Gesamtes Protokol
Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 268. Sitzung des Deutschen Bundestages und bitte um Ihre Aufmerksamkeit für die Bekanntgabe der Namen der entschuldigten Abgeordneten.
Entschuldigt fehlen die Abgeordneten Freudenberg, Hedler, Loritz, Dr. Bleiß, Dr. Hoffmann , Dr. Besold, Freiherr von Aretin, Dr. Weber (Koblenz), Dr. Henle und Massoth.
Herrn Abgeordneten Dr. Luchtenberg habe ich zum 63. Geburtstag heute die herzlichsten Glückwünsche auszusprechen.
Ich rufe den Punkt 1 der Tagesordnung auf: Fragestunde .
Es ist der Wunsch ausgesprochen worden, daß heute sämtliche Fragen erledigt werden. Ich hoffe, daß das ohne wesentlichen Zeitverlust möglich ist. Wir wollen sicherstellen, daß wir nicht mit unerledigten Fragen in das Ende der Legislaturperiode hineingehen.
Ich weise darauf hin, daß die nächste Fragestunde am Mittwoch, dem 24. Juni, nicht am 17. Juni, wie zunächst vereinbart, stattfindet. Sperrfrist für eingehende Fragen ist Freitag, der 19. Juni, 12 Uhr. Ich bitte, davon Vormerkung zu nehmen, da dies voraussichtlich die letzte Fragestunde sein wird.
Zur Frage 1 Herr Abgeordneter Hoffmann .
Hoffmann (FU), Anfragender:
Ich frage den Herrn Bundesminister für Verkehr, wie lange noch auf Nebenstrecken der Bundesbahn umgebaute Güterwagen bzw. überalterte und unbequeme Wagen im Personenverkehr, insbesondere für den Berufsverkehr eingesetzt werden und warum auf diesen Strecken keine Wagen mit Abteilen 2. Klasse eingesetzt sind?
Der Herr Bundesminister für Verkehr zur Beantwortung.
Die Anfrage betrifft die im Kriege gebauten Mannschaftswagen. Hiervon müssen noch rund 700 Wagen im Berufsverkehr verwendet werden. Sobald die finanzielle Lage der Deutschen Bundesbahn den Neubau von Reisezugwagen in ausreichendem Umfange zuläßt, werden diese Fahrzeuge als erste aus dem Personenzugverkehr zurückgezogen.
Die Deutsche Bundesbahn ist bemüht, auch den Wagenpark für den Bezirks- und Berufsverkehr zu verbessern. Von rund 17 800 Lenkachswagen hat sie seit 1950 5500 oder 31 % wieder gründlich aufarbeiten lassen. Außerdem hat sie hauptsächlich auf Nebenstrecken 185 neue Schienenomnibusse eingesetzt, die großen Anklang gefunden haben.
Die Ausstattung der Personenzüge mit der zweiten Wagenklasse wird vorangetrieben. 1951 waren in den südlichen Bezirken nur 19 %, in den nördlichen 36 % aller Personenzüge mit der zweiten Klasse ausgestattet. Jetzt haben wir eine Höhe von 40 % bzw. 50% erreicht. Der Unterschied zwischen Süden und Norden hat seine Ursache in dem früheren Verbot der amerikanischen Besatzungsmacht, in den deutschen Zügen überhaupt die zweite Wagenklasse zu führen.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Hoffmann?
Hoffmann (FU), Anfragender: Wann werden Sie diese alten Wagen voraussichtlich herausziehen, besonders auf den Nebenstrecken, und würden Sie für die Leute, die nun dauernd mit diesen schlechten Wagen fahren müssen, eine Fahrpreisermäßigung eintreten lassen?
Sie wissen, daß die Menschen im Berufsverkehr schon zu einem Preise fahren, daß die Bundesbahn täglich Geld zulegt. Wir ziehen diese Wagen dann zurück, wenn uns der Herr Bundesfinanzminister das entsprechende Geld auf dem Kreditweg gibt, um neue Wagen zu beschaffen.
Zur Frage 2 Abgeordneter Luetkens!
Dr. Luetkens , Anfragender: Meine Frage — sie liegt gedruckt vor — ist folgende:
An wie vielen der bisher abgehaltenen 34 Sitzungen des Bundesratsausschusses für auswärtige Angelegenheiten hat der Herr Bundeskanzler und Außenminister, an wie vielen der Staatssekretär des Auswärtigen Amts entweder allein oder in Begleitung des Herrn Bundeskanzlers teilgenommen?
Wie viele Male hat der Herr Bundeskanzler dem genannten Bundesratsausschuß über die außenpolitischen Fragen eingehenderen Bericht erstattet?
Der Staatssekretär des Auswärtigen Amts!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Der Herr Bundeskanzler hat 21mal, ich habe 17mal, davon viermal allein, teilgenommen. Der Herr Bundeskanzler hat über außenpolitische Fragen 20mal eingehenderen Bericht erstattet. Meine Quelle für diese Angaben sind die Protokolle des Auswärtigen Ausschusses des Bundesrats.
Dr. Luetkens , Anfragender: Wenn Sie diese Angaben mit denen vergleichen, die Sie mir vor einiger Zeit über die Anwesenheit des Herrn Bundeskanzlers und Ihre eigene im Ausschuß für Auswärtige Angelegenheiten des Bundestags gemacht haben, aus denen sich z. B. ergibt,
daß der Bundeskanzler an 41 Sitzungen nur sechsmal — —
Herr Abgeordneter Luetkens, nur Zusatzfragen sind zulässig nach der Geschäftsordnung.
Dr. Luetkens , Anfragender: Ich stelle eine Frage: Würden Sie mit mir darin übereinstimmen, daß die Bereitwilligkeit der derweiligen Bundesregierung, die Vertreter der Länderregierungen über Fragen der Außenpolitik zu informieren, größer ist als die, dem Bundestag oder dem zuständigen Ausschuß des Bundestags auf Fragen, die ihnen nach dem Grundgesetz zugewiesen sind, Rede und Antwort zu stehen?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Nein!
Die Frage 3 ist zurückgezogen. —
Zur Frage 4 Frau Abgeordnete Dr. Ilk.
Frau Dr. Ilk , Anfragende: Ich frage den Herrn Bundesarbeitsminister:
Beabsichtigt die Bundesregierung, die Konvention Nr. 100 über die Gleichheit des Entgelts männlicher und weiblicher Arbeitskräfte für gleichwertige Arbeit dem Bundestag zur Ratifizierung vorzulegen? Wenn nicht, welche Gründe sprechen nach Auffassung der Bundesregierung dagegen?
Herr Bundesminister für Arbeit!
Die Bundesregierung hat die Ratifizierung der Konvention Nr. 100 zurückgestellt, weil erstens nach dem Tarifvertragsgesetz die Festlegung der Lohn- und Arbeitsbedingungen bei uns in der Bundesrepublik ausschließlich in die Hände der Tarifparteien gegeben ist.
Zweitens ist die Gleichstellung der Geschlechter bei uns im Art. 3 des Grundgesetzes verankert. Inwieweit dieser Art. 3 auf Tarifverträge und Einzelarbeitsverhältnisse einwirkt, ist zur Zeit sowohl in der Literatur als auch in der Rechtsprechung noch sehr umstritten.
Drittens ist in dieser Vorlage nicht nur von gleicher, sondern von gleichwertiger Arbeit die Rede. Die Bundesregierung steht mit den Tarifvertragsparteien, also mit den Arbeitgeberverbänden und den Gewerkschaften schon seit längerem in einem Gedankenaustausch, daß man einmal ein gründliches Studium darüber, wie man bei gleicher Arbeit gleiche Leistungen feststellen kann, anstellt, um dann auf Grund der daraus gewonnenen Kenntnisse in den neuen Tarifverträgen den hier gestellten Anforderungen gerecht zu werden, Wenn diese Vorarbeiten geleistet sind, besteht keinerlei Bedenken mehr gegen die Ratifizierung der hier von Ihnen angesprochenen Konvention.
Frau Dr. Ilk , Anfragende: Darf ich ein€ Zusatzfrage stellen?
Eine Zusatzfrage!
Frau Dr. Ilk , Anfragende: Wie lange kann es ungefähr dauern, bis die Vorarbeiten abgeschlossen sind? Denn es ist ja schon einige Zeit her, daß damit begonnen wurde!
Wir haben wenig Einfluß darauf, inwieweit die Arbeitgeber und die Gewerkschaften gemeinschaftlich durch Betriebsfeststellungen die notwendigen Erkenntnisse zusammenstellen. Sonst müßten wir sie ja durch ein Gesetz verpflichten, uns in der und der Zeit die Unterlagen zu geben.
Frau Dr. Ilk , Anfragende: Darf ich noch eine Zusatzfrage stellen?
Noch eine Zusatzfrage.
Frau Dr. Ilk , Anfragende: Ist die Regierung willens, etwas zu unternehmen, daß diese Vorarbeiten beschleunigt werden?
Aber selbstverständlich! Wir haben doch das allergrößte Interesse daran, schon allein auf Grund des Art. 3 unseres Grundgesetzes hier eine Ordnung zu schaffen, die dem Menschen die innere Rechtssicherheit gibt.
Frau Dr. Ilk , Anfragende: Danke!
Meine Damen und Herren! Der Herr Bundesminister der Finanzen befindet sich beim Herrn Bundespräsidenten. Der Herr Staatssekretär ist in Urlaub. Die Beantwortung der Fragen, die an den Herrn Bundesminister der Finanzen gestellt sind, kann nur erfolgen, wenn das Haus damit einverstanden ist, daß Herr Ministerialdirektor Oeftering als derzeitiger Vertreter des Herrn Staatssekretärs die Beantwortung übernimmt. Darf ich unterstellen, daß Sie damit I einverstanden sind? — Das ist offenbar der Fall.
Zur Frage 5 Herr Abgeordneter Miller.
Müller (KPD), Anfragender:
Was gedenkt der Herr Bundeskanzler zu unternehmen, damit unverzüglich die seit Jahren beschlagnahmten 79 Häuser mit 160 Wohnungen in der Gemeinde Groß-Auheim ihren Eigentümern wieder zurückgegeben und ein ebenfalls beschlagnahmtes Industrieunternehmen und 300 ha beschlagnahmtes Land wieder freigegeben werden?
Bitte, Herr Ministerialdirektor!
Dr. Oeftering, Ministerialdirektor im Bundesministerium der Finanzen: In Groß-Auheim sind zur Zeit 30 Einfamilienhäuser, 34 Zweifamilienhäuser und 11 Mietwohngrundstücke mit insgesamt 134 Wohnungen requiriert. Nach Mitteilung des Herrn Hessischen Ministers der Finanzen sind die Verhandlungen mit den zuständigen Besatzungsdienststellen über eine ersatzlose Freigabe der requirierten Wohngebäude bisher ergebnislos verlaufen. Im Rahmen des „Ersten Programms" vom 21. April 1953 werden aber nach Fertigstellung von Austauschwohnungen für die amerikanischen Streitkräfte 10 requirierte private Wohnungen in Groß-Auheim freigegeben. Es besteht auch die Möglichkeit, im Rahmen des „Zweiten Programms", über dessen Durchführung demnächst mit dein Hauptquartier der amerikanischen Armee verhandelt wird, weitere private Wohnungen in GroßAuheim freizugeben.
I Abgesehen davon darf ich darauf hinweisen, daß in Groß-Auheim insgesamt 32 Wohnungen für altbesatzungsverdrängte Familien mit Mitteln des Verteidigungsfolgekostenhaushalts bereits gebaut sind oder noch gebaut werden.
Ich bitte aus diesen Mitteilungen zu entnehmen, daß die Bundesregierung bereits jetzt im Rahmen des Möglichen alles getan hat.
Bei dem weiter in der Anfrage erwähnten Industrieunternehmen handelt es sich um die Werkshallen der Firma Bautz AG, die von der amerikanischen Besatzungsmacht requiriert worden sind. Es ist beabsichtigt, zum Zwecke der Freimachung dieser Werkshallen für die amerikanischen Streitkräfte ein Ersatzgebäude mit Mitteln des Verteidigungsfolgekostenhaushalts zu erstellen. Entsprechende Planungsunterlagen werden zur Zeit von der Landesregierung ausgearbeitet.
Die amerikanische Besatzungsmacht hat außerdem in der Gemeinde Groß-Auheim ein Gelände in Größe von 300 ha requiriert. Da sie auf diesem Gelände unter Einsatz von erheblichen Mitteln des alliierten Haushalts ein Engineer-Depot sowie einen Wasserübungsplatz errichtet hat, ist nach Lage der Dinge mit einer Freigabe dieses Geländes nicht zu rechnen.
Das Bundesfinanzministerium wird aber prüfen lassen, ob und inwieweit das Gelände, soweit es noch nicht im Bundeseigentum steht, zur Bereinigung der Rechtslage mit Mitteln des Verteidigungsfolgekostenhaushalts anzukaufen ist.
Eine Zusatzfrage. Herr Abgeordneter Müller.
Millier (KPD), Anfragender: Sind Sie nicht der Meinung, daß es Aufgabe einer deutschen Regierung wäre, diesem widerrechtlichen Vorgehen und Verhalten einer Okkupantenmacht in der Frage der Beschlagnahme von Wohnungen, von Häusern, von Eigentum usw. mit allen Mitteln ein Ende zu machen?
Dr. Oeftering, Ministerialdirektor im Bundesministerium der Finanzen: Die Bundesregierung und die Landesregierungen und die sonstigen zuständigen Dienststellen stehen stets laufend in eingehenden Verhandlungen mit der Besatzungsmacht, um die Beschaffung des unerläßlichen Grund und Bodens für die Verteidigungszwecke für die deutsche Bevölkerung so tragbar wie irgend möglich zu machen. Die Bundesregierung ihrerseits leistet aus den Mitteln des Bundeshaushalts unter den verschiedensten Formen und unter den verschiedensten Gesichtspunkten beträchtliche Aufwendungen, um die Folgen solcher unerläßlichen Beschlagnahmen für die Bevölkerung so tragbar wie nur irgend möglich zu gestalten.
Noch eine Zusatzfrage.
Müller (KPD), Anfragender: Ist Ihnen bekannt, daß trotz bestimmter Veröffentlichungen in der Presse die Besatzungsmächte weiterhin noch Wohnungen beschlagnahmen?
Dr. Oeftering, Ministerialdirektor im Bundesministerium der Finanzen: Von Wohnungsbeschlagnahmungen in neuerer Zeit ist mir nichts bekannt.
Zur Frage 6 Herr Abgeordneter Niebergall.
Niebergall , Anfragender: Meine Frage lautet:
Was hat die Bundesregierung im Zusammenhang mit dem Zwischenfall am 1. Mai 1953 in Spangdahlem Kreis Wittlich getan, um in Zukunft derartige Gewalttaten und Überfälle von Besatzungsangehörigen und Hilfsfreiwilligen auf wehrlose deutsche Menschen zu verhindern?
Der Herr Staatssekretär des Auswärtigen Amts.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Der Anfrage liegt offenbar folgender Zwischenfall zugrunde: Nach den Ermittlungen der Landesregierung Rheinland-Pfalz entstand vor der Gastwirtschaft des Ortes eine Schlägerei, an der amerikanische Soldaten, deutsche Hilfsfreiwillige und Arbeiter der alliierten Bauvorhaben beteiligt waren. Diese Schlägerei konnte zunächst durch das Eingreifen der deutschen Gendarmeriebeamten und des amerikanischen Kommandos der Flugplatzpolizei eingedämmt werden. Einige Zeit später erschienen am Ort des Zwischenfalls einige Lastkraftwagen mit deutschen Hilfsfreiwilligen, die ein Handgemenge mit anwesenden Ortsbewohnern und Gästen der Wirtschaft begannen. Dem Eingreifen der deutschen Gendarmeriebeamten gelang es schließlich, die Ausschreitungen zu beenden. Ein in der Nacht herbeigerufenes Überfallkommando aus Trier brauchte nicht mehr eingesetzt zu werden. Eine Anzahl der Beteiligten des Zwischenfalls hat offenbar unter starkem Alkoholeinfluß gestanden.
Das Ermittlungsverfahren wird in deutscher Zuständigkeit durchgeführt. Das Verfahren ist noch nicht abgeschlossen, und die Landesregierung Rheinland-Pfalz hat ausdrücklich darauf aufmerksam gemacht, daß der mitgeteilte Sachverhalt auf den ersten Angaben der örtlichen Gendarmerie beruht und durch das Ergebnis des laufenden Ermittlungsverfahrens in Einzelheiten Veränderungen erfahren kann. Es steht zu hoffen, daß durch nachdrückliche Bestrafung der Schuldigen sowie durch Abmachungen mit den zuständigen alliierten militärischen Stellen ähnliche Vorfälle in Zukunft vermieden werden.
Wie mir soeben mitgeteilt wird, hat der Herr Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz am 1. Juni 1953 bei dem Landeskommissar für RheinlandPfalz wegen dieses Zwischenfalls schriftlich Protest erhoben und gebeten, diesen Protest an die militärische Kommandostelle weiterzugeben.
Da der Zwischenfall auch Gegenstand einer Kleinen Anfrage der Abgeordneten Mehs, Kemper, Gibbert, Dr. Wuermeling und Genossen ist, wird die Bundesregierung zu der Angelegenheit noch schriftlich Stellung nehmen.
Dazu eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Niebergall.
Niebergall , Anfragender: Herr Staatssekretär, ist der Bundesregierung bekannt, daß sich in der Zwischenzeit weitere derartige Vorfälle in kleinerem Maßstab in Rheinland-Pfalz abgespielt haben?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Nein!
Zur Frage 7 Herr Abgeordneter Niebergall.
Niebergall , Anfragender:
Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um zu verhindern, daß Acker- und Wiesengelände, das für die Viehhaltung und Versorgung der Gemeinden Ingelheim und Gaulsheim lebenswichtig ist, für militärische Zwecke beschlagnahmt wird?
Herr Ministerialdirektor Dr. Oeftering, bitte.
Dr. Oeftering, Ministerialdirektor im Bundesministerium der Finanzen: Die von der französischen Besatzungsmacht im April 1953 beantragte Requisition von Geländeteilen bei Ingelheim und Gaulsheim ist von der Gemischten Kommission des Landes Rheinland-Pfalz in der Sitzung vom 20. Mai 1953 abgelehnt worden. Verhandlungen über ein Ersatzgelände, das nicht landwirtschaftlich genutzt ist, sind noch im Gange, mit der Annahme des von der deutschen Seite gemachten Ersatzvorschlages kann gerechnet werden. Das Gelände bei IngelheimGaulsheim jedenfalls wird vorerst nicht requiriert werden.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Niebergall.
Niebergall , Anfragender: Ist die Bundesregierung der Auffassung, daß mit dem Ausweichgelande unserer deutschen Volkswirtschaft gedient ist?
Dr. Oeftering, Ministerialdirektor im Bundesministerium der Finanzen: Die Verantwortung für die Auswahl des Ersatzgeländes hat die zustandige Landesregierung unter sorgfältiger Abwägung aller volkswirtschaftlichen, allgemeinwirtschaftlichen, bevölkerungspolitischen und sonstigen Gesichtspunkte. Ich bin überzeugt, daß die Landesregierung Rheinland-Pfalz hier zu einem Vorschlag gelangen wird, der für die deutsche Seite tragbar ist.
Niebergall , Anfragender: Noch eine kleine Zusatzfrage: Ist der Bundesregierung bekannt, daß man in den meisten Fällen, nachdem Ausweichgelände zur Verfügung gestellt wurde, trotzdem auch noch auf das erste Projekt zurückgegriffen hat?
Dr. Oeftering, Ministerialdirektor im Bundesministerium der Finanzen: Ich könnte mich im Augenblick an einen solchen Fall nicht erinnern. Es kann sich höchstens um gewisse Geländestreifen handeln, die aus dem ersten Gelände in das zweite übernommen worden sind.
Zur Frage 8 Herr Abgeordneter Niebergall.
Niebergall , Anfragender:
Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um der Verpflichtung, die sich aus dem ehemaligen Reblauskassengesetz gegenüber den Winzern in Rheinland-Pfalz, Hessen und Baden-Württemberg ergibt, nachzukommen?
Zur Antwort der Herr Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten.
Ein Reblauskassengesetz ist für das ehemalige Reich nicht erlassen worden. Die Bundesregierung hat daher ein solches auch nicht übernehmen können. Gemeint ist in der Anfrage wohl das Gesetz betreffend die Bekämpfung der Reblaus vom 6. Juli 1904. In diesem Gesetz ist im § 6 festgelegt, daß diejenigen, deren Rebbepflanzungen von den Maßregeln dieses Gesetzes betroffen werden, berechtigt sind, aus der Kasse des Bundesstaates, zu dessen Gebiet das betreffende Grundstück gehört, den Ersatz des Wertes der vernichteten und des Mindestwertes der bei der Untersuchung beschädigten gesunden Reben zu verlangen.
Der Vollzug des Gesetzes obliegt den Landesregierungen. Nach der Verordnung zur Ausführung des Gesetzes betreffend die Bekampfung der Reblaus vom 23. Dezember 1935 obliegt es den obersten Landesbehörden, den Wiederaufbau der verseuchten Weinberge mit reblausfesten Pfropfreben sicherzustellen. Hieran hat sich das frühere Reich durch Zuschüsse zu den Umstellungsmaßnahmen beteiligt.
Demnach gibt jetzt auch die Bundesregierung entsprechende Zuschüsse für die Förderung des Weinbaues, und zwar 500 000 DM für Förderungsmaßnahmen im Weinbau, 300 000 DM für die Beschaffung von Schwefelkohlenstoff zur Bekämpfung der Reblaus, 450 000 DM für die Unterhaltung der seit dem 1. April dieses Jahres auf den Bund übergegangenen Forschungsanstalt für Rebenzüchtung Geilweilerhof in der Pfalz. Aufgabe der Forschungsanstalt ist es, eine reblausresistente und pilzimmune Rebe zu züchten. Die Durchführung des vorgenannten Gesetzes und der vorgenannten Verordnung obliegt den Landesregierungen.
Das Land Rheinland-Pfalz hat ein Weinbergaufbaugesetz erlassen. Das Gesetz sieht die Errichtung einer Wiederaufbaukasse und die Bildung von Aufbaugemeinschaften vor. Die Wiederaufbaukasse hat die Aufgabe, besonders in den reblausverseuchten Gebieten die Zusammenlegung der Weinbergflächen und ihre Aufschließung durch Wegebau zu fördern. Die Kasse wird durch Beträge der Winzer und Zuschüsse des Landes finanziert. Als solche Zuschüsse sind auch die oben angeführten Summen, die von der Bundesregierung zur Verfügung gestellt werden und die entsprechend der Weinbaufläche auf die Länder verteilt werden, anzusehen.
Es wird erstrebt, daß auch die übrigen weinbautreibenden Länder ein ähnliches Gesetz wie Rheinland-Pfalz erlassen. Sie haben jedoch eine solche Regelung bisher abgelehnt. Der Erlaß eines Bundesgesetzes auf der Basis des von der Landesregierung Rheinland-Pfalz erlassenen Wiederaufbaugesetzes für reblauszerstörte Weinberge wird daher erwogen.
Eine Zusatzfrage, bitte!
Niebergall , Anfragender: Herr Bundesminister! Ist Ihnen bekannt, daß diese meine Auffassung, niedergelegt in der Anfrage, sich deckt mit der Auffassung des gesamten Landtags von Rheinland-Pfalz, in dessen Protokoll es ausdrücklich heißt, daß auch der Bund seine Verpflichtung gegenüber den Winzern erfüllen müsse und daß vor dem Kriege die Betreuung der Winzer durch das Reich erfolgt sei?
Das ist mir bekannt. Es ist klar, daß im Landtag von Rheinland-Pfalz diese für die dortige Wirtschaft so bedeutsame Frage entsprechende Aufmerksamkeit findet. Ich habe aber darauf hingewiesen, daß im alten kaiserlichen Deutschland eine unmittelbare Einwirkung der Reichsregierung auch nicht erfolgte; sie beschränkte sich auf das Legislative. Was bei uns geplant ist, habe ich im letzten Satz meiner Beantwortung der Anfrage zum Ausdruck gebracht.
Zur Frage 9 Herr Abgeordneter. Müller.
Müller (KPD), Anfragender:
Ist dem Herrn Bundeskanzler bekannt, daß der Rektor der Universität Tübingen, Professor Dr. Erwin Bünning, in einem Rundschreiben die Mitglieder des Lehrkörpers der Universität von dem Weiterbestehen der französischen Briefzensur unterrichtet und ihnen nahegelegt hat, vertrauliche Mitteilungen und Forschungsergebnisse so befördern zu lassen, daß sie fremdem Einblick entzogen bleiben?
Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um diesem unwürdigen Zustand, der bekanntlich in der gesamten Bundesrepublik besteht, ein Ende zu bereiten?
Zur Beantwortung der Herr Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Solange die Verträge — ich meine den Deutschlandvertrag und den EVG-Vertrag — noch nicht in Kraft getreten sind, haben die Alliierten auf Grund des Art. 2 e des revidierten Besatzungsstatuts das Recht und die Möglichkeit, zum Schutze und zur Sicherheit der alliierten Streitkräfte eine Briefzensur auszuüben.
Soweit der Bundesregierung bisher konkrete Fälle bekanntgeworden sind, die über den Rahmen der eingeschränkten Überwachungstätigkeit hinausgehen, hat sie jeden einzelnen Fall dazu benutzt, um bei der Alliierten Hohen Kommission oder den zuständigen alliierten Nachrichtendiensten wiederholte und sehr energische Vorstellungen zu erheben. Auch in dem Fall der Beschwerde des Rektors der Universität Tübingen, nach der Briefsendungen der Universität und ihres Lehrkörpers in großem Umfang der Kontrolle unterliegen sollen, ist dies geschehen.
Von dem in der vorliegenden Frage erwähnten Schreiben des Rektors, Professor Dr. Bünning, hat die Bundesregierung zunächst nur durch die Presse erfahren. Der Leiter des Nachrichtendienstes in der französischen Zone hat erklärt und mit aller Eindeutigkeit versichert, daß Briefe und Sendungen der erwähnten Art einer alliierten Inhaltskontrolle nicht unterzogen werden. Er hat erneut erklärt, daß er die bereits bestehenden Anweisungen an die örtliche Zensurstelle in Tübingen nicht nur wiederholt, sondern sie noch verstärkt zum Ausdruck gebracht habe. Beobachtungen deutscher Postdienststellen stehen dazu nicht in Widerspruch. Beweise einer tatsächlich durchgeführten Zensur an Briefsendungen der hier erwähnten Art liegen nicht vor.
Die fortgesetzten Bemühungen der Bundesregierung in der zurückliegenden Zeit haben nunmehr dazu geführt, daß die Überwachungstätigkeit der
Alliierten im gesamten Bundesgebiet fast vollständig eingeschränkt worden ist.
Ich weise nochmals darauf hin, daß mit dem Inkrafttreten der Verträge jede, auch die letzte Überwachungstätigkeit der Alliierten entfällt.
Zur Frage 10 Herr Abgeordneter Kohl!
Kohl (KPD), Anfragender:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß Bauern im Landkreis Rastatt, denen von der Besatzungsmacht vor mehr als Jahresfrist 280 ha Land zur Errichtung eines Flugplatzes beschlagnahmt worden sind, bis heute noch keine Entschädigung erhalten haben?
Wann gedenkt die Bundesregierung die Auszahlung der Entschädigung durchzuführen? Ist die Bundesregierung gewillt, den geschädigten Bauern gleichwertiges Ersatzland zur Verfügung zu stellen?
Herr Ministerialdirektor Oeftering zur Beantwortung!
Dr. Oeftering, Ministerialdirektor im Bundesministerium der Finanzen: Bei dem erwähnten Flugplatz handelt es sich wohl um den Flugplatz Söllingen, für den unter anderem 314,8 Hektar landwirtschaftliche Flächen requiriert worden sind. Es trifft aber nicht zu, daß die betroffenen Bauern bis heute noch keine Entschädigung erhalten haben. Nach einem Bericht der Oberfinanzdirektion Freiburg vom 15. Mai 1953 wickeln sich vielmehr die Ankaufsverhandlungen ohne Schwierigkeiten ab. Bis zum 15. Mai 1953 sind bereits insgesamt 627 Einzelgrundstücke mit rund 79 Hektar angekauft und hierauf mehr als 275 000 DM ausgezahlt worden. Darüber hinaus haben die betroffenen Landwirte rund 117 000 DM zum Ausgleich von Aufwuchsschäden für Ernteausfall, Verlust von Obstbäumen usw. ausgezahlt erhalten. Soweit in einzelnen Fällen landwirtschaftliche Betriebe in ihrer Existenz gefährdet sind, ist beabsichtigt, im Rahmen der vorhandenen Möglichkeiten unter Einbeziehung des Verkaufserlöses für das requirierte Land Ersatzgelände zur Verfügung zu stellen. Nach den neuesten Feststellungen besteht die Möglichkeit, in gewissem Umfang auf Gemeinde-, Domänen und sonstiges Land der öffentlichen Hand als Ersatzsand zurückzugreifen. Darüber hinaus sind bereits 500 000 DM der Badischen Landsiedlung GmbH. zum Ankauf von auslaufenden Höfen zur Verfügung gestellt worden, wobei die auslaufenden Höfe natürlich in erster Linie für den hier betroffenen Landwirt vorbehalten werden sollen.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter?
Kohl (KPD), Anfragender: Im Landtag von Baden-Württemberg wurde die Frage ähnlich gestellt. Dort wurde eine ähnliche Antwort gegeben, wie Sie sie hier gegeben haben. Auf eine diesbezügliche Anfrage bei verschiedenen Bauern wurde mir das Gegenteil behauptet. Ich wäre der Bundesregierung dankbar, wenn sie hier endlich
einmal nach dem Rechten sehen und feststellen würde, was davon nun eigentlich richtig ist.
Dr. Oeftering, Ministerialdirektor im Bundesministerium der Finanzen: Herr Abgeordneter, Sie haben keine Frage gestellt; infolgedessen kann ich keine Frage beantworten.
Ist die Frage 10 damit erledigt, Herr Abgeordneter Kohl?
Zu Frage 11 Herr Abgeordneter Kohl!
Kohl (KPD), Anfragender:
Wer ist für den unsinnigen Befehl verantwortlich, den der Oberbürgermeister von Baden-Baden bekanntgegeben hat, wonach die Quellwasserzuführungsleitungen in BadenBaden mit Minenkammern ausgestattet werden müssen?
Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um zu verhindern, daß dieser Plan ausgeführt wird? Sind die hierfür verantwortlichen Stellen auf den ungeheuren Schaden aufmerksam gemacht worden, der für die Bevölkerung bei einer eventuellen Sprengung dieser Quellwasserzuführungsleitungen eintreten wird?
Herr Ministerialdirektor Oeftering zur Beantwortung!
Dr. Oeftering, Ministerialdirektor im Bundesfinanzministerium: Der Befehl, in bestimmten Straßen, in diesem Falle in der Landstraße I. Ordnung Nr. 79, Sprengkammern einzubauen, obwohl sich in der Nähe die Quellwasserzuführungsleitungen von Baden-Baden befinden, ist von dem Kommando der französischen Streitkräfte in Deutschland erteilt worden. Die französische Besatzungsmacht ist unter der Geltung des Besatzungsstatuts derzeit noch formal berechtigt, solche Anordnungen zu erteilen.
Da im Falle einer Sprengung aber die Gefahr einer Unterbrechung der Quellwasserzuführung nach Baden-Baden in der Tat besteht, haben sowohl die Dienststelle Blank als auch die Landesregierung mit allem Nachdruck bei den zuständigen französischen Dienststellen sofort Einspruch gegen die erwähnte Maßnahme erhoben. Diese Einsprüche sind leider abgelehnt worden.
Daraufhin hat der interministerielle Ausschuß der Bundesregierung beschlossen, daß die Dienststelle Blank nunmehr bei der alliierten Hohen Behörde entsprechend nachdrückliche Vorstellung erheben und die Alliierte Hohe Kommission insbesondere ersuchen soll, bei der Anlage von Sprengkammern auf vorhandene Versorgungsleitungen gebührend Rücksicht zu nehmen oder aber die Kosten für die etwa notwendigen Umlegungen von Versorgungsleitungen auf den alliierten Besatzungskosten- und Auftragsausgabenhaushalt zu übernehmen.
Keine Zusatzfrage. — Herr Abgeordneter Kohl zur Frage 12!
Kohl (KPD), Anfragender:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß die ehemaligen, heute noch im Grundbuch als Eigentümer eingetragenen Personen für das im Jahre 1942 von der Wehrmacht beschlagnahmte Gelände in Friedrichshafen-Raderach, auf dem das V2-Werk errichtet wurde, heute noch Steuern bezahlen müssen?
Billigt die Bundesregierung, daß von den über 60 heute noch im Grundbuch als Eigentümer eingetragenen Personen aus ihren Waldbeständen kein Holz entnommen werden darf, obwohl sie nach wie vor dafür Grundsteuer zu entrichten haben?
Entspricht es den Tatsachen, daß dem Fürsten Egon von Fürstenberg für seine im Gebiet des Raderacher Werkes liegenden Waldungen zum Ausgleich andere Waldstücke angeboten worden sind?
Ist der Bundesregierung bekannt, daß durch die von der französischen Besatzungsmacht im Jahre 1948 durchgeführten Sprengungen den Eigentümern ein gewaltiger Schaden entstanden ist, der amtlich geschätzt wurde, aber bis heute noch nicht vergütet worden ist?
Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um die jahrelangen Auseinandersetzungen um die Rückgabe der für das V2-Werk in Raderach vom Reich beschlagnahmten land- und forstwirtschaftlichen Grundstücke zu beenden und um den Eigentümern zu ihrem Recht zu verhelfen?
Herr Ministerialdirektor Oeftering, bitte!
Dr. Oeftering, Ministerialdirektor im Bundesfinanzministerium: Herr Abgeordneter, ich darf vielleicht Ihre Fragen absatzweise beantworten. — Zum ersten Absatz wäre folgendes zu sagen:
Der Bundesregierung ist bekannt, daß Personen, die im Jahre 1942 an die ehemalige Wehrmacht Gelände in Friedrichshafen-Raderach zur Errichtung des V2-Werkes verkauft haben, im Grundbuch aber noch als Eigentümer eingetragen sind, heute noch für das verkaufte Gelände Steuern zahlen. Das Bundesfinanzministerium hat aber bereits im August 1951 die Oberfinanzdirektion Freiburg ermächtigt, den in Frage kommenden Verkäufern alle Grundsteuern und sonstigen öffentlichen Abgaben zu erstatten. Wie von der Oberfinanzdirektion Freiburg hierzu berichtet warden ist, haben die früheren Verkäufer jedoch die Annahme dieser Erstattungsbeträge abgelehnt.
Zum zweiten Absatz: In allen diesen Fällen sind notarielle Kaufverträge abgeschlossen, nach denen die Nutzungen und Lasten auf das Reich übergegangen sind. Die Kaufpreise sind vom Reich gezahlt worden. Nach dem Inhalt der Verträge steht deshalb die Waldnutzung nicht mehr den Verkäufern zu. Die Übernahme der Lasten ist den Verkäufern, wie ich bereits ausgeführt habe, schon im August 1951 angeboten, von ihnen aber bisher abgelehnt worden.
Zum dritten Absatz: Es entspricht nicht den Tatsachen, daß dem Fürsten Egon von Fürstenberg für seine im Gebiet des Raderacher Bergs liegenden Waldungen zum Ausgleich andere Waldstücke angeboten worden sind. Er hat aber, im Gegensatz zu den andern Verkäufern, die Erstattung der Grundsteuern und sonstigen öffentlichen Abgaben, die auf das von ihm verkaufte Gelände entfallen, angenommen.
Von dem Finanzamt Ueberlingen wurden inzwischen die im Gebiet des Raderacher Werks liegenden ehemaligen Fürstlich Fürstenbergischen Waldgrundstücke auf den Reichsfiskus fortgeschrieben, so daß die Grundsteuerforderungen für diese Waldgrundstücke künftig nur noch an den Bund als Eigentümer gerichtet werden.
Zu Absatz 4 der Anfrage: Der Bundesregierung ist hierüber nichts bekannt.
Schließlich zu Absatz 5: Im Vollzug des Ergebnisses der 250. Sitzung des Deutschen Bundestags vom 25. Februar 1953 ist das Bundeskanzleramt, und zwar der Beauftragte des Bundeskanzlers für die mit der Vermehrung der alliierten Truppen zusammenhängenden Fragen, mit einem Schreiben vom 13. April 1953 gebeten worden, die Freigabe des fraglichen Geländes bei der französischen Hohen Kommission zu beantragen. Die Entscheidung der französischen Hohen Kommission steht bis zur Stunde noch aus. Vor Aufhebung der Beschlagnahme ist eine Bereinigung der Angelegenheit leider nicht möglich.
Kohl (KPD), Anfragender: Eine Zusatzfrage bitte!
Bitte, eine Zusatzfrage!
Kohl (KPD), Anfragender: Ich möchte eine Zusatzfrage stellen. Der Bundesregierung ist nach Ihrer Auskunft nicht bekannt, daß der Schaden amtlich geschätzt, aber noch nicht vergütet worden ist. Ich habe Sie so wohl richtig verstanden. In Ueberlingen, also nicht weit entfernt, ist bei Durchführung von Sprengungen im Zeitraum von einem Vierteljahr der Schaden im Gegensatz zu dem V2-Werk restlos vergütet worden. Ist der Bundesregierung diese Tatsache bekannt?
Dr. Oeftering, Ministerialdirektor im Bundesministerium der Finanzen: Dias kann ich im Augenblick weder mit Ja noch mit Nein beantworten; ich müßte Rückfrage halten.
Herr Abgeordneter Reitzner zur Frage 13.
Reitzner , Anfragender: Ich frage:
Ist dem Herrn Bundesminister der Finanzen die kritische Lage der Neustadtsiedlung in Moosburg bekannt?
Ist der Herr Bundesminister der Finanzen bereit, sich von der Oberfinanzdirektion in München als Vermögensverwaltung einen Bericht über die Lage der Neustadtsiedlung Moosburg geben zu lassen, um dann mit dem Ministerium für Vertriebene gemeinsame Maßnahmen zur Erhaltung der gefährdeten Arbeitsplätze zu treffen?
Bitte die Antwort!
Dr. Oeftering, Ministerialdirektor im Bundesministerium der Finanzen: Die Liegenschaft „Ehemaliges Stalag VII/A Moosburg, jetzt sogenannte „Neustadt-Siedlung" ist am 1. Februar 1953 als ehemaliges Reichsvermögen vom Land Bayern in die Verwaltung des Bundes, und zwar der Bundesvermögens- und Bauabteilung der Oberfinanzdirektion München, übernommen worden.
Nachdem die Dienststelle Blank ihre Bereitwilligkeit zu einer Freigabe des Geländes für zivile Zwecke erklärt hatte, wurde die Oberfinanzdirektion München ermächtigt, der Arbeitsgemeinschaft der Heimatvertriebenen in Moosburg mitzuteilen, daß das Bundesfinanzministerium grundsätzlich bereit sei, berechtigten Ankaufswünschen der auf dem Gelände angesiedelten Heimatvertriebenen zu entsprechen. Die Oberfinanzdirektion wurde gebeten, einen umfassenden Verwertungsplan für das gesamte Gelände vorzulegen.
Nach einem Zwischenbericht der Oberfinanzdirektion München bedarf die Verwertung der Liegenschaft entsprechend den Wünschen der auf dem Gelände angesiedelten Heimatvertriebenen umfangreicher und sorgfältiger Vorbereitungen, die zwangsläufig eine gewisse Zeit in Anspruch nehmen. Entsprechende Vorschläge werden zur Zeit von der Oberfinanzdirektion München im Benehmen mit dem bevollmächtigten Vertreter der Arbeitsgemeinschaft der Heimatvertriebenen in Moosburg ausgearbeitet.
Da sonach den in Moosburg angesiedelten Flüchtlingsbetrieben grundsätzlich die Möglichkeit geboten wird, ihr Betriebsgelände entweder zu Eigentum oder im Erbbaurecht zu erhalten, wird die bisherige Unsicherheit für diese Betriebe beseitigt, so daß ein Grund zur Abwanderung für diese Betriebe nicht besteht und die bisherigen Arbeitsplätze erhalten bleiben können.
