Gesamtes Protokol
Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 237. Sitzung des Deutschen Bundestages.
Vor Eintritt in die Tagesordnung
gedenke ich der Tatsache, daß Dr. Chaim Weizmann, der erste Präsident des israelischen Staates, am 9. November im Alter von 78 Jahren in Tel Aviv an einem Herzleiden gestorben ist.
Chaim Weizmann ist 1874 in Weißrußland geboren und mit 18 Jahren nach Deutschland gegangen. Er hat in Berlin studiert und in Freiburg promoviert. Während des ersten Weltkrieges gelang es ihm, die Balfour-Erklärung, in der Großbritannien den Juden eine Heimstatt in Palästina versprach, zu erwirken. Er ist zum Präsidenten des Provisorischen Rats von Palästina gewählt worden, als Großbritannien das Mandat über Palästina aufgab. Seitdem ist er zweimal vom Parlament zum Staatspräsidenten gewählt worden.
Sie haben sich zu Ehren des verstorbenen Präsidenten des Staates Israel von Ihren Plätzen erhoben. Der Deutsche Bundestag hat damit sein Beileid für das israelische Volk zum Ausdruck gebracht. Ich danke Ihnen.
Meine Damen und Herren, ich begrüße den für den verstorbenen Herrn Abgeordneten Dr. Schumacher in den Bundestag neu eingetretenen Herrn Abgeordneten Ernst Winter und wünsche ihm eine ersprießliche Arbeit in unserem Hause.
Zu unserer Freude ist schon seit einiger Zeit nach schwerer Erkrankung Herr Abgeordneter Dr. Laforet wieder in der Arbeit des Bundestages aktiv tätig.
Ich benutze die Gelegenheit dieser Begrüßung, um ihm schon jetzt zu seinem morgigen 75. Geburtstag die herzlichsten Wünsche des Bundestages zum Ausdruck zu bringen.
Ich übermittle — zum Teil nachträglich — folgenden Abgeordneten Glückwünsche zu ihrem Geburtstag: Herrn Abgeordneten Dr. Leuchtgens, der am 31. Oktober 76 Jahre alt geworden ist,
Herrn Abgeordneten Schröter , der am 5. November 60 Jahre alt geworden ist,
und den Herren Abgeordneten Dr. Friedensburg und Kühling, die am 17. bzw. 18. November, also heute, ihr 66. Lebensjahr vollenden.
Meine Damen und Herren, ich habe weiter mitzuteilen, daß die Fraktion der Föderalistischen Union unter dem 13. November mitgeteilt hat, daß Frau Abgeordnete Wessel aus ihrer Fraktion ausgeschieden ist.
Herr Abgeordneter Bodensteiner hat unter dem 14. November mitgeteilt, daß er aus der ChristlichSozialen Union und damit aus der Fraktion der CDU/CSU ausscheidet.
Ich bitte Sie um Ihre Aufmerksamkeit für die Bekanntgabe der Namen der entschuldigten Abgeordneten.
Entschuldigt fehlen die Abgeordneten Dirscherl, Kemper, Feldmann, Etzel , Dr. von Brentano, Pelster, Dr. Horlacher, Wönner, Kühling, Freitag, Dr. Kopf, Dr. von Merkatz, Margulies, Dr. Becker (Hersfeld), Wagner, Henßler, Gockeln, Kuhlemann, Dr. e. h. Veit, Lausen, Frau Dietz, Dr. Baade und Dr. Friedrich
Es sucht für längere Zeit um Urlaub nach der Abgeordnete Löfflad für zwei Monate wegen Krankheit.
Meine Damen und Herren, ich unterstelle, daß Sie mit der Erteilung des Urlaubs für Herrn Abgeordneten Löfflad, soweit er über eine Woche hinausgeht, einverstanden sind. — Das ist der Fall.
Zur heutigen Tagesordnung weise ich darauf hin, daß im Ältestenrat eine Vereinbarung darüber erzielt worden ist, daß der Punkt 2 der Tagesordnung
Fragestunde , heute entfällt. Es werden eingeschoben zwei Berichte des Vermittlungsausschusses, Drucksachen Nrn. 3851 und 3852.
Auf Wunsch der Antragsteller, auf Grund einer
Anregung im Ältestenrat soll der Punkt 6:
Erste Beratung des von der FU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ermäßigung des Aufbringungsbetrages nach dem Investitionshilfegesetz (Nr. 3805 der Drucksachen),
heute abgesetzt werden.
Das gleiche gilt nach Vereinbarung im Ältestenrat für den Punkt 8:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Gleichberechtigung von Mann und Frau auf dem Gebiete des bürgerlichen Rechts und über die Wiederherstellung der
Rechtseinheit auf dem Gebiete des Familienrechts (Nr. 3802 der Drucksachen).
Weiter ist auf Antrag der Antragsteller Punkt 30 der Tagesordnung abgesetzt worden:
Beratung des mündlichen Berichts des Ausschusses für Sozialpolitik über den Antrag der Fraktion der Bayernpartei betreffend Gleichstellung der Kriegsgeschädigten (Nrn. 3731, 124, 1934, 2177 der Drucksachen).
Eingeschoben wird nach Punkt 25 die erste, zweite und dritte Beratung des Gesetzes über die Altersgrenze von Richtern — Drucksache Nr. 3850 —, und eingeschoben wird weiterhin nach Punkt 31 die Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Kriegsopfer- und Kriegsgefangenenfragen betreffend Entschädigungsgesetz für Arbeitsleistungen ehemaliger Kriegsgefangener — Drucksachen Nrn. 3855, 3674, 3693 und 3703.
Die übrigen amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung ins Stenographische Protokoll aufgenommen:
Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 7. November 1952 beschlossen, dem BundesJagdgesetz zuzustimmen.
Der Herr Bundesminister des Innern hat unter dem 11. November 1952 die Kleine Anfrage Nr. 297 der Abgeordneten Arnholz und Genossen betreffend Einbringung des Entwurfs eines Heilpraktikergesetzes — Drucksache Nr. 3739 — beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache Nr. 3853 vervielfältigt.
Der Herr Bundesminister der Finanzen hat unter dem 28. Oktober 1952 zu dem Beschluß des Deutschen Bundestages in seiner 232. Sitzung mitgeteilt, daß die Gesetzentwürfe zur
Senkung der Kaffee- und Teesteuer dem Bundeskabinett im November zugeleitet werden. Sein Schreiben wird als Drucksache Nr. 3829 vervielfältigt.
Der Herr Beauftragte des Bundeskanzlers für die mit der Vermehrung der alliierten Truppen zusammenhängenden Fragen hat unter dem 31. Oktober 1952 über die Ausführung des Beschlusses des Deutschen Bundestages in seiner 232. Sitzung betreffend Sicherung landwirtschaftlicher Nutzflächen vor unnötigen militärischen Inanspruchnahmen berichtet. Sein Schreiben wird als Drucksache Nr. 3840 vervielfältigt.
Der Herr Staatssekretär des Auswärtigen Amtes hat unter dem 29. Oktober 1952 über die Maßnahmen der Bundesregierung auf Grund des Beschlusses des Deutschen Bundestages in seiner 223. Sitzung zum Fall Dr. Linse berichtet. Sein Schreiben wird als Drucksache Nr. 3842 vervielfältigt.
Der Herr Bundesminister der Justiz hat unter
dem 5. November 1952 über die Schritte der
Bundesregierung auf Grund des Beschlusses
des Deutschen Bundestages in seiner 164. Sitzung zum Fall Kroupa berichtet. Sein Schreiben wird als Drucksache Nr. 3849 vervielfältigt.
Ich weise darauf hin, daß im Ältestenrat eine
Verständigung darüber erzielt worden ist, daß nach
Erledigung des Punktes i der Tagesordnung die
Sitzung für eine Stunde unterbrochen
werden soll, und weise ferner darauf hin, daß nach
einer weiteren Verständigung im Ältestenrat — wie bereits bekanntgegeben worden ist — die Sitzung heute bis 22 Uhr 3 0 ausgedehnt werden soll, falls nicht eine frühere Erledigung der Tagesordnung erfolgt.
Herr Abgeordneter Dr. Reismann macht mich darauf aufmerksam, daß hinsichtlich der Berichtigung der Tagesordnung ein Mißverständnis unterlaufen sei. Bitte, Herr Abgeordneter Dr. Reismann!
Unsere Fraktion ist nicht damit einverstanden, daß der Punkt betreffend die Investitionshilfe von der Tagesordnung abgesetzt wird. Die Abreden gingen vielmehr dahin, daß dieser Gesetzentwurf ohne Debatte an den Ausschuß verwiesen werden kann, wenn andere Fraktionen dies beantragen. Dagegen würden wir mit einer Vertagung nicht ohne weiteres einverstanden sein.
Es scheinen mir gewisse Mißverständnisse auch in der Wiedergabe der Meinungen von Fraktionen vorzuliegen. Ich darf Ihnen also den Vorschlag machen, daß dieser Punkt auf der Tagesordnung verbleibt und daß man sich darüber verständigt, den Gesetzentwurf ohne Debatte an den Ausschuß zu überweisen. Sind Sie damit einverstanden? —
— Dem wird widersprochen; na, das wird sich noch klären!
Sodann darf ich noch darauf hinweisen, daß auch die Absetzung des Punktes 8 — Gleichberechtigung von Mann und Frau — nur in der Absicht erfolgt ist, ihn kurzfristig wieder auf die Tagesordnung zu bringen. Ich glaube, damit sind die Mitteilungen, die mir oblagen, erledigt.
Ich rufe Punkt 1 der Tagesordnung auf:
Entgegennahme einer Erklärung der Bundesregierung.
Der Ältestenrat schlägt Ihnen eine Aussprachezeit über die Erklärung der Bundesregierung von höchstens 60 Minuten vor. Ist das Haus damit einverstanden? — Herr Abgeordneter Renner, Sie haben widersprochen; ich muß darum darüber abstimmen lassen.
Ich bitte die Damen und Herren, die für eine Begrenzung auf 60 Minuten sind, eine Hand zu erheben.
— Meine Damen und Herren, die Begrenzung der Redezeit erfolgt nach dem Vorschlag des Ältestenrats und, falls es notwendig ist, durch ausdrücklichen Beschluß des Hauses. Dieser hat stattgefunden.
Ich bitte den Herrn Bundeskanzler, das Wort zu nehmen.
Herr Präsident! Meine Damen und meine Herren! Eine Erklärung zu den an der Saar für den 30. November dieses Jahres auf Betreiben des Ministerpräsidenten Hoffmann angesetzten Landtagswahlen kann nicht abgegeben werden ohne gleichzeitiges Eingehen auf die zwischen der Bundesrepublik und der französischen Regierung geführten, die Saar betreffenden Verhandlungen.
Auf der Konferenz der vier Außenminister — Großbritanniens, der Vereinigten Staaten, Frankreichs und Deutschlands —, die im Februar dieses Jahres in London stattfand, regten die Außenminister Acheson und Eden unmittelbare Verhandlungen zwischen Frankreich und Deutschland zwecks Beilegung der nach ihrer Auffassung einen Gefahrenherd für die Föderierung Europas, bildenden Saarschwierigkeiten an. Darauf fand in London ein erster Meinungsaustausch zwischen Herrn Präsidenten Schuman und mir statt, der in Paris fortgesetzt wurde, aber dann wegen der zutage getretenen Meinungsverschiedenheiten über die Zukunft der zwischen Frankreich und der Saar bestehenden Wirtschaftskonventionen ins Stocken geriet.
Auf der Konferenz der sechs Außenminister der Montan-Union im Juli dieses Jahres erklärte Herr Präsident Schuman, die französische Regierung sei bereit, für Saarbrücken als Sitz der Organe der Montan-Union zu stimmen unter der Voraussetzung einer Europäisierung der Saar.
In der Folge fanden mehrere, teils mündliche, teils schriftliche Verhandlungen statt. Dabei wurde zwischen Frankreich und uns eine Einigung über folgende Punkte erzielt.
Erstens: Man war sich darin einig, daß die jetzt zu treffende Einigung keine endgültige Regelung sein sollte, sondern daß die endgültige Regelung dem Friedensvertrag vorbehalten bleiben müsse.
Zweitens: In politischer Hinsicht war man sich darüber einig, daß bis dahin die Saar politische Selbstverwaltung unter einem frei gewählten Landtag und einer von diesem zu bestellenden Regierung haben solle. Die Oberaufsicht über die Saar und deren außenpolitische Vertretung sollte ein europäisches Organ, etwa der Ministerrat der Montan-Union, erhalten.
In wirtschaftlicher Hinsicht ist bisher eine Einigung zwischen Frankreich und der Bundesrepublik nicht erreicht. Sie wissen, meine Damen und Herren, daß durch die Wirtschaftskonventionen, die seinerzeit zwischen Frankreich und der Saar geschlossen worden sind, Frankreich die Saar wirtschaftlich völlig beherrscht. Frankreich wollte diese wirtschaftlichen Konventionen beibehalten und sie allmählich der fortschreitenden europäischen Integration anpassen.
Der deutsche Standpunkt war der folgende. Ein Gebiet von der Größe und der wirtschaftlichen Struktur der Saar ist, wenn es wirtschaftlich von Frankreich völlig abhängig ist, auch politisch von Frankreich abhängig. Wenn dem Saargebiet in politischer Hinsicht ein europäischer Status gegeben werden soll, so würde das nicht möglich sein, solange die wirtschaftliche Beherrschung durch Frankreich andauert. Es ist nicht zu verkennen, daß Frankreich besondere wirtschaftliche Interessen an der Saar hat. Das gilt bezüglich des Bezuges von Saarkohle und von dem Bezug landwirtschaftlicher lothringischer Produkte durch die Saarbevölkerung. Die Interessen Frankreichs auf diesen Gebieten sind in erster Linie von der Devisenfrage bestimmt.
Auch Deutschland — und das gilt namentlich für Süddeutschland — hat besondere wirtschaftliche
Interessen an der Saarkohle. Und schließlich hat die Saarbevölkerung selbst ebenfalls ihre eigenen wirtschaftlichen Interessen. Es wurde deshalb von deutscher Seite vorgeschlagen, daß die Wirtschaftskonventionen mit der Errichtung eines europäischen Status wegfallen sollten, daß an deren Stelle zwischen Frankreich, Deutschland und der Saar zu vereinbarende Regelungen auf wirtschaftlichem Gebiet treten sollten.
Den von mir vorstehend skizzierten politischen und wirtschaftlichen Vorschlägen hatten die Vertreter der nicht zugelassenen Parteien an der Saar zugestimmt.
Ich habe schließlich in einem Brief an Herrn Außenminister Schuman vom 16. Oktober vorgeschlagen, man solle auf beiden Seiten Sachverständige ernennen, die eine Untersuchung der wirtschaftlichen Interessen sowohl Frankreichs wie der Bundesrepublik wie der Saar selbst vornehmen sollten, um nach Feststellung des Tatbestandes eine Regelung zu suchen. Eine Antwort auf diesen Brief ist mir von Herrn Präsident Schuman nach seiner Rückkehr aus Amerika angekündigt.
Die französische Regierung und wir waren uns darin einig, daß die Saar selbst, vertreten durch einen frei gewählten Landtag, dem Status zustimmen müßte. Inzwischen war der Zeitpunkt der Beendigung der Legislaturperiode des Saarlandtags näher gekommen, und die Frage, ob nunmehr neue Wahlen ohne Zulassung der neuen Parteien stattfinden sollten oder ob nicht zweckmäßigerweise, um die Verschlechterung der allgemeinen Atmosphäre durch solche Wahlen zu verhindern, eine Verlängerung der Legislaturperiode durch einen Beschluß des Saarlandtags herbeigeführt werden sollte, mußte entschieden werden. Ich wiederhole: Beide Teile, sowohl Frankreich wie wir, waren uns darüber klar, daß eine Neuwahl unter diesen Umständen eine Verschlechterung der Atmosphäre und damit neue Schwierigkeiten für die Herbeiführung einer Einigung zur Folge haben werde. Die französische Regierung war mit der Saarregierung wegen der Verschiebung des Termins der Landtagswahl in Verbindung getreten. Herr Hoffmann hatte eine gemeinsame Erklärung Frankreichs und der Bundesrepublik, die erkennen lasse, daß die Verhandlungen zwischen der französischen Regierung und uns Aussicht auf Erfolg versprächen — nicht etwa auf Erfolg bis zu dem Termin der Landtagswahlen —, als Begründung für einen von ihm beim Saarlandtag zu stellenden Antrag auf Verschiebung der Wahlen verlangt. Offenbar auf Verlangen des Herrn Hoffmann war in der von Frankreich formulierten Erklärung ein Satz aufgenommen worden, der dem von uns bezüglich der Wirtschaftskonventionen vertretenen Standpunkt nicht gerecht wurde, der aber eine Anerkennung des französischen Standpunkts enthielt. Nach meiner Meinung war dieser Satz völlig überflüssig. An diesem Satz ist die Abgabe einer gemeinsamen Erklärung gescheitert. Ich habe erklärt, daß ich nicht in der Lage sei, einer solchen Erklärung zuzustimmen. Dann hat der Saarlandtag das Wahlgesetz verabschiedet. Es wurde eine Wahlordnung erlassen, und der Wahltermin wurde auf den 30. November festgelegt. Die bisher nicht zugelassenen Parteien wurden auch jetzt nicht zugelassen.
Ich bedauere es, daß Herr Ministerpräsident Hoffmann glaubte, unter allen Umständen das Bestehen der Wirtschaftskonventionen weiter sichern
zu müssen, gleichgültig, welche Trübung des Verhältnisses Frankreich — Deutschland dadurch herbeigeführt wird, gleichgültig auch, ob dieses Weiterbestehen im Interesse der Saar ist oder nicht. Dieses Verlangen des Herrn Hoffmann ist mir völlig unverständlich. Die Mehrheit auch der Anhänger des Herrn Hoffmann ist mit dem Fortbestehen der Wirtschaftskonventionen keineswegs einverstanden, weil dadurch das Saargebiet in seiner wirtschaftlichen Selbständigkeit in stärkstem Maße beeinträchtigt wird und weil das Saargebiet sich bei Fortfall dieser Konventionen, und zwar auch unter Berücksichtigung berechtigter wirtschaftlicher Interessen Frankreichs, jedenfalls wirtschaftlich viel besser stehen würde als bisher. Herr Hoffmann hat wohl auch nachträglich gefühlt, wie man unter seinen eigenen Anhängern über die Frage Fortfall der Wirtschaftskonventionen oder Fortbestehen denkt. Er ist nach Paris gefahren und hat dort eine Änderung der Wirtschaftskonventionen, wie Pressenachrichten mitteilen, verlangt und auch eine nicht konkretisierte, auch nicht terminierte, in allgemeinen Worten gehaltene Zusage erhalten.
Was nun die Wahlen an der Saar angeht, so können wir diese nicht als freie, auf 'demokratischen Grundsätzen beruhende Wahlen anerkennen und auch die nach dem Ausfall dieser Wahlen gebildete Regierung nicht als eine legitimierte Vertretung der Saarbevölkerung betrachten.
Diese Wahlen vollziehen sich in dem Zustand politischer Unfreiheit, der im Saargebiet schon seit Jahren herrscht und der der 'Bundesregierung und dem Bundestag schon so oft Anlaß zu Kritik und Protest gegeben hat. Die Leute an der Saar leben unter einem Regime, das ihnen im Jahre 1947 auferlegt wurde. Grundlage dieses Regimes ist die Präambel der saarländischen Verfassung, in der ausdrücklich ausgesprochen ist, daß das Saargebiet politisch von Deutschland unabhängig und wirtschaftlich an Frankreich angeschlossen sein soll. Der Inhalt dieses Regimes hat in den französischsaarländischen Konventionen einen genaueren Ausdruck gefunden, die so gut wie alle Gebiete des politischen und wirtschaftlichen Lebens an der Saar in einer ganz bestimmten einseitigen Weise regeln. Das Wesentliche ist, daß es den Menschen an der Saar verboten ist, sich zur Frage der Aufrechterhaltung dieses Zustandes politisch wirksam zu äußern.
Denn was bedeutet das an der Saar erlassene Parteiengesetz anderes als eine einseitige Ausrichtung der politischen Willensbildung in Richtung auf eine Anerkennung des gegenwärtigen Zustandes! Und dieses Verbot, meine Damen und Herren, sich über eine Änderung des jetzigen politischen und wirtschaftlichen Status der Saar durch Wahlen in politisch wirksamem Sinne zu äußern, wird aufrechterhalten, während die französische und die Bundesregierung — jedenfalls mit Kenntnis der Saarregierung — 'über eine Änderung verhandeln. Gibt es etwas Widersinnigeres, als heute noch politische Parteien an der Saar nur deshalb zu verbieten, weil sie sich nicht für die Beibehaltung des gegenwärtigen Zustandes einsetzen,
obwohl Herr Hoffmann selbst wiederholt erklärt hat, daß eine Europäisierung der Saar und eine Abänderung der Konventionen
von ihm für richtig gehalten werden?
Es ist ein sehr billiges Mittel, diese Parteien als Verfechter einer einseitigen „Heim-ins-Reich"Bewegung darstellen zu wollen. Ich habe mit den Vertretern der nicht zugelassenen Parteien über die Herbeiführung einer Lösung bis zum Friedensvertrag verhandelt, und ich betone nochmals, was ich eben gesagt habe, sie sind mit der von mir der französischen Regierung vorgeschlagenen Lösung einverstanden.
Unter solchen Voraussetzungen müssen die Leute an der Saar am 30. November zur Wahl gehen. Abgesehen von der Kommunistischen Partei wird keine Partei Kandidaten aufstellen können, die sich nicht auf die Aufrechterhaltung des gegenwärtigen Zustandes festgelegt hat.
Die Bestimmungen des am 29. Oktober erlassenen Gesetzes über die Wahlen zum saarländischen Landtag legen das noch einmal eindeutig fest. Sie übertragen überdies die Lenkung des Wahlkampfes dem Innenminister, der bereits in einer Polizeiverordnung vom 5. November einschneidende Maßnahmen verfügt hat.
Zur Abhaltung von Wahlversammlungen
sind nur die politischen Parteien berechtigt, die Wahlvorschläge einreichen durften. Während des Wahlkampfes dürfen öffentliche Versammlungen überhaupt nur mit Genehmigung der Kreispolizeibehörden stattfinden. Selbst das Anschlagen von Plakaten politischen Inhalts ist stark einschränkenden Vorschriften unterworfen,
die es verhindern sollen, daß Andersdenkende ihrer politischen Meinung Ausdruck verleihen.
Meine Damen und Herren! Die Bundesregierung hat in den vergangenen Jahren immer wieder darauf aufmerksam gemacht, daß die demokratischen Freiheiten im Saargebiet nicht gewährleistet sind.
In einer Note an die Alliierte Hohe Kommission vom 29. Mai 1951 hat sie das Verbot der demokratischen Partei zum Anlaß genommen, eindringlich auf den politischen Druck hinzuweisen, unter dem die Saarbevölkerung steht. Sie hat die Alliierte Hohe Kommission gebeten, die geeigneten Schritte zu unternehmen, damit im Saargebiet die uneingeschränkte Freiheit der Meinungsäußerung und Willensbildung hinsichtlich der Fragen hergestellt werde, die im Friedensvertrag ihre endgültige Regelung finden sollen.
Obwohl die Alliierte Hohe Kommission in ihrer Antwortnote vom 2. August 1951 zum Ausdruck brachte, „die drei westlichen Regierungen unterstützen selbstverständlich die Entwicklung demokratischer Einrichtungen und die Wahrung der individuellen Freiheiten an der Saar", fühlte sich die Saarregierung nicht zu einer Änderung ihrer Haltung bewogen.
Die Bundesregierung wird nicht aufhören, für die Saar freie Wahlen zu fordern.
Die Saar wird dann frei wählen, wenn jeder dort
seine Meinung über das endgültige Schicksal seiner
Heimat in Wort und Schrift frei bekunden kann.
Wir schreiben dem Bewohner des Saargebietes keine Meinung vor. Er mag sich entscheiden, wie er will. Aber wir können nicht zulassen, daß der Wille der Bevölkerung an der Saar dadurch verfälscht wird, daß einem Teil des Volkes, und zwar einem sehr erheblichen, die Möglichkeit genommen wird, seinen politischen Willen zum Ausdruck zu bringen.
Da Wahrheit und Gerechtigkeit sich letzten Endes immer durchsetzen, zweifle ich nicht daran, daß der Sieg denen gehören wird, die in diesem Kampf gegen den Zwang Mut zeigen.
Meine Damen und Herren, ich eröffne die
Aussprache über die Erklärung der Bundesregierung.
Das Wort hat der Abgeordnete Ollenhauer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion ist mit der Bundesregierung und mit der großen Mehrheit dieses Hauses einig in dem erneuten Bekenntnis zu den deutschen Menschen an der Saar. Die Umstände, unter denen der Bevölkerung an der Saar die sogenannten Wahlen am 30. November aufgezwungen worden sind, verpflichten nach unserer Auffassung jeden demokratisch und freiheitlich gesinnten Deutschen zur stärksten Solidarität mit allen denen, die durch totalitäre Methoden gezwungen werden sollen, einem durch Willkür und einseitige Handlungen geschaffenen Status zum zweiten Male eine sogenannte demokratische Legitimation zu verschaffen. Es gibt keinen prinzipiellen Unterschied zwischen dem Wahlsystem, das die separatistische Regierung Hoffmann und ihre Mehrheit im Landtag geschaffen haben, und den kommunistischen Wahlkomödien
in den Ländern der Volksdemokratien und in der Sowjetzone Deutschlands.
Und es gibt auch keinen prinzipiellen Unterschied gegenüber dem Wahlbetrug, den wir unter dem Hitlersystem bis zur Neige auskosten mußten.
Allein schon die gegen alle demokratischen Grundrechte verstoßende Nichtzulassung der deutschen demokratischen Parteien und die Beschränkung der Presse und der Versammlungsfreiheit sind ausreichende Beweise für den undemokratischen Charakter dieser Wahl. Wir werden Wahlen dieser Art nie als eine gültige und demokratische Willenskundgebung der Wähler anerkennen.
Wir Sozialdemokraten unterstützen vorbehaltlos die von den Vertretern der nicht zugelassenen deutschen demokratischen Parteien beschlossene Parole, die Bevölkerung an der Saar zur Nichtteilnahme an der Wahl oder zur Abgabe von durchstrichenen Stimmzetteln aufzufordern.
Wir hoffen, daß das Resultat dieser Wahlparole der deutschen Parteien an der Saar eine klare Niederlage der separatistischen Parteien bringen und vor allem eindrucksvoll die Unhaltbarkeit der gegenwärtigen Zustände an der Saar vor der ganzen Welt demonstrieren wird.
Die Zustimmung der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion zu den für den Wahlkampf an der Saar beschlossenen Parolen und Maßnahmen bedeutet jedoch in keiner Weise eine Zustimmung zur Saarpolitik der Bundesregierung.
Wir sind vielmehr zu unserem Bedauern auch in diesem Augenblick gezwungen, festzustellen, daß die jetzt an der Saar eingetretene Situation in hohem Maße die Folge der Saarpolitik der Bundesregierung ist.
Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion hat seit Beginn der Tätigkeit dieses Hohen Hauses immer wieder die Regelung der Saarfrage durch Verhandlungen Zwischen Bonn und Paris gefordert, und wir waren der Meinung, Ziel dieser Verhandlungen mußte sein die Ablösung des durch einseitige Maßnahmen der französischen Regierung geschaffenen separaten Staatswesens durch die Anerkennung des deutschen Standpunkts, daß das Saargebiet Teil des deutschen Staatsgebietes ist.
