbilanz leben müssen.
Ich habe in der Debatte, als es um die Situation des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes, DEHOGA, ging, Sie, Herr Minister Rexrodt, kritisiert.
Ich habe gesagt, daß der Bundeswirtschaftsminister - das bezieht sich nicht nur auf Sie, sondern auch auf alle Ihre Vorgänger - mir zuwenig Aufmerksamkeit für diesen wichtigen Wirtschaftszweig zeigt und daß in den letzten fünf Jahren noch kein Minister an den Ausschußberatungen teilgenommen hat. Heute, in einer halben Stunde, machen Sie einen Anfang. Auch insoweit bedanke ich mich ausdrücklich für die Lernfähigkeit.
- Können Sie wenigstens für eine Minute Ihr fränkisches Temperament zurücknehmen?
Dieser Dienstleistungssektor gehört eben zu den dynamischen Wirtschaftsteilen, in denen immer noch zusätzliche Beschäftigung geschaffen wird. Ich finde, die heutige Debatte kann eine Möglichkeit sein, den Blick nach vorn zu richten. Ich glaube, es macht Sinn, keine Denkverbote auszusprechen. Wir sollten uns in einen Wettbewerb der besseren Ideen begeben. Denn es muß darum gehen, die DZT am Ende dieses Denkprozesses effizienter und schlagkräftiger zu machen.
Wir operieren mit einer Behörde in einem dynamischen Wirtschaftsmarkt. Ich halte das schon vom Ansatz her für nicht sachgerecht. Deshalb war es richtig - es bleibt auch heute richtig -, daß man sich bemüht hat, eine Finanzausweitung zu erreichen.
Ich will einmal kurz darauf hinweisen, wie die Situation in anderen Ländern aussieht. Die dafür zuständigen Boards der anderen Länder machen in wesentlichen Teilen eine gemeinsame Werbung für das Ausland und das Inland. Der Kollege Jung hat sich ja auch schon in dieser Richtung geäußert. In Italien, in Belgien, in den Niederlanden, in Japan, in Schweden, in der Schweiz, in Österreich und in Großbritannien - das sind eigentlich alle wichtigen Aufkommensländer - ist die Werbung für das Ausland und das Inland in einer Hand beim jeweiligen TourismusBoard. Wenn man das einmal genauer untersuchen läßt - es gibt dazu ja Zahlen, die allerdings nicht mehr ganz aktuell sind -, wird man herausbekommen, daß diese Boards in bezug auf das Ergebnis, was sie für ihre Länder an „income" erbringen, erfolgreicher sind als andere.
Ihre Redezeit ist um, verehrter Herr Kollege.
Verehrter Herr Präsident, noch einen allerletzten Satz.
Ich will auf die Mischfinanzierung verweisen. In Italien wird die Tourismuswerbung zu 92 % vom Staat finanziert, in Spanien zu 100 %. Es gibt aber eben auch das Beispiel Belgien mit 78 %, die Niederlande mit 49 %, die Schweiz mit 61 %. Das heißt, die private Wirtschaft beteiligt sich zu einem erheblichen Prozentsatz.
Ich glaube, es macht Sinn, daß wir diese Debatte nicht zum Anlaß für einen Schuß aus der Hüfte nehmen, sondern daß wir am Ende eines Diskussionspro-
Ulrich Schmalz
zesses zu einer neuen DZT mit vernünftigen, neuen Strukturen kommen.
Vielen Dank.
Herr Kollege Haack, wenn ich das so unter uns sagen darf: Ein Mitglied der eigenen Fraktion oder der eigenen Koalition vom Rednerpult aus zu rühmen fällt nicht unter den Begriff „Schleichwerbung".
Ich erteile der Kollegin Brunhilde liber das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Wir haben gerade erlebt, daß die F.D.P. nach allen Seiten offen ist, auch für die Vorschläge der SPD, was uns sehr freut. Ich würde hoffen, daß sie auch für die Vorschläge der Fremdenverkehrsverbände und deren Kritik offen sind.
Die Deutsche Zentrale für Tourismus sieht sich als Dienstleistungsunternehmen der heimischen Tourismuswirtschaft. Dabei setzt sie einen partnerschaftlichen, kooperativen und von Transparenz geprägten Umgang miteinander voraus.