Reitzner , Anfragender: Ich danke Ihnen vielmals.
Zur Frage 14 Herr Abgeordneter Jacobs.
Jacobs , Anfragender: Ist Ihnen, Herr Minister, bekannt, daß die Hauptverwaltung der Deutschen Bundesbahn im Zuge der Rationalisierung des Werkstättenwesens beabsichtigt, das Eisenbahnausbesserungswerk in Konz bei Trier zu schließen? Welche Maßnahmen beabsichtigen Sie, Herr Minister, gegebenenfalls dagegen zu unternehmen?
Der Vorstand der Deutschen Bundesbahn hat Überlegungen über die Schließung des Eisenbahnausbesserungswerkes Konz eingeleitet. Der Verwaltungsrat der Deutschen Bundesbahn hat die Schließung des Werkes bisher noch nicht beschlossen. Die nach § 14 des Bundesbahngesetzes dazu erforderliche Genehmigung des Bundesministers für Verkehr ist daher bis jetzt nicht erbeten worden.
Die Kapazität der Ausbesserungswerke der Deutschen Bundesbahn ist nach dem Zusammenbruch ausgeweitet worden, um den durch den Krieg stark angeschlagenen Fahrzeugpark wieder in einen ordnungsmäßigen Unterhaltungszustand zu bringen. Diese Arbeiten sind inzwischen zu einem gewissen Abschluß gekommen, so daß seit dem 1. Januar 1953 damit begonnen werden muß, die personelle und anlagenmäßige Kapazität der Ausbesserungswerke dem Arbeitsaufkommen anzupassen. Es werden seit diesem Zeitpunkt Ausbesserungsarbeiten auch nicht mehr an private Werke vergeben. Sollten sich Schließungen von Ausbesserungswerken nicht vermeiden lassen, dann sollen sie so vorgenommen werden, daß Entlassungen nicht erfolgen müssen und die etwa freiwerdende Belegschaft mit möglichster sozialer Schonung umgesetzt wird. Diese Maßnahmen werden seitens des Vorstandes der Deutschen Bundesbahn in enger Verbindung mit
den zuständigen Landesregierungen und den zuständigen Gewerkschaften behandelt und vorbereitet. Vor dem Abschluß der Vorbereitungen habe ich mich nicht zu äußern.
Eine Zusatzfrage?
Jacobs , Anfragender: Darf ich mir die Frage erlauben, Herr Minister, ob Sie gewillt sind, in den Kreis Ihrer eventuellen Überlegungen mit einzuschließen, daß es sich bei Konz um einen Ort handelt, der noch vor einigen Jahren zum sogenannten Saargebiet gehörte und dessen Rückgliederung in die Bundesrepublik wir alle als einen bedeutenden politischen Erfolg bezeichnet haben?
Ich glaube, daß in erster Linie der Vorstand und der Verwaltungsrat der Deutschen Bundesbahn und die Gewerkschaft der Eisenbahner Deutschlands sich diesen Erwägungen hingeben sollten, denn von ihnen hängt es ab, was mir von ihnen vorgeschlagen werden wird.
Herr Abgeordneter Jacobs zur Frage 15!
Jacobs , Anfragender:
Sind dem Herrn Bundesminister des Innern die Vorwürfe bekannt, die der Vorsitzende des Landesjugendringes von Rheinland-Pfalz gegen die Bundesregierung erhoben hat, daß trotz wiederholter Zusagen von seiten des Bundes keine Mittel bereitstünden, um den vor dem Abtransport in die Fremdenlegion an der Grenze aufgegriffenen Deutschen die Heimfahrt zu ermöglichen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Vorwürfe, die Sie erwähnen, Herr Abgeordneter, sind uns nicht unmittelbar durch den Landesjugendring zugegangen. Sie sind uns nur durch Pressenachrichten und durch Ihre Anfrage bekanntgeworden. Im übrigen muß man berücksichtigen, daß die Maßnahmen zur Betreuung derjenigen jungen Menschen, die auf dem Wege zur Fremdenlegion zum Verbleib in der Heimat bewogen werden konnten, sehr auf die Verhältnisse des Einzelfalles abgestellt werden müsssen und sich nicht allein darauf beschränken können, Mittel zur Heimfahrt bereitzustellen. Man muß namentlich berücksichtigen, daß nicht in jedem Fall der Jugendliche überhaupt eine Heimat besitzt, in die er zurückgeführt werden kann. Mitunter handelt es sich auch um junge Menschen, die gerade volljährig geworden sind und deshalb die Rückführung gar nicht wünschen; man kann sie ihnen dann nicht aufzwingen. So erfolgt denn auch durch die zahlreichen Stellen, die sich dieser jungen Menschen annehmen, eine individuelle Betreuung. Manche werden in Jugendheime eingewiesen, andere in Jugendwohnheime und von dort aus in Arbeit, wieder andere kommen in Jugendgemeinschaftswerke usw. usw. Soweit es sich aber im Einzelfall um eine Rückführung zu den Eltern handelt, gehören die dadurch entstehenden Kosten nach den Vorschriften der Fürsorgepflichtverordnung zu denjenigen, die vorläufig von dem Stadt- oder Landkreis übernommen werden müssen, in dem sich der Jugendliche befindet. Für die dem Personenkreis der Kriegsfolgenhilfeempfänger angehörenden Jugendlichen erstattet der Bund alsdann 85 % der Kosten. Ich darf noch bemerken, daß sich das Land
Rheinland-Pfalz der Hilfsmaßnahmen für die zu Betreuenden besonders angenommen hat. Soweit der Bundesregierung Anträge auf Förderung dieser Maßnahmen vorgelegt wurden, hat sie ihre finanzielle Hilfe zugesagt. Wenn sich wirklich auf dem Gebiet, das Sie erwähnten, besondere Schwierigkeiten ergeben sollten, werden wir dem selbstverständlich nachgehen.
Herr Abgeordneter Meyer zur Frage 16!
Meyer (SPD), Anfragender:
Welche Stellung nimmt die Bundesregierung zu der Tatsache ein, daß Personen nach § 4 des Gesetzes zur Regelung der Rechtsverhältnisse der unter Art. 131 des Grundgesetzes fallenden Personen beamtenrechtliche Ansprüche nicht geltend machen können, wenn sie ihren Wohnsitz oder dauernden Aufenthalt im Bundesgebiet erst nach dem 23. September 1949 befugt genommen haben?
Diese Personen können gemäß § 72 des Gesetzes aber auch nicht entsprechend § 1242 a der Reichsversicherungsordnung in der Sozialversicherung nachversichert werden, soweit sie bereits früher Versorgung erhalten haben. Erkennt die Bundesregierung an, daß diese Rechtslage zur Folge hat, daß dieser Personenkreis daher ohne jede Altersversorgung bleiben und dieser Zustand als unbefriedigend bezeichnet werden muß?
Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um diesen meist älteren und arbeitsunfähigen Versorgungsberechigten ihre wohlverdienten Rechte wieder zurückzugeben?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Es ist nicht ganz zutreffend, daß die Nichteinhaltung des im Gesetz zu Art. 131 des Grundgesetzes festgesetzten Zuzugsstichtags vom 23. Mai 1949 schlechthin die Geltendmachung von Rechten auf Grund dieses Gesetzes ausschließt. Es gibt schon heute im Gesetz eine Reihe von Ausnahmetatbeständen, bei deren Vorliegen die Rechte aus dem Gesetz auch bei einem nach dem Stichtag erfolgten Zuzug geltend gemacht werden können. Ich darf erwähnen: Entlassung aus Kriegsgefangenschaft, Heimkehr aus fremden Staaten und — ein besonders aktueller Fall — Flucht aus der Sowjetzone wegen unmittelbar drohender Gefahr für Leib und Leben oder für die persönliche Freiheit. Der Beamtenrechtsausschuß des Deutschen Bundestags berät bekanntlich zur Zeit eine Novelle zum Gesetz nach Art. 131 des Grundgesetzes. Hierbei wird auch die Frage einer anderweitigen Festsetzung des Stichtags eingehend behandelt, und es wird überprüft, ob sich Härten, die aus der jetzigen Stichtagsregelung herzuleiten sind, durch eine anderweitige Festsetzung beseitigen lassen. Es wird zweckmäßig sein, den Gang dieser Verhandlungen abzuwarten.
Die weiter in Ihrer Anfrage, Herr Abgeordneter, behandelte Angelegenheit der Nachversicherung wird gleichfalls bei den von mir erwähnten Beratungen des Beamtenrechtsausschusses über die Novelle unter Mitwirkung der Vertreter der Bundesregierung eine abschließende Klärung erfahren. Ich nehme an, daß das Ergebnis der Verhandlungen im Beamtenrechtsausschuß auch in diesem Punkt ein befriedigendes sein wird.
Herr Abgeordneter Meyer zur Frage 17!
Meyer (SPD), Anfragender:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß die an den Erlaß der Fünften BerufskrankheitenVerordnung geknüpften Erwartungen der Versicherten an eine fortschrittliche Entwicklung des Berufskrankenrechts sich nicht erfüllt haben und insbesondere Beschwerden über die mangelnde Beachtung der Herabsetzung der Entschädigungspflichtgrenze von 50 auf 20 % Erwerbsminderung beim berufsgenossenschaftlichen Feststellungsverfahren sich häufen?
Ist die Bundesregierung bereit, angesichts dieser Entwicklung der Fünften Berufskrankheiten-Verordnung eine bestimmte Formulierung zu geben, oder welche anderen Maßnahmen gedenkt sie zu ergreifen, um die Versicherten vor den eingetretenen rechtsschmälernden Verwaltungsmaßnahmen der Berufsgenossenschaften zu schützen?
Herr Bundesarbeitsminister zur Beantwortung der Frage!
Die Fünfte Verordnung über Ausdehnung der Unfallversicherung auf Berufskrankheiten ist am 1. August 1952 in Kraft getreten. Statistische Unterlagen liegen noch nicht vor. Es ist nicht bekannt, daß die Verordnung die Erwartungen der Versicherten hinsichtlich einer fortschrittlichen Entwicklung des Berufskrankheitsrechts nicht erfüllt hat. Die Anfrage dürfte sich wohl auf die Berentung der Silikose gemäß Nr. 27 a beziehen. Die neue Verordnung sieht eine Entschädigung von Silikosen jeden Grades und nicht nur schwerer Silikosen wie seither vor. Dadurch ist eine Entschädigungspflicht immer gegeben, wenn ein Leistungsausfall entsteht, der eine Erwerbsminderung von 20 % aufwärts bedingt. Die Grenze von 20 % ist die untere Grenze der Rentenfähigkeit. Schwierigkeiten können jetzt dadurch entstehen, daß eine Silikose mit den bisherigen Methoden meist erst festgestellt werden konnte, wenn sie schon einen höheren Grad der Erwerbsminderung bedingte. Bessere Methoden zur Frühdiagnose, zur Feststellung einer Einschränkung von Atmung und Kreislauf sind entwickelt worden. Es ist daher erklärlich, daß in der ersten Zeit die Begutachtung nicht immer zufriedenstellend ist. Mit der Erweiterung der Röntgentechnik und ähnlicher Methoden wird sich aber die Begutachtung wesentlich verbessern.
Herr Abgeordneter Meyer zur Frage 18!
Meyer (SPD), Anfragender: Ich hätte natürlich Zusatzfragen zu stellen, aber ich möchte an dieser Stelle davon absehen.
Meine nächste Frage lautet:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß die in § 2 Abs. 3 der Fünften Berufskrankheiten-Verordnung vom 26. Juli 1952 vorgesehene Rückwirkungsbestimmung, die den Antrag auf Entschädigung für Berufskrankheiten ausschließlich auf die Entstehungszeit nach dem 1. Juni 1945 beschränkt, zu einer erheblichen Benachteiligung der vor dieser Zeit an einer Berufskrankheit erkrankten Versicherten geführt hat?
Ist der Bundesregierung ferner bekannt, daß die Einführung dieser Verordnung im Saargebiet demgegenüber die Rückwirkung bis auf den 31. Dezember 1937 zurückverlegt hat?
Ist bekannt, daß durch diesen Termin im Bundesgebiet durch die gekürzte Rückwirkung auf den 1. Juni 1945 alle Berufserkrankten, deren Erkrankung erstmalig nach der Fünften Berufskrankheiten-Verordnung entschädigungspflichtig ist, besonders benachteiligt sind und auch alle Hinterbliebenen von der Rückwirkung ausgeschlossen bleiben, da nur der Versicherte selbst Anspruch auf Entschädigung hat, der beim Inkrafttreten ,der Verordnung, also am 1. August 1952, an einer anerkannten Berufskrankheit litt?
Ist die Bundesregierung bereit, die Rückwirkung für alle Versicherten und Hinterbliebenen ebenfalls wie im Saarrevier auf den 31. Dezember 1937 noch nachträglich festzulegen?
Herr Arbeitsminister!
Die Rückwirkungsbestimmung des § 2 der Fünften Verordnung ist für die neu in die Fünfte Verordnung aufgenommenen Krankheiten und betrieblichen Voraussetzungen nach Beratung mit sachverständigen Ärzten, den Versicherungsträgern und den Beteiligten auf den 1. Juni 1945 festgelegt worden. Diese Rückwirkung von sieben Jahren reicht aus, um den allermeisten Fällen zu entsprechen. Einzelfälle gibt es bei Terminen immer. Sie sind nach meiner Ansicht hier in verschwindender Minderheit. Die Vierte Verordnung vom 29. Januar 1943, die noch für die bisherigen Berufskrankheiten in Kraft ist, sieht eine Rückwirkung bis zum 1. August 1939 vor, also eine geringere Zeit gegenüber der Fünften Verordnung. Die Fünfte Verordnung ist demnach hinsichtlich der Rückwirkung zeitlich günstiger als die Vierte Verordnung.
Im Saargebiet galt zunächst die deutsche Berufskrankheitengesetzgebung. Nach den hier vorliegenden Unterlagen ist die saarländische Verordnung über Ausdehnung der Unfallversicherung auf Berufskrankheiten am 1. Januar 1951 in Kraft getreten. Nach § 5 der Verordnung ist eine Entschädigung nur dann möglich, wenn sich die Krankheit nach dem 31. Dezember 1947 gezeigt hat. Die Verpflichtung zur Entschädigung beginnt erst am 1. Januar 1951. Eine weitere Ausdehnung der Rückwirkung wird danach nicht für erforderlich gehalten. Die letzte deutsche Verordnung geht indessen bis auf den 1. Juni 1945 zurück.
Eine Zusatzfrage?
Meyer (SPD), Anfragender: Eine Zusatzfrage dahingehend: Besteht in Ihrem Ministerium eine Stelle oder ist beabsichtigt, eine solche zu schaffen, die rechtzeitig auf Schäden hinweist, die in der modernen Produktion entstehen? Ich denke besonders an Fluorschäden, die erst jetzt neu in die 5. Verordnung aufgenommen worden sind, die aber schon in einer Reihe von anderen Ländern - z. B. in den zwanziger Jahren in den nordischen Ländern — unter die Berufskrankheiten aufgenommen worden sind. Man muß die Menschen rechtzeitig auf diese schweren Berufsschäden hinweisen können und sie vor Schaden bewahren.
Herr Abgeordneter, Sie haben vollständig recht, wenn Sie danach fragen. Wir haben in meinem Ministerium in der Abteilung III die Fragen der Gewerbeaufsicht, und wir versuchen von dieser Seite aus, die Gewerbeaufsicht der einzelnen Länder anzuhalten, in dem Sinne zu wirken, wie Sie es eben gesagt haben. Mehr zu tun, sind wir nicht in der Lage. Wir bemühen uns dauernd, eine einheitliche Durchführung der Gewerbeaufsicht draußen sicherzustellen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Reismann zur Frage 19.
Dr. Reismann , Anfragender:
Ich frage die Bundesregierung, ob es ihrer Ansicht entspricht, daß die laut Pressemeldungen bereits unterzeichneten Zusatzprotokolle zum Bonner Vertragswerk keiner Annahme durch das Parlament bedürfen? Wenn die Bundesregierung dieser Ansicht ist, wie glaubt sie das mit den Entschließungen des Deutschen Bundestages vereinbaren zu können, die dieser über den Antrag der Koalitionsparteien auf Umdruck Nr. 828 unter Ziffer III vom 19. März 1953 und über den Antrag der Fraktion der FU auf Umdruck Nr. 826 gleichen Datums gefaßt hat, wonach „irgendwelche Zusatzvereinbarungen zwischen den beteiligten Regierungen die deutsche Gesetzgebung nur binden, soweit sie die Zustimmung des Bundestages gefunden haben" und „Zusatzprotokolle dem Bundestag zur Genehmigung vorzulegen sind"?
Wann wird die Bundesregierung die Zusatzprotokolle dem Bundestag zuleiten?
Zur Beantwortung Herr Staatssekretär Professor Hallstein.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Pressemeldungen, daß die Zusatzprotokolle zum EVG-Vertrag unterzeichnet seien, sind unrichtig. Wie bekannt, sind auf Wunsch der französischen Regierung im Februar Verhandlungen aufgenommen worden, um die Bedeutung einiger Bestimmungen des EVG-Vertrags zu klären. Diese Verhandlungen sind im Rahmen des Interimsausschusses für die Organisation der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft abgeschlossen worden. Die Regierungen der Mitgliedstaaten der EVG haben sich mit dem Ergebnis grundsätzlich einverstanden erklärt. Der Bundestagsausschuß für Fragen der europäischen Sicherheit ist über den Inhalt der Zusatzprotokolle unterrichtet worden. Wann und in welcher Form die Unterzeichnung geschehen soll, ist noch nicht bestimmt.
In Übereinstimmung mit den Beschlüssen des Bundestages vom 19. März dieses Jahres zu den Umdrucken Nrn. 828 und 826 ist die Bundesregierung der Auffassung, daß der Bundesrepublik durch zusätzliche Vereinbarungen oder Protokolle ohne Zustimmung des Parlaments keine Bindungen auferlegt werden können, die über den Rahmen der von Bundestag und Bundesrat durch die Zustimmungsgesetze verabschiedeten Verträge hinausgehen. Die vorgesehenen Protokolle stehen jedoch mit den Verträgen in Einklang. Die Bundesregierung wird die Zusatzprotokolle nach der Unterzeichnung dem Bundestag zuleiten.
Dr. Reismann , Anfragender: Ich danke schön.
Das Wort hat der Abgeordnete Müller-Hermann zur Frage 20.
Müller-Hermann , Anfragender:
Trifft es zu, daß ein Erlaß des Bundesfinanzministeriums besteht, der die für den Rundfunk tätigen Journalisten von der Umsatzsteuerfreiheit nach § 4 Ziffer 17 des Umsatzsteuergesetzes 1951 ausdrücklich ausschließt mit der Begründung, daß der Begriff „Journalist" nur die Tätigkeit für Zeitungen und Zeitschriften umfasse?
Ist dem Herrn Bundesminister der Finanzen bekannt, daß das Bremische Finanzgericht auf Grund eigenen Urteils und vorgelegter Gutachten zu dem Ergebnis gekommen ist, daß der Erlaß des Bundesfinanzministeriums unzeitgemäß und unbegründet ist?
Glaubt der Herr Bundesminister der Finanzen, den in dem erwähnten Erlaß vertretenen Standpunkt aufrechterhalten zu können, obwohl bekannt ist, daß ein für den Rundfunk tätiger Journalist die gleiche Tätigkeit ausübt wie ein für eine Zeitung tätiger Journalist, daß er die gleiche Ausbildung hat, die gleiche Vergütung bezieht, dem gleichen Berufsverband angehört, nur mit dem Unterschied, daß sein Manuskript an das Mikrophon, das seines für die Zeitung tätigen Kollegen in die Rotationsmaschine geht?
Das Wort hat der Herr Ministerialdirektor Dr. Oeftering.
Dr. Oeftering, Ministerialdirektor im Bundesministerium der Finanzen: Ich nehme an, daß die Anfrage den Erlaß des Bundesfinanzministeriums vom 15. April 1952 — 4 S 51 19/15 51 — im Auge hat. In diesem Erlaß ist in der Tat ausgeführt worden, daß die bekannte Befreiungsvorschrift des § 4 Ziffer 17 des Umsatzsteuergesetzes auf die für den Rundfunk tätigen Personen nicht anwendbar sei. Dieser Erlaß und die darin zum Ausdruck gekommene Rechtsauffassung gründen sich auf ein Urteil des ehemaligen Reichsfinanzhofs vom 19. Februar 1943, in dem entschieden worden ist, daß die im Rundfunk gehaltenen Vorträge nicht in den Rahmen einer schriftstellerischen Tätigkeit fallen. Entsprechend kann nach Auffassung des Bundesfinanzministeriums die gleiche Tätigkeit eines Journalisten nicht anders beurteilt werden. Das gilt um so mehr, als der Beruf des Journalisten vom Bundestag in die Befreiungsvorschrift ausdrücklich eingefügt worden ist, weil die Grenze zwischen Schriftsteller und Journalisten nicht eindeutig zu ziehen war.
Dem Bundesfinanzministerium und der Bundesregierung ist bekannt, daß ein Urteil des Finanzgerichts Bremen vom 24. März 1953 eine andere Auffassung vertritt. Das zeigt aber nach Auffassung des Bundesfinanzministeriums nur, daß es sich hier um eine klärungsbedürftige Rechtsfrage handelt. Es dürfte wohl zweckmäßig sein — und es ist die Absicht des Bundesfinanzministeriums, es zu tun —, diese Rechtsfrage so rasch als möglich im Wege eines Musterprozesses vom Bundesfinanzhof entscheiden zu lassen.
Müller-Hermann , Anfragender: Danke!
Das Wort hat der Abgeordnete Parzinger zur Frage 21.
Parzinger , Anfragender:
Ist die Bundesregierung bereit, das Heimkehrerentschädigungsgesetz, zu dem die Referentenentwürfe des Arbeits- und Vertriebenenministeriums vorliegen, noch in der ersten Legislaturperiode dem Bundestag zur Verabschiedung vorzulegen?
Der Herr Bundesminister für Arbeit!
Die Vorlage eines Gesetzentwurfs über die Entschädigung ehemaliger deutscher Kriegsgefangener im Sinne des Beschlusses des Bundestags vom 27. November 1952 wird wegen der sich ergebenden erheblichen Schwierigkeiten in dieser Legislaturperiode nicht mehr möglich sein. Die Bundesregierung beabsichtigt aber, 10 Millionen DM zur Behebung von besonderen Not- und Härtefällen bereitzustellen.
Keine Zusatzfrage? Parzinger , Anfragender: Nein, danke.
Abgeordneter Ritzel zur Frage 22!
Ritzel , Anfragender:
Ist der Bundesregierung die widerrechtliche Verwertung des deutschen Warenzeichens ,.4711" für Kölnisch Wasser in England und in den Vereinigten Staaten von Nordamerika bekannt?
Was beabsichtigt die Bundesregierung zu tun, um im Zeichen der europäischen Verständigung der Fortsetzung dieses Mißbrauchs zu begegnen?
Ich nehme an, daß die Aufmerksamkeit des Hauses für diese Frage, die immerhin bedeutsam ist, vielleicht größer wird als bisher.
— Ich merke nichts davon.
Das deutsche Warenzeichen — —Vizepräsident Dr. Schmid: Es ist nicht die Aufgabe eines Ministers, dieses Haus zu zensieren.
Ich spreche nicht gern, wenn ich nicht gehört werde.
Dieses Schicksal müssen Sie auf sich nehmen.
Das deutsche Warenzeichen „4711" ist in Großbritannien und in den Vereinigten Staaten von Nordamerika zusammen mit den Tochterfirmen des deutschen Stammhauses auf Grund der Kriegsgesetzgebung an Dritte veräußert worden. Eine solche Veräußerung deutscher Warenzeichen im Zusammenhang mit dem Verkauf von Tochterfirmen deutscher Stammhäuser im Ausland ist in vielen
Fällen erfolgt. Das Problem der Rückgabe des Warenzeichens ist also ein über das Warenzeichen „4711" hinausgehendes allgemeines. Die um die Jahreswende erfolgte teilweise Freigabe deutscher Warenzeichen durch Großbritannien und die Vereinigten Staaten bezieht sich — wie auch die Freigabe in einigen anderen Ländern — nur auf unveräußerte deutsche Warenzeichen. Das Problem der Rückgabe deutscher Auslandswarenzeichen, die an Dritte, an Privatpersonen veräußert worden sind, wirft besondere Schwierigkeiten auf,
weil die Rückgabe der Warenzeichen nur möglich ist, wenn in das Recht des Dritterwerbers eingegriffen wird. Eine Rückgabe veräußerter deutscher Warenzeichen ist dadurch noch in keinem Staat erreicht worden, abgesehen von den Fällen, in denen sich der Dritterwerber, soweit seine Eigengesetzgebung dies zuläßt, mit dem ursprünglichen deutschen Inhaber über die Rückgabe des deutschen Warenzeichens gütlich verständigt hat.
Angesichts dieser Schwierigkeiten bemüht sich die Bundesregierung hinsichtlich der veräußerten deutschen Warenzeichen um folgende Lösungen:
erstens die Voraussetzungen zu schaffen, die einen Rückerwerb solcher Warenzeichen durch die ursprünglichen deutschen Inhaber von dem Dritterwerber im Wege der gütlichen Vereinbarung zulassen;
zweitens für den Fall, daß eine gütliche Vereinbarung nicht zustande kommt, dem deutschen Inhaber des veräußerten Warenzeichens die Möglichkeit zu verschaffen, seine Erzeugnisse, die dieses Warenzeichen tragen, wieder nach den Staaten exportieren zu können, in denen sein Warenzeichen veräußert worden ist, ohne daß dies durch den Dritterwerber des Warenzeichens verhindert werden kann.
Um dies zu ermöglichen, müssen sich der deutsche Inhaber und der ausländische Dritterwerber bei der Benutzung des Warenzeichens deutlich unterscheiden. Die Bundesregierung hat daher vorgeschlagen, daß der Dritterwerber des deutschen Warenzeichens diesem einen Zusatz beifüge, aus dem deutlich erkennbar wird, daß die Ware nicht von dem deutschen Stammhaus hergestellt worden ist. In dieser Richtung ist die Bundesregierung sowohl bei der britischen Regierung als auch bei der Regierung der Vereinigten Staaten von Nordamerika, zuletzt anläßlich des Besuches des Herrn Bundeskanzlers in den Vereinigten Staaten, vorstellig geworden. Die Erörterungen über diese Frage mit den beiden Staaten sind noch nicht abgeschlossen.
Bei dem Warenzeichen „4711", auf das sich die Anfrage bezieht, liegt insofern noch eine Besonderheit vor, als das mit diesem Warenzeichen versehene Kölnisch-Wasser nach einem Geheimrezept der deutschen Firma hergestellt wird, das niemals aus dem Besitz der deutschen Firma herausgekommen ist und daher auch den Bewerbern der Tochterfirmen in Großbritannien und in den Vereinigten Staaten von Nordamerika nicht bekannt ist. Der Gebrauch des Warenzeichens „4711" durch diese Bewerber ist daher in besonderem Maße geeignet, die Verbraucherkreise in diesen Ländern zu täuschen, da sie das mit dem Zeichen „4711" von der deutschen Firma erzeugte Produkt tatsächlich nicht in derselben Beschaffenheit herstellen können. Wegen dieser Besonderheit sind auch Zweifel aufgetaucht, ob der Gebrauch des Warenzeichens
„4711" durch die Dritterwerber mit dem Recht dieser Staaten in Einklang steht. Diese Frage kann jedoch nur vor den Gerichten dieser Staaten ausgetragen werden.
Ritzel , Anfragender: Eine Zusatzfrage!
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter!
Ritzel , Anfragender: Besteht nach Auffassung des Herrn Bundesjustizministers die Gefahr, daß entweder auf Grund des Besatzungsstatuts oder des etwaigen künftigen Generalvertrags im Interesse der Sicherheit der Besatzungstruppen dieses Geheimnis auch noch erlangt werden kann?
Das halte ich für ausgeschlossen, denn diese Verträge haben darauf ja keine Wirkung.
Ritzel , Anfragender: Ich danke, Herr Minister.
Zur Frage 23 Herr Abgeordneter Ritzel.
Ritzel , Anfragender: Ich frage die Bundesregierung:
Was beabsichtigt die Bundesregierung im Interesse des deutschen Handwerks zu tun, um
1. im eigenen Bereich und bei den Besatzungsbehörden darauf hinzuwirken, daß das System der Generalunternehmer abgebaut und durch Auftragserteilung an Arbeitsgemeinschaften von Handwerkern weitgehend ersetzt wird,
2. die Innenumsätze solcher Arbeitsgemeinschaften im Interesse der Konkurrenzfähigkeit des Handwerks von der Umsatzsteuer zu befreien?
Herr Ministerialdirektor Dr. Oeftering, bitte.
Dr. Oeftering, Ministerialdirektor im Bundesministerium der Finanzen: Wenn ich zunächst zu dem ersten Teil der Anfrage Stellung nehme, so, glaube ich, muß man unterscheiden zwischen allgemeinen Bundesbauvorhaben einerseits und den Besatzungsbauvorhaben andererseits.
Was die allgemeinen Bundesbauvorhaben anlangt, so bildet für die Vergabe dieser Bauleistungen grundsätzlich die Verdingungsordnung für Bauleistungen in ihrer neuesten Fassung von 1952 seit dem 1. Mai 1953 die Grundlage; sie besagt u. a. folgendes:
Bauleistungen verschiedener Handwerker oder Gewerbezweige sind in der Regel nach Fachgebieten oder Gewerbezweigen getrennt zu vergeben . Sämtliche zu einem Bau gehörige Leistungen sollen nur ausnahmsweise an einen Auftraggeber (den sogenannten Generalunternehmer) vergeben werden.
Dieser Grundsatz wird im Bereich der mit Bundesmitteln finanzierten allgemeinen Baumaßnahmen sorgfältig beachtet. Ergänzend soll noch in besonderen Richtlinien, die mit den zuständigen anderen Ministerien abgestimmt sind und in Kürze herausgegeben werden, bestimmt werden, daß, wenn sich die Vergabe an einen Generalunternehmer ausnahmsweise im Einzelfall etwa als zweckmäßig erweisen sollte, der Generalunternehmer in jedem Falle mindestens 50 v. H. des Wertes der Bauleistung selbst ausführen muß, um zu verhindern, daß Betriebe als Generalunternehmer auftreten, die nur untergeordnete Teile der Bauleistung ausführen oder sich an der Bauleistungsausführung überhaupt nicht beteiligen. Im übrigen spielt die Vergabe an Generalunternehmer bei diesen allgemeinen Bundesbauvorhaben keine irgendwie beachtenswerte Rolle. Alle größeren Baumaßnahmen wurden und werden regelmäßig nach Fachlosen vergeben.
Darüber hinaus laufen bereits seit geraumer Zeit Erwägungen, Bauleistungen verschiedener Handwerks- oder Gewerbezweige zusammenzufassen und hierfür die Bildung von Arbeitsgemeinschaften anzuregen und zu fördern. Hierdurch soll einerseits eine Rationalisierung der Baufertigung, verbunden mit Kosteneinsparungen, erzielt und andererseits die Beteiligung leistungsfähiger Handwerksbetriebe ermöglicht und insbesondere auch bei Großbauvorhaben intensiviert werden. Für den Bereich der Besatzungsbauvorhaben hat sich das Bundesministerium der Finanzen von jeher mit Nachdruck dafür eingesetzt, daß auch hier die deutschen Vergabegrundsätze uneingeschränkt angewandt werden. Dies gilt insbesondere in bezug auf die Vermeidung des Einsatzes von Generalunternehmern, weil gerade bei Besatzungsbaumaßnahmen besonders unerfreuliche Erscheinungen im Zusammenhang mit dem Einsatz von Generalunternehmern beobachtet werden mußten, die mit deutschen wirtschafts- und sozialpolitischen Zielsetzungen nicht in Einklang stehen.
Ein voller Erfolg der Bemühungen der Bundesregierung ist allerdings erst nach Aufhebung des Besatzungsstatuts auf diesem Gebiet zu erwarten, obwohl die ständigen Bemühungen des Bundesfinanzministeriums auch auf diesem Gebiet bereits beachtliche, wenn auch noch nicht volle, Erfolge erzielt haben.
Bei der Gestaltung der angestrebten Arbeitsgemeinschaftsbildungen werden die Belange des Handwerks selbstverständlich besonders sorgfältig berücksichtigt. Alle Verhandlungen werden nur in enger Fühlungnahme mit den beteiligten Fachverbänden geführt.
Zum zweiten Teil Ihrer Anfrage, Herr Abgeordneter, darf ich vielleicht folgendes bemerken. Die Frage der Umsatzbesteuerung der sogenannten Innenumsätze bei Arbeitsgemeinschaften wird zur Zeit eingehend geprüft, weil hiervon die Weiterentwicklung der von mir eben zu Teil 1 Ihrer Anfrage dargelegten Absichten weitgehend abhängt. Es wird hierbei unter Abwägung aller Interessen grundsätzlich angestrebt, eine solche Gestaltung der vertraglichen Beziehungen der Mitglieder solcher Arbeitsgemeinschaften untereinander und zum Auftraggeber zu formulieren, die das Problem der steuerpflichtigen Innenumsätze einerseits und die organisatorischen Gegebenheiten und Bedürfnisse der beteiligten Betriebe andererseits berücksichtigt. Ein abschließendes Ergebnis liegt zwar im Augenblick noch nicht vor, ist aber schon in Kürze zu erwarten.
Ritzel , Anfragender: Ich danke.
Keine Zusatzfrage.
Zur Frage 24 Herr Abgeordneter von Thadden.
von Thadden , Anfragender:
Wie vereinbart der Herr Bundesminister der Justiz die Verwendung von britischen Telefon-Abhörberichten bei parteiinternen Auseinandersetzungen mit dem Art. 10 des Grundgesetzes?
Der Herr Bundesminister der Justiz.
Der Art. 10 des Grundgesetzes, der das Briefgeheimnis und das Fernsprechgeheimnis festlegt, hat mit dem in der Anfrage unterstellten Tatbestand nichts zu tun. Er setzt vielmehr ausschließlich, wie alle Grundrechte, der Staatsgewalt Grenzen, sagt aber gar nichts darüber, was der einzelne zu tun oder zu unterlassen hat.
Zur Frage 25 Herr Abgeordneter von Thadden.
von Thadden , Anfragender:
Welcher Art sind die Beweise für die vom Herrn Bundeskanzler am 1. April 1953 gemachte Erklärung, Angehörige des sogenannten „Naumann-Kreises" seien vom westlichen Ausland und „sehr wahrscheinlich auch vom Osten" finanziert worden.
Der Herr Bundesminister der Justiz.
Im Verfahren gegen Naumann und andere schwebt im Augenblick das Voruntersuchungsverfahren beim Bundesgerichtshof. Es ist nicht möglich, im gegenwärtigen Zeitpunkt über Tatbestände dieser Voruntersuchung hier zu berichten. Ich werde es aber zur gegebenen Zeit, sobald ein Untersuchungsergebnis vorliegt, tun.
Die Frage 26 hat Herr Abgeordneter Ehren bis zur nächsten Fragestunde zurückgestellt.
Zur Frage 27 Herr Abgeordneter Müller-Hermann.
Müller-Hermann , Anfragender:
Ist der Herr Bundesminister für Verkehr der Meinung, daß das Personenbeförderungsgesetz von 1934 in der heute zur Anwendung kommenden Form den modernen Verkehrserfordernissen und der derzeitigen Wirtschafts- und Verkehrspolitik entspricht?
Handelt es sich bei dem neuen Personenbeförderungsgesetz, das, soweit ich unterrichtet bin, seit langer Zeit im Bundesverkehrsministerium fertiggestellt bereitliegt, nach Auffassung des Herrn Bundesministers um ein wichtiges und vordringliches Gesetz?
Aus welchem Grunde konnte es bisher dem Bundestag nicht zugeleitet werden?
Der Bundesminister für Verkehr ist der Ansicht, daß das Gesetz über die Beförderung von Personen zu Lande vom 4. Dezember 1934 in der Fassung des Gesetzes vom 6. Dezember 1937 und vom 16. Januar 1952 den heutigen Verkehrserfordernissen nicht entspricht. Ich halte deswegen ein neues Gesetz für vordringlich und wichtig. Das Gesetz ist für die Ordnung der Verhältnisse zwischen den Verkehrsträgern unbedingt erforderlich. Aus diesen Gründen hat das Bundesverkehrsministerium bereits vor mehr als zwei Jahren mit der Ausarbeitung eines solchen neuen Gesetzes begonnen. Der Entwurf wurde dem Bundeskanzleramt im August 1952 und nach erneuter Zurückverweisung wiederum im Januar 1953 zur Vorlage an das Kabinett übersandt. Leider ist die Vorlage vom Kabinett nicht verabschiedet worden,
da über einzelne Bestimmungen in sachlicher Hinsicht eine Einigung mit den Herren Bundesministern der Finanzen, für Wirtschaft und für das Post- und Fernmeldewesen nicht erzielt werden konnte. Infolgedessen konnte der Gesetzentwurf leider nicht in das Dringlichkeitsprogramm aufgenommen werden und soll daher sofort nach den Wahlen wieder eingebracht werden.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter?
Müller-Hermann , Anfragender: Sind Sie der Meinung, Herr Minister, daß man Streitfälle, die das Personenbeförderungsgesetz betreffen und die von grundsätzlicher Bedeutung und weittragenden Konsequenzen sind, bis zur Verabschiedung des neuen Personenbeförderungsgesetzes ruhen lassen sollte?
Das kann man nur von Fall zu Fall sagen. Es hängt ja davon ab, um was für Fälle es sich im einzelnen handelt, und es hängt vor allen Dingen davon ab, ob die Entscheidung darüber auf der Landesebene oder auf der Bundesebene liegt. Sie wissen, daß die Entscheidung in fast allen Fällen, auch verwaltungsstreitmäßig, auf der Landesebene liegt.
Müller-Hermann , Anfragender: Danke schön!
Meine Damen und Herren! Ich weise darauf hin. daß wir im Ältestenrat vereinbart hatten, mit Rücksicht auf eine Tagung, auf eine Sitzung des Wahlrechtsausschusses, Abstimmungen bis 12 Uhr nicht stattfinden zu lassen. Der Wahlrechtsausschuß hat sich inzwischen vertagt. Ich nehme an, daß das Haus keine Bedenken dagegen hat, daß dann Abstimmungen, die anfallen, stattfinden. Ich möchte Sie nur ordnungsmäßig darauf hingewiesen haben.
Zur Frage 28 Frau Abgeordnete Hütter.
Frau Hütter , Anfragende:
Welche Bedenken bestehen gegenüber einer vorläufigen Unterstützung nach dem Bundesversorgungsgesetz und dem Gesetz zu Art. 131 GG für Angehörige solcher von den Alliierten verurteilten Deutschen bzw. Hinterbliebenen, bei denen noch nicht festgestellt werden konnte, ob sie nach deutschem Recht verurteilt oder mit der gleichen Strafe bestraft worden wären?
Der Herr Bundesminister für Arbeit, bitte.
Der Bundesregierung sind bis jetzt verhältnismäßig wellig Fälle im Sinne Ihrer Anfrage bekanntgeworden Dem Bundesministerium für Arbeit liegen bisher 20 Fälle vor. Die Verwaltungsbehörden prüfen mit besonderer Sorgfalt, ob und inwieweit den in der Fragestellung bezeichneten Verurteilten bzw. deren Hinterbliebenen Versorgungen nach dem Bundesversorgungsgesetz oder dem Gesetz zu Art. 131 gewährt werden können. Es liegt in der Natur der Sache, daß die hierzu erforderlichen Feststellungen besonders schwierig sind, insbesondere auch deshalb, weil die Strafakten oder sonstige Unterlagen oft nicht zur Verfügung stehen.
Nach geltendem Recht oder bestehender Verwaltungsübung erhalten die Angehörigen der noch in Haft befindlichen Verurteilten in der Regel Unterhaltsbeihilfe nach dem Gesetz über die Unterhaltsbeihilfe für Angehörige von Kriegsgefangenen. In den Fällen, in denen nach den Umständen des Falles angenommen werden kann, daß eine Bestrafung nach deutschem Recht nicht eingetreten wäre, wird nach dem geltenden Recht Versorgung nach dem Bundesversorgungsgesetz gewährt. In den zweifelhaften Fällen, insbesondere in den Fällen, in denen nach allgemeinem menschlichem Gebot eine Hilfe angebracht erscheint, wird im Einvernehmen mit dem Herrn Bundesfinanzminister eine laufende Unterstützung gewährt, und zwar längstens bis zur endgültigen Klärung des Falles.
