Gesamtes Protokol
Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 270. Sitzung des Deutschen Bundestages mit der Tagesordnung: Fortsetzung der Beratung der gestrigen Tagesordnung und Erledigung der für heute vorgesehenen Tagesordnung.
Zur heutigen Tagesordnung wünscht das Wort zur Geschäftsordnung Herr Abgeordneter Dr. Hammer. Bitte!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Unter Punkt 9 der Tagesordnung vom Donnerstag finden Sie die erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Regelung von Fragen des Hebammenwesens verzeichnet. Eine Besprechung im Gesundheitspolitischen Ausschuß hat gestern zu der Feststellung geführt, daß über den Inhalt dieses Gesetzentwurfs Einstimmigkeit herrschen wird. Lediglich zwei kleine redaktionelle Änderungen werden vorzunehmen sein. Es besteht die Möglichkeit, das Gesetz hier ohne Aussprache anzunehmen.
Ich beantrage deshalb, auch die zweite und dritte Lesung auf die Tagesordnung zu setzen.
Darf ich fragen, ob das Haus damit einverstanden ist?
— Das ist offenbar der Fall. Dann haben wir zu Punkt 9 die zweite und dritte Beratung auf die Tagesordnung gesetzt.
Ich bitte zunächst den Herrn Schriftführer, die Namen der entschuldigten Abgeordneten bekanntzugeben.
Der Präsident hat Urlaub erteilt für zwei Tage den Abgeordneten Dr. Semler, Höhne, Dr. Handschumacher, Rische, Reimann, Agatz, Harig und Fisch.
Entschuldigt fehlen die Abgeordneten Gibbert, Frau Thiele, Paul , Dr. Koch, Frau Dietz, Dr. Henle, Dr. Atzenroth, Seuffert, Berlin, Dr. Wuermeling, Dr. Königswarter und Dr. Luchtenberg.
Ich danke vielmals.
Meine Damen und Herren, ich habe folgende Frage: Haben Sie Bedenken dagegen, daß wir mit Rücksicht auf die Herren Berichterstatter, die zum Teil vom Bundesrat gestellt werden, die vorgesehenen mündlichen Berichte des Vermittlungsausschusses — jedenfalls den Bericht zu Punkt 1 der Tagesordnung — vorwegnehmen, ehe wir in die Beratung des Arbeitsgerichtsgesetzes wieder eintreten? — Das ist nicht der Fall.
Dann darf ich zunächst Punkt 1 der Tagesordnung aufrufen:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses nach Art. 77 des Grundgesetzes zu dem Entwurf eines Gesetzes zur Änderung steuerlicher Vorschriften und zur Sicherung der Haushaltsführung (Nrn. 4406, 4092, 4294, 4386 der Drucksachen).
Berichterstatter ist Herr Minister Dr. Frank. — Darf ich Sie bitten, das Wort zu nehmen.
Dr. Frank, Finanzminister des Landes Baden-Württemberg, Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das vom Bundestag am 6. Mai 1953 verabschiedete Gesetz zur Änderung steuerlicher Vorschriften und zur Sicherung der Haushaltsführung bedarf nach Art. 106 Abs. 3 des Grundgesetzes der Zustimmung des Bundesrates wegen seines Zweiten Teils, in dem die Inanspruchnahme eines Teils der Einkommen- und Körperschaftsteuer durch den Bund geregelt ist.
In seiner Sitzung vom 22. Mai 1953 hat der Bundesrat diesem Teil der Gesetzesvorlage seine Zustimmung nicht gegeben, vielmehr beschlossen, den Vermittlungsausschuß anzurufen, und zwar mit folgendem Ziel: erstens die Vorlage in zwei Teile aufzuspalten und aus dem Ersten und Zweiten Teil je ein selbständiges Gesetz zu machen, zweitens den an den Bund abzuführenden Beteiligungsprozentsatz in den Rechnungsjahren 1953 und 1954 von 40 auf 37 % herabzusetzen, drittens die Plafondbestimmungen des § 1 Abs. 2 im Zweiten Teil des Gesetzes zu streichen und viertens im Gesetz eine Garantiebestimmung zu verankern, die jedem Land in den Rechnungsjahren 1953 und 1954 100 °/o des im Rechnungsjahr 1952 verbliebenen Anteils an der Einkommen- und Körperschaftsteuer sichert. Dem ersten Teil des Gesetzes, dem Gesetz zur Änderung steuerlicher Vorschriften, der sogenannten kleinen Steuerreform, hat der Bundesrat trotz mancher Bedenken im einzelnen zugestimmt und ihn außerdem auch hinsichtlich des Inkrafttretens der Tarifsenkung am 1. Juni 1953 zur alsbaldigen Annahme empfohlen.
Bereits am 1. Juni dieses Jahres ist der Vermittlungsausschuß zur Beratung zusammengetreten. Seine Arbeit, die im Gegensatz zu den Verhandlungen im Jahre 1951 und vor allem auch zu dem andauernden Ringen im Jahre 1952 um den Bundesanteil an der Einkommen- und Körperschaftsteuer schon in einer einzigen Sitzung zum Ergebnis führte, stand für alle Teilnehmer der Sitzung im Zeichen der von der Öffentlichkeit sehnsüchtig
erwarteten kleinen Steuerreform, obwohl diese selbst entsprechend dem Beschluß des Bundesrats außerhalb aller Diskussion blieb. Sie sollte — darüber waren sich alle Mitglieder des Bundestags und Bundesrats im Vermittlungsausschuß von vornherein einig — hinsichtlich des Zeitpunkts des Inkrafttretens durch die Beratungen des Vermittlungsausschusses nicht verzögert werden. Die Steuerreform — das kann wohl gesagt werden — hat die Arbeit des Vermittlungsausschusses in ihrem Tempo beflügelt, was ich bei Ihrer heutigen Entschließung mit zu bedenken bitte; sie ließ eine Vertagung der Entscheidung praktisch nicht zu, was sich sicher auch auf die Kompromißbereitschaft aller Mitglieder des Vermittlungsausschusses förderlich ausgewirkt hat.
Im Mittelpunkt der Erörterungen des Vermittlungsausschusses stand naturgemäß die Haushaltslage des Bundes und die Haushaltslage der Länder. Bezüglich des Bundeshaushalts war die Frage zu beantworten: Sind 40 % unbedingt notwendig, d. h. steht und fällt der Bundeshaushalt mit einem Anteil von 40 %, oder ist die Haushaltsführung auch nach einem Abstrich von einigen Prozentsätzen noch gesichert? — Die Haushaltslage der Länder erforderte dagegen eine Antwort auf die Frage: Ist ein Bundesanteil von 37 °/o die äußerst zumutbare Belastung, insbesondere auch mit Rücksicht auf d .e leistungsschwächeren Länder, oder läßt die Lage der Länderhaushalte ohne größere Schwierigkeiten für ihr Gleichgewicht noch eine weitere Einengung des Aufkommens aus der Einkommen- und Körperschaftsteuer zugunsten des Bundesanteils zu?
Der Herr Bundesminister der Finanzen hat zur Haushaltslage des Bundes ausgeführt, daß eine Verschlechterung von 3 % aus der Einkommen- und Körperschaftsteuer — das sind rund 330 Millionen DM -- angesichts des bereits erheblichen Fehlbetrages des Bundes nicht verantwortet werden könne. Der Bundeshaushaltsplan für das Rechnungsjahr 1953 gehe von einem Bundesanteil von 40 % aus. Werde dieser herabgesetzt, so müsse ein Ausgleich gefunden werden. Es sei aber nicht ersichtlich, welche Deckungsmöglichkeiten im gegenwärtigen Augenblick ausfindig gemacht werden könnten. Der Beschluß über die Inanspruchnahme der Einkommen- und Körperschaftsteuer dürfe im Hinblick auf die erforderliche Zustimmung des Bundesrats nicht zu einer willkürlichen Entscheidung führen; vielmehr müsse den berechtigten Forderungen des Bundes voll Rechnung getragen werden. Von seiten des Herrn Bundesfinanzministers wurde weiter darauf hingewiesen, daß die Notwendigkeit eines vierzigprozentigen Bundesanteils an der Einkommen- und Körperschaftsteuer sich aus der Zwangsläufigkeit der Bundesausgaben, also aus dem bekannten starren Verhältnis von 80 % für Sozialausgaben und Besatzungskosten zu 20 % vorwiegend disponiblen Ausgaben, ergebe. Der Herr Bundesfinanzminister hat weiter auf die bedeutenden Mittel für Berlin, für den Wohnungsbau und für wirtschaftliche Subventionen hingewiesen. Er hat das Argument der Länder, daß der Bund nach der Regierungsvorlage selbst einen Bundesanteil von 38,15 % an Stelle von ursprünglich 44 % Prozent für tragbar gehalten habe, während 200 Millionen DM an die Länder als Bundeszuschüsse zur Deckung von Ausgaben auf dem Gebiet des Schulwesens gewährt werden sollten, mit dem Hinweis beantwortet, daß diese Zuschüsse bei den Ländern selbst keine Gegenliebe gefunden hätten. Ebensowenig hätten sich die Länder an seinem Vorschlag interessiert gezeigt, an den Lasten für die Sowjetzonenflüchtlinge mitzutragen.
Soweit im wesentlichen die Gesichtspunkte, die von seiten der Bundesregierung vorgetragen worden sind.
Was nun den Einnahmeausfall von über 300 Millionen DM, von der Länderseite her betrachtet, anlangt, so wurde von den Ländervertretern hervorgehoben, daß dieser Betrag bei dem Gesamtvolumen des Bundeshaushalts nicht von ausschlaggebender Bedeutung sein könne. Es müsse möglich sein, bei einem Gesamtbetrag von 24 Milliarden DM und bei dem Schwergewicht der Haushaltswirtschaft in der Bundesrepublik eine Möglichkeit eines anderweitigen Ausgleichs mindestens im Laufe des Rechnungsjahrs zu finden. Soweit aber die Begründung auf die spezielle Mehrbelastung wegen des Einstroms der Sowjetzonenflüchtlinge abgestellt ist, wurde von den Vertretern der Länder dargetan, daß zu einem Zeitpunkt, zu dem das Problem der Sowjetzonenflüchtlinge und seine finanziellen Auswirkungen bereits bekannt und übersehbar gewesen seien, eine Inanspruchnahme von nur 38,15 % der Einkommensteuer vom Bundesfinanzministerium für tragbar gehalten wurde. Im übrigen bezahlt der Bund ja nicht den vollen Aufwand. Die Länder sind vielmehr durch die Interessenquote von 15 % an der Kriegsfolgenhilfe auch am Aufwand für diese Flüchtlinge mit 15 % beteiligt. Die Vertreter des Bundesrats im Vermittlungsausschuß haben weiterhin ausgeführt, ohne daß die Richtigkeit dieser Ausführungen bestritten worden ist, daß über diese Beteiligung hinaus den Ländern aus dieser Flüchtlingshilfe laufend weitere Kosten erheblichen Umfangs erwachsen würden.
Zur Haushaltslage der Länder wurde im Vermittlungsausschuß besonders betont, daß nicht nur der Bundeshaushalt durch eine im wesentlichen unelastische Ausgabengestaltung gekennzeichnet sei; dasselbe treffe im Unterschied zur Situation der früheren Jahre heute auch für die Länderhaushalte zu. Es mag wohl stimmen, daß der bewegliche Teil der Ausgaben etwas größer ist als beim Bundeshaushalt. Es kann jedoch nicht bestritten werden, daß die disponible Finanzmasse von Jahr zu Jahr immer mehr einschrumpft. Der traditionelle Rahmen der Länderhaushalte — das haben alle Sprecher des Bundesrats betont — ist durch die Entwicklung nach dem Zusammenbruch, insbesondere durch den Bevölkerungszuwachs von innen und außen, gesprengt worden. Dieser enorme Bevölkerungsdruck, so wurde im Vermittlungsausschuß unterstrichen, nimmt täglich zu. Er erfordert gebieterisch und unabweisbar neue Schulen, neue Krankenhäuser, neue Wohnungen und nicht zuletzt — eine Lebensfrage für unser Volk — einen großzügigen, auf lange Sicht geplanten Ausbau der Wasserversorgung neben vielen anderen lebensnotwendigen Einrichtungen der Gemeinden, der Kreise und der Länder. Diesen elementaren Forderungen der Daseinsfürsorge zu einem Zeitpunkt, in dem die öffentlichen Kriegsschäden von Land und Gemeinden noch nicht einmal beseitigt sind, können sich die Länder nicht entziehen. Hierzu kommt noch als Sonderbelastung gegenüber früher der gesteigerte Personalaufwand für Beamte, Angestellte und Arbeiter, da das Schwergewicht der Verwaltung nun einmal nach dem Grundgesetz bei den Ländern liegt.
Aus dieser Erkentnis ihrer Haushaltslage haben die Vertreter der Länder im Vermittlungsausschuß die Auffassung vertreten, daß sie einer weiteren Belastung über 37 % hinaus nicht gewachsen seien. Es müsse daher ein Bundesanteil von 37 % wie in den früheren Jahren gesetzlich verankert werden, da sich sonst die Haushaltslage einer Anzahl Länder noch weiter defizitär entwickeln werde.
In der Sitzung des Vermittlungsausschusses übergab der Herr Bundesminister der Finanzen eine Übersicht über den Haushaltsabschluß der Länder seit dem Rechnungsjahr 1950 mit einem vorläufigen Ergebnis für 1952 ohne Auslauf, um damit ihre gegenüber dem Bund günstigere Lage zu beweisen. Aus dieser Übersicht ergibt sich für 1952 nach dem Stand vom 31. März 1953 — also ein Abschluß ohne Auslauf — ein Überschuß der Isteinnahmen über die Istausgaben in Höhe von 909 Millionen DM. Diese Berechnung fußt zwar auf Angaben der Länder über ihre Isteinnahmen und Istausgaben. Die Vertreter des Bundesfinanzministeriums mußten aber selbst einschränkend darauf aufmerksam machen, daß sich der Überschuß im Auslauf des Rechnungsjahrs 1952 noch um schätzungsweise 500 Millionen DM verringern würde.
Da dieser Betrag in der öffentlichen Diskussion in den verflossenen Wochen eine große Rolle gespielt hat, hat er auch, im Vermittlungsausschuß seine Kritiker gefunden. So wird z. B. in der Übersicht des Bundesfinanzministeriums für Baden-Württemberg ein Überschuß von 155 Millionen DM ausgewiesen, während der am 11. Mai 1953 verabschiedete Haushaltsplan für das Rechnungsjahr 1952 mit einem rechnungsmäßigen Fehlbetrag von 195 Millionen abschließt. Dagegen wird für Nordrhein-Westfalen ein Überschuß von 693,6 Millionen — das sind 75 °/o des Gesamtüberschusses, den angeblich die Länder haben — errechnet. Schon aus diesem hohen Anteil des Landes Nordrhein-Westfalen ist ersichtlich, daß der Gesamtbetrag von 500 Millionen — allgemein als Länderhaushaltsüberschuß gekennzeichnet — kein zutreffendes Bild der wirklichen Lage gibt. Auch für das Land Hessen wird ein Überschuß ausgewiesen, während der Haushalt mit einem Fehlbetrag abschließt.
Es wurde daher im Vermittlungsausschuß gesagt, daß die Aufstellung nicht der tatsächlichen Haushaltslage entsprechen kann. Vielmehr beweisen diese Beispiele überzeugend, daß das schematische Bild der Ländergesamtheit auf Grund dieser Übersicht, die dem Vermittlungsausschuß vorlag, nicht mit dem Mosaikbild der Länderhaushalte übereinstimmt, wie es sich nach dem tatsächlichen Abschluß in den Ländern selbst ergibt.
Die Aussprache im Vermittlungsausschuß zu dieser wichtigen Seite der weiteren Belastungsmöglichkeit der Länder ergab im Hinblick auf § 75 der Reichshaushaltsordnung, daß sich der rechnungsmäßige Überschuß oder Fehlbetrag nicht nur nach den Istmehreinnahmen oder Istmehrausgaben, sondern nach den weiteren Einnahmen- und Ausgabenresten der folgenden Zeit richtig ermittelt und daß diese hinzuzurechnen bzw. abzusetzen sind. Es liegt also nicht im freien Ermessen der Länder, wie in diesem Zusammenhang schon gelegentlich zu hören war, ob sie diese Reste heimfallen lassen oder übertragen wollen.
Herr Minister, darf ich die freundliche Bitte aussprechen, daß in der Berichterstattung doch vielleicht etwas stärker der Charakter des Berichts und etwas weniger stark der Charakter der Polemik sichtbar wird? Es gibt nämlich sonst die Notwendigkeit zu einer Diskussion, die nach der Geschäftsordnung bei Vermittlungsausschußberichten nicht stattzufinden hat.
Dr. Frank, Finanzminister des Landes Baden-Württemberg, Berichterstatter: Ich werde das gern berücksichtigen. — Zwei Sonderbestimmungen der Ausgleichsregelung müssen aus dem Gange der Beratungen des Vermittlungsausschusses noch hervorgehoben werden: die sogenannte Garantieklausel, die vom Bundesrat gefordert wird und jedem Land 100 % seiner ihm verbleibenden Vorjahrseinnahmen aus der Einkommen- und Körperschaftsteuer gewährleisten soll, und die sogenannten Plafondbestimmungen des § 1 Abs. 2 des zweiten Teils des Gesetzentwurfs, nach denen der Bundesanteil von 40 auf 80 % verdoppelt werden soll bezüglich der Mehreinnahmen von 950 Millionen, die den Plafond von 10,9 Milliarden übersteigen.
Gegen diese Garantiebestimmung hat die Bundesregierung erhebliche Bedenken geltend gemacht, die im Vermittlungsausschuß auch Anerkennung fanden. Die Garantie bewirkt automatisch den Ersatz des Steuerausfalls, den einige Länder auf Grund des Zerlegungsgesetzes erleiden; ein Ergebnis, das der mit diesem Gesetz angestrebten sachgerechten Steuerverteilung unter den Ländern widerspricht. Dieser Einwand wurde, wie ich bereits betont habe, im Vermittlungsausschuß durchaus anerkannt. Auf der anderen Seite aber wurde im Vermittlungsausschuß hervorgehoben, daß die sogenannte Plafondbestimmung wegfallen müsse, weil die Entwicklung der Einnahmen aus der Einkommen- und Körperschaftsteuer in den folgenden beiden Haushaltsjahren noch nicht in vollem Umfang zu übersehen sei. Vertritt man nämlich die Auffassung, daß die Garantieklausel in der vertikalen Finanzausgleichsregelung für 1953 keinen Platz mehr haben kann, dann muß auch die Plafondbestimmung fallen, d. h. auch das Mehraufkommen darf dann nicht überwiegend dem Bund zugute kommen, wenn der Plafond von 10,9 Milliarden DM überschritten wird.
Nachdem der Vermittlungsausschuß alle diese soeben dargelegten Gesichtspunkte erörtert hatte, haben die Vertreter der Länder einen Vorschlag unterbreitet, der dann im wesentlichen von der Mehrheit des Ausschusses auch angenommen wurde. In erster Linie wurde festgelegt, daß ab 1. Juni 1953 in den Rechnungsjahren 1953 38% der Einnahmen aus der Einkommen- und Körperschaftsteuer an den Bund fließen sollen. In der weiteren Diskussion wurde der Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses erhöhten Bundesanteils auf den 1. April 1953 festgelegt und zugleich die Gesamtregelung auf 1953 beschränkt. Der zweite Gesichtspunkt des Vermittlungsvorschlages geht dahin, die Garantieklausel von diesem Zeitpunkt an fallenzulassen. Drittens wird vorgeschlagen, auch die Plafondbestimmung des § 1 Abs. 2 des Zweiten Teils wegfallen zu lassen, und schließlich wird noch einmal hervorgehoben, daß das Gesetz, soweit es die Kleine Steuerreform umfaßt, am 1. Juni 1953 in Kraft treten soll.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, dieser Beschluß, den Sie auf der Bundestagsdrucksache Nr. 4406 verzeichnet finden, hat die Zustimmung der großen Mehrheit des Vermittlungsausschusses gefunden. Nur zwei Länder, die der Überzeugung waren, daß die Garantieklausel beibehalten werden sollte, konnten sich dieser Auffassung zunächst nicht anschließen.
Zum Abschluß meiner Darlegungen darf ich darauf hinweisen, daß der Vermittlungsvorschlag ein einheitlicher Vorschlag ist und daß nach Auffassung des Vermittlungsausschusses über ihn als Ganzes sowohl im Bundestag wie im Bundesrat, abgestimmt werden sollte. Namens des Vermittlungsausschusses bitte ich das Hohe Haus, der in Bundestagsdrucksache Nr. 4406 vorliegenden neuen Fassung des Zweiten Teils des Gesetzentwurfs seine Zustimmung zu geben.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Wird gewünscht, daß Erklärungen abgegeben werden? — Herr Abgeordneter Renner!
Herr Präsident! Meine Damen Herren! Zu dem Bericht des Vermittlungsausschusses über den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung steuerlicher Vorschriften und zur Sicherung der Haushaltsführung, Drucksache Nr. 4406, gebe ich im Namen der Bundestagsfraktion der Kommunistischen Partei Deutschlands
folgende Erklärung ab.
Die Bundestagsfraktion der KPD
verurteilt aufs schärfste, daß der Bundesrat vor der massiven, verfassungswidrigen Drohung des Herrn Bundesfinanzministers Schäffer, die von ihm fälschlich als freiwillig bezeichneten Zuwendungen an die Länder zu sperren, zurückgewichen ist und einer Erhöhung des Bundesanteils an der Einkommen- und Körperschaftsteuer von 37 auf 38 y. H. zugestimmt hat. Die Bundestagsfraktion der KPD
stellt vor aller Öffentlichkeit fest, daß damit auch die sozialdemokratischen Minister im Bundesrat dieser Erhöhung ihre Zustimmung gegeben haben, die der Schäfferschen Kriegskasse
eine Mehreinnahme von mindestens 120 Millionen DM pro Jahr einbringt. Die Zustimmung der sozialdemokratischen Minister im Bundesrat zu der Erhöhung des Bundesanteils kann nicht ohne ausdrückliche Billigung des Parteivorstandes der SPD und seiner Vorsitzenden, der Herren Bundestagsabgeordneten Ollenhauer und Mellies, erfolgt sein, die hier im Bundestag bei der dritten Beratung des Gesetzentwurfs am 6. Mai 1953 noch eine scheinoppositionelle Erklärung gegen die beantragte Erhöhung abgegeben haben und den Gesetzentwurf ablehnen ließen.
Wir Kommunisten weisen noch einmal mit allem Nachdruck darauf hin, daß die Erhöhung des Bundesanteils an der Einkommen- und Körperschaftsteuer vor dem deutschen Volk nicht verantwortet werden kann. Nach allen bisherigen Erfahrungen werden die Länderfinanzminister, auch die sozialdemokratischen, diese neuerliche Erhöhung wiederum benutzen, um die Landesausgaben für soziale und kulturelle Aufgaben zu kürzen. Sie werden zum anderen unter Berufung auf den Einnahmerückgang der Länder die Finanzzuweisungen an die Kreise und an die Gemeinden entsprechend kürzen. Auf diese Weise werden die Kreise und Gemeinden erneut veranlaßt, den ihnen entstehenden Einnahmeausfall zu ersetzen in der Form der Erhöhung der kommunalen Gebühren für Gas, Wasser, Strom, der Tarife der Verkehrseinrichtungen und der übrigen kommunalen Abgaben. Die Gemeinden werden dazu übergehen, in verstärktem Ausmaß die Ausgaben für soziale und kulturelle Zwecke, insbesondere für den sozialen Wohnungsbau und die Erneuerung des zerstörten Schulraumes, zu senken. Die Gemeinden werden weiterhin die längst fällige Erhöhung der kommunalen Wohlfahrtsrichtsätze ablehnen.
Die Auswirkungen der Schäfferschen Finanzpolitik zur Finanzierung der Wiederaufrüstung und der Kriegsvorbereitung müssen also im Endeffekt von den Bürgern in der Gemeinde getragen werden. Die Lasten werden einmal mehr auf die sozial Schwächsten abgewälzt. Trotzdem wird das im Haushalt bestehende Defizit, das im Haushaltsjahr 1951/52 1,3 Milliarden betrug und das im laufenden Geschäftsjahr nach dem Eingeständnis des Bundesfinanzministers Schäffer noch höher werden wird, nicht ausgeglichen.
Wenn durch Vierer-Besprechungen und durch Verständigung von Ost und West, durch Verständigung vor allem der Deutschen untereinander,
ein Friedensvertrag geschlossen würde und der Abzug der Besatzungsmächte erfolgte, wie die Sowjetunion es vorschlägt und wie die Adenauer/ Schäffer es mit allen Mitteln zu verhindern suchen, wenn Schluß gemacht würde mit der volksverderblichen Politik der Wiederaufrüstung und der Kriegsvorbereitung,
dann würde sich das Defizit im Haushaltsplan in einen Überschuß verwandeln. Es könnten weitere Steuersenkungen durchgeführt werden, und in friedlicher Arbeit könnten die großen sozialen und kulturellen Aufgaben, die infolge der Adenauerschen Generalvertragspolitik ungelöst bleiben
und die unlösbar sind, solange das Adenauerregime an der Macht ist, gelöst werden.
Aus all diesen Gründen versagt die Bundestagsfraktion der KPD
dem Vorschlag des Vermittlungsausschusses auf
Erhöhung des Bundesanteils an der Einkommen-
und Körperschaftsteuer von 37 auf 38 v. H. ihre
Zustimmung. Wir lehnen den Antrag entschieden ab.
Meine Damen und Herren, zur Abgabe weiterer Erklärungen wird das Wort nicht gewünscht, wobei die Frage, was eine Erklärung und was ein Diskussionsbeitrag ist, immer problematischer wird.
Ich komme zur Abstimmung über den Antrag des Vermittlungsausschusses, den der Herr Berichterstatter Ihnen vorgetragen hat, Drucksache Nr. 4406. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag des Vermittlungsausschusses in seiner Gesamtheit zuzustimmen wünschen, eine Hand zu er-
heben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Das erste war die Mehrheit; der Antrag des Vermittlungsausschusses ist angenommen.
Die Berichterstatter zu den Punkten 2 und 3 sind noch nicht anwesend. — Der Berichterstatter zu Punkt 3, Herr Senator Neuenkirch, ist, wie ich eben sehe, anwesend. Dürfen wir auch diesen Punkt vorziehen?
Dann rufe ich auf:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes zu dem Entwurf eines Gesetzes über die Anrechnung von Renten in der Arbeitslosenfürsorge (Nrn. 4408, 3837, 3845, 4166, 4330 der Drucksachen).
Berichterstatter: Senator Neuenkirch . Bitte, Herr Senator!
Neuenkirch, Senator von Hamburg, Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Deutsche Bundesrat hat wegen des vom Bundestag beschlossenen Gesetzes über die Anrechnung von Renten in der Arbeitslosenfürsorge den Vermittlungsausschuß angerufen. Der Bundesrat beantragte eine Ausdehnung des Gesetzes, das eine Freistellung der Grundrenten von Kriegsbeschädigten in der Arbeitslosenfürsorge vorsieht, auch auf die Bezieher von Unfallrenten und die Verletztenrenten der Opfer des Nationalsozialismus. Der Bundesrat war der Meinung, daß bei allen drei Personengruppen ein vergleichbarer Tatbestand vorliegt und daß die ihnen gewährten Renten in gleicher Weise einen Teil enthalten, der nicht nur sozialwirtschaftlichen Fürsorgevorstellungen oder Versorgungsgedanken entspricht, sondern auch die Abgeltung für eine körperliche Belastung, zu der man sich aus Gedanken der Haftung des Staates oder der Wirtschaft in den berufsgenossenschaftlichen Unfallrenten verstehen müßte. Infolgedessen hat der Bundesrat beantragt, daß der Vermittlungsausschuß eine Ergänzung des Gesetzes vornehmen und den Beziehern von Unfallrenten und den Beziehern von Verletztenrenten die gleichen Freibeträge zugestehen möge, wie sie die Grundrente für die Kriegsbeschädigten darstellt.
Der Vermittlungsausschuß ist dem Antrag des Bundesrats nicht in vollem Umfang gefolgt. Er hat anerkannt, daß man unbedingt eine Vergleichbarkeit zwischen Kriegsbeschädigungen und denjenigen Körperbeschädigungen anerkennen müsse, die die Folge von Verfolgungsmaßnahmen unter der nationalsozialistischen Herrschaft darstellten. Deshalb empfiehlt Ihnen der Vermittlungsausschuß die Ergänzung des Gesetzes in § 1 durch einen Abs. 2, der den Opfern nationalsozialistischer Verfolgung die gleichen Freibeträge wie Kriegsbeschädigten zusprechen soll. Der Vermitlungsausschuß ist in bezug auf die Einbeziehung der Unfallrentner dem Antrag des Bundesrats nicht gefolgt, weil vom Herrn Bundesarbeitsminister in Übereinstimmung mit der Mehrheit des Ausschusses die Auffassung vertreten wurde, man solle eine Entscheidung in dieser Frage zurückstellen, bis über die Beziehungen zwischen den Versicherungsträgern der Sozialversicherung eine Klärung und eine vielleicht in verschiedenen Punkten notwendige gesetzliche Neuregelung erfolgt ist.
Ich darf Sie namens des Vermittlungsausschusses bitten, der Ihnen in der Drucksache Nr. 4408 vorliegenden Änderung des vom Bundestag beschlossenen Gesetzes über die Anrechnung von Renten in der Arbeitslosenfürsorge zuzustimmen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Wird das Wort zu einer Erklärung gewünscht? —Herr Abgeordneter Renner mit dem ausdrücklichen Hinweis auf den Charakter einer Erklärung.
— Wir werden uns sicherlich einig werden, Herr Abgeordneter. Aber Erklärungen — —
— Ja, Sie lesen die anderen Diskussionsbeiträge ja auch meistens vor. Bitte schön, Herr Abgeordneter!
Ohne mich der Gefahr eines Ordnungsrufs auszusetzen, darf ich auf diese Feststellung nicht antworten. Wenn ich sie beantwortete, müßte ich sagen: woher nimmt der Herr Präsident bei mir den Mut zu einer derartigen Feststellung?
Nun zur Sache! Die Bundestagsfraktion der Kommunistischen Partei Deutschlands
hält ihre bereits anläßlich der zweiten und dritten Beratung des Gesetzes über die Anrechnung von Renten in der Arbeitslosenfürsorge am 16. April 1953 vertretene Auffassung aufrecht, daß Renten aus dem Bundesversorgungsgesetz, aus der Sozialversicherung, insbesondere der Unfallversicherung, sowie Renten, welche Opfern des nationalsozialistischen Terrors wegen einer durch die Verfolgung erlittenen Gesundheitsschädigung gewährt werden, nicht als Einkommen bei der Bewilligung der Arbeitslosenfürsorgeunterstützung angerechnet werden dürfen. Diese Renten sind nichts anderes als ein Ersatz, ein völlig unzureichender Ersatz für die Auswirkungen der erlittenen Beschädigung. Sie sollten ein Ersatz für die Mehraufwendungen geldlicher Natur und die Belastungen körperlicher und psychischer Natur sein, die dem Beschädigten auf Grund seiner Beschädigung entstanden sind. Deshalb sind wir Kommunisten der Auffassung, daß diese Renten in voller Höhe außer Ansatz bleiben müssen bei der Bewilligung der Arbeitslosenfürsorgeunterstützung. Die Freigabe dieser Renten nur in der Höhe der Grundrente, die in der Kriegsopferversorgung bei gleicher Minderung der Erwerbsfähigkeit gewährt wird, ist unverantwortbar.
Wir sind aus diesen grundsätzlichen Erwägungen heraus nicht in der Lage, dem Vorschlag des Vermittlungsausschusses unsere Zustimmung zu geben. Wir werden uns vielmehr der Stimme enthalten.
Weitere Erklärungen werden nicht gewünscht. — Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag des Vermittlungsauschusses auf Drucksache Nr. 4408 zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Danke schön. Bei Enthaltungen der kommunistischen Gruppe ist dieser Antrag des Vermittlungsausschusses einstimmig angenommen worden.
Der Berichterstatter zu Punkt 2 der heutigen Tagesordnung ist noch nicht anwesend. Herr Senator Klein steht erst um 14 Uhr 30 zur Verfügung.
Ich kehre also zunächst zur gestrigen Tagesordnung zurück.
Meine Damen und Herren, ich habe Ihnen leider eine Korrektur des Ergebnisses der namentlichen Abstimmung*) — das „leider" bezieht sich selbstverständlich nur auf die Tatsache, daß es immer bedauerlich ist, wenn infolge von Irrtümern eine Abstimmung in ihrem Ergebnis korrigiert werden muß — zu dem Antrag Umdruck Nr. 938 Ziffer 4, der zum Dritten Strafrechtsänderungsgesetz gestellt war, vorzutragen. Die Überprüfung der Auszählung, bei der gestern bekanngegeben wurde, daß dieser Antrag mit 169 gegen 167 Stimmen bei 9 Enthaltungen angenommen worden sei, hauergeben, daß eine Ja-Stimme, da sie doppelt vorhanden war, ungültig ist und eine Nein-Stimme nicht gezählt wurde, so daß das endgültige Ergebnis ist, daß 168 Ja-Stimmen und 168 Nein-Stimmen bei 9 Enthaltungen festzustellen sind. Der Antrag ist damit abgelehnt. Ich habe mich darüber vergewissert — wir können uns also geschäftsordnungsmäßige Auseinandersetzungen darüber sparen —, daß eine Wiederholung der Schlußabstimmung trotz dieses Ergebnisses nicht erforderlich erscheint. Ich darf dann zur Kenntnis geben, daß sich insofern der Inhalt des Dritten Srafrechtsänderungsgesetzes verändert.
Zur Geschäftsordnung Herr Abgeordneter Ewers. — Meine Damen und Herren, Herr Abgeordneter Ewers macht mich darauf aufmerksam — was bereits aufgefallen und Ihnen auch zweifellos in Erinnnerung sein wird —, daß gestern zur dritten Beratung des Strafrechtsänderungsgesetzes von den Fraktionen der CDU/CSU, FDP und DP ein Entschließungsantrag, Umdruck Nr. 942, gestellt worden ist, der sich mit dem gleichen Objekt befaßt wie der jetzt abgelehnte Änderungsantrag. Ich lese ihn zweckmäßigerweise noch einmal vor, weil ich nicht unterstellen kann, daß Sie alle die Drucksache in der Hand haben. Der Antrag hieß:
Die Bundesregierung wird ersucht, im Benehmen mit den Ländern die Frage der Immunität der Landtagsabgeordneten in ihrer Wirkung gegenüber den Gerichten und Behörden des Bundes und der Länder zu prüfen und, soweit ein Bundesgesetz notwendig erscheint, dieses vorzubereiten.
Dieser Antrag ist gestern nicht zur Abstimmung gekommen, da er durch den angenommenen Antrag der Fraktion der SPD sachlich erledigt war.
Ich komme jetzt, da sich das Ergebnis geändert hat, zur Abstimmung über diesen Entschließungsantrag. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag auf Umdruck Nr. 942 zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. — Das ist die überwiegende Mehrheit des Hauses; der Entschließungsantrag ist angenommen. Damit ist die Beratung des Dritten Strafrechtsänderungsgesetzes erledigt.
Wir fahren fort in der
Zweiten Beratung des Entwurfs eines Arbeitsgerichtsgesetzes ;
Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Arbeit (Nr. 4372 der Drucksachen; Anträge Umdrucke Nrn. 948, 951, 952, 953, 962).
*) Vgl. 269. Sitzung, Seiten 13276C, 13302.
Wir waren gestern bis zur Abstimmung über den Änderungsantrag der Abgeordneten Dr. Laforet, Dr. Wahl und Genossen, Umdruck Nr. 953 Ziffer 4, betreffend Neufassung des § 18 gediehen. Ich gebe Ihnen das Ergebnis der namentlichen Abstimmung*) bekannt. Für den Antrag haben 115 Abgeordnete gestimmt, dagegen 188 bei 6 Enthaltungen; von den Berliner Abgeordneten haben 4 mit Ja, 11 mit Nein gestimmt bei einer Enthaltung. Der Antrag ist abgelehnt.
Auf Umdruck Nr. 953 Ziffer 1 ist ebenfalls zu § 18 die Ersetzung der Worte „im Benehmen mit der Landesjustizverwaltung" durch die Worte „im Einvernehmen mit der Landesjustizverwaltung" beantragt worden. — Herr Abgeordneter Sabel, bitte!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich nehme an, daß es sich hier um einen Irrtum handelt. In § 18 ist die Situation anders. Hier heißt es:
Die Vorsitzenden
— also der Arbeitsgerichte —
werden von der nach Landesrecht zuständigen Stelle
das ist also im Regelfall die Landesregierung — im Benehmen mit der obersten Arbeitsbehörde des Landes und der Landesjustizverwaltung .. . ernannt.
Ich glaube, es geht nicht gut an, daß wir den Beschluß der Landesregierung an das Einvernehmen mit den beiden Verwaltungen binden. Ich kann nur annehmen, daß hier ein Irrtum vorliegt.
Das ist bereits gestern vorgetragen worden, Herr Abgeordneter Sabel, hat aber nicht zur Zurückziehung des Antrags geführt. Ich muß über die Anträge, die vorliegen, abstimmen lassen. Ob sie einen von Ihnen anerkannten Sinn haben oder nicht, ist eine zweite Frage.
Der Antrag wird offenbar aufrechterhalten. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag Umdruck Nr. 953 Ziffer 1 betreffend § 18 zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. — Meine Damen und Herren, der Appell des Herrn Abgeordneten Sabel hat einen geradezu durchschlagenden Erfolg gehabt.
Dieser Antrag ist mitallen Stimmen abgelehnt.
Ich komme zur Abstimmung über § 18 in der Ausschußfassung. Ich bitte die Damen und Herren, die § 18 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. — Das ist die überwiegende Mehrheit; angenommen.
Den Antrag, einen § 18 a einzufügen, hat Herr Abgeordneter Laforet bereits begründet. Es handelt sich um die Ernennung von Hilfsrichtern, Umdruck Nr. 953 Ziffer 5. Wird das Wort dazu gewünscht?
— Ist hinfällig, da ja in § 18 Abs. 7 die Frage der Bestellung von Hilfsrichtern bereits geregelt ist. Der Antrag ist also nach Meinung der Antragsteller sachlich erledigt. Ich stelle das ausdrücklich fest.
Zu § 19 liegt ein Streichungsantrag vor. Ich bin im Augenblick nicht ganz sicher, ob dieser Strei-
*) Vgl. 269. Sitzung, Seite 13302.
chungsantrag mit dem Antrag der Abgeordneten Laforet und Genossen zu § 18 eine sachliche Beziehung hat.
— Er ist auch sachlich erledigt, meinen Sie? Da Herr Dr. Leuze einer der Antragsteller ist, kann ich mich ohne weiteres darauf verlassen. Der Streichungsantrag ist also erledigt.
Ich bitte die Damen und Herren, die § 19 zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. — Das ist die Mehrheit; ist angenommen.
§ 20! Bitte, Herr Abgeordneter Richter.
Herr Präsident! Meine
Damen und Herren! In § 20 Abs. 1 Satz 1 heißt es: Die Arbeitsrichter werden von der obersten Arbeitsbehörde des Landes im Benehmen mit dem Präsidenten des Landesarbeitsgerichts auf die Dauer von vier Jahren berufen.
Meine Fraktion beantragt, die Worte „im Benehmen mit dem Präsidenten des Landesarbeitsgerichts" zu streichen. Wir sind der Auffassung, daß es nicht gut und zweckmäßig ist, wenn die Landesarbeitsbehörde gehalten sein soll, über die Berufung der Arbeitsrichter — das sind also die von den Arbeitgebern und Arbeitnehmern vorgeschlagenen Beisitzer — die Stellungnahme des Präsidenten des Landesarbeitsgerichts zu hören. Dadurch könnte der Schein erweckt werden, daß der Präsident des Landesarbeitsgerichts ein Werturteil über die vorgeschlagenen Arbeitgeber oder Arbeitnehmer abgeben soll. Wenn dies der Fall sein sollte — sonst hat ja die Bestimmung überhaupt keinen Sinn —, müßte der Präsident sich laufend über die Tätigkeit dieser von den Arbeitgebern und Arbeitnehmern vorgeschlagenen Richter erkundigen, und er müßte dann eine Notifizierung vornehmen. Das würde doch schließlich die Unabhängigkeit der Richter und somit die Unabhängigkeit des Gerichts und die Unabhängigkeit der Rechtsprechung irgendwie beeinträchtigen können.
Aus diesen Erwägungen glauben wir, daß es im Interesse der Landesbehörde und im Interesse des Präsidenten eines Landesarbeitsgerichts liegt, diese Bestimmung zu streichen. Ich bitte um Ihre Zustimmung.
Danke schön. Wünscht jemand das Wort dazu? — Das ist nicht der Fall. Der Änderungsantrag ist von Herrn Abgeordneten Richter begründet und bekanntgegeben worden. Nach dem Antrag sollen in § 20 Abs. 1 Satz 1 die Worte „im Benehmen mit dem Präsidenten des Landesarbeitsgerichts" gestrichen werden. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Änderungsantrag zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. — Das ist die überwiegende Mehrheit; dieser Änderungsantrag ist angenommen.
Ich bitte die Damen und Herren, die § 20 in der geänderten Fassung zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. — Das ist die Mehrheit; angenommen.
Zu § 21 Änderungsantrag der Gruppe der KP Umdruck Nr. 948 Ziffer 7.. Ohne Begründung, keine Wortmeldung. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Änderungsantrag auf Umdruck Nr. 948 Ziffer 7 zuzustimmen wünschen, um ein
Handzeichen. — Dieser Antrag ist gegen die Stimmen der Antragsteller abgelehnt.
Ich bitte die Damen und Herren, die § 21 — ich bitte, falls noch irgend jemand das Wort dazu wünscht, sich jeweils zu melden —, § 22, — § 23,
—§ 24,—§25,—§ 26,—§ 27,—§ 28,—§ 29,
— § 30, — § 31 zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. — Das ist die überwiegende Mehrheit; sie sind angenommen.
Ich rufe auf die §§ 33 bis 39. — Keine Wortmeldung.
— Ja, dazu komme ich. Im Umdruck Nr. 951 und im Umdruck Nr. 953 ist beantragt worden — der übliche Antrag —, in § 33 die Worte „im Benehmen mit" durch die Worte „im Einvernehmen mit" zu ersetzen. Weiter keine Wortmeldungen. Ich bitte die Damen und Herren, die bezüglich § 33 diesem Änderungsantrag zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das letztere ist die Mehrheit; dieser Antrag ist abgelehnt.
— Meine Damen und Herren, es besteht kein Zweifel am Ergebnis der Abstimmung. Wenn Sie wünschen, diesen Antrag anzunehmen, dann bitte ich freundlichst, sich von der Möglichkeit, eine Hand zu erheben, nicht zu dispensieren.
— Also meine Damen und Herren, darf ich unterstellen, daß Abgeordnete nicht gemerkt haben, worüber ich abstimmen ließ.
Ich muß Ihnen, da wir uns in der zweiten Beratung befinden, anheimstellen, Anträge zur dritten Beratung zu stellen, wenn Sie es für richtig halten. Ich habe festgestellt, daß dieser Änderungsantrag abgelehnt ist.
Für § 34 Abs. 1 und 2, § 35 Abs. 3 und § 36 ist im Umdruck Nr. 951 der gleiche Antrag gestellt. Also, meine Damen und Herren, es wird schwierig. Zunächst komme ich zur Abstimmung über den Antrag auf Umdruck Nr. 953 Ziffer 1 betreffend § 34 Abs. 1 und 2 und § 35 Abs. 3, jeweils wieder die Worte „im Benehmen" durch die Worte „im Einvernehmen" zu ersetzen. Ich bitte die Damen und Herren, die hinsichtlich der §§ 34 Abs. 1 und 2 und 35 Abs. 3 dieser Änderung zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Diesmal war das erste die Mehrheit; der Antrag ist angenommen.
Ich komme zur Abstimmung über den Antrag auf Umdruck Nr. 951 Ziffer 1, nach dem auch in § 36 die gleiche Änderung vorgenommen werden soll. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Das erste war die Mehrheit; dieser Antrag ist angenommen.
Ich bitte die Damen und Herren, die den §§ 33 bis 39 unter Berücksichtigung dieser Änderung zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. — Das ist die Mehrheit; diese Paragraphen sind angenommen.
Ich rufe auf §§ 40, — 41, — 42. — Zu § 40 Abs. 2 und § 41 Abs. 3 liegt unter Ziffer 1 des Umdrucks
Nr. 951 der Antrag vor, jeweils das Wort „Benehmen" durch das Wort „Einvernehmen" zu ersetzen. — Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen.—Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Das erste war die Mehrheit; dieser Antrag ist angenommen.
In Umdruck Nr. 953 Ziffer 1 ist der Antrag gestellt, in § 42 Abs. 1 die Worte „im Benehmen mit der Landesjustizverwaltung" durch die Worte „im Einvernehmen mit der Landesjustizverwaltung" zu ersetzen. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Änderungsantrag zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. — Herr Abgeordneter Richter, ich glaube, wir müssen auch hier einmal wieder Irrtümer korrigieren. — Meine Damen und Herren, ich frage also noch einmal: Wer dafür ist, daß entsprechend dem Antrag Umdruck Nr. 953 Ziffer 1 in § 42 Abs. 1 „Benehmen" durch „Einvernehmen" ersetzt wird, den bitte ich, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Eindeutig die Mehrheit dagegen. Der Antrag ist abgelehnt.
Ich bitte die Damen und Herren, die §§ 40 bis 42 unter Berücksichtigung der für §§ 40 und 41 beschlossenen Änderung zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. — Das ist die Mehrheit; angenommen.
Ich rufe § 43 auf. Dazu liegt unter Ziffer 2 des Umdrucks Nr. 952 ein Änderungsantrag der Fraktion der SPD vor. Wünscht ihn jemand zu begründen? — Bitte, Herr Abgeordneter Dr. Greve!
Meine Damen und Herren! Der Zweck des Antrags meiner Fraktion ist, das Arbeitsgerichtsgesetz in Übereinstimmung mit dem Grundgesetz zu bringen. Nach den Artikeln 95 und 96 des Grundgesetzes sind die Richter der oberen Bundesgerichte, zu denen auch das Bundesarbeitsgericht gehört, von dem für das jeweilige Sachgebiet zuständigen Bundesminister gemeinsam mit einem Richterwahlausschuß zu berufen. Wer ist nun Richter der oberen Bundesgerichte? Es kann meines Erachtens keinem Zweifel unterliegen, daß Richter sowohl die nach § 42 sogenannten Berufsrichter als auch die nach § 43 sogenannten Bundesarbeitsrichter sind. Das ergibt sich eindeutig aus Art. 92 des Grundgesetzes, in dem es heißt, daß die rechtsprechende Gewalt den Richtern, und zwar den Richtern schlechthin, anvertraut ist. Dabei macht es keinerlei Unterschied, ob — wie in diesem Fall — das Gesetz die Zusammensetzung der Senate des Bundesarbeitsgerichts aus — wie ich der Auffassung bin, hätte es besser heißen sollen — rechtsgelehrten Richtern nach § 42 und nichtrechtsgelehrten Richtern nach § 43 vorsieht. Daß das richtig ist, ergibt sich meines Erachtens eindeutig auch aus § 41 des Arbeitsgerichtsgesetzes, der die nicht als Vorsitzende der Senate mitwirkenden Richter in ihrer richterlichen Funktion als Beisitzer völlig gleichstellt. Wenn es nun so ist, daß sowohl die rechtsgelehrten als auch die nichtrechtsgelehrten Richter nach dem Grundgesetz und nach dem Arbeitsgerichtsgesetz als die rechtsprechende Gewalt ausübende Richter völlig gleichgestellt sind, dann kann es für ihre Berufung keine verschiedenartige Regelung geben. Es gelten die Vorschriften des Art. 95 und des Art. 96 des Grundgesetzes, nach denen sie von einem Richterwahlausschuß zu wählen sind.
