Gesamtes Protokol
Meine Damen und Herren, die Sitzung ist eröffnet.
Zunächst habe ich Ihnen eine amtliche Mitteilung zur Kenntnis zu geben. Interfraktionell ist vereinbart worden, die heutige Tagesordnung um die zweite und dritte Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung zum Versicherungsbilanzrichtlinie-Gesetz zu erweitern. Die Beschlußempfehlung auf Drucksache 12/7586 wird als letzter Tagesordnungspunkt, ohne Aussprache, aufgerufen. Von der Frist für den Beginn der Beratung soll abgewichen werden.
Des weiteren ist interfraktionell vereinbart worden, aus dem Tagesordnungspunkt 23a die Gesetzentwürfe zum strafrechtlichen Sanktionssystem und zur Diebstahlsicherung von Kraftfahrzeugen sowie den Tagesordnungspunkt 23 b abzusetzen.
Ist das Haus mit diesen Vorschlägen einverstanden? — Das ist offensichtlich der Fall. Dann ist das so beschlossen.
Die Fraktion der SPD hat beantragt, den Zusatzpunkt 5 von der Tagesordnung abzusetzen. Es handelt sich um die zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetzes. Wie mir mitgeteilt wird, wird dazu das Wort zur Geschäftsordnung gewünscht.
Ich erteile zunächst dem Abgeordneten Gunter Weißgerber das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die SPD beantragt die Absetzung des Tagesordnungspunktes Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetz von der heutigen Tagesordnung. Anlaß für diesen Antrag ist u. a. die allen parlamentarischen Regeln widersprechende Verfahrensweise der Mehrheit in diesem Hause. Speziell widersprach die gesamte Verfahrensweise auch unseren bisherigen Erfahrungen im Finanzausschuß. Die Damen und Herren des Finanzausschusses wissen Bescheid, wenn ich davon spreche.Ich möchte dies verdeutlichen: Der ursprüngliche Entwurf des Entschädigungsgesetzes wurde von der Bundesregierung im Mai vorigen Jahres nach mehr als zweijähriger Vorbereitung vorgelegt. In zwei Anhörungen des Finanzausschusses und unter demAnsturm der betroffenen Verbände wurde klar, daß dieser Entwurf keine geeignete Grundlage ist. Die Koalitionsfraktionen sahen sich daher gezwungen, einen vollkommen neuen Entwurf zu erstellen. Die Obleute im Finanzausschuß vereinbarten am 28. April einvernehmlich, die Ausschußberatungen am 26. Mai, 15. Juni und 16. Juni vorzunehmen. Die zweite und dritte Lesung im Plenum sollte am 24. Juni stattfinden. An diese Vereinbarungen halten sich die Koalitionsfraktionen leider nicht.Nachdem unter erheblichen koalitionsinternen Streitereien Ende letzter Woche ein neuer Entwurf erstellt wurde, soll das Gesetz jetzt im Hauruckverfahren durch das Parlament gepeitscht werden.
Halten Sie selbst Ihren Entwurf für so schlecht, daß Sie sich vor einer öffentlichen Diskussion fürchten,
oder was ist sonst der Grund für Ihren Wortbruch?
Meine Damen und Herren, die Verhaltensweise der Koalitionsfraktionen verstößt eklatant gegen parlamentarische Regeln und die Rechte der Opposition.
Wir beantragten in der Sitzung des Finanzausschusses, nachdem uns noch kurz vor Beginn weitere Änderungsanträge auf den Tisch geflattert waren, zwar den neuen Entwurf zu diskutieren, über ihn aber erst nächste Woche zu beschließen. Um eine Woche Aufschub ging es, um mehr nicht. Diese Zeit benötigen wir ganz einfach, um verantwortungsbewußt den neuen Entwurf zu überprüfen und notwendige Änderungsanträge zu erstellen. Beispielsweise ist der neue Finanzrahmen des Gesetzes völlig unklar. Er lag im Finanzausschuß noch nicht einmal vor.
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19864 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 229. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. Mai 1994
Gunter WeißgerberDie SPD beantragt daher die Absetzung des Punktes 5 von der heutigen Tagesordnung.
Wir sind der Bevölkerung eine fundierte Beratung des Gesetzes schuldig.
Nicht zuletzt sprechen das spürbare Wirrwarr innerhalb der Koalition, die Unausgewogenheit der vorgesehenen Regelungen sowie die Ablehnung des Gesetzes durch auch von Ihren Parteien geführte Landesregierungen für die Absetzung.Degradieren Sie das Parlament nicht zu einer Zustimmungsmaschine für ein Koalitionskaffeekränzchengesetz!
Stimmen Sie mit uns für die Absetzung dieses Tagesordnungspunktes! Wir sind es den Steuerzahlern schuldig, korrekt zu arbeiten. Machen Sie den Weg frei für ein in sich stimmiges Gesetz! Geben Sie sich einen Ruck!
Zur Geschäftsordnung erteile ich dem Abgeordneten Jürgen Rüttgers das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, daß die Weigerung der SPD, das Entschädigungsgesetz heute hier zu beraten, ein offensichtlicher Beleg dafür ist, daß die SPD und ihre Politik aus den Fugen geraten ist.
Es geht um ein sehr schwieriges Stück Gesetzgebungsarbeit, es geht um ein wichtiges Stück Wiedergutmachung erlittenen Unrechts.
Es geht um das persönliche Schicksal, es geht um Zukunftschancen,
und es geht, meine Damen und Herren — dies können Sie auch durch Ihr Brüllen nicht ungeschehen machen —, um die innere Einheit unseres Vaterlands.
Wir haben drei Jahre an diesem Gesetz gearbeitet. Es war ein schwieriges Stück Arbeit. Wir haben jetzt die Pflicht zu entscheiden, und zwar hier und heute.
Wir wollen nicht irgendwann, wir wollen jetzt die Vertriebenenzuwendung von 4 000 DM.
Wir wollen nicht irgendwann, wir wollen jetzt Klarheit für die Entschädigungsberechtigten. Wir wollen jetzt Klarheit für die bäuerlichen Betriebe in den neuen Bundesländern.
Gerade die Begründung, die wir gehört haben, zeigt, daß der Grund für die Verweigerung der SPD eigentlich ganz woanders liegt.
Es ist der Versuch, eine Entscheidung zu verhindern, weil die SPD — dies zeigt ein Blick in das andere Hohe Haus wenige Meter von hier entfernt — in sich völlig zerstritten ist und keinen anderen Rat mehr weiß, als Gesetzgebungsvorhaben zu blockieren.
Wenige Meter von hier entfernt tagt der Bundesrat. Dort gibt es eine umfangreiche Tagesordnung.
Wenn die Gerüchte, wenn die Ankündigungen stimmen, dann wird der Bundesrat heute zwischen acht und zehn Gesetzgebungsvorhaben, die vom Bundestag beschlossen worden sind, blockieren und damit verhindern,
daß diese Gesetze zügig und rechtzeitig in dieser Legislaturperiode in Kraft treten.
Dies ist nichts anderes als der Beweis dafür, daß man deshalb, weil man selbst nicht in der Lage ist, eine konsistente Politik zu formulieren, den Versuch macht, die Koalition und die Regierung daran zu hindern, Gesetze zu verabschieden.
Meine Damen und Herren, wir werden diese Verzögerungstaktik nicht mitmachen.Lieber Herr Kollege, das Argument, man habe nicht genügend Zeit gehabt, das Gesetz zu beraten, ist, mit Verlaub gesagt, lächerlich.
Im Rechtsausschuß, der parallel zum Finanzausschuß getagt hat, waren die Kolleginnen und Kollegen von der SPD durchaus in der Lage, den Gesetzentwurf zu beraten, ja, sie haben den Anträgen im Rahmen des Beratungsverfahrens teilweise sogar zugestimmt.
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Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 229. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. Mai 1994 19865
Dr. Jürgen RüttgersWenn Sie die falschen Leute in den Finanzausschuß entsandt haben, die nicht in der Lage sind, einen Gesetzentwurf, der drei Jahre hier anhängig ist, zu beraten, dann sollten Sie sie austauschen.
Die CDU/CSU-Fraktion wird deshalb dem Antrag der SPD, dieses Gesetzgebungsvorhaben abzusetzen, nicht zustimmen. Die Menschen in den neuen Bundesländern haben ein Anrecht auf klare Entscheidungen. Wir entscheiden heute, damit es trotz der Blokkadehaltung des Bundesrates eine Restchance gibt, dieses Gesetzgebungsvorhaben in dieser Legislaturperiode ins Gesetzblatt zu bekommen.
Nunmehr hat der Abgeordnete Hermann Rind das Wort.
Herr Präsident! Meine Kolleginnen und Kollegen! Den Kollegen, die sich beim Beitrag des Kollegen Weißgerber hier wortgewaltig gemeldet haben, möchte ich sagen: Ich war angenehm überrascht von dem Beitrag des Kollegen Weißgerber;
denn in der Pressemitteilung der SPD-Fraktion standen Dinge, die ich mir hier gern einmal vorgenommen hätte, Herr Kollege Weißgerber: „handstreichartige Aushebelung von Grundrechten des Parlaments",
— ja, klatschen Sie erst einmal, ich sage Ihnen dann etwas dazu —, „Wortbruch der Koalitionsfraktionen",
„skrupelloses Zustimmungsverhalten",
„grob pflichtwidriges und unverantwortliches Verhalten" .
Wenn Sie jetzt klatschen, dann frage ich Sie einmal, warum Herr Kollege Weißgerber all diese Vorwürfe, die in Ihrer Presseerklärung stehen, hier nicht wiederholt hat.
Deswegen, weil er genau weiß, daß sie nicht zutreffen!
Wir haben uns im Finanzausschuß laufend und immer wieder mit diesem Gesetz befaßt. Wir haben den Art. 9 schon verabschiedet. Wir waren uns in der letzten Woche darüber im klaren, daß in das Gesetz im wesentlichen zwei neue Punkte aufgenommen wurden; das sind die Themen Landerwerb und Siedlungskauf — überschaubare Größenordnungen, die im
Finanzausschuß sachgerecht behandelt wurden und mit Änderungsanträgen der SPD hätten versehen werden können.
Das ist der wahre Sachverhalt. Es gab eine absolute, strikte Verweigerungshaltung der SPD im Finanzausschuß.
Herr Kollege von Larcher, wir haben Ihnen angeboten, wenn Sie sicherstellen, daß auf die Fristeinrede verzichtet wird, auch am Donnerstag im Finanzausschuß zu beraten. Sie waren nicht bereit, diesen Verzicht auf die Fristeinrede zu erklären. Deswegen mußten wir am Mittwoch abschließen. Das sind die Fakten, die Sie hier alle bitte zur Kenntnis nehmen müssen.
Wir haben uns in bezug auf dieses Gesetz auch im Umgang mit der Opposition und mit den Bundesländern sehr, sehr viel Mühe gegeben, zu — soweit es irgend geht — einvernehmlichen Regelungen zu kommen. Deswegen waren Sie einbezogen in alle Schritte der Beratungen innerhalb der Koalitionsfraktionen.
Es ist nicht so, daß wir, wie Sie schreiben, wortbrüchig geworden seien, Grundrechte des Parlaments ausgehebelt hätten und — was der Gipfel ist — ein skrupelloses Zustimmungsverfahren praktiziert hätten.
Wir haben im Ausschuß über Stunden beraten. Wir haben im Ausschuß Änderungen vorgenommen. Sie hätten die Möglichkeit gehabt, sich daran zu beteiligen. Wir haben Ihnen zugesagt, daß Sie von der Bundesregierung den Finanzrahmen ausführlich erläutert bekommen.
Alle Vorwürfe, die Sie hier erheben, sind gegenstandslos. Die F.D.P.-Fraktion wird deshalb dem Antrag der SPD nicht zustimmen.
Der Abgeordnete Professor Uwe-Jens Heuer hat nun das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Insgesamt habe ich in diesem Bundestag die Erfahrung gemacht, daß hier in der Regel den Anforderungen einer gründlichen, soliden parlamentarischen Arbeit entsprochen wird. Die Beratung der neuen Insolvenzordnung erstreckte sich über mehrere Jahre. Bei der Diskussion um die Änderung des Grundgesetzes wurde immer wieder betont, das müsse man alles sehr sorgfältig prüfen, das Grundgesetz habe sich bewährt, Neuerungen seien nicht nötig. Bei der Frage, welcher Blutalkoholgehalt bei Kraftfahrern zulässig sei, ob 0,0 oder 0,5 oder 0,8 Promille, wurden unzählige Gutachten eingeholt,
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19866 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 229. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. Mai 1994
Dr. Uwe-Jens Heuerund die Entscheidung wurde immer wieder verzögert.Angesichts dieser ansonsten manchmal sogar übertrieben sorgfältigen Arbeit ist es um so skandalöser und befremdlicher, daß bei brisanten Gesetzesmaterien, die Ostdeutschland betreffen, dieser Grundsatz mittlerweile permanent durchbrochen wird.
Das galt z. B. für die Verjährungsthematik. Dazu wurde in den 60er Jahren eine Debatte auf hohem Niveau geführt. Im letzten Herbst wurden innerhalb von Stunden neue Gesetzentwürfe auf den Tisch gebracht und wurde die ganze Klaviatur der Möglichkeiten in kurzer Zeit durchprobiert.In einem rasanten Tempo soll ganz augenscheinlich die totale Umstürzung der Rechtsordnung in Ostdeutschland zu Ende gebracht werden. In jeder Beratungswoche geht ein neues Gesetz gegen Ostdeutschland hier über die Bühne: Sachenrechtsänderungsgesetz, Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetz, demnächst das Schuldrechtsänderungsgesetz.Wir haben ja ein gewisses Verständnis dafür, daß Sie das alles so schnell wie möglich durchpowern wollen. Bevor politischer Widerstand sich entwickeln kann, sollen vollendete Tatsachen geschaffen werden. Vor den Wahlen wird reiner Tisch gemacht. Aber warum müssen Sie dann auch noch die Geschäftsordnung des Bundestages ruinieren?Im übrigen habe ich den Eindruck — die Behandlung des Verbrechensbekämpfungsgesetzes macht das deutlich —, daß diese rabiate Manier mittlerweile zur alltäglichen Praxis zu werden droht. Ich meine z. B. das Verbrechensbekämpfungspaket jetzt, gegen das es sehr ernste Einwände von seiten der Anwaltskammern gibt. Obwohl jeder einsichtige Wissenschaftler weiß, daß die Strafrechtsverschärfungen nichts an der Kriminalität ändern, obwohl sie eine ernsthafte Diskussion über die Ursachen anmahnen, wird uns heute ein Bündel von Maßnahmen angeboten, nur damit Sie sich im Wahlkampf als große Verfechter der inneren Sicherheit präsentieren können.
Mit dem hier vorliegenden Entschädigungsgesetz konnten sich nur wenige Abgeordnete vertraut machen. Obwohl sich gemeinsame Lösungen abzeichneten, wird der politische Willensbildungsprozeß abgebrochen. Im Rechtsausschuß, von dem Sie gesprochen haben, wurde der Gesetzentwurf am Mittwoch/Donnerstag auf der Tagesordnung neben 57 weiteren Drucksachen plaziert.Die PDS hatte bereits am Dienstag eine Vertagung der ursprünglich für Donnerstag vorgesehenen Debatte gefordert. Wir waren mit dem Termin nicht einverstanden, weil die Fristen bei einer Debatte am Donnerstag nicht hätten eingehalten werden können. Damals haben wir von der SPD noch keinen Protest gehört.Der Antrag, der jetzt gestellt worden ist, die heutige Lesung abzusetzen, findet unsere Zustimmung. Dieseganze überhastete Verfahrensweise ist in besonderem Maße bei einem Gesetz unzuträglich, das eine grundlegende Änderung der Eigentumsordnung in Ostdeutschland zur Folge hat. Das letztlich dahinterstehende Ziel ist, die Eigentumsverhältnisse im Osten, soweit es geht, auf den Stand von 1945 zurückzuführen, vor allem die juristischen Nachfolger der LPG, aus Gründen der Konkurrenz und der Ideologie in ihrer Existenz zu bedrohen.
— Zu Ihnen komme ich gleich.
Herr Professor Heuer, ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie die inhaltliche Debatte in der Geschäftsordnungsdebatte nicht vorwegnehmen würden.
Ich habe noch eine Minute Zeit, und diese Zeit werde ich wahrnehmen. — Herr Rüttgers hat hier — das war eine inhaltliche Frage — von der Herstellung der inneren Einheit gesprochen. Meine Damen und Herren, mit solchen Maßnahmen werden Sie die innere Einheit nicht herstellen.
Sie werden den Widerstand im Osten verstärken.
Herr von Stetten hat im Rechtsausschuß gesagt, daß die PDS als einzige dagegen sei, und Herr Seite sei PDS-infiziert. Ich will Ihnen eines sagen: Wenn Sie diese Maßnahmen so durchführen und weiterhin so mit den Ostdeutschen umgehen, dann werden Sie bei den Wahlen dort die Quittung bekommen. Nun, Sie werden das tun; aber Sie hätten doch wenigstens das parlamentarische Gesicht wahren sollen.
Ich danke Ihnen.
Als nächster spricht der Abgeordnete Dr. Wolfgang Ullmann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich weiß gar nicht, von welcher Sitzung des Rechtsausschusses hier vorhin die Rede gewesen ist. Ich habe doch auch mit dabei gesessen. Natürlich haben wir sorgfältig gearbeitet. Ich weiß gar nicht, wieso Sie uns das zum Vorwurf machen können. Aber gerade auf Grund dieser sorgfältigen Arbeit sind wir gemeinsam mit den Kolleginnen und Kollegen von der SPD zu dem Ergebnis gekommen: So geht es eben wirklich nicht.
Meine Damen und Herren von der Koalition, wie können Sie denn den Bundesrat angreifen? Lesen Sie
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Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 229. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. Mai 1994 19867
Dr. Wolfgang Ullmanndoch einmal in Ihrem eigenen Gesetzentwurf, etwa dort, wo es um die Nutzung ehemaliger volkseigener Flächen geht. Da sollen die Interessen der Länder nicht tangiert sein? Was stellen Sie sich denn eigentlich unter den Ländern vor?
Daß Sie gegen die SPD polemisieren müssen, ja, das weiß ja alle Welt. Versuchen Sie es doch einmal mit der Jewish Claims Conference. Auch die schreibt mir einen Brief über „last minute alterations", und die ist nun wirklich nicht von der SPD unterwandert. Auch sie sagt uns, daß es so nicht geht.Das allerschönste Argument ist, Art. 9 hätten wir schon längst verabschieden können. Natürlich! Daß er noch nicht verabschiedet ist, meine Damen und Herren von der Koalition, liegt doch einzig und allein an Ihnen, liegt daran, daß Sie ihn in dieses Paket gesteckt haben.
Diese Falle haben Sie nun zu oft aufgebaut: Erst führen Sie die Gesetzgebung in eine Sackgasse, bis sich darin niemand mehr bewegen kann, und dann fangen Sie an, von Blockade zu reden.
Herr Rüttgers, wir werden ja noch oft über die deutsche Vereinigung zu reden haben. Darin stimmen wir sicherlich überein. Aber ich hoffe doch, Sie stimmen mir auch darin zu: Eine Vereinigung in der Sackgasse wollen wir alle miteinander nicht.
Meine Damen und Herren, ich lasse nunmehr über den Absetzungsantrag der SPD-Fraktion abstimmen. Wer stimmt für den Antrag der SPD, den Tagesordnungspunkt 5 abzusetzen? — Wer stimmt dagegen? — Enthaltungen? — Damit ist der Antrag der SPD abgelehnt, und wir können die Debatte führen.Ich rufe jetzt den Tagesordnungspunkt 23 a und d sowie die Zusatzpunkte 11 und 12 auf:23. a) Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches, der Strafprozeßordnung und anderer Gesetze
— Drucksache 12/6853 —Zweite und dritte Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Bekämpfung des illegalen Rauschgifthandels und anderer Erscheinungsformen der Organisierten Kriminalität
— Drucksache 12/6784 —aa) Beschlußempfehlung des Rechtsausschusses
— Drucksache 12/7584 —Berichterstattung:Abgeordnete Jörg van Essen Horst EylmannNorbert GeisDr. Jürgen MeyerDr. Wolfgang Freiherr von Stetten Dr. Hans de Withbb) Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung— Drucksache 12/7585 —Berichterstattung:Abgeordnete Thea BockMichael von SchmudeDr. Wolfgang Weng
d) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Innenausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Ulla Jelpke und der Gruppe der PDS/Linke ListeEinstellung der Mitarbeit der Sicherheitsbehörden des Bundes aus der „Koordinierungsgruppe Terrorismusbekämpfung" mit dem Ziel der Auflösung der KGT— Drucksachen 12/1158, 12/2482 —Berichterstattung: Abgeordnete Dr. Rolf OlderogDr. Wilfried PennerDr. Burkhard HirschZP11 Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Innenausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Ingrid Köppe und der Gruppe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNENNeue Kriminalpolitik — Initiative gegen Gewaltkriminalität durch Verschärfung des Waffenrechts— Drucksachen 12/5948, 12/7442 —Berichterstattung:Abgeordnete Joachim Clemens Dr. Burkhard HirschGünter GrafZP12 Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Innenausschusses
zu dem Entschließungsantrag der Fraktion der SPDzu dem Entschließungsantrag der Abgeordneten Ingrid Köppe und der Gruppe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNENzur Großen Anfrage der Abgeordneten Dr. Jürgen Meyer , Günter Graf, Dr. Hans de With, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD Sicherheitsbedürfnis der Bevölkerung und Massenkriminalität— Drucksachen 12/5926, 12/5953, 12/3633, 12/5452, 12/7569 —Berichterstattung:Abgeordnete Joachim Clemens Dr. Burkhard HirschGünter GrafZum Verbrechensbekämpfungsgesetz liegt ein Änderungsantrag des Abgeordneten Dr. Wolfgang Ullmann vor.
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19868 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 229. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. Mai 1994
Vizepräsident Dieter-Julius CronenbergDer Ältestenrat schlägt Ihnen eine Debattenzeit von zweieinhalb Stunden vor.
Ist das Haus damit einverstanden? — Diejenigen, die das mitbekommen haben, meutern nicht; also kann ich das als beschlossen feststellen und dem Abgeordneten Norbert Geis das Wort erteilen. Herr Abgeordneter, aber ich bitte Sie, nicht eher zu beginnen, als bis ich die notwendige Ruhe im Saal hergestellt habe.Meine Damen und Herren, wer der Debatte nicht zu folgen wünscht, den bitte ich, sehr schnell den Saal zu verlassen. — Ich bitte nunmehr den Abgeordneten Geis, das Wort zu ergreifen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Verbrechensbekämpfungsgesetz, das heute zur Entscheidung ansteht, richtet sich gegen Massenkriminalität oder Alltagskriminalität, gegen Gewaltkriminalität und gegen die importierte oder organisierte Kriminalität. Wir haben zusammen mit der Regierung — mit Herrn Minister Kanther und Frau Ministerin LeutheusserSchnarrenberger — und einer Gruppe aus der Innen- und Rechtspolitik der Koalitionsfraktionen in langen Sitzungen dieses Gesetz vorbereitet und eingebracht. Wir haben im Rechtsausschuß dazu eine lange Anhörung gehabt. Wir haben darüber am letzten Mittwoch beraten, und heute steht die Entscheidung an.
Wir wollen mit diesem Gesetz ein Signal setzen. Es soll die Botschaft nach draußen kommen, daß wir vor der Massenkriminalität nicht zurückweichen, daß wir vor Gewalt nicht zurückweichen und daß wir die organisierte Kriminalität entschieden bekämpfen.
Es besteht kein Zweifel: Das, was sich in anderen Ländern längst abgezeichnet hat, kommt nun mit voller Wucht auch auf uns zu. Die Kriminalität in unserem Lande wächst. Viele Errungenschaften der vergangenen Jahre scheinen gefährdet. Was nützen uns die schönsten Sportanlagen, wenn randalierende Schlägertrupps alles kurz und klein schlagen?
Was nützen uns schöne Parkanlagen in den Städten, wenn die älteren Menschen Angst vor Gewalt in diesen Anlagen haben?Schon wird das Gespenst des Rechtsextremismus wieder an die Wand gemalt.
In dem Willen, Gewalt und Verbrechen zu bekämpfen, sind alle Parteien einig. Aber wenn es darum geht, konkrete Entscheidungen zu treffen, dann fällt diese Einigkeit schnell wieder auseinander.Die Koalition hat mit der Vorlage dieses Gesetzes Handlungsfähigkeit bewiesen. Die SPD lehnt dieses Gesetz — jedenfalls so im Rechtsausschuß — ab. Sie behauptet, es sei mit heißer Nadel gestrickt.
Sie behauptet, es sei ein Sammelsurium von verschiedenen Einzelgesetzen.
Wir haben in langen Sitzungen viele einzelne Regelungen, die längst vorgedacht waren und die schon jahrelang diskutiert worden sind, zusammengefaßt, ergänzt und nun in diesem Gesetz vorgelegt. Die SPD lehnt dieses Gesetz ab. Wir kapitulieren vor Gewalt und Verbrechen nicht, sondern versuchen eine Antwort.
Vorweg möchte ich, Herr de With, Ihren Zwischenruf aufgreifend, doch einmal feststellen, daß der Bund nicht allein für die innere Sicherheit verantwortlich ist, sondern daß dies in allererster Linie Sache vor allem der von Ihnen, von Ihrer Partei regierten Länder ist. Die Landesregierungen haben die Polizeien zu stellen. Die Landesregierungen haben dafür zu sorgen, daß die Gerichte funktionieren. Die Landesregierungen müssen dafür Sorge tragen, daß die Strafe auch entsprechend vollstreckt wird. Aber gerade bei der Strafvollstreckung wird in manchen Ländern, vor allen Dingen in den Ländern, die von der SPD regiert werden, zu lässig vorgegangen.
Den Verbrecher interessiert nicht, was im Gesetz steht;
sondern für den Verbrecher ist allein interessant, was er an Strafe zu erwarten hat und ob sein strafwürdiges Verhalten entdeckt wird. Da mangelt es in den einzelnen Ländern, vor allem in den von der SPD-regierten Ländern.
In den dortigen Staatskanzleien hat man noch nicht begriffen, was die Stunde geschlagen hat; sonst wäre es ja nicht möglich, daß beispielsweise in Hessen, in Niedersachsen, in Schleswig-Holstein, also in den von der SPD-regierten Ländern, die Verbrechenszahlen weit höher sind als in den von CDU- und CSU- regierten Ländern.
Die Kriminalitätsbelastung in diesen Ländern — da können Sie schreien, solange Sie wollen; das ist die Wahrheit —
ist weit höher als in den von der CDU/CSU-regierten Ländern. Das hängt damit zusammen, daß man dort vor Gewalt zurückweicht und daß man in anderen Ländern konsequent gegen Gewalt, gegen Verbrechen vorgeht. Eine andere Erklärung dafür gibt es nicht.
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Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 229. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. Mai 1994 19869
Herr Abgeordneter Geis, sind Sie bereit, eine Zwischenfrage des Abgeordneten Professor Heuer zu beantworten?
Ich habe erst begonnen, und ich möchte in meinen Ausführungen fortfahren. Später, Herr Heuer.Ein zweites muß bedacht werden. Die innere Sicherheit und der innere Friede sind hohe Ziele. Es gibt aber keine Gesellschaft ohne Gewalt; und es wird sie nie geben.Beunruhigend an der jetzigen Situation ist aber, daß sich zum Teil eine irrationale Bereitschaft zur Gewalt ausgebreitet hat. Die Zahl der Tötungen — die Zahl der Eltern, die gegenüber ihren Kindern gewalttätig sind, sie sogar töten — nimmt zu. Die Zahl der Tötungen ungeborener Kinder nimmt zu. Niemand soll glauben, dies sei ohne Wirkung auf die Gesellschaft. Die Gewalttaten der Jugendlichen gegen Ausländer, die Gewalttat gegen die Synagoge von Lübeck, die Gewalt gegen friedliche Mitbürger ohne erkennbaren Grund, nur aus Lust an der Gewalt, erschrecken uns zutiefst. Die Eigentumsdelikte, die Meldungen über organisierte Kriminalität versetzen uns in Unruhe. Besorgt müssen wir uns fragen, ob dies nicht Zeichen für das Umkippen unserer Gesellschaft in eine neue Form der Barbarei sind.Was sind die Hintergründe dieser Entwicklung? Sicherlich ist ein Grund für den Anstieg der Kriminalität in den letzten beiden Jahren die epochale politische Veränderung durch den Fall des Eisernen Vorhangs. Deutschland liegt jetzt in der Mitte Europas und hat mit seiner hervorragenden Infrastruktur alle Voraussetzungen für Verbrecher, die von hier aus in alle anderen Länder und in alle Himmelsrichtungen agieren können.Hinzu kommt natürlich die Situation des früheren Ostblocks. Dort gibt es mafiose Strukturen, die in engem Zusammenwirken mit ehemaligen Mitgliedern der kommunistischen Parteien, mit ehemaligen Geheimdienstlern, mit ehemaligen Mitgliedern des Militärs und mit Mitgliedern des ehemaligen politischen Apparates eine Verbrechensstruktur aufbauen, die sich als Zielort natürlich insbesondere Deutschland vorgenommen hat.Auch der Zuwachs an Ausländern und Asylbewerbern ist zweifellos ein Grund, weshalb wir bei uns einen Anstieg der Kriminalität zu verzeichnen haben.Aber wir müssen Gründe auch bei uns selbst suchen. Heute bekommen wir die Quittung für die Fehlentwicklung Ende der 60er Jahre. Mancher, der damals gebrüllt hat „Eigentum ist Diebstahl", ruft heute nach der Polizei, weil ihm sein Auto gestohlen worden ist oder weil ihm seine Wohnung ausgeräumt worden ist.
Wir haben alle noch die Parole von der antiautoritären Erziehung im Ohr. Heute ist unser Erziehungssystem in einer schwierigen Krise.
Die Bedeutung der Familie in unserer Gesellschaft geht zurück, und damit entsteht ein Vakuum. Es werden die Wertvorstellungen, die Verhaltensweisen, die notwendig sind, damit gesellschaftliches Zusammenleben erst möglich ist, nicht mehr vermittelt. Damit haben wir heute zu kämpfen.Welche Möglichkeit hat nun angesichts dieser Situation die Politik? Ich möchte darauf hinweisen — niemand wird dies ernsthaft bestreiten —, daß auf diesem Feld die Möglichkeiten der Politik nicht allzu groß sind. Die Gesellschaft selbst muß um ihrer Selbsterhaltung willen, um der Erhaltung von Rechtsstaat und Demokratie in unserem Land willen aus sich heraus diesen Fehlentwicklungen entschiedener entgegentreten.
Dabei geht es nicht nur um Wertvorstellungen wie Toleranz und Solidarität und ähnliches mehr. Aus ihnen allein heraus läßt sich nicht befriedigend leben. Es geht um Werte, die sehr viel tiefer greifen und ungleich grundsätzlicher sein müssen, als sie die Politik je zu bieten vermag. Die Politik hat auf diesem Feld nur geringe Möglichkeiten.
Allerdings ist die Politik natürlich auch nicht zur Tatenlosigkeit verurteilt, und es geschieht ja auch einiges. Die Initiative des Bundeskanzlers und der Bundesregierung, jedem Jugendlichen einen Arbeitsplatz oder eine Ausbildungsstätte zu verschaffen, ist nicht hoch genug anzusetzen und bedeutet weit mehr als die Drohung mit Strafrecht.Aber auch Gesetz und Recht müssen der veränderten Situation angepaßt werden. Wo das Unrecht triumphiert, muß der Gesetzgeber reagieren. Viele der in diesem Gesetz zusammengefaßten Einzelvorschläge haben wir lange diskutiert, und die Koalition hat mit Vorlage dieses Gesetzes unter Beweis gestellt, daß sie handlungsfähig ist.Einer der Ausgangspunkte für die Überlegungen des Verbrechensbekämpfungsgesetzes sind die Krawalle und die Gewalt gegen Ausländer und Ausländerheime gewesen. Die Botschaft dieses Gesetzes soll sein, daß die Gewalttäter konsequent verfolgt werden müssen. Deshalb haben wir den Strafrahmen bei den Delikten zur Körperverletzung höher gesetzt.Die Erfahrung der Vergangenheit hat gezeigt, daß die Justiz zu umständlich auf Straftaten reagiert. Wir wissen ja, daß wir in einem Land leben, in dem die längsten Strafprozesse stattfinden. Das neu konzipierte beschleunigte Verfahren und die Hauptverhandlungshaft sollen dazu dienen, künftig schneller und damit auch wirksamer gegen Krawalle und Ausschreitungen vorgehen zu können. Der Täter, der sofort gefaßt und in schneller Folge verurteilt wird,
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19870 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 229. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. Mai 1994
Norbert Geisspürt unmittelbarer und direkter die Antwort des Staates auf sein falsches Verhalten. Dadurch wird die Kraft des Strafrechtes und seine Ordnungsfunktion in der Gesellschaft klarer und deshalb auch wirksamer. Deswegen haben wir uns entschieden, die Hauptverhandlungshaft einzuführen und das beschleunigte Verfahren zu forcieren. Wir wissen, daß dies kritisiert wird.
— Aber, Herr de With, ich meine, daß diese Kritik zu voreilig ist. Warten wir doch erst einmal die Praxis ab. Ich bin sicher, daß die veränderte Situation auch die Gerichte dazu bringen wird, mehr als bisher von diesen Instrumenten Gebrauch zu machen.
Wir haben das Recht der Untersuchungshaft ausgeweitet. Täter können jetzt bei schweren Straftaten sofort festgesetzt werden. Es ist unerträglich, daß die Polizei häufig mit großen Anstrengungen und unter Einsatz oft auch des eigenen Lebens einen Täter festnimmt und ihn daraufhin sofort wieder laufenlassen muß, weil die gesetzlichen Regelungen für einen Haftgrund nicht ausreichen.
Angesichts gerade auch der Vorfälle von Magdeburg ist es notwendig, daß wir diese besseren Voraussetzungen der Untersuchungshaft sofort wirksam werden lassen.
Wer solche Wirksamkeit verzögern will, der versündigt sich, wie ich meine, an dem Auftrag, die innere Sicherheit zu gewährleisten.
Wichtig allerdings ist auch, daß die Länder schneller und massiver auf solche Ausschreitungen durch entsprechende Massierung von Polizeiverbänden reagieren. Dabei spielt der von der SPD gar nicht so sehr geliebte Unterbindungsgewahrsam eine ganz entscheidende Rolle. Mit diesem Unterbindungsgewahrsam ist es nämlich möglich, die Rädelsführer schon vor Ausbruch solcher Ausschreitungen festzusetzen und solche Ausschreitungen gar nicht erst zur Entwicklung kommen zu lassen.
Herr Abgeordneter, sind Sie bereit, eine Zwischenfrage des Abgeordneten Burkhard Hirsch zu beantworten?
Bitte sehr.
Verehrter Herr Kollege, bei aller grundsätzlichen Zustimmung zu Ihren Ausführungen,
— grundsätzlichen, gemach, gemach —, aber wenn
Sie schon Magdeburg erwähnen, ist es denn nicht so,
daß weder die alten noch die neuen Regelungen des Haftrechtes dabei eine Rolle spielen können, wenn die Polizei nicht einmal Haftbefehle beantragt, weil sie nicht weiß, ob diejenigen, die sie festgenommen hat, Täter, Opfer oder Unbeteiligte sind?
Ich will nicht bestreiten, es muß natürlich feststehen, Herr Hirsch, daß hier tatsächlich eine Straftat begangen worden ist.Aber Sie werden mir zugeben, daß in vielen Fällen die Polizei sehr wohl Täter festnimmt, weil sie weiß, daß sie Straftaten begangen haben, daß sie diese Täter aber wieder laufenlassen muß, weil das Haftrecht nicht ausreichend Gründe dafür hergibt.Das wollen wir ändern, und mit Ihrer Zustimmung haben wir das ja auch im Verbrechensbekämpfungsgesetz geändert. Das wollte ich hiermit sagen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, das, meine ich, sollten wir besonders hervorheben: Im Kampf gegen den Rechtsextremismus sind sich die Parteien einig. Die Nazis haben in der Geschichte unseres Volkes zu großes Unheil angestiftet, als daß sie je noch einmal die Chance haben dürfen, in der Politik unseres Landes ein wichtiges Wort mitreden zu können.
Deshalb kämpfen wir mit großer Entschiedenheit gegen alle extremistischen Bestrebungen. Wir erweitern den Tatbestand der Verwendung von Kennzeichen verfassungsfeindlicher Organisationen. Wir verschärfen den Tatbestand der Volksverhetzung, und wir schaffen eine Klarstellung bei der sogenannten Auschwitzlüge.Die Unwissenden im Ausland und im Inland, die sich an der erregten Diskussion der vergangenen Woche so lautstark beteiligt haben, sollen wissen und zur Kenntnis nehmen, daß wir ihnen keine Gelegenheit geben, uns — und zwar allen Parteien hier im Haus — nachsagen zu können, wir würden nicht alles unternehmen, um mit aller Entschiedenheit gegen den Rechtsextremismus vorzugehen. Dieser Teil des Verbrechensbekämpfungsgesetzes wurde im Rechtsausschuß einstimmig verabschiedet.Eine besondere Bedeutung hat in der aktuellen Situation aber die Bekämpfung der organisierten Kriminalität. Hier haben wir eine ganze Reihe von Maßnahmen vorgesehen. Wir erweitern den Katalog der Vortaten beim Tatbestand der Geldwäsche. Wir ändern die Urkundsdelikte. Wir ergreifen Maßnahmen gegen das Schlepperunwesen. Die Telefonüberwachung wird im Zusammenhang mit der Schlepperkriminalität ausgedehnt. Die Kronzeugenregelung wird auf den Bereich der organisierten Kriminalität ausgedehnt, und ich halte dies für eine ganz wichtige Maßnahme. Wir verschärfen das Betäubungsmittelrecht. Gerade hier wäre ja jedes Zurückweichen falsch. Wir erweitern die Kompetenz des Bundesnachrichtendienstes, um im Ausland Informationen über die Zusammensetzung internationaler Verbrecherorganisationen, insbesondere auf dem Gebiet des Rauschgiftes, von vornherein feststellen zu können, und wir stellen der Staatsanwaltschaft in eng begrenz-
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Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 229. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. Mai 1994 19871
Norbert Geisten Fällen die technischen Mittel des Bundesnachrichtendienstes zur Verfügung.All diese wichtigen Instrumente gegen die organisierte Kriminalität hat die SPD entschieden kritisiert und lehnt sie zum allergrößten Teil ab. Wir bedauern dies.Statt dessen propagiert die SPD neuerdings den großen Lauschangriff. Noch vor Jahresfrist führte bei der SPD kein Weg dorthin. Als nun aber das Wahljahr näher gerückt ist und der Vorsitzende der SPD festgestellt hat, welchen Stellenwert der innere Frieden, die innere Sicherheit in der Bevölkerung einnimmt, hat er eine Kehrtwendung vollzogen.
Herr Abgeordneter Geis, ich muß Sie noch einmal unterbrechen. Der Abgeordnete Rossmanith würde gern eine Zwischenfrage beantwortet haben, wenn Sie damit einverstanden sind.
Ja, bitte.
Herr Kollege Geis, im Zusammenhang mit der organisierten Kriminalität möchte ich fragen: Wird mit unseren Gesetzesmaßnahmen, die wir heute beschließen, auch die Möglichkeit geschaffen, verstärkt und, wie ich hoffe, auch erfolgreicher gegen den in der Zwischenzeit ebenfalls zur organisierten Kriminalität gewordenen Drogenhandel entsprechend vorgehen und einschreiten zu können?