Es steht zu erwarten, daß nach Inkrafttreten des Deutschlandvertrags die dort vorgesehene Gemischte Kommission die ergangenen Urteile überprüft und daß dann endgültig eine Klärung der Versorgungsansprüche nach dem Bundesversorgungsgesetz wie auch des Personenkreises nach dem Gesetz zu Art. 131 erfolgt.
Eine Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Hütter.
Frau Hütter , Anfragende: Herr Minister, wie entscheiden Sie in den Fällen, in denen der Angehörige bereits hingerichtet worden ist und wo wir nicht wissen, ob das Urteil zu Recht bestanden hat oder nicht?
Das habe ich ja gesagt. In diesen Fällen werden die Leute auf dem Billigkeitswege nach einer Verständigung zwischen dem Arbeitsministerium und dem Finanzministerium erst einmal mit dem Notwendigsten ausgestattet, damit man nach genauer Prüfung der Sachlage die endgültige Lösung finden kann.
Frau Hütter , Anfragende: Noch eine Frage! Präsident Dr. Ehlers: Eine Frage noch.
Frau Hütter , Anfragende: Darf ich Ihnen solche Fälle, die an mich herangetragen werden, in Zukunft zur Bearbeitung übergeben?
Frau Abgeordnete, ich darf Sie darum bitten.
Zur Frage 29 Herr Abgeordneter Renner.
Renner , Anfragender:
Rede von: Unbekanntinfo_outline
„Da die vom Bund ohne Anerkennung einer Rechtsverpflichtung zur Verfügung gestellten Haushaltsmittel voraussichtlich nicht ausreichen. um einen Betrag von 5,70 DM je Person zu zahlen, und da trotz mehrfacher Rückfragen eine Garantie-Zusage für die Übernahme des eventuell zu erwartenden Mehrbetrages auf den Bundeshaushalt nicht erlangt werden konnte, kann zunächst nur ein Teilbetrag von 3,— DM je Person zur Auszahlung gelangen. Über die Auszahlung des Restbetrages bis zu 2,70 DM je Person ergeht rechtzeitig ein neuer Erlaß."?
Ist die Bundesregierung bereit, den Landesregierungen sofort eine Garantie-Zusage für die Übernahme der Gesamtausgaben für diese außerordentliche Beihilfe durch den Bund zu geben, um endlich die sofortige Auszahlung dieser außerordentlichen Beihilfe in ihrer vollen Höhe sicherzustellen?
Herr Staatssekretär Bleek vom Bundesministerium des Innern, bitte!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Der von Ihnen, Herr Abgeordneter, erwähnte Erlaß des Regierungspräsidenten in Düsseldorf ist uns nicht bekannt, da ja die Regierungspräsidenten Landesbehörden sind und deshalb der Aufsicht der Bundesbehörden nicht unterstehen. Uns ist aber ein wörtlich damit völlig übereinstimmender Erlaß des Sozialministers des Landes Nordrhein-Westfalen vom 17. Mai 1953 bekannt, auf den wahrscheinlich die erwähnte Verfügung des Herrn Regierungspräsidenten aufbaut. Der Herr Sozialminister in Düsseldorf hat sich danach offenbar noch nicht endgültig entschieden, ob die von der Bundesregierung empfohlene außerordentliche Beihilfe bis zu einer Höhe von 5.70 DM gewährt werden soll, d. h. ob er dieser Empfehlung in vollem Umfang folgen will oder nicht.
Die Bundesregierung hat seinerzeit in dem von Ihnen erwähnten gemeinsamen Erlaß des Innenministeriums, des Finanzministeriums und des Arbeitsministeriums, von dem Standpunkt ausgehend, daß der Fortfall der Konsumbrotsubventionen in zahlreichen Fällen eine Härte bedeuten werde, ohne Anerkennung einer rechtlichen Verpflichtung — die rechtliche Verpflichtung ist nach Auffassung der Bundesregierung an sich durch das Teuerungszulagengesetz abgegolten — den Landesregierungen empfohlen, bedürftigen Personen eine weitere außerordentliche Beihilfe bis zur Höhe von 5.70 DM vom Zeitpunkt des Wegfalls der Subventionen an zu zahlen, und zwar zunächst für die Dauer eines halben Jahres. Die endgültige Festsetzung der Höhe der Beihilfe und deren Auszahlung in Teilbeträgen ist den Ländern überlassen geblieben. Der Bund hat seine Empfehlung dadurch unterstützt, daß er zur Abgeltung der hiernach entstehenden Kasten den Landesregierungen 18 Millionen DM zur Verfügung gestellt hat, und zwar — ich wiederhole es — ohne Anerkennung einer Rechtsverpflichtung. Dieser Betrag ist den Ländern pauschal zur Verfügung gestellt worden.
Nach den statistischen Meldungen, die wir über die Zahl der Personen haben, denen im Jahre 1951 Weihnachtsbeihilfen zugeflossen sind, war anzunehmen, daß dieser Betrag im wesentlichen die entstehenden Aufwendungen decken werde, mindestens für den Personenkreis, für den der Bund unter Umständen verpflichtet wäre; das sind die Kriegsfolgehilfe-Empfänger.
Um nun auf den andern Teil Ihrer Anfrage zurückzukommen, Herr Abgeordneter: Der Bund hat den Ländern anheimgestellt, für den Fall, daß die Ausgaben über die zugewiesenen Pauschalbeträge erheblich hinausgehen, ihm entsprechende Unterlagen vorzulegen, auf Grund deren dann entschieden werden soll, in welchem Umfang den Ländern eventuell noch weitere Erstattungen zu gewähren sind. Es würde also darauf ankommen, ob uns derartige Anträge von den Landesregierungen, in diesem Fall von der Landesregierung Nordrhein-Westfalen, vorgelegt. werden.
Renner , Anfragender: Darf ich eine Zusatzfrage stellen?
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Renner!
Renner , Anfragender: Offensichtlich — das geht auch aus dem Erlaß hervor — ist dieser Antrag bereits an den Herrn Bundesfinanzminister gestellt worden. Man bezieht sich doch darauf, daß dieser Antrag abgelehnt worden sei.
Eine zweite Frage! Sind Sie, Herr Staatssekretär, der Auffassung, daß der Streit, ob Bund oder Länder diese Gelder decken sollen, auf dem Rücken der armen Unterstützungsberechtigten ausgetragen werden soll, denen doch die Bundesregierung in Aussicht gestellt hat, daß sie an Stelle der Konsumbrotsubventionen nun diese Brotbeihilfe bekommen sollen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, was den Betrag von 5,70 DM angeht, glaube ich, daß ein Streit zwischen Bundesregierung und Ländern, der etwa auf dem Rücken der Unterstützungsberechtigten ausgetragen werden könnte, insofern nicht besteht, als wir ja die 5,70 DM bereitgestellt haben, aber das Land Nordrhein-Westfalen sich zunächst entschlossen hat, nur den geringeren Betrag zu zahlen. Von uns aus stehen die 5,70 DM zur Verfügung. Wir haben darüber nicht zu streiten.
Die erste Frage darf ich wie folgt beantworten: ein Antrag des Landes, höhere Beträge bereitzustellen, ist mir nicht bekannt.
Zur Frage 30 Herr Abgeordneter Renner!
Renner , Anfragender:
Ist dem Herrn Bundesminister für Arbeit amtlich zur Kenntnis gebracht worden, daß erneut ein Schwerkriegsbeschädigter, der 52jährige Amtsdiener Josef Leppig aus Marktheidenfeld, auf Grund eines Vorfalles, der sich bei einer versorgungsärztlichen Nachuntersuchung abspielte, den Freitod durch Erhängen gesucht hat?
Sind dem Herrn Bundesminister die Pressemeldungen bekannt, wonach bei dieser Nachuntersuchung der untersuchende Arzt dem
Leppig, der ein Glasauge trug, in die Augen gesehen und erklärt habe: „Augen ohne Befund, Pupillen normal",
ferner, daß Leppig von diesem Vorfall dem leitenden Arzt sowie einigen beamteten Personen aus Marktheidenfeld Mitteilung gemacht hat?
Ist der Herr Bundesminister bereit, dafür zu sorgen, daß derartige Personen, die ihre ärztliche Pflicht fahrlässig und vorsätzlich verletzen, sofort aus dem versorgungsärztlichen Dienst ausgeschaltet werden?
Der Herr Bundesminister für Arbeit, bitte!
Nach einer telefonischen Mitteilung des Bayerischen Arbeitsministeriums war bei dem Schwerbeschädigten Leppig eine Erwerbsminderung von 80 % anerkannt, und zwar wegen einer Hirnverletzung. Die letzte versorgungsärztliche Untersuchung hat im Jahre 1948 stattgefunden.
Auch im Zuge der Umanerkennung im April 1951 fand eine ärztliche Nachuntersuchung nicht statt, weil sie nicht erforderlich erschien. Die Erwerbsminderung blieb also bei 80 %. Im April 1953 hat Leppig eine Kur beantragt, die ihm auch bewilligt wurde. Ihm wurde eine Begleitperson und die Fahrt zweiter Klasse mit der Eisenbahn zugebilligt. Die schriftliche Bestätigung über die Bewilligung der Kur ist noch in seine Hände gelangt. Vor etwa vier Wochen hat Leppig nach einem Betriebsausflug, von dem er gegen 1 Uhr nachts heimgekommen ist, morgens um 5 Uhr durch Erhängen seinem Leben ein Ende gemacht. Da er auf Grund seiner Hirnverletzung an epileptischen Anfällen litt, ist es wahrscheinlich, daß er die Tat in einem epileptischen Dämmerzustand begangen hat. Die ganze Begebenheit, wie sie von dem Herrn Abgeordneten hier vorgetragen worden ist, ist reine Erfindung eines Reporters.
Zur Aufklärung der Öffentlichkeit ist erstens eine gemeinsame Erklärung des Verbandes der Kriegsbeschädigten und des Versorgungsamtes Würzburg an die Presse übermittelt worden, in der die Angelegenheit ebenfalls so, wie ich sie vorhin vorgetragen habe, dargestellt worden ist. Zweitens ist seitens des bayerischen Arbeitsministeriums eine Pressemitteilung ergangen, die ebenfalls die entsprechende Berichtigung enthielt. Drittens hat der Herr Regierungsdirektor Tannheiser im bayerischen Landtag eine Berichtigung gegeben und dabei die Presse ermahnt, solche entstellenden und frei erfundenen Berichte zu unterlassen.
Ich wundere mich, Herr Abgeordneter, daß Sie mir bei diesem Tatbestand diese Frage vorgelegt haben.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Renner!
Renner , Anfragender: Die Angaben, die mich veranlaßt haben, diese Frage zu stellen, stammen aus einer bürgerlichen Zeitung, die Sie alle kennen.
— Das ist eine Frage. Da der Herr Minister mir erklärt hat, daß er sich wundere, wie ich zu dieser Fragestellung komme, darf ich doch wohl sagen, warum ich diese Frage gestellt habe.
Herr Minister, habe ich Sie richtig verstanden: Wird auf Grund des Ergebnisses einer Dienststelle des bayerischen Arbeitsministeriums behauptet, daß dieser Vorfall, der in einer bürgerlichen Zeitung gemeldet worden ist, vollkommen frei erfunden ist?
Jawohl.
Renner , Anfragender: Dann bedaure ich, meine Anfrage gestellt zu haben. Aber bei dem Tatbestand, daß im Lande Bayern in letzter Zeit mehrere derartiger Fälle vorgekommen sind,
die zugegeben werden, ist meine Anfrage doch immerhin berechtigt.
Herr Abgeordneter Renner, Sie haben keine Frage mehr? — Herr Abgeordneter Gundelach zu Frage 31.
Gundelach , Anfragender:
Ist der Herr Bundesminister der Finanzen bereit, die von der Oberfinanzdirektion Kiel, Bundesvermögens- und Bauabteilung, Außenstelle Westerland, mit Billigung des Herrn Bundesministers der Finanzen im März 1953 ausgesprochene allgemeine Mieterhöhung für die sogenannten Reichsmietwohnungen auf Sylt aufzuheben, da die neuen Mietsätze für die derzeitigen Bewohner dieser Häuser angesichts ihrer sozialen Notlage untragbar sind?
Herr Ministerialdirektor Oeftering!
Dr. Oeftering, Ministerialdirektor im Bundesministerium der Finanzen: Auf der Insel Sylt sind von der ehemaligen Wehrmacht — Luftwaffe und Kriegsmarine — seinerzeit zahlreiche Familienwohnungen errichtet worden. Diese Wohnungen wurden den Wehrmachtangehörigen zu Mietpreisen überlassen, die wesentlich günstiger waren als die ortsüblichen Mietpreise. Nach dem Kriege waren die Voraussetzungen für die Begünstigung eines bestimmten Personenkreises weggefallen. Die Mieten für die vom Reich erstellten Wohnungen mußten daher den ortsüblichen Mieten angeglichen werden. Das ist im engsten Einvernehmen mit der zuständigen Preisbehörde geschehen. Außer der Erhöhung der Grundmiete wurden die erhöhte Grundsteuer, Wassergeld usw. entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen auf die Mieter umgelegt. Die von den Mietern tatsächlich geforderten Mieten liegen übrigens auch heute noch durchweg unter den von der Preisbehörde als zulässig anerkannten Sätzen.
Von den Mietern wird auch gar nicht bestritten, daß die nun geforderten Mieten objektiv gerechtfertigt sind. Sie tragen jedoch vor, daß die Mieten in Anbetracht ihrer sozialen Lage für sie nicht tragbar seien. Dem Wunsch, die Mieten der jeweiligen individuellen sozialen Lage eines Mieters anzupassen, kann leider nicht entsprochen werden. Es ist nicht vertretbar, Zuschüsse zum Lebensunterhalt einzelner Mieter bundeseigener Wohnurigen dadurch zu leisten, daß ihnen Mietpreise zugestanden werden, die wesentlich unter den ortsüblichen Sätzen liegen.
Auch die Tatsache, daß die Bewohner ehemalige Wehrmachtangehörige sind, deren Einkommen im Einzelfall gering sein mag, bietet keine ausreichende Handhabe, auf die geforderte Mieterhöhung zu verzichten. Abgesehen von der für die ehemaligen Wehrmachtangehörigen durch die Gesetzgebung zu Art. 131 des Grundgesetzes getroffenen besonderen Regelung muß es Aufgabe der Fürsorgeverbände bleiben, in Fällen individuellen besonderen Notstands einzugreifen. Die Höhe der Miete kann niemals nach der wirtschaftlichen Lage des Mieters, sondern muß nach objektiven Gesichtspunkten, insbesondere nach dem Gesichtspunkt der Ortsüblichkeit, bemessen werden. Im übrigen ist den Mietern insofern noch besonders entgegengekommen worden, als die schon länger erforderliche Mieterhöhung erst mit Wirkung ab 1. April 1953 durchgeführt wird.
Zur Frage 32 Herr Abgeordneter Renner!
Renner , Anfragender:
Welche Gründe waren dafür maßgebend, daß die Bauarbeiten am Dienstgebäude des Auswärtigen Amts am Donnerstag, dem 21. Mai 1953, eingestellt worden sind, wodurch die 500 beim Bau beschäftigten Arbeiter brotlos wurden?
Teilt die Bundesregierung die Auffassung, die in gewissen bürgerlichen Zeitungen angedeutet worden ist, daß die Unterbrechung der Bauarbeiten auf Sabotageakte zurückzuführen ist, für die die am Bau beschäftigten Arbeiter und Angestellten angeblich verantwortlich sind?
Ist die Bundesregierung bereit, den am Bau beschäftigten Arbeitern den vollen Lohnausfall zu ersetzen, der ihnen ohne jedes eigene Verschulden durch die vorläufige Stillegung entstanden ist bzw. noch entstehen wird?
Herr Ministerialdirektor Dr. Oeftering bitte!
Dr. Oeftering, Ministerialdirektor im Bundesministerium der Finanzen: Die Beton- und Stahlbetonarbeiten beim Neubau des Auswärtigen Amtes werden von einer Arbeitsgemeinschaft ausgeführt, deren Federführung bei der Firma Heilmann & Littmann aus München liegt und in der Firmen aus dem Notstandsgebiet des Bayerischen Waldes, aus Berlin und aus den Kreisen der heimatvertriebenen Wirtschaft vereinigt sind. Die Arbeitsgemeinschaft hat den Auftrag durch die Bundesbaudirektion auf Grund einer sogenannten beschränkten Ausschreibung erhalten, in der sie das wirtschaftlichste Angebot abgegeben hatte.
Am 21. Mai 1953 ist in einem Gebäudeteil während der Betonierungsarbeiten an der Kellerdecke ein Teil dieser Decke eingestürzt. Personenschaden ist dabei nicht entstanden. Die Bundesbaudirektion hat daraufhin die sofortige Einstellung sämtlicher Betonierungsarbeiten zur Feststellung der Einsturzursachen und aus Sicherheitsgründen angeordnet. Die sofort durchgeführten Untersuchungen haben ergeben, daß der Deckeneinsturz auf vorzeitiges Entfernen von Absteifungen zurückzuführen ist. Zugezogene Sachverständige haben diese Feststellung bestätigt. Die Arbeitsgemeinschaft hat erklärt, daß seitens ihrer verantwortlichen Bauleiter keine Anordnung zur Entfernung der Absteifungen erteilt worden sei. Die beteiligten Arbeitskräfte müssen daher diese Absteifungen selbständig und wohl unüberlegt entfernt haben. Es haben sich bisher keine Anhaltspunkte ergeben, daß die Entfernung der Absteifungen im Bewußtsein der möglichen Folgen absichtlich erfolgt ist. Die abschließende Stellungnahme muß sich die Kriminalpolizei zur Zeit noch vorbehalten. Sie hat die Untersuchungsakten inzwischen vorschriftgemäß der Staatsanwaltschaft zugestellt.
Die Bundesbaudirektion hat aus Sicherheitsgründen die Wiederaufnahme der Betonierungsarbeiten von der Erfüllung bestimmter baulicher Forderungen, insbesondere von der Oberprüfung aller Schalungen und Absteifungen und von der Beseitigung der erwähnten Beanstandungen abhängig gemacht. Diese Maßnahmen sind im Gange. Die Bundesbaudirektion hat im übrigen als Auftraggeber von sich aus keinerlei Anordnungen getroffen, durch die die beim Bau beschäftigten zirka 500 Arbeitskräfte, wie es in der Anfrage heißt, „brotlos" wurden. Die getroffenen Anordnungen waren zur Durchführung der notwendigen Untersuchungen sowie zur Gewährleistung der Sicherheit unbedingt erforderlich.
Zur künftigen Vermeidung unsachgemäßer und nicht einwandfreier Verarbeitung des Betons hat die Arbeitsgemeinschaft von sich aus ungeeignete Arbeitskräfte entlassen. Daß diese Entlassungen einen gewissen Umfang hatten, dürfte darauf zurückzuführen sein, daß es sich im vorliegenden Fall um eine sehr umfangreiche Baustelle handelt. Die Arbeitsgemeinschaft hat ihre Verantwortung für die beanstandeten Mängel sowie für den eingetretenen Deckeneinsturz anerkannt. Sie muß daher auf Grund der vertraglichen Abmachungen dafür einstehen, die beanstandeten Mängel bzw. aufgetretenen Schäden kostenlos zu beseitigen. Alle in Verbindung damit entstehenden Kosten sind daher von der Arbeitsgemeinschaft zu tragen. Die Bundesbaudirektion als Auftraggeber kann den angeblich entstandenen Lohnausfall nicht ersetzen. Die Arbeitsgemeinschaft ist vielmehr auch gegenüber ihren Arbeitern für alle aus den erwähnten Vorkommnissen entstandenen Folgen selbst verantwortlich.
Zur Frage 33 Herr Abgeordneter Mehs!
Mehs , Anfragender: Ich frage:
Ist noch in dieser ersten Wahlperiode mit der Verabschiedung des Bundesentschädigungsgesetzes zu rechnen?
Dr. Oeftering, Ministerialdirektor im Bundesministerium der Finanzen: Der Entwurf eines Bundesergänzungsgesetzes zur Entschädigung der Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung ist von der Bundesregierung in der Kabinettssitzung vom 29. Mai 1953 verabschiedet und inzwischen dem Bundesrat zugeleitet worden. Um die parlamentarischen Arbeiten nach Möglichkeit zu beschleunigen, ist der Entwurf bereits Ende April dem Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht des Bundestages informatorisch übermittelt worden. Der genannte Ausschuß hat unter Mitwirkung der beteiligten Bundesressorts die erste Lesung des Entwurfs am 4. Mai aufgenommen und seitdem in sieben weiteren Sitzungen fortgesetzt.
Mehs , Anfragender: Ich danke.
Zur letzten Frage — Nr. 34 — Herr Abgeordneter Arnholz!
Arnholz , Anfragender:
Ist dem Herrn Bundesminister für Verkehr bekannt, daß durch amerikanische fahrbare Funkanlagen häufig die Richtfunkverbindung der Bundesbahn zwischen München und Nürnberg gestört wird, so daß sie zeitweilig abgeschaltet werden muß?
Welche Schritte hat der Herr Bundesminister unternommen, damit diesem unerträglichen Übelstand abgeholfen wird?
Der Bundesminister für Verkehr, bitte!
Von häufigen Störungen der Richtfunkverbindung München-Nürnberg ist nichts bekanntgeworden. Wie mir die Hauptverwaltung der Deutschen Bundesbahn mitteilt, sind nur in der Zeit vom 2. bis 15. April Störungen dadurch aufgetreten, daß durch Änderung der Frequenz eine Überlagerung mit einem amerikanischen Solgatensender eintrat. Durch nochmalige Frequenzänderung wurde der Überlagerung ausgewichen. Seitdem sind neue Störungen nicht mehr aufgetreten.
Damit, meine Damen und Herren, ist die Fragestunde beendet.
Ich rufe auf den Punkt 2:
Beratung des Antrags der Fraktionen der
CDU/CSU, FDP DP, FU betreffend
Einberufung des Vermittlungsausschusses zum
Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des
Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, diesen Antrag ohne Begründung und ohne Aussprache zur Erledigung zu bringen. Ich komme zur Abstimmung über den Antrag Drucksache Nr. 4403. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Das erste ist die Mehrheit; der Antrag ist angenommen.
Ich rufe auf:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über den Finanzausgleich unter den Ländern in den Rechnungsjahren 1953 und 1954 ; Mündlicher Bericht des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen (11. Ausschuß) (Nr. 4354 der Drucksachen).
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Dr. Gülich. Ich bitte ihn, das Wort zu nehmen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bedaure sehr, Ihnen keinen Schriftlichen Bericht erstattet zu haben, was angesichts dieser Materie wohl angebracht wäre. Es ist aber notwendig, die Motive des Gesetzgebers festzuhalten und die Änderungen, die der Ausschuß teils auf Vorschlag des Bundesrats beschlossen hat und die teils redaktioneller Natur sind, hier bekanntzugeben. Ich muß deshalb leider mündlich berichten.
Dieser Finanzausgleichsgesetzentwurf ist der dritte seit Bestehen des Bundestages. Die erste Regelung erfolgte nur für das Rechnungsjahr 1950 und datiert vom 16. März 1951, die zweite Regelung vom 8. Oktober 1952 für die Rechnungsjahre 1951 und 1952, und der vorstehende Gesetzentwurf über den Finanzausgleich unter den Ländern umfaßt die Rechnungsjahre 1953 und 1954. Diese Regelung wird mutmaßlich die letzte dieser Art sein, weil ja nach der von uns vorgenommenen Änderung des Grundgesetzes die Neuverteilung der Steuern nach Art. 107 des Grundgesetzes bis zum 31. Dezember 1954 zu erfolgen hat. Diese Neuverteilung wird dann, wie wir hoffen, den Finanzausgleich nach Art. 106 Abs. 4 überflüssig machen.
Die Grundsätze des Finanzausgleichs sind nach dem vorliegenden Gesetzentwurf etwa die gleichen wie in den Rechnungsjahren 1950 bis 1952. Die Finanzkraft der Lander wird repräsentativ errechnet aus ihren Einnahmen aus Landessteuern und den Realsteuern der Gemeinden, wobei bei den Realsteuern nicht die tatsächlichen Hebesätze zugrunde gelegt werden. Vielmehr werden, weil die Gemeinden sehr unterschiedliche Hebesätze haben, einheitliche Hebesätze angesetzt, die insgesamt als für die Gemeinden zumutbar angesehen werden können. Von der so ermittelten Steuerkraft der Länder und Gemeinden, die für 1953 mit 11 081 Millionen DM angesetzt worden ist, werden bestimmte Lasten abgezogen, die wegen ihrer überregionalen Bedeutung und wegen ihrer unterschiedlichen Höhe von den Ländern gemeinsam zu tragen sind. Für 1953 sind dies die Anteile der Länder an der Kriegsfolgenhilfe — geschätzt mit 127 Millionen DM —, die Kriegszerstörungslasten und die mittelbaren Flüchtlingslasten mit je 300 Millionen DM, die Zinslasten der Ausgleichsforderungen - geschätzt mit 371 Millionen DM —, die Hochschullasten mit 80 Millionen DM, die Lasten der Dauerarbeitslosigkeit mit 40 Millionen DM und die Hafenlasten der Hansestädte mit 50 Millionen DM, zusammen also 1268 Millionen DM, die von der eben genannten Summe von 11 081 Millionen DM abgezogen werden, so daß sich dann die für den Finanzausgleich maßgebliche Finanzkraft der Länder in Höhe des Schätzungsbetrages von 9813 Millionen DM ergibt.
Für die Frage, ob und in welchem Maße ein Finanzausgleich unter den Ländern notwendig ist, wird die Finanzkraft der einzelnen Länder an der durchschnittlichen Finanzkraft aller Länder in der Form gemessen, daß die Finanzkraft der Länder je Einwohner errechnet wird. Hierbei wird aber nicht von der tatsächlichen Einwohnerzahl ausgegangen, sondern von einer sogenannten veredelten Einwohnerzahl, weil der zusammengefaßte staatliche und kommunale Finanzbedarf in Gebieten mit starker Einwohnerballung — das trifft also für die Hansestädte und für die großen Städte im Ruhrgebiet zu - je Einwohner höher ist als in anderen Gebieten. Vor Jahrzehnten sprach man vom „kanalisierten
Einwohner". Nach dieser Methode ergeben sich nun als finanzschwache Länder Schleswig-Holstein mit einer Finanzkraft von 22 v. H., Rheinland-Pfalz mit einer Finanzkraft von 77 v. H., Niedersachsen mit einer Finanzkraft von 79 v. H. und Bayern mit einer Finanzkraft von 88 v. H. Auf der anderen Seite stehen die finanzstarken Länder Baden-Württemberg mit einer Finanzkraft von 120 v. H., Nordrhein-Westfalen mit 118 v. H. und Hessen mit 108 v. H. Das sind sieben Länder, wir haben aber neun. Die Hansestädte, die in den Vorjahren zu den finanzstarken Ländern gehörten, besitzen nach der Vorausberechnung für 1953 nur noch die Finanzkraft von etwa 100 v. H., ein Ergebnis, das sich bei Hamburg vor allen Dingen daraus erklärt, daß Hamburg in Anwendung des Gesetzes über die Steuerberechtigung und die Zerlegung der Einkommen- und Körperschaftsteuer etwa 65 bis 70 Millionen DM abführen muß. Bei Bremen erklärt es sich aus einem Zurückbleiben in der Steigerung der Steuereinnahmen. Die Tatsache, daß diese beiden bisher außerordentlich wohlhabenden Länder jetzt aus dem Finanzausgleich überhaupt ausgeschieden sind, hat das besondere Interesse des Ausschusses erregt; ein Mitglied des Ausschusses bezeichnete diese Tatsache geradezu als die Delikatesse des Finanzausgleichs.
Was das System des Finanzausgleichs anbelangt, so war sich der Ausschuß über gewisse Mängel einig, die in dem Ansatz der Steuereinnahmen begründet sind, in der unterschiedlichen Erfassung der Steuereinnahmen durch die verschiedenen Länderfinanzverwaltungen und ebenfalls in der Tatsache, daß die Intensität der Erhebung und Beitreibung, die Behandlung der Zahlungsrückstände, die Praxis der Steuererlasse in den einzelnen Ländern sehr ungleich ist. Bei den Realsteuereinnahmen werden gewisse Unterschiede, die sich aus der ungleichen Einheitsbewertung ergeben, wie-in den Vorjahren korrigiert, um eine Benachteiligung von Baden-Württemberg und der Gebiete des früheren Landes Hessen zu vermeiden.
In der Beratung des Gesetzentwurfs durch den Finanz- und Steuerausschuß wurden noch Bedenken erhoben gegen das Ausmaß der Einwohnerveredelung und gegen die Anrechnung der Hafenlasten der Hansestädte. Ich sagte schon, daß die Einwohnerveredelung sich in der Form, wie sie hier vorgenommen wird, für die Hansestädte besonders günstig auswirkt. Der Ausschuß hat die Frage erörtert, ob er eine Änderung dieser Einwohnerveredelung vorschlagen sollte. Er hat mit Rücksicht darauf, daß dies mutmaßlich der letzte Finanzausgleichsgesetzentwurf ist, von solchen Vorschlägen abgesehen.
Bezüglich der Hafenlasten der Hansestädte ergeben sich zwei interessante Abweichungen von der bisherigen Praxis. Die Hafenlasten der Hansestädte sind für Hamburg von 22 Millionen DM im Jahre 1950 auf 36 Millionen DM im laufenden Rechnungsjahr und für Bremen von 13 Millionen DM auf 14,3 Millionen DM erhöht worden. Der Ausschuß hat die Frage geprüft, weshalb nur die Überseehäfen Hamburg und Bremen, nicht aber die anderen Nordseehäfen, die Binnenhäfen und die Ostseehäfen berücksichtigt worden sind. Mit Rücksicht auf die große überregionale Bedeutung und den besonders hohen Zuschußbedarf für Hamburg und Bremen hat sich der Ausschuß aber nicht entschließen können, eine Änderung vorzuschlagen.
Der Ausschuß hat auch zugestimmt — und das ist die zweite interessante Abweichung —, daß ent-
sprechend der zunehmenden Bedeutung der Häfen und im Hinblick auf die Schwächung der Finanzkraft der Hansestädte — insbesondere Hamburgs durch das Zerlegungsgesetz — '75 v. H. statt bisher 50 v. H. des Zuschußbedarfs der Häfen als Ausgleichslast angerechnet werden.
Bei der Berechnung der Finanzkraft der Länder mag es überraschend sein, daß Baden-Württemberg auch nach dem Zusammenschluß mit Baden und Württemberg-Hohenzollern, die ehemals finanzschwach waren, über der Finanzkraft von Nordrhein-Westfalen liegt und daß die Hansestädte eben nur die durchschnittliche Finanzkraft der Länder erreichen, obwohl bekannt ist, daß gerade Hamburg, überhaupt die Hansestädte, umfangreiche Aufwendungen zum Wiederaufbau ihrer Städte und zum Ausbau der Hafenanlagen machen konnten. Aber — und das ist wesentlich für die Beurteilung des Gesetzentwurfs — der Finanzausgleich dient ja immer nur dem Ausgleich des laufenden Rechnungsjahres. Er nimmt keine Rücksicht darauf, daß einzelne Länder — so Nordrhein-Westfalen und die Hansestädte — gute Jahre hinter sich haben, während andere Länder für die hohen Lasten der Vergangenheit nur eine einmalige Entschädigung von 250 Millionen DM in Kap. II des Finanzausgleichsgesetzes für die Jahre 1951 und 1952, das wir am 8. Oktober 1952 hier verabschiedet haben, bekommen. Der Finanzausgleich abstrahiert ferner von allen sonstigen Besonderheiten der Länder; er hält sich nur an Tatbestände, die möglichst objektiv feststellbar sind.
Nun noch ein Wort zu den Finanzmassen, die in den einzelnen Jahren im Wege des Finanzausgleichs bewegt worden sind. Im Rechnungsjahr 1950, in dem die Finanzkraftunterschiede besonders groß waren, sind im Finanzausgleich insgesamt 278 Millionen DM bewegt worden. Nach dem Wegfall von rund 1 Milliarde DM Interessenquote durch das Zweite Gesetz zur Überleitung von Lasten und Deckungsmitteln auf den Bund konnte der Finanzausgleich für 1950 eingeschränkt werden, da der Wegfall der Interessenquote eine erhebliche Entlastung der finanzschwachen Länder und eine stärkere Inanspruchnahme von Steuermitteln der finanzstarken Länder durch den Bund zur Folge hatte. Deshalb wurde in der gesetzlichen Regelung für die Jahre 1951 und 1952 der Ausgleich dahin eingeschränkt, daß nur die Länder ausgleichspflichtig sind, deren Finanzkraft 105 v. H. der durchschnittlichen Finanzkraft übersteigt, und nur die Länder Zuweisungen erhielten, deren Finanzkraft 90 v. H. der durchschnittlichen Finanzkraft nicht erreichte. Danach wurden im Rechnungsjahr 1951 insgesamt 173 Millionen DM ausgeglichen. Im Rechnungsjahr 1952, dessen Rechnungen noch nicht abgeschlossen sind, sind vermutlich 197 Millionen DM auszugleichen.
Durch den Vollzug des Finanzausgleichs 1952 ergeben sich nun, verglichen mit den früheren Jahren, sehr interessante Veränderungen in der Finanzkraft der Länder. Nach Vollzug des Finanzausgleichs 1952 wird die Finanzkraft Schleswig-Holsteins von 53 auf 76 %, die Finanzkraft Niedersachsens von 78 auf 83 % und die Finanzkraft von Rheinland-Pfalz von 80 auf 84 % gehoben, während auf der anderen Seite Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg eine Finanzkraft von 112 und 114 v. H. behalten. Die Finanzkraftunterschiede sind also immer noch erheblich. Die Ausgleichsmasse bildet nur 1,8 v. H. der Steuerkraft der Länder insgesamt oder 2,9 v. H. der Steuerkraft der ausgleichspflichtigen Länder und 5,3 v. H. der Steuerkraft der ausgleichsberechtigten Länder.
Hierzu muß ich noch ein paar Zahlen nennen, die zeigen, wie stark die Streuungen insbesondere innerhalb der ausgleichsberechtigten Länder sind. Für die Regelung des Finanzausgleichs 1953 und 1954 hat der Bundesrat dem Bundestag den Gesetzentwurf mit einem Änderungsvorschlag zugehen lassen, der die Zustimmung der ausgleichspflichtigen Länder und Schleswig-Holsteins außer Hessen gefunden hat. Zur Abgeltung der von der Bundesregierung im Zusammenhang mit der Erhöhung des Bundesanteils im Teil 2 des Gesetzes zur Sicherung der Haushaltsführung vorgesehenen Überweisung von 200 Millionen DM für Schulzwecke an die finanzschwachen Länder und Hessen hat der Bundesrat den Vorschlag gemacht — und der Finanzausschuß hat dem zugestimmt —, daß diese 200 Millionen DM wegfallen sollen und daß statt dessen zugunsten von Schleswig-Holstein der Sonderbonus, der bisher mit 10 Millionen DM für Schleswig-Holstein im Gesetzentwurf stand, um 20 Millionen DM auf 30 Millionen DM verbessert wird.
Hierfür sollen 39 v. H: statt bisher 35 v. H. der die 105 % der Ausgleichsmeßzahl übersteigenden Finanzkraft beigesteuert werden. Die Bundesregierung hat gegen diesen Vorschlag keine Bedenken erhoben, weil die Bemessung der Beiträge und Zuschüsse als eine Angelegenheit betrachtet wird, die die Länder in erster Linie unter sich zu regeln haben. Für Schleswig-Holstein, das finanzschwächste Land, hat die Verstärkung des Finanzausgleichs den Vorzug, daß seine Finanzkraft nunmehr auf 80 v. H. der durchschnittlichen Finanzkraft der Länder gehoben werden soll, was gegenüber 76 v. H. und im Jahre vorher 53 v. H. eine erhebliche Verbesserung darstellt.
Als Ausgleichsmasse sind nach der Vorausberechnung für 1953 227 Millionen DM gleich 2 % der Steuerkraft der Länder erforderlich. Im einzelnen sollen Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg etwa 4 % ihrer Einnahmen aus Landessteuern und aus den Realsteuern der Gemeinden abgeben, während die finanzschwachen Länder ihre Steuereinnahmen einschließlich der Realsteuern der Gemeinden um folgende Beträge erhöht sehen: Bayern um 7,4 Millionen DM oder 0,4%, Niedersachsen um 54,7 Millionen DM oder 4,6%, Rheinland-Pfalz um 30,3 Millionen DM oder 5,8 %, SchleswigHolstein um 135 Millionen DM oder 41,5 %.
Ähnliche Unterschiede zeigen die Finanzausgleichszahlen im Vergleich zu den Summen der ordentlichen Haushalte der Länder. Diese sind aber wegen der unterschiedlichen Abgrenzung von ordentlichem und außerordentlichem Haushalt, wegen der unterschiedlichen Aufgabenverteilung zwischen Land und Gemeinden und wegen verschiedener Verrechnungsmethoden nicht unmittelbar vergleichbar.
Zusammenfassend kann festgestellt werden, daß der Finanzausgleich unter den Ländern von den finanzstarken Ländern trotz der Erhöhung der Ausgleichsmasse mit einem relativ geringen Opfer an Steuereinnahmen aufgebracht wird. Nur die Zuweisungen für Schleswig-Holstein sind absolut und relativ sehr erheblich. Dagegen erhalten RheinlandPfalz und Niedersachsen Zuweisungen, die zwar
absolut bedeutend, aber relativ sehr gering sind. Für Bayern ist eine Zuweisung von 7 Millionen bei einem Haushaltsvolumen von 2200 Millionen gleich 0,4 % tatsächlich sehr unerheblich, wie ich bereits ausgeführt habe. Bayern fordert aber ebenso wie die anderen finanzschwachen Länder eine Verstärkung des Finanzausgleichs auch zu seinen Gunsten, da Finanzkraftunterschiede von 80 bis 114 % um so weniger tragbar sind, je stärker die Haushaltslage der Länder durch die Inanspruchnahme der Einkommen- und Körperschaftsteuer seitens des Bundes und durch die Besoldungserhöhung eingeengt wird. Die Leistung von Investitionen aus Steuermitteln ist nur den finanzstarken Ländern möglich, während die finanzschwachen Länder um den Ausgleich des laufenden Haushalts bemüht sind.
Da der horizontale Finanzausgleich in erster Linie eine Aufgabe der Länder darstellt und in der gegenwärtigen Form, wie ich eingangs sagte, mit dem Rechnungsjahr 1954 voraussichtlich auslaufen wird, könnte der Bundestag etwaige Bedenken gegen einzelne Regelungen zurückstellen. Das Problem verdient aber weiter aufmerksam verfolgt zu werden, da mit der Neuverteilung der Steuerquellen nach Art. 107 des Grundgesetzes auch eine materielle Regelung des Finanzausgleichs unter den Ländern angestrebt werden muß.
Ich glaube, daß ich die einzelnen Änderungen, die in der Drucksache Nr. 4354 zur Beschlußfassung vorliegen, nicht zu begründen brauche, weil ich die Begründung in genereller Form für das ganze Gesetz vorgenommen habe. Das Kernproblem des Finanzausgleichs ist ja die Frage, in welchem Maße die Finanzkraftunterschiede der einzelnen Länder ausgeglichen werden können. Das ist aber eine Frage der Finanzpolitik, die im Augenblick nicht zur Diskussion steht.
Der Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen empfiehlt einstimmig dem Hause die Annahme des Gesetzentwurfs mit den Änderungen, die sich aus den Beschlüssen des Ausschusses gemäß Drucksache Nr. 4354 ergeben.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. — Ich eröffne die Aussprache in der zweiten Beratung. Es ist nur ein einziger Änderungsantrag angemeldet, und zwar zu § 5. Wer begründet ihn? — Das Wort hat Herr Abgeordneter Renner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben uns diesen § 5 des Gesetzentwurfs herausgegriffen, um an ihm die Unzulänglichkeit der Regelung, wie sie in der Vorlage vorgesehen und im Ausschuß einstimmig beschlossen ist, aufzuzeigen. Der Herr Berichterstatter hat zu dem Problem der Realsteuereinnahmen der Gemeinden zwar gesagt, daß die derzeitigen Hebesätze in den Gemeinden zum Teil wesentlich niedriger seien. Aber er hat gesagt, daß die in der Vorlage enthaltenen höheren Sätze zumutbar seien — ich muß annehmen: nach Meinung des Ausschusses zumutbar seien.