Der § 43 des Arbeitsgerichtsgesetzes sieht nun aber vor, daß die nichtrechtsgelehrten Richter des Bundesarbeitsgerichtes nach einem besonderen Verfahren vom Bundesarbeitsminister zu berufen sind, ohne daß ein nach dem Grundgesetz zur Mitwirkung berufener Richterwahlausschuß ihre Wahl vorgenommen hat. Meine Fraktion ist der Auffassung, daß eine solche Vorschrift mit den Bestimmungen des Grundgesetzes im Widerspruch steht, und beantragt deshalb, den § 43 Abs. 1 Satz 1, wie es in Umdruck Nr. 952 niedergelegt worden ist, dahingehend zu ändern, daß die Bundesarbeitsrichter vom Bundesminister für Arbeit gemeinsam mit dem Richterwahlausschuß für die Dauer von vier Jahren berufen werden.
Ich möchte zur Begründung meines Antrags zum Schluß noch auf folgendes hinweisen. Für den Fall, daß das Bundesverfassungsgericht der Auffassung meiner politischen Freunde, die ich hier vertreten habe, recht geben sollte, nach der der § 43 des Arbeitsgerichtsgesetzes in seiner gegenwärtigen Form nicht dem Grundgesetz entspricht, besteht die Gefahr, daß die Richter des Bundesarbeitsgerichtes nicht ordnungsgemäß berufen sind. Wenn aber nicht ordnungsgemäß berufene Richter an den Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts mitgewirkt haben, würden sämtliche so ergangene Entscheidungen rechtsunwirksam sein. Auf die Folgen, die sich an solche Rechtsunwirksamkeit knüpfen, brauche ich im einzelnen nicht hinzuweisen. Ich glaube, es ist den Mitgliedern des Hohen Hauses im einzelnen genügend klar, welche Folgen eine solche Rechtsunwirksamkeit von Entscheidungen haben würde.
Im Hinblick darauf, daß das Arbeitsgerichtsgesetz in allen seinen Bestimmungen dem Grundgesetz entsprechen muß und auch entsprechen soll, bitte ich, dem Antrag meiner Fraktion stattzugeben.
Herr Abgeordneter Sabel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Über die Frage, die gerade von Herrn Kollegen D r. Greve zur Sprache gebracht wurde, ist auch im Ausschuß lange diskutiert worden. Wir dürfen aber nicht übersehen, wie die Vorschläge für die Bundesarbeitsrichter, also für die Laienbeisitzer, erfolgen sollen. In § 43 Abs. 1 ist gesagt, daß die Richter aus Vorschlagslisten entnommen werden müssen, die von den Verbänden der Arbeitnehmer und der Unternehmer einzureichen sind. Das entspricht der Übung, die auch früher im Arbeitsgerichtsgesetz vorgeschrieben war. Wollten wir der Auffassung von Herrn Kollegen Dr. Greve zustimmen, so hätte das zur Konsequenz, daß der Richterwahlausschuß praktisch an diese Vorschläge gebunden wäre.
Nun heißt es aber in § 10 Abs. 1 des Richterwahlgesetzes:
Der zuständige Bundesminister und die Mitglieder des Richterwahlausschusses können vorschlagen, wer zum Bundesrichter zu berufen ist.
Diese Regelung würde also dazu führen, daß die Vorschläge der Organisationen nicht zum Zuge kommen könnten, sondern daß vielmehr der zuständige Bundesminister und die Mitglieder des Richterwahlausschusses die Vorschläge zu machen hätten. Ich glaube nicht, daß es möglich ist, dem Richterwahlausschuß zuzumuten, eine Liste, die von Organisationen vorgelegt wird, zu schlucken. Ich persönlich bin auch der Auffassung, daß man bei der Abfassung des Grundgesetzes und der Schaffung des Richterwahlgesetzes davon ausgegangen ist, daß es sich um die Mitwirkung des Richterwahlausschusses bei
der Berufung der Berufsrichter handelt. Es ist leider nicht ausdrücklich gesagt. Deswegen kann die abweichende Meinung aufkommen. Es wäre interessant, ob über diese Frage im Parlamentarischen Rat diskutiert worden ist. Ich möchte annehmen, daß man damals gewollt hat, der Richterwahlausschuß solle nur bei der Wahl der Berufsrichter mitwirken. Ich weise darauf hin, daß die Prozedur, wie sie Herr Dr. Greve vorschlägt und wie sie auch der Antrag vorsieht, zu wesentlichen Schwierigkeiten führte; dann müßten auch die Bestimmungen über die Vorschläge geändert werden.
Ich bitte, dem Antrag nicht stattzugeben. Präsident Dr. Ehlers: Herr Dr. Greve!
Meine Damen und Herren! Ich vermisse leider, daß der Kollege Sabel auf das eingegangen ist, was ich über die Gleichstellung der rechtsgelehrten und nichtrechtsgelehrten Richter gesagt habe. Er meinte, daß man im Parlamentarischen Rat nur die von ihm so genannten Berufsrichter im Auge gehabt habe. Ich habe mich in meinen Ausführungen bemüht darzulegen, daß es nach dem Arbeitsgerichtsgesetz gar keinen Unterschied zwischen rechtsgelehrten oder Berufsrichtern und nichtrechtsgelehrten oder Bundesarbeitsrichtern gibt. Die richterliche Funktion sowohl der nichtrechtsgelehrten als auch der rechtsgelehrten Bundesrichter am Bundesarbeitsgericht ist eine und dieselbe. Es gibt keinen Unterschied zwischen den Richtern, ob sie rechtsgelehrt oder nichtrechtsgelehrt sind. Das ist auch bei den Beratungen des Parlamentarischen Rats die Auffassung aller derer gewesen, die daran mitgewirkt haben. Wenn das richtig ist, daß es, wie ich schon einmal ausgeführt habe — und ich bitte den Herrn Kollegen Sabel doch darum, darauf einzugehen, wenn er anders argumentieren will —, in der richterlichen Funktion keinen Unterschied zwischen den rechtsgelehrten und den nichtrechtsgelehrten Richtern gibt, kann es auch für ihre Berufung keine unterschiedliche Regelung geben. Da das Grundgesetz die Mitwirkung des Richterwahlausschusses vorsieht, muß auch die Berufung von nichtrechtsgelehrten Richtern am Bundesarbeitsgericht unter Mitwirkung der nach dem Grundgesetz festgelegten Richterwahlausschusses erfolgen. Das kann meines Erachtens gar keinem Zweifel unterliegen. Nur die Sorge um die Verfassungsmäßigkeit der Bestimmung des § 43 des Arbeitsgerichtsgesetzes hat uns veranlaßt, den Änderungsantrag zu stellen.
Die übrigen Bestimmungen des § 43 des Arbeitsgerichtsgesetzes werden dadurch, Herr Kollege Sabel, nicht hinfällig. Sowohl der zuständige Bundesminister als auch die Mitglieder des Richterwahlausschusses haben dann allerdings, wenn die übrigen Bestimmungen des § 43 von Bestand bleiben, nur die in diesem Gesetz festgelegte Möglichkeit, aus den Vorschlagslisten diejenigen Kandidaten herauszugreifen, die sie für die Wahl von Richtern am Bundesarbeitsgericht vorschlagen wollen. Das ist insoweit ein Spezifikum und eine Modifikation gegenüber der Tätigkeit der zuständigen Minister und der Mitglieder des Richterwahlausschusses bei der Wahl von Richtern an den übrigen oberen Bundesgerichten.
Es ist nicht notwendig, irgend etwas anderes zu ändern als das, was meine Fraktion vorgeschlagen hat. Ich bitte Sie dringend, meine sehr verehrten Damen und Herren, unserem Antrag stattzugeben, und mache Sie noch einmal auf die Gefahren aufmerksam, die den vom Bundesarbeitsgericht zu treffenden Entscheidungen drohen, wenn das Bundesverfassungsgericht feststellt, daß § 43 des Arbeitsgerichtsgesetzes nicht dem Grundgesetz entspricht. Dann haben eben bei allen Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts Richter mitgewirkt, die nicht ordnungsgemäß berufen sind, mit der Folge, daß sämtliche so ergangenen Entscheidungen rechtsunwirksam sind. Auch das kann keinem Zweifel unterliegen. Ich glaube auch nicht, daß es irgendwie schädlich für die Arbeitsgerichtsbarkeit in ihrer Gesamtheit wie auch für die zu wählenden Richter sein wird, wenn der Richterwahlausschuß auch hier, wie es nach dem Grundgesetz vorgeschrieben ist, mitwirkt.
Herr Abgeordneter Ewers!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Greve irrt, wenn er annimmt, daß dieses Gesetz zwischen den sogenannten Bundesarbeitsrichtern und den Berufsrichtern als Beisitzern keine Unterscheidung mache. Abs. 2 von § 41, den wir soeben verabschiedet haben, befiehlt, daß jeder Senat sich zusammensetzt aus einem Vorsitzenden, zwei Bundesrichtern und je einem Bundesarbeitsrichter aus den Kreisen der Arbeitnehmer und der Arbeitgeber. Die Bestimmung wäre vollkommen sinnlos, wenn es dem Gesetzgeber ganz gleichgültig wäre, ob da ein Bundesarbeitsrichter oder ein Volljurist als Richter tätig ist. Insofern ist also ein entscheidender Irrtum vorhanden.
Zur Sache im übrigen: Ohne einer subtilen Doktorarbeit, was der Grundgesetzgeber mit dem Richterwahlausschuß bezweckt und gewollt haben möge, vorgreifen zu wollen, möchte ich folgendes feststellen. Man mag zu der Institution des Richterwahlausschusses stehen wie man will; der Zweck dieser Einrichtung ist jedenfalls, der Verwaltung, die normalerweise in den Demokratien politisch geführt wird, nicht das alleinige Recht einzuräumen, die Dauerstellungen unabhängiger Richter zu besetzen, sondern daß demokratische Teile des Parlaments, also der Volksvertretung, daran teilnehmen sollen. Diese Beziehung ist bei den Laienrichtern überhaupt nicht vorhanden; denn sie werden nur auf Zeit gewählt, sie sind absetzbar, indem sie nicht wiedergewählt werden. Bei den Schöffen und den anderen Laienrichtern ist die Voraussetzung ihrer Berufung im übrigen, daß sie — ohne Richterwahlauschuß — von Parlamenten gewählt werden. Hier kommt das Vorschlagsrecht gewisser Verbände hinzu und ihre Herkunft aus dem Arbeitgeber- oder Arbeitnehmerkreis.
Wenn hier eine gewisse Verwirrung eingetreten ist und Kollege Greve als geschickter Jurist sie sich zunutze macht, so beruht das auf dem außerordentlichen Sprachgebrauch dieses Gesetzes. Hier findet sich eine Vokabel, auf die das Augenmerk zu richten ich als literarischer Feinschmecker auf keinen Fall unterlassen möchte. Wir haben das neue wunderschöne Wort „nichtberufsrichterlich" geprägt — so zu lesen in § 41 Zeile 6. Diese Vokabel „nichtberufsrichterlich" zeigt den ganzen Wirrwarr der Begriffe.
Bisher war Richter der Mann, der auf Grund seines Studiums den Beruf zu richten ergriffen hatte. Andere Richter kannten wir bisher nicht, außer Ehrenrichtern vielleicht. Jetzt haben wir plötzlich den vorsitzenden hauptberuflichen Richter und den
Beisitzer, sonst im allgemeinen Schöffen genannt, der die komische Bezeichnung „Arbeitsrichter" empfangen hat — offenbar aus einem gewissen Dekorumsstolz heraus, um den Mann zu erhöhen.
Ich sage Ihnen ganz offen: Mit diesem Wunsche, eine Titelwirtschaft einzuführen, hat man die klare Begriffsbestimmung verwirrt. Hier handelt es sich überhaupt nicht um eine „Richterwahl", sondern um eine typische Laienrichterbeisitzerberufung; und daß diese nicht durch den Richterwahlausschuß erfolgen kann und darf, ist klar; denn der Richterwahlausschuß ist nur dann in er Wahl frei, wenn er nicht an Vorschlagslisten gebunden ist. Die Bindung liegt hier aber vor, und damit ist das demokratische Element voll gewährleistet. Ich, bin der Ansicht, daß nur unter Verkennung des etwas peinlichen Sprachgebrauchs dieses Gesetzes überhaupt in Erwägung gezogen werden konnte, daß bei diesen Bundesarbeitsgerichtsbeisitzern der Richterwahlausschuß bemüht werden könnte.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Leuze.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich ganz kurz in Ergänzung zu dem, was Herr Abgeordneter Sabel und Herr Abgeordneter Senator Ewers ausgeführt haben, noch auf einen rechtlichen Gesichtspunkt hinweisen. Die Bestimmung des Art. 96 und folgende über die Einführung eines Richterwahlausschusses ist in das Grundgesetz auf eine Anregung namentlich von Hessen her hineingekommen, wo die Richterwahl bereits eingeführt war. Gerade dort aber denkt niemand daran, die Richterwahl in gleicher Weise neben den Berufsrichtern auch auf die Laienbeisitzer auszudehnen.
Vielmehr beschränkt sich hier die Richterwahl durchaus auf das Berufsrichtertum. Gerade dieser Ursprung deutet darauf hin, daß das Grundgesetz in den entsprechenden Bestimmungen analog auszulegen ist. Wenn wir aber das Grundgesetz selber ansehen, so sagt zunächst Art. 96:
Für das Gebiet der ordentlichen, der Verwaltungs-, der Finanz-, der Arbeits- und Sozialgerichtsbarkeit sind obere Bundesgerichte zu errichten.
In den Hauptsparten zunächst, Bundesgerichtshof, Bundesfinanzhof, Bundesverwaltungsgericht, sind nirgends Beisitzer verwendet; hier sprechen Recht die Berufsrichter. Das läßt doch jedenfalls die Vermutung zu, daß in Art. 96 vorwiegend und zuerst an das Berufsrichtertum gedacht war. Daß aber das Grundgesetz auch so verstanden sein will, geht meines Erachtens sehr stark auch aus Art. 98 hervor, wo es heißt:
Die Rechtsstellung der Bundesrichter ist durch besonderes Bundesgesetz zu regeln.
Bei diesem Art. 98 hat sicher niemand daran gedacht, in das Wort „Bundesrichter" die Laienbeisitzer, etwa beim Bundesarbeitsgericht, mit einzubeziehen. Die Terminologie des Grundgesetzes ist in diesem Punkt einheitlich. Aber ich glaube, man muß dann das Wort „Bundesrichter" in Art. 98 mit dem gleichen Inhalt lesen, mit dem man dieses Wort auch in Art. 96 zu lesen hat.
Ich glaube, diese rechtlichen Erwägungen sprechen sehr stark dafür, den Art. 96 und den rechtlichen Zwang, die Berufsrichter im Wege der Wahl auszuwählen, nicht auf die Laienbeisitzer auszudehnen.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Arndt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn ich gerade an die letzten Ausführungen des Herrn Kollegen Leuze anknüpfen darf, so trifft es nicht zu, daß man im Parlamentarischen Rat an die, die Sie als Laienbeisitzer bezeichnet haben, nicht gedacht hätte. Es ist auf ausdrücklichen Antrag gerade meiner Fraktion im Parlamentarischen Rat das Bundesarbeitsgericht im Grundgesetz aufgeführt, und vor Augen stand das Reichsarbeitsgericht in der Gestalt, wie es sie zuvor gehabt hatte. Auch das Reichsarbeitsgerichtsgesetz kannte bereits die sachverständigen Richter — die vom Arbeitsleben her sachverständigen Richter — unter der Bezeichnung „Reichsarbeitsrichter". Es trifft daher auch nicht zu, wenn Herr Kollege Ewers meint, es sei hier durch einen unzulässigen Ausdruck im Bundesarbeitsgerichtsgesetz eine Verwirrung eingetreten, die Herr Kollege Greve, wie Herr Ewers meint, als geschickter Jurist sich zunutze gemacht habe. Nun, Herr Kollege Ewers, so sollten wir nicht argumentieren. Es liegt ja niemandem hier daran, irgendeine Haarspalterei zu treiben, sondern es ist doch wirklich ein berechtigtes Anliegen, dafür zu sorgen, daß dieses so außerordentlich wichtige obere Bundesgericht nicht von vornherein mit einem verfassungsrechtlichen Fehler behaftet zur Entstehung gelangt und dadurch Unsicherheit hervorgerufen wird. Darum hat Herr Kollege Greve als Mitglied des Parlamentarischen Rates auch darauf hingewiesen; Herr Kollege Menzel wäre auch dazu imstande, wenn er nicht augenblicklich durch andere Arbeiten verhindert wäre.
Also gerade das, Herr Leuze, was Sie gesagt haben, stimmt nicht, denn das Reichsarbeitsgericht kannte eine gleichartige Erscheinung und stand den Mitgliedern des Parlamentarischen Rates vor Augen, die diese Bestimmung in das Grundgesetz hineingebracht haben. Es ist auch nicht richtig, was Sie über Hessen als Ursprungsland sagen. Im übrigen hatte Bremen auch schon einen Richterwahlausschuß.
Die Regelung in den Ländern ist nicht die, daß sich die Mitwirkung des Richterwahlausschusses auf die rechtsgelehrten Richter beschränkt, die Sie als Berufsrichter zu bezeichnen pflegen. Der Unterschied kommt in den Ländern auf einer ganz anderen Basis daher, daß Schöffen und Geschworene ja nicht von der Exekutive bestimmt werden, sondern ohne jeden Einfluß der Exekutive gewählt werden, so daß da das Element einer Wahl bereits besteht.
Dagegen sollte der Richterwahlausschuß in den Ländern und soll auch im Bunde dazu dienen, nun eine, sagen wir einmal, Entparteipolitisierung der Exekutive vorzunehmen. Das gilt für die nichtrechtskundigen Richter am Bundesarbeitsgericht in gar keiner anderen Weise wie für die rechtskundigen Richter. Deshalb ist es schließlich auch irrig, wenn Herr Kollege Ewers gemeint hat, nach Auffassung von Herrn Greve bestünde keinerlei Unterschied. Herr Ewers, wir sind auch imstande, das Gesetz zu lesen. Wir wissen sehr wohl, daß die Bundesarbeitsrichter als nicht rechtskundige und nur auf Zeit berufene eine andere Regelung haben als die Bundesrichter, die rechtskundig
sind und auf Lebenszeit berufen werden, und daß die Senate beim Bundesarbeitsgericht nun in bestimmter Art aus Richtern dieser verschiedenen Qualifikationen in ihrer Ausbildung und in ihrer zeitlichen Dauer zusammengesetzt werden. Aber das ist ja nicht das Entscheidende.
Worauf Herr Kollege Greve mit Recht Wert gelegt hat, ist ja, daß die richterliche Funktion identisch ist. Beide Arten von Bundesrichtern beim Bundesarbeitsgericht haben dieselbe Kompetenz, ohne jeden Unterschied. Sie sind also insofern Organe der bundesrichterlichen Gewalt, so daß auf sie auch dem Ursprung und Sinngehalt nach das Grundgesetz Anwendung zu finden hat.
Es ist deshalb auch nicht richtig, daß Sie diese, wie Sie sagen, Laienrichter als absetzbar bezeichnen; sie sind für die Periode ihrer Wahl nicht absetzbar, und es wäre ein schlechter Brauch, sie nachher je nach ihrer Rechtsprechung etwa zu kritisieren oder zu zensieren. Ich hoffe, daß das niemandem in den Sinn kommt, Sie sind also für die Zeit, in der sie gewählt sind, genau so unabsetzbare und unabhängige Richter wie jeder andere.
Ich bitte Sie, doch darauf zu achten, daß wir hier das Grundgesetz nicht verletzen. Es wäre wirklich eine unerfreuliche Angelegenheit, ein oberes Bundesgericht zu konstituieren, bei dem in Streit steht, ob es dem Grundgesetz entspricht oder nicht, zumal wirklich nicht einzusehen ist, warum hier der Richterwahlausschuß nicht mittätig sein soll. Denn, Herr Kollege Sabel, die Vorschlagslisten sind auch von dem Herrn Bundesarbeitsminister nicht zu „schlucken". wie Sie sich ausgedrückt haben; es sind Vorschläge mit der Maßgabe, daß andere als vorgeschlagene nicht berufen werden können.
Keine weiteren Wortmeldungen. — Ich schließe die Besprechung. Ich komme zur Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der SPD Umdruck Nr. 952 Ziffer 2. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Änderungsantrag zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Das zweite war die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ich bitte die Damen und Herren, die § 43 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Bei zahlreichen Enthaltungen angenommen.
Ich rufe auf die §§ 44 und 45. Keine Wortmeldungen. Ich bitte die Damen und Herren, die diesen beiden Paragraphen zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. — Das ist die Mehrheit; angenommen.
Ich rufe auf die §§ 46 bis 63. — Keine Wortmeldungen. Ich bitte die Damen und Herren, die den §§ 46 bis 63 zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. — Das ist die Mehrheit; angenommen.
Ich rufe auf die §§ 64 bis 70. — Keine Wortmeldungen. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit; ist angenommen.
Ich rufe auf die §§ 72 bis 79. — Keine Wortmeldungen. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. — Das ist die Mehrheit; angenommen.
Ich rufe auf die §§ 80 bis 86, 87 bis 91, 92 bis 96, 97 bis 100. -- Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. — Das ist die Mehrheit; angenommen.
Ich rufe auf die §§ 101 bis 110. — Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit; angenommen.
Zu § 111 liegt der Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Umdruck Nr. 951 Ziffer 4 vor. Soll der Antrag begründet werden? — Das ist nicht erforderlich. — Keine Wortmeldungen. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Änderungsantrag auf Umdruck Nr. 951 Ziffer 4 zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Das erste war die Mehrheit; der Änderungsantrag ist angenommen.
Ich bitte die Damen und Herren, die § 111 unter Berücksichtigung der soeben beschlossenen Änderung — — Ja, meine Damen und Herren, jetzt wird's schwierig: ich bekomme in diesem Augenblick einen Antrag Umdruck Nr. 962, ebenfalls zu § 111 Abs. 2, der die Beilegung von Streitigkeiten zwischen Innungsmitgliedern und ihren Lehrlingen betrifft. Hier steht: „Sie werden durch dieses Gesetz nicht berührt", während nach diesem Antrag eingesetzt werden soll — —
— Das Wort hat Herr Abgeordneter Schmücker.
Es handelt sich um folgendes. Es sollte erreicht werden, daß die Innungsausschüsse die Möglichkeit haben, bei Lehrlingsstreitigkeiten vorher in Tätigkeit zu treten. Nun ist aber die Handwerksordnung noch nicht in Kraft gesetzt, und da ist man der Meinung, daß der erste Vorschlag der Fraktion auf Umdruck Nr. 951 nicht ausreicht, denn dort heißt es: „Bei Inkrafttreten dieses Gesetzes bestehende Vorschriften ...". Wir haben nun „bestehende Vorschriften" in der britischen Zone; diese werden aber durch die Handwerksordnung aufgehoben. In der amerikanischen oder ehemaligen amerikanischen Zone — wenn ich mich einmal so ausdrücken darf — haben wir keine Vorschriften. Nun meinen wir, daß es notwendig ist, eine Formulierung zu finden, die dann auch noch das Ziel, das wir erstreben, erreicht, wenn die Handwerksordnung in Kraft gesetzt sein wird. In der Handwerksordnung heißt es in § 49 unter bei den Aufgaben der Innungen: .. ein gutes Verhältnis zwischen Meistern, Gesellen und Lehrlingen anzustreben", und bei den Übergangsbestimmungen heißt es in § 122, daß in der Gewerbeordnung die hier angezogenen Paragraphen gestrichen werden. Man ist damals so verfahren, weil man die Absicht hatte, diesen Komplex im Arbeitsgerichtsgesetz zu regeln.
Ich darf also zusammenfassend sagen: wir sind ,der Meinung, daß die Fassung, wie sie zunächst vorgeschlagen war, deswegen nicht ausreicht, weil die Handwerksordnung gegenwärtig noch nicht in Kraft ist und wir nicht wissen, wann das der Fall sein wird. Wir möchten aber auf jeden Fall erreichen, daß die Innungsausschüsse in Tätigkeit treten können. Daher bitten wir Sie, unseren Antrag auf Umdruck Nr. 962 anzunehmen.
Herr Abgeordneter Sabel!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Leider habe ich diesen Umdruck noch nicht. Ich kenne die Formulierung nicht. Ich möchte aber sagen, wie wir zu dem Vorschlag auf Umdruck Nr. 951 gekommen sind. Die Frage ist im Ausschuß
1 diskutiert worden. Im Ausschuß kam man zu der Auffassung, die Erledigung zurückzustellen, da die Voraussetzung für die Regelung die — ich möchte einmal sagen — Sanktionierung der Organe, wie sie in der Handwerksordnung vorgesehen sind, sei. Im Ausschuß hat man die Auffassung vertreten, man müsse, um diesen Fragenkomplex zu regeln, die Gestaltung der Handwerksordnung abwarten. Die Handwerksordnung ist zwar inzwischen vom Bundestag verabschiedet, aber sie ist aus bekannten Gründen noch nicht verkündet. Deshalb ist zu überlegen, wie dieser Fragenkomplex, der auch von Herrn Kollegen Schmücker angeschnitten worden ist, in diesem Gesetz geregelt werden kann.
Wir glaubten daher, auf das Bisherige abheben und es sanktionieren zu sollen. Dabei waren wir uns darüber im klaren, daß nach der Verkündung der Handwerksordnung unter Umständen überlegt werden muß, ob dann der § 111 Abs. 2 noch ausreicht. Mit unserem Antrag wäre somit dem grundsätzlichen Anliegen entsprochen, und es wäre dann allenfalls notwendig, später, nach Verkündung der Handwerksordnung, zu überprüfen, ob eine Ergänzung oder eine Änderung notwendig ist. Ich glaube, das wäre das geeignetere Verfahren.
Herr Abgeordneter Schmücker!
Wir verstehen das Bemühen des Kollegen Sabel durchaus, müssen aber darauf hinweisen, daß wir, wenn die Handwerksordnung in — sagen wir einmal — vier Wochen in Kraft tritt, für drei bis vier Monate überhaupt keine Regelung haben. Gerade das wollten wir vermeiden.
Denn in den nächsten drei bis vier Monaten tagen wir nicht, können also die Novelle, die Herr Sabel angeführt hat, nicht einbringen. Gerade, um diese Übergangszeit, die gesetzlose Zeit zu vermeiden, haben wir den Antrag umformuliert.
Herr Abgeordneter Richter!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben schon bei verschiedenen Gelegenheiten in diesem Hause gehört, daß beim Handwerk das Verhältnis zwischen Meistern, Gesellen und Lehrlingen außerordentlich gut, ja vorbildlich sei. Deshalb müssen Sie mir schon gestatten, meine Verwunderung darüber zum Ausdruck zu bringen, daß mein verehrter Herr Vorredner, Herr Kollege Schmücker, Angst hat, wenn er nun drei Monate ohne eine Regelung ist, also im Falle einer Streitigkeit zwischen Meister und Lehrling keine Innungsschiedsstellen da sind.
Deshalb wird die Welt wirklich nicht untergehen, und es passiert in der ganzen Bundesrepublik nichts! Wenn es so ist, wie Sie sagen — und in der Handwerksordnung steht es ja auch —, daß ein gutes Verhältnis zwischen Meister und Lehrling bestehen soll, dann könnte man überhaupt auf die Sonderstelle verzichten
und sollte die Arbeitsgerichte, die für diese Streitigkeiten auch für die anderen Berufe, für Handel, Gewerbe und Landwirtschaft, zuständig sind, in Gottes Namen auch in dieser Sache zuständig sein lassen.
Ich möchte Sie aber noch auf den § 17 aufmerksam machen, den wir bereits beschlossen haben. In Abs. 2 dieses Paragraphen ist die Bildung von Fachkammern für die Streitigkeiten bestimmter Berufe und Gewerbe und bestimmter Gruppen von Arbeitnehmern vorgesehen. Dadurch besteht also die Möglichkeit, für das Handwerk bei den Arbeitsgerichten Kammern zu errichten, in denen erstens die unmittelbar beteiligten Gruppen durch die Beisitzer vertreten sind und in denen zweitens all das durchgefochten werden kann, was das Handwerk notwendig zu haben glaubt.
Auf Grund dieser unserer Einstellung bitten wir, sowohl den Vorschlag auf Umdruck Nr. 962 als auch den Vorschlag auf Umdruck Nr. 951 Ziffer 4 abzulehnen.
Meine Damen und Herren, das letzte ist schon nicht mehr möglich, da der Antrag inzwischen angenommen ist. Ich stehe aber vor einer geschäftsordnungsmäßigen Schwierigkeit. Wäre der Antrag auf Umdruck Nr. 962 rechtzeitig gestellt worden, dann wäre er der weitergehende Antrag gewesen, und es hätte zuerst über ihn abgestimmt werden müssen. Sind Sie bereit, über den Antrag Umdruck Nr. 962 unter der Voraussetzung abzustimmen, daß bei Annahme der Antrag Umdruck Nr. 951 Ziffer 4 entfällt? Denn beide Anträge nebeneinander können zweifellos nicht bestehenbleiben.
— Der Antrag ist gestellt; mit der Annahme des Antrags Umdruck Nr. 962 erledigt sich der Antrag Umdruck Nr. 951 Ziffer 4. Ich schlage Ihnen vor, daß wir die Abstimmung vornehmen. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag Umdruck Nr. 962 zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen.
— Ich bitte um die Gegenprobe. — Darf ich bitten, die Frage durch Aufstehen zu klären. Ich bitte diejenigen, die für den Antrag Umdruck Nr. 962 sind, sich zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Der Antrag ist abgelehnt.
Ich bitte die Damen und Herren, die § 111 in der abgeänderten Fassung zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. — Das ist die Mehrheit; angenommen.
Ich rufe auf §§ 112 bis 116. — Keine Wortmeldungen. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. — Das ist die Mehrheit; angenommen.
Die Fraktion der CDU/CSU hat auf Umdruck Nr. 951 unter Ziffer 2 die Einfügung eines § 116 a als Folge der Ersetzung des Wortes „Benehmen" durch „Einvernehmen" an mehreren Stellen beantragt. Die Begründung ist bereits gestern erfolgt. Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich bitte die Damen und Herren, die § 116 a gemäß Umdruck Nr. 951 Ziffer 2 zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. —Das ist die Mehrheit; angenommen.
Ich rufe auf §§ 117 bis 120. — Keine Wortmeldungen. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. — Das ist die Mehrheit; angenommen.
Zu § 121, Berlin-Klausel, liegt ein Änderungsantrag der CDU/CSU auf Umdruck Nr. 951 Ziffer 5 vor.
— Keine Begründung. — Keine Wortmeldungen. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit; angenommen.
Zu § 122 liegt ein Antrag der Fraktion der SPD bezüglich des Inkrafttretens vor, Umdruck Nr. 952 Ziffer 3, und ein damit übereinstimmender Antrag der CDU/CSU. Beide Anträge sehen das Inkrafttreten am 1. Oktober 1953 vor. Bedarf wohl keiner Begründung?
— Habe ich eben bereits festgestellt, Herr Abgeordneter Richter, und habe daraus geschlossen, daß es keiner Begründung bedarf.
Ich bitte die Damen und Herren, die den übereinstimmenden Änderungsanträgen der SPD und der CDU/CSU zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. — Das ist die Mehrheit; angenommen.
Ich bitte die Damen und Herren, die § 122 in der geänderten Fassung zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. — Das ist die Mehrheit; angenommen.
Ich bitte die Damen und Herren, die Einleitung und Überschrift zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. — Das ist die Mehrheit; angenommen.
Herr Abgeordneter Wellhausen! Zur Geschäftsordnung, nehme ich an.
Namens meiner Freunde widerspreche ich der dritten Lesung.
Meine Damen und Herren, es wird der dritten Lesung widersprochen. Wir sind nicht in der Lage, die Änderungen der zweiten Beratung rechtzeitig zu verteilen. Die dritte Beratung kann also heute nicht stattfinden. Wir werden diesen Punkt in der nächsten Woche auf die Tagesordnung bringen. Damit ist dieser Punkt der Tagesordnung erledigt.
Ich habe zunächst bekanntzugeben, daß der Haushaltsausschuß sich um 16 Uhr im üblichen Raum zu einer Sitzung versammelt.
Ich schlage Ihnen vor, daß wir zunächst den Punkt 2 der heutigen Tagesordnung:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes zu dem Entwurf eines Gesetzes über die Verwaltung der Deutschen Bundespost (Postverwaltungsgesetz) (Nrn. 4407, 3479, 4204, zu 4204, 4388 der Drucksachen),
an die Reihe nehmen, da der Berichterstatter, Herr Senator Dr. Klein, inzwischen eingetroffen ist. Ich schlage Ihnen weiter vor, im Anschluß daran Punkt 17, betreffend die Erhöhung der Posttarife, zu erledigen, was auch ohne Besprechung vor sich gehen soll.
Dr. Klein, Senator von Berlin, Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Am 22. Mai hat der Bundesrat beschlossen, den Vermittlungsausschuß wegen des Postverwaltungsgesetzes anzurufen. Der Bundesrat wünscht, daß das vom Bundestag verabschiedete Postverwaltungsgesetz in drei Punkten geändert wird.
Der Bundesrat wollte erstens in § 14, der den Erlaß der Benutzungsverordnungen regelt, einen Satz streichen. Der Satz „Die Benutzungsverordnungen bedürfen nicht der Zustimmung des Bundesrates" sollte wegfallen. Der Vermittlungsausschuß hat geglaubt, die Mitwirkung der Länder an dem Zustandekommen der Benutzungsverordnungen durch die Beteiligung des Bundesrates an dem Zustandekommen des Verwaltungsrats hinreichend gesichert zu sehen. Der Verwaltungsrat muß den Benutzungsverordnungen zustimmen. Dementsprechend schlägt der Vermittlungsausschuß Ihnen vor, es bei der Fassung des Bundestages zu lassen und § 14 nicht zu ändern.
Zweitens wollte der Bundesrat dem Postverwaltungsgesetz einen § 31 a des Inhalts anfügen, daß die Postscheck- und Postspargelder in demjenigen Land anzulegen seien, in dem sie aufkommen. Der Vermittlungsausschuß hat sich nicht entschließen können, Ihnen einen dahingehenden Vorschlag zu unterbreiten. Eine Abkehr von der bisherigen Praxis bei der Anlage der Postscheck- und Postsparguthaben würde sich gegen die Einheitlichkeit unseres Wirtschaftsgebietes auswirken.
Als dritten Punkt hat der Bundesrat beantragt, § 6 des Postverwaltungsgesetzes zu ergänzen. Dieser sah vor, daß der Bundesrat von den ihm zustehenden Verwaltungsratsmitgliedern diejenigen auszuwählen habe, die Länderminister seien. Die Überlastung der Länderminister läßt es angebracht erscheinen, auch die Wahl von leitenden Beamten eines Landesministeriums zuzulassen. Dementsprechend hat der Vermittlungsausschuß Ihnen vorgeschlagen, § 6 Abs. 1 Satz 2 wie folgt zu fassen:
die Vertreter des Bundesrates müssen der Regierung ihres Landes angehören oder leitende Beamte eines Landesministeriums sein.
Es wird gebeten, diesem Vorschlag zuzustimmen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Es wird nicht gewünscht, Erklärungen abzugeben. Ich komme daher zur Abstimmung über den Antrag des Vermittlungsausschusses Drucksache Nr. 4407. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. — Das ist die überwiegende Mehrheit; der Antrag des Vermittlungsausschusses ist angenommen.
Ich komme zu Punkt 17 der heutigen Tagesordnung:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Post- und Fernmeldewesen über den Antrag der Fraktion der FU (BP-Z) betr. Erhöhung der Posttarife (Nrn. 4255, 3630 der Drucksachen).
Herr Abgeordneter Ekstrand als Berichterstatter!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Ausschuß hat sich mit dem Antrag Drucksache Nr. 3630 der FU beschäftigt. Während der Beratung hat das Ministerium erklärt, daß die Deutsche Bundespost nicht die Absicht hat, in dieser Legislaturperiode eine Gebührenerhöhung durchzuführen. Der Ausschuß ist daher der Auffassung, daß eine weitere Beratung überflüssig ist, und ich habe den Auftrag, Sie zu bitten, dem Antrag des Ausschusses, diesen Antrag für erledigt zu erklären, Ihre Zustimmung zu geben.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter für die kurze Berichterstattung.
Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, auf eine Aussprache zu verzichten. Ich komme daher zur Abstimmung. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag des Ausschusses für Post- und Fernmeldewesen Drucksache Nr. 4255 zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. — Das ist die überwiegende Mehrheit; der Antrag ist angenommen.
Damit, meine Damen und Herren, kommen wir zur Abwechslung wieder zur gestrigen Tagesordnung zurück. Ich rufe auf Punkt 9:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen über den Antrag der Fraktion der FU (BP-Z) betreffend Aufdeckung von Steuerzuwiderhandlungen (Nrn. 374, 3332 der Drucksachen).
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Dr. Freiherr von Fürstenberg. Darf ich ihn bitten, das Wort zn nehmen.
Meine Damen und Herren! Uns liegt vor der Antrag der Föderalistischen Union Drucksache Nr. 3332 folgenden Inhalts:
Die Bundesregierung wird ersucht, im Bereich der Besitz- und Verkehrsteuern Erfolgsprämien und Belohnungen für die Mithilfe bei der Aufdeckung von Steuerzuwiderhandlungen nicht zu gewähren, soweit die Vertrauensleute Betriebsangehörige derjenigen Unternehmungen sind, in denen sich Steuerzuwiderhandlungen ergeben haben.
Der Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen hat sich in seiner 204. Sitzung mit dem Antrag befaßt. Zur Begründung wies der Vertreter der Antragsteller darauf hin, daß es gegen den Anstand und das Wesen eines Rechtsstaates verstoße und deshalb untragbar sei, wenn der Angehörige eines Betriebs für eine Anzeige beim Finanzamt über eine Steuerzuwiderhandlung seines eigenen Betriebs eine Prämie erhalte.
Demgegenüber brachte der Vertreter der Regierung folgende Gesichtspunkte vor. Erstens: Steuerhinterziehung ist ein Betrug, und alles, was zur Aufdeckung eines solchen Betrugs dient, muß vom Fiskus beachtet, jede Anzeige muß untersucht werden. Es ist selbstverständlich, daß für geringfügige Vergehen und für Racheakte keine Belohnung gezahlt werden darf. Es geht nur um große Steuersünder. Im übrigen werden auch in anderen Staaten teilweise erhebliche Prozentsätze für die Aufdeckung von hinterzogenen Steuerbeträgen gezahlt.
Zweitens: die Handhabung sei im übrigen bei den Ländern unterschiedlich. Tatsächlich haben die Länder Belohnungen ausgezahlt und auch den Bund veranlassen wollen, entsprechend seinem Anteil am Steueraufkommen an der Zahlung der Belohnungen zu partizipieren. Der Bund hat jedoch bis heute keine Belohnung für die Mithilfe bei der Aufdeckung von Steuerzuwiderhandlungen im Bereich der Besitz- und Verkehrsteuern gezahlt.
Der Ausschuß sah die Argumente, die gegen den Antrag sprechen, nicht für stichhaltig an. Die Mitglieder des Ausschusses waren alle der Meinung, daß eine Belohnung von derartigen Anzeigen vielleicht überhaupt, aber unter allen Umständen für den Fall, daß sie von Angehörigen des Betriebs erstattet werden, grundsätzlich abzulehnen sei. Nach Auffassung des Ausschusses sollen nicht nur diejenigen von einer Belohnung ausgeschlossen werden, die Betriebsangehörige sind, sondern auch die, die Betriebsangehörige waren. Demgemäß wurde der Antrag eingebracht, hinter die Worte „Betriebsangehörige derjenigen Unternehmungen sind" die Worte „oder waren" einzufügen.
Mit dieser Ergänzung hat der Ausschuß dem Antrag Drucksache Nr. 3332 einstimmig zugestimmt und empfiehlt, den Antrag anzunehmen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Wird das Wort gewünscht? Herr Abgeordneter Dr. Bertram im Rahmen einer Redezeit von 40 Minuten, die der Ältestenrat Ihnen vorschlägt.
Meine Damen und Herren! Wir freuen uns, daß unser Antrag vom Ausschuß angenommen worden ist, wenn auch die Finanzverwaltung Einwendungen zu erheben hatte. Diese Einwendungen, die vor allem darauf hinauslaufen, daß der Staat Delikte gegen staatliche Gesetze mit allen Mitteln bekämpfen müsse und auch bekämpfen könne, sind nicht stichhaltig.
Zunächst einmal ist die Kompliziertheit unseres Steuersystems so groß geworden, daß ein Pflichtiger mit den Steuergesetzen leicht in Konflikt kommen kann. Wenn dann eine Anzeige gegen ihn von irgendeinem Denunzianten erstattet wird, wird allzuhäufig vom Unterwerfungsverfahren Gebrauch gemacht, einfach deshalb, weil der Pflichtige, der auch subjektiv in gutem Glauben gehandelt hat, sich scheut, auf der Anklagebank zu sitzen und in öffentlicher Verhandlung seine Unschuld zu beweisen und darzutun, daß er zumindest aus subjektiven Gründen nicht bestraft werden könne. So wird eine bloße Denunziation dazu führen, daß eine Bestrafung erfolgt, obwohl in Wirklichkeit kein Delikt vorliegt. Wenn der Staat diese Denunziation durch Belohnungen fördert, so fördert er damit effektiv Unrecht und bringt nicht das Recht zum Vorschein. Auch da, wo vorsätzliche Steuerzuwiderhandlungen vorliegen, genügt diese Tatsache allein nicht, um eine Denunziation zu rechtfertigen und zu belohnen. Es dreht sich doch hier darum, daß man eine Handlungsweise, die man sonst als Lumperei bezeichnet, in Diensten der Staates als etwas Redliches, als etwas Gutes hinstellen will.
Ich kann mir nicht helfen, ich finde: das, was beim redlichen einzelnen unehrenhaft ist, ist auch als Mittel der Staatsverwaltung unehrenhaft.
Das ist der Grund, aus dem wir uns gegen diesen Antrag gewendet haben. Es wird darauf hingewiesen, daß Steuervergehen auch tatsächlich echte Delikte seien. Das ist natürlich vollkommen richtig. Aber wir wollen nicht vergessen, was dazu doch allgemein die jüngste Entwicklung gebracht hat, was insbesondere auch Schmölders neulich in seinem Handbuch geschrieben hat. Ich möchte dies kurz einmal zitieren, wenn der Herr Präsident mir die Erlaubnis gibt. Schmölders schreibt:
Es ist ein weitverbreiteter Irrtum, die Steuerdisziplin als Funktion der Durchführung der Steuervorschriften und der Anwendung rigoroser Fahndungs- und Strafbestimmungen zu sehen, so als ob die Finanzverwaltung es in der Hand habe, die Steuermoral durch die
Verschärfung der Kontrollen, durch kräftige Strafandrohungen oder gar durch die behördliche Prämiierung von Steuerdenunziationen zu heben. So einfach liegt das Problem der Steuermoral nicht. Vielmehr kommt es vor allem darauf an, das Vertrauen der Bevölkerung in eine gesunde, sparsame Finanzgebarung des Staates wiederherzustellen und durch eine vereinfachte und verständliche und als gerecht empfundene Ausgestaltung der Besteuerung das Bewußtsein für die Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit steuerlicher Maßnahmen wieder herbeizuführen.
Ich glaube, wenn man diesen Weg geht, dann wird man den richtigen Weg gehen. Wenn wir in unserem Antrag nur einen ganz beschränkten Kreis aus der Zahl der Denunziationen aufgegriffen haben, so soll das nicht heißen, daß nun alle übrigen Belohnungen von Denunzianten durch die Finanzverwaltung unsere Billigung fänden. Wir wollen überhaupt, daß dieses Mittel der staatlichen Autoritätswahrung ausscheidet. Der Staat hat durch die Buch- und Betriebsprüfungen und andere Mittel genügend Möglichkeiten, die Steuerehrlichkeit und Steuermoral herzustellen. Er sollte nicht ein solches Mittel, das in sich unsittlich ist, weiterhin verwenden.
Frau Abgeordnete Lockmann!
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Dem vorliegenden Antrag liegt ein moralischer Gedanke zugrunde. Er soll das Denunziantentum innerhalb der Betriebe verhindern. Die Praxis wird lehren, ob man das mit diesem Antrag erreichen kann. Zunächst ist die Frage offen, ob nicht die Steuerhinterziehung unmoralischer ist als die Anzeige mit dem Erfolg, daß dem Staat die hinterzogenen Steuern zugeführt werden können. Das Finanzministerium erklärt: Belohnungen für Angaben im Kampf gegen Hinterziehung von Zöllen und Verbrauchsteuern haben sich als unentbehrliches Hilfsmittel bewährt. Die Länder haben darüber hinaus auch Belohnungen im Bereich der Besitz- und Verkehrsteuern gezahlt. Damit ist klar erkennbar, daß immer noch beachtliche Steuerreserven, die auf Steuerhinterziehungen beruhen, solche Maßnahmen notwendig machen. Strittig ist eigentlich nur, wieviel Milliarden es sein mögen, auf die der Finanzminister bei Ausgleich seines Etats verzichten muß. Auf diesen Zahlenstreit einzugehen, erscheint müßig. Aber manche Aufgabe, die in diesem Hause ungelöst geblieben ist, könnte bei richtiger Steuererhebung erfüllt werden.
Meine Herren und Damen, hoffentlich werden wir mit Hilfe der großen Steuerreform die Steuergesetze so systematisch ordnen, daß das Zeitalter der Steuerhinterziehungen ein für allemal überwunden wäre.
Dann brauchten wir neben dem Verlust der Steuern auch keine Belohnungen mehr zu zahlen. Zu diesem erstrebenswerten Ziel könnte vielleicht der vorliegende Antrag ein Schritt sein.
Keine weiteren Wortmeldungen. Ich bitte die Damen und Herren, die dem
Antrag des Ausschusses auf Drucksache Nr. 4374
zuzustimmen wünschen, ihre Hand zu erheben. —
— Doch, das ist die überwiegende Mehrheit. Jetzt ist der Antrag angenommen.
Ich rufe auf den Punkt 10 der gestrigen Tagesordnung:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die landwirtschaftliche Selbstverwaltung .
In dieser Drucksache ist die schriftliche Begründung der Bundesregierung enthalten. Sie verweist darauf. Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, auf eine Aussprache zu verzichten.
— Herr Dr. Horlacher, wozu? Zur Geschäftsordnung oder zur Sache?
— Tut mir leid; der Ältestenrat hat vorgeschlagen, auf eine Aussprache zu verzichten. Ich stelle die Meinung des Hauses fest. Wünscht das Haus auf eine Aussprache zu verzichten? Ich bitte die Damen und Herren, die dafür sind, eine Hand zu erheben.
— Das ist die überwiegende Mehrheit; eine Aussprache findet also nicht statt. Ich schlage Ihnen vor, diesen Gesetzentwurf dem Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu überweisen. — Das Haus ist damit einverstanden.
— Also federführend der Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten und mitberatend Rechtsausschuß. Der Rechtsausschuß wird sich freuen. — Herr Geheimrat Laforet freut sich bereits.