So sieht sich die DZT in ihrem Jahresbericht 1993 selbst. Dieser Anspruch, so haben uns die nach und nach aufgedeckten Skandale der letzten Wochen und Monate gezeigt, ist aber nur ein Zerrbild der Realität.
Heftige Kritik üben vor allem die Fremdenverkehrsverbände in Deutschland an der Arbeitsweise des DZT-Vorstands. So beabsichtigte der DZT-Vorstand beispielsweise, die Allgemeine Deutsche Zimmervermittlung, ADZ, ersatzlos abzuschaffen. Hätten die Fremdenverkehrsverbände nicht sofort Alarm geschlagen, wären mühsam aufgebaute Vertriebswege zerstört und dadurch vor allem das mittelständische Hotel- und Gaststättengewerbe stark geschädigt worden.
Wir haben dies im Ausschuß thematisiert, woraufhin die DZT eine Übergangsfrist bis zur Einführung eines nationalen Reservierungssystems Ende 1997 beschlossen hat.
Überhaupt: Beliebter Gegenstand der Sonntagsreden der Koalition ist der Mittelstand,
deren Fürsprecher zu sein sie gebetsmühlenartig wiederholen.
Welchen Sinn macht dann aber die Mitgliedschaft der TUI, die in erster Linie Out-going-Tourismus betreibt und die man selbst bei bestem Willen nicht mehr als mittelständisches Unternehmen bezeichnen kann? Gleiches gilt für die Lufthansa AG, die Deutsche Bahn AG, die, wie ich höre, ausgetreten sein soll, und zahlreiche andere Großfirmen. Sollte ihre Mitgliedschaft dazu dienen, die DZT von Steuermitteln des Bundes unabhängig zu machen, so ist dies kräftig danebengegangen.
Zugunsten dieses gescheiterten Experiments wurde der Einfluß der Fremdenverkehrsverbände Schritt für Schritt zurückgedrängt. Diese beklagen ohnehin seit langem die Entwicklung, die sich unter dem neuen DZT-Vorstand abzeichnet. Was sollen Aktionen wie die aufwendige Verabschiedung des Leiters der DZT-Zentrale in New York, die der Vorstand als „Courtoisie" bezeichnet - eine „Courtoisie", die mit 30 000 DM zu Buche schlägt -, oder die Powwow-Aktion mit 1 Million DM in Orlando oder Prospekte, die für den amerikanischen Markt in deutscher Sprache gedruckt werden und dann eingestampft werden müssen? Wo bleibt die gern zitierte „Courtoisie" des DZT-Vorstands, der es nicht für nötig hält, einen Brief des Regierungspräsidenten der Oberpfalz, der gleichzeitig Fremdenverkehrsverbandsvorsitzender in Ostbayern ist, zu beantworten? Dieser Brief sei in Frankfurt angeblich nie eingegangen.
Ist dies Unvermögen oder Arroganz?
- Dann wäre es noch schlimmer. - Auf jeden Fall ist dies nicht der „partnerschaftliche, kooperative und von Transparenz geprägte Umgang" mit den Fremdenverkehrsverbänden.
Zwar ist die Zusammenarbeit, liebe Kolleginnen und Kollegen, mit den Fachleuten unterhalb der Vorstandsebene der DZT zufriedenstellend. Die Fremdenverkehrsverbände beklagen sich jedoch über die herablassende Arroganz und mangelnde Sachkenntnis des DZT-Vorstands - wir haben das auch am Montag erlebt -, der es für gewöhnlich nicht für nötig
Brunhilde Irber
befindet, auf Anregungen der praxisorientierten Verbände einzugehen, und dessen Versäumnisse gerade in letzter Zeit dem deutschen Fremdenverkehr mehr schaden als nutzen.
Verehrte Damen und Herren, die Umstrukturierung der DZT muß als gescheitert betrachtet werden.
Ihre Skandale können von uns nicht als verbandsinternes Problem hingenommen werden. Zum einen ist die Wirkung nach außen fatal. Zum anderen - und darauf kann nicht oft genug hingewiesen werden - speist sich die DZT zu mehr als 80 % aus Steuermitteln.
Die Fremdenverkehrsverbände erwarten daher zwar nicht die Zerschlagung der DZT, aber die Ablösung des gegenwärtigen Vorstands und eine Neustrukturierung. Es genügt nicht die Pensionierung des Herrn Geisendörfer. Dem können wir als SPD nur beipflichten.