Man muß meines Erachtens aus diesem § 5 einen anderen Schluß ziehen. In Abs. 1 des § 5 heißt es:
Als Realsteuereinnahmen der Gemeinden eines Landes gelten die Grundbeträge der Grundsteuern und der Gewerbesteuer mit folgenden Ansätzen.
Und nun erfolgt hier eine Erhöhung der Sätze, die wesentlich über den derzeitigen Stand hinausgeht. Mit diesem Paragraphen — das ist unsere Auffassung — will die Bundesregierung die Erhöhung der Hebesätze der Realsteuern in den Gemeinden erreichen. Es soll also nicht nur ein Errechnungsmodus geschaffen werden, sondern nach unserer Auffassung soll das ein starker Druck auf die Gemeinden sein, im Sinne und im Rahmen dieser neuen Zahlen die derzeitigen niedrigeren Hebesätze zu erhöhen.
Wenn in dem Gesetz z. B. festgelegt wird, daß 150 v. H. des Aufkommens der Grundsteuer von land- und forstwirtschaftlichen Betrieben zu der Finanzkraftmeßzahl des Landes gerechnet werden sollen, dann heißt das, daß diese Steuern im Land mindestens 150 v. H. betragen müssen. Nach dem Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Nordrhein-Westfalen vom 23. Januar 1953 sollen die Realsteuersätze bei land- und forstwirtschaftlichen Betrieben in Gemeinden bis zu 2000 Einwohnern 110 v. H., von 2000 bis 25 000 Einwohnern 110 v. H. und in Gemeinden mit mehr als 25 000 Einwohnern 120 v. H. betragen. Diese Steuerhebesätze sollen jetzt nach § 5 Abs. 1 dieses Gesetzentwurfs auf mindestens 150 v. H. erhöht werden. In Hessen — um ein anderes Land zu zitieren — beträgt der von der Regierung geforderte Hundertsatz für land-und forstwirtschaftliche Betriebe ebenfalls nur 120 v. H.
Die Auswirkung dieser Änderung kann man besonders klar erkennen, wenn man weiß, daß das Hauptaufkommen dieser Steuern in Gemeinden bis zu 5000 Einwohnern liegt, also in diesen relativ kleinen Gemeinden aufgebracht wird. Es sind aber im Bundesgebiet ganze 23 000 und einige zehn Gemeinden, in denen insgesamt weniger als 19 872 Einwohner leben.
Die unter Ziffer 2 genannten vom-HundertSätze übersteigen ebenfalls teilweise die Durchschnittssätze in den Ländern Hessen und Nordrhein-Westfalen und werden ohne Zweifel eine dieser Aufgliederung entsprechende Verordnung der Landesregierung nach sich ziehen, nach der die Gemeinden gezwungen werden, ihre Hebesätze den vorgeschlagenen Bundessätzen in diesem Gesetzentwurf mindestens anzupassen. Wir sind der Auffassung, daß das vermieden werden muß. Wir sind der Auffassung, daß die Realsteuer-Hebesätze der Gemeinden in Anbetracht der schweren finanziellen Situation der Aufbringungspflichtigen nicht erhöht werden dürfen. Darum stellen wir diesen Antrag.
Wir sind in dieser unserer Auffassung bestärkt worden; erfreulicherweise darf ich mich diesmal wieder auf ein prominentes Mitglied dieses Hauses aus der Mitte — oder vielleicht etwas mehr nach rechts — beziehen, auf den Herrn Abgeordneten Dresbach. Als wir im Frühjahr dieses Jahres den Etat der Gemeinde Essen für 1953 verabschiedet haben, hat der Herr Kollege Dresbach in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer der Industrie- und Handelskammer Essen den Stadtverordneten von Essen eine große Eingabe, ein Gutachten, zugeschickt. Das war sehr interessant. In diesem Gutachten steht sinngemäß, daß die derzeitigen Hebesätze für Handwerk und Wirtschaft untragbar hoch seien. Aber es steht auch darin — in echter christlicher Unterordnung unter die Politik des Herrn Schäffer —, daß man in diesem Jahre noch davon
Abstand nehmen wolle, eine Senkung der derzeitigen Hebesätze zu fordern. Also der Tatbestand, daß die Hebesätze allgemein als zu hoch angesprochen werden, wird auch von Herrn Kollegen Dresbach als richtig anerkannt. Trotzdem, Herr Dresbach: Als ich in Essen in der Stadtverordnetenversammlung mich auf Ihr Gutachten bezog, habe ich ausgesprochen: „Das ist zwar sehr schön, daß der Herr Kollege Dresbach in diesem Jahr noch verzichten will. Aber der Herr Dresbach" — so habe ich damals, nachzulesen im Protokoll, gesagt —, „der wird auch im kommenden Jahr darauf verzichten müssen, die Hebesätze zu diesen Steuern in der Gemeinde herabzusetzen." Das ist force majeure, Herr Dresbach. Ihren guten Willen in der Gemeinde unterstelle ich sogar einmal. Aber Ihr guter Wille wird dominiert durch die bösen Absichten des Herrn Finanzministers. Der braucht Geld.
Und weil er Geld braucht, müssen in den Gemeinden die kleinen Handwerker und Mittelstandsleute ihre Hoffnung sinken lassen, daß es zu einer Senkung der Hebesätze bei diesen Realsteuern kommen wird. Gerade dieser § 5 beleuchtet die Zwiespältigkeit der Politik der Regierung. Aber darüber noch einige abrundende Worte bei der dritten Beratung.
Wir haben also den Antrag gestellt, den § 5 zu streichen.
Wird zu diesem Änderungsantrag das Wort gewünscht? Offenbar nicht. Ich lasse abstimmen. Wer für den Änderungsantrag ist, der dahin geht, § 5 zu streichen, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Gegen die Stimmen der Antragsteller abgelehnt.
Weitere Änderungsanträge? Wortmeldungen zu den einzelnen Bestimmungen? — Keine. Dann rufe ich auf §§ 1 bis 27, Einleitung und Überschrift. Wer für die Annahme dieser Bestimmungen ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? —
— Gegen Enthaltungen angenommen.
Damit ist die zweite Beratung abgeschlossen. Ich eröffne die
dritte Beratung
und die allgemeine Aussprache. Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, sich mit einer Gesamtaussprachezeit von 60 Minuten begnügen zu wollen. Wortmeldungen für die allgemeine Aussprache? — Herr Abgeordneter Renner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Berichterstatter hat uns zwar gesagt, im Laufe des nächsten Jahres könne damit gerechnet werden, daß der längst fällige echte Finanzausgleich zwischen Bund, Ländern und Gemeinden eintreten werde und daß das die letzte Vorlage im Sinne eines horizontalen Finanzausausgleichs sei. Aber auch die Tatsache, daß die Herren Minister der Länder im Bundesrat dieser vorgeschlagenen Regelung zugestimmt haben, schafft die Auswirkungen nicht aus der Welt, die dieses Gesetz wieder nach unten auf die Gemeinden haben wird. Die Länder sind schon in den letzten Jahren immer mehr in den beklagenswerten Zustand hinabgedrängt worden, Kostgänger des Bundes zu sein. Welchen Respekt der Herr Bundesfinanzminister gegenüber den Rechten der Länder hat, das ging sehr eindeutig aus seiner kürzlichen Drohung — verfassungsbrecherischen Drohung — hervor, die Bundeszuweisungen — die sogenannten freiwilligen Zuweisungen, wie er es nannte, was von den Ländern heftig bestritten worden ist — an die Länder zu sperren.
Was ist nun die Auswirkung dieses Gesetzes? Das Gesetz hilft den finanzschwachen Ländern nicht in dem wünschenswerten Ausmaß. Das Gesetz bringt aber für die sogenannten finanzstarken Länder beachtliche Belastungen, die bis an den Betrag von 200 Millionen DM im Jahre herankommen. Also man macht ein Gesetz, das nach der Seite der Schwachen unzureichend ist und das nach der Seite der Finanzstarken eine immerhin außerordentlich beachtliche Verschlechterung der finanziellen Lage nach sich ziehen wird.
Nun ist doch die Finanzlage der Länder, die Sie als finanzstark ansprechen, keineswegs so glänzend, daß diese finanzstarken Länder in der Lage sind, die notwendigen Finanzzuweisungen nach unten zu lenken, um den Gemeinden die Durchführung ihrer sozialen und kulturpolitischen Maßnahmen zu ermöglichen. Die Gemeinden stöhnen in den finanzstarken u n d in den finanzschwachen Ländern gleichermaßen über den Tatbestand, daß sie von den Ländern immer mehr in die Rolle des Letzten, den die Hunde beißen, versetzt werden. Für die Gemeinden ist nichts mehr übrig, und was Sie hier machen, ist genau dasselbe. Die Konsequenz wird sein, daß die Länder nun ihrerseits nach unten drücken und den Finanzausgleich verschlechtern. Wie ich das an § 5 bewiesen habe, werden die Gemeinden ihrerseits dazu gezwungen und werden dazu übergehen, die Zuschläge für die Realsteuern zu erhöhen.
Was Sie hier machen, ist ein Tropfen auf einen heißen Stein, eine vollkommen unzureichende Lösung des Problems. Warum schaltet sich der Bund nicht ein und beteiligt sich an diesem Finanzausgleich zugunsten der finanzschwachen Länder? Aber auch damit ist das Kernproblem nicht gelöst. Warum haben wir denn überhaupt finanzschwache Länder im Bundesgebiet? Die haben wir doch nur auf Grund der Gesamtpolitik, die Sie machen.
Ich will Ihnen einige Zahlen nennen. Wir haben uns in der vorvorigen Woche über den Ausgleich der Notzustände unterhalten, die im Grenzgebiet entstanden sein sollen oder entstanden sind. Da hat ein Kollege von der SPD darauf hingewiesen, daß in Bayern systematisch in den Grenzgebieten die Industrieanlagen abgezogen werden. Am Tag darauf stand in der „Welt" ein Artikel, daß im Lande Niedersachsen 700 000 qm Industriegebäulichkeiten leerstehen, weil die Unternehmen alle hinter die Pulverlinie verlagert worden sind. Also Ihre Politik der Aufrechterhaltung der Spaltung Deutschlands, Ihre Politik der Verhinderung, der Behinderung und der Einschränkung des innerdeutschen Handels ist in der Hauptsache die Ursache dafür, daß wir — in den Grenzgebieten vor allem — die finanzschwachen Länder haben. Solange Sie diese Politik nicht beseitigen, solange Sie nicht eine wirklich deutsche Politik betreiben, eine Politik der Verhinderung dieser Adenauerschen-amerikanischen Politik der Kriegsvorbereitung, werden Sie in Westdeutschland neben gewissen etwas besser dotierten Ländern eine Reihe von finanzschwachen Ländern behalten. Daß sie schwach sind, ist die Folge Ihrer Politik, und diese versuchen Sie in der von mir aufgezeigten Form
auszugleichen. Deshalb sind wir nicht in der Lage, diesem Gesetz unsere Zustimmung zu geben. Wir werden uns bei der Abstimmung der Stimme enthalten.
Weitere Wortmeldungen in der allgemeinen Aussprache? — Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Meitinger.
Verehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das vorliegende Finanzausgleichsgesetz bringt uns wiederum einen horizontalen Finanzausgleich. Dieser weist erhebliche Mängel auf. In § 5 sind die Grundlagen für das Aufkommen der Gemeinden, angefangen von den kleinen Gemeinden bis zu den größten, mit Differenzbeträgen von je 115% Unterschied gestaffelt, und ebenso ist in § 15, der die Zuweisungen des Bundes bzw. der Länder an die Gemeinden behandelt, ein Schlüssel festgelegt worden mit einem Unterschied von 160 % zuungunsten der Gemeinden, gestaffelt von den großen Gemeinden nach den kleinen Gemeinden. Die kleineren Gemeinden, insbesondere die landwirtschaftlich orientierten, sind dadurch doppelt benachteiligt, einerseits bezüglich des Aufkommens, andererseits bezüglich der Schlüsselzuweisungen seitens des Bundes bzw. der Länder.
Wenn man von dem Grundsatz ausgeht, daß der Bund genau so steuerkräftig sein muß wie die kleinste Gemeinde, dann sieht man, daß dieser horizontale Finanzausgleich für Bayern als ein Land mit überwiegender Landwirtschaft nicht tragbar ist. Insofern ist es interessant, festzustellen, daß dieser horizontale Finanzausgleich uns nur Zuweisungen in Höhe von 7,4 Millionen DM bringt, während wir beim vertikalen Finanzausgleich an Einkommen- und Körperschaftsteuer bei Zugrundelegung einer Abgabe an den Bund in Höhe von 38% 608 Millionen DM abführen müssen. Diese Art des Finanzausgleichs führt dazu, daß die Selbstverwaltungskörper der Auflösung entgegengetrieben werden und die Finanzkraft der Länder weiter ausgehöhlt wird. Wenn wir diese Art des horizontalen Finanzausgleichs weiter betreiben, bedeutet das, daß die Länder zu Provinzen herabgewürdigt werden und die Selbstverwaltungskörper allmählich verschwinden.
Wir behalten uns vor, bei der Einzelberatung zu § 15 einen Änderungsantrag dahingehend einzubringen, daß es in § 15 nach den Worten „je Einwohner gewertet" heißen muß: „die ersten 20 000 Einwohner einer Gemeinde mit 115 vom Hundert"; im übrigen verbleibt es bei dem Wortlaut des Paragraphen.
Weitere Wortmeldungen zur allgemeinen Aussprache? — Offenbar keine. Ich schließe die allgemeine Aussprache.
Wir gehen über zur Einzelberatung. Herr Abgeordneter, Sie wollen zu § 15 einen Antrag stellen?
— Dann tun Sie das bitte. Sie brauchen ihn nicht besonders zu begründen, da Sie ihn soeben schon ausgiebig besprochen haben, aber Sie müssen ihn schriftlich überreichen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bringe folgenden Änderungsantrag ein:
In § 15 muß es nach den Worten „je Einwohner gewertet" heißen: „die ersten 20 000 Einwohner einer Gemeinde mit 115 vom Hundert, die weiteren 80 000 Einwohner .... "
und dann weiter, wie es in dem Paragraphen heißt.
Das ist Ihr Antrag?
Ich frage, ob 15 Mitglieder des Hauses diesen Antrag unterstützen. — Eins, zwei, drei, vier, fünf, sechs, — das scheint alles zu sein.
Ich kann über diesen Antrag nicht abstimmen lassen; es fehlt ihm die erforderliche Unterstützung. Weitere Änderungsanträge liegen nicht vor.
Dann rufe ich auf die §§ 1 bis 27, Einleitung und Überschrift. Wer für die Annahme dieser Bestimmungen ist, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei einigen Enthaltungen angenommen.
Wer für die Annahme des Gesetzes im ganzen ist, den bitte ich, sich von seinem Platz zu erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das Gesetz ist bei einigen Enthaltungen angenommen. Damit ist Punkt 3 der Tagesordnung erledigt.
Ich rufe auf Punkt 4 der Tagesordnung:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Ergänzung von Vorschriften des Umstellungsrechts und über die Ausstattung der Berliner Altbanken mit Ausgleichsforderungen (Nr. 4327 der Drucksachen.)
Die Bundesregierung begnügt sich mit der Verweisung auf die gedruckte Begründung. Das Haus ist mit diesem Verfahren einverstanden? Das Haus ist auch mit dem Vorschlag des Ältestenrats einverstanden, auf eine Aussprache zu verzichten? — Kein Widerspruch.
Die Vorlage wird wohl am besten an den Ausschuß für Geld und Kredit verwiesen. Sind andere Wünsche vorhanden? — Das ist nicht der Fall. Dann hat das Haus beschlossen, den Gesetzentwurf an den Ausschuß für Geld und Kredit zu überweisen.
Punkt 5 der Tagesordnung ist zurückzustellen, bis der Herr Bundesfinanzminister in diesem Hause erscheinen kann.
Ich rufe Punkt 6 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über Sortenschutz und Saatgut von Kulturpflanzen (Nr. 2870 der Drucksachen);
Der Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat einen schriftlichen Bericht vorgelegt. Herr Abgeordneter Dannemann als Bericht-
erstatter legt Wert darauf, diesen Vorschlag des Ausschusses auch mündlich zu begründen. Ich erteile ihm das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Da Ihnen ein ausführlicher Schriftlicher Bericht*) vorliegt, darf ich mich mit meiner mündlichen Berichterstattung verhältnismäßig kurz fassen. In dem vorliegenden Gesetzentwurf ist — erstmalig in der Welt — der Versuch unternommen worden, in einem einzigen Gesetz alle Fragen der Saatguterzeugung, -vermehrung, des Saatgutschutzes und des Saatgutverkehrs im In- und Ausland zu regeln und eine Ordnung herbeizuführen, die dem Saatgutbezieher die Gewähr gibt, mit einwandfreiem, leistungsfähigem Saatgut beliefert zu werden. Es ist verständlich, daß bei der umfassenden Materie und bei der Verschiedenheit der vielfachen Interessen nicht alle Wünsche in Erfüllung gegangen sind, auch gar nicht in Erfüllung gehen konnten.
In den letzten 30 Jahren ist wiederholt versucht worden, ein solches umfassendes Gesetz zu verabschieden, aber jedesmal ist es bei dem Versuch geblieben. Um so erfreulicher ist es, daß nunmehr in gemeinsamer Arbeit eine Kompromißlösung gefunden worden ist, die für alle Sparten der Wirtschaft als tragbar angesehen werden kann. Wie bereits in meinem schriftlichen Bericht angedeutet, mag es der Entwicklung überlassen bleiben, durch eine spätere Novelle etwa auftretende Mängel zu beseitigen.
Wenn das Gesetz auch in erster Linie ein Saatgut-Verkehrsgesetz ist, so sind die Fragen, die mit der Saatguterzeugung und der Pflanzenzüchtung zusammenhängen, nicht minder wichtig. Was man auf dem gewerblichen Sektor seit mehr als 60 Jahren durch eine entsprechende Gesetzgebung geschützt hat, nämlich das geistige Eigentum, darf man auch auf dem Gebiete der Pflanzenzüchtung nicht außer acht lassen. Jeder, der die Entwicklung ,der Jahre 1929 bis 1935 erlebt hat, weiß, wie unsere Pflanzenzüchtung damals vor einem Zusammenbruch stand und wie sie nur durch die in den folgenden Jahren erlassenen Saatgutverordnungen vor dem vollkommenen Ruin gerettet worden ist. Es wäre naheliegend gewesen — diese Forderung ist auch wiederholt bei den Beratungen gestellt worden —, mit Hilfe des Patentgesetzes oder ,des Warenzeichengesetzes den notwendigen Schutz zu gewähren. Man übersieht dabei aber, daß das Saatgut ein biologisches Material ist, bei dem nicht, wie bei der gewerblichen und chemischen Wirtschaft, ein Herstellungsverfahren mit uneingeschränkt wiederherstellbaren Erzeugnissen gegeben ist.
Aus diesem Grunde mußten zwangsläufig Sonderregelungen getroffen werden. Dafür sprachen auch agrarpolitische, wirtschaftspolitische und volkswirtschaftliche Erwägungen. Der Wille des Gesetzgebers war es, in erster Linie ein Gesetz zum Schutz der Verbraucher zu schaffen, dabei aber auch Bestimmungen zu treffen, die der deutschen Züchtung weitgehend Schutz geben sollten, wobei jedoch der gesunde Wettbewerb zwischen in- und ausländischen Züchtungen nicht gestört werden sollte. Deshalb wurden in den §§ 51 und 52 Bestimmungen erlassen, die eine Gleichstellung des ausländischen Saatgutes mit dem deutschen
*) Siehe Anlage 1 Seite 13228. zum Ziele haben, wobei selbstverständlich bei dem eingeführten Saatgut gleiche Qualitätsansprüche wie bei dem im Inland anerkannten und zugelassenen Saatgut gestellt werden müssen. Dort allerdings, wo offensichtlich eine Überlegenheit des ausländischen Saatgutes vorliegt, will der Gesetzgeber, daß eine mengenmäßige Begrenzung nicht stattfinden soll.
Die ungewisse und unbefriedigende Situation auf dem gesamten Saatgutmarkt verlangt gebieterisch eine beschleunigte Regelung. Nicht in allen Punkten konnten wir im Ausschuß zu einheitlichen Auffassungen gelangen. Ich habe aber die Ehre, Sie im Auftrag des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten und zugleich auch im Namen des Ausschusses für Patentrecht und gewerblichen Rechtsschutz zu bitten, den vorliegenden Gesetzentwurf unverändert anzunehmen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Ich eröffne die zweite Beratung. Zu § 2 ist ein Änderungsantrag angemeldet. Es handelt sich um Umdruck Nr. 941 Ziffer 1. Sie begründen gleichzeitig auch § 12? — Das Wort zur Begründung hat Herr Abgeordneter Kriedemann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Aus den Zuschriften, die uns allen in den letzten Tagen auf den Tisch gelegt worden sind, könnte der Eindruck entstehen, als handle es sich hier um einen Gegensatz zwischen der Landwirtschaft und dem Handel; und vielleicht soll auch ein solcher Eindruck entstehen. Wir wissen ja aus der politischen Praxis, wie leicht es sich mit solch falschen Themenstellungen erwirken läßt, um die wirklichen Tatbestände herumzukommen.
Meine Damen und Herren, keineswegs handelt es sich hier um einen Gegensatz zwischen Landwirtschaft und Handel. Hier handelt es sich um ein sehr wesentliches — nicht das wesentlichste — Produktionsmittel der Landwirtschaft und um den Gegensatz zwischen der Landwirtschaft, die in ihrer überwiegenden Mehrzahl Verbraucher dieses Produktionsmittels ist, und denen, die dieses Produktionsmittel herstellen. Jedem, der sich seit Jahren mit dem Komplex der Saatgutwirtschaft und Saatgutzüchtung zu befassen hat — und wir haben seit dem Jahre 1947 leider sehr häufig Gelegenheit gehabt und die Notwendigkeit vor uns gesehen, uns damit zu befassen, immer dann, wenn der Bund mit Mitteln zur Förderung dieses Wirtschaftszweiges oder zur Überbrückung seiner wirtschaftlichen Schwierigkeiten einspringen mußte —, ist es bekannt, daß es im Bereich der Saatgutwirtschaft ausgezeichnete Leistungen gibt. Allerdings ist auch bekannt, daß es in diesem Bereich sehr viele gibt, die offenbar nur dann am Leben bleiben zu können glauben, wenn man ihnen Sicherheiten, Schutz und Schirm in einem Ausmaß zuschiebt, wie es dieses Gesetz hier versucht. Weil das aber unter allen Umständen für die verbrauchende Landwirtschaft nachteilig ist, möchte ich hier eine Reihe von Änderungsanträgen begründen und bitte um Ihre Aufmerksamkeit dafür.
Es scheint mir unsere hervorragende Aufgabe zu sein, der Landwirtschaft den Zugang zu ihren Produktionsmitteln so einfach und so sicher wie nur irgend möglich zu machen. Wenn wir schon nicht in der Lage sind, der Landwirtschaft so zu
helfen, wie sie es sehr oft gerade auch von diesem Hause vergeblich erwartet hat, was die Verwertung ihrer Produkte angeht, wenn wir z. B. schon nicht in der Lage sind, dafür zu sorgen, daß der Landwirtschaft der Raps, den sie erzeugt, auch richtig abgenommen und abgerechnet wird, dann sollten wir wenigstens versuchen, einen gewissen Ausgleich dafür auf der Seite der Produktionsmittel und der damit verbundenen Kosten zu schaffen. Wir müssen dabei auch stark im Auge behalten, daß sich unsere Landwirtschaft auf dem deutschen Markt mehr und mehr mit den Produkten anderer Landwirtschaften auseinandersetzen muß, und da es ohnehin schon genug Handikaps für die deutschen Erzeuger in diesem Konkurrenzkampf gibt, müssen wir sorgfältig aufpassen, daß nicht noch neue Handikaps „der Ordnung halber" aus dem Gesetz oder aus irgendwelchen Vorschriften hinzugefügt werden.
Mir ist in diesem Hause im Laufe der Jahre keine Arbeit bekanntgeworden, die so unter dem Druck der Interessenten gestanden hätte. Wir haben im Unterausschuß „Saatgut", über dessen Arbeit der Vorsitzende dieses Ausschusses berichtet hat — und dieser Ausschuß kann für sich in Anspruch nehmen, eine gründliche Arbeit betrieben zu haben —, mehr als einmal Veranlassung gehabt, uns darüber zu beschweren, daß Arbeitsunterlagen des Unterausschusses, noch unfertige Formulierungen in den Händen der Interessenten waren, ehe die Abgeordneten Gelegenheit hatten, auf diese noch einmal zurückzukommen.
Es ist mir wichtig, das heute zu sagen, wenn wir versuchen, dieses Gesetz zu verabschieden.
Ich komme nun zu Ziffer 1 unseres Antrages auf Umdruck Nr. 941. Es handelt sich da um eine Reihe von Streichungen, und zwar sachlich um den Begriff des landeskulturellen Wertes. Meine Damen und Herren, mit diesem Gesetz soll denjenigen ein Schutz gegeben werden, die hier ein geistiges Produkt im Wege des Sortenschutzes geschützt haben wollen. Genau so, wie es in der gewerblichen Wirtschaft auf dem Gebiete des Patentrechts ist, hat unser aller Vorstellung nach auch der Pflanzenzüchter ein Recht darauf, daß sein geistiges Eigentum, eine neue Züchtung, geschützt wird. Nun ersehen Sie aus § 2 a, daß ein solcher Sortenschutz mit allen Rechten, die daraus folgen, nur erteilt werden soll, wenn es sich um etwas Neues handelt und wenn es landeskulturellen Wert besitzt. In keinem Lande der Welt und auf keinem andern Bereich wird geistiges Eigentum nur dann geschützt, wenn irgendeine Einrichtung, in diesem Falle also die Apparatur des Bundessortenamtes, meint, daß es sich um eine vernünftige Erfindung handelt. Es wird immer gesagt, wir könnten es nicht zulassen, daß auf die Erzeuger alle diese neuen Sorten zukommen, die von den Züchtern möglicherweise gezüchtet werden; man müsse also schon für die Erzeuger denken, und die Behörde müsse darüber wachen, daß hier keine Irrtümer passieren. In keinem Lande der Welt wird die Erteilung eines Sortenschutzes an diese Voraussetzung geknüpft. Ganz offenbar hat man dort nicht das gleiche pädagogische Bedürfnis oder aber ein größeres Vertrauen in den gesunden Menschenverstand und in die Möglichkeit, eigene Erfahrungen machen zu können, und zwar ein größeres Vertrauen gegenüber den Erzeugern.
Wir haben im Ausschuß und insbesondere gelegentlich der Bereisungen hinreichend Gelegenheit gehabt, den sehr zweifelhaften Wert dieses Begriffes „landeskultureller Wert" festzustellen. Man hat uns gesagt, es handele sich hier um ein sehr zuverlässiges Verfahren, und man könne die Landwirtschaft auf diese Weise mit Sicherheit davor bewahren, einer falschen Züchtung zum Opfer zu fallen und etwas anzubauen., was ganz bestimmt nichts taugt. Man hat uns aber — es waren dieselben Herren — in einem anderen Zusammenhang, bei den Kartoffeln — wir kommen später noch darauf zurück —, gesagt, es sei ganz gut, wenn wenigstens fünf Jahre hindurch ein Nachbau nicht erfolgen dürfe; dann könne man wenigstens den landeskulturellen Wert feststellen. Auf meine Frage „Ich denke, das ist schon festgestellt, wenn die Sorte zugelassen ist?" haben die Herren gesagt: „So genau kann man den landeskulturellen Wert bei den Versuchen auch nicht feststellen; das erweist sich erst aus der Praxis." Ich sehe den einen oder anderen Herrn aus dem Unterausschuß schmunzeln, der sich offenbar auch an alle diese Dinge erinnert.
Wir möchten also vorschlagen, daß die Bestimmungen in § 2 und in § 12 gestrichen werden, die darauf hinauslaufen, daß ein Züchterschutz erst dann gewährt werden soll, wenn die Bürokratie befunden hat, daß es sich auch um etwas Schützenswertes handelt. Wir haben das Vertrauen sowohl in die Beratung der deutschen Landwirtschaft wie auch in ihre eigene Sachkunde, daß sie allein damit fertig werden kann. Wir möchten im übrigen auch gern ein Verfahren, daß im Sortenschutz möglichst billig und zügig arbeitet. Wir haben einmal — ich erinnere diejenigen, die dabei waren — im Ausschuß in aller Deutlichkeit gesehen, wie leicht es fällt, eine neue Züchtung vom Markt wegzuhalten: einfach dadurch, daß man das Verfahren zur Feststellung des landeskulturellen Wertes hinauszögert. Für den Konkurrenten — und es gibt eine sehr erhebliche Konkurrenz — ist es, erwünscht, so auf dem Verwaltungswege jemanden vom Hals geschafft zu bekommen, mit dem er sich auf dem Markt lieber nicht auseinandersetzen möchte. Es paßt das so wenig wie irgend etwas in den Begriff „Schutz des geistigen Eigentums" hinein, es schränkt diesen Schutz des geistigen Eigentums völlig überflüssigerweise ein.
Wenn ich auch jetzt schon weiß, mit welchen Argumenten gegen diesen Antrag geredet werden wird, ich auch jetzt schon weiß, daß man wieder sagen wird, es sei nun einmal Aufgabe der Behörden und der staatlichen Einrichtungen und der Gesetze, die Landwirtschaft zu bemuttern und zu bevatern, damit sie nicht ihre eigenen Erfahrungen macht, so bitte ich Sie doch, für unseren Antrag Verständnis zu haben und ihm zuzustimmen und damit zum Ausdruck zu bringen, daß man solche Sachen wirklich der Praxis überlassen sollte. Insbesondere in dem Augenblick, in dem wir in andere Konkurrenzbedingungen hineinkommen, sollten wir alles unterlassen, hier in Deutschland die Produktion unter ein Recht zu stellen, das es vergleichsweise — was da auch immer gesagt werden möge und von den Interessenten immer vorgebracht worden ist — in keinem anderen Lande gibt.
Weitere Wortmeldungen? — Bitte, Herr Abgeordneter Baur!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich wollte ganz kurz auf die Ausführungen von Herrn Kollegen Kriedemann eingehen. Gleich zu Anfang möchte ich sagen, daß ich beantrage, den Antrag abzulehnen, und zwar aus dem einen Grunde, weil die Dinge doch nicht so liegen, wie Herr Kollege Kriedemann es darzustellen beliebt hat. Die Situation ist heute doch so, daß wir an das anknüpfen müssen, was sich im Laufe der letzten Jahrzehnte als gut und erfolgreich gezeigt hat. Wir haben ja schon seit Jahren und seit Jahrzehnten an dieser Frage des Saatgutgesetzes gearbeitet und haben Erfahrungen. Auf Grund dieser praktischen Erfahrungen müssen wir immer wieder feststellen, daß der landeskulturelle Wert heute noch unter allen Umständen festgelegt werden muß, weil wir dadurch in der Lage sind, unsere Landwirtschaft vor Fehlleistungen und Fehlleitungen zu schützen. Es ist an sich natürlich für viele wohl schwierig, zu verstehen, was unter „landeskultureller Wert" überhaupt zu begreifen ist. Was wir dabei wollen, ist, vor der Zulassung einer neuen Sorte die Feststellung zu verlangen, daß sie sich auch in der Landwirtschaft in jeder Richtung bewähren wird. Es ist klar, daß im Rahmen und in der Entwicklung der Züchtung wieder neue Dinge kommen, die besser sind als diejenigen, die am Markt sind, und die sich an sich als wertvoller herausgestellt haben. Wir haben ja im Gesetz vorgesehen, daß diese neue bessere Züchtung an die Stelle der früheren Züchtung treten kann. Ich bin also der Meinung — und meine Freunde sind es mit mir —, daß der „landeskulturelle Wert" auf alle Fälle erhalten bleiben muß und eine Streichung, wie sie nun vorgeschlagen ist, nicht stattfinden kann.
Ich darf vielleicht noch auf eine Äußerung des Herrn Kollegen Kriedemann eingehen. Es ist richtig: Wir haben es mit einem Gesetz zu tun, das natürlich sehr viele Interessenten hat, Interessenten auf verschiedenen Gebieten. Wir haben aber im Unterausschuß — besonders als Vertreter der Landwirtschaft — Wert darauf gelegt, ein Gesetz zu machen, das in erster Linie für die Praxis der Landwirtschaft einen Erfolg sichert. Wir haben uns gesagt, daß demgegenüber — vielleicht im Prinzip berechtigte — Interessen der einen oder anderen Seite — nennen Sie sie Züchter oder nennen Sie sie eventuell Handel — dann und wann zurücktreten müssen, weil es eben darauf ankommt, ein Gesetz zu machen, das der Landeskultur und den Erfolgen der Landwirtschaft dienen soll.
Aus diesem Grunde ist also vielleicht manches nicht so ganz klar, wie wir das alle wollten, und wir müssen da noch Erfahrungen abwarten. Was aber den landeskulturellen Wert anlangt, so sind doch die Dinge, glaube ich, heute wenigstens ganz klar, und man soll nicht sagen, wir könnten die Entscheidung dieser Fragen der Praxis überantworten. Ich möchte sagen, so weit sind wir heute noch nicht. Wir haben die Beratung in der Landwirtschaft noch nicht so ausgedehnt und unser Versuchsnetz noch nicht so eng gestaltet, daß jeder einzelne Landwirt daraus die richtige Schlußfolgerung ziehen könnte. Hier muß ihm von eben her noch Hilfe geleistet werden. Wir müssen ja überhaupt die Subventionen geistiger Art in der Landwirtschaft noch viel stärker unterbauen. Vielleicht kommen wir einmal so weit wie z. B. in Dänemark, daß wir das der Praxis überlassen können. Heute ist die Zeit dafür auf alle Fälle noch nicht gekommen. Wir würden, wenn wir den Antrag der SPD annähmen, glaube ich, die Erfolge der Landwirtschaft sehr, sehr in Frage stellen, wenigstens für eine absehbare Zeit. Aus diesem Grunde bitte ich, den Antrag abzulehnen.
Das Wort hat der Abgeordneter Dannemann.
Meine Damen und Herren! Der Begriff „landeskultureller Wert" ist bereits in den Ausschußberatungen Gegenstand eingehender Erörterungen gewesen. Dieser Begriff ist nicht etwa neu, sondern diese Regelung entspricht einem seit langem bestehenden und bewährten Zustand. Schon seit Jahren finden mehrjährige Wertprüfungen zur Ermittlung des landeskulturellen Wertes statt. Diese Prüfung ist nach unserer Auffassung zur Orientierung über den Wert des Saatguts und zum Schutz des Verbrauchers sehr bedeutungsvoll und sollte auch nach der Auffassung des Agrarausschusses des Bundesrats in Zukunft beibehalten werden. Man kann nicht etwa den Standpunkt einnehmen, daß es sich hier lediglich um eine Angelegenheit der Bürokratie handele. Meine Damen und Herren, wir haben doch wahrhaftig kein allgemeines Interesse daran, Sorten zu schützen, die keinerlei volkswirtschaftliche Bedeutung haben! Ich will Ihnen das nur an einigen wenigen Beispielen klarmachen.
Was nützt uns z. B. eine Kartoffelsorte, die zwar neu und selbständig ist, die eine hervorragende Blüte hat, die aber keine oder ungenügend Knollen ansetzt? Daran hat die Allgemeinheit kein Interesse, und wir haben auch kein Interesse daran, eine solche Sorte nach dem Sortengesetz zu schützen. Oder ein anderes Beispiel: Was nützt uns z. B. eine Lupinensorte, die zwar platzfest ist, aber bitter bleibt, wenn sie auch neu und beständig ist? Hieran haben wir kein volkswirtschaftliches Interesse. Wir haben aber unbedingt ein Interesse daran, wenn dieselbe Lupinensorte z. B. zusätzlich bitterstofffrei ist. Dann liegt der Anlaß für uns vor, diese Sorte wegen ihrer allgemein volkswirtschaftlichen Bedeutung einem besonderen Schutz zu unterstellen.
Im übrigen, meine Damen und Herren, seien Sie sich darüber im klaren: Wenn der eben von Herrn Kriedemann begründete Antrag auf Streichung des § 2 Abs. 2 angenommen wird, bedeutet das praktisch die Aufhebung des Bundessortenamtes und die Aufhebung aller Wertprüfungen in den einzelnen Ländern schlechthin. Ich glaube nicht, daß wir vom Standpunkt des Verbrauchers aus daran ein Interesse haben können.
Ich hoffe, daß Sie aus diesen ganz wenigen von mir angeführten Beispielen doch die Überzeugung gewonnen haben, daß der Begriff „landeskultureller Wert" auf alle Fälle beibehalten werden muß und daß die im Zusammenhang damit gestellten Anträge zu § 2 Abs. 4 und zu § 12 Abs. 2 Nr. 4 abgelehnt werden sollten.
Das Wort hat der Abgeordnete Lampl.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der vorliegende Gesetzentwurf soll den Verkehr mit Saatgut regeln. Er soll verhindern, daß minderwertiges Saatgut in den Verkehr ge-
I bracht wird. Ich glaube, der Gesetzentwurf wird in optimaler Form diesen Zielen gerecht. Im Vordergrund muß hier stets das landeskulturelle Interesse stehen. Dabei darf ein Saatgutgesetz weder ein Monopol für den Züchter schaffen — ein entsprechender Sortenschutz wird dem Züchter ja zugebilligt — noch dürfen Interessen z. B. des Imports einseitig im Vordergrund stehen. Da unseres Erachtens der vorliegende Gesetzentwurf im ganzen ein geeignetes Mittel ist, der Landwirtschaft den Bezug von hochwertigem Saatgut zu angemessenen Preisen zu sichern, stimmen meine politischen Freunde und ich dem Gesetzentwurf ohne Änderungen zu.
Das Wort hat der Abgeordnete Kriedemann.
Meine Damen und Herren! Der eine oder andere von Ihnen mag vielleicht meinen, daß der Kraftaufwand, der sich hier darstellt, durch das Gesetz nicht gerechtfertigt ist.
— Herr Horlacher sagt sogar als einer der führenden Sprecher der Landwirtschaft „Sehr richtig". Das sollte auf alle Fälle doch einmal unterstrichen und festgehalten werden.
— Ich will nicht fragen, was Sie mit „Umgekehrt" gemeint haben, Herr Kollege! Wir sind uns vielleicht doch wieder einig.
Lassen Sie mich doch ruhig einmal darauf aufmerksam machen, daß es sich hier um ein für die Landwirtschaft sehr wesentliches Gesetz handelt, und zwar für die Masse der Landwirtschaft, die Verbraucher von Saatgut ist. Es ist immer wieder in all den Einsendungen und Zuschriften von denjenigen, die hier Rechte beanspruchen, gesagt worden, daß sie sie keinesfalls für sich wollten; im Gegenteil, sie dächten überhaupt nicht an sich, sondern sie dächten nur an die Landwirtschaft. Immerhin hat im Gesetzentwurf der Bundesregierung der hübsche Satz dringestanden, daß dieses Gesetz u. a. auch den Zweck haben sollte, die wirtschaftlichen Grundlagen der Züchterbetriebe zu stärken. Es ist also vielleicht nicht ganz unberechtigt, Ihnen das auch in diesem Fall noch einmal in Erinnerung zu rufen.