Ich rufe auf Punkt 11 der gestrigen Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Flurbereinigungsgesetzes ;
Die Schriftlichen Berichte des Ausschusses liegen vor. Darf ich fragen, ob eine mündliche Ergänzung erforderlich ist? — Offenbar nicht. Dann ist die Berichterstattung erledigt.
Meine Damen und Herren, wir kommen zur zweiten Beratung. Sie haben eine größere Zahl von Änderungsanträgen der Gruppe der KP im Umdruck Nr. 947 und fünf Änderungsanträge der Fraktion der FU im Umdruck Nr. 954 vor sich.
Ich rufe zunächst auf die §§ 1 bis 9. Darf ich bitten, die Änderungsanträge zu begründen, wenn das Wort gewünscht wird. — Herr Abgeordneter Niebergall!
Meine Damen und Herren! Niemand bestreitet die Notwendigkeit einer Flurbereinigung. Voraussetzung einer solchen Bereinigung ist, daß der Staat die Kosten trägt und daß diese Bereinigung freiwillig und auf demokratischer Grundlage durchgeführt wird und daß die gesamte
*) Siehe Anlage 1 Seite 13365
Bevölkerung ,des Dorfes damit einverstanden ist. Die Erfahrung der Vergangenheit lehrt, daß durch die Flurbereinigung, wie sie bisher mittels der Reichsumlegungsordnung von 1938 und 1940 durchgeführt wurde, in unzähligen Fällen besonders die kleinen Bauern hart getroffen wurden. Mit unserem Änderungsantrag zu § 1 bezwecken wir, diese kleinen Bauern zu schützen. Ich bitte Sie deshalb um Ihre Zustimmung.
Mit unserem Änderungsantrag zu § 4 wollen wir erreichen, daß sich die Flurbereinigung eben, wie ich bereits gesagt habe, auf freiwilliger und demokratischer Grundlage vollzieht. Wir bitten um Ihre Zustimmung.
Meine Damen und Herren, wünscht die Föderalistische Union ihren Antrag Umdruck Nr. 954 Ziffern 1 und 2 zu begründen?
— Bitte schön!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach § 4 des vorliegenden Gesetzentwurfs sollen es die Flurbereinigungsbehörden sein, die ohne Antrag Flurbereinigungen anordnen. Wir halten dieses Verfahren für unrichtig, hauptsächlich aus psychologischen Gründen. Die Flurbereinigung bedeutet nun einmal einen starken Eingriff in bestehende und ererbte Besitzverhältnisse. Der Antrag soll daher von draußen kommen, von den Beteiligten, aus der Gemeinde, und zwar von einer bestimmten Mindestzahl der Beteiligten. Deshalb haben wir den Antrag gestellt, die Flurbereinigung soll nur dann angeordnet werden können, wenn mindestens ein Drittel der Beteiligten den Antrag gestellt hat und wenn diese Beteiligten mindestens die Hälfte der zu bereinigenden Fläche besitzen.
— Nein. — Diese Regelung wird z. B. in Bayern seit langem praktiziert. Sie hat sich bewährt. Ich darf daher bitten, dem Antrag unter Ziffer 1 des Umdrucks Nr. 954 die Zustimmung zu geben.
Gestatten Sie, Herr Präsident, daß ich gleich Ziffer 2 begründe?
Ja, bitte.
Wir haben weiterhin einen Antrag gestellt, der verhindern soll, daß die Antragstellung auf Flurbereinigung unnötig erschwert wird. Dem § 4 soll ein Abs. 2 angefügt werden, der den Begriff des „Beteiligten" bezüglich der Antragstellung
— und nur für diesen Zweck — insofern einschränkt, als bei der Feststellung des genannten Drittels der Beteiligten lediglich von den Beteiligten ausgegangen werden soll, die ihre Grundstücke oder ihr Grundstück von einer Hofstelle aus bewirtschaften. Wir denken dabei vor allem an die Realteilungsgebiete. Infolge der Erbteilung ist es dort meist ein höherer Prozentsatz von Beteiligten
— flächenmäßig spielte dies meist keine Rolle —, die keine Beziehung zur Landwirtschaft oder zur Gemeinde mehr haben. Dieser Personenkreis ist inzwischen in die Stadt abgewandert und hat in der Regel kein Interesse an der Flurbereinigung; er ist sogar meist dagegen. Dadurch entstehen Schwierigkeiten. Deswegen soll in dem Drittel der Beteiligten, das zur Antragstellung notwendig sein soll, die Mitzählung dieses Personenkreises unterbleiben. Dadurch wird der Antrag auf Einleitung der Flurbereinigung erleichtert. Aus diesem Grunde wurde unser Antrag unter Ziffer 2 des Umdrucks Nr. 954 gestellt, der sich lediglich — ich betone es noch einmal — auf die Antragstellung beziehen soll.
Ich darf auch hier um Ihre Zustimmung bitten.
Zu § 5 Abs. 2 liegt im Umdruck Nr. 961 Ziffer 1 ein Antrag der Abgeordneten Fürst Fugger von Glött und Genossen vor. Wünscht ihn jemand zu begründen? — Offenbar nicht.
Zur Aussprache Herr Abgeordneter Dr. Müller.
Meine Damen und Herren! Ich habe nur eine kurze Bemerkung zu machen. Die Gruppe der KP hat 40 Änderungsanträge vorgelegt, weil sie wahrscheinlich der Auffassung ist, daß es billiger ist, wenn man sofort 3'/4 Dutzend zusammenpackt.
Man hat davon gesprochen, daß das Gesetz auf demokratischer Grundlage beschlossen werden muß. Wir sind nicht gesonnen, uns mit den Anträgen von Kolchosenvertretern hier zu beschäftigen, und werden Ihre Anträge ohne weitere Debatte ablehnen.
Herr Abgeordneter Morgenthaler.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der zweite Antrag der FU bezieht sich auf die Realteilung. Es werden hier alle diejenigen benachteiligt, die vom Vater etwas ererbt haben und die vielleicht in die Stadt gezogen sind, die aber nach wie vor die Verbindung mit der Scholle und mit der Heimat aufrechterhalten. Ich möchte dazu auf folgendes hinweisen. Gerade dadurch, daß sie daheim noch ein Grundstück haben, haben sie Interesse für die Landwirtschaft. Ich betrachte es als nicht im Interesse der Landwirtschaft liegend, wenn man sie ausschließt. Sie sollen genau so behandelt werden wie die Landwirte. Man geht im Gesetz vom Eigentumsbegriff aus. Wenn der Mann vom Vater Eigentum ererbt hat, dann darf man ihn bei dieser Gelegenheit nicht auf die Seite stellen. In § 10 ist ausdrücklich vom Eigentum die Rede. Wenn diese Leute hier zurückgestellt werden, dann bedeutet das für sie eine Benachteiligung in dem, was sie vom Vater übereignet bekamen.
Ich bitte, diesen Antrag unter allen Umständen ablehnen zu wollen.
Keine weiteren Wortmeldungen. — Ich schließe die Besprechung.
Ich komme zur Abstimmung über die Änderungsanträge der Gruppe der KP zu den aufgerufenen Paragraphen Umdruck Nr. 947 Ziffern 1 bis 7. Ich bitte die Damen und Herren, die diesen Anträgen zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. — Diese Anträge sind gegen die Stimmen der Antragsteller abgelehnt.
Ich komme zur Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der FU Umdruck Nr. 954 Ziffer 1. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Dieser Antrag ist abgelehnt.
Ich komme zur Abstimmung über den Antrag Umdruck Nr. 954 Ziffer 2. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Dieser Antrag ist abgelehnt.
Ich komme zur Abstimmung über den Änderungsantrag der Abgeordneten Fürst Fugger von Glött und Genossen zu § 5 Abs. 2 in Umdruck Nr. 961 Ziffer 1. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Dieser Antrag ist abgelehnt.
Ich bitte die Damen und Herren, die nach der Ablehnung aller Änderungsanträge den §§ 1 bis 9 zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. — Das ist die Mehrheit; damit sind die Paragraphen angenommen.
Ich rufe auf die §§ 10 bis 15. Dazu liegen keine Änderungsanträge vor. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. — Das ist die Mehrheit. Sie sind angenommen.
Ich rufe die §§ 16 bis 26 auf. Dazu Änderungsanträge der Gruppe der KPD Umdruck Nr. 947 Ziffern 8 bis 18. Sollen sie begründet werden? — Herr Abgeordneter Niebergall verzichtet auf die Begründung. — Änderungsantrag der FU Umdruck Nr. 954 Ziffer 3.
Herr Abgeordneter Lampl, bitte!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Gesetzentwurf sieht in § 16 die Bildung von Teilnehmergemeinschaften vor. Unseres Erachtens werden diesen Gemeinschaften im Gesetzentwurf nicht genügend Möglichkeiten eingeräumt, bei der Durchführung der Flurbereinigung entscheidend und verantwortlich mitzuarbeiten.
— Es ist nicht ganz gleich, Herr Kollege, wie man es nennt. Die Rechtsformen sind in diesen Fällen verschiedene. Die entscheidende, verantwortungsvolle Mitarbeit an dem Unternehmen seitens der Beteiligten ist in deren eigenem Interesse, aber auch zur Durchführung der Flurbereinigung selbst notwendig. Das Interesse der Beteiligten am Unternehmen muß angeregt und erhalten bleiben. Deswegen unser Antrag, § 16 neu zu fassen und an Stelle von Teilnehmergemeinschaften Flurbereinigungsgenossenschaften zu schaffen, deren Mitglieder alle Beteiligten sein sollen. Die Behörde soll lediglich durch einen Beamten vertreten sein, der an die Beschlüsse der Genossenschaft im wesentlichen gebunden sein soll. Das ist das Prinzip der Selbstverwaltung. Die Genossenschaft soll und muß die Gewähr dafür bieten, daß die Beteiligten am Flurbereinigungsunternehmen nicht nur bei dessen Durchführung, sondern auch bei der späteren Unterhaltung der geschaffenen Anlagen und Einrichtungen maßgeblich und verantwortlich eingeschaltet sind. Deswegen darf ich Sie bitten, meine Damen und Herren, dem Antrag zuzustimmen.
Keine weitere Wortmeldung. Ich schließe die Besprechung.
Ich bitte die Damen und Herren, die den Anträgen der kommunistischen Gruppe Umdruck Nr. 947 Ziffern 8 bis 18 zuzustimmen wünschen, die Hand zu erheben. — Diese Anträge sind gegen die Stimmen der kommunistischen Gruppe abgelehnt.
Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag betreffend § 16, den der Herr Abgeordnete Lampl begründet hat, zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Dieser Antrag ist abgelehnt.
Ich bitte die Damen und Herren, die den §§ 16 bis 26 in der Gesamtheit zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. — Das ist die Mehrheit; sind angenommen.
Ich rufe auf §§ 27 bis 33. — Änderungsanträge der kommunistischen Gruppe unter Ziffern 19 und 20! — Keine Begründung. Keine weiteren Anträge. — Keine Wortmeldungen. Ich bitte die Damen und Herren, die den kommunistischen Anträgen Umdruck Nr. 947 Ziffern 19 und 20 zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. — Diese Anträge sind gegen die Stimmen der Antragsteller abgelehnt.
Ich bitte die Damen und Herren, die den §§ 27 bis 33 insgesamt zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. — Das ist die Mehrheit; ist angenommen.
Ich rufe auf §§ 34 bis 36. — Dazu zunächst der Antrag Fürst Fugger von Glött und Genossen Umdruck Nr. 961 Ziffern 2 bis 4! Soll er begründet werden? — Bitte schön, Fürst Fugger von Glött!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Unser Antrag bezweckt lediglich, zu verhindern, daß unsere einseitig ausgebildeten Techniker weiteres Unheil anrichten, wie es in der Vergangenheit geschehen ist. Wir wollen nur verhüten, daß die Landschaftspflege, die Frage des Grundwasserstandes usw. vernachlässigt wird. Einen andern Zweck hat dieser Antrag überhaupt nicht. Ich wäre dankbar, wenn das Hohe Haus unserem Anliegen Verständnis entgegenbrächte.
Zu §§ 35 und 36 Anträge der kommunistischen Gruppe Umdruck Nr. 947 Ziffern 21 bis 23! — Keine Begründung. — Keine Wortmeldung.
Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag Fürst Fugger von Glött und Genossen Umdruck Nr. 961 Ziffern 2 bis 4 betreffend § 34 zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das erste war die Mehrheit. Die Anträge sind angenommen.
Ich komme zur Abstimmung über die Anträge der kommunistischen Gruppe Umdruck Nr. 947 Ziffern 21 bis 23. Ich bitte die Damen und Herren, die diesen Anträgen zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. — Diese Anträge sind gegen die Stimmen der Antragsteller abgelehnt.
Ich bitte die Damen und Herren, die den §§ 34 bis 36 unter Berücksichtigung der beschlossenen Änderung ides § 34 zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. — Das ist die Mehrheit; angenommen.
Ich rufe auf §§ 37 und 38. Dazu die Änderungsanträge Fürst Fugger von Glött und Genossen auf Umdruck Nr. 961 Ziffern 5 bis 8. Ohne Begründung? — Ja. Änderungsantrag der kommunistischen Gruppe auf Umdruck Nr. 947 Ziffer 24 zu § 38 Ohne Begründung? — Keine Wortmeldung.
Ich bitte die Damen und Herren, die den Anträgen der Abgeordneten Fürst Fugger von Glött und Genossen auf Umdruck Nr. 961 Ziffern 5 bis 8 zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Das erste war die Mehrheit; die Anträge sind angenommen.
Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag der kommunistischen Gruppe Umdruck Nr. 947 Ziffer 24 zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen.
— Dieser Antrag ist gegen die Stimmen der Antragsteller abgelehnt.
Ich bitte die Damen und Herren, die §§ 37 und 38 unter Berücksichtigung der beschlossenen Änderungen zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen.
— Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen?
— Die aufgerufenen Paragraphen sind mit Mehrheit angenommen.
Ich rufe auf §§ 39 bis 43. Zu § 39 Änderungsantrag Umdruck Nr. 961 Ziffer 9 ohne Begründung. Anträge der kommunistischen Gruppe Umdruck Nr. 947 Ziffern 25 bis 28. Der Antrag Ziffer 29 ist zurückgezogen. — Herr Abgeordneter Niebergall!
Meine Damen und Herren! Zunächst eine kurze Bemerkung zu Herrn Dr. Dr. Müller. Man hat uns aus dem Ausschuß herausgewählt, und man muß uns folglich schon gestatten, unsere Gedankengänge zu einem solch wichtigen Gesetz hier zum Ausdruck zu bringen. Wir haben den Änderungsantrag zu § 40 deshalb gestellt. weil wir es in den letzten beiden Jahren erlebt haben, daß 500 000 ha Land, Wald und Wiese unserer Ernährung und Versorgung für militärische Zwecke entzogen wurden. Weil wir befürchten, daß mittels dieses Flurbereinigungsgesetzes Ähnliches geschehen könnte, bitten wir Sie, unserem Antrag die Unterstützung zu geben.
Keine weiteren Wortmeldungen. Ich komme zur Abstimmung zunächst über den Antrag der Abgeordneten Fürst Fugger von Glött und Genossen Umdruck Nr. 961 Ziffer 9. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrage zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das letzte war die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ich bitte die Damen und Herren, die den kommunistischen Anträgen Umdruck Nr. 947 Ziffern 25 bis 28 zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. — Diese Anträge sind gegen die Stimmen der Antragsteller abgelehnt worden.
Ich bitte die Damen und Herren, die den §§ 39 bis 43 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. — Das ist die Mehrheit; angenommen.
Ich rufe auf §§ 44 bis 55. Änderungsantrag Umdruck Nr. 961 Ziffer 10 betreffend § 45. — Ohne Begründung. Weiterer Änderungsantrag der kommunistischen Gruppe auf Umdruck Nr. 947 Ziffer 30. Keine Begründung.
Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrage Fürst Fuger von Glött und Genossen auf Umdruck Nr. 961 Ziffer 10 zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das letzte ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag Umdruck Nr. 947 Ziffer 30 zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. — Dieser Antrag ist gegen einen Teil der Stimmen der Antragsteller abgelehnt.
Ich bitte die Damen und Herren, die den §§ 44 bis 55 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. — Das ist die Mehrheit; angenommen.
Ich rufe auf §§ 56 bis 60. Änderungantrag Umdruck Nr. 947 Ziffer 31. — Ohne Begründung. Keine weiteren Wortmeldungen.
Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrage Nr. 947 Ziffer 31 zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. — Gegen die Stimmen der Antragsteller abgelehnt.
Ich bitte die Damen und Herren, die den §§ 56 bis 60 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. — Das ist die Mehrheit; angenommen.
Ich rufe auf §§ 61 bis 64, Änderungsantrag der kommunistischen Gruppe Umdruck Nr. 947 Ziffer 32. — Ohne Begründung. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Änderungsantrag der kommunistischen Gruppe zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. — Gegen die Stimmen der Antragsteller abgelehnt.
Ich bitte die Damen und Herren, die den §§ 61 bis 64 — ich rufe gleichzeitig auf §§ 65 bis 67, 68 bis 78 — zuzustimmen wünschen, ihre Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit; angenommen.
Ich rufe auf §§ 79 bis 83. — Keine Wortmeldungen. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. — Das ist die Mehrheit; angenommen.
Ich rufe auf §§ 84 bis 86, Änderungsanträge der kommunistischen Gruppe Umdruck Nr. 947, Ziffern 33 bis 35. — Im Interesse der Vereinfachung rufe ich auf bis § 90, Umdruck Nr. 947, Ziffer 36. — Herr Abgeordneter Niebergall.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Unsere Landwirschaft ist mit mehr als 4 Milliarden DM verschuldet. Hinzu kommen die hohen Steuern, die unsere Landwirtschaft belasten, die hohen Industriepreise und jetzt die Naturkatastrophen sowie die Auswirkungen der Liberalisierung für unseren Obst-, Wein- und Gemüsebau und für die Käsewirtschaft. Es ist deshalb unmöglich, die Lasten der Flurbereinigung, wie das in dieser Gesetzesvorlage vorgesehen ist, den Bauern aufzuzwängen. Wir sind der Meinung, die Mittel dazu sollen vom Staat, d. h. von den Ländern und dem Bund, gegeben werden. Geld ist nach unserer Auffassung in Hülle und Fülle da.
Mit Recht sagen die Bauern draußen in den Versammlungen: Die sollen oben die Ministergehälter abbauen, sollen die Prunkbauten einstellen und sollen das übrige von den Besatzungskosten nehmen; dann haben wir mehr als genug, nicht nur für die Flurbereinigung, sondern auch für andere friedliche Zwecke.
Herr Abgeordneter Niebergall, erleichtert es Ihnen die Arbeit, wenn ich hier gleich bis § 107 aufrufe?
— Sie sind fertig, aha. —
Ich komme zunächst zur Abstimmung über die Anträge auf Umdruck Nr. 947 Ziffern 33 bis 36. Ich bitte die Damen und Herren, die diesen Anträgen zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. — Gegen die Stimmen der Antragsteller abgelehnt.
Ich bitte die Damen und Herren, die den §§ 84 bis 90 zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen.
— Das ist die Mehrheit; angenommen.
Ich rufe auf §§ 91 bis 103, Änderungsantrag der kommunistischen Gruppe auf Umdruck Nr. 947 Ziffer 37 auf Streichung der §§ 91 bis 103. — Keine Begründung. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Streichungsantrag zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. — Gegen die Stimmen der Antragsteller abgelehnt.
Ich bitte die Damen und Herren, die diese Paragraphen anzunehmen wünschen, um ein Handzeichen. — Das ist die Mehrheit; angenommen.
Ich rufe auf §§ 104 bis 137, Änderungsanträge der Gruppe der KPD Umdruck Nr. 947 Ziffern 38 bis 40. — Keine Wortmeldungen. Ich bitte die Damen und Herren, die den kommunistischen Anträgen zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichnen. — Gegen die Stimmen der Antragsteller abgelehnt.
Ich bitte die Damen und Herren, die die, §§ 104 bis 137 anzunehmen wünschen, um ein Handzeichen. — Das ist die Mehrheit; angenommen.
Ich rufe auf §§ 138 bis 153. — Keine Wortmeldungen. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. — Das ist die Mehrheit; angenommen.
Ich rufe auf §§ 154 bis 159, Änderungsanträge der FU Umdruck Nr. 954, Ziffern 4 und 5. — Herr Abgeordneter Lampl zur Begründung, bitte.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der § 155 enthält eine Liste von Gesetzen, die mit der Verkündung des Bundes -Flurbereinigungsgesetzes außer Kraft treten sollen. Darunter befindet sich auch das bayerische Flurbereinigungsgesetz. Wir halten dieses bayerische Gesetz für besser als das vorliegende Bundesgesetz bzw. dessen Entwurf und bitten deshalb, das bayerische Gesetz zu belassen und dementsprechend in § 155 des vorliegenden Entwurfes „bayerisches Gesetz" zu streichen. Ich bitte, diesem Antrag zuzustimmen.
Aus dem gleichen Grunde beantragen wir unter Ziffer 5, dem § 158 einen Abs. 2 anzufügen des Inhalts, daß das bayerische Flurbereinigungsgesetz durch das Bundesflurbereinigungsgesetz nicht berührt wird. Ich darf bitten, diesem Antrag Ihre Zustimmung zu geben.
Keine Wortmeldungen. — Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag der Föderalistischen Union auf Umdruck Nr. 954 Ziffern 4 und 5 zuzustimmen wünschen, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Dieser Antrag ist abgelehnt.
Ich bitte die Damen und Herren, die die §§ 154 bis 159, Einleitung und Überschrift anzunehmen wünschen, um ein Handzeichen. — Das ist die Mehrheit. Ist angenommen. Damit ist die zweite Beratung beendet. Ich komme zur
Dritten Beratung.
Es ist eine allgemeine Aussprache von 60 Minuten vorgesehen. Herr Abgeordneter Funk.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die, Christlich-Soziale Union ist nicht in der Lage, dem Flurbereinigungsgesetz zuzustimmen.
Sie ist von der Notwendigkeit der Flurbereinigung im Interesse der Landwirtschaft und der Ernährung überzeugt. Ich weise aber darauf hin, daß diese Aufgabe in den meisten Ländern seit Jahrzehnten gesetzlich und organisatorisch geregelt und in der Durchführung begriffen ist. Wenn diese Aufgabe auch noch nicht überall abgeschlossen ist, so liegen die Gründe dafür in den sehr verschiedenen Größenverhältnissen des landwirtschaftlichen Grundbesitzes und außerdem noch in den verwaltungsmäßigen und finanziellen Schwierigkeiten der hinter uns liegenden Zeit. Seit der Überwindung dieser Schwierigkeiten ist in Bayern eine verstärkte Flurbereinigung mit neuzeitlichen Methoden im Gange, die durch eine bundesgesetzliche Regelung nur wieder aufgehalten und verzögert wird.
Es besteht offenbar die Meinung, daß es nur einer bundesgesetzlichen Regelung bedürfe, um die Flurbereinigung beschleunigt durchzuführen. In Wirklichkeit muß jedes Land unter Berücksichtigung seiner Verhältnisse und seiner jahrzehntelangen Erfahrungen diese Aufgabe selbst lösen.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Schmidt.
Dr. Schmidt (SP )): Meine sehr verehrten Damen und Herren! Trotz der noch langen Tagesordnung für heute darf ich mir erlauben, einige Bemerkungen zum Thema Flurbereinigung an sich und zu der Vorlage zu machen, zumal wir bei der ersten Lesung keine Debatte gehabt haben, und zum anderen, damit in der Öffentlichkeit nicht der Eindruck entseht, als ob wir diesem Gesetz vorbehaltlos unsere Zustimmung gäben.
Allgemein ist bekannt, daß die Flurbereinigung ein vorrangiges Problem ist.
Einmal Ist sie ein grundlegendes Mittel zur Verbesserung der landwirtschaftlichen Produktionsgrundlage, zum anderen wird sie von vielen als ein Teil einer landwirtschaftlichen Neuordnung beurteilt. Ich glaube, Politiker wie Wissenschaftler sind sich darin einig.
Wir haben uns in vielen Anträgen um eine schnelle Lösung der Flurbereinigung bemüht, und wir konnten daher auch hohe Erwartungen an die Regierungsvorlage stellen, zumal wir ja lange darauf warten mußten. Man hätte hoffen können, das Sprichwort würde hier in Erfüllung gehen: Was lange währt, wird endlich gut. Leider muß ich sagen: für uns war die Vorlage eine Enttäuschung. Die Vorlage selbst bringt nur eine Zusammenfassung aller bisherigen Bestimmungen im Umlegungsrecht, und sie entspricht vor allen Dingen nicht unserer Forderung, die wir in unseren agrarpolitischen Richtlinien niedergelegt haben, daß die bisherigen gesetzlichen Verfahren zeitlich abzukürzen und technisch zu vereinfachen sind.
Ich gebe zu, daß der Fünfte Teil der Vorlage ein Kapitel über die beschleunigte Zusammenlegung enthält. Aber es bleibt leider nur ein untergeordnetes Verfahren. Der Versuch, die ganze Vorlage entsprechend unseren Auffassungen zu ändern, hätte bedeutet, daß man sie der Regierung hätte
[Ni dersachsen]
zurückgeben müssen, um daraus zwei neue Gesetze zu machen. Dazu war weder Zeit, noch war die Regierung dazu bereit und in der Lage.
Der Vorteil der jetzigen Vorlage besteht darin, daß der Rechtszersplitterung Einhalt geboten ist. Deswegen und weil keine Verschlechterung gegenüber dem geltenden Recht eintritt, werden wir dem Gesetz auch unsere Zustimmung geben.
Wir haben uns — das muß ich ausdrücklich sagen — im Ausschuß letzten Endes darum bemüht, klare Begriffe und Formulierungen zu schaffen und das Verfahren so eindeutig wir nur möglich zu machen. Daß das notwendig war, erkennen Sie schon aus der Tatsache, daß allein der Bundesrat 91 Änderungswünsche gehabt hat. Ich darf hinzufügen, daß wir viele Versuche haben abwehren müssen, die darauf hinausliefen, die Flurbereinigung mit allen möglichen Mitteln zu durchlöchern; dieser Versuch ist ja auch heute in der Beratung gemacht worden. Wir haben darüber hinaus verhindern müssen, daß die Flurbereinigung mit anderen Maßnahmen — ich meine hier mit Bodenreformplänen und auch mit sonstigen Landbeschaffungsmaßnahmen —gekoppelt wurde. Damit würde nämlich der Flurbereinigung ein sehr schlechter Dienst erwiesen worden sein. Ich darf auf die §§ 87 und 88 verweisen. Es ist eine Kompromißlösung. Sie befriedigt uns noch nicht. Wir werden aber trotzdem, wie ich schon sagte, dem Gesetz unsere Zustimmung geben.
Wir begrüßen es — auch das möchte ich ausdrücklich sagen —, daß in dem Gesetz die betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkte mehr in den Vordergrund gerückt worden sind, daß das Lineal und der Zirkel etwas zurücktreten müssen. Ich weiß, daß das Streben, betriebswirtschaftliche Gesichtspunkte in den Vordergrund zu rücken, bei den Umlegungsbehörden auf außerordentliche Schwierigkeiten stößt. Das nimmt auch gar nicht wunder; denn die Umlegungsbehörden waren bisher das Monopol der Juristen. Nebenbei gesagt: auch das sollte einmal anders werden! Daher ist im Gesetz verankert, daß in vielen Punkten eine Zusammenarbeit mit der gesetzlichen Berufsvertretung notwendig ist.
Die anderen Interessengruppen, die damit zu tun haben — ich meine hier die Siedlung, den Wohnungsbau, den Naturschutz, die Landschaftspflege, die Wasserwirtschaft usw. — sind meines Erachtens weitgehend berücksichtigt worden. Allerdings gingen manche Forderungen zu weit. Ich darf Ihnen einmal ein Beispiel geben. Ein großer Jagdschutzverband hat uns eine Eingabe unterbreitet, in der gefordert wurde, sogar die Jagdberechtigten als Teilnehmer beim Flurbereinigungsverfahren aufzunehmen. Ich meine, solche Vorschläge kann man wirklich nicht ernst nehmen. Ich bedaure jedoch, daß die in der zweiten Lesung gefaßten Beschlüsse, durch die Fragen der Landschaftsgestaltung und der Landschaftspflege noch mehr in den Vordergrund gerückt worden sind, dazu führen werden, daß die Flurbereinigung noch mehr erschwert wird, als es heute schon der Fall ist.
Nun, die Flurbereinigung wird einmal von dem Einfühlungsvermögen der Umlegungsbehörden und zum andern von der Geldfrage abhängen. Man weist uns darauf hin, daß die Flurbereinigung im wesentlichen am Widerstand der Bauern scheitern werde. Demgegenüber möchte ich von vornherein erklären, daß die Schuld an einem etwaigen Scheitern niemals beim Bauern zu suchen ist. Die
Schuld tragen allein der Gesetzgeber und die Behörden. Man kann einfach eine Flurbereinigung nicht mit Holzhammermethoden erzwingen wollen. Hier ist eben eine geistige Vorleistung der Umlegungsbehörden notwendig, um den Bauern klarzumachen, daß die Flurbereinigung letzten Endes auch in ihrem eigenen Interesse liegt. Ich möchte den Bauern sehen, der die Flurbereinigung dann ablehnte. Im übrigen empfehle ich der Bundesregierung, bei der Durchführung dieser Aufgabe für das ganze Bundesgebiet Dringlichkeitsstufen und Dringlichkeitszonen festzulegen.
Nun noch etwas zur Kostenfrage. Das ist ein außerordentlich wunder Punkt. Wenn man, wie bisher, für den Hektar Umlegungsland 300 DM veranschlagte, so würde das bei 7 Millionen Hektar umlegungsbedürftiger Fläche einen Gesamtbetrag von 2,1 Milliarden DM ausmachen. Würde man dagegen andere, vereinfachte Wege gehen, dann käme man mit einem Bruchteil dieser Summe aus. Es ist selbstverständlich, daß die Landwirtschaft einen wesentlichen Teil dieser Kosten nicht aus eigenen Mitteln bestreiten kann. Hier müssen öffentliche Mittel in Anspruch genommen werden. Wenn man die Flurbereinigung will, muß man meines Erachtens auch die Konsequenz daraus ziehen. Ich verweise auf die Haushaltspläne. Im Haushaltsplan des Ernährungsministeriums steht in Kap. 1002 in der Begründung des Tit. 663, daß die Flurbereinigung eine der wesentlichsten Voraussetzungen der Erzeugungssteigerung ist. Man muß staunen, daß für diese wesentliche Voraussetzung nur 1 Million DM bereitgestellt werden. Ich finde, diese Summe ist nicht nur beschämend, sie ist nach meiner Ansicht sogar ein Zeichen für die eigentliche Haltung dieser Bundesregierung. Ich brauche auf der anderen Seite nur an die Millionenausgaben von Förderungsmitteln für andere Zwecke zu erinnern. Der Eingriff in die Eigentumsrechte der Bauern und der daraus entstehende volkswirtschaftliche Nutzen rechtfertigen größere Ausgaben an öffentlichen Mitteln direkter und auch indirekter Art durch den Großeinsatz von Maschinen. Ich nehme an, daß wir bei den Etatberatungen auf diesen Punkt noch einmal zurückkommen werden.
Lassen Sie mich zum Schluß noch einen anderen Gesichtspunkt hinzufügen. Die Flurbereinigung soll — ich glaube, da sind wir alle einer Meinung — eine Maßnahme von Dauer sein. Sie soll aber kein Dauerproblem werden. Deswegen begrüßen wir die Entschließung des Bundesrats, der sich auch der Ernährungsausschuß angeschlossen hat. Wir begrüßen sie deshalb, weil die Flurbereinigung damit zu einer Maßnahme von Dauer gemacht werden kann.
Ich darf zusammenfassen: Alles in allem ist die Flurbereinigung nach der jetzigen Konstruktion für die Regierung nur ein technisches Instrument. Sie ist kein Teil eines großen umfassenden Plans. Sie bringt vor allen Dingen keine Lösung des Problems der Mittel- und Kleinbetriebe. Sie kann nur eine Teillösung sein. Ich bin der Meinung, wir müssen sie in einen großen landwirtschaftlichen Neuordnungsplan hineinstellen. Die Regierung hat einen solchen Plan nicht. Wir bedauern das. Wir bedauern noch mehr, daß all diese Fragen vorwärts zu treiben man letzten Endes einigen Regierungsräten und Oberregierungsräten in den Ministerien überläßt.
Trotz aller dieser Bedenken werden wir dem Gesetzentwurf zustimmen. Wir hoffen, daß wenig-
— Sie können uns kein X für ein U vormachen, auch nicht den Bauern. Wie bekannt, benötigt sowohl die Artillerie als auch die Luftwaffe unbedingt solche bestimmten Punkte zum direkten und indirekten Beschuß und zur Bombardierung. Im Zuge der technischen Durchführung der Flurbereinigung findet eine vollkommen neue Vermessung des jeweiligen Bereinigungsnetzes und eine Ausmessung aller Kulturausscheidungen im jeweiligen Flurbereinigungsgebiet statt. Es sind dies Wege, Brücken, Böschungen, Kiesgruben, auffallende einzeln stehende Bäume und Feldkreuze. Diese Ausmessung ist deshalb eine wichtige Kartenunterlage. Die Kartierung erfolgt bei der Flurbereinigung in den Maßstäben 1 : 1000, 1 : 2500 und 1 : 5000, also Maßstäben, die im Verhältnis zu der Schießkarte von 1 : 25 000 wesentlich genauere Unterlagen bieten.
Durch die Flurbereinigung erfolgt zu gleicher Zeit die Heranbildung eines großen Stabes von technischem Fachpersonal sowohl in den Flurbereinigungsämtern wie auch als Vermessungstechniker als Fachkräfte in der Kartenherstellung.
Dieses erspart die langdauernde Ausbildung von Fachkräften bei einer eventuellen Wehrmacht. — Herr Dr. Dr. Müller, in der Deutschen Demokratischen Republik hat man das nicht nötig; und wenn Sie das in Westdeutschland ändern wollen, bitte, in gemeinsamen Verhandlungen, in gemeinsamer Absprache, in gemeinsamem Auf-einenNenner-Bringen, lassen sich alle diese Probleme lösen.
Die technische Einrichtung der Flurbereinigungsämter, z. B. die neuen Produktionsabteilungen, sowie die Instrumente wären im Bedarfsfalle, im Falle eines Krieges, sofort für Kriegszwecke zu verwenden. Im Zuge der Flurbereinigung besteht die Möglichkeit, Flächen und Gebiete zu schaffen, die militärischen Zwecken dienen. Wir haben interessanterweise erlebt, daß die Sozialdemokratische Partei sagt, sie sei nicht mit diesem Gesetz einverstanden, sie werde aber diesem Gesetz, wie der Sprecher das zum Ausdruck brachte, trotzdem ihre Zustimmung geben. Das bedeutet auch, daß sie zustimmt, daß im Rahmen der Flurbereinigung den Bauern das Land für militärische Zwecke genommen wird. Aus dieser Tatsache geht klar hervor, daß das Flurbereinigungsgesetz unter anderem eine Vorleistung für den Generalvertrag, für die Kriegsverträge von Bonn und Paris ist.
Dieses Gesetz hat aber auch eine andere Seite. Es soll dazu beitragen, die wirtschaftlich Mächtigen im Dorf zu stärken, das zu realisieren, von dem der Herr Bundesminister Professor Dr. Niklas in Kreuznach sprach, daß nämlich 700 000 kleinbäuerliche Betriebe angesichts der Grausamkeit des Weltgeschehens zugrunde zu gehen haben. Den wesentlichen Vorteil von der Flurbereinigung haben die wirtschaftlich Mächtigen im Dorf, während das Gros durch den Flächenverlust von 5 bis 10 % und die anfallenden Kosten für die Flurbereinigung, die bis zu 300 DM pro Hektar betragen, zu leiden haben. Da sich die rationellen Arbeitsmethoden mit Maschinen und Geräten nur eine kleine Schicht im Dorfe erlauben kann, wäre die Vernichtung des kleinbäuerlichen Besitzes die Folge dieses Gesetzes.
Dieses Flurbereinigungsgesetz hat einen vollkommen antidemokratischen und diktatorischen Charakter. Erstens soll die Flurbereinigung von der Flurbereinigungsbehörde dann angeordnet werden, wenn sie die Voraussetzung als gegeben ansieht. Ausgeschaltet werden soll die Freiwilligkeit der Bereinigung und das demokratische Recht der Bestimmung der Dorfbevölkerung selber.
Zweitens sollen den Bauern gegen ihren Willen die Kosten der Flurbereinigung auferlegt und bei Nichtbezahlung gerichtlich eingetrieben werden.
Drittens besagen die Erfahrungen der Vergangenheit, daß eine Bereinigung von Wald und Weinbergen. teilweise auch von Wiesen und Viehweiden unvermeidlich eine Benachteiligung einzelner Beteiligter bringt. Deshalb wird eine Bereinigung gerade auf diesen Gebieten von dem Gros unserer Bauern abgelehnt.
Es ist sehr interessant, daß die SPD dieses Gesetz schluckt. Herr Kollege Schmidt stellt sich hier hin und sagt: Ja, das belastet unsere Bauern. Aber wir haben ja einen ganz konkreten Änderungsantrag eingebracht, wonach der Bund und die Länder diene Kosten zu tragen haben. Trotzdem hat die SPD dagegen gestimmt.
Das vorliegende Flurbereinigungsgesetz dient keineswegs unserer Nation. Es ist antinational. Es dient in erster Linie der Kriegsvorbereitung sowie den Großen im Dorf und trifft die Kleinen. Der Beifall jener, die bisher die Bodenreform verhindert haben, für dieses Gesetz zeigt ganz klar, worum es sich bei diesem Gesetz handelt.
Das Wort hat der Abgeordnete Lampl.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir betrachten den vorliegenden Entwurf für ein Bundesflurbereinigungsgesetz so recht als ein Beispiel dafür,- wie der Bund bestrebt ist, die Gesetzgebung an sich zu ziehen und die Zuständigkeiten der Länder zu beschneiden.
Im Falle des Flurbereinigungsgesetzes hat Bayern schon im Bundesrat die Zuständigkeit des Bundes bestritten und erklärt, daß ein Bundesflurbereinigungsgesetz weder berechtigt noch sachlich vertretbar ist. Bayern besitzt seit langem ein eigenes Flurbereinigungsgesetz. Das zur Zeit geltende besteht seit 1932. Es wurde 1946 wieder in Kraft gesetzt, nachdem es sich gezeigt hatte, daß das inzwischen eingeführt gewesene Reichsumlegungsgesetz den Bedürfnissen nicht gerecht zu werden vermochte. Seit 1946 nun wird in Bayern die Flurbereinigung wieder nach dem eigenen Gesetz mit bestem Erfolg durchgeführt.
Nach statistischen Unterlagen liegen die Arbeitsergebnisse der bayerischen Flurbereinigungsämter zur Zeit an erster Stelle unter allen Bundesländern. Bezeichnend ist auch, daß der erste Lehrgang für Flurbereinigung, der nach 1945 vom Bund aus stattgefunden hat, 1951 — wohl nicht zufällig — in Bayern abgehalten worden ist.
— Ja, das stimmt; es ist Tatsache, Herr Kollege! — Ein Teilnehmer dieses Lehrgangs, ein Beamter der niedersächsischen Flurbereinigungsbehörde, hat anläßlich einer Besichtigungsreise des Ernährungsausschusses im Herbst 1951 in einer öffentlichen Aussprache erklärt — die hier anwesenden Mitglieder dieses Ausschusses können es bestätigen —, er habe gesehen, wie vorbildlich die bayerische Flurbereinigung arbeite, und daß man Bayern um sein Flurbereinigungsgesetz beneiden müsse.
Meine Damen und Herren! Bei dieser Sachlage ist es wirklich nicht angebracht, ein bewährtes Ländergesetz durch ein Bundesgesetz zu ersetzen, zu ersetzen übrigens durch ein weniger gutes Gesetz. Der Bundesgesetzentwurf atmet den Geist der verflossenen Reichsumlegungsordnung. Er beschneidet die verantwortliche Mitarbeit der Beteiligten, die doch so willkommen sein muß, und vermindert zudem das Interesse der Beteiligten an der Flurbereinigung. Es ist nicht einzusehen, warum die Behörde die Flurbereinigung allgemein ohne Antrag anordnen soll. Ein Flurbereinigungsverfahren bedeutet für eine Gemeinde eine Art „Erdrutsch". Der Entschluß dazu ist nicht leicht. Um so gründlicher muß er überlegt werden, und um so wichtiger ist es, die Dinge zu einer gewissen Reife kommen zu lassen. Die Initiative der Beteiligten muß daher in den Vordergrund gestellt werden! Um so überzeugter werden die Beteiligten dann zu ihrem Unternehmen stehen, um so eher das geschaffene Werk als ihr eigenes betrachten. Um so leichter wird es dann auch der Behörde, zu arbeiten, und um so besser ist das Ergebnis. Auch zahlreiche sonstige Bestimmungen des Gesetzes bedeuten eine Schlechterstellung mindestens der bayerischen Landwirtschaft, u. a. die Bestimmung über das Beschwerderecht, z. B. im Falle der Landneuzuteilung.
Lassen Sie mich, meine Damen und Herren, zusammenfassend sagen: Wir sehen in der Flurbereinigung eine der vordringlichsten Maßnahmen zur Hebung der Leistungsfähigkeit und zur Rationalisierung der Landwirtschaft. Wir brauchen vielleicht ein Bundesrahmengesetz, um den Ländern, die noch kein eigenes Gesetz haben, die Möglichkeit zu schaffen, möglichst bald ein solches Gesetz zu erhalten. Wir brauchen aber auf keinen Fall ein Gesetz, das alle Fluren zwischen der Nordsee und unseren bayerischen Bergen einheitlich umlegen und zusammenlegen will.
Wir brauchen kein Bundesgesetz, wenn es nachweislich ein bewährtes Landesgesetz gibt und das Bundesgesetz dann dieses Landesgesetz aufhebt.
Weil der vorliegende Entwurf das will, muß meine Fraktion, die Föderalistische Union— Bayernpartei-Zentrum —, dieses Bundesflurbereinigungsgesetz ablehnen.
Das Wort hat der Abgeordnete Bauknecht.
Meine Damen und Herren! Meine Absicht ist nicht, zu dem Inhalt des Gesetzes zu reden, ich möchte vielmehr nur das Hohe Haus auf folgendes aufmerksam machen. Wenn dieses Flurbereinigungsgesetz in Kraft tritt, haften an ihm noch eine ganz große Anzahl Mängel. Man wird nämlich sehen, daß dort, wo die Fluren bereinigt werden und man sich nicht bemüßigt fühlt, zu verhindern, daß später, im ersten Erbgang bereits, wieder eine Teilung erfolgt, die öffentlichen Gelder verschwendet werden. Es ist deshalb begrüßenswert, daß der Bundesrat eine Entschließung eingebracht hat, der sich der Ernährungsausschuß des Bundestags voll angeschlossen hat, in der von der Regierung verlangt wird, daß beschleunigt entweder ein neues Gesetz kommt oder daß durch irgendwelche Vorschriften verhindert wird, daß zusammengelegte Fluren wieder aufs neue geteilt werden.
Ein Zweites. Die Öffentlichkeit ist oft der Auffassung, daß Wesentliches für die Rationalisierung der Landwirtschaft getan sei, wenn die Fluren bereinigt seien. Ich mache darauf aufmerksam, daß folgende Dinge weiterbestehen. Bei unseren traditionellen Siedlungen, bei den geschlossenen Dörfern bleibt die Weite der Wege bestehen. Die Feldstücke können wohl auf einen Rayon zusammengelegt werden, aber die Entfernungen vom Hof zu den Fluren werden dadurch nicht kürzer.
Weiter bleibt die Dorfenge nach wie vor bestehen. Es wäre deswegen vielleicht ganz gut, wenn einige Dörfer miteinander die Fluren bereinigten und man Abmachungen treffen könnte, daß jeweils wenigstens ein Teil der Bauern gleichzeitig ausgesiedelt würden und daß dort, wo die Dorffluren zusammenstoßen, einige Einzelhöfe oder Weiler errichtet würden.
Das ist an und für sich nichts Neues, es ist nur die Fortsetzung dessen, was unsere Altvordern schon vor Jahrhunderten gemacht haben. Ich erinnere daran, daß in meiner Heimat, im Allgäu, bereits im Jahre 1680 aus der Erkenntnis der Klöster, die die Lehensgüter hatten, die Vereinigung durchgeführt wurde. Wir sind heute froh, daß das damals geschehen ist. Aber es scheint, als ob man diese Dinge nun nicht mehr praktizieren wollte. Sehen wir in das Ausland hinaus, nach Dänemark, nach
Holland, nach Schweden! Dort hat man eine echte Bauernbefreiung vor 100 und 150 Jahren dadurch durchgeführt, daß man die Dörfer aufgelöst und Einzelhöfe geschaffen hat. Es nimmt uns deswegen nicht wunder, daß man dort eben billiger produzieren kann, wenn die Fluren geschlossen um den Hof liegen. Es ist wirklich notwendig, daß auch bei uns Mittel für diese Aussiedlungen bereitgestellt werden. Sonst bleibt eben die alte Dorfenge bestehen, wir kommen aus den Schwierigkeiten nicht heraus und werden auch in einem kommenden Europa nicht wettbewerbsfähig sein.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Horlacher.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe zunächst den grundsätzlichen Ausführungen des Sprechers der CSU, des Abgeordneten Funk, nichts Gegenteiliges hinzuzufügen. Daß da kein Irrtum entsteht! Aber ich möchte dazu folgendes sagen. Für uns in Bayern ist dieses Flurbereinigungsgesetz, das weit über ein Rahmengesetz hinausgeht, eine sehr schmerzliche Angelegenheit, um so mehr, als wir in Bayern — das nehmen wir für uns in Anspruch; Württemberg ist auch etwas nachgefolgt — auf dem Gebiete der Flurbereinigung eine mustergültige Regelung getroffen haben.
Es ist nicht so, daß wir von den andern zu lernen brauchen, sondern die andern müssen von uns lernen.
Sie haben ja den Grundsatz auch in dem § 102 anerkannt, wo Sie das beschleunigte Verfahren zur Durchführung der Flurbereinigung, das in Bayern angewandt wird, auch für Bayern wohlweislich belassen haben. Denn Sie wissen ganz genau, daß wir zur rascheren Durchführung der Flurbereinigung jetzt die Einrichtungen geschaffen haben, die die anderen nachmachen müssen. Nach meiner Überzeugung wäre es chon möglich gewesen, daß die anderen Länder sich nach dem bayerischen Beispiel in ihren Länderparlamenten selber Flurbereinigungsgesetze geschaffen hätten.
Dazu hätten sie kein Bundesflurbereinigungsgesetz gebraucht. Das ist für uns der schwerwiegende Punkt.
Auf der anderen Seite ist es für uns besonders schmerzlich, daß das gute alte bayerische Flurbereinigungsgesetz, das im Jahre 1946 wieder aufgenommen wurde, außer Kraft tritt, weil in diesem Gesetz eine Reihe von Bestimmungen enthalten sind — der Herr Kollege Lampl hat schon darauf hingewiesen —, die eine vernünftigere Einschaltung der Beteiligten gewährleisten als das jetzige Gesetz. Der Kollege La m p l hat auf die Genossenschaften hingewiesen, die zur Durchführung der Flurbereinigung bestehen. Ich will mich da auf Einzelheiten nicht mehr einlassen. Das ist für uns alles eine Angelegenheit, die man kaum verstehen kann. Dabei steht juristisch einwandfrei fest — der Herr Kollege Laforet war selber in dem Parlamentarischen Rat, wie er geheißen hat, dabei, und aus den Protokollen geht es hervor —, daß die Flurbereinigung nicht zu den Gebieten gehört, die durch ein Bundesgesetz zu regeln sind. Vielmehr war die Flurbereinigung nicht unter die Gegenstände aufgenommen, die von Bundes wegen geregelt werden sollten. Das möchte ich einwandfrei feststellen. Das Gesetz geht weit über den Rahmen hinaus, der im Grundgesetz zugestanden worden ist.