Die Bundesregierung hat seit 1950 immer wieder in Verhandlungen mit Frankreich über Fragen der europäischen Zusammenarbeit gestanden, ohne vorher das Saarproblem in diesem Sinne zu klären. Meine Damen und Herren, wir haben gewarnt vor der Annahme der Einladung der Bundesrepublik zum Beitritt zum Europarat, die gleichzeitig mit der Einladung an die separatistische Saarregierung erfolgte. Die Regierung und die Mehrheit dieses Hauses haben diese Warnung ignoriert, und die französische Regierung hat kurze Zeit später die Anwesenheit von Vertretern der Bundesrepublik und des Saargebiets als eine de-facto-Anerkennung des gegenwärtigen Status an der Saar durch die Bundesrepublik ausgelegt.
Wir haben gegen die Annahme des Schumanplans opponiert auch im Hinblick auf die Tatsache, daß er in der Anerkennung der Sonderstellung des Saargebiets noch einen Schritt weiter geht.
Unter Hinweis auf die zwischen Paris und Saarbrücken abgeschlossenen Konventionen legt er fest, daß die Vertreter des Saargebiets im Montanparlament Mitglieder der französischen Delegation in diesem Parlament sein werden, während im Ministerrat der Montan-Union das Saargebiet durch den französischen Minister vertreten wird. Der Briefwechsel zwischen dem Herrn Bundeskanzler und dem französischen Außenminister vom April 1951 hebt die praktische Bedeutung dieser Entscheidung im Vertrag in keiner Weise auf.
Meine Damen und Herren, die Erwartungen des Herrn Bundeskanzlers, daß das Saarproblem sich in Auswirkung seiner Europapolitik von selbst lösen werde, haben sich nicht erfüllt.
Wir sind seit mehr als zwei Jahren im Europarat, und his heute sind im Saargebiet die demokratischen Grundrechte nicht erfüllt, obwohl ihre Anwendung die Voraussetzung für die Mitgliedschaft im Europarat sein soll.
Frankreich hat sich auch nach der Ratifizierung des Schumanplans nicht in der Lage gesehen, seine wirtschaftliche und politische Vormachtstellung an der Saar aufzugeben. So hat die Politik der Vorleistungen zu einer Stärkung der französischen Position an der Saar geführt,
und wir sind von einer für uns und die Saarbevölkerung befriedigenden Regelung unseres unbestreitbaren Anspruchs auf die Saar als einem Teil deutschen Staatsgebietes heute weiter entfernt als je.
Die jetzt an der Saar entstandene Lage ist die Folge des gescheiterten Versuchs des Herrn Bundeskanzlers, vor der Ratifizierung des Generalvertrages und des EVG-Vertrages eine befriedigende Regelung zu finden.
Meine Damen und Herren, wir bedauern dieses negative Resultat aufrichtig. Denn es bedeutet die Fortsetzung der Unfreiheit für 900 000 deutsche Menschen an der Saar. Es ist eine Niederlage in unserem Kampf um die Wiederherstellung der deutschen Einheit, und es belastet das französischdeutsche Verhältnis in verhängnisvoller Weise.
Vor allem aber müssen wir uns auch in diesem Augenblick gegen die These des Herrn Bundeskanzlers wenden, daß auch nach dem Scheitern der direkten französisch-deutschen Gespräche die Politik der westeuropäischen Integration ohne vorherige grundsätzliche Klärung der Saarfrage fortgesetzt werden müsse.
Niemand kann sich heute noch mit gutem Glauben
der Hoffnung hingeben, daß sich im Zuge der wei-
teren sogenannten Europäisierung die Saarfrage selbst erledigt.
Denn die französische These, daß Frankreich die Verträge nur ratifizieren wird, wenn der Status quo an der Saar aufrechterhalten bleibt, ist öffentlich bekannt. Die Formulierung, man könne die Einigung Europas nicht an Herrn Hoffmann scheitern lassen, und die Verlagerung der Diskussion auf eine Auseinandersetzung mit Herrn Hoffmann sind nach unserem Empfinden der Versuch eines Ausweichens vor dem wirklichen Problem.
Herr Hoffmann ist nur der Herr Grotewohl des Saargebiets.
Der Vertragspartner der deutschen Regierung sitzt nicht in Saarbrücken; er sitzt in Paris.
Wir halten die Verträge für keinen geeigneten Weg zur Einheit Europas. Die Mehrheit dieses Hauses hat darüber eine andere Meinung, und wir werden diese Meinungsverschiedenheit später auszutragen haben. Aber hier, meine Damen und Herren, und in diesem Zusammenhang müssen wir mit aller Eindeutigkeit und gestützt auf die Erfahrungen in den vergangenen zwei Jahren erklären, daß eine Politik der Ausklammerung des Saarproblems, ein Ausweichen vor der grundsätzlichen Klärung dieser Frage zwischen Frankreich und Deutschland ein zersetzender und sprengender Faktor jeder Europapolitik sein muß.
Um Europas willen muß die Saarfrage vor der endgültigen Entscheidung über die Verträge geregelt werden. Es wäre keine Regelung, wenn dem Bestreben der französischen Politik entgegengekommen würde, die Ausklammerung der Saar aus Deutschland unter der Flagge der Europäisierung oder in ähnlicher Art zur vollendeten Tatsache werden zu lassen.
Jedes Ausweichen ist unvertretbar gegenüber den Menschen an der Saar, und es ist zugleich eine Schwächung unserer Position in unserem Kampf um die Wiederherstellung der deutschen Grenzen von 1937 und um die Wiederherstellung der deutschen Einheit. Wir können und dürfen nach Westen und Osten nicht mit verschiedenen Maßstäben messen.
Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion fordert daher über die Unterstützung der deutschen Parteien im Wahlkampf hinaus eine aktive Saarpolitik der Bundesregierung. Soweit unser Verhältnis zur Saarbevölkerung in Betracht kommt, sollten wir eine Politik treiben, die von der Tatsache ausgeht, daß das Saargebiet nach unserer Auffassung ein Teil Deutschlands ist.
Die Unterstützung des Wahlkampfes der deutschen Parteien an der Saar ist keine Einmischung. Sie ist die Erfüllung einer selbstverständlichen Pflicht gegenüber einem Teil des deutschen Volkes, der in Unfreiheit lebt.
Wir wünschen, daß die Bundesregierung ein positives Saarprogramm entwickelt. Die separatistische Regierung Hoffmann führt den Wahlkampf mit der Behauptung, daß der gegenwärtige Lebensstandard an der Saar, die Vollbeschäftigung und die sozialen Leistungen nur bei Aufrechterhaltung des gegenwärtigen Status gesichert werden könnten. Gegenüber diesem Versuch genügt der Hinweis auf die undemokratischen Zustände und die weitgehenden Beschränkungen der Arbeitnehmerschaft in der Ausübung ihrer gewerkschaftlichen Grundrechte nicht. Wir brauchen ein Saarprogramm, das der Bevölkerung an der Saar die Gewißheit gibt, daß sie in einem freien Deutschland nicht nur die persönlichen und politischen Freiheiten einer Demokratie finden wird, sondern daß auch ihre wirtschaftliche Existenz und ihre sozialen Rechte und Ansprüche gesichert sein werden.
Meine Damen und Herren, wir erwarten darüber hinaus, daß die Bundesregierung, wie der Herr Bundeskanzler auch heute wieder angekündigt hat, die Denkschrift über das Saargebiet in der nächsten Sitzung des Ministerrats in Straßburg zur Sprache bringt und auf die Herstellung demokratischer Zustände an der Saar mit allen der Regierung zur Verfügung stehenden Mitteln drängt.
Wir halten es ferner für notwendig, daß die Bundesregierung die Verhandlungen über den Status an der Saar durch einen Schritt bei der amerikanischen und englischen Regierung unverzüglich wieder aufnimmt. Nach unserer Meinung sind die jetzt in Aussicht stehenden Zwangswahlen ein zwingender Beweis für die Unmöglichkeit, auf dem Wege der europäischen Integration ohne die Klärung der Saarfrage weiter voranzugehen.
Meine Damen und Herren, die Deutschen an der Saar stehen vor einer schweren Entscheidung. Sie wollen, wie wir, in ihrer übergroßen Mehrheit in Freiheit und Frieden leben. Sie fühlen sich als ein Teil des deutschen Volkes. Aber sie empfinden auch besonders stark die Notwendigkeit eines sauberen und klaren Verhältnisses zwischen dem französischen und dem deutschen Volk. Helfen wir ihnen durch eine Politik, die sie überzeugt, daß wir ihre Sache zu unserer eigenen machen! Die Ernsthaftigkeit einer Europapolitik auf der Basis der Partnerschaft, der gegenseitigen Achtung und des gegenseitigen Vertrauens muß in der Saarfrage unter Beweis gestellt werden.
Handeln wir so, dann gewinnt die Parole der Nichtbeteiligung oder der Durchstreichung der Stimmzettel der separatistischen Parteien an der Saar ihren großen politischen positiven Sinn. Für Freiheit und Recht für die Deutschen an der Saar, gegen die Separatisten und gegen die dauernde Vergiftung des deutsch-französischen Verhältnisses und für eine echte Partnerschaft aller Völker in einem freien Europa!
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Wuermeling.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Namens der Fraktionen der Regierungskoalition, nämlich der Christlich-Demokratischen Union, der Freien De-
mokratischen Partei und der Deutschen Partei, darf ich zur Sache folgendes ausführen.
Zunächst findet die soeben abgegebene Erklärung des Herrn Bundeskanzlers unsere volle Zustimmung.
Gegenstand der heutigen Erörterung ist nicht in erster Linie der völkerrechtliche Status des Saargebiets, das für uns nach wie vor Teil Deutschlands ist.
Alle Entscheidungen in dieser Frage müssen letztlich von der Saarbevölkerung in freier Selbstbestimmung getroffen werden.
Die Kritik des Herrn Kollegen Ollenhauer an der Saarpolitik der Bundesregierung können wir nicht in dieser Form mitmachen,
nachdem gerade zuletzt, meine Damen und Herren, die Verhandlungen deshalb nicht zu einem Ergebnis geführt haben, weil ja doch der Kanzler an dem notwendigen deutschen Standpunkt unbeirrt festgehalten hat. Und was den Beitritt zum Europarat angeht, so hat er sich doch als richtig erwiesen, gerade weil wir die Saarfrage dort auf internationaler Ebene behandeln können und weiter behandeln werden.
Wir haben zur Bundesregierung und vor allem zum Bundeskanzler das Vertrauen, daß die Sache des Saarvolkes mit Zielklarheit, mit Klugheit und mit Bedacht und dadurch mit dauerndem Erfolg wahrgenommen werden wird.
Meine Damen und Herren, der Hauptgegenstand der heutigen Aussprache ist das Bekenntnis zur Freiheit und zu den Menschenrechten für die deutschen Menschen an der Saar, für die die Bundesrepublik ebenso Heimat und Vaterland ist wie für unsere leidenden Brüder und Schwestern jenseits des Eisernen Vorhangs. Diese Freiheit, für die im letzten Weltkrieg eine ganze Welt gegen unser Vaterland auch für uns und für die Deutschen an der Saar gekämpft, geopfert und geblutet hat, besteht an der Saar heute immer noch nicht. Die unter Ausnutzung der Situation der ersten Nachkriegsjahre ohne echte demokratische Wahl an die Macht gekommene Regierung Hoffmann verweigert unserem Saarvolk den freien Zusammenschluß in politischen Parteien, offensichtlich weil diese Regierung ihre Existenz durch freie Wahlen gefährdet sieht. Wenn sie sich dabei auf die jetzige Saarverfassung und vom jetzigen Saarlandtag beschlossene Gesetze beruft, so ist dazu festzustellen, daß weder diese Saarverfassung noch diese Gesetze in einer den freien Willen der Deutschen an der Saar zum Ausdruck bringenden Wahl oder Abstimmung fundiert sind. Dieser freie Wille konnte nicht zum Ausdruck kommen, und er ist nicht zum Ausdruck gekommen.
Dazu einige wenige Tatsachen. Die Verfassungskommission von 1947 im Saargebiet wurde von der französischen Militärregierung ernannt. Nach der damaligen, heute Gott sei Dank insofern längst überholten Konzeption sorgte man dafür, daß mindestens die Hälfte der Parteivertreter dem MRS, d. h. dem Mouvement pour le Rattachement de la Sarre à la France, also der Partei für die Vereinigung der Saar mit Frankreich, angehörte oder
ihm wenigstens nahestand. Die Parteien hatten zwar ein Vorschlagsrecht, jedoch lehnte die damalige Militärregierung vorgeschlagene Kandidaten ab und ersetzte sie in letzter Minute durch genehmere. Die beiden großen Parteien, die Christliche Volkspartei — CVP — und die Sozialdemokratische Partei des Saarlandes — SPS —, haben sich damals über ihre Absichten in der Frage der politischen Trennung von Deutschland nicht geäußert. Zeitungen, die den Wortlaut des Verfassungsentwurfs bekanntgeben wollten, wurden verboten. So erging es z. B. der sozialdemokratischen „Volksstimme", die den Verfassungsentwurf bereits gesetzt hatte, ihn aber nicht veröffentlichen durfte. Nach langen Verhandlungen erreichte sie, daß wenigstens die Präambel — jedoch ohne Kommentar — in der Zeitung erscheinen durfte. Am Saarbrücker Rundfunk wurde der Verfassungsentwurf völlig ignoriert. Erst eine Woche vor der Wahl ließ die Saarregierung die Verfassung in einigen Tausend Exemplaren drucken und den Bürgermeisterämtern zugehen, damit die Bevölkerung Gelegenheit haben sollte, auf den Bürgermeisterämtern den Text einzusehen. Den Bürgermeistereien war es aber nicht gestattet, den Wählern die Exemplare zuzustellen oder sie öffentlich auszuhängen.
Es kann daher beim besten Willen nicht behauptet werden, daß die Bevölkerung bei den Landtagswahlen am 5. Oktober 1947, indem sie ihre Stimme den Parteien gab, die später die Verfassung im Landtag beschlossen, dieser Verfassung und insbesondere der Präambel der Verfassung, die die politische Unabhängigkeit des Saarlandes und seine volle wirtschaftliche Eingliederung in die französische Republik zum Inhalt hatten, zugestimmt habe. Viele Landtagskandidaten, unter ihnen keineswegs nur solche, die dem Wirtschaftsanschluß an Frankreich und der politischen Loslösung von Deutschland feindlich gegenüberstanden, verlangten im übrigen ausdrücklich, daß die Verfassung — wie in den anderen Ländern der französischen Zone — dem Volke direkt in einer Volksabstimmung unterbreitet werde. Hier schaltete sich jedoch sofort der damalige Gouverneur des Saargebiets, Herr Grandval, ein und unterdrückte bereits den Anfang solcher Versuche.
Die gesamten politischen Verhältnisse an der Saar sind auf der grundfalschen These von der angeblich in freier demokratischer Abstimmung beschlossenen Saarverfassung aufgebaut. Um diese These zu halten, werden die anerkannten Freiheits-
und Menschenrechte mit allen Mitteln der Staatsgewalt und wirtschaftlichen Zwanges bis zur Existenzbedrohung und Existenzvernichtung unterdrückt.
Kennzeichnend für die Verhältnisse an der Saar ist die Tatsache, daß nicht einmal die gemeinsame Trauer um die Opfer des Krieges am letzten Sonntag an der Saar gemeinsam mit uns in der deutschen Bundesrepublik Ausdruck finden konnte.
Freiheit von Furcht, wie die Atlantik-Charta sie fordert, gibt es im Saargebiet nicht, weil jedem, der sich gegen die Regierung Hoffmann stellt, mindestens schwere wirtschaftliche Nachteile drohen.
Gleichheit vor dem Gesetz wird ausgerechnet den deutschen Staatsbürgern verweigert,
indem nach dem saarländischen Staatsangehörigkeitsgesetz jede andere Staatsangehörigkeit neben der saarländischen bestehen kann, nur die deutsche nicht. Also im deutschen Saarland besteht Ausnahmerecht nur gegen Deutsche.
Freiheit der Person besteht nur für die, die sich der aufgezwungenen politischen These widerspruchslos beugen. Selbst ehrwürdige, im Dienst der Seelsorge ergraute Geistliche wie der jetzt 77-
jährige Pfarrer Bungarten, der zweimal von den Nationalsozialisten wegen seiner aufrechten Haltung aus dem Saargebiet entfernt wurde, wurde in Fortsetzung nazistischer Brutalität von der Stätte seines 26jährigen seelsorgerischen Wirkens vertrieben.
Von politischer Meinungsfreiheit kann im Saargebiet keine Rede sein, da jede deutsche Meinungsäußerung als Verfassungsbruch bekämpft und verfolgt und eine politisch freie Presse überhaupt nicht zugelassen wird.
Ich darf in diesem Zusammenhang auf den Art. 103 der saarländischen Verfassung verweisen, demzufolge Anträge auf Verfassungsänderungen, die den Grundgedanken der Verfassung widersprechen, unzulässig sind. Diese Grundgedanken der Verfassung sind nach der Präambel die politische Unabhängigkeit des Saarlandes vom Deutschen Reich einerseits und die völlige wirtschaftliche Eingliederung in die Französische Republik andererseits. Die Nichtzulassung der drei Parteien in den letzten Wochen hat ja im übrigen in dieser Hinsicht deutlich genug gesprochen.
Auch ein Brief-, Post- und Telegraphengeheimnis besteht nicht, da der Postverkehr - zudem geheimer — Kontrolle unterworfen ist und die Saarbewohner selbst bei Besuchen im Bundesgebiet überwacht und bespitzelt werden. Nach Paris dürfen sie ungehindert reisen; Reisen in die deutsche Heimat werden mit Argusaugen überwacht.
Versammlungs- und Vereinsfreiheit gelten nur, soweit sie den politischen Zielen der Saarregierung nicht im Wege stehen.
Es ist nicht unsere Aufgabe, der freien Meinungsäußerung der Deutschen an der Saar vorzugreifen. Unsere Aufgabe und unsere Pflicht gegenüber den Deutschen an der Saar ist es aber, alles zu tun, um ihnen diese freie Meinungsäußerung zu ermöglichen und auf die Dauer zu gewährleisten. Nachdem die CDU, SPD und FDP trotz allen Bemühungen entgegen den Grundsätzen der Atlantik-Charta nicht zugelassen sind, kann die bevorstehende Landtagswahl des 30. November 1952 nicht als eine freie demokratische Wahl angesehen und das aus ihr hervorgegangene Parlament nicht als demokratische Vertretung der Saarbevölkerung anerkannt werden.
Wir begrüßen unter diesen Umständen die von den widerrechtlich nicht zugelassenen Saar-Parteien ausgegebene Wahlparole, entweder nicht zu wählen oder ungültig zu wählen, d. h. weiße oder durchstrichene Stimmzettel abzugeben. Durch Befolgung dieser Parole kann die Abstimmung zu einem Bekenntnis zur Freiheit und zu den Menschenrechten gemacht werden, die das Gewissen der freien Welt aufrüttelt und die Unterdrückung der politischen Meinungs- und Koalitionsfreiheit an der Saar wirkungsvoll anprangert. Wir freuen uns aufrichtig, daß Sozialisten und Nichtsozialisten in dieser Frage eines Sinnes und eines Wollens sind, weil eben die staatsbürgerliche Freiheit gemeinsames Ideal aller demokratischen Parteien Deutschlands und der Welt ist.
Ich möchte hier in diesem Zusammenhang noch einen anderen Gedanken aussprechen, der unser europäisches Wollen betrifft: Herr Hoffmann ist die Barriere auf dem Wege zur Einigung Europas. Unser französisches Nachbarvolk könnte die undemokratischen Zustände an der Saar nicht stützen, wenn Herr Hoffmann nicht den undemokratischen Handlanger dafür hergäbe.
Ich darf mit Genehmigung des Herrn Präsidenten hier einmal zwei Sätze anschließen, die ich in diesem Zusammenhang bereits am 30. Mai 1951 von dieser Stelle aus zum Ausdruck brachte:
Wäre Herr Johannes Hoffmann mehr Staatsmann als Politiker, dann würde man auch in Frankreich schwer Anlaß finden, die separate Auffassung des separierten Herrn Hoffmann und seiner vielfach unter dem Druck höherer Gewalt stehenden Anhänger und Mitläufer zu unterstützen und zum Bestandteil der eigenen Politik zu machen. Es ist nicht verwunderlich, daß es noch Franzosen gibt, die Herrn Hoffmanns überholte Saarpolitik vertreten. Aber beschämend ist es, daß Herr Hoffmann im Saarland eine separate Politik treibt und vorgibt, das im echten Auftrag des Saarvolkes zu zu tun, den er in diesem Sinne nie erhalten hat und unserer Überzeugung nach auch niemals erhalten wird.
Das Saargebiet scheint für manchen Franzosen
der Baum zu sein, hinter dem er den gefahrdrohenden sowjetischen Wald nicht sieht. In diesem Zusammenhang lesen wir in diesen Tagen einen sehr
aufschlußreichen Aufsatz des bekannten Publizisten
Jean Schlumberger im „Figaro". Es heißt dort: Der Amerikaner hat kein Verständnis dafür, daß wir uns der Gefahr aussetzen, unserer Stellung auf dem Kontinent und in Übersee dadurch zu schaden, daß wir uns auf die Verteidigung einiger Vorteile in dem kleinen Saargebiet versteifen; denn dessentwegen, wegen dieses auf der Karte fast unsichtbaren Punktes
— so schreibt die französische Zeitung —
ist die ganze Organisation der Welt in der Schwebe. Frankreich ist das Land, das feierlich die Menschen- und Bürgerrechte verbindlich erklärt hat. Wenn es das vergißt, verleugnet es sich selbst. Es kann nicht von dem Prestige zehren, das ihm diese Charta gebracht hat, und sie gleichzeitig um einiger Vorteile willen verletzen.
Das die Worte eines angesehenen Franzosen!
Für uns heißt das: Die Saar darf die Einigung Europas nicht verhindern. Gebe man der Saar die demokratischen Freiheiten, die allen freien Völkern gemeinsam sind, auf daß die Saar die Brücke zu Europa werden kann!
Alle Deutschen an der Saar aber sollen wissen, daß das ganze deutsche Volk sich in diesen schweren Wochen eins mit ihnen weiß in dem Bekenntnis zu den politischen Freiheitsrechten und zur Heimat. Wir werden nicht ruhen und rasten, bis auch unser Saarland sich dieser Freiheit erfreut. Das ist zugleich unsere deutsche und unsere europäische Aufgabe, deren Erfüllung nicht zuletzt auch dem Frieden der Welt dient.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Decker.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Saarproblem ist unseliges Erbe aus dem Ausgang des ersten Weltkrieges, dem Versailler Vertrag, und einer Politik an der deutschfranzösischen Grenze, die ein Jahrtausend lang Quelle des Unglücks für ganz Europa war. Es gibt keinen Staat an der Saar, kein Saargebiet im geschichtlich gewordenen Sinn. Das politische Gebilde, das dort heute von sich reden macht, ist der Versuch, eine Staatskonstruktion zu schaffen, der seine Unzulänglichkeit allein schon durch die kurzfristig fluktuierenden Grenzen dieses Gebiets beweist. Ich denke nur an die willkürlichen Grenzänderungen dort vom 18. Juni 1946, vom 6. Juli 1947 und vom 28. März 1949. Die wiederrechtlichen Erweiterungen des Saargebiets um die Bezirke Homburg, St. Ingbert und Blieskastel sind erfolgt, ohne daß die Bevölkerung gefragt worden ist, ob sie von der Pfalz weggetrennt werden will. Als Föderalisten sprechen wir selbstverständlich den Bewohnern des Landes an der Saar das Recht zu, über ihre Heimat selbst verfügen zu dürfen. In einer international einwandfrei garantierten und überwachten Abstimmung konnten sie das am 13. Januar 1935 tun.
Nun sollen in diesem Gebiet wieder Wahlen stattfinden, und zwar Wahlen, denen man von einer Seite gern die politische Wirkung einer Volksabstimmung unterschieben möchte. Das mindeste, was man verlangen kann, wäre, daß diese Wahlen ebenso frei vor sich gehen wie die Abstimmung 1935. Die derzeitige Unterbindung der freien politischen Betätigung belastet aber die Wahl von vornherein deutlich mit dem Stempel einer Vorauskonstruktion des Ergebnisses unter einem einseitigen Druck. Herr Hoffmann macht sich damit zum Handlanger der Politik Richelieus in einer Zeit, da die Völker Europas die Einigung mit aller Intensität anstreben. Diese Politik im Zeitalter des Europarats, der Montan-Union ist antiquiert und anachronistisch, auch wenn sie unter der Tarnung ,.Europäisierung der Saar" erfolgt. Die auf eine solche Weise europäisierte Saar wäre eine schlechte Morgengabe für ein vereintes Europa; sie wäre ein Danaergeschenk. Soll die Saar wirklich die Keimzelle eines europäischen Gebietes werden, dann müßte gerade dies auf Grund einer besonders einwandfreien, klaren und freiheitlichen Entscheidung der Bevölkerung geschehen. Was aber von den Wahlen an der Saar jetzt zu erwarten ist, ist nicht die Vorbereitung einer großen Geste und Tat, die Europa bilden wird, sondern die erste Giftspritze in das vereinigte Europa. Wir hoffen, daß die Saarländer kundgeben, daß sie die kommende Wahl für ein unfreies und undemokratisches Manöver halten, indem sie der Wahl fernbleiben oder die Stimmzettel durchstreichen.
Das Wort hat der Abgeordnete Reimann.
Meine Damen und Herren! Die Regierungsparteien und mit ihnen die sozialdemokratische Fraktion haben heute eine gemeinsame Erklärung abgegeben, die den Eindruck erwecken soll, als seien sie gegen die Abtrennung des Saargebiets von Deutschland. Diesem Versuch, die deutsche Bevölkerung zu täuschen, möchte ich einige Tatsachen entgegenstellen.
Bereits im Schumanplan ist festgelegt, daß das Saargebiet hinsichtlich seiner Vertreter in der Schumanplan-Behörde in die französische Delegation eingegliedert ist. Es heißt dort wörtlich: „Die Vertreter der Saarbevölkerung sind in die Zahl der Frankreich zugewiesenen Abgeordneten eingerechnet." Hiermit ist klar erwiesen, daß sich Dr. Adenauer mit seiner Unterschrift unter den Schumanplan einverstanden erklärt hat, daß das Saargebiet entgegen dem Potsdamer Abkommen von Deutschland abgetrennt ist. Die Regierungsparteien im Bundestag haben diesen Schumanplan ratifiziert. Damit erklärten sie sich mit der Abtrennung des Saargebiets von Deutschland einverstanden.
Die sozialdemokratischen Minister im Bundesrat haben am 1. Februar 1952 darauf verzichtet, ihren Einspruch gegen die Inkraftsetzung des Schumanplans zu erheben, und somit ihre Zustimmung zum Schumanplan erklärt.
Dies kommt auch in ihrer Mitwirkung in der Hohen Behörde des Schumanplans zum Ausdruck.