Wenn hier gesagt wird, der Verzicht auf die Feststellung des landeskulturellen Wertes sei mindestens heute noch nicht möglich, und wenn die Hoffnung ausgesprochen wird, daß wir vielleicht mit unserer Landwirtschaft — d. h. mit unseren Landwirten — auch einmal so weit kommen, wie die Dänen heute schon sind, so brauche ich da nur noch in die Erinnerung zurückzurufen, daß ich das nicht gesagt habe. Ich habe schon zum Ausdruck gebracht, mein Vertrauen in ihren gesunden Menschenverstand, in ihre praktische Erfahrung, in ihre Möglichkeit, selbständige Feststellungen zu treffen, ist offenbar größer. Aber es trifft natürlich nicht zu, daß mit dem Fortfall dieser Bestimmungen auch das Bundessortenamt wegfallen würde. Dem Bundessortenamt würde nach wie vor die Aufgabe verbleiben, die neuen Sorten zu registrieren und dafür zu sorgen, daß derjenige, der eine neue Sorte gezüchtet hat, auch in den Genuß der Rechte kommt, die mit dem Sortenschutz entsprechend anderen Formen des Schutzes geistigen Eigentums nun einmal verbunden sind. Keineswegs würden damit etwa die Anbauversuche wegfallen; im Gegenteil, man könnte dann viel mehr Geld für die Beratung der Landwirtschaft auf Grund regionaler Anbauversuche einsetzen, so wie das in anderen Ländern, z. B. in Holland, geschieht. Ich habe noch nichts davon gehört, daß diejenigen, die zwar kein so elegantes Gesetz haben, mit ihrem Gartenbau und mit ihrer Landwirtschaft schlechter dran sind als wir.
Weitere Wortmeldungen zu diesem Antrag liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache zu den §§ 1 und 2.
Wer für die Annahme des Änderungsantrags Umdruck Nr. 941 Ziffer 1 — er betrifft den § 2 und in logischer Folge auch den Abs. 2 des § 12 — ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Das letztere war die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Dann komme ich zur Abstimmung über die §§ 1 und 2 in der Ausschußfassung. Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Das erste war die Mehrheit; die Bestimmungen sind angenommen.
Der nächste Änderungsantrag Umdruck Nr. 940 des Herrn Abgeordneten Rademacher und Genossen ist zu § 7 vorgelegt.
Das Wort zur Begründung des Antrags hat der Abgeordnete Rademacher.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag Umdruck Nr. 940 bezweckt die Wiederherstellung einer Fassung, die der Unterausschuß mit seinen Arbeiten zum Schutz der deutschen Exportmärkte bereits getroffen hatte. Es geht bei diesem Antrag tatsächlich nur um die Erhaltung leistungsfähiger Exportmärkte, auf denen wertvolle Exportzweige seit 30 Jahren mit Hilfe des Warenzeichens eine hervorragende Arbeit geleistet haben. Die Züchter landwirtschaftlicher Qualitätsprodukte haben sich der rechtlichen Möglichkeit des Warenzeichens bedient, um gegen ausländische Konkurrenz, insbesondere polnischer und englischer Produzenten im Laufe von mehr als 20 Jahren leistungsfähige Exportmärkte in Europa und in der Welt aufzubauen.
Die gegenwärtige Fassung des § 7 bedeutet eine Vernichtung der Warenzeichenrechte der Züchter und würde nicht nur ein völlig unverständliches gegen das Grundprinzip der Gleichbehandlung verstoßendes Sonderrecht darstellen, sondern sie würde auch zur Folge haben, daß ein wesentlicher deutscher Exportzweig auf das schwerste gefährdet würde. Das ist leider durch die erneute Änderung des § 7 verursacht worden. Wenn Sie die ursprüngliche Fassung des Unterausschusses wiederherstellen, dann erreichen Sie das, was im Interesse der deutschen Exportwirtschaft unter allen Umständen erforderlich ist: die Sicherung des Warenzeichens, wie sie auf allen Gebieten gilt, und vor allen Dingen ,die Verhütung einer sich wirtschaftlich und auch devisenmäßig schwer auswirkenden Schädigung für den deutschen Export.
Ich bitte Sie, dem Änderungsantrag, den ich hier vertreten habe, zuzustimmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dannemann.
Meine Damen und Herren! Ich bedauere, daß mein Kollege Rademacher diesen Antrag eingebracht hat. Wir alle, die wir an
diesem Gesetz mitgearbeitet haben, haben uns bemüht, eine Regelung zu finden, die den Interessen aller Beteiligten Rechnung trägt. Was hier beantragt wird, ist die Vertretung eines einseitigen Interessentenstandpunktes und eine glatte Unmöglichkeit.
Es würde damit ein vollkommen unkontrollierter Export Platz greifen, der im Endergebnis ohne Frage äußerst ungünstige Auswirkungen für den gesamten deutschen Export haben müßte und würde. Wir verkennen keineswegs die Bedeutung der Exporteure für unseren gesamten Handel, insbesondere auf dem Gebiet der Kartoffelwirtschaft. Wir sind auch bemüht gewesen, in dem Gesetz Bestimmungen zu treffen, die dieser Bedeutung weitestgehend gerecht werden. Wir sind aber nicht bereit, den einseitigen Interessen der Exporteure zu entsprechen, weil wir damit — und das möchte ich nochmals betonen — den deutschen Export schlechthin gefährden. Ich bitte, aus diesen Gründen den von Herrn Rademacher gestellten Antrag abzulehnen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Müller.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach den Ausführungen des Herrn Kollegen Dannemann brauche ich zur Begründung der Ablehnung keine Ausführungen zu machen. Ich habe nur zu erklären, daß meine Fraktion diesen Antrag ablehnt, weil er von ihr aus sachlichen Gründen nicht unterstützt werden kann.
Das Wort hat der Abgeordnete Kriedemann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vielleicht werden die Kollegen aus dem Unterausschuß „Saatgut" zugeben, daß ich zu den nicht uneifrigen Mitarbeitern gehört habe. Es gibt in diesem Gesetzentwurf manche Bestimmung, die auf meinen Antrag hin nach langem Kampf gegen zähen Widerstand zum Schluß doch noch durchgesetzt worden ist. Ich könnte ein ganzes Dutzend von solchen Bestimmungen aufzählen, die aus diesem Gesetzentwurf etwas sehr viel Besseres gemacht haben, als es die Regierungsvorlage gewesen ist.
Aus der so einigermaßen fundierten Kenntnis der Materie glaube ich dem Hause doch noch ein paar Bemerkungen zu dem Antrag von Herrn Rademacher vortragen zu sollen, weil ich so den Eindruck habe, daß meine beiden Herren Vorredner, die gegen den Antrag Rademacher gesprochen haben, Herrn Rademacher und seine Intentionen hier völlig falsch verstanden haben. Sie haben nun schon gehört, daß bei diesem Gesetz wirklich etwas mehr im Spiele ist als bloß das übliche „landwirtschaftliche Gerede", mit welcher Einschätzung manche Leute in diesem Hause über solche Dinge großzügig und in dem Gedanken, daß es keine große Politik sei und man sich deshalb nicht besonders damit zu befassen brauche, hinweggehen. Sie haben gehört, daß sogar Exportfragen eine Rolle spielen. Da finden Sie es vielleicht auch wichtig, wenn etwas zur Aufklärung darüber gesagt wird.
In der Öffentlichkeit ist die Frage aufgeworfen worden: Schafft das Saatgutgesetz eigentlich ein Züchtermonopol? Mit der gleichen Leidenschaft, mit der diese Auffassung vertreten worden ist, ist dagegen behauptet worden: Nein, das ist kein Monopol, das ist so die Gerechtigkeit an sich! Herr Rademacher hat hier nicht einen Antrag für die Exporteure, sondern für die Züchter gestellt, die mit allen Mitteln ein Monopol gesucht haben, die. um es deutlich zu sagen, mit allen Mitteln versucht haben, die gesamte Nachfrage nach dem Saatgut auf sich zu konzentrieren. Das nehme ich persönlich den Herren gar nicht übel. Es dient zweifellos der wirtschaftlichen Stärkung ihrer Betriebe, und das ist, soweit sie auch noch gute Ware liefern, erträglich. Aber man muß es eben auch einmal von der anderen Seite sehen.
Es gibt eine einzige Durchbrechung dieses Bestrebens, die Nachfrage der verbrauchenden Landwirtschaft auf die Züchter zu konzentrieren, und das ist im Bereich der Kartoffeln. Ich werde darauf später noch bei der Begründung meines nächsten Änderungsantrages eingehen müssen. Bei den Kartoffeln ist das nicht durchzusetzen gewesen, was z. B. beim Getreide und beim Gemüse durchgesetzt worden ist: Jeder Nachbau ist verboten; es darf nur Saatgut in den Verkehr gebracht werden, das aus der Hand des Züchters kommt. Wir haben uns immer dagegen gewehrt, und ich werde, wie gesagt, später noch darauf zurückkommen und werde begründen, warum.
Nun haben die Kartoffelzüchter — von mir aus habe ich dafür alles Verständnis — gefunden, daß das, was den Getreidezüchtern recht ist, ihnen billig sein müsse und daß man also auch ihnen die — am liebsten uneingeschränkte — Verfügung über das Saatgut — hier besser gesagt: Pflanzgut — geben sollte, weil sich daran natürlich mehr verdienen läßt, als wenn die Dinge um einen herum- und an einem vorbeigehen. Weil dies im ganzen Bereich nicht möglich war — ich möchte auf die Gründe dafür hier nicht eingehen, warum es im Ausschuß für den einen Fall eine Mehrheit und für den anderen Fall eben keine Mehrheit gab; je dichter man an den Dingen dransteht, desto größer ist ja meistens die Einsicht in die Richtigkeit des einen oder anderen Verfahrens, und der Sachverstand nimmt in der Regel mit dem eigenen Interesse auch zu —, so haben sie wenigstens versucht, sich zum Herren des gesamten Saatkartoffelexports zu machen.
Nun wird der größere Teil des Pflanzguts nicht in den Züchterbetrieben als sogenannte Hochzucht hergestellt, sondern wird bei den Vermehrern — auch darüber wird später noch geredet werden müssen — als Nachbausaatgut erzeugt. Kartoffeln vermehren und Nachbau erzeugen ist nun nicht irgendeine mechanische Angelegenheit, sondern erfordert eine außerordentlich sorgfältige Arbeit. Es ist eine Leistung, die der des Züchters durchaus vergleichbar ist. Wegen der großen Bedeutung des Nachbaus und der Qualitäten, die der Nachbau zu erzeugen in der Lage ist, waren wir mit der Mehrheit im Ausschuß immer der Meinung, daß man den Leuten, die diese Arbeiten machen, auch den Entgelt dafür zukommen lassen sollte.
Der Züchter hat so die Vorstellung, daß man zunächst einmal das, was in seinem Auftrage oder von seiner Sorte vermehrt worden ist, an ihn geben muß, und wenn er es nicht verwerten kann, gibt er es dann zurück und ladet das Risiko in vol-
lem Umfang auf den Vermehrer ab. Wir haben bei früheren Gelegenheiten im Zusammenhang mit anderen hier beschlossenen Gesetzen auf dieses Elend und diese sehr ungleiche Verteilung des Risikos hier schon öfter hinweisen müssen.
Nun wollte man, wie gesagt, mit dem Auslandsgeschäft wenigstens so weit kommen, wie die anderen Züchter mit dem Saatgut überhaupt gekommen sind. Als dann feststand, daß es der entschiedene Wille des Ausschusses, wenigstens der Mehrheit des Ausschusses, war, dem Vermehrer die Verfügung über das von ihm erzeugte Nachbausaatgut auch dann zu sichern, wenn es ihm gelingt, dieses Nachbausaatgut ins Ausland zu verkaufen, entdeckten wir plötzlich, daß es über das Warenzeichenrecht möglich ist, diese Absicht des Ausschusses zu torpedieren. Es gibt ja einen Sortennamen, und zur Klärung der Verhältnisse ist vorgeschrieben, daß der Sortenname immer dann genannt werden muß, wenn mit dieser Sorte gehandelt wird. Aber manche Leute haben sich diese Sorte eben auch noch als Warenzeichen eintragen lassen und kamen nun auf die listige Idee: Wenn wir zwar nicht verhindern können, daß der Mann diese Ware unter dem Sortennamen im Ausland anbietet, dann können wir aber aus unserem Warenzeichen heraus ihm doch das Geschäft kaputtmachen! Da die böse Absicht klar zu erkennen war und da wir mindestens in diesem Fall das Monopol nicht wollten, haben wir uns leider zu einem Eingriff in das Warenzeichenrecht entschließen müssen.
Es ist natürlich gleich wieder gesagt worden, daß dann der ganze deutsche Export kaputtgehe; denn wirklich verantwortungsbewußt könnten auch nur die Züchter oder von ihnen benannte Händler exportieren, und die Vermehrer würden aufs Geratewohl und ohne Rücksicht auf Verluste mit Händlern, denen man überhaupt nicht trauen könne, im Ausland den guten Namen der deutschen Sorten kaputtmachen. Offenbar nimmt man an, daß die Vermehrer nur einmal Kartoffeln verkaufen wollen; sonst würde man ihnen solche Geschichten nicht unterstellen.
Wir haben trotzdem unsere Auffassung aufrechterhalten. Wenn man sich jetzt darüber beklagt, daß der Ausschuß gewagt hat, in das Warenzeichenrecht einzugreifen und es für diesen Bereich außer Kraft zu setzen, so ist dazu zu sagen, daß das einfach deshalb geschehen ist, weil es auf keine andere Weise möglich gewesen wäre, den Versuch des Monopols — in diesem Falle jedenfalls — zu verhindern. Ich bin mit meinen beiden Herren Vorrednern der Meinung, daß der Antrag Rademacher abgelehnt werden muß, auch deshalb, weil er hier Interessen oder Gesichtspunkte vorgibt, die es in Wirklichkeit gar nicht gibt oder hinter denen sich etwas verbirgt, was verborgen werden muß, weil man es offen nicht auszusprechen wagt.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Rademacher.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe weder für Exporteure noch für Händler noch für Züchter und deren Monopole gesprochen; ich habe ausschließlich aus tiefer Sorge um die Erhaltung eines Exportmarktes gesprochen, der in Jahrzehnten aufgebaut worden ist.
Es war interessant, von Herrn Kriedemann zu hören, daß hier bewußt in das Warenzeichenrecht eingegriffen wird,
— eingegriffen werden mußte, wie Sie sagen. Meine Damen und Herren, ich könnte einen ganz spezifischen Fall eines Landes hier anführen, wo gerade infolge dieser Unmöglichkeit, ,die Dinge genügend zu schützen, ein ganzer Markt nahezu verdorben worden ist durch die leichtfertige Ausfuhr von Saatgutkartoffeln, die nicht der Qualität entsprechen, in der sie seit Jahrzehnten auf diesem Markt gewesen sind. Das ist der ausschließliche Beweggrund, und ich möchte mich ausdrücklich dagegen verwahren, daß ich hier auf diesem Gebiete Interessen verträte. Es geht um den Schutz des deutschen Exportmarktes. Meine Damen und Herren, die Folgen, wenn Sie das Gesetz und den Paragraphen in dieser Fassung annehmen, werden Sie frühzeitig merken. Wahrscheinlich wird Ihnen das Bundeswirtschaftsministerium rechtzeitig sagen, welche Konsequenzen diese Fassung des Paragraphen mit sich bringt.
Weitere Wortmeldungen zu § 7 liegen nicht vor. Wir kommen zur Abstimmung, zunächst über den Änderungsantrag auf Umdruck Nr. 940. Wer für die Annahme dieses Änderungantrages ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Das ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ich lasse nunmehr über die §§ 3 bis 7 einschließlich abstimmen. Wer für die Annahme dieser Bestimmungen ist, den bitte ich um ein Handzeichen.
— Gegenprobe! — Enthaltungen? — Die Bestimmungen sind angenommen.
Meine Damen und Herren, ich bin gebeten worden, das Haus zu fragen, ob es nicht damit einverstanden sein könnte, daß Punkt 14 der Tagesordnung
— Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten über den Antrag der Fraktion der Deutschen Partei betreffend Pflege der Kenntnisse über die deutschen Ostgebiete, Osteuropa und Südosteuropa — vorgezogen würde,
etwa nach Punkt 9 oder nach Punkt 10. Ist das Haus einverstanden?
— Dann werden wir hierüber abstimmen. Einige Kollegen möchten bei der Beratung des Punktes 14 dabei sein und haben offenbar Veranlassung, die Sitzung früher zu verlassen.
— Ich frage das Haus und lasse abstimmen. Wer damit einverstanden ist, daß Punkt 14 vorgezogen und nach Punkt 10 behandelt wird, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! - Das erste war die Mehrheit.
Ich rufe auf Umdruck Nr. 941 Ziffer 2 zu § 13. Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Kriedemann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Alle sind sich darüber einig, daß die Versorgung der Landwirtschaft mit gutem Saatgut eine sehr wesentliche Angelegenheit ist. Aber mit dem Saatgut ist es wie mit den berühmten Pflau-
men; sie sind ein gutes Gericht, ist damals gesagt worden, aber man muß sie auch haben. Das trifft auf das Saatgut auch zu. Man soll nicht nur davon reden, sondern es muß auch alles getan werden, um der Landwirtschaft den Zugang zu Saatgut so leicht wie möglich zu machen.
Nun weiß jedermann, daß Saatgut, insbesondere das, was nach diesem Gesetz allein noch in den Verkehr gebracht werden soll — von sozusagen Katastrophenausnahmen abgesehen —, Hochzuchtsaatgut, eine teure Angelegenheit ist. Im Schnitt kostet es pro Zentner immerhin 10 DM mehr, als das Getreide erbringt, das der Landwirt selber produziert und verkauft. Dabei wird nur sehr selten daran gedacht, daß die Masse unserer landwirtschaftlichen Betriebe doch kleine und kleinste Betriebe sind, die in soundsoviel Fällen nicht einmal in der Lage sind, einen Zentner Saatgut auszusäen. Außerdem wird auch immer wieder vergessen, daß gerade in der Masse unserer kleinen und kleinsten landwirtschaftlichen Betriebe die Notwendigkeit, neues Saatgut zu beschaffen, viel größer ist als in den etwas größeren Betrieben, weil wegen des Fehlens einer eigenen Dreschmaschine, wegen des Fehlens von Scheunenraum und aus anderen Gründen gerade die kleinen Landwirte eigentlich niemals das wieder aussäen sollten, was sie selbst geerntet haben.
Wer weiß, wie die Dinge auf dem Lande sind, wird mir darin zustimmen, wenn ich sage — das ist im Ausschuß auch ausführlich besprochen worden —, daß sich der größere Teil des Saatgutwechsels über den Zaun vollzieht. Der Mann geht zu seinem Nachbarn, bei dem er gesehen hat, wie gut er sein Getreide hereingebracht hat, oder von dem er weiß, daß er eine anständige Dreschmaschine oder eine anständige Reinigungsmaschine hat, von dem er manchmal auch nur weiß, daß er aktiver ist und von der genossenschaftlichen Reinigungsmaschine größeren Gebrauch macht, und tauscht hier einfach das bißchen Saatgut um, das er nun braucht. Das hat diejenigen, die Hochzuchtsaatgut verkaufen und die möchten, daß alles Saatgut, das überhaupt verkauft wird, von, ihnen verkauft wird, sehr schwer gekränkt, und sie haben auf alle mögliche Weise versucht, jeden Saatgutbezug um sie herum und außerhalb ihrer Kontrolle zu verhindern. Meiner Ansicht nach müßte es unser Anliegen sein, der Landwirtschaft — und zwar gerade immer mit dem Auge darauf, daß es sich in ihrer überwältigenden Zahl um kleine und kleinste Betriebe handelt — den Zugang zu Saatgut so leicht wie nur irgend möglich zu machen. Ich persönlich war geradezu entsetzt, als ich in der Stellungnahme eines großen Berufsverbandes als Punkt 1 den Vorschlag gelesen habe, man solle diese Form des Saatgutwechsels so schlicht um schlicht ganz einfach und konsequent verbieten. Wenn das nicht beinahe der Versuch — wenigstens einer Beihilfe — zur Schaffung von Monopolen ist, dann weiß ich es nicht. Das immerhin konnte abgewehrt werden.
Auf der anderen Seite konnte nicht abgewehrt werden, daß nun nur noch das teuerste Saatgut in den Verkehr gebracht werden soll. Dabei bin ich mir sicher, daß es auch im Kreise derjenigen, die nicht Spezialisten auf diesem Gebiet sind, solche gibt, die wissen, daß Nachbausaatgut, wenn es die richtige Art und die richtige Anbaustufe ist, zwar wesentlich billiger als das, was man sonst unter Hochzucht kauft, aber keineswegs schlechter ist.
Ich höre schon die Gegenargumente. Man wird sagen: Das ist ein gewaltiger Rückschritt! — Ich verzichte gern darauf, hier alles das zu wiederholen, was uns im Ausschuß immer wieder beschäftigt hat. Ich will nur pflichtgemäß auch Ihnen die Annahme dieses Antrages empfehlen, und zwar mit der nun zusammengefaßten Begründung.
Einmal sollte man es allen leicht machen, Nachbausaatgut, gutes Saatgut zu beziehen. Nachbausaatgut ist, wenn es nach vernünftigen Gesichtspunkten erzeugt und nach vernünftigen Vorschriften anerkannt wird, zweifellos gutes Saatgut, und es ist wesentlich billigeres Saatgut.
Vor allem aber sollte man keine Ausnahmen schaffen. Sie finden in § 41 — ich darf das hier gleich mit anziehen, also Punkt 3 unseres Umdrucks Nr. 941 — eine Bestimmung, mit der ein für allemal festgelegt wird: Bei Kartoffeln gibt es Nachbausaatgut. In allen anderen Arten — war man sich einig — soll davon gar nicht erst geredet werden.
Wir möchten ein anderes Verfahren vorschlagen. Wir möchten — das ergibt sich aus den Ziffern 2 und 3 unseres Antrages —, daß der Minister das Recht bekommt, für bestimmte Arten oder für bestimmte Anbaustufen die Zulassung von Saatgut als Nachbausaatgut zu verbieten, dafür aber den Weg freizulassen zur Erzeugung von Nachbausaatgut in all den anderen Arten, bei denen es ohne Beeinträchtigung der landwirtschaftlichen Leistungsfähigkeit geschehen kann. Ich gebe ohne weiteres zu, das ist eine empfindliche Sache für diejenigen, die ihre ganze Hoffnung darauf konzentriert haben, nun die alleinigen Saatguterzeuger und Saatgutverkäufer zu sein. Es ist andererseits nicht nur eine Hilfe für die Landwirtschaft, wenn so verfahren wird, wie wir vorschlagen, sondern es gibt auch all denen eine Chance, die, ohne Züchter zu sein, doch mit außerordentlicher Sorgfalt und mit großen Kenntnissen in der Lage sind, Saatgut zu erzeugen. Auch an diese sollte gedacht werden. Es handelt sich auch hier wieder um einen wesentlich größeren Personenkreis und dabei um landwirtschaftliche Betriebe, die auf einem außerordentlich hohen Niveau stehen.
Das beweisen die Kartoffelnachbauer. Gerade mit dem Hinweis auf die Kartoffelnachbauer möchte ich Ihnen unseren Standpunkt empfehlen, d. h. mit gleichen Maßen nach allen Seiten zu messen und dem Minister die Verpflichtung aufzuerlegen, diese gleichen Maße auch nach allen Seiten anzuwenden. Es ist mir erst heute wieder gesagt worden: Ja, was den Kartoffelzüchtern mit dieser Ausnahmebestimmung in § 41 angetan wird, ist auch ein bitteres Unrecht, das muß auch bekämpft werden! Meine Damen und Herren, die Folgen für die erzeugende Landwirtschaft über die ganze Breite und für die Vermehrungsbetriebe brauchen hier nicht ausgemalt zu werden, die kann sich jeder an den fünf Fingern abzählen.
Sehen Sie bitte die Gefahr in dieser Richtung, wenn Sie nur auf dem Kartoffelgebiet Einschränkungen vornehmen und auf allen anderen Gebieten nicht. Ich prophezeie insbesondere denjenigen im Ausschuß — den Sachverständigen, die mitgeholfen haben, die Angriffe auch auf die Kartoffelvermehrung abzuwehren, weil sie soviel davon verstehen —, daß sie diese Stellung auf die Dauer nicht werden halten können. Unter Berufung auf das Recht, auf das Monopol, das in allen anderen Arten grundsätzlich gegeben worden ist, wird man das gleiche auch im Kartoffelbereich fordern. Wir
haben ja gesehen, wie stark die Einflüsse auf Gesetzgebung und Verwaltung sind; das haben wir in den Jahren unserer Beratungen immer wieder erfahren müssen. Ich möchte Sie bitten, dieser Gefahr ein für allemal dadurch zu begegnen, daß Sie die Ziffern 2 und 3 unseres Antrages annehmen. Dann hat der Minister durchaus die Möglichkeit, die Landwirtschaft gegen solches Nachbausaatgut zu schützen, über dessen Qualität dann auch gar nicht geredet zu werden braucht. Zugleich aber hat er dann auch die Möglichkeit, denen den Weg freizumachen, die imstande sind, der Landwirtschaft billiges, hochwertiges Saatgut — denn auch Nachbausaatgut muß anerkannt werden — zur Verfügung zu stellen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Baur.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte an das anknüpfen, was Herr Kollege Kriedemann vor allem zum Schluß hervorgehoben hat, nämlich daß vom rechtlichen Standpunkt aus eine große Gefahr für diesen Paragraphen deshalb bestehe, weil bei den Kartoffeln eine Ausnahme gemacht sei. Wir haben uns gerade die Frage des Nachbaues besonders sorgfältig überlegt und sind auf Grund der langjährigen Erfahrungen und auch nach Würdigung aller sachlichen Momente zu dem Ergebnis gekommen. daß wir bei der Kartoffel eine Ausnahme machen müssen, weil für die Pflanze Kartoffel andere naturgesetzliche Verhältnisse bestehen als für Pflanzen generativer Vermehrung. Bei der Kartoffel liegen die Verhältnisse so, daß der Nachbauer, weil es sich um eine vegetativ vermehrte Pflanze handelt, tatsächlich einen ganz anderen Einfluß auf die Gesunderhaltung des Saatgutes hat als bei der Vermehrung anderer Pflanzen. Aus diesem Grunde kann und braucht man in keiner Weise Angst davor zu haben. daß rechtliche Erwägungen einmal dazu führen könnten, die Dinge zu egalisieren. Denn die naturgesetzlichen Unterschiede bestehen. und auf Grund dieser naturgesetzlichen Unterschiede muß man den wirklichen Dingen des Lebens auch Rechnung tragen.
Was die Frage anlangt, der breiten Landwirtschaft billiges Saatgut zur Verfügung zu stellen, dürfen Sie versichert sein, daß das auch das Anliegen aller anderen Mitglieder des Unterausschusses und des Ausschusses gewesen ist. Es ist ja auch von jeher das Anliegen all der Stellen gewesen, die für die Förderung der Landwirtschaft verantwortlich gezeichnet haben. Aber im Laufe der Entwicklung hat sich eben gezeigt, daß man der Landwirtschaft nur dann billiges Saatgut zur Verfügung stellen kann. wenn das Saatgut wirklich hochwertig ist. Für hochwertiges Saatgut ist sowohl die genetische Veranlagung wie auch vor allem die Seite der Reinheit und der Keimfähigkeit ausschlaggebend. Diese Eigenschaften können wir nur dann garantieren — vor allem auch für die Fremdbefruchtung —. wenn wir möglichst nahe am Zuchtgarten bleiben. Das war letzten Endes der Grund. warum wir dazu gekommen sind, vorzuschlagen. nur hei Kartoffeln, aber nicht mehr bei den übrigen Pflanzen Absaaten zuzulassen.
Sie sehen also, daß wir alle die Argumente, die der Herr Kollege Kriedemann soeben angeführt hat, sehr reiflich überlegt haben und daß wir auf Grund der Gesamterfahrungen zu dem Gesetzestext gekommen sind, der Ihnen heute vorliegt. Ich bitte Sie, den Antrag Umdruck Nr. 941 Ziffern 2 und 3 abzulehnen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dannemann.
Meine Damen und Herren! Der vorliegende Antrag sieht sehr harmlos aus. Er bedeutet aber, nüchtern betrachtet, daß im Gegensatz zu der bisherigen, langjährig bewährten Handhabung in Zukunft bei allen Kulturarten Nachbausaatgut zugelassen und anerkannt werden soll.
Es steht zwar in einem Nebensatz — Herr Kollege Kriedemann hat diese Frage auch angeschnitten —: „soweit nicht der Bundesminister durch Rechtsverordnungen Saatgut bestimmter Arten von der Anerkennung als Nachbausaatgut ausgeschlossen hat." Wenn unsere deutschen Ernten in den letzten Jahrzehnten derart erfreuliche Steigerungen erfahren haben, dann doch nur — ich glaube, darüber besteht doch wohl wahrhaftig kein Zweifel — auf Grund der hervorragenden Leistungen unserer Züchtung und dank der Tatsache, daß zumindest bei den meisten Kulturarten, insbesondere bei Getreide, seit Jahrzehnten nur bestes, anerkanntes Hochzuchtsaatgut in den Verkehr gebracht worden ist. Der hier gestellte Antrag würde geradezu einen Rückschritt bedeuten.
Im übrigen möchte ich doch nicht, daß man immer wieder darauf hinweist, das Gesetz bringe eine sehr starke zusätzliche Belastung für den kleinen Mann mit sich. Denn erstens behandelt dieses Gesetz nur den gewerbsmäßigen Vertrieb, und kein Mensch denkt daran, den Tausch über den Zaun hinweg etwa grundsätzlich zu verbieten. Niemand soll gezwungen werden, Konsumgetreide für den eigenen Betrieb in Zukunft nur über den Weg des Hochzuchtsaatgutes zu beziehen. Wer allerdings gewerbsmäßig für andere Saatgut erzeugt und in Verkehr bringt, muß berücksichtigen — das verlangen wir von ihm —, daß das Beste gerade gut genug ist.
Wir sind daher der Meinung. daß das, was sich seit Jahrzehnten bestens bewährt hat — und das wird niemand bestreiten können —, durch den gestellten Antrag nicht nur verwässert, sondern wesentlich verschlechtert wird. Ich bitte deshalb, den Antrag abzulehnen.
Weitere Wortmeldungen? — Das Wort hat der Abgeordnete Revenstorff.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Kriedemann hat bei der Begründung dieses Antrags besonders noch die Mitarbeiter im Unterausschuß angesprochen, die sich für die Ausnahmeregelung bei Kartoffeln eingesetzt haben. Ich kann wohl sagen, daß ich einer derjenigen war, der sich für diese Ausnahme eingesetzt hat. Aber gerade die Sorge, die Sie, Herr Kriedemann. haben, habe ich ja auch. Aus diesem Grunde kann ich der Ziffer 2 Ihres Antrages auf keinen Fall zustimmen. Wenn wir hier im Plenum eines Tages beschließen, daß es so sein soll, wie Ziffer 3 Ihres Antrages es vorsieht, so ist das für mich traurig, aber es läßt sich nicht ändern, und wenn im Plenum eines Tages beschlossen wird. daß für Kartoffeln diese Ausnahme nicht mehr bestehen darf. so ist auch das für mich sehr traurig; doch wir können es nicht ändern. Aber es
ist nicht angängig, diese Angelegenheit nur dem Herrn Minister mit seiner Ministerialbürokratie zu übertragen, so daß diese machen kann, was sie will. Wir haben aber bei der Beratung dieses Gesetzes gesehen, wie die einzelnen Interessentengruppen das Ministerium bestürmen und wie sie mitunter bei den Herren Ministerialbürokraten doch Erfolg hatten, und wir mußten uns dagegen wehren. Das möchte ich auf keinen Fall dem Ministerium übertragen, sondern das, was wir wollen, soll in diesem Hause beschlossen werden. Aus diesem Grunde bitte ich Sie, Umdruck Nr. 941 Ziffer 2 abzulehnen.
Das Wort hat der Abgeordnete Kriedemann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nur zwei Worte. Ich muß wieder mein Bedauern darüber ausdrücken, daß ich offenbar größeres Vertrauen zum Minister habe als mein sehr verehrter Herr Kollege Revenstorff. Gerade weil man die Dinge im Gesetz nicht regeln kann, wenn man sie nicht so einseitig regeln will, wie das hier geschehen ist, und gerade weil es unterschiedlich ist, soll der Minister die Möglichkeit der Rechtsverordnung haben. Herr Professor Baur weiß in Wirklichkeit natürlich auch, daß es bei Kartoffeln gar nicht so anders ist als z. B. beim Weizen. Sicherlich weiß er auch, daß, wenn man nur die Hälfte dessen, was man für Hochzucht ausgibt, für Dünger mehr aufwendet, mit Nachbau mindestens dieselben Erfolge zu erzielen sind. Er weiß auch, wie unterschiedlich die Anbaustufen sind, daß der eine immer noch das Hochzucht nennt, was in Wirklichkeit schon längst Nachbau ist, weil es viel zu lange vom Zuchtgarten weg ist. Ich will Sie damit nicht aufhalten. Ich möchte mich aber gegen den leisen Vorwurf wehren, ich hätte hier eine Gefahr heraufbeschworen, die in Wirklichkeit gar nicht besteht.
Herr Dannemann hat gesagt, niemand denke daran, den Saatgutwechsel über den Zaun zu verbieten. Lassen Sie mich bitte daran erinnern, daß bei den Forderungen des Deutschen Bauernverbandes zu diesem Gesetz Punkt 1 die Forderung ist, das Wörtchen „gewerbsmäßig" — d. h. diesen Saatgutwechsel über den Zaun — zu beseitigen. Ich bin sehr froh, daß wir das gemeinsam abgelehnt haben. Im Ausschuß denkt nun niemand mehr daran. Daß aber auch sonst niemand daran denkt, ist wohl doch nicht ganz richtig.
Keine weiteren Wortmeldungen? — Die Aussprache ist geschlossen.
Ich lasse abstimmen. Wer für die Annahme des Änderungsantrags Umdruck Nr. 941 Ziffer 2 ist, den bitte ich, die Hand zu heben. — Gegenprobe! Letzteres ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ich lasse nunmehr über eine Reihe von Paragraphen abstimmen, nämlich über die §§ 8 bis einschließlich 40. Wer für die Annahme dieser Bestimmungen ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Die Bestimmungen sind angenommen.
Zu § 41 liegt ein Änderungsantrag Umdruck Nr. 941 Ziffer 3 vor.
Ich stelle fest, daß dieser Antrag schon begründet
ist. — Wortmeldungen dazu liegen nicht vor. Wer
für die Annahme dieses Änderungsantrages ist, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Letzteres ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ich lasse nunmehr über die §§ 41 bis 48 abstimmen. Wer für die Annahme dieser Bestimmungen ist, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Ersteres war die Mehrheit; diese Bestimmungen sind angenommen.
Zu § 49 ist ein Änderungsantrag vorgesehen, Umdruck Nr. 941 Ziffer 4. Das Wort hat der Abgeordnete Kriedemann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es tut mir leid, daß ich die Aufmerksamkeit des Hauses wieder in Anspruch nehmen muß, aber es handelt sich nun einmal wirklich um ein wichtiges Gesetz.
§ 49 regelt den Verkehr mit Saatgut, das im Ausland erzeugt ist.
Sie wissen, daß das ganze Gesetz darauf abgestellt ist, in Deutschland nur Hochzucht in den Verkehr zu bringen, und zwar mit der Begründung, diese Hochzucht sei besser als das, was aus dem Ausland bezogen werden könne, jedenfalls in der großen Zahl der Fälle, und der deutsche Saatgutverbraucher müsse gegen Angebote unkontrollierbarer Qualitäten aus dem Ausland geschützt werden; der Saatgutverkehr müsse darum auf die deutsche Hochzucht konzentriert werden. Deutsche Hochzucht ist also Saatgut, von dem man weiß, aus welchem Zuchtgarten es stammt, das man auf dem Felde hat aufwachsen sehen, das vor der Ernte noch einmal begutachtet wird und das später noch verschiedenen Anerkennungsbestimmungen unterliegt, damit an den Verbraucher eine gute Ware herankommt.
Die Erzeugung der Hochzucht, die dem Verbraucher zugeführt wird, geschieht nun zwar auf Rechnung der Züchter, aber in der überwiegenden Zahl der Fälle nicht in ihren Betrieben, sondern bei den sogenannten Vermehrern, in den Vermehrungsbetrieben. Ein Vermehrer bekommt also von dem Züchter sogenanntes Elitesaatgut. Dieses sät er aus, er erntet die Ware, er gibt die Ernte, die dann Hochzucht heißt, an den Züchter zurück. und dieser bringt sie in den Verkehr. An diesem Geschäft sind viele Landwirte interessiert, und ich sage noch einmal. daß gerade sehr tüchtige, aktive Landwirte als Vermehrer tätig sind. Sie verdienen natürlich an diesem Saatgut mehr als an gewöhnlichem Mahlgut. Nun haben aber die Züchter in soundso vielen Fällen herausgefunden, daß es vorteilhafter ist, die Vermehrung nicht in Deutschland, sondern im Ausland stattfinden zu lassen. Vielleicht erinnert sich der eine oder andere von Ihnen noch an die Diskussion um die Saatgutbergungsbürgschaft. Sie werden dann auch noch wissen, daß ein sehr erheblicher Teil der Schwierigkeiten gerade dadurch entstanden ist, daß Vermehrungen großen Stils im Ausland stattgefunden haben. Damals hatten wir Gelegenheit, uns noch amtlich das bestätigen zu lassen, was den Eingeweihten sowieso schon bekannt war: es werden zwar deutsche Eliten ins Ausland gebracht, es kommt dann auch Saatgut nach Deutschland zurück, das unter dem Namen der betreffenden Sorte verkauft wird, es ist
aber keineswegs wirkliches Hochzuchtsaatgut aus diesen Eliten, sondern etwas ganz anderes. Der ausländische Vermehrer hat etwas nach Deutschland zurückgeliefert, was mit der Sorte selber gar nichts mehr zu tun hat, und trotzdem ist es unter der Firma des Züchters und unter dem Namen dieser Sorte hier in den Verkehr gebracht worden.
Wir haben also alle Veranlassung, in dieser Richtung außerordentlich vorsichtig zu sein, auch wenn man uns sagt, daß gewisse Vermehrungen angeblich nur im Ausland stattfinden können, auch wenn wir wissen, daß für die Züchter die Auslandsvermehrung lukrativer ist. Hier stehen nicht nur die Interessen der verbrauchenden Landwirte auf dem Spiel, sondern auch die Interessen derjenigen deutschen Betriebe, denen die Vermehrung verlorengeht, wenn sie im Ausland stattfindet. Wir haben deshalb vorgeschlagen, alles, was an Saatgut aus dem Ausland kommt, wie importiertes Saatgut zu betrachten, schon deshalb, weil man all die Untersuchungen und Feststellungen nicht vornehmen kann, die hier in Deutschland vorgenommen werden und deren befriedigender Verlauf die Voraussetzung dafür ist, daß von Hochzucht gesprochen wird. Gerade auf Grund unserer Erfahrungen, gerade weil wir wissen, daß da in großem Umfang ausgesprochener Schwindel betrieben, worden ist, haben wir diese Veranlassung doppelt.
Nun ist in § 49 dieses Gesetzentwurfs in etwa der Versuch gemacht worden, gewisse Sicherheiten zu schaffen. Diese scheinen uns aber nach wie vor nicht ausreichend zu sein. Nicht zuletzt im Interesse einer Vermehrung in Deutschland, nicht zuletzt im Interesse der Landwirte, die ihre Betriebe auf Saatgutvermehrung, also auf Erzeugung von Hochzuchtsaatgut für Rechnung des Züchters eingestellt haben, möchten wir für das im Ausland vermehrte Saatgut dieselben Bedingungen haben wie für das im Inland erzeugte. Es soll also nicht nur eine Gewähr dafür bestehen, daß das aus dem Ausland eingeführte Saatgut aus deutschen Eliten stammt, sondern es sollen auch all die anderen Gewährleistungen hier, vorgesehen werden, wie sie in § 42 Abs. 1 und 2 als Voraussetzung für die Anerkennung festgelegt worden sind. Mit anderen Worten, wir wollen gleiches Recht, wir wollen hinsichtlich dessen, was unter dem Namen Hochzucht verkauft wird, gleiche Maßstäbe für das, was aus der inländischen Vermehrung stammt, und für das, was aus der ausländischen Vermehrung stammt. Ich gebe auch hier zu, daß es eine Beeinträchtigung der Geschäfte sein mag. Aber wenn man sich davon nicht leiten läßt, sondern wenn man wirklich will, daß unter dem gleichen Namen gleiche Qualitäten auf den Markt kommen, daß mit dem gleichen Namen auch die gleichen Sicherheiten gegeben sind, dann muß man diesem Antrag zustimmen.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Müller.