Wir fordern in diesem Zusammenhang vor allem eine parlamentarische Kontrolle der DZT -
Ihre Redezeit, Frau Kollegin.
- statt der Kontrolle durch Vertreter der Bundesregierung. - Sofort, Herr Präsident.
Bei allem Verständnis dafür, Herr Rexrodt, daß Sie zur Zeit in erster Linie mit Ihrem politischen Überleben beschäftigt sind,
genügt es nicht, sich über die internen Vorgänge der DZT entsetzt zu zeigen. Es ist als für den Fremdenverkehr zuständiger Minister Ihre Pflicht, dafür zu sorgen, daß die der DZT zufließenden Steuergelder effektiv eingesetzt werden.
Jetzt müssen Sie aber Schluß machen!
Das Bundesministerium für Wirtschaft verfährt in Sachen DZT
Bitte, Frau Kollegin!
- wie die drei Affen auf diesem Bild: -
Frau Kollegin, Ihre Redezeit ist beendet!
- nichts hören - jawohl, Herr Präsident -, nichts sehen, nichts sagen. Das ist der Skandal in der Politik Ihrer Fraktion.
In der Aktuellen Stunde beträgt die Redezeit für jeden fünf Minuten. Wenn Sie, Frau Kollegin Irber, Ihre Redezeit um eine ganze Minute überschreiten, so geht das nicht.
Alle haben ein bißchen überzogen. Ich bin zwar nicht sofort eingeschritten, aber ich bitte Sie doch, sich an die Redezeit zu halten. Bringen Sie mich doch bitte nicht immer in diese Schulmeisterrolle.
Das Wort hat der Kollege Klaus Brähmig.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Thema DZT beschäftigt die Öffentlichkeit, da Steuermittel des Bundes in Höhe von 45,3 Millionen DM verwendet werden. Die deutsche Fremdenverkehrsbranche wird nachhaltig beeinträchtigt, da ihr Kooperationspartner für die Auslandswerbung in Bedrängnis kommt. Die Mitarbeiter der DZT werden dadurch wahrlich nicht motiviert.
Dabei will ich gar nicht davon reden, welche Signale die letzten Presseveröffentlichungen im Ausland von den uns bekannten und noch nicht abschließend geklärten sexistischen, rassistischen und antisemitischen Vorwürfen hinterlassen haben.
Leider haben einige Kollegen der Opposition mit ihren Pressemitteilungen aus durchsichtigen Motiven in diese Kerbe geschlagen. Ich rufe Sie auf, wieder auf den sachlichen Boden der unbestritten zum Teil sehr unerfreulichen Vorwürfe und Tatsachen zurückzukehren.
Wir müssen gemeinsam alles unternehmen, um das Urlaubs- und Reiseland Deutschland positiv darzustellen, aber auch für den Kultur-, Wirtschafts- und Innovationsstandort Deutschland in Europa und der Welt zu werben; denn ich bin der Überzeugung, mit der jetzigen Diskussion um die DZT wird es keinem
Klaus Brähmig
gelingen, Finanzmittel in beachtlichen Größenordnungen aus der privaten Wirtschaft für die notwendige Auslandswerbung zu akquirieren. Gespräche unseres Wirtschaftsministers mit der Wirtschaft sind hierbei zu begrüßen.
Der Ausschuß Fremdenverkehr und Tourismus wird am 26. Juni in Frankfurt die Zentrale der DZT aufsuchen. Dort werden wir vor Ort mit dem Vorstand, dem Betriebsrat und dem Verwaltungsrat alle Fragen, die mit der Deutschen Zentrale für Tourismus im Zusammenhang stehen, sachlich erörtern.
Bei den Diskussionen der letzten Wochen und Monate habe ich festgestellt, daß offensichtlich nicht alle Fraktionen den gleichen Wissensstand zum hier diskutierten Themenkomplex hatten. Es stellt sich für mich daher naturgemäß die Frage, ob Informationen über die DZT von Mitarbeitern intern oder extern ganz bewußt an die Kollegen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN weitergeleitet worden sind,
um auf diesem Weg die öffentliche Diskussion in bestimmte Bahnen zu lenken.
Zwei Anmerkungen zur PDS.