Ich kann Ihre Frage damit beantworten, daß wir gerade durch die Ausweitung der Möglichkeiten des Bundesnachrichtendienstes, aber auch durch die verschiedenen anderen Regelungen gegenüber der gesamten organisierten Kriminalität insbesondere den Drogenhandel im Auge haben. Wir sind der Überzeugung, daß wir damit ein wichtiges Mittel zur Bekämpfung des Drogenhandels geschaffen haben. Wir wenden uns ganz entschieden gegen den Gebrauch und den Besitz von Drogen. Wir wenden uns dagegen, daß auf unseren Schulhöfen, in Diskotheken und in Hinterzimmern von Gaststätten Drogen minderer oder schwererer Qualität verkauft werden. Wir wehren den Anfängen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, im Blick auf die Gesetzesvorlage der SPD scheint aus dem Saulus ein Paulus geworden zu sein. Aber der Schein trügt. Das Zweite Gesetz zur Bekämpfung der Organisierten Kriminalität ist eine Mogelpackung. Die Hemmnisse für den Einsatz technischer Mittel in Wohnungen sind so hoch, daß diese Mittel gar nicht eingesetzt werden können, wenn dieses Gesetz, so wie es die SPD vorsieht, heute wirklich verabschiedet würde.
— Nein, Ihren Vorschlag haben wir von Anfang an ganz entschieden abgelehnt. Wir halten ihn für eine Schimäre. Er ist eine Mogelpackung. Da machen wir nicht mit.
Die Telefonüberwachung wollen Sie verbessern. Sie setzen dabei so hohe Hürden an, daß zum Schluß
keine Verbesserung herauskäme, sondern eine Verschlechterung.
Auch die SPD hat natürlich inzwischen erkannt, wie wichtig es ist, daß es den Straftätern des Drogenhandels verwehrt werden muß, ihr Geldvermögen zu waschen und es anzuhäufen. Wir sind der Meinung, daß dies der richtige Ansatz ist, aber wir machen nicht mit, solange der Täter nicht verurteilt ist. Wir sind der Meinung, daß dies ein zu harter Eingriff in das Eigentumsrecht ist und das Über-Bord-Werfen der Unschuldsvermutung bedeutet. Für uns bestehen insoweit zu große verfassungsrechtliche Bedenken. Von einem Schützen solcher Täter kann keine Rede sein. Wenn wir die bestehenden Gesetze und die Gesetze, die wir heute vorlegen und verabschieden, richtig anwenden, dann brauchen wir Ihre Gesetzgebungsvorhaben nicht.
Herr Abgeordneter Geis, Herr Abgeordneter Singer möchte Ihnen gern eine Zwischenfrage stellen.
Ich möchte zum Ende kommen.
Bitte sehr.
Damit kein Zweifel besteht: Für die CDU/CSU ist in diesem Bereich das Verbrechensbekämpfungsgesetz nur ein erster Schritt. Wir halten an dem Ziel fest, daß Möglichkeiten zur technischen Überwachung in Gangsterwohnungen bestehen müssen, und wir diskutieren weiter die Möglichkeiten des verdeckten Ermittlers. Wir halten insoweit — um das klarzustellen und keinen Zweifel aufkommen zu lassen — dieses Gesetzgebungsvorhaben nur für einen ersten Schritt in dieser Frage.Lassen Sie mich noch einen Blick auf den TäterOpfer-Ausgleich werfen, der ja auch seit langem diskutiert wird und den wir ebenfalls in diesem Gesetz vorsehen. Dieser Täter-Opfer-Ausgleich wird von nicht wenigen Strafrechtlern sehr kritisch beurteilt. Es wird befürchtet, daß durch diesen Täter-Opfer-Ausgleich das Strafgesetz zu sehr in das Belieben von Opfer und Täter gestellt und das Strafgesetz insgesamt zu sehr privatisiert werden könnte, und es wird befürchtet, daß durch diesen Täter-Opfer-Ausgleich das Opfer instrumentalisiert und damit zum zweitenmal zum Opfer werden könnte. Wir nehmen diese Bedenken ernst, aber wir wollen mit diesem TäterOpfer-Ausgleich jetzt beginnen. Wir wollen dabei die Praxis beobachten, und wir werden Änderungen vornehmen, wenn sich diese Bedenken bestätigen sollten.Das Verbrechensbekämpfungsgesetz, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist mit seinen vielen Einzelregelungen ein wichtiger Beitrag der Koalition im Kampf gegen die organisierte Kriminalität. Ich wiederhole noch einmal: Damit haben wir, hat die Regierung und haben die Koalitionsfraktionen ihre Handlungsfähigkeit bewiesen. Den Vorwurf, wir würden überhastet und übereilt handeln, weisen wir ganz entschieden zurück. Wir haben über ein halbes Jahr in
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19872 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 229. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. Mai 1994
Norbert Geisvielen und langen Sitzungen in dem engen Gremium, das ich vorhin genannt habe, verhandelt und sind zu dem Ergebnis gekommen, das Ihnen nun in Form dieses Gesetzes vorliegt.Die SPD hat im Rechtsausschuß und im Innenausschuß dieses Gesetz abgelehnt und wird dies wohl auch heute tun. Sie macht dabei keine ernstzunehmenden Gegenvorschläge.
Das, was Sie an Gegenvorschlägen auf den Tisch legen, ist, milde gesagt, eine Schimäre. Wir sind der Meinung, daß mit einer solchen Politik niemandem gedient ist. Wir jedenfalls kapitulieren nicht vor Gewalt und Verbrechen.Danke schön.
Bevor ich der Abgeordneten Anke Fuchs das Wort erteile, möchte ich dem Haus mitteilen, daß wir nicht nur eine, sondern zwei namentliche Abstimmungen zu erwarten haben, etwa gegen 14.00 über einen Änderungsantrag der SPD zum Entschädigungsgesetz und dann über das Gesetz selber. Ich bitte also, die Kollegen entsprechend zu unterrichten.
Das Wort hat die Abgeordnete Frau Anke Fuchs.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Geis, Sie haben zu Beginn Ihrer Ausführungen die gesellschaftliche Realität beschrieben, und ich sage, Sie haben gar nicht so unrecht. Sie haben beschrieben das Ergebnis zwölf Jahre geistig-moralische Erneuerung, zwölf Jahre konservative Familienpolitik, das Abrücken von Toleranz und Solidarität hin zu einem aggressiven Egoismus. Nun wundern Sie sich, daß sich das Ergebnis auch in mehr Kriminalität niederschlägt.
Sie haben eigentlich zur Sache nicht viel gesagt. Ich will es trotzdem tun und auf die beiden Gesetzentwürfe eingehen und beginne mit dem, was die Sozialdemokraten vorgelegt haben.Unser SPD-Entwurf konzentriert sich auf die Bekämpfung der organisierten Kriminalität. Er hat also einen präzise beschriebenen Anwendungsbereich. Unser Entwurf trägt zugleich der Tatsache Rechnung, daß ein beträchtlicher Teil der Alltagskriminalität seine Wurzeln in Wahrheit im organisierten Verbrechen hat. Ich erwähne den Bereich der Beschaffungskriminalität, den organisierten Kraftfahrzeugschmuggel in osteuropäische Staaten. Der SPD-Entwurf ist von dem Grundgedanken geprägt, daß Verbrechen sich nicht lohnen dürfen, meine Damen und Herren.
Herr Kollege Rossmanith, wenn Sie sagen, Sie wollen der Drogenmafia auf die Spur kommen, dann sagen wir: Der Staat soll in die Lage versetzt werden, der organisierten Kriminalität die Verfügungsmacht über großes, kriminell erworbenes Vermögen zu nehmen. Denn mit diesem Geld untergraben sie unseredemokratische Rechts- und Wirtschaftsordnung. Das ist der Kern unseres Gesetzes.
Ich finde es schon sehr merkwürdig, daß Sie darauf nicht eingehen.
Ich weiß, die Eigentumspartei F.D.P. schützt sogar kriminelles Geld und Vermögen, meine Damen und Herren, und Sie wollen sich dem auch nicht widmen. Wir sagen: Kriminell erworbenes Eigentum unterliegt nicht dem Schutz des Art. 14. Und wer wirklich an das große kriminell erworbene Geld heran will, gerade auch an das Drogengeld, der muß mit uns auch den Weg der Änderung des Art. 14 gehen. Das ist der Kern unseres Gesetzes, meine Damen und Herren.
Aber wenn Sie lasch sagen, so falsch sei das ja nicht, aber der Ansatz sei dann doch wieder nicht richtig, dann zeigt es, daß Sie an den Kern dieses Problems nicht heran wollen.Parallel dazu wollen wir die Geldwäsche wirkungsvoll unterbinden, denn auch hier bedeutet die Einschleusung illegal erworbener Gelder in den legalen Wirtschaftskreislauf und Vermögenskreislauf die Gefährdung unserer Rechts- und Wirtschaftsordnung.Das dritte Element ist die elektronische Wohnraumüberwachung. Daß Sie uns jetzt anschuldigen, daß wir uns geändert haben und unseren Weg weitergehen und jetzt eine verfassungsrechtlich sichere elektronische Wohnraumüberwachung vorschlagen, das wundert mich ein bißchen. Denn Sie wollten es ja auch. Die F.D.P. wollte nicht, das akzeptiere ich. Aber daß Sie dann noch sagen, die Koalition sei handlungsfähig, das war ein bißchen weit gegriffen, Herr Kollege. Das war so wie pfeifen im dunklen Wald; ich versuche es mal mit so einer Vokabel. Unser Gesetzentwurf hat also präzise beschriebene Aufträge.Nun komme ich zu dem, was wir zu Ihrem Gesetzentwurf sagen: In der Tat, einiges ist ganz in Ordnung, darauf komme ich gleich, aber im Prinzip ist es ein Sammelsurium, bei dem nicht klar wird, wen Sie eigentlich mit Ihrem Gesetz treffen wollen. Sie ändern acht verschiedene Gesetze, von der Strafprozeßordnung bis hin zur Gewerbeordnung. Das ganze Gesetzgebungsverfahren ist zudem geprägt von Eile, Hektik, Torschlußpanik.Daß Sie selbst sich nicht einig sind, sieht man auch aus den Bemerkungen aus den Parteien. Der CDU/ CSU geht es nicht weit genug, das Stichwort Lauschangriff fehlt. Die F.D.P. hat eigentlich, wenn sie sich auf ihre Wurzeln besinnen würde, große Bedenken bei den anderen Themen, beim G-10-Gesetz, Erweiterung der BND-Aufgaben. Sie stimmen zu, Sie kitten mühsam die Koalitionskräche, aber daraus wird kein gutes Verbrechensbekämpfungsgesetz, meine Damen und Herren, das nimmt Ihnen auch keiner ab.
Nun weiß ich, wie man Gesetze durchpeitscht, wenn man es in der Regierungsmehrheit will. Aber daß Sie nicht einmal die Bundesländer richtig einge-
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Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 229. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. Mai 1994 19873
Anke Fuchs
schaltet haben bei einem Gesetz, das sich in der Durchführung vorwiegend an die Länder richtet, daß Sie noch nicht einmal die Rechtsausschußanhörung vernünftig aufgearbeitet haben,
finde ich schon bedenklich; das zeugt nicht von sorgfältiger Arbeit. Nein, Sie wollen Ihr Gesetz mit markigen Worten durchbringen, um nicht vorhandene Handlungsfähigkeit vorzugaukeln.Ich will noch einmal an drei ganz kurzen Themen klarmachen, daß das alles im Grunde nichts bringt. Der erste Punkt ist die Frage des Haftgrundes der Sicherung der Hauptverhandlung. Darauf wird ein Kollege von uns noch eingehen. Damit werden Sie die Probleme der langen Verfahren nicht ändern; denn die langen Verfahren beruhen nicht darauf, daß die Angeklagten der Hauptverhandlung fernbleiben, sondern sie beruhen darauf, daß die Gerichte überlastet sind. Da ist der Kern der langen Verfahren, und da müssen wir etwas ändern.Wenn Sie dann sagen, diese Gesetzgebung hätte eine andere Entwicklung für Magdeburg gebracht, finde ich das schon ein bißchen makaber. Die Krawalle in Magdeburg, die wir miteinander verurteilen — in diesem Sektor sollten wir auch sehen, daß wir in der Argumentation zusammenbleiben —, liegen doch vornehmlich daran, daß die Polizeiführung versagt hat, in einem eklatanten Maße versagt hat. Es ist übrigens kein SPD-regiertes Land — damit wir nicht in SPD-Kriminelle und CDU-Kriminelle unterteilen. Ihr gesetzlicher Vorschlag ist für diese Entwicklung untauglich. Da muß anders an die Ursachen herangegangen werden.Ein weiterer Punkt ist: Sie wollen das Verfahren beschleunigen; das habe ich gesagt.Nun hat Herr Schäuble in unverantwortlicher Weise den Einsatz der Bundeswehr im Innern gefordert. Es ist doch völlig klar: Wenn so ein Thema einmal in der Öffentlichkeit ist, wird sich doch eine aufgeregte Politik gleich fragen: Was kann ich daran anschließen?Nun haben Sie gesagt: Wir wollen den Einsatz des BND verändern. Das soll auf eine verfassungsrechtlich makabere Weise geschehen, so daß ich mich wundere, was die F.D.P. so alles mitmacht. Aber das ist Ihr Problem.
Sie wollen nicht nur — was wir mitmachen würden — in bestimmten Fällen schwerster Kriminalität die Strafverfolgungsbehörden von relevanten Erkenntnissen unterrichten — das wäre ja in Ordnung —, nein, Sie wollen die Aufgaben erweitern. Sie wollen durch § 3 a des BND-Gesetzes dafür sorgen, daß Nachrichtendienste auf Ersuchen in die Ermittlungen eingeschaltet werden. Das ist verfassungsrechtlich höchst bedenklich. Es ist in gefährlicher Weise auch kontraproduktiv für die Arbeit der Nachrichtendienste. Die Anhörung hat doch gezeigt, welche Auswirkungen diese Erweiterung gerade auf die Arbeit der Nachrichtendienste hat.Deswegen halten wir es nicht nur verfassungsrechtlich für problematisch, sondern auch für unverantwortlich, wie Sie mal eben locker vom Hocker an der Verfassung vorbei die Aufgaben des BND erweitern wollen und die scharfe Trennung zwischen Polizei und Nachrichtendiensten verwischen wollen.
Ich habe schon gesagt: Ein paar Sachen sind ganz in Ordnung. Sie haben mit dem Täter-Opfer-Ausgleich, mit der Überwachung der privaten Sicherheitsdienste alte Sachen von uns übernommen. Wir können das, wo wir Gemeinsamkeiten haben, auch bekunden.Ich finde es auch in Ordnung, daß Sie im § 112a StPO das Kriterium der rechtskräftigen Vorverurteilung für Wiederholungstäter weggenommen haben. Das alles ist aber ein Sammelsurium. Das ist kein Entwurf und kein Gesetz, um wirklich in der Zukunft Verbrechen zu bekämpfen.
Frau Abgeordnete Fuchs, würden Sie eine Zwischenfrage des Burkhard Hirsch beantworten?
Bitte sehr.
Frau Kollegin, da Sie uns eben so heftig wegen der Regelungen über den Bundesnachrichtendienst gerügt haben, möchte ich fragen: Haben Sie denn wirklich übersehen, daß der Rechtsausschuß mit den Stimmen Ihrer Vertreter zu meiner Überraschung einmütig beschlossen hatte, daß die Kriminalitätsbekämpfung in bestimmter Hinsicht auch Aufgabe des Bundesnachrichtendienstes sei, und haben Sie weiter übersehen, daß wir bei diesem Gesetzentwurf, den Sie hier so heftig kritisieren, ausdrücklich darauf geachtet haben, daß die gesetzliche Aufgabenstellung des Bundesnachrichtendienstes trotz dieses Beschlusses des Rechtsausschusses nicht verändert wird?
Das ist ein großer Irrtum. Ich habe mit Hans de With abgesprochen, daß wegen der Zeiteinteilung er darauf besonders Rücksicht nimmt.Mich wundert bei der F.D.P., meine Damen und Herren, daß Sie noch immer mühsam so tun, als ob Sie bei Ihren Grundsatzpositionen bleiben. Mir wäre lieber, Sie hätten gesagt: Aus Koalitionsgründen haben wir da mitgemacht; wir finden das auch nicht so in Ordnung. Das hätte ich ehrlicher gefunden, als wenn Sie einen Weg gehen, indem Sie mit einem verkleisterten Gesetzestext die Aufgaben des Bundesnachrichtendienstes erweitern und damit die ganze Arbeit dieses Dienstes erschweren.
Das haben doch auch die Anhörungen der Vertreter dieses Dienstes ergeben.
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19874 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 229. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. Mai 1994
Anke Fuchs
— Ich habe Ihre Frage beantwortet und sage: Nein, ich stimme Ihnen nicht zu — wenn das eine Antwort für Sie ist.
— Das habe ich wohl gesagt, Frau Kollegin. Ich wiederhole es auch Ihnen gegenüber gern noch einmal, indem ich sage: Ich wundere mich, wie Sie verkleisterten Gesetzestexten zustimmen können.Ich will noch einmal sagen, auch vor dem Hintergrund unserer Geschichte: Wir hatten Gestapo und Stasi. Wir haben deshalb ein scharfes Trennungsgebot für unterschiedliche Aufgaben von staatlichen Institutionen. Ich finde, wir sollten gerade in schwieriger Zeit, in der Rechtsextremismus nicht als Gespenst an die Wand zu malen ist, Herr Geis, sondern in der er da ist, darauf achten, daß Rechtsstaatlichkeit eingehalten wird und die Instrumente des Staates dennoch effektiv genutzt werden können. Das muß auch bei Gesetzesänderungen unsere Grundsatzhaltung sein.
Mein letzter Punkt ist die Frage der Auschwitzlüge. Ich freue mich, Herr Kollege Geis, daß Sie gesagt haben: Wir sind gemeinsam der Auffassung, daß sie geändert werden muß. Sie sind nach zwölf Jahren endlich unserem Antrag gefolgt, den Herr Schmude schon als Justizminister formuliert hatte. Damals waren Sie noch nicht so weit, jetzt sind wir alle miteinander so weit.Ich bedaure, daß es nicht gelungen ist, diesen Teil „Auschwitzlüge" aus dem Gesamtpaket herauszulösen, denn es wäre ein wichtiges politisches Signal gewesen, wenn alle demokratischen Parteien dieser Gesetzesänderung zugestimmt hätten und wenn wir gemeinsam zugestimmt hätten.Sie haben es in dem unerträglichen Gesamtpaket gelassen, Herr Kollege Eimer, was ich sehr bedaure. Wenn wir es herausgelöst hätten, hätten wir dieses Thema zu einer gemeinsamen Sache machen können. Sie waren da bockig, ich verstehe das auch, es war wieder einmal aus Koalitionsgründen, denn wenn man ein Paket aufschnürt, wird es schwierig. Dann fängt die F.D.P. wieder an zu wackeln, das ist mir durchaus bewußt.Ich will noch einmal sagen: Wir hätten diesen Teil aus dem Paket herauslösen können, dann hätte es eine gemeinsame Zustimmung aller demokratischen Parteien gegeben. Wir Sozialdemokraten haben zwölf Jahre darum gerungen. Ich freue mich, daß in diesem Punkt Übereinstimmung besteht.Insgesamt werden wir aus den Überlegungen, die ich vorgetragen habe und die andere meiner Kollegen vertiefen werden, das Gesamtpaket ablehnen.Danke schön.
Ich erteile nunmehr dem Abgeordneten Jörg van Essen das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Um es gleich am Anfang — auch
nach den Ausführungen von Frau Fuchs — deutlich zu machen: Die F.D.P. trägt das von der Koalition vereinbarte Verbrechensbekämpfungsgesetz mit.
Die Gründe sind klar. Als Partei der Freiheit achten wir darauf, daß der Freiheitsraum des Bürgers dort gewahrt ist, wo der Staat übermächtig ist. Aber wir sind zum Schutz der Rechte des Bürgers auch bereit, den Staat, der im Bereich der inneren Sicherheit das Machtmonopol behalten muß, dort zu stärken, wo es notwendig ist.
Wir fahren nicht den Kurs der SPD, auf der einen Seite in der Wahlwerbung zur Europawahl die Angst vor der deutlich gestiegenen Kriminalität zu schüren, sich aber andererseits notwendigen gesetzgeberischen Schritten zu verweigern.
Frau Fuchs, Sie haben sich intensiv mit der F.D.P. befaßt. Ich hätte gern ein bißchen mehr von den Vorstellungen der SPD gehört.
Wenn Sie sich mit Ihrer eigenen Partei beschäftigt hätten, dann hätte Sie z. B. auch erwähnen müssen, daß die Mehrheit für das Abhören in Wohnungen hauchdünn war
und daß die SPD in Fragen der inneren Sicherheit tief gespalten ist.
Ich finde es im übrigen ungeheuerlich, daß Sie im Zusammenhang mit einer demokratischen Institution wie dem Bundesnachrichtendienst Vergleiche mit Gestapo und Stasi angestellt haben.
Lassen Sie mich zu den Einzelheiten kommen. An der Spitze stehen für mich die Vorschriften, die es uns ermöglichen, besser und konsequenter auf die besorgniserregenden Entwicklungen im rechtsradikalen Bereich zu reagieren.
Herr Abgeordneter van Essen, die Abgeordnete Frau Matthäus-Maier möchte Sie gern befragen.
Ja, gern.
Herr Esser, wollen Sie mir nicht zustimmen — —
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Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 229. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. Mai 1994 19875
Mein Name ist van Essen, Frau Kollegin, ich gehöre dem Bundestag seit dreieinhalb Jahren an.
Wenn Sie meinen, daß Sie darauf aufmerksam machen müssen. Ich entschuldige mich für meinen Versprecher, wenn das weiterhilft.
Ja.
Herr van Essen, möchten Sie mir nicht zustimmen, daß Frau Fuchs nicht etwa den Bundesnachrichtendienst mit den Nachrichtendiensten des Dritten Reiches verglichen hat, sondern daß sie gesagt hat, daß wir nach der historischen Erfahrung im Dritten Reich gemeinsam nach 1945 beschlossen haben, eine strenge Trennung zwischen Nachrichtendienst und Polizei vorzunehmen, und daß alles dafür spricht, das nicht zu ändern, daß Sie also eine unzulässige Interpretation der Ausführungen von Frau Fuchs vorgenommen haben?
Ja, wenn die Kollegin Fuchs genau das so gesagt hätte, dann hätte ich ihr sicherlich zugestimmt. Es ist aber anders angekommen.
— Es ist anders angekommen, und gerade deshalb habe ich es kritisiert, und ich halte meine Kritik aufrecht.
Ich darf fortfahren. An der Spitze stehen für mich die Vorschriften, die es uns ermöglichen, besser und konsequenter auf die besorgniserregenden Entwicklungen im rechtsradikalen Bereich einzugehen. Auch das hat mit unserer Geschichte zu tun.Es nützt endlich nichts mehr, wenn man statt des Hitler-Grußes ein paar Finger krümmt. Auch Zeichen, die den NS-Kennzeichen zum Verwechseln ähnlich sind, werden in Zukunft von der Strafvorschrift des § 86a StGB erfaßt. Und: Wir haben eine bedauernswerte Lücke in diesem Bereich ja noch im Beratungsverfahren geschlossen. In Zukunft wird auch die Herstellung von Propagandamitteln und NS-Kennzeichen, die zum Export in das Ausland bestimmt sind — wir haben ja einige Beispiele den Zeitungen entnommen —, von den Strafvorschriften erfaßt werden.
Die Vorschriften über die Volksverhetzung und die Aufstachelung zum Rassenhaß werden in der Anwendung erleichtert und — worüber ich mich sehr freue; andere Redner haben das auch schon erwähnt — um eine Vorschrift, die auch die einfache Auschwitzlügeunter Strafe stellt, ergänzt. Wir haben uns hierüber in einer gesonderten Debatte in dieser Woche bereits ausgetauscht, so daß ich darauf nicht mehr besonders eingehen möchte. Es ist ein positives Zeichen für die Geschlossenheit der Demokraten, daß diese Änderungen auch von der Opposition mitgetragen werden.
— Herr Wiefelspütz, ich weise diese Äußerung mit Nachdruck zurück.Ich hätte mir dies auch bei den Änderungen des Haftrechts gewünscht. Wenn wir heute beschließen, daß bei dem dringenden Tatverdacht einer beabsichtigten schweren Körperverletzung oder einer besonders schweren Brandstiftung auch dann Untersuchungshaft angeordnet werden kann, wenn ein Haftgrund nicht besteht, machen wir damit deutlich, daß für uns diese für fremdenfeindliche Verbrechen typischen Delikte eine gleich schwere Bedeutung wie Mord und andere Tötungsdelikte haben. Ich wundere mich, daß wir da die Zustimmung der Opposition nicht bekommen.Gerade auch im Bereich reisender Gewalttäter wird die Änderung wirken, daß wir bei dem Haftgrund der Wiederholungsgefahr auf die bisher notwendige Vorverurteilung verzichten. Wiederholungsgefahr kann sich z. B. doch auch darin zeigen, daß jemand an jedem Wochenende bei schweren fremdenfeindlichen Ausschreitungen festgenommen wird und die Verurteilung daran scheitert, daß das Ermittlungsoder Strafverfahren immer wieder um diese neuen Vorwürfe erweitert werden muß. Wir setzen gerade damit auch bei Intensivgewalttätern das notwendige Signal, daß der demokratische Rechtsstaat kein schwacher Staat ist.Lassen Sie mich aber auch deutlich machen, daß der verfassungsrechtliche Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht außer Kraft gesetzt ist. Ich habe die Gewißheit, daß sich meine staatsanwaltlichen und richterlichen Kollegen dessen bewußt sein werden.Seit meiner Wahl in den Bundestag beklage ich, daß wir uns einseitig nur für die Täter und nicht für die Opfer von Straftaten interessieren. Mit dem TäterOpfer-Ausgleich schaffen wir einen ersten Einstieg in eine bessere Berücksichtigung der Interessen von Opfern. Die Anrechnung von Leistungen des Täters für das Opfer ist bei der Strafzumessung nicht zwingend, wie es die SPD fordert.Ich halte das auch für gut und gerecht, denn einem reichen Täter kann die Zahlung von Schadensersatz praktisch keine Probleme bereiten, während dies bei einem ärmeren Täter ein wirkliches Opfer bedeuten kann. Aber dies ist nur ein erster Einstieg. Wir werden zur Stärkung der Situation und der Rechte von Opfern noch viel mehr im Bundestag unternehmen müssen.Der in der Tat beunruhigenden Entwicklung im Bereich der Massenkriminalität begegnen wir mit einer Förderung des beschleunigten Verfahrens. Die Gebetsmühlen, die den Untergang des Rechtsstaates bei jeder Änderung des Strafprozeßrechts anstimmen,
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19876 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 229. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. Mai 1994
Jörg van Essenkreisen auch hier wieder in höchsten Rotationszahlen.Es ist schlicht falsch, wenn — wie z. B. von Richtern in der ÖTV — behauptet wird, schnelles Recht sei falsches Recht. Es ist nicht nur vernünftig, auf Fehlverhalten schnell eine Reaktion folgen zu lassen, es dient auch den Angeklagten, wenn sie nicht wochen- oder monatelang in der Ungewißheit leben müssen, wie das Verfahren ausgeht. Daß in Zukunft Verfahrensanträge auf besonderen Beschluß des Gerichts schriftlich gestellt werden müssen, wird den Rechtsstaat ebenfalls nicht untergehen lassen. Gerade der Kurdenprozeß mit der tagelangen Verlesung von Beweisanträgen hat gezeigt, wie notwendig diese Vorschrift ist.Wie Professor Pfeiffer vom Kriminologischen Forschungsinstitut Niedersachsen eindrucksvoll belegt hat, beruht der Kriminalitätsanstieg zu nicht unwesentlichen Teilen auf dem Wirken von Tätern, die kurz zur Begehung von Straftaten in unser Land kommen, um dann sofort in ihren Heimatstaat zurückzukehren.
Herr Kollege van Essen, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Meyer?
Von dem Kollegen Professor Meyer gerne.
Herr Kollege van Essen, räumen Sie ein, daß Ihr Hinweis auf den Kurdenprozeß im Zusammenhang mit dem Vorschlag eines verbesserten beschleunigten Verfahrens deshalb falsch ist, weil dieses Verfahren nur vor den Amtsgerichten vorgesehen ist?
Herr Kollege, ich habe darauf hingewiesen, daß der Anwendungsbereich des beschleunigten Verfahrens die Massenkriminalität sein wird. Der Hinweis, den ich gerade gegeben habe, ist der Hinweis auf die Vorschrift des § 257 a StPO, der natürlich mit dem beschleunigten Verfahren überhaupt nichts zu tun hat. Ich bin in einem weiteren Abschnitt meiner Rede gewesen. Insofern haben Sie natürlich vollkommen recht. Ich wundere mich über Ihre Zwischenfrage.
Ich darf deshalb fortsetzen.
Nach meiner Einschätzung wird dies einer der Hauptanwendungsbereiche der neu eingeführten Hauptverhandlungshaft sein. Jetzt noch müssen Täter freigelassen werden, weil es nicht verhältnismäßig ist, sie selbst nach mehrmaligen Ladendiebstählen über viele Monate bis zur Hauptverhandlung in Untersuchungshaft zu lassen. Die Frage der Verhältnismäßigkeit stellt sich ganz anders, wenn die Hauptverhandlung innerhalb einer Woche im beschleunigten Verfahren stattfindet.
Im Bereich der organisierten Kriminalität werden wir mit der zeitlich begrenzten Einführung der Kronzeugenregelung ebenfalls einen wichtigen Schritt zur Bekämpfung dieser besonders gefährlichen Kriminalitätsform machen. Das ist kein Königsweg, sowenig wie es das Abhören in Wohnungen allein ist. Ich freue mich, daß wir hier einen Schritt tun, der das Eindringen in den Kern der organisierten Kriminalität erleichtert.
Allerdings — das lassen Sie mich kritisch sagen — wird die Erprobungszeit von 16 Monaten außerordentlich kurz sein. Wir haben in dem seit eindreiviertel Jahren geltenden sogenannten 1. OrgKG eine Fülle von neuen Möglichkeiten zur Abschöpfung von kriminellen Gewinnen geschaffen. Die Zeit ist viel zu kurz, tun schon jetzt beurteilen zu können, ob in diesem Bereich weiterer Handlungsbedarf besteht.
Aber nicht nur deshalb lehnen wir die Vorschläge der SPD betreffend die Beweislastumkehr ab. Die SPD will nämlich das Grundrecht auf Eigentum in Art. 14 des Grundgesetzes ohne wirklich wirksame Verfahrenssicherungen einschränken.
Sie wollen doch nicht wie wir wirklich an kriminelles Vermögen heran. Sie wollen doch erst einmal beschlagnahmen, und dann soll ein unbescholtener Bürger nachweisen, daß er Eigentümer seines Vermögens ist.
Das ist mit uns nicht zu machen, auch deshalb nicht, weil Sie bei Fehlverhalten des Staates nicht einmal einen zureichenden Schadensersatz vorsehen.
— Sie haben einen Vorschlag vorgelegt, Herr Kollege de With, — Sie waren doch bei der Anhörung dabei —, zu dem die Sachverständigen gesagt haben: Ihr Entwurf ist in diesem Bereich völlig unzulänglich.
Ich wiederhole: Ihre Vorstellungen über einen Schadensersatz sind völlig unzulänglich.
Ich komme zum Schluß. Wir haben einen sorgfältig durchdachten Entwurf mit Augenmaß vorgelegt. Deshalb stimmen wir diesem Gesetz zu.
Vielen Dank.
Bevor ich der Frau Kollegin Jelpke das Wort erteile, hat unser Kollege Dieter Wiefelspütz kurz das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr van Essen, ich möchte den Ausdruck, den ich Ihnen gegenüber
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Dieter Wiefelspützvorhin im Rahmen eines Zwischenrufes geäußert habe, mit Bedauern zurücknehmen. Ich bitte um Entschuldigung, weil sich das nicht gehört. Ich bitte um Nachsicht.
Nun hat Frau Kollegin Ulla Jelpke das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Eines haben Union und SPD mit ihren Gesetzentwürfen bisher geschafft: Das Verbrechensbekämpfungsgesetz und das zweite Gesetz gegen organisierte Kriminalität sowie der SPD- Entwurf zum großen Lauschangriff haben die seit langem größte Protestwelle in den Fachverbänden hervorgerufen.Auf ihren Pressekonferenzen und Protestveranstaltungen stellten sie den Vorlagen der Regierung und der SPD verheerende Zeugnisse aus.Diese Programme können nicht leisten, was sie versprechen. Sie gefährden aber die freiheitliche und rechtsstaatliche Ordnung unseres Staates, sie verletzen die Verfassung.So heißt es in einer Presseerklärung der Kritischen Polizistinnen und Polizisten, des Republikanischen Anwältinnen- und Anwältevereins und anderer Organisationen.
Auf einer Protestveranstaltung des Deutschen Anwaltvereins, der Bundesrechtsanwaltskammer und der Strafverteidigervereinigung ging es dann ausführlich zur Sache. In Einzelheiten und in Grundkonzeptionen wurden die Vorlagen zerrissen und verworfen. Einige Stichworte mögen das illustrieren: „Daß ein brutales Strafrecht am Ende auch die Leute brutalisiert — davon muß der Gesetzgeber ausgehen. Daß Einschnitte in Grundrechte am Ende auch die Erosion der sozialen Normen befördern, ist gleichfalls plausibel", erklärt der hessische Datenschützer Hassemer.Die Stellungnahme der Strafverteidigervereinigung bezeichnet die Regelungen zum Täter-OpferAusgleich als „rechtspolitisches Feigenblatt, welches zwar am Anfang des Gesetzesvorhabens steht, welches jedoch die konservative und kriminalitätsbefördernde Tendenz des Entwurfs nicht kaschieren kann".Der Deutsche Anwaltverein stellt zum sogenannten beschleunigten Verfahren mit der Möglichkeit der Anordnung der Hauptverhandlungshaft fest, daß hier Assoziationen zu polizeistaatlichen Prozessen ausgelöst werden und daß seine Einführung „gegen Artikel 6 Menschenrechtskonvention " verstößt.Außerdem weist der Deutsche Anwaltverein zur Notwendigkeit der Verfahrensbeschleunigung auf folgende Zahlen hin: „Von 480 000 Strafverfahren pro Jahr dauern nur 120 länger als 20 Tage und 22 länger als 50 Tage, in den weitaus meisten Fällen ist die Hauptverhandlung an einem Tag abgeschlossen."Es paßt ja wie die Faust aufs Auge, daß in einer Notverordnung vom 14. Juni 1932 dieselben Grundsätze zur Verkürzung der Verfahren durch Einschränkung der Verteidiger- und Beweisantragsrechte festgelegt wurden.Mit dem vorliegenden Entwurf zu einem Verbrechensbekämpfungsgesetz haben sich Bundesregierung und Union souverän über diese Grundsatzkritik hinweggesetzt. Die SPD-Fraktion kann nur deshalb nicht ganz folgen, weil ihr Entwurf zu einem zweiten Gesetz gegen organisierte Kriminalität, einschließlich des großen Lauschangriffs, der Beweislastumkehr und der Vermögenseinziehungsregeln, jetzt noch keine Mehrheit finden wird.Schon jetzt ist darüber hinaus klar, daß mit dem Verbrechensbekämpfungsgesetz die staatlichen Machtansprüche und der Umgestaltungswille noch lange nicht befriedigt sind. Die Beschlüsse der Innenministerkonferenz enthalten schon die nächsten Forderungen. Der Vorstoß Bayerns, den Verfassungsschutz gegen die sogenannte organisierte Kriminalität einzusetzen, eröffnet bereits eine neue Ebene. Auch Innenminister Kanther hat an das noch gar nicht vorliegende Gesetz zum Bundeskriminalamt weitergehende Ansprüche angemeldet.Es ist so sicher wie das Amen in der Kirche, daß das jetzt Geforderte nur die Basis für weitere Umbaupläne im Zusammenhang mit Strafprozeßordnung, Polizei und Justiz abgeben soll.Meine Damen und Herren, Horst Herold, der mit seinem technokratischen Überwachungsstaat in den 70er Jahren Eiszeitstimmung verbreitete, war in seinen Analysen zur Kriminalität genauer als alle, die sich aus Regierungskreisen in den letzten Monaten dazu äußerten. 1979 stellte er, Herr Geis, erstens fest: „Es ist das Wesen der Kriminalstatistik zu steigen." Zweitens stellte er fest — ich zitiere —: „Das Bewußtsein verlagert das Problem Kriminalität an den Rand der Gesellschaft, Kriminalität wird Randgruppen zugeschrieben, Außenseitern, die in keinem Bezug zur Gesellschaft stehen. Hier bilden sich unterschwellig die Argumente gegen Rehabilitierung, Resozialisierung und die Forderungen nach verschärften Strafen ... Der Außenseiter wird abgekapselt und zum Feind. "Vor allem das letztere scheinen Sie geradezu zum roten Faden Ihrer Kampagne zur inneren Sicherheit genommen zu haben. Allerdings handelt es sich nicht mehr um die sogenannten sozialen Randgruppen der 70er Jahre. Sie haben das Problem der Kriminalität ethnisiert.Alle Gesetzentwürfe sind von dem Gedanken geprägt, daß in wesentlichen Bereichen die Kriminalitätsentwicklung durch Ausländer forciert wird. Im Vereinsgesetz, bei der Erweiterung der Telefon- und Postkontrollen, beim Einsatz von Bundesnachrichtendienst und geheimdienstlichen Mitteln der Polizei,
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19878 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 229. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. Mai 1994
Ulla Jelpkeüberall da wird die Befugniserweiterung mit der besonderen Gefährlichkeit begründet, die Schlepper-banden oder ausländische Vereine, kurz: Fremde haben könnten.Das ebenfalls neu vorgelegte Ausländerzentralregistergesetz treibt diese Grundkonzeption schließlich auf die Spitze. Die Durchbrechung fast sämtlicher Grundsätze über die Trennung von Verwaltungs-, Polizei- und Geheimdiensthandeln wird für alle Ausländer hier vorgenommen. Ausländerinnen und Ausländer werden datenschutzrechtlich zum Freiwild gemacht, weil sie als besonders bedrohlich für die innere Sicherheit dargestellt werden.Diese Tendenz wird noch durch die im Verbrechensbekämpfungsgesetz vorgenommenen Änderungen im Asyl und Ausländergesetz vertieft. Gerade hier, wo angesichts von wachsendem Rassismus und nicht endender Pogromstimmungen besondere Sorgfalt angebracht wäre, puschen Sie ganz besonders brutal. Ich kann mir nicht helfen: Ich halte das für eine klare Absicht. Sie verknüpfen Kriminalität mit der am klarsten eingrenzbaren sogenannten Randgruppe, mit Ausländern. Sie versprechen Effektivität beim Kampf gegen Kriminalität durch kurze Prozesse und härtere Strafen gegen die so personifizierte Kriminalität. Das fördert Rassismus, das fördert Sündenbockdenken, das lenkt ab von sozialen Problemen, das leistet alles, nur nicht die Bekämpfung der Ursachen von Kriminalität. Schlechteste Erkenntnisse über den Zusammenhang sozialer Entwicklungen und Kriminalität werden mit allen Taschenspielertricks aus der Debatte verbannt.Ein Beispiel dazu: Als besonders kriminalitätsaktive Gruppe wird derzeit die Gruppe der neu einwandernden Ausländer und Ausländerinnen diskutiert. Das entspricht genau der deutschen Altersgruppe der unter 25jährigen. Christian Pfeiffer vom Kriminologischen Forschungsinstitut in Hannover arbeitet als Gemeinsamkeit dieser Gruppen heraus, daß immer mehr junge Menschen von Sozialhilfe leben oder in Familien leben, die auf Sozialhilfe angewiesen sind. Pfeiffer schlußfolgert — ich zitiere:„Wenn ältere Frauen von Armut betroffen sind, ist kaum zu befürchten, daß sie aus materieller Not in großem Ausmaß Straftaten begehen. Wohl aber gilt dies in bezug auf junge Menschen, die in unserer Konsumgesellschaft mit all ihren reizvollen Angeboten aufwachsen und erleben müssen, daß sie zum Zuschauen verurteilt sind. "Das Fatale ist, daß diese sogenannte Verbrechensbekämpfung mit der radikalen Wende in der Asyl- und Ausländerpolitik zusammentrifft. Illegalisierung und Verschlechterung des sozialen und politischen Status der Ausländerinnen und Ausländer begünstigen bestimmte Bereiche der Kriminalität geradezu. Die wollen Sie dann wiederum mit Polizei, Abschiebeknast und Ausgrenzung bekämpfen. Beispielsweise wird der Bedarf an funktionierenden Schleuserorganisationen von Ihnen ganz direkt gefördert — ein Prinzip übrigens, das ganz genauso auch für die Ausdehnung der Kronzeugenregelung auf die organisierte Kriminalität gilt. Diese Regelung in Verbindung mit dem vermehrten Einsatz verdeckter Ermittler und Vertrauensleute in der Drogenszene hat schonlängst zu einer Grauzone geführt. Der Deal zwischen Gerichten, sogenannten Kronzeugen und V-Leuten ist längst Alltagsarbeit.Meine Damen und Herren, ich möchte noch kurz auf drei Punkte eingehen.Erstens zu der Behauptung, das Verbrechensbekämpfungsgesetz erleichtere das Vorgehen gegen rassistische und neofaschistische Gewalttäter sowie gegen die Verwendung nationalsozialistischer oder ihnen ähnlicher Symbole. Nach Magdeburg fällt es natürlich besonders schwer, auch nur einen Hauch von Logik in dieser Behauptung zu finden. Magdeburg ist überhaupt kein Einzelfall. Es fehlt — ich sage es zum wiederholten Male — schlichtweg der politische Wille, gegen derartige Aktionen mit dem vorhandenen Instrumentarium von Gesetzen vorzugehen.Man muß das auch vor dem Hintergrund der rabiaten Weigerung sehen, den Ausländerinnen und Ausländern mehr, oder besser: endlich die gleichen Rechte wie den Deutschen zu geben. Eine Zwei- oder Dreiklassengesellschaft, in der Menschengruppen in großem Maßstab institutionell diskriminiert werden, läßt sich auf Dauer nicht mit härteren Gesetzen befrieden, dies schon gar nicht in Krisenzeiten.Zweitens geht es mir um unseren Antrag zur Auflösung der Koordinierungsgruppe Terrorismusbekämpfung. Ich habe nicht die Illusion, hierfür mehr als unsere eigenen Stimmen zu bekommen. Ich möchte nur darauf hinweisen, daß derartige Spezialgremien, die im geheimen vor sich hinarbeiten, in denen eine unkontrollierbare staatliche Macht zusammengeballt wird, der Demokratie nicht förderlich sind. Eine Mehrheit von Ihnen mag sich einreden, die Ereignisse beispielsweise in Bad Kleinen seien aufgeklärt. In Wirklichkeit wurden entscheidende Informationen im Bermudadreieck von Polizei, Geheimdiensten und KGT versenkt.