Aus diesem Grunde ist es für uns konsequenterweise absolut notwendig, daß wir von seiten der CSU diesem Gesetz unsere Zustimmung versagen. Darüber möchte ich keinen Zweifel lassen. Wir haben in den Beratungen mitgemacht, um so viel an Verbesserungen anbringen zu können, wie es bei den Gesamtverhältnissen, die sich da ergeben haben, möglich war. Wir müssen also das Flurbereinigungsgesetz ablehnen. Wir hätten gewünscht, daß die einzelnen Länder sich nach einem Bundesrahmengesetz mit wenigen Bestimmungen selber Flurbereinigungsgesetze geschaffen hätten. Das ist nicht geschehen. Daraus, daß wir aus verfassungsmäßigen und praktischen Gründen dieses Gesetz ablehnen, darf aber nicht der Schluß abgeleitet werden, daß wir gegen die Flurbereinigung als solche wären. Die Flurbereinigung halten wir für absolut notwendig. Wir hätten es aber für notwendig gehalten, daß die anderen Länder einmal dem guten Beispiel Bayerns gefolgt wären. Es kommt nicht lauter Schlechtes von uns, sondern es kommt auch Gutes. Das müssen Sie auch anerkennen. Auf dem Gebiet der Flurbereinigung sind wir die Pioniere gewesen, und es wäre eine Anstandspflicht gewesen, daß Sie uns gefolgt wären.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dannemann.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Von verschiedenen Sprechern ist bereits darauf hingewiesen worden, daß eine der vordringlichsten Maßnahmen, die wir in der Landwirtschaft überhaupt durchzuführen haben, eine einheitliche und großzügige Flurbereinigung ist. Man macht so oft und so gern der Landwirtschaft den Vorwurf, daß sie nicht modern sei, daß sie nicht mit der auswärtigen Landwirtschaft konkurrieren könne. Man macht ihr den Vorwurf, daß sie insbesondere auf dem Gebiete der Technisierung nicht mit dem Ausland Schritt gehalten habe.
Wie liegen die Verhältnisse? Fahren wir einmal durch unser Bundesgebiet, dann müssen wir feststellen, daß es sich bei der Vielzahl der etwa zwei Millionen bäuerlicher Betriebe, die wir haben, in der Hauptsache um klein- und mittelbäuerliche Betriebe handelt und daß sehr viel von der mühseligen Arbeit der Landwirtschaft an den Rädern hängenbleibt, weil die vielen Parzellen irgendwo zerstückelt in der Flur herumliegen. Wir sind daher der Meinung gewesen, daß man mit allem Nachdruck und beschleunigt ein Flurbereinigungsgesetz für das ganze Bundesgebiet durchführen sollte.
Ich bin mir auch klar darüber, daß dies nicht nur eine Angelegenheit der Landwirtschaft ist, sondern daß es eine Angelegenheit des gesamten Staates ist. Wir haben daher die Auffassung vertreten, daß auch hier wesentliche Mittel des Bundes eingesetzt werden sollten. Ich habe in gewisser Hinsicht Verständnis dafür, wenn sich die Kollegen aus Bayern dagegen sträuben, daß nun ihr wirklich gutes Flurbereinigungsgesetz im Zuge dieser einheitlichen Regelung außer Kraft gesetzt werden soll. Ich darf aber zu Ihrer Beruhigung sagen, meine Damen und
Herren, daß wir uns im Ernährungsausschuß gerade dieses gute bayerische Gesetz zum Vorbild genommen haben und daß viele Gedankengänge, die hier verwirklicht worden sind, weiter nichts sind als die Nachahmung der Bestimmungen, die in dem guten bayerischen Gesetz niedergelegt sind.
Infolgedessen ist es wirklich kein Rückschritt, wenn wir jetzt den Standpunkt vertreten, daß der Einheitlichkeit wegen das, was sich dort gut bewährt hat, auf das gesamte Bundesgebiet ausgedehnt werden sollte. Ich bitte daher, auch unseren Standpunkt als richtig anzuerkennen, der dahin geht, daß die Streichung des bayerischen Gesetzes, die wir in dem abschließenden Katalog angeführt haben, nicht irgendein Schritt gegen Bayern ist, sondern wir wollen damit nur das, was sich gut bewährt hat, auf das gesamte Bundesgebiet ausdehnen. Ich bitte infolgedessen, auch diesem Vorschlag des Ernährungsausschusses zuzustimmen und die Änderungsanträge abzulehnen.
Keine weiteren Wortmeldungen. Damit ist die allgemeine Aussprache zur dritten Beratung geschlossen.
Wir kommen zur Einzelberatung. Änderungsanträge liegen nicht vor.
— Ja, dann müßte ich ihn haben, sonst kann ich ihn nicht aufrufen. — Zu § 37 liegt also lediglich ein Änderungsantrag von Herrn Abgeordneten Dr. Müller vor. Zur Begründung Herr Abgeordneter Dr. Müller!
Meine Herren, zu § 37 ist der Antrag Umdruck Nr. 961 Ziffer 6 angenommen worden, der bestimmt, daß neben den Wegen, Gräben und anderen gemeinschaftlichen Anlagen auch Neupflanzungen zu schaffen sind. Meine Freunde und ich sind der Auffassung, daß dieses Wort nicht stehenbleiben darf.
Denn was heißt „Neupflanzungen"? Darunter kann man Gehölz verstehen, darunter kann man auch einen Forst oder einen Park verstehen
— und überflüssige Einmischungen in die Flurbereinigung. Ich bitte Sie, meinem Antrag, den Text der Ausschußvorlage in diesem Punkte wiederherzustellen, zuzustimmen, weil es sonst in einer ganzen Reihe von Zusammenlegungen Komplikationen gibt, die dem Verfahren nicht dienen werden.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Horlacher.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! An diesem praktischen Beispiel sieht man wieder, wie notwendig es gewesen wäre, die Flurbereinigungsgesetze den Ländern zu überlassen. Die Geschichte ist praktisch nämlich so. Wir haben in der Flurbereinigung — das haben wir letzthin bei einem Vortrag an Hand von Bildern vorgeführt bekommen — auch eine Reihe von Fehlern begangen. Man kann bei der Flurbereinigung nicht einfach so vorgehen, daß man alle Pflanzungen, die Schutzpflanzungen für die Natur und den Boden sind, einfach herausnimmt und daß man hier auch gewisse Abholzungen vornimmt, weil das bequemer ist und weil die Flurbereinigungsfläche sich besser verteilen läßt. Das ist nämlich eine sehr gefährliche Angelegenheit. Das führt unter Umständen dazu — wenn das unsachgemäß gemacht wird und wenn hier die Sachverständigen des Naturschutzes nicht auch ein Wort mitzureden haben —, daß man hier Bodenverhältnisse schafft, bei denen der Boden Wind und Wetter und allen möglichen Dingen ausgesetzt ist und die zu einer Verschlechterung des Grund und Bodens führen können. Deswegen ist der Antrag so gemeint, daß hier dafür gesorgt werden muß, daß unbedingt entsprechende Pflanzungen wieder stattfinden; denn unsere Alten waren auch nicht so dumm, wie wir heute oft annehmen. Die haben ihre Gräben und ihre Schutzpflanzungen deswegen gehabt, weil sie zur Erhaltung der Kultur notwendig waren, um die Kultur gegen die Einflüsse, die von den Witterungsverhältnissen herrühren, zu schützen. Deswegen ist es notwendig, diesen Gesichtspunkten Rechnung zu tragen.
Ich würde Sie dringend bitten, das, was in der zweiten Lesung angenommen worden ist, beizubehalten. Das ist für uns im Süden bei dem welligen Gelände und bei dem Unterschied zwischen Berg und Tal eine absolute Notwendigkeit. Bei Ihnen droben in der flachen Ebene ist es vielleicht auch eine Notwendigkeit. Der Begriff „Neupflanzung" wird schon entsprechend ausgelegt. So dumm sind die zuständigen Leute auch nicht, daß Sie meinen, Sie müßten neue Pflanzungen machen. Nein, Sie müssen Ersatzpflanzungen machen. Bei der Zusammenlegung wird dann dafür gesorgt werden müssen, daß das entsprechend geregelt wird. Von mir aus können Sie sagen: Ersatzpflanzungen. Ich bin damit einverstanden. Dann ist das geradeso. Wir haben dann eine gewisse Bewegungsfreiheit. Also, Herr Kollege Müller, sagen wir: „Die notwendigen Ersatzpflanzungen." Das wäre vielleicht das beste. Dann haben wir das getroffen, was wir hier wollen.
Herr Abgeordneter Dr. Müller.
Meine Damen und Herren! So harmlos, wie Herr Kollege Horlacher die Dinge ansieht, sind sie nicht. Er kann überzeugt sein, daß auch wir in der Ebene den Nutzen der Schutzpflanzungen durchaus kennen, denn in den letzten Jahren sind bei uns eine Reihe von Pflanzungen in gemeinsamer Arbeit entstanden. Die werden aber durch die Bestimmung der Ausschußfassung des § 37 nicht behindert. Denn hier steht: „Auch andere gemeinschaftliche Anlagen sind zu schaffen, Bodenverbesserungen vorzunehnehmen". Meine Damen und Herren, das umfaßt gerade diese Tätigkeit. Der weitgehende und unklare Begriff „Neupflanzungen" ist abzulehnen, denn er eröffnet jeder Auslegung Tür und Tor. Ich kann mir vorstellen, daß Zeitgenossen, die es verstehen, das Geld anderer Leute für sich in Bewegung zu setzen, hier den Versuch machen, sich auf Kosten der Allgemeinheit Vorteile zu verschaffen.
Auch der letzte Vorschlag von Herrn Kollegen Horlacher gefällt mir nicht. Ich bin leider nicht in der Lage, ihm zuzustimmen, weil das, was gemeint ist, in dem alten Text steht. Mit diesem kann es auch durchgeführt werden, ohne neue Unklarheiten in das Gesetz zu bringen.
Das Wort hat der Abgeordnete Kriedemann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist hier vorhin passiert, daß einige Anträge auf Umdruck Nr. 961 eine Mehrheit gefunden haben. Sie haben zweifellos diese Mehrheit nur einer, wollen wir mal sagen: guten taktischen Vorbereitung zu verdanken, die in den letzten Tagen hier sehr eifrig betrieben worden ist. Der Ausschuß hat monatelang an diesem Gesetzentwurf gearbeitet. Er hat dabei auch sehr sorgfältig alle die Eingaben und Stellungnahmen beachtet, die von interessierten Stellen an ihn herangetragen worden sind. Es wurde vorhin schon gesagt, daß dabei sehr viele Widerstände überwunden werden mußten. Wenn sich auch alle Leute darüber einig sind, daß die Flurbereinigung durchgeführt werden muß, so gibt es doch sehr viele Argumente, die in Wirklichkeit nur ein Nein der Flurbereinigung gegenüber verbergen.
Ich muß den Damen und Herren, die heute bei dem Umdruck Nr. 961 ihrem Gefühl freien Lauf gelassen und das in einer so schönen Form getan haben, indem sie gesagt haben: „Wir wollen nur verhindern, daß diese seelenlosen Techniker in unserer Landschaft herumwühlen, und wollen nur die Idealisten ein bißchen ans Werk kommen lassen", sagen, daß sie im Grunde nur den Leuten Vorschub leisten, die auf jede nur mögliche Weise das Ingangkommen und vor allem die Durchführung der Flurbereinigung sabotieren wollen. Es muß noch einmal gesagt werden: von der möglichst schnellen Durchführung der Flurbereinigung hängt für mehr als die Hälfte der Landwirtschaft treibenden Bevölkerung ab, daß sie mehr Zeit auf ihren Äckern zubringen kann, als sie auf den Wegen zubringen muß.
Die Kultur ist eine alte und uns allen liebenswerte Sache. Die Landeskultur, meine Damen und Herren, steht vielleicht am Anfang. Manch einer, der sich sonst vielleicht gern mit Kultur befaßt, hätte hier die Sorge für die Kultur und die Menschen, die auf dem Lande arbeiten, schon denen überlassen können, die — ich sage es noch einmal — mit aller Sorgsamkeit an diesen Fragen gearbeitet haben.
Ich muß sagen: es ist schon mehr als komisch, daß hier das Wort Neupflanzungen eingefügt werden soll, nachdem doch, wie Herr Kollege Müller bereits erklärt hat, alles gesagt ist, was gesagt werden muß, vor allen Dingen auch die Gesichtspunkte von Landeskultur und Landschaftspflege berücksichtigt sind. Nur weil ein paar Spezialisten in irgendwelchen Vereinen lieber ihre Terminologie angewendet wissen möchten, werden solche Anträge gestellt.
Ich bitte Sie deshalb, dem Antrag, der die Wiederherstellung des alten Textes begehrt, zuzustimmen. Sonst werden nämlich Handhaben dafür geschaffen, daß Forderungen aufgestellt werden können, die wegen ihrer finanziellen Konsequenzen nur den einen Zweck haben, nicht Neupflanzungen zu bewerkstelligen, aber die Durchführung der Flurbereinigung aufzuhalten.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Dann ist die Aussprache zu § 37 geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung, zunächst über den Änderungsantrag Dr. Müller. Der Antrag hat die ausreichende Zahl von Unterschriften. Ich bitte diejenigen, die diesem Änderungsantrag zustimmen, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das erste war die Mehrheit. Der Antrag ist angenommen.
Ich bitte diejenigen, die § 37 mit der soeben beschlossenen Änderung zustimmen, die Hand zu erheben. — Das ist ebenfalls die Mehrheit; ist angenommen.
Es ist kein weiterer Änderungsantrag zur dritten Beratung dieses Gesetzentwurfes gestellt. Wir kommen gleich zur Schlußabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetz als Ganzem zustimmen, sich von den Sitzen zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das erste war die Mehrheit. Das Gesetz ist angenommen.
Es ist noch über den Entschließungsantrag auf Seite 11 des Ausschußberichts Nr. 4396 der Drucksachen abzustimmen. Ich bitte diejenigen, die dem Entschließungsantrag zustimmen, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Gegen wenige Stimmen bei einigen Enthaltungen angenommen.
Damit ist dieser Punkt der Tagesordnung erledigt.
Ich darf im Auftrag des Herrn Vorsitzenden des Haushaltsausschusses mitteilen, daß der Haushaltsausschuß im Anschluß an die Verabschiedung dieses Gesetzes zu einer Sitzung zusammentritt.
Ich rufe Punkt 12 der gestrigen Tagesordnung auf:
Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten über den Antrag der Fraktion der CDU/CSU betreffend Dürrekatastrophe im südlichen Teil des Bundesgebietes (Nrn. 4368, 3701 der Drucksachen).
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Eichner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich kann mir einen Mündlichen Bericht ersparen, nachdem der Schriftliche Bericht*) vorliegt. Der Antrag des Ausschusses lautet:
Der Bundestag wolle beschließen,
den Antrag — Nr. 3701 der Drucksachen — auf Grund der Stellungnahme des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten vom 11. April 1953 für erledigt zu erklären.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Meine Damen und Herren, vom Ältestenrat ist vorgesehen, keine Aussprache eintreten zu lassen und sich auf die Beschlußfassung über den Vorschlag des Ausschusses zu beschränken. Ich darf also den Ausschußvorschlag zur Abstimmung stellen. Ich bitte diejenigen, die ihm zustimmen, die Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit; ist angenommen.
Ich komme nunmehr zu Punkt 13 der gestrigen Tagesordnung:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes
betreffend das Übereinkommen der Internationalen Arbeitsorganisation vom 28. Juni
1951 über die Verfahren zur Festsetzung von Mindestlöhnen in der Landwirtschaft (Nr. 4359 der Drucksachen).
*) Siehe Anlage 2 Seite 13375
Wird das Gesetz eingebracht? — Von der Regierung scheint keine Einbringung vorgesehen zu sein. Wir das Wort zur Aussprache gewünscht?
Frau Abgeordnete Kipp-Kaule hat das Wort.
Für die Beratung hat der Ältestenrat eine Gesamtaussprachezeit von 60 Minuten vorgesehen. — Ich nehme die Zustimmung des Hauses an.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Die Fraktion der Sozialdemokratischen Partei begrüßt die Vorlage der Drucksache Nr. 4359. Damit ist das unter a) der Drucksache Nr. 3999 angeführte Übereinkommen über die Verfahren zur Festsetzung von Mindestlöhnen zur Ratifizierung vorgelegt.
Wir alle miteinander wissen, wie notwendig es ist, daß gerade für die Arbeiter und Arbeiterinnen in der Landwirtschaft etwas getan wird. Wir sind alle von der großen Sorge beseelt, die uns nun schon seit Jahren vor Augen führt, daß die Abwanderung der landwirtschaftlichen Arbeiter zur Stadt immer größer wird und daß teilweise die Landwirtschaft gerade in dieser Zeit, in der wir uns befinden, die für die Ausführung der anfallenden Arbeiten notwendigen Menschen nicht zur Verfügung hatte.
Wir werden uns natürlich bei den Ausschußberatungen noch näher mit der Vorlage zu beschäftigen haben. Aber ich habe an den Bundesarbeitsminister in diesem Zusammenhang doch eine Frage zu stellen. Herr Arbeitsminister, selbst wenn hier jetzt durch das internationale Übereinkommen zur Festsetzung von Mindestlöhnen für die Landwirtschaft solche Mindestlöhne von den Gremien, die in Art. 3 und in den übrigen Artikeln genannt werden, festgelegt werden sollen, wie stellen Sie sich dann in Zukunft auch für die Landwirtschaft die Lösung der Frage des gleichen Entgelts für weibliche Arbeitskräfte bei gleichwertiger Arbeit vor? Diese Frage ist in einer ernsten Sorge begründet. Vielleicht ist es Ihnen etwas leichter gefallen, die Vorlage, die Sie hier heute zur Beratung vorgelegt haben, im Kabinett vorzubringen und durchzudrücken, weil Sie es hier nicht mit einem kompakten Zusammenschluß von Arbeitgebern zu tun hatten.
Mit etwas Befremden — so muß ich schon sagen hat meine Fraktion zur Kenntnis genommen, daß Sie im Zusammenhang mit der Drucksache Nr. 3999 — in der die gleiche Frage behandelt worden ist, von der ich jetzt spreche, nämlich wie die Angelegenheit des gleichen Entgelts weiblicher Arbeitskräfte auch in der Landwirtschaft geregelt werden soll — gesagt haben, die Arbeitgeber hätten sich gegen dieses Übereinkommen gewandt. Herr Bundesarbeitsminister, viereinhalb Millionen deutsche weibliche Arbeitskräfte sind in Industrie und Landwirtschaft in der Bundesrepublik beschäftigt, und über sechs Millionen organisierte Arbeiter im Deutschen Gewerkschaftsbund, davon über eine Million Frauen, sprechen den Wunsch aus, daß man das Übereinkommen Nr. 100 doch ratifizieren möchte. Wir verstehen Sie nicht mehr ganz, und wir glauben auch nicht, daß mit der Ratifizierung dieses internationalen Übereinkommens zur Festsetzung von Mindestlöhnen in der Landwirtschaft diese Angelegenheit ihre Erledigung findet. Wir werden auch in der Landwirtschaft späterhin noch die unterschiedliche Bezahlung von männlichen und weiblichen Arbeitskräften feststellen müssen. Daher hätten wir es begrüßt, Herr Arbeitsminister, wenn Sie uns mit der
Drucksache Nr. 4359 eine Vorlage eingebracht
hätten, nach der das Übereinkommen Nr. 100
gleichzeitig seiner Ratifizierung zugeführt worden
wäre. Wir bedauern, daß das bis zum heutigen
Tage nicht geschehen ist. Wir geben aber trotzdem
die Hoffnung nicht auf. Sie wissen ganz genau, daß
man ein Unrecht, das bis zum heutigen Tage angehalten hat, doch endlich aus der Welt schaffen
sollte. Unsere Frauen und Mütter waren immer gut
genug, wenn der Staat sich in Not befand. Wenn
der Staat verteidigt werden mußte, dann waren
sie gut genug, diesem Staate durch Dienstverpflichtungen zu helfen. Sie wissen genau so gut wie wir,
Herr Arbeitsminister, daß die verheerenden Auswirkungen der minderen Bezahlung weiblicher Arbeitskräfte auf die Einstellung der Frau zur Arbeit
in diesem Zusammenhang eine große Rolle spielt.
Wir wünschen gleiches Recht für alle. Wenn endlich der Art. 3 des Bonner Grundgesetzes seine Verwirklichung finden soll, dann geben wir der Hoffnung Ausdruck, daß wir nicht mehr allzu lange darauf zu warten brauchen und Sie sich im Kabinett stark genug dafür machen, daß das, was das Kabinett uns mit Drucksache Nr. 3999 vorgelegt hat und wonach die Konvention Nr. 100 nicht ratifiziert wird, einmal wieder rückgängig gemacht wird.
Wir werden der Vorlage Nr. 4359 im Ausschuß unsere Beratung nicht versagen. Ich beantrage, diese Drucksache dem Ausschuß für Arbeit zu überweisen.
Das Wort hat der Herr Bundesarbeitsminister.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin Frau Kipp-Kaule für die Frage, sie sie an mich gestellt hat, dankbar. Die Frage der Ratifizierung von Übereinkommen der Internationalen Arbeitskonferenz ist eine sehr ernste Frage, und jedes Land, das durch seine Mitgliedschaft in dieser großen Organisation an der Gesamtheit mitzuarbeiten gewillt ist, muß sich natürlich die größte Mühe geben, das, was dort an einheitlichen Auffassungen festgelegt wird, auch durchzuführen. Nur sollten wir meines Erachtens zwei Dinge nicht durcheinanderwerfen.
Die Konvention Nr. 100 spricht nicht nur von gleicher Arbeit, sondern auch von gleicher Arbeitsleistung. Wir in Deutschland haben durch das Tarifvertragsgesetz unseren Staat aus der Gestaltung der Lohn- und Arbeitsbedingungen bewußt restlos herausgenommen, und das Bonner Grundgesetz müßte ja eigentlich die Tarifpartner binden, ihre neuen Tarifverträge auf diese Grundsätzlichkeit des Bonner Grundgesetzes abzustellen. Die Schuld daran, daß wir hier nicht vorwärtsgekommen sind, liegt also weniger an der Regierung als an den Sozialpartnern, die gesetzlich gezwungen sind, die Lohn- und Arbeitsbedingungen für Mann und Frau festzulegen. Ich habe schon vor einer ganzen Zeit auf Grund einer Anfrage beispielsweise die Leitung der Industriegewerkschaft Metall gefragt, ob sie der Meinung sei, daß wir das Tarifvertragsgesetz wieder durch eine staatliche Lohnordnung ersetzen sollten. Ich habe darüber hinaus vor kurzem dem Herrn Abgeordneten Richter als dem Vertreter des Deutschen Gewerkschaftsbundes auf Grund eines
Briefes ebenfalls geschrieben, ich bäte ihn um eine klare Stellungnahme des Deutschen Gewerkschaftsbundes zu dieser Frage.
Also, Frau Abgeordnete, Sie dürfen sicher sein, daß uns dieser ganze Fragenkomplex sehr viel Sorge macht, weil ich weiß, daß wir Genf gegenüber im Rückstand sind, und weil ich selbst überzeugt bin, daß man noch nicht ernstlich versucht hat, den Art. 3 unseres Grundgesetzes bei der Gestaltung der Lohn- und Arbeitsbedingungen durch die Tarifpartner restlos zur Anwendung zu bringen.
Ich habe den Deutschen Gewerkschaftsbund darüber hinaus darum gebeten, doch dahin zu streben, und habe auch die Arbeitgeber wissen lassen, daß es zweckmäßig sei, in Deutschland alle Beteiligten — hier meine ich die Regierung, vertreten durch das Arbeitsministerium, und darüber hinaus die Gewerkschaften und die Arbeitgeberverbände — zu einer Gemeinschaftsarbeit zusammenzubringen, um einmal eine klare Übersicht darüber zu schaffen, wie bei gleicher Arbeit gleiche Leistung entweder gegeben ist oder nicht gegeben ist. Ich hoffe, daß wir auf diesem Gebiet in der nächsten Zeit vorwärtskommen. Schon in der nächsten Woche werde ich Veranlassung haben, in Genf zu einigen dieser Dinge Stellung zu nehmen.
Ich will gern hoffen, daß wir, wenn wir im nächsten Jahre zur Internationalen Arbeitskonferenz gehen, nachweisen können, die große Mehrzahl der getroffenen Konventionen bei uns ratifiziert und zur Durchführung gebracht zu haben. Ich halte es für das allerunglücklichste, wenn derartige internationale Vereinbarungen zwar ratifiziert, aber in den einzelnen Ländern nachher nicht durchgeführt werden. Wir wollen vertragstreu sein,
,1 und ich glaube, auch die Vertreter der Gewerkschaften und der Arbeitgeberverbände in Genf werden sich darüber freuen, wenn man uns nicht vorwerfen kann, daß wir zwar ratifiziert, aber nicht durchgeführt hätten.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Kneipp.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Kollegin Kipp-Kaule hat die Übereinkünfte Nr. 99 und Nr. 100 in die Debatte hereingezogen. Ich werde mich auf die Übereinkunft Nr. 99 beschränken, weil nur diese Übereinkunft auf der heutigen Tagesordnung steht. Frau Kollegin Kipp-Kaule hat bei diesem Anlaß die Frage der landwirtschaftlichen Entlohnung angesprochen. Ich muß dazu auch einiges sagen.
Alle Möglichkeiten, zu Übereinkommen, zu Tarifverträgen auf dem landwirtschaftlichen Sektor zu kommen, sind auch ohne diese internationale Übereinkunft gegeben, denn wir haben repräsentative Arbeitgebervereinigungen in allen Bezirken und in allen Ländern unserer Bundesrepublik. Wenn auch diese repräsentativen Arbeitgebervereinigungen noch nicht mehr als 30, 40 oder 50% der Arbeitgeber umfassen, so ist doch die Möglichkeit gegeben, daß Tarifverträge abgeschlossen und allgemein verbindlich erklärt werden. Denn wir haben ja im November 1951 schon den § 5 des Tarifvertragsgesetzes dahingehend erweitert, daß wir den sogenannten sozialen Notstand als neuen Begriff zur Anwendung aufgenommen haben. Daraufhin sind auch bereits 27 Tarifverträge landwirtschaftlichen Charakters allgemein verbindlich erklärt worden.
Deshalb hat auch das Gesetz über die Mindestarbeitsbedingungen praktisch bisher auch auf dem landwirtschaftlichen Sektor noch keine Anwendung gefunden, weil dieses Gesetz ja nur im Hintergrund stehen sollte und schon in der Behandlung dieses Gesetzes im Arbeitsausschuß auch von den Vertretern der SPD erklärt wurde, wenn überall diese repräsentativen Arbeitgebervereinigungen im landwirtschaftlichen Sektor beständen — die Gewerkschaft ist ja überall vertreten —, dann sei dieses Gesetz für die Landwirtschaft nicht anwendbar.
Ich möchte mich auf diese Ausführungen beschränken. Es bestehen zur Zeit nicht weniger als 45 landwirtschaftliche, forstwirtschaftliche und gärtnerische Arbeitgeberverbände, die sich, wie ich nochmals betone, über die ganze Bundesrepublik erstrecken.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. — Dann ist die Aussprache geschlossen. Es ist der Antrag auf Überweisung an den Ausschuß für Arbeit gestellt. Weitere Überweisungsanträge sind nicht eingegangen. — Es wird nicht widersprochen. Ich kann wohl annehmen, daß das Haus mit dieser Überweisung einverstanden ist.
Damit, meine Damen und Herren, ist die Tagesordnung der gestrigen Sitzung erschöpft. Wir kommen zur Tagesordnung der heutigen Sitzung zurück, und ich rufe nun auf den Punkt 4 dieser Tagesordnung:
Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betreffend Mißbilligung von Äußerungen des Bundesministers der Justiz .
Das Wort hat Herr Abgeordneter Wagner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe die Aufgabe, den Antrag der sozialdemokratischen Fraktion auf Drucksache Nr. 4360 zu begründen. Sie haben diesen Antrag gelesen.
— Das ist Ihr eigener Fehler. Wenn Sie die Drucksachen nicht lesen, sollten Sie das nicht noch unterstreichen.
— Ich kann mich auf solche Bemerkungen, die vom allgemeinen Gesichtspunkt aus nicht gerade einen guten parlamentarischen Eindruck machen, jetzt nicht mehr einlassen.
Sie haben den Antrag gelesen, und Sie wissen, daß dieses Haus sich am 4. März dieses Jahres an und für sich mit dem Fragenkomplex beschäftigt hat. Es kam jenes Mal zu einer Begründung unseres ersten Mißbilligungantrages gegen den Herrn Bundesjustizminister durch meinen Parteifreund Herrn Professor Gülich. Es haben jenes Mal der Herr Bundesjustizminister gesprochen, der eine sehr bemerkenswerte Rede gehalten hat, und von der Koalition die Herren Kiesinger und Euler.
Die Stellungnahme der Herren Vertreter der Koalitionsparteien in der Sitzung vom 4. März war so, daß man, wenn man sie objektiv nachliest, sagen muß, daß der Herr Bundesjustizminister darin keine Aufmunterung erblicken konnte, die Gedankengänge, die die Veranlassung zu unserem Mißbilligungantrag waren, weiterzuspinnen. Der Abgeordnete Kiesinger hat seinerzeit erklärt,
er werde gegen den Mißbilligungsantrag stimmen, weil er diesen Antrag an und für sich aus formellen Gründen für unzulässig halte. Ich will über diese Frage heute nicht sprechen. Der Herr Abgeordnete Euler von der eigenen Fraktion des Herrn Bundesjustizministers hat in einer sehr kurzen Erklärung im Endergebnis gesagt, die Ausführungen des Herrn Bundesjustizministers seien verständlich.
— Herr Kollege Euler, ich will ja nicht Ihre ganze Rede vortragen. Ich habe den letzten Satz aus Ihrer Rede entnommen. Ich war jenes Mal selbst krank und muß mich also vollständig auf das Protokoll verlassen. Danach haben Sie — was für die ganze Sache nicht entscheidend ist — erklärt — ich kann es Ihnen vortragen, das war Ihr letzter Satz —:
Und ich glaube, daß dieser Gesichtspunkt die
von dem Herrn Bundesjustizminister geübte
Kritik verständlich macht.
Ich zitiere also wortgetreu und auch sinngetreu. Der Herr Kollege Kiesinger hat jenes Mal den Satz geprägt:
Böse oder ungeschickte Zungen gibt es in allen Lagern,
und sich in der Form von den Äußerungen distanziert. Böse Zungen gibt es sicher in allen Lagern; das ist gar kein Zweifel.
- Oh, Herr Kollege Kiesinger, das habe ich auch gar nicht gesagt. Ich pflege ganz exakt zu zitieren, weil alles falsche Zitieren sich gegen den, der zitiert, selbst wendet.
— Ich treibe ja hier keine Biologie. Ich wollte diese Bemerkung nur machen, um zu sagen, daß der Herr Bundesjustizminister aus dieser Debatte für meine und für unsere Begriffe doch eine Konsequenz hätte ziehen sollen, nämlich die, daß er sich über den Punkt, der die Veranlassung zu jener Debatte gab, öffentlich nicht weiter äußert.
Der Herr Bundesjustizminister hat es aber trotzdem getan, und das ist der Anlaß für unseren heutigen Antrag. Er hat in einem Brief an die Zeitschrift „Die Gegenwart", 8. Jahrgang, Nr. 181 vom 9. Mai 1953 — in einem Brief an die Herausgeber dieser Zeitschrift, um ganz genau zu sein — seine Gedanken ausgedrückt und dabei noch einmal Behauptungen aufgestellt, die schon am 4. März Gegenstand der Kritik und der Aussprache waren. Wir haben diese Behauptungen in unserem Antrag noch einmal in großer Kürze wiedergegeben. Ich darf sie nochmals ganz kurz wiederholen.
In dem einen Fall sagt er:
In Wahrheit geht es darum,
— und ich zitiere hier wörtlich —daß das Bundesverfassungsgericht mit seinem Beschluß vom 8./9. Dezember 1952 die Grenzen dieses Rechtes
— nämlich des Rechtes auf schöpferische Weiterbildung des Rechts —
ganz eklatant überschritten hat.
Er sagt dann im nächsten Absatz seines Schreibens,
daß das Gericht durch Plenarentscheidung den
Rechtssatz der Verbindlichkeit der Gutachten ausgesprochen habe, und behauptet dabei etwas, dem ich nur nebenbei sachlich widersprechen muß. Er behauptet nämlich:
Die meisten deutschen höchsten Gerichte hatten und haben die Befugnis zur Gutachtenerstattung über Fragen, die ihnen später auch in einem Rechtsstreit unterbreitet werden können.
Das ist nicht richtig. Wir hatten bisher ja eigentlich nur zwei obere Gerichte: das eine war das Bundesgericht — das hat eine solche Funktion und solches Recht nicht —, und das andere war das Bundesfinanzgericht, das zwar ein Gutachten kennt, jedoch ein Gutachten in einer ganz anderen Frage. Aber ich will mich ja nicht materiell mit dem Herrn Bundesjustizminister auseinandersetzen; das ist eine ganz andere Angelegenheit.
Er behauptet schließlich im dritten Absatz seines Briefes etwas, was er früher auch mit Bezug auf den Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 8. Dezember, der am 9. Dezember verkündet worden ist, gesagt hat, nämlich, daß man dem Gesetz von seiten des Bundesverfassungsgerichts „Gewalt angetan" habe. Zum Schlusse sagt er, daß das Bundesverfassungsgericht Wege gegangen sei — er sagt das in einer Weise, die ich gleich mit seinen Worten, ich zitiere sehr genau, vortrage —, die mit dem Recht nicht in Einklang stünden. Er sagt:
Zur Verwirklichung dieser Ziele hätte es andere, mit dem Recht in Einklang stehende Wege gegeben.
Das heißt also, daß der Weg, den das Bundesverfassungsgericht gegangen ist, mit dem Recht nicht in Einklang steht.
Ich kann mir denken, daß Freunde des Herrn Bundesjustizministers — auch politische Freunde, die hohe Funktionen bekleiden — sich bei Bekanntwerden dieses Briefes die Frage vorgelegt haben: Wozu soll denn das alles gut sein, und wozu soll denn das alles dienen? Es scheint mir, meine Damen und Herren, erforderlich zu sein, eine völlige Klarstellung des Problems noch einmal zu unterstreichen. Es kann gar keinem Zweifel unterliegen, daß jeder berechtigt ist, an einem Urteil Kritik zu üben. Daß Urteile, die veröffentlicht werden, schon immer bei uns in den juristischen Fachzeitschriften, sei es in Fußnoten, sei es in Besprechungen, beurteilt worden sind, kritisiert worden sind, daß Stellung genommen worden ist, daß andere Rechtsauffassungen vorgetragen worden sind, das ist ganz selbstverständlich. Darüber gibt es zwischen uns und irgendeinem anderen und irgendeiner anderen Gruppe gar keinen Streit. Ich stehe sogar auf dem Standpunkt, daß, wenn sich die Herren Kollegen und Frauen Kolleginnen dieses Hohen Hauses das Problem genau vergegenwärtigen, wahrscheinlich bei uns allen, die wir auf dem Boden des demokratischen Rechtsstaates stehen, abweichende Meinungen kaum aufkommen dürften. Die Frage ist ja nicht, ob irgend jemand Kritik üben darf. Die Frage ist ja nicht, ob beispielsweise Herr Dehler als Vorsitzender seiner Partei in Bayern an diesem Urteil oder an irgendeinem anderen Kritik üben darf. Herr Dehler zerfällt ja mindestens in drei, vier Teile, ja in noch mehr Teile:
einmal Herr Dehler — der Landesvorsitzende seiner
Partei in Bayern, Herr Dehler — der Abgeordnete,
Herr Dehler — der Bundesjustizminister, und
schließlich — das erwähne ich nur, ohne mich damit beschäftigen zu dürfen —: Herr Dehler — der Mensch; also vier Teile.
— Ich will in der Unterteilung nicht weitergehen!
Der Herr Vorsitzende seiner Partei in Bayern kann Ausführungen machen, wie immer sie ihm gefallen. Dann können politische Gegner oder seine Freunde ihn kritisieren oder zufrieden sein, ihn beschimpfen oder ihn loben. Er kann sogar ausfällige Bemerkungen machen; nun gut, das geht eben auf dem Gebiet der Politik so, und ,da er nicht sehr zurückhaltend ist, wird er es nicht als Beleidigung empfinden, wenn ich das sage. Herr Dehler der Abgeordnete, den ich nun schon seit dem Parlamentarischen Rat kenne — und ich muß sagen, wir haben auch sehr angenehm zusammengearbeitet; ich will die Dinge rein sachlich und ohne jede persönliche Polemik behandeln, weil es mir nur auf die Herausarbeitung des Sachlichen ankommt —, Herr Dehler der Abgeordnete ist zwar nicht mehr ganz so frei wie der Vorsitzende der Freien Demokratischen Partei Bayerns, weil er, wenn er von dieser Stelle aus spricht, sich bewußt sein muß, daß er mit großer Verantwortung zu reden hat. Aber Herr Dehler der Bundesjustizminister, das ist nun etwas ganz anderes; der kann nicht mehr gleichzeitig einer von den beiden anderen Dehler sein. Der muß sich Beschränkungen auferlegen, die sein Amt erfordert, und der muß wissen, daß, wenn Dehler dann als Bundesjustizminister spricht, es ein anderer Dehler sein muß, der sich in besonderem Maße der Verantwortung bewußt ist und der daran denkt, daß jetzt der Bundesjustizminister spricht, der Bundesjustizminister mit allen seinen gesetzlichen und politischen Verpflichtungen. Da haben wir allerdings den Eindruck, daß auf Grund seines Temperaments — und ich kann nicht behaupten, daß ich gerade temperamentlos wäre — oft der Gaul mit ihm durchgeht und nicht nur der Sache selbst ein schlechter Dienst geleistet wird, sondern, wie ich glaube, auch seiner eigenen Sache ein schlechter Dienst geleistet wird. Denn ich kann mir nicht denken, daß er nicht im gleichen Maße wie die anderen auf demokratischem Boden stehenden Abgeordneten den demokratischen Rechtsstaat bedingungslos akzeptiert. Wenn ich aber den demokratischen Rechtsstaat bedingungslos akzeptiere, dann muß ich mein Verhalten danach einrichten, dann muß ich mir vergegenwärtigen, daß der Unterschied zwischen dem totalitären, dem tyrannischen Staat, dem autoritären Staat einerseits und dem demokratischen Rechtsstaat andererseits doch gerade darin liegt, daß beim demokratischen Rechtsstaat durch die Dreiteilung der Gewalten jede einzelne dieser drei Gewalten gehindert wird, sich auf Kosten der anderen auszudehnen, das Gleichgewicht zu stören und die Freiheit des Landes sowohl wie die Freiheit des Individuums zu gefährden.
— Ich werde sofort darauf eingehen, Herr Kollege.
— Diese Dreiteilung ist durch das Verhalten des Bundesjustizministers insofern verletzt worden, als der Bundesjustizminister ein Urteil des höchsten deutschen Gerichts in einer Weise kritisiert hat, die in Wirklichkeit bedeutet, daß die Exekutive in die Justiz eingreift, den Grundsatz der Unabhängigkeit
des Richters nicht mehr respektiert und den Satz vergißt, wonach der Richter nicht dem Justizminister, nicht einer Regierung, sondern nur dem Gesetz unterworfen Ist.
Das ist das, was der Amerikaner „government of law" nennt, im Gegensatz zu „government of men". Was der Herr Bundesjustizminister in dieser Richtung getan hat, läßt den von den alten westlichen Demokratien verkündeten Grundsatz des „government of law" außer acht und geht über zum „government of men".
— Lassen Sie mich diesen Gedankengang zu Ende führen! ich gebe mich der Hoffnung hin, daß Sie sich zumindest bis zu einem gewissen Grade von meinen Argumenten überzeugen lassen und empfinden, daß wir wirklich nur aus tiefer Sorge über eine etwa sich anbahnende Entwicklung diese Beanstandungen vortragen. Der Herr Justizminister kann sich nicht darauf berufen, daß ihm das Recht zustehe, seine Meinung frei zu äußern. Was er getan hat, ist nicht das Äußern einer freien Meinung, sondern das bedeutet im Prinzip eine Antastung jenes Grundsatzes der Unabhängigkeit der Gerichte und bedeutet im Prinzip doch den Versuch, zum mindesten in seiner Auswirkung den unbewußten Versuch — wenn es so etwas gibt —, die Gerichte in ihrem künftigen Verhalten irgendwie zu beeinflussen. Meine Damen und Herren, das ist ein außerordentlich gefährliches Unterfangen. Ein Regierungsvertreter, insbesondere ein Bundesjustizminister, der doch das Gewissen, das rechtliche Gewissen des Kabinetts sein muß, muß es sich dreimal überlegen, ehe er in Richtung gegen irgendein Gericht abfällige Werturteile, insbesondere die, man sei vom Boden des Rechts abgewichen und man habe dem Gesetz Gewalt angetan, fällt. Diese Äußerungen halten :ich sicherlich nicht mehr im Rahmen des Rechts der Exekutive.
Was setzen Sie, mein Herr Bundesjustizminister, auf diese Weise — ich bitte, sich das doch einmal vor Augen zu halten, und Sie werden mir nicht verübeln, wenn ich das so formuliere — den kleinen Leuten draußen im Volk für ein Beispiel, die Zivilprozesse führen,
die in Strafprozessen vor dem Richter stehen, wenn sie mit einem Urteil, an dem sie direkt oder indirekt interessiert oder beteiligt sind, unzufrieden sind und ihre Unzufriedenheit in einer Form ausdrücken, die bei dem kleinen Mann, der seinen Prozeß verloren hat, dann einen Ausdruck findet, wie wir ihn häufig hören!
Sie geben damit ein Beispiel, das, wenn es nachgeahmt werden würde, in unserer Gerichtsbarkeit bei den ordentlichen Gerichten, bei den Zivilgerichten und Strafgerichten, geradezu zu einer Respektlosigkeit vor der Justiz führen würde und das Ansehen der Justiz zu gefährden in höchstem Grade angetan wäre.
Ich bitte, sich diese Dinge doch einmal zu vergegenwärtigen. Man kann über die Urteile des Bundesverfassungsgerichts materiell-rechtlich oder formal-rechtlich in vielen Dingen anderer Meinung sein. Man kann sie erörtern und wird auch bei der Erörterung für meine Begriffe in einem maßvollen Rahmen bleiben müssen. Man kann aber als Justizminister nicht in Äußerungen sich ergehen, wie der
Herr Bundesjustizminister es getan hat, ohne jene Dreiteilung der Gewalten, die Teilung der Gewalten überhaupt zu überschreiten und damit — meine Damen und Herren, ich will nichts dramatisieren — aber den Anfang zu setzen, sie zu verwischen, den Anfang zu setzen zum Übergang zu einem im Prinzip totalitären Regime. Ich sage: im Prinzip. Deswegen sollte man den Anfängen gerade in einem jungen Staat, in einer Demokratie, die noch versucht, richtig laufen zu lernen, wehren, insbesondere in einem Volk, das Jahre und Jahre des Gewaltregimes hinter sich hat und bei dem sich immer noch auch in seinen leitenden Kreisen Spuren einer Ideologie finden, deren Ausdruck wir zum Teil hier erlebt haben.
Meine Damen und Herren, man beruft sich bei uns oft — oft mit Recht, oft mit Unrecht — auf ausländische Beispiele, und ich glaube, es ist gar nicht schlecht, wenn man z. B. auf ein Land schaut, in dem die Demokratie in Fleisch und Blut übergegangen ist, die Vereinigten Staaten von Amerika.
— Den Leuten, die jetzt lachen, geht allerdings Demokratie nicht in Fleisch und Blut über;
die machen Politik mit Blut!
Wer Amerika von innen heraus kennt und wer da nicht nur einige Tage gelebt hat, weiß, daß dieses Volk, das von Anfang an von freien Menschen aufgebaut worden ist, denen Europa zu unfrei war, eine Demokratie geschaffen hat, deren Verhalten und deren Literatur für uns manches bringen könnte. Darf ich Sie an die Zeit erinnern, als Franklin Delano Roosevelt mit seiner modernen
Arbeitergenehmigung einer modernen Farmergesetzgebung begonnen hat, der Herbeiführung höherer Löhne, kürzerer Arbeitszeiten, kurzum seinem sozialpolitisch fortschrittlichen Programm, mit seinem, wie man es in Amerika sagt, New Deal. Seine Gesetze, d. h. die Gesetze, die das Parlament mit der Mehrheit seiner Partei beschlossen hatte, wurden auf dem normalen Rechtsweg angefochten. Das Supreme Court, das höchste Gericht, in Washington hat einige Gesetze, die für den Präsidenten und für die Masse der Arbeiter ungeheuer wichtig und fortschrittlich waren, als verfassungswidrig erklärt. Nun, Franklin Delano Roosevelt hat aus einem edlen Bestreben heraus versucht, diese Gesetze doch in die Wirklichkeit umzusetzen. Die Urteile des Supreme Court waren ihm sehr unsympathisch, und jede Macht, meine Damen und Herren, hat in sich die Tendenz, sich auszuweiten, trägt in sich auch eine gewisse Tendenz, mißbraucht zu werden.
Und zwar gilt das für jede Macht, ob sie bei der Legislative, der Exekutive oder der Justiz ist. Das ist gar kein Zweifel. So hat Roosevelt versucht, durch Änderungen der Zusammensetzung der Richterbank des höchsten Gerichts in Amerika, indem er mehr Richter bestimmen wollte, was an und für sich verfassungsmäßig möglich war, eine ihm genehmere Richtermehrheit zu bekommen.
— Augenblick, ich werde es Ihnen gleich sagen.
Wenn Sie das Nachstehende hören, was Sie vielleicht noch nicht gelesen haben, dann wird es nicht
ohne Eindruck auf Sie sein. — Er hat versucht, seinen Weg weiterzugehen. Er hat im Parlament einen Antrag einbringen lassen, und der Rechtsausschuß, das Senate Judiciary Committee, hat daraufhin zu diesen Versuchen Stellung genommen. Mit der gütigen Erlaubnis des Herrn Präsidenten und mit der Bitte an Sie um etwas Geduld darf ich Ihnen dieses Dokument, das so wichtig ist und für unsere Zeit geschrieben sein könnte, vorlesen.
- Daß Sie, Herr Abwinker, sich dafür nicht interessieren, das glaube ich. Hier geht es ja um Dinge, bei denen man denken muß.
Dieses Dokument findet sich in den „Documents of American History", die herausgegeben sind — ich zitiere sehr genau — „by Henry Steele Commager, Columbia University, Second Edition", erschienen in New York 1941. Es ist veröffentlicht in den Verhandlungen des 75. Kongresses in der First Session im Record des Senats Nr. 711.
Ich habe nun diesen Text sowohl in Englisch als auch in einer nicht guten deutschen Übersetzung da. Die Wirkung in Englisch ist natürlich eine ganz andere. Da ich diesem Hause aber nicht zumuten kann, diesen englischen Text anzuhören — um so mehr, als ich nicht weiß, ob mein Englisch auch für die, die Englisch kennen, ganz überzeugend wirken würde —, bitte ich um Erlaubnis, Ihnen den deutschen Text vorzutragen. Ich glaube, wir alle könnten daraus manches lernen.