Dies, meine Damen und Herren, ist der unumstößliche Tatbestand, der durch keine noch so raffinierte Erklärung — weder von Dr. Adenauer noch von Herrn Ollenhauer — aus der Welt geredet werden kann. Zum wiederholten Mal erklärt Dr. Adenauer, das Saargebiet solle europäisiert werden. Dabei tut er so, als ob dies etwas anderes als die Losreißung des Saargebiets von Deutschland sei.
In Wirklichkeit aber ist es die formelle Zustimmung zur Abtrennung des Saargebiets von Deutschland.
Die Europäisierung der Saar ist zwischen Dr.
Adenauer und dem französischen Außenminister Schuman festgelegt worden. Der französische Außenminister Schuman sagte am Montag als Antwort auf die Rede des Ministers Kaiser in Berlin, er sei im Besitz von Dokumenten, aus denen klar hervorgehe, daß zwischen der deutschen und französischen Regierung Einverständnis über die Europäisierung der Saar herrsche. Hiermit ist klar und eindeutig erwiesen, daß Dr. Adenauer mit dem französischen Außenminister Schuman die Abtrennung der Saar von Deutschland abgemacht hat.
Wenn das nicht stimmt, Herr Dr. Adenauer, dann stellen Sie sich hierhin und erklären Sie, daß Ihr Kollege Schuman in Paris gelogen hat.
Unzählige Male hat Dr. Adenauer im Bundestag erklärt, er habe keine Verbindungen mit dem separatistischen Ministerpräsidenten Hoffmann und seiner Regierung.
Dieser Separatist Hoffmann erklärte in einem Interview am 13. 11., das er der „Süddeutschen Zeitung" gab, folgendes:
Eine Fühlungnahme mit den verantwortlichen saarländischen Stellen fand bisher
— nun hören Sie zu! —
nur indirekt und diskret statt.
Ich verlange, daß Dr. Adenauer zu dieser Feststellung des Separatisten Hoffmann sich sofort im Bundestag äußert.
Dies alles ist auch den Führern der SPD bekannt, und trotzdem geben sie zusammen mit Adenauer heute eine gemeinsame Erklärung ab. Damit kommt erneut zum Ausdruck, daß sich die Führung der SPD in ihrer Politik nicht im geringsten von der Dr. Adenauers unterscheidet.
Herr Dr. Adenauer, Sie haben die deutschen Interessen an der Saar preisgegeben.
Nun versuchen Sie, die deutsche Bevölkerung an
der Saar in einen Gewissenskonflikt zu treiben.
Sie und Ihre Regierungsparteien propagieren gemeinsam mit der SPD, die deutsche Bevölkerung
an der Saar soll zu den Landtagswahlen weiße
Stimmzettel abgeben. Dieser Vorschlag bedeutet
eine Unterstützung der Separatisten an der Saar.
Offensichtlich wünschen Herr Dr. Adenauer und
Herr Ollenhauer, daß die Hoffmann-Kirn-Clique
sogar die absolute Mehrheit im neuen saarländischen Landtag erhält. Sie geben damit Hoffmann und Kirn eine Legitimation, sich weiterhin als ordnungsmäßige Regierung aufzuspielen und weiterhin als Statthalter des Comiteé des Forges über die Saarbevölkerung zu herrschen.
Die Kommunistische Partei im Saargebiet ist die einzige deutsche Partei, die von Anbeginn gekämpft hat, daß das Saargebiet deutsch ist und deutsch bleibt.
Die Kommunistische Partei hat im Landtag als einzige Partei gegen die Saarkonventionen gestimmt und die separatistische Saarverfassung abgelehnt. Wo waren damals die Proteste der Herren Adenauer und 011enhauer? Das Gegenteil: die Deutschen an der Saar, Mitglieder der Kommunistischen Partei, wurden von dieser Regierung außer Landes gewiesen.
Die Kommunistische Partei im Saargebiet kämpft
darum, daß alle demokratischen Parteien im Saargebiet zugelassen werden. Die Kommunistische
Partei wird im kommenden Landtag des Saargebiets die sofortige Revision der Verfassung, die
Kündigung der Konventionen und die Beseitigung
des deutschfeindlichen Parteiengesetzes fordern.
Der Präsident der Deutschen Demokratischen Republik Wilhelm Pieck
sagte in seiner bedeutungsvollen Erklärung an das französische Volk:
Ich bitte Sie, zum Schluß zu kommen.
Der gemeinsame Widerstand der Patrioten Frankreichs und Deutschlands gegen die Wiedererrichtung des deutschen Imperialismus in Westdeutschland, der in gleicher Weise die nationale Sicherheit Deutschlands und Frankreichs bedroht, schafft eine neue Situation in den deutsch-französischen Beziehungen, die ich von ganzem Herzen begrüße. Die Deutsche Demokratische Republik ihrerseits wird nie und nimmer dulden, daß von deutscher Seite jemals wieder ein Krieg gegen das französische Volk geführt wird.
Ich erkläre von der Tribüne dieses Hauses, daß die deutsche Bevölkerung im Westen unserer Heimat, zu der das Saargebiet gehört, niemals die Waffen erheben wird, weder gegen den Osten noch gegen das französische Volk.
Die deutsche Bevölkerung an der Saar wird der Kommunistischen Partei ihre Stimme geben
und gemeinsam mit ihr kämpfen, daß das Saargebiet deutsch ist und deutsch bleibt.
Das Wort hat der Abgeordnete von Thadden.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nachdem die sogenannte Deutsche Demokratische Republik ihre Sprecher bereits in 'den Bundestag vorgeschoben hat,
wollen wir Herrn Reimann bitten, dafür zu sorgen. daß wir unsererseits möglichst bald auch dort drüben unseren vorgeschobenen Beobachtungsposten errichten können,
um dort drüben dafür einzutreten, Herr Reimann, daß das, was Sie hier für das Saargebiet verlangen, in dem Herrschaftsbereich Ihrer Freunde möglichst bald eingeführt werden kann.
Wesentlich aber war ein Wort des Herrn Dr. Wuermeling, der sagte, er könne der von Herrn Ollenhauer vorgetragenen Kritik „in dieser Form nicht zustimmen". Herr Dr. Wuermeling, wir sehen in dieser Erklärung einen erfreulichen Schritt Ihrer Fraktion zur Besserung und ein Zeichen dafür, daß auch Sie langsam dahinterkommen, daß manche Dinge an der Saar doch nicht ganz ohne Verschulden unserer Regierung zustande gekommen sind.
Der Herr Bundeskanzler sagte, daß ein Mann namens Hoffmann — der an sich wegen Landesverrats vor eine deutsche Strafkammer gehört — mit Zwangsmaßnahmen ein Regime, sein Regime an der Saar aufrechterhalte. Der Herr Bundeskanzler erklärte weiter, dies geschehe zu einem Zeitpunkt, in dem er mit dem französischen Außenminister über den künftigen Status der Saar ver-
handle. Es scheint mir unbillig, daß immer wieder auf Herrn Hoffmann hingewiesen wird. Herr Hoffmann ist nichts anderes als ein französisches Substitut, das genau das tut, was Frankreich ihm vorschreibt. Frankreich hat sich allerdings in der Frage der Saar kürzlich sehr eindeutig und präzise festgelegt. Ich glaube auch, daß Herr Schuman, zumindest aber sein Amt, ganz genau weiß, was im Saargebiet vorgeht, und daß das französische Außenamt darüber hinaus die Maßnahmen, die Herr Hoffmann dort beibehält, billigt und unterstützt.
— Ich habe die Frage nicht halb beantwortet, Herr Renner. Der Bundeskanzler —
glaubt, er könne durch direkte Verhandlungen mit den Franzosen etwas erreichen,
die gerade vor einigen Tagen erklärten, daß das Saargebiet in seinem derzeitigen, wirtschaftlich an Frankreich angeschlossenen Status unter allen Umständen verbleiben müsse, anderenfalls man die Verträge nicht ratifizieren würde, und zwar deswegen, weil das Kräfteverhältnis Deutschland — Frankreich durch eine Rückkehr der Saar zu Deutschland einseitig zu Lasten Frankreichs verschoben würde.
Meine Damen und Herren, da liegt der Kern des Problems. Was sollen wir dann von den französischen Beteuerungen halten, mit uns dafür zu sorgen, daß die deutsche Einheit wiederhergestellt wird? Wenn 18 Millionen der Ostzone hinzukommen, wo bleibt denn dann das Gleichgewicht, das sie jetzt schon durch die Rückkehr der Saar zu Deutschland gefährdet sehen?
Im Zusammenhang mit der Saar gewinnt unseres Erachtens auch ein Absatz der Präambel zum Generalvertrag an Bedeutung, in dem es heißt, daß sich die „hohen vertragschließenden Teile" gemeinsam zu einer Wiederherstellung der Einheit Deutschlands in Freiheit einsetzen wollen. Zu dem Deutschland, das man laut Präambel des Generalvertrags in Einheit und Freiheit wiederherstellen will, gehört unseres Erachtens ganz klar und eindeutig das Saargebiet. Jetzt ist die Zeit gekommen, daß wir bei einem konkreten Punkt feststellen können, ob es Frankreich mit diesem in der Präambel des Generalvertrags zum Ausdruck gekommenen Willen ernst meint oder nicht.
Wir sind der Auffassung, daß nichts geschehen darf, was an der Saar einen Status schafft, der einer Autonomie ähnelt. In dem Augenblick, in dem ein autonomer Status der Saar geschaffen wäre, hätten wir bereits einen wesentlichen Punkt verloren.
Meine Damen und Herren, ich muß zum Schluß kommen. Wir wollen, wie es bereits von anderen Rednern ausgedrückt worden ist, hoffen, daß das Saarvolk den Machinationen des französischen Substituts namens Hoffmann die Quittung und eine kräftige Abfuhr erteilt, aber nicht damit, daß es die Agenten Moskaus wählt, wie dies Herr Reimann eben vorgeschlagen hat, sondern damit, daß es durch die Abgabe weißer bzw. ungültiger
Stimmzettel erklärt, daß es deutsch wählt und deutsch bleiben will.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Schäfer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP, DP und FU habe ich einen Entschließungsantrag folgenden Wortlauts vorzulegen:
Der Deutsche Bundestag verwahrt sich feierlich und entschieden gegen die Knebelung der demokratischen Grundrechte im Saargebiet.
Der Deutsche Bundestag protestiert gegen die Nichtzulassung demokratischer Parteien und gegen den Entzug des passiven Wahlrechts zu Lasten bestimmter Bewerber, durch die aufrechte Deutsche im Saargebiet daran gehindert werden sollen, an der Gesetzgebung und Verwaltung teilzunehmen. Nur weil sie im Gegensatz zu dem derzeit herrschenden Regime stehen, hat man Anhängern der auf dem Boden der demokratischen Staatsordnung stehenden Parteien verwehrt, Wahlvorschläge zu machen. Die Mitglieder ihrer Gründungsausschüsse hat man darüber hinaus von der Wählbarkeit ausgeschlossen. So ist der deutschen Saarbevölkerung die Möglichkeit genommen, Männer und Frauen ihres Vertrauens in den Landtag zu entsenden.
Auch dem aus solchen Scheinwahlen hervorgehenden Landtag wird der Deutsche Bundestag die Anerkennung verweigern. Ein auf Grund der Machenschaften des separatistischen Machtapparates gebildeter Landtag ist keine legitime Vertretung der Bevölkerung an der Saar.
Der Deutsche Bundestag begrüßt die Aufforderung der deutschen Parteien an der Saar, der Wahl fernzubleiben oder die Stimmzettel zu durchstreichen.
Der Deutsche Bundestag versichert die unterdrückten Deutschen im Saargebiet der auf richtigen Anteilnahme des gesamten deutschen Volkes. Das rechtmäßige Streben der Bevölkerung, ihren politischen Willen frei, ungehindert und wirksam zum Ausdruck zu bringen, findet die volle Unterstützung des Deutschen Bundestags.
Meine Damen und Herren, Sie haben den Entschließungsantrag der Fraktionen dieses Hauses gehört.
Ich komme zur Abstimmung über diesen Antrag. Ich bitte die Damen und Herren, die ihm zuzustimmen wünschen, sich von ihren Plätzen zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. —
Ich stelle fest, — —
Ich stelle fest, daß dieser Entschließungsantrag
mit allen gegen die Stimmen der kommunistischen Gruppe angenommen worden ist.
Meine Damen und Herren, entsprechend der Vereinbarung unterbrechen wir die Sitzung bis 16 Uhr. Ich weise darauf hin, daß der Ältestenrat und der Außenhandelsausschuß sofort zusammentreten.
Die Sitzung wird um 16 Uhr 25 Minuten durch den Präsidenten Dr. Ehlers wieder eröffnet.
Meine Damen und Herren, wir fahren in der unterbrochenen Sitzung fort.
Bevor ich den nächsten Punkt der Tagesordnung aufrufe, wünscht zur Tagesordnung des Bundestages der Abgeordnete Dr. Krone das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Fraktionen der Koalition haben vor 14 Tagen zum Ausdruck gebracht, daß sie Wert darauf legen, daß die zweite und dritte Beratung des Bonner Vertragswerkes am 26. und 27. November 1952 stattfindet. Sie sind damit einer Anregung gefolgt, die der Bundestagspräsident schon vorher gegeben hatte. Wir haben damals auf diese Tatsache hingewiesen und heute morgen im Ältestenrat die Frage erneut zur Sprache gebracht. Eine Einigung ist nicht erfolgt, auch heute nachmittag nicht. Ich bin daher genötigt, den Antrag zu stellen, daß die zweite und dritte Beratung des Vertragswerkes in der nächsten Woche am 26. und 27. November 1952 stattfinden möge.
Meine Damen und Herren, Sie haben den Antrag gehört. Wird das Wort dazu gewünscht? — Herr Abgeordneter Schoettle!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die sozialdemokratische Fraktion widerspricht dem Antrag, den der Herr Abgeordnete Dr. Krone soeben hier vorgebracht hat, auf das entschiedenste. Unsere Gründe dafür möchte ich kurz darlegen.
Die Parteien der Regierungskoalition wünschen die zweite und dritte Beratung der Verträge in der nächsten Woche vom 26. November ab. Ich darf zunächst auf die Geschäftsordnung hinweisen, die ja für dieses Haus verbindlich ist. Nach der Geschäftsordnung kann die zweite Beratung einer Vorlage, wenn Ausschußberatungen vorausgegangen sind, frühestens am zweiten Tage nach Verteilung des Ausschußberichtes stattfinden. Wie ist nun die Situation? Wir haben heute vormittag im Ältestenrat von dem Herrn Vorsitzenden des federführenden Auswärtigen Ausschusses eine Darstellung der Geschäftslage in den einzelnen Ausschüssen gehört, aus der hervorgegangen ist, daß, alles in allem genommen — wenn man von diesem oder jenem Detail absieht —, die Berichte der mitberatenden Ausschüsse frühestens am Sonnabend, dem 22. November, vollständig in der Hand des Auswärtigen Ausschusses sein werden. Der Auswärtige Ausschuß als der federführende Ausschuß muß irgendeine Form finden, um diese Berichte zu einem Ganzen zu verarbeiten. Das heißt, er muß zu einer Sitzung zusammentreten, er muß mit dem Redaktionskomitee, das er eingesetzt hat, oder in irgendeiner anderen
Weise die vielen Berichte und Gutachten verarbeiten, die aus den Fachausschüssen hervorgegangen sind. Kein Mensch glaubt, daß das in der kurzen Zeitspanne vom Sonnabend, dem 22., bis Montag, dem 24. November, möglich ist. Denn wenn die Geschäftsordnung beachtet werden soll, dann müssen, damit die zweite Beratung am 26. beginnen kann, die Mitglieder dieses Hauses am Montag, dem 24., im Besitz der Drucksache sein, die den Gesamtbericht des Auswärtigen Ausschusses enthält und von der uns gesagt worden ist, daß sie einen Umfang von mindestens 150 Seiten haben werde.
Nun kommt ein großer Teil der Mitglieder des Hauses in aller Regel erst am Dienstag hier an. Sie werden also am Dienstag die Drucksache hier vorfinden. Man kann sagen: Nun, wenn die Drucksache am 24. abends um 10 Uhr in den Fächern liegt, ist der Geschäftsordnung Genüge getan. Aber, meine Damen und Herren, wollen Sie in einer so wichtigen Angelegenheit, von der das Schicksal unseres Volkes auf Jahre, ja Jahrzehnte hinaus bestimmt wird, zu einem solchen Mittel Zuflucht nehmen?
Ich kann Ihnen das nicht zutrauen. Ich glaube, daß gerade auch in diesen technischen Fragen so korrekt verfahren werden sollte, daß nachher niemand sagen kann: Hier hat man, um einen politischen Zweck erreichen zu können, bestimmte, allgemein akzeptierte Regeln der Geschäftsordnung einfach über Bord gehen lassen.
Nun noch ein Wort in aller Offenheit. Ich weiß — und ich bin fest überzeugt davon, daß ein großer Teil derjenigen Mitglieder des Hauses aus dem Lager der Koalitionsparteien, die an den Ausschußberatungen teilgenommen haben, genau so wie ich davon überzeugt sind —, daß es mit normalen Mitteln nicht zu schaffen ist, dem Hause den Ausschußbericht rechtzeitig am 24. so zuzuleiten, daß die Abgeordneten wirklich sagen können: Wir haben nicht nur das Stück Papier angesehen, sondern wir haben auch in vollem Umfang davon Kenntnis genommen, was die Fachausschüsse an Erkenntnissen erarbeitet haben. Ich glaube — ich sage das mit allem Bedacht —, daß ein großer Teil der Abgeordneten der Mehrheit im Begriff sind, wider ihre Überzeugung einen Beschluß zu fassen,
von dem sie selber wissen, daß er sachlich und technisch nicht durchführbar ist.
Sie mögen heute mit Ihrer Mehrheit beschließen: Die zweite Beratung findet am 26. statt. Sie werden nicht in der Lage sein, diesen Beschluß durchzuführen, wenn Sie nicht alle Regeln der Geschäftsordnung und — ich sage Ihnen auch — die Fairneß über Bord gehen lassen wollen, die in diesem Fall auch ein politisches Gebot ist.
Ich will noch einmal darauf hinweisen, daß die Entscheidung über diese Verträge wahrscheinlich die wichtigste außenpolitische, j a, man kann sagen, die wichtigste politische Entscheidung überhaupt ist, die dieses Haus zu treffen hat. Und hier sollen wir uns nicht im Einverständnis miteinander so viel Zeit gönnen, daß wirklich auch jeder Abgeordnete sagen kann: Ich habe in vollem Umfang die Tragweite dieser Verträge erfaßt und ich entscheide auf Grund einer abgerundeten Kenntnis dessen, worüber ich zu entscheiden habe?
Schließlich ist es ja nicht belanglos, was in den Berichten der Ausschüsse und in dem Gesamtbericht des federführenden Ausschusses steht. Das, was da in vielen Sitzungen erarbeitet worden ist, ist für die Interpretation dieses Vertragswerks genau so wichtig wie die Auskünfte der einzelnen Regierungsvertreter in den Ausschüssen, die manchmal sehr durcheinandergingen.
— Herr Kollege Renner, ich kann ja nicht mit Ihnen debattieren.
— Also, mit Grammophonplatten diskutiere ich im allgemeinen nicht.
Ich möchte noch einmal darauf hinweisen, daß für die Beurteilung dieses Vertragswerks die Ergebnisse der Ausschußarbeit von entscheidender Bedeutung sind. Diese Ausschußarbeit sollte man nicht einfach dadurch vergewaltigen, daß man nun sozusagen im Galopp in die zweite Beratung hineinmarschiert.
Noch eine Bemerkung. Nicht wir Sozialdemokraten haben das Bundesverfassungsgericht um ein Gutachten angegangen.
Diese Anforderung an das Bundesverfassungsgericht kommt aus Ihren Reihen. Es ist doch wirklich nicht zuviel verlangt, daß Sie, ehe Sie eine Entscheidung treffen, das Gutachten des Bundesverfassungsgerichts abwarten, das Sie selber gewünscht haben. Dann, nachdem das höchste Verfassungsgericht gesprochen hat, mag sich dieses Haus erneut darüber klarwerden, ob es diesen Schritt wagen will.
Darf ich schließlich noch eine Bemerkung zur politischen Situation anfügen. Es ist ja nicht so, daß wir geradezu von der Gesamtsituation gedrängt werden, nun unsererseits das Erforderliche zu tun. Wenn Sie die heutigen Zeitungen gesehen haben, dann haben Sie darin die Erklärungen des Herrn französischen Außenministers Schuman lesen können, der mitgeteilt hat, daß die französische Regierung j et z t daran gehe, die Begründung für die Verträge auszuarbeiten, die man dem französischen Parlament unterbreiten wolle. Die Begründung! Und Herr Schuman hat hinzugefügt, die Beratungen in den Ausschüssen würden wahrscheinlich mehrere Monate in Anspruch nehmen. Ja, ich weiß nicht, mit welcher Begründung wir in diesem Hause nun entgegen allen guten Ratschlägen, entgegen der Sachlage eine Entscheidung erzwingen wollen. Ich glaube, das wäre nicht gerechtfertigt, und es wäre politisch verhängnisvoll.
Schließlich darf darauf hingewiesen werden, daß Herr Schuman selber einen Beitrag geliefert hat zur Beurteilung des Geistes, von dem aus die französische Politik an die Verträge herangeht, als er sinngemäß sagte: Es ist davon gesprochen worden, daß man durch die Beratungen noch Änderungen an den Verträgen herbeiführen müsse. Das sei nicht zweckmäßig; er halte es für besser, sich im Wege von Abmachungen mit den Partnern besondere Garantien geben zu lassen.
Was das bedeutet, meine Damen und Herren, können Sie sich alle selber ausrechnen.
Ich möchte noch einmal sagen: die sozialdemokratische Fraktion widerspricht mit aller Entschiedenheit dem Versuch, die zweite Beratung nächste Woche durchzuführen, weil sie der Meinung ist, daß dafür alle sachlichen Voraussetzungen fehlen. Sie ersucht das Haus und die einzelnen Abgeordneten, in diesem Fall nach ihrem Gewissen und nach ihrer inneren Überzeugung zu stimmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Renner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich gedenke nicht, an die Fairneß der Herren von den Koalitionsparteien zu appellieren.
Ich bringe auch nicht solche Formulierungen über meine Lippen, daß ich „ihnen das nicht zutrauen kann", daß sie in derart überhastetem Tempo eine ungeklärte Angelegenheit hier entscheiden wollen.
Ich muß einiges von dem, was der Herr Vorredner hier bereits gesagt hat, bedauerlicherweise wiederholen. Heute morgen, im Ältestenrat, ist festgestellt worden, daß von einer Reihe entscheidender Ausschüsse die abschließenden Berichte dem federführenden Ausschuß, also dem Außenpolitischen Ausschuß, noch nicht zugegangen sind bzw. daß sie ihm nicht vor kommenden Sonnabend werden zugehen können. Der Vorsitzende dieses Ausschusses hat im Ältestenrat formuliert, daß, vorausgesetzt daß dieser Ausschuß diese gesamten Berichte sachgemäß nachprüft und vom außenpolitischen Aspekt her zu diesem Komplex von Berichten eine Stellungnahme von diesem Umfang herausarbeitet, dann frühestens am 16. Dezember dem Hohen Hause dieser abschließende Bericht des Außenpolitischen Ausschusses vorgelegt werden kann.
Nun, aber die Herren von der Koalition waren und sind anderer Meinung. Die Tatsache, daß quer durch alle Fraktionen in den Ausschüssen die widersprechendsten Auffassungen über den Inhalt dieser Verträge bestehen, die wir nun schlucken sollen, weil Herr Adenauer es so will, hat ihr Hauptsprecher heute morgen im Ältestenrat auch nicht bestritten. Er hat sogar wörtlich formuliert, es bestehe keine Möglichkeit einer „Harmonisierung dieser verschiedenen Standpunkte". Aber er hat dann das entscheidende Wort gesagt: Man muß endlich Bilanz ziehen. Ich habe dazwischengerufen: Es gibt auch Blutbilanzen! Derselbe Herr, der heute morgen dieses entscheidende Wort gesprochen hat — ich meine Sie, Herr Gerstenmaier, weil Sie mir so freundschaftlich zunicken, sei es unterstrichen —,
hat vor einigen Monaten seine Meinung hier öffentlich bekanntgegeben, die dahin ging, daß seiner Meinung nach das Parlament mit diesen Anträgen überhaupt nichts zu tun hat.
Das haben Sie sogar heute morgen im Ältestenrat mit einigen Verschnörkelungen zugegeben, so „verlogen" ist das. Sie können ja nach mir reden. Man muß „Bilanz ziehen"! Zwölf Stunden soll in der kommenden Woche das Hohe Haus über eine Ma-
terie sprechen, die den allermeisten von Ihnen nicht einmal entfernt bekannt ist.
Warum aber nun dieses Eilbedürfnis? Weil Herr Dr. Adenauer drängt, weil Herr Dr. Adenauer, wieder im Sinne einer Vorleistung, im Auftrage der amerikanischen Imperialisten diese Verträge für die westdeutschen Monopolherren und Konzernkönige unter Dach und Fach gebracht haben will.
Darum diese Vorleistung.
Nun, Herr Adenauer, warum betreiben Sie diese Politik, diese Politik, die unser Volk in das fürchterlichste Elend hineinstürzen wird? Warum betreiben Sie sie? Weil Sie glauben, mit dieser Politik der Vorleistungen an den amerikanischen Imperialismus für den westdeutschen Imperialismus besondere Vorteile herauszuholen, etwa in der Frage der Montan-Union, etwa in der Frage der Saar.
Herr Abgeordneter Renner, wir befinden uns in der Debatte über die Festsetzung einer Tagesordnung und führen keine Sachdebatte!
Das gehört dazu!
Ich rufe Sie zur Sache!
Man muß doch wohl das Recht haben, den Mitgliedern des Hohen Hauses klarzumachen, warum so überhastet gearbeitet werden soll.
Warum sind die anderen Völker, die genau wie das deutsche Volk gegen diese Verträge die allergrößten Bedenken haben, ja, die diese Verträge ablehnen, warum sind die anderen Völker, wie auch mein Herr Vorredner bereits angedeutet hat, vorsichtiger? Warum hat Monsieur Schuman, Ihr Gegenspieler mit demselben Vorzeichen — nebenbei bemerkt, Herr Adenauer,
aus derselben Klasse herauskommend wie Sie —, am Sonnabend ausgesprochen, man werde in Frankreich sechs Monate brauchen, ehe das Parlament zur Ratifizierung der Verträge komme? Und warum, Herr Adenauer, haben Sie bisher unserem Volk das nicht gesagt, wovon Herr Herriot gesprochen hat, ich meine nämlich die Geheimverträge!? Alle diese Dinge, deren Existenz doch nicht geleugnet werden kann, werden uns verschwiegen, werden dem Volk verschwiegen, und wir sollen nun in den nächsten Tagen mit einem Eilbedürfnis nicht nur die zweite Beratung. Herr Schoettle, sondern auch die dritte Beratung dieses Schandkomplexes vornehmen! So liegen die Dinge!
Herr Abgeordneter Renner, die fünf Minuten Redezeit nach § 34 der Geschäftsordnung sind beendet!
Ich bin sowieso schon fertig!
Im Interesse des deutschen Volkes und im Interesse des Friedens für alle Völker liegt es, die
zweite und dritte Beratung dieser Verträge zu verhindern.
— Sie, meine Damen und Herren von der Führung der Koalitionsparteien, wissen ganz genau, wie das deutsche Volk über die Politik Adenauers denkt.