Herr Präsident! Meine Damen' und Herren! Dieser Paragraph ist, wie das ganze Gesetz, im Unterausschuß und im Ausschuß eingehend bearbeitet und nach allen Richtungen hin geprüft worden. Die Ausführungen des Herrn Kriedemann können uns nicht überzeugen, daß das, was er vorschlägt, eine Verbesserung ist. Ich bitte Sie, den Antrag abzulehnen.
Keine weiteren Wortmeldungen? — Dann ist die Aussprache geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung über den Änderungsantrag Umdruck Nr. 941 Ziffer 4. Ich bitte diejenigen, die der Änderung zustimmen, die Hand zu heben. Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Das letzte war die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ich bitte dann diejenigen, die den §§ 49 und 50 nach der Fassung der Vorlage zustimmen, die Hand zu heben. — Gegenprobe! — Das erste war die Mehrheit; angenommen.
Mir ist soeben die Frage vorgelegt worden, ob wir wegen der Mittagszeit nicht eine Unterbrechung wenigstens der Abstimmungen eintreten lassen wollen.
— Der Abstimmungen, nicht eine Sitzungsunterbrechung. Sind Sie einverstanden? — Dann nehmen wir also von 1 Uhr bis 2 Uhr 30 keine Abstimmungen vor. Wir können die Verhandlungen ruhig weiterführen.
Ich rufe dann auf § 51. Dazu liegt ein Änderungsantrag auf Umdruck Nr. 941 unter Nr. 5 vor. Wird das Wort zur Begründung gewünscht? — Das Wort zur Begründung hat Herr Abgeordneter Kriedemann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist schon mehrfach darauf hingewiesen worden, daß die Tendenz des Gesetzes dahin geht, die Saatgutversorgung auf die sogenannte Hochzucht, das anerkannte Saatgut zu konzentrieren. Sie haben diese Tendenz durch die Ablehnung unserer Anträge unterstützt und damit Ihren Teil an Verantwortung dafür mit übernommen. Ich darf Sie trotzdem auf eine Konsequenz aus dieser Haltung aufmerksam machen, die in § 51 gezogen werden sollte. Es heißt in § 51:
Erscheint die Versorgung mit anerkanntem Saatgut nicht gesichert, so kann der Bundesminister durch Rechtsverordnung bestimmen, daß im Inland erzeugtes Saatgut als Handelssaatgut zugelassen werden darf.
Gemeint ist also eine Sorte von Saatgut, die nicht den Anforderungen entspricht, die man an das Hochzuchtsaatgut gestellt hat. Mir scheint, daß dem Minister zunächst eine große Verantwortung damit auferlegt wird, daß er festzustellen hat, ob die Versorgung der Landwirtschaft mit dem an sich allein zugelassenen Saatgut gesichert erscheint. Man stelle sich nur vor, wie die Auswirkungen auf die verbrauchende Landwirtschaft notwendigerweise sein müssen, wenn der Minister oder möglicherweise diejenigen, die ihn sachverständig beraten — nehmen wir einmal an, die Verkäufer von Hochzucht —, sich über das Angebot irren und dann einem zu kleinen Angebot die nicht befriedigte Nachfrage der verbrauchenden Landwirtschaft gegenübersteht. Man möge sich überlegen, welche Auswirkungen auf die Preise für Saatgut das hat. Wir haben so etwas in den vergangenen Jahren alle schon einmal mitgemacht. Man möge sich weiter überlegen, welche landeskulturellen Auswirkungen es hat, wenn diejenigen, die das sonst zugelassene Saatgut nicht bekommen können, auf das zurückgreifen müssen, was sie nun gerade haben. Unserer Überzeugung nach kann dieser Gefahr nur dadurch begegnet werden, daß man dem Minister nicht bloß
die Möglichkeit gibt, dann auch anderes Saatgut zuzulassen, wenn es von dem sonst vorgesehenen Saatgut einmal nicht genügend gibt, sondern ihm die Verpflichtung auferlegt, dann anderes Saatgut zuzulassen. Das wollen wir mit dem ersten Satz sagen; nicht: er kann dann, sondern: er m u B dann. Darüber hinaus sind wir der Meinung, er muß das so rechtzeitig tun, daß sich andere Leute um die Bereitstellung eines möglichst guten Saatgutes bemühen können. So geht es ja schließlich nicht, daß etwa die Mitteilung, es werde in diesem Jahr Handelssaatgut in irgendeiner Art zugelassen, erst so spät herauskommt, daß den Erzeugern, den Händlern und den Genossenschaften gar keine Zeit mehr bleibt, sich um anständiges Saatgut zu bemühen. Wir wollen ja mit den Vorschriften über die Mindestanforderungen usw. dafür sorgen, daß auch Handelssaatgut wenigstens gewissen Mindestforderungen entspricht.
Der Minister hat ohnehin eine Verantwortung, die sehr groß ist. Auf ihn wird es zurückfallen, wenn ein Teil der Landwirtschaft aus einer falschen Einschätzung des Angebots oder der Nachfrage die Nachfrage nicht oder nur zu überhöhten Preisen, zu Mangelpreisen befriedigen kann. Wir möchten mit unserem Vorschlag unter Ziffer 5 dafür sorgen, daß diese Gefahr möglichst klein gehalten wird und daß der Minister gehalten ist, wirklich sehr gründliche Überlegungen darüber anzustellen, ob denn die Versorgung gesichert ist, und rechtzeitig entsprechende Schritte zu unternehmen.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dannemann.
Meine Damen und Herren! Die §§ 51 und 52 befassen sich mit der Zulassung von Saatgut als Handelssaatgut, § 51 Zulassung des im Inland erzeugten Saatguts als Handelssaatgut und § 52 Zulassung des ausländischen Saatguts als Importsaatgut. Ich bin mit Herrn Kriedemann der Auffassung, daß auf alle Fälle dafür Sorge getragen werden muß, daß die Versorgung mit Saatgut zu jeder Zeit sichergestellt ist. Ich gehe auch mit ihm insofern konform, als ich sage: wir möchten auf keinen Fall eine Monopolstellung haben oder wir möchten auf keinen Fall erreichen, daß dieses Handelssaatgut erst dann zugelassen wird, wenn der letzte Zentner Hochzuchtsaatgut verkauft ist. Das wird auch ein verantwortungsbewußter Minister niemals zulassen können und wollen. Ich sehe daher auch die Gefahr nicht als so groß an, wie sie Herr Kriedemann glaubt darstellen zu müssen. Wir haben im Ausschuß klar zum Ausdruck gebracht — und ich habe das auch bei meiner Begründung, sowohl bei der schriftlichen als auch bei der mündlichen Begründung, hervorgehoben — daß in all den Fällen, in denen ausländisches Saatgut dem deutschen Saatgut überlegen ist, keine Bestimmungen getroffen werden dürfen, durch die die Einfuhr gefährdet oder verhindert wird.
Wir erwarten darüber hinaus — das betone ich ausdrücklich — in Zukunft vom Minister, daß auch Handelssaatgut zugelassen wird, wenn die Allgemeinheit oder das Allgemeininteresse das verlangt. Wir haben aber soviel Vertrauen zum Minister, daß er hier auf Grund der ihm gegebenen Vollmachten durch entsprechende Rechtsverordnungen rechtzeitig dafür Sorge tragen wird. Wir glauben infolgedessen, daß der § 51 — und das trifft auch für den § 52 zu - ausreichend ist.
Ich bitte aus diesen Gründen, dem Antrag zu widersprechen.
Keine weiteren Wortmeldungen. Die Aussprache ist geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung.
— Ab 1 Uhr! Es ist noch nicht 1 Uhr. Ich hatte es mir eigentlich so gedacht, daß wir es nicht so sekundenmäßig machen, sondern daß wir wenigstens noch dieses Gesetz mit den Änderungsanträgen erledigen. Dann haben wir nämlich für die dritte Beratung eine klare Situation. Sonst müßte man die ganze dritte Beratung wieder ans Ende zurückschieben. Ich glaube, es wäre wohl gut, daß wir es so machen.
Ich bitte diejenigen, die dem Änderungsvorschlag zustimmen, die Hand zu heben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das letzte ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ich bitte diejenigen, die § 51 in der Fassung der Vorlage zustimmen, die Hand zu heben. — Gegenprobe! — Das erste war die Mehrheit; angenommen.
§ 52. Hierzu liegt unter Ziffer 6 des Umdrucks Nr. 941 ein Änderungsantrag vor. Zur Begründung hat Herr Abgeordneter Kriedemann das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist gelegentlich, nicht gerade mit der letzten Sachlichkeit, so getan worden, als ginge es hier um die Bevorzugung ausländischer Produktion, als wäre es also wieder einmal eine nationale Charakterfrage, wie man sich zu § 52 stellt. Ich möchte das rein sachlich sehen, auch dann, wenn es um Importsaatgut, also um die Produktion fremder Landwirtschaft, geht. Mit der Fassung des § 52 — sie war früher einmal noch sehr viel enger — wird ganz bestimmt der Zweck verfolgt, ausländisches Saatgut überhaupt nur dann an den deutschen Saatgutverbraucher heranzulassen, wenn sein Bedarf aus deutschem Saatgut nicht gedeckt werden kann. Nun, daraus spricht ein sehr gesundes Vertrauen in die eigene Leistung derjenigen, die deutsches Saatgut erzeugen. Dieses Vertrauen ist zwar zu einem sehr erheblichen Teil berechtigt. Vielleicht wird aber dabei die Tatsache nicht genügend berücksichtigt, daß es gelegentlich auch einem ausländischen Züchter gelingt, ein Saatgut zu erzeugen, das manchmal vielleicht sogar besser sein mag. Wir haben auf die Gefahren hingewiesen, die sich aus einer solchen Abschließung für den deutschen Saatgutverbraucher ergeben. Es ist keine gute Sache, wenn man der eigenen Landwirtschaft den Zugang zu den Produktionsmitteln erschwert, an die andere Produzenten ohne jedes Hemmnis herankommen können, während aber die fremden Produkte auf den eigenen Markt kommen.
Unsere Einwände haben immerhin doch das erreicht, daß hier ein Satz eingefügt wurde:
Soweit es sich um besonders wertvolle ausländische Arten, Sorten oder Herkünfte handelt, hat der Bundesminister durch Rechtsverordnung die Zulassung von ausreichenden Mengen eingeführten Saatguts als Importsaatgut zu ermöglichen.
Auch hier will man also nicht der Praxis überlassen, festzustellen, ob es sich um eine besonders
wertvolle Sorte handelt, sondern hier will das also
lieber die Verwaltung, die Bürokratie selber tun und den anderen dieses Nachdenken abnehmen.
Die Frage ist: Was ist eine „ausreichende" Menge? Das, was die Konkurrenz für ausreichend hält, oder das, was die Nachfrage nachher rechtfertigt? Diese beiden Gesichtspunkte beweisen schon, daß es sich bei diesem Satz um ein Pflästerchen handelt, das allerdings nicht breit genug ist, um die Absicht zu verbergen, um die es sich hier dreht.
Wir haben einmal im Ausschuß Gelegenheit gehabt, an einem Stück aus der Praxis nachzuweisen, daß es mit dem heutigen Verfahren durchaus nicht nur theoretisch möglich ist, sondern praktiziert worden ist, der deutschen Gartenbauwirtschaft ein bestimmtes, in Dänemark erzeugtes Saatgut nicht zugänglich zu machen. Man hat mitgeteilt: „Der Anbau ist nicht geglückt", „Die Versuche sind schlecht ausgefallen", "Es hat noch nicht funktioniert", „Wir wissen es noch nicht", obwohl damals feststand, daß die Nachfrage nach diesem Saatgut in den Kreisen der Saatgutverbraucher von Jahr zu Jahr stieg. Wir haben aber doch gar keine Veranlassung, einen Zustand heraufzubeschwören. der etwa so aussieht, daß eines schönen Tages die Holländer Gemüse auf den deutschen Markt liefern, dem die deutschen Landwirte oder Gärtner nur deshalb nichts Gleichwertiges entgegenzusetzen haben, weil sie sich das Saatgut nicht da kaufen dürfen, wo es sich die Holländer kaufen, nämlich in Dänemark! Wir können ja schließlich für die Landwirtschaft nicht nur mit Liberalisierung und mit Einfuhren, Abbau von Zöllen und ähnlichen Geschichten etwas tun; wir müssen ja wohl auch etwas tun, um ihre Konkurrenzfähigkeit auf diese neue Situation vorzubereiten. Dazu gehört in erster Linie einmal der freie und ungehinderte Zugang zu den Produktionsmitteln, auch zu dem Produktionsmittel Saatgut, auch dann noch, wenn es in einem anderen Lande erzeugt ist. Wir möchten also die Einfuhr von Saatgut nicht auf den Bedarf abstellen. Im Ausschuß sind praktische Fälle aus den letzten Jahren besprochen worden, wohin das führt, wenn man sagt: Diese oder jene Sorte ist zwar in Deutschland nicht zu haben, wir wollen sie aber trotzdem nicht einführen, weil man auf eine andere Sorte ausweichen kann, obwohl die ganze Praxis sich mit guten Gründen dagegen wehrt, auf diese andere Sorte abgedrängt zu werden, weil es nämlich auf ihre Kosten geht. Wir möchten es deshalb nicht auf den Bedarf und auf den Fall abstellen, in dem einmal die deutsche Nachfrage nicht aus deutscher Erzeugung bedient werden kann, sondern wir wollen es hier wirklich auf einen Leistungsvergleich ankommen lassen.
Wir haben auf unserer Bereisung einmal einen Züchter, der Weltruf hat, gefragt, was für Wünsche er denn an dieses Gesetz habe und welchen Schutz er beanspruche. Er hat gesagt: „Tun Sie vor allen Dingen nichts, was unseren Export gefährdet, tun Sie beim Import nichts, womit Sie Gegenmaßnahmen des Auslands gegen unsere Maßnahmen heraufbeschwören. Wir setzen uns mit unserer Leistung auch heute noch durch, obwohl man uns im Zuge der Besatzungspolitik schweren Schaden zugefügt hat. Wir haben wieder unsere Stellung auf dem Markt. Tun Sie bloß nichts, weswegen uns die anderen handikapen und uns Schwierigkeiten machen könnten, weil wir versuchen, dem Handel über die Grenzen Schwierigkeiten zu machen."
Das zur Begründung unseres Antrags Umdruck Nr. 941 Ziffer 6.
Das Wort hat der Abgeordnete Baur.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir sind hier vielleicht am neuralgischsten Punkt des ganzen Gesetzes angelangt. Das ist ohne weiteres zuzugeben. Aber wir haben uns im Unterausschuß gerade über diesen Paragraphen sehr, sehr eingehend unterhalten und haben auf all das Rücksicht genommen, was wir in früheren Jahren auf diesen Gebieten erfahren haben. Wir wollen auch nicht — und das wird auch in dem Paragraphen nicht bestimmt — wertvolles ausländisches Saatgut von unseren Grenzen weghalten. Man muß auch den § 14 noch berücksichtigen. Danach kann ausländisches Saatgut, sofern es die Prüfungen überstanden und sich als landeskulturell wertvoll erwiesen hat, immer hereinkommen.
Aber im vorliegenden Fall handelt es sich in erster Linie darum, ob die deutsche Produktion vor allem die der deutschen Futterpflanzenzüchtung weiterhin wird erhalten werden können oder nicht. Diese Frage ist für uns bei der Entscheidung über diesen Paragraphen von ganz großer Bedeutung gewesen. Wir haben in den letzten Jahrzehnten dauernd Förderungsbeiträge gegeben, um die Futterpflanzenzüchtung in Gang zu bringen und in Gang zu halten. Wir wissen, daß die Sorten unserer einheimischen Futterpflanzenzüchtung, die auf Grund eingehender züchterischer Arbeiten entstanden sind, normalerweise den ausländischen Sorten überlegen sind. Es steht nichts dagegen, daß einige ausländische Sorten auch recht gut sein können. Aber wir haben heute noch keine Möglichkeit, diese Dinge ganz sicher zu erfassen. Auf alle Fälle müssen wir also unsere einheimische Futterpflanzenzüchtung schützen. Deshalb ist für diesen Paragraphen die vorliegende Fassung gewählt worden.
Mit der Formulierung des Abs. 1 des § 52 haben wir aber alles getan, was notwendig ist, um auf alle Fälle wertvolle ausländische Züchtungen dem deutschen Verbraucher und dem deutschen Landwirt zur Verfügung stellen zu können. Das war unsere volle Absicht gewesen. Auch in Zukunft wird das so sein müssen. Es wird keinen Minister geben, der hier eine Bremse anlegen wollte oder könnte; denn schließlich wird hier die Praxis das letzte Wort zu sprechen haben. Wir haben auch in dieser Richtung schon viele Erfahrungen. Wir wissen, daß auch in den letzten Jahren und Jahrzehnten wertvolle Züchtungen des Auslandes eingeführt werden konnten. Wir sind also nicht der Meinung, daß diese neueren Begründungen des Herrn Kollegen Kriedemann Anlaß dazu geben könnten, das umzustoßen, was wir in langer Arbeit erreicht haben.
Aus diesem Grunde bitte ich, den Antrag Umdruck Nr. 941 Ziffer 6 abzulehnen.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Damit ist die Aussprache geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung zu § 52. Wer dem Änderungsantrag Umdruck Nr. 941 Ziffer 6 zustimmt, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das letzte war die Mehrheit. Der Antrag ist abgelehnt.
Ich bitte diejenigen, die § 52 in der Fassung der Vorlage zustimmen, die Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit; angenommen.
Zu § 53 liegt der Änderungsantrag Umdruck Nr. 941 Ziffer 7 vor. Das Wort zur Begründung hat Herr Abgeordneter Kriedemann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich für mein Teil werde niemanden daran hindern, Mittag zu machen; aber ich werde mich auch nicht daran hindern lassen, hier das vorzutragen, wozu ich glaube verpflichtet zu sein. Wir sind hier j a nicht zu unserem Vergnügen, sondern zur Wahrnehmung von Interessen, die eben nicht Interessentenstandpunkte darstellen.
Mit § 53 soll ein völlig neuer Begriff eingeführt werden. Während man sich sonst immer auf alte, bewährte, überlieferte Begriffe, auf Praxis und Tradition bezieht, geht man hier davon ab und erfindet den Begriff des Behelfssaatgutes. Das ist also sozusagen die Notlösung: wenn es nicht genügend Hochzuchtsaatgut gibt und versäumt worden ist, rechtzeitig dafür zu sorgen, daß dann wenigstens ordentliches Handelssaatgut da ist, dann sollen alle Hemmungen fallen, dann soll eben „Behelfssaatgut" in Frage kommen, dann ist also das Letzte noch gut genug. Wir möchten diesen Paragraphen gestrichen haben, um die Verantwortung des Ministers nur noch mehr herauszustellen, daß er auf alle Fälle und rechtzeitig Handelssaatgut zuläßt, wenn der Bedarf nicht mit Hochzuchtsaatgut gedeckt werden kann. Es ist überhaupt kein Fall denkbar, daß bei rechtzeitiger Bekanntgabe der Zulassung von Handelssaatgut der Bedarf daraus nicht gedeckt werden könnte. Wir möchten unter gar keinen Umständen auch nur eine einzige Handhabe dafür schaffen, daß auf die Landwirtschaft nachher ein völlig unkontrollierter Dreck zukommen kann, nur weil man sich oben über das Angebot verrechnet hat, weil man vielleicht geglaubt hat, daß mit einer zu frühen Zulassung von Handelssaatgut die Preisentwicklung für Hochzuchtsaatgut nicht in der gewünschten Richtung verläuft. Die verbrauchende Landwirtschaft sollte unter gar keinen Umständen darunter leiden. Deshalb möchten wir also den Begriff „Behelfssaatgut" überhaupt nicht sehen; das wäre ein wirklicher Rückschritt.
Wir bitten deshalb, diesen Paragraphen zu streichen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dannemann.
Meine Damen und Herren! Wir kennen das Hochzuchtsaatgut und das Handelssaatgut als die beiden Hauptarten von Saatgut. Es trifft zweifellos zu, daß mit „Behelfssaatgut" ein neuer Begriff geprägt worden ist. Wie sind wir dazu gekommen? Wir haben uns von dem Gedanken leiten lassen, daß, wenn die Versorgung der Landwirtschaft mit Hochzuchtsaatgut nicht gesichert ist, Handelssaatgut zugelassen werden sollte, an dessen Qualität wir aber auch ganz bestimmte Mindestforderungen stellen müssen. Wenn diese Mindestforderungen nicht erfüllt werden und der Bedarf auf Grund irgendwelcher Zufälligkeiten nicht gedeckt werden kann, weil wir entweder starke Auswinterungsschäden oder Naturkatastrophen usw. gehabt haben, besteht die Gefahr, daß der Begriff des Handelssaatgutes verwässert wird. In der Vergangenheit ist das vielfach der Fall gewesen. Die Anerkennungsbehörden haben dann vielfach die Mindestanforderungen herabgesetzt. Das wollen wir nicht. Wir wollen, daß auch der Begriff „Handelssaatgut" gewissermaßen ein Qualitätsbegriff wird.
Sollte tatsächlich einmal Handelssaatgut nicht rechtzeitig zugelassen oder überhaupt kein Saatgut als Handelssaatgut greifbar sein, dann soll in Gottes Namen — und da befinde ich mich absolut auf der gleichen Linie wie Herr Kriedemann, der in seiner Behauptung sogar soweit geht, daß er von „Dreck" spricht — irgendeine minderwertige Ware in den Verkehr gebracht werden. Wir wissen, daß es nur Einzelfälle sind. Wir sind aber darüber hinaus der Meinung, daß dies ein wesentlich kleineres Übel ist. Das weitaus größere Übel wäre es, in jedem Jahr die Bestimmung bezüglich des Handelssaatgutes zu verwässern.
Aus den von mir vorgetragenen Gründen bitte ich, § 53 bestehenzulassen und den gestellten Antrag abzulehnen.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Aussprache ist geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung über den Änderungsantrag Umdruck Nr. 941 Ziffer 7. Ich bitte die Damen und Herren, die zustimmen, die Hand zu heben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das letzte ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ich bitte dann diejenigen, die den §§ 53, 54, 55 bis 71 — zu diesen Paragraphen liegen keine Änderungsanträge vor — zuzustimmen wünschen, die Hand zu heben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Bei einigen Enthaltungen angenommen.
Zu § 72 liegt ein Änderungsantrag auf Umdruck Nr. 943 vor. Zur Begründung Herr Abgeordneter Dr. Müller.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der von mir vorgelegte Antrag befaßt sich nicht mit dem eigentlichen Gesetz. Er ist von mir vorgelegt worden auf Bitten der Ländervertreter des Bundesrats. Die Länderminister sind der Überzeugung, daß sie, wenn das Gesetz vierzehn Tage nach Erlaß in Kraft tritt, nicht in der Lage sind, in dieser Zeit die notwendigen Vorbereitungen organisatorischer Art in ihren Ämtern zu treffen, und sie haben gebeten, daß der Bundestag als Termin den 1. November 1953 bestimmt. Ausgenommen sein soll nur der Erlaß von Rechtsverordnungen, die notwendig sind.
Ich bitte das Hohe Haus, diese freundliche Geste dem Bundesrat gegenüber zu machen und dem Antrag zuzustimmen.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Damit ist die Aussprache geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag Umdruck Nr. 943. Ich bitte diejenigen, die dem Änderungsantrag zustimmen, die Hand zu heben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.
Damit, meine Damen und Herren, ist die zweite Beratung beendet. Einer besonderen Abstimmung über § 72 bedarf es nicht, da § 72 durch den soeben angenommenen Antrag ersetzt worden ist.
Ich rufe auf zur
dritten Beratung.
Ich eröffne die allgemeine Aussprache, zu der der
Ältestenrat eine Gesamtredezeit von 40 Minuten
vorgesehen hat. Ich nehme die Zustimmung des Hauses an. — Das Wort ist zur allgemeinen Aussprache nicht gewünscht.
— Das Wort hat Herr Abgeordneter Kriedemann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit der Verabschiedung dieses Gesetzes durch den Bundestag findet eine Arbeit ihr Ende, die sicherlich nicht zu den einfachsten und zu den schlechtesten in diesem Hause gehört — ich meine, was die Hingabe angeht, mit der diese Arbeit betrieben worden ist. Wir haben in sehr vielen Sitzungen und mit einem recht erheblichen Aufwand an Kraft und Zeit die Probleme behandelt, sie auch immer wieder mit den Beteiligten besprochen und an Ort und Stelle die nötigen Feststellungen gemacht. Wir haben uns in sehr vielen Punkten geeinigt, und die Einigung erfolgte immer in der Form, daß verwaschene Bestimmungen des Gesetzentwurfs eindeutiger gefaßt worden sind, und zwar in der Form, daß Einflußnahmen ausgeschaltet worden sind, die im Gesetzentwurf noch vorgesehen waren. Insoweit kann man auch sagen, daß die Arbeit, die der Ausschuß geleistet hat, nicht ohne Nutzen war. Ich glaube, daß ich das aussprechen darf als einer von denen, die an dieser Arbeit vom ersten Tage an mitgewirkt haben. Es handelt sich bei diesem Gesetz wahrlich nicht um ein Stück der großen Politik, und darauf ist es wohl zurückzuführen, daß das allgemeine Interesse nicht sehr groß ist.
Bei der Begründung aller meiner Anträge habe ich gewußt, daß ich nicht die Zustimmung des Hauses finden würde; nicht deshalb, weil ich etwa kein Zutrauen in das Gewicht meiner Anträge hätte, sondern deshalb, weil ich von vornherein wußte, daß das allgemeine Interesse an diesen Fragen in diesem Hause nicht vorhanden ist. Man hat von vornherein natürlich angenommen, daß es sich beim Saatgutgesetz um irgendeine reine Fachfrage handelt, die man der sogenannten „Grünen Front" — die ja bekanntlich durch alle Parteien gehen soll — überlassen könne, und daß sich all die Leute, die etwas von der Wirtschaftspolitik oder von der Handelspolitik verstehen, darum gar nicht zu kümmern brauchten, mit Ausnahme des Kollegen Rademacher, der wenigstens für die Exportpolitik ein bißchen zur Debatte beigetragen hat.
Ich glaube, daß das im großen und ganzen doch nicht richtig war. Es handelt sich zwar um kein Stück großer Politik; aber es handelt sich um eine Fülle von Maßnahmen, die für die unmittelbar Beteiligten von ganz großer Bedeutung sind. Beteiligt sind keineswegs diejenigen am meisten, die hier am lautesten geredet und Einfluß zu nehmen versucht haben, schon längst bevor der Entwurf an den Ausschuß herangebracht worden war; Beteiligte in der Hauptsache sind nicht die Züchter und sind auch nicht die Händler, also diejenigen, die mit dem Saatgut ihr Geschäft machen wollen; Hauptbeteiligte sind hier die Landwirte und die Gärtner in ihrer großen, breiten Schicht, die Saatgut brauchen, damit sie überhaupt erst ein Geschäft machen können. Gerade hier ist unserer Überzeugung nach der Gesetzentwurf in den entscheidenden Fragen die richtige Antwort schuldig geblieben.
Ich will gern darauf verzichten, die mir zur Verfügung stehende Redezeit auszunutzen. Ich will das insbesondere deshalb tun, weil ich weiß, wie bereitwillig man da zuhört. Ich möchte nur das eine noch einmal hervorheben: Hier werden eine Reihe von Bestimmungen getroffen, die für einzelne Leute zweifellos sehr interessant sind. Daß es überall und immer üblich ist, dann zu argumentieren, das Interesse der einzelnen sei ja überhaupt das Interesse der Gesamtheit, und die einzelnen verträten ihre Interessen nur deshalb so tapfer, weil die anderen — in diesem Falle also die Saatgutverbraucher — dazu gar nicht in der Lage seien und deshalb Vertreter und Sprecher haben müßten, wissen wir alle miteinander. Auf alle Fälle aber ist eines zu sagen — das ist jedenfalls die Überzeugung meiner Freunde und meine eigene Überzeugung —: daß mit den Bestimmungen dieses Gesetzes der Landwirtschaft der Zugang zu einem wichtigen Produktionsmittel unnötig erschwert wird.
Es besteht gar kein Grund, hier erst noch lange über die Bedeutung der Züchtung zu reden; die kennen wir alle miteinander. Wir wissen auch, daß diejenigen, die etwas leisten und sich darauf berufen können, keineswegs so eine panische Angst vor der Konkurrenz haben und nicht so nach dem Schutz schreien. Schutz aber denen zu gewähren, die sich nicht auf ihre eigene Leistung verlassen können, sondern auf Gesetzesbestimmungen verlassen müssen, ist eine Angelegenheit, die sich teuer stellt für diejenigen, die nun unter diesen Bestimmungen zu leiden haben. Das ist in diesem Falle eben die Saatgut verbrauchende Landwirtschaft, der Saatgut verbrauchende Gartenbau. Ich sage noch einmal: In einem Augenblick, in dem wir immer mehr Konkurrenz auf dem deutschen Markt in Erscheinung treten sehen, in dem wir die Landwirtschaft immer mehr in eine Situation hineinkommen sehen, an die sie von früher gar nicht gewöhnt ist, eine Situation, in der unsere Landwirtschaft sich in einem harten Kampf mit den Leistungen der Landwirtschaft in anderen Ländern vergleichen muß — in einem solchen Augenblick haben wir, von uns aus gesehen, gar nicht die Möglichkeit, irgend etwas in der Richtung zu tun, in der das vorliegende Gesetz ganz ohne Zweifel wirksam werden wird.
Deshalb lassen wir uns nicht beeindrucken von den Appellen bezüglich der Bedeutung der Züchtung und den Erklärungen, daß man sie schützen müsse und insbesondere den Verbraucher hier schützen müsse usw. usw., sondern wir lehnen das Gesetz wegen seiner Mängel ab. Die Verantwortung dafür, daß der Landwirtschaft, daß dem deutschen Gartenbau dieses Gesetz auferlegt wird, haben Sie, meine Damen und Herren, wie Sie die Verantwortung für soundso viele andere Maßnahmen haben, die alle in derselben Richtung versagen: einmal wirklich wirksam etwas zu tun, um unserer Landwirtschaft den Konkurrenzkampf, dem sie ausgesetzt wird, leichter zu machen — dieses Gesetz ist dazu kein Beitrag.
Das Wort hat Herr Abgeordnete Dr. Müller.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Den ersten Ausführungen des Herrn Kriedemann schließe ich mich gern an, wenn er sagt, daß im Ausschuß und vor allem im Unterausschuß eine hingebende Arbeit geleistet worden ist. Ich glaube, man wird es durchaus für berechtigt halten, wenn ich als Vor-
sitzender des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten auch hier im Hohen Hause dem Unterausschuß und seinem Vorsitzenden Dannemann für die Arbeit, die sie geleistet haben, in aller Öffentlichkeit den Dank ausspreche.
Herr Kriedemann war im Anfang seiner Ausführungen in einem Ton, daß man hätte annehmen sollen, er stimmt dem Gesetz zu;
er sprach sogar von der Grünen Front, und ich dachte, daß in diesem Falle sogar Herr Kriedemann in der Grünen Front gestanden hätte.
— Also ein Irrtum!
Wenn Herr Kriedemann sagt, die Hauptpersonen bei diesem Gesetz seien die Landwirte und die Gärtner, die das Saatgut gebrauchen, so kann ich das nicht unwidersprochen lassen. Denn wenn die Züchter nicht vorhanden wären, die das Saatgut schaffen, könnten der Gärtner und der Bauer auch kein Saatgut bekommen, das für ihren Betrieb paßt. Die aufopfernde Arbeit gerade der deutschen Züchter hat bewiesen, daß sie in der Lage sind, die Wünsche und Bedingungen, die die Landwirtschaft an Saatgut stellen muß, zu erfüllen. Man darf auch, wenn die Züchter nach Schutz suchen und einen Ertrag ihrer Arbeit haben wollen, nicht vergessen, daß sie für eine Züchtung bis zu zehn Jahren Arbeit haben und dann noch Gefahr laufen, daß, wenn sie nach zehn Jahren mit ihrer Arbeit am Ende sind, die Zucht schließlich nichts taugt.
Wir dürfen doch auch nicht vergessen, daß wir mit diesem Gesetz absolutes Neuland betreten haben. Es ist das erste Saatgutgesetz, das in der Welt überhaupt geschaffen worden ist.
— Herr Kriedemann, wir sind ja in vielen Dingen etwas anders gelagert als die übrige Welt und müssen manches tun, was man in der übrigen Welt nicht macht.
In der ganzen Europapolitik und in der auswärtigen Politik machen Ihre Genossen im Ausland auch etwas anderes als Sie. Sie haben sich dafür ja einen eigenen deutschen Gebrauchsmusterschutz zugelegt.
Wir übernehmen die Verantwortung für das Gesetz und werden seine Wirkung genau beobachten und überprüfen. Weil wir eben auf Neuland sind, werden wir auch bereit sein müssen, wenn sich Mängel herausstellen, diese Mängel abzuschaffen. Das ist nachher eine Kleinigkeit. Das Entscheidende ist, daß wir jetzt die Grundlage geschaffen haben, die auf dem Gebiet der Saatzucht, des Saatvertriebs und des Saatverbrauchs feste und sichere Anhaltspunkte gibt, die unsere Landeskultur zu fördern durchaus in der Lage sind.
Das Wort hat der Herrn Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nur ganz kurz, aber ich muß es sagen: Eine 28jährige Arbeit auf dem Gebiet der Gesetzgebung geht nun ihrem hoffentlich erfolgreichen Ende entgegen. Im Weimarer Deutschland hat man sich jahrelang bemüht, die Sache zu regeln. 1933 sollte das Gesetz erscheinen. Unter dem nationalsozialistischen Regime hat man sich die Sache leicht gemacht und hat lediglich im Jahre 1934 eine Verordnung über Saatgut herausgebracht, auf der alle anderen Vorschriften dann basierten, und zwar mit zweifelhafter gesetzlicher Unterlage, so daß eigentlich alles zu einer hieb- und stichfesten Fundierung drängte. Die Materie ist schwierig; das zu wiederholen, ist unnötig. Etwas muß ich sagen. Der Unterausschuß hat in 42 Sitzungen hier in Bonn und teilweise draußen an der praktischen Schmiede, teilweise sogar auch im Ausland die Materie studiert, bearbeitet und geformt. Ich würde meine Pflicht verletzen, wenn ich in meiner Eigenschaft als Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten dem Unterausschuß für die außerordentlich schwierige, aber notwendige Arbeit nicht den Dank ausspräche, wie auch dem Ernährungsausschuß im ganzen, der dann letzten Endes die geleistete Arbeit noch geformt hat, so daß dem Haus die Materie in einer endgültigen Form vorgelegt werden konnte.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Damit ist die allgemeine Aussprache zur dritten Beratung beendet.
Eine Abstimmung zur dritten Beratung würde darin bestehen, daß nun über das Gesetz im ganzen abgestimmt wird, da keine Änderungsanträge vorliegen. Wir müssen aber die Abstimmung wohl zurückstellen.
Da der Herr Bundesfinanzminister, dessentwegen die Beratung des Punktes 5 zurückgestellt worden ist, noch nicht anwesend ist, rufe ich jetzt auf Punkt 7 der Tagesordnung:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über Preise für Getreide inländischer Erzeugung für das Getreidewirtschaftsjahr 1953/54 sowie über besondere Maßnahmen in der Getreide- und Futtermittelwirtschaft (Nr. 4347 der Drucksachen).
Hierzu verweist die Regierung auf die gedruckte Begründung.
Der Ältestenrat ist davon ausgegangen, daß man sich mit der. Überweisung des Entwurfs begnügen könne und in der ersten Beratung eine Aussprache nicht notwendig sei. Ich schlage Ihnen also vor, die Überweisung vorzunehmen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten als federführenden Ausschuß, an den Ausschuß für Wirtschaftspolitik zur Mitberatung. Besteht darüber Einverständnis? — Es wird nicht widersprochen; es ist also so beschlossen. Damit wäre Punkt 7 erledigt.
Ich rufe auf Punkt 8:
Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betreffend Umsatzsteuer auf Obst und Gemüse .
Hier war ebenfalls von einer Aussprache abgesehen, wenigstens nach den Aufzeichnungen, die ich habe.
— Also die Begründung. Wer begründet? — Frau Keilhack!
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Das Sortieren und Verpacken von Obst und Gemüse ist ein wesentlicher Teil einer nachhaltigen Qualitätsförderung. Es ist wichtig, daß auch der kleine Erzeuger diese Qualitätsförderung vornehmen kann. Ihm ist es nicht möglich, hohe Investitionen für Verpakkungs- und Sortierungseinrichtungen zu machen, weil das die Kosten erhöhen und seinen Betrieb unrentabel machen würde. Er ist darauf angewiesen, Verpackungs- und Sortierungsmöglichkeiten über seine eigenen Genossenschaften und über den Handel wahrnehmen zu lassen, deren ureigenste Aufgabe das auch ist.
Die heutige Umsatzsteuerregelung hat aber zur Folge, daß, wenn diese Verpackung und Sortierung durch Genossenschaften und Handel, also in der ersten Stufe nach dem Erzeuger, vorgenommen werden, das Drei- bis Vierfache der Umsatzsteuer gezahlt werden muß, die der Erzeuger bezahlt, der die Aufgabe der Verpackung und des Sortierens direkt übernimmt, weil im umsatzsteuertechnischen Sinne Verpackung und Sortierung als ein Bearbeitungsprozeß angesehen werden und dies eine Erhöhung der Umsatzsteuer bewirkt. Diese Steuerbestimmung verhindert die notwendige Qualitätsförderung des deutschen Obstes und des deutschen Gemüses — hier kommen wir auf eine ähnliche Debatte, wie wir sie eben geführt haben —; sie vermindert die Konkurrenzfähigkeit der deutschen Erzeugung gegenüber der ausländischen, die im Wettbewerb einen erheblichen Druck auf die deutsche Landwirtschaft ausübt. Außerdem ist auch eine Parallele für die Berechtigung unseres Antrags insoweit vorhanden, als z. B. auch bei den Eiern die Sortierung und Stempelung vorgenommen wird, ohne daß man dies als neuen Bearbeitungsprozeß ansieht, so daß es also auch keine Umsatzsteuererhöhung zur Folge hat.
Die Annahme dieses Antrags — ich darf meine Ausführungen dahin zusammenfassen und will damit die Begründung beenden — stellt die Voraussetzung für die geforderte Verordnung zum Handelsklassengesetz dar, die auch die Qualitätsförderung bezweckt, und sie bildet ebenso die Voraussetzung für das jetzt im Unterausschuß erarbeitete Obst- und Gemüsegesetz, welches auch nur bewirken soll, daß eine Qualitätsverbesserung die Landwirtschaft, die Erzeuger, in die Lage versetzt, gegenüber der ausländischen Produktion wettbewerbsfähig zu sein.
Es ist wichtig, daß dieser Antrag — unabhängig von den anderen vorliegenden Anträgen — sofort zur Abstimmung gebracht wird, damit der Bundesfinanzminister gleich die entsprechenden Regelungen treffen kann und die Umsatzsteuererleichterung mit den vorbezeichneten Gesetzen und Bestimmungen zusammenfällt. Sie werden erst im ganzen der Landwirtschaft Erleichterungen bringen und ihr den Wettbewerb ermöglichen. Zusammen werden sie der Qualitätsverbesserung der deutschen Erzeugung nachhaltig dienen. Ich bitte also, den Antrag nicht an den Ausschuß zu überweisen, sondern hier direkt zur Abstimmung zu bringen. Ich hoffe, daß Sie ihm zustimmen werden.
Meine Damen und Herren, an sich war zu diesem Punkt keine Aussprache vorgesehen. Da sie offenbar gewünscht wird, möchte ich Ihnen vorschlagen, die Gesamtredezeit auf 40 Minuten zu begrenzen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Müller.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Grundtendenz dieses Antrags stimmen wir durchaus zu. Wir sind aber der Auffassung, daß derartige Anderungen in Steuergesetzen nicht ohne weiteres vorgenommen werden können, d. h. nicht, bevor die Ausschüsse dazu Stellung genommen haben.
Ich beantrage, diesen Antrag an den Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen unter Mitberatung durch den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu überweisen.