Die Auflösungsforderung ist daher nach wie vor so aktuell wie vor zwei Jahren.
Zum dritten Punkt, der öffentlichen Debatte, möchte ich den hessischen Datenschützer, Herrn Hassemer, zitieren. Auf der eingangs angesprochenen Protestveranstaltung erklärte er in Sachen großer Lauschangriff:In der Praxis geschieht das, worüber man sich öffentlich streitet. Und das entwertet den Streit ein bißchen. Vornehm ausgedrückt: „Die Schlacht ist geschlagen, und die Anhänger einer grundrechtsorientierten Strafpolitik haben sie verloren. "Ihr Ziel, das Ziel der Regierung, ist die Stärkung staatlicher Machtansprüche und die Entfesselung von Polizei, Geheimdiensten und Justiz von Grund- und Bürgerrechten. Mit Jürgen Seifert von der Humanistischen Union behaupte ich abschließend:Selbst wenn die Union alle von ihr angestrebtenVerfassungs- und Gesetzesänderungen durch-
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Ulla Jelpkesetzen könnte, hätten wir in vier Jahren nicht weniger Massenkriminalität und organisierte Kriminalität als heute.Ich danke.
Nächster Redner ist jetzt unser Kollege Dr. Wolfgang Ullmann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren Kollegen! Im Herbst 1991 werden in Hoyerswerda Vietnamesen tätlich angegriffen, die dort lange unangefochten gewohnt hatten. Der Polizeischutz kam zu spät und blieb darum uneffektiv. Ein knappes Jahr später kommt es zu Brandanschlägen in RostockLichtenhagen. Der Polizeieinsatz wird erst dann zahlenmäßig stark genug, um in das Geschehen wirklich eingreifen zu können, als sich autonome Gruppen eingemischt haben. Im gleichen Herbst ziehen Neonazis mit Hitlergruß lärmend und grölend durch die Dresdner Innenstadt. Sie tun das legitimiert durch Gerichtsbeschluß und unter Polizeischutz. Die vom Verfassungsschutz warnend angekündigte Ausländerhetze von Magdeburg wird nicht polizeilich unterbunden, sondern mit chaotischen Einsätzen beantwortet, deren Zielsetzung offenbar nicht einmal den Polizisten so weit bekannt ist, daß sie hinterher wissen, ob sie Täter oder Opfer verhaftet haben.Diese Liste ebenso krassen wie unbegreiflichen Versagens ist gewiß nicht vollständig. Aber sie ist keine Liste des Versagens der Polizei, sondern der Innenpolitik und insofern eine eindrucksvolle Dokumentation für eine verfehlte Innenpolitik. Beunruhigend und allmählich besorgniserregend ist die sich verdichtende Gewißheit, daß die derzeitige Regierung nicht mehr in der Lage ist, den schon jahrelang gefahrenen falschen Kurs aus eigenen Kräften noch zu korrigieren. Woher das kommt, wurde in der Debatte des Bundestages über die Magdeburger Ereignisse am vergangenen Mittwoch auffallend deutlich.
Als Sprecher der CDU/CSU-Fraktion erklärte der Abgeordnete Olderog, solche Vorgänge wie die in Magdeburg hingen damit zusammen, daß die Integrationskraft unseres Volkes erschöpft sei.
Kann er es nicht wissen, oder will er es nicht wissen, daß dieser Satz, ins Vulgärdeutsche übersetzt, lautet: Ausländer raus!
Im ersten Fall wäre das eine für die Abgeordnetentätigkeit disqualifizierende Inkompetenz,
im anderen — dem wahrscheinlicheren — Fall ist seine Aussage ein klassischer Fall der hier als völlig verfehlt und wirklichkeitsfremd gekennzeichneten Innenpolitik.
Der gleiche Redner verriet das Geheimnis dieser Konzeption, als er behauptete, der Verfassungsschutz habe lediglich Hinweise auf mögliche Konfrontationen von linken und rechten Extremisten gehabt. Da hören wir es: Es kann noch so oft etwas ganz anderes geschehen — nämlich daß Wehrlose überfallen und mißhandelt, daß Wohnhäuser von Ausländern mit Mordabsicht angezündet, jüdische Friedhöfe geschändet und neuerdings auch wieder Synagogen in Brand gesetzt werden —, die Bundesregierung und ihre Innenpolitik bleibt fixiert auf die nun schon ritualisierten Reflexe ihrer angeblichen Abwehr eines angeblichen Extremismus von links und — an zweiter Stelle natürlich — von rechts.Es ist das ordnungspolitische Konzept eines Lawand-order-Legalismus, der mehr am Staatsschutz als am Bürger- und Bürgerinnenschutz, an Bannmeilen und Protokollstrecken als an Gefahrenzentren des alltäglichen Lebens, den Spannungszonen gefährdeter Bevölkerungsgruppen und speziell schutzbedürftiger einzelner, wie z. B. von Mitbürgern und Mitbürgerinnen mit Behinderungen, orientiert ist.Seit Jahren weigert sich diese Bundesregierung bzw. die sie tragende Parteienkoalition, den Behinderten den von ihnen geforderten Grundrechtsschutz eines Diskriminierungsverbots auf Verfassungsebene zu gewähren.
Wen wundert es dann, daß die Rechtsprechung diese Bevölkerungsgruppe weiter in Grundsatzurteilen diskriminieren darf und das in unserem deregulierten Alltag grassierende Faustrecht in ihnen seine bevorzugten Opfer findet.Denn inhärent, meine Damen und Herren Kolleginnen und Kollegen, ist dieser Law-and-order-Konzeption, daß das Recht des Stärkeren ein legitimes Privileg, die Schwäche des Schwachen ein unabänderliches individuelles Schicksal und insofern schwer vermeidbar ist.Das bunte Gesetzesbündel, das die Bundesregierung unter dem sonderbaren, aber für das innenpolitische Konzept bezeichnenden Namen Verbrechensbekämpfungsgesetz vorlegt,
zeigt in allen seinen Teilen die Merkmale dieserordnungspolitischen Fehlorientierung. Die Aufnahmedes Täter-Opfer-Ausgleichs in das Strafrecht bleibt
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Dr. Wolfgang Ullmannhalbherzig und weit unter dem Niveau der in Pilotprojekten schon gesammelten Erfahrungen.Auch die begrüßenswerte Klarstellung und Präzisierung der strafrechtlichen Normierungen gegen den Nationalsozialismus und seine Nachfolgeorganisationen wird so lange ihre volle praktische Wirksamkeit verfehlen müssen, wie die derzeitige Innenpolitik ein gesellschaftliches Klima begünstigt, in dem der Neonazismus als ein lediglich etwas gewalttätiges, sozusagen extremistisches Engagement zur Wahrung nationaler Identität erscheint.
Was der Entwurf im Bereich Asyl- und Ausländerrecht vorschlägt, das alles ist ein wenig überzeugender Ansatz zur Schadensbegrenzung, nachdem Abschieberecht und Abschiebepraxis ganz neue Grauzonen von gefährlicher Illegalität und Asozialität erst geschaffen haben.Ein typisches Merkmal der Bürger- und Bürgerinnenbedürfnisse zurücksetzenden Staatsschutzpolitik sind die Regulierungen der Art. 12 und 14. Auf die datenschutzrechtliche Bedenklichkeit derjenigen in Art. 12 ist in der Debatte um den Entwurf schon oft hingewiesen worden. Was aber den Art. 14 und die Bestimmungen über private gewerbliche Sicherheitsdienste anbelangt, so ist es wohl angebracht, die Frage aufzuwerfen, ob des Aristoteles Behauptung, wenn die Reichen sich Leibgarden hielten, sei die Freiheit in Gefahr, nicht heute noch genauso wahr ist wie in der Zeit, als sie zum erstenmal ausgesprochen wurde.
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vertreten gegenüber diesem Entwurf der angeblich staatsschützerischen Repression das Konzept einer an Grundrechten und Bürger- und Bürgerinnensicherheit orientierten, Zivilisierung statt Deregulierung der Gesellschaft anstrebenden Innenpolitik. Ihr entsprechen eine rückhaltlose Integration des Täter-Opfer-Ausgleichs im Strafrecht und Strafprozeßrecht, eine sorgfältige Wahrung der informationellen Selbstbestimmung und eine drastische Beschränkung des Waffenrechts.Auch im Bereich der Massenkriminalität schlagen wir Regelungen vor — und haben dies ja schon getan —, die einerseits durchaus präventive Wirkungen zu entfalten vermögen, wie unsere Vorschläge zur Diebstahlsicherung, andererseits aber eben auch Polizei und Justiz spürbar entlasten können.Was aber die Drogen- und die Ausländerpolitik anbelangt — beides Zentren der innenpolitischen Problematik —, so setzen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf eine entschlossene Europäisierung der Innenpolitik. Sie wäre das genaue Gegenteil zu den Kriegsrechtsspekulationen à la Schäuble.
Denn Sie gehen von der nach der Charta von Paris und der Union von Maastricht eröffneten und ungeahnte Perspektiven erschließenden Möglichkeit einer europäischen Zivilgesellschaft aus.
Meine Damen und Herren, ich erteile jetzt der Bundesministerin für Justiz, unserer Kollegin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit dem Entwurf eines Verbrechensbekämpfungsgesetzes beraten wir heute einen Entwurf, der auf die verschiedenen Erscheinungsformen der Kriminalität differenzierte, rechtsstaatliche Antworten gibt und zwei Grundsätzen Rechnung trägt, zum einen dem, daß es die Aufgabe des Staates ist, mit rechtsstaatlichen Mitteln für die innere Sicherheit zu sorgen und dabei sein Gewaltmonopol wahrzunehmen und auszuüben, zum anderen aber auch dem Auftrag unserer Verfassung, die Grund- und Freiheitsrechte der Bürgerinnen und Bürger zu wahren und zu achten.Nach den Beratungen ist ein umfangreiches, ausgewogenes — in den Beratungen des Ausschusses noch ergänztes — Paket von Gesetzesänderungen herausgekommen, auf Grund dessen die Kriminalität in ihren verschiedenen Erscheinungsformen besser und schneller bekämpft werden kann. Es ist ein ausgewogenes Konzept und kein Sammelsurium von Vorschlägen.
Es ist ein Gesetzgebungsvorhaben, das justizpolitische Akzente und Schwerpunkte setzt. Denn wir wissen: Die Herausforderungen liegen gerade bei der Polizei, aber ganz besonders bei der Justiz.Im Vordergrund steht für mich die Bekämpfung fremdenfeindlicher rechtsradikaler Straftaten. Denn in unserer Aktuellen Stunde zu den Ereignissen in Magdeburg haben wir ja alle deutlich gemacht, daß es sich hier nicht mehr nur um die Straftaten einzelner handelt, sondern wir die Gefahr sehen müssen, daß sich in unserer Gesellschaft ein Klima ausbreitet, das die Hemmschwellen für gewalttätige Ausschreitungen senkt. Deshalb müssen wir dem mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln Einhalt gebieten.Strafrecht allein — auch darin sind wir uns einig — reicht dazu nicht aus. Aber das, was von seiten des Gesetzgebers strafrechtlich getan werden kann und muß, machen wir mit diesem hier vorliegenden Gesetzentwurf. Ich bin froh, daß fast das gesamte Paket von Vorschlägen zu diesem Bereich in den Beratungen im Rechtsausschuß die Zustimmung aller Fraktionen und Gruppen gefunden hat.Kein Verständnis ruft bei mir die Tatsache hervor, daß Sie, die SPD, die notwendige und wichtige Anhebung der Strafrahmen bei den Körperverletzungsdelikten, die den strafrechtlichen Schutz vor tätlichen Angriffen verbessern sollen, nicht mittragen wollen.
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Bundesministerin Sabine Leutheusser-SchnarrenbergerIch bin mir bewußt, daß die Aufgabe der Harmonisierung von Strafrahmen mit diesen Änderungen nicht erledigt ist. Aber eine Überarbeitung und Harmonisierung der Strafrahmen des gesamten Strafgesetzbuchs sind kurzfristig eben nicht zu verwirklichen. Im Interesse einer notwendigen Beseitigung des Ungleichgewichts in unserem Strafgesetzbuch zwischen Diebstahls- und Körperverletzungsdelikten ist es aus meiner Sicht notwendig, diese Schritte zu tun.
Frau Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen de With?
Ja.
Bitte, Kollege de With.
Frau Ministerin, wollen Sie wenigstens im Bundestagsplenum zur Kenntnis nehmen, daß wir gesagt haben, dies sei ein Schritt in die richtige Richtung, daß wir aber einen eigenen Antrag vorgelegt haben, der sehr viel umfassender regelt, was das Problem des Strafgesetzbuchs ist,
nämlich daß dort die Eigentumsdelikte mit sehr viel größeren Strafrahmen versehen sind als alle Delikte, die die körperliche Integrität schützen? Deswegen bedarf es einer Durchforstung des ganzen Strafgesetzbuchs
und nicht nur einer segmentären Regelung, wie Sie sie hastig vorschlagen, was dadurch deutlich geworden ist, daß einige Mitglieder Ihrer eigenen Fraktion den Versuch unternommen haben, am Rande zusätzlich Angleichungen zu bringen.
Wir schlagen in diesem Gesetzentwurf, und zwar ausgewogen bezogen auf die Körperverletzungsdelikte, gerade die Änderungen vor, die wir im Rahmen dieses Gesetzespaketes für wichtig und sinnvoll halten und seriös vorschlagen können.
Man kann immer sagen: Wir müssen eine neue große Strafrechtsreform in Angriff nehmen. Wir wissen, daß das natürlich jahrelanger gründlicher Beratung bedarf, weil die Tötungsdelikte und die Brandstiftungsdelikte insgesamt auf den Prüfstand gestellt werden müssen.
Hier wollen wir ein Zeichen setzen, daß wir da, wo wir mit sinnvollen Vorschlägen schon jetzt reagieren können, das im Rahmen dieses Gesetzespaketes tun. Ich meine, wenn man mit dem Motto „Sicherheit stattAngst" wirbt, dann muß man vernünftige Schritte in diesem Bereich mittragen.
Magdeburg hat auch gezeigt — ich habe das schon soeben angesprochen —, wie wichtig es ist, daß unsere Gesetze effektiv umgesetzt und angewandt werden. Dazu bedarf es der notwendigen personellen und sachlichen Ausstattung der Polizei, damit sie ihre schwierigen Aufgaben wahrnehmen kann. Dazu gehört aber auch, daß wir da Änderungen vornehmen, wo wir meinen, daß es richtig und wichtig ist, der Polizei ihre Arbeit zu erleichtern, wenn es um die Inhaftierung von Gewalttätern geht, wenn es um die Festnahme reisender Täter mit rechtsstaatlichen Mitteln geht, wenn es um schwerste Delikte wie schwere Körperverletzung und gefährliche Brandstiftung geht und, wenn es darum geht, den Haftgrund der Wiederholungsgefahr besser anwendbar zu machen.Hier richten wir zusätzlich ein zentrales staatsanwaltschaftliches Informationssystem ein, das nämlich vor allem Haftentscheidungen auf der Grundlage umfassender Erkenntnisse aus allen anhängigen Verfahren ermöglichen soll. Dieses zentrale Register, Frau Jelpke, ist dringend notwendig, um der Staatsanwaltschaft ihre Arbeit zu erleichtern. Wir haben dieses Register und die Grundlagen dafür gerade nach dem Gesichtspunkt des Datenschutzes konzipiert.
Deshalb hat der Bundesbeauftragte für den Datenschutz im Vorfeld seine Zustimmung erteilt. Wir begrenzen deshalb die Möglichkeit, on line auf dieses Register Zugriff zu nehmen. Das zeigt, daß wir das Notwendige tun, aber auch die rechtsstaatlichen Grenzen ganz deutlich aufzeigen und im Auge haben.
Ich darf hier mit einem Satz erwähnen, daß ich froh bin — ich glaube, man sollte jetzt nicht 14 Jahre bemühen —, daß wir heute hier gemeinsam der Überzeugung sind, daß der Tatbestand der Volksverhetzung auch das Leugnen des Holocaust erfassen soll. Wir sind bei den Beratungen im Rechtsausschuß Formulierungen gefolgt, die in dem Haus des Justizministeriums erarbeitet worden sind. Ich bin froh, daß wir da alle gemeinsam dieselbe Auffassung vertreten und hiermit auch ein politisches Signal setzen. Das gilt selbstverständlich auch für die Änderungen der §§ 86 und 86 a StGB, gerade was den Transport und das Herstellen von nationalsozialistischem Propagandamaterial und Naziemblemen zum Zwecke des Exportes ins Ausland betrifft. Hier hatten wir eine Strafbarkeitslücke. Da kann man offen sagen: Wir sind froh, daß diese Vorschläge aus den Ländern an uns herangetragen worden sind. Denn es ist kein haltbarer Zustand, wenn die Bundesregierung einerseits zu Recht immer an die ausländischen Regierungen appelliert, viele Gespräche führt, damit die Länder etwas unternehmen, daß rechtsextremistisches Gedankengut aus dem Ausland nicht in die Bundesrepublik hineingetragen werden kann, wenn sie andererseits nicht dasjenige im Rahmen ihrer Gesetzge-
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Bundesministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger bungsmöglichkeiten tut, daß diese Dinge nicht ins Ausland exportiert werden und dann hier Strafbarkeitslücken auftauchen.
Ein weiterer wichtiger Schwerpunkt des Gesetzentwurfs sind die strafprozessualen Regelungen, die der Praxis eine Reihe von Möglichkeiten bieten, das Strafverfahren zu vereinfachen und zu beschleunigen. Selbstverständlich wissen wir alle, daß es da schon erste Regelungen in unserer Strafprozeßordnung gibt, die bisher kaum zur Anwendung kommen oder kaum zur Anwendung gebracht worden sind. Ich glaube, wir können es gemeinsam nicht hinnehmen, daß häufig viele Monate, vielleicht auch Jahre vergehen, bis ein Verfahren endlich abgeschlossen ist und dann auch die Strafe der Tat folgt. Wenn es eine abschreckende Wirkung geben kann, dann die, daß es möglichst zügig — gerade bei Massendelikten, gerade dann, wenn der Sachverhalt einfacher gelagert ist — zu einem Abschluß des Verfahrens und dann im Einzelfall auch zu einer Verurteilung kommt. Das kann nämlich mögliche Täter — gerade auch unter den Jugendlichen — abschrecken; das hören wir aus den Gesprächen mit den Experten. Das machen wir hier mit den vorliegenden Formulierungen zur Änderung der Strafprozeßordnung. Das richtet sich gerade — da sind wir uns einig — auf die Alltagskriminalität, auf Massenkriminalität im Bereich von Diebstahlsdelikten.Dieses Angebot an die Praxis müssen wir machen. Wir müssen jetzt appellieren, daß diese Regelungen in der Praxis angewandt werden.
Wenn wir zu Recht gemeinsam beklagen, daß die Gerichte sehr belastet sind, daß man alles tun muß, um sie zu entlasten, dann müssen wir auch hier diese rechtlichen Angebote, die gesetzgeberischen Angebote machen. Denn wir alle wissen: Einen Zuwachs an personellen Ressourcen wird es in den nächsten Jahren in den Ländern nicht geben — das wird uns auf jeder Besprechung mitgeteilt —, weil hier auch Grenzen durch den Haushalt gegeben sind. Deshalb müssen wir diesem von uns konzipierten beschleunigten Verfahren bei der Kriminalitätsbekämpfung eine Chance geben.Ich kann hier nur an die Länder appellieren: Nehmen Sie das wirklich ernst. Versuchen Sie gerade auch die Richter zu motivieren, von dieser Möglichkeit Gebrauch zu machen. Ich glaube, daß die Bereitschaft dazu vorhanden ist.Ich appelliere an die Lander, auch organisatorische und verwaltungsmäßige Mängel zu beseitigen, die im Rahmen der Justiz bestehen. Da gibt es viele praktische Möglichkeiten, für die wir keine Gesetzesänderungen brauchen. Es liegen umfangreiche Gutachten des Justizministeriums vor, die ganz viele konkrete Beispiele enthalten. Es gibt erst einige Pilotprojekte, die das aufgreifen. Aber gerade hier haben wir noch sehr, sehr viele Möglichkeiten, die Justiz auf rechtsstaatliche Weise zu entlasten und vor allen Dingen auch die notwendige Modernisierung vorzunehmen. Das dürfen wir nicht aus dem Auge verlieren.Wir als Bundesgesetzgeber können hier nur die Gesetzgebungsvorschläge machen, von denen wir meinen, daß sie richtig und notwendig sind. Wir haben aber nicht die Möglichkeiten, auch die Umsetzung und Durchsetzung tatsächlich noch mit zu beeinflussen; sondern hier haben wir, glaube ich, die notwendigen Angebote und auch die notwendigen Vorgaben in Form von Untersuchungen gemacht.Ich halte das für besser und effektiver, als wenn wir uns immer wieder jedes Jahr erneut überlegen: Wo kann man an unserem strafprozessualen Verfahren, insbesondere was die Rechtsmittel betrifft, denn noch herumdoktern?
Wir sollten gerade auch das, was jetzt im Bundesrat an verschiedenen Entwürfen auf dem Tisch liegt, erst einmal in die Schublade zurücklegen. Die letzten Änderungen liegen erst ein gutes Jahr zurück. Jetzt muß — wie auch in anderen Bereichen — das Recht erst einmal die Chance haben, sich zu bewähren. Denn wir brauchen auch Rechtssicherheit und Rechtsvertrauen. Dazu trägt der Gesetzgeber bei, indem er nicht alle Jahre wieder mit Vereinfachungen, gerade was das Rechtsmittelsystem und auch was das Beweisrecht insgesamt betrifft, kommt.Deshalb — ich darf das hier zusammenfassend sagen — enthält dieser Gesetzentwurf ein vernünftiges und ausgewogenes Angebot, wie die Strafverfolgungsbehörden unter notwendiger Wahrung der Grund- und Freiheitsrechte des einzelnen Kriminalität besser bekämpfen können.Ich muß daher zum Schluß einen Satz zu den von Ihnen vorgelegten Vorschlägen sagen, meine Damen und Herren von der SPD.
— Ja, Sie haben auch schon bei der ersten Beratung zu diesem Gesetzentwurf von mir in dieser Beziehung klare Worte gehört.
— Nein, das ist nicht eine F.D.P.-Meinung, daß Ihre Vorschläge nicht tauglich sind. Die F.D.P.-Meinung und vor allen Dingen auch die Meinung der Bundesregierung ist, daß diese Vorschläge nicht unbedingt dazu angetan sind, die Kriminalität besser zu bekämpfen, daß sie vielmehr alles über den Haufen werfen, was wir uns in bezug auf den Rechtsstaat in vielen Jahrzehnten erworben haben:
Unschuldsvermutung, Beweislastumkehr, Schuldprinzip. Hier wird etwas vorgeschlagen, was zwar denCharakter einer Strafe und einer Sanktion hat, aber
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Bundesministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger eben nicht im Rahmen eines Strafverfahrens, so wie es die Strafprozeßordnung zuläßt. Da gibt es die Möglichkeiten der Beschlagnahme, auch der vorläufigen Beschlagnahme, den erweiterten Verfall, die Vermögensstrafe. Alle diese Regelungen sind geschaffen worden.
— Sie wirken sehr wohl. Wir müssen diesen Regelungen nämlich auch die Chance einräumen, daß sie sich bewähren können.Was wir an ersten Erkenntnissen und ersten Informationen in dieser Beziehung haben — das läßt noch keine umfassende Bewertung zu —, zeigt doch, daß diese Dinge greifen. Selbstverständlich ist auch schon Vermögensstrafe verhängt worden. Wir sehen doch in bezug auf das Geldwäschegesetz, daß inzwischen schon über 400 Verfahren eingeleitet worden sind. Deshalb brauchen wir gerade auch in diesem Bereich, bei der Geldwäsche, jetzt nicht noch einmal so einen kleinen Nachtarock. Denn ich glaube, über die Schwellenbeträge — 20 000 DM, 15 000 DM — redet doch wohl ernsthaft kein Mensch mehr, weil wir genau sehen: Das Geldwäschegesetz beginnt jetzt zu greifen. Wir wissen, daß das Augenwischerei ist.Vizepräsident Helmuth Becker Frau Minister, gestatten Sie noch eine Zwischenfrage des Kollegen Meyer?
Ja.
Bitte, Herr Kollege Meyer.
Frau Ministerin, Sie haben sich sehr engagiert gegen die Beweislastumkehr gewandt und behauptet, da gebe es eine einheitliche Auffassung der Bundesregierung. Ist Ihnen nicht bekannt, daß sich im Januar dieses Jahres die Konferenz der Innenminister, der der Herr Bundesinnenminister und die Innenminister der Länder angehören, einmütig für eine Beweislastumkehr als Instrument zur Verbesserung der Gewinnabschöpfung ausgesprochen hat, so daß sich künftig Verbrechen in der Bundesrepublik nicht mehr lohnen?
Die Bundesregierung trägt den Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen, der gerade diese Vorschläge nicht enthält.
Ich glaube, damit kommt eindeutig zum Ausdruck, wie die Auffassung auch der Bundesregierung ist. Wir sind gerade mit den Vorschlägen zum erweiterten Verfall und zur Vermögensstrafe bis an die Grenze dessen gegangen,
was im Hinblick auf eine Beweiserleichterung und
letztendlich im Hinblick auf das konsequente Vorgehen, auch dem Problem der Vermögen aus kriminellen Handlungen rechtsstaatlich, ohne Eingriff in unsere Verfassung, Rechnung zu tragen, getan werden kann.
— Ich eiere überhaupt nicht herum. Es ist eine so klare Antwort, an der es überhaupt nichts herumzudeuten gibt. Bei Ihren Vorschlägen verhält es sich teilweise anders. Da haben Sie ja, was die Verfassung betrifft, gleich einen ganzen Katalog von Einschränkungen vorgeschlagen.
Ich glaube, wir sollten uns auf den Weg begeben, den die Koalitionsfraktionen und die Bundesregierung gehen, weil sie nämlich Vorschläge vorgelegt haben, die, glaube ich, einen ganz wesentlichen, einen rechtsstaatlichen Beitrag zur Verbrechensbekämpfung leisten werden.
Vielen Dank.
Meine Damen und Herren, ich erteile jetzt das Wort unserem Kollegen Erwin Marschewski.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In nur wenigen Bereichen der Politik bestand in den letzten Jahren so viel Novellierungsbedarf wie im Bereich der Kriminalpolitik. Die Ursache sind quantitative und qualitative Veränderungen des Kriminalitätsgeschehens.Hinzu kommt aber auch eines: Für die Kriminalprävention und für die Polizei sind in erster Linie die Länder zuständig. So steht es im Grundgesetz. Nicht alle Bundesländer haben ihre Aufgaben zufriedenstellend erledigt. Also mußte der Bund handeln, soweit das Grundgesetz dies erlaubt, und zwar im Strafrecht, im Strafprozeßrecht. Diese Möglichkeiten mußten wir nutzen, meine Damen und Herren, und wir haben sie genutzt.In dieser Legislaturperiode haben wir das Gesetz zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität und das Geldwäschegesetz verabschiedet, das jetzt beginnt — Sie haben es gesagt, Frau Justizministerin —, Wirksamkeit zu entfalten.Damit, meine Damen und Herren, haben Bundesregierung und Koalitionsfraktionen von CDU/CSU und F.D.P. deutliche Antworten auf die Probleme der inneren Sicherheit gegeben. Wir haben es häufig genug betont: Wenn es um Recht geht, meine Damen und Herren, darf der Staat keinen Fingerbreit Boden aufgeben, sonst gibt er sich selbst auf.
Die Gewährleistung der inneren Sicherheit gehört nicht nur zu den dringendsten Aufgaben des Staates, sie ist auch Legitimationsgrundlage für sein Tun, sie ist Vorbedingung für das staatliche Gewaltmonopol.Deshalb und weil wir den Wettlauf mit den Kriminellen nicht verlieren wollen, haben wir — ich darf an die Kollegen Kleinert und Geis erinnern — im vergangenen September bereits dahin gehend Einigung erzielt, noch in dieser Legislaturperiode ein weiteres
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19884 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 229. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. Mai 1994
Erwin MarschewskiGesetz zur Bekämpfung des Verbrechens auf den Weg zu bringen.Fast gleichzeitig legte auch Innenminister Kanther das Sicherheitspaket 1994 vor, ebenfalls Grundlage des heute zu verabschiedenden Verbrechensbekämpfungsgesetzes. Dessen Stärke liegt gerade darin, daß dieses Gesetz nicht nur auf Regelungen zur Bekämpfung lediglich eines Kriminalitätsbereichs beschränkt ist, sondern den Kriminalitätsanstieg umfassend angeht. Das neue Gesetz nimmt den Kampf gegen Gewalt auf, indem es die Strafandrohung bei Körperverletzungsdelikten verschärft, indem wir auch die Hauptverhandlungshaft einführen.Die Sicherheit, schnell der gebührenden Strafe zugeführt zu werden, ist wie kaum ein anderer Faktor geeignet, potentielle Gewalttäter von ihrem Vorhaben abzuhalten.
Der Staat, meine Damen und Herren, darf sich nicht der Lächerlichkeit preisgeben, und die Polizeibeamten dürfen auch nicht demotiviert werden, weil ein Täter, auf frischer Tat ertappt, sofort freigelassen werden muß.
Das neue Gesetz nimmt den Kampf gegen Radikalismus auf. Auch derjenige soll bestraft werden, der Nazizeichen mit eindeutiger Absicht verwendet. Wir wollen keine Umzüge brauner Horden in unseren Straßen, meine Damen und Herren. Wir wollen hier ein entschiedenes staatliches Eingreifen. Deswegen werden wir den Verfassungsschutz stärker als bisher in die Beobachtung gerade der Wehrsportgruppen und rechts- und linksradikaler Szenen einbeziehen.
Das neue Gesetz forciert schließlich den Kampf gegen das organisierte Verbrechen. Deswegen wollen wir die Kronzeugenregelung einführen, denn die Amerikaner und die Italiener hatten damit Erfolg. Insbesondere, denke ich, bei den Rauschgiftdelikten ist es gerechtfertigt, ein Mitglied einer kriminellen Vereinigung durch Strafermäßigung zur Aussage zu bewegen, damit eben der Fortbestand dieser kriminellen Vereinigung beendet werden kann. Wir wissen doch: Diese Kriminellen handeln nicht aus ideologischen Motiven, sondern allein des Geldes wegen. Ich denke mir, Herr Professor Meyer, daß diese Kronzeugenregelung hier sicher sehr angebracht ist.
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Singer?
Bitte schön.
Herr Kollege Marschewski, darf ich Ihre Äußerungen zu den Aufgaben des Verfassungsschutzes so verstehen, daß er bisher verfassungsfeindliche Organisationen wie die Wehrsportgruppen nicht beobachten durfte?
Ich darf Ihnen das sehr genau erklären, Herr Kollege Singer. Der Verfassungsschutz durfte bisher terroristische Vereinigungen beobachten. Bei kriminellen Vereinigungen war dies nach § 2 des G-10-Gesetzes leider nicht möglich. Das erweitern wir, weil es sinnvoll ist, weil wir diesen Wehrsportgruppen — ich habe dies gesagt — den Kampf ansagen wollen.
Lassen Sie mich aus der Fülle der neuen Vorschriften des Verbrechensbekämpfungsgesetzes drei Bereiche besonders nennen.Der erste Bereich ist die Verschärfung der Vorschriften über die Ausweisung ausländischer Rauschgifthändler sowie der Strafvorschriften gegen das professionelle Schlepperunwesen. Diese neuen Straftatbestände werden helfen, die neuen Formen des Menschenhandels zu bekämpfen. Wir dürfen es nicht zulassen, daß Schlepper Menschen mit unhaltbaren Versprechungen dazu veranlassen, in ihrer Heimat alles aufzugeben und illegal nach Deutschland zu kommen. Diese Menschen werden entwurzelt, sie dürfen zum größten Teil nicht hierbleiben, und wenn sie hierbleiben dürfen, werden sie oft für kriminelle Zwecke mißbraucht und Frauen sehr oft zur Prostitution gezwungen.Was den Rauschgifthandel anbetrifft, meine Damen und Herren: Wer dealt und zu mehr als einem Jahr Freiheitsstrafe ohne Bewährung verurteilt worden ist, muß Deutschland verlassen.
Ich habe noch niemanden gefunden, der gemeint hätte, dies sei ungerecht, sondern alle in der Bevölkerung haben dies für richtig erachtet.Ein zweiter wichtiger Bereich: Der besseren Bekämpfung der organisierten Kriminalität dient auch die Erweiterung des Straftatbestandes der Geldwäsche. Es war notwendig, die Geldwäschedelikte zu erweitern, d. h. die Möglichkeit zu geben, bei Vermögensdelikten, Urkundsdelikten und Bestechungsdelikten eine Bestrafung zu erreichen. Wir haben dies deswegen getan, meine Damen und Herren, weil wir gesagt bekommen sowie aus den Hinterlassenschaften der SED-Diktatur und der Bekämpfung der Regierungs- und Vereinigungskriminalität erfahren haben, daß es sich hier um eine der drückendsten und düstersten Hinterlassenschaften des SED-Regimes handelt.Drittens werden wir zum erstenmal den Bundesnachrichtendienst in die Bekämpfung des organisierten Verbrechens einbeziehen. Nach der heutigen Rechtslage ist der Bundesnachrichtendienst leider gezwungen, wichtige Erkenntnisse im Bereich der Kriminalität zu vernichten, die er bei seiner strategischen Kontrolle des internationalen Fernmeldeverkehrs erlangt hat. Es kann doch nicht sein, meine Damen und Herren, daß wir Erkenntnisse über Rabta haben — Sie erinnern sich, die Lieferung von Giftgasanlagen an Libyen — und diese Erkenntnisse in den Papierkorb werfen müssen. Das wollen wir verändern.Den Vergleich mit der Gestapo haben Sie, Frau Matthäus-Maier, für Ihre Kollegin ausgeräumt. Ich
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Erwin Marschewskiglaube auch nicht, daß sie es so gemeint hat, wie sie es gesagt hat. Nur, Frau Kollegin Fuchs, wir müssen doch den Verfassungsschutz, den Bundesnachrichtendienst in die Lage versetzen, ein zweites Rabta zu verhindern. Wenn wir internationalen Terrorismus und die Einfuhr von Rauschgift verhindern wollen, dann müssen wir den Bundesnachrichtendienst einschalten, dann müssen wir Gesetze ändern, meine Damen und Herren.
Herr Kollege Marschewski, gestatten Sie noch eine Zwischenfrage des Kollegen de With? — Bitte, Kollege de With.
Herr Kollege Marschewski, wollen Sie jetzt endlich zur Kenntnis nehmen, daß die SPD immer und immer wieder gesagt hat, daß eine zweite Panne wie Rabta nicht geschehen dürfe und deswegen — ich sage es vereinfacht — der „KinkelErlaß" fallen solle?
Wir wenden uns einzig und allein dagegen, daß der Bundesnachrichtendienst zum Hilfsbeamten der Staatsanwaltschaft wird und somit eine völlige Denaturierung erfährt mit der Folge, das Ermittlungsverfahren zu teilen, so daß es nicht mehr kontrollierbar ist.
Wir müssen das fein säuberlich trennen.
Herr Kollege de With, ich teile Ihre Meinung nicht. Ich habe manchmal den Eindruck — nicht gerade bei Ihnen —, daß manche Damen und Herren in diesem Hause aus Ihrer Partei die Intensität des Verbrechens nicht ganz mitbekommen haben.
Herr de With, die Verbrecher, die unsere Kinder hemmungslos in die Drogensucht treiben, die Mord auf Bestellung ausführen lassen, bedürfen in jeder Hinsicht einer Antwort des demokratischen Rechtsstaates auch in dieser Form!
— Ich möchte jetzt weiterreden; ich bitte um Entschuldigung. — Genau diesen Anforderungen genügt der SPD-Entwurf eines 2. OrgKG nicht.
Ich darf hierzu aus einer Zeitung zitieren, der sicherlich niemand bedingungslose Nähe zur Union nachsagen wird. So schreibt die „Süddeutsche Zeitung" in einem neueren Artikel zu Ihren Vorschlägen, meine Damen und Herren von der SPD, zur Vermögenseinziehung:
Am wildesten gebärdet sich die SPD, als wolle sie
vergessen machen, daß sie sich jahrelang nur
dann für die Polizei interessiert hat, wenn sie einmal über die Stränge schlug.
Dies sollte Ihnen doch zu denken geben.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage?
Ich bitte um Entschuldigung, ich möchte gerne weiterreden.