- Frau Jelpke, die PDS hat an diesem Meinungsbildungsprozeß auch im Ausschuß nicht teilgenommen. Ich glaube, wer wie Sie fordert, Geld sofort zu streichen, hat von diesen Dingen absolut keine Ahnung.
Ich begrüße daher um so mehr für die CDU/CSU-Fraktion, daß Herr Dr. Kaub in seiner Funktion als Verwaltungsratsvorsitzender der DZT den engen Kontakt mit dem zuständigen Bundestagsausschuß sucht und sich wie wir an einer lückenlosen Aufklärung aller zwischenzeitlich erhobenen Vorwürfe interessiert zeigt.
Als positiv werte ich, daß parallel eine erneute Diskussion zu den Strukturen und Aufgaben der DZT in Gang gekommen ist. Das 93er Gutachten von Roland Berger hat zu meinem Bedauern leider nicht unbedingt dazu beigetragen, neue Visionen für die Herausforderungen der DZT und ihrer Aufgaben Auslandsmarketing zu entwickeln.
Ich denke, wir sollten alle gemeinsam dafür eintreten, daß nun keine neuen kostspieligen Studien und
Gutachten - von wem auch immer - in Auftrag gegeben werden. Vielmehr sollte endlich ein Konzeptrecycling durchgeführt und an die strikte Umsetzung der längst bekannten Sachverhalte herangegangen werden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wo gearbeitet wird, da passieren auch Fehler. Gerade deshalb sollten wir auch einmal die Leistungen der vielen Inlands- und Auslandsmitarbeiter der DZT würdigen, die in Übersee, Europa und Deutschland arbeiten.
Dies gilt in ganz besonderer Weise auch für die neu hinzugekommenen Aufgaben der DZT für die neuen Bundesländer, die seit 1990 als zusätzlicher Markt mit ihren Landschafts- und Kulturräumen und schönen Städten in das Leistungsangebot aufgenommen worden sind.
Wir brauchen Maßnahmen und Projekte, die den Wettbewerbsnachteil der neuen Bundesländer gegenüber den Altbundesländern möglichst schnell aufholen. Gerade am Gesamttouristenaufkommen aus dem Ausland besteht hier noch eine große Diskrepanz.
Positiv muß festgestellt werden, daß für ganz Deutschland gesehen im Januar dieses Jahres die Zahl der ausländischen Gäste um 8 % auf 1,8 Millionen zugenommen hat. Dies ist sicherlich auch auf die gute Arbeit der Auslandsniederlassungen der DZT zurückzuführen. Die Rundumschläge und pauschalen sowie zum Teil unsachlichen Kritiken an der DZT gerade auch von den Kollegen der Opposition - was ich außerordentlich bedaure - treffen letztendlich alle Mitarbeiter der DZT.
Wie bereits angesprochen, plädiere ich mit meinen Kollegen dafür, gemeinsam nach Wegen zu suchen, Synergieeffekte der Auslandswerbung für Deutschland bündeln zu können, um auch hier unserer politischen Verantwortung als Abgeordnete gerecht zu werden. Denkbar wäre eine engere Zusammenarbeit mit den Goethe-Instituten, Inter Nationes, den deutschen Botschaften im Ausland und den Industrie- und Handelskammern.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Emotionen helfen uns bei der Lösung der anstehenden Aufgaben nicht, sondern nur die sachliche Analyse und die Bewahrung eines kühlen Kopfes.
Vielen Dank.
Frau Kollegin Susanne Kastner, Sie haben noch einmal das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
- Herr Kollege Feldmann, Johannes Raus Devise: Versöhnen statt Spalten.
Die Aktuelle Stunde sollte die Zielsetzung haben, die Abblockungstendenzen, die das Wirtschaftsministerium in den vergangenen Monaten an den Tag gelegt hat, in der Ausschußberatung aufzuweichen. Da ich eine Optimistin bin - Herr Kollege Schmalz, auch mit fränkischem Temperament -, stelle ich mit Freude fest, daß dieses fränkische Temperament wenigstens in dieser Aktuellen Stunde dazu beigetragen hat, daß in der Union ein positiver Lerneffekt eingetreten ist. Das ist doch eine schöne Sache.
— Zur F.D.P. und zu Herrn Rexrodt komme ich noch einmal eigens, Herr Feldmann.