— Was sagten Sie?
— Herr Ewers, Sie sprechen in diesem Hause so viel, daß man ruhig von Ihnen erwarten könnte, um so mehr, als Sie auch schon ein älterer Herr sind, sich etwas zu beherrschen und auch einmal das anzuhören, was Sie vielleicht — —
— Aber Herr Ewers, Sie sind doch als Jurist ein Anhänger des demokratischen Rechtsstaates.
— Also, Herr Kollege, dann würde ich Ihnen empfehlen, sehr aufmerksam zu sein.
Darf ich Sie darauf aufmerksam machen, daß angesichts der begrenzten und bereits an der Grenze angekommenen Redezeit
diese Zwiegespräche unzweckmäßig sind.
Meine Damen und Herren, ich gebe dem Herrn Präsidenten vollständig recht.
Ich werde nun etwas zitieren aus Seite 569 dieses Dokuments. Ich zitiere:
Lassen Sie uns zum Zwecke der Diskussion unterstellen, daß das Gericht im Unrecht gewesen ist, im Unrecht nicht nur darin, daß es irrtümliche Meinungen abgegeben hat, sondern im Unrecht in dem weit ernsteren Sinn, daß es seinen Willen an Stelle des Willens des Kongresses in der Sache der Gesetzgebung gesetzt hat.
— Das ist ja das, Herr Kollege Euler, worauf Sie vorhin angespielt haben. — Ich zitiere weiter:
Dürfen wir nichtsdestoweniger das Gericht ruhig bestrafen?
Heute mag es das Gericht sein, welchem vorgeworfen wird, seine verfassungsmäßigen Pflichten vergessen zu haben. Morgen mag es der Kongreß sein. Den nächsten Tag mag es die Exekutive sein. Wenn wir nun der Versuchung nachgeben, das Gericht unter Prügelstrafe zu nehmen, so lehren wir lediglich andere, wie sie die Prügelstrafe auf uns selbst und auf das Volk anwenden können, wenn die Gelegenheit dazu gewährleistet zu sein scheint.
Augenscheinlich, wenn wir das Gericht zwingen, die Interpretation der Verfassung in einem bestimmten Sinne sicherzustellen, dann mag ein späterer Kongreß diesen Vorgang wiederholen, um eine andere und verschiedene Interpretation und eine, die unseren Ohren weniger angenehm klingt als die, für die wir nun streiten, sicherzustellen.
Und dann fährt der Bericht fort — ich will nicht den ganzen Text verlesen, sondern nur einzelne Kapitel — —
— Ja, ich kann es doch! Es ist zu interessant. — Der Bericht fährt fort:
Es gibt ein Heilmittel
— sagt der Senat —
für Usurpationen oder anderes gerichtliches Unrechttun. Wenn dieses Gesetz von den Arbeitern dieses Landes aus dem Grunde unterstützt wird, daß sie ein Gericht wünschen, welches Gesetzgebung über Arbeitszeitbeschränkung und für Sicherung von Minimallöhnen aufrechterhält, so müssen sie bedenken, daß die in diesem Gesetz angewandte Prozedur unter einer anderen Verwaltung gebraucht werden könnte, um die Arbeitszeit zu verlängern und die Löhne herabzusetzen. Wenn Farmer Landwirtschaftshilfe wünschen und dieses Gesetz begünstigen aus dem Grunde, daß es ihnen ein Gericht gibt, das Gesetzgebung zu ihren Gunsten aufrechterhalten wird,
so müssen sie bedenken, daß das angewandte Verfahren eines Tages gebraucht werden möchte, um sie jeder Spur von Landwirtschaftshilfe zu berauben.
Herr Abgeordneter, darf ich Sie darauf aufmerksam machen, daß die Redezeit, die jetzt über die Redezeit, die für die Begründung festgesetzt ist, hinausgeht, auf Kosten Ihrer Diskussionsredezeit geht.
Ich bin damit einverstanden.
Ja, gewiß, ich wollte Sie nur darauf aufmerksam machen.
Der Gegenstand, Herr Präsident, ist von einer so großen allgemeinen und prinzipiellen Bedeutung, daß ich glaube, es wäre ein Versäumnis, die markantesten Stellen jenes Senatsbeschlusses nicht vorzutragen.
Es heißt dann weiter:
Uns wird gesagt, daß eine reaktionäre Oligarchie dem Willen der Mehrheit Trotz bietet, daß dies ein Gesetz sei, um das Gericht umzustellen und den Wünschen der Mehrheit Wirksamkeit zu verschaffen.
Nun kommen noch weitere Ausführungen, die ich Ihnen in Anbetracht der beschränkten Zeit, die mir zur Verfügung steht, nicht vortragen kann. Schließlich sagt der Senat:
Wenn solch ein Prinzip angenommen wird, ist unser Verfassungssystem über den Haufen geworfen.
Es ist dort der ausgezeichnete Satz zu lesen: Laßt uns
- so heißt es in dem Senatsbeschluß vom 75. Kongreß —
in Worten, die niemals von einem nachfolgenden Kongreß mißachtet werden sollen, erklären, daß wir lieber ein unabhängiges Gericht haben, ein furchtloses Gericht, ein Gericht, das wagen wird, seine ehrlichen Meinungen über das, was für die Verteidigung der Freiheiten des Volkes hält, kundzutun, als ein Gericht, das aus Furcht oder dem Gefühl der Verpflichtung gegenüber der ernennenden Gewalt oder gegenüber Parteileidenschaft eine Maßnahme, die wir in Kraft setzen mögen, billigt.
Und nun, Herr Bundesjustizminister, ein Satz wörtlich:
Wir sind nicht die Richter der Richter. Wir stehen nicht über der Verfassung. Selbst wenn der Fall weit schlimmer wäre, als behauptet wird, würde es doch kein Argument zugunsten dieses Gesetzes sein, zu sagen, daß die Gerichte und einige Richter ihre Befugnisse mißbraucht haben. Weder die Gerichte noch die Richter sind vollkommen. Der Kongreß ist nicht vollkommen, noch sind es die Senatoren oder Abgeordneten. Diese Zweige der Administration und die Leiter in ihnen sind von menschlichen Wesen besetzt, die zum größten Teil danach streben, gemäß der Würde und dem Idealismus unseres Systems zu leben, das entworfen wurde, um das größtmögliche Maß von Gerechtigkeit und Freiheit für alle Menschen zu erreichen. Wir werden das System zerstören,
— so heißt es —
wenn wir es auf die unvollkommenen Maßstäbe der Menschen, die es handhaben, herabsetzen. Wir werden es uns selbst stärken, wir werden Gerechtigkeit und Freiheit für alle Menschen gewisser machen durch Geduld und Selbstbeschränkung.
Es fehlt mir die Zeit, all die klassischen Formulierungen, die im Englischen ja viel besser wirken als in der unvollkommenen deutschen Übersetzeng, vorzulesen. Ich werde deshalb mit Ihrer Erlaubnis nur noch zwei Stellen bringen.
— Das spricht nicht sehr für Ihr Bestreben, einen Sachverhalt objektiv zu prüfen.
— Wissen Sie, meine Reden halte ich, wahrscheinlich im Gegensatz zu den meisten von Ihnen Zwischenrufern, frei, aber wenn ich etwas zitiere, muß ich es ja vorlesen, da ich sonst ungenau bin. Etwas
ernsthafter also dürften Ihre Zwischenrufe sein, wenn Sie sich nicht dadurch selbst herabsetzen wollen.
Es heißt schließlich in diesem Beschluß abschließend:
Es ist ein Antrag, der so emphatisch zurückgewiesen werden muß, daß ein ähnlicher Antrag nie mehr den freien Vertretern des freien Volkes von Amerika vorgelegt werden wird.
Meine Damen und Herren! Wenn man einen solchen Beschluß einer alten Demokratie und eines alten Parlaments liest, dann hat man doch, wenn man vergleicht, ein bißchen das Gefühl, daß wir gut daran täten, uns in diesem Parlament auf die Grundlagen der rechtsstaatlichen Demokratie zu besinnen und uns von den Gesichtspunkten leiten zu lassen, die hier erfahrene Männer in einer erfahrenen Demokratie niedergelegt haben. Wir sind, Herr Bundesjustizminister, nicht die Richter der Richter. Die Exekutive ist kein Oberrichter, und wenn Sie in Ihrer Bundestagsrede vom 4. März erklärt haben, daß es Ihre Aufgabe sei, über die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts — so sagten Sie wörtlich — zu wachen, so war das wohl nicht nur ein falscher Zungenschlag, sondern so war das eben bereits ein Stück jenes Geistes, der das Wesen der Dreiteilung der Gewalten verkennt. Das war etwas außerordentlich Gefährliches. Das Gericht ist unabhängig und nur dem Gesetz unterworfen, und es gibt in der Exekutive keinen Oberrichter. Sie haben doch mit Ihrer neuerlichen Veröffentlichung, Herr Minister, wieder diese Rolle des Oberrichters zu übernehmen versucht und haben doch wirklich in der Sache dem Gedanken des demokratischen Rechtsstaats in keiner Weise gedient.
Ich weiß nicht, ob Sie den Versuch machen wollen, Herr Bundesminister, mit uns allen zusammen in diesem Hause sich diese Gedankengänge durch den Kopf gehen zu lassen. Es ist doch wirklich in einer jungen Demokratie, die sich erst zum demokratischen Rechtsstaat hin entwickeln will, eine Gefahr, wenn von der höchsten Stelle, wenn von der Stelle, die das juristische Gewissen des Kabinetts sein soll, derartige Behauptungen ausgehen. Ich glaube, das Parlament kann es sich nicht leisten, mit Stillschweigen über die Dinge hinwegzugehen, sondern sollte sich darauf besinnen, daß ein junges Staatswesen, das sich zur Demokratie durchringen muß — denn mit der Form allein ist es nicht getan —, bei der Übung solcher Praktiken, wie sie leider jetzt eingeführt worden sind, vorsichtig sein sollte.
Ich möchte hoffen, daß Sie unseren guten Willen bei der Erörterung dieser Frage voraussetzen, daß Sie unsere Sorge um den demokratischen Rechtsstaat anerkennen, daß Sie unser Bestreben und unsere Bereitschaft anerkennen, mit allen Kräften, die auf dem Boden der Demokratie stehen, dafür zu sorgen, daß man nicht aus politischen Zweckmäßigkeitsgründen fundamentale Dinge angreift, sondern daß gewisse Grundsätze respektiert werden, ganz gleich, ob man seine Prozesse gewinnt oder ob man seine Prozesse verliert.
Für die folgende Aussprache hat der Ältestenrat eine Gesamtredezeit von 60 Minuten vorgesehen. Ich nehme die Zustimmung des Hauses dazu an.
Das Wort hat der Herr Bundesjustizminister.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich teile weitgehend, ich möchte sagen, ich teile vollständig die Grundsätze, von denen die Ausführungen meines sehr verehrten Herrn Kollegen Wagner getragen waren. Ich bin mit ihm der Meinung, daß die Unabhängigkeit der Gerichte und daß der Grundsatz der Achtung der Gerichte ein hoher, ein höchster ist. Ich bin mit ihm der Meinung, daß die Exekutive niemals in Anspruch nehmen kann, Richter über die Richter, Oberrichter zu sein. Ich habe nur das Empfinden, Herr Kollege Wagner, wir gehen von ganz verschiedenen Voraussetzungen aus. Das ist doch das Entscheidende: Sie sagen, ich stünde in Gefahr, den Grundsatz der Dreiteilung der Gewalten dadurch zu verletzen, daß ich an einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts Kritik übe. Ich sage: im Gegenteil, es liegt ein Übergriff des Bundesverfassungsgerichts in die Gewalt der Gesetzgebung vor; ich bin der Meinung, es ist die Pflicht jedes verantwortlichen Mannes, nicht zuletzt des Bundesjustizministers, dagegen in der richtigen Form die Grenze zu ziehen.
Es ist notwendig, diese Dinge noch einmal im einzelnen darzulegen. Das Bundesverfassungsgericht hat mit einem Beschluß vom 8./9. Dezember einen Rechtssatz aufgestellt — kein Urteil gefällt, Herr Kollege Wagner, sondern einen Rechtssatz aufgestellt —, wonach ein Gutachten des Bundesverfassungsgerichts seine Senate in der Rechtsprechung bindet. Es handelt sich doch nur um folgendes. Erstens: Ist dieser Rechtssatz wirklich in einem anhängigen Verfahren aufgestellt worden? Zweitens: War wirklich eine Lücke des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes vorhanden, die durch das Bundesverfassungsgericht hätte geschlossen werden müssen? Darum geht doch die Diskussion. Wenn ein Urteil, eine Entscheidung oder ein Beschluß des Bundesverfassungsgerichts in einem echten Verfahren vorgelegen hätte, würde ich nie gewagt haben, dazu kritisch Stellung zu nehmen. Das wäre doch nicht meine Sache. Es wäre auch nicht richtig. Sie sagen, wir — nämlich die Bundesregierung — seien an diesem Verfahren beteiligt gewesen. Nein, es handelte sich ja nicht um ein Verfahren, sondern es handelte sich um die Aufstellung eines allgemein gültigen Rechtssatzes: Bindung der Senate an ein Gutachten. Es geht doch darum, daß das Bundesverfassungsgericht, und zwar das Plenum, es für richtig hielt, das von Ihnen beschlossene Bundesverfassungsgerichtsgesetz zu ergänzen, weil angeblich eine Lücke in ihm vorhanden ist. Das geschah aber nicht etwa im Rahmen eines Verfahrens, für das das Plenum des Bundesverfassungsgerichts zuständig gewesen wäre, sondern aus einem Anlaß, der keinerlei sachliche Zuständigkeit des Plenums des Bundesverfassungsgerichts begründete. Damals war vom Herrn Bundespräsidenten der Auftrag gegeben worden, ein Gutachten zu erstellen. Das wird normalerweise im Beratungszimmer erstellt. Das Bundesverfassungsgericht, das Plenum, hat es für notwendig gehalten. eine Art Verfahren durchzuführen, d. h. die Beteiligten zu laden, um das Problem, über das ein Gutachten erstattet werden sollte, mit ihnen zu erörtern. Kein Verfahren, wie es im Bundesverfassungsgerichtsgesetz vorgesehen ist! Das Bundesverfassungsgericht entscheidet eben durch seine beiden Senate nach den diesen Senaten zugeteilten Zuständigkeiten. Das Plenum entscheidet nur in bestimmten Fragen: wenn über die Zuständigkeit der Senate Streit besteht oder wenn ein Senat von einer Entscheidung eines andern Senats abweichen
will und dieser Senat deswegen das Plenum anruft. Also, es war kein Verfahren anhängig.
Nach meiner Meinung liegt auch keine Lücke des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes vor, das zu ergänzen war. Darauf allein kommt es an. Der Beschluß vom 8. Dezember kann doch nicht in der Welt bleiben. Es muß geklärt werden, ob er zu Recht besteht oder nicht. Der Beschluß greift doch in Ihre Rechte, in die Rechte des Gesetzgebers ein;
er sagt, Sie als Gesetzgeber hätten nichts gedacht und eine Lücke gelassen, und das Plenum des Bundesverfassungsgerichts müsse diese Lücke schließen.
Nun, wie waren die Dinge? „Die Gegenwart", eine sehr seriöse Zeitung, die ich seit langen Jahren lese, bringt den Beschluß vom 8. Dezember unter der Überschrift „Ein klassisches Dokument" und schreibt: „Es hat ,die Klarheit eines klassischen rechtsschöpferischen Textes". Das war im Dezember. Ich habe erwartet, daß man dazu Stellung nimmt, daß irgend jemand von den 402 Abgeordneten, um deren Rechte es geht, Stellung nimmt zu der Frage, ob dieser Beschluß wirklich Rechtens ist und ob es richtig ist, daß das Bundesverfassungsgericht in die Rechte des Gesetzgebers eingreift. Ich habe dann mit dem Herrn Reifenberg, dem Herausgeber der „Gegenwart", einen langen Briefwechsel geführt. Herr Kollege Wagner, man kann ja nicht einige Stellen aus meinem letzten Brief herausnehmen! Dadurch geht doch der Zusammenhang vollkommen verloren. Wenn Sie beispielsweise sagen, ich hätte behauptet, das Bundesverfassungsgericht habe dem Gesetz Gewalt angetan, so ist das nicht richtig. Ich habe gesagt: „Der Satz, das Bundesverfassungsgerichtsgesetz enthalte eine Lücke, wird einfach behauptet; er bedürfte wahrlich des Beweises; er ist nicht zu beweisen, wenn man nicht dem Gesetz Gewalt antun will!" Also, ich meine, auf jeden Fall bekommen in der Herauslösung dieser Sätze aus dem Zusammenhang diese Bemerkungen nicht den richtigen Akzent.
Es wäre viel darüber zu sagen; aber ich wiederhole, meine Damen und Herren: Sie können mich hier doch nicht mißbilligen, weil ich es für richtig halte, die Rechte des Parlaments in Anspruch zu nehmen, wenn nach meiner festen Überzeugung vom höchsten deutschen Gericht, vom Bundesverfassungsgericht, in Ihre Rechte eingegriffen wird!
Das Wort hat Herr Abgeordneter Euler.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir setzen heute das Gespräch fort, das wir zuletzt aus Anlaß der früheren Mißbilligungsanträge der SPD am 4. März hier geführt haben.
Es ist mir ein Bedürfnis, zu sagen, daß der Herr Kollege Wagner dieses Gespräch auf eine sehr angemessene Weise eröffnet hat. Der Kern des Gesprächs ist genau derselbe wie damals. Letzten Endes ist der springende Punkt der, ob der Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 8./9. Dezember 1952 die Schließung einer Lücke war, also neue Rechtsschöpfung in dem Rahmen, der dem Bundesverfassungsgericht dazu freisteht, oder aber, ob es sich um einen neuen Rechtssatz entgegen einem ganz klaren Wortlaut des Gesetzes handelte, der den Willen des Gesetzgebers eindeutig wiedergibt. Was dies anbelangt, so können wir uns nur wundern, daß das Gespräch wieder aufgenommen wird, zumal da der Herr Bundesjustizminister in der seinerzeitigen Debatte sehr ausführlich dargelegt hatte, welche Momente dafür sprechen, daß das Bundesverfassungsgericht mit seinem Beschluß vom 8. Dezember neues Recht auf eine nicht zulässige Weise gesetzt hat. Es ist doch damals der Bundesjustizminister gewesen, der auch an Hand der früheren Darlegungen in den Schriftsätzen der sozialdemokratischen Opposition nachdrücklich herausgearbeitet hat, daß das Bundesverfassungsgericht keinen Anlaß zu der Aufstellung des Rechtssatzes hatte, daß die Gutachten für die Senate verbindlich zu sein haben, weil der Gesetzgeber, als er das Gesetz über das Bundesverfassungsgericht erließ, das Institut des Rechtsgutachtens ausdrücklich als etwas ganz anderes wollte, als daß die Gutachten Entscheidungscharakter haben sollten. Ich meine, gerade die Darlegungen des Herrn Bundesjustizministers in unserer damaligen Plenarsitzung haben doch volle Klarheit darüber gegeben, daß bei den Beratungen im Rechtsausschuß alle Fraktionen völlig einmütig darin waren, daß man eben keine verbindliche Kraft des Gutachtens wollte und daß es der ganze Sinn des Gutachtens war, dem Bundespräsidenten bzw. den gesetzgebenden Organen in Verbindung mit der Bundesregierung die Möglichkeit zu geben, einen Ratschlag des obersten Gerichts einzuholen — einen Ratschlag, der seine Kraft nur aus der Autorität des Bundesverfassungsgerichts und aus der Güte der Gründe ziehen sollte.
Es wurde damals auch sehr nachdrücklich darauf hingewiesen, wie richtig die Reaktion des Bundespräsidenten auf diesen Beschluß vom 8. Dezember war, insofern als der Bundespräsident ganz richtig erfaßte, daß mit diesem, dem Willen des Gesetzgebers zuwiderlaufenden Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 8. Dezember das Institut des Gutachtens eigentlich zerstört war; als Gutachten sollte nunmehr eine Entscheidung gegeben werden, die für eine politische Mitwirkung und eine politisch selbständige Entscheidung des Bundespräsidenten überhaupt keinen Raum mehr ließ. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Man muß vor allem daran denken, daß, wenn man dem Gutachten Entscheidungscharakter gibt, eines überhaupt nicht möglich ist, womit nicht nur wir als Gesetzgebungsorgan gerechnet hatten, als wir die Möglichkeit des Gutachtens schufen, sondern womit auch gerade der Bundespräsident gerechnet hatte: daß Gutachten in der Form von Mehrheits- und Minderheitsgutachten gegeben werden, mit der nur dieser Form eigenen Nachdrücklichkeit der Darstellung der Zweifelsgründe, die bei der Mehrheit und Minderheit des Bundesverfassungsgerichts bestehen.
Von diesen Darlegungen her wird es doch verständlich, daß es sich bei der Kritik des Bundesjustizministers gegenüber dem Karlsruher Beschluß vom 8. Dezember nicht darum handelt, in die richterliche Unabhängigkeit einzugreifen, sondern umgekehrt eine Kompetenzüberschreitung der richterlichen Gewalt, einen Einbruch der richterlichen Gewalt in die gesetzgebende, zu kritisieren und durch Kritik dafür Sorge zu tragen, daß in Zukunft das Bundesverfassungsgericht doch kritischer gegenüber dem Willen zur Rechtsetzung sein möge. Ich glaube, daß die damaligen sehr ausführlichen Darlegungen des Herrn Bundesjustizministers gerade hier im Plenum einen sehr starken Eindruck
gemacht haben, vor allem auch insofern, als damals das ihn beherrschende Motiv der Sorge um unsere rechtsstaatliche Entwicklung klargestellt wurde. Dem Herrn Justizminister geht es darum, Verrückungen in dem Gleichgewicht der drei Gewalten, wie es sich der Verfassunggeber gedacht hat, zu vermeiden. Solche Verrückungen können ja nicht nur dadurch eintreten, daß das Gesetzgebungsorgan seine Grenzen, beispielsweise im Verhältnis zur Regierungsgewalt, überschreitet, und nicht nur dadurch, daß die Regierung ihre Kompetenzen im Verhältnis zur gesetzgebenden oder richterlichen Gewalt überschreitet, sondern auch dadurch, daß die richterliche Gewalt sich einen Willen zur Gesetzgebung beilegt in einem Maße, das zu einer Ausdehnung der richterlichen Kompetenz gegenüber der gesetzgeberischen führt. Also auch von dieser Seite her kann eine Gefährdung des Gleichgewichts zwischen den drei Gewalten, wie es sich der Grundgesetzgeber gedacht hat, eintreten.
Um nichts anderes als eine Kritik des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 8. Dezember 1952 in diesem Sinne ging es auch wieder bei den Äußerungen des Herrn Justizministers gegenüber Benno Reifenberg, dem Herausgeber der „Gegenwart". Wenn man von dieser Darstellung ausgeht, dann, meine sehr geehrten Damen und Herren, sind die drei Schlußfolgerungen, die der Bundesjustizminister in seinem Brief an Benno Reifenberg gezogen hat, in sich völlig klar und begründet. Die erste dieser drei Schlußfolgerungen ist, daß von einer Lücke im Gesetz nicht die Rede sein kann, es sei denn, man setze sich über den eindeutig feststellbaren Willen des Gesetzgebers hinweg, wie er im Gesetz über das Bundesverfassungsgericht seinen Niederschlag in jenem Paragraphen über das Rechtsgutachten gefunden hat, oder — wie sich der Justizminister ausgedrückt hat — man tue dem Gesetz Gewalt an. Die zweite Schlußfolgerung, die damit im engsten Zusammenhang steht, ist doch die, daß das Bundesverfassungsgericht die ihm gesetzte Grenze der Rechtsetzung überschritten hat. Und auch die dritte Schlußfolgerung ist begründet, daß es für die Verwirklichung des Anliegens des Bundesverfassungsgerichts nur den mit dem Recht im Einklang stehenden Weg hätte geben dürfen; und dieser Weg konnte kein anderer sein als der, daß das Bundesverfassungsgericht, wenn es feststellte, daß eine gewollte Regelung des Gesetzgebers zu völlig untragbaren Ergebnissen führt, den Gesetzgeber auf die Notwendigkeit seines Eingreifens hingewiesen hätte. Statt dessen hat das Bundesverfassungsgericht unter der willkürlichen Behauptung, es sei eine Lücke im Gesetz vorhanden, einfach neues Recht gesetzt, entgegen dem völlig eindeutig feststellbaren Willen des Gesetzgebers, wie er bei den Verhandlungen über das Bundesverfassungsgerichtsgesetz seinen Niederschlag gefunden hatte — völlig eindeutig, nach dem übereinstimmenden Willen der bei diesem Gesetz Mitwirkenden aller Fraktionen.
Wir können also mit dem besten Willen nicht zugeben, daß die Kritik des Bundesjustizministers, die er in diesem Punkte gegenüber dem Bundesverfassungsgericht geltend macht, ungerechtfertigt sei und daß diese Kritik in der Art ihrer Äußerung unangemessen sei. Wir finden die Auffassung des Bundesjustizministers in jeder Weise gut begründet und finden in seinem Brief an die „Gegenwart" nichts, was den Mißtrauensantrag der SPD rechtfertigen könnte.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Kiesinger.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, es ist zweckmäßig, daß wir davon Abstand nehmen, bei dieser Debatte zu untersuchen, ob der Herr Bundesjustizminister mit seiner Ansicht über das Gutachtenverfahren sachlich recht hat oder das Bundesverfassungsgericht. Der Gegenstand, über den wir heute zu verhandeln haben, ist so zu sehen: Selbst wenn der Herr Bundesjustizminister in seiner Auffassung recht hätte, würde, glaube ich, wenn ich den Antrag der Fraktion der SPD richtig verstehe, diese Fraktion seine Kritik tadeln, weil sie ihm grundsätzlich das Recht abspricht, in der Weise, in der er es getan hat, seine Meinung zu äußern. Dazu möchte ich ein paar Worte sagen.
Der Antrag der sozialdemokratischen Fraktion hat verschiedene Gegenstände. Zuerst wird verlangt, daß einige konkrete Äußerungen des Herrn Bundesjustizministers mißbilligt werden. Dann ist in Ziffer 2 des Antrags in einer sehr allgemein gehaltenen Formulierung gesagt, es sei unerwünscht und mit der verfassungsgerechten Unabhängigkeit des Bundesverfassungsgerichts und der Bundesgerichte nicht vereinbar, daß der Bundesminister der Justiz in amtlicher Eigenchaft weiterhin an Entscheidungen usw. Kritik übe.
Ich bin natürlich mit vielen Gedankengängen, die der Herr Kollege Wagner hier vorgetragen hat, durchaus einverstanden, wie es jeder rechtsstaatlich Denkende sein muß. Aber ich muß Sie doch darauf aufmerksam machen, daß er wohl in einigen, und zwar wesentlichen Punkten die Sache selbst nicht getroffen hat. Z. B. ist der Vergleich mit einem Zivilprozeßstreit nicht richtig, denn es hat sich, wie der Herr Bundesjustizminister bereits selbst richtig bemerkt hat, ja gar nicht um eine Stellungnahme des Bundesjustizministers zu einer Streitentscheidung gehandelt. Es handelte sich um eine Stellungnahme zu einer allgemeinen Festlegung des Bundesverfassungsgerichts aus Anlaß eines schwebenden Gutachtenverfahrens, und zwar eine — das wird mir jeder 'zugestehen müssen — für alle Beteiligten recht überraschend gekommene Festlegung.
Es ist auch in der Literatur zu dieser Frage Stellung genommen worden. So hat z. B. Professor Blomeyer in einem Aufsatz in der „Monatsschrift für deutsches Recht" dazu gesagt — ich darf den Herrn Präsidenten bitten, diese paar Zeilen verlesen zu dürfen —:
Nun ist aber die Rechtsfrage, ob die Gutachten des Plenums die Senate binden, weder zum Gegenstand eines Senatsverfahrens noch eines Gutachtenverfahrens gemacht worden. Der Beschluß vom 8. Dezember 1952 über die bindende Kraft aller Gutachten des Plenums ist vielmehr bei Gelegenheit eines Gutachtenverfahrens, das eine andere Frage betraf, erlassen worden. Gleichwohl beansprucht er verbindliche Kraft für die Senate für alle künftigen Urteilsverfahren. Ein dem Urteilsverfahren gleichwertiges Verfahren ist hinsichtlich dieser Frage nicht durchgeführt worden. Von den Beteiligten hat niemand Gelegenheit gehabt, sich zu dieser Frage zu äußern. Gar mancher wäre wohl in der Lage gewesen, schwerwiegende Gründe gegen die im Plenum vorherrschende Ansicht vorzubringen. Das hätte vielleicht zu einem anderen Ergebnis geführt.
Sei dem nun, wie ihm wolle. Jedenfalls hat hier der Herr Bundesjustizminister nicht zu einer Streitentscheidung des Bundesverfassungsgerichts Stellung genommen, sondern zu einer allgemeinen Festlegung.
Das ist das eine. Das andere: Der Herr Kollege Wagner hat von der Dreiteilung der Gewalten gesprochen. Nun, darüber wäre viel zu sagen; mit Fontane zu sprechen: „Es ist ein weites Feld". Ich erinnere mich daran, daß an dieser Stelle der jetzige Herr Ministerpräsident Zinn darauf hingewiesen hat, daß auch gewisse Gefahren von jener dritten Gewalt der Justiz kommen könnten, und daß er an die Worte unseres Erzvaters des Rechtsstaats, Montesquieu, erinnert hat über eine mögliche arbiträre Diktatur der Justiz.
Es ist sicherlich notwendig, daß auch zu gewissen Entscheidungen der Bundesverfassungsgerichtsbarkeit Stellung genommen wird, und zwar gerade zu jenen, zu denen unser Bundesverfassungsgericht in dem kurzen Anlauf, den es bisher hatte, neigt. Darüber hat sich erst in einer der letzten Nummern der „Juristischen Wochenschrift" Professor Dr. Schneider-Tübingen in einem Aufsatz ausgelassen. Er weist darauf hin, daß der amerikanische Supreme Court hundert Jahre gebraucht habe, bis seine Urteilssprüche sich Autorität verschafft hätten. Daraus müßte eigentlich eine gewisse Zurückhaltung des Bundesverfassungsgerichts, jedenfalls allgemeine Leit- und Lehrsätze aufzustellen, folgen. Das Bundesverfassungsgericht habe aber im Gegenteil sehr „forsch zugepackt". Nun mag das da und dort nötig gewesen sein — ich will im Augenblick keine Kritik daran üben —, jedenfalls aber erfordert es die Tatsache, daß die Verfassungsgerichtsbarkeit in deutschen Landen jung ist und daß das Bundesverfassungsgericht die Neigung zeigt, seine Aufgabe „ziemlich forsch" zu erledigen, dazu kritisch Stellung zu nehmen.
Man kann auch dem Herrn Bundesjustizminister dieses Recht nicht versagen. Schließlich ist er als Bundesjustizminister mit dieser Materie vertraut und betraut. Es hat in den letzten Jahren gelegentlich Auseinandersetzungen darüber gegeben, daß nicht nur die Richter, sondern gerade auch die oberste Spitze der Justizverwaltung, der Bundesjustizminister, völlig entpolitisiert werden sollten, daß sie — wogegen sich der Herr Bundesjustizminister gelegentlich temperamentvoll gewehrt hat — ein „Gelübde politischer Keuschheit" ablegen sollten. Der Herr Bundesjustizminister hat sich immer sehr nachdrücklich zur Politik als seiner großen Liebe bekannt, und das kann man ihm wohl auch nicht übelnehmen.
Im übrigen ist es natürlich eine Ermessensfrage, eine Frage des Taktes, der Form, der Situation. Im vorliegenden Falle, glaube ich, hat der Herr Bundesjustizminister seine Grenzen in der Sache wohl nicht überschritten. Ob er gut daran getan hätte, in der Form eine etwas vorsichtigere Formulierung zu wählen, ist eine andere Frage. Wenn es sich für uns also darum handelt, nur zu dieser Frage Stellung zu nehmen, dann würde ich sagen, daß man nicht wohl seine Äußerungen, die er in dem Schriftwechsel getan hat, schlechthin mißbilligen kann.
Was den zweiten Punkt des Antrages anlangt, so muß ich sagen, daß es wohl auch bei gründlichem Durchdenken auf Ihrer Seite nicht wünsehenswert erschiene, wenn man dem Herrn Bundesjustizminister ein für allemal anläßlich derartiger Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, wie sie die grundsätzliche Bindung an das Gutachten darstellt, den Mund verbieten würde.
Infolgedessen und unter Hinweis auf den von uns schon bei den vorgängigen Fällen vertretenen Grundsatz, daß wir derartige Mißbilligungsanträge gegen einzelne Minister prinzipiell mit Reserve betrachten, werden meine politischen Freunde dem Antrag nicht zustimmen.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Renner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Eine Vorbemerkung in Anknüpfung an den letzten Satz des Herrn Kiesinger: in diesem Fall keine Veranlassung zur Kritik. Soll man daraus die Hoffnung schöpfen, daß Sie sich bei nächster Gelegenheit den Herrn Dehler und seine Kampfrede gegen die politisierende Kirche und gegen den „Kirchenfeldwebel" vorknöpfen werden?
- Das war ja nur eine Vorfrage, nicht wahr, nur eine Vorfrage!
Nun, was haben wir heute wieder einmal erlebt? Um einen politischen Tatbestand haben sich hier drei Juristen und ein Minister, der auch Jurist ist, gestritten. Das gab eine große Haarspalterei, und herausgekommen ist im Endeffekt: sie sind sich alle einig! Dabei gab es einige sehr interessante Enthüllungen, die den „Sozialisten" Herrn Kollegen Wagner ganz eindeutig herausstellten. Ich hatte heute wirklich nicht erwartet, daß bei der Gelegenheit das Hohelied über die „Demokratie" und über die „demokratische Justiz" Amerikas gesungen werden würde. Dem Herrn Wagner, dem Sozialdemokraten, der sich gelegentlich Sozialist nennt, rufe ich nur zwei Namen ins Gedächtnis: Sacco und Vanzetti und den Fall des Ehepaars Rosenberg!
Und nun — ich habe nur fünf Minuten Zeit —: der „viergeteilte" Dehler, von dem er sprach! Wir werden ihn vielleicht in den nächsten Tagen noch etwas mehr zerpflückt bekommen, Herr Kiesinger, wenn Sie Wort halten. Für uns ist dieser Herr Dehler der auf den Boden des Bundesjustizministeriums gestellte Repräsentant seiner Klasse. Das ist unsere Auslegung der Funktion und der Person des Herrn Dehler. Für Herrn Dehler ist das Bundesverfassungsgericht ganz selbstverständlich eine Institution, die den Interessen seiner Klasse zu dienen hat.
Tut das Bundesverfassungsgericht ihm den Gefallen nicht, dann ist der Herr Dehler verschnupft, und dann fallen mehr oder minder delikate Feststellungen und Äußerungen, die nachher alle wieder mit dem Mantel der — auch in dieser Klasse beliebten — christlichen Liebe zugedeckt werden.
Aber nun ist die Frage: Warum stellt sich die SPD so schützend vor das Bundesverfassungsgericht? Warum die Aufrechterhaltung der Fiktion von einer Institution, die in voller Unabhängigkeit und in voller Überparteilichkeit urteilt,
reines Recht spricht, herausgelöst aus allen Bindungen der Klasse, herausgelöst aus allen Bindungen gesellschaftlicher Natur? Warum halten Sie diese Fiktion aufrecht? Darauf will ich Ihnen eine Antwort geben! Sehen Sie: daß es sich bei diesem Gericht und bei der Zusammensetzung seiner Richter um ein politisches Faktum handelt, dafür gibt es doch einen eklatanten Beweis. Das ist der seit einem Jahr tobende Kampf um die Besetzung des zwölften, im Augenblick noch unbesetzten Richterpostens. Da stoßen doch Parteien parteimäßig gegeneinander, und die Wiederbenennung dieses Richters scheitert doch daran, daß die beiden Komponenten sich nicht einig werden können.
Warum also diese Fiktion? Nun, Sie haben diese Fiktion nötig! Sie stellen heute dem Volk, das gegen die Außenpolitik dieser Regierung ankämpft
— diese Außenpolitik, die sogar Ihr verstorbener Parteiführer persönlich einmal als eine Klassenpolitik angesprochen hat —, Sie stellen den Bestrebungen unseres Volkes, mit dieser Klassenpolitik Schluß zu machen, die im EVG-Vertrag ihren eindeutigsten Ausdruck findet, das Bundesverfassungsgericht entgegen. Sie sagen unserem Volk: Es gibt ein Gericht, das rein objektives, rein sachliches Recht sprechen wird, und wir brauchen deshalb gegen Adenauer nicht zu kämpfen. Darum machen Sie diesen Betrug auf, als sei beim Bundesverfassungsgericht in dieser entscheidenden Frage für unser Volk „Recht" zu finden. Das ganze Theater, das Sie heute hier aufgezogen haben, hat nur den einen Sinn, das Volk von dem Kampf gegen diese Regierung, die dieses Regime vertritt, abzuhalten. Darum halten Sie die Fiktion aufrecht, als seien in Karlsruhe Richter, die reines, absolutes, abstraktes Recht sprächen, als bedürfe es keines Kampfes. Dort sitzen Teile und Glieder einer Klasse, dort sitzt ein Klasseninstrument. Herr Wagner, das Sie das als Sozialist so ganz vergessen haben, das ist wirklich erstaunlich! Im Wahlkampf kam in den letzten Tagen bei Ihnen sogar gelegentlich einmal das Wort von der Klasse zum Durchbruch. Warum, so frage ich Sie, machen Sie jetzt das Theater, warum führen Sie nicht unsere Klasse in den Kampf gegen diesen Justizminister, der auf dem ihm gegebenen Posten eine Funktion dieser Adenauer-Regierung ausübt? Warum machen Sie die Arbeiterklasse nicht mobil? Warum halten Sie hier so sinnlose Reden?
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Aussprache ist geschlossen. Auch die Privatunterhaltungen sind damit wohl nutzlos.
Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag Drucksache Nr. 4360. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu heben. — Ich bitte um die Gegenprobe. —
Enthaltungen? — Das zweite war die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt. Damit ist dieser Punkt der Tagesordnung erledigt.
Ich rufe auf Punkt 5:
Erste, zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, FDP, DP, FU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ergänzung des Gesetzes über die Wahl der Vertreter der Bundesrepublik zur Beratenden Versammlung des Europarats (Nr. 4410 der Drucksachen).
Das Wort zur Begründung hat Herr Abgeordneter Dr. Pünder.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es handelt sich hier um einen zwar kleinen, aber doch immerhin recht bedeutsamen formellen Vorgang. Wir haben seinerzeit das Gesetz verabschiedet, wonach die Vertreter der Bundesrepublik in der Beratenden Versammlung des Europarats und ihre Stellvertreter vom Bundestag aus seiner Mitte gewählt werden. Es ist aber nichts darüber gesagt worden, auf wie lange Zeit und welcher Zustand eintreten soll, wenn ein neuer Bundestag gewählt wird. Es liegt auf der Hand, daß nach der Richtung eine kleine Ergänzung dieses Gesetzes notwendig ist.
Der Ihnen vorliegende Initiativgesetzentwurf enthält diese kleinen Änderungen. Im § 1 ist eingefügt worden „jeweils für die Dauer seiner Wahlperiode". Die Geschäftsordnung der Beratenden Versammlung in Straßburg hat sich mit dem Problem natürlich auch schon befaßt, und in ihrem Art. 7 heißt es:
Die Abgeordneten und ihre Stellvertreter bleiben bis zur Eröffnung der folgenden ordentlichen Sitzungsperiode im Amt, vorbehaltlich des Rechtes der Mitgliedstaaten, nach Wahlen zum Parlament Neubenennungen vorzunehmen.
Naturgemäß kann der Europarat aber nicht in die Zuständigkeit der nationalen Länderparlamente eingreifen. Deswegen ist eben eine solche Ergänzung nach der Auffassung der Fraktionen, die diesen Initiativantrag unterzeichnet haben, dringend notwendig.
Der Abs. 2 des § 1 trägt demselben Gedanken Rechnung. Er lautet:
Nach Ablauf der Wahlperiode eines Bundestages bleiben die Vertreter und Stellvertreter im Amt, bis der neue Bundestag innerhalb von sechs Wochen nach seinem ersten Zusammentritt eine Neuwahl durchgeführt hat.
Wir glauben diese Frist von sechs Wochen einsetzen zu sollen. Wenn wir am 15. September wieder eine Delegation nach Straßburg senden müssen, hat sich der neue Bundestag naturgemäß noch nicht konstituiert. Aber man wird annehmen dürfen, daß innerhalb von sechs Wochen nach seinem ersten Zusammentritt eine solche Entscheidung erfolgen kann. Das ist der Sinn dieses Abs. 2.
In dem § 2, der jetzt eingefügt werden soll, ist betont, daß das Verfahren der Wahl sowie die Nachfolge im Amt im Falle des Ausscheidens eines Vertreters infolge Tod oder aus sonstigen Gründen der Bundestag zu bestimmen habe.
. Nach unserer Auffassung ist es, wie gesagt, ein notwendiger, aber formeller Vorschlag, den wir Ihnen machen müssen, und wir bitten um einstimmige Annahme heute in allen drei Lesungen. Ich glaube, viele Erörterungen zu dem Punkt wären nicht erforderlich.
Zur ersten Beratung?
Wenn eine Aussprache in erster Beratung entgegen der Vereinbarung im Ältestenrat stattfinden soll, dann muß ich Ihnen eine Redezeit von 40 Minuten vorschlagen.
— Dann liegen zur ersten Beratung keine Wortmeldungen vor. Ich schließe die erste Beratung und rufe auf zur
zweiten Beratung,
und zwar artikelweise. Zu Art. 1 liegen Änderungsanträge und Wortmeldungen nicht vor. Die Aussprache ist geschlossen. Ich bitte diejenigen, die Art. 1 zustimmen, die Hand zu heben. Ich bitte um die Gegenprobe. — Das erste war die Mehrheit; angenommen.
Ich rufe auf Art. 2. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu heben. — Gegenprobe! — Das erste war die Mehrheit; Art. 2 ist angenommen.
Einleitung und Überschrift. Dazu darf ich selbst wohl eine Bemerkung machen. Das Gesetz enthält nicht nur eine Ergänzung, sondern auch eine Änderung seiner bisherigen Fassung. Es müßte also genau heißen: Entwurf eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung. Darf ich .das dem Hause vorschlagen und die Zustimmung annehmen?
— Damit würde das Gesetz die Bezeichnung „Gesetz zur Änderung und Ergänzung . . ." bekommen. Ich darf die Zustimmung des Hauses zur Einleitung und zur Überschrift annehmen und damit die zweite Beratung schließen.
Ich rufe auf zur
dritten Beratung.
Allgemeine Aussprache. Darf ich vorschlagen, die Redezeit auf 40 Minuten zu begrenzen.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Erler.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir können uns nicht entschließen, diesem Gesetz unsere Zustimmung zu geben, weil wir es für überflüssig halten. Es steht fest, daß nach dem Statut des Europarats das Mandat derjenigen Delegierten weitergilt, in deren Land inzwischen auf Grund einer Neuwahl ein neues Parlament gebildet worden ist, bis das Parlament oder die Regierung des betreffenden Landes andere Delegierte an ihrer Stelle geschickt hat. Die Frage, die Sie lösen wollen, ist also gelöst, und ich meine, bei der Hypertrophie der Gesetzgebung, die uns ohnehin viel zuviel zu schaffen macht und die Öffentlichkeit mit einer Flut von Gesetzen überschüttet, sollten wir nicht auch noch völlig überflüssige Gesetze machen.
Die Bestimmung, daß der Bundestag die Delegierten zum Europarat aus seiner Mitte wählt, hat doch nur die Bedeutung, daß damit ausgedrückt ist, wer passiv legitimiert ist, gewählt zu werden, nämlich ein Mitglied des Bundestages. Das ist alles. Es bedeutet nicht, daß etwa mit dem Ende der Legislaturperiode automatisch das Mandat erlischt, zumal das Statut des Europarats ausdrücklich eine andere Regelung dieser Frage enthält. In dem bisherigen Gesetz ist nichts über das Erlöschen eines solchen Mandats gesagt.
Zum zweiten versuchen Sie nun, dem neuen Bundestag eine Frist für die Erledigung dieser Arbeit zu setzen. Es ist sehr ungewöhnlich, daß ein Parlament ausdrücklich ein Gesetz beschließt, um seinem Nachfolger für die Erledigung bestimmter Geschäfte Fristen zu setzen. Ich nehme an, daß der neue Bundestag vernünftig genug ist, die Delegierten zum Europarat dann zu wählen. wenn er es für erforderlich hält. Ich meine nicht, daß Sie die Wahlergebnisse jetzt schon so weit voraussehen, daß Sie ohne weiteres annehmen könnten, der neue Bundestag müßte unter allen Umständen dümmer sein als dieser.
Wenn es sich also wirklich um eine Frage handelt, die gelöst werden muß, dann wird sich der neue Bundestag ihrer annehmen. Aber warum sollen wir so unhöflich sein, jetzt von Gesetzes wegen Arbeiten zu regeln, die dem Ältestenrat des neuen Bundestages zukommen? Ich meine, damit entwerten wir die Arbeit der Gesetzgebung. Wir können diesem überflüssigen Gesetz nicht zustimmen.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Becker.
Meine Damen und Herren! Ich habe aus der negativ formulierten Rede unseres verehrten Kollegen Erler entnommen, daß er sachlich eigentlich mit allem einverstanden ist. Er hält die Bestimmungen nur für überflüssig, im wesentlichen unter Hinweis darauf, daß das Statut des Europarats wenigstens die wesentlichste Frage schon geregelt habe. Ich glaube aber, daß, wenn eine internationale Rechtsetzung einen bestimmten Rechtssatz formuliert hat, es nicht nur nicht schaden kann, wenn er auf der deutschen Rechtsebene wiederholt wird, sondern es scheint mir sogar notwendig zu sein, daß auch das deutsche Recht sich diesem internationalen Recht anpaßt,
und deshalb bitte ich doch, dem Antrag zuzustimmen.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor; dann ist die Aussprache zur dritten Beratung geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung. Ich rufe auf Art. 1 und 2, Einleitung und Überschrift und bitte diejenigen, die zustimmen. die Hand zu heben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das erste war die Mehrheit; das Gesetz ist angenommen.
Wir kommen zur Schlußabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetz als Ganzem zustimmen, sich- zu erheben. — Gegenprobe! — Das erste war die Mehrheit; das Gesetz ist in dritter Beratung verabschiedet.
Ich rufe nun auf Punkt 6 der Tagesordnung: Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betreffend Neuregelung der Grundbeträge in der Rentenversicherung der Arbeiter .
Der Ältestenrat hat eine Begründungszeit von 10 Minuten und eine Gesamtredezeit von 40 Minuten vorgesehen. Ich nehme die Zustimmung des Hauses an.