Sie wissen, daß Sie hier etwas begehen, was gegen den Willen, gegen die Interessen des deutschen Volkes verstößt. Das wissen Sie genau. Nicht an Ihr Gewissen appelliere ich darum — das hieße Ihnen etwas unterstellen, was ich bei Ihnen nicht voraussetze —,
aber ich mache Sie darauf aufmerksam, daß das deutsche Volk Sie eines Tages zur Verantwortung ziehen wird für dieses Schandwerk an unserem Volk und an den Völkern der Erde. Dafür mache ich Sie verantwortlich,
und ich gebe Ihnen zu bedenken, —
Herr Abgeordneter Renner, kommen Sie bitte zum Schluß!
daß das deutsche Volk über Ihr Verhalten einmal urteilen wird!
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Schröder.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Einiges von dem, was in dieser Geschäftsordnungsdebatte gesagt worden ist, nötigt mich, einige Bemerkungen zu machen.
Herr Kollege Schoettle hat davon gesprochen, daß offenbar ein Teil der Angehörigen der Regierungskoalition im Begriffe stehe, etwas wider seine Überzeugung zu tun.
Er hat zum andern gesagt, wir ließen es an der notwendigen Fairneß vermissen.
Ich will mich mit dem ersten Vorwurf überhaupt nicht beschäftigen. Ich unterstelle niemandem in diesem Hause, daß er irgend etwas gegen seine Überzeugung tut.
Ich beschäftige mich aber mit dem Vorwurf mangelnder Fairneß. Unser Freund Dr. Krone hat — vor 14 Tagen ist es wohl gewesen — diesen Wunsch der Regierungskoalition angekündigt.
Dieser Wunsch ist absolut berechtigt. Um Ihnen das noch einmal darzutun, seien ganz wenige Daten in Erinnerung gerufen. Wir kennen seit Ende Mai die Texte dieser Verträge vollständig.
Diese Verträge sind Anfang Juni dieses Jahres, also, wenn ich nicht irre, vor doch mehr als 51/2 Monaten, sowohl dem Bundesrat als auch dem Bundestag zugeleitet worden. Wir haben einen Monat später, Anfang Juli, eine erste ausgiebige Debatte
gehabt, und seitdem liegen reichlich vier Monate Ausschußarbeit hinter uns.
Neulich habe ich bereits darauf hingewiesen: dadurch, daß wir diese Vertragswerke an eine ungewöhnlich große Anzahl von Ausschüssen überwiesen haben, haben wir uns eine drei-, zum Teil sogar eine vierfache Arbeit zugemutet. Ich wiederhole, in mehreren der Ausschüsse sind zum Teil von denselben Rednern gegenüber denselben Herren von der Regierungsbank dieselben Fragen aufgeworfen worden, die diese also an verschiedenen Stellen wiederholt beantworten mußten. Die Protokolle geben darüber allen wünschenswerten Aufschluß.
Wenn das der Stand der Dinge ist, was können die Ausschüsse sagen? Das Votum der Ausschüsse kann, ebeno wie das Votum dieses Hauses, wohl nur auf Ja oder Nein,
auf Zustimmung oder Ablehnung lauten.
Es kommt nun gewiß darauf an, daß in diesen Ausschüssen alle Argumente dafür und dagegen reichlich erwogen werden. Daran haben wir uns in allem notwendigen Umfang beteiligt. Ich glaube, nicht nur wir, sondern die ganze deutsche Öffentlichkeit hat seit viel, viel mehr als etwa diesen vier Monaten Ausschußarbeit Gelegenheit gehabt, die Argumente für und gegen in aller Ausgiebigkeit kennenzulernen.
Wenn nun an uns in diesem Stadium die Mahnung zur Fairneß gerichtet wird, wollen Sie mir bitte dann einmal sagen, wie ernst ich das nehmen soll, wenn wir aus dem Munde derselben Opposition nicht nur einmal, sondern wiederholt wissen, daß sie zu diesen Verträgen unter allen Umständen nein sagen wird?
Was soll diese Mahnung denn noch, wenn wir uns darüber einig sind, daß die Dinge in aller notwendigen Breite diskutiert worden sind, wenn Sie Ihr Nein gar nicht von der Beratung in den Ausschüssen abhängig gemacht, sondern Ihr Nein bereits vorher in die Welt geschrieen haben!
Ich glaube, damit kann ich diesen Punkt verlassen. Ich bin der Meinung, daß wir alle geschäftsordnungsmäßigen Notwendigkeiten berücksichtigen können, wenn wir nach unserem Vorschlag verfahren.
— Herr Mellies, ich verzichte darauf, Belehrungen darüber entgegenzunehmen.
— Nein, das bin ich nicht, Herr Arnholz; da irren Sie sich. Den Punkt, auf den es hier ankommt, habe ich sehr genau studiert, und ich bin gern bereit, ihn des längeren zu erörtern, falls das etwa in der nächsten Woche noch notwendig werden sollte.
Ich bin also der Meinung, daß der federführende Auswärtige Ausschuß, sobald er zusammenkommen kann — für heute nachmittag ist er bereits eingeladen, und für die anderen Tage wird es noch geschehen —, in der Lage ist, die vorhandenen Berichte zu verarbeiten,
die noch ausstehenden Berichte heranzuziehen und so rechtzeitig seine Arbeit abzuschließen, daß alle Damen und Herren vor Ablauf der Frist in ganz gemessener Zeit, wie sie die Geschäftsordnung vorsieht, auch in den Besitz der letzten Drucksache kommen. Es ist ja nicht so, als ob das die einzige Drucksache wäre. Jeder von Ihnen hat doch inzwischen einen Aktenschrank voll Papier über diese Sache bekommen, und das letzte Stück, daß Ihnen fehlt, werden Sie rechtzeitig in die Hand bekommen, wenn Sie uns dabei in einer Art unterstützen, die wir wirklich von Ihnen glauben erwarten zu dürfen.
Nun noch eine Bemerkung zum Bundesverfassungsgericht. Vorhin ist hier gesagt worden, daß Bundesverfassungsgericht sei aus unseren Reihen angegangen worden. Ich kann das wohl höchstens als einen falschen Zungenschlag ansehen. Nach meiner Meinung hat der Herr Bundespräsident, der weder aus diesen noch aus jenen Reihen stammt, sondern der eben der Herr Bundespräsident ist, das Bundesverfassungsgericht um ein Gutachten gebeten.
— Zum Gutachten des Bundesverfassungsgerichts selbst haben wir neulich schon dasselbe gesagt, übrigens, Herr Kollege Arndt, zu einem Zeitpunkt, als der mündliche Verhandlungstermin auf den 15. November anberaumt war. Ich glaubte, daß wir, wenn wir uns heute wieder sprechen würden, den Termin der mündlichen Verhandlung tatsächlich hinter uns haben würden. Was das Bundesverfassungsgericht bewogen hat, vom 15. November nun plötzlich auf eine ganz andere Woche zu gehen, weiß ich nicht.
Ich kann jedenfalls von hier aus eine Notwendigkeit dafür nicht erkennen. Die rechtlichen Ausführungen, denen wir entgegensehen und die wir bekommen werden, werden sicherlich eine Ergänzung alles dessen darstellen, was auch hier von der rechtlichen Seite her erörtert worden ist.
Ich habe neulich schon gesagt, die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ist für uns so wichtig wie für irgend jemanden in diesem Hause. Wir unterscheiden uns aber von Ihnen offenbar darin, daß wir der Meinung sind, daß das, was politisch zu diesen Vertragswerken zu sagen ist, unsere Aufgabe ist und daß wir es in dem Augenblick, in dem wir unsere diesbezügliche Arbeit abgeschlossen haben, zu sagen haben.
Meine Damen und Herren! Wenn wir darauf bestehen, in der nächsten Woche die zweite und dritte Beratung durchzuführen, so tun wir das, um damit ein Element der Unsicherheit aus unserem Volk zu eliminieren.
Auf diese unsere Entscheidung sieht nicht nur das ganze deutsche Volk, sondern ganz Europa, auf sie schaut man weit über Europa hinaus.
Es ist unsere Pflicht, sie in der nächsten Woche zu treffen, und wir werden es tun.
Das Wort hat der Abgeordnete Loritz.
Meine Damen und Herren! Ich möchte an ein Wort des Herrn Vorredners anknüpfen, der soeben sagte, daß der Herr Bundespräsident weder diesen noch jenen Reihen zugezählt werden dürfe. Ich unterschreibe durchaus diesen Satz. Um so mehr müßte dann die Achtung vor der Person des Herrn Bundespräsidenten jeden in diesem Hause, sowohl hier wie da drüben, dazu veranlassen, zu warten, bis der Herr Bundespräsident im Besitz des Gutachtens ist, das er von der obersten deutschen Gerichtsstelle angefordert hat.
Nun etwas Juristisches!
Das Gutachten des Bundesverfassungsgerichts wird von seiten der obersten Verfassungsrichter und Verfassungsjuristen in diesem Lande zu den einzelnen Artikeln des EVG-Vertrags unter allen Umständen Erläuterungen, Aufklärungen bringen und juristische Abwägungen aufstellen, die für jeden von Ihnen von Nutzen und Interesse sein werden. Diese könnten ja manchen in diesem Hause veranlassen, seinen Standpunkt, ganz egal, wie das Gutachten des Verfassungsgerichts ausfällt, zu revidieren.
Meine Damen und Herren, soll es nun vielleicht so Kommen, daß sich Redner in diesem Hause, sei es von der einen, sei es von der anderen Seite, juristisch irgendwie festlegen und dann durch Entscheidungen und juristische Aufklarungen des Bundesverfassungsgerichts in die Lage geraten, dementiert zu werden und vielleicht in einer Art und Weise dazustehen, die manchen von Ihnen der Öffentlichkeit gegenüber sicherlich nicht angenehm sein kann? Ganz egal, wie der bundesverfassungsgerichtliche Entscheid ausfällt, von der obersten kompetenten Stelle aus wird auf alle Fälle eine Durcnleuchtung der einzelnen Artikel erfolgen, die für jeden von uns, auf welcher Seite des Hauses er auch immer stehen mag, von größtem Nutzen und größtem Interesse sein wird. Schon aus diesem Grunde müßte der Bundestag warten. Oder wollen Sie sich vielleicht von Dr. Adenauer in eine schlechtere Position hineinmanövrieren lassen, als sie der Bundesrat dann hat? Der Bundesrat hat ja bereits erklärt, er wird warten. Mit Recht! Er wird die Definitionen juristischer Art von der obersten verfassungsgerichtlichen Stelle dieses Landes aus abwarten, um erst dann seine Entscheidung zu treffen. Sie aber wollen vielleicht in Erklärungen hineinschlittern, die Ihnen nachher sehr leid tun, wenn Sie die juristischen Definitionen des Bundesverfassungsgerichts hören werden. Ich warne Sie dringend, sich hier von einigen Interessenten in eine schlechtere politische Position hineinmanövrieren zu lassen, als sie der Bundesrat dann haben wird. Oder aber will sich dieses Hohe Haus vielleicht gegenüber dem Bundesrat degradieren lassen? Keineswegs doch! Das will doch wohl niemand von uns. Also, schauen wir, daß unsere Position gegenüber diesem so entscheidend wichtigen Vertrag nicht schlechter ist, als es die Position des Bundesrats ist!
Noch zwei Sätze zu dem EVG-Entwurf. Über eine ganze Anzahl von Artikeln — dazu Zusatzverträge zu einzelnen Artikeln — wird und muß sich, wenn dieses Hohe Haus seine Pflicht erfüllen wird, eine Debatte entwickeln. Wie kann man dieses umfassende Werk hier in zwei Tagen durchpeitschen?
Auch aus diesem Grunde ist die vorgesehene Zeitfixierung eine völlig unmögliche. Aber das Entscheidende ist wohl das: lassen Sie sich alle nicht in eine schlechtere juristische und politische Position hineinmanövrieren, als sie der Bundesrat heute bereits auf Grund seiner Entschließung hat, die klar lautet: Der Bundesrat wartet ab, was das oberste Verfassungsgericht zu sagen hat. Bitte, machen Sie das gleiche, was der Bundesrat hier für sich beansprucht hat!
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Reismann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Föderalistische Union bedauert, daß die Debatte über diesen Punkt so etwas auf falsche Geleise geraten ist, indem die beiden Hauptgegner dabei von Fairneß und Gewissen und derartigen Dingen gesprochen haben. Wir sollten einander doch nicht solche Vorwürfe machen, sondern ganz nüchtern überlegen, auf was es hier ankommt.
Wir sind uns darüber einig, daß es sich nicht bloß um eine fundamentale und entscheidende, sondern, wie mit Recht einer der Herren Vorredner gesagt hat, um d i e Frage dieses Bundestages handelt, die wir zu entscheiden haben. Aber wir müssen uns doch auch einmal überlegen, daß das einer gewissen Vorbereitung bedarf. Wenn schon, wie mit Recht gesagt worden ist, die Ausschüsse vier Monate lang darüber beraten haben, wäre es des Stoffes doch nicht würdig, das Ergebnis der einzelnen Beratungen in 24 Stunden in den Fraktionen durchzupeitschen und es dann hier zu verarbeiten.
Der Herr Kollege Schröder hat soeben gesagt — das unterstellt er; ich will mir das gar nicht zu eigen machen —, die SPD sei ja ohne weiteres entschlossen, nein zu sagen. Nach meinem Dafürhalten würde man sie durch ein solches Vorgehen in die Lage bringen, daß sie eine erneute Prüfung gar nicht vornehmen kann, und zwingen, auf den Urteilen basierend, die sie mitgebracht hat, nein zu sagen.
Es liegt also nicht im Interesse einer sachgemäßen Bearbeitung, diese kurze Frist, die j a doch nur verlangt wird, abzukürzen. Wozu sollen wir uns künstlich in eine Zeitnot hinein beschließen? Es ist ja nicht nötig, daß es nun gerade in der nächsten Woche ist. Wenn wir das Bestreben der Regierung und der Regierungsparteien auch durchaus verstehen können, daß man sich mit der Sache etwas beeile, so ist uns doch nicht klar, warum es binnen 24 oder meinetwegen 48 Stunden geschehen muß. Die Geschäftsordnung schreibt nicht vor, daß am zweiten Tage nach Vorlage der Drucksachen darüber verhandelt werden muß, sondern sagt, daß frühestens am zweiten Tage darüber verhandelt werden kann. Das bedeutet doch, daß nach Maßgabe der Wichtigkeit und des Umfangs der zu behandelnden Fragen unter Umständen auch eine längere Zeit genommen werden soll. Und das er-
scheint auch notwendig. Aber selbst rein technisch gesehen: es liegt bis Samstag dem Auswärtigen Ausschuß noch längst nicht jeder Bericht der Fachausschüsse vor. Ich weiß gar nicht, wie und wann dann im Auswärtigen Ausschuß darüber beraten — doch nicht bloß konstelliert, sondern beraten — werden soll. Wann sollen wir im Auswärtigen Ausschuß die Vorlagen verabschieden? Wann soll das Ergebnis gedruckt, wann soll es verteilt und wann soll dann in den Fraktionen darüber gesprochen werden? Ich glaube, wenn man sich sine ira et studio überlegt, wie man die Sache am besten berät — ganz ohne Rücksicht auf das Ergebnis, zu dem ich hier gar nicht sprechen will —, kann man nicht umhin, zu sagen, daß es der Sache nicht würdig und nicht dienlich und auch im Interesse des Ansehens dieses Vertragswerks nicht nützlich ist, wenn es so über das Knie gebrochen wird. Stellen wir uns einmal vor, das Vertragswerk wird angenommen. Muß dann nicht in der gesamten Welt der Eindruck entstehen, es sei nur deswegen angenommen worden, weil es über das Knie gebrochen wurde? Muß nicht der Eindruck entstehen, man habe befürchtet, es könnte sonst eine Ablehnung erfolgen, und deswegen sei es so beeilt worden?
Wir bitten und beschwören deswegen das Haus: Lassen Sie dieser Sache die notwendige Zeit! Nicht um sie zu verzögern! Ich rücke mit Entrüstung von der Außerung des Kollegen Renner ab, der sagt, man solle das Vertragswerk auf diese Weise vereiteln. Nicht verzögern, aber auch nicht ungebührlich beschleunigen! Beschleunigen meinetwegen, aber nicht ungebührlich beschleunigen! Deshalb ist die Föderalistische Union der Ansicht, daß wir in der nächsten Woche diese Dinge noch nicht verhandeln können.
Als Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses Herr Abgeordneter Dr. Schmid!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich spreche zu Ihnen in meiner Eigenschaft als Vorsitzender des Ausschusses für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten, der es für notwendig hält, vor der Beschlußfassung das Haus über die Geschäftslage im Ausschuß zu unterrichten. Es ist von verschiedenen Rednern darauf hingewiesen worden, daß nach der Geschäftsordnung in die zweite Beratung am Mittwoch nur eingetreten werden kann, wenn der Ausschußbericht den Abgeordneten am Montag zugegangen ist.
Wie Sie wissen, sind neben diesem Ausschuß sechs andere Ausschüsse mit der Mitberatung der Vorlagen beauftragt worden. Der Auswärtige Ausschuß kann also seinen Bericht erst dann erstatten — er kann ihn wohl auch erst fertigstellen —, wenn die mitberatenden Ausschüsse ihm das Ergebnis ihrer Beratungen mitgeteilt haben.
Nun liegen die Dinge hier so. Bisher sind bei dem federführenden Ausschuß vier Berichte eingegangen; 13 Berichte stehen noch aus.
Es steht fest, daß zum mindesten einige dieser noch ausstehenden Berichte nicht vor Ende dieser Woche bei dem Auswärtigen Ausschuß eingehen werden. Wenn diese Berichte eingegangen sind, werden die beiden Herren Generalberichterstatter
auf der Grundlage dieser Berichte den Entwurf ihres Generalberichts ausarbeiten müssen. Sie werden dazu sicher das Wochenende brauchen. Alsdann wird der Redaktionsausschuß, den der Ausschuß eingesetzt hat, versuchen müssen, den Rahmenbericht fertigzustellen und für den Ausschuß selber den Entwurf eines Gesamtberichts zu machen.
Diese Dinge haben auch ihre technische Seite. Der Vorbericht des Redaktionsausschusses wird ja vervielfältigt werden müssen. Es wurde schon davon gesprochen, daß 100 bis 150 Seiten zu erwarten sind. Der Vorbericht wird den Mitgliedern des Gesamtausschusses zugestellt werden müssen. Dann wird der Gesamtausschuß diesen Bericht beraten müssen. Auch wenn er sich noch so sehr beeilt, wird, wenn diese Beratung sachgemäß durchgeführt werden soll, eine Reihe von Tagen vergehen. Vor Ablauf der ersten Dezemberwoche scheint es mir auch im allergünstigsten Fall unmöglich zu sein, den Bericht des Außenpolitischen Ausschusses im Ausschuß zu verabschieden. Es kommt dann noch die Drucklegung hinzu.
So etwa ist die Geschäftslage. Es mag sein, daß die Beratungen nicht ganz nach dieser Prognose ablaufen werden; die Differenz zwischen dieser Prognose und der Wirklichkeit wird aber sicher nicht mehr als einige Tage betragen können. Eines scheint mir sicher zu sein: daß, wenn der Ausschuß sachgemäß arbeiten soll, ein Ausschußbericht nächste Woche noch nicht vorliegen kann.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Gerstenmaier.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nur zögernd nehme ich hier die Debatte mit dem Herrn Vorsitzenden des Auswärtigen Ausschusses auf. Aber ich glaube doch vor der Abstimmung, die vor uns steht, bemerken zu sollen, daß nach meiner Überzeugnug allerdings nicht mit einer vollständigen schriftlichen Berichterstattung bis Ende dieser Woche gerechnet werden kann. Ich glaube deshalb, daß der Auswärtige Ausschuß sich in der Sitzung, die für heute vorgesehen ist, darüber ins klare kommen muß, daß Berichte, die noch nachgetragen werden sollen — es handelt sich meistens um Teilberichte, um Minderheitsvoten —, der mündlichen Berichterstattung in der Plenarversammlung des Bundestages vorbehalten bleiben.
Im übrigen
ist natürlich eine zweite Frage zu entscheiden, mit der sich der Ausschuß ebenfalls noch wird befassen müssen: ob nämlich die Berichte der Fachausschüsse unter allen Umständen noch einer Diskussion im Auswärtigen Ausschuß unterworfen werden sollen.
Ich bekenne für meine Person, daß ich bis jetzt von diesem Grundsatz noch nicht überzeugt bin, und folgere daraus, meine Damen und Herren, daß wir den Antrag der Regierungskoalition hier ruhig aufnehmen und ihm zustimmen können.
Meine Damen und Herren, ich schließe die Besprechung. Sie haben den Antrag
des Herrn Abgeordneten Dr. Krone gehört, die zweite und dritte Beratung der Verträge, das heißt des Deutschlandvertrags, des EVG-Vertrags und der Anlagen, am 26., 27. und eventuell 28. November vorzunehmen. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrage der Regierungskoalition zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. —
Ich bitte um die Gegenprobe. —
Meine Damen und Herren, der Sitzungsvorstand ist sich nicht völlig einig über das Ergebnis. Ich bitte, im Wege des Hammelsprungs zu entscheiden. Wer für den Antrag des Herrn Abgeordneten Dr. Krone ist, betritt den Saal durch die Ja-Tür, wer dagegen ist, durch die Nein-Tür.
Ich bitte, mit der Auszählung zu beginnen.
Ich bitte, zum Ende der Abstimmung zu kommen. — Ich bitte, die Abstimmung und die Türen zu schließen.
Meine Damen und Herren, ich gebe das Ergebnis der Abstimmung bekannt: Für den Antrag haben gestimmt 166 Abgeordnete, dagegen 179 Abgeordnete bei vier Enthaltungen.
Darf ich bitten, zur Ruhe zurückzukehren. Bevor ich den neuen Punkt der Tagesordnung aufrufe, gebe ich bekannt, daß der Ausschuß für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten sogleich in Zimmer 03, Südflügel, zusammentritt.
Ich rufe auf den
Mündlichen Bericht des Vermittlungsausschusses zu dem Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Wahlgesetzes zum ersten Bundestag und zur ersten Bundesversammlung der Bundesrepublik Deutschland vom 15. Juni 1949 .
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Dr. Greve. Ich bitte ihn, das Wort zu nehmen.
— Ich bitte um Aufmerksamkeit für den Herrn Berichterstatter.
Meine Damen und Herren! Der Deutsche Bundestag hat am 9. Oktober 1952 in seiner 233. Sitzung
ein Gesetz zur Änderung des Wahlgesetzes zum ersten Bundestag und zur ersten Bundesversammlung der Bundesrepublik Deutschland vom 15. Juni 1949 beschlossen.
Es liegt nicht am Lautsprecher, sondern an der Unruhe des Hauses, daß man nichts hört.
Unter Ziffer 4 ist in § 23 a des Gesetzes festgelegt worden, daß die Durchführung der Nachwahlen Aufgabe des Bundes ist. Die bei der Durchführung der Nachwahlen mitwirkenden Dienststellen der Länder, der Gemeinden und Gemeindeverbände handeln insoweit unmittelbar für den Bund.
Der Bundesrat hat auf Grund eines Beschlusses vom 24. Oktober 1952 den Vermittlungsausschuß angerufen mit dem Ziele, den § 23 a Abs. 1 ersatzlos zu streichen. Dem Bundesrat hatten zwei Berichte vorgelegen, ein Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten und ein Bericht des Rechtsausschusses. Nach dem Bericht des Rechtsausschusses sollte der Vermittlungsausschuß nicht angerufen werden. Der Ausschuß für innere Angelegenheiten des Bundesrates schlug dem Bundesrat vor, sich deswegen mit dem § 23 a des vorgelegten Gesetzes zu befassen, weil mit diesem § 23 a in die Kompetenz der Länder eingegriffen würde.
Richtig ist an der Einstellung des Bundesrates, daß im Grundgesetz über die Kompetenz bei Wahlen zum Bundestag und zur Bundesversammlung nichts gesagt worden ist. Der Bundesrat selbst steht aber auf dem Standpunkt, daß es sich insoweit um eine ungeschriebene Bundeskompetenz handle.
Der Vermittlungsausschuß hat sich mit der Angelegenheit befaßt und ist zu dem Ergebnis gekommen, daß der § 23 a insoweit abgeändert werden soll, als er nur einen Satz enthält, daß die Durchführung der Nachwahlen Aufgabe des Bundes ist. Eine Notwendigkeit, in Ergänzung dieses Satzes zum Ausdruck zu bringen, daß die bei der Durchführung der Nachwahlen mitwirkenden Dienststellen der Länder und Gemeinden insoweit unmittelbar für den Bund handeln, ist nach Auffassung des Vermittlungsausschusses nicht gegeben.
Das ist auch aus dem Grunde nicht erforderlich,
weil der Abs. 2 des § 23 a seinen Sinn auch ohne
die eben von mir erwähnte und vom Vermittlungsausschuß gestrichene Bestimmung weiterbehält, nämlich daß der Bund die Kosten der Nachwahlen trägt und für die stattgefundenen Nachwahlen die den Ländern entstandenen Kosten auch
insoweit zu erstatten hat, als die Länder für ihre Gemeinden und Gemeindeverbände in Vorlage getreten sind.
Mit dem einstimmig angenommenen Beschluß des Vermittlungsausschusses hat sich die Bundesregierung einverstanden erklärt. Der Vermittlungsausschuß schlägt dem Hohen Hause die Annahme des Gesetzentwurfes in der Fassung der Drucksache Nr. 3851 vor.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. — Erklärungen sollen nicht abgegeben werden.
Meine Damen und Herren, ich komme zur Abstimmung über den Antrag des Vermittlungsausschusses Drucksache Nr. 3851. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrage zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit .des Hause; dieser Antrag ist angenommen.
Ich rufe auf die
Berichterstatter ist Herr Minister Kraft.
— An seiner Stelle Herr Abgeordneter Schneider.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Für den Vermittlungsausschuß und im Namen des verhinderten Berichterstatters, Landesminister Kraft, will ich den Ihnen in Drucksache Nr. 3852 vorliegenden Vermittlungsvorschlag kurz begründen.
Die unter Nr. 1 beantragte Änderung bezieht sich auf die Befugnis der obersten Landesbehörden, Bestimmungen über die Molkereieinzugsgebiete und Absatzgebiete, über Liefer- und Abgabeverpflichtungen und über Milchsammelstellen zu ändern. Nach dem Beschluß des Bundestages sollte von dieser Befugnis Gebrauch gemacht werden, wenn es im Interesse der Allgemeinheit oder im Interesse der Beteiligten liegt. Die Verweisung des Allgemeininteresses und der Privatinteressen in den gleichen Rang schien dem Bundesrat nicht angemessen zu sein. Der Vermittlungsausschuß war der gleichen Auffassung. Er schlägt Ihnen vor, eine Änderung der genannten Bestimmungen im Privatinteresse nur dann zuzulassen, wenn keine schwerwiegenden Allgemeininteressen entgegenstehen.
Die Änderung unter Nr. 2 ist lediglich redaktioneller Art. Die beantragte Streichung bringt keine materielle Änderung, da § 11 Abs. 2 Satz 4 unverändert erhalten bleibt, so daß die obersten Landesbehörden Ausgleichsabgaben von mehr als 1 Dpf. je Kilogramm nur dann verfügen können, wenn sie die Zustimmung des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten haben.