Das Wort hat der Abgeordnete Kriedemann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es kann mit Fug und Recht gesagt werden, daß es sich bei diesem Antrag um eine außerordentlich einfache und in ihren Auswirkungen klar zu übersehende Angelegenheit handelt. Der Antrag hat weniger mit Steuern, als mit dem Obst und dem Gemüse zu tun. Es ist Ihnen soeben gesagt worden, wir hoffen, noch durch diesen Bundestag ein Gesetz zur Ordnung des Marktes für Obst und Gemüse verabschieden zu können. In unmittelbarem Zusammenhang damit steht alles, was der Qualitätsförderung dient, ganz abgesehen davon, daß das für die Landwirtschaft und den deutschen Gartenbau insbesondere gegenüber der zunehmenden Konkurrenz sowieso die Frage Nr. 1 ist.
Wir haben bei jeder Gelegenheit zu hören bekommen, die Qualitätsförderung leide unter anderem sehr wesentlich darunter, daß die Masse der Erzeuger nicht in der Lage ist, nach Vorschriften, die die Güte und den Standard sicherstellen sollen, zu sortieren und zu verpacken, daß andererseits aber die Vornahme dieser Arbeiten wiederum daran scheitert, daß durch die Sortierung und Verpackung, wenn sie beim Handel oder bei den Genossenschaften der Erzeuger erfolgen, Umsatzsteuersteigerungen eintreten. Wir brauchen die Annahme dieses Antrags so schnell wie nur irgendwie möglich, insbesondere deshalb, weil wir hoffen, gerade im Zusammenhang mit diesem Gesetz nun endlich einmal ein Stück weiterzukommen, nachdem uns das in den vier Jahren bisher leider nicht gelungen ist, obwohl so lange und so oft darüber geredet wird, es müsse nun endlich einmal etwas zur Hilfe der Landwirtschaft in ihrem Konkurrenzkampf getan werden. Ich schlage Ihnen ja hier nichts vor, von dem man nicht weiß, wo es endet, wenn man es anfängt, sondern etwas, was durchaus zu übersehen ist. Ich hatte gemeint, wir hätten uns auch in den Gesprächen hinreichend darüber verständigt. Deshalb wiederhole ich den vorhin von meiner Kollegin gestellten Antrag und bitte Sie, diesem Antrag unmittelbar zuzustimmen. Ich meine, Sie können das ohne weiteres tun, weil Sie damit überhaupt kein Risiko eingehen.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Damit ist die Aussprache geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung.
— Stellen wir also auch die Abstimmung über diesen Punkt zurück.
Dann rufe ich die Punkte 9 a und 9 b der Tagesordnung auf:
a) Erste Beratung des von den Abgeordneten Struve, Dr. Kneipp, Tobaben, Hoffmann und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes (Nr. 4361 der Drucksachen);
b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Struve, Dr. Kneipp, Tobaben, Hoffmann und Genossen betreffend Durchführungsbestimmungen zum Umsatzsteuergesetz (Nr. 4362 der Drucksachen).
Das Wort zur Begründung hat Herr Abgeordneter Dr. Kneipp.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es war abgesprochen, daß die Begründung im Ausschuß gegeben werden sollte. Beide Anträge hängen ja eng mit dem Antrag zusammen, über den wir uns kurz vorher unterhalten haben. Ich beschränke mich also darauf, Sie zu bitten, die Anträge dem Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen und, wenn es erforderlich sein sollte, daneben noch dem Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu überweisen.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Dann können wir abstimmen. Sie haben den Antrag auf Überweisung an den Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen federführend und mitberatend an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten gehört. Dem ist nicht widersprochen worden. Ich darf die Zustimmung des Hauses annehmen. Ich nehme an, daß das für Punkt 9 a und 9 b gilt.
Damit ist dieser Punkt erledigt.
Ich rufe auf Punkt 10 der Tagesordnung.
— Nach Punkt 10; wenigstens nach den Aufzeichnungen, die ich hier übernommen habe.
Ich rufe also Punkt 10 der Tagesordnung auf:
Beratung des Antrags der Abgeordneten Eichner, Lampl, Dannemann, Struve, Tobaben und Genossen betreffend Liberalisierung der Einfuhr von Käse und Schokolade .
Der Ältestenrat schlägt Ihnen 10 Minuten zur Begründung und 40 Minuten für die Aussprache vor. Ich nehme Ihre Zustimmung an.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Eichner; bitte schön!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag Drucksache Nr. 4336, der von uns bäuerlichen und den uns nahestehenden Abgeordneten eingebracht wurde, fordert die Aufhebung der Liberalisierung der Einfuhr von Käse und Schokolade. Anlaß dazu gab die ausgerechnet am 1. April 1953 erfolgte Bekanntmachung im Bundesanzeiger. Wenn bis dahin lediglich Parmesan, Sedar, Ramtal und Gorgonzola auf der Liberalisierungsliste standen, so können jetzt auch alle anderen Sorten, ob es nun Hartkäse, Schnittkäse, Weichkäse, Sauermilchkäse und Schmelzkäse sind, nicht mehr an ein Kontingent gebunden in beliebigen Mengen eingeführt werden. Wohl besteht der Zollschutz weiter, aber er bietet durch die Gefahr eines Dumpings vom Ausland her keinen ausreichenden Schutz für unsere einheimische Käseerzeugung. Die Tatsache, daß allein durch die Verkündung im Bundesanzeiger die Werkmilchpreise teilweise um 30 %, bei uns in Bayern auch die Frischmilchpreise bis zu 20 % sanken, beweist, wie berechtigt dieser Antrag ist. Bei Schmelzkäse insbesondere droht der heimischen Produktion ein Schlag von noch nie dagewesenem Ausmaß.
Während nun, ebenfalls am 1. April 1953, auch Trockenmilch auf die Liste gesetzt wurde, sperrte Amerika am gleichen Tage alle Einfuhren von Trockenmilch, getrockneter Buttermilch und Trokkenrahm. Die zwangsläufige Folge ist nun, daß Holland, Schweden, Dänemark und Neuseeland neue Absatzwege suchen müssen, und diese liegen in erster Linie in unserem Bundesgebiet.
Nun werden bekanntlich zur Erzeugung von Schokolade große Mengen von Trockenmilch gebraucht, und hier wird nicht bloß der Landwirtschaft ein K.o.-Schlag versetzt, sondern auch dieser Industrie; denn die Folge wird sein, daß gerade durch die Einfuhr von Schokolade in übergroßen Mengen zahlreiche Arbeiter in. dieser Industrie brotlos werden.
Nun lautet der Antrag, daß beim Inkrafttreten des Londoner Schuldenabkommens die Liberalisierung der Einfuhr der oben erwähnten Erzeugnisse rückgängig gemacht werden soll. Nach meiner Information ist die Regelung bereits von der Regierung unterzeichnet, und sie soll demnächst im Bundestag in dritter Lesung ratifiziert werden. Wir hatten bis jetzt bei der EZU einen monatlichen Exportüberschuß von zirka 45 Millionen, welche Summe bisher bereits auf insgesamt 500 Millionen angewachsen ist. Diese 45 Millionen Überschuß aus Industrieexporten begrüßen wir an und für sich; aber die Regierung darf nicht den Fehler begehen, diesen Exportüberschuß auf dem Rücken der Landwirtschaft zu erzielen, und mit der Liberalisierung der genannten Milcherzeugnisse ist diese Gefahr leider gegeben. Deshalb bitten wir, unseren Antrag Drucksache Nr. 4336 dem Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu überweisen.
Meine Damen und Herren, ich darf inzwischen bekanntgeben, daß zwischen den Fraktionen vereinbart worden ist, die Sitzung um 15 Uhr abzubrechen, damit Zeit für notwendige Fraktionssitzungen gegeben ist. Wir haben also jetzt bis 14 Uhr 30 eine Abstimmungspause und werden dann die Abstimmung nachholen müssen. Ich darf bitten, daß entsprechend disponiert wird.
Das Wort hat der Abgeordnete Dannemann.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Antrag auf
Drucksache Nr. 4336 behandelt eine Frage, die seit längerer Zeit weite Kreise mit großer Sorge erfüllt. Wir verkennen keineswegs die Vorteile einer gesunden Liberalisierung und wissen, daß es nur mit ihrer Hilfe möglich gewesen ist, nach all den Jahren der Zwangswirtschaft und der Autarkiebestrebungen den verlorengegangenen Weltmarkt zurückzuerobern. Wir wissen, daß eine vernünftige Liberalisierung neue Arbeitsplätze schafft und neue Kaufkraft bringt. Insofern ist auch die deutsche Landwirtschaft anfänglich den Bestrebungen freudigen Herzens nachgekommen. Die Liberalisierung hat aber dort ihre Grenzen, wo ein ganzer Berufszweig oder auch nur Teile eines Berufes tödlich getroffen werden. Keiner wird bestreiten wollen, daß in der Landwirtschaft durch diese von uns vorgenommene überspitzte Liberalisierung auf einigen Teilgebieten schon ganz erhebliche Gefahren heraufbeschworen worden sind. Der vor kurzem in Paris gefaßte Beschluß, wonach die Liberalisierungsquote auf 91 % erhöht worden ist, hat auch in der Landwirtschaft zu entsprechenden Auswirkungen geführt. Er hat insbesondere dazu geführt, daß einige wesentliche Produkte der Landwirtschaft, die ihre Haupteinnahmequelle darstellen — auf dem Gebiet der Veredlungswirtschaft der Käse und die Schokolade —, liberalisiert, d. h. freigegeben werden müssen. Wer aber weiß, wie die Einnahmequellen der Landwirtschaft sich zusammensetzen, und wer weiß, welch überragende Bedeutung die Veredlungswirtschaft und innerhalb der Veredlungswirtschaft die Milchwirtschaft für die gesamte Landwirtschaft im Westen hat, der weiß auch, welch große Gefahr am Horizont heraufbeschworen worden ist.
Im Ernährungsausschuß hat uns zwar der Minister klargemacht, daß im Augenblick trotz der vorgenommenen Liberalisierung direkte Gefahren nicht gegeben seien. Er hat zum Ausdruck gebracht, daß nicht einmal die im letzten Jahre mit Schweden, Dänemark und anderen Staaten abgeschlossenen Handelsverträge erfüllt worden seien und daß auch im Augenblick von dieser Seite her preislich gesehen ein großer Nachteil oder überhaupt ein Nachteil nicht zu erwarten sei. Ich möchte gar nicht bestreiten, daß im Augenblick vielleicht ein großer Einbruch von dieser Seite nicht zu befürchten ist. Daß allerdings bereits Auswirkungen eingetreten sind, haben wir festgestellt; denn niemand wird bestreiten wollen, daß nach der Liberalisierung vor einigen Wochen bereits auf dem Käsemarkt Preiseinbußen von etwa 10 % zu verzeichnen sind. Aber darum geht es im Endergebnis gar nicht. Der Minister hat uns ebenfalls dargelegt, daß die Liberalisierungsquoten deshalb erhöht werden müßten, weil sich unser Bestand an Auslandsguthaben im Gegensatz zum Jahre 1949 grundlegend gewandelt habe. Damals hatten wir ein Minus von etwa 440 Millionen, wenn ich die Zahl noch richtig im Gedächtnis habe, während wir heute ein Auslandsguthaben von etwa 500 Millionen haben. Wenn die Bundesrepublik also nicht Gefahr laufen wolle, daß dieses Guthaben irgendwie verlorengehe, dann bleibe uns nichts anderes übrig, als jetzt die Liberalisierung zu erweitern, indem wir ein neues Ventil zugunsten des einseitigen Exports der sonstigen gewerblichen Güter schafften. Mit anderen Worten, ganz deutlich — ich sage das mit Bewußtsein — machen sich irgendwelche Absatzschwierigkeiten bemerkbar. Die Produkte der gewerblichen Wirtschaft gehen nicht mehr so flüssig auf dem Weltmarkt weg, und nun will man versuchen, diese heraufbeschworene Gefahr dadurch abzuwenden, daß man auf der anderen Seite Nahrungsmittel hereinnimmt, d. h. eine überspitzte Liberalisierung auf dem Rücken der Landwirtschaft 'durchführt.
Gegen eine derartige Wirtschaftspolitik müssen wir uns, nicht nur im Interesse der Landwirtschaft, sondern im Interesse der Gesamtwirtschaft, mit aller Entschiedenheit wehren. Wir sind der Meinung, daß, wenn der hohe Aktivsaldo bei der EZU der wahre Grund für die Erhöhung der Liberalisierungsquote auf 91 % und die Einbeziehung der Landwirtschaft in diese erhöhte Quote gewesen sein sollte, in demselben Augenblick, in dem dieser Grund nicht mehr gegeben ist, d. h. mit dem Inkrafttreten des Londoner Abkommens, also in demselben Augenblick, in dem unser Guthaben an Devisen auf dem Weltmarkt anfängt, etwas zusammenzuschmelzen, diese für die Landwirtschaft tödliche Maßnahme zurückgenommen werden muß. Ich bin daher der Meinung und vertrete das mit allem Nachdruck, daß der von uns gestellte Antrag seine absolute Berechtigung hat. Ich bin weiter der Auffassung, daß die große Öffentlichkeit im allgemeinen über die durch die erhöhte Liberalisierung für die gesamte Landwirtschaft heraufbeschworene Gefahr nicht annähernd genügend unterrichtet worden ist.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Horlacher.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bei dem so großartig besetzten Haus habe ich trotz der Wichtigkeit der aufgeworfenen Frage keine übermäßige Lust, diejenigen zu überzeugen, die überhaupt nicht da sind;
die paar, die da sind, reichen auch nicht aus, die Frage erschöpfend zu behandeln.
Es ist schon recht traurig, daß solche Sachen — besonderes landwirtschaftlicher Art — dann zur
Sprache kommen, wenn es so auf das Ende zugeht.
Ich unterstütze die Ausführungen des Herrn Vorredners, möchte aber folgendes gleich hinzusetzen. Hier heißt es:
Die Bundesregierung wird aufgefordert, die Liberalisierung der Einfuhr von Käse und Schokolade mit Inkrafttreten des Londoner Schuldenabkommens rückgängig zu machen.
Ja, meine sehr verehrten Herren Antragsteller, warum denn so ängstlich? Meinen Sie, die Dinge sind so, daß wir warten können, bis das Londoner Schuldenabkommen in Kraft getreten ist? Die Dinge sind im Allgäu sehr brenzlig geworden. Bei uns in Bayern sind die Verhältnisse nunmehr so geworden, daß die Milchpreisregelung in umgekehrtem Verhältnis zu den Zusicherungen der Bundesregierung vom 17. Februar 1951 in Rhöndorf steht. Der entscheidende Gesichtspunkt ist der, daß die Milchpreise der Landwirtschaft unter den Stand von Rhöndorf hinuntergegangen sind. Das ist der Kardinalpunkt, über den wir uns unterhalten müssen. Da nützen alle Beschönigungen nichts mehr. — Ja, Kollege Schoettle, da gibt es gar nichts darüber zu reden; Milch ist Milch, ob in Form von Käse, Butter oder Frischmilch.
— Ist mir schon recht; wir wollen deswegen keinen Streit miteinander anfangen. Das hätte auch wenig Sinn. Das hat aber auch keinen Wert. Da müssen wir schon auf ein voller besetztes Haus warten, damit es sich besser rentiert.
Die Geschichte ist so: Der Werkmilchpreis und der Frischmilchpreis müssen miteinander in Beziehung gebracht werden. Der Werkmilchpreis, der erzielt wird durch die Verarbeitung der Produkte, ist der entscheidende Milchpreis. Aus den Mischungen bei den einzelnen Molkereien durch Frischmilch- und Werkmilchverarbeitung ergibt sich der an den Bauern auszuzahlende Preis. So ist die Lage.
Und wie steht's denn heute mit den auszuzahlenden Preisen? Wir haben — es ist bloß ein paar Monate her — im Januar 1950 einen Auszahlungspreis von 24,68 Pf pro Kilogramm Milch gehabt, im Durchschnitt des Jahres 1950 23,20 Pf, auf bayerisches Gebiet gerechnet. 1951 hatten wir im Januar einen Auszahlungspreis von 24,50 Pf und im Durchschnitt des Jahres einen solchen von 25,83 Pf. Und dann haben wir uns gebessert. Im Jahre 1952 ist mit der Konferenz von Rhöndorf eine Regelung der Milchpreisfrage erfolgt. Ich erinnere an die Regulierung des Butterpreises. Dadurch sind wir dann heraufgekommen auf einen Frischmilchpreis von 25,08 Pf, 25,30 Pf und 27,10 Pf. Das hat sich dann später auch weiter fortgesetzt. Aber jetzt ist die Lage so: In dem Katastrophengebiet des Allgäu — so darf ich es jetzt bezeichnen —,
das ein reines Grünlandgebiet ist, sind wir von einem Milchpreis von 27 Pf, später sogar 31 Pf — ich will aber die 31 Pf noch nicht einmal als Normalpreis zugrunde legen, weil da ausnahmsweise mal eine gute Konjunktur war — jetzt runtergerutscht im April auf 20.80 Pf pro Kilogramm Milch, also noch nicht einmal 21 Pf pro Kilogramm Milch. In den Weichkäsereien sind wir im Mai auf 20,80 Pf und in den Emmentaler Käsereien auf 21 Pf angelangt. Wenn Sie damit vergleichen, was eine lumpige Limonade oder ein lumpiges Mineralwasser kostet, dann ist dieser Milchpreis, wie er hier existiert, — das spreche ich namens der Landwirtschaft aus — ein Skandalpreis
geworden. Da kann die Bundesregierung nicht mehr ruhig zusehen. Da verzichten wir darauf, daß soviel Ausgleichszuschläge gegeben, alles Mögliche gemacht und daß die Zusicherung gegeben wird: es wird ja nichts passieren. Nein, es passiert überhaupt nichts!
Wenn man nichts tut, passiert nichts. Aber ob es da im Lager der Landwirtschaft so ruhig bleibt, möchte ich bezweifeln. Ich möchte allen Ernstes darauf hingewiesen haben.
Ich habe ja die Ziffern hier. Man soll uns doch nicht etwas vorsagen, was hintennach nicht stimmt. Wir haben im März 1952 eine Einfuhr an Käse von 3100 Tonnen, im März 1953 eine solche von 3500 Tonnen im April 1953 von 3200 Tonnen und im Mai 1953 von 4000 Tonnen gehabt. Da sehen Sie schon die steigende Linie. Jetzt kommt nämlich der Unsinn, der in dem Telegramm an mich drinsteht, daß wir hier in Deutschland nur hochwertigen Käse hätten und das Ausland nur minderwertigen Käse habe. Entschuldigen Sie mal, ich habe schon gesagt, da müssen schon Sachverständige im Ministerium sein, die einen minderwertigen Verstand haben; sonst könnten sie einen solchen Unsinn unmöglich behaupten.
— Das ist mir wurscht, welches Ministerium in Frage kommt. Das können sich die Minister selber aussuchen. Jedenfalls ist es grober Unfug, so etwas zu behaupten.
Wie ist die Lage? Die Lage ist so, daß uns der hochwertige Auslandskäse sehr schwere Konkurrenz macht. Der Käseverzehr in der Bevölkerung ist so unterschiedlich, daß die Bevölkerung sogar geneigt ist, für Auslandskäse etwas mehr zu zahlen als für Inlandskäse. Bitte, das ist Tatsache! Ich erinnere an Gorgonzola, ich erinnere an den feinen Edamer Käse und an den französischen Brie und all die Geschichten. Die drücken den Rahmen, weil unser verwöhnter Konsument besonderes in den Hotels die Auslandsware bevorzugt. Die Auslandskäse drücken unsere Inlandsware an die Wand.
Jetzt kommt aber noch der zweite Gesichtspunkt hinzu: daß dann auch die Ramschware hereinkommt, die hier in die Schmelzfabriken wandert; und diese Schmelzfabriken versperren uns mit der Hereinnahme minderwertiger ausländischer Ware den Absatz unserer eigenen Produkte, die in die Schmelzerei gehören.
— So sind aber die Zusammenhänge, Herr Kollege
Graf Spreti! Ich mache das Geschäft seit 1920 mit.
Wir haben auf dem Gebiet schon allerhand erlebt.
Wir wissen, wie .die Verhältnisse sind, und wir
wissen auch, daß .das ein ganz diffiziler Markt ist.
Jetzt habe ich Ihnen, Herr Minister, folgendes zu
sagen: Sie können die Dinge doch nicht so hängenlassen. Warum so ängstlich? Wir sind immer päpstlicher als der Papst, wenn wir ausländische Verpflichtungen haben. Da heißt es: Es steht da; infolgedessen muß liberalisiert werden, mag es
krumm oder grad gehen, das ist ganz gleichgültig.
Nein! Amerika empfiehlt uns immer, das und jenes
zu tun, und selber machen sie das Gegenteil davon!
Die haben ihre Landwirtschaft geschützt. Die haben auf verschiedenen Gebieten sogar die Einfuhr gesperrt, und wir haben liberalisiert, aber auf einem Gebiet, das sich zur Liberalisierung überhaupt nicht eignet. Da bin ich der Meinung, daß man Mut haben und den ausländischen Experten sagen muß: So geht es nicht!
Das Bundesernährungministerium muß in dem europäischen Wirtschaftsrat entsprechend vertreten sein. Wir haben wiederholt erlebt, daß nur das Marshallplanministerium und das Wirtschaftsministerium vertreten waren. Da muß Ordnung geschaffen werden! Sie müssen eine Stützungsaktion im Allgäu durchführen, Herr Minister, und Sie müssen auch den Käse in die Bewirtschaftung hineinnehmen. Der Antrag kann in der Form, wie er vorliegt, angenommen werden, nur steht da jetzt noch das Londoner Schuldenabkommen drin. Und so bringe ich mit anderen Freunden — da sind eine ganze Menge dabei — den Antrag ein, § 16 Ziffer 1 des Milch- und Fettgesetzes zu ändern, indem hier „Käse" dazugesetzt wird. Wenn die Schweizer Käse-Union — d. h. die Bauern selber — in der Lage ist, auf längere Sicht Käse auf Lager
zu nehmen, dann muß auch die Bundesregierung dafür sorgen, daß sie in der Lage ist, bei einem so katastrophalen Milchpreis wie im Allgäu den Bauern durch Aufkäufe helfend zur Seite zu stehen. Ich sehe nicht ein, warum das nicht geschieht.
Da sagt der Bundesminister, er sei kein Kashändler.
Das gebe ich zu. Das verlange ich auch nicht. Er soll den Käse aufbewahren, damit wir aus der Baissespekulation im Allgäu herauskommen. Zweifellos sind im Allgäu auch Leute am Werk, die à la baisse spekulieren, und diesen muß das Handwerk gelegt werden.
Herr Minister, Sie müssen dafür sorgen, daß wir einen erhöhten Trinkmilchverbrauch bekommen Die Trinkmilchreklame muß wieder mehr angekurbelt werden. Ich bin auch bereit, mitzutun.
Das ist sehr gut; denn der übermäßige Alkoholgenuß ist im Alter nichts mehr.
Ich gehe mehr zur frommen Denkungsart über; die hängt mit der Milli zusammen.
Die Milch muß im Preis gestützt werden, dann können die Verhältnisse einigermaßen in Ordnung gebracht werden.
Weiterhin gibt es in Amerika eine Beimischung von Magermilch zum Brot. Das ist auch eine Frage, die gründlich durchdiskutiert werden muß und wobei man sich überlegen muß, wie man hier zu Hilfe kommen kann. Der Ausgleich von 5 Pf, der durch die Bundesratsverordnung eingeführt worden ist, den muß man dort hinwerfen, wo ein Katastrophengebiet ist, Herr Minister! Denn das geht wie bei einer Wasserfläche: Wenn ich einen Stein hineinwerfe, bilden sich die Ringe. Wenn ein Tiefgebiet ist wie hinsichtlich der Milchpreisentwicklung im Allgäu, wirkt sich das strahlenförmig auf das ganze deutsche Bundesgebiet aus. Deswegen sind hier Hilfeleistungen notwendig.
Herr Antragsteller, ich würde empfehlen, diesen Antrag anzunehmen, aber unter Weglassung des Londoner Schuldenabkommens. Ich beantrage, das herauszustreichen.
Dann nehmen wir den Antrag gleich an. Was sollen wir ihn lange im Ernährungsausschuß debattieren? Und dann bringe ich meinen Gesetzesantrag bezüglich der Beseitigung der Liberalisierung von Käse überhaupt vor, der bezweckt, den Käse in die Bewirtschaftung hereinzunehmen. Dann ist der Ring geschlossen.
Ich würde also die Damen und Herren bitten, dem Antrag mit den Änderungen, die ich vorgeschlagen habe, gleich die Zustimmung zu erteilen. Warum soll man noch lange herumreden? Die Regierung sagt j a. Sie weiß, daß sie die Dinge nicht weiter hängenlassen kann. Wir müssen zugreifen! Es ist die höchste Zeit; denn die Verhältnisse sind auf diesem Gebiete so abgesunken, daß sie nicht mehr länger geduldet werden können.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Eichner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir sind mit dem Änderungsantrag des Kollegen Horlacher einverstanden und schließen uns seiner Meinung an.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Kriedemann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bedaure eigentlich, daß die Herren Antragsteller der Anregung von Herrn Horlacher Folge geleistet haben und die Bezugnahme auf das Londoner Schuldenabkommen aus ihrem Antrag herausgenommen haben. Ich war gerade dabei, ihnen vorzuschlagen, diesen Antrag doch auch an den Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten zu überweisen. Sie haben heute gehört, daß der Herr Bundeskanzler gelegentlich dahinzukommen pflegt, und das wäre dann vielleicht eine Gelegenheit gewesen, ihn mit diesen Konsequenzen seiner Außenpolitik vertraut zu machen; denn darum dreht es sich hier im wesentlichen, Herr Horlacher. Sie haben sich selbst um die Möglichkeit gebracht, den Herrn Bundeskanzler da zu sehen. Dann hätten Sie auch da noch einmal auf die Rhöndorfer Versprechungen zurückkommen können. Im Auswärtigen Ausschuß wäre das vielleicht wirkungsvoller gewesen.
Wir haben es hier meinem Gefühl nach mit einer peinlichen Mischung von Tragik und Komik zu tun. Aus den Reihen der Regierungsparteien wird ein Antrag gestellt, nach dem die Liberalisierung wieder aufgehoben werden soll, und aus denselben Reihen der Regierungsparteien kommt dann gelegentlich so ein Plan wie der für die Einfuhr von billigen Lebensmitteln für die minderbemittelte Bevölkerung. Zur gleichen Zeit sind andere Mitglieder dieser Regierungskoalition, und zwar der Herr Vizekanzler und der Herr Wirtschaftsminister, in London und machen den Vorschlag, man solle doch diese ganze Geschichte von Zöllen und Handelsbeschränkungen überhaupt abschaffen. Das alles soll man sich irgendwie zusammenreimen?
Das einzige, was ich an diesem Antrag entdecken kann, ist der Versuch, das, was man selber zu verantworten hat, indem man diese Regierung, einschließlich ihrer Politik, insbesondere ihrer hoffnungslosen Agrarpolitik, in Marsch gesetzt hat, damit zu verdecken, daß dieser Antrag hier gleich angenommen werden soll. Solche Anträge sollen dann ganz wuchtig Eindruck machen. Dabei sind sie aber wahrscheinlich nicht einmal in der Lage, draußen die Menschen zu beruhigen, die durch die Auswirkungen dieser Politik in Unruhe gekommen sind.
Da wird gesagt, die Zölle reichen einstweilen noch aus. Jedermann weiß, wann wir über neue Zölle werden verhandeln müssen. Wer sich einmal die Mühe macht, die unterschiedlichen Produktionskosten der deutschen Schokoladefabrikation etwa mit denen der Schweizer zu vergleichen, wer feststellt, was die Milch hier und da kostet, was der Zucker und was all die anderen Bestandteile, aus denen Schokolade gemacht werden muß, hier und da kosten, der kann sich auch bei der heutigen Zollhöhe nicht beruhigen, sondern der findet, daß es immerhin ein sehr kühnes Stück war, diese Liberalisierung einzuführen.
Aber ich verstehe andererseits die Aufregung nicht. Es hat hier wahrscheinlich der eine oder andere doch erfahren, daß man die Malzeinfuhr libe-
ralisiert hat. Die Auswirkungen auf die Braugerste — die Braugerste liegt angeblich durch Gesetz in ihren Preisen fest — sind sicherlich auch bekannt. Wir haben es doch mit dem alten Tatbestand zu tun, daß die Bauern und ihre Stimmen gebraucht werden, um eine bestimmte Mehrheit zustande zu bringen. Wenn das dann geschehen ist, dann werden sie höchstens noch gelegentlich gebraucht, um gegen den Bolschewismus oder gegen die Sozialdemokratie Stimmung zu machen. Aber das ist alles. Irgend etwas getan zu werden braucht dann nicht mehr.
Wir haben doch den Vorzug, in dem Ausschuß, auf den die Landwirtschaft angewiesen ist, nämlich in dem Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, geradezu eine Elite von landwirtschaftlichen Führerpersönlichkeiten — Präsidenten der Bauernverbände usw. — als Mitglieder zu haben. Wir wissen, was dort passiert. Nicht einmal das bißchen Raps hat man der Landwirtschaft abnehmen können. Die zahlt Zinsen für den Raps, für den man ihr einmal hohe auskömmliche Preise versprochen hat. Der neue Raps ist schon wieder abgeblüht und reif. Man hat es immer wieder im Guten versucht. Es war halt nichts zu machen. Wir haben neulich bei der Eröffnung der landwirtschaftlichen Ausstellung in Köln den Mann, der für das ganze Unternehmen einschließlich der Ernährungspolitik und des Ernährungsministeriums verantwortlich ist, sagen hören: „Rom ist auch nicht an einem Tage erbaut worden. Was in diesen vier Jahren nicht ging, wird man eben in den nächsten vier Jahren machen." Aber wer ist denn eigentlich verantwortlich dafür, daß soundso Dinge nicht geschehen sind? Wer hat denn die Regierung, wer hat denn die Mehrheit daran gehindert, das einzulösen, was sie denen versprochen haben, als deren Führer Sie sich hier und draußen aufwerfen? Die Opposition sicherlich nicht! Nur in Ihren eigenen Reihen sitzen die Widerstände, sitzen die Kräfte, die all das bewirken, was hier der Herr Kollege Horlacher völlig richtig und anschaulich, so beredt und so überzeugend noch einmal vor uns hingestellt hat.
Aber, meine Damen und Herren, wer sich einredet, mit der Annahme dieses Antrags sei irgend etwas an dem skandalösen Zustand zu ändern, der muß zur Abwechslung wieder mal außerordentlich viel Vertrauen in die Regierung und in die diversen Minister haben. Meine Freunde und ich sind wahrlich nicht in der Lage, in diesem Antrag irgend etwas Ernsthaftes zu sehen. Wir werden also Ihnen den Spaß überlassen, sich mit Ihrer eigenen Regierung, d. h. mit den Produkten Ihres eigenen politischen Verhaltens auseinanderzusetzen. Wir werden uns weder für noch gegen diesen Antrag aussprechen, wir werden uns auch nicht der Stimme enthalten, nicht einmal das, sondern wir werden nur dasitzen und zusehen, wie dieses tragikomische Stück hier weitergespielt wird. Viel Vergnügen!
Das Wort hat der Abgeordnete Niebergall.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gottes Wege sind seltsam!
Seltsam sind auch die Wege der Regierungskoalition. Seit Jahr und Tag sind wir es gewesen, die
hier in aller Offenheit und Deutlichkeit die Auswirkungen der Liberalisierung aufgezeigt haben. Immer wieder haben die Regierung und die Regierungskoalition dem widersprochen. Nun kommt man heute und stimmt ein Klagelied an. Aber es ist ein seltsames Klagelied. Es ist durch den Druck der Bauern im Allgäu, im Kemptener Gebiet entstanden. Herr Kollege Horlacher, Sie sind wohl stürmisch, aber in einer Frage nicht ehrlich gewesen. Sie haben unten im Allgäu in einer Versammlung ganz richtig gesagt: Rhöndorf war ein volles Versagen, Adenauer hat nicht Wort gehalten. Warum sagen Sie das nicht hier? Denn darin liegt ja alles.
Das ganze Rhöndorf war doch nur ein einziges Versprechen an die Bauern; es wurde nie eingelöst.
Nun stellt sich Herr Dannemann hier hin und sagt: Ja, wir sind für eine vernünftige Liberalisierung. Wie „vernünftig" diese Liberalisierung ist, sehen wir doch bei unserem Obst- und Gemüsebau. Mit Recht ist eben von der Braugerste gesprochen worden. Aber wir sehen es jetzt auch bei der Milch. Der Herr Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat in Schleswig-Holstein einmal erklärt, eine gerechte Einnahmequelle des Erzeugers sei die Milch. Wie sieht es aber heute mit den Milchpreisen aus? Sie sind unter die Gestehungskosten gesunken! Was wird erst werden, wenn die Milchschwemme kommt?
Man bringt jetzt einen Antrag ein, der Wahlzwecken dient. Damit ist aber den Bauern nicht geholfen. Deshalb haben unsere Bauern im Allgäu absolut recht, wenn sie sagen: wenn dieser Zustand nicht geändert wird, streichen wir den Herren, die für diese Politik verantwortlich sind, durch einen Steuerstreik die Einnahmequelle! Mit diesem Antrag ist den Bauern also nicht gedient. Wenn man das Problem lösen will, muß man grundsätzlich von der Liberalisierung wegkommen; denn die Zustände sind Auswirkungen der Liberalisierung.
Wir sagen deshalb den Bauern ganz offen: Laßt euch von einem solchen Wahlmanöver nicht abhalten; denn wenn ihr auf die Erfüllung solcher Versprechungen wartet, wartet ihr auf den SanktNimmerleins-Tag!
Meine Damen und Herren, damit ist die Rednerliste erschöpft. Die Abstimmung ist noch nicht möglich, weil wir ihre Vertagung vereinbart haben. Ich darf sie also zurückstellen und den nächsten Punkt der Tagesordnung aufrufen. Nach der beschlossenen Änderung ist das Punkt 14:
Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten über den Antrag der Fraktion der Deutschen Partei betreffend Pflege der Kenntnisse über die deutschen Ostgebiete, Osteuropa und Südosteuropa (Nrn. 4098, 3196 der Drucksachen).
Das Wort zur Berichterstattung hat der Abgeordnete Brandt.
Meine Damen und Herren! Die Beratung dieses Berichts*), der Ihnen als Drucksache Nr. 4098 vorliegt, hat sich wiederholt verzögert. Ein Berichtsentwurf lag dem Auswärtigen Ausschuß schon im Sommer vergangenen Jahres vor. Er konnte damals wegen der vordringlichen Beratung der Vertragstexte und der Ratifizierungsgesetze nicht behandelt werden. Im Plenum hat der Bericht auch zweimal aus technischen Gründen abgesetzt werden müssen. Ich erwähne das darum, weil ich Sie bitten möchte, auf Seite 7 des gedruckten Berichts unter Ziffer 6 eine kleine textliche Änderung vorzunehmen. Der Auswärtige Ausschuß hatte beschlossen, dem Plenum vorzuschlagen, zu beschließen, daß die Regierung bis zum 1. Mai dieses Jahres über die im Sinne von Punkt 1 bis 5 des Ausschußantrags erfolgten Maßnahmen Bericht erstatten sollte. Ich bitte nach Rücksprache mit dem Vorsitzenden des Auswärtigen Ausschusses, die Worte „bis zum 1. Mai 1953" durch das Wort „unverzüglich" zu ersetzen. Im übrigen darf ich der Hoffnung Ausdruck geben, daß noch dieser Bundestag einen solchen Bericht bekommt. Ob er ihn noch wird erörtern können, ist wohl zweifelhaft.
Ich darf sodann noch einmal auf den Antrag der Fraktion der Deutschen Partei verweisen, der diesem Bericht zugrunde liegt. Durch diesen Antrag wurde eine Förderung der Forschung und der Vermittlung von Kenntnissen über Osteuropa und Südosteuropa im allgemeinen und über die deutschen Ostgebiete im besonderen erstrebt. Der Ausschuß war der Meinung, daß es unter dem Gesichtspunkt sowohl der praktischen Politik wie unserer engen Verknüpfung mit der Entwicklung des europäischen Ostens einer allseitigen Forschung und Lehre über die Probleme Ost- und Südosteuropas bedürfe, und zwar vor allem über die in diesen Bereich gehörenden kulturellen, philosophischen, religionskundlichen, geschichtlichen, juristischen und wirtschaftswissenschaftlichen Fragen. Wie Sie aus dem schriftlichen Bericht ersehen können, hat es der Ausschuß für richtig gehalten, zwischen der ostdeutschen Volkstumsforschung und der eigentlichen Osteuropaforschung zu unterscheiden und sich im vorliegenden Bericht auf den letzteren Bereich zu konzentrieren. Der Ausschuß war insbesondere auch der Meinung, daß die Problematik der Sowjetzone Deutschlands getrennt betrachtet und bearbeitet werden müsse.
Sie finden im Bericht einen kurzen Überblick über den anerkennenswerten Wiederaufbau der deutschen Osteuropa-Forschung, wie er sich in den letzten Jahren vollzogen hat, und auch über die Förderung, die der Bund, insbesondere durch finanzielle Zuschüsse, auf diesem Gebiet betrieben hat. In diesem Zusammenhang kann festgestellt werden, daß entsprechend den Wünschen sowohl des Haushaltsausschusses wie des Auswärtigen Ausschusses seit dem Herbst vergangenen Jahres eine gewisse Koordinierung durch das Bundesministerium des Innern erfolgt ist. Dem Ausschuß wollte es richtig erscheinen, daß dieser Weg weiter befolgt wird.
Der Ausschuß hat dann insbesondere auch der Erwartung Ausdruck gegeben, daß die Bearbeitung der osteuropäischen Fragen in ihrer weitreichenden politischen und wirtschaftspolitischen Bedeutung von der Bundesregierung und allen zu-
*) Siehe Anlage 2 Seite 13233. ständigen Stellen des Bundes erkannt werden möge.
Der Bericht enthält weiter einige Empfehlungen über die Förderung des Unterrichts über osteuropäische und ostdeutsche Themen und über die kulturelle Betreuung der osteuropäischen Emigration. Dazu hält es der Ausschuß für wünschenswert, daß die Sachkenntnis der Exilintelligenz zur Geltung kommen möge. Der Ausschuß befürwortet die Unterstützung von wissenschaftlichen und kulturellen Einrichtungen der Emigration und insbesondere des geplanten europäischen Kulturfonds für Exilierte, für dessen Errichtung sich die Beratende Versammlung des Europarats ausgesprochen hatte. Andererseits hat der Ausschuß der Auffassung Ausdruck gegeben, daß es nicht die Aufgabe von Bundesstellen sein könne, sich für bestimmte politische Bestrebungen von Emigrationsgruppen zu engagieren.
Ich darf abschließen mit einem Hinweis auf die allgemeinen Bemerkungen, die der Ausschuß mit der Erörterung des vorliegenden Gegenstandes verbunden hat und die Sie unter Ziffer 2 des vorliegenden schriftlichen Berichts finden. Der Ausschuß hat die Förderung der Osteuropa-Forschung vor allem deshalb für so wünschenswert gehalten, weil sich uns die Notwendigkeit einer intensiven Auseinandersetzung mit den Problemen des europäischen Ostens aus unserer geographischen und politischen Lage heraus immer wieder aufdrängt. Wir haben im Bericht gesagt, daß Deutschland zur westlichen Welt gehöre, aber gleichwohl Grenzland zwischen West und Ost sei. Große Teile des deutschen Gebiets und fast ein Drittel unserer Menschen sind gegenwärtig in den sowjetischen Machtbereich einbezogen. Der Weg der deutschen Politik ist vorgezeichnet durch die Entscheidung, die unser Volk dort, wo es frei entscheiden kann, mit erdrückender Mehrheit gegen jede Form der Sowjetisierung gefällt hat. Der deutschen Politik ist aber auch aufgegeben, sich mit jenen Notwendigkeiten auseinanderzusetzen, die sich aus der Nachbarschaft zu den Völkern im Osten ergeben. Es sollte kein Zweifel darüber bestehen, daß die Bundesrepublik eine konsequente Politik der friedlichen Zusammenarbeit mit den Nachbarn Deutschlands im Osten wie im Westen zu führen entschlossen ist. Die deutsche Politik darf, so haben wir im Bericht weiter gesagt, weder durch Haß noch durch Anmaßung gegenüber irgendeinem dieser unserer Nachbarvölker oder durch Überheblichkeit gegenüber dem Slawentum beeinflußt sein. Die deutsche Politik muß vielmehr bestrebt sein, geschichtliche Belastungen und das traurige Erbe des Nationalsozialismus durch den Willen zu echter Verständigung und zu einem friedlichen Ausgleich der Interessen überwinden zu helfen.