Wer spricht zur Begründung? — Das Wort hat Frau Abgeordnete Döhring.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Bei dem vorliegenden Antrag der SPD-Fraktion Drucksache Nr. 4346 handelt es sich darum, die Grundbeträge
oder, richtiger gesagt, die festen Bestandteile, der Renten in der Rentenversicherung der Arbeiter etwas gerechter zu gestalten. Dies ist notwendig; denn obwohl die abzuführenden Beiträge in den beiden Rentenversicherungen nun bereits seit dem Jahre 1942 bei ein und demselben Verdienst gleich hoch sind, haben wir noch immer wesentliche Unterschiede in der Rentenberechnung. Heute beträgt der feste Bestandteil der Renten in der Invalidenversicherung 40 DM monatlich gegenüber 70 DM in der Angestelltenversicherung. Dafür liegen allerdings die Steigerungsbeträge bei den Angestelltenrenten etwas ungünstiger. Um diese letzte Ungerechtigkeit zu beseitigen, hat meine Fraktion bekanntlich am 5. Mai dieses Jahres auf Drucksache Nr. 4271 die Erhöhung der Steigerungsbeträge der Renten für die Angestellten beantragt.
Wie ich in der seinerzeitigen Begründung bereits ausgeführt habe, muß selbstverständlich auch die Ungerechtigkeit in der Rentenversicherung der Arbeiter, die in den niedrigeren Grundbeträgen liegt, beseitigt werden. Diese Tendenz war erfreulicherweise auch aus den Ausführungen des Herrn Bundesarbeitsministers am 5. Mai zu entnehmen. Er sagte damals, daß man, wenn man eine neue Rentenformel festlegen wolle, dies selbstredend dann auch für die Invalidenversicherung tun müsse. Freilich meinte der Herr Arbeitsminister, man müsse mit der Regelung dieser Dinge warten, bis die Arbeiten des Beirats beim Arbeitsministerium abgeschlossen seien.
Nun, Herr Bundesarbeitsminister und meine Herren und Damen von der Regierungskoalition, wir Sozialdemokraten sind nicht der Meinung, daß man so lange warten kann.
In den vielen Briefen, die uns erreichen — lassen Sie mich nur einen einzigen zitieren — wird verlangt, daß die Renten endlich in gerechterer Weise geregelt werden; denn die Renten seien ja in normalen Zeiten festgesetzt worden, als man für 0 Pfennig noch vier bis fünf Brötchen bekommen habe. Die Rentner, so heißt es weiter, kämen mehr und mehr zu der Auffassung, den Mitgliedern des Parlaments fehle vielleicht das menschliche Verständnis und das soziale Verantwortungsbewußtsein für die große Not der Rentner. Haben sich denn, so geht der Brief weiter, die Abgeordneten noch keine Gedanken darüber gemacht, daß sonderbarerweise jetzt wieder viele alte Leute „durch Unglücksfall" aus dem Leben scheiden? Das ist eine sehr ernste Mahnung, meine Herren und Damen, die uns verpflichten sollte, den Rentnern zu helfen, noch bevor dieses Hohe Haus seine Pforten demnächst schließt.
Wie Sie wissen, betragen jetzt die monatlichen Grundbeträge in der Rentenversicherung der Arbeiter nur 40 DM für den Rentner, 32,75 DM für die Witwe und 18,25 DM für die Waise. Wirtschaftlich gesehen läuft unser Antrag auf Neufestsetzung der Grundbeträge darauf hinaus, daß die Renten in der Rentenversicherung der Arbeiter um monatlich 10 DM für den Rentner, 7,25 DM für die Witwe und 6,75 DM für das Waisenkind erhöht werden. Die Notwendigkeit der Erhöhung der Grundbeträge wird wohl von niemandem in diesem Hauses ernsthaft bestritten werden können, zumal wenn man bedenkt, wie niedrig die Durchschnittsrenten liegen. Schon die Durchschnittsrente in der Angestelltenversicherung, die jetzt bei monatlich 120 bis 121 DM liegt, ist zum Sterben zuviel und zum Leben zuwenig. Um wieviel bitterer ist die Tatsache, daß die Durchschnittsrente in der Rentenversicherung der Arbeiter selbst nach den erfolgten verschiedenen, allerdings bescheidenen Erhöhungen noch immer nur 79 DM im Monat beträgt!
Nun kann ja erfreulicherweise festgestellt werden, daß wir mit unserer Auffassung, daß auch für die Renten der Arbeiter wieder etwas getan werden muß, nicht allein stehen. Vielmehr wurde im Sozialpolitischen Ausschuß anläßlich der Beratung unseres Antrages für die Verbesserung der Angestelltenrenten, der allgemein ein gewisses Verständnis fand, auch von Vertretern der Regierungsparteien eine entsprechende Regelung gleichzeitig für die Renten der Arbeiter gewünscht.
Zur Frage der Deckung der benötigten Mittel kann ich mich kurz fassen. Diese Mittel stehen nämlich zur Verfügung. Nachdem die von der Bundesregierung beabsichtigte Abschöpfung der Mittel der Rentenversicherungen in der Sitzung des Bundestags vom 2. Juni dieses Jahres erfreulicherweise abgelehnt worden ist, hat die Rentenversicherung der Arbeiter zur Zeit einen Überschuß von rund 680 Millionen DM. Dies ist nicht etwa nur eine Annahme von uns, sondern dieser Betrag ist von der Bundesregierung in dem von ihr vorgelegten Material in der Drucksache Nr. 4005 selbst angegeben bzw. kann auf Grund dieses Materials errechnet werden. Die Rentenversicherung der Arbeiter ist also durchaus in der Lage, die beantragte Neufestsetzung der Grundbeträge durchzuführen. Deshalb haben wir unter Punkt 2 unseres Antrages zur Frage der Deckung gesagt, daß die Grundbeträge zur Hälfte vom Bund und zur andern Hälfte von den Trägern der Rentenversicherung getragen werden. Das bedeutet praktisch, daß für den Bund überhaupt keine Mehrbelastung eintritt und die vollen Mehrausgaben nach diesem Gesetz von der Rentenversicherung übernommen werden.
Ich bitte Sie deshalb namens meiner Fraktion, die so dringend erforderliche Hilfe für die Rentner sofort zu beschließen, indem Sie dem vorliegenden Antrag zustimmen und die Bundesregierung damit beauftragen, dem Bundestag umgehend einen entsprechenden Gesetzentwurf vorzulegen.
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Arbeit.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Frau Bundestagsabgeordnete, die eben den Antrag begründet hat, hat gesagt, daß die Finanzierung auf Grund dieses Gesetzentwurfs in ihrer ganzen Breite die Invalidenversicherung treffe, daß irgendwelche Bundesmittel dafür nicht aufzuwenden seien. Wenn Sie sich die genaue Rechnung auf Grund der gegebenen Verhältnisse aufmachen, finden Sie, daß diese Behauptung nicht der Wahrheit entspricht. Das volle Gewicht der Verpflichtungen ist nämlich nur dort gegeben, wo der Mann keine Zuschüsse auf Grund der Mindestrente bekommt. Hier ist ja schon oft dargelegt worden, in welchem Umfang wir Mindestrenten geben. Ich bin gern bereit, Ihnen die Unterlagen dafür zu geben, daß der Antrag so, wie er von Ihnen gestellt worden ist, für die Bundesrepublik, für die Versicherungsträ-
ger, also für die Landesversicherungsanstalten, eine Gesamtbelastung von 256 Millionen DM ausmacht, zusätzlich 18 Millionen DM, die wir für Berlin aufzuwenden hätten, also insgesamt 274 Millionen DM. Davon würden auf die Rentenversicherungsträger hier im Bundesgebiet 146 Millionen DM entfallen, zusätzlich 13 Millionen DM, die wir für Berlin aufzubringen hätten, also insgesamt 159 Millionen DM, während aus Bundesmitteln zusätzlich 110 Millionen DM für die Bundesrepublik und 5 Millionen DM für Berlin aufzuwenden wären.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn man einen derartigen Antrag richtig beurteilen will, muß man die Frage stellen und auch beantworten, ob wir die gesamte Struktur unserer Sozialversicherung und vor allen Dingen unserer Invalidenversicherung in diesem Moment durch einen derartigen Antrag restlos ändern können. Solange die Invalidenversicherung besteht, hat es einen Grundbetrag gegeben. Das war immer der Staatszuschuß zu der einzelnen Rente, eine Verpflichtung, die der Staat dafür übernommen hat, daß bei der Gründung der Invalidenversicherung auf einen Versicherungsträger Aufgaben überladen worden sind, die früher aus der Armenfürsorge des Staates abzudecken waren. Wir haben bis zu dem Sozialversicherungs-Anpassungsgesetz niemals eine Grundrente aus den Beitragsmitteln der Versicherungsträger in der Invalidenversicherung gekannt. Es war auch in Frankfurt — schade, daß Herr Kollege Richter nicht hier ist — nicht die Absicht des Gesetzgebers, neben die staatliche Grundrente eine Grundrente aus den Beitragsmitteln zu setzen. Wir waren uns damals vielmehr einig darüber, daß man sich bei den Rentnern der Sozialversicherung vor einem ungeheuren Notstand befand. Wir haben eine Teuerungszulage — und zwar eine allgemeine Teuerungszulage — beschlossen. die, wie von allen damals gewünscht wurde, bei einer Reorganisation der Versicherungsträger wieder in echte Versicherungsleistungen umgewandelt werden sollte.
Das war der Sinn der ganzen Sache.
Wir sind nun hergegangen und haben die Grundrente, die ja buchmäßig oder satzungsmäßig noch immer 13 DM im Monat betrug, im vergangenen Dezember auf 18 DM erhöht. Geht man her und rechnet man die Leistungen, die man prozentual von den Teuerungszulagen als Grundbeträge anrechnen könnte, dann kommt man auf die Ziffern, die uns vorhin von der Antragstellerin genannt worden sind. In der Berechnungsgrundlage also finden wir uns völlig zusammen.
Nun frage ich Sie allen Ernstes: Wollen wir in einer Zeit, in der wir vor die Aufgabe gestellt sind, unsere Sozialversicherung einer grundsätzlichen Prüfung zu unterziehen. eine Vorwegentscheidung treffen, wonach in der Zukunft die Träger der Invalidenversicherung aus dem Beitragsaufkommen einen Betrag von 25 DM als Grundrente auch dann geben sollen. wenn die wirkliche Rente nicht auf einer echten Beitragsleistung beruht? Das sind doch die Dinge, vor denen wir stehen. Die Unzahl der Fälle. in denen wir die sogenannte Mindestrente zahlen. zeigt uns doch, daß wir durch die ganze Gesetzgebung — vor allen Dingen für die Kriegsteilnehmer in der nationalsozialistischen Zeit — bei unseren Versicherungsträgern zu Verpflichtungen gekommen sind, die man mit regulären Beiträgen rieht mehr abdecken kann. Sie in diesem Hohen Hause haben doch selbst den Wunsch gehabt, das gesamte Problem der Sozialversicherungsträger und insbesondere der Rentenversicherung einmal einer grundsätzlichen Prüfung zu unterziehen.
Sie haben beschlossen, daß beim Bundesarbeitsministeium ein Beirat für diesen Zweck eingesetzt werden soll.
Wir sind hier an der Arbeit. Aber wir wollen doch nicht heute noch einmal mit einem neuen Flickwerk die Aufgabe dieses Beirats, der Regierung und auch dieses Parlaments weiter erschweren.
Von der Sozialdemokratischen Partei wurde mir in der letzten Zeit sehr oft der Vorwurf gemacht, daß alles, was wir auf sozialpolitischem Gebiet hätten, Flickwerk sei. Ich gebe Ihnen restlos zu, daß wir in der Nachkriegszeit infolge der Verhältnisse, die wir vorgefunden haben, mit viel Flickwerk arbeiten mußten. Denn in der Zeit, als unser Sozialprodukt bei 80 Milliarden DM lag, waren eben Sozialleistungen, wie wir sie heute bei einem Sozialprodukt von 126 Milliarden DM gewähren können, gar nicht möglich. Wenn man nun zu der Überzeugung kommt, wir seien an einem Punkt angekommen, wo wir auf einer festen Basis ein neues Gebäude errichten können, dann sollten wir doch nicht zu dem alten Flickwerk bewußt neues Flickwerk hinzufügen.
Sicher können die Sozialversicherungsträger die zur Zeit notwendigen Gelder für diesen Antrag aufbringen. Wenn wir aber so handelten, dann wären wir nicht in der Lage, denjenigen, die heute die Beiträge zahlen, zuzusichern, daß wir die vom heutigen Gesetzgeber beschlossenen `Leistungen auch dann noch geben können, wenn sie einmal die Rentenempfänger sein werden.
— Winken Sie doch nicht ab! — Diese Verantwortlichkeit haben beispielsweise die Vertreter Ihrer Partei nach dem ersten Weltkrieg mit den Vertretern der weltanschaulichen Gruppen, die früher im Reichstag von uns gestellt wurden, hundertprozentig geteilt. Man hat nicht von einem Tag zum anderen gelebt, sondern war sich darüber klar, daß man gegenüber jedem, der Beitrag zahlt, Verpflichtungen hat.
Meine Damen und Herren, liegen Wortmeldungen vor? — Herr Abgeordneter Arndgen!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Döhring hat bei der Begründung ihres Antrages gefordert, die Drucksache Nr. 4346 heute zu verabschieden. Ich frage die anwesenden Damen und Herren, soweit sie nicht in Sozialversicherungsangelegenheiten bewandert sind, ob sie diesen Antrag verstanden haben.
In diesem Antrag heißt es:
Die Grundbeträge in der Rentenversicherung
der Arbeiter nach § 1268 Abs. 2 und § 1272
Abs. 1 RVO sind unter Berücksichtigung der Regelung im Sozialversicherungs-Anpassungsgesetz, dem Rentenzulagengesetz und dem Grundbetragserhöhungsgesetz für Rentner auf monatlich ...
— und so weiter —
festzusetzen.
Ich glaube, daß der größte Teil dieses Hohen Hauses nicht in der Lage ist, sich unter diesem Antrag etwas vorzustellen.
Ich selbst habe versucht, mir ein Bild über diesen Antrag zu machen. Man kann bei ihm verschiedene Lesarten anwenden. Zunächst einmal kann man sagen: Der Grundbetrag hat 13 DM betragen; durch das Sozialversicherungs-Anpassungsgesetz sind 15 DM hinzugekommen; dann sind diese beiden Beträge durch das Rentenzulagengesetz um 25% erhöht worden; schließlich sind durch das Grundbetragserhöhungsgesetz vom Dezember vorigen Jahres noch einmal 5 DM hinzugekommen; das ist der bisherige Grundbetrag, und dieser soll nach dem Antrag auf 50 DM für die Normalrente erhöht werden. Das ist die eine Lesart. Man kann aber auch nach einer zweiten Lesart den Antrag verstehen.
— Meine sehr verehrten Damen und Herren von der Linken, wenn Sie hier Anträge stellen und gleich verabschiedet wissen wollen, seien Sie so freundlich und fassen Sie die Anträge so klar, daß sie jeder versteht.
Man kann nach der zweiten Lesart den Antrag so verstehen, daß die Grundbeträge, die Teuerungszulagen und der 5 Mark-Satz nach dem Grundbetragserhöhungsgesetz, dann aber auch die 25%, die das Rentenzulagengesetz vorgesehen hat, dazugenommen werden. Man käme dann zu höheren Sätzen.
Bei der Unklarheit des Antrags sind meine politischen Freunde nicht in der Lage, der Verabschiedung zuzustimmen. Ich stelle namens meiner politischen Freunde den Antrag, die Drucksache Nr. 4346 dem Ausschuß für Sozialpolitik zu überweisen.
Das Wort hat der Abgeordnete Schellenberg.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Abgeordnete Arndgen ist, wie er sagt, nicht in der Lage, den wirtschaftlichen Sinn unseres Antrags voll zu begreifen. Der Herr Bundesarbeitsminister hat uns aber soeben vorgetragen, daß der Aufwand, der sich aus diesem Antrag ergibt, 274 Millionen DM betragen würde. Es war also möglich, sehr genau zu berechnen, wie hoch sich der Aufwand beläuft, und deshalb ist also der Antrag durchaus verständlich.
Ich meine, man soll die Dinge nicht komplizierter machen als sie sind. Auch der Herr Bundesarbeitsminister hat vorgetragen, daß der feste Bestandteil jeder Rente in der Invalidenversicherung gegenwärtig 40 DM beträgt. Meine Kollegin, Frau Döhring, hat dargelegt, daß es der Sinn unseres Antrags ist, diesen festen Bestandteil der Rente um 10 DM monatlich auf 50 DM zu erhöhen. Das ist sozialpolitisch notwendig, weil nach den eigenen Angaben der Bundesregierung trotz aller Erhöhungen die durchschnittliche Rente in der Rentenversicherung der Arbeiter gegenwärtig 79 DM und die durchschnittliche Witwenrente nur 45 DM betragen.
Finanzwirtschaftlich ist doch entscheidend, daß die Mittel zur Verwirklichung der beantragten Rentenerhöhungen zur Verfügung stehen. Nach einer Aufstellung des Bundesarbeitsministeriums vom 10. März dieses Jahres hat die Invalidenversicherung einen jährlichen Überschuß von 680 Millionen DM. Von diesen 680 Millionen DM sollen nach unserem Antrag 274 Millionen DM für eine Verbesserung der Leistungen verwandt werden. Wir halten das für sozialpolitisch sinnvoller und dringender als die Vorlage, die in der letzten Sitzung hier beraten wurde und die die Regierungskoalition wieder zum Gegenstand eines Antrags gemacht hat, nämlich die Mittel der Sozialversicherung für Haushaltszwecke abzuschöpfen.
— Die Mittel der Sozialversicherung sollen für Zwecke des Haushalts abgeschöpft werden; das ist ein Tatbestand, meine Damen und Herren, über den es keinen Zweifel gibt.
Meine Damen und Herren, wenn Sie nun davon sprechen, daß unser Antrag, die Rentenleistungen für die versicherten Arbeiter um 10 Mark und für die Witwen um 7 Mark monatlich zu erhöhen, gewissermaßen als ein Agitationsantrag zu werten sei,
dann darf ich auf die Beschlüsse des Bundesausschusses der CDU für Sozialpolitik verweisen, die dem Bundesparteitag der CDU am 19. bis 22. April dieses Jahres vorgelegt wurden. Hier heißt es wörtlich:
Das Verhältnis zwischen dem Arbeitseinkommen, aus welchem die Beiträge zur Rentenversicherung geleistet wurden, und den gewährten Renten ist zu verbessern. Dabei ist auf Versicherungsgrundlage eine weitgehende Annäherung an die Regelung, wie sie für die Beamtenschaft besteht, zu erreichen.
Das sind die Grundsätze, die Sie in Ihren Vorlagen
des Bundesausschusses der CDU für Sozialpolitik
herausstellen. Wenn wir aber beantragen, die Rente
in der Rentenversicherung aus den vorhandenen
Mitteln ohne Beanspruchung des Etats um 10 Mark
monatlich zu erhöhen, dann erklären Sie, das sei
wirtschaftlich nicht durchführbar! Zur Überwindung der Notlage der Rentner und zum bescheidenen Ausgleich der erheblichen Diskrepanz
zwischen der wirtschaftlichen Lage der Rentner
und der wirtschaftlichen Lage beispielsweise der
Beamtenpensionäre vertreten wir den Standpunkt,
daß die Verabschiedung unseres Antrags und ein
entsprechender Auftrag an die Bundesregierung
ein Gebot der sozialpolitischen Notwendigkeit sind.
Das Wort hat der Bundesminister für Arbeit.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, wir sollten uns bei der Behandlung dieser Angelegenheit nicht allzusehr ereifern.
— Nein, ich habe mich bestimmt nicht ereifert, weil ich weiß, daß auch bei Ihnen eine ganze Reihe von Leuten sitzen, die sich um die weitere Gestaltung der sozialen Versicherung sehr ernste Gedanken im Interesse der arbeitenden Schichten machen.
Ich habe ja gar keine Ministergehaltserhöhung gewünscht! —
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich muß Ihnen doch einmal folgendes sagen. Die Errechnungen, die von meinem Ministerium herausgegangen sind, sehen im Rechnungsjahr 1953 eine voraussichtliche Mehreinnahme für die Invalidenversicherung in Höhe von 636 Millionen DM vor. Das trifft aber nur zu, wenn der Bund den Sozialversicherungsträgern im Laufe dieses Jahres 2,7 Milliarden DM in bar auf den Tisch legt.
Wenn man in der deutschen Arbeitnehmerschaft eine innere Sicherung für die Zukunft haben will, kann man ihr nicht vorrechnen, daß bei der heutigen Kapitalsubstanz in fünf Jahren, wo die Zahl der Beitragszahler kleiner und die Zahl der Rentner größer geworden sein wird, noch die heutigen Leistungen gegeben werden können. Wenn ich mir vorstelle, daß wir zur Zeit monatlich 275 Millionen DM, d. h. jährlich über 3,3 Milliarden DM, aus der Invalidenversicherung an Renten bezahlen, dann ist doch das, was wir jetzt an Jahresüberschuß haben und was zur unbedingten Sicherstellung der späteren Rentenzahlung benötigt wird, eine derartige Bagatelle, daß ich mich wirklich wundern muß, wie Herr Schellenberg, der letzten Endes lange die große Versicherungsanstalt in Berlin geleitet hat, eine derartig oberflächliche Darlegung geben kann.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich unterhalte mich gern mit jedem, der es ernst mit der Sicherstellung der Arbeitnehmer meint.
Aber über eines bin ich mir völlig klar: Herr Professor Schellenberg, wenn Sie die Linie, die Sie hier der Sozialversicherung aufzwingen wollen, einmal mit Herrn August Schmidt oder mit anderen Gewerkschaftsführern besprechen und ihnen sagen, welche Auswirkungen die Dinge für die Zukunft haben können, dann sagen die Ihnen alle: „Herr Professor, wir danken für Ihren Rat!"
Das Wort hat Herr Abgeordneter Kohl.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich gehe mit dem Herrn Bundesarbeitsminister in einer Frage einig, und zwar wenn er davon spricht, daß auch dieser Antrag wieder ein gewisses Flickwerk darstellt. Wir haben ja wiederholt in diesem Hause festgestellt, daß die ganzen Anträge, die auf dem Gebiet der Sozialpolitik geseilt worden sind, Flickwerk sind. Aber die Schuld, daß es Flickwerk gewesen ist und bisher noch bleibt, ist allein bei dem Bundesarbeitsminister zu suchen, der vier Jahre Zeit gehabt hätte, endlich einmal die Reform der Sozialversicherung in Angriff zu nehmen.
Mit platonischen Erklärungen können Sie niemanden täuschen, meine Damen und Herren, sondern das sind Tatsachen, und alle Rechenkunststückchen, die der Herr Bundesarbeitsminister hier aufgestellt hat, täuschen nicht über die tatsächliche Lage.
Wir sind einverstanden mit dem, was Frau Kollegin Döhring bei der Begründung ihres Antrags gesagt hat; aber wir sind nicht damit einverstanden, daß die Aufbringung der Mittel geteilt werden und die Hälfte zu Lasten der Sozialversicherung, die andere Hälfte zu Lasten des Bundes gehen soll.
Der Herr Bundesarbeitsminister hätte, glaube ich, gut daran getan, wenn er die beiden Reden, die er hier über die Lage der Sozialversicherung gehalten und in der er das Schreckgespenst ausgemalt hat, daß in einigen Jahren die Sozialversicherung nicht mehr liquide sein werde, keine Rente mehr werde zahlen können, seinem Kollegen, dem Finanzminister Schäffer, gehalten hätte, als er versuchte, die Mittel der Sozialversicherung für seine Rüstungsausgaben in Anspruch zu nehmen.
Meine Damen und Herren, mit diesen Tatsachen müssen Sie sich abfinden, und Sie haben bei der Wahl Gelegenheit, sowohl Ihre Beschlüsse von Hamburg - die Herr Kollege Schellenberg vorgelesen hat — wie auch wirklich soziale Taten in diesem Bundestag auf sozialpolitischem Sektor erneut unter Beweis zu stellen.
Wie liegen denn die Dinge? Rechnen Sie doch bitte einmal aus — wer sich in der Sozialversicherung auskennt, wird das bestätigen müssen —,
daß das Steueraufkommen der Bundesrepublik - das sind die amtlichen Zahlen der Bundesregierung! — zu 55,4 % aus indirekten Steuern besteht, so daß also ein Arbeitsloser oder ein Rentner bei einem Verbrauch von 100 DM insgesamt etwa 20 DM an indirekten Steuern bezahlt. Ein kleines anderes Beispiel, daß Sie in einer Ausgabe des Sozialministeriums von Nordrhein-Westfalen lesen können: die Feststellung, daß die Durchschnittsrente bei 72 DM liegt. Darin sind enthalten — und das gilt für Herrn Kollegen Arndgen, weil Sie die Politik der Bundesregierung so leidenschaftlich zu verteidigen suchen — die 25%ige Erhöhung nach dem Rentenzulagengesetz mit 14,50 DM und der Grundbetrag von 13 DM. Der Invalidenrentner hat also 45 DM seiner Rente durch Beiträge selbst erworben, und er erhält vom Staat insgesamt einen Zuschuß von 27,50 DM. Und nun, meine Damen und
Herren, stellen Sie sich doch nicht so hin, wie es der Herr Bundesfinanzminister laufend in seinem Hausblatt tut, der sagt, die Soziallast des Bundes betrage weit über 17 Milliarden DM. Die Soziallast des Bundes liegt wesentlich niedriger; sie beträgt noch nicht einmal 7 Milliarden. Und das, meine Damen und Herren, soll man angesichts dieses Antrags wirklich in diesem Hause unter Beweis stellen.
Aber noch ein Wort zur sozialdemokratischen Fraktion: Ich bin der Meinung, es wäre besser gewesen, Sie hätten die Aktivität, die Sie jetzt auf diesem Sektor angesichts der kommenden Wahlen entfalten, auch früher entwickelt.
Frau Abgeordnete Kalinke.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! In dem Parlament eines Volkes, in dem der Sozialetat und die soziale Not eine solche Höhe sozialer Leistungen erfordern, sollte eigentlich in der Geschäftsordnung verankert sein, daß sechs Monate vor Beginn von Neuwahlen keine sozialpolitischen Diskussionen mehr stattfinden.
Der Tatbestand, daß hier der Sprecher der Sozialdemokratischen Partei, Herr Schellenberg, und der Sprecher der Kommunistischen Partei, Herr Kohl, mit der üblichen Demagogie über ein Problem gesprochen haben,
das allen verantwortungsbewußten Menschen Anlaß zu größter Sorge gibt,
der Tatbestand, daß hier von Menschen, die sich selbst als Sachkenner der Sozialversicherung bezeichnen, etwa Beweise angeführt werden wie die — eben hörten wir es von Herrn Kohl —, daß „die Invalidenrentner in ihrer Gesamtheit einen gewissen Prozentsatz der Rente mit Beitragsleistungen erworben hätten", oder wie jenes Argument des Herrn Schellenberg, der die Durchschnittsrenten in der Invaliden- und in der Angestelltenversicherung gegenüberstellte, ohne überhaupt zu fragen, wie die Durchschnittshöhe und die Durchschnittsdauer der geleisteten Beiträge im Verhältnis zu der Durchschnittsrente steht, — diese Tatsachen zeigen, wie leichtfertig hier ein Problem behandelt wird, das sechs Millionen Deutsche angeht.
Denn sechs Millionen erhalten heute Renten, erhalten Leistungen der Rentenversicherungen und Leistungen der Krankenversicherung der Rentner, ohne daß bei diesen sechs Millionen etwa gleiche oder zu vergleichende Voraussetzungen für den Rentenbezug, weder für die Bedürftigkeit und Notlage als Grundlage für staatliche Hilfe noch für den Rechtsanspruch aus erworbenen Leistungen, vorhanden wären. Unlängst konnten wir in der Zeitung „Die Welt" lesen, das für 50 Pfennig Beitrag jedermann, vor allem jede Hausfrau, in Zukunft eine Rente erwerben kann und soll. Viele
kurzfristige Beitragszahler konnten auf Grund der Gesetzgebung in der US-Zone nur durch das Sozialversicherungs-Anpassungsgesetz zu einer Rente kommen, obwohl sie in ihrem Leben nur ganz kurze Zeit und sehr geringe Beiträge bezahlt haben. Selbständige, freiwillig Weiterversicherte — Beamte, die vorübergehend versichert waren —, die durchaus nicht zum Kreis „bedürftige Rentner" gehören, sondern oft hohe Einkommen haben, erhielten Rechtsansprüche auf Staatszuschüsse, während den wirklich nur auf die Rente angewiesenen Versicherten nicht genügend gegeben werden kann. Der Herr Arbeitsminister hat sehr richtig darauf hingewiesen, daß der Grundbetrag als Leistung des Staates und aller Steuerzahler, die Teuerungszulagen, die Zulagen nach den verschiedenen Anpassungsgesetzen vom Staat allen seinen Bürgern gegeben werden. Diese staatlichen Leistungen sollten doch zuerst denen gegeben werden, die nach einem arbeitsreichen Leben, in dem sie regelmäßig Pflichtbeiträge gezahlt haben, nun eine ausreichende Rente bekommen, die oft noch unter der Höhe der Fürsorgeleistung liegt. Sollte ein verantwortungsbewußter Sozialpolitiker und sollte jemand, der sich selber als Kenner der Materie bezeichnet, nicht darüber nachdenken, daß es unser aller gemeinsames Bestreben sein müßte, dafür zu sorgen, daß zuerst die bisherigen Renten aufrechterhalten, dann denjenigen gerechte Leistungen gegeben werden müssen, die jahrzehntelang Beiträge gezahlt haben, und schließlich die Mittel des Staates, nämlich die Grundbeträge und die Teuerungszulagen und sonstigen Zuschüsse vor allem denen gegeben werden, die mit ihrer Rente nicht auskommen können oder die nicht in der Lage waren, ausreichende Beiträge zu zahlen?
Die Sicherheit der Leistungen der Rentenversicherung und die Frage der Kapitaldeckung ist seit mehr als 20 Jahren problematisch, und schon 1934 wurde genau wie 1945, 1947, 1948 und heute darüber diskutiert, in welcher Form man die Anwartschafterhaltung, die Deckung der Rentenzulagen und die Erfüllung des Leistungsanspruchs der Beitragszahler garantiert und die Verantwortung für die Zukunft nicht versäumt.
— Darf ich sagen, Herr Präsident: der Herr Minister hat mehrmals das Wort genommen, Dadurch ist die Redezeit verlängert.
Frau Abgeordnete Kalinke, wir haben seit längerer Zeit eine Geschäftsordnung, in der steht, daß, wenn die Redezeit von Fraktionen verbraucht ist und ein Mitglied der Bundesregierung spricht, dann ein Viertel der Redezeit noch einmal verbraucht werden kann. Sie hatten noch nicht gesprochen!
Vielen Dank! Ich bitte Sie, mir noch eine Minute zu geben. — Dem Herrn Kollegen Schellenberg möchte ich hinsichtlich der Verantwortung nur sagen: er hat uns in Berlin mit großer Leichtfertigkeit vorexerziert, wie er über die Sicherheit von Rentenansprüchen denkt. 1945 wurden die Rentner in Berlin um ihre wohlerworbenen Ansprüche gebracht,
und als unter dem Druck der öffentlichen Meinung 1946 die Rentenansprüche wiederhergestellt wurden, wurden sie entscheidend verschlechtert.
Die Rentner mußten die Berufstätigkeit aufgeben, ehe sie Rentenansprüche geltend machen konnten, und sie erhielten — jawohl, Frau Schroeder! — dann eine Rente nach ihren Arbeitseinkünften der fünf letzten Jahre. Wer also in Berlin in den fünf letzten Jahren das richtige Parteibuch und eine Anstellung hatte, der bekam die höhere Rente!
Frau Abgeordnete Kalinke, kommen Sie bitte zum Schluß! Auch diese Minute ist abgelaufen!
Die Fraktion der Deutschen Partei wünscht, Sie hätten nicht jetzt vor der Wahl, — —Präsident Dr. Elhers: Kommen Sie bitte zum Schluß!
— sondern eher unseren Anträgen von 1949 bis 1951 zugestimmt. Wir werden der Überweisung an den Ausschuß zustimmen und Ihnen dann gern Unterricht geben über das, was Sie noch nicht wissen oder nicht erkannt haben.
Frau Abgeordnete Kalinke, mein Herr Amtsvorgänger hat im Jahre 1949 festgestellt, daß der Ausdruck „Demagogie" in diesem Hause verpönt sei. Ich bitte, diese gute Übung drei Monate vor der Wahl nicht mehr zu ändern.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Horn.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich würde das Wort nicht mehr genommen haben, wenn nicht die Ausführungen des Herrn Kollegen Schellenberg noch zu einer Erwiderung zwängen. Wenn ich zunächst einen kleinen Nachtrag zu den sehr überzeugenden Ausführungen des Herrn Bundesarbeitsministers
hinzufügen darf, der uns verpflichtet, die Maßnahmen auf dem Gebiet der Rentenversicherung und hier der Invalidenversicherung, mit besonders starkem Verantwortungsbewußtsein zu überlegen, dann ist es neben den Gründen, die der Herr Bundesarbeitsminister bereits angeführt hat, u. a. auch noch dieses: Im Bundesarbeitsministerium ist vor einiger Zeit die unlängst veröffentlichte Sterbetafel der Bundesrepublik überprüft worden hinsichtlich ihrer Auswirkung auf die Altersgliederung in der sozialen Rentenversicherung. Dabei ist festgestellt worden, daß die Lebensalter über 65 Jahre in den nächsten 25 Jahren noch um 70 % steigen werden, daß dagegen aber die Lebensalter von 15 bis zu 65 Jahren auf dem Stande des Jahres 1950 beharren werden.
Überlegen Sie sich das einmal in der Auswirkung auf die Entwicklung der Rentenversicherung und machen Sie sich klar, daß im Jahre 1975 die Menschen im Lebensalter von 15 bis zu 65 Jahren, also die beitragzahlenden, eine zusätzliche Belastung von 70 % übernehmen müßten—wenn diese Dinge allein aus Beiträgen getragen würden —, um die Rentenzahlungen für die Invaliden- und die Angestelltenversicherung weiterhin zu garantieren! Das zwingt doch angesichts der knappen Vermögenslage, die zu verzeichnen ist, bei dem, was wir jetzt tun, zu der allergrößten Vorsicht.
Lassen Sie mich aber mit Bezug auf die beiden Herren Vorredner von der linken Seite folgendes sagen. Diejenigen Menschen draußen — und ich glaube, auch die Rentner —, die sich noch ein sachliches Urteil bewahrt haben, werden sich auch von einem solchen Stimmaufwand, wie er hier so nachdrücklich nach draußen getragen wird, in der Beurteilung dessen, was tatsächlich ist, nicht beeinflussen lassen.
Wir und auch die Menschen draußen sollten der Bundesregierung und diesem Parlament dankbar dafür sein — und ich habe die Überzeugung, daß dieses Gefühl draußen auch noch vorhanden ist —,
daß wir mit Vernunft und Überlegung ohne übereilte Schritte zunächst einmal die Leistungen überhaupt garantiert und sie dann im Verlauf dieser vier Jahre in einem Ausmaß gesteigert haben, das heute doch zu einem Bundeszuschuß von nahezu drei Milliarden DM geführt hat.
Meine Damen und Herren, ich glaube, daß das draußen gesehen und auch anerkannt wird.
Herr Professor Schellenberg hat heute hier zum soundsovielten Male dargetan, wir seien aber entschlossen gewesen und seien es noch, Mittel der sozialen Rentenversicherung für Zwecke des Bundeshaushalts abzuschöpfen. Diese Behauptung wird, auch wenn sie noch so oft vorgetragen wird, deshalb doch nicht wahr!
Was hier geschieht — das muß noch einmal betont werden —, ist die nach den gesetzlichen Vorschriften erlaubte Vermögensanlage der Versicherungsträger, die in dem bekannten Maße verzinst und amortisiert wird.
Es muß immer wieder betont werden, daß, wenn der Bund in den vergangenen vier Jahren in einem derartigen Ausmaß mit seinen Mitteln eingesprungen ist, erwartet werden darf, daß in einer Lage wie der gegenwärtigen und bei diesen Ursachen auch die Rentenversicherung einmal Vermögensteile in dem Maße und auf diese Weise anlegt, anstatt sie woanders anzulegen.
Meine Damen und Herren, ein Letztes! Herr Kollege Schellenberg hat vorhin die Entschließung unseres Hamburger Parteitags als Stütze für seine Argumente herbeigezogen. Verehrter Herr Kollege Schellenberg und meine Damen und Herren, zu dem, was in unserem Parteitagsbeschluß geschrieben ist, steht die Christlich-Demokratische Union.
— Etwas weniger Aufwand bei Ihnen tut's auch!
Wir stehen zu diesem Programm. Daß wir aber diese Dinge als Richtschnur und Maßstab für die Überlegungen und die kommenden Vorarbeiten für eine wirklich echte Neuordnung auf diesen Gebieten gewertet sehen wollen, das möchte ich hier mit allem Nachdruck betonen. Genau so, wie Sie Ihren Sozialplan verkünden, der in konkreten Dingen vielleicht noch nicht einmal an das herankommt, was hier formuliert ist,
genau so haben wir auf unserem Bundesparteitag
grundsätzlich eine Stellungnahme bezogen, die wir bei den Vorbereitungen für kommende Neuordnungen berücksichtigt wissen wollen, die aber nicht dazu zwingt, in dieser Situation Entscheidungen zu treffen, die angesichts der Lage nicht vertreten werden können. Sie werden uns nicht bereit finden, dab wir hier Ihren wahlagitatorischen Anträgen - etwas anderes ist es nicht — ohne weiteres Folge leisten, sondern wiederholen unseren Antrag. Wir werden uns dann im Sozialpolitischen Ausschuß darüber unterhalten.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Hammer.
Meine Damen und Herren! Der Herr Kollege Schellenberg hat vorhin darauf hingewiesen, daß aus Mitteln der Invalidenrentenversicherung im Augenblick etwa 670 Millionen DM anständen. Der Herr Bundesarbeitsminister hat darauf hingewiesen, daß weit über 2 Milliarden DM der deutschen Sozialversicherung aus Bundesmitteln zuflössen, und der Herr Kollege Horn hat ebenfalls darauf hingewiesen, daß die versicherungsmathematische Bilanz unserer Rentenversicherung äußerst schlecht ist. Ich kann also dem Herrn Professor Schellenberg nicht den Vorwurf ersparen, daß er seine Zukunftsplanungen einzig und allein auf die Kassenlage eingestellt und Kassenlage mit Bilanz verwechselt hat.
Meine Damen und Herren, das Gespräch sieht so aus, als sei es nur auf die Interessen unserer Rentner zugeschnitten. Darf ich Sie darauf aufmerksam machen, daß es in Deutschland auch Millionen von Versicherten gibt, deren Mittel in den Beträgen stecken, über die im Augenblick so freigebig verfügt werden soll, und deren in der Zukunft anfallende Renten von uns genau so treuhänderisch behandelt werden müssen wie die Kapitalien und Renten derjenigen, die diese Renten im Augenblick beziehen.
Wir halten unter diesen Umständen den Antrag der SPD für eine schwere Schädigung der in Deutschland vorhandenen Rentenversicherten und können aus der sozialpolitischen Verantwortung der FDP heraus dem Antrag der SPD unter gar keinen Umständen zustimmen.
Herr Abgeordneter Schellenberg!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist hier von der Verantwortung gegenüber den Rentnern gesprochen warden.
— Und den Versicherten. Ich glaube, daß diejenigen, die sich gegen die Methoden der Beanspruchung von Mitteln der Sozialversicherung — ich muß es noch einmal wiederholen — durch den Herrn Bundesfinanzminister in Gestalt von Schuldverschreibungen wenden, eine größere Verantwortung für die Rentner und für das soziale Schicksal unseres Volkes zeigen als diejenigen, denen es nur darum geht, im Augenblick den Haushalt auszugleichen.
Ein zweites. Es ist davon gesprochen worden, daß dieser Antrag meiner Fraktion in Verbindung mit den Wahlen stehe.
Meine Damen und Herren, die sozialdemokratische Fraktion hat am 22. Oktober vergangenen Jahres unter Drucksache Nr. 3791 den Antrag gestellt, Zuschläge zu den Renten der Rentenversicherung in Höhe von 15 DM für den Versicherten, 12 DM für die Witwe und 6 DM für die Waisen zu gewähren. Dieser Antrag hat lediglich zu einer Erhöhung von 5 DM, 4 DM und 2 DM geführt. Was wir heute wünschen, ist nichts anderes als die Annahme unseres alten Antrages, und zwar in einem Zeitpunkt,
in dem unbestritten die Mittel für die Deckung zur
Verfügung stehen würden, wenn diese nicht für die
Abschöpfung in Anspruch genommen werden sollten.
Nun noch ein Wort zu den Zahlen über die Zuschüsse zur Sozialversicherung. Der Herr Bundesarbeitsminister hat von 2,7 Milliarden gesprochen; Herr Kollege Horn hat von 3 Milliarden gesprochen.
Aber bei diesen Beträgen ist die halbe Milliarde eingerechnet, die Sie gerade abschöpfen wollen. Tatsächlich ist der Zuschuß aus öffentlichen Mitteln, der zu den Renten der Sozialversicherung gegeben wird, heute niedriger als jemals zuvor. Die öffentlichen Zuschüsse zur Sozialversicherung betragen heute keine 30 %.
— Keine 30 %! Sie liegen unter 30 % der Ausgaben der Rentenversicherung. Die öffentlichen Zuschüsse zur Sozialversicherung betrugen aber früher immer über 30 %. Insofern ist die Argumentation nicht richtig, daß heute relativ mehr Mittel des Staates für die Leistungen der Sozialversicherung zur Verfügung gestellt werden. Wenn wir gleichzeitig nachweisen können, daß Leistungserhöhungen aus den Beiträgen der Versicherten bestritten werden können, ist kein Anlaß vorhanden, einen solchen Antrag abzulehnen.
Herr Abgeordneter Renner!
— Eine Minute.
Meine Damen und Herren! Nachdem wir jetzt aus dem Mund des Herrn Kollegen Schellenberg erfahren haben, daß es sich um die Wiederholung des SPD-Antrags vom 22. Oktober des vorigen Jahres handelt, darf ich zur Steuer der Wahrheit daran erinnern, daß wir Kommunisten am 11. Dezember vorigen Jahres diesen alten sozialdemokratischen Antrag unter ausdrücklichem Hinweis darauf, daß es der alte sozialdemokratische Antrag vom Oktober war, aufgegriffen haben. Im Protokoll des Bundestags steht: Abgelehnt gegen die Stimmen der Antragsteller bei großer Stimmenthaltung, und die Stimmenthaltung hat die SPD geübt. Nichtsdestoweniger sind wir Kommunisten der Auffassung, daß das, was im Dezember am Widerstand dieser Koalition und an der Nachgiebigkeit der SPD gescheitert ist, heute nachgeholt werden muß.
Herr Abgeordneter Hammer!
Meine Damen und Herren! Offenbar hat nach dem alten Sprichwort der eine Esel den andern ,,Langohr" genannt.
— Es ist nur ein Sprichwort!
Ich bitte aber, nicht zu bildhaft zu sprechen, Herr Abgeordneter!
Ich werde mir Ihre Mahnung zu Herzen nehmen.
Meine Damen und Herren, Herr Professor ) Schellenberg hat wieder behauptet, daß die Bundesregierung Mittel der Rentenversicherung zur Sanierung des Haushalts verwandt habe.
Damit versucht er, bei dem sozialpolitisch nicht genügend geschulten deutschen Volk den Eindruck zu erwecken, den er das letzte Mal schon zu erwecken versucht hat: daß Renten nicht gezahlt würden, damit der Bundesfinanzminister seine Schulden bezahlen kann.
Es ist doch klar, daß die ganze Beweisführung darauf hinausgelaufen ist.
Meine Damen und Herren, ich will die Worte „Propaganda" und „Demagogie" nicht in den Mund nehmen.
Sie haben das letzte Mal ganz deutlich gehört, und zwar durch einen Zwischenruf des Herrn Abgeordneten Preller, der meine Ausführungen bestätigt hat: Diese Mittel, die nun in Bundesschatzanweisungen angelegt werden sollen, sollten nach Ihrer Forderung für den sozialen Wohnungsbau verwandt werden, also nicht zur Rentenzahlung, meine Damen und Herren.
Wenn aus dem Haushalt des Bundes ein Betrag von 2000 Millionen oder 2100 Millionen DM überführt und eine Kapitalanlage von 500 Millionen DM in Schatzwechseln beim Bunde vorgenommen wird: nun, zu wessen Gunsten ist dann die Zahlungsbilanz aktiv? Hieraus dem Bund einen Vorwurf machen zu wollen, das ist doch ganz üble Demagogie.
Herr Abgeordneter Dr. Hammer, ich beanstande auch bei Ihnen das Wort „Demagogie".
Dadurch wird es doch nicht besser, sondern nur schlimmer, meine Damen und Herren.
Keine weiteren Wortmeldungen? — Ich schließe die Besprechung.
Es ist der Antrag gestellt, diesen Gesetzentwurf dem Ausschuß für Sozialpolitik zu überweisen. Ich bitte die Damen und Herren, die für die Überweisung an den Ausschuß für Sozialpolitik sind, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Das erste war die Mehrheit; die Überweisung ist erfolgt.
Ich rufe auf den Punkt 7 der Tagesordnung: Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Baulandbeschaffungsgesetzes ;
Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Bau- und Bodenrecht (Nr. 4364 der Drucksachen; Antrag Umdruck Nr. 957). (Erste Beratung: 153. Sitzung.)
Es liegt Ihnen der Schriftliche Bericht des Herrn Berichterstatters vor. Ist noch eine mündliche Ergänzung erforderlich? — Aber bitte in aller Kürze, Herr Abgeordneter!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich kann verstehen. wenn der Herr Präsident aus einer ganzen Reihe von Gründen Wert darauf legt, daß auch die Beratung dieses Tagesordnungspunktes nicht allzu lange andauert. Ich will als Berichterstatter weitgehend darauf Rücksicht zu nehmen versuchen. Ihnen ist ein eingehender Schriftlicher Bericht") unterbreitet worden; ich darf ihn Ihrer Aufmerksamkeit empfehlen. Aber bei der Bedeutung des Gesetzes, das das erste Enteignungsgesetz der Bundesrepublik darstellt, muß ich nun doch eine Reihe von tragenden Gesichtspunkten herausstellen, die diesen Gesetzentwurf betreffen.
Der Gesetzentwurf verdankt seine Entstehung einem einstimmigen Bundestagsbeschluß, der bei der Verabschiedung des Ersten Wohnungsbaugesetzes gefaßt wurde. Dieser Beschluß sah zur Durchführung des Wohnungsbauprogramms die Vorlage eines Gesetzes vor, das, gegebenenfalls unter Änderung von Bestimmungen des Grundgesetzes, die schnelle, wirksame, endgültige und zu günstigen Preisen mögliche Enteignung von Grundstücken vorsehen sollte. Sie können durch einen Blick in die jetzige Vorlage feststellen, in welcher Weise die Bundesregierung diesem Verlangen des Bundestags Rechnung getragen hat. Der Schriftliche Bericht gibt Ihnen des weiteren die Möglichkeit, sich über den Verlauf der Aussschußberatungen im einzelnen zu informieren. Im wesentlichen haben diese Verhandlungen eine Bestätigung der Regierungsvorlage, mindestens was ihre Grundzüge anlangt, ergeben. Dies gilt unter anderem für den Enteignungszweck, für die Zulässigkeit der Enteignung auch zugunsten privater Bauherren, für die Enteignungsvoraussetzungen, die Verfahrensregelung und den zwei Instanzen umfassenden
*) Siehe Anlage 3 Seite 13377
Rechtsschutz vor den Baulandkammern und -senaten. Ich darf auch hier, was die Einzelheiten betrifft, auf den Schriftlichen Bericht verweisen. Das Gesetz läßt die Enteignung von Land für Wohnbauten, für das dazugehörige Gartenland und für den Gemeinbedarf zu, und zwar unter bestimmten Voraussetzungen. Lediglich dann, wenn der Bedarf anderweitig nicht zu decken ist, kann der Weg der Enteignung beschritten werden. Sie ist also die ultima ratio und zudem an die Voraussetzung geknüpft, daß die Enteignung dem Wohle der Allgemeinheit dient.