Der Vermittlungsausschuß ist der Auffassung, daß eine einheitliche Abstimmung über diese beiden Änderungsanträge nicht erforderlich ist. In seinem Namen bitte ich um Ihre Zustimmung.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. — Erklärungen werden nicht gewünscht.
Ich komme zur Abstimmung, zunächst über Ziffer 1 des Antrags des Vermittlungsausschusses. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. — Das ist die Mehrheit; angenommen.
Ich komme zur Abstimmung über Ziffer 2. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das erste war die Mehrheit; Ziffer 2 ist angenommen.
Ich komme zur Schlußabstimmung über den Antrag des Vermittlungsausschusses. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag des Vermittlungsausschusses in seiner Gesamtheit zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Bei Enthaltungen angenommen.
Meine Damen und Herren, mir ist der Wunsch der Koalitionsparteien zum Ausdruck gebracht worden, die Sitzung auf zwei Stunden zu unterbrechen. Darf ich unterstellen, daß das Haus damit einverstanden ist?
— Wir pflegen im allgemeinen den Wünschen großer Fraktionen in solchen Fällen nachzukommen. Es bedarf wohl keiner Abstimmung.
— Herr Abgeordneter Renner!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn diese Vertagung um zwei Stunden beschlossen wird, dann wird eine Reihe von Punkten der Tagesordnung gegen die ursprüngliche feste Zusage, diese Punkte zu einer Zeit zu behandeln, zu der man noch irgendwie mit der Aufmerksamkeit des Hohen Hauses rechnen kann, noch weiter hinausgeschoben. Ich meine die Anträge auf Aufhebung der Immunität der Mehrzahl der Abgeordneten unserer Fraktion.
— Lassen Sie mich ruhig ausreden, Herr Kunze. — Man hatte uns — das wissen Sie so gut, wie ich es weiß — zugesagt, daß diese Punkte so rechtzeitig behandelt werden, daß sie vor versammeltem Volke — wenn ich von Ihnen als „Volk" reden darf — diskutiert werden können. Wenn wir jetzt zwei Stunden später wieder anfangen, wann sollen die Punkte dann verhandelt werden? Oder wollen Sie es verantworten, daß diese Frage, die von außerordentlicher Bedeutung ist — weil es sich ja darum dreht, eine ganze Fraktion handlungsunfähig zu machen —, zu einem Zeitpunkt besprochen wird, in dem das Haus eventuell sogar nicht mehr beschlußfähig ist? Wenn schon vertagt werden soll, beantrage ich, diese Sitzung heute als beendet zu erklären und eine neue Sitzung auf morgen, übermorgen vielmehr, weil morgen ja Feiertag ist, einzuberufen, wenn es nicht anders geht. Aber man kann uns nicht zumuten, daß diese für uns wirklich wichtige Angelegenheit, sagen wir, erst um zehn Uhr aufgerufen wird. Das geht doch nicht. Wer garantiert uns, daß die Sitzung in zwei Stunden wieder anfangen wird? Bei den Schwierigkeiten, die jetzt in der Mitte dieses Hauses entstanden sind, darf man wohl nicht damit rechnen, daß das, was jetzt entstanden ist, in zwei Stunden ausgebügelt wird.
Ich beantrage, die heutige Sitzung zu schließen und eine neue Sitzung einzuberufen, je nachdem, wie der Ältestenrat das entscheidet.
Herr Abgeordneter Ollenhauer!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Fraktionen der Koalition haben jetzt den Wunsch, die Sitzung für zwei Stunden zu unterbrechen. Es entspricht der Übung im Hause, daß wir den Wünschen großer Fraktionen nach einer Beratung Rechnung tragen. Aber ich möchte sagen, daß wir in diesem Falle einer solchen Unterbrechung nur mit der Maßgabe zustimmen, daß wir dann die heutige Plenarsitzung als beendet betrachten. Es ist völlig unmöglich, in dieser Weise zu arbeiten. Wir haben bestenfalls noch zwei oder drei Abendstunden, und Sie wissen selbst, daß nach dem bisherigen Verlauf dieser Sitzung eine wirklich fruchtbare und sachliche Arbeit sehr schwer möglich sein wird.
Ich beantrage deshalb, die Sitzung für heute zu beenden und dem Ältestenrat die Festsetzung des Termins für die nächste Plenarsitzung zu überlassen.
Meine Damen und Herren. der Herr Bundesminister der Finanzen wünscht das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als dritter Punkt steht der Gesetzentwurf über die Vereinfachung des Einkommensteuergesetzes auf der Tagesordnung. Dieser Gesetzentwurf steht unter äußerstem Zeitdruck. Wenn er nicht am 21. November im Bundesratsplenum, das diesen Tag ausdrücklich dafür vorgesehen hat, beschlossen werden kann, ist das Gesetz überhaupt nicht mehr vollziehbar. Ich würde deshalb zur Geschäftsordnung den Vorschlag machen, zunächst wenigstens noch diesen Punkt der Tagesordnung vorauszunehmen und dann die Pause eintreten zu lassen.
Meine Damen und Herren. darf ich Ihnen, nachdem Sie das alles gehört haben, die Frage vorlegen: Gibt es nicht die Möglichkeit, daß wir die beiden Gesetze unter Punkt 4 und Punkt 7 der Tagesordnung bei den anderen bedarf es keiner Eile — noch erledigen und dann die Sitzung beenden? Dann ist für die Beratungen der Fraktionen, wie ich glaube, Zeit vorhanden. Auch dem Anliegen des Herrn Abgeordneten Renner ist dann Rechnung getragen. Ich glaube, daß wir uns in verhältnismäßiger Einmütigkeit auf dieses Verfahren einigen können. Sind Sie damit einverstanden?
— Dann darf ich zunächst — da handelt es sich ja lediglich um eine kurze Berichterstattung, auf die vielleicht vom Petitionsausschuß diesmal verzichtet werden kann — den Punkt 3 der Tagesordnung aufrufen:
a) Mündliche Berichterstattung des Ausschusses für Petitionen gemäß § 113 Abs. 1 Satz 2 der Geschäftsordnung;
b) Beratung der Übersicht Nr. 59 über Anträge von Ausschüssen des Deutschen Bundestages über Petitionen .
Ich darf annehmen, daß das Haus diesmal angesichts der besonderen Umstände auf die ausführliche Berichterstattung verzichtet. — Das Haus ist einverstanden.
Ich komme zur Abstimmung über den Umdruck Nr. 698, Übersicht Nr. 59 über Anträge von Ausschüssen des Deutschen Bundestages über Petitionen. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. — Das ist die Mehrheit; das ist angenommen.
Ich rufe auf den Punkt 4 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Vereinfachung des Einkommensteuergesetzes ;
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen (Nr. 3809 der Drucksachen).
.
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Neuburger. Für die dritte Beratung wird Ihnen eine allgemeine Aussprachezeit von höchstens 60 Minuten vorgeschlagen. Bitte schön, Herr Abgeordneter Neuburger!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Unter dem 4. Oktober hat die Regierung den Entwurf eines ersten Gesetzes zur Vereinfachung des Einkommensteuergesetzes vorgelegt mit dem Ziele, den Pauschsatz für Sonderausgaben von bisher 468 DM im Jahr auf 624 DM im Jahr zu erhöhen. Das bedeutet also, daß der Pauschsatz für die Sonderausgaben von monatlich 39 DM auf monatlich 52 DM erhöht werden soll. Nach § 41 können die Arbeitnehmer, soweit ihre Sonderausgaben höher als der Pauschsatz sind, entsprechende Anträge auf Berücksichtigung stellen.
Die Sonderausgaben, die hier im wesentlichen unter das Pauschverfahren fallen, sind die Beiträge für Sozialversicherung, die Versicherungsprämien, die Beiträge für die Bausparkassen.
Meine Damen und Herren, ich bitte doch, die vielen Gespräche innerhalb des Sitzungssaales einzustellen oder in die anderen Räume zu verlegen.
Das Gesetz dient also in erster Linie dem Zweck, die von einem Großteil der Arbeitnehmer zu stellenden Anträge auf Berücksichtigung höherer Sonderausgaben in Wegfall kommen zu lassen.
Bei der Beratung im Finanz- und Steuerausschuß hat sich ergeben, daß mit diesem Antrage die bisher gezahlten Versicherungsprämien und die an die Bausparkassen zu leistenden Beiträge im wesentlichen nicht m Ahr diese zusätzliche Steuervergünstigung genießen würden, da ohne Rücksicht darauf, ob solche Beiträge gezahlt werden oder nicht, der höhere Pauschbetrag in Anspruch genommen werden könnte. Der Ausschuß hat sich daher entschlossen, eine Aufteilung zwischen den sozialversicherungspflichtigen Arbeitnehmern und den nicht sozialversicherungspflichtigen Arbeitnehmern vorzunehmen. Bei den sozialversicherungspflichtigen Arbeitnehmern besteht, wie das Wort schon sagt, eine Beitragspflicht. Das heißt, sie müssen diese Beiträge bezahlen und haben demgemäß keinerlei zusätzliche steuerliche Vorteile, während diejenigen, die dieser Sozialversicherungspflicht nicht unterliegen, diese steuerlichen Vergünstigungen des Pauschbetrages ohne Gegenleistung hätten. Der Ausschuß hat sich daher entschlossen, bei den nicht sozialversicherungspflichtigen Arbeitnehmern eine Erhöhung nicht eintreten zu lassen, dafür aber die Erhöhung bei den Werbungskosten vorzunehmen. Sie ersehen aus den in dem Bericht enthaltenen Beschlüssen des Ausschusses, daß wir die Werbungskosten bei sozialversicherungspflichtigen Arbeitnehmern auf 312 DM belassen haben, sie aber bei den nicht sozialversicherungspflichtigen auf 468 DM erhöhten. Bei den Sonderausgaben sind wir umgekehrt verfahren.
Die Vertreter der Regierung haben geltend gemacht, daß wir dadurch den Vereinfachungsgedanken, der dem Gesetz zugrunde liegt, negieren. Der Ausschuß kam zu dem Ergebnis, daß dem nicht so ist; denn bei der Lohnsteuerveranlagung werden Werbungskosten und Sonderausgaben zusammen berücksichtigt, und zusammen ergibt das jeweils den gleichen Betrag, nämlich im Jahr 936 DM. Überall dort, wo der Arbeitnehmer mit den Pauschbeträgen nicht auskommt, wird er von sich aus den
Antrag auf Berücksichtigung höherer Beträge stellen. In diesen Fällen und nur in diesen ist es dann erforderlich, eine Bescheinigung seines Arbeitgebers beizulegen, ob er unter die Sozialversicherungspflichtigen fällt oder nicht.
Ein höherer Arbeitsaufwand ist nicht erforderlich. Wir sind der Auffassung, daß man diesen Aufwand zumuten kann im Interesse all der eingegangenen Versicherungs- und Beitragsverpflichtungen, damit diese nicht gestoppt werden, wodurch ein Grundgedanke der Sonderausgaben, nämlich die Förderung von Kapitalbildung, aufgehoben bzw. erheblich beeinträchtigt würde.
Der Ausschuß empfiehlt daher dem Hohen Hause, den Gesetzentwurf in der Ausschußfassung anzunehmen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Bevor ich das Wort weiter erteile, darf ich folgende Bekanntmachungen mitteilen. Der Vorsitzende des Ausschusses für gesamtdeutsche Fragen teilt mit, daß die für 18 Uhr angesetzte Sitzung des Ausschusses verschoben und der Beginn der Sitzung bekanntgegeben wird. Der Rechtsausschuß ist auf 18 Uhr 30 einberufen.
Das Wort hat der Herr Bundesfinanzminister.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Gesetz zur Vereinfachung des Einkommensteuergesetzes ist ursprünglich einer Anregung des Bundesrats entsprungen. Der Bundesrat hat in erster Linie die Anregung gegeben, weil er eine Vereinfachung der Gesetzgebung will und weil er will, daß die große Zahl der Antragsteller, die sich heute vor den Türen der Lohnsteuerämter sammeln, eingeschränkt und damit die Verwaltung von einer unnützen Arbeit befreit werde. Das Gesetz hat gleichzeitig eine soziale Note, da die Pauschalbeträge für Sonderausgaben gerade zugunsten der kleinen Arbeitnehmer mit geringerem Einkommen erhöht werden sollen.
Ich muß. Ihnen aber mitteilen, daß es unmöglich ist, das Gesetz noch durchzuführen, wenn es nicht spätestens am 21. November im Bundesratsplenum verabschiedet werden kann. Es war jetzt schon notwendig, die Bearbeitung der Lohnsteuerkarten zurückzustellen, um den Vollzug des Gesetzes mit der Ausgabe der Lohnsteuerkarten zu gewährleisten. Nun hat sich der Finanzausschuß des Bundesrats, nachdem am 20. Oktober dieses Gesetz hier schon auf der Tagesordnung stand und leider nicht mehr zur Aussprache und Beschlußfassung kam, am 12. November mit dem Gesetzentwurf beschäftigt. Er hat davon Kenntnis genommen, welcher Änderungsantrag im Ausschuß gestellt worden war. Dieser Änderungsantrag hat nach Meinung — und zwar nach einstimmiger Meinung des Finanzausschusses, betone ich — sämtlicher Finanzminister zur Folge, daß das Ziel einer Vereinfachung der Verwaltung nicht erreicht wird, sondern daß eine Erschwerung der Verwaltung herbeigeführt wird. Den Finanzämtern wird zugemutet, sich mit einem ganz neuen Arbeitsgebiet, das noch nie zum Arbeitsgebiet der Finanzverwaltung gehört hat, zu beschäftigen, mit dem Gebiet der Sozialversicherung. Es werfen sich die Unterfragen auf: Wie ist es mit denen, die eine Rente aus der Unfallversicherung beziehen? Wie ist es mit denen, die auf Antrag sozialversicherungsfrei sind? Wie ist es
beim Wechsel der Einkommensgrenzen? Diese Aufgaben zu erfüllen — das ist die einstimmige Meinung der Herren Länderfinanzminister —, ist den Finanzämtern heute nicht möglich. Die Länderfinanzminister sind auch der Meinung — und ich teile sie —, daß durch diesen Änderungsantrag eine starke Unsystematik in die Besteuerung der Arbeitnehmer hineingetragen wird, indem die Arbeitnehmer in zwei Gruppen aufgespalten werden und eine Ungleichmäßigkeit der Besteuerung unter den Arbeitnehmern eintritt.
Die Bedenken, die von seiten der Lebensversicherungsgesellschaften wegen eines angeblichen Rückganges ihres Geschäftes vorgebracht werden, können nicht geteilt werden. Ihre Bedenken wären vielleicht berechtigt gewesen, wenn der Steigerungssatz den Grad erreicht hätte, der zuerst im Bundesrat geplant gewesen ist. Der neue Satz von 13 DM ist gerade deswegen gewählt worden, weil damit eine Beeinflussung der Spartätigkeit nach aller menschlichen Voraussicht nicht eintreten wird.
Unter dieser Meinung hat der Finanzausschuß des Bundesrats am 12. November beschlossen, daß er einem Gesetzentwurf in der Form, wie es der Ausschuß beantragt hat nicht zustimmen wird. Er hat erklärt — —
— Ich will so sagen: dem Bundesratsplenum die Zustimmung nicht zu empfehlen.
Er könne auch dem Bundesratsplenum nicht einmal
empfehlen, den Vermittlungsausschuß anzurufen,
weil durch das Verfahren vor dem Vermittlungsausschuß so viel Zeit vergeht, daß ein Vollzug dieses
Gesetzes überhaupt nicht mehr möglich sein würde.
Dagegen hat sich der Finanzausschuß des Bundesrats dahin ausgesprochen, er würde dem Bundesratsplenum empfehlen — wenn das Gesetz in der
Fassung der Regierungsvorlage angenommen würde —, dieser Fassung unverändert, und zwar
bereits am 21. November, zuzustimmen; dann könnte das Gesetz vollzogen werden.
Wer also will, daß den Arbeitnehmern der Vorteil, den dieses Gesetz vorsieht, heuer noch zugute kommt, und wer will, daß dieser Gesetzentwurf überhaupt in Kraft tritt, den muß ich bitten, die Regierungsvorlage wiederherzustellen und den Änderungsantrag, den der Ausschuß gestellt hat, abzulehnen. Ich wäre dankbar, wenn aus dem Hause ein entsprechender Antrag gestellt würde.
Wir treten nunmehr in die zweite Beratung ein. Ich rufe auf Art. I. Dazu hat sich Herr Abgeordneter Dr. Dresbach zum Wort gemeldet.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich stelle hiermit den Antrag, für Art. 1 die Regierungsvorlage wiederherzustellen. Als Begründung nur ganz kurz: damit die Überschrift dieses Gesetzes zur Vereinfachung des Einkommensteuergesetzes auch wirklich zur Geltung kommt; denn was der Ausschuß beschlossen hat, ist gegenüber der Regierungsvorlage eine Komplikation.
Das Wort hat der Abgeordnete Niebes.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine politischen Freunde und ich
sind der Meinung, daß man dieses Gesetz nicht deswegen erlassen soll, um den Finanzämtern, also den Behörden, eine Erleichterung zu verschaffen. Vielmehr kann die Verabschiedung eines solchen Gesetzes keinen anderen Sinn haben, als damit dem Steuerpflichtigen eine wesentliche Erleichterung seiner Lasten zu verschaffen. Infolgedessen haben wir zu Art. 1 den Änderungsantrag zu stellen, daß sowohl in bezug auf die Werbungskosten als auch auf die Sonderausgaben eine Erhöhung der Beträge von monatlich je 26 DM stattfindet.
Hier ist gesagt worden, die Finanzämter hätten eine so große Arbeit, wenn die Lohnsteuerpflichtigen mit ihren Lohnsteuerkarten kämen und darin Änderungen eintragen ließen. Wir haben nichts dagegen, wenn den Finanzämtern die Arbeit erleichtert wird, und durch unseren Antrag würde das erreicht werden. Aber wir sind der Meinung, wie ich schon sagte, daß unter allen Umständen die Steuerpflichtigen den Vorteil haben sollen. Wenn man sich die Statistik des Bundesfinanzministers über die Steuereingänge ansieht, dann findet man, daß da im Jahre 1950/51 ein Lohnsteueraufkommen in Höhe von 1,690 Milliarden und im Jahre 1951 ein Aufkommen von 2,959 Milliarden verzeichnet ist; das ist eine Steigerung von 75 %. Wir sind nicht der Meinung, daß eine derartige Steigerung des Steueraufkommens ausschließlich in die Kasse des Fiskus fließen soll. Wenn sich herausstellt, daß sich die Steuern in einem Jahr um so viel gesteigert haben, dann ist das ein Beweis dafür, daß man gerade an der Stelle, wo die Lohnsteuerpflichtigen ihre Abgaben auf Heller und Pfennig ohne jeden Verzug und ohne jede Schmälerung am Zahlungstage abführen müssen, die Steuerschraube zu weit gedreht hat. Es ist die höchste Zeit, daß sie zurückgedreht wird.
Die einkommensteuererklärungspflichtigen Steuerpflichtigen haben für das Jahr 1950/51 1,9 Milliarden DM und im Jahre 1951/52 2,6 Milliarden DM Steuern bezahlt. Das ist lediglich eine Steigerung von 34 °/o. Nach unserer Meinung ist die Differenz zwischen dem Aufkommen von Lohnsteuerpflichtigen und dem Aufkommen von denjenigen, die veranlagt werden, dadurch zu erklären, daß die Veranlagungspflichtigen alle Möglichkeiten in der Hand haben und ausnutzen können, für sich Sonderausgaben und Werbungskosten abzuschreiben, während diese Möglichkeit infolge der starren Sätze, die im Gesetz enthalten sind, für die Lohnsteuerpflichtigen nicht gegeben ist. Dieser Zustand muß nach unserer Meinung geändert werden.
Jeder, der sich noch ein einigermaßen unverdorbenes Urteil in diesen Fragen bewahrt hat, muß unserem Antrag zustimmen, wenn er die Gerechtigkeit in der Steuererhebung gelten lassen will. Der Antrag, den meine Fraktion einzureichen hat, würde auch dem Wunsche des Herrn Finanzministers entsprechen, daß alle die Schwierigkeiten in Wegfall kommen, von denen er gesprochen hat, die den Finanzämtern entstehen, wenn die Vorlage des Ausschusses und nicht die Regierungsvorlage angenommen werden sollte. Damit wäre die Frage mit einem Schlage erledigt. Ich möchte deshalb den Antrag, den wir zu stellen haben, verlesen:
1. In § 41 Abs. 1 Ziffer 1 wird die Zahl 312 jeweils durch die Zahl 624 ersetzt.
Dabei handelt es sich um die Werbungskosten.
2. In § 41 Abs. 1 Ziffer 2 wird die Zahl 468 jeweils durch die Zahl 780 ersetzt.
Hierbei handelt es sich um die Sonderausgaben. Und dann kommt noch der formal erforderliche Zusatz:
Für die Anlage zu §§ 32 und 39 werden in Ziffer 4 der Grundtabelle A die Zahl 780 durch die Zahl 1404, die Zahl 312 durch die Zahl 624 und die Zahl 468 durch die Zahl 780 ersetzt.
Der Antrag, den der Ausschuß gestellt hat, würde im Jahr 936 DM ausmachen, in unserem Falle würde sich die Summe auf 1404 DM im Jahr beziffern. Mit Rücksicht auf den Umstand, daß die Steuereinnahmen von den Lohnsteuerpflichtigen im vergangenen Jahr um 75 % gestiegen sind, halten wir diese Ermäßigung für tragbar. Bereits im voraus sind die Steuern in einem wesentlich höheren Ausmaß eingekommen, als es erforderlich wäre, um diesem Antrag Deckung zu verschaffen. Wir bitten deshalb, unserem Antrag zuzustimmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Seuffert.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Fraktion bittet Sie, den Antrag, den Herr Kollege Dr. Dresbach gestellt hat, nicht anzunehmen und es bei der Ausschußfassung belassen zu wollen.
Man hat auf den Gesichtspunkt der Vereinfachung hingewiesen. Das ist ja die einzige, sehr kurze Begründung gewesen, die der Kollege Dr. Dresbach seinem Antrag gegeben hat. Es mag richtig sein, daß die Vereinfachung für die Verwaltung nach der Ausschußfassung nicht so groß ist wie nach der Regierungsvorlage. Es ist aber nicht zu leugnen, daß auch nach der Ausschußfassung eine gewisse Vereinfachung stattfindet, vor allen Dingen im Sinne der Gerechtigkeit. Bei einem Steuergesetz kann j a der Gesichtspunkt der Vereinfachung der Verwaltung nicht der ausschlaggebende sein, kann nicht im Vordergrund stehen gegenüber der Auswirkung für die Steuerpflichtigen und auch gegenüber der wirtschaftlichen Auswirkung. Wir gestehen Ihnen gerne, daß wir gerade in diesem Punkt sehr empfindlich sind. weil es sich um lohnsteuerpflichtige Arbeitnehmer handelt.
Es ist richtig, daß der Finanzausschuß des Bundesrates einen gewissen Beschluß gefaßt und diesen in einer gewissen Weise notifiziert hat, dahingehend, er werde dem Bundesrat nur die Annahme der Regierungsvorlage und nichts anderes empfehlen. Es ist ein sehr bemerkenswerter Vorgang, daß in einem Zeitpunkt, in dem der Bundestag noch gar nicht gesprochen hat, ein Ausschuß des Bundesrates einen solchen Beschluß faßt, zumal dieser Beschluß mit einem deutlichen Hinweis auf den Zeitdruck, unter dem die Verabschiedung des Gesetzes steht, verbunden worden ist. Auf diese Weise ist, sagen wir einmal, wenigstens die Möglichkeit gegeben, daß sich der Bundestag bei seiner Meinungsbildung unter einem gewissen Druck fühlt. Wenn auch bei dem tatsächlich vorhandenen Bedürfnis nach Beschleunigung der Verabschiedung dieses Gesetzentwurfes für dieses Verfahren vielleicht einige Entschuldigungsgründe angeführt werden können, so sollte man es erstens doch nicht einreißen lassen, und zweitens sollte doch wohl klar sein, daß der Bundesrat seine Entscheidung erst treffen kann, wenn er die Entscheidung des Bundestages und die Gründe, die für sie angegeben werden, kennt. Vor allen Dingen ist der Finanzausschuß des Bundesrates nicht der Bundesrat. Der
Bundesrat hat noch andere Ausschüsse. Bei der Besprechung des Problems haben wir in diesem Hause — im Ausschuß — eine Auseinandersetzung zwischen dem Wohnungsbauministerium und dem Finanzministerium erlebt. Wir haben eine sehr deutliche Stellungnahme des Wohnungsbauausschusses gehabt. Auch der Bundesrat hat einen Wohnungsbauausschuß, und ich glaube, daß er sich nicht auf Grund des Votums eines seiner Fachausschüsse, sondern erst nach Kenntnis des Votums des Bundestages und der sämtlichen Ausschüsse des Bundesrates, die noch nicht gesprochen haben — wenigstens ist davon nichts bekannt geworden -, ein Bild machen kann.
Nun ganz kurz: Welches ist die sachliche Frage? Es ist eine nicht zu leugnende Tatsache, daß unter dem Gesichtspunkt der Vereinfachung der Verwaltung für eine ganze Reihe von Arbeitnehmern der Wegfall von Steuerbegünstigungen für kapitalbildende, für sparende Maßnahmen, die sie mit Rücksicht auf die Steuerbegünstigung teils schon vorgenommen haben, teils noch vornehmen sollen, in Kauf genommen werden soll. Die Meinung der insbesondere mit der Aufbringung von Mitteln für den Wohnungsbau befaßten sachverständigen Stellen — und es handelt sich dabei keineswegs nur um die Lebensversicherungen, sondern auch um die Bausparkassen; und bei den Lebensversicherungen kommen insbesondere die Kleinlebensversicherungen für diese Kreise der Lohnsteuerpflichtigen in Frage — geht einmütig dahin, daß bei diesen Kapitalsammelstellen die Aufbringung von Mitteln, die insbesondere für den Wohnungsbau geeignet sind, von dieser sogenannten Vereinfachungsmaßnahme auf das gefährlichste beeinträchtigt würde.
Die Fassung, die Ihnen der Ausschuß vorschlägt, trägt der Tatsache Rechnung, daß insbesondere bei den nicht sozialversicherungspflichtigen Arbeitnehmern eine weitere Erhöhung des Pauschalbetrages für Sonderausgaben sie fast aller Steuerbegünstigungen für diejenigen Sparmaßnahmen berauben würde, die überhaupt in ihrer Reichweite stehen. Wenn gelegentlich gesagt worden ist, die nicht sozialversicherungspflichtigen Arbeitnehmer seien diejenigen mit den hohen Gehältern, so darf ich Sie darauf aufmerksam machen, daß zunächst einmal alle Beamten nicht sozialversicherungspflichtig sind, auch diejenigen mit sehr kleinen Gehältern, und daß bei einer Erhöhung des Pauschbetrages auf 52 DM monatlich, wie die Regierungsvorlage sie vorgeschlagen hat, ein solcher Beamter, wenn Sie einmal rechnen, daß er eine Krankenversicherung von meinetwegen 20 bis 30 DM monatlich bezahlt, noch weitere 20 bis 30 DM z. B. Lebensversicherungsprämie ohne jede Steuerbegünstigung aufbringen muß, bevor er überhaupt zu einer Sparmaßnahme gelangt, die ihm eine Steuerbegünstigung verschafft. Das sind die sachlichen Gründe, warum wir der Regierungsvorlage nicht zustimmen können.