Ich darf Sie bitten, meine Damen und Herren, dem Antrage des Ausschusses in der Fassung zuzustimmen, wie sie auf Seite 7 der vorliegenden Drucksache wiedergegeben ist, mit der kleinen Änderung, die ich zu Punkt 6 einleitend vorgetragen habe.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Wir treten in die Aussprache ein. Dafür hat der Ältestenrat eine Gesamtredezeit von 60 Minuten vorgeschlagen. Ich nehme die Zustimmung des Hauses an. — Das Wort hat Herr Abgeordneter de Vries.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine politischen Freunde von. der FDP begrüßen sowohl die Anträge, die in Form der Entschließungen vorgelegt sind, wie den Bericht des Ausschusses. Wir begrüßen vor allem, daß die Fragen, die in diesem Bericht angeschnitten sind, erstmals grundlegend vor dem Bundestag verhandelt werden können. Ich darf mir erlauben, auf einige Spezialfragen einzugehen.
Ich glaube, es ist von ganz besonderer Bedeutung, wenn in diesem Bericht unmißverständlich darauf hingewiesen wird, daß die deutsche Wissenschaft ihren alten Ruf des Trägers einer objektiven Forschung wieder klar unter Beweis stellen muß und wird. Die deutsche Wissenschaft ist — ich möchte hier den Ausdruck „entpolitisieren" gebrauchen — wieder auf ihre alte Grundlage, die sich durch viele Jahrzehnte hindurch bewährt hat, zurückgekehrt und widmet sich streng der objektiven Forschung. Darf ich Ihnen an zwei kleinen Beispielen zu erklären versuchen, worum es sich in dieser Beziehung handelt. Denken wir an Volkstumskarten. Wenn die Wissenschaft eine derartige Frage nicht objektiv behandelt, kann es sehr leicht geschehen, daß eine solche Volkstumskarte zu politischen Zwecken mißbraucht werden kann, denn durch kleine technische Kniffe kann z. B. erzielt werden, daß die Stärke eines Volkstums in einem Lande oder einem Staat optisch viel mehr hervortritt, als es der tatsächlichen Lage entspricht. Oder ein zweites Beispiel: Eine Grenze, mag sie politischer, geographischer oder anderer Art sein. ist an sich ein objektiver Tatbestand. Wenn die Wissenschaft nicht rein objektiv in dem Sinne, wie ich mir soeben darzulegen erlaubte, arbeitet, können wiederum ganz kleine Tricks dazu benutzt werden. die Tatbestände zu verschleiern, anstatt sie klar hervortreten zu lassen.
Zusammenfassend darf ich noch einmal sagen, daß gerade nach den Vorkommnissen während der letzten zehn Jahre unsere deutsche Wissenschaft mit aller Kraft darauf dringen wird, wiederum der objektiven Forschung Tür und Tor zu öffnen und als einziges Ziel ihrer Arbeit die objektive Forschung hinzustellen und durchzuführen.
Dem ostdeutschen Unterricht ist, wenn ich so sagen darf, von privater Seite erhebliches Interesse gewidmet worden, und zwar nicht nur dem Unterricht in den Schulen, sondern auch der Lehre auf den Universitäten. Die ostdeutschen Landsmannschaften haben u. a. mit Interesse verfolgt, wie es um diese Frage an den Hochschulen steht. Aus einigen Zahlen, die ich Ihnen vorlegen darf und die Ihnen vielleicht auch ein Bild vermitteln, ergibt sich, wieviel auf diesem Gebiet noch nachgeholt werden muß. Im Wintersemester 1951/52 waren im Bundesgebiet und in Westberlin Fragen der Heimatvertriebenen und ostdeutschen Fragen insgesamt - ich bitte, die Zahl zu beachten — 21 Vorlesungen von insgesamt rund 15 000 Vorlesungen gewidmet. Im Sommersemester 1952 waren 39 Vorlesungen dieser Art festzustellen, wobei auch die Technischen Hochschulen einbezogen sind, wodurch sich die Zahl der Gesamtvorlesungen auf 30 000 erhöhte. Schließlich wurden im Wintersemester 1952/53 105 derartige Vorlesungen von insgesamt wiederum etwa 30 000 gehalten. Ich glaube, aus diesen Zahlen ersieht man deutlich, daß auf den Hochschulen in dieser Frage noch lange nicht das getan wird, was getan werden muß. Wir dürfen der
Hoffnung Ausdruck geben, daß künftig die Vorlesungen, die osteuropäischen, ostdeutschen und Vertriebenenfragen gewidmet sind, in weit stärkerem Maße als bisher im Vorlesungsverzeichnis der Hochschulen hervortreten werden.
Es wird Sie vielleicht interessieren, meine Damen und Herren, daß im Hinblick auf den Schulunterricht gerade auf Initiative von Heimatvertriebenen in einem Land, und zwar in Schleswig-Holstein, eine Lösung versucht wurde, die meiner Auf f as-sung nach beispielhaft sein kann. Es ist dort auf Anregung der ostdeutschen Landsmannschaften ein Arbeitskreis „Unterricht ostdeutscher Raum" gebildet worden, an dem Vertreter der Landesregierung, der Lehrervereinigungen und des Kultusministeriums teilnehmen. Das Ziel dieses Arbeitskreises ist die Intensivierung des Unterrichts im angestrebten Sinn, wobei bei jedem Kreisschulrat ein Fachreferat errichtet worden ist. Aus diesem kleinen Beispiel — es liegen noch andere vor — ersieht man, daß man beim Zusammenfallen der privaten Initiative mit der behördlichen zu sehr erheblichen Ergebnissen kommen kann. Wir dürfen hoffen, daß dieses Beispiel bald Schule machen wird.
Ich sehe, daß meine Redezeit eigentlich zu Ende ist. Ich darf mit folgendem abschließen: Der Hinweis darauf, daß die Exilgruppen gewisse finanzielle Unterstützungen erhalten sollen, wird von uns warm begrüßt, weil insbesondere die Heimatvertriebenen sich darüber klar sind, daß die Exilgruppen ebenso Vertriebene sind wie wir und wir dasselbe Schicksal mit ihnen tragen. Wir begrüßen gerade deshalb den Punkt 5 der Entschließung.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Pfleiderer für den Rest der Redezeit.
Herr Präsident! Wenn ich um. das Wort gebeten habe, um zu Punkt 5 des Antrags einiges auszuführen, dann deshalb, weil ich mit dem europäischen Kulturfonds in dem zuständigen Sonderausschuß des Europarats in Straßburg seit zwei Jahren befaßt gewesen bin. Ich darf vielleicht bitten, die kurze Zeit, die ich zu diesen Ausführungen brauche, nicht auf die Redezeit meiner Fraktion anzurechnen.
Es handelt sich kurz um folgendes: Im Laufe der letzten 14 Jahre, d. h. seit Ausbruch des Krieges, sind Millionen von Einwohnern aus Osteuropa ausgewandert und leben nun in den westlichen Ländern. Es ist klar, daß diese Personen mit ihrer heimischen Kultur aufs engste verbunden geblieben sind und den Wunsch haben, ihre Kultur auch in den Aufnahmeländern zu pflegen. Europa ist ja nicht ein melting pot, nicht ein Schmelztiegel. Die Lage in Europa ist eine andere. Der Reichtum Europas hat von jeher in der Vielfalt und der Gleichberechtigung seiner Kulturen bestanden. Wir können deshalb die Auswanderer nicht einfach auf den Weg der Assimilation und der Entnationalisierung verweisen.
Nun ist es klar, daß die hier auftauchenden kulturellen Fragen nicht alle auf dem Gebiet und mit den Mitteln eines einzelnen Staates gelöst werden können. Auch aus politischen Gründen erscheint es richtig, daß die gestellte Aufgabe nicht als nationale, sondern als europäische Aufgabe angesehen wird. Daher der Plan, einen europäischen Kultur-
fonds zu schaffen, um in gemeinsamer Anstrengung die Aufgaben zu lösen.
Bei der Schaffung des Fonds wird es sich dann vielleicht darum handeln, die aufgebrachten Beträge zu teilen, und zwar in einen Teil, der in dem Land ausgegeben werden soll, in dem er aufgebracht worden ist, und in einen anderen Teil, der transferierbar sein soll.
Die Frage dieses europäischen Kulturfonds wurde vor kurzem im Ministerausschuß des Europarats behandelt. Die Herren Minister waren aber über die Angelegenheit offenbar nicht ganz zutreffend unterrichtet. Insbesondere scheinen die Minister in Straßburg diese rein kulturelle Angelegenheit in politischen Zusammenhängen gesehen zu haben, in die sie einfach nicht gehören. Die ablehnende Haltung des Straßburger Ministerausschusses hat jedenfalls im zuständigen Ausschuß der Beratenden Versammlung tiefste Enttäuschung hervorgerufen. Ich möchte annehmen, daß der Vermittlungsausschuß zwischen der Beratenden Versammlung und dem Ministerausschuß angerufen werden wird. Es wäre deshalb sehr zu begrüßen, wenn der deutsche Vertreter im Ministerausschuß von der Bundesregierung angewiesen würde, sich bei den neuen Beratungen für den Kulturfonds auszusprechen.
Mit großer Hoffnung erfüllt uns die Erklärung des belgischen Außenministers van Zeeland, der auf die ernste und eindringliche Rede des Vorsitzenden des Sonderausschusses, Major Tufton Beamish, in der Beratenden Versammlung am 8. Mai erwiderte: „Wahrscheinlich sind die Regierungen gezwungen gewesen, Antworten zu erteilen, die nicht ihren inneren Gefühlen entsprechen". Ich würde nun wünschen, Herr Präsident, daß die Minister in Straßburg und besonders der deutsche Vertreter eine Antwort fänden, die ihren inneren Gefühlen, aber auch den Gefühlen dieses Hohen Hauses und denen der Millionen Angehörigen der osteuropäischen Nationen, die im Westen leben, entspräche.
Ich bitte deshalb, dem Punkt 5 des Antrags, der sich auf den europäischen Kulturfonds bezieht, Ihre Zustimmung zu erteilen.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Graf Spreti.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Schriftliche Bericht weist zwei Sätze auf, die vielleicht von besonderer Bedeutung sind. Der erste lautet:
Der deutschen Politik ist aber auch aufgegeben, sich mit jenen Notwendigkeiten auseinanderzusetzen, die sich aus der Nachbarschaft zu den Völkern im Osten ergeben.
Im zweiten Satz heißt es:
Während des Krieges ist versucht worden, die Ostforschung einer brutalen und verhängnisvollen Politik in den besetzten Gebieten dienstbar zu machen.
Wer den allgemeinen Redejargon im Tagesgebrauch beobachtet und dabei feststellt, wie die Geschichte oft dazu benützt wird, Meinungen zu bilden und auf andere Leute irgendwie geistesbildend einzuwirken, wird erkennen, wie oft man völlig unobjektiv ohne jegliche Kenntnis der Dinge reine Spielerei betreibt und sogar Geschichte verfälscht, indem man Begriffe aus vergangenen Jahrhunderten in die Gegenwart setzt, Begriffe, die mit der Gegenwart gar nichts mehr zu tun haben.
Wir sehen, daß im Grunde genommen besonders jetzt, wo so viele Heimatvertriebene in diesem Gebiet leben, von den Heimatvertriebenen am allermeisten die Ostforschung gewünscht wird, weil man auch, und gerade in diesen Kreisen, so stark empfindet, wie sehr man aus Unkenntnis der nachbarschaftlich-geschichtlichen Entwicklung der Nachbarn Fehler begangen hat. Die Zeit, die wir heute erleben und in der die Kontinente durch Rakete und Flugzeug immer mehr aneinanderwachsen — denken wir nur einmal an Europa und Amerika —, zwingt uns, auch zu diesen Problemen Stellung zu nehmen und die geschichtlichen Verbindungen sogar bis in die Überseegebiete zu studieren.
Wenn es daher in dem Antrag des Ausschusses unter Punkt 2 heißt: „auf die Länder dahin einzuwirken, daß im Schulunterricht eine gründliche Kenntnis Ost- und Südosteuropas gewährleistet wird", so ist dies, glaube ich, mit der wichtigste Punkt. Gerade schon bei unserer Jugend soll darauf hingewirkt werden, daß die geschichtlichen Begebenheiten der Zeiten von Generationen zurück bekannt sind und nicht in einer verzerrten nationalistischen Weise mißbraucht werden. Wir müssen den Mut haben, diese Geschichtsforschung aus der Gegenwart heraus mit Leidenschaftslosigkeit — wie man es gerade mit dem neugebildeten Institut in Mainz versucht — objektiv zu betreiben. Wir müssen auch den Mut haben, unsere Fehler der Vergangenheit und das, was passiert ist, anzuerkennen, ob es Auschwitz oder Maidanek ist oder ob es auf der anderen Seite die Vertriebenen sind. Dies sind geschichtliche Fakten, die zur Meinungsbildung gehören und die wir nicht aus der Gegenwart heraus, weil sie unangenehm sind, vergessen wollen. Aus diesem Grunde begrüßt die CDU/CSU-Fraktion den Antrag und unterstützt ihn.
Das Wort hat der Abgeordnete Brandt.
Meine Damen und Herren! Ich möchte namens meiner politischen Freunde zunächst an die Adresse jener Forscher und Sachverständigen ein Wort der Anerkennung richten, die auf dem heute von uns erörterten Gebiet in den vergangenen Jahren unter schwierigen Bedingungen eine vielfach verkannte, aber im ganzen beachtliche und in vielem wertvolle Aufbauarbeit geleistet haben. Dieser Arbeit liegen in weitem Umfang persönliche Opfer und private Anstrengungen zugrunde. Aber es hat der finanziellen Förderung durch die Länder und den Bund bedurft, und gerade durch diesen Antrag wird um eine verstärkte Förderung gebeten. Wir begrüßen die Schritte, die in der Richtung auf eine sinnvolle Koordinierung erfolgt sind. Aber ich möchte auch deutlich aussprechen, daß uns die bisherige Praxis der dafür zuständigen Bundesstellen in mancher Hinsicht nicht befriedigen konnte. Was für die Förderung der Forschung im allgemeinen gilt, das trifft für die Förderung der wissenschaftlichen sogenannten Ostforschung im besonderen Maße zu. Wir haben unzweckmäßige Überschneidungen zwischen den Ministerien feststellen müssen, und der sachlich erforderliche Zusammenhang der Maßnahmen, die sich auf Bundeshilfe stützen, scheint nicht überall gewährleistet zu sein. Wir reden dabei keiner übertriebenen Zentralisierung das Wort, die echter wissenschaftlicher Arbeit abträglich sein könnte,
aber wir möchten die Gewähr für eine möglichst sinnvolle Verwendung der öffentlichen Mittel haben. Wir halten es andererseits auch im Interesse der deutschen Wissenschaft für untragbar, daß aus Grundlagenforschern sozusagen berufsmäßige „Fondisten" gemacht werden; ich meine damit Leute, die sich auf permanenter Jagd nach diesem oder jenem Fonds befinden, aus dem man mit dieser oder jener Begründung vielleicht noch etwas loseisen kann.
Lassen Sie mich ebenso offen folgendes sagen. Wir setzen als sozialdemokratische Fraktion ein Fragezeichen hinter manche der Vorhaben, die bisher von einzelnen Bundesministerien gefördert worden sind. Nicht alle Publikationen, die nur mit Hilfe öffentlicher Zuschüsse erscheinen können, erfüllen jene Voraussetzungen, von denen der Bericht des Auswärtigen Ausschusses spricht. Wir haben einige Dinge, z. B. in der Zeitschrift einer Gesellschaft, die sich des besonderen Wohlwollens des Bundesministeriums für gesamtdeutsche Fragen erfreut, lesen müssen, die einer peinlichen Verniedlichung der nazistischen Ostpolitik gleichkommen.
Erst gestern habe ich wieder von einem Fall hören müssen, in dem beträchtliche Mittel eines subventionierten Instituts einem Schriftsteller zugeflossen sein sollen, dessen Färbung im zwölfjährigen Reich so tief saß, daß eine Entbräunung nicht ohne weiteres als überzeugend angenommen werden kann.
Wir sind überhaupt der Meinung, daß ein klarer Trennungsstrich gezogen werden sollte zwischen der wissenschaftlichen Forschung über osteuropäische Probleme und den Ambitionen solcher Herren, die sich zur politischen Propaganda berufen fühlen. Die Entscheidung der politischen Gruppierung, für die zu sprechen ich die Ehre habe, gegen den kommunistisch verbrämten Totalitarismus ist definitiv und kompromißlos. Aber, meine Damen und Herren, wir meinen, gerade im Zusammenhang mit der Ostforschung und mit der Ostpolitik, daß simpler Antibolschewismus allein noch kein Programm der deutschen Politik sein kann.
Antibolschewismus allein ist keine auch nur halbwegs ausreichende Antwort auf die Frage unseres Verhältnisses zum Osten. Wir sollten immer wieder zu erkennen suchen, auf welchem Hintergrund sich die gegenwärtigen Herrschaftsformen im sowjetischen Machtbereich entwickelt haben. Wir sollten uns bemühen zu erfassen, was sich heute aus dem Gestern ergeben hat, damit wir Anhaltspunkte für die Einschätzung der künftigen Entwicklung finden können. Wir sollten — und da schließe ich mich ganz dem an, was Kollege Graf von Spreti soeben ausgeführt hat — uns über folgendes ganz klar sein: Auch angesichts des schweren Unrechts, das Millionen unserer Landsleute zugefügt wurde, dürfen wir dennoch nicht jenes Leid vergessen, das eine wahnwitzige Politik unseren östlichen Nachbarn zugefügt hat. Wir sollten uns vielleicht auch vor einem Vansittartismus mit neuen Vorzeichen hüten. Es war ein gemeingefährlicher Unsinn, daß man das deutsche Volk in einen großen Sack stecken und auf diesen Sack die Aufschrift „Nazis" setzen wollte. Aber es wäre ein ebensolcher Unsinn, ein Gleichheitszeichen zwischen anderen Völkern und ihren Regimen zu setzen. Das weltweite Ringen zwischen den Kräften der Freiheit und denen der Knechtschaft läßt sich nicht in das geographische Schema einer Scheidung zwischen Ost und West hineinzwängen.
Wir dürfen und wir können uns nicht herzlos gegenüber den landflüchtigen Opfern des Totalitarismus verhalten. Aber wir können auch Lehrjungen der einen Diktatur nicht zubilligen, daß sie die rechten Schulmeister in der Auseinandersetzung mit dem neuen Totalitarismus seien.
Mit anderen Worten, wir wünschen aus echter Anteilnahme am Schicksal der Ostemigration eine Stützung ihrer kulturellen Einrichtungen, aber wir empfehlen äußerste Zurückhaltung gegen Bestrebungen antidemokratischer, nationalistischer und irredentistischer Art. Es fehlt uns — ich darf das ganz offen sagen — nicht an menschlichem Verständnis auch gegenüber solchen Kreisen, deren frühere Tätigkeit sie in Gegensatz zu den Ideen der Freiheit und der Demokratie gebracht hatte und die seitdem um einen neuen Standort ringen. Was wir jedoch nicht wollen, ist, daß die Bundesrepublik in den Verdacht gerät, zu einem Naturschutzpark zu werden, in dem Abarten eines übersteigerten Nationalismus oder gar terroristische Gruppen gepflegt werden.
Ich sage das darum, weil wir für alle Zukunft sicher sein möchten, daß sich Vertreter unseres Staates nicht von Gruppen in Anspruch nehmen lassen, deren Bestrebungen in eklatantem Widerspruch zu jenen Erfahrungen stehen, die unser Volk teuer bezahlen mußte.
Wir können der Bundesregierung schließlich bei der Beratung dieses Gegenstandes nicht den Vorwurf ersparen, daß die Schmalspurigkeit ihrer auswärtigen Politik sie vielleicht gelegentlich dazu verleitet hat, die Erfordernisse unserer Ostpolitik beim Aufbau des Auswärtigen Amtes und auf anderen Gebieten in bedenklicher Weise zu vernachlässigen.
Das ist bedauerlich, denn die Notwendigkeit einer ernsten und möglichst objektiven Auseinandersetzung mit den Problemen besteht auch dann, wenn man die Möglichkeiten eines Ausgleichs mit dem politischen Osten gegenwärtig als gering einschätzen sollte. Uns stellt sich die Frage so dar, daß die Unnachgiebigkeit gegenüber jedem Versuch der Unterwerfung ebenso klar sein sollte wie unser Wunsch und unser Wille, sobald wir irgend möglich zu einem friedlichen Ausgleich der Interessen gerade auch mit den Nachbarn im Osten zu kommen, und die Förderung der Wissenschaft und der Lehre über Ost- und Südosteuropa und über die deutschen Ostgebiete, so wie wir sie uns vorstellen, sollte niemals zu einer Angelegenheit der Propaganda oder der reinen Zweckpolitik umgebogen werden. Vielleicht ist gerade die gegenwärtige politische Lage dazu angetan, den Blick auf das eigentliche Anliegen zu richten, nämlich zu erkennen, daß unsere Existenz als Volk und unsere Zukunft nicht zuletzt auch davon abhängen, ob wir zu den Problemen des Ostens ein furchtloses, realistisches und nüchternes Verhältnis gewinnen.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Strohbach.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Im Gegensatz zu der Deklarierung des vorliegenden Antrages als Maßnahme zur Pflege der Kenntnisse über die deutschen Ostgebiete, Osteuropa und Südosteuropa, im Gegensatz auch zum wesentlichen Inhalt der bisherigen Diskussion halten wir es für notwendig, hier sehr deutlich auszusprechen, um was es sich bei dieser Angelegenheit tatsächlich handelt. Das wird schon klar, wenn man weiß, daß der Antrag von der Deutschen Partei kommt,
deren Sprecher, Herr von Merkatz, anläßlich der dritten Lesung des Generalvertrages und des EVG- Vertrages hier den Standpunkt vertreten hat, daß es jetzt nicht die Aufgabe sei, auf dem Wege des Verhandelns und des Brückenbauens einen Ausgleich zu schaffen. Nach seiner Meinung soll statt dessen eine Befreiung auf dem Boden eines unangreifbar gewordenen großen westlichen Systems erfolgen. Herr von Merkatz hat damit ausgesprochen, daß nach Meinung der Deutschen Partei die bestehenden Spannungen und Konflikte nicht auf dem Wege des Verhandelns und der Verständigung gelöst werden sollen, sondern durch Gewalt, also durch Krieg.
Der vorliegende Antrag ist ein Teil dieser verderblichen Konzeption. Er soll die AdenauerRegierung veranlassen, unter dem Deckmantel der angeblichen Forschung immer noch mehr und noch intensiver arbeitende Agenten- und Spionagezentren in der Deutschen Demokratischen Republik und in anderen osteuropäischen Ländern zu schaffen.
Das geht auch aus dem vorliegenden Bericht des Ausschusses für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten mit genügender Deutlichkeit hervor.
Zuständig für die Förderung dieses Vorhabens sind die Herren des Auswärtigen Amtes, die zugegebenermaßen das Ziel der berüchtigten Neuordnung Osteuropas bis zum Ural verfolgen.
Dazu brauchen sie diese Spionageeinrichtungen in Osteuropa.
Zuständig ist Herr Lehr, der hier in Westdeutschland alles unternimmt, um die Organisationen und Einrichtungen zu terrorisieren, die tatsächlich gutnachbarliches Verständnis für die Völker des Ostens pflegen, wie z. B. die Gesellschaft für deutsch-sowjetische Freundschaft.
Zuständig ist ausgerechnet das Kaiser-Ministerium, das hier in Westdeutschland mit den wüstesten Hetzschriften gegen die DDR und die Völker Osteuropas arbeitet. Selbst die Schule soll dazu mißbraucht werden, das Gift dieser verderblichen Völkerhetze bereits den Kindern einzuträufeln.
Schließlich sollen die Ostemigrierten in dem ganzen
System eine bedeutende Rolle spielen und dafür
entsprechende materielle Unterstützung erhalten.
Die letzten Unklarheiten über den tatsächlichen Zweck dieses Antrags werden beseitigt, wenn man im Ausschußbericht liest, daß man sich neutral verhalten wolle gegenüber der Frage, ob Rußland in seiner weiteren Entwicklung als Einheitsstaat bestehen bleiben oder ob es unter dem Schlagwort einer organischen Re-Integration in Nationalstaaten aufgegliedert werden soll. Hier haben wir den Kern der Sache.
Hier ist ausgesprochen, um was es wirklich geht, nämlich um die gewaltsame Einmischung in die inneren Verhältnisse anderer Länder, um von außen her die Gegenrevolution zu organisieren.
Das geschieht von dieser Stelle aus ausgerechnet in einem Augenblick, wo in der ganzen Welt die größten Anstrengungen unternommen werden, um die Spannungen abzubauen und schließlich ganz zu beseitigen. Das geschieht ausgerechnet zu einem Zeitpunkt, wo in der ganzen Welt die größten Bemühungen unternommen werden, um Möglichkeiten für eine friedliche Lösung der Konfliktsprobleme zu finden, so wie es im Interesse aller Völker der Welt geschehen muß. Es geschieht bedauerlicherweise in einer Einheitsfront von der Deutchen Partei bis zur SPD. Herr Ollenhauer spricht in letzter Zeit viel davon, daß man alle Möglichkeiten ausschöpfen müsse, um zu Viermächteverhandlungen zu kommen. In der hier zur Debatte stehenden Frage hat die SPD offensichtlich ebenfalls die Position der Adenauer-Regierung bezogen, der Regierung, die eben jetzt eiligst Herrn Blankenhorn. als Sonderberater nach Washington geschickt hat, um gegen jede Möglichkeit der Verständigung zwischen den Großmächten über eine friedliche Regelung der deutschen Frage den Einspruch des Adenauer-Kabinetts anzumelden.
Der vorliegende Antrag widerspricht dem Willen der Mehrheit unserer Bevölkerung zu einer baldigen friedlichen Lösung der Konflikte in Europa. Wir lehnen ihn deshalb ab.
Als Berichterstatter hat das Wort Herr Abgeordneter Brandt.
Ich habe als Berichterstatter ums Wort gebeten, um darauf hinzuweisen, daß die Vorrednerin in zwei Punkten einem Irrtum unterliegt.
— Ich habe mich als Berichterstatter nur mit den Punkten zu befassen, die sich auf den Bericht selbst beziehen.
Es kann nicht die Rede davon sein, wenn man den Bericht zur Kenntnis nimmt, daß dieser Bericht in irgendeinem Teil direkt oder indirekt von der Unterstützung sogenannter Agententätigkeit spricht.
— Der Bericht handelt von dem, wovon in ihm die Rede ist, und von nichts anderem.
Das zweite ist — und deswegen habe ich mich eigentlich gemeldet —, daß eine auf Seite 6 des Schriftlichen Berichts getroffene Feststellung dem politischen Inhalt nach von der Frau Vorrednerin in ihr genaues Gegenteil umgemünzt worden ist. Der Auswärtige Ausschuß hat, als er sich mit der Stellung zu der Tätigkeit von Emigrationsgruppen in Deutschland befaßte, ausdrücklich zum Ausdruck bringen wollen, daß Träger der deutschen
l Politik sich nicht engagieren sollten in bezug auf Erörterungen und angebliche Planungen solcher osteuropäischen Gruppen über die zukünftige Gestaltung der Verhältnisse in ihren Ländern. Dem Ausschuß hat es also ausdrücklich ferngelegen, hier eine Tendenz zum Ausdruck zu bringen, wie sie die Frau Vorrednerin unterstellt hat. Ich habe mich für verpflichtet gehalten, das der Wahrheit zuliebe hier festzustellen.
Das Wort hat der Abgeordnete Zawadil.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die antragstellende Fraktion begrüßt es lebhaft, daß sich der Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten so intensiv mit dem Antrag befaßt hat, und stellt mit Genugtuung fest, daß er sich über den Text des Antrags hinaus auch noch mit einer Frage beschäftigt hat, die gegenwärtig von außerordentlicher Bedeutung ist: mit der Frage des Exilwesens.
Zuvor sei festgestellt, daß Millionen Heimatvertriebene, aber nicht nur diese allein, sondern darüber hinaus weite Kreise des deutschen Volkes es in diesem Augenblick begrüßen, daß der Bundestag die Verbreitung der Kenntnisse über Osteuropa und südorteuropäische Verhältnisse zu beschließen im Begriff ist.
— Herr Kollege Renner, wenn es mir nicht um die wertvollen acht Minuten zu tun wäre, würde ich mich mit den Ausführungen Ihrer Frau Kollegin Strohbach befassen. Aber es tut mir leid um die wertvolle Zeit, die ich dafür vergeuden müßte.
— Sie behaupten immer, Sie hätten bessere Erfahrungen als andere!
Diesen Antrag werden also nicht nur viele Vertriebene, sondern darüber hinaus weite Kreise des deutschen Volkes begrüßen. Die Verbreitung von Ostkenntnissen ist nicht allein ein Anliegen der Heimatvertriebenen, sondern ein Anliegen des gesamten deutschen Volkes.
Was die wissenschaftliche Forschung anlangt, so möchten wir wünschen, daß neben der bisher zu stark oder einseitig betriebenen historischen, philologischen oder folkloristischen Forschungstätigkeit in stärkerem Maße die Bearbeitung von wirtschaftlichen und rechtlichen Fragen in den Vordergrund tritt.
Wenn man bedenkt, daß während zweier Semester an allen deutschen Hochschulen nur vier Vorlesungen über die Probleme der Vertreibung und der Vertriebenen gehalten wurden, nämlich zwei Vorlesungen in Heidelberg, eine in Marburg und eine in Freiburg, so wirkt das deprimierend.
Anfang des Jahres 1952 hat sich die Kultusministerkonferenz mit der Frage der Ostuniversität befaßt. Wir haben von seiten des Kulturpolitischen Ausschusses des Deutschen Bundestags mit Befriedigung feststellen können, daß die Kultusministerkonferenz die Schaffung einer eigenen Ostuniversität ablehnte, dafür aber die Errichtung von Ostinstituten an allen bestehenden Universitäten empfohlen hat. Dieser Empfehlung hat sich auch der Bundestagsausschuß für Kulturpolitik angeschlossen. Bereits zuvor haben die Hauptvorstände der Landsmannschaften ähnliche Entschließungen gefaßt, indem sie den Ausbau der Ostinstitute, bzw. Errichtung von Ostinstituten an allen bestehenden Universitäten forderten. Wir verneinen die Isolierung, die Selbstisolierung des akademischen Nachwuchses aus Vertriebenenkreisen an eigenen Universitäten; dagegen wünschen wir eine lebendige Zusammenarbeit, ein gegenseitiges Kennenlernen und die Koordinierung von grenzlanddeutschem Denken mit binnendeutschen Auffassungen.
Was schließlich die Exilgruppen betrifft, so meinen wir, daß die Bundesregierung und speziell das Auswärtige Amt sich darüber im klaren sein müßten, daß zwischen Exilgruppen, die das Heimatrecht als allgemeines Menschenrecht anerkennen und eine Neugestaltung Mitteleuropas nach den Grundsätzen des Selbstbestimmungsrechts anstreben, und solchen undemokratischen, nationalchauvinistischen Exilorganisationen, die eine echte Integration Europas verhindern, indem sie die Vertreibung bejahen und das nationalstaatliche Prinzip als die Grundlage einer Neugestaltung Europas betonen, zu unterscheiden ist. Wir haben mit Bedauern feststellen müssen, daß in der Antwort des Auswärtigen Amts auf die Kleine Anfrage betr. Erklärung des „Rates der Freien Tschechoslowakei" ein solches Maß an Unkenntnis zum Ausdruck kommt, daß es gerechtfertigt erscheint, die Ausführungen des Herrn Kollegen Brandt zu unterstreichen, der sich dafür aussprach, endlich im Auswärtigen Amt die fachlichen Kräfte einzusetzen, die in der Lage sind, die ganze Ost- und Südosteuropapolitik einwandfrei zu behandeln und einer konstruktiven Lösung zuzuführen.
Wir haben uns, weil wir die Befürchtung haben, daß der erste Teil der Ziffer 5 im Antrag des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten seitens der Regierung mißverstanden werden, nämlich eine Auslegung erfahren könnte, die darauf hinausläuft, daß alle Exilgruppen, ohne Unterschied ihrer politischen Einstellung, kulturell zu betreuen sind, veranlaßt gesehen, einen Änderungsantrag einzubringen; er soll in keiner Weise die Anliegen einschränken, die Herr Kollege Pfleiderer zum Ausdruck gebracht hat, sondern sie im Gegenteil unterstreichen. Wir wünschen, daß die weiteren Bemühungen im Europarat in dieser Richtung fruchtbare Ergebnisse zeitigen. Weil wir aber die Befürchtung haben, daß durch das Auswärtige Amt die Formulierung im Eingang von Ziffer 5 mißverständlich ausgelegt werden könnte, beantragen wir, daß die Worte „die kulturelle Betreuung der osteuropäischen Emigration unabhängig von politischen Bestrebungen zu fördern, insbesondere" gestrichen werden. Ich bitte Sie, im Interesse aller noch zu klärenden Fragen, die im Zusammenhang mit einer Bewertung der bestehenden Exilorganisationen stehen, unserem Änderungsantrag zuzustimmen.
Keine weiteren Wortmeldungen. Ich schließe die Besprechung. Ich komme zur Abstimmung über den Änderungsantrag, den
der Abgeordnete Zawadil soeben begründet hat, die Worte „die kulturelle Betreuung der osteuropäischen Emigration unabhängig von politischen Bestrebungen zu fördern, insbesondere" zu streichen. Ich bitte die Damen und Herren, die dafür sind, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Dieser Antrag ist abgelehnt.
Ich komme zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag des Auswärtigen Ausschusses zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. — Das ist die überwiegende Mehrheit. Dieser Antrag ist angenommen.
Meine Damen und Herren, es stehen noch einige Abstimmungen aus: zunächst zu Punkt 6 der Tagesordnung, und zwar die Abstimmung in dritter Beratung über diesen Gesetzentwurf. Änderungsanträge sind nicht gestellt. Ich komme damit zur
Schlußabstimmung über den Entwurf eines Gesetzes über Sortenschutz und Saatgut von Kulturpflanzen .
Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Gesetz in seiner Gesamtheit zuzustimmen wünschen, sich zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Das erste war die Mehrheit; das Gesetz ist in der Schlußabstimmung angenommen.
Ich komme zur
Abstimmung über den Antrag der Fraktion der SPD betreffend Umsatzsteuer auf Obst und Gemüse
unter Punkt 8 der Tagesordnung. Es ist der Antrag gestellt worden, diesen Antrag der Fraktion der SPD dem Finanzausschuß als federführendem Ausschuß und dem Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu überweisen. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Überweisungsantrag zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Das erste war die Mehrheit; die Überweisung ist erfolgt.
Ich komme jetzt zur
Abstimmung über den Antrag unter Punkt 10 der Tagesordnung betreffend Liberalisierung der Einfuhr von Käse und Schokolade.
Zunächst ist über den Überweisungsantrag abzustimmen. Die Überweisung soll offenbar an den Ausschuß für Außenhandel erfolgen.
— Also auch Ernährung und Landwirtschaft. Gleichzeitig ist bei mir eine Überweisung an den Ausschuß für Außenhandel beantragt worden. Offensichtlich hat der auch damit zu tun.
Darf ich zunächst einmal fragen, wer für die Überweisung an die beiden Ausschüsse ist; die Frage der Federführung werde ich anschließend klären. Ich bitte diejenigen, die für die Überweisung sind, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? —
- Sie nicht, Herr Abgeordneter Schoettle?
Meine Damen und Herren, ich kann natürlich, wenn ich nach Enthaltungen frage, nur optisch aufnehmen, wieviel Hände hochgehen. Wie Sie das auslegen, ist Ihre Sache.
Der Antrag auf Überweisung an die beiden Ausschüsse ist jedenfalls angenommen. Es handelt sich nun um die Federführung.
Wer ist für die Federführung beim Außenhandelsausschuß? — Wer ist für die Federführung beim Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten? — Das erste war die Mehrheit; federführend ist der Ausschuß für Außenhandelsfragen.
Meine Damen und Herren, da von den Fraktionen der CDU/CSU, FDP und DP beantragt ist, die Sitzung etwa um 15 Uhr zu schließen, schlage ich Ihnen vor, daß Punkt 11, die dritte Beratung des Entwurfs eines Dritten Strafrechtsänderungsgesetzes, heute nicht mehr behandelt wird, da ein Interesse an einer einheitlichen Beratung besteht.
Darf ich Ihr Einverständnis feststellen, daß der Punkt 12, die
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über den gewerblichen Binnenschiffsverkehr ; Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Verkehrswesen (27. Ausschuß) (Nr. 4343 der Drucksachen)
,
da Änderungsanträge nicht vorliegen und eine Aussprache vom Ältestenrat nicht vorgeschlagen wird, noch erledigt wird. Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Sander. Es liegt ein Schriftlicher Bericht*) vor. Ich darf annehmen, daß Herr Abgeordneter Sander den Bericht nicht mehr zu ergänzen wünscht. — Das ist der Fall.
Ich rufe auf zur zweiten Beratung die §§ 1, —2,-3,-4,-5,-6,-7,-8,-9,-10,11,-12,-13,-14,-15,-16 bis 20,-21 bis 31, — 32, — 32 a bis 33, — 34 bis 37, — 38 bis 39,
— 41 bis 44, — Einleitung und Überschrift. — Ich bitte die Damen und Herren, die den aufgerufenen Paragraphen, der Einleitung und der Überschrift zuzustimmen wünschen, ihre Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit; ist angenommen.
Ich komme zur
dritten Beratung.
Allgemeine Beratung entfällt. Änderungsanträge sind nicht gestellt. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Gesetz über den gewerblichen Binnenschiffsverkehr in der Schlußabstimmung zuzustimmen wünschen, sich von ihren Plätzen zu erheben.
— Ich stelle fest, daß das Gesetz in der Schlußabstimmung einstimmig angenommen worden ist.
Auf Seite 5 der Drucksache Nr. 4343 befindet sich unter II ein Antrag des Ausschusses; aber ich vermute, daß der Ausschuß nicht den Bundesrat, sondern den Bundestag zu einem Beschluß ermutigen möchte, während in ,der Drucksache „Bundesrat" steht. Ist das die Auffassung des Ausschusses, daß der Bundestag etwas beschließen soll? — Offenbar.
*) Siehe Anlage 3 Seite 13239.
Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag des Ausschusses unter b), die zu diesem Gesetzentwurf eingegangenen Petitionen durch die Beschlußfassung für erledigt zu erklären, zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit; ist angenommen.
Ich rufe Punkt 13 auf:
Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten über den Antrag der Fraktion der CDU/CSU betreffend Änderung der Bezeichnung des Ausschusses für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten (Nrn. 4369, 4149 der Drucksachen).
Es liegt Ihnen ein Schriftlicher Bericht*) des Herrn Abgeordneten Dr. Decker vor. — Er wird ihn nicht mehr mündlich ergänzen. Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, auf eine Aussprache zu verzichten. — Da Haus ist damit einverstanden. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag des Aus-
*) Siehe Anlage 4 Seite 13243. schusses Drucksache Nr. 4149 zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Das ist die überwiegende Mehrheit; ist angenommen.
Damit, meine Damen und Herren, hätten wir die Punkte, die heute erledigt werden konnten und sollten, erledigt.
Ich darf bekanntgeben, daß unmittelbar im Anschluß an diese Sitzung eine Fraktionssitzung der CDU/CSU sattfindet.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestags auf Mittwoch, den 10. Juni, 9 Uhr. Ich darf unterstellen, daß die heute nicht erledigten Punkte auf die Tagesordnung einer der Sitzungen der kommenden Woche gesetzt werden.
— Meine Damen und Herren, es ist hier in den Vermerken ein Irrtum unterlaufen. Natürlich am Mittwoch um 13 Uhr 30, nicht um 9 Uhr!
Ich schließe die 268. Sitzung.