Es lag in der Natur der Sache, daß in den Beratungen immer wieder die Frage nach der Vereinbarkeit der zu treffenden Regelungen mit den Bestimmungen der Verfassung auftrat. Bekanntlich schreibt Art. 14 des Grundgesetzes u. a. vor, daß die Enteignung als äußerstes Mittel nur dann zulässig ist, wenn die Bedürfnisse und Interessen der Allgemeinheit dies erfordern. Die Ausschußberatungen haben eine volle Übereinstimmung darüber ergeben, daß der immer noch brennende Wohnraummangel einen öffentlichen Notstand darstellt, der nur durch eine konsequente Fortsetzung der Bautätigkeit gelindert und schließlich behoben werden kann. Es muß aber möglich sein, das erforderliche Bauland zu beschaffen.
Bei den Beratungen wurde festgestellt, daß die unerläßliche Weiterführung und Steigerung des Wohnungsbaues heute vielerorts durch den Mangel an geeignetem Baugelände bedroht ist. Den sich hieraus ergebenden Gefahren will das Gesetz abhelfen. Es läßt entgegen dem klassischen Enteignungsrecht auch die Enteignung zugunsten eines einzelnen, einer Privatperson, einer Gesellschaft, einer Genossenschaft zu. Allerdings kann nur derjenige ein Grundstück im Enteignungswege erwerben, der den Willen und die Möglichkeit hat, binnen einer kurz bemessenen Frist die Bebauung vorzunehmen.
Ich will darauf verzichten, einzelne Bestimmungen des Gesetzes hier lang und breit zu erörtern, sondern nur einen kurzen allgemeinen Überblick geben. Dabei verzichte ich auf eine Darstellung der Eingangsbestimmungen und wende mich dem Teil des Gesetzes zu, der in erster Linie Gegenstand der Auseinandersetzungen war. Ich meine den Zweiten Abschnitt des Gesetzes, der sich mit der Frage der Entschädigung beschäftigt. Das Grundgesetz schreibt anders, als dies die Weimarer Verfassung vorsah, die Pflicht zur Entschädigung in jedem Enteignungsfalle vor. Dementsprechend ist bei den Ausschußberatungen niemals und von niemandem ein Entschädigungssausschluß erwogen worden. Vielmehr wurde an Hand und auf Grund der Verfassung nach einem Weg gesucht, der eine gerechte Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten gewährleistet. Hier lag ein Schwerpunkt der Beratungen, bei denen es galt, zwei in echtem Widerspruch zueinander stehende Bestrebungen auf einen Nenner zu bringen. Auf der einen Seite wurde im Sinne des Bundestagsbeschlusses vom 28. März 1950 eine günstige, d. h. für den Baulanderwerber günstige Entschädigungsregelung gefordert. Auf der anderen Seite wurde geltend gemacht, daß auch im Enteignungsfall grundsätzlich der volle sonst im freien Grundstücksverkehr zu erzielende Preis, also der gemeine Wert, geleistet werden müsse. Nachdem es an vielen extremen, aber auch an vermittelnden Vorschlägen nicht gefehlt hatte, wurde schließlich die Lösung des § 10 der Ihnen heute unterbreiteten
Vorlage gefunden. Nach dieser Vorschrift ist bei der Ermittlung der Entschädigung von den Stopppreisen des Jahres 1936 auszugehen. Die in der Zwischenzeit eingetretenen Wertveränderungen sollen jedoch grundsätzlich berücksichtigt werden. Hierbei schwebte dem Ausschuß vor, daß der Änderung der Kaufkraft der D-Mark entsprechende Zuschläge zum Stoppreis von heute etwa 30% im Schnitt oder ein weniges darüber als zulässig angesehen werden können.
— 30 % im Schnitt und etwas darüber, habe ich gesagt. Wir haben im Ausschuß als Höchstes ungefähr 50% für Ausnahmefälle, und zwar unter Berücksichtigung des gegenwärtigen Kaufkraftwertes der D-Mark betrachtet. Ausgeschlossen ist die Berücksichtigung solcher Werterhöhungen, die in der Veränderung der baulichen Ausnutzbarkeit oder der Aussicht hierauf begründet sind. In keinem Fall darf der gemeine Wert überschritten werden. Die Frage, ob die Regelung des § 10 mit dem Grundgesetz vereinbar sei, ist Gegenstand sorgfältiger Prüfung gewesen. Der Ausschuß hat hierzu vor allem das Bundesjustizministerium gehört, das gutachtlich die Vereinbarkeit der Bestimmungen des § 10 mit dem Grundgesetz bejaht hat.
Ich will über die weiteren Schwerpunkte der Beratungen hier nichts weiter sagen, sondern mich darauf beschränken, sie zu erwähnen.
Den zweiten Schwerpunkt bildete das Enteignungsverfahrensrecht. Hier waren Überlegungen anzustellen, die darauf abzielten, gewisse Einwände des Bundesrates auszugleichen. Das ist dadurch gelungen, daß in § 52 eine Kompromißformel gefunden wurde, deren Beachtung und Betrachtung im Bericht ich Ihnen empfehlen darf.
Der dritte umstrittene Fragenkomplex sei ebenfalls hier nur erwähnt. Er betraf das Gerichtsverfahren in Baulandsachen. Hier ist der Versuch gemacht worden, das Neben- und Nacheinander der bisherigen Regelung abzumildern und vor allen Dingen zu einer Vereinfachung des Verfahrens und der Rechtsmittelzüge zu kommen. Auch hier darf ich mich, was die Einzelheiten anlangt, auf den Schriftlichen Bericht beziehen.
Den Ausschüssen, vor allem dem federführenden Ausschuß, schwebte selbstverständlich das Ziel vor, eine Vereinfachung des Rechtswegs und des Verfahrens überhaupt zu erreichen, wo immer dies möglich und notwendig erschien. Das ist im wesentlichen, wie ich sagen darf, dadurch erreicht worden, daß auch eine Klippe umschifft wurde, die sich aus der Bestimmung des Art. 14 des Grundgesetzes ergab. Gegenüber der heutigen Zweispurigkeit des Verfahrens ist der Versuch gemacht worden, durch die Schaffung von Baulandkammern bei den ordentlichen Gerichten — also bei den Zivilgerichten — eine neue Einrichtung zu schaffen, die wesentlich der Vereinfachung des Verfahrens unter der dennoch vorhandenen Garantie einer sach-
und fachgemäßen Prüfung dienen soll. Die Baulandkammern sollen mit zwei Verwaltungs- und drei Zivilrichtern besetzt werden. Dieser Kompromiß wurde nach langen Bemühungen gefunden. Hinsichtlich seiner Zulässigkeit wurden zunächst Bedenken geltend gemacht. Sie sind aber schließlich in Übereinstimmung mit einem seitens des Bundesjustizministeriums erstatteten Gutachten als unbegründet zurückgewiesen worden.
Eine allgemeine Bemerkung zum Schluß: Der Gesetzentwurf stellt lediglich eine vorläufige Regelung dar. Im Rahmen der Beratungen über ein geschlossenes Baugesetz, das den kommenden Bundestag vermutlich demnächst beschäftigen dürfte, wird sich nicht nur die Möglichkeit, sondern darüber hinaus die Notwendigkeit ergeben, die durch das Baulandbeschaffungsgesetz geregelten Tatbestände einer erneuten Überprüfung zu unterziehen. Ich darf darum bitten, die Vorlage dieses Gesetzentwurfs in der Fassung, die sich aus der Drucksache Nr. 4364 ergibt — das ist ein Auftrag, den mir der Ausschuß erteilt hat —, unverändert anzunehmen und die in dieser Sache eingegangenen Petitionen für erledigt zu erklären.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Wir treten in die zweite Beratung ein. Um die Verhandlungen etwas zu beschleunigen, werde ich immer nur die Paragraphen besonders verlesen, zu denen Änderungsanträge vorliegen.
Ich darf zunächst die §§ 1 und 2 aufrufen. Dazu liegen keine Änderungsanträge vor. Eine Aussprache wird nicht gewünscht. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu heben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Bei wenigen Enthaltungen angenommen.
Zu § 3 liegt ein Änderungsantrag der KP auf Umdruck Nr. 959 Ziffer 1 vor.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Gundelach.
Meine Damen und Herren! Der § 3 des vorliegenden Gesetzentwurfs regelt die Frage, welche Grundstücke der Enteignung unterliegen. Unter Buchstabe c des Abs. 1 dieses § 3 wird bestimmt, daß der Enteignung auch Grundstücke mit geringfügiger Bebauung unterliegen.
Als geringfügig
- so heißt es in der Gesetzesvorlage —
ist namentlich eine Bebauung anzusehen, die erheblich unter dem Maß der zulässigen oder üblichen Bebauung liegt oder nach ihrem Umfang die Verpflichtung zur Leistung von Anliegerbeiträgen nicht auslöst oder in behelfsmäßiger Bauart errichtet oder nur auf Widerruf genehmigt ist.
Wenn in diesem Gesetz kein besonderer Schutz für die zahlreichen Behelfsheime festgelegt wird, dann entsteht für die zur Zeit darin wohnenden Familien die große Gefahr, daß sie eines Tages ihre mit vieler Mühe und unter großen Entbehrungen unter dem Zwang der Ausbombung oder der allgemeinen Wohnungsnot geschaffenen Behelfsheime räumen müssen, ohne eine entsprechende Entschädigung zu erhalten. Oftmals wird auch die Gefahr bestehen, daß sie keine entsprechende andere Wohnung bekommen. Wenn man bedenkt, daß allein im Hamburger Gebiet nach amtlichen Angaben fast 40 000 derartige Behelfsheime vorhanden sind, dann muß man einen besonderen Schutz für die darin wohnenden Familien fordern, der zumindest den Schutzbestimmungen entspricht, die im geltenden Kleingartenrecht enthalten sind. Ich will damit keineswegs zum Ausdruck bringen, daß das zur Zeit geltende Kleingartenrecht ausreichenden Schutz gewährt. Der Verband der Kleingärtner, der die Interessen von über 1 Million Kleingärtner und Behelfsheimbewohner vertritt, hat immer wieder ein neues
Kleingartenrecht gefordert, .das der heute gegebenen Lage entspricht. Wiederholt ist auch seitens meiner Fraktion diese berechtigte Forderung der Kleingartenbewegung von dieser Stelle aus vertreten worden. Aber die Regierung hat trotz wiederholter Verprechungen dem Bundestag bis zum heutigen Tage ein derartiges dringend notwendiges Gesetz nicht vorgelegt. Statt eines verbesserten Schutzes wird mit dem vorliegenden Gesetz zur Bereitstellung von Bauland das geltende Kleingartenrecht noch eingeschränkt.
Um nun in dem vorliegenden Gesetz mindestens den Schutz für Kleingärtner und Behelfsheimbewohner zu erhalten, was auch der Verband der Kleingärtner auf einer großen Kundgebung am letzten Montag in Hamburg verlangt hat, wo über 8000 interessierte Kleingärtner und Behelfsheimbewohner anwesend waren — zu der ich geladen und wohl als einziger Bundestagsabgeordneter vertreten war —, fordern wir, daß es in § 3 heißt:
Der Enteignung für die in § 2 Buchst. a
und b geannten Zwecke unterliegen nur
c) Grundstücke mit geringfügiger Bebauung; als geringfügig ist namentlich eine Bebauung anzusehen, die erheblich unter dem Maß der zulässigen oder üblichen Bebauung liegt.
Und nun kommt entsprechend der Forderung der Kleingärtner das Entscheidende:
Kleingartengelände mit Behelfsheimbauten darf nur auf der Grundlage des geltenden Kleingartenrechts enteignet werden.
Wir vertreten darüber hinaus den Standpunkt, daß Inhaber von Behelfsheimen nur dann zur Aufgabe ihres Behelfsheims veranlaßt werden dürfen, wenn erstens eine bessere Wohnung zur Verfügung gestellt und zweitens der volle Wert des aufzugebenden Behelfsheims vergütet wird.
In diesem Geist ist unser Änderungsantrag gehalten. Wir ersuchen Sie, im Interesse der zahlreichen Kleingartenbesitzer mit Behelfsheimen unserem Antrag Ihre Zustimmung zu geben.
Das Wort hat der Abgeordnete Jacobi.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf als Berichterstatter noch zwei kurze Bemerkungen machen. Der Herr Vorredner hat offenbar den § 3 nicht oder nicht richtig durchgelesen.
Anscheinend hat er auch nicht darauf geachtet, daß die Wünsche der Kleingärtner, ,die dem Ausschuß bekannt waren, in § 16 des Gesetzentwurfs eine gewisse Berücksichtigung gefunden haben.
Ich darf zu § 3 und dem, was hierzu angeführt worden ist, nur noch einmal bemerken, daß auch in einem solchen Fall selbstverständlich eine entschädigungslose Enteignung nicht denkbar ist.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Aussprache ist geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung über den Änderungsantrag der KPD. Ich bitte diejenigen, die ihm
zustimmen, die Hand zu heben. — Gegenprobe! — Das letzte ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ich bitte diejenigen, die dem § 3 in der Fassung der Vorlage zustimmen, die Hand zu heben. — Das ist die Mehrheit; angenommen.
Ich rufe weiter auf: §§ 4,-5,-6,-7,-8,-
9. — Dazu liegen keine Änderungsanträge und Wortmeldungen vor. Wir kommen zur Abstimmung. Ich bitte diejenigen, die den aufgerufenen Paragraphen zustimmen, die Hand zu heben. — Das ist die Mehrheit; angenommen.
Ich rufe § 10 auf. Dazu liegen vor ein Änderungsantrag der FDP auf Umdruck Nr. 957, der KPD auf Umdruck Nr. 959 unter Ziffer 2 und ein Antrag der FU auf Umdruck Nr. 960.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Wirths.
Meine Damen und Herren! Der Antrag meiner Fraktion bezweckt die Wiederherstellung der Regierungsvorlage. Wir sind der Meinung, daß die Fassung der Drucksache Nr. 4364 nicht klar genug ist. Es wird davon gesprochen, daß von den Wertverhältnissen am 17. Oktober 1936 auszugehen sei und die seitdem eingetretenen Änderungen in den Wertverhältnissen zu berücksichtigen seien. Der Herr Berichterstatter hat in seinem Schriftlichen Bericht ausgeführt, daß damit die Kaufkraftänderungen der D-Mark gemeint seien. Nach meinem Dafürhalten ist das aber ungenügend. Man kann sich unter Wertverhältnissen — an sich sind sie im späteren Text ausgeschlossen — eine ganze Reihe von anderen Dingen vorstellen. Es ist auch unerfindlich, weshalb man hier von den „Wertverhältnissen" am 17. Oktober 1936 ausgehen will, wenn man die Werte am 17. Oktober 1936 im Auge hat. Wir sind der Meinung, daß der Text der Regierungsvorlage besser und klarer ist und insbesondere den Enteignungsbehörden und auch den Baulandkammern bei streitigen Verfahren eine bessere Handhabe gibt, den Preis zu ermitteln. Solange wir bei den unbebauten Grundstücken noch einen gesetzlichen Preis haben, nämlich den Preisstopp, werden wir davon ausgehen müssen. Ich möchte aber keinen Zweifel über unsere Auffassung lassen, daß auch der Preisstopp für unbebaute Grundstücke aufgehoben werden muß. Wir werden uns nachher mit der Entschließung, die die CDU eingebracht hat, beschäftigen. Wir stimmen dieser Entschließung zu, weil sie diese Notwendigkeit anerkennt und weil sie auf der anderen Seite — da stimmen wir ebenfalls zu — Spekulationsgewinne beim Grund und Boden ausschließen will.
Wenn der Herr Berichterstatter nun erklärt hat, der Auschuß sei sich darüber klargewesen, daß im Schnitt diese Aufstockung im Wertverhältnis zu 1936 etwa einen Betrag von 30 % und etwas höher auf die Preise von 1936 bedeuten würde, dann mag darüber im Ausschuß gesprochen worden sein. Ich kann mich nicht darauf besinnen. Ich kann also nicht sagen, daß diese Erklärung etwa den Kommentator oder sogar die Behörden oder das Gericht binden würde.
Man wird darüber streiten können, ob damit etwa die Kaufkraftänderung seit der Zeit gemeint ist. Aber ich glaube, darüber werden sich die Finanzgelehrten noch nicht einig sein.
Nun haben wir seit geraumer Zeit den Preisstopp für Trümmergrundstücke aufgehoben. Trümmergrundstücke können nach diesem Gesetz enteignet und der Wiederbebauung zugeführt werden. Wir haben nicht feststellen können, daß sich eine erhebliche Preissteigerung bei den Trümmergrundstücken ergeben hätte. Es ist nach wie vor so, daß in vielen Fällen noch nicht einmal der Einheitswert erreicht wird. Deshalb sind wir weiterhin der Auffassung, daß es gerade weil im Wohnungsbau, insbesondere im sozialen Wohnungsbau — also in dem Wohnungsbau, der durch dieses Gesetz gefördert werden soll —, die Rendite durchaus mager ist, nicht zu einer erheblichen Preissteigerung auch der unbebauten Grundstücke kommen kann, weil eben der wirtschaftliche Anreiz nicht da ist. Wir möchten also dafür plädieren, daß wir nach sorgfältigen Ermittlungen und Erwägungen zu einer Auflockerung des Preisstopps für unbebaute Grundstücke kommen müssen.
In unserer Vorlage haben wir erklärt, daß, wenn ein gesetzlich zulässiger Preis nicht mehr existiert, der Verkehrswert, der gemeine Wert, zu vergüten sei. Wir halten das für billig. Denn wenn man schon eine so einschneidende Maßnahme und einen solchen Eingriff in das private Vermögen vornimmt wie die Enteignung von Grundstücken, muß man auch den Wert bezahlen, den der Betreffende im üblichen Geschäftsverkehr hätte erzielen können.
Nun kommt noch eines hinzu. Sowohl bei der Enteignungsbehörde wie auch nachher etwa im gerichtlichen Verfahren wird man ohne Sachverständigenmitwirkung und Sachverständigengutachten gar nicht auskommen können. Es hat sich bereits in der Vergangenheit, auch der letzten Jahre, ergeben, daß die Taxen, die von den Sachverständigen aufgestellt werden, in der Regel den gemeinen Wert deklarieren. Es ist ja beim Grundstücksverkehr überhaupt nicht möglich, diesen Wert genau festzustellen, weil es sich immer wieder um andere Grundstücke handelt.
Ich möchte also der Auffassung Ausdruck geben, daß die Vorlage, die wir Ihnen gemacht haben, eine bessere Regelung des § 10 vorsieht, und ich bitte Sie, ihr zuzustimmen.
Weitere Begründungen zu den Anträgen? Das Wort hat Herr Abgeordneter Gundelach.
Meine Damen und Herren! Vorweg eine kleine Bemerkung zu den Ausführungen des Berichterstatters Herrn Jacob i. Wenn Sie, Herr Jacobi, sagen, die Forderungen des Kleingartenverbandes seien im wesentlichen berücksichtigt worden, so kann ich Sie nur bitten, sich mit dem Vorsitzenden des Kleingartenverbandes, Herrn Berg, und mit dem Zweiten Bürgermeister von Hamburg, Dr. Nevermann, in Verbindung zu setzen, um von denen zu erfahren, was auf der großen Kundgebung in Hamburg ihrerseits zu dem vorliegenden Gesetz ausgeführt worden ist. Mehr will ich im Augenblick dazu nicht sagen.
Nun zu dem Änderungsantrag zu § 10. § 10 Abs. 3 regelt die Entschädigung für Bauwerke auf enteigneten Grundstücken. Der Abs. 3 des § 10 richtet sich nach unserer Meinung in nicht vertretbarer Weise gegen die Behelfsheimbesitzer. Hier wird ein sehr dehnbarer Begriff über eine Entschädigung im Enteignungsfalle im Gesetz verankert; es wird bestimmt, daß eine Entschädigung nur „aus Gründen der Billigkeit" gewährt werden kann. Wir
Kommunisten vertreten den Standpunkt, daß die Frage einer Entschädigung nicht zu einer Ermessensfrage der Behörden gemacht werden darf. Aus diesem Grunde beantragen wir, daß § 10 Abs. 3 folgende klare Fassung erhält:
Eine Entschädigung für Bauwerke, insbesondere für Behelfsheime, die in Verbindung mit Kriegsschäden oder der allgemeinen Wohnungsnot errichtet worden sind, ist entsprechend den Werten voll zu gewähren.
Es geht nicht an, meine Damen und Herren, daß eine Entschädigung für Bauwerke, deren entschädigungsloser Abbruch nach dem jeweils geltenden Recht gefordert werden kann, nur dann zu gewähren ist, wenn es aus Gründen der Billigkeit geboten ist, wie es im vorliegenden Gesetzentwurf gesagt wird. Wir fordern demgegenüber, daß die Behelfsheimbesitzer, die alle fast ohne Ausnahme ohne staatliche Hilfe und durch die Not gezwungen eine eigene Behausung durch eigene Arbeit und mit vom Munde abgesparten Geldern errichtet haben, im Falle der Enteignung voll entschädigt werden. Dieser berechtigten Forderung des Verbandes der Kleingärtner entspricht der von meiner Fraktion gestellte Änderungsantrag zu § 10 Abs. 3 des vorliegenden Gesetzes.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Bertram.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn wir namens der Fraktion der Föderalistischen Union einen Änderungsantrag zu § 10 dieses Gesetzes gestellt haben, so sind wir ebenso wie alle anderen hier in diesem Hause von der Notwendigkeit der Baulandbeschaffung überzeugt. Gerade in dörflichen und kleinstädtischen Verhältnissen ist die Beschaffung von Bauland auf besonders große Schwierigkeiten gestoßen. Bauland für Siedler und Baulustige in diesen Verhältnissen zu beschaffen, stößt oft auf den an sich verständlichen Widerstand der Grundstückseigentümer, die von ihrer kargen Ackernahrung nichts hergeben wollen. Hier stehen sich berechtigte Interessen oft schroff gegenüber. Ein Baulandbeschaffungsgesetz ist deshalb notwendig.
Trotzdem kann uns das Gesetz in der Regelung der Einzelheiten zur Entschädigungsfrage nicht befriedigen. Der hauptsächliche Sachverhalt, der nach unserer Meinung am meisten vorkommt, stellt sich doch so dar: Unbebaute Grundstücke, die 1936 landwirtschaftlich genutzt waren und auch jetzt noch als Äcker oder Gärten bewirtschaftet werden, werden durch Fluchtlinienplan oder Leitplan zu Bauland erklärt. Diese Erklärung schafft bereits eine Wertsteigerung und stellt außerdem die Folge einer tatsächlichen Entwicklung der Besiedlung dar. Wenn früher der Wert des Ackerlandes, sagen wir, 30 oder 50 Pfennig je Quadratmeter gewesen ist, so ist er nach einer solchen Erklärung schnell auf 2,50 oder 3 DM je Quadratmeter gestiegen. Die gesetzliche Folge des § 10 in der vorliegenden Fassung ist, daß dieses Land dem einen zum Preise von 30 oder 50 Pfennig je Quadratmeter abgenommen und dem Erwerber zu demselben Preis zugeschlagen wird, dieser also den Gewinn aus der Wertsteigerung zieht.
Die in Satz 2 des § 10 zugelassene Erhöhung des Kaufpreises durch Arbeits- oder Kapitalaufwand stellt keinerlei Entschädigung für das Grundstück dar, sondern ist eine Entschädigung für sonstigen
Aufwand, beispielsweise eine Dränage, und kann deshalb hier ausscheiden. Aber auch die in Satz 1 zugelassene Berücksichtigung der Änderung des Wertverhältnisses kann meiner Ansicht nach aus zwei Gesichtspunkten nicht so beurteilt werden, wie es hier geschehen ist. Einmal kann die Berücksichtigung von Währungsänderungen nicht dadurch zugelassen werden, daß Änderung von Wertverhältnissen vorgeschrieben wird. Der Wert einer Sache wird zwar in der jeweiligen Währung ausgedrückt; er selbst ändert sich aber nicht ohne weiteres durch eine neue Währung. Das gilt im vorliegenden Falle ganz eindeutig durch die Bezugnahme auf die Preisstoppverordnung, die ja für die preisgestoppten Grundstücke nach wie vor fortgilt und Reichsmark gleich Deutsche Mark setzt. Unter diesen Umständen kann die Berücksichtigung von Wertverhältnissen nur die sonstigen Wertverhältnisse betreffen. Wenn ich den Wortlaut „Veränderung der Wertverhältnisse" in diesem Gesetz betrachte — vorher ist auf Grundstücke, hinterher ist auf Grundstücke Bezug genommen —, dann kann das sinngemäß nur die Veränderung von Werten von Grundstücken betreffen. Da diese Werte aber gestoppt gewesen sind, kann daraus die Schlußfolgerung, wie sie der Berichterstatter gezogen hat, gar nicht gezogen werden. Es kann aber insbesondere auch nicht richtig sein, wenn der Berichterstatter sagt, man sei sich darüber einig geworden, daß ein bestimmter Satz von Änderung von Wertverhältnissen, beispielsweise 30 %, berücksichtigt werden könne. Der Kollege Wirths hat sofort widersprochen und hat einen höheren Satz genannt, Kollege Lücke rief dazwischen und sagte 66 %.
— Ich sagte, Herr Wirths, Sie haben widersprochen, und Herr Kollege Lücke machte in Form eines Zwischenrufes den Satz von 66 % geltend.
Alle diese Dinge sind reine Annahmen, die im Gesetz keinen Ausdruck gefunden haben und deshalb für die Berechnung des Wertes der Entschädigung überhaupt ausscheiden müssen.
Was mit dem Gesetz in diesem § 10 beabsichtigt ist, ist ganz eindeutig: Man will hier dem Veräußerer einen Preis bezahlen, der mehr oder weniger erheblich unter dem Verkehrswert liegt. Wenn es anders wäre und nicht eine Entschädigung unter dem Verkehrswert beabsichtigt wäre, brauchte man ja diese ganze Bestimmung nicht.
Die Frage der Rechtsgültigkeit einer solchen Bestimmung ist, wie der Berichterstatter gesagt hat, sorgfältig geprüft worden. Diese Prüfung vom Bundesjustizministerium hat nach manchem Wenn und Ach und Aber ergeben, daß diese Bestimmung möglicherweise rechtsgültig ist. Aber der Berichterstatter hat nicht erwähnt, daß der Rechtsausschuß dieses Hauses die Frage ebenfalls geprüft hat und auf einem anderen Standpunkt steht. Er ist in einem dem Ausschuß für Bau- und Bodenrecht erstatteten schriftlichen Gutachten zu dem Ergebnis gekommen, daß die Bezugnahme auf den Preisstopp von 1936 rechtlich unzulässig sei.
Über die Entschädigung bei Enteignungen enthält das Grundgesetz nur eine allgemeine Bestimmung, die durch eine grundlegende Entscheidung des Großen Senats des Bundesgerichtshofes vom 10. Juni 1952 ausgelegt worden ist. Der Bundesgerichtshof geht in seiner Entscheidung davon aus, daß die Entschädigung, die bei einer Enteignung
dem Betroffenen zu zahlen ist, dazu bestimmt ist, die Einhaltung des Gleichheitsgrundsatzes zu gewährleisten. Die Entschädigung soll dem Betroffenen einen Ausgleich für das Opfer bieten, das ihm durch den Eingriff in seine private Rechtssphäre auferlegt worden ist. Von diesem Gesichtspunkt weichen Sie in der Vorlage ab.
Der Verstoß der vorgeschlagenen Fassung liegt darin, daß einem Eigentümer, dem im Wege der Enteignung das Grundstück fortgenommen wird, ein bestimmt fixierter Preis, ein niedrigerer Preis als der Verkehrswert, zugedacht ist, während einem anderen Eigentümer — und jetzt kommt die Frage des Gleichheitsgrundsatzes zum Tragen —, der sein Grundstück nicht veräußert, der gesamte Wert, und zwar nicht ohne die Abzüge, wie Sie sie in diesem Gesetz statuieren, belassen bleibt. Damit verstoßen Sie gegen den Grundsatz des Art. 14 in Verbindung mit Art. 2, wie er in dieser grundlegenden Entscheidung des Bundesgerichtshofes zum Ausdruck gebracht worden ist, und damit wird diese Bestimmung Gegenstand unzähliger Erörterungen bei Zivilgerichten und beim Bundesverfassungsgericht sein. Die schlechten Erfahrungen, die man mit dem Bodenreformgesetz, wie wir es in Nordrhein-Westfalen haben, gemacht hat, das ähnliche Bewertungsbestimmungen enthält, sollten doch schrecken. Man sollte nicht von vornherein nur aus taktischen bzw. praktischen Gesichtspunkten eine Bestimmung schaffen, die dann hinterher Gegenstand zahlreicher Prozesse und zahlreicher Umgehungshandlungen sein wird. Die Betroffenen werden sich nicht wehrlos einer solchen Bestimmung ausserzen. Die Fülle der Umgehungsmöglichkeiten zeichnet sich jetzt schon ab. Wer das, was wir mit einer entsprechenden Bestimmung des Bodenreformgesetzes an Vertragskunststücken erlebt haben, kennt, wird mir recht geben.
Außerdem: wem stünde — wenn wir die Frage des Grundgesetzes einmal außer Betracht lassen wollen — nach moralisch-rechtlichen Gesichtspunkten die Werterhöhung an sich denn zu, wenn sie nicht, wie Sie es wollen, dem neuen Erwerber zufließen kann? Dem bisherigen Eigentümer offenbar auch nur zu einem kleinen Teil. Zustehen müßte sie eigentlich der Öffentlichkeit, der Allgemeinheit, die die letzte Trägerin der Werterhöhung dieser Grundstücke ist. Durch Anlagen der Allgemeinheit, durch die Tatsache, daß Wege und Versorgungseinrichtungen angelegt werden, daß die Gemeinde wächst und daß dafür wieder alle möglichen Schulen und sonstigen Anstalten unterhalten werden, wird letzten Endes auch die Werterhöhung von solchem Land, das am Dorfoder Stadtrand liegt, begründet. Also müßte die Werterhöhung der Allgemeinheit zufließen. Es ist aber doch sicher unrecht, diese effektiv vorhandene Wertsteigerung dem einen, nämlich dem bisherigen Eigentümer, entschädigungslos fortzunehmen und sie einem anderen, Privaten, ohne daß er dafür zu zahlen hätte, zufließen zu lassen. Dieser Private kann dann, nachdem er ein Haus auf das Grundstück gesetzt hat, seinerseits das Grundstück plus Haus verkaufen und die ganze Differenz in harem Gelde realisieren. Das ist der Erfolg dieser merkwürdigen Bestimmung, die eben gegen mein Rechtsgefühl verstößt und die nach meiner Kenntnis auch mit der Bestimmung des Grundgesetzes nicht in Einklang zu bringen ist.
Ich bin der Ansicht, daß unabhängig davon, ob die Frage der Erfassung der Bodenwertsteigerung schon richtig gelöst ist oder nicht, nur auf diesem Wege die etwaige Bodenspekulation bekämpft werden kann, unter keinen Umständen dadurch, daß sich die Bodenspekulation von dem Erstbesitzer auf den Zweitbesitzer verlagert. Es ist doch nun einmal so, daß gerade diese Grundstücke sehr häufig nicht in die Hand von einzelnen Siedlern gelangen, die diese Grundstücke dauernd behalten wollen, sondern in die Hand von kapitalistischen oder genossenschaftlichen Trägern oder Wohnungsbaugesellschaften, die eigens dazu gegründet sind, das geschaffene Wohneigentum zu veräußert, und dann werden alle diese Wertsteigerungen, die Sie hier zum Verschwinden bringen wollen, wieder auftauchen.
Ich würde Sie deshalb dringend bitten, nicht dieser Vorlage, wie sie vom Ausschuß erarbeitet worden ist, sondern unserem Vorschlag Ihre Zustimmung zu geben. Der von uns erarbeitete Vorschlag deckt sich wörtlich mit der Entscheidung des Bundesgerichtshofes und gestattet insbesondere die Anrechnung solcher Wertvorteile, die einem Grundstückseigentümer dadurch zuwachsen, daß sein Restgrundstück durch den Enteignungsakt wertvoller wird. Die Anrechnung eines solchen Vermögenszuwachses ist nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs ohne weiteres möglich und auch notwendig. Deshalb scheint mir diese Formulierung die richtige zu sein. Ich bitte Sie, unserem Antrag zuzustimmen.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Lücke.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Bertram, wer 31/2 Jahre lang im Ausschuß für Wiederaufbau und Wohnungswesen und im Ausschuß für Bau- und Bodenrecht daran mitgearbeitet hat, diese Frage, und zwar gerade die Höhe der Entschädigung, zu regeln, weiß, wie schwer eine solche Regelung ist. Ich bin der Meinung, das, was Sie hierzu gesagt haben, läßt etwas vermissen, nämlich das Maß an Sachkenntnis, das man im allgemeinen voraussetzen muß, wenn man zu dieser Frage sprechen will. Sie haben von Bodenwertabschöpfung, von diesem und jenem gesprochen. Diese Probleme stehen hier nicht zur Debatte. Es wäre besser gewesen, Sie hätten im Laufe der letzten vier Jahre im Ausschuß für Wiederaufbau und Wohnungswesen und im Ausschuß für Bau- und Bodenrecht einmal Gelegenheit genommen, sich dort auch mit dieser sicherlich brennenden Frage zu befassen. Dann würde einige Verwirrung, die sonst in diesem Hohen Hause leicht entstehen könnte, vermieden werden.
Ich nehme an, daß der Herr Minister Neumayer im Namen der Bundesregierung zu der rechtlichen und juristischen Seite dieses Antrags noch etwas sagen wird, insbesondere zum Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Persönlich möchte ich als Abgeordneter dazu nur sagen: Art. 14 des Grundgesetzes fordert ausdrücklich, daß Art und Ausmaß der Entschädigung bei Enteignungen durch Gesetz zu regeln sind,
daß also wir hier Recht schaffen, nach dem später das Bundesverfassungsgericht zu urteilen hat. Von mir aus kann ich zu dieser Frage weiter feststellen, daß sich das Urteil auf die bisherigen Gesetze stützt.
Wenn ich daher bitte, den Antrag des Herrn Dr. Bertram und seiner Freunde abzulehnen, dann tue ich das, weil dieser Antrag das Problem nicht trifft und uns bei der gerechten Regelung dieser heiklen Frage der Entschädigung bei Grund und Boden in Schwierigkeiten bringen würde. Das gleiche gilt für den Antrag der kommunistischen Fraktion.
Wenn ich zu dem Antrag der FDP-Fraktion einige Ausführungen grundsätzlicher Art mache, dann in der Absicht, Ihnen klarzumachen — vielleicht gelingt es mir —, daß dem FDP-Antrag heute eigentlich die Grundlage fehlt. Seitdem die Regierungsvorlage eingebracht worden ist, sind mehr als 21/2 Jahre vergangen. In der Zwischenzeit — das wissen Sie; Herr Kollege Wirths hat es ausgeführt — ist der Preisstopp für bebaute Grundstücke aufgehoben worden. Wir haben uns erst kürzlich mit dieser Frage befaßt. Deshalb ist es für die Beurteilung des Antrags der FDP-Fraktion auf Wiederherstellung der Regierungsvorlage wichtig, sich noch einmal zu vergegenwärtigen, welche Gründe z. B. zu dieser Regierungsvorlage geführt haben und welche Voraussetzungen ihr zugrunde liegen. Ich zitiere deshalb wörtlich aus der Begründung, die dem — heutigen — § 10 seitens der Bundesregierung in der Regierungsvorlage gegeben wurde. Es heißt da:
Für die Gültigkeitsdauer dieses vorläufigen Enteignungsgesetzes kann man sich damit begnügen, als Höchstmaß der Entschädigung den gesetzlich zulässigen Preis festzusetzen, da die der Enteignung unterliegenden Grundstücke ausnahmslos den geltenden Preisbildungsvorschriften unterworfen sind. Innerhalb des hiernach gegebenen Rahmens ist die Entschädigung nach der in das Gesetz übernommenen Bestimmung des Grundgesetzes über die gerechte Abwägung der beiderseitigen Interessen zu bemessen.
Die Regierungsvorlage ging also bewußt davon aus, daß es sich um ein vorläufiges Enteignungsgesetz handelt und daß für die Gültigkeitsdauer dieser Zwischenlösung die geltenden Preisbildungsvorschriften auch weiterhin aufrechterhalten bleiben.
Meine Freunde und ich würden diesem Vorschlag der Regierung und der FDP-Fraktion unsere Zustimmung nicht versagen, wenn die Voraussetzungen von damals auch heute noch gegeben wären. Aber — und das ist das Entscheidende — die preisrechtliche Ausgangssituation, wie sie bei der Ausarbeitung der Regierungsvorlage bestand, ist heute nicht mehr vorhanden. Ich darf in diesem Zusammenhang noch einmal an die Debatte erinnern, die seinerzeit im Zusammenhang mit der Großen Anfrage der SPD stattgefunden hat. Der Herr Bundeswirtschaftsminister hat damals erklärt, daß er nicht daran denke, den Preisstopp für unbebaute Grundstücke aufzuheben. Er hat weiterhin erklärt, er werde nach Verabschiedung des Baulandbeschaffungsgesetzes prüfen, ob und in welcher Form eine Auflockerung der Preisbestimmungen folgen könne. Es ist also nicht möglich, die Regierungsvorlage aufrechtzuerhalten, da die entscheidenden Voraussetzungen durch die Aufhebung des Preisstopps für bebaute Grundstücke und die Lockerungen auch für unbebaute Grundstücke, wie sie auf dem Verordnungswege erfolgt sind, weggefallen sind. Darum bitte ich, dem Antrag der FDP-Fraktion auf Wiederherstellung der Regierungsvorlage nicht stattzugeben und der Ausschußfassung Ihre Zustimmung zu erteilen. Weiter würde eine Annahme dieses Antrages zu § 10, der das Kernstück des Gesetzes darstellt, das Gesetz in seiner Wirksamkeit gefährden und die endgültige Regelung der Bodenfrage unmöglich machen.
Meine politischen Freunde und ich können der in § 10 gefundenen Fassung nur so lange zustimmen, bis ein Baulandbewertungsgesetz vorliegt. Ich möchte auch hier zum wiederholten Male erklären, daß wir den Preisstopp als längst überholt ablehnen. Wir wissen auch, daß gesetzliche Verbote keine geeigneten Mittel sind, um die Bodenpreise in geordnete Bahnen zu lenken. Wir wissen aus der Erfahrung, daß auch Stoppreise nichts helfen, wenn eine Marktpartei stark genug ist, über die Stoppreise hinaus zu zahlen. Wenn das nicht offiziell geschieht, so werden diese Preise schwarz gezahlt. Stoppreise blockieren nur den legalen Verkehr und beleben den illegalen und schaffen so einen Schwarzmarkt, wie wir ihn leider im Grundstücksverkehr heute vielfach beobachten müssen. Das alles aber geht zu Lasten eines geordneten Wiederaufbaus und zu Lasten der Menschen, für die wir uns hier besonders einsetzen müssen. Darum muß der Stoppreis bald fallen. Wenn wir heute hier im Hohen Hause vor der schwierigen Aufgabe stehen, diesem dringend notwendigen Gesetz unsere Zustimmung zu geben, obwohl die Frage der Bodenbewertung noch nicht geregelt ist, dann nur deshalb. weil dieses Baulandbeschaffungsgesetz zur Durchführung des Wohnungsbaues, vor allem aber für den Wiederaufbau dringend und noch einmal dringend benötigt wird und eine Verschiebung dieses Gesetz auch nur für Monate nicht verantwortet werden kann.
Der Stoppreis darf aber nicht ersatzlos fallen. Er muß durch etwas Besseres ersetzt werden. Die Damen und Herren des Hohen Hauses, die sich mit dieser Frage befassen, wissen, daß meine Freunde und ich, die CDU/CSU, seit längerem an dem Entwurf eines Baulandbewertungsgesetzes arbeiten. Dieser Gesetzentwurf soll gewährleisten, daß auf dem Grundstücksmarkt keine Marktpartei zur herrschenden wird. In diesem Gesetzentwurf ist neben der Aufhebung des Preisstopps auch für unbebaute Grundstücke — neben der bereits erfolgten für bebaute — unter anderem vorgesehen, daß Bodenspekulationen unmöglich gemacht werden, und zwar dadurch, daß alle nicht auf Arbeits- und Kapitaleinsatz beruhenden Wertsteigerungen, also der sogenannte unverdiente Bodenwert, abgeschöpft werden. Die CDU/CSU hat sich deshalb in all ihren Programmen wiederholt zu diesem Grundsatz bekannt und die Forderung vertreten, daß baldmöglichst ein Bodenrecht geschaffen werde, das den Interessen der Allgemeinheit und der Betroffenen gerecht wird. Es liegt im Wesen dieser überaus schwierigen Rechtsmaterie, daß der Entwurf dem Bundestag noch nicht vorgelegt werden konnte. Um jedoch überhaupt ein brauchbares Bodenhewertungsgesetz erlassen zu können, ist erste Voraussetzung — das kann ich nur mit großem Ernst sagen -, daß die in § 10 gefundene Fassung der Ausschußvorlage angenommen wird. Dieses Baulandbewertungsgesetz, an dem wir seit Jahren arbeiten. läßt sich nicht so rasch erarbeiten, wie wir geglaubt haben, und das weiß jeder hier im Hause und jeder draußen im Lande, der sich mit dieser Frage befaßt hat.
Wir halten jedoch an unserer Forderung fest und haben Ihnen, meine Damen und Herren, deshalb eine Entschließung vorgelegt, die im Namen
meiner Fraktion zu begründen ich die Ehre habe. Diese Entschließung, die wir zur zweiten Lesung dem Hohen Hause hiermit vorlegen, lautet:
Um die als Zwischenlösung anzusehende Vorschrift über die Entschädigungshöhe in § 10 des Baulandbeschaffungsgesetzes durch eine endgültige Regelung zu ersetzen, wird die Bundesregierung ersucht,
1. bis zum 30. Juni 1954 — sei es im Rahmen des vom Deutschen Bundestag mit Beschluß vom 13. September 1951 geforderten Bundesbaugesetzes oder als Sonderregelung — den Entwurf eines Gesetzes über die Bodenbewertung vorzulegen,
2. durch diesen Gesetzentwurf u. a. die Preisstoppvorschriften abzulösen und eine Regelung zu treffen, durch die Spekulationsgewinne am Grund und Boden ausgeschlossen werden.
Herr Abgeordneter, ich mache darauf aufmerksam, daß Entschließungen erst in der dritten Beratung zur Abstimmung kommen.
Meine Damen und Herren, ich darf Sie herzlich bitten, dieser Entschließung zuzustimmen.
Meine Freunde haben weiter überlegt, ob wir in der Lage seien, die Frist, innerhalb deren die Regelung des § 10 abgelöst werden muß, etwa in das Gesetz zu schreiben. Das läßt sich jedoch nicht ermöglichen, da die Regelung dieser ungemein schwierigen Rechtsmaterie eine bestimmte Fristsetzung nicht zuläßt. Überdies werden meine Freunde und ich weiterhin an der Vervollkommnung des Initiativgesetzentwurfs zur Baulandbewertung arbeiten, und ich hoffe diesen Entwurf dem Parlament sehr bald vorlegen zu können. Das würde bedeuten. daß somit auf dem Wege des Initiativgesetzentwurfs allein schon die Gewähr geboten wäre, daß § 10 in seiner heutigen Fassung durch das Baulandbeschaffungsgesetz abgelöst würde.
Meine Damen und Herren, wenn ich in diesem Zusammenhang wegen der Bedeutung der Regelung der Entschädigung einige kurze Gedanken grundsätzlicher Art ausführe, dann, damit sich das Hohe Haus der ganzen Verantwortung bewußt wird, die gerade dieser Paragraph für die künftige Baugesetzgebung und auch für die sozialpolitischen Belange hat. Der Grund und Boden ist nun einmal nicht vermehrbar. Er kann deshalb marktwirtschaftlichen Prinzipien nicht unterworfen werden. Gerade dadurch, daß Millionen deutscher Menschen zu uns gekommen sind, wird es immer und immer schwieriger, den vorhandenen Boden gerecht zu verteilen. Ich meine hier das Bauland. Es handelt sich hier nicht um ein Gesetz, das die ländliche Siedlung oder die Probleme der bäuerlichen Siedlung regelt. Es ist kein Bodenreformgesetz, es ist ein Baulandbeschaffungsgesetz. Die Not aus der Sowjetzone gejagter deutscher Menschen erhöht diese Schwierigkeit der Unterbringung. Eine gerechte Verteilung des vorhandenen Grund und Bodens ist jedoch nur möglich, wenn ihr eine gerechte Bodenbewertung vorausgeht.
Ich habe von dieser Stelle aus wiederholt gefordert, daß wir unsere Menschen über den Wohnungsbau mit dem Grund und Boden verwurzeln sollten. Es ist unsere Pflicht, möglichst vielen der Vertriebenen wieder Eigentum an Grund und Boden
zu geben. Dazu aber benötigt man Boden. Dieser Boden, Herr Kollege Dr. Bertram, soll nicht zu unangemessen niedrigen Preisen vom Eigentümer gefordert werden. Wir halten es aber für ungerecht, wenn für Boden nur deshalb ein oft unerschwinglicher Preis gezahlt werden muß, weil jemand aus einer Notlage heraus bauen muß. Aus der Not der Millionen Vertriebener, Ausgebombter und junger Familien darf auch beim Verkauf von Bauland kein Geschäft gemacht werden. Wir können nicht schweigen, wenn der Versuch unternommen wird, auch in dieser Notzeit mit dem so knappen Boden Spekulationsgewinne zu erzielen. Vor allem können wir Christen dazu nicht schweigen.
Man wird mir entgegenhalten, daß die Bodenspekulation heute doch weiß Gott keine Bedeutung mehr habe und die Berlin-Schöneberger MillionenBauern der Gründerjahre der Vergangenheit angehörten, wie ja heute auch ein so schöner Artikel ausgeführt hat, zu dem hier noch gesprochen werden wird. Meine Damen und Herren, auch heute wird leider. Gott sei es geklagt, Spekulation mit Grund und Boden getrieben. Um Beweise dafür zu finden, brauchen wir uns nur das anzusehen, was z. B. hier in Bonn geschehen ist. In der Nähe des Johanniter-Krankenhauses, in Godesberg und an anderer Stelle wurde im Jahre 1951, nachdem der Deutsche Bundestag hier bereits tagte, in Bonn pro Quadratmeter Bauland z. B. ein Preis von 1,50 DM gezahlt. Heute werden an derselben Stelle 15 bis 20 DM und mehr verlangt. Das bedeutet eine Verteuerung von 1400 %.
— Leider hat auch die öffentliche Hand bei der Steigerung der Bodenpreise eine oft sehr unerfreuliche Rolle gespielt. Sie wird nicht ausgenommen, auch sie wird von diesem Gesetz betroffen. Darum machen wir es ja.
Ich kann mir nicht vorstellen, daß jemand hier im Hause ist, der eine derartige Entwicklung billigt und wünscht. Wir müssen jedoch nach wirksamen Mitteln suchen, um einer solchen Entwicklung zu begegnen. Das ist nur möglich, wenn wir zunächst an dem korrigierten Preisstopp festhalten und ihn in einem halben bis dreiviertel Jahr durch ein geeignetes Bodenrecht ablösen.