Ein Wort noch zu dem technischen Bedenken. Ich glaube wirklich, wir sollten uns von allzu viel technischen Bedenken nicht ins Bockshorn jagen lassen. Es gibt ja schließlich und endlich auch Sachverständige, die nicht auf einem Sessel der Ministerialbürokratie sitzen. Es sind da die erstaunlichsten Dinge vorgebracht worden, z. B. der Einwand, man wisse im Finanzministerium gar nicht, wer sozialversicherungspflichtig sei, oder es sei, wenn die Gehalts- oder Lohngrenze und damit die Versicherungspflicht schwanke, sehr schwierig, das entsprechend vorzusehen. Meine Damen und Herren,
ein Gummistempel oder ein Vordruck, auf dem steht „Dieser Arbeitnehmer hat soundso viel Pauschalbetrag, wenn er sozialversicherungspflichtig ist" — d. h. wenn Beiträge für ihn abgeführt werden —, „und soundso viel, wenn Beiträge nicht abgeführt werden", kostet nicht mehr und ist nicht schwieriger zu textieren als irgend etwas anderes dieser Art. Und ob bei der Lohnzahlung, bei der die Lohnsteuer berechnet werden muß, Sozialversicherungsbeiträge abgeführt werden oder nicht, das weiß ja der Arbeitgeber, der die Verantwortung dafür hat.
Ich möchte ein offenes Wort hierzu sagen. Gerade die Erhebung der Lohnsteuer ist in unserem Steuersystem von derartig viel bürokratischen Schwierigkeiten und von einem derartigen Mißtrauen gegen die Lohnsteuerpflichtigen, die doch in Wirklichkeit die gezwungenermaßen ehrlichsten Steuerpflichtigen sind, erfüllt, daß die Herren Lohnsteuerreferenten sich lieber erst einmal etwas Besseres anstatt dieses wirklich rückständigen Systems ausdenken sollten, als immer wieder aus diesem System neue Schwierigkeiten zu entwickeln.
Es wäre sicherlich etwas anderes, wenn wir über eine wirklich massive Steuererleichterung oder Erhöhung von Frei- oder Pauschbeträgen sprechen könnten, die den Leuten auch wirklich Geld in die Hand geben würde, mit dem sie meinetwegen etwa wegfallende Steuerbegünstigungen überspringen und trotzdem sparen oder Versicherungsbeiträge oder Ähnliches bezahlen könnten. Das ist aber bei einer Erhöhung des Pauschbetrages um 13 DM monatlich, wie sie hier vorgeschlagen ist, weiß Gott nicht der Fall. Es wäre etwas anderes, wenn die ursprünglichen Anregungen im Bundesrat — ich will auf die Hin- und Hergeschichte dieser Anregungen im Bundesrat jetzt nicht eingehen — auf eine massive Erhöhung z. B. der Freibeträge oder meinetwegen auch der Pauschbeträge zur Debatte ständen. Wir würden sehr gern bereit sein, derartigen Anträgen, die sowohl eine Steuererleichterung wie eine massive Vereinfachung bedeuten würden, zuzustimmen. Aber in dem Rahmen, den uns der sehr zähe Widerstand des Bundesfinanzministeriums und meinetwegen auch anderer Finanzminister bisher gesetzt hat, ist das nicht der Fall. Deswegen müssen wir — das ist ja auch die Überzeugung des Ausschusses gewesen, das ist auch die Überzeugung der mitberatenden Ausschüsse, insbesondere des Wohnungsbauausschusses, gewesen — der Ausschußvorlage den Vorzug geben.
Ich wiederhole, daß wir einer wirklich massiven Erhöhung der Freibeträge und Pauschbeträge durchaus zugeneigt wären. Wir werden deshalb für den Antrag der kommunistischen Gruppe stimmen. Wenn er nicht angenommen werden sollte, werden wir für die Ausschußfassung und gegen den Antrag des Kollegen Dr. Dresbach stimmen.
Das Wort hat der Abgeordneter Dr. Will.
Meine Damen und Herren! Zu dem Thema, das von einer Reihe von Vorrednern behandelt worden ist, möchte ich noch einen kurzen Beitrag vom Standpunkt des Ausschusses für Wiederaufbau und Wohnungswesen, d. h. von dem Gesichtspunkt der Finanzierung des sozialen Wohnungsbaus aus geben. Es ist ja bekannt, daß das Kapital für diesen Zweck in Deutschland immer noch außerordentlich knapp ist und daß eine der
wesentlichsten Stellen, die dazu beitragen, den sozialen Wohnungsbau zu fördern, die Versicherungsträger auch der privaten Versicherung sind, die immerhin sehr erhebliche Mittel hat beitragen können. Man muß sich doch einmal klar darüber sein, in welchem Umfange das geschehen ist. Ich möchte darauf hinweisen, daß es im vorigen Jahre in Deutschland immerhin 30 Millionen Lebensversicherungen gegeben hat, von denen nicht weniger als 22 Millionen der sogenannten Kleinlebensversicherung angehört haben. Es ist überhaupt eine deutsche Eigentümlichkeit, daß die Bedeutung der Versicherungswirtschaft nicht in dem Umfange erkannt wird, wie das in anderen Ländern selbstverständlich ist. Man sollte sich einmal vergegenwärtigen, daß das jährliche Prämienaufkommen immerhin beinahe 23/4 Milliarden DM ausmacht, wovon allein die Lebensversicherung ungefähr 1 Milliarde DM liefert. Davon ist allein im vorigen Jahre ein Betrag von 223 Millionen DM, also beinahe eine Viertelmilliarde Mark, als gespartes Kapital an die Versicherungsnehmer ausgezahlt werden, d. h. an Kapital, das eine entsprechende Investition ermöglicht hat. Es sind außerdem 265 Millionen DM. d. h. 55 % des Gesamtbetrages, der von den deutschen Lebensversicherungen angelegt worden ist, allein dem sozialen Wohnungsbau zugeführt worden. Ich möchte nicht glauben, daß der Herr Bundesfinanzminister die Bedeutung dieser Zahlen nicht klar erkennt. Es ist doch immerhin so, daß der soziale Wohnungsbau auch heute und auf Jahre hinaus wesentlich auf diese Kapitalsammelstelle angewiesen sein wird.
In der Tat wendet sich die Regierungsvorlage in ihrer wirtschaftlichen Auswirkung ganz wesentlich nur gegen die selbstverantwortliche Alters- und Hinterbliebenenversorgung, und dagegen ist natürlich vom Standpunkt nicht nur des sozialen Wohnungsbaus, sondern auch der Kapitalbildung überhaupt eine ernstliche Einwendung zu erheben. Aus diesem Grunde erscheint es angebracht, die wirtschaftlichen Interessen dieser Versicherten doch zu berücksichtigen, d. h. dahin zu kommen, daß die Versicherungsträger wie bisher dem sozialen Wohnungsbau zur Verfügung stehen. Das ist dann nicht der Fall, wenn der Steuervorteil wegfällt, der bisher damit verbunden gewesen ist. Es ist doch gerade charakteristisch, daß dieser Steuervorteil dazu geführt hat, daß die Finanzämter so außerordentlich überlastet worden sind. Fast in allen Fällen hat es sich doch gerade darum gedreht, daß eine Erhöhung der Sonderleistungen beantragt worden ist, und zwar wegen einer abgeschlossenen Lebensversicherung, deren zahlenmäßigen Umfang ich Ihnen ia gerade in einer Größenordnung von 30 Millionen bekanntgegeben habe. Man sollte also eine derartige Quelle des langfristigen Sparens nicht versickern lassen.
Aus diesem Grunde erscheint es angebracht, nicht die Regierungsvorlage wiederherzustellen, die diesen Steuervorteil für die selbstverantwortlichen Altersversorger in der Lebensversicherung ausräumen würde, sondern die Ausschußfassung anzunehmen, die wenigstens in gemilderter Form den bisherigen Steuervorteil für das Versicherungssparen beläßt.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Dresbach.
Herr Kollege Seuffert, das Motiv dieses Gesetzes war Vereinfachung der Verwaltung. Sie haben eben selber zugegeben, daß die Regierungsvorlage eine größere Vereinfachung der Verwaltung mit sich bringt als die Ausschußvorlage. Ich will auf ihre Einwendungen wegen des Bundesrates nicht eingehen, aber wenn Sie schon die Ausschußvorlage beschließen wollen, dann sind Sie verpflichtet, auch die Überschrift des Gesetzes zu ändern. Es wäre doch wohl eine Farce, dieses Gesetz eine Vereinfachung zu nennen. Wir sind ja jetzt gewöhnt, alle Novellen zum Einkommensteuergesetz mit irgendeiner bombastischen volkswirtschaftlichen Überschrift zu versehen; vielleicht finden Sie noch eine. Aber den Titel „Vereinfachung des Gesetzes" dürfen Sie dann nicht mehr nehmen.
Das Wort hat der Herr Bundesfinanzminister.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist an sich eine verkehrte Welt, wenn der Bundesfinanzminister, dem die Haushaltslage des Bundes die schwersten Sorgen macht, dafür eintritt, daß ein Gesetz, das einen ,Einnahmeausfall bringt, überhaupt in Kraft treten und ,durchgeführt werden kann. Ich möchte aus der Debatte aber folgendes feststellen.
Es ist nicht bestritten, daß die Fassung des Haushaltsausschusses eine Erschwerung der Verwaltung bringt. Das ist auch von Herrn Kollegen Seuffert zugegeben.
Es kann nicht behauptet werden — der Eindruck ist völlig falsch —, daß durch die Fassung der Regierungsvorlage irgendeinem Versicherten nur ein Pfennig Steuervorteil entgehe. Es entgeht ihm kein Pfennig Steuervorteil.
— Nein! Die Dinge liegen so. Die kleinen Versicherten, die Sozialversicherten haben Sie ja selbst herausgenommen; und bei den Höherversicherten wird die Prämie wahrscheinlich die Grenze von 52 DM übersteigen. Wer bisher versichert ist, wird wegen dieses Gesetzes seine Prämienzahlung bestimmt nicht einstellen und seinen Vertrag nicht kündigen. Wer eine größere Versicherung abschließt, hat auch künftig sichtbar den Steuervorteil noch neben der Pauschale, weil er 52 DM übersteigen wird.
Drittens geht es darum: Kann das Gesetz überhaupt in Kraft treten und den Arbeitnehmern dieser bescheidene Vorteil zugeführt werden. Es ist nun einmal Tatsache, es besteht die größte Wahrscheinlichkeit, daß dieser Gesetzentwurf, wenn er in der Fassung des Ausschusses angenommen wird, nicht — ganz bestimmt nicht rechtzeitig — die Zustimmung des Bundesrates findet.
Meine Damen und Herren, es liegen keine weiteren Wortmeldungen mehr vor. Damit ist die Aussprache zu Art. I geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung, zunächst über den Änderungsantrag des Abgeordneten Niebes, der von ihm verlesen worden ist; ich brauche ihn daher nicht zu wiederholen. Ich bitte diejenigen,
die diesem Änderungsantrag zustimmen, die Hand
zu heben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das
letzte ist die Mehrheit. Der Antrag ist abgelehnt.
Dann ein Änderungsantrag des Herrn Abgeordneten Dr. Dresbach, der von ihm auch vorgetragen worden ist. Er bezweckt Wiederherstellung der Regierungsvorlage. Ich bitte diejenigen, die diesem Änderungsantrag zustimmen, die Hand zu heben.
— Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen?
— Ja, meine Damen und Herren, bei der unklaren Besetzung ist nicht ganz deutlich, wie die Abstimmungsverhältnisse liegen. Wir kommen also nicht an einem Hammelsprung vorbei.
Ich bitte doch, zur Auszählung den Saal so schnell wie möglich zu räumen. Wir haben schon soviel Zeit heute verloren; ich glaube, es ist nicht nötig, daß wir es beim Hammelsprung machen. —
Ich bitte mit der Auszählung zu beginnen.
Ich bitte, die Auszählung zu beschleunigen.
Die Auszählung ist beendet. Ich bitte, die Türen zu schließen.
Das Ergebnis der Abstimmung: Mit Ja haben gestimmt 161 Abgeordnete, mit Nein 157 Abgeordnete, bei drei Enthaltungen. Damit ist der Änderungsantrag angenommen.
Ich bitte nunmehr diejenigen, die dem Art. 1 der Vorlage mit der soeben beschlossenen Änderung zustimmen, die Hand zu heben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Das erste war die Mehrheit; Art. I ist angenommen.
Ich rufe Art. II auf. — Dazu liegen keine Wortmeldungen und keine Änderungsanträge vor. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu heben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Bei zahlreichen Enthaltungen angenommen.
Ich rufe weiter auf Art. III, — Art. III a.
- Zu III a?
— Dann will ich vorher erst über Art. III abstimmen lassen. Ich bitte diejenigen, die Art. III zustimmen, die Hand zu heben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Bei zahlreichen Enthaltungen angenommen.
Nunmehr Art. III a. Dazu hat das Wort Herr Abgeordneter Dr. Wellhausen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich muß eine Arbeit nachholen, die mir schon als Vorsitzer des Finanz- und Steuerausschusses obgelegen hätte, wenn ich rechtzeitig unterrichtet worden wäre. Es ist fast eine Gewohnheit — wenn auch eine schlechte — geworden, daß die Klausel über die Einbeziehung des Landes Berlin andauernd wechselt. Die neuesten Erkenntnisse des Bundesfinanzministeriums gebieten eine Klausel, die an die Stelle des Art. III a zu treten hat. Vorab aber muß ein neuer Art. III a hinzugefügt werden; dieser lautet:
Das Gesetz zur Erhebung einer Abgabe Notopfer Berlin in der Fassung der Bekanntmachung vom 12. März 1952 — Bundesgesetzblatt I Seite 131/132 — wird wie folgt geändert:
Im § 4 Abs. 4 wird mit erstmaliger Wirkung für den Erhebungszeitraum Januar 1953 die Zahl 65 durch die Zahl 78 ersetzt.
Die bisherige Berlin-Klausel im alten Art. III a
wird Art. III b und erhält folgende Fassung: Dieses Gesetz gilt mit Ausnahme des Art. III a nach Maßgabe des § 12 des Gesetzes über die Stellung des Landes Berlin im Finanzsystem des Bundes (BGBl. I S. 1) auch im Lande Berlin.
Ich würde es begrüßen, wenn Sie mir soviel Vertrauen schenkten, daß Sie diesen Vorschlägen zustimmen könnten. Sie würden an dem materiellen Inhalt des Gesetzes nichts ändern.
Herr Abgeordneter Wellhausen, darf ich um den Text ihres Antrages bitten. — Danke!
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich komme zur Abstimmung. Ich bitte diejenigen, die zunächst dem soeben vorgetragenen Änderungsantrag zustimmen, die Hand zu heben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Mit großer Mehrheit angenommen.
Ich bitte dann diejenigen, die Art. III a mit der soeben beschlossenen Änderung zustimmen, die Hand zu heben. — Das ist zweifellos die überwiegende Mehrheit; angenommen.
Ich rufe nun auf Art. IV — dazu liegen keine Wortmeldungen und Änderungsanträge vor —, Einleitung und Überschrift. Ich bitte diejenigen, die dem zustimmen, die Hand zu heben. Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei zahlreichen Enthaltungen angenommen.
— Ich habe Art. III b nicht vergessen; denn III b
befindet sich in dem Änderungsantrag der als
Ganzes an Stelle des bisherigen Art. III a angenommen worden ist. — Die zweite Beratung ist damit beendet.
Ich rufe auf zur
dritten Beratung.
Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Dazu sind insgesamt 60 Minuten vorgesehen. Ich nehme die Zustimmung des Hauses an.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Bertram.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens der Fraktion der Föderalistischen Union — Bayernpartei-Zentrum — habe ich zu erklären, daß unsere Fraktion, wenngleich sie in der zweiten Lesung dem entscheidenden Änderungsantrag auf Wiederherstellung der Regierungsvorlage nicht zugestimmt hat, dem Gesetz in der dritten Lesung doch zustimmen wird, um wenigstens die bescheidene Verbesserung des Steuerrechts noch rechtzeitig den Arbeitnehmern zugute kommen zu lassen. Wir sind zwar nach wie vor der Überzeugung, daß durch das Gesetz eine Gefährdung der Kapitalbildung insofern eintritt, als der vom Gesetzgeber den Sparern versprochene Anreiz hiermit wegfällt; gleichwohl, trotz dieser Bedenken, werden wir dem Gesetz unsere Zustimmung in der dritten Lesung nicht versagen.
Weitere Wortmeldungen? — Herr Abgeordneter Seuffert!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich stelle in der dritten Lesung namens der sozialdemokratischen Fraktion zu Art. I den Antrag, die Ausschußfassung wiederherzustellen. Die Begründung des Antrages habe ich eben in der zweiten Lesung gegeben. Ich kann mich darauf beziehen.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Wellhausen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nachdem die Abstimmung im Hammelsprung eine Mehrheit für den Antrag Dresbach ergeben hat. wird auch meine Fraktion in der dritten Lesung dieser Fassung zustimmen, und zwar befinde ich mich in Übereinstimmung mit dem Kollegen Bertram. Auch wir sind der Auffassung, daß wir keine Gelegenheit vorübergehen lassen sollten, um erstens die Steuergesetzgebung zu vereinfachen — hierzu wird man nämlich in jeder Volksversammlung und auch sonst aufgefordert — und um zweitens den Lohnsteuerpflichtigen, und zwar gerade ab 1. Januar, eine Erleichterung zukommen zu lassen, die sie auf dem andern Weg, den man zweifellos auch beschreiten könnte, mit großer Wahrscheinlichkeit nicht rechtzeitig erhalten würden.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor; dann ist die allgemeine Aussprache geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung. Dazu liegt zunächst vor der Antrag Seuffert zu Art. I. — Eine Aussprache ist nicht mehr gewünscht. Ich bitte diejenigen, die dem Änderungsantrag Seuffert, der auf die Wiederherstellung der Ausschußvorlage hinauslief, zustimmen, die Hand zu heben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Meine Damen und Herren, das ist wieder eine sehr gemischte Verteilung der Stimmen. Wir müssen noch einmal durch Auszählung klarstellen. Wer für den Antrag Seuffert ist, geht durch die Ja-Tür.
Die Auszählung beginnt.
Ich bitte um Beschleunigung. — Die Auszählung ist beendet. Ich bitte Platz zu nehmen.
Meine Damen und Herren, darf ich mir den freundlichen Hinweis gestatten, daß die zuständigen Sitzplätze eingenommen werden dürfen.
Das Ergebnis ,der Abstimmung: mit Ja haben gestimmt 149, mit Nein 155, 2 Enthaltungen. Der Antrag ist also abgelehnt.
Wir stimmen dann über den Art. I in der Fassung der zweiten Beratung ab. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu heben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Bei zahlreichen Enthaltungen angenommen.
Ich rufe nun auf die Artikel II bis IV, Einleitung und Überschrift. — Das Wort ist nicht gewünscht. Wir kommen zur Abstimmung. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu heben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei zahlreichen Enthaltungen angenommen.
Wir kommen nun fur Schlußabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetz als Ganzem zustimmen, sich von den Plätzen zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Bei zahlreichen Enthaltungen angenommen. Damit ist Punkt 4 der Tagesordnung erledigt.
Nun sollte noch der Punkt 7 a der Tagesordnung behandelt werden. Ich bin jedoch von dem Herrn Justizminister darauf aufmerksam gemacht worden, daß vorhin, als wir die Regelung über den Abschluß der heutigen Beratungen trafen, die Drucksache Nr. 3850 übersehen worden ist, die zur ersten, zweiten und dritten Beratung eingeschoben wurde. Ich rufe also auf:
Erste, zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Dienstaltersgrenze von Richtern an den oberen Bundesgerichten und Mitgliedern des Bundesrechnungshofes .
Mir ist mitgeteilt worden, daß auf Begründung und Aussprache zur ersten Beratung verzichtet werden würde. — Wortmeldungen liegen nicht vor. Damit kann ich die Vorlage als in erster Beratung erledigt ansehen.
Ich rufe auf zur
zweiten Beratung.
Dazu muß ich die einzelnen Paragraphen aufrufen. Zunächst § 1. — Keine Wortmeldungen, keine Änderungsanträge. Dann bitte ich diejenigen, die zustimmen, die Hand zu heben. — Das ist zweifellos die Mehrheit; dieser Paragraph ist angenommen.
Zu § 2 liegt ein Änderungsantrag Dr. Weber vor, der von zahlreichen Mitgliedern des Hauses aus den verschiedensten Fraktionen unterschrieben ist. Wird eine Begründung gewünscht? — Das scheint nicht der Fall zu sein. Dann kann ich über diesen Änderungsantrag abstimmen lassen. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu heben. — Das ist die überwältigende Mehrheit; angenommen.
Dann rufe ich auf § 3, — Einleitung und Überschrift. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu heben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Gegen wenige Stimmen und bei einigen Enthaltungen angenommen. Damit ist die zweite Beratung beendet.
Ich rufe auf zur
dritten Beratung.
Ich eröffne die allgemeine Aussprache. — Das Wort ist nicht gewünscht, die Aussprache geschlossen.
Ich rufe auf die §§ 1 bis 3, Einleitung und Überschrift und bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu heben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Gegen einige Stimmen, diesmal ohne Enthaltungen, angenommen.
Dann bitte ich diejenigen, die in der Schlußabstimmung dem Gesetz als Ganzem zustimmen, sich von den Plätzen zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Gegen die Stimmen der kommunistischen Gruppe in dritter Beratung verabschiedet.
Nun rufe ich Punkt 7 a der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Bekämpfung von Unfällen im Straßenverkehr ;
Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Verkehrswesen (Nr. 3774 der Drucksachen; Änderungsanträge Umdruck Nrn. 687, 688, 696, 700, 701).
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Baur.
Das Wort hat der Berichterstatter, sofern noch eine Berichterstattung zu dem Schriftlichen Bericht gegeben wird.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung von Unfällen im Straßenverkehr, Drucksache Nr. 2674, wurde am 3. Oktober 1951 dem Ausschuß für Verkehrswesen und dem Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht überwiesen. In der Zeit vom 9. November 1951 bis zum 21. März 1952 hat der Ausschuß für Verkehrswesen in 11 Sitzungen das Gesetz beraten. In den Sitzungen vom 8. und 22. Oktober hat der Ausschuß für Verkehr zu den Beschlüssen des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht Stellung genommen. Dabei hat der Berichterstatter des beteiligten Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht, Herr Dr. Weber, Gelegenheit gehabt, in der abschließenden Beratung die abweichenden Auffassungen seines Ausschusses vorzutragen, denen sich der Ausschuß für Verkehr in einigen entscheidenden Punkten angeschlossen hat. Der Ausschuß für Verkehr hat das Gesetz in „Gesetz zur Sicherung des Straßenverkehrs" umbenannt, wie es in der Drucksache Nr_ 3774 heute vorliegt, und in gemeinsamer Beratung mit dem Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht also beschlossen.
Das Bemühen der beiden Ausschüsse ging dahin, aus dem Gesetzentwurf statt einer reinen Polizeimaßnahme ein Gesetz zu machen, das zwar verschärfte Strafandrohungen vorsieht, aber auch darauf bedacht ist, den Bürgern, die unglücklicherweise in Unfälle verwickelt werden, einwandfreies Recht und Schutz zu gewähren.
Der Ausschuß für Verkehrswesen ist nach eingehenden Beratungen des Gesetzentwurfs der Auffassung, mit diesem Gesetz den derzeit möglichen Beitrag zur Sicherung des Straßenverkehrs geleistet zu haben mit dem Ziel, die immer noch ansteigenden Unfälle nicht nur zum Stillstand zu bringen, sondern eine erhebliche Senkung der Unfallziffern zu erreichen. Der Ausschuß für Verkehr ist überzeugt, daß der Erfolg dieses Gesetzes im wesentlichen aber von der energischen Mitarbeit der Länder abhängt. Er hofft, daß diese alles tun werden, damit das Gesetz sich zum Nutzen des ganzen Volkes auswirken kann. Im Auftrag des Ausschusses für Verkehrswesen bitte ich um Ihre Zustimmung.
Der Bericht liegt Ihnen seit mehr als zwei Wochen schriftlich vor*). Jede wichtige Bestimmung des Gesetzes ist darin ausführlich erläutert. Ich glaube, im Sinne des ganzen Hauses zu handeln, wenn ich von einem ausführlichen mündlichen Bericht absehe und Sie im Auftrag des Ausschusses bitte, dem Gesetz unverändert zuzustimmen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Wir treten in die zweite Beratung ein. Ich rufe auf Art. 1. Hierzu liegt ein Änderungsantrag der Föderalistischen Union auf Umdruck Nr. 701 vor. — Das Wort hat der Abgeordnete Rademacher.
Meine Damen und Herren! Ich bitte Sie, diesem Änderungsantrag nicht zuzustimmen. Der Ausschuß hat sich sehr lange mit der Frage befaßt, wie hoch die Gebühr sein soll, die die Polizei bei Übertretungen verhängen kann. Er hat sich schließlich mit dem Ausschuß für Rechts-
*) Siehe Anlage Seite 10957. wesen und Verfassungsrecht daraufhin geeinigt, daß ein Betrag b i s 2 DM festgesetzt wird. Es ist also den örtlichen und den Länderpolizeien durchaus überlassen, gestaffelte Beträge zu erheben und dabei auch die sozialen Gründe, die für niedrigere Beträge erforderlich sind, zu berücksichtigen. Ich bitte Sie also, den § 22 in der Ausschußfassung anzunehmen.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Aussprache ist geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung.
Ich bitte diejenigen, die dem Änderungsantrag der Föderalistischen Union auf Umdruck Nr. 701 zustimmen, die Hand zu heben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das letztere ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ich bitte dann diejenigen, die dem Art. 1 in der Ausschußfassung zustimmen, die Hand zu heben. — Das ist die Mehrheit; Art. 1 ist angenommen.
Ich rufe nun Art. 2 auf. Dazu liegen ein Änderungsantrag Gengler, Dr. Weber und Genossen auf Umdruck Nr. 700 und einer der Föderalistischen Union auf Umdruck Nr. 696 vor.
Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Gengler.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Voraus zu diesem Punkt eine persönliche Bemerkung. Sie ist notwendig, um die Motive klar herauszustellen, damit nicht jemandem vorgeworfen werden kann, er spreche in Wahrung eigener Interessen. Seit 16 Jahren habe ich nicht mehr am Steuer eines Kraftfahrzeuges als Fahrer gesessen. Im Jahre 1947 wurde ich das Opfer eines Verkehrsunfalls. Ich wurde auf der Straßenbankette von einem Lastkraftwagen angefahren und so schwer verletzt, daß ich in Todesgefahr schwebte. 32 Wochen lag ich im Krankenhaus, nachteilige Folgen bestehen heute noch. Ich spreche also bestimmt nicht pro domo zum Antrag Umdruck Nr. 700.