Herr Minister Rexrodt, Sie haben zwei Punkte genannt. Sie haben gesagt, Sie wollen hier eine schonungslose Aufklärung betreiben. Dies ist Ihnen - so muß ich bedauerlicherweise feststellen - nicht gelungen.
Das konnten nicht nur die Ausschußmitglieder, also diejenigen, die sich mit dem Thema befaßt haben, sondern auch alle Bürgerinnen und Bürger in dieser Republik in der Zeitung nachlesen. Wenn das für Sie eine Aufklärung war. dann mag das ja auch etwas Positives gewesen sein. Für mich war es nichts Neues. Aber für Ihr Konzept will ich Ihnen an dieser Stelle doch einmal ausdrücklich danken,
weil Sie darin nämlich gesagt haben, es gebe eine Umstrukturierung von seiten des Wirtschaftsministers bei der Vertretung des Verwaltungsrates.
Jetzt möchte ich Ihnen inständig eine Bitte mit auf den Weg geben: Seien Sie so freundlich und nehmen Sie unsere Anregungen auf, die auch von dem Aufsichtsrat, also vom DZT-Verwaltungsrat, offen diskutiert werden sollen, die Parlamentarisierung dieses Verwaltungsrats mit Rechenschaftspflicht gegenüber den einschlägigen Ausschüssen. Das ist eine ganz wichtige Sache.
Nehmen Sie bitte einen zweiten Punkt mit, den Anke Fuchs hier sehr deutlich artikuliert hat: Machen Sie bei der Besetzung des Vorstands saubere,
offene Arbeit. Versuchen Sie nicht, auf irgendwelchen Zeitdruck hin - ich habe nämlich mit Interesse gehört, daß Sie vom Juli 1995 gesprochen haben - Schnellschüsse in diese Richtung zu tätigen, die uns dann eher früher als später wieder einholen; dies ist meine Befürchtung.
Ich sage Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen, ganz offen, daß ich immer, auch im Ausschuß, betont habe, daß dieses Gutachten mit dem für mich sehr verheerenden Inhalt niemals Arbeitsgrundlage der Deutschen Zentrale für Tourismus war. Ich weiß auch, daß die DZT eigene Zielsetzungen für die Werbung für jüdische Emigranten hatte.
Meine Kritik war, daß ein Wirtschaftsministerium Mitte der 80er Jahre dieses Gutachten in Auftrag gegeben hat, es nie gelesen und sich nie für den Inhalt interessiert hat, auch nicht für diesen für mich ohne weiteres antisemitischen und rassistischen Inhalt; Herr Minister, das haben Sie in Ihrer Rede auch bestätigt.
- Herr Kollege Feldmann, aber es ist mit Steuergeldern von seiten des Wirtschaftsministeriums bezahlt worden. Dann muß man sich auch einmal ein bißchen für die Inhalte interessieren.
Ich möchte dem Herrn Minister noch eines mit auf den Weg geben: Nachdem der Herr Staatssekretär und auch der Vertreter des Wirtschaftsministeriums, Herr Geisendörfer, im Ausschuß immer wieder darüber geklagt haben, daß das Wirtschaftsministerium personell unterbesetzt und in Fragen Tourismus nicht handlungsfähig ist - das sagt auch Herr Kolb, der immer wieder darüber geklagt hat, daß er überfordert ist, weil er zu viele Bereiche gleichzeitig betreuen muß; das erste würde ich unterstreichen, das zweite kann ich nicht beurteilen -, würde ich herzlich darum bitten, daß Sie Ihre Organisation im Wirtschaftsministerium den steigenden Wirtschaftszahlen im Tourismus endlich einmal angleichen und im Wirtschaftsministerium eine stärkere Priorität auf den Tourismus legen.
Dem fränkischen Temperament folgt das oberpfälzische. Herr Kollege Simon Wittmann, jetzt haben Sie das Wort.
Herr Präsident! Meine Kolleginnen und Kollegen! Ich
Simon Wittmann
könnte jetzt natürlich - so als Ausputzer am Schluß, ganz fehl am Platz - sagen: Friede, Freude, Eierkuchen, wenn sogar unsere Kollegin Frau Kastner sich in sehr moderatem Ton überwindet, den Bundeswirtschaftsminister zu loben.
- Ich habe natürlich Verständnis, daß Sie ihn persönlich nie loben werden, aber sein Konzept loben.