Bei den Beratungen dieses Gesetzes haben wir viele Beweise des Verständnisses, vor allem seitens unserer Landwirtschaft, gefunden, Bauland herzugeben. Überall jedoch wurde die Forderung vertreten — dieses Verlangen soll nicht unausgesprochen bleiben —: Wenn man Land hergibt, auch seitens der Landwirtschaft, um der Not zu steuern, soll damit überall, wo es möglich ist, neues Einzeleigentum geschaffen werden, damit nicht allein große Wohnungsunternehmen, wie Kollege Bertram etwas scharf formulierte, in den Genuß einer derartigen Möglichkeit kommen.
Meine Freunde und ich bekennen uns auch in dieser Stunde zu dem Grundsatz, daß nur durch die Bejahung der sozialen Gebundenheit des Grund und Bodens die Beteiligung weitester Kreise am Grund und Boden und damit am Eigentum ermöglicht wird. Darum, und nur darum, haben wir das Familienheimgesetz eingebracht. Dieses Familienheimgesetz ist die Konsequenz des vorliegenden Gesetzes, das das notwendige Bauland dafür schafft. Eigentum wird auf die Dauer nur dann erhalten
bleiben, wenn möglichst viele der Entwurzelten Eigentümer werden.
Wir wollen nicht, daß der Preisstopp von 1936 maßgebend sein soll. Bei den Beratungen hat lediglich die Kaufkraftänderung oder die Änderung der Wertverhältnisse, wie es im Gesetz steht, zur Diskussion gestanden, damit demjenigen, der Land hergeben muß, ein Preis gezahlt wird, der der Änderung der Kaufkraft gegenüber 1936 entspricht.
Wenn ich Sie, meine Damen und Herren, zum Schluß dringend bitte, an dieser Fassung festzuhalten, dann tue ich es um des weitergesteckten Zieles willen, daß wir ein gutes Bodenbewertungsgesetz erhalten. Deshalb bitte ich, die Anträge abzulehnen und der zur dritten Lesung von mir und meinen Freunden eingebrachten Entschließung zu dieser Frage Ihre Zustimmung zu geben.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Ewers.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Als Sprecher einer kleinen Fraktion wäre ich sehr versucht, hier in der zweiten Lesung anläßlich des § 10 des Baulandbeschaffungsgesetzes ebenso weit und breit wie mein verehrter Vorredner Herr Lücke zu allgemeinen Betrachtungen auszuholen. Denn in der Generalberatung haben dazu kleine Fraktionen keine Zeit. und jetzt haben wir Gott sei Dank keine Redezeit, also weitestgehende Freiheit. Ich würde der Versuchung unterliegen, wenn wir nicht 20 Minuten nach 20 Uhr hätten und ich nicht wüßte, daß das Haus durch eine längere Rede, die ich nun noch
draufsetzte, direkt aus dem Tempel herausgetrieben würde. Ich will mich deswegen in gewohnter Weise, der Versuchung widerstehend, so kurz wie möglich fassen.
Mit den Generalgrundsätzen des verehrten Herrn Kollegen Lücke bin ich für meine Person, wie er weiß, weitgehend einverstanden. Auch ich bin der Meinung, daß man heute, wenn man baut, grundsätzlich - vorbehaltlich eigener Spekulation — der Allgemeinheit eine Wohltat erweist, weil nämlich der Wohnraum unserer Gesamtbevölkerung in einer immer noch außerordentlich bitteren Weise fehlt. Aber ich sehe zunächst einmal nicht ein, warum derjenige, der heute Bauland abgibt, an irgendwelchen früheren Preisstopp gebunden sein soll, der Erwerber aber nach einem Jahr den Realpreis bekommen soll. Das sehe ich um so weniger ein, als wir auch zugunsten Privater enteignen, mögen sie nun gemeinnützige Genossenschaften, oder mögen sie einfache Bürger sein. Also deswegen sind all diese schönen Grundsätze zunächst Theorie.
Nun ist es richtig: dieser § 10 ist der Angelpunkt des Gesetzes. Meine Fraktion hat einstimmig beschlossen, diesem Gesetz zu ihrem Bedauern nicht zustimmen zu können, wenn es bei dem § 10 in der heutigen Fassung bleibt. Ich will Ihnen das kurz begründen.
Herr Kollege Lücke hat uns als Spezialist auf diesem Gebiete darüber belehrt, wie heute bei Landverkäufen die Preisstoppverhältnisse sind. Er hat sich darüber beklagt, daß der Preisstopp für bebaute Grundstücke — ich füge hinzu: Gott sei Dank — aufgehoben sei und daß deshalb eine Änderung der alten Vorlage nicht mehr möglich sei; er hat weiter erklärt, die Ministerien dächten daran, nach Verabschiedung dieses Baulandgesetzes auch den Preisstopp für unbebautes Land aufzulokkern. Das war doch wohl wörtlich das, was er gesagt hat.
Nun stelle ich fest: Der aufgehobene Preisstopp für bebaute Grundstücke kann uns hier gänzlich gleichgültig sein.
— Eben, das kann uns gleichgültig sein! — Denn nach § 3 des allerdings schwer zu übersehenden Gesetzes kommen bebaute Grundstücke überhaupt nicht für Enteignungen in Betracht. Enteignet werden können nach § 3 — ich bitte, es nachzulesen: Seite 23 des Ausschußberichts — erstens unbebaute Grundstücke, zweitens Trümmergrundstücke, also Grundstücke, auf denen die früher vorhandenen Gebäude zerstört oder beschädigt sind, und endlich Grundstücke mit geringfügiger Bebauung, so daß die Bebauung nicht zu Anliegerbeiträgen verpflichtet, also auch schlechthin — im Sinne des Wohnungsbaus — „unbebaute" Grundstücke. Für alle diese Grundstücke ist bisher kein Preisstopp aufgehoben. Aus diesem Grunde ist die Rückkehr zum Jahre 1936 völlig unsinnig. 1936 — mein Gott, was war denn damals los?, fragt man sich nunmehr nach 17 Jahren. Im Jahre 1936 fing der Vierjahresplan, d. h. die geharnischte Aufrüstung an, und der Preisstopp diente nichts anderem als der Erhaltung der Kaufkraft des übermäßig viel gedruckten oder durch schlechte Wechsel gedeckten deutschen Währungsgeldes. Das war der Sinn dieser Naziverfügung von 1936.
Ich muß sagen, der Rechtsausschuß tat recht daran, wenn er — meiner Erinnerung nach einstimmig — jede Rückkehr zu diesen längst überholten, in ihrer wirtschaftlichen Bedeutung gar nicht mehr zu erkennenden und im übrigen durch einen totalitären Staat eingeführten Stoppgesetzen einfach radikal als unmöglich ablehnte. Diese Auffassung des gesamten Rechtsausschusses macht sich meine Fraktion zu eigen.
Die Frage ist: Wie ist es denn nun also in der
— Sehr richtig, diese besonderen Umstände wollen
wir voll berücksichtigen. Ich sage Ihnen ganz offen:
Ein Bauer etwa, der in der Nähe einer Großstadt ein Gartenland hat, soll nicht den Preis für Bauland bekommen; aber er soll den in der Nachbarschaft der Großstadt höheren Preis für ländliches Land bekommen.
— Ich weiß nicht, ob er ihn erhält. Ich kann es Ihnen nicht sagen; ich kenne den Preisstopp von 1936 nicht und will keine Zurückrechnung haben. Das alles drückt der Antrag der FDP deutlichst aus.
- Entschuldigen Sie, er drückt es deutlichst aus. In § 10 der Ausschußvorlage wird gar nichts ausgedrückt, sondern dort wird gesagt: Du, Sachverständiger, versetze dich zunächst einmal in das Jahr 1936, schlage alte Katasterbücher auf und sieh nach, wie hoch damals der Stopp-Preis war, und dann berücksichtige die geänderten Wertverhältnisse und sage: der Stopp-Preis von damals sieht heute also schematisch soundso aus.
Nun haben sich seit 1936 die Dinge rein wirtschaftlich in einzelnen Gebieten wegen der angesiedelten Kriegsindustrie, wegen der Ausdehnung der Städte so ungeheuer geändert — und zwar gerade der Stopp-Preis —, daß das überhaupt kein Schema mehr ist.
Deswegen sagt der Antrag der FDP und deswegen sagt die Regierungsvorlage: Auszugehen ist vom Stopp-Preis. Wenn es den gibt, gibt es ihn ebenso wie im freien Verkehr auch bei der Enteignung, und wenn es den nicht gibt, kommt der gemeine Wert in Betracht, d. h. der Preis, der unter Brüdern für das Grundstück bezahlt wird, der nicht immer leicht zu ermitteln ist, — daher Sachverständigengutachten. So erreicht man genau das, was Sie nach Ihren Ausführungen wollen, Herr Kollege Lücke, nämlich den Ausschluß der Spekulation, der Werterhöhung, die nicht durch eigene Leistung und Arbeit des früheren Eigentümers entstanden ist.
Ich sage demgegenüber: Bleiben Sie bei § 10 des Ausschußentwurfs, so ist die Tendenz folgende: Zugunsten eines Mannes, der in der angenehmen Lage ist, genug Gelder zu haben, um bauen zu können, soll ein armer Teufel sein Grundstück so billig wie nur möglich, zum „günstigsten" Preis für den Empfänger, verkaufen. Das wollen wir nicht. Das widerspricht dem Grundgesetz, und es widerspricht insbesondere jedem Sinn des Eigentumsbegriffes. Ich gebe Ihnen zu: das Grundeigentum ist angesichts der beschränkten Masse des Grund und Bodens kein Spekulationsobjekt. Aber daß hier ein armer Teufel, der noch irgendwie ein bißchen Land gerettet hat, zu dem für den Erwerber günstigsten Preis enteignet werden soll, dagegen sind wir mit letzter Entschiedenheit.
Und da das, was nach seinen Ausführungen von Herrn Kollegen Lücke angestrebt wird, in der Ausschußvorlage nicht klar zum Ausdruck kommt, da diese Ideen nicht ihren einwandfreien Niederschlag in Ihrem § 10 gefunden haben, sehen wir in der Regierungsvorlage — in Übereinstimmung mit dem gesamten Rechtsausschuß und dem FDP-Antrag -
die einzig mögliche Lösung.
Ich möchte von vornherein energisch der Auffassung entgegentreten, daß mit der Änderung des § 10 im Sinne der FDP die Durchführung des Gesetzes irgendwie gefährdet oder auch nur erschwert wird. Ich behaupte, es ist umgekehrt, es erleichtert die Sache, weil es jedem Richter und jedem Sachverständigen eine ganz klare Marschroute gibt, wie er zu verfahren hat. Wir sehen in der Absicht, die mit dem § 10 der Ausschußvorlage verfolgt wird, einen außerordentlich bedenklichen Angriff auf das Eigentum und den Grundsatz des Grundgesetzes, daß eine Enteignung nur unter voller Entschädigung vorgenommen werden darf. Wir bejahen den Gedanken des Gesetzes im allgemeinen. Wir möchten aber nicht, daß um dieses Gesetzes willen der Eigentumsbegriff in einer höchst bedenklichen Weise angetastet wird. Daher bitte ich das Haus — ohne das Gesetz im übrigen gefährden zu wollen —, dem § 10 in der von der FDP beantragten Fassung zuzustimmen.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Jacobi.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nur ein paar kurze berichtigende Bemerkungen. Wenn ich in meinem Ausschußbericht einen Prozentsatz von 30 bis 50% genannt habe, so sollte damit nicht zum Ausdruck gebracht sein, daß der Ausschuß bei der Fassung des § 10 bestimmte fixe Merkmale festgelegt hat. Vielmehr wollte ich damit nur referierend wiedergeben, daß wir zu dem Zeitpunkt unserer Beratungen etwa von solchen Prozentsätzen als möglichen Zuschlägen ausgingen. Das sei zunächst erklärend gesagt.
Was die Ausführungen des Herrn Kollegen Dr. Bertram anlangt, so lege ich Wert auf die Feststellung, daß das von ihm zitierte Urteil an sich mit dem Fragenkomplex des § 10 des heute zur Beratung stehenden Gesetzentwurfs nichts zu tun hat, und zwar deshalb nicht, Herr Kollege Dr. Bertram, weil das Karlsruher Urteil lediglich die Feststellung trifft, daß eine Enteignung vorliegt, wenn gleichartige Tatbestände nicht gleichartig behandelt werden. Dieses Urteil beschäftigt sich nicht mit der Frage der Entschädigung, sondern mit dem Begriff der Enteignung, und ist insoweit — soweit ich das zu übersehen vermag — kein Argument und nicht beweiskräftig für das, was hier zum § 10 zu sagen war.
Im übrigen, Herr Kollege Dr. Bertram, wird bei Ihrem Antrag im Grunde genommen doch wieder von einer Behandlung der Entschädigungsfrage ausgegangen, wie wir sie zwar nach der Weimarer Verfassung kannten, in der von der ,angemessenen Entschädigung" gesprochen wurde, wie sie aber unter der Ägide des Grundgesetzes, nach den Bestimmungen des Art. 14 des Grundgesetzes nicht mehr möglich ist; denn Art. 14 sieht eine konkrete Entschädigungsregelung vor.
Der Inhalt des § 10 unseres Gesetzentwurfs ist vom Bundeswohnungsbauministerium — worauf ich noch einmal verweisen darf — als verfassungsrechtlich unbedenklich bezeichnet worden. Ich will gern nachholen, was ich als Berichterstatter nicht ausdrücklich getan habe — auch insoweit habe ich mich auf den Schriftlichen Bericht berufen —, und sagen, daß der mitbeteiligte Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht in bezug auf die von uns vorgeschlagene Regelung gewisse Bedenken geäußert hat. Er hat sich aber darauf beschränkt — ohne das im einzelnen zu begründen —, zu erklären, daß er die Regelung des § 10 — wie es wörtlich in
seinem Schriftlichen Bericht heißt — „für rechtlich verfehlt halte". Wir haben uns gestattet, diese Meinung des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht durch die gegenteiligen Äußerungen des Bundesjustizministeriums als widerlegt anzusehen. Aber das ist Auffassungssache.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Glasmeyer.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich will mich nicht in den Streit der Juristen einmischen. Ich bin kein Jurist; ich bin Bauer und Volkswirt.
Als der Bauer, der in diesem Ausschuß mitgearbeitet hat, sage ich nur folgendes: Mir genügt die Bestimmung in § 10 Abs. 2, wonach die Entschädigung den gemeinen Wert nicht übersteigen darf. Ich gehe bei der Festsetzung des Preises davon aus, daß die Spekulationsgewinne wegmüssen.
Zweitens. Es genügt mir vollständig, wenn ich außer dem gerechten Preis den Lagepreis hinzubekomme. Es ist mir zugesichert und steht im Gesetzentwurf drin, daß die Lage zum Markt und zum Kulturzentrum entsprechend mit berechnet wird. Mehr kann ein Bauer überhaupt nicht verlangen, der ja im großen und ganzen, falls er einen Familienbetrieb hat, gar nicht enteignet wird oder Ersatzland bekommt.
Das ist mein Standpunkt als Bauer. Im übrigen nehme ich zu dem Gesetzentwurf weiter keine Stellung. Ich möchte in diesem Hohen Hause nur den heiligen Crispin freundlichst begrüßen. Ich habe nämlich heute — und so wird es wohl auch sehr vielen Abgeordneten, die im Baulandausschuß tätig waren, gegangen sein — den „Industriekurier" bekommen. Darin hat der heilige Crispin einen Artikel über unsere Tätigkeit geschrieben. Nun möchte ich Ihnen, meine sehr verehrten Damen und Herren, einmal sagen, wer der heilige Crispin gewesen ist. Das war ein Schuhfabrikant aus alten Tagen, der so sozial handelte, daß er den armen Leuten nicht nur umsonst die Schuhe lieferte und die Arbeit leistete, sondern auch das Leder dazu gab. Das war also ein Mann mit Taten, die sich heutzutage nicht einmal unser „Salamander"-Fabrikant aus Bietigheim gestatten kann.
Der heilige Crispin schreibt uns nun einen Artikel. Ich habe vorhin im Geiste mit ihm gesprochen. Er hat gesagt, er wäre hier und gäbe Obacht, ob wir ebenso sozial wären wie er. Heutzutage wird ein Unternehmer für sein soziales Handeln in England geadelt oder hier bekommt er ein Verdienstkreuz. Dafür hat er im Mittelalter von der Kirche den Heiligenschein bekommen. Da nimmt der heilige Crispin heute von uns an, daß wir ebenso sozial gesonnen sind wie er, daß wir uns der Not der Armen annehmen und den Besitzlosen das geben, was ihnen gebührt, nämlich auch Besitz.
Es steht nämlich nirgendwo geschrieben, daß nur einzelne Menschen Besitz haben sollen und die große Masse besitzlos bleiben soll.
Es ist ja auch vollständig unklug, meine hochverehrten Damen und Herren, wenn die Besitzenden den andern nicht etwas geben wollen. Dadurch schafften sie sich doch Freunde. Darum sagen wir als Christen und als Demokraten: wir wollen klug sein und denen etwas mitgeben, die nichts haben, damit sie mit uns den Privatbesitz verteidigen.
Wir sind edle Bauern. Meine Damen und Herren, ich sage Ihnen: Bauer sein heißt heute aufpassen. Aber Bauer sein heißt heute auch das, was mein Vorname Heinrich bedeutet: Herr sein im Heim, König im Besitz. Könige sollen großmütig und edel sein. Wir besitzenden Bauern haben den Großmut, von unserem großen Besitz denen zu geben, die nichts haben. Das ist meine Parole. Horchen Sie auf Crispin! Nehmen Sie das Baulandbeschaffungsgesetz an und rühren Sie nicht an den Streit der Juristen!
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor; die Aussprache ist beendet.
— Ich bitte doch darum, die Wortmeldungen so frühzeitig anzubringen, daß man nicht fortgesetzt die Aussprache wieder eröffnen muß, nachdem man sie schon geschlossen hat. Das gibt nur unnötige Verzögerungen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Bertram.
Meine Damen und Herren! Der Herr Kollege Lücke hat es für richtig befunden, in einer Frage, die hier, wie auch die Ausführungen des Kollegen Ewers gezeigt haben, durch sachliche Diskussionen geklärt werden kann und muß, wieder mal die alte Walze ablaufen zu lassen und zu sagen: Ja, der Kollege Bertram ist die ganzen 31/2 Jahre nicht im Bauausschuß gewesen! — Ich selber bin im Finanzausschuß, und es ist eine starke Verkennung der Aufgaben des Plenums und der Abgeordneten hier im Plenum, wenn nicht auch die Abgeordneten, die in anderen Ausschüssen tätig sind, hier in der zweiten Lesung zu den entsprechenden Gesetzen Anträge einbringen und dazu sprechen dürften. Ich glaube, Herr Kollege Lücke, diese persönlichen Bemerkungen sind ganz fehl am Platz. Ebenso fehl am Platze sind die Bemerkungen, daß ich hier die Kenntnis vermissen ließe, die erforderlich sei.
Ich stelle nur dazu fest, lieber Herr Kollege Lücke: Die Einwendungen, die ich zu Ihrem § 10 gemacht habe, sind von Ihnen im wesentlichen gar nicht bestritten worden. Sie haben nicht bestritten, daß der Preisstopp gefährlich ist. Dagegen haben Sie ihm in diesem Gesetz neue Korsettstangen eingezogen und ihn neu verewigt.
— Es steht im Gesetz! In dem Gesetz selber ist dem Preisstopp eine neue Korsettstange eingezogen, und er ist erneut wichtig geworden, obwohl Sie sagen, der Preisstopp werde weitgehend nicht mehr eingehalten, sondern die Geschäfte fänden auf dem Schwarzen Markt statt — was ich auch behauptet habe.
Die zweite Feststellung, die ich dazu zu treffen habe, betrifft die Tatsache, daß wirklich die Frage des Beziehungssystems in Ihrer Fassung nicht gelöst ist. Eine Bezugnahme nur auf den Reichsmarkwert von 1936 bedeutet nichts für die Frage der Veränderung der Wertverhältnisse. Auf dieses Argument haben Sie überhaupt nicht geantwortet. Es fehlt dem Richter hinterher überhaupt die Möglichkeit, auf Grund Ihrer Formulierung zu entscheiden und zu sagen, was er nun machen soll. Diese Frage haben Sie nicht berührt.
Sie haben ferner zu der Frage nicht Stellung genommen,
daß wir an den Gleichheitsgrundsatz und an die Eigentumsgarantie des Grundgesetzes gebunden und nicht berechtigt sind — wie Sie anzunehmen scheinen —, frei Recht zu setzen. Wir sind hier nur berechtigt, im Rahmen des Grundgesetzes Recht zu setzen.
Diese Grundsätze, wie sie vom Karlsruher Urteil ausgearbeitet worden sind, haben Sie nicht widerlegen können. Sie haben dazu gar keine Stellung genommen und haben nur Behauptungen aufgestellt, ohne irgendeine Begründung zu geben.
Und endlich: Das Karlsruher Urteil legt in seinem ersten Teil fest, wann der Enteignungsfall gegeben ist, und enthält in seinem zweiten Teil — und das hatte ich mir erlaubt zu zitieren, Herr Kollege Jacobi — ausdrücklich die Grundsätze für die Entschädigung. Und diese Grundsätze für die Entschädigung sind der Wortlaut unseres Antrags. Diese Grundsätze für die Entschädigung sehen auch nach dem Art. 14 des Grundgesetzes ebenso wie nach Art. 153 der Weimarer Reichsverfassung die Möglichkeit der angemessenen Entschädigung ausdrücklich vor. Diese Möglichkeit haben wir in unserem Antrag entsprechend aufgenommen. Unser Antrag ist deshalb meiner Ansicht nach, gerade weil der Wortlaut der Formulierung unseres höchsten Gerichts entspricht und wörtlich aus dem Urteil entnommen ist, der klarste und eindeutigste.
Das, was der § 10 in der Formulierung der CDU bzw. des Ausschusses will, wird aus den Gründen, die ich dargelegt habe, unter allen Umständen zu den größten Schwierigkeiten nach der einen oder anderen Seite, zu völlig abweichenden Gerichtsurteilen, zu einer Fülle von Umgehungshandlungen und zu Streitigkeiten führen und damit gerade den Erfolg des Gesetzes, den wir doch alle wünschen, vereiteln und gefährden. Das ist meine feste Überzeugung.
Und wenn Sie sagen, Spekulationsgeschäfte müßten verhindert werden: — Natürlich müssen Spekulationsgeschäfte verhindert werden. Aber Sie selbst haben ja festgestellt, daß die Spekulationsgeschäfte mit Hilfe des Preisstopps, den Sie hier verewigen wollen, nicht verhindert werden!
- Ich bleibe schon bei der Wahrheit! Es steht in
§ 10 darin. Sie brauchen nur § 10 zu lesen. Diese
Verewigung der Schwarzmarktgeschäfte wird unter
keinen Umständen dem Spekulationsgeschäft ein Ende machen; dazu brauchen wir eine andere gesetzliche Maßnahme, auf die Sie selber hingewiesen haben. In der Beziehung sind wir mit Ihnen einig. Mit Ihren Grundsätzen sind wir einig; aber wir sind nicht damit einverstanden, daß hier ein Weg beschritten werden soll, der dem ganzen Gesetz unserer festen Überzeugung nach unter allen Umständen die größten Schwierigkeiten, die Gefahr der Verfassungswidrigkeit und die Gefahr der Umgehung bringen wird.
Meine Damen und Herren! Die Aussprache ist nunmehr beendet.
Wir kommen zur Abstimmung, zunächst über den Änderungsantrag der FDP auf Umdruck Nr. 957. Ich bitte diejenigen, die diesem Änderungsantrag zustimmen, die Hand zu heben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das letzte ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Wir stimmen dann ab über den Antrag der KPD auf Umdruck Nr. 959 Ziffer 2. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu heben. — Gegenprobe! — Gegen die Stimmen der Antragsteller abgelehnt.
Wir stimmen ab über den Antrag der Föderalistischen Union auf Umdruck Nr. 960. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu heben. — Ich bitte um die Gegenprobe! — Darf ich die Abstimmung wiederholen. Ich bitte zunächst diejenigen, die für den Antrag sind, die Hand zu heben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das letzte ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Dann bitte ich diejenigen, die dem § 10 in der Fassung der Ausschußvorlage zustimmen, die Hand zu heben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das erste war die Mehrheit; angenommen.
Ich rufe nun auf die §§ 11 bis 15. — Dazu liegen keine Änderungsanträge und Wortmeldungen vor. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu heben. — Das ist zweifellos die Mehrheit; angenommen.
Zu § 16 liegt ein Änderungsantrag der KPD auf Umdruck Nr. 959 Ziffer 3 vor. Zur Begründung Herr Abgeordneter Gundelach.
Meine Damen und Herren! Zu § 16 Abs. 4 beantragt meine Fraktion, daß in der neunten Zeile das Wort „sinngemäß" gestrichen wird. Wir beantragen die Streichung dieses an sich so harmlos klingenden Wortes, weil wir dagegen sind, daß auch die Verpflichtung zur Bereitstellung von Ersatzland für kleingärtnerisch dauernd genutztes Land zu einer Ermessensfrage der zuständigen Behörden gemacht werden soll. § 16 Abs. 4 regelt die Zurverfügungstellung von Ersatzland für kleingärtnerisch dauernd genutztes Land im Falle der Enteignung. Es wird darin gesagt, daß die Enteignungsbehörde bei der Bereitstellung von Ersatzland die Bestimmungen des § 3 der Verordnung über Kündigungsschutz und andere kleingartenrechtliche Vorschriften in der Fassung der Verordnung vom 15. Dezember 1944 sinngemäß anzuwenden hat. In der Praxis angewandt, meine Damen und Herren, führt diese Einschränkung durch das Wort „sinngemäß" mit Sicherheit zu Nachteilen für die Kleingärtner. Aus diesem Grunde beantragen wir die Streichung.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor; die Aussprache ist geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung über den Änderungsantrag der KPD auf Umdruck Nr. 959, Ziffer 3. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu heben. — Gegenprobe! — Gegen die Stimmen der Antragsteller abgelehnt.
Dann bitte ich diejenigen, die § 16 in der Fassung der Vorlage zustimmen, die Hand zu heben. — Gegenprobe. — Enthaltungen? — Bei zahlreichen Enthaltungen angenommen.
Ich rufe auf § 17, — § 18, — § 19, — §§ 20 bis 26,
— 27 bis 35. — Dazu liegen keine Änderungsanträge und keine Wortmeldungen vor. Dann bitte ich diejenigen, die zustimmen, die Hand zu heben.
— Gegenprobe! — Enthaltungen? — Gegen wenige Stimmen bei einigen Enthaltungen angenommen.
Zu § 36 liegt ein Änderungsantrag Dr. Kopf und Genossen auf Umdruck Nr. 964 unter Ziffer 1 vor. Zur Begründung Herr Abgeordneter Dr. Kopf.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Baulandgesetz ist notwendig, und es muß in seiner Zwecksetzung und in seinen Absichten von uns begrüßt werden. Der Rechtsausschuß hat an der Bearbeitung des Gesetzes einen nicht unerheblichen Anteil genommen. Er hat sich dabei auf eine Stellungnahme zu den Fragen des Rechts beschränkt. Er hat nicht zu den Erwägungen des Gesetzes, die dem Gebiet der Zweckmäßigkeit angehört haben, Stellung genommen.
Bei der Arbeit des Rechtsausschusses handelte es sich um schwierige Fragen. Es handelte sich darum, einen Weg zu finden, der auf der einen Seite den Wünschen der Antragsteller und der Regierungsvorlage, den Wohnungsbau nach Möglichkeit und mit größter Beschleunigung zu fördern, gerecht wird, der auf der anderen Seite aber die rechtsstaatlichen Garantien, die im Grundgesetz verankert sind, respektiert .Das war nicht immer ganz einfach, und wenn auch die unmittelbaren Vorschläge des Rechtsausschusses nur zu einem geringen Teil in die Vorlage des Ausschusses Eingang gefunden haben, so glaube ich doch andererseits mit Befriedigung feststellen zu dürfen, daß die rechtlichen Bedenken, die im Rechtsausschuß entwickelt worden sind, auf die Klärung der Gedankengänge auch des Wohnungsbauausschusses nicht ohne Einfluß gewesen sind. Ich glaube auch, daß dieser Einfluß günstig war und dazu beigetragen hat, dieses Gesetz zu einem rechtsbeständigen Gesetz zu machen.
Meine Freunde und ich möchten die Tendenz und die Durchführung des Gesetzes nicht erschweren. Sie haben daher auch davon abgesehen, zu dem umstrittenen § 10 Änderungsvorschläge zu machen, obwohl der Rechtsausschuß seinerseits vorgeschlagen hatte, die Regierungsvorlage wiederherzustellen. Wir haben uns vielmehr darauf beschränkt, zu der Frage der Rechtsmittel und der Anfechtung der Entscheidungen der Enteignungsbehörde einige Gedanken wieder aufzugreifen, die im Rechtsausschuß entwickelt worden sind. Der Rechtsausschuß hat den Vierten Abschnitt des Gesetzes, der die Anfechtung der Entscheidungen der Enteignungsbehörde behandelt, mit gutem Grunde völlig neu gefaßt, nämlich deshalb, weil es sich dabei in der Hauptsache um rechtliche Bestimmungen und nicht um Bestimmungen der Zweckmäßigkeit gehandelt hat und weil wir den größten Wert darauf gelegt haben, diese Rechtsmittel in Einklang mit den Bestimmungen des Grundgesetzes zu gestalten.
Der Wohnungsbauausschuß hat bedauerlicherweise in diesem Abschnitt die Anregungen des Rechtsausschusses nur in sehr geringem Maße berücksichtigt. Dies veranlaßt uns, hier unseren Änderungsantrag Umdruck Nr. 964 zu stellen. Nach dem Entwurf des Ausschusses ist vorgesehen, daß gegen die Entscheidung der Enteignungsbehörde ein Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt werden kann und daß über diesen Antrag das Landgericht zu entscheiden hat, und zwar eine besondere Kammer, die aus einem Berufszivilrichter und aus zwei Verwaltungsrichtern zusammengesetzt ist, die sogenannte Baulandkammer. Diese Kammer entscheidet sowohl über die Frage der Durchführung der Enteignung als auch über die Frage der Höhe des Entschädigungsbetrags. Die bisherige Zweigleisigkeit ist somit verlassen worden.
Wir haben hiergegen vom Rechtsausschuß keinerlei prinzipielle Bedenken geltend gemacht. Aber wir sind der Auffassung, daß diese Baulandkammer ein ordentliches Gericht sein soll, und zwar ein Bestandteil des Landgerichts; denn sie entscheidet ja als Landgericht. Daher ist es nicht angängig und nicht erwünscht, für dieses Verfahren des Landgerichts Bestimmungen anzuwenden, die nicht für das Verfahren des Landgerichts, sondern für das Verfahren der Amtsgerichte Geltung haben. Wir sind gegen jede weitere Rechtszersplitterung. Wir betrachten mit einigem Unbehagen jede Entwicklung, die dazu führen kann, die Einheit des Rechtes und der Rechtspflege weiterhin aufzuteilen und zu zerspalten.
Wenn man nun schon das Landgericht als das entscheidende Gericht gewählt hat und nicht das Amtsgericht — das hätte man vielleicht auch machen können —, dann sollte man aber auch konsequent bleiben und die Verfahrensregeln zur Anwendung bringen, die in der Zivilprozeßordnung allgemein für das Verfahren des Landgerichts vorgesehen sind. Wir schlagen daher vor, in § 36 Abs. 1 die Worte zu streichen, die die Anwendung der landgerichtlichen Verfahrensgrundsätze der Zivilprozeßordnung ausschließen und das amtsgerichtliche Verfahren Anwendung finden lassen wollen.
Wir bringen gleichzeitig eine Ergänzung. Wir halten es nicht für erwünscht, daß die Enteignungsbehörde und die beteiligten Gemeinden gezwungen sind, sich in Anwendung der landgerichtlichen Verfahrensgrundsätze durch Rechtsanwälte vertreten zu lassen. Diese Stellen können ihre Vertretung selbst übernehmen. Wir schlagen daher vor, in § 37 Abs. 1 den Satz einzufügen:
Die Enteigungsbehörde und eine beteiligte Gemeinde können das Verfahren selbst oder durch jede prozeßfähige Person betreiben.
Der Entwurf des Ausschusses hat ein Rechtsmittel geschaffen. Er sieht vor, daß diese Entscheidung des Landgerichts, Baulandkammer, durch eine Revision an das Oberlandesgericht angefochten werden kann. Dies bedeutet, daß das Oberlandesgericht lediglich die rechtlichen Gesichtspunkte, nicht aber den Tatbestand nachprüfen kann. Das Rechtsmittel ist somit beschränkt und verkürzt. Wir haben Zweifel, ob diese Verkürzung und Beschneidung des Rechtsmittels, diese Beschränkung auf die reine Nachprüfung der rechtlichen Gesichtspunkte, noch als zulässig und mit den Bestimmungen des Grundgesetzes vereinbar angesehen werden kann. Art. 14 des Grundgesetzes sieht für Enteignungsverfahren den ordentlichen Rechtsweg vor; und Art. 19 des Grundgesetzes bestimmt, daß jeder, der
durch den Verwaltungsakt einer Behörde — und das ist auch der Verwaltungsakt der Enteignungsbehörde — beschwert ist, das Recht haben soll, den ordentlichen Rechtsweg zu beschreiten. Zum ordentlichen Rechtsweg gehört aber nach der deutschen Rechts- und Gerichtspraxis zumindest der Zweiinstanzenzug, der die Schaffung von zwei Vollinstanzen voraussetzt. Die Enteignungsbehörde ist eine Verwaltungsbehörde. Sie ist nicht die erste Instanz dieses Instanzenzuges, sondern der Instanzenzug setzt sich zusammen aus dem Landgericht — Baulandkammer — und dem Oberlandesgericht — Baulandsenat —. Wir glauben, daß diesem Grundsatz und diesem Erfordernis des ordentlichen Rechtsweges nur dann Genüge geschehen kann, wenn auch die zweite Instanz eine Tatsacheninstanz ist. Darum schlagen wir vor, daß nicht der Weg der Revision eröffnet, sondern der Weg der Berufung an das Oberlandesgericht gegeben wird und daß das Oberlandesgericht sowohl die Sachlage und die Tatsachen als auch die Rechtslage nachprüfen kann.
Darüber hinaus aber halten wir es für notwendig, gegen die Entscheidungen des Oberlandesgerichts in gewissen Fällen auch den Weg der Revision an den Bundesgerichtshof zu ermöglichen, allerdings nicht in allen Fällen. Wir möchten nicht Bremsschuhe und Hemmungen einschalten, weil wir das Enteignungsverfahren beschleunigt fördern möchten, aber wir wollen Rechtsgarantien für den betroffenen Eigentümer schaffen. Das Revisionsverfahren soll daher, wie es schon der Rechtsausschuß vorgeschlagen hat, nur dann zulässig sein, wenn die angefochtene Entscheidung sich auf Geldansprüche bezieht, nämlich entweder auf eine Geldentschädigung oder auf eine Ersatzleistung oder auf eine Ausgleichszahlung.
Die Revision soll nicht zulässig sein, wenn es sich um die Frage handelt, ob überhaupt eine Enteignung durchgeführt werden soll. Die Schaffung dieser Revisionsinstanz gibt auch die Gewähr dafür, daß sich eine einheitliche Rechtsprechung in Deutschland herausbildet. Das ist gerade deshalb notwendig, weil der von Ihnen soeben angenommene § 10 nach meiner festen Auffassung in der Rechtsprechung zu einer Reihe von Zweifels- und Auslegungsfragen rechtlicher Natur Anlaß geben wird. Deshalb ist es notwendig, daß eine einheitliche Höchstinstanz, nämlich der Bundesgerichtshof, einheitliche Grundsätze für die Anwendung dieses Gesetzes entwickelt. Es wäre verfehlt, wollte man die Rechtsentwicklung auf dem Gebiete der Festsetzung der Entschädigungen etwa 20 verschiedenen Oberlandesgerichten überlassen. Dadurch würde eine bedauerliche Zersplitterung der Rechtsprechung eintreten.
Ich glaube nicht, daß durch die Vorschläge und Anregungen des Rechtsausschusses, die ich in konzentrierter und abgekürzter Form übernommen habe, die Gefahr entsteht, daß das Verfahren verlangsamt wird. Das wünschen wir nicht; ich möchte aber in wenigen Worten darlegen, warum diese Gefahr nach meiner festen Auffassung nicht gegeben ist. Auch der jetzige Vorschlag des Ausschusses eröffnet ja die Möglichkeit einer zweiten Instanz, die allerdings nur eine Revisionsinstanz ist. Ich glaube nicht, daß durch die Umformung dieser Revisionsinstanz in eine Tatsacheninstanz eine wesentliche Verlangsamung eintritt. Zwei Instanzen können ja in beiden Fällen in Anspruch genommen werden. Die dritte Instanz, die Revisionsinstanz, soll nur in Fragen der Entschädigung
entscheiden. Die Entschädigung braucht vor der Durchführung der Enteignung und vor dem Eigentumsübergang nicht ausbezahlt zu werden. Diese Akte können beschleunigt vorgenommen werden, der Entschädigungsprozeß bei der Höchstinstanz kann nachhinken.
Es ist auch nicht richtig, daß die Notwendigkeit einer genauen Vorkalkulation es als unerwünscht erscheinen ließe, daß die Entscheidung über die endgültige Höhe der Entschädigung zu lange hinausgeschoben wird. Der § 10 gibt ausreichende Anhaltspunkte dafür, wie der im äußersten Fall zu bemessende Preis voraussichtlich beschaffen sein wird. Diese Mutmaßungen genügen als Kalkulationsgrundlage. Bei Annahme unserer Vorschläge wird sich sowohl der Besitzübergang, als auch der Eigentumsübergang nicht langsamer vollziehen, als es bei Annahme der Vorschläge des Ausschusses voraussichtlich der Fall sein wird. Darüber hinaus werden aber hinsichtlich der Festsetzung des Entschädigungsbetrags dem Betroffenen alle Rechtsgarantien, äußerstenfalls auch noch durch die Inanspruchnahme der Revisionsinstanz, eröffnet.
Ich muß leider den letzten Teil unseres Antrags, der sich auf § 43 a bezieht, noch in zwei kleinen Punkten einer Neufassung unterziehen. Ich bitte, mir zu gestatten, daß ich Ihnen unsere endgültige Fassung des § 43 a vorlese. § 43 a lautet nach unserem Vorschlag:
Gegen das Urteil des Oberlandesgerichts steht jedem Beteiligten und der Enteignungsbehörde nach Maßgabe der Vorschriften der Zivilprozeßordnung die Revision an den Bundesgerichtshof zu,
— der weitere Text bleibt bestehen —
soweit die angefochtene Entscheidunng eine Geldentschädigung, eine Ersatzleistung oder eine Ausgleichszahlung betrifft, falls die in Zivilprozeßverfahren geltende Revisionssumme erreicht wird.
Ich darf nochmals zum Ausdruck bringen, daß es der gemeinsame Wunsch meiner Freunde, die mit mir diesen Antrag unterzeichnet haben, ist, dem Gesetz zu einem vollen Erfolg zu verhelfen. Dieser Erfolg setzt aber voraus, daß die rechtsstaatlichen Garantien auch bei der Durchführung des Verfahrens voll gewahrt bleiben und daß den betroffenen Eigentümern, denen Opfer zugunsten der Volksgesamtheit aufgebürdet werden, die Möglichkeit eröffnet wird, wenn sie schon auf das Eigentum an ihrem Grundstück verzichten müssen, diejenigen Ansprüche durchzufechten, die ihnen durch das Grundgesetz garantiert sind. Wir wollen den Bau und das Bauen, aber wir wollen auch das Recht.
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Wohnungsbau.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nur ganz kurz einige Bemerkungen! Die Ausführungen des Herrn Kollegen Dr. Kopf waren von einem hohem Rechtsgefühl getragen. Das Hohe Haus hat darüber zu entscheiden, ob es dem Antrag des Herrn Kollegen Dr. Kopf stattgeben wird oder nicht. Ich möchte sachlich dazu nicht Stellung nehmen.
Dagegen möchte ich zu einer Frage noch ganz kurz einige Bemerkungen machen, nämlich zu der Frage, ob die Vorschriften, wie sie nunmehr durch den Ausschuß für Bau und Bodenrecht und durch den Ausschuß für Wiederaufbau und Wohnungswesen für das Verfahren getroffen worden sind, gegen Art. 14 des Grundgesetzes verstoßen oder nicht. Diese Frage wurde von uns eingehend beraten und sodann dem Bundesjustizministerium vorgelegt. Das Bundesjustizministerium kam zu dem Ergebnis, daß eine Verletzung der Vorschriften des Art. 14 nicht gegeben sei. Die Prüfung kam zu folgenden Feststellungen:
Unter dem Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten ist nach dem Grundgesetz die Anrufung der mit unabhängigen und uriabsetzbaren Richtern besetzten und mit besonderen Rechtsgarantien des Verfahrens umgebenen ordentlichen Gerichte zu verstehen. Daraus folgt, daß die grundlegenden prozessualen Vorschriften des für die ordentlichen Gerichte durch die Zivilprozeßordnung bestimmten Verfahrens, z. B. die Gleichstellung der Parteien, der Verhandlungsgrundsatz in Entschädigungsfragen und die Öffentlichkeit der Verhandlung, sowie diejenigen Vorschriften gelten müssen, die wesentliche Unterschiedsmerkmale des Verfahrens vor den ordentlichen Gerichten im Gegensatz zum Verwaltungsverfahren und zum Verfahren der Verwaltungsgerichte enthalten. Art. 14 gibt aber keinerlei Anhalt dafür, daß das Verfahren der Zivilprozeßordnung in allen Stücken maßgebend sein soll und sein muß. Verfassungsrechtliche Bedenken können daher nicht dagegen erhoben werden, daß das Gesetz bei der Regelung des gerichtlichen Verfahrens überhaupt in mehreren Punkten von der Zivilprozeßordnung abweicht. Das Maß dieser Abweichung ist sehr sorgfältig erwogen worden. Es hält sich in allen Punkten in den bezeichneten Grenzen.
Ich darf auch noch darauf hinweisen, daß die dargelegte Auslegung des Art. 14 eine weitere Stütze in einem Urteil des Reichsgerichts findet, und zwar befaßt sich dieses Urteil mit der gleichlautenden Bestimmung des Art. 153 der Weimarer Reichsverfassung. Das Reichsgericht hat im Jahre 1922 in einem Urteil zu dem Hamburgischen Enteignungsgesetz von 1920 die gleichen Grundsätze entwickelt, die vorzutragen ich mir erlaubt habe. Dies war auch die Auffassung des Bundesministers der Justiz.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor; die Aussprache ist geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag Dr. Kopf und Genossen auf Umdruck Nr. 964 Ziffer 1. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu heben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das letzte ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Dann bitte ich diejenigen, die § 36 in der Fassung der Vorlage zustimmen, die Hand zu heben. — Das ist die Mehrheit; angenommen.
Wir kommen zu § 37. Dazu liegt vor der Antrag Dr. Kopf und Genossen auf Umdruck Nr. 964 Ziffer 2. Er ist bereits begründet worden. Wir können also unmittelbar darüber abstimmen, da keine weiteren Wortmeldungen vorliegen. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu heben. — Gegenprobe! — Das letzte ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Dann bitte ich diejenigen, die dem § 37 in der Fassung der Vorlage und den §§ 38 bis 42 zustimmen, die Hand zu heben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Gegen wenige Stimmen angenommen.
Zu § 43 liegt vor der Änderungsantrag Dr. Kopf und Genossen auf Umdruck Nr. 964 Ziffer 3, dem Paragraphen eine andere Fassung zu geben.
— Ja, und einen § 43 a einzufügen. Wir können also
zunächst über § 43 in der alten Fassung abstimmen.
— Wir stimmen also über den Änderungsantrag ab, § 43 durch § 43 a zu ersetzen.
— Dem § 43 eine andere Fassung zu geben und einen § 43 a einzufügen. Also eine Gesamtänderung. Dann bitte ich diejenigen, die dem zustimmen, die Hand zu heben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das letzte ist die überwiegende Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt; also § 43 in der Ausschußfassung angenommen.
Wir kommen dann zu den §§ 44 bis 59, Einleitung und Überschrift. Wortmeldungen und Änderungsanträge liegen nicht vor. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu heben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Das erste war die Mehrheit; die genannten Paragraphen, Einleitung und Übersicht sind angenommen. Damit ist die zweite Beratung beendet.
Meine Damen und Herren, wir sind an unserer Zeitgrenze. Ich kann natürlich in die dritte Beratung nur eintreten lassen, wenn auf die allgemeine Aussprache verzichtet wird.
Änderungsanträge liegen nicht vor. Dann kann ich die §§ 1 bis 59 aufrufen.
— Widerspruch wogegen?
— Gegen die dritte Beratung ist ein Widerspruch nicht möglich, da meines Wissens kein Änderungsantrag angenommen worden ist.
Da kein Änderungsantrag angenommen worden ist, ist, glaube ich, kein Widerspruch anzubringen.
Meine Damen und Herren, jetzt wird ein Änderungsantrag gestellt. Unter diesen Umständen, glaube ich, bin ich nach der Vereinbarung im Ältestenrat gezwungen, jetzt abzubrechen und die dritte Beratung — —
— Ja, es gibt doch wieder Begründungen und Diskussionen.
Ich glaube unter diesen Umständen die Beratung abbrechen zu müssen.
— Wir waren nicht in der Abstimmung.
Herr Dr. Bertram, um das zu klären: Sie wollen noch einen Änderungsantrag stellen? Hat der Antrag 15 Unterschriften?
— Es gibt kein „Ich wiederhole". Sie müssen einen neuen Antrag mit 15 Unterschriften vorlegen.
Meine Damen und Herren, unter diesen Umständen rufe ich auf zur
dritten Beratung.
Ich eröffne die allgemeine Aussprache. — Es liegen keine Wortmeldungen vor. — Die Aussprache ist geschlossen.
— Ich habe keine Wortmeldungen gehabt.
Ich rufe auf die §§ 1 bis 59, —
Einleitung und Überschrift.
— Sie halten doch nur unnütz auf. Sie sehen, daß die übergroße Mehrheit des Hauses die Entscheidung der zweiten Beratung zu Ende bringen will. Angesichts der Geschäftslage ist es doch sachlich notwendig, dem Rechnung zu tragen.
Ich rufe also diese Paragraphen auf. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu heben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Die aufgerufenen Paragraphen sind angenommen.
Wir kommen zur Schlußabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetz als Ganzem ihre Zustimmung geben, sich zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Das Gesetz ist in dritter Beratung verabschiedet.
Damit, meine Damen und Herren, sind wir am Ende dieses Punktes der heutigen Tagesordnung. Es liegt noch eine Entschließung der Fraktion der CDU/CSU auf Umdruck Nr. 958 vor. Ich bitte diejenigen, die dieser Entschließung zustimmen, die Hand zu heben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das erste war die Mehrheit; angenommen.
Dann muß noch über Buchstabe b des Ausschußantrags Nr. 4364 der Drucksachen abgestimmt werden. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu heben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das erste war die Mehrheit; der Antrag ist angenommen.
Ich darf dann im Namen des Herrn Vorsitzenden des Haushaltsausschusses mitteilen, daß die für morgen angesetzte Sitzung des Haushaltsausschusses bereits um 10 Uhr beginnt.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Freitag, den 12. Juni 1953, 9 Uhr, ein.
Die 270. Sitzung ist geschlossen.