Die Antragsteller beantragen, die Ziffer 3 in Art. 2 zu streichen. Das bedeutet die Streichung des vorgesehenen § 139 c. Dieser Paragraph bedroht den Führer eines Kraftwagens, der infolge Alkoholgenuß nicht in der Lage ist, das Fahrzeug sicher zu führen, mit Gefängnisstrafe bis zu zwei Jahren; selbst der Versuch ist strafbar. Die Bestimmung droht schon dann mit hoher Strafe, wenn eine Beeinträchtigung des Straßenverkehrs nicht vorliegt. In der ursprünglichen Regierungsvorlage Drucksache Nr. 2674 war ein solcher § 139 c nicht enthalten. Erst auf einen Vorschlag aus dem Bundesrat wurde er vom Ausschuß für Verkehrswesen in den Entwurf eingearbeitet.
Der mitbeteiligte Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht beantragt Streichung des § 139 e. Im Ausschuß wurde festgestellt, daß der Tatbestand des § 2 der Straßenverkehrszulassungsordnung in Verbindung mit § 21 des Kraftfahrzeuggesetzes bereits als Übertretung erfaßt und mit Haft bis zu 6 Wochen bzw. mit 150 DM Geldstrafe geahndet wird.
Die Gerichte sind neuerdings sehr weitgehend dazu übergegangen, in Fällen dieser Art Haftstrafen zu verhängen. Das hat schon manchen ein für allemal kuriert. Sehr fraglich ist, ob man eine derart schwere Strafbestimmung lediglich als vorbeugende Maßnahme schaffen soll, ohne daß eine
unmittelbare Gefährdung eingetreten bzw. ein Rechtsgut verletzt ist. Im allgemeinen ist, wie im Rechtsausschuß ausgeführt wurde, eine derart lediglich vorbeugende Vorschrift, die eine so schwere Strafe vorsieht, dem Strafgesetzbuch fremd. Der Rechtsausschuß hält eine solche Vorschrift insbesondere deshalb für entbehrlich, weil im Art. 5 in dem neu eingefügten § 315 a Ziffern 2 und 3 die Trunkenheit am Steuer bei Gemeingefahr mit besonderer Strafe bedroht wird. Es ist sehr wichtig, diese Bestimmung kennenzulernen, nicht nur deswegen, weil sie den § 139 c teilweise wiederholt bzw. ihn überflüssig macht, sondern auch deswegen, damit diese Bestimmung den Kraftfahrern bekannt wird.
Es heißt in § 315 a:
Wer die Sicherheit des Straßenverkehrs dadurch beeinträchtigt, daß er
1....
2. ein Fahrzeug führt, obwohl er infolge des Genusses geistiger Getränke oder anderer berauschender Mittel nicht in der Lage ist, das Fahrzeug sicher zu führen;
3. ein Fahrzeug führt, obwohl er infolge geistiger oder körperlicher Mängel sich nicht sicher im Verkehr bewegen kann und keine Vorsorge getroffen ist, daß er andere nicht gefährdet, oder
4....
und dadurch eine Gemeingefahr ... herbeiführt, wird mit Gefängnis bestraft.
In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 bis 3 ist der Versuch strafbar.
1 Der durchaus zu billigenden Absicht, die Personen zu treffen, die wegen Trunkenheit den Verkehr gefährden, ist also in § 315 a Rechnung getragen. Die Betreffenden wissen nun, was ihnen eventuell blüht.
Der § 139 c ist hiernach in der Sache entbehrlich. Seine Streichung halten wir aber deswegen für besonders erforderlich, weil er gewisse Gefahren in sich birgt, indem er, wenn auch vielleicht ungewollt, den Polizeiorganen letztlich die Möglichkeit gibt, jeden Kraftfahrer, ohne daß eine Verkehrsgefährdung eingetreten ist, einfach zu überprüfen, ob Alkoholgenuß vorliegt.
Der Kraftfahrer kann damit Objekt der Polizei nach deren Belieben werden.
Die Art der Feststellung kann zu Weiterungen und unbilligen Beschränkungen der persönlichen Freiheit von seiten der Polizeiorgane führen, z. B. mit der Aufforderung, den Polizeibeamten anzuhauchen, damit er feststellen kann, ob Alkohol genossen worden ist,
oder mit der Aufforderung, sich einer Blutentnahme zu unterziehen, wenn nur der geringste Verdacht des Alkoholgenusses besteht. Die Auswirkungen des § 139 c sind also nicht abzusehen. Damit würden wir in c gefährliche Nähe eines Polizeistaates kommen. Sowohl im Interesse des Staatsbürgers als auch der Polizei selbst sollten wir dieser Gefahr begegnen.
Ich bitte daher um Zustimmung zu dem Antrag Umdruck Nr. 700.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Reismann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich begrüße den Antrag und die Begründung des Herrn Kollegen Gengler. Ich kann es deswegen kurz abmachen, weil er schon manches von dem gesagt hat, was ich von mir aus auch gerne vorgebracht hätte.
Gestatten Sie zu § 315 a einen Hinweis. Darin wird, wer falsch überholt und dadurch eine Gemeingefahr herbeiführt, mit Gefängnisstrafe schlechthin bedroht. Gemeingefahr ruft aber hervor, wer eine Gefahr für Leib und Leben auch nur eines einzigen Menschen herbeiführt. Das Ergebnis ist also, daß jeder, der falsch überholt, unter Gefängnisstrafe gestellt wird. Es kann natürlich unter Umständen notwendig sein, gegen solche Dinge scharf vorzugehen. Das falsche Überholen erfolgt doch stets vorsätzlich, weil sich der Betroffene etwas dabei denkt. Dann eine Gefängnisstrafe anzudrohen, das geht doch entschieden zu weit.
Es scheint mir überhaupt eine völlig falsche Blickrichtung in diesem Gesetz, gegen die Unfälle, die sich auf den Straßen ereignen, nur dadurch vorzugehen, daß man Strafen androht.
Man beruft sich auf Statistiken. Die Statistiken sind falsch ausgewertet. Man muß sich einmal überlegen, woran es denn liegt, wenn in Deutschland zahlreichere Unfälle vorkommen als anderswo. Das liegt keinesfalls daran, daß etwa die Leute bei uns mehr Alkohol trinken als anderswo, sondern daran, daß unsere Straßen schlechter sind, daß sie enger und mehr überlastet sind.
Das ist die Ursache! Wenn man die Unfallquellen bekämpft, muß man dort ansetzen und nicht bei dem Kraftfahrer, der letzten Endes das Opfer dieser Umstände ist.
Man weist immer darauf hin, daß die Statistik ja ergebe, welche Ursachen jeweils vorgelegen haben. Man muß aber doch bedenken, daß die Ursachen, die angegeben werden, von den Polizeibeamten ausgewertet werden. Der Polizeibeamte registriert die einzelnen Unfälle in die Kategorie, die ihm richtig erscheint. Vielleicht wird ab und zu hinterher das gerichtliche Urteil zur Korrektur herangezogen. Aber die Mitursachen werden niemals bewertet, daß also beispielsweise eine geringe Nachlässigkeit des Fahrers nur deswegen zu einem Unfall führt, weil die Straße zu eng ist, weil der Lastzug zu lang ist, weil die Wölbung zu groß ist usw.
Das registriert man hinterher nur ein unter die Nachlässigkeit oder Fahrlässigkeit des Fahrers, nicht aber unter die verfehlte oder die gewölbte Straße.
Am häufigsten aber kommt folgender Fall vor: Man wirft dem Lastwagen vor, daß er sich nicht weit genug auf der rechten Straßenseite hält, sondern zu sehr in der Mitte fährt. Fährt er aber weiter rechts, dann schleudert er mit seinem viel zu hohen und viel zu langen Zug an die Bäume und verursacht einen anderen Unfall.
All diesen Dingen muß man zu Leibe rücken. Man sieht die Sachlage völlig verkehrt, wenn man nur auf dem Autofahrer herumhackt. Deswegen
bin ich dafür, daß diese Bestimmungen gestrichen werden, die die Bestrafung in anderer Weise als bisher vorsehen.
Aber eines sollte man einführen: Eine Bestrafung für nachlässige Baubehörden. Wenn es beispielsweise vorkommen kann, daß noch vor gut einem halben Jahr an einer der meistfrequentierten Verkehrsstraßen in der Nähe von Münster eine Autofalle angelegt wird, mit der der zuständige Baurat beabsichtigt, die Kraftfahrer, die zu schnell durch die Stadt Telgte fahren, mit dem Tode zu bestrafen, so ist das ein Skandal. Er hat an einer der meistfrequentierten Verkehrsstraßen zwei rechtwinklige Kurven angelegt, und diese rechtwinkligen Kurven sind mit Rutsch-Kleinbasalt versehen und noch falsch überhöht worden. Als ihn die Öffentlichkeit daraufhin angriff, hat man bekanntgegeben, das habe man getan, um die Kraftfahrer zu langsamem Fahren zu veranlassen — mit dem Erfolg, daß hinterher die Straße wieder umgebaut werden mußte. Die Baufirma hatte sich geweigert, so zu bauen, und hatte gesagt, das gebe Unfälle. Nachdem inzwischen dort einige Autounfälle passiert sind, baut man die Straße wieder um, und das bezahlen die Steuerzahler. So geht es nicht!
Wir sind deswegen der Ansicht, daß man hier die Strafvorschriften beseitigen und auf sachliche Art und Weise den Autounfällen zu Leibe rücken sollte. Ich persönlich unterstütze den Antrag auf Streichung der §§ 315 a und 316.
Es besteht ein gewisses Bedürfnis für eine besondere Bestrafung der Leute, die Sabotage verüben, wie es § 315 a in Ziffer 1 vorsieht. Wer „Anlagen oder Beförderungsmittel beschädigt, zerstört oder beseitigt, Hindernisse bereitet oder einen ähnlichen Eingriff vornimmt", der sollte allerdings bestraft werden. Aber wenn man es nur so erreichen kann, daß man gleichzeitig auch die Autofahrer für die Nachlässigkeit der anderen bestraft, dann scheint es mir notwendiger, diese Bestimmung selbst zu streichen; denn den Saboteuren kann man auch auf andere Art und Weise beikommen. Zunächst reichen die Vorschriften, die bisher existieren, schon aus. Wenn ein Unfall passiert ist, kann man dem Schuldigen wegen der geschehenen Körperverletzung und der geschehenen Sachbeschädigung ja barbarisch zu Leibe rücken.
Ich weiß überhaupt gar nicht, warum man den Gerichten bei dieser Veranlassung nun sagen will, sie hätten bisher zu milde bestraft. Wenn man als Anwalt die Praxis kennt, kann man sagen, daß die Autofahrer eher zu streng als zu milde behandelt werden. Es ist geradezu eine Art von Hexenaberglauben ausgebrochen, der dahin führt, daß die Leute glauben: Um die Autounfälle zu verhindern, muß man nur die Autofahrer bestrafen!
Nun macht man auch noch schärfere Strafgesetze, obwohl die bisherigen Strafrahmen gar nicht ausgenutzt worden sind. Sie sind nicht ausgenutzt worden trotz ausreichender, ja trotz sehr harter Bestrafungen. Wir haben z. B. erlebt, daß jemand zunächst mit vier Wochen Haft bestraft war — das ist in meiner Praxis vorgekommen — und die Strafe hinterher im Gnadenwege auf 14 Tage ermäßigt wurde, weil er sich, ohne daß ein Unfall vorgekommen ist, in angetrunkenem Zustand ans Steuer gesetzt hat, eine kleines Stück gefahren ist, dann aber das Auto auf dem Markt hat stehen lassen, weil er eingesehen hat, daß er nicht mehr fahren konnte, und sich hat wegfahren lassen. Und dafür bekommt er diese Strafe! Dann sieht man doch ein, daß kein Bedürfnis besteht, die Strafmöglichkeiten noch zu erhöhen. Ich bin deswegen der Ansicht, daß diese Dinge zu theoretisch gesehen sind und daß man ihnen deswegen nicht in der Form stattgeben sollte, wie es hier geschehen ist.
Wenn sich aber hier auch noch der Vorschlag findet, man solle zwar die Zahl der Anhänger beschränken, dafür aber die Gesamtlänge des Lastzuges fast noch größer machen als bisher, so habe ich dafür schlechterdings kein Verständnis. Das steht an anderer Stelle.
Das Wort hat der Herr Bundesverkehrsminister.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf den Herrn Abgeordneten Dr. Reismann zunächst einmal bitten, seine Ausführungen über Telgte bei der zuständigen Stelle von Nordrhein-Westfalen anzubringen. Bekanntlich untersteht den Ländern die Ausführung dieser Arbeiten, und der zuständige Baurat untersteht nicht meiner Jurisdiktion, sondern der des Herrn Verkehrsministers von Nordrhein-Westfalen.
Ich möchte nur zu der Frage — —
— Nein, ich kann dem Herrn Abgeordneten nur sagen, er möchte seine Beschwerde da anbringen, wo die Zuständigkeit liegt.
Ich bin vielleicht nicht richtig verstanden worden.
Ich habe gebeten, Herr Dr. Reismann möchte die von ihm angeführte Angelegenheit mit dem Baurat und der Kurve in Telgte doch einmal bei dem zuständigen Ministerium in Nordrhein-Westfalen vorbringen, weil dieser Baurat nicht meiner Jurisdiktion untersteht, sondern zu Nordrhein-Westfalen gehört; denn dem Land obliegt die Ausführung dieser Bauarbeiten. Ich habe nichts anderes sagen wollen.
Meine Damen und Herren, darf ich doch bitten, diese verhältnismäßig einfache Unterhaltung nicht durch allzu viele Zwischenrufe kompliziert zu machen.
Ja, offenbar haben die Damen und Herren mich nicht richtig verstehen können. Ich werde noch langsamer sprechen.
Ich darf noch auf folgendes hinweisen. Der Herr Abgeordnete Gengler hat einen Antrag gestellt, die Ziffer 3 des Artikels 2 mit dem § 139 c zu streichen, und hat darauf hingewiesen, daß die Vorschriften des § 315 a und des § 316 in Ziffer 5 des Artikels 2 hierfür ausreichen und genügen. Ich
habe diesem Antrage nichts hinzuzufügen, weil ich seine Auffassung teile. Er hat auch darauf hingewiesen, daß diese Vorschrift sich nicht in der Regierungsvorlage befunden hat. Sie ist durch den Bundesrat später zusätzlich dem Entwurf zugefügt worden.
Ich möchte aber nur darauf aufmerksam machen, daß man die Frage der Trunkenheit am Steuer nicht zu leicht nehmen darf.
Ich glaube deswegen, daß wir die Vorschriften, die in § 315 a und § 316 ausgebracht sind, unbedingt so beibehalten sollten. Man soll die Trunkenheit am Steuer nicht deshalb zu leicht nehmen, weil der Anteil der Unfälle, die durch Trunkenheit am Steuer hervorgerufen werden, in der Unfallstatistik zahlenmäßig nicht so groß ist — er beträgt nämlich nur etwa 6 % —, aber die Schwere dieser Unfälle ist außerordentlich bedeutungsvoll. Wir müssen gerade bei den Unfällen durch Trunkenheit eine überaus große Anzahl an Toten und Schwerverletzten beklagen. Deswegen müssen wir, wie das auch in anderen Ländern — z. B. in Schweden — geschieht, dafür sorgen, daß die Menschen sich auch dann schon zurückhalten, wenn sie entsprechende Mengen Alkohol genossen haben. Ich glaube, daß man darauf wirklich nachdrücklich hinweisen muß, auch wenn man natürlich den berechtigten Wunsch hat, daß dadurch weder der Fremdenverkehr noch etwa der Absatz in den entsprechenden Gastwirtschaften zurückgeht, der ja vielfach durch Besuch von Autofahrern hervorgerufen wird. Aber derjenige, der selbst Auto fährt, muß sich schon mit Rücksicht auf die anderen Menschen im Verkehr die entsprechende Beschränkung auferlegen: Soviel Verantwortungsbewußtsein sollten wir von unseren Menschen, die am Steuer eines Autos oder Motorrades sitzen, ohne weiteres verlangen, ohne daß sie deswegen nun sagen könnten, sie seien durch diese Maßnahmen in besonderer Weise unter Strafandrohung durch gesetzliche Bestimmungen gestellt.
Herr Abgeordneter Dr. Reismann hat sich dahin ausgesprochen, er habe Bedenken, daß hier dem Autofahrer Unrecht geschehe, weil zuviel von ihm verlangt werde, solange die Straßen nicht entsprechend gut seien. Die einschlägige Bestimmung unserer Straßenverkehrsordnung, die wir durch diesen Entwurf auch wiederhergestellt sehen wollen, stellt ausdrücklich fest, daß der Fahrer sich so zu verhalten hat, wie es der Verkehr und natürlich damit auch der Zustand der Straße erfordert. Man muß von einem Fahrer verlangen, daß er erkennen kann und sich dann so verhält, wie eben die gegebenen Ausbaumöglichkeiten der gerade von ihm befahrenen Straße es verlangen. Wenn die Fahrer wirklich den Straßenzustand beachten und die Disziplin aufwenden würden, die wir beim Fahren in anderen Ländern vielfach beobachten können, würden sie damit sicherlich am meisten zur Verminderung der Unfälle beitragen. Wir möchten sehr gern unsere Straßen weiter ausbauen. Wir haben uns in diesem Hohen Hause öfter darüber unterhalten, auch über die Frage der Möglichkeit und der Unmöglichkeit der Mittelbeschaffung.
Wenn Sie einmal nach England kamen und sich ansahen, mit wieviel Kurven, mit wie engen und unübersichtlichen Straßen man sich dort abquälen muß und wie außerordentlich diszipliniert und vorsichtig gefahren wird,
weil die Menschen sich eben den gegebenen Voraussetzungen anpassen, dann werden Sie mir recht geben, daß wir doch viel größeren Wert auf eine bessere Disziplin unserer Fahrer legen müssen. Zu dieser Disziplin gehört natürlich auch, keinen Alkohol zu sich zu nehmen, bevor man sich an das Steuer setzt oder während der Fahrt, weil man dadurch in die Gefahr gerät, auch wenn man eine ganze Menge verträgt, die anderen Verkehrsteilnehmer zu gefährden. Deswegen möchte ich darum bitten, daß der Antrag des Herrn Dr. Reismann auf Umdruck Nr. 696 nicht zur Annahme kommt.
Das Wort hat der Herr Bundesjustizminister.
Meine Damen und Herren! Herr Kollege Dr. Reismann hat die Streichung des § 315 a beantragt. Ich weiß nicht, ob das ein ernster Antrag sein soll. Damit würde das gesamte Gerippe des Gesetzes natürlich auseinanderfallen. Vorbereitet ist nur sein Antrag, in Art. 2 Nr. 5 in § 315 a Abs. 1 einzufügen: „In den Fällen ,der Nm. 3 und 4 kann auf Geldstrafe erkannt werden." Zu ,diesem Antrag hat er sich nicht geäußert. Aber ich nehme an, er soll aufrechterhalten werden.
— Dann möchte ich nur einige Worte dazu sagen.
Mir scheint es nicht notwendig zu sein, diesen Satz beizufügen, weil an sich nach § 27 b des Strafgesetzbuches in leichten Fällen, in denen Gefängnis angedroht ist, dann, wenn der Strafzweck auch durch eine Geldstrafe erreicht werden kann, die Geldstrafe verhängt werden kann. Es ist also gar nicht notwendig, hier neben Gefängnisstrafe Geldstrafe vorzusehen.
Nun darf man nicht übersehen, daß die Tatbestände des § 315 a sehr schwerwiegend sind, auch die Ziffern 3 und 4. Ziffer 3:
Wer ein Fahrzeug führt, obwohl er infolge geistiger oder körperlicher Mängel sich nicht sicher im Verkehr bewegen kann und keine Vorsorge getroffen ist, daß er andere nicht gefährdet.
In Ziffer 4 ist es allerdings etwas anders, als Herr Kollege Reismann es zunächst wiedergegeben hat:
Wer in grob verkehrswidriger und rücksichtsloser Weise die Vorfahrt nicht beachtet, falsch überholt oder an unübersichtlichen Stellen, an Straßenkreuzungen oder -einmündungen zu schnell fährt und
— das ist das Wesentliche —
dadurch eine Gemeingefahr herbeiführt.
Der Tatbestand ist doch hier so gefaßt, daß diese gesamten Merkmale vom Vorsatz erfaßt werden müssen, daß also auch die Gemeingefahr vorsätzlich herbeigeführt werden muß. In diesen Fällen muß Gefängnis verhängt werden. Aber, wie gesagt, wenn der Tatbestand so ist, daß er trotz vorsätzlichen Verhaltens nicht besonders schwerwiegend ist, hat der Strafrichter die Möglichkeit, Geldstrafe zu verhängen.
Dann bitte ich besonders, den § 316 Abs. 2 nicht zu übersehen, wonach im Falle der Fahrlässigkeit —das sind Fälle, die Sie, Herr Kollege Reismann, im Auge haben — ohne weiteres neben dem Gefängnis Geldstrafe möglich ist.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Rademacher.
Meine Damen und Herren! Ich glaube, wir sollten uns davor hüten, bei der Behandlung einzelner Änderungsanträge die Generaldebatte schon vorwegzunehmen, es sei denn, daß die Absicht besteht, hinterher auf eine Generaldebatte zu verzichten.
Der § 139 c macht ja schon den Versuch strafbar für den Fall, daß der betreffende Fahrzeugführer geistige Getränke oder sonstige berauschende Mittel zu sich genommen hat.
Dieser § 139 c kann natürlich nur im Zusammenhang mit dem § 315 a gesehen werden, weil hier ja Voraussetzungen gegeben sein müssen, um jemanden, der betrunken ist, entsprechend zu bestrafen. Der Herr Justizminister hat es ja noch einmal ausgeführt: Nur in dem Falle, daß jemand die Sicherheit des Straßenverkehrs beeinträchtigt und dadurch eine Gemeingefahr herbeiführt, kann eingegriffen werden, mit Ausnahme einer anderen Regelung in der Verkehrsordnung, die, glaube ich, nur eine Strafe bis zu sechs Wochen vorsieht.
Ich glaube aber nicht, daß Herr Gengler richtig argumentiert hat, indem er gesagt hat, schon wenn jemand aus dem Wirtshaus herauskomme, habe er sich des Versuches strafbar gemacht und könne von den Polizeiorganen angefaßt werden.
Dieser Paragraph ist von den beiden Ausschüssen wohl am längsten behandelt worden. Dabei wurde sehr deutlich unterschieden zwischen der Vorbereitung und dem Versuch. Ich will das im einzelnen hier nicht wiedergeben.
Aber um die Sache kurz zu machen: Ich habe gehört, daß die sozialdemokratische Fraktion gegen
diesen § 139 c auch große Bedenken hat und unter Umständen nach der zweiten Lesung beantragen
will, das Gesetz wegen dieses § 139 c noch einmal an die zuständigen Ausschüsse zurückzuverweisen. Ich würde das für ein Verhängnis ansehen, weil dieses Gesetz, an dem wir nun so lange arbeiten und von dem wir soviel erhoffen, unter allen Umständen in Kraft gesetzt werden muß.
— Verzeihung! Warten Sie doch erst einmal ab, was ich sage! Ich würde Ihnen vorschlagen, dem Antrag auf Streichung dieses § 139 c zuzustimmen, und zwar aus vielerlei Gründen, die in der Debatte ja aufgezeigt worden sind. Verkehrsgesetze aller Art sind dynamisch. Wir werden die Dinge sehr zu überwachen haben und zu prüfen haben, ob wir mit dem § 315 und den sonstigen Bestimmungen auskommen. Sollten wir damit der Gefahren, die durch Trunkenheit usw. entstehen, nicht Herr werden, würden wir uns später eventuell damit abfinden müssen, diese Dinge in eine neue Novelle zu bringen. Für den Augenblick aber würde ich dem Hause tatsächlich empfehlen, mit der Streichung des § 139 einverstanden zu sein.
Wenn im übrigen das richtig ist, was der Herr Bundesjustizminister eben gesagt hat — und wir haben keinen Zweifel daran —, daß es nicht notwendig ist, ausdrücklich zu sagen, daß in den Fällen 3 und 4 des § 315 a auf Geldstrafe erkannt werden kann, weil das durch die Gesetzgebung ohnehin schon vorgesehen sei, dann würde ich allerdings empfehlen, den Antrag auf Umdruck Nr. 696 abzulehnen.
Ich darf also wiederholen: bitte, nehmen Sie den Änderungsantrag Umdruck Nr. 700 an, lehnen Sie aber auf Grund der Ausführungen des Herrn Bundesjustizministers den Antrag auf Umdruck Nr. 69 ab! Ich glaube, damit haben wir alle Bedenken überwunden, so daß wir heute auch noch die dritte Lesung durchführen können.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Reismann.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, daß es ein Aberglaube ist, zu meinen, daß nur ein Gesetz nötig und auch ausreichend sei, um die Zustände zu bessern. Ich bleibe der Ansicht, daß es wichtiger ist, die Fahrzeuge und die Straßen zu verbessern.
Lassen Sie mich kurz auf die Überlegungen des Herrn verkehrsministers eingehen. Wenn ich ein konkretes beispiel zitierte, so tat ich das natürlich meat, um ihn auf den Baumeister dieser Straße zu hetzen. Das ist vollig uninteressant. Ich wollte damit nur zeigen, wie wichtig es ist, an den Tatsachen etwas zu andern, und daß es weder ausreichend noch notig ist, an dem Gesetz über die
Bestrafung der Kraftfahrer etwas zu ändern. Das habe 'en an diesem Beispiel erläutert.
Um nun Herrn Rademacher zu erwidern: er hat gesagt, man habe sich gerade mit der Frage des Versuchs und der Vorbereitung befaßt. Nein, es lag sugar eine vollzogene Handlung im Sinne dieses Gesetzes vor, weil sich der Mann ans Steuer gesetzt hatte. Aber er erkannte und sah, es geht nicht, und hörte auf zu fahren. Dafür wurde er bestraft, und zwar mit vier Wochen Haft.
Nun zu der Frage des Herrn Justizministers. Er meint, unser Antrag Umdruck Nr. 696, wo wir bitten, in geeigneten Fällen die Geldstrafe als ausreichende Suhne geiten zu lassen, sei nicht notwendig, weil das Gesetz — § 29 a des Strafgesetzbuches - das ohnehin vorsehe. Ja, das ist auch mir bekannt. Es bleibt aber ein Unterschied, und den kennt der Herr Justizminister doch auch. Es ist nämlich an Stelle einer an sich verwirkten Freiheitsstrafe und als Ersatzfreiheitsstrafe bestehenbleibenden Gefängnisstrafe auf Geldstrafe zu erkennen. Bestehen bleibt die Gefängnisstrafe. Der Delinquent wird nur zu irgendeiner Ersatzgeldstrafe verurteilt. Er ist aber zu Gefängnis verurteilt, nicht zu Geldstrafe. Das ist der Unterschied dabei. Er braucht zwar nur zu zahlen; aber das Urteil lautet auf eine an sich verwirkte Gefängnisstrafe. Das wollte ich eben nicht. Es ist also nicht dasselbe.
Wir müssen uns also dagegen wehren, daß dafür grundsätzlich Gefängnis angedroht werden soll. lch bitte, unseren Antrag nicht als überflüssig anzusehen; er ist in dem Sinne notwendig: Wenn einer nicht will, daß jede Übertretung, jedes Versehen auf der Straße ein Gefängnisdelikt sein soll, dann darf er nicht gegen unseren Antrag stimmen. Im übrigen bin ich der Ansicht, daß wir nicht eine solche Inflation von Delikten, die jedem passieren können, hervorrufen dürfen. Es muß sich jeder darüber klar sein, daß das nicht nur rüde Fahrer sind. Der vorsichtigste Staatsanwalt kann sich bei all seinen Akten nicht so vorsichtig verhalten, wie der nachlässigste Autofahrer im Durchschnitt ist. Darüber müssen wir uns im klaren sein.