Aber ein paar Anmerkungen habe ich schon noch: Frau Irber, wenn Sie die stärkere Vertretung der regionalen Fremdenverkehrsverbände in der DZT einfordern und Ihre Arbeitsgruppe gleichzeitig eine GmbH fordert, nach dem Motto, daß derjenige, der Leistung bekommt, diese Leistung auch bezahlen muß, dann frage ich mich: Haben Sie dieses Konzept überhaupt abgestimmt? Da paßt etwas nicht zusammen. Wenn man wirtschaftsnäher, leistungsfähiger sein will, wenn nach Leistung bezahlt wird, dann muß man privatisieren. Dann kann man aber nicht eine detaillierte regionale Berücksichtigung flächendeckend mit spezifischen Interessen z. B. Ostbayerns, wo ich herkomme, hier einbinden.
Ein zweites Thema in der Gesamtdiskussion: Es ist schon schön, wie Sie, Frau Kastner, sachlich geworden sind. Sie haben heute zu Beginn Ihrer Rede zwar gesagt, Sie wollten eine schlagkräftige DZT, aber Sie haben eigentlich auf die DZT draufgeschlagen, um ihr dann wieder hochzuhelfen; Sie haben da viele Pauschalierungen gebracht.
- Natürlich, auf den Vorstand genauso, auf den Wirtschaftsminister - übrigens ein hervorragender Wirtschaftsminister; das muß ich als CSU-Mann neidlos sagen -
und auf die Beamten des Wirtschaftsministeriums. - Aber diese letztlich undifferenzierte Kritik hat doch die DZT in Verruf gebracht. Genau das muß ich hier kritisieren.
Ein weiterer Punkt dazu: Wenn wir jede Verfehlung von Personal - und sei sie noch so schlimm - zum Thema des Deutschen Bundestages machen, dann frage ich mich, wo hier überhaupt eine Rangordnung ist. Dafür ist Arbeitsrecht, dafür ist Strafrecht und dafür sind unsere Gerichte zuständig, aber nicht das Plenum des Deutschen Bundestages.
Frau Kollegin Kastner, Sie haben keine dritte Wortmeldung!
Sie zeigt, nachdem sie heute ein besonderes Lob vom Kollegen Schmalz bekommen hat, gern ihr fränkisches Temperament. Und das ist sehr angenehm; dagegen kann man nichts sagen.
Ich glaube, die Bundesregierung hat gerade heute bewiesen, daß sie handlungsfähig ist. Eine andere Frage ist, ob das gerecht gegenüber den Betroffenen ist.
- Nicht zu spät. Man wollte durch solche Entscheidungen deutlich machen, daß man versucht, verlorengegangenes Vertrauen wiederherzustellen. Eine andere Frage ist, ob die Angriffe gerecht waren oder nicht. Das kann man in der Politik nicht immer abwägen.
Ein letzter Punkt, liebe Kolleginnen und Kollegen. Wir haben die Haushaltssperre für die 4 Millionen DM mitgetragen. Wir werden diese Haushaltssperre sicher auch in den nächsten Monaten aufrechterhalten.
- Das war schon immer meine Meinung. Ich mußte meine Meinung nicht ändern. Jetzt komme ich aber zu einer Sache, bei der Sie sich vielleicht ändern müssen: Nach dem Zeitplan des Bundesrechnungshofs wird vor Jahresende kein Ergebnis vorliegen, außer man kann es noch beschleunigen. Ich bitte zu prüfen, ob wir diese 4 Millionen DM zum Schaden der Fremdenverkehrswerbung bis zum Jahresende sperren sollten. Ich bitte darum, das schon jetzt zu überlegen. Wir müssen versuchen, das zu klären, aber wir müssen auch dafür sorgen, daß der deutsche Fremdenverkehr für die Werbung im Ausland bis zum Jahresende die nötigen Mittel zur Verfügung hat.
Meiner Überzeugung nach wäre diese Debatte in Form einer Aktuellen Stunde nicht nötig gewesen.
Vielleicht führt sie aber zu einer friedlicheren Debatte im Ausschuß.
Simon Wittmann Ich bedanke mich.
Die Aktuelle Stunde ist beendet.
Wir sind damit am Schluß unserer heutigen Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 1. Juni 1995, 9 Uhr ein.
Die Sitzung ist geschlossen.