Dies sollte Ihnen zu denken geben. Verletzt Ihr Vorschlag zur Vermögenseinziehung, so formuliert, nicht die dem Grundgesetz immanente Unschuldsvermutung, meine Damen und Herren der SPD? Sie wissen genausogut wie ich, daß das Rechtsstaatsgebot der Disposition des Gesetzgebers entzogen ist. So, Herr Professor Meyer, ist Ihr Vorschlag wohl nicht verfassungskonform.
Nicht viel besser sind die Regelungen im zweiten Bereich Ihres Gesetzentwurfs ausgefallen, der sich mit dem Einsatz technischer Mittel in Wohnungen befaßt. Sie wollen die Anordnung durch das Gericht und die Anordnung durch eine G-10-Kommission. Ich denke, es könnte da unerträglicher Zeitverlust entstehen. Man merkt, wenn man Ihren Gesetzentwurf liest und von den Abstimmungen auf Ihrem Parteitag weiß: Ihr Vorschlag ist mit hauchdünner Mehrheit zustande gekommen.
Sie wollen Ihren Parteitagsbeschluß gewissermaßen mit der Brechstange umsetzen, insbesondere, weil die Bundestagswahl vor der Tür steht, meine Damen und Herren.
— Hören Sie mal zu, Frau Fuchs! — Vor nicht einmal zwei Jahren haben Sie die Einführung des sogenannten Lauschangriffs — besser gesagt: das Abhören in Gangsterwohnungen — im Bundesrat verhindert, meine Damen und Herren. Sie haben im Bundesrat dagegen gestimmt.
Meine Meinung ist klar: Der Einsatz technischer Mittel in Gangsterwohnungen ist zwar keine Wunderwaffe gegen die organisierte Kriminalität. Seine Einführung in dieses Gesetz wäre aber sicherlich eine hervorragende Ergänzung dieses großartigen Gesetzeswerks gewesen.
Herr Kollege Marschewski, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Uwe-Jens Heuer?
Ich möchte gerne weiterreden.Richtig ist, meine Damen und Herren: Die Verfassung schützt die Wohnung, sie schützt auch die Würde des Menschen. Aber sie schützt in erster Linie Leib und Leben. Meine Damen und Herren, für mich gilt — ich wiederhole es —: Die Gesundheit meiner
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19886 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 229. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. Mai 1994
Erwin MarschewskiKinder, auch Ihrer Kinder, ist mir mehr wert als jeder Quadratmeter meiner Wohnung.
Schauen wir doch über die Grenzen: In Italien wurde der Große Lauschangriff eingeführt, mit Erfolg.
In Italien wird die Freiheit großgeschrieben, aber es herrscht dort praktische Vernunft, von der wir in diesem Bereich als effektive Deutsche, so sagt man ja, sicherlich lernen könnten.Ich habe bereits bei der ersten Lesung des Verbrechensbekämpfungsgesetzes insbesondere die SPD dazu eingeladen, sich an den Beratungen zu beteiligen. Sie sind dem leider nur sehr begrenzt nachgekommen. Vieles von dem, was Sie vorgeschlagen haben, war praxisfremd, Herr Kollege de With. Die überwiegende Zahl der Sachverständigen in der Anhörung hat dies deutlich gemacht.
— Hören Sie doch mal zu! — Ich selbst verhehle nicht, daß ich mir schon jetzt weitere Rechtsänderungen gewünscht hätte. Ich habe über den Einsatz technischer Mittel in Gangsterwohnungen gesprochen.
Ich denke an eine Klarstellung im Straftatbestand der Geldwäsche. Es darf doch nicht verboten sein, daß ein Polizeibeamter illegal erlangtes Geld zum Schein weiterleitet, um an die Hintermänner einer kriminellen Organisation zu gelangen. Hierzu gehört schließlich eine Regelung, die die Fälschung von Kreditkarten so bestraft wie die Fälschung von Scheckkarten.Jedoch, meine Damen und Herren: Politik ist die Kunst des — auch zeitlich — Möglichen. Die abschließende Beratung weiterer komplizierter Novellierungsvorschläge war bis zum Ende dieser Legislaturperiode nicht mehr zu schaffen. Ich freue mich jedoch darauf, sie nach den Bundestagswahlen in dieser Koalition aus CDU/CSU und F.D.P. erneut in Angriff nehmen zu können.Vielen Dank.
Ich erteile das Wort dem Kollegen Dr. Hans de With.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es sind zwölf sehr unterschiedliche Bereiche, die Sie mit Ihrem Verbrechensbekämpfungsgesetz regeln wollen: Es geht vom Täter-Opfer-Ausgleich über die Bestrafung des Verwendens nationalsozialistischer Kennzeichen, dieÄnderung des Ausländergesetzes, des Asylverfahrensgesetzes, die Einführung der Hauptverhandlungshaft, die Erweiterung der Kronzeugenregelung, die Änderung des Gesetzes zu Art. 10 GG bis hin zum Vereinsgesetz und zum Bewachungsgewerbe.
Hinzu kam schließlich noch die Einführung eines Straftatbestandes zur Auschwitz-Lüge. Was ist das denn anderes als ein zusammengerafftes Sammelsurium, das Sie als Wundertüte verkaufen möchten?
Das von der SPD eingeführte Zweite Gesetz zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität umfaßt dagegen drei klare Bereiche:
Es geht erstens um die Einführung der elektronischen Wohnraumüberwachung, zweitens um Verschärfungen im Bereich der Geldwäsche und drittens um die Vermögenseinziehung.Alle diese Regelungen — Herr Geis, hören Sie zu — aus Ihrem Entwurf haben Sie in nur einer einzigen Sitzung des Rechtsausschusses regelrecht durchgeboxt.
Zum SPD-Gesetzentwurf zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität haben Sie in jener Sitzung keinen wirklichen Debattenbeitrag geleistet. Sie haben schlicht und einfach nein gesagt und sich dem Dialog verweigert.
Es ging Ihnen ganz offenkundig darum, mit Blick auf den Wahlkampf den Eindruck zu erwecken, als ob man das unübersehbare Wachsen der Kriminalität durch nachhaltige Gesetzesvorschläge bekämpfen könne. Das, was Sie gemacht haben, war Gesetzesautomatismus; zudem sind Sie mit dem Hackebeil des Abstimmungsmechanismus vorgegangen.
— So war es, Herr Geis. — Angesichts dieser sehr empfindlichen Materie kann das beim besten Willen nicht als seriöse Beratung betrachtet werden.
Ich kann mich jedenfalls während meiner 25jährigen Tätigkeit hier in diesem Hause nicht erinnern, daß es auch nur ein einziges Gesetzesvorhaben gegeben hätte, das von der Mehrheit des Hauses ähnlich behandelt wurde, wie Sie es getan haben.Gleichwohl freue ich mich — hier stimme ich mit allen Vorrednern überein —, daß wir uns in einem sehr
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Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 229. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. Mai 1994 19887
Dr. Hans de Withbewegenden Punkt einstimmig dazu entschließen konnten, Vorschriften zu verabschieden, die die Bekämpfung des Neonazismus betreffen, und eine Vorschrift einzuführen — ich sage: endlich! —, die man die Bestrafung der Auschwitz-Lüge heißt.Allerdings — und das muß hinzugefügt werden — konnten sich die Koalitionsfraktionen erst am vergangenen Freitag durchringen, eine entsprechende Vorschrift vorzulegen. Frau Ministerin, Sie haben dabei gesagt, das sei eine Vorschrift aus Ihrem Hause gewesen. Das stimmt. Nur, nobel wäre es gewesen, wenn Sie gesagt hätten, daß diese Vorschrift vor mehr als zwölf Jahren entstanden ist,
als die politische Verantwortung Sozialdemokraten getragen haben. Das zu sagen haben Sie unterlassen.
Ich meine, wir sollten auch bei der Debatte nichts verschweigen, sondern redlich miteinander umgehen.Gleichwohl kann die gemeinsame Verabschiedung dieser Bestimmung in der Tat nur begrüßt werden. Sie soll ein Zeichen setzen — ich sage das sehr dezidiert nach der Debatte am vergangenen Mittwoch — für die Leidgeprüften, aber auch für die vielen Passiven in unserem Land und natürlich für die Strafverfolgungsbehörden zur Rückenstärkung. Rechtsradikalen Umtrieben muß in der Tat ohne Wenn und Aber entgegengetreten werden, wann immer und in welcher Form auch immer sie auftreten. Jedwedes nationalsozialistische Handeln ist zu ächten,
wollen wir verhindern, daß diese Republik nicht schleichend eine andere wird.
Der Entwurf der SPD zur Bekämpfung der Schwerstkriminalität will zwei ganz offenkundige Lücken schließen; das ist wohl unbestreitbar. Lassen Sie mich dies etwas sorgfältiger ausführen, damit wir — ich sage das einmal so — von der Schlägerei etwas wegkommen.Bisher ist es den deutschen Strafverfolgern nicht erlaubt, Mafia-Bosse oder internationale Rauschgiftdealer in ihren Privaträumen unbemerkt elektronisch zu überwachen. Das heißt, die Kriminellsten der Kriminellen haben so einen klaren Freiraum, und das wissen sie.Natürlich wissen wir Sozialdemokraten um die Problematik der elektronischen Wohnraumüberwachung. Wir haben deswegen versucht, wirklich vorzusorgen: von der öffentlichen Berichtspflicht — wie in den Vereinigten Staaten — über die Überprüfbarkeit jeder Einzelmaßnahme durch die Gerichte bis hin zur Anordnungsbefugnis, die nur durch drei Richter und zusätzlich ein Parlamentsgremium möglich sein soll. Ich kann beim besten Willen nicht einsehen, warum wir das nicht so ausgestalten können, daß das jederzeit rasch funktioniert. Sie hätten nur mit uns in einen Dialog eintreten müssen.
— Herr Kollege Geis, Sie wollen das gleiche wie wir. Sie stimmen aber nicht zu, weil die F.D.P. es nicht will und Sie sich der Räson der Koalition beugen. Das ist doch der wahre Grund, nichts anderes.
Wenn Sie jetzt unseren Vorschlag mit dem Hinweis ablehnen, das sei alles zu schwerfällig, dann sage ich, Sie hätten doch Änderungsvorschläge einbringen können.
Sie wissen ganz genau: Ein kompliziertes Gesetz wird nie so verabschiedet, wie es eingebracht wird. Nachdem Sie aber überhaupt keinen einzigen Änderungsvorschlag eingebracht haben, kann ich Ihren Hinweis, das gehe so nicht, schlicht und einfach nur als Vorwand bezeichnen und sonst gar nichts.
Herr Kollege Geis, der Kollege de With stimmt zu, daß Sie eine Zwischenfrage stellen.
Herr de With, stimmen Sie mit mir darin überein, daß es viel zu lange gedauert hätte, wenn wir Änderungsvorschläge gemacht hätten und Sie damit — wie es bei Ihnen üblich ist — auf Ihren Parteitag gegangen wären,
und daß Sie auf Grund des Abstimmungsergebnisses auf Ihrem Parteitag überhaupt nicht gewiß gewesen wären, daß unsere Vorschläge wirklich Erfolg gehabt hätten? Stimmen Sie mit mir überein, daß es dann besser ist, diese Vorschläge erst gar nicht zu machen?
Herr Kollege Geis, ich stimme mit Ihnen überhaupt nicht überein. Es ist bei der SPD als der ältesten demokratischen Partei schon immer so gewesen, daß wir einen Beschluß fassen, daß die Fraktion versucht, ihn umzusetzen, und daß wir dann — weil das, was wir beschlossen haben, vernünftig ist — versuchen, zu einem weittragenden Kompromiß zu kommen. Natürlich stellen wir das dann noch einmal in unserer Partei zu Debatte. Aber wir sind nicht so ängstlich, daß wir jedesmal rückfragen.
Das war schließlich beim Asylkompromiß auch so, wobei ich einräume: Natürlich ist es uns nicht leicht gefallen, uns hier durchzuringen — weil Grundprinzipien des Individuums auf dem Spiel stehen. Das kann
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19888 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 229. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. Mai 1994
Dr. Hans de Withman nicht handstreichartig verabschieden — aber wir haben uns durchgerungen.
Unser Beschluß steht, aber die „große Koalition" ist nicht in der Lage, es uns gleich zu tun. Das ist der Punkt und nichts anderes.
Auch zum Vermögenseinziehungsgesetz haben Sie nein gesagt, ohne einen einzigen wirklichen Debattenbeitrag zu leisten.
— Herr Kollege van Essen, wenn Sie sagen „zu Recht" , dann ist das nicht nur sehr verkürzt, sondern im Kern auch unparlamentarisch. Selbst wenn Sie im Prinzip von vornherein nein sagen, wäre es vernünftig gewesen, bei dieser schwierigen Sach- und Rechtslage, die dadurch gekennzeichnet ist, daß es beim organisierten Verbrechen in erster Linie um Geld geht, mit uns zumindest in eine Debatte einzutreten. Auch das haben Sie verweigert. Das müssen wir kritisieren.
Bei allen Schwierigkeiten der Aufarbeitung dieser heiklen Materie kommen auch Sie an zwei Grundprinzipien nicht vorbei: Das organisierte Verbrechen lebt vom großen Geld. Es will dies haben und braucht es auch, um Einfluß in Gesellschaft, Wirtschaft und Staat zu gewinnen. Deswegen wäre es der wirksamste Hebel, wenn wir unsere Hand auf dieses inkriminierte Geld legen könnten.
Das zweite ist — da können Sie sagen, was Sie wollen, und auch die Frau Ministerin war nicht bereit, auf meinen Zwischenruf einen einzigen Hinweis zu geben —: Es gibt keinen Beweis, daß die bisherigen Regelungen auch nur ansatzweise greifen. Nach 16 Monaten müßte man doch wirklich absehen, ob der erweiterte Verfall oder die Vermögenseinziehung in der Tat ein geeignetes Instrument ist, dem organisierten Verbrechen wirklich grundlegend das Geld zu nehmen. Aber das ist nicht der Fall.
Herr Kollege de With, der Kollege van Essen würde gern eine Zwischenfrage stellen.
Ja. Vizepräsident Hans Klein: Bitte.
Herr Kollege de With, stimmen Sie mir zu, daß kein einziger Kollege aus der SPD - ich dagegen sehr wohl — eine Anfrage an die Bundesregierung gestellt hat, wie die Erfahrungen mit den neuen Vorschriften zur Einziehung von kriminellem Vermögen sind, und stimmen Sie mir auch zu, daß die Antwort der Bundesregierung ergeben hat, daß insbesondere die Vermögensstrafe angewandt worden ist, daß die Entscheidungen rechtskräftig sind, daß wir eine Fülle von Entscheidungen zum erweiterten Verfall haben, und stimmen Sie mir deshalb in
dem Schluß zu, daß Ihre Auffassung, daß die Vorschriften nicht gegriffen haben, nach der Praxis jedenfalls nicht zutrifft?
Daß Sie als einziger eine solche Frage gestellt haben, dem stimme ich zu. Das will ich überhaupt nicht bestreiten. Aber daß die Antwort völlig ungenügend war, das wollen Sie nicht wahrhaben. Die Antwort hätte aussagen müssen, wo und wie exakt welche Gelder in welchem Ausmaß „trockengelegt" wurden, so daß das organisierte Verbrechen zumindestens teilweise getroffen worden wäre. Aber das steht in der Antwort nicht drin, und das konnte die Ministerin auch heute nicht sagen. Es war eine gute Gelegenheit gegeben, das hier vor unser aller Augen auszubreiten. Wir würden das ja entgegennehmen. Wir versteifen uns doch nicht allein auf unsere Vorschriften.
Wir wollen wirklich ein Instrument finden, das dem organisierten Verbrechen das Entscheidende, nämlich das inkriminierte Geld, nimmt.
Ich darf nun kurz erläutern, wie unser Verfahren aussieht; denn offenbar hat das kaum einer gelesen.
Wir meinen, daß, losgelöst von einer rechtskräftigen Verurteilung, Vermögen dann beschlagnahmt und eingezogen werden kann, wenn hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, daß dieses Vermögen mit hoher Wahrscheinlichkeit aus schweren Straftaten herrührt oder dafür verwendet werden soll. Das heißt doch überhaupt nicht — was Sie immer behaupten —, daß der Betroffene beweisen muß, woher das verdächtige Vermögen kommt. Es genügt, wenn er diese auf sehr hohen Anforderungen beruhende Vermutung widerlegt oder auch nur erschüttert. Mehr muß er nicht tun.Im übrigen: Jeder normale Mensch kann doch belegen, woher das Geld für sein Haus kommt, woher seine Wertpapiere stammen und wie sich sein Sparbuch aufgefüllt hat.
Das ist überhaupt keine Schwierigkeit. Aber diesen Beweis verlangen wir nicht einmal.
Nebenbei bemerkt: Kleinfälle wollen wir ohnehin nicht erfassen.Unser Verfahren kennt zwei Stufen: Zunächst erfolgt eine Sicherstellung. — Dagegen können Sie gar nichts haben. Das haben wir auch heute schon in der Strafprozeßordnung. — Aber diese Sicherstellung endet nach unseren Vorstellungen nach sechs Monaten, es sei denn, dem Staat gelingt es, in der zweiten Stufe eine wesentlich höhere Voraussetzung zu belegen, damit dann die Einziehung durchgeführt werden kann. Dem Betroffenen steht dann der Rechtsweg bis
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Dr. Hans de Withhin zum Bundesgerichtshof offen. Er kann sich „durchprozessieren" .
Ein Weiteres: Der Staat macht sich schadensersatzpflichtig, wenn der Betroffene die Vermutung widerlegen kann. Auch das wird die Strafverfolger dazu bringen, vorsichtig in der Anwendung zu sein.Was wir hier vorschlagen, wird in den Vereinigten Staaten schon praktiziert.
Sie können doch dieses Land nicht als undemokratisch bezeichnen; es ist vielleicht das kapitalistischste Land.
— Nein, es ist nicht abgeschafft.Ich sage einmal ganz platt: Warum in aller Welt soll eine Autowerkstatt nicht eingezogen werden können, wenn hinreichende Anhaltspunkte dafür bestehen, daß diese mit hoher Wahrscheinlichkeit allein dazu dient, Autos umzufrisieren, mit falschen Papieren zu versehen und an die Mafia ins Ausland zu verscherbeln?
Es ist schon gesagt worden, aber ich wiederhole es: Organisierte Kriminalität schadet auch dem Normalbürger. Der Autodiebstahl kann jeden treffen, genauso wie der große Heroindeal letztlich umschlägt in die Beschaffungskriminalität vieler einzelner kleiner Süchtiger. Selbstverständlich wären wir gern bereit, darüber mit Ihnen zu debattieren, aber Sie haben immer nur schlicht und einfach nein gesagt und sich damit verweigert. Anders kann es nicht bezeichnet werden.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, im Verbrechensbekämpfungsgesetz der Koalitionsfraktionen — ich habe gesagt, es umfaßt zwölf Bereiche — gibt es natürlich eine ganze Menge von Vorschriften, die wir bejahen. Aber wir haben auch eigene entsprechende Vorschriften vorgelegt, noch ehe Sie übergekommen sind, z. B. zum Täter-Opfer-Ausgleich. Der Nachteil Ihrer Vorschriften ist, daß sie nicht so weitgehend sind wie unsere. Sie wollen sie noch schnell vor den Wahlen verabschieden. Das ist der Pferdefuß. Deswegen können wir uns hier nur enthalten.Es gibt andere Vorschriften, denen wir glatt zustimmen können. Das haben wir breit ausgeführt. Das heißt, wir verweigern uns nicht wie Sie, nur weil der Vorschlag von der anderen Seite kommt.
Apropos Strafrahmen: Es ist in der Tat an der Zeit, daß nach mehr als hundert Jahren unser Strafgesetzbuch durchforstet wird, weil immer noch die Eigentumsdelikte sehr viel strenger geahndet werden als die Delikte gegen die körperliche Integrität.
Sie aber regeln nur den Bereich der Körperverletzung. Sie gehen nicht an die Tötungsdelikte heran oder an die räuberische Erpressung. Sie gehen nicht an die Vergewaltigung heran. Dazu gibt es übrigens eine Vorlage von uns. Sie kann nicht beraten werden, weil Sie das immer hinausschieben. Was wir wollen, ist, daß wirklich einmal grundlegend geprüft wird, wie wir endlich die Schieflage zwischen Eigentumsdelikten und Delikten gegen die körperliche Integrität aufheben und verändern können. — Hermann Bachmaier steht dafür. Er hat das oft genug begründet. — Es gibt für diese Schieflage ganz haarsträubende Belege und Beweise, es gibt sogar Entscheidungen des Bundesgerichtshofs. Deswegen unser Appell an Sie — die Sache hängt noch —: Stimmen Sie dem endlich in der nächsten Woche im Rechtsausschuß zu!
Daß wir andere Bereiche ablehnen, jedenfalls weitgehend, etwa Ihre Vorschläge zur Strafprozeßordnung, ist schon erläutert worden. Was wir aber unter keinen Umständen mitmachen können, ist Ihr Vorschlag zu § 3a des G-10-Gesetzes. Das will ich in der mir noch zur Verfügung stehenden Zeit kurz begründen.Der Bundesnachrichtendienst kann mit seinen elektronischen Abhöreinrichtungen — wie es so schön heißt — nicht leitungsgebundene Fremdverkehre abhören, also solche, die über Satelliten laufen. Zu diesem Zwecke sollen in den Computer Suchbegriffe eingegeben werden, mit deren Hilfe entsprechende Telefonate herausgefiltert werden können. Mit dem so erfaßten Fernmeldeverkehr können Detailerkenntnisse gewonnen werden, die, wie Mosaiksteinchen zusammengefügt, den Verkauf beispielsweise einer Anlage zur Giftgasherstellung offenbaren können.Mit Recht denken Sie jetzt an Rabta in Libyen. Diese Möglichkeit kann ausgeweitet werden. Man kann sich vorstellen, auf dieselbe Art und Weise zu erfahren, daß es — eine ganz schlechte Sache — einen Plutoniumdeal gibt. Jedoch kann nach dem geltenden Recht, wegen Art. 10 des Grundgesetzes, das nicht offenbart werden, wenn z. B. ein Anschluß in Deutschland liegt. Der Bundesnachrichtendienst ist verpflichtet, diese Erkenntnis zu vernichten. Deswegen hat der damalige Präsident des Bundesnachrichtendienstes, Kinkel, in einem Erlaß geregelt, daß solche Erkenntnisse in den Papierkorb gehören. Das war korrekt, weil es die Gesetzeslage ist. Daß diese Gesetzeslage unerträglich ist und wir nicht in den Papierkorb schmeißen können, was von größtem Schaden für viele sein kann, liegt auf der Hand.
Es darf auch nicht sein, daß uns, wie es im Fall Rabta geschehen ist, die Amerikaner sagen: Da ist aber was mit euch, mit einer Giftgasanlage, und wir peinlich berührt etwas entgegennehmen müssen, was wir
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19890 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 229. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. Mai 1994
Dr. Hans de Withselber leicht hätten herauskriegen können. Ich sage noch einmal: Dieses Problem wollen wir mit Ihnen lösen.
Nur, Sie schießen weit über das Ziel hinaus. Warum? — Weil Sie eine Vorschrift eingeführt haben, nach der der Staatsanwalt in einem bestehenden Ermittlungsverfahren den Bundesnachrichtendienst anweisen kann,
als dessen verlängerter Arm tätig zu werden. Das heißt, Sie denaturieren einen Nachrichtendienst, der von der Ausbildung her eine ganze andere Aufgabe hat, zum Hilfsbeamten der Staatsanwaltschaft.
Herr Kollege de With, Ihre Redezeit ist zu Ende.
Weil wir diese Vermischung und diese Vermengung von Geheimdienst und Staatsanwaltschaft nicht wollen — weil es bedeuten würde, daß am Anfang der Ermittlung Entscheider stehen, die praktisch der Kontrolle entzogen sind —, können wir das unter gar keinen Umständen akzeptieren.
Eine ganz andere Sache ist es, ob wir nicht die Möglichkeiten technischer Art, die der Bundesnachrichtendienst hat, woanders installieren, damit sie kontrolliert und rechtsstaatlich benutzt werden — aber bitte nicht im Schnellschuß, so wie Sie es vorgeschlagen haben.
Es kommt ein weiteres hinzu: Wenn ausländische Dienste spüren, daß Beamte unseres Bundesnachrichtendienstes von pfiffigen Verteidigern vor Gericht gezogen werden, weil sie in das Ermittlungsverfahren eingebunden werden, dann frage ich mich: Was ist unser Dienst gegenüber anderen Diensten noch wert? Die ausländischen Dienste müssen doch befürchten, daß, wenn sie unseren Pullachern eine Nachricht geben, diese das vor Gericht ausplaudern müssen.
Was Sie hier vorschlagen, ist ganz und gar nicht überlegt. Ich sage das nicht aus parteipolitischen Gründen.
Wie Sie wissen, bin ich Vorsitzender des G-10Gremiums. Ich fürchte um den Bestand des Bundesnachrichtendienstes, wenn das Gesetz wird, was Sie vorschlagen. Das muß man anders machen und sorgfältig auseinanderhalten und auseinandernehmen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich bin am Schluß meiner Ausführungen. Ich habe ja Verständnis dafür, daß Sie kurz vor Schluß der Legislaturperiode nach zwölf Jahren — ich sage es einmal so — Herrschaft beweisen wollen, daß Sie einen geölten muskelstarken Arm in der Verbrechensbekämpfung haben wollen. Aber Sie können nicht im Ernst behaupten, daß Sie wirklich in der Lage sind, mit diesem Sammelsurium Verbrechen wirksam zu bekämpfen.
— Herr Kollege Geis, Sie haben Gelegenheit, sich zu entschuldigen. Ich weiß, daß Sie temperamentvoll sind.
Wenn Sie in einen Dialog mit uns eingetreten wären — —
Verzeihung, Herr Kollege de With. Das will ich sofort in Ordnung gebracht sehen.
— Er soll ja auch ausreden. Ich möchte nur, daß der Kollege Geis den Zwischenruf in Ordnung bringt.
Herr de With, wir verstehen uns so gut, und ich möchte dies zurücknehmen.
Gut.
Herr Kollege Geis, ich bedanke mich. Ich habe das erwartet. Die Sache ist ausgestanden.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir alle haben uns verschworen, Verbrechen zu bekämpfen. Nur: Wir sollten nicht den Eindruck erwecken, daß wir dies in erster Linie durch Aktionismus in der Gesetzgebung erreichen. Wenn, dann müssen wir die wirklich gravierenden Lücken schließen. Das sind die Lücken, die ich aufgezeigt habe: bei der Geldwäsche, beim Lauschangriff und bei der Vermögenseinziehung.
Wir sollten nicht bei dem einen oder anderen blank nein sagen. Ich denke, wir haben ein Beispiel gegeben: Wir stimmen einer ganzen Reihe von Vorschlägen zu, die Sie gemacht haben. Springen Sie doch einmal ein bißchen über Ihren Schatten! Die Sache wäre es wert.
Vielen herzlichen Dank.
Ich erteile das Wort dem Kollegen Dr. Burkhard Hirsch.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin wirklich auf die Gnade des Präsidenten angewiesen, wenn ich in den mir zur Verfügung stehenden fünf Minuten die gesammelten Irrtümer von Herrn de With widerlegen und außerdem noch sagen will, was ich selber ausführen wollte.Herr de With, Sie wollen eine Vermögenseinziehung auf Verdacht durch Verwaltungsentscheidung.
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Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 229. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. Mai 1994 19891
Dr. Burkhard HirschGenau das wollen wir nicht; das haben wir hier im Plenum mehrfach gesagt.
Wir wollen eine Vermögensstrafe nach der Verurteilung des Täters. Das geltende Recht geht in der Wirkung sehr viel weiter als das, was Sie in merkwürdiger Verschlingung vortragen.Ich wundere mich, daß Sie sich über die Vielfalt des Gesetzes beklagen, während in einem Entschließungsantrag der Fraktion der SPD — gezeichnet durch Hans-Ulrich Klose und Fraktion — gesetzliche Vorschläge, Entscheidungen und Maßnahmen zu zehn verschiedenen Bereichen gefordert werden. Wir tun hier genau das, wovon Sie uns vorwerfen, wir täten es nicht.Ich habe mich neulich über ein Fernsehinterview gewundert, in dem gesagt wurde: Diese Koalition macht keinen Täter-Opfer-Ausgleich. Dabei steht dies doch im Gesetzentwurf! Hier wird merkwürdigerweise nicht besonders erwähnt, daß wir genau das tun.Bei der Drogenkriminalität sagen wir: Wir wollen nicht Kriminalität und Mißbrauchsbekämpfung miteinander vermischen. Es wird keinen Rückschritt bei dem Grundsatz „Prävention vor Strafe" geben.Was den Lauschangriff angeht, die unbemannte Wanze: Schade, daß Herr Professor Heuer nicht mehr hier ist, der vorhin Zwischenrufe dazu gemacht hat; ich wollte es eigentlich ihm überlassen, etwas mehr über seine Erfahrungen mit Wanzen zu sagen.Frau Fuchs, in der Tat bekämpft das Gesetz nicht die Ursachen, sondern Erscheinungsformen der Kriminalität. Aber es ist wirklich altes Denken, hier den Eindruck zu erwecken, es sei eine Frage der Länderkoalitionen, wie stark oder nicht stark die Kriminalität in den einzelnen Ländern ist. Es handelt sich um Strukturprobleme unserer Gesellschaft.
Verzeihung, daß ich Sie unterbreche. — Herr Kollege Dr. Peter Struck, ich bitte um Vergebung, aber der Redner hatte gerade Frau Fuchs angesprochen. Sie hatte keine Chance, das zu hören. Diese Gelegenheit möchte ich ihr doch verschaffen.
Sie wird das sicherlich im Protokoll interessiert nachlesen.Es ist altes Denken zu sagen, daß die Kriminalität von den Koalitionen in den Länderregierungen abhängt. Das ist einfach Unsinn. Vielmehr geht es um Strukturprobleme unserer Gesellschaft, die natürlich Anreize zur Kriminalität in der Werbung, in der Mobilität, in der Anonymität unserer Lebensform, in der Öffnung der Grenzen bieten, die wir gar nicht verändern wollen. Darum muß man sehr viel tiefer ansetzen, wenn Sie darüber wirklich debattieren wollen.Ich bin der Überzeugung, daß natürlich die Straftäter nicht sozusagen schreckensbleich das Weite suchen, wenn dieses Gesetz in Kraft tritt, aber es bringt zweifellos bei der Bekämpfung nationalsozialistischer Devotionalien, bei Volksverhetzung, bei Körperverletzung, bei Geldwäsche, in Fällen, in denen der Täter auf frischer Tat ertappt wird, wesentliche verfahrensrechtliche und strafrechtliche Verbesserungen, die notwendig sind. Sie müssen durch praktische Polizeiarbeit in die Wirklichkeit umgesetzt werden
und natürlich auch durch die Annahme der Vorschriften von Justiz und Staatsanwaltschaften, insbesondere bei den beschleunigten Verfahren.
Wenn die polizeiliche Präsenz vor Ort und die Polizeiarbeit nicht in Ordnung sind, wenn, wie in Magdeburg, die Polizei am Ende nicht weiß, ob sie einen Täter, ein Opfer oder einen Nichtbeteiligten festgenommen hat, dann nützen die besten Verfahrensvorschriften nichts. Darm kann man sich das in die Haare schmieren. Man sollte weder sich selber noch das Publikum darüber täuschen, daß Sicherheit nicht durch Gesetzgebung alleine und nicht zum Nulltarif zu erreichen ist.
Ich möchte noch auf zwei Punkte zurückkommen, die ich für wichtig halte. Der getroffene Kompromiß ist sehr kritisiert worden, daß der BND bei der Satellitenkontrolle entweder nach den Regeln des G-10-Gesetzes oder nach richterlicher Entscheidung im Rahmen der Strafprozeßordnung seine Anlagen zur Verfügung stellen kann. Es ist richtig, daß wir dabei weit über den bisherigen Rahmen der Telefonkontrolle bei internationalen Gesprächen hinausgehen. Aber dem steht gegenüber, daß wir die gesetzliche Aufgabenstellung des BND ausdrücklich nicht verändern, daß es keine Verfassungsänderung zu Art. 10 gibt, daß es im Gegensatz zu den bisherigen G-10-Regelungen zu einer lückenlosen, nachträglichen Benachrichtigung des Betroffenen kommt und daß der Datenschutzbeauftragte das Verfahren kontrollieren kann, allerdings im Auftrag der Kommission.Da Sie, Herr de With, hier gesagt haben, daß Sie der Vorsitzende sind, bedaure ich, daß Sie bisher nicht in einem einzigen Fall von der gesetzlichen Möglichkeit Gebrauch gemacht haben, daß der Datenschutzbeauftragte die G-10-Maßnahmen kontrolliert. Das ist nicht in Ordnung.
—Sie können doch die Entscheidung treffen. Sie haben es nicht getan.
Das ist einer der Bereiche, der in der Tat nachgebessert werden muß, was wir bei nächster Gelegenheit tun werden.Das zweite ist eine Regelung, die ich jetzt auch nur stichwortartig erwähnen kann, nämlich: Wir wollten einen besseren Schutz der minderjährigen Ausländer
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19892 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 229. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. Mai 1994
Dr. Burkhard Hirschvor Abschiebung in den Fällen, in denen sich die Eltern in der Bundesrepublik selber befinden. Da reicht das, was im Gesetz steht, nach unserer Überzeugung nicht aus.
Wir bedauern, daß in beiden Bereichen, weder bei der notwendigen Kontrolle der G-10-Maßnahmen durch den Datenschutzbeauftragten, der unser Vertrauensmann, Vertrauensmann des Parlamentes ist — wir haben ihn gewählt; Sie haben ihn mitgewählt —, noch bei der Frage der Abschiebung von Minderjährigen, deren Eltern in der Bundesrepublik leben, auch bei unserem Koalitionspartner kein Verständnis und kein Entgegenkommen zu finden war. Das sind zwei Punkte, die wir uns merken werden und auf die wir zurückkommen, sobald eine Änderung möglich ist. Ich kündige das hiermit an.
Vizepräsident Hans Klein: Herr Kollege, — —
Darf ich noch einen Satz sprechen, Herr Präsident?
Das reicht nicht aus, um das Gesetz insgesamt abzulehnen. Wir betreten in mancher Frage Neuland. Aber mit einem muß Schluß sein: Es muß Schluß sein, daß wir ständig am Kern von Strafrechten und Verfahrensregelungen herumbosseln, ohne ausreichend Erfahrung mit dem zu sammeln, was wir bisher schon gemacht haben. Das entwürdigt das Gesetz und das Gesetzgebungsverfahren. Darum muß damit Schluß sein.
Vielen Dank.
Wir sind in dieser Debatte in einem etwas schwierigen Fahrwasser. Der Kollege Hans de With hat wesentlich länger geredet, als angemeldet war. Das haben wir dann noch ein bißchen nachgemeldet. Jetzt hat der Kollege Hirsch ordentlich überzogen. Jetzt meldet sich der Vorredner zu einer Kurzintervention, die ich zulassen werde. Aber ich bitte Sie doch, von hier an die Debatte normal weiterlaufen zu lassen, denn es ist schon ein ungewöhnlicher Vorgang.
Bitte, Herr Kollege de With.
Herr Präsident, es beweist, wie kompliziert und sensitiv die Materie ist. Es ist gerechtfertigt, vor der Öffentlichkeit auszubreiten, worum es eigentlich geht.
Wenn Kollege Hirsch mir im Grunde vorgeworfen hat daß ich nicht dafür Sorge getragen hätte, daß der Datenschutzbeauftragte — ich sage das einmal so platt — in G 10 hineingeht, dann muß er doch wissen, daß ich das als Vorsitzender par ordre du mufti gar nicht anordnen kann. Die Mehrheit im G-10-Gremium hat die Koalition.
Ich sage ein Zweites dazu. Ich habe immer verlangt, daß auch nach G 10 für das Gremium die Möglichkeit
bestehen soll, dem Parlament von Zeit zu Zeit zu berichten und mit Zweidrittelmehrheit Erklärungen nach draußen abzugeben, damit das Geschehen im Bereich der Dienste und des Abhörens durchsichtiger wird. Ich hätte es begrüßt, wenn bei dem Änderungsvorschlag der Koalitionsfraktionen zu G 10 auch diese Möglichkeit, es der Öffentlichkeit etwas mehr zu öffnen, dringestanden hätte. Ich vermisse es, es fehlt.
Ich hoffe und wünsche nur, daß wir das zu Beginn der nächsten Legislaturperiode gemeinsam in Ruhe wirklich nachholen können; denn die Öffentlichkeit hat, meine ich, das Recht, zu wissen, was da vorgeht. Sie weiß es im Kern nicht. Wir haben als demokratischer Staat — das sage ich dezidiert, obwohl ich von der Opposition bin — nichts zu verbergen.
Zur kurzen Replik Kollege Dr. Hirsch.
Herr Kollege de With, da die Beratungen der Kommission nicht öffentlich und vertraulich sind, möchte ich über das Verfahren in der Kommission öffentlich nicht debattieren. Notwendig wäre aber — das entnehme ich auch Ihren Bemerkungen —, daß der Datenschutzbeauftragte die G-10-Maßnahmen besser kontrollieren kann, als das bisher de facto oder rechtlich der Fall ist. Wir treten seit langem dafür ein, daß — ich erinnere an viele Initiativen des Kollegen van Essen — in den Fragen der Telefonkontrollen mehr Publizität stattfindet, weil dabei in der Tat nichts zu verbergen ist und weil wir damit die gemeinsamen Interessen fördern würden.
Wenn wir die Debatte in diesem Punkt damit beenden könnten, daß wir in der nächsten Legislaturperiode in dieser Frage gemeinsam bessere Entscheidungen treffen, dann bin ich mit diesem Teil der Debatte sehr zufrieden.
Ich erteile das Wort dem Bundesminister des Innern, Manfred Kanther.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Verehrte Damen! Meine Herren! Ich möchte jetzt nicht alles das wiederholen, was die Debatte schon erbracht hat, sondern mich auf wenige Kernaspekte der Diskussion beschränken. Wir haben viele Fachfragen auch schon in der ersten Lesung und im Ausschuß behandelt.Die Bürger in der Bundesrepublik Deutschland haben Angst vor Verbrechern, und die Politik ist gehalten, ihnen diese Angst nach Kräften zu nehmen. Dafür braucht sie zutreffende Gesetze, eine kräftige Polizei, eine entschlossene Justiz. Dies alles herbeizuführen ist die Aufgabe der Politik und der Regierung. Daran machen wir uns.
Wir wissen, daß das nicht alles ist. Es gibt eine Fülle von geistigen Aspekten der Verbrechensbekämpfung, die ganz tief in die Gesellschaft reichen, die
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Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 229. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. Mai 1994 19893
Bundesminister Manfred KantherFamilien, Schulen, Erziehungssysteme und Wertebegriffe und auch die Abschleifung von Wertebegriffen, auch das politische Ramponieren von Wertebegriffen über Jahrzehnte berühren. All dies läßt sich nicht über Nacht wiederherstellen.
Das ist keine Frage z. B. nur an die Bundesregierung und die sie tragenden Parteien.Insofern ist von Vorrednern richtig erkannt, daß mit vielen Ansätzen in diesem Gesetzentwurf auch Tendenzänderungen erreicht werden sollen. Deshalb werden diesem Gesetz auch weitere und viele Maßnahmen der Verbrechensbekämpfung folgen. Mit dem Gesetzentwurf soll der Blick von einer bevorzugten Täterbetrachtung der vergangenen zwei Jahrzehnte hin zu Opfern und gesetzlichen Schutzzwekken gelenkt werden. Das ist die mit ihm verbundene Absicht.
Das kann man nicht nur dekretieren, das muß in den Geist von Wissenschaft und Rechtsprechung einziehen.