Deswegen sind wir der Ansicht, es muß primär eine Geldstrafe zugelassen werden, wenn wir diese Bestimmung überhaupt aufrecht erhalten wollen.
Aber sie muß gestrichen werden, meine sehr verehrten Damen und Herren!
Wenn wir uns schon darüber einig waren, daß der § 139 c gestrichen werden soll, dann darf der § 315 nicht bestehen bleiben. In § 315 Abs. 3 würde etwas Gleichartiges weiterbestehen bleiben. Der § 139 c, in dem es heißt:
Wer auf öffentlichen Straßen ein Fahrzeug führt, obwohl er infolge des Genusses geistiger Getränke oder anderer berauschender Mittel nicht in der Lage ist, das Fahrzeug sicher zu führen, . . .
und der § 315 a, Ziffer 3, in dem es heißt:
Wer ein Fahrzeug führt, obwohl er infolge geistiger oder körperlicher Mängel sich nicht sicher im Verkehr bewegen kann,
treffen dasselbe. Das ist oft eine Idealkonkurrenz. Wenn einer unter Alkoholgenuß sich ans Steuer setzt, dann erfüllt der Sachverhalt beide Bestimmungen.
Man kann nicht sagen, daß das Gesetz bisher nicht ausreichende Möglichkeiten zu härterer Bestrafung geboten hätte. Ich wehre mich gegen diesen Aberglauben, daß man für alles und jedes neue Gesetze schaffen muß. Das ist doch ein bißchen so ohne genaue Überlegung übers Knie gebrochen worden.
Der Herr Justizminister hat auf die Gemeingefahr hingewiesen. Bezüglich dieses Hinweises muß man doch folgendes bedenken. Die Gemeingefahr bedeutet Gefahr für Leib oder Leben auch nur einer einzelnen Person. Jede Gefahr für Leib oder Leben bedeutet aber eine potentielle Gefahr. Wer als möglich ins Auge faßt, daß einer gefährdet wird, sich aber dabei sagt, nach allen Regeln der menschlichen Erfahrung trete das nicht ein, handelt keineswegs vorsätzlich, nach den bisherigen Rechtsprechungsgrundsätzen; er kann aber als fahrlässig handelnd angesehen werden. Wenn sich darin eine auch nur noch so abgelegene Möglichkeit realisiert, dann liegt hier schon der Tatbestand der Gemeingefahr vor. Diese im Gesetz unter § 315 — das ist Ziffer 4 unserer Vorlage — vorgesehene Differenzierung der Gemeingefahr nimmt dem Charakter der Gemeingefahr das Besondere; denn bei jeder fahrlässigen Handlung liegt natürlich die Gefahr einer Körperverletzung vor. Das wollen wir offenbar alle nicht; das ergibt sich sowohl aus den Ausführungen des Herrn Justizministers als auch des Herrn Kollegen Rademacher. Wenn wir das aber nicht wollen, dann können wir den § 315 a unmöglich so lassen.
Nach meiner Meinung ist von § 315 a nur die Ziffer 1 des Abs. 1 zu gebrauchen. Das ist der Fall der bewußten, vorsätzlichen Sabotagehandlung. Die Tatbestände unter den Ziffern 2 bis 4 sollten weggestrichen werden. Sie finden bisher schon eine ausreichende Ahndung. Oder aber man muß sich das unter neuen Gesichtspunkten überlegen. Es wird von dem Herrn Bundesjustizminister auf die Möglichkeit der milderen Bestrafung in § 316 für die Fälle der Fahrlässigkeit hingewiesen. Ich habe mich da soeben wohl nicht deutlich genug ausgedrückt. In der vorgesehenen Fassung des § 315 a heißt es unter Ziffer 4:
— Herr Kollege Bausch, es dreht sich nicht um die
Besoffenen. Es ist nicht richtig, was Sie da sagen. Es dreht sich um jeden Grad von Fahrlässigkeit.
— Erstens können sie das sowieso, und zweitens können Sie sie ruhig dazu verurteilen. Es dreht sich darum, daß über den Rahmen des Alkoholgenusses hinaus ganz andere Dinge unter Strafe gestellt werden. Darum dreht es sich hier. Daß aber der § 316 die Fahrlässigkeit trifft, schließt nicht aus, daß, wie ich schon gesagt habe, jedes falsche Überholen hier nur als vorsätzliche Handlung denkbar ist, und die Fahrlässigkeit erstreckt sich ja nur auf den Tatbestand der Körperverletzung und nicht auf den Tatbestand des verkehrten Überholens. Daß man dafür grundsätzlich nur Gefängnis verhängt, geht über alles vernünftige Maß hinaus.
Ich bitte deswegen — ich überreiche den Antrag hiermit —, in § 315 a Abs. 1 die Ziffern 2, 3 und 4 sowie den § 316 zu streichen und es bezüglich der Strafvorschriften bei dem bisherigen Rechtszustand zu belassen.
Da keine weiteren Wortmeldungen mehr vorliegen, ist die Aussprache beendet.
— Ihr Antrag bezieht sich auf Art. 4. Wir sind bei Art. 2. Zu Art. 2 liegen keine Wortmeldungen mehr vor.
Wir kommen zur Abstimmung. Es liegen vor der Antrag Gengler, Dr. Weber und Genossen auf Umdruck Nr. 700, der Antrag der Föderalistischen Union Umdruck Nr. 696 und der Antrag Dr. Reismann. Es ist also über drei Anträge abzustimmen. Es ist sehr schwer zu entscheiden, welches der weitergehende ist.
— Umdruck Nr. 700 gehört zu Art. 2.
— Bezieht sich auf Nr. 3.
Wir stimmen also zunächst ab über den Antrag Gengler, Dr. Weber und Genossen Umdruck Nr. 700. Ich bitte diejenigen, die diesem Änderungsantrag zustimmen, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das erste war die Mehrheit; der Änderungsantrag ist angenommen.
Wir stimmen nun über den Antrag der Föderalistischen Union Umdruck Nr. 696 ab. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu heben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das letzte ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Wir stimmen dann ab über den Antrag Dr. Reismann, der eben von ihm vorgetragen worden ist. Ich bitte diejenigen, die diesem Änderungsantrag zustimmen, die Hand zu heben. — Ich bitte um die Gegenprobe. - Das letzte ist zweifellos die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Wir stimmen nun ab über Art. 2 in der Fassung der Vorlage mit der eben beschlossenen Änderung auf Umdruck Nr. 700. Ich bitte diejenigen, die zu-
stimmen, die Hand zu heben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Bei einer Reihe von Enthaltungen angenommen.
Ich rufe nun auf Art. 3. Dazu liegt kein Änderungsantrag vor. Herr Abgeordneter von Rechenberg?
— Das gehört zu Art. 4. Es liegt also kein Änderungsantrag vor. — Keine Wortmeldungen.
Wir können die Aussprache schließen und zur Abstimmung übergehen. Ich bitte diejenigen, die Art. 3 annehmen, die Hand zu heben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei einigen Enthaltungen mit großer Mehrheit angenommen.
Nun kommt Art. 4 mit dem Änderungsantrag Dr. von Rechenberg auf Umdruck Nr. 687 unter Ziffer 1. Das Wort zur Begründung hat Herr Abgeordneter Dr. Freiherr von Rechenberg.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vor einem Jahr
hat Herr Bundesverkehrsminister Seebohm uns
verkündet, daß der zweite Anhänger wegfallen würde, und es gab allgemeinen Applaus. Einen ahnungsvollen Engel aber hatten wir unter uns. Es war der Abgeordnete Reismann, der sagte, es käme auf die Länge an. Er hat richtig geahnt; denn was jetzt aus diesem Versprechen gemacht worden ist, ist geradezu ein Schildbürgerstreich. Nämlich an Stelle zweier Anhänger von insgesamt 22 m spricht man jetzt von einem Anhänger von insgesamt 20 m. Tatsächlich kommt es doch nur auf die Länge an.
— Ich fahre seit dem Jahre 1916 fast dauernd auf allen Straßen Deutschlands und Europas, soweit es geht, herum; ich bin also wirklich einigermaßen fachmännisch veranlagt dafür. Es ist ein Unding, zu behaupten. ein schwerer Lastwagen, der dann mit 20 oder 22 t Gewicht beladen ist — die Dinger werden ja alle überladen — wäre weniger gefährlich als ein leichterer zweiter Lastwagen, und zwar wegen des Schleuderns. Schleudern tut das große Biest noch viel mehr als die zwei kleinen, weil ja die Last viel größer ist.
In Wirklichkeit ist doch die Sache so, daß wir an zwei Dingen erkennen können, ob wir in Deutschland oder im Ausland auf der Straße sind, und zwar einmal an der Fahrweise, die im Ausland sehr viel besser ist als bei uns. Das kommt nicht daher, wie Herr Kollege Reismann meinte, weil dort die Straßenverhältnisse irgendwie besser wären; nein, weil dort die Rechtspflege anders ist,
weil dort der Richter gar nicht ,daran denkt, zu fragen: hast du auch daran gedacht, daß der andere die Verkehrsvorschriften nicht beachtet? Damit hebt unsere Rechtspflege unsere Verkehrsordnung in Wirklichkeit auf, indem sie immer noch eine Mitschuld zu konstruieren versucht, so daß zum Schluß niemand weiß, woran er sich zu halten hat. Das gibt's im Ausland nicht. Wer da z. B. in Paris von rechts kommt; der hat recht und braucht nicht damit zu rechnen, daß ihm trotzdem einer von links reinfährt. Der andere wird bestraft.
Sie erkennen außerdem an einer anderen Tatsache, ob Sie im Ausland oder in Deutschland sind — und das werden mir alle Kollegen bestätigen müssen, die in den letzten Jahren in Kontinentaleuropa herumgefahren sind —: diese Lastwagenungetüme gibt es nirgends in Kontinentaleuropa!
Die gibt es nicht. In Holland gibt es sie nur in ganz geringem Ausmaß, soweit sie im Transitverkehr nach der Tschechoslowakei eingesetzt werden; also in Holland fahren sie nicht, in Frankreich nicht, in Italien und in der Schweiz nicht. Nur bei uns haben wir diese Geschichte.
Darum, meine Damen und Herren, habe ich diesen Antrag eingebracht. Es ist meiner Ansicht nach höchste Zeit, diese Blüte eines Gewerbezweiges, die eine nicht erfreuliche Herkunft hat, zu beenden. Sagen wir es doch einmal sehr ,deutlich: Wir haben damals alle in der Industrie diese großen Biester angeschafft, als die Kriegsvorbereitungen losgingen, als man uns alle möglichen steuerlichen Abschreibungsmöglichkeiten usw. gab, damit wir die schweren Lastautos kauften, die nachher, wenn der Krieg da war, die Armee brauchte. Das war der Grund, warum die Dinger überhaupt auf unsere Straßen gekommen sind. Als der Krieg zu Ende war, da kamen sie zurück und fanden sehr schnell Liebhaber und fanden auch Beschäftigung. Die Reichsbahn, die Bundesbahn war kaputt, und es wurde außerdem auf der Bundesbahn maßlos geklaut. Da haben wir dann die Dinger in Gottes Namen wieder laufen lassen.
Aber jetzt ist ja dieser Zustand vorbei, und jetzt ist es die höchste Zeit, daß mit diesem Unfug der langen Dinger aufgehört wird. Ich habe mit verschiedenen Freunden den Antrag eingebracht die Länge dieser Lastwagenzüge auf 15 m zu beschränken. Das ist an und für sich schon ein Kompromiß, dem ich nicht gern zustimme. Denn an und für sich sollten wir es so machen wie alle anderen Länder und diese großen Anhänger, die es woanders nicht gibt, und alle technischen Anordnungen, die da gemacht worden sind, beseitigen. Die Herren Interessenten haben sich an mich gewandt. Die Herren Sachverständigen sind an mich herangetreten. Allerdings ist das, was sie mir geschrieben haben — der ZHW oder der Bundesverband der Deutschen Industrie —, vielleicht vom Interessenstandpunkt aus verständlich, es ist aber nicht gerade von Sachkenntnis getrübt. Zum Beispiel schreibt mir der Bundesverband der Deutschen Industrie, die Länge von 15 m sei aus konstruktiven Gründen gar nicht möglich. Man höre sich das an! Das schreiben Ingenieure einem Mann aus der Industrie! Und dergleichen geht es weiter.
Ich bin der Meinung: es ist jetzt die höchste Zeit, mit dieser Geschichte aufzuräumen. Alle Einwendungen, die gemacht werden, haben nur einen Hintergrund, und der ist berechtigt: die Wirtschaftlichkeit — allerdings! — dieses Gewerbes wird beschränkt,
ein Umstand, dem ich aus zwei Gründen mit großer Ruhe entgegensehe. Erstmal hat dieses Gewerbe bisher mit den ungenügenden Sätzen doch auch zu leiden gehabt. Ich bin ja selber Industrieller. Klagen tun wir ja alle.
Dieses ganze Gewerbe hat immerhin in den letzten Jahren einen unerhörten Aufschwung genommen. Ich glaube, im letzten Jahr sind 50 000 neue von diesen Dingern auf die deutschen Bundesstraßen losgelassen worden.
Wenn also dieses Gewerbe tatsächlich nicht mehr in der Lage sein sollte — weil die Preise dann nicht mehr ausreichen, wenn man nicht 30 t auf einmal fahren kann —, Transporte von Massengütern zu übernehmen, so kann ich nur sagen: fahren Sie mal von München nach hier: auf der Hinfahrt werden Sie Massengüter sehen, die auf die Bundesbahn gehören, wie Holz und dergleichen, und auf der Rückfahrt kommt eben Kohle zurück. Das sind Dinge, die unsere Bundesbahn zu befördern hat, und es ist gar nicht schade, wenn diese Möglichkeiten für die Lastwagenunternehmer nicht mehr bestehen.
Man soll mir auch nicht sagen: die Industrie wird aber geschädigt. Meine Damen und Herren, daß die Industrie diese Dinger fahren läßt, liegt an unseren schönen Steuergesetzen. Das ist eine herrliche Methode, um gute Abschreibungen zu machen, eine herrliche Methode, um große Unkosten zu machen. Dann mache ich es mir bequem mit meinen Transporten und verlade sie nicht zu meinem Freund Rademacher nach Hamburg per Eisenbahn, sondern ruhig per Lastwagen. Es kostet ja nicht mich letzten Endes, sondern es kostet Herrn Finanzminister Schäffer etwas.
Das ist die Grundlage, und alle anderen Gründe sind Scheingründe und scheitern an zwei Überlegungen: erstens daran, daß es in der übrigen Wirtschaft, der übrigen europäischen Welt die Dinge nicht gibt, und zweitens an der Tatsache, daß wiederum mein Freund Rademacher ganz richtig sagt: auf den deutschen Straßen herrschen geradezu skandalöse Zustände. Es ist nicht richtig — einer der Herren hat es vorhin gesagt —, daß die deutschen Straßen besonders schlecht wären. Unsere deutschen Autobahnen hat niemand anders, und auch der sonstige Zustand unserer deutschen Straßen ist in Wirklichkeit jetzt ganz schön geworden. Umfahrtstraßen z. B. gibt es in Frankreich nicht. nein, wir sind in Deutschland ganz schön versehen mit Straßennetzen, aber unsere Zustände auf den deutschen Straßen sind deswegen so skandalös, weil diese großen Kerle darauf herumfahren.
Die Lösung ist auch nicht die, wie sie Herr Rademacher vorschlägt, daß wegen dieser skandalösen Zustände bessere Straßen gebaut werden müßten. Bitte, baut sie doch! Aber vorläufig, solange sie nicht gebaut sind, gehören diese Biester nicht dahin, und darum bitte ich, meinem Antrag zuzustimmen.
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen sehe ich nicht. — Doch, Herr Abgeordneter Rademacher.
Meine Damen und Herren, ich bin meinem Kollegen sehr dankbar für die ganz neuartige Lektion deutscher Verkehrspolitik, denn so etwas Ähnliches sollte das j a wohl sein. Mir kommt also dieser Antrag vor, nun plötzlich von 22 über 20 auf 15 m herunterzugehen, wie das berühmte Märchen „Alice in Wonderland" : Kopf ab!
Was meinen Sie, verehrter Herr von Rechenberg, wenn ich einen Antrag einbringen würde — das könnte ich ja in der zweiten Lesung tun —, daß überdimensionale ausländische Wagen — Personenwagen wohlverstanden! — nicht mehr in Deutschland fahren dürfen, weil sie ein ungeheures Problem für die Parkerei darstellen?
Meine Damen und Herren, aber nun zum Ernst der Sache. Diese Festlegung der Länge von 20 m, wie sie jetzt gültig ist, ist das Ergebnis sehr eingehender Besprechungen im Bundesverkehrsministerium mit der Industrie, mit der Wirtschaft und mit dem Verkehr.
Ausgegangen ist man von den internationalen Bestimmungen; das hat Herr von Rechenberg eben verschwiegen.
Die internationale Bestimmung lautet: Wenn der Wagen mit zwei Anhängern fährt, dann darf er eine Länge von 22 m haben. Fährt er dagegen mit einem Anhänger, kann er nach den internationalen Bestimmungen, die allerdings noch nicht von allen Ländern ratifiziert sind,
eine Länge von 18 m haben. Und hier hat das Bundesverkehrsministerium in sehr eingehenden Besprechungen und Verhandlungen eine Mittellösung gefunden. Auf diese 20 m hat sich nicht die verkehrstreibende Wirtschaft, sondern vor allen Dingen — das bitte ich einmal festzuhalten — die produzierende Industrie seit mehr als einem Jahr eingestellt. — Verzeihen Sie, wenn Sie heute den Antrag des Abgeordneten Rechenberg annehmen, ab 1. April die Länge auf 15 Meter zu beschränken, dann werfen Sie den Gegenwert einer fünfstelligen Millionenziffer auf den Schrotthaufen.
Von den Rückwirkungen auf die deutsche Industrie will ich nicht sprechen.
Darf ich Sie aber noch auf eines aufmerksam machen. Auch die deutsche Bundesbahn treibt in einem immer stärkeren Maße aus der Erkenntnis der besonderen Leistungsfähigkeit Straßenverkehr.
Sie braucht genau dieselben leistungsfähigen Transportgefäße, wie sie sie auf der Schiene selber besitzt.
Meine verehrten Damen und Herren, die Öffentlichkeit wird, soweit sie an den Dingen nicht interessiert ist und von Verkehrspolitik wenig versteht, im allgemeinen diesen Dingen gewiß nachlaufen. Aber diejenigen, und die gehen in die Hunderttausende, die von diesen Dingen etwas verstehen, werden allerdings über diesen Antrag so urteilen: in diesem Hause wird Verkehrspolitik nach dem Standpunkt des Herrenfahrers gemacht — und nicht eine ordentliche und vernünftige Verkehrspolitik —, die sich sehr bemüht hat, dem Straßenverkehr, dem Werkverkehr wie dem gewerblichen allerschwerste Bedingungen aufzuerlegen. Aber eine Verkehrspolitik betreiben Sie nicht mehr,
wenn Sie hier solche Anträge verfolgen, die einfach aus dem Nichts herausgegriffen sind und keinerlei vernünftige Grundlagen mehr haben. Ich glaube, das entsprechend dargestellt zu haben.
Der Herr Bundesminister für Verkehr!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich darf bitten, den Antrag des Herrn Abgeordneten Dr. von Rechenberg abzulehnen.
— Bitte sehr, Herr Bausch! Ich darf immerhin darum bitten, ihn abzulehnen, auch wenn Sie der Auffassung sind, daß Sie ihn gern annehmen wollen.
Ich möchte zu den Ausführungen, die Herr Abgeordneter Rademacher soeben gemacht hat und denen ich völlig beipflichte, noch etwas ergänzen. Ich darf Sie darauf hinweisen, daß wir die sogenannte Freiheit der Straße haben, d. h. daß wir international dem Transitverkehr unsere Straßen öffnen. Durch diese Öffnung für den Transitverkehr sind insbesondere den holländischen, den norwegischen, den dänischen und den schwedischen Lastzügen und Omnibussen sehr erhebliche Möglichkeiten in Deutschland eröffnet. Wenn wir unsere Züge in der von Herrn Dr. von Rechenberg vorgesehenen Weise beschränken, geben wir dem internationalen Verkehr in Deutschland den Vor, rang und schädigen nicht nur unsere Devisenbilanz,
sondern schädigen auch unsere Verkehrsinteressen innerhalb der europäischen Integration.
Ich darf darauf hinweisen — ich möchte Herrn Rademacher in der Frage noch unterstützen —, daß die Länge von 20 Metern für den zweiteiligen Zug, die wir im vorigen Jahr im Bundesrat beschlossen haben — denn es handelt sich hier um eine Bestimmung der Straßenverkehrszulassungsordnung, die der Bundesrat zu beschließen hat —, für den zweiteiligen Zug sehr eingehend durchdiskutiert worden ist und daß wir uns nach langen Überlegungen auf diese 20 Meter für den zweiteiligen Zug im innerdeutschen Verkehr festgelegt haben. Es ist sicherlich richtig, wenn Herr Rademacher gesagt hat, daß die Annahme dieses Antrags, wie er hier vorgelegt worden ist, zu außerordentlich hohen wirtschaftlichen Verlusten auch an Arbeitsplätzen führen muß, und zwar sowohl in der Produktion wie in der Verkehrswirtschaft.
Gestatten Sie mir noch eine kleine, etwas scherzhafte Bemerkung. Wenn Herr Dr. von Rechenberg gemeint hat, er tue Herrn Schäffer damit einen Gefallen, wenn er den Auftrag zu einem Transport nicht seinem Freund Rademacher, sondern der Bundesbahn gebe, so ist das nicht ganz richtig. Denn wenn Herr Rademacher den Transport ausführt, dann zahlt er eben Einkommen- und Körperschaftsteuer, Mineralölsteuer und andere Abgaben an Herrn Schäffer, während es sich bei der Eisenbahn bekanntlich um die Verwaltung eines Sondervermögens handelt, aus dem Herr Schäffer außer der Verkehrsteuer keine Steuereinnahmen zieht.
Meine Damen und Herren, es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Jedenfalls ist es eine der temperamentvollsten Aussprachen, die wir je in diesem Hause gehabt haben. Ich schließe die Besprechung zu Art. 4 und komme zur Abstimmung über den Änderungsantrag der Abgeordneten Dr. Freiherr von Rechenberg, Dr. Atzenroth und Genossen auf Umdruck Nr. 687 Ziffer 1. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Es bedarf keines Hammelsprungs. Das erste war die Mehrheit. Der Antrag ist angenommen.
Ich bitte die Damen und Herren, die dem Art. 4 in der so geänderten Form zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das erste war die Mehrheit. Der Artikel ist angenommen.
— Wer wünscht sich außer Herrn Abgeordneten Renner der Stimme zu enthalten? — Bei einigen Stimmenthaltungen angenommen.
Ich rufe auf Art. 5, — Art. 6, — Art. 7, — Art. 8. — Keine Wortmeldungen. Ich bitte die Damen und Herren, die den vier Artikeln zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Bei
einigen Enthaltungen angenommen.
Ich rufe auf Art. 9. Dazu liegt ein Änderungsantrag Umdruck Nr. 687 Ziffer 2 vor. Herr Abgeordneter Freiher von Rechenberg wünscht nicht, ihn zu begründen. Sonst wünscht niemand das Wort zu dem Antrag. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Änderungsantrag des Herrn Abgeordneten Freiherrn von Rechenberg Umdruck Nr. 687 Ziffer 2 zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Das erste war die Mehrheit. Er ist angenommen.
Ich bitte die Damen und Herren, die dem Art. 9 in der geänderten Form zuzustimmen wünschen, uni ein Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Bei Enthaltungen angenommen.
Ich rufe auf Einleitung und Überschrift. Ich bitte die Damen und Herren, die der Einleitung und Überschrift zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. — Das ist die Mehrheit; angenommen.
Ich rufe auf zur
dritten Beratung
und eröffne die allgemeine Aussprache im Rahmen — —
— Herr Abgeordneter Wellhausen!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich widerspreche der dritten Lesung.
Herr Abgeordneter Wellhausen hat der dritten Beratung widersprochen. Da Änderungsanträge angenommen sind, die binnen der vorgesehenen Frist noch nicht verteilt sind, kann die dritte Beratung nicht stattfinden.
— Herr Abgeordneter Atzenroth macht mich auf das aufmerksam, was ich Ihnen gerade selbst sagen wollte. Wir hatten vorgesehen — ich hoffe, daß das die einmütige Überzeugung des Hauses ist —, den Punkt 6 der Tagesordnung:
Erste Beratung des von der FU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ermäßigung des Aufbringungsbetrages nach dem Investititionshilfegesetz (Nr. 3805 der Drucksachen),
und die dazu gestellten Änderungsanträge ohne Begründung und ohne Beratung dem Ausschuß für Wirtschaftspolitik und dem Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen zu überweisen.
— Also, meine Damen und Herren, der Ausschuß für Wirtschaftspolitik ist zunächst mal federführend. Besteht darüber Einmütigkeit? — Herr Abgeordneter Wellhausen!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich beantrage, den Antrag denselben Ausschüssen zuzuweisen, die seinerzeit das Investitionshilfegesetz behandelt haben. Ich kann sie Ihnen nicht aus dem Kopf sagen. Ich halte es für sinnvoll, daß, wenn eine so wesentliche Änderung des Gesetzes vorgenommen werden soll, dieselben Ausschüsse, die seinerzeit tätig waren, bemüht werden.
Meine Damen und Herren! Bei dieser Meinungsverschiedenheit haben wir nur
die Möglichkeit der Abstimmung. Ich bitte die Damen und Herren, die dafür sind, daß der Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen mitberatend beteiligt wird, eine Hand zu erheben. — Das ist ohne Gegenprobe die Mehrheit.
Ich kehre einen Augenblick zu Punkt 7 — Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung von Unfällen im Straßenverkehr — zurück. Der Abgeordnete Freiherr von Rechenberg hat auf Umdruck Nr. 688 einen Entschließungsantrag zur zweiten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Bekämpfung von Unfällen im Straßenverkehr eingebracht. Ich darf unterstellen, daß der Herr Abgeordnete v. Rechenberg — er hat sich inzwischen entfernt — damit einverstanden ist, daß dieser Antrag bei der dritten Beratung zur Abstimmung gestellt wird. Da er nicht widerspricht,
darf ich das annehmen.
Meine Damen und Herren, ich habe folgendes bekanntzugeben. Der Ausschuß für gesamtdeutsche Fragen läßt mitteilen, daß die Sitzung ausfällt. Die CDU-Fraktion tagt eine Viertelstunde nach Schluß des Plenums.
Ich darf bitten, die Drucksachen bezüglich der heute nicht erledigten Punkte für die nächste Beratung aufzubewahren.
Der Finanzausschuß tagt Freitag, den 21. November, 10 Uhr.
Die FDP-Fraktion tagt um 21 Uhr.
Ist noch etwas bekanntzugeben? — Das ist nicht der Fall.
Meine Damen und Herren, ich berufe die 238. Sitzung auf Mittwoch, den 26. November, 13 Uhr 30, mit der im Ältestenrat vorsorglich vorbereiteten Tagesordnung — in erster Linie betreffend den Nachtragshaushalt —
und schließe die 237. Sitzung.