Aber das politische Signal soll gegeben sein.Das Gesetz will, daß Strafe der Tat schneller auf dem Fuß folgt.
Deshalb setzt es an bei beschleunigten Verfahren und verbessertem Haftrecht. Das sind wirksame Antworten auch auf Übeltaten wie Oberhof oder Magdeburg, aber nicht nur.Das Gesetz will eine Vielzahl von Punkten ordnen. Es ist nichts gewonnen, Kollege de With oder Frau Fuchs, mit der Bezeichnung Sammelsurium gegenüber einem Artikelgesetz, das ganz bewußt an vielen Stellen ansetzt, weil die Bürger erwarten, daß wir auf alle Formen von Kriminalität eine Antwort geben. Es ist bei aller Widerwärtigkeit von rechtsextremistischen oder gar gewalttätigen Umtrieben völlig falsch, so zu tun, als ob darin das einzige Problem der Verbrechensbekämpfung in Deutschland läge.
Selbstverständlich müssen wir bei 6,7 Millionen Straftaten in diesem Land auf alle Felder der Kriminalität eine Antwort geben,
auf die allgemeine Kriminalität von Handtaschenraub, Überfällen, Wohnungseinbrüchen, Kraftfahrzeugdiebstählen, aggressivem Betteln, Körperverletzung, Vergewaltigung. Und das tun wir im Haftrecht, bei der Verschärfung von Strafrahmen. Das tun wir beim beschleunigten Verfahren.Wir müssen auf organisierte Kriminalität Antworten geben, und natürlich geschieht das.
Es geschieht mit der Kronzeugenregelung. Wenn Sie hier vollmundig antreten und sagen, Ihr Entwurf ziele bevorzugt auf Bekämpfung organisierter Kriminalität — das andere haben Sie weggelassen —, dann erklären Sie einmal, warum Sie einem Gesetz die Zustimmung versagen wollen, das die Kronzeugenregelung aufnimmt. Erklären Sie, warum Sie, wenn Sie für das Abhören von Gangsterwohnungen mit einem zu meinem Bedauern nicht brauchbaren, aber noch näher zu erörternden Vorschlag eintreten, genau das, was wir mit dem G-10-Bereich und den Möglichkeiten des Bundesnachrichtendienstes schaffen wollen, ablehnen.Es ist eine SPD-Plausibilität, die da lautet: Abhören von Gangsterwohnungen in einem unbrauchbaren Verfahren ja, große Ohren des Bundesnachrichtendienstes aufstellen gegen ebendieselben Gangster in einem tauglichen Verfahren nein. Das muß mir erst einmal einer erklären. Das ist die Situation.
— Nein, Herr Kollege de With. Verkürzungen müssen beim Stand der Debatte jetzt sein — ich habe das Wort des Präsidenten im Ohr —, alles andere nicht.Es ist die Wahrheit: Wenn wir technische Möglichkeiten beim Bundesnachrichtendienst, Einrichtungen und teures Personal haben, mit denen wir gegen Geldwäsche, Geldfälschung, Terrorismus, Waffenhandel Nachrichten aufnehmen können, dann muß uns doch jemand erklären, warum wir das nicht tun wollen.Ich brauche gar nicht die historische Reminiszenz von Frau Fuchs näher zu untersuchen: Es ist völlig falsch, die Frage nach der Verletzung des Gebots der Trennung von Verfassungsschutz, Nachrichtendiensten und Polizei überhaupt nur aufzuwerfen.
— Verehrte Frau Kollegin, ich nutze doch die Gelegenheit, es Ihnen zu erklären.
Es geht doch ausschließlich darum, mögliche Kenntnisse der Nachrichtendienste an die Polizei weiterzugeben.
Es geht doch nur darum.Ihr Trennungsgebot und Ihr unzulässiger Griff in die Geschichtskiste haben doch etwas damit zu tun, daß in unseligen Zeiten Geheimdienste und Polizeivollzug nachts um 2 Uhr an der Tür miteinander verschränkt worden sind. Und genau das ist nicht der Gegenstand dieses Entwurfes,
sondern die technisch mögliche Aufnahme von Daten. Deshalb ist es so vernünftig.
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19894 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 229. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. Mai 1994
Bundesminister Manfred KantherSie haben eben gesagt, Herr de With, wir dürften doch nichts in den Papierkorb schmeißen
— nein, ich mache jetzt weiter; ich gebe jetzt keine Antwort —, was wir haben könnten. Aber wir dürfen die Ohren fest zumachen gegen das, was wir hören könnten? Das ist doch keine plausible Politik. Deshalb Tendenzänderung in vielen Dingen.
Wir müssen effizient gegen das Verbrechen vorgehen im Rahmen eines wehrhaften Rechtsstaates, dem wir nicht alle Zähne so lange ziehen, bis er keine mehr hat. Dafür ist die Verbrechenssituation in unserem Land zu ernst.
Deshalb ist es völlig falsch, zu bemängeln, dieses Gesetz regele so vieles nebeneinander, von dem manches keine innere Verbindung habe. Das ist richtig und gewollt; denn das allgemeine Verbrechen, das ich beschrieben habe, bekämpft man mit anderen Methoden als das organisierte. Man bekämpft das eingewachsene „normale" Verbrechen anders als das über die Grenzen schwappende internationale. Die Methodik ist anders — Sie wissen das natürlich —, und deshalb sind viele Vorschriften natürlich auf denselben Zweck gerichtet.Politisch gewalttätigen Extremismus bekämpft man, um im engeren Bereich zu bleiben, differenziert: ob er durch gewachsene, über Jahrzehnte geführte Strukturen — RAF — und über die linke Seite vor uns tritt oder ob er, vorläufig noch spontan, im Wege von überwiegend Ersttätern oder jugendlichen Banden auf uns zukommt. Die Antworten sind verschieden. Deshalb werden sie von uns auch verschieden gegeben. Sie müssen übrigens auch von der Polizei verschieden gegeben werden.Wenn wir mit grenzüberschreitender Kriminalität zu tun haben —
Herr Minister, der Kollege Heuer würde gerne eine Zwischenfrage stellen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
— nein, das möchte ich nicht —, haben wir ein völlig neues Phänomen vor uns. Auf dieses Phänomen müssen wir Antworten geben. Das tut das Gesetz.Natürlich hat das Problem, daß Menschen über unsere Grenzen geschleust werden, mit der Strafe für Körperverletzung oder der Brandstiftung, oder der Bekämpfung von Rechtsextremismus durch das Verbot von naziähnlichen Symbolen nichts zu tun. Das ist völlig klar. Aber indem wir im vergangenen Jahr 2 400 Schleuser gefangen haben, die sich mit widerwärtigem Menschenhandel beschäftigen, geben wir eine Antwort auf das Schleusertum.
Grenzüberschreitende, internationale Kriminalität ist eine der großen und unbewältigten Herausforderungen in der Verbrechensbekämpfung in unserem Land.Dumpfheit entsteht nur dort, wo Probleme nicht angesprochen werden. Wo demokratische Politiker zielführend Maßnahmen ergreifen, die die Bevölkerung nachvollziehen kann, entsteht keine Dumpfheit und Abneigung, sondern Zuspruch.
— Nein, haben Sie auch nicht getan. Niemand kann darüber hinwegsehen, daß wir im Bereich der Kriminalität von Ausländern und zumal von Asylbewerbern in unserem Land ein besorgniserregendes Phänomen haben und deshalb viele Maßnahmen der Politik der inneren Sicherheit — nicht nur der Verbrechensbekämpfung — zusammengehören müssen: solche der Gesetzgebung und natürlich auch solche des Vollzugs.Wir sprechen ja im Augenblick von Gesetzgebung, in der wir als Koalition vieles zusammenfügen: dieses Verbrechensbekämpfungsgesetz, das Ausländerzentralregistergesetz, das BGS-Gesetz, demnächst das BKA-Gesetz. Das alles hat innere Zusammenhänge, weil es sich gegen unterschiedliche Sektoren der Kriminalität richtet.Daneben gibt es natürlich den wesentlichen Bereich der Administration, der Rechtsanwendung, jenes Stück „Richterrecht", das natürlich ganz wesentlich auch vom Geist der Zeit beeinflußt ist. Es gibt die Notwendigkeit, die Administration auf Verbrechensbekämpfung einzustellen.Nicht nur das BGS-Gesetz, die Verfolgung von Schlepperbanden oder — um in diesem Feld zu bleiben — die Abschiebung ausländischer Drogendealer sind wichtig; ebenso wichtig ist, daß wir 1 790 BGS-Beamte in anderthalb Jahren mehr an die Grenze gebracht haben
und daß mindestens 2 000 weitere in kürzester Zeit folgen sollen. Grenzsicherheit ist eine neue Dimension für die Verbrechensbekämpfung an der Grenze und im Inland. Das sind neue Bezüge und zum Teil auch voneinander abgesetzte Vorgänge.Es ist deshalb falsch, ein solches Gesetz als Sammelsurium zu bezeichnen und nicht als einen geschlossenen Einsatz gegen Kriminalität in ihren vielfältigen Formen zu sehen.
Das gilt nicht nur für dieses Gesetz, sondern auch für andere.Dies schließt nicht nur die Bundesadministration und die Polizei, sondern natürlich auch die Mitwirkung der Lander ein. Ich vermeide deshalb nach größten Kräften alle harschen und trennenden Töne in der Politik für die innere Sicherheit, damit wir zusammengeführt werden. Das kann der Bund nicht gegen,
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Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 229. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. Mai 1994 19895
Bundesminister Manfred Kanthersondern nur mit den Ländern leisten, die die Polizeigewalt und die Justiz unter sich haben.
Zu einem letzten Punkt: Es ist sehr viel besser, ein Nichtvermögen zuzugeben, lieber Herr de With, als mit Inplausibilitäten herumzuhexen. Wenn Sie bei uns einklagen, daß wir als Bundesregierung oder als Unionsfraktion die Abhörung von Gangsterwohnungen jetzt nicht leisten, dann ist das in Ordnung und richtig angemerkt. Die Politik einer Koalition besteht aber nicht nur aus einem solchen Punkt. Das muß man einer großen Partei wie der SPD nicht sagen; das weiß sie ja. Die Politik einer Koalition besteht aus unendlich vielen Feldern. Wenn sich in einer bestimmten Situation ein Partner nicht bewegen kann, nimmt — jedenfalls soweit dies möglich ist — der andere auf ihn Rücksicht, versucht, ihn zu beatmen und beim nächsten Mal zu einer besseren Erkenntnis zu bringen.
Genau das ist unsere Situation. Aber das geben wir zu. Wir machen dafür keinen untauglichen Kaschierungsversuch. Wir geben dies zu als ein Stück Politik für die nächste Runde. Es werden viele andere Dinge hinzutreten müssen.
Vermögensstrafe, erweiterter Verfall, Geldwäsche und Kronzeugenregelung, das sind alles Dinge, die auf dem Prüfstand stehen. Das Verbrechen wechselt seine Maßnahmen, seine Erscheinungsformen und seine Methoden ständig und leider sehr schnell, so daß wir ohnehin nicht mehr in der Situation sein werden, mit einem einmal gefaßten Gesetzesbeschluß á la 1871 dauerhaft und ständig mit den gleichen Methoden wirksame Verbrechensbekämpfung betreiben zu können. Wir werden vielmehr immer neue Antworten geben müssen, aber viele und differenzierte, keine monokausalen, sondern auf das jeweilige Gefährdungspotential der inneren Sicherheit eingerichtete. Das ist die Politik der Bundesregierung.Danke sehr.
Das Wort hat der Kollege Professor Dr. Jürgen Meyer.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sie, Herr Innenminister, haben soeben mit beachtlichem Pathos über einen Gesetzentwurf geredet, der nichts von dem enthält, was Sie noch vor wenigen Monaten als Schwerpunkte Ihres Sicherheitskonzeptes vorgestellt haben, nämlich die Beweislastumkehr bei der Abschöpfung von Verbrechensgewinnen und die elektronische Überwachung von Wohnräumen unter strenger rechtsstaatlicher Kontrolle. Nichts von dem!Weil Sie das schöne Bild von der Beatmung gebracht haben, will ich es durch ein weiteres Bild ergänzen. Sie haben Wiener Walzer angekündigt und tanzen Slow Fox, aber alleine, weil die Justizministerin, Ihre Partnerin, Tango bevorzugt, während die Musiker der Bundesregierungskapelle ganz andere Weisen spielen. Einen Dirigenten bei dieser Koalitionskapelle gibt es offenbar schon lange nicht mehr.
Statt der überfälligen Antwort enthält Ihr Entwurf neben vielen anderen Vorschlägen eine Fülle von Änderungen des Strafverfahrensrechts. Strafverfahrensrecht wird oft und nicht zu Unrecht als angewandtes Verfassungsrecht bezeichnet. Jeder Eingriff in diese Materie bedarf einer sorgfältigen und gewissenhaften Prüfung. Davon kann schon angesichts des geradezu hektischen Verfahrens kurz vor Abschluß der Wahlperiode überhaupt nicht die Rede sein. So soll in einem beschleunigten Gesetzgebungsverfahren ein neuer Abschnitt über ein beschleunigtes Verfahren in der StPO eingefügt werden. Die doppelte Eile macht mißtrauisch.Das Urteil der Praxis ist mehr als skeptisch. Die „Deutsche Richterzeitung" — eigentlich kein Organ der SPD — meinte vor einigen Tagen in einem Kommentar, der Vorschlag enthalte so gut wie keine Verbesserungen.Bekanntlich bietet bereits das geltende Recht die Möglichkeit, in geeigneten Fällen ohne Eröffnungsbeschluß mit kürzester Frist mündlich Anklage zu erheben. Die Praxis macht davon aber keinen Gebrauch, offenbar deshalb, weil die für eine sofortige Aburteilung erforderlichen Ermittlungen selten in kürzester Zeit abgeschlossen werden können. Der Koalitionsentwurf setzt aber nicht hier an, sondern er will das Beweisantragsrecht der Verteidigung in der Hauptverhandlung abschaffen.Der Vorschlag ist nicht nur rechtsstaatlich bedenklich, sondern er kann offensichtlich nicht die gewünschte Entlastungswirkung bei den Gerichten haben. Denn zum einen bleibt die gerichtliche Aufklärungspflicht bestehen, die das Gericht in den meisten Fällen dazu zwingt, auch bloßen Beweisanregungen des Verteidigers nachzugehen; zum anderen soll das beschleunigte Verfahren nur vor den Amtsgerichten durchgeführt werden, wo bekanntlich die Förmlichkeiten des Beweisantragsrechts, das im Blick auf eine eventuelle Revision große Bedeutung hat, eine geringere Rolle spielen. Der Angeklagte oder sein Verteidiger können gegen ein Urteil des Amtsgerichts ohne jede Begründung Berufung einlegen.Sie provozieren durch Ihren Vorschlag für das Amtsgerichtsverfahren einen Anstieg der Rechtsmittel und damit keine Verkürzung, sondern eine Verlängerung der Verfahren.Von ähnlicher Qualität ist die vorgeschlagene Hauptverhandlungshaft. In öffentlichen Äußerungen versuchen Koalitionsabgeordnete den Eindruck zu vermitteln, daß so die Mängel des geltenden Haft-
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Dr. Jürgen Meyer
rechts beseitigt werden könnten. Gelegentlich wird sogar auf die Vorgänge in Magdeburg hingewiesen, wie das heute auch seitens des — gerade telefonierenden — Kollegen Geis geschehen ist. Wir waren uns im Rechtsausschuß darüber einig, Herr Kollege, daß dieser Hinweis falsch ist. Denn der Gesetzesvorschlag setzt voraus, daß die Täter auf frischer Tat betroffen oder verfolgt werden. Genau dieses ist der Polizei in Magdeburg leider nicht gelungen. Es bestand bekanntlich bis auf eine Ausnahme noch nicht einmal dringender Tatverdacht gegen konkrete Personen. Magdeburg war also kein Problem des Haftrechts, sondern der Unzulänglichkeit polizeilicher Vorbeugungs- und Ermittlungsarbeit, außerdem ein noch schwereres Problem derjenigen Verantwortlichen, die dem ausländerfeindlichen Spuk allzulange passiv oder sogar mit stiller Billigung zugesehen haben.
Im Rechtsausschuß haben Kollegen der Regierungskoalition zur Rechtfertigung der Hauptverhandlungshaft die Begründung nachgeschoben, man könne nur so „reisende Täter" nach Begehung kleinerer Delikte, etwa von Ladendiebstählen, in Haft nehmen. Als ob in diesen Fällen nicht ohnehin in aller Regel Fluchtgefahr bestünde.Im übrigen kann auch eine ausdrückliche einfachgesetzliche Regelung nichts daran ändern, daß der Haftrichter in jedem Einzelfall die Beachtung des verfassungsrechtlichen Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit prüfen muß.Ein anderer Kollege hat sich darüber empört, daß Kleinkriminelle nach ihrer vorläufigen Festnahme häufig freigelassen würden und weitere Taten begingen. Dieser Hinweis zeigt ganz deutlich, daß daran gedacht wird, das Haftrecht als verkapptes Instrument polizeilicher Gefahrenabwehr einzusetzen. Diese ist aber bekanntlich nicht Sache des Bundesgesetzgebers.Wir vertrauen darauf, daß die Länder bei der noch zu führenden Diskussion über die Novellierung der Polizeigesetze anders als in Sachsen darauf achten, daß diese Polizeigesetze den anerkannten rechtsstaatlichen Anforderungen entsprechen.Ob das für die vorgeschlagene Hauptverhandlungshaft gilt, ist auch deshalb mehr als zweifelhaft, weil der eilig zusammengestoppelte Entwurf mit einer ganzen Reihe unbestimmter und höchst subjektiver Begriffe arbeitet. Danach muß eine unverzügliche Entscheidung „wahrscheinlich" sein, das Fernbleiben des Festgenommenen in der Hauptverhandlung muß „zu befürchten sein", und schließlich soll die Durchführung der Hauptverhandlung binnen einer Woche „zu erwarten" sein. Der Haftrichter ist aber kein Prognostiker, der dazu berufen ist, Rechnungen mit mindestens drei Unbekannten zu lösen. Mit Gesetzesbestimmheit, Rechtssicherheit und damit Rechtsstaatlichkeit hat das Ganze wenig zu tun.
Zu der vorgeschlagenen Erweiterung der Telefonüberwachung nach § 100a StPO erlaube ich mir die Frage, ob die Regierungskoalition unter dem Einfluß der F.D.P. den Kampf gegen das organisierte Verbrechen der „Oberwelt" inzwischen ganz aufgegeben hat. Hätten Sie in unseren Entwurf eines 2. OrgKG geschaut, dann hätten Sie sich mit der Frage auseinandersetzen müssen, ob nicht auch in hohem Maße gemeinschädliche Straftaten wie Subventionsbetrug, Kapitalanlagebetrug, besonders schwerer Bankrott, schwere Umweltgefährdung oder Steuerhinterziehungen im großen Stil besser als bisher aufgeklärt werden sollten. Offenbar scheut sich besonders die F.D.P., entschlossen gegen die Täter mit den weißen Kragen vorzugehen. Dabei will ich noch nicht einmal unterstellen, daß man diese Kriminellen zur Klientel der Besserverdienenden, die sie ja tatsächlich sind, rechnen und deshalb vor der Belästigung durch Strafverfolgungsorgane schützen will.In unserem Entwurf läßt sich aber auch nachlesen, wie sich der besorgniserregende Anstieg der Telefonüberwachungen, die sich in den letzten zehn Jahren etwa vervierfacht haben, insbesondere im Zusammenhang mit der Kleinkriminalität, rechtsstaatlich besser kontrollieren läßt. Warum eigentlich schließen Sie sich nicht unserem Antrag an, die repressive und die präventive elektronische Überwachung nach amerikanischem Vorbild einer öffentlichen Berichtspflicht zu unterwerfen? Warum nicht? Aber hier, wie im zentralen Bereich der Gewinnabschöpfung mit dem Ziel einer wirkungsvollen Bekämpfung der organisierten Kriminalität, erweist sich die Regierungskoalition erneut als handlungsunfähig. Dadurch, daß Sie — ich wiederhole diesen Begriff — in Ihrem Sammelsurium von Vorschriften auf die zentralen Fragen überhaupt keine Antwort geben, macht sich die CDU/ CSU-Fraktion im Anschluß an ihre jahrelange Kampagne für eine technische Überwachung unglaubwürdig. Und — so muß ich ja wohl sagen — die F.D.P.-Mehrheit kann nur noch ein Lächeln für den Versuch ernten, einerseits den sogenannten großen Lauschangriff zu bekämpfen und andererseits als Gegenleistung für das erzwungene Entgegenkommen des größeren Partners allen Ernstes den Bundesnachrichtendienst als Superlauschbehörde zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität installieren zu wollen.Ebensowenig überzeugt der Vorschlag einer Einführung des Kronzeugen im Bereich einer nicht näher definierten organisierten Kriminalität, obwohl dieses Instrument in einem Kernbereich, nämlich zur Verfolgung des Drogenhandels nach § 31 Betäubungsmittelgesetz, längst gilt und sich als wenig erfolgreich erwiesen hat. Wo man hinschaut: Aktionismus statt überzeugenden rechtsstaatlichen Handelns.
Herr Kollege, die Redezeit ist um.
So bleibt als wesentlicher Pluspunkt in der Vielzahl der vorgeschlagenen Änderungen in der StPO die von uns seit langem geforderte Einführung eines länderübergreifenden staatsanwaltlichen Verfahrensregisters. Diesem Vorschlag haben wir im Rahmen der Ausschußberatungen ausdrücklich zugestimmt. Daneben könnte man noch die Streichung der Regelvoraussetzung einer rechtskräftigen Vorverurteilung bei der Verhaftung
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Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 229. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. Mai 1994 19897
Dr. Jürgen Meyer
wegen besonders schwerer Straftaten nennen, der wir ebenfalls zugestimmt haben.Im übrigen aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, gilt für die im sogenannten Verbrechensbekämpfungsgesetz vorgeschlagenen Änderungen des Strafverfahrens: Weniger wäre mehr gewesen, auch weniger Angst vor dem Urteil der Wählerinnen und Wähler über die Kriminalpolitik dieser Bundesregierung.
Das Wort hat der Kollege Horst Eylmann.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Kriminalität in Deutschland ist gewachsen. Das ist ein Faktum, bewiesen durch die Kriminalstatistik und die leidvoller. Erfahrungen vieler Mitbürgerinnen und Mitbürger, auch wenn die Zunahme der Kriminalität auf manchen Strafverteidigersymposien immer noch als ein Phantom dargestellt wird. Wir fragen nach den Ursachen. Da sie heute schon angeklungen sind, will ich darüber einige Sätze verlieren.Der Kollege Schmude hat vorgestern im Hinblick auf Gewalttätigkeiten gegen Ausländer und gegen Behinderte von der zunehmenden Kälte in unserer Gesellschaft gesprochen. Das provoziert natürlich letztlich die Frage, woher die Kälte kommt. Die Opposition neigt zu der ebenso platten wie unhaltbaren Behauptung, das habe nun alles die Bundesregierung, die Koalition, zu verantworten.
Auch Sie, Frau Kollegin Fuchs, haben ja dieser Versuchung heute nicht widerstanden.Ich will einige Fakten dazu nennen. Wir haben mitten in Europa seit Monaten einen an Völkermord grenzenden Bürgerkrieg. Im Nachbarland Italien ist das dort herrschende Parteiensystem in einem Sumpf von Korruption und Mafiaverbrechen untergegangen. Die osteuropäischen Völker — vom kommunistischen Joch befreit, ohne daß sich dort schon eine neue, stringent funktionierende staatliche Ordnung aufbauen konnte — stecken im Würgegriff mafioser verbrecherischer Organisationen, die auf uns ausstrahlen. Die englische Gesellschaft mußte vor einem Jahr mit Bestürzung zur Kenntnis nehmen, daß noch nicht strafmündige Kinder ein Kleinkind entführen und kaltblütig erschlagen. Deutsche wagen sich nicht mehr in die USA wegen der dort grassierenden Gewaltkriminalität.Das sind einige Fakten, die zeigen sollen, wie die Welt beschaffen ist, in der unsere Kinder und Jugendlichen aufwachsen, eine Welt, die ihnen jeden Abend im Fernsehen gezeigt wird, wobei dann das Fernsehen auch noch das Seinige hinzutut und die Welt etwas gewalttätiger und blutiger zeigt, als sie in Wahrheit ist.Ich sage das nicht, meine Damen und Herren, um die Kälte oder besser die Aggressivität, die auch ich spüre, sozusagen in einen größeren Zusammenhang einzuordnen und damit gleichsam als unvermeidlichhinzustellen. Ich plädiere nur dafür, sich weniger in Betroffenheitsritualen zu ergehen und statt dessen etwas unvoreingenommener zu analysieren, wo die strukturellen Ursachen für die Zunahme der Kriminalität liegen.Ich will nur zwei Beispiele nennen. Es ist heute gang und gäbe, die wachsende Kriminalität, ja, auch rechtsextremistische Gewalttaten einseitig auf soziale Ursachen zurückzuführen. So wahr es ist, daß es soziale Ursachen von Kriminalität geben kann und auch gibt, so ist es jedoch ebenso wahr und empirisch nachzuweisen, daß es auch eine Wohlstandskriminalität gibt. In den Staaten, in denen der Wohlfahrtsstaat auf die Spitze getrieben wurde, wie z. B. in Schweden, hat das nicht zu einer Verringerung, sondern eher zu einer Zunahme der Kriminalität geführt.Und ein Weiteres: Die Sorge, nur keine Vorbehalte gegen Ausländer zu provozieren, läßt SPD-regierte Länder völlig verkrampft reagieren, wenn es darum geht zu ermitteln, wie viele und welche Ausländer bei uns Straftaten begehen. Natürlich muß auf die Wortwahl geachtet werden, und man darf nicht mit der pauschalen Behauptung einer gewachsenen Ausländerkriminalität suggerieren, Ausländer begingen schlechthin mehr Straftaten als Deutsche.Aber gerade die länger bei uns lebenden Ausländer, die sich ja weitgehend äußerst gesetzestreu verhalten, haben einen Anspruch darauf, daß wir offen sagen, welche Gruppen reisender Ausländer unter Ausnutzung der offenen Grenzen bei uns überproportional an bestimmten Delikten beteiligt sind.
Diese Analyse ist Voraussetzung für eine effektive Bekämpfung.In einer Zeit wachsender Kriminalität muß der Staat Entschlossenheit und Härte zeigen. Er darf nicht zurückweichen. Aber, meine Damen und Herren, er ist in der Vergangenheit zuweilen zurückgewichen und weicht auch zur Zeit auf einem wichtigen Felde zurück. Ich nenne auch nur zwei Beispiele.Jahrelang war bei gewalttätigen Demonstrationen Deeskalation das Zauberwort.
Es konnten ruhig ein paar Dutzend Schaufensterscheiben zu Bruch gehen und etliche Menschen verprügelt werden, Hauptsache war, es blieb bei ein bißchen Gewalt. Heute wird mir von liberalen Journalisten die Frage gestellt, ob wir nicht doch den Landfriedensparagraphen verschärfen mußten.
Meine Damen und Herren, wenn wir auf der Straße Gewalt hinnehmen, dann ermuntert das die Gewalttäter und hat auf das Rechtsbewußtsein der Bevölkerung eine korrumpierende Wirkung.
Und ein zweites Beispiel. Heute weicht der Staat in Gestalt der Verfassungsrechtsprechung und der Länderexekutive bei der Bekämpfung des Drogenmiß-
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Horst Eylmannbrauche zurück. Hier sind Signale gesetzt worden, wie sie falscher nicht sein können.
Ich weiß, meine Damen und Herren, daß wir weder national noch international den Durchbruch bei der Bekämpfung des Drogenhandels geschafft haben. Bevor wir uns aber aus der internationalen Staatengemeinschaft ausklinken, müßte doch zumindest ein aussichtsreicher Weg vorhanden sein. Ich sehe ihn nicht. Bei den Sozialdemokraten sehen das viele auch nicht. Es wäre gut, wenn sie die Justizminister in einigen Ländern auf den Pfad der Tugend zurückbringen würden. Es wäre auch gut, wenn Sie den Spitzenkandidaten der SPD veranlassen könnten, sich zu der Frage, ob denn nun die SPD eine Partei ist, die eine Teillegalisierung der Drogen will, so klar zu äußern, daß die Bevölkerung es auch versteht.Vielen Dank.
Herr Kollege Günter Graf, Sie haben das Wort, und zwar zehn Minuten lang.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nach nunmehr fast zwölfjähriger Regierungszeit hat diese Bundesregierung sozusagen auf den letzten Metern in diesem Wahlkampfjahr ein sogenanntes Verbrechensbekämpfungsgesetz vorgelegt. Der vorgelegte Entwurf ist — wie meine Vorredner Hans de With, Anke Fuchs und Professor Dr. Jürgen Meyer bereits dargestellt haben — völlig unzureichend und letztlich zahnlos, wenn es um die Bekämpfung der organisierten Kriminalität geht. Er dokumentiert meiner Ansicht nach lediglich das zwanghafte Bemühen, der Öffentlichkeit Handlungsfähigkeit zu demonstrieren, um auf diese Art und Weise den offenkundigen Riß in der Regierungskoalition in Fragen der inneren Sicherheit zu übertünchen
und erschreckende Handlungsunfähigkeit zu verschleiern.
Herr Kollege Hirsch, meine sehr verehrten Damen und Herren, ich will gar nicht verhehlen, daß dieses von Ihnen vorgelegte Verbrechensbekämpfungsgesetz durchaus Ansätze enthält, die wir Sozialdemokraten im Grundsatz mittragen könnten. Das ist heute bereits mehrfach angeklungen. Insgesamt allerdings bleibt festzuhalten, daß der vorgelegte Gesetzentwurf nichts anderes darstellt als ein schlecht inszeniertes Wahlkampfinstrumentarium.
Besonders zahnlos, Kolleginnen und Kollegen, sind die Vorschläge dieser Bundesregierung zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität. Sie sind so harmlos, daß man sich durchaus die Frage stellen könnte, ob diese Regierung überhaupt ein ernsthaftes Interesse hat, die organisierte Kriminalität und die Wirtschaftskriminalität wirksam zu bekämpfen.
Ich persönlich neige dazu, auf Grund dieses Entwurfs zu sagen: Nein!Die organisierte Kriminalität breitet sich weltweit in einem erschreckenden Maße aus. Dies ist allen in diesem Hause bekannt. Sie ist bereits jetzt zu einer Bedrohung für viele Staaten und Gesellschaften geworden. Intention dieser Verbrechergruppen ist es — und dies ist auch bereits von meinen Vorrednern dargestellt worden —, möglichst schnell hohe finanzielle Gewinne zu erzielen und ihre Machtpositionen zu vergrößern. Bei der Verfolgung dieser Ziele werden die bestehenden Infrastrukturen, die moderne Volkswirtschaften wie die unsere anbieten, in effektiver Weise genutzt. Es gehört zum Wesen der organisierten Kriminalität, daß sie staatliche Institutionen korrumpiert und daß sie wegen enormer Wettbewerbsvorteile legale Wirtschaftsbereiche in kriminelle Praxis einbezieht.Kolleginnen und Kollegen von den Regierungsparteien, erkennen Sie endlich, daß die materiellen und ideellen Schäden der organisierten Kriminalität unseren Rechtsstaat, unsere Sozial- und Wirtschaftsordnung ganz dramatisch bedrohen.
Auf Grund der nicht ausreichenden gesetzlichen Instrumentarien gelingt es der Polizei nur in Ausnahmefällen, an die Hintermänner dieser kriminellen Organisationen heranzukommen. Zwar kennt die Polizei oft die Drahtzieher und Hintermänner, aber ihr fehlen letztlich die Beweise. Zur Erlangung dieser Beweise braucht die Polizei die Instrumente, die wir mit unserem Gesetzentwurf anbieten.Meine Damen und Herren, die SPD hat zur wirkungsvollen Bekämpfung der organisierten Kriminalität einen Gesetzentwurf eingebracht, der ausgewogen und geeignet ist, wirksam der derzeitigen Bedrohung durch die organisierte Kriminalität entgegenzutreten. Anke Fuchs, Hans de With und Jürgen Meyer haben diesen Entwurf in der Debatte bereits ausführlich erläutert.Kolleginnen und Kollegen, nach nahezu zwölf Jahren Regierungszeit hat diese Bundesregierung noch immer nicht begriffen, daß die wesentliche Zielrichtung der Bekämpfung der Kriminalität die Ursachenbekämpfung sein muß. Diese Bundesregierung muß sich den Vorwurf gefallen lassen, daß die Kriminalitätsentwicklung durch ihre Politik der Entsolidarisierung und Spaltung der Gesellschaft, der Ausgrenzung und Randgruppenbildung, der sozialen Kälte, die immer mehr Menschen in unserem Land an den Rand unserer Gesellschaft gedrückt hat, zumindest mitverursacht worden ist.
Die politische Auseinandersetzung um Fragen der öffentlichen Sicherheit und Gewalt in Deutschland muß deshalb auch eine Auseinandersetzung um Grundwerte in unserer Gesellschaft sein. Eine
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Günter Grafwesentliche Ursache für Gewalt und die Opfersituation, in der sich viele Menschen befinden, ist, daß in der Regierungszeit dieser Koalition Zivilcourage, Bereitschaft, für den anderen einzutreten, und Menschlichkeit in dieser Ellenbogengesellschaft abhanden gekommen sind.In einer solchen Gesellschaft muß man sich nicht wundern, daß Entsolidarisierung eintritt und junge Menschen positive Werte wie z. B. Solidarität und Mitmenschlichkeit nicht mehr erleben und somit auch nicht mehr nachahmen können. Es ist das Ergebnis einer zwölfjährigen Regierungspolitik, daß Deutschland heute vom Kampf der Cleveren, vom Kampf der Ellenbogen und einem Klima des Raffens und Betrügens geprägt ist.
Insofern hat auch diese Regierung in moralischer Hinsicht — das sage ich in aller Deutlichkeit — abgewirtschaftet.
Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich ganz konkret zwei Punkte aus dem Konzept herausgreifen. Die Bundesregierung strebt eine systematische Ausweitung der Überwachungstechnik far die Geheimdienste in Deutschland an. Im Bereich der Strafverfolgung betreibt sie damit eine Strategie, die zu einer verhängnisvollen Kompetenzvermischung bei den Aufgaben von Polizei und den Nachrichtendiensten führen muß. Und für die Demokratie bedeutet das in Deutschland ganz erhebliche Risiken.Den Geheimdiensten Zuständigkeiten bei der Bekämpfung der organisierten Kriminalität einzuräumen, würde nicht nur zu einer weiteren Aufsplitterung der Kompetenzen führen und damit letztlich auch zu unnötigen Effizienzverlusten. Es ist vielmehr darauf zu achten, daß das bei uns garantierte, verfassungsrechtlich vorgeschriebene Gebot der Trennung zwischen Verfassungsschutz und Polizei eingehalten werden muß. Die Regelung in Ihrem Gesetzesvorschlag widerspricht dem.Dies, meine Damen und Herren von der Koalition, wurde von nahezu allen Sachverständigen in der Anhörung des Innen- und Rechtsauschusses einmütig bestätigt. Alle diejenigen, die Geheimdienste in die Strafverfolgung einschalten wollen, befinden sich gefährlich nahe an der Praxis diktatorischer Regime. Nein, die Verfolgung der organisierten Kriminalität muß ausschließlich die Aufgabe von Polizei und Justiz bleiben.
Der zweite Punkt, Kolleginnen und Kollegen, den ich hier ansprechen möchte, sind die vorgesehenen Verschärfungen des Ausländerrechts, denen wir in den Art. 2 und 3 Ihres Gesetzentwurfes nicht zustimmen können.Es ist schon fatal, daß Sie das Ausländergesetz und das Asylverfahrensgesetz in den Schraubstock eines sogenannten Verbrechensbekämpfungsgesetzes pressen. Sie beschwören damit einmal mehr den schlimmen Eindruck herauf, daß Kriminalität und Ausländer in die gleiche Schublade gehören.Richtig ist sicherlich — ich will das nicht verhehlen —, daß es eine besondere Kriminalität gibt, die mit Ausländern in Zusammenhang steht. Aber allzu oft erleben wir allerdings auch, daß gerade Ausländerinnen und Ausländer Opfer eines eigens gegen sie gerichteten verbrecherischen Tuns werden. Hierzu schweigt Ihr Gesetzentwurf, obwohl die schandbaren Ereignisse von Magdeburg weiß Gott nichts prinzipiell Neues waren.Sie wollen mit schärferen Strafvorschriften dem Schlepperunwesen zu Leibe rücken. Dagegen hätten wir überhaupt nichts einzuwenden, wenn wir nur halbwegs davon überzeugt wären, daß diese wirklich üble Form der Kriminalität damit besser in den Griff zu bekommen wäre.
— Hören Sie mal weiter zu!Tatsache ist aber doch, daß diese Kriminellen weitestgehend vom Ausland aus operieren und den deutschen Strafverfolgungsbehörden eine lange Nase machen. Den Schleusern ist es letztlich ziemlich egal, welche Strafandrohungen hier bestehen, da sie es allemal anzustellen wissen, nicht in die Fänge der deutschen Polizei und der deutschen Justiz zu geraten.Was in diesem Bereich eigentlich not täte, wäre ein einheitlicher Strafverbund in Europa. Dazu gehören aufeinander abgestimmte Strafbestimmungen, Rechtshilfeabkommen sowie die Einbeziehung dieser Straftaten in den Katalog der Auslandstaten gegen inländische Rechtsgüter. Derartiges haben sich die Teilnehmer der Budapester Konferenz von Anfang 1993 auch vorgenommen, ohne daß bis heute Fortschritte sichtbar wurden. Insofern verschleiert Ihr Gesetzentwurf nur die Erfolglosigkeit dieses Unternehmens.Deutlich muß auch gesagt werden, daß Ihnen, meine Damen und Herren von der Koalition, hier nichts Eigenes eingefallen ist. Denn im wesentlichen haben Sie vom Bundesrat abgeschrieben. Dort hat der Vertreter des Bundesinnenministeriums einräumen müssen, daß eine Verschärfung des deutschen Strafrechtes eine „stumpfe Waffe" bleibe, solange die Schleuserkriminalität von den europäischen Staaten nur national gesehen werde. Ich brauche dem nichts hinzuzufügen.Natürlich ist es uns nicht entgangen, daß die Änderungsvorschläge zum Ausweisungsrecht auch einiges an Positivem enthalten. Der vorgesehenen Ausweitung des Ausweisungsschutzes für Jugendliche bringen wir durchaus Sympathien entgegen. Diese Neugestaltung des Ausweisungsrechtes nach dem Motto Zuckerbrot und Peitsche sollte allerdings nicht mit Ausgewogenheit verwechselt werden. Tatsächlich spiegelt sich darin nur die Zerrissenheit der Regierungskoalition wider, in der der große und der kleine Koalitionspartner zwar am gleichen Strang ziehen, aber leider in entgegengesetzter Richtung.Kolleginnen und Kollegen, die Redezeit ist fast überschritten. Ich möchte zum Schluß meiner Ausführungen nur noch eine Bemerkung machen.
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19900 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 229. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. Mai 1994
Sie ist in der Tat überschritten.
Ein Satz noch, Herr Präsident, dann ist wirklich Ende: Wer könnte es Ihnen eigentlich besser belegen als der bayerische Justizminister Leeb — der ist sicherlich unverdächtig, Sozialdemokrat zu sein —, der gesagt hat, die Bekämpfung der organisierten Kriminalität sei dringend erforderlich und verlange entschlossenes Handeln, welches er im Gesetzentwurf dieser Regierung vermisse! Dem habe ich nichts hinzuzufügen.
Danke schön.
Das Wort hat der Kollege Detlef Kleinert.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Nun haben wir von seiten der verehrlichen Opposition im Laufe des Vormittags mal von diesem zu dem etwas Zustimmendes, mal von dem zu jenem etwas Zustimmendes gehört, aber im übrigen sind Sie der Meinung, daß das, was wir hier vorgelegt haben, alles nicht so recht taugt,
damit Sie Ihrer Oppositionsrolle gerecht werden. Das hätte schon etwas substantieller, etwas gezielter und geschlossener vorgelegt werden müssen, als Sie das heute vormittag hier getan haben.
Norbert Geis, Erwin Marschewski und ich, wir haben das getan, was Parlamentarier öfter tun sollten: Wir haben uns im letzten Herbst so richtig schön privat zusammengesetzt und haben überlegt, was wir tun können, was irgend möglich ist, und um uns umfassend und von allen Seiten — Herr Kanther hat das sehr schön dargestellt —
den offenen Problemen nicht etwa nur im materiellstrafrechtlichen Bereich, sondern insbesondere im verfahrensrechtlichen Bereich noch einmal zu nähern, die Probleme aufzuarbeiten, um zu überlegen, was zur Bekämpfung der vielen unterschiedlichen Arten der Kriminalität, die unsere Bürger zu Recht beunruhigen, getan werden kann. Dann haben wir uns in einem kleinen und deshalb effizienten Kreis — sowenig Ihnen das behagen mag — oben auf dem Petersberg zusammengefunden.Das Interessanteste — das hat von Ihnen niemand erkannt; das kann man vielleicht auch nicht, wenn man nicht über eine einigermaßen positive Phantasie verfügt — an der Sache ist, was wir nicht getan haben.
Wir haben uns über die Dinge unterhalten, die man vielleicht tun könnte. Wir sind in vielen Punkten zu übereinstimmenden Ansichten gekommen — das gilt nicht für Ihren Zwischenruf; ich weiß das sehr wohl —, auch über das, was man unterlassen soll.Ich nenne ein Beispiel: Der verbesserte sogenannte Zeugenschutz, der dann zur Unkenntlichkeit von Zeugen führt, ist von uns sehr ausführlich diskutiert worden. Daß das Problem existiert, ist ja Ihnen wie uns bekannt. Wir sind übereinstimmend zu der Meinung gekommen, daß alle Vorschläge, die dazu bisher gemacht worden sind, aus rechtsstaatlichen Gründen, aus Gründen eines ordnungsgemäßen Prozesses nicht weiterverfolgt werden sollen. Dann haben wir das abgelegt.So haben wir das in vielen Punkten gemacht. Wir haben also versucht, der Pflicht zu entsprechen, in der wir uns fühlen, alles zu tun, was man tun kann, tun muß, um Verbrechen zu bekämpfen, um den Bürgern das Gefühl zu geben, sie können sich in unserem Lande sicher bewegen — was übrigens in der Tat sehr eindrucksvoll der Fall ist; da muß man nur einmal einige andere Länder ins Auge fassen. Aber sie sollen sich noch sicherer bewegen können.
Dafür haben wir uns die Mühe gemacht, Ihnen dieses vorzulegen, wovon Sie nicht so recht wissen, wie Sie damit umgehen sollen. Deshalb sagen Sie hier einmal ja und einmal nein, dann weisen Sie auch noch darauf hin, daß Sie das schon früher gewußt hätten. Übrigens, immer wenn das zutrifft — ich finde das wunderbar —, dann haben wir das von Ihnen übernommen. Das ist keine Schande. Wir wollen nur das schlichtweg Vernünftige machen, egal, von wem es gekommen ist.
Wir haben damit kein Problem.
Die Liberalen tun sich, um einmal etwas Grundsätzliches an dieser Stelle zu bemerken, mit solchen Vorschlägen zum Strafrecht oder insbesondere zum Strafverfahrensrecht sehr schwer.Die liberale Geschichte ist die Erkämpfung von Freiheitsrechten für die Bürger gegen den Staat, so wie er sich im vorigen Jahrhundert dargestellt hat. Das ist nun eine ganze Zeitlang her.
Aber die Geschichte soll man sehr hoch achten und sich immer wieder vergegenwärtigen, damit man daraus die richtigen Schlüsse für das gegenwärtige Handeln ziehen kann.
Das bedeutet in unserem Zusammenhang: Der Gedanke, normalerweise kommen die Bedrohungen der Freiheit vom Staat gegen die Bürger und deshalb müssen die Liberalen gegen den Staat antreten, war sehr lange richtig. Aber je mehr Erfolg wir dabei errungen haben, den Staat auf das Notwendige zu beschränken und die Freiheit der Bürger zu wahren,
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Detlef Kleinert
um so weniger wird natürlich die Idee richtig, den Staat aus Prinzip einzuschränken.
Freiheit ist zum Schluß auch das Recht des Staates, die Freiheit des Bürgers, die Freiheit, sich auch abends in öffentlichen Parks und auf öffentlichen Straßen zu bewegen, zu schützen.
Das ist das, was wir uns als Liberale gelegentlich einmal bewußt machen müssen. Das tun wir. Das versuchen wir. Wie diese Vorlage zeigt, haben wir dabei auch gewisse Erfolge.Ich kann einfach nicht umhin, bei dieser Gelegenheit das Abhören in Wohnungen zu erwähnen. Sie haben sich ja verdienstvollerweise mit einer ungewöhnlich knappen Mehrheit, was übrigens sehr für die Sozialdemokratische Partei Deutschlands spricht, geeinigt. Herr Kanther hat vorhin, wie auch andere, zart angedeutet, daß man gegen den Koalitionspartner höflicher-, menschlicher- und vernünftigerweise nicht mit dem Kopf durch die Wand geht.Wo ich persönlich stehe, ist in dieser Frage ganz uninteressant.
Daß das aber eine sehr schwierige Frage ist, die jeder Auseinandersetzung und jeder gründlichen Diskussion würdig ist, das werden Sie nach Ihrem knappen und mit allerlei Einschränkungen bis zur Unkenntlichkeit entstellten Ergebnis nicht bestreiten wollen.Wir Freien Demokraten müssen uns mit dieser wichtigen Frage noch eine Weile beschäftigen. Wir sind dankbar, daß unser Koalitionspartner für dieses unser rechtstaatliches Bedürfnis Verständnis gezeigt hat. Das ist nun einmal so.
Herr Kollege Kleinert, Ihre Redezeit ist zu Ende.
Hier sind 14 Punkte vorgelegt worden, die mehr Sinn machen zur Bekämpfung des Verbrechens in unserem Lande als ausgerechnet der eine, der so schön pressewirksam ist. Ich habe von leibhaftigen Justizministern in diesem Lande dieser Tage gehört, da stünde so viel Überflüssiges drin; man hätte statt dessen einmal hergehen sollen und das unsinnige Verlesen von Urkunden in der Hauptverhandlung unterbinden sollen.
Die Sache hat einen winzig kleinen Fehler: Dieser
Justizminister hat Mitarbeiter, die ihn nicht rechtzeitig
darauf hingewiesen haben, daß genau das darin steht.
So kann man einmal sehen, wozu es führt, wenn man sich auf Einzelfragen kapriziert, statt sich die Dinge in ihrem Ganzen mühsam zu erarbeiten und umfassend, von allen Seiten, immer wieder und sehr energisch das Notwendige zu tun, um Verbrechen in diesem Lande zu bekämpfen, und dazu ist dies ein ganz wesentlicher Beitrag.
Danke sehr.
Mit dem liberalen Kollegen Detlef Kleinert tue ich mich immer sehr schwer, weil ja niemand die Wesentlichkeit seiner Beiträge bezweifelt. Aber das Prinzip „Die Freiheit des einen ist dort eingegrenzt, wo die Freiheit des anderen beginnt"
gilt natürlich auch für Redezeiten.
— Nein, nein.
— Bitte nicht.
— Herr Kollege Kleinert, wenn es Sie beruhigt, ich habe meiner Schriftführerin gesagt: Respekt, was der aus drei Wörtern Notizen hier an Rede hält.
Aber wollen wir es damit bewenden lassen. Das Wort hat unser Kollege Johannes Singer.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben heute sehr vieles von dem gehört, was man an Hoffnungen mit der Verabschiedung dieses Verbrechensbekämpfungsgesetzes verbindet. Ich habe solche Hoffnungen schon zu oft in diesem Saal geäußert gehört, als daß ich sie teilen könnte.Nach 12 Jahren Regierungszeit von CDU/CSU und F.D.P. haben wir einen dramatischen Anstieg der Kriminalität, und zwar nicht nur der Alltags- und Massenkriminalität, sondern wir sprechen heute von organisierter Kriminalität, von der vor 12 Jahren in unserem Lande noch nicht die Rede war, und einen ganz besonderen Anteil an dieser bedrohlichen
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19902 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 229. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. Mai 1994
Johannes Singerangstmachenden Entwicklung nimmt die Rauschgiftkriminalität ein.Wir haben uns hier wiederholt über wirksame Maßnahmen für eine andere Drogenpolitik und zu einer wirksamen Bekämpfung der Rauschgiftkriminalität unterhalten. Unsere Vorschläge wurden von Ihnen zurückgewiesen. Wirksame Mittel, mit denen Polizei und Justiz hier vorgehen könnten, werden ihnen bis heute vorenthalten.
Wir haben ein zahnloses Geldwäschegesetz mit schwammigen Formulierungen, Hintertürchen, Löchern und Problemen für die Praxis bekommen. Sie versagen uns nach wie vor eine wirksame Bestimmung zur Umkehr der Beweislast, um Drogenhändlern nun wirklich ans Portemonnaie zu kommen.
Wir kriegen nicht das, was wir brauchen, um große Rauschgifthändler bei ihren Zusammenkünften und ihren verbrecherischen Absprachen zu überwachen, nämlich die Möglichkeiten der elektronischen Überwachung.Da Sie dieses Versagen selber spüren — das zum Teil ja auch nur stattfindet, weil Sie vom kleineren Koalitionspartner gehindert werden, Vernünftiges zu tun —, flüchten Sie sich in Angriffe gegen die Drogenpolitik der SPD, indem Sie Behauptungen in die Welt setzen, die von Ihrer eigenen Bundesregierung widerlegt werden.Mit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Anwendung des § 31 a BTMG ist nichts erlaubt, nichts freigegeben, nichts legalisiert worden.
Das wissen Sie auch. Das gleiche gilt für die Richtlinie des Justizministers von Nordrhein-Westfalen, der nur ausgeführt hat, wozu durch das Bundesverfassungsricht ausdrücklich aufgefordert wird.
— Wenn Sie mir nicht glauben, Herr van Essen, dann lese ich Ihnen vor, was die Bundesregierung auf die Anfrage Ihrer Kollegin Funke-Schmitt-Rink in der Fragestunde vor zwei Tagen geantwortet hat. Die Frage war: Ist die Initiative des nordrhein-westfälischen Justizministers, auch Heroin in einer bestimmten Menge freizugeben — wobei „freigeben" ja falsch ist; das kann er gar nicht; das ginge ja nur durch Gesetz durch das Verfassungsgerichtsurteil gedeckt? — Hören Sie zu, Herr van Essen, was die Parlamentarische Staatssekretärin Frau Dr. Sabine Bergmann-Pohl hierauf antwortet. Sie ist, glaube ich, da. Ich habe sie eben gesehen.
Ja, sagt sie, wobei es, wie Sie wissen, in der Diskussion sehr unterschiedliche Meinungen zur Frage der Menge gibt.
— Nur über die Menge gibt es Meinungsverschiedenheiten. Im übrigen ist die Richtlinie des Justizministers durch das Bundesverfassungsgerichtsurteil gedeckt.
Karlsruhe hat sich natürlich nur zu Haschisch geäußert. Es konnte auch nicht anders, weil nur das im Vorlagebeschluß des Landgerichts Lübeck stand. Aber der § 31 a, für dessen Anwendung Karlsruhe Richtlinien und Hinweise gegeben hat, unterscheidet nicht zwischen weichen und harten Drogen.
Das hätten Sie wissen müssen, meine Damen und Herren von den Koalitionsparteien, als Sie vor zwei Jahren den § 31a hier novelliert haben. Da haben wir uns über den § 31 a unterhalten, den es schon sehr lange gibt, der schon sehr lange angewendet wird und der schon sehr lange zu Einstellungen der Staatsanwaltschaften bei reinen Konsumenten führt — mit unser aller Billigung.Weil es so schön war, Herr van Essen, drehe ich den Finger in der Wunde noch einmal um und zitiere die nächste Frage, wieder von Frau Dr. Margret FunkeSchmitt-Rink, die ich sehr schätze:Frau Staatssekretärin, wie kommen Sie zu der Auffassung, daß die Initiative des nordrheinwestfälischen Justizministers gedeckt sei, wenn das Urteil des Bundesverfassungsgerichts nur von weichen Drogen spricht und nicht von harten?Daraufhin antwortet Frau Bergmann-Pohl:Frau Kollegin, nach dem Betäubungsmittelgesetz ist nicht ausgeschlossen, daß auch bei Rauschgift- und Heroinabhängigen das Prinzip Hilfe vor Strafe zutreffen kann.
Meine Damen und Herren, ich kann nur das wiederholen, was ich schon in zig Reden hier erklärt habe: Die SPD ist gegen jede Freigabe, gegen jede Legalisierung von Rauschgift.
Sie wird sich dem auch vehement widersetzen. Aber wir waren uns bisher mit CDU/CSU und F.D.P. einig, daß die Anwendung des § 31 a, die Anwendung des Opportunitätsprinzips, die Möglichkeit der Einstellung bei geringer Schuld und fehlendem öffentlichem Interesse, mit Freigabe oder Erlaubnis oder sonst etwas überhaupt nichts zu tun hat.
Sonst hätten Sie dieser Vorschrift vor zwei Jahren— das war am 4. Juni 1992; ich erinnere mich sehr gutdaran, denn ich habe da Geburtstag — bei der
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Johannes SingerVerabschiedung des 1. OrgKG nicht zugestimmt und sie nicht eingeführt.Deswegen halte ich es für falsch, daß Sie die Öffentlichkeit verunsichern, indem Sie behaupten, hier würde irgend etwas erlaubt oder freigegeben. Erst wer so etwas behauptet, der macht die Leute irre, der macht sie kirre. Das sollten wir sein lassen.Schönen Dank.
Nächster Redner ist unser Kollege Wolfgang von Stetten.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Viele Bürger fragen sich: Warum handeln Politiker nicht weitsichtiger, sondern immer erst, wenn es brennt? Das Asylrecht wurde erst geändert, nachdem 1992 460 000 Asylbewerber nach Deutschland strömten und es in Rostock, Mölln und Solingen brannte. Notwendige Verbrechensbekämpfungsgesetze kommen erst, sagt der Bürger, wenn sich die organisierte Kriminalität in Deutschland breitmacht und obwohl seit Jahren linke Berufskrawallmacher und nun verstärkt irre und wirre rechtsextreme Täter, aber auch Drogenhändler und andere Rechtsbrecher die Straßen und Städte Deutschlands unsicher machen. Teilweise hat der Bürger recht.Bei allen Vorteilen der Demokratie ist es ein Nachteil, daß alles etwas länger dauert, weil man Mehrheiten braucht, die oft schwierig zu erringen sind. Für die Asylgesetze war es spät, aber nicht zu spät, wie die Zahlen zeigen. In den ersten vier Monaten des letzten Jahres waren es noch 130 000. In den ersten vier Monaten dieses Jahres waren es über 80 000 weniger, nämlich nur 47 000. Das sind sicher noch zu viele, aber wir sind auf dem richtigen Weg.Nur durch eine gemeinsame Anstrengung des Gesetzgebers, der Regierungen, Ordnungsbeamten und der Justiz und unter scharfer Anwendung der vorhandenen und der heute zu beschließenden Gesetze können wir dem Bürger wieder mehr Sicherheit und Ordnung bieten.Zur Sicherheit Deutschlands gehört aber auch die konsequente Abschiebung von ausländischen Straftätern, die in eklatanter Weise das Gastrecht in der Bundesrepublik Deutschland mißbrauchen. Wer als Ausländer in der Bundesrepublik Deutschland wohnt, muß sich an das Recht halten. Das tun weit über 95 %. Wer aber Straftaten begeht, insbesondere solche, die die Sicherheit und Ordnung oder Leben und Gesundheit der Bürger durch Drogenhandel, schwere Kriminalität oder militante Demonstrationen gefährden, ist ohne Wenn und Aber abzuschieben. Das sind wir auch den ausländischen Mitbürgern schuldig, die unter den Straftaten dieser Verbrecher genauso leiden wie wir Deutsche oder sogar noch mehr.Das Recht der Ausweisung und Abschiebung ist aber nirgends auf der Welt so kompliziert und so durchlöchert wie bei uns. Wenn man die einzelnen Vorschriften liest, die einer Ausweisung und Abschiebung entgegenstehen, könnte man manchmal annehmen: Der Gesetzgeber macht sich mehr Sorgen um das Wohl von abgeschobenen ausländischen Straftätern in deren Heimatland als um den Schutz deutscher Bürger.Wer als Schlepper Menschen wie Vieh durch die halbe Welt transportiert und damit deren Tod in Kauf nimmt, wer gewalttätig demonstriert und versucht, Polizeibeamte anzuzünden, verdient keine Rücksicht, ebensowenig wie Drogenhändler, die mit ihren schmutzigen Geschäften nicht nur Milliarden verdienen, sondern verantwortlich sind für den Tod von hunderten meist jungen Menschen in der Bundesrepublik Deutschland.
In vielen Ländern der Erde werden sie wie Mörder behandelt und teilweise hingerichtet.Ich bin ein Gegner der Todesstrafe, aber bei Diskussionen in solchen Ländern bleiben einem gelegentlich die Argumente weg. Als ich z. B. vor zwei Monaten mit dem obersten Richter von Malaysia über deren Hinrichtungspraxis sprach, sagte er mir in seiner asiatischen, diplomatischen, aber eiskalten Höflichkeit: „Wie können Sie uns Unmenschlichkeit vorwerfen, wenn wir einige Hundert Heroinhändler hinrichten, während Sie zuschauen, daß es in Ihrem Land fast 2 000 Drogentote jährlich gibt? Wir hatten in Malaysia noch nicht einmal 20 Drogentote. Bei uns sterben die Täter, nicht — wie bei Ihnen — die Opfer, und da reden Sie von Menschlichkeit!"Dies sollte uns zu denken geben bei der unverantwortlichen, ich möchte fast sagen: von der Drogenmafia ferngesteuerten Diskussion urn die Freigabe von Drogen.
Jeder, der das fordert, sollte wissen, wovon er redet und wofür er letztlich mitverantwortlich ist. Auf Hasch folgt Kokain, auf Kokain folgt Heroin, auf Heroin hunderttausendfache Not und Elend, nicht nur der Süchtigen, sondern ganzer Familien, bis zum tausendfachen grauenvollen Tod in der Gosse. Das ist die nackte Tatsache, und das sollten wir dabei berücksichtigen.Wir wollen niemanden hinrichten, aber mit deutlichen Strafen und verbesserter Abschiebung versuchen, dieser Verbrecher Herr zu werden. Die Länder, die für die Abschiebung verantwortlich sind, werden dringend gebeten, die verbesserten Möglichkeiten konsequent zu nutzen.Ich verhehle nicht, daß ich gern drastischere Strafen und klarere Abschiebebedingungen und bessere elektronische Überwachungsmöglichkeiten mit durchgesetzt hätte. Trotzdem haben wir einen guten Erfolg erzielt.Meine Damen und Herren, wir sollten uns als Politiker auch mehr vor unsere Polizeibeamten stellen — auch wenn Fehler vorkommen —, als ohne Kenntnis der tatsächlichen Sachlage zu kritisieren. Dies gilt auch für sogenannte neunmalgescheite Juristen, die Tage und Wochen über ein Rechtsproblem nachden-
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Dr. Wolfgang Freiherr von Stettenken können, während der Polizeibeamte innerhalb von Minuten, oft von Sekunden, zu entscheiden hat und seine Arbeit unter persönlicher Gefahr für Leib und Leben verrichten muß.Mit dem Verbrechensbekämpfungsgesetz 1994 sind wir einen großen Schritt weitergekommen. Meine dringende Bitte an Staatsanwälte und Richter, an Beamte der Länder und Behörden lautet, diese Gesetze sofort und unbedingt anzuwenden. Darm wird der Bürger merken, daß nicht die Täter geschützt werden, sondern er, der Bürger, und daß unsere Straßen und Städte wieder sicherer werden. Dann wird er auch wieder Vertrauen in die Politik gewinnen.Danke schön.
Herr Kollege Ortwin Lowack, Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe in der ersten Lesung Stellung genommen und kann darauf Bezug nehmen. Das Gesetz ist in Teilen ein Riesenschritt in den Überwachungsstaat. Wenn in Zukunft die Registrierung in einem länderübergreifenden Register für den bösen Nachbarn möglich ist und der Betroffene, selbst wenn er freigesprochen wird, keine Chance hat, vor Ablauf von zwei Jahren aus diesem Register wieder herauszukommen, wenn vor allen Dingen überhaupt keine Konzentration auf bestimmte Tatbestände vorgenommen wird, werden Sie sich wundern, in welch kurzer Zeit wie viele Millionen von deutschen Bürgern hier registriert werden.
In diesem Zusammenhang wurde zunächst das falsche Kind gebadet und dann auch noch mit dem Bad ausgeschüttet. Statt „Kleinert-MarschewskiGeis„ könnte man eher durch eine Umstellung des „t" von „Kleinert" sagen: Kleiner-Marschewski-Geist. Das tut mir allerdings besonders leid, weil alle drei beteiligten Kollegen so liebenswürdige und mir verbundene Abgeordnete sind. Aus den Entscheidungen spricht aber doch eine gewisse Elfenbeinturmmentalität, wobei es immer schwierig ist, dahinterzuschauen, was in diesem Elfenbeinturm bei den Beratungen wirklich stattgefunden hat.
Auf alle Fälle läßt sich eines feststellen: Auf lange geschichtliche Erfahrungen aufbauende, ohnehin permanent abgebaute strafprozessuale Rechte werden unnötig, unüberschaubar, unberechenbar weiter eingeschränkt. Dieses Gesetz müßte eigentlich heißen „ Gesetz über den Abbau strafprozessualer Rechte und Sammelsurien wahltaktischer Manöver".
Der Kollege Günter Graf hat völlig recht, wenn er sagt: Der Hintergrund, warum wir eine so gewaltige Zunahme von Verbrechen, Gewalt und leider auch moralisch-seelischem Verfall in unserem Land haben, wurde hier in keiner Weise gestreift.
Ich möchte noch zu einem anderen Punkt Stellung nehmen, weil er heute fast ausgespart wurde, geheimnisvoll, als ob niemand wagen würde, darüber zu sprechen. Es ist die Neufassung der Bestrafung der sogenannten Auschwitz-Lüge.
Nun kann man natürlich grundsätzlich der Auffassung sein: Jede Lüge über die Geschichte muß sanktioniert werden. Wäre das so, dann hätten wir wahrscheinlich viele Lügen, die in diesem Jahrhundert zu unglaublichen Folgen für die Menschheit geführt haben, vielleicht verhindern können, aber nur wenige auf deutscher Seite, sondern vor allen Dingen solche nach dem ersten Weltkrieg auf seiten anderer europäischer Länder.
Nur, meine sehr verehrten Damen und Herren, was will man eigentlich mit diesem Gesetz erreichen? Ergeben sich nicht viel aktuellere Probleme z. B. daraus, daß man die furchtbare Vertreibung und die Grausamkeiten, die gegenüber unseren Heimatvertriebenen begangen wurden, genauso verharmlost? Wenn man sie herabwürdigt, ist das nicht auch — oft mit einem unglaublichem Zynismus vorgetragen — ein strafwürdiges Vergehen, vor allem wenn man beobachtet, wie die Deutschen, die trotz allen Drucks in ihrer Heimat geblieben sind, heute behandelt werden, wie man sie teilweise auf die Straßen jagt und sich an ihrem Vermögen vergreift.
Mich stört die Fortschreibung eines unklaren Tatbestandes, in dem die Lüge über Geschichte — die ich durchaus als Lüge benennen möchte — strafbar und in einer Modifizierung noch strafbarer gemacht wird, obwohl allgemein über nichts in der Politik oder woanders mehr gelogen wird als gerade über die Geschichte.
Herr Kollege Ortwin Lowack, ich wollte Sie nur darauf aufmerksam machen: Dieses Thema ist hier sehr wohl von mehreren Rednern behandelt worden.
Meine Damen und Herren, nächster Redner ist der Kollege Dr. Rudolf Krause .
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Geis, ich bin einverstanden mit der Aussage: Wir halten dieses Gesetz, also dieses Strafrechtsänderunggesetz, für einen ersten Schritt — auch in die richtige Richtung. Entscheidend ist aber der Vollzug gegenüber jedermann.Herr Bundesminister Kanther, eine Regierung wird nicht gemessen an den Absichten, die ich — soweit es die heutige Rede angeht, auch die Rede vom Kollegen Geis und heute auch die vom Kollegen Eylmann — vollinhaltlich auch als Republikaner teile. Eine Regierung wird an den Ergebnissen ihrer Politik gemessen. Diese Ergebnisse sind im Kriminalbericht nachzuweisen, nachzulesen, und die sind eben nicht positiv. Ich sagte hierzu in der ersten Lesung am 10. März:Es ist ein Schritt in die richtige Richtung, ... Aber dies geht nicht weit genug. Es greift viel zu kurz. Wir müssen sofort etwas gegen die bandenmäßige Körperverletzung tun. Die Kriminellen läßt
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Dr. Rudolf Karl Krause
man immer wieder laufen. Sie rotten sich zusammen. Soweit sie sich „politisch" nennen, sind immer V-Männer dabei. Trotzdem wird nicht dagegen eingeschritten.Diese Zustandsbeschreibung hat sich in den letzten Tagen in Magdeburg leider bewahrheitet.Auch die neugefaßten Absätze 1 und 2 zur Volksverhetzung werden von mir und wohl auch von den meisten Republikanern ausdrücklich gebilligt. Wir müssen aber einfordern, daß sie gemäß Art. 3 Abs. 3 unseres Grundgesetzes auch gegenüber jedermann gelten, d. h. daß auch Tatbestände der Volksverhetzung gegen meine Partei und unsere Anhänger, die ja Millionen betragen, in Zukunft von dieser Bestimmung erfaßt werden. Wer das nicht will, ist eben auch ein Feind des Grundgesetzes.Nun noch ein Letztes zu den Tatsachen und den Lügen fiber Auschwitz, zur Änderung des Abs. 3 von § 130. Ich teile hier die Bedenken von Herrn Professor Gerd Roellecke von der Universität Mannheim, der diese am 18. Mai dieses Jahres in der FAZ veröffentlichte, und dies gerade als ehemaliger DDR-Bürger. Er schreibt: Das Strafrecht darf sich nicht in das Schlepptau einer öffentlichen Moral begeben. Ich zitiere weiter: Heute gibt es von der Wirklichkeit der früheren DDR bereits zwei Versionen, eine westdeutsche und eine ostdeutsche. Vielleicht wird dereinst wegen DDR-Lüge bestraft, wer behauptet, es habe die DDR nie gegeben.Tendenzen gibt es ja bei den Wiedereinrichtern einer kommunistisch geprägten antifaschistischen Einheitsfront auch in dieser Woche und in diesem Hause. Deshalb kann ich diesem Absatz eben nicht voll zustimmen. Gefängnis für Äußerungen sind immer das untrügliche Kennzeichen einer Diktatur. Für die Katyn-Lüge der Sowjets wurden seinerzeit unschuldige Deutsche auch zum Tode verurteilt. Dies war damals die öffentliche Version. Auch deshalb hat keine deutsche Regierung protestiert.Zum Schluß möchte ich folgendes feststellen. In der DDR wurde rassistischer und imperialistischer Völkermord gleichermaßen geächtet. Aber Herr Gysi hat es heute scheinbar verdrängt: Das kommunistische Massenmorden dagegen wurde — ich zitiere aus dem Gesetz — gebilligt, geleugnet und verharmlost. Die Lehren aus dem furchtbaren Völkermorden in diesem Jahrhundert hat nur der wirklich gezogen, der dem Völkermorden auch unserer Tage aktiv entgegentritt.Ich danke für die Aufmerksamkeit.
Letzter Redner in der Debatte ist Kollege Ulrich Briefs.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch als unabhängigem Abgeordneten muß einem einfach auffallen, daß die Regierungskoalition derzeit schon fast mit einer Art Torschlußpanik handelt. Es werden noch schnell politische Vorhaben durchgepeitscht, von denen die
Koalition weiß, daß sie sie nach dem Votum der Wähler am 16. Oktober wohl nicht mehr durchbekommt, weil ihr einfach die Mehrheit entzogen wird. Vor dem Hintergrund dieses Hoffnungszeichens könnte man den Aktionismus dieser Bundesregierung, dieser Koalition eigentlich gelassen betrachten. Es handelt sich im Gesamtzusammenhang jedoch um Vorhaben — dazu zählt auch gerade das zur Abstimmung anstehende Verbrechensbekämpfungsgesetz —, die vor allen Dingen noch schnell den Weg in eine durch autoritär-konservative Regelungen geprägte Republik ebnen bzw. zementieren soll. Was hier als differenzierte Antwort auf Verbrechen und Verbrecher bezeichnet wird, ist in Wirklichkeit Bestandteil eines repressiven kriminalpolitischen Konzepts, das nicht an den sozialen und wirtschaftlichen, sozialpsychologischen und historischen Wurzeln des Verbrechens ansetzt, sondern von einem starren Freund-Feind-Schema ausgeht und alles auszugrenzen oder zu kriminalisieren sucht, was außerhalb der Freund-Zone angesiedelt ist. In bestimmten Aspekten ist dieses Konzept Politik gewordene Paranoia.
Auf der anderen Seite bleiben bereits bestehende nutzbare polizeiliche und gerichtliche Vorgehensmöglichkeiten ungenutzt, z. B. im Vorgehen gegen Neonazis und gegen neubraune Mörder und Totschläger, und das gerade in CDU-bestimmten Ländern wie Sachsen-Anhalt. Neonazis spazieren in Magdeburg und anderswo mit Hitlergruß an der Polizei vorbei. Doch statt die Polizei zum Eingreifen zu bringen, legt diese Koalition Vorschläge zum Kampf gegen Rechtsextreme vor, zu denen die Strafverteidigervereinigungen — das sind sicherlich nicht linksoppositionelle Organisationen — sagen: Die Vorschläge zur Ergänzung und Erweiterung der Vorschriften des politischen Strafrechts sind ungeeignet, dem Anstieg neonazistischer und ausländerfeindlicher Straftaten in der Bundesrepublik zu begegnen, denn im Kern fördern die Ergänzungs- und Erweiterungsvorschläge autoritäre Vorstellungen sowie die Gefahr, daß die Gerichte zu einer politischen Bühne für rechtskonservative Gesinnungstäter werden.
Gleich doppelt gefährlich wird diese neoautoritäre repressive Politik, wenn sie einerseits mit Strafverschärfungen zur weiteren Verrohung, Brutalisierung und Inhumanisierung der Gesellschaft beiträgt und zugleich mit Nachsicht und Duldung gegenüber rechtsradikalen Verbrechern und Organisationen das politische Gewaltpotential sich weiter ausbreiten läßt.
Was soll zudem die Aufhebung der strikten rechtlichen Trennung von Polizei und Strafverfolgungsbehörden einerseits und Geheimdiensten andererseits, eine Trennung, die von den Alliierten als Lehre aus der Gestapozeit zu Recht auferlegt wurde? Sie kann zur allseitigen geheimdienstlichen Durchdringung des gesellschaftlichen Lebens, also zur Reproduktion von Stasiverhältnissen, beitragen.
Was soll die ausufernde Praxis der Überwachung und Verfolgung von Ausländern? Warum wird deren bloße Existenz als Bedrohung für die sogenannte innere Sicherheit angesehen? Befindet sich denn unter den Rechtsradikalen, die diesen Staat und diese
Dr. Ulrich Briefs
Gesellschaft wirklich bedrohen, auch nur eine Handvoll Ausländer? Muß sich nicht des öfteren geradezu der Eindruck aufdrängen, daß viele der ansonsten ordentlichen, fleißigen deutschen Bürger wegen ihrer politischen Uneinsichtigkeit, ihrer Intoleranz und Insensibilität eher der Nährboden für die Zerstörung des halbwegs bürgerlich-liberalen, halbwegs zivilisierten Staatswesens sind, das wir über vier Jahrzehnte in der Bundesrepublik, im Westen, entwickelt haben?
Hören Sie um Gottes willen vor allem auf, weiterhin in diesem Land irgendwelche Menschen zweiter Klasse zu schaffen! Dieses Land und diese Bevölkerung können mit Minderheiten nicht umgehen. Das wissen Sie.
Zur Bekämpfung des Verbrechens ist daher vor allem eine umfassende gesellschaftliche Reformpolitik unerläßlich. Wer jedoch, wie diese Koalition, die Gesellschaft in immer mehr Unsolidarität, in immer mehr soziale und ethnische Ausgrenzung und in rücksichtslose Bereicherungsmentalität hineindriften läßt bzw. hineintreibt, bekämpft nicht, sondern fördert das Verbrechen. Hier scheint mir der Kern des Problems zu liegen.
Herr Präsident, ich danke Ihnen.
Meine Damen und Herren! Ich schließe die Aussprache. Weitere Wortmeldungen liegen nämlich nicht mehr vor.Wir kommen jetzt zu einer ganzen Reihe von Abstimmungen, zunächst über den von den Fraktionen der CDU/CSU und der F.D.P. eingebrachten Entwurf eines Verbrechensbekämpfungsgesetzes auf den Drucksachen 12/6853 und 12/7584, Buchstabe a.Dazu liegt ein Änderungsantrag des Abgeordneten Dr. Wolfgang Ullmann auf Drucksache 12/7615 vor, über den wir zuerst abstimmen. Wer stimmt für diesen Änderungsantrag? - Die Gegenprobe! —
— Meine Damen und Herren, Ihnen allen kann so etwas auch passieren. Herr Kollege Dr. Ullmann hat gerade telefoniert. Daß er für seinen Antrag stimmt, setze ich voraus. — Stimmenthaltungen? — Der Änderungsantrag ist abgelehnt.Wir kommen zum Gesetzentwurf in der Ausschußfassung. Die Fraktion der SPD hat getrennte Abstimmung verlangt.Ich rufe Art. 1 Nr. 1 bis 4 in der Ausschußfassung auf. Ich bitte diejenigen, die zustimmen wollen, um das Handzeichen. — Wer stimmt dagegen? — Stimmenthaltungen? — Bei einer großen Anzahl von Stimmenthaltungen, insbesondere aus der SPD-Fraktion, sind die aufgerufenen Vorschriften angenommen.Ich rufe Art. 1 Nr. 4 a bis 8 in der Ausschußfassung auf. Ich bitte diejenigen, die zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! — Stimmenthaltungen? — Bei Enthaltungen in der Gruppe PDS/ Linke Liste sind die aufgerufenen Vorschriften angenommen.Ich rufe Art. 1 Nr. 9 bis 15 in der Ausschußfassung auf. Ich bitte diejenigen, die zustimmen wollen, um das Handzeichen. — Die Gegenprobe! — Stimmenthaltungen? — Mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen bei Enthaltung des übrigen Hauses sind die aufgerufenen Vorschriften angenommen.Ich rufe Art. 1 Nr. 16 bis 19 in der Ausschußfassung auf. Ich bitte diejenigen, die zustimmen wollen, um das Handzeichen. — Wer stimmt dagegen? — Stimmenthaltungen? --- Bei wenigen Stimmenthaltungen aus den Gruppen sind die aufgerufenen Vorschriften angenommen.Ich rufe Art. 1 Nr. 20 in der Ausschußfassung auf. Ich bitte diejenigen, die zustimmen wollen, um das Handzeichen. — Wer stimmt dagegen? — Stimmenthaltungen? - Bei einer Gegenstimme und einer Reihe von Stimmenthaltungen, insbesondere aus der SPD-Fraktion, ist die aufgerufene Vorschrift angenommen.Ich rufe Art. 2 in der Ausschußfassung auf. Ich bitte diejenigen, die zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? — Stimmenthaltungen? — Bei Gegenstimmen aus der SPD-Fraktion und den Gruppen und bei einigen Enthaltungen aus der F.D.P.-Fraktion ist Art. 2 angenommen.Ich rufe Art. 3 in der Ausschußfassung auf. Ich bitte diejenigen, die zustimmen wollen, um das Handzeichen. — Wer stimmt dagegen? — Stimmenthaltungen? — Mit dem gleichen Stimmenverhalten ist Art. 3 angenommen.Ich rufe Art. 4 Nr. 1 bis 11 in der Ausschußfassung auf. Ich bitte diejenigen, die zustimmen wollen, um das Handzeichen. — Wer stimmt dagegen? — Stimmenthaltungen? — Auch hier liegt das gleiche Abstimmungsverhalten vor. Die aufgerufenen Vorschriften sind angenommen.Ich rufe Art. 4 Nr. 12 in der Ausschußfassung auf. Ich bitte diejenigen, die zustimmen wollen, um das Handzeichen. — Gegenstimmen? — Stimmenthaltungen? — Bei Stimmenthaltungen aus den Gruppen ist Art. 4 Nr. 12 angenommen.Ich rufe Art. 5 auf. Ich bitte diejenigen, die zustimmen wollen, um das Handzeichen. — Gegenstimmen? — Stimmenthaltungen? — Mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen das übrige Haus ist Art. 5 angenommen,
bei drei Enthaltungen aus der F.D.P.Ich rufe Art. 6 auf. Ich bitte diejenigen, die zustimmen wollen, um das Handzeichen. — Wer stimmt dagegen? — Stimmenthaltungen? — Art. 6 ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen angenommen.Ich rufe Art. 7 in der Ausschußfassung auf. Ich bitte diejenigen, die zustimmen wollen, um das Handzeichen. — Gegenstimmen? — Stimmenthaltungen? — Bei Stimmenthaltungen aus den Gruppen ist Art. 7 angenommen.Ich rufe Art. 7 a in der Ausschußfassung auf. Ich bitte diejenigen, die zustimmen wollen, um das Handzeichen. — Gegenstimmen? — Stimmenthaltungen? —
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Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 229. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. Mai 1994 19907
Vizepräsident Helmuth BeckerGleiches Stimmenverhalten wie vorher. Damit ist Art. 7 a angenommen.Ich rufe Art. 8 in der Ausschußfassung auf. Ich bitte diejenigen, die zustimmen wollen, um das Handzeichen. — Gegenstimmen? — Stimmenthaltungen? — Auch hier liegt das gleiche Abstimmungsverhalten vor. Art. 8 ist angenommen.Ich rufe Art. 9 in der Ausschußfassung auf. Ich bitte diejenigen, die zustimmen wollen, um das Handzeichen. — Wer stimmt dagegen? — Stimmenthaltungen? — Bei einigen wenigen Stimmenthaltungen ist Art. 9 angenommen.Ich rufe Art. 10 in der Ausschußfassung auf. Ich bitte diejenigen, die zustimmen wollen, um das Handzeichen. — Gegenstimmen? — Stimmenthaltungen? — Bei wenigen Stimmenthaltungen ist auch Art. 10 angenommen.Ich rufe Art. 11 in der Ausschußfassung auf. Ich bitte diejenigen, die zustimmen wollen, um das Handzeichen. — Gegenstimmen? — Stimmenthaltungen? — Art. 11 ist bei wenigen Stimmenthaltungen angenommen.Ich rufe Art. 12 auf. Ich bitte diejenigen, die zustimmen wollen, um das Handzeichen. — Gegenstimmen? — Stimmenthaltungen? — Mit Zustimmung der Koalitionsfraktionen ist Art. 12 gegen die Stimmen des übrigen Hauses angenommen. Auch hier gibt es bei der Fraktion der F.D.P. zwei Enthaltungen.Ich rufe Art. 13 auf. Ich bitte diejenigen, die zustimmen wollen, um das Handzeichen. — Gegenstimmen?— Stimmenthaltungen? — Bei Stimmenthaltungen aus den Gruppen ist auch Art. 13 angenommen.Ich rufe Art. 14 in der Ausschußfassung auf. Ich bitte diejenigen, die zustimmen wollen, tim das Handzeichen. — Gegenstimmen? — Stimmenthaltungen? — Bei gleichem Abstimmungsverhalten in den Gruppen ist auch Art. 14 angenommen.Ich rufe Art. 15 auf. Ich bitte diejenigen, die zustimmen wollen, um das Handzeichen. — Wer stimmt dagegen? — Stimmenthaltungen? — Bei Stimmenthaltungen und Gegenstimmen aus den Gruppen ist Art. 15 angenommen.Ich rufe Art. 16 auf. Ich bitte diejenigen, die zustimmen wollen, um das Handzeichen. — Gegenstimmen?— Stimmenthaltungen? — Mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen das übrige Haus ist Art. 16 angenommen.Ich rufe Art. 17 auf. Ich bitte diejenigen, die zustimmen wollen, um das Handzeichen. — Gegenstimmen?— Stimmenthaltungen? — Mit demselben Abstimmungsverhalten wie vorher ist Art. 17 angenommen.Ich rufe Art. 18, Einleitung und Überschrift in der Ausschußfassung auf. Ich bitte diejenigen, die zustimmen wollen, um das Handzeichen. — Gegenstimmen?— Stimmenthaltungen? — Mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen sind die aufgerufenen Vorschriften angenommen.Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung angenommen. Wir kommen zurdritten Beratungund Schlußabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. — Gegenstimmen? — Dann brauche ich nach Enthaltungen nicht zu fragen. Mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen das übrige Haus ist der Gesetzentwurf angenommen.Meine Damen und Herren, wir kommen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf der Fraktion der SPD zur Bekämpfung des illegalen Rauschgifthandels und anderer Erscheinungsformen der organisierten Kriminalität auf Drucksache 12/6784. Der Rechtsausschuß empfiehlt auf Drucksache 12/7584 unter Buchstabe b, den Gesetzentwurf abzulehnen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Stimmenthaltungen? — Bei Stimmenthaltungen der Gruppe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ist der Gesetzentwurf abgelehnt. Damit entfällt nach der Geschäftsordnung die weitere Beratung.Unter Buchstabe c seiner Beschlußempfehlung auf Drucksache 12/7584 empfiehlt der Rechtsausschuß, den Entwurf des Bundesrates zu einem Strafrechtsänderungsgesetz auf Drucksache 12/4825 für erledigt zu erklären. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung?— Stimmenthaltungen? — Bei einigen Stimmenthaltungen ist dieser Beschlußempfehlung gefolgt.Wir müssen nun noch zu dem Tagesordnungspunkt 23 d über eine Beschlußempfehlung des Innenausschusses zum Antrag der Gruppe PDS/Linke Liste zur Auflösung der Koordinierungsgruppe Terrorismusbekämpfung abstimmen. Das ist die Drucksache 12/2482. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf der Drucksache 12/1158 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? — Gegenprobe! — Stimmenthaltungen? — Bei Stimmenthaltungen und Gegenstimmen aus der Gruppe PDS/Linke Liste ist die Beschlußempfehlung angenommen.Wir stimmen nun zum Zusatzpunkt 11 über die Beschlußempfehlung des Innenausschusses zum Antrag der Gruppe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zu einer neuen Kriminalpolitik, Drucksache 12/7442, ab. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 12/5948 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? — Gegenprobe! — Stimmenthaltungen?— Bei einigen Stimmenthaltungen und einigen Gegenstimmen ist die Beschlußempfehlung angenommen.Wir stimmen zum Zusatzpunkt 12 über die Beschlußempfehlung des Innenausschusses zu Entschließungsanträgen der Fraktion der SPD und der Gruppe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zur Großen Anfrage über das Sicherheitsbedürfnis der Bevölkerung und die Massenkriminalität, Drucksache 12/7569, ab. Der Ausschuß empfiehlt, die Entschließungsanträge auf den Drucksachen 12/5926 und 12/5953 für erledigt zu erklären. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? — Die Koalitionsfraktionen. Wer stimmt dagegen? — Die beiden Gruppen. Wer enthält sich der Stimme? — Die SPD-Fraktion. Die Beschlußempfehlung ist angenommen.
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19908 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 229. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. Mai 1994
Vizepräsident Helmuth BeckerMeine sehr verehrten Damen und Herren, ich rufe nun die Zusatztagesordnungspunkte 5a und b, die heute morgen Gegenstand der Geschäftsordnungsdebatte waren, auf:a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Entschädigung nach dem Gesetz zur Regelung offener Vermögensfragen und über staatliche Ausgleichsleistungen für Enteignungen auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage
— Drucksachen 12/4887, 12/7588 —aa) Beschlußempfehlung und Bericht desFinanzausschusses
— Drucksache 12/7588 —Berichterstattung:Abgeordnete Reiner Krziskewitz Hermann RindGunter Weißgerberbb) Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung— Drucksache 12/7593 —Berichterstattung:Abgeordnete Adolf Roth Dr. Wolfgang Weng (Gerlingen) Helmut Estersb) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Finanzausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Rolf Schwanitz, Angelika Barbe, Holger Bartsch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPDBeseitigung der Investitionshemmnisse im eigentumsrechtlichen Bereich der neuen Bundesländer und Sicherung des Rechtsfriedens— Drucksachen 12/6066, 12/7588 —Berichterstattung:Abgeordnete Reiner Krziskewitz Hermann RindGunter WeißgerberZum Entschädigungs- und. Ausgleichsleistungsgesetz liegen ein Änderungsantrag und ein Entschließungsantrag der Fraktion der SPD sowie ein Änderungsantrag der Gruppe PDS/Linke Liste vor. Ich weise darauf hin, daß zum Änderungsantrag der SPD und zur Schlußabstimmung namentliche Abstimmung verlangt ist. Wer jetzt auf die Uhr schaut, der weiß, daß wir, wenn wir die interfraktionelle Vereinbarung einhalten und anderthalb Stunden diskutieren, etwa gegen 14.30 Uhr zur namentlichen Abstimmung kommen. — Ich sehe und höre zur vereinbarten Redezeit keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat als erster unser Kollege Reiner Krziskewitz.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dieser Gesetzentwurf — —
Herr Kollege Krziskewitz, einen Moment, bitte. — Meine Damen und Herren, nach der anstrengenden Debatte und der Abstimmung kann ich nachvollziehen, daß der eine oder andere einen Augenblick Ruhe braucht. Ich bitte allerdings, die notwendige Ruhe für den Redner herzustellen. Danke schön.
Bitte, Kollege Krziskewitz.
Ich bedanke mich. — Meine Damen und Herren, dieser Gesetzentwurf ist ein Kompromiß. Man muß ihn im Zusammenhang sehen mit der geschichtlichen Entwicklung, der wirtschaftlichen, sozialen und soziologischen Situation, wie sie in den neuen Bundesländern gewachsen ist, aber auch wie sie sich seit der Wiedervereinigung gestaltet hat.Es war das erklärte Ziel des Staates DDR, Privateigentum an Produktionsmitteln langfristig zu beseitigen und aufzuheben. Die vielfältigen Formen und Wellen der Enteignung, die Vertreibung ganzer Gruppen und Schichten der Bevölkerung hatten neben dem Aspekt der politischen Repression auch diesen wirtschaftlich-ideologischen Zielsetzungspunkt.Diese Tatsache festzustellen heißt auch anzuerkennen, daß es den Einwohnern in den neuen Bundesländern jahrzehntelang verwehrt war, Eigentum am Produktivvermögen zu bilden. So ist die Forderung von CDU-Abgeordneten aus den neuen Bundesländern zu verstehen, Voraussetzungen zu schaffen, damit es den Einwohnern in den neuen Bundesländern ermöglicht wird, wirtschaftlich selbständige, überlebensfähige Existenzen zu gründen, wohl wissend, wie dünn die Decke des Eigenkapitalstocks ist.
Das trifft insbesondere auf den landwirtschaftlichen Bereich zu. In den letzten vier Jahren haben in den neuen Bundesländern Tausende von Wieder- und Neueinrichtern den Mut gefunden, eigene Betriebe zu gründen. Sie haben mit Anlaufschwierigkeiten und den allgemeinen Sorgen der Landwirtschaft zu kämpfen, beweisen aber im zweiten, dritten und vierten Jahr ihrer Existenz ihre Leistungsfähigkeit.Meine Damen und Herren, das vorliegende Gesetz sieht vor, daß Wieder- und Neueinrichter im Zuge des Siedlungsprogramms von ihnen gepachtete Flächen, die sich in Treuhandbesitz befinden, zu äußerst günstigen Konditionen, nämlich dem dreifachen Einheitswert bis hin zu einer Größe von 8 000 Ertragsmeßzahlen oder, volkstümlicher ausgedrückt: 8 000 Bodenpunkten, erwerben können.In einer etwaigen Konkurrenzsituation mit anspruchsberechtigten Alteigentümern haben Wieder- und Neueinrichter einen verbrieften Vorrangsanspruch auf die von ihnen bewirtschafteten Flächen. Die Kaufkonditionen werden so gestaltet, daß der
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Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 229. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. Mai 1994 19909
Reiner KrziskewitzKaufpreis erst nach Ablauf der Pacht, also in zwölf Jahren, fällig wird.Bei den für die Privatisierung zuständigen Stellen, den jetzigen BVVGen, wird ein Beirat eingerichtet, der bei widerstreitendem Interesse angerufen werden kann.Der Zugang zu diesem Siedlungsprogramm ist auch Mitgliedern juristischer Personen offen. Juristischen Personen bleibt eine zwölfjährige Pachtgarantie erhalten. Sie können nach Ablauf der zwölfjährigen Pachtphase im Landerwerbs- und Siedlungsprogramm nicht verwertete Flächen bis zu einer Größenordnung von 30 % ihrer Pachtfläche zum Verkehrswert erwerben.
— Zum Verkehrswert.
In diesem Zusammenhang sei ein Problem angemerkt, das durch das Entschädigungsgesetz nicht gelöst werden kann, aber die Nachfolgegenossenschaften unbedingt berührt, nämlich das Problem der Altschuldenbelastung und deren Zuordnung im genossenschaftlichen Bereich. Wir sind der Meinung: Das ist hier nicht lösbar. Wir sehen hier aber einen erweiterten Regelungsbedarf.Für dieses eben beschriebene Siedlungsprogramm stehen insgesamt 950 000 Hektar land- und forstwirtschaftliche Nutzfläche zur Verfügung. Es ist davon auszugehen, daß dieses Programm über 10 000 Neu-und Wiedereinrichtern aus den neuen Bundesländern langfristig eine gesicherte Existenzbasis schaffen wird. Dieses Programm, meine Damen und Herren, ist in Kondition und Umfang in der gesamten europäischen Geschichte erst- und einmalig; und es erfüllt in hohem Maße das, was uns bei der Privatisierung des Treuhandvermögens im industriellen Bereich nur sehr ungenügend gelungen ist, nämlich wirkliche Chancen einer Eigentumsbildung für die Einwohner in den neuen Bundesländern zu schaffen.
Es ist uns durchaus bewußt, daß diese Regelung von vielen Alteigentümern als enttäuschend empfunden wird. Vor diesem Hintergrund sind Vorwürfe, hier würde die sogenannte Bodenreform rückgängig gemacht, halt- und gegenstandslos. Die vorgesehenen Ausgleichsleistungen ermöglichen vielmehr Alteigentümern eine bescheidene Chance, sich in ihrer alten Heimat wieder anzusiedeln, denn die vorgesehene Fläche macht noch nicht einmal 8 % der landwirtschaftlichen Nutzfläche in den neuen Bundesländern aus. Ein bißchen Statistik sollte man betreiben. Hier von einer Wiederherstellung von Uraltverhältnissen zu reden ist absurd.Im Rahmen der bestehenden Möglichkeiten und unter gewissenhafter Abwägung der oft sich widersprechenden berechtigten Interessen ist dieser Kompromiß gefunden worden. Wir glauben: Es ist ein guter, ein tragfähiger, in die Zukunft weisender Kompromiß.
Ich bitte das Hohe Haus um Zustimmung.
Meine Damen und Herren, nächster Redner ist jetzt unser Kollege Rolf Schwanitz.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das heute zu beratende Entschädigungsgesetz stößt auf den massiven Widerstand der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion. Wir können diesem Gesetz in der jetzt vorliegenden Fassung nicht zustimmen. Gründe hierfür gibt es genug. Ich will meine Ausführungen vor allem auf vier Ablehnungsgründe beschränken.Erstens. Ausgangspunkt für das heutige Gesetz war die Regelungslücke im Vermögensgesetz. Wir haben es oft beklagt, daß 1990 ein Vermögensgesetz in Kraft gesetzt worden ist, mit einer Vorrangregelung „Rückgabe vor Entschädigung", ohne daß klar war, in welcher Höhe Entschädigungsleistungen gewährt werden sollen. Infolgedessen blockieren seit vier Jahren fast alle Ansprüche in der Form der viel attraktiveren Restitutionsanträge den ostdeutschen Investitions- und Immobilienmarkt.
Allein in Halle liegen statistisch 1,8 Anträge auf jedem vorhandenen Grundstück vor. Das Vermögensamt wartet dort händeringend darauf, daß ein Entschädigungsgesetz verabschiedet wird, welches den Attraktivitätsunterschied zwischen Restitution und Entschädigung möglichst weitgehend ausgleicht. Der heute vorliegende Gesetzentwurf wird diesem eigentlichen Auftrag, der in den letzten Wochen und Monaten weitgehend aus dem Bewußtsein der Medien verschwunden ist, überhaupt nicht gerecht.
In dem vor einem Jahr eingebrachten Gesetzentwurf hatten wir noch das Instrument einer Vermögensabgabe für Restitutionsberechtigte. Denn allen war klar, daß man auch auf der Restitutionsseite die Attraktivität mindern muß und Verkehrswertentschädigungen nicht gezahlt werden können. Unter populistischen Argumentationen wie beispielsweise „Opfer entschädigen Opfer" wurde von der Koalition alsbald die eigene Bundesregierung unter Beschuß genommen, die dann die Vermögensabgabe für Restitutionsberechtigte zurückgezogen hat.Die Konsequenz war klar: Es mußte bei der Entschädigungsseite nachgelegt werden. Da dies aus haushaltspolitischen Gründen jedoch objektiv nicht ausreichend erfolgen konnte, hat sich die Wertschere zwischen Restitution und Entschädigung weit geöffnet. Das ist nicht nur eine Gerechtigkeitsfrage, sondern auch eine Frage der Verfassungsmäßigkeit. Wir stellen heute fest: Der Gesetzentwurf der Bundesregierung ist in der jetzigen Fassung mit so vielen verfassungsrechtlichen Risiken behaftet, daß ein Scheitern in Karlsruhe mit dann allerdings erhebli-
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Rolf Schwanitzchen haushaltspolitischen Auswirkungen vorprogrammiert ist. Hierzu reichen wir nicht die Hand.
Zweitens. Der zweite Ablehnungsgrund erwächst daraus, daß der Gesetzentwurf jegliche investiven Impulse verloren hat. Dabei geht es nicht nur darum, daß wegen der gewachsenen Wertschere zwischen Restitution und Entschädigung auch weiterhin die Blockade der offenen Vermögensfragen bestehenbleiben wird. Nein, es fehlen auch im heutigen Gesetzentwurf spezielle Investitionsinstrumente. Vor einem Jahr hatten wir noch die Abinvestierbarkeit der Vermögensabgabe der Restitutionsberechtigten, alles in allem ein sehr wirksames Instrument, ging es doch darum, bei den Restitutionsberechtigten die Immobilienspekulationen zu vermindern und das zusätzliche Investieren von privatem Vermögen in das restituierte Grundstück zu fördern. Nachdem die gesamte Vermögensabgabe für Restitutionsberechtigte aus politischen Gründen gestrichen worden ist, wurde ein neues Investitionsförderungsinstrument, der sogenannte Investitionsbonus, für die Entschädigungsberechtigten ins Leben gerufen.Natürlich konnte hier nicht mehr zusätzliches privates Kapital mobilisiert werden, aber immerhin bestand die Hoffnung, daß durch die eine Milliarde Gesamtvolumen die staatlichen Entschädigungsleistungen nicht vollständig in die Konsumtion der Alteigentümer fließen werden. Dieser Investitionsbonus wurde jetzt aus Geldmangel — da man ja den Bodenreformgeschädigten noch Subventionsgeschenke machen will — gestrichen. Das Entschädigungsgesetz hat damit jeglichen investiven Charakter verloren. Es ist nur noch ein reines Komsumtionsinstrument.
Meine Damen und Herren, in einer Zeit der tiefen wirtschaftlichen Rezession, in einer Zeit höchster Arbeitslosigkeit, in einer Zeit, wo alle Welt kritisch den Wirtschaftsstandort Deutschland diskutiert, ist diese volkswirtschaftliche Verschwendungsorgie mit der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion nicht zu machen.
Drittens. Dieses Entschädigungsgesetz reißt in erheblichem Maße neue Gerechtigkeitslücken auf. Was sagen Sie — nachdem sich wegen des Streichens der Vermögensabgabe bei den Entschädigungen vom 1935er Einheitswert wegbewegt werden mußte — den Menschen, die in der DDR enteignet und dort auch nach DDR-Recht zum Einheitswert von 1935 entschädigt worden sind?Was sagen Sie den Tausenden, die in der DDR nach dem Baulandgesetz, nach dem Berggesetz, nach dem Atomenergiegesetz oder nach dem Verteidigungsgesetz enteignet und zu Minimalbeträgen entschädigt worden sind?Ihr Entschädigungsgesetz hat mit einem fairen Nachteilsausgleich nichts mehr zu tun. Im Gegenteil, hier werden neue Wunden gerissen. Dieses Gesetz ist ein Anschlag auf das Gerechtigkeitsempfinden der Ostdeutschen.
Viertens. Der vierte Ablehnungsgrund, den ich ansprechen will, ist in den letzten Wochen und Monaten viel diskutiert worden. Es geht um die Frage, welche Ausgleichsleistungen die zwischen 1945 und 1949 Enteigneten erhalten sollen.Um eines ganz klar und unmißverständlich zu sagen: Für mich waren die entschädigungslosen Enteignungen zwischen 1945 und 1949 in vielen Fällen ein Unrechtsakt, bei dem die kommunistischen Herrscher — nicht nur, aber sehr wohl meistens und sehr wohl oft — ihre einseitigen Vorstellungen von einer ökonomischen Zusammensetzung der Gesellschaft zu verwirklichen suchten.Das Verfassungsgericht hat deswegen 1991 zu Recht dem Gesetzgeber aufgegeben, Ausgleichsleistungen zu regeln. Es dachte damals jedoch zweifelsfrei an Geldleistungen
und verwies ausdrücklich darauf, daß die danach entstandenen Eigentumsstrukturen nicht wieder rückabgewickelt werden sollten
und daß der Staat, meine Damen und Herren, die Höhe der Geldleistungen bei schwieriger wirtschaftlicher Lage und bei leeren Haushaltskassen sehr wohl auch nach unten absenken kann.
Die Koalition tut heute das Gegenteil. Die durch die Bodenreform Geschädigten kommen nicht nur in den Genuß der gleichen Geldregelungen wie die nach 1949 Enteigneten, ihre Geldleistungen werden zudem noch zweifach vergoldet. Einmal durch ein Rückerwerbsrecht bei land- und forstwirtschaftlichen Flächen und zum anderen durch eine Ankaufsverbilligung bis auf eine Höhe von 40 % des Verkehrswertes.Das hastig am 13. Mai zusammengeschusterte Siedlungskaufprogramm, an dem natürlich die LPG-Nachfolger nicht gleichberechtigt teilnehmen können, soll in Ostdeutschland die Akzeptanz für die Wiederherstellung alter Eigentumsverhältnisse erhöhen. Die LPG-Nachfolger in genossenschaftlicher oder GmbH- Form sollen einen kümmerlichen Rest zum vollen Verkehrswert erwerben. Sie sollen bluten, damit Alteigentümer wieder in die Agrarstruktur des Ostens eintreten können.
Hier geht es, meine Damen und Herren, um die bewußte Benachteiligung einer Wirtschaftsform, nämlich der LPG-Nachfolger, der mittelfristig die betriebswirtschaftliche Grundlage entzogen werden
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Rolf Schwanitzsoll, was einige aus Ihrer Fraktion in feinen Einzelgesprächen auch sehr wohl zugeben.
Hier geht es um Marktbereinigung im konservativenSinne. Dies ist ein gigantisches Restaurationsprogramm im Bereich der ostdeutschen Landwirtschaft,
durch das erneut die Lebensperspektiven Tausender Ostdeutscher zur Disposition gestellt werden. Wir kündigen Ihnen, meine Damen und Herren von der CDU/CSU und der F.D.P., schon hier unseren massiven Widerstand an.
Meine Damen und Herren, ich appelliere deshalb gerade an die ostdeutschen Abgeordneten der Koalition: Besinnen Sie sich auf die Interessen aller ostdeutschen Landwirte! Erinnern Sie sich daran, wofür die Volkskammerabgeordneten über alle Fraktionsgrenzen hinweg 1990 gekämpft haben, nämlich gegen eine Rückabwicklung der Bodenreform!
Stimmen Sie dem Änderungsantrag der SPD zu! Setzen Sie gemeinsam mit der SPD heute die 4 000- Mark-Regelung für die Vertriebenen und die NSOpfer-Entschädigung in Kraft und wehren Sie diesen Anschlag auf die ostdeutschen Interessen gemeinsam mit uns ab!
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nächster Redner ist jetzt unser Kollege Dr. Otto Graf Lambsdorff.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und meine Herren! Niemand hätte es mehr verdient, heute für die F.D.P.- Fraktion zu sprechen, als unser verstorbener Freund und Kollege Hans Hermann Gattermann. Ohne seine Initiative wäre der Gesetzentwurf zu Beginn dieses Jahres liegengeblieben. Rechtsfrieden herstellen, Eigentumsverletzungen heilen — diese Motive bewogen Herrn Gattermann bei seinen Initiativen. Ich denke, wir schulden ihm Dank, auch seinen Mitstreitern, von denen ich Willi Rawe und Joachim Grünewald nenne.
In 22 Jahren meiner Zugehörigkeit zum Deutschen Bundestag habe ich kein so kompliziertes Gesetzgebungsvorhaben erlebt wie dieses, und zwar nicht wegen der Gesetzestechnik, sondern wegen der Meßlatte Gerechtigkeit. Wird nicht uns allen — Befürwortern und Gegnern des Gesetzes — bewußt, wie schwer, ja wie unmöglich es ist, volle Gerechtigkeit zu schaffen? Es recht zu tun jedermann ist eine Kunst die niemand kann, und das gilt auch hier.
Eine historisch einmalige Aufgabe? Nicht ganz! Das Athener Ausgleichsabkommen im Jahre 403, der Westfälische Friede mit der Regelung der Rückgabe konfiszierter Güter, die Beendigung der Ära Cromwell in England, die Restauration Ludwigs XVIII — alle standen vor gleichen Aufgaben, nämlich vor der Frage, die alte Ordnung unbesehen zu restaurieren, um so das gekränkte gute alte Recht wiederherzustellen. Alternative war die Respektierung der in der Zwischenzeit entstandenen neuen Vermögensordnung, um mit möglichst wenig Umordnung und Unordnung den Blick in die Zukunft zu richten.Die F.D.P.-Fraktion im Deutschen Bundestag ist von Anfang an für eine Rückgabe des geraubten Eigentums ohne Wenn und Aber eingetreten, soweit nicht im Einzelfall ausnahmsweise schutzwürdige neue Positionen entstanden waren. Das beruht auf einer fundamentalen Vorstellung von Eigentum und Gerechtigkeit.Daneben, aber auch wirklich nur daneben — Gerechtigkeit kann ja keine Frage der Opportunität sein —, gibt es auch unvermeidliche Zweckmäßigkeitserwägungen, die wir anstellen mußten und angestellt haben.Die F.D.P. hat die Ergebnisse dieses Abwägungsprozesses geprüft und sich zur Zustimmung zu diesem Gesetzentwurf entschlossen. Vielen von uns fällt das schwer, weil wir Verletzungen des privaten Eigentums nur sehr unzulänglich heilen konnten. In 40 Jahren eingetretene Entwicklungen lassen sich nicht einfach zurückdrehen, wenn wir unserer von Anfang an bekräftigten Devise folgen wollen: Altes Unrecht darf nicht so beseitigt werden, daß dadurch neues Unrecht entsteht.
Wir kennen, meine Damen und Herren, auch die verfassungsrechtlichen Bedenken. Wir nehmen sie ernst. Aber wir wissen auch, daß dieses Gesetz niemals verabschiedet werden kann, wenn wir alle verfassungsrechtlichen Bedenken durchgreifen lassen.Auf der Habenseite des Gesetzentwurfs vermerken wir positiv:Erstens. Wir erreichen eine gesetzliche Regelung. Das bedeutet leider nicht völligen Rechtsfrieden. Wir sind keine Illusionisten. Aber ohne Gesetz wäre der Rechtsfriede in allerhöchster Gefahr.Zweitens. 1,9 Millionen Hektar land- und forstwirtschaftliche Fläche stehen zur Privatisierung an. Ohne dieses Gesetz blieben sie im Eigentum des Staates. Das wollen wir nicht. Will das die SPD? Will es auch die Landesregierung von Mecklenburg-Vorpommern?Drittens. Die Aufforderung des Bundesverfassungsgerichts, die kommunistische Bodenreform nicht tatenlos bestehenzulassen, wird befolgt. Das Bundesverfassungsgericht hat es ausdrücklich nicht auf Geld-
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Dr. Otto Graf Lambsdorffentschädigung beschränkt. Wer das Urteil gelesen hat, der sollte das wissen.
Die sogenannten Alteigentümer erhalten einen Rechtsanspruch auf Wiedererwerb. Zum Inhalt äußere ich mich noch.Viertens. Die Konditionen für den Siedlungskauf behandeln Neueinrichter und Wiedereinrichter genauso wie die Alteigentümer, wegen des Vorrangs eher sogar besser. Zu diesen Bodenpreisen, meine Damen und Herren, wird jeder Neueinrichter und Wiedereinrichter, der einen langfristigen Pachtvertrag hat, selbstverständlich kaufen. Er wird das jederzeit auch kreditfinanzieren können. Jede Bank wird ihm dieses Geld zur Verfügung stellen.Fünftens. Den tätigen Gesellschaftern, den juristischen Personen, werden die Sonderkonditionen ebenfalls eingeräumt.Sechstens. Die Vertriebenenregelung kommt endlich. Sie muß auch kommen. Sie ist wegen finanzieller Zwänge allzu bescheiden. Wer dieses Gesetz im Bundesrat scheitern läßt, der sorgt dafür, daß ein noch größerer Teil der Anspruchsberechtigten die Auszahlung nicht mehr erleben wird.
Hier, meine Damen und Herren, ist anzumerken: Es ist erstaunlich, daß die Landesregierung von Mecklenburg-Vorpommern 280 Millionen DM für eine vom Land finanzierte Vertriebenenentschädigung bereitstellen will. Das ist ja sehr begrüßenswert. Aber ich sage dem Ministerpräsidenten Seite, er darf sich nicht wundern, daß diese erfreuliche Finanzfülle seines Landes bei künftigen Verhandlungen eine Rolle spielen wird.
Siebentens. Last, but not least — das wird zu meinem Erstaunen von Ihnen überhaupt nicht erwähnt —, werden die Forderungen der jüdischen NS-Opfer mit diesem Gesetz im wesentlichen erfüllt. Wer wollte, meine Damen und Herren, wohl insbesondere um den Wert zerstörter Synagogen feilschen, da in Deutschland wieder eine Synagoge gebrannt hat? Es ist schandbar und es ist sehr bitter, das sagen zu müssen.
— Ja, zu diesem Aspekt habe ich von der SPD in den Reden überhaupt nichts gehört.Auf der Sollseite der Bilanz dieses Gesetzentwurfes steht für die F.D.P. folgendes:Erstens. Ein Alteigentümer kann als Folge der scharfen Degression seiner Ansprüche nach einer Enteignung von z. B. 1 000 Hektar ganze 134 Hektar zurückkaufen. Wohlgemerkt, er muß das ihm gestohlene Land zurückkaufen. Er kann nicht einmal sein früheres Eigentum zurückkaufen, er muß gegebenen-falls auch anderswo kaufen. Diesem Eigentümer will die Landesregierung von Mecklenburg-Vorpommem auch noch diesen bescheidenen Rechtsanspruch bestreiten. Das hat mit Anerkennung des Privateigentums nun wahrlich nichts mehr zu tun.Zweitens. Juristische Personen werden von den Vorzugskonditionen ausgeschlossen. Ist es nicht im Rahmen unseres Systems in Ordnung, daß derjenige, der persönlich haftet und voll für sein unternehmerisches Wagnis eintritt, bevorzugt behandelt wird gegenüber dem, der seine Haftung juristisch beschränkt?Ist denn dieser Ausschluß wirklich negativ? Hier verquicken sich Fragen der Agrarstruktur und politische Erblasten der SED-Agrarpolitik.Es wäre Unsinn, in den neuen Ländern den bäuerlichen Familienbetrieb einführen zu wollen. Er hätte im Wettbewerb keine Chance. Aber muß es denn gleich das Gegenteil sein? Will man wirklich diejenigen in ihren Positionen zementieren, die sich nach 1990 sogleich das Kommando verschafft haben, und bei denen wir doch wissen, wo der größere Teil — keineswegs alle — von ihnen herkommt: Sie sitzen eben überwiegend in den Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften.
Deren Zugang zum Siedlungskauf schafft eben gerade nicht bäuerliches Eigentum, sondern schafft große Einheiten, in denen es Lohnstrukturen, abhängige Arbeitnehmerstrukturen gibt.
Dem Geist dieser Altfunktionäre entspricht der Text eines Flugblattes, das gestern auch in Bonn verbreitet wurde und seinen Niederschlag in der Presse gefunden hat. Der Vorsitzende der SPD-Landtagsfraktion in Mecklenburg-Vorpommern, Herr Dr. Ringstorff, hat mir auf telefonische Anfrage eben bestätigt: Es handelt sich um eine Fälschung. — Ich bin froh darüber, Ihnen das mitteilen zu können; denn es wäre schlimm und für mich auch ganz unvorstellbar, daß das ein offizielles SPD-Dokument gewesen sein sollte.Drittens. Für unbefriedigend halten wir die Regelung für die Rückgabe beweglicher Sachen. Was hat das mit Bodenreform und Agrarstruktur zu tun? Das war reiner Diebstahl. Warum kann das erst nach 20 Jahren unentgeltlicher Nutzung zurückgegeben werden? Weil es Museumswerte sind? Wird in Zukunft in der Bundesrepublik Deutschland enteignet werden, was Museumswert hat? Gewiß ist das nicht der Hauptproblembereich des heutigen Gesetzentwurfes. Aber seine Behandlung zeigt einen Verfall rechtlichen Denkens, der für Liberale unakzeptabel ist.Alles in allem: Wir verurteilen noch einmal die Bodenreform in der früheren Sowjetischen Besatzungszone. Sie war Unrecht, und sie bleibt Unrecht. Diese Maßnahme traf Gerechte und Ungerechte gleichermaßen. Sie traf Nazis und Widerstandskämpfer, Sozialisten, Konservative und Liberale. Das Unrecht dieser Menschen bestand einzig und allein darin, daß sie mehr als 100 Hektar Land besaßen.Meine Damen und Herren, ich wiederhole es: Eine befriedigende Lösung für alle gibt es in dieser Frage
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Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 229. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. Mai 1994 19913
Dr. Otto Graf Lambsdorffnicht. Dies ist der Versuch, zu einer befriedenden Lösung zu kommen. Vielen Mitgliedern meiner Fraktion fällt die Zustimmung sehr schwer, mir auch. Aber mit der Devise „alles oder nichts" erreichen wir das Nichts. Um das zu vermeiden, sagen wir heute ja.
Meine Damen und Herren, nächster Redner ist jetzt der Kollege Dr. UweJens Heuer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir setzen mit dieser Debatte die Variationen zum Thema Eigentum im Osten fort, die vor drei Wochen einen ersten Höhepunkt mit der Debatte um das Sachenrechtsänderungsgesetz hatten und demnächst mit dem Schuldrechtsänderungsgesetz wohl fortgesetzt werden. Dies ist gleichzeitig eine Variation zum Thema: Wie ändere ich nachträglich die Geschäftsgrundlage des Beitritts der DDR zur Bundesrepublik?Es fällt auf, daß die angewandte Methode und der Ablauf immer gleich sind: Zunächst wurden Versprechungen gemacht — ich rede jetzt nicht von „blühenden Landschaften", sondern von konkreten Rechtspositionen —, die die beunruhigten DDR-Bürger im Sommer des Jahres 1990 ruhigstellten. Dann wurden bei der Ratifizierung des Einigungsvertrages oder nach dem Beitritt Vorbehalte deutlich gemacht. Die Rechtspositonen der Ostdeutschen wurden mit dem Odium der Unredlichkeit und der Unrechtmäßigkeit umgeben, und nach und nach wurden die gemachten Zusagen zurückgenommen bzw. in ihr Gegenteil verkehrt.Das betraf im Zusammenhang mit dem Sachenrecht den redlichen Erwerb. Mit der Gemeinsamen Erklärung waren die meisten ostdeutschen Erwerber beruhigt worden: Einzelfallprüfung der Redlichkeit war zugesagt worden. Kein DDR-Bürger hätte sich im Sommer 1990 vorstellen können, daß in Form der Stichtagsregelung in der Fassung des Vermögensgesetzes alle Erwerber nach dem Rücktritt Honeckers pauschal und praktisch unwiderleglich dem Verdacht der Unredlichkeit ausgesetzt sein würden.Herr Kleinert hat von denen gesprochen, die auf welche Weise auch immer in den Besitz von Grundstücken gekommen sind, die unter sehr unklaren Rechtsverhältnissen Besitz erworben hätten. Das hätte man 1990 den Ostdeutschen sagen sollen und nicht 1994, als alle Messen gesungen waren.In der gleichen Weise ist mit den Teilen des hier zur Entscheidung stehenden Gesetzes verfahren worden, die die Enteignungen der Jahre 1945 bis 1949, also vor allem die Bodenreform, betreffen. In der Gemeinsamen Erklärung vom 15. Juni 1990 war noch die Irreversibilität dieser Maßnahmen versprochen worden.Das Bundesverfassungsgericht hat in dem sogenannten Bodenreformurteil zutreffend festgestellt:Der Deutschen Demokratischen Republik — de Maizières —war vor allem daran gelegen, den sozialen Frieden in ihrem Gebiet nicht dadurch zu gefährden, daß die durch die Enteignungen geschaffenen neuen Eigentumsverhältnisse wieder in Frage gestellt wurden.Vor allem wollte die Koalition im Dezember 1990 wiedergewählt werden. Wenn Sie sich einmal ansehen, wo sie im Osten gewählt worden ist, dann ist ganz klar, daß Ihnen das nicht gelungen wäre, meine Damen und Herren von der Koalition, wenn den Bauern damals schon bekanntgeworden wäre, was jetzt mit diesem Gesetz auf sie zukommen soll. Es ist ja wohl kein Zufall, daß der jetzige Entwurf auch für das CDU-geführte Land Mecklenburg-Vorpommern nicht akzeptabel ist und der Ministerpräsident Seite laut „Frankfurter Rundschau" vom 19. Mai erklärt hat: „Unser Tag kommt am 10. Juni". Nach Ansicht des Kollegen von Stetten, eines westdeutschen Parteifreundes von Herrn Seite im Rechtsausschuß, ist dieser — ich zitiere — „PDS-infiziert", weil er die Interessen seiner Landeskinder stärker im Auge hat als die der sogenannten Wiedereinrichter ohne Restitutionsanspruch.Auch hier ist mit dem Odium der Unrechtmäßigkeit des Erwerbs gearbeitet worden, nicht zuletzt, indem man diese Enteignungen an den Artikel 3 und 14 des Grundgesetzes gemessen hat, das es zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht gab. Das kann man natürlich machen.Man kann auch den Eigentumserwerb an Grund und Boden im 19. Jahrhundert in Mecklenburg und in Brandenburg an den Maßstäben des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland messen. Dabei wird sich herausstellen, daß in diesem Lichte die Bodenreform von 1945 durchaus auch ein Akt historischer Gerechtigkeit war.Außerdem hatte die Bevölkerung in den ostdeutschen Ländern infolge des Zustroms von Flüchtlingen und Vertriebenen im Jahre 1945 stark zugenommen — in Mecklenburg hatte sie sich z. B. mehr als verdoppelt —, und es mußte angesichts dieser Lage ein Ausgleich durch eine Umverteilung des Bodens geschaffen werden. Ein solcher Ausgleich ist ja auch hier in Westdeutschland — wenngleich in anderer Weise — teilweise jedenfalls geschaffen worden.Worum geht es uns? Wir halten doch nicht aus ideologischen oder nostalgischen Gründen an den Ergebnissen der Bodenreform fest. Es geht uns darum, daß diejenigen, die den Boden im Osten jahrzehntelang bewirtschaftet haben, unter den veränderten gesellschaftlichen Verhältnissen eine reale Wirtschafts- und Existenzbasis behalten.Herr Graf Lambsdorff, das sind nicht einfach alte Seilschaften, das sind die Bauern Ostdeutschlands. Mit denen gehen Sie jetzt so um, ich sage Ihnen das.Die Zahl der Landwirte im Osten ist ohnehin bereits auf ein Sechstel reduziert worden. Um Ihnen das Überleben unter den anderen Bedingungen des EG- Agrarmarktes zu sichern, hatte die Volkskammer im Juli 1990 ein Gesetz beschlossen. Damals war eine andere Wertung getroffen worden. Dieses Gesetz ist übernommen worden.
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19914 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 229. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. Mai 1994
Dr. Uwe-Jens HeuerUnakzeptabel ist jetzt die Umdeutung und Ignorierung der damaligen Vorgaben für die Privatisierung der Treuhandflächen. Wir fordern: erstens Nichtdurchführung des Landerwerbsprogramms für frühere Eigentümer ohne Restitutionsanspruch., zweitens kein staatlich gefördertes Siedlungsprogramm ohne Einbeziehung der juristischen Personen.
— Ja, unterstützen Sie das, meine Damen und Herren.Wir lehnen die Verknüpfung von Ausgleichsleistungen und Bodenverwertung in diesem Gesetz grundsätzlich ab. Wir haben entsprechende Anträge gestellt. Von den Landwirten im Osten hat sich eine überwiegende Mehrheit — in Brandenburg z. B. 90 % — entschlossen, Landwirtschaft gemeinsam zu betreiben. Wollen Sie die alle vertreiben? Das frage ich Sie, Graf Lambsdorff. Sie bekämpfen hier im Haus diese Form der Landwirtschaft erstens aus ideologischen Gründen — das haben Sie gesagt — und zweitens, weil Sie die Konkurrenz dieser auf großen Flächen wirtschaftenden Betriebe fürchten, die dem durchschnittlichen 20-Hektar-Betrieb der westdeutschen Landwirte überlegen sind.
Herr von Stetten hat hier erklärt: Diese Gesellschaften haben wir nur geduldet. — Erklären Sie das im Osten laut und deutlich: Sie duldeten sie nur, und Sie wollen sie jetzt beseitigen.Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil vom 23. April 1991 festgestellt, daß die Enteignungsmaßnahmen in der Sowjetischen Besatzungszone gemäß dem internationalen Privatrecht wirksam waren — das hat das Bundesverfassungsgericht erklärt — und die von ihnen Betroffenen über keinerlei Rechtspositionen verfügten, in die die Gemeinsame Erklärung eingegriffen hätte.Herr Graf Lambsdorff, Sie haben gesagt: Das war Unrecht. Sie haben sich hier — das können Sie, es entspricht Ihnen — auf die Position Ludwigs XVIII. bezogen. Aber Sie werden doch nicht nachträglich die Französische Revolution für Unrecht erklären können.Diese damaligen Änderungen, meine Damen und Herren, waren eine positive Maßnahme zur Änderung der ökonomischen Struktur. Grundsätzlich dienten diese Maßnahmen einer Änderung der Struktur, und zwar gegenüber einer gesellschaftlichen Gruppe, die Hitler unterstützt hat. Das werden Sie nicht bestreiten können. Diese Gruppe hat Hitler unterstützt, das ist keine Frage. Sie hat seinen Krieg geführt und ihn unterstützt.Das Bundesverfassungsgericht hat damals gesagt: Bei der Ausgleichsleistung sei ein weiter Spielraum gegeben. — Sie haben jetzt den Ausgleich hochgeschraubt und der Entschädigung angeglichen. Dazu waren Sie durch das Urteil überhaupt nicht verpflichtet, aber Sie haben es gemacht.Meine Damen und Herren von der Koalition, die Menschen in Ostdeutschland haben schon selbst vieles vor dem 3. Oktober 1990 umgestaltet, was umzugestalten war. Vieles ist auch nach dem 3. Oktober 1990 umgestaltet worden, zum Teil gegen den nicht hinreichenden Widerstand der Ostdeutschen.Im vierten Jahr nach der Vereinigung schicken Sie sich an, die Eigentumsverhältnisse noch einmal grundlegend umzugestalten. Das können Sie nur, wenn Sie tief in die Lebensverhältnisse und die über drei Generationen gewachsenen Eigentumsverhältnisse eingreifen. Sie müssen Menschen, die etwas haben, etwas wegnehmen. Das trifft naturgemäß auf den erbitterten Widerstand der Ostdeutschen.Die Schleifung des Bodenreformdenkmals in Bredentin durch Bernd von Maltzahn und seine Wiederaufrichtung durch Mitglieder des Kreisbauernverbandes Güstrow zeigt, wie hier Klassenkampf von oben geführt wird. Das ist nicht der Weg der Versöhnung, den dieses Land braucht.
Als nächster spricht der Kollege Dr. Wolfgang Ullmann.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zur Befriedigung der Ansprüche auf Entschädigung wird in der DDR ein rechtlich selbständiger Entschädigungsfonds getrennt vom Staatshaushalt gebildet. So steht es in der Gemeinsamen Erklärung der Regierungen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik zur Regelung offener Vermögensfragen vom 15. Juni 1990, die als Anlage III Bestandteil des Einigungsvertrages geworden ist.Vergleicht man § 9 des vorliegenden Entschädigungsgesetzes, der die Verwirklichung jener Bestimmung der Gemeinsamen Erklärung enthält, dann wird im Abstand von vier Jahren deutlich, in welchem Ausmaß die beiden deutschen Regierungen die Größenordnung der vor ihnen liegenden Aufgabe verkannt haben. Ich meine damit nicht nur die heute kaum noch vorstellbare Annahme, die Entschädigung werde DDR-intern geregelt werden können. Ich denke vielmehr das fehlende Bewußtsein dafür, daß die durch einen Protokollvermerk zum Grundlagenvertrag vom 21. Dezember 1972 wegen ihrer Unlösbarkeit ausgeklammerte Vermögensfrage nunmehr unaufschiebbar geworden war und welche bedrängenden Ausmaße sie angenommen hat.Die Lösung, die im Juni 1990 vereinbart wurde, sah einfach genug aus: Rückübertragung alles seit Gründung der DDR Enteigneten und Entschädigung in den von der Erklärung festgelegten Ausnahmefällen. Sie sollten Ausnahmen bleiben, weil die Rückabwicklung der seit 1949 in der DDR entstandenen Eigentumsverhältnisse das erklärte Ziel war. Schritt für Schritt trat die Unausführbarkeit dieses Revisionsprogrammes zutage. Heute stehen wir vor einem Konglomerat von völlig heterogenen Gesetzen, bei dem Ausmaß und Verworrenheit der Entschädigungsprobleme der vorherrschende Eindruck sind.Man muß es offen aussprechen — auch wenn das Gesetzespaket nach der bei der ersten Lesung geäußerten Kritik einschneidende Veränderungen erfah-
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Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 229. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. Mai 1994 19915
Dr. Wolfgang Ullmannren hat —: Was jetzt vorliegt, hat keine Aussicht, als überzeugende Lösung der gesetzgeberischen Aufgabe anerkannt werden zu können.
Beginnen wir mit dem offenkundigsten Fall: Warum hat die Regierung an ihrer von allen Teilen des Bundestages abgelehnten Absicht festgehalten, das Vertriebenenzuwendungsgesetz, das als ein Lastenausgleichsgesetz mit den anderen Gegenständen des Paketes schlechterdings nichts zu tun hat, als Art. 9 dem letzteren zu inkorporieren?
Eine gesonderte Behandlung hätte eine schnelle Verabschiedung schon vor Jahresfrist zugunsten der hochbejahrten Betroffenen ermöglicht.
Der Kritik, daß die jüdischen Entschädigungsansprüche in einem gesonderten Gesetz behandelt werden müssen, ist insofern Rechnung getragen worden, als sie jetzt in Art. 3 Gegenstand eines eigenen NS-Verfolgtenentschädigungsgesetzes sind. Aber der entscheidende materiell-rechtliche Gesichtspunkt, daß diese Ansprüche nach den Grundsätzen des alliierten Rückerstattungsrechts zu behandeln seien, ist in letzter Minute zuungunsten der Betroffenen wieder eingeschränkt worden, indem gegen den Protest der Jewish Claims Conference bei den Wertfeststellungen Regelungen des Entschädigungsgesetzes eingeführt werden.
In Art. 10 kommt es abermals dazu, daß nicht das alliierte Recht, sondern das Entschädigungsgesetz als Norm in den Bereich der NS-Opferentschädigung hineinwirkt.Meine Damen und Herren Kolleginnen und Kollegen, welchen Wert hat dann noch die äußere Form des Art. 3 als eines angeblich selbständigen Gesetzes? Der SPD-Änderungsantrag schlägt die hier unerläßlichen Korrekturen vor und sollte schon aus diesem Grunde angenommen werden.
Gibt es, so frage ich Sie, wirklich auch nur ansatzweise Gründe, jenen Exkurs in Art. 2, „Verwertung ehemals volkseigener landwirtschaftlicher Flächen", als eine gesetzgeberisch klare Lösung der zwischen Bundesministerium der Finanzen, Bundesländern und Treuhandanstalt anstehenden offenen Fragen anzusehen? Ich frage mich überhaupt, meine Damen und Herren, wie Sie so etwas als ein Gesetz in den Bundestag einbringen können.
Niemand in diesem Gremium wird etwas dagegenhaben, daß wir Maßnahmen der Vermögensbildungbeschließen. Das ist ein großer Fortschritt. Aber es muß ein Gesetz sein. Es dürfen nicht leere Versprechungen sein: Es sollte, könnte, es ist abzusprechen. Das ist doch kein Gesetz. Warum bringen Sie so etwas hier ein?Ein letztes Wort zu den Enteignungen zwischen 1945 und 1949. Ich gebe gerne zu, daß sie wie ein Fremdkörper gegen das sonst verzweifelt verteidigte Rückabwicklungskonzept stehen. Aber sie sind ein notwendiger Fremdkörper, der daran erinnert, daß das Deutsche Reich einen von ihm verbrecherisch angezettelten Krieg am 8. Mai 1945 mit der bedingungslosen Kapitulation beendet hat. Eine Folge dieser Bedingungslosigkeit waren jene von allen Alliierten anerkannten Enteignungen. Darum war ihre Anerkennung ein — völkerrechtlicher — Bestandteil des deutschen Einigungsprozesses.
Ein Herr von Eicke — ich will den Namen deutlich aussprechen — schreibt mir unter dem 14. Dezember 1993, daß er diese Enteignung als eine zweite Arisierung betrachte. Solange es in unserem Land Leute gibt, die ihre Besitzinteressen in einer so moralisch blinden Weise verfolgen, daß sie es als Angehörige eines Volkes, das die Juden um ihren Besitz brachte, weil es sie physisch ausrotten wollte, wagen, sich mit ihren Opfern in eine Reihe zu stellen, so lange sind wir von dem für die deutsche und die europäische Einigung fälligen Sinneswandel noch immer weit entfernt
und wahrscheinlich auch von der für die Lösung der Eigentumsfragen unerläßlichen Bereitschaft zum Teilen.
Als nächster spricht der Minister der Finanzen des Landes Thüringen, Herr Dr. Klaus Zeh.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetz ist eines der letzten wichtigen Gesetze zur Gestaltung der inneren Einheit Deutschlands. Die Regelung der Entschädigungs- und Ausgleichsleistung ist eine Verpflichtung aus dem Einigungsvertrag.
Ich gehe hier und heute nicht auf Einzelheiten dieses Gesetzes ein. Aber ich richte den dringenden Appell an Sie, dieses Gesetz nun endgültig auf den Weg zu bringen.
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19916 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 229. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. Mai 1994
Minister Dr. Klaus Zeh
Denn dieses Gesetz ist ein wichtiges Zeichen der inneren Solidarität in Deutschland im Sinne einer befriedenden Lösung.
Denn, meine Damen und Herren, es handelt sich um Wiedergutmachung von Unrecht aus vierzig Jahren Sozialismus, Wiedergutmachung von nationalsozialistischem Unrecht und Wiedergutmachung von Kriegsfolgelasten.
Wir als Politiker müssen ein klares Signal für unseren Rechtsstaat und für private Eigentumsbildung setzen. Die Verabschiedung dieses Gesetzes ist auch deshalb wichtig, weil es einen Investitionsschub auslösen wird. Denn nur wer Klarheit über die Entschädigungshöhe hat, kann sich rasch entscheiden.
Deshalb, meine Damen und Herren, begrüßt der Freistaat Thüringen ausdrücklich, daß es nach langwierigen Verhandlungen doch noch gelungen ist, den Entwurf eines Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetzes rechtzeitig vorzulegen. Ich danke allen Beteiligten aus der Bundesregierung und den Koalitionsfraktionen von CDU/CSU und F.D.P. dafür, daß der Bundestag dieses Gesetzeswerk heute beraten und verabschieden kann.
Meine Damen und Herren, wir alle wissen, daß das Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetz ein Kompromiß ist.
Ich füge hinzu: Noch nie war der notwendige Interessenausgleich so schwierig wie in diesem Gesetz.
Es galt und gilt, insbesondere die Belange der Neueigentümer und Pächter in den jungen Bundesländern mit denen der Alteigentümer abzuwägen, und zwar nicht zuletzt auch in einem für das Staatswesen finanziell noch vertretbaren Rahmen.Die Landesregierung des Freistaates Thüringen hält den jetzt vorgelegten Kompromiß für durchaus fair und akzeptabel. Das gilt besonders für die verbesserten und vorrangigen Erwerbsmöglichkeiten für alle Pächter. Ich betone ausdrücklich: für die vorrangigen Erwerbsmöglichkeiten für alle Pächter. Angesichts ihrer meist noch geringen Kapitalkraft müssen sie beim Landerwerb die gleichen Chancen haben wie andere Kaufinteressenten.
Natürlich hätten wir in den jungen Bundesländern uns eine weniger stark ausgeprägte Möglichkeit des Erwerbs von land- und forstwirtschaftlichen Flächen durch Alteigentümer gewünscht.
Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Schwanitz?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Bitte schön.
Herr Minister Zeh, Sie haben eben gewürdigt, daß man vergünstigt Flächen ankaufen kann. Haben Sie sich einmal informiert, wieviel Prozent der momentan landwirtschaftlich genutzten Flächen in Ihrem Freistaat Thüringen von Unternehmen bewirtschaftet werden, die künftig nur zum Verkehrswert sollen kaufen können, weil sie als juristische Personen organisiert sind?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich habe mich informiert. Wir werden uns im Bundesrat sicherlich noch ausführlich über diese Fragen unterhalten. Das ist unser Gremium.
Ich betone noch einmal: Natürlich hätten wir in den jungen Bundesländern uns eine weniger stark ausgeprägte Möglichkeit des Erwerbs von land- und forstwirtschaftlichen Flächen durch Alteigentümer gewünscht. Wer aber jetzt immer noch kompromißunfähig ist und, wie ich betone, jegliche Möglichkeit des Landerwerbs durch Alteigentümer ablehnt, ist nicht nur ideologisch verbohrt, sondern er handelt auch gegen die Menschen.
Wer, wie dies manche jetzt tun, von einem Ausverkauf ostdeutscher Interessen spricht, ist unverantwortlich. Das sät nur Zwietracht zwischen Menschen aus Ost und West.
Allerdings: Auch die Thüringer Landesregierung sieht noch Gesprächsbedarf, insbesondere zu Art. 9, dem Vertriebenenzuwendungsgesetz.
Mit dem Entwurf eines Vertriebenenzuwendungsgesetzes, den sowohl alle jungen Bundesländer als auch eine große Zahl von Ost-Abgeordneten eingebracht haben, haben wir mehr als deutlich gemacht, daß erlittenes Unrecht, wenn überhaupt, nur sehr bedingt wiedergutgemacht werden kann.
Herr Minister, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage des Abgeordneten Kuessner?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich denke, wir sollten uns im Bundesrat darüber unterhalten. Wir werden im Bundesrat unsere Stellungnahme dazu abgeben. Das sollte eigentlich ausreichen.Wir haben deutlich gemacht, daß der Einmalbetrag von 4 000 DM insoweit nur ein Zeichen für Gerechtigkeit und nicht Wiedergutmachung sein kann. Wir haben deutlich gemacht, daß wir die Altersstaffelung für die Einmalzahlung an die Heimatvertriebenen deutlich früher ansetzen wollen als im Regierungsent-
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Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 229. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. Mai 1994 19917
Minister Dr. Klaus Zeh
Wurf vorgesehen, nämlich ab 1. Januar 1994 für diejenigen, die älter als 70 Jahre sind, statt erst für diejenigen, die über 78 Jahre alt sind.Wir sind sehr entschieden der Meinung, daß jene Heimatvertriebenen, die eine Zuwendung bekommen sollen, dies auch noch erleben müssen. Ich gehe davon aus, daß sich die jungen Bundesländer hierzu im Bundesrat noch äußern werden. Um so mehr bitte ich heute das Hohe Haus, den vorliegenden Entwurf eines Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetzes zügig zu beraten und zu verabschieden.Ich danke Ihnen.
Als nächster spricht der Justizminister des Landes Brandenburg, Dr. Hans Otto Bräutigam.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Dieser Gesetzentwurf hat eine längere Vorgeschichte. Man kann es wohl eine Leidensgeschichte nennen. Die Leiden mit diesem Vorhaben sind wohl auch noch nicht zu Ende.
Ich zögere nicht, anzuerkennen, daß die Koalition in den letzten Wochen um einen Interessenausgleich wahrhaft gerungen hat.
Der jüngste Entwurf enthält auch neue und interessante Ansätze. Dennoch kann ich Ihnen nach gründlicher Prüfung und auch nachdem ich gestern einer erregten Debatte in unserem Landtag zugehört hatte, die Zustimmung des Landes Brandenburg im Bundesrat nicht in Aussicht stellen.
Ich will das kurz begründen: Entsprechend dem Prinzip „Rückgabe vor Entschädigung" erhält ein Teil der Alteigentümer seine Häuser und Grundstücke zurück. Diese Berechtigten können sich wahrhaft glücklich schätzen. Sie haben Anspruch auf den gesamten Vermögenswert: 100 %, ohne Abstriche, und sie brauchen nicht einmal eine Vermögensabgabe zu leisten. Diese Ideen hatten auch andere in diesem Haus, nicht nur jene, die dies heute befürworten. Dagegen erhalten Alteigentümer, die keine Rückgabe beanspruchen können, bestenfalls 20 % des Vermögenswertes. Über die Vertriebenen will ich hier gar nicht sprechen.
Wie Sie eine solche krasse Ungleichbehandlung rechtfertigen wollen, ist mir unerfindlich.
Ich kann zwar verstehen, daß eine Entschädigung zum vollen Verkehrswert der Grundstücke finanziell nicht zu leisten ist. Ich bin auch Realist. Aber eine solche Diskrepanz, wie sie sich jetzt aus diesem Gesetzentwurf ergibt — und die ist größer geworden —, ist verfassungsrechtlich unhaltbar. Zahlreiche
Sachverständige haben Ihnen das bereits bescheinigt.
Sie haben es Ihnen zu einer Zeit bescheinigt, bevor sie es selbst beschlossen haben. Nicht weniger gravierend ist, daß sich auf einer solchen Grundlage eine sozial ausgewogene Eigentumsordnung mit hoher Akzeptanz in der Bevölkerung nicht entwickeln läßt.
Hier sind wir auf einem falschen Weg. Es geht um mehr als nur um diese Entschädigung, so wichtig sie ist und die wir auch wollen. Die durch solche Regelungen der offenen Vermögensfragen entstandenen Spannungen — ich weiß, wovon ich rede — werden uns in diesem Lande noch lange zu schaffen machen.
Herr Minister, entschuldigen Sie, wenn ich Sie unterbreche, aber der Abgeordnete Dr. Küster möchte Ihnen gerne eine Frage stellen. Ich frage Sie, ob Sie bereit sind, diese zu beantworten?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ja.
Herr Minister Bräutigam, wie können Sie Ihren Bürgern im Lande Brandenburg erklären, daß angesichts dieser schwerwiegenden Debatte — es geht um 18 Milliarden, über die wir hier reden — kein Minister auf der Bank sitzt?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, ich bin Gast in diesem Hause. Ich habe niemandem in diesem Hause Belehrungen zu erteilen. Ich überlasse das dem Urteil des Hauses selbst.
Ich sage Ihnen: Das Entschädigungsgesetz, so wie es jetzt steht, schafft keine Beruhigung, es schafft keine Ruhe, es schafft keinen Rechtsfrieden.Der zweite Punkt betrifft die Regelung für die Opfer der Bodenreform. Ich verkenne keinen Augenblick, daß ihnen nach dem Kriege schweres Unrecht zugefügt worden ist. Ich bin der Auffassung, daß sie zu Recht in dieses Gesetz einbezogen werden. Aber in dem jüngsten Entwurf ist nun vorgesehen, daß sie einen Teil ihres früheren Besitzes oder auch anderes Land zu sehr günstigen, bevorrechtigten Konditionen zurückerwerben können.An Stelle einer Entschädigung in Geld tritt nun in kaum verhüllter Form eine Rückerstattung, eine Teilrückerstattung. Diese aber ist durch den Einigungsvertrag ausgeschlossen worden, und Sie wissen, warum das seinerzeit so geschehen ist. Dieses Haus hat es mit Zweidrittelmehrheit akzeptiert.
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19918 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 229. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. Mai 1994
Minister Dr. Hans Otto Bräutigam
Ich erinnere Sie an die Gemeinsame Erklärung vom 15. Juni 1990, die Bestandteil des Einigungsvertrags ist. Sie ist übrigens auch in anderen Punkten heute noch sehr interessant und wichtig. Dort heißt es klipp und klar — ich zitiere mit Ihrer Genehmigung, Herr Präsident —:Die Enteignungen auf besatzungsrechtlicher bzw. besatzungshoheitlicher Grundlage sind nicht mehr rückgängig zu machen.Es heißt dann weiter:Die Regierung der Bundesrepublik Deutschland— das war noch die alte Bundesregierung vor der Wiedervereinigung —nimmt dies im Hinblick auf die historische Entwicklung zur Kenntnis.Das ist klar und unmißverständlich formuliert. Dahinter steht ein historischer Vorgang, den Sie kennen. Dabei muß es bleiben.
Nun ist es richtig, meine sehr geehrten Damen und Herren, daß nach der jüngsten Fassung des Gesetzentwurfs auch einheimische Wiedereinrichter und Neueinrichter zu gleich günstigen Konditionen eine bestimmte Menge Land erwerben können. Aber sind sie — sie, die über wenig Kapital verfügen — denn wirklich gleichberechtigt?
Können sie eine solche Option tatsächlich nutzen, und wird es zwischen ihnen und den Alteigentümern bei der Verteilung des Landes nicht schwere Konflikte geben? Ich jedenfalls bin nicht sicher, daß auf diesem Wege der Landfrieden wiederhergestellt werden kann. Oder anders ausgedrückt: Ich bin sicher, daß das mit diesem Gesetz nicht gelingen wird.
Für Brandenburg kommt hinzu, daß die Nachfolger der ehemaligen landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften, die in voller Übereinstimmung mit dem Landwirtschaftsanpassungsgesetz, das hier beschlossen worden ist, heute überwiegend in Genossenschaften oder GmbHs umgewandelt worden sind, also juristische Personen sind, von diesem bevorrechtigten Erwerb ausgeschlossen sind.Sie haben sich, Graf Lambsdorff, eben kurz mit den Mitgliedern dieser Genossenschaften befaßt, und Sie haben sie ziemlich pauschal abqualifiziert.
Solche Pauschalurteile, verehrter Abgeordneter, stimmen eigentlich nie und schon gar nicht hier.
Denn es handelt sich in der Tat, wie schon gesagt worden ist, um viele rechtschaffene Landwirte aus der ehemaligen DDR.Für mich ist das eine Art von Gegenideologie, wenn sie heute pauschal und insgesamt abqualifiziert werden als solche, die nicht die gleichen Rechte bekommen sollen.
Ich meine, so können wir diese Auseinandersetzung nicht führen.
Ich bin der Auffassung, daß diese Bestimmung eine nicht zu verantwortende Diskriminierung ist. Sie ist um so gravierender, als vor allem in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern diese Nachfolgebetriebe einen großen Teil der land- und forstwirtschaftlichen Nutzfläche bewirtschaften. Nach den Maßstäben des Grundgesetzes und auch nach den Maßstäben der sozialen Gerechtigkeit kann eine solche Ungleichbehandlung nicht hingenommen werden.
Sie kann übrigens auch deshalb nicht hingenommen werden, weil mit dieser Regelung wohl auch noch andere Ziele verfolgt werden, nämlich die Schwächung leistungsfähiger landwirtschaftlicher Großbetriebe, wie wir sie im Osten nun einmal brauchen, wenn sie bestehen sollen.
Einer der empfindlichsten Punkte des Gesetzentwurfs — ich komme dann zum Schluß, Herr Präsident — ist die Verknüpfung der Entschädigungsregelung mit der Zuwendung für die Vertriebenen in Ostdeutschland. Daß die dafür vorgesehenen 4 000 DM eine Entschädigung darstellen, wird in diesem Hause niemand ernsthaft behaupten wollen.
— Bitte schön, eine Zuwendung, aber sie steht in einem Zusammenhang mit diesem Gesetz. Das ist mein Punkt.Obwohl ich darüber sehr bekümmert bin, daß es nur 4 000 DM sind und nicht mehr und erheblich weniger, als diejenigen bekommen haben, die damals Lastenausgleichsregelungen in Anspruch nehmen konnten— auch hier begegnen wir wieder dieser Ungleichbehandlung —, will ich darüber heute gar nicht rechten. Auch ich kenne die finanziellen Zwänge. Aber wenn die Mehrheit dieses Hauses auf der Verknüpfung mit der Entschädigungsregelung besteht, so instrumentalisiert sie damit doch moralische Ansprüche auf eine Rückerstattungspolitik.
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Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 229. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. Mai 1994 19919
Minister Dr. Hans Otto Bräutigam
Ich erkenne hier eine falsche Priorität. Darum bitte ich Sie noch einmal, einer Abtrennung der Vertriebenenzuwendung Ihre Zustimmung zu geben.
Meine Schlußfolgerung ist: Der Gesetzentwurf ist kein geeigneter Weg, das leidvolle Entschädigungsproblem zu lösen. Er ist unausgewogen. Er ist verfassungsrechtlich bedenklich. Er ist sozial unverträglich. Er wird nicht zu dem Rechtsfrieden führen, den wir doch alle wollen.
Die brandenburgische Landesregierung lehnt auch weiterhin jede Verquickung der Entschädigung mit einer Rückerstattung ab, wie immer man diese auch nennen mag. Statt dessen fordern wir — dieser Satz ist mir wichtig —, daß bei Verkauf und Verpachtung von land- und forstwirtschaftlichen Flächen in Ostdeutschland alle qualifizierten Bewerber im Rahmen der notwendigen Ausschreibung die gleichen Chancen erhalten.
Das gilt gleichermaßen für einheimische Landwirte, für Alteigentümer und für andere. Wir wollen Chancengleichheit für alle, die qualifiziert sind, einen landwirtschaftlichen Betrieb zu führen.Der Ihnen vorliegende Gesetzentwurf, meine Damen und Herren, wird dieser grundlegenden Forderung nicht gerecht. Deshalb werden und müssen wir ihn im Bundesrat ablehnen.Ich danke Ihnen.
Zu einer Kurzintervention erteile ich dem Abgeordneten Dr. Otto Graf Lambsdorff das Wort.
Herr Minister Bräutigam, ich habe ausdrücklich keine Pauschalbeurteilung vorgenommen. Ich bitte Sie, hier aufmerksam zuzuhören, wenn Sie herkommen.
Ich lasse mich hier nicht eines Pauschalurteils bezichtigen, wenn ich ausdrücklich gesagt habe, daß dort eine Reihe von Menschen sitzen, denen man keine Vorwürfe machen kann, daß dort aber andere sitzen, die im Jahre 1990 das Kommando aus der alten SED-Agrarstruktur übernommen haben.
So habe ich es gesagt, und so nehmen Sie es bitte zur Kenntnis. Ich verwahre mich dagegen, daß wir hier kritisiert werden, wenn nicht zugehört wird. Das wird man vielleicht noch sagen dürfen.
Zweitens. Sie haben, Herr Bräutigam, die Gemeinsame Erklärung der Bundesregierung und der Regierung der DDR aus dem Jahre 1990 zu dem Nichtmehr-Rückgängigmachen zitiert. Die Bundesregierung nimmt dies zur Kenntnis. Vielleicht erkundigen Sie sich einmal über den Hergang dieser Verhandlungen, in denen die Bundesregierung zunächst aufgefordert wurde, dem zuzustimmen. Dies hat sie ausdrücklich nicht getan, um sich den Spielraum offenzuhalten, den das Bundesverfassungsgericht ihr gegeben hat.
Drittens. Herr Bräutigam, ich bin mit Ihnen einig: Es wird sehr fraglich sein, ob durch dieses Gesetz Rechtsfrieden entstehen kann. Aber glauben Sie im Ernst, daß ohne Gesetz mehr Rechtsfrieden entsteht? Ich bin der Überzeugung, daß das Gegenteil der Fall ist.
Zur Erwiderung erteile ich dem Justizminister des Landes Brandenburg das Wort. — Ich bitte, die notwendige Ruhe herzustellen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, ich bedanke mich für die Klarstellung, was die landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft angeht. Ich denke, dann sind wir einig, daß in diesen Gesellschaften viele Menschen tätig sind, die gleiche Rechte beanspruchen können. Diese fordern wir ein. Das ist der erste Punkt.
Zweiter Punkt. Ich habe sehr aufmerksam zugehört, als Sie auf die Gemeinsame Erklärung und die dahinterstehenden Bestimmungen des Zwei-plus-VierVertrages hingewiesen haben. Sie haben betont, daß die Bundesregierung dies lediglich zur Kenntnis genommen hat, damit dies also nicht akzeptiert hat. Ich frage Sie: Weichen Sie also davon ab
und gehen davon aus, daß Sie dazu ein Recht haben? Wenn das so ist, ist das eine wichtige Klarstellung, die ich festzuhalten bitte.
Das Wort hat nunmehr der Abgeordnete Jürgen Türk.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Bei Geld hört die Freundschaft — wie wir gerade wieder gehört haben — bekanntlich auf. Aber die deutsche Einheit darf nicht an der Eigentumsfrage scheitern. Wir brau-
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19920 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 229. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. Mai 1994
Jürgen Türkchen einen Interessenausgleich. Diesen Anspruch konnte das im März 1994 vorgelegte Papier nicht voll und ganz erfüllen. Es sah den uneingeschränkten Rückerwerb von Land durch Alteigentümer vor.Ich glaube, es war richtig und notwendig, daß die ostdeutschen Koalitionsabgeordneten mit Nachdruck ihre Bedenken angemeldet und sich in vielen Bereichen auch durchgesetzt haben. Es war zu sichern, daß die Existenzgrundlagen für die landwirtschaftlichen Betriebe, welcher Rechtsform auch immer, erhalten bleiben bzw. geschaffen werden. Es wird keine uneingeschränkte Rückgabe geben. Im Durchschnitt können ca. 20 % der ursprünglichen Fläche durch Alteigentümer — ich wiederhole das — zu günstigen Konditionen erworben werden.Meine Damen und Herren, über allen Diskussionen zu diesem Thema muß unsere gemeinsame Leitlinie stehen: Der soziale Frieden darf durch das EALG nicht gefährdet werden. Wir haben diesem Sachverhalt in dem gefundenen Kompromiß Rechnung getragen. Darum: Kein uneingeschränkter Rechtsanspruch auf Ländereien, in denen seit 40 Jahren Menschen eine neue Heimat und Broterwerb gefunden haben!Wir sollten die Stimme der Bundesländer nicht überhören, die die Situation vor Ort natürlich besser kennen. Darum sind die Bundesländer gefordert, sich bei den Einzelheiten des Landerwerbs und des Siedlungskaufs sowie dem Verfahren, welches nach § 5 Abs. 2 EALG noch durch eine Rechtsverordnung zu klären ist — dies ist ja noch offen —, gerade unter dem Gesichtspunkt der Wahrung des sozialen Friedens einzubringen. Diese Rechtsverordnung muß natürlich umgehend kommen.Den für diese Ansprüche auf Ausgleichsleistung zuständigen Ämtern zur Regelung offener Vermögensfragen kommt eine sehr hohe Verantwortung zu. Die Vermögensämter müssen im Einzelfall abwägen, ob ein Ausgleich in Landerwerb oder in Geldleistung erfolgen soll.Wir ostdeutschen Abgeordneten haben diesem Leitgedanken durch unsere umgesetzte Forderung des Vorrechts zum Landkauf im Rahmen des Siedlungsprogramms für Neu- und Wiedereinrichter Rechnung getragen. Das heißt, am Siedlungskauf können natürliche Personen teilnehmen, wenn sie bis zum 30. September 1995 langfristig gepachtet haben. Das trifft auch für alle in juristischen Personen tätige Gesellschafter zu. Darüber hinaus können die Nachfolger der LPGs nach Abschluß des Landerwerbs und Siedlungskaufs bis zu 30 % dieser Flächen zum Verkehrswert erwerben.Ich gebe der jetzt gefundenen Lösung meine Zustimmung, insbesondere deshalb, damit die Vertriebenenzuwendung endlich auf den Weg kommt.Vielen Dank.
Ich erteile nunmehr dem Abgeordneten Dr. Freiherr von Stetten das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Langwierige,schwierige und oft sehr kontroverse Verhandlungen von drei Jahren finden heute ihren Abschluß. Es begann mit der Laufs-Kommission, ging über die Gerster-Kommission und die Rawe-Kommission, es gab ein Bohl-Papier, einen Schäuble-Konsens und heute dieses Gesetz. Es ist ein Kompromiß zwischen der Forderung nach angemessener Entschädigung und voller Rückgabe der durch sozialistisches und kommunistisches Unrecht enteigneter Vermögenswerte — eigentlich das Natürlichste für den Rechtsstaat Bundesrepublik Deutschland — und der Haltung, daß nichts, auch nicht im Wege des Rückkaufs oder des Ausgleichs, an Grund und Boden und anderen Vermögenswerten zurückgegeben werde.Die letzte Linie vertritt die PDS, deren Vorgängerin, die SED, für 40 Jahre Unrecht und Unterdrückung verantwortlich ist und mit Horrormeldungen über Wegnahme redlich erworbenen Eigentums versucht, die Bevölkerung in den neuen Bundesländern zu beunruhigen und zu verunsichern. Leider hat diese üble Propaganda auch bei sonst normal Denkenden Wirkung gezeigt und das oft noch vorhandene Junkersyndrom wiederbelebt, wie die SPD, Vorgänge in Mecklenburg-Vorpommern oder Herr Bräutigam. Hier müßte man des Übels Wurzel finden und ziehen.Ich empfehle jedem, den ausgezeichneten Kommentor von Klaus Peter Krause in der gestrigen Ausgabe der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" zu lesen. Ich habe dem nichts hinzuzufügen.Herr Bräutigam, Sie haben ganz deutlich und bewußt behauptet, daß diese Gesetze gegen die Gemeinsame Erklärung verstoßen. Das ist schlichtweg unwahr. Ich zitiere aus der Gemeinsamen Erklärung. Da heißt es:Die Regierungen der Sowjetunion und der Deutschen Demokratischen Republik sehen keine Möglichkeit, die damals getroffenen Maßgaben zu revidieren.Das ist der eine Satz.Die Regierung der Bundesrepublik Deutschland nimmt dies im Hinblick auf die historische Entwicklung zur Kenntnis.Das ist der zweite Satz. Den dritten Satz haben Sie schlichtweg weggelassen:Sie ist der Auffassung, daß einem künftigen gesamtdeutschen Parlament— das sind wir hier —eine abschließende Entscheidung über etwaige staatliche Ausgleichsleistungen vorbehalten bleiben muß.Das tun wir heute, und nichts anderes, Herr Bräutigam.
Zu den Ausgleichsleistungen — ob in Natur, als Rückkauf oder sonstwie — steht in der Gemeinsamen Erklärung nichts drin. Wir sind das souveräne Parlament, das aufgefordert ist zu handeln. Wir entschei-
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Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 229. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. Mai 1994 19921
Dr. Wolfgang Freiherr von Stettenden hier heute. Wir entscheiden mit der Mehrheit; Sie werden das sehen.
— Regen Sie sich doch nicht so auf.Nackte Zahlen sprechen doch ganz anders. Selbst hartgesottene PDS-Mitglieder wie Sie, Herr Heuer, müßten hier doch aufstehen und sagen: Die 4 000 Enteignungen von Betrieben unter 100 ha, nämlich von durchschnittlich 29 ha, die meist Exzesse und Willkür waren, sind Unrecht, und die Betriebe müssen sofort zurückgegeben werden. Sie tun so, als ob das Großgrundbesitzer wären. 4 000 von 11 000 Betrieben haben im Durchschnitt 29 ha gehabt. 3 000 Betriebe haben bis zu 200 ha gehabt. 3 000 Betriebe haben bis zu 500 ha gehabt. Das sind doch heute keine Großgrundbesitzer mehr.
— Ich vergleiche jetzt einmal nach Hektar, weil Sie in Ihren Flugblättern von Großgrundbesitzern sprechen.Meine Damen und Herren, nur 66 Betriebe hatten über 1 000 ha. Mit denen gehen Sie hausieren und betreiben Angstpropaganda bei der Bevölkerung drüben.In diesem Zusammenhang ein kleiner Hinweis, weil das vorhin so komisch klang, Herr Heuer: Auch wenn ich in Niederwartha bei Dresden geboren bin, habe ich keinen Hektar drüben verloren. Mein Vater war dort damals stationiert. Ich rede also nicht pro domo und habe auch kein Mandat für irgendwelche Leute drüben. Das nur am Rande.Das so gerne falsch zitierte Verfassungsgericht hat nicht nur nicht verboten, Naturalausgleich vorzunehmen, sondern dem Bundesgesetzgeber sogar den Auftrag gegeben, einen angemessenen Ausgleich zu suchen mit dem ausdrücklichen Hinweis auf Ausgleich in Natur oder durch Rückkaufsmöglichkeiten.
Herr Dr. von Stetten, der Abgeordnete Weiß möchte Ihnen gerne eine Zwischenfrage stellen, wenn Sie bereit sind, sie zuzulassen.
Aber gerne.
Herr Kollege, Sie haben sich soeben auf die Vereinbarungen, in denen von Ausgleichsleistungen die Rede war, bezogen. Sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, daß es einhellige Meinung in der ersten frei gewählten Volkskammer war, unter solchen Ausgleichsleistungen Zahlungen zu verstehen, nicht aber die Rückgabe, so wie das jetzt hier vorgesehen ist?
Ich kenne Ihre Gedanken von damals nicht, Herr Kollege. Aber eines ist ganz sicher, daß nämlich Ausgleichsleistungen nicht unbedingt Geld sein müssen, sondern Natur oder sonstige Ersatzformen sein können. Das ist doch überhaupt keine Frage. So unjuristisch kann das ganze Parlament doch nicht gewesen sein.
Auch der Abgeordnete Kuessner hat den Wunsch, eine Frage von Ihnen beantwortet zu bekommen.
Bitte schön.
Herr Kollege, könnten Sie mir erklären, warum die Landesregierung Mecklenburg-Vorpommern, die aus der CDU und der F.D.P. besteht, so massiven Protest gegen dieses Gesetz angekündigt hat?
Ich sagte ja schon: Ich weiß es nicht. Man müßte des Übels Wurzel finden und ziehen.
Meine Damen und Herren, im vorliegenden Gesetz ist dieser Ausgleich nur auf land- und forstwirtschaftliche Flächen beschränkt, weil nur noch diese vorhanden sind. Bei anderem Grund und Boden — Betrieben und Häusern — wird eine Entschädigung nur in Geld gewährt, weil ähnliche Möglichkeiten des Rückkaufs praktisch nicht bestehen. Verfassungsrechtliche Bedenken dagegen bestehen. Ich bin aber der Meinung, daß unterschiedliche Materien und unterschiedliche Grundlagen vorliegen und deswegen Art. 3 nicht berührt ist.Die Entschädigungsansprüche werden in Form von übertragbaren Schuldverschreibungen erfüllt, die zum 1. Januar 2004 fällig sind, ab diesem Zeitpunkt mit 6 % verzinst und bis zum Jahre 2010 ausgezahlt werden.Bei der Bewertung wurde der 3- bis 20fache Einheitswert als fiktiver Wert — 3. Oktober 1990 — zugrunde gelegt. Bei Ansprüchen derselben Personen werden diese zusammengerechnet und dann außerordentlich scharf degressiert. Der Abschlag beginnt schon bei Ansprüchen über 10 000 DM mit 30 % und endet bei Abschlägen mit 95 %. Bei den so errechneten Werten werden noch die Lastenausgleichszahlungen abgezogen, so daß selbst bei größeren Vermögen nur geringe Beträge übrigbleiben.Ich will Ihnen Beispiele nennen: bei 50 000 —32 000, bei 500 000 — 127 000, bei 1 000 000 —202 000. Wenn Sie von diesen Summen noch ein Drittel bis zur Hälfte oder mehr als Lastenausgleich abziehen, sehen Sie, daß dies ganz kleine Summen sind, die frühestens in zehn Jahren fällig sind.
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19922 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 229. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. Mai 1994
Dr. Wolfgang Freiherr von StettenHier habe ich verfassungsrechtliche Bedenken, ob der Lastenausgleich abgezogen werden kann, weil der Lastenausgleich keine Entschädigung für Enteignung, sondern für entgangene Nutzung bzw. für soziale Hilfen bei der Eingliederung war. Es war keine Leistung des Staates, sondern der Eigentümer von Grund und Boden der Bundesrepublik Deutschland hat diese Leistung gezahlt.Das Ausgleichsgesetz beinhaltet die Möglichkeit für Alteigentümer, in der Größenordnung ihrer Entschädigungsleistung, und zwar vor Abzug des Lastenausgleichs, land- und forstwirtschaftliche Grundstücke im Verhältnis 1 : 3 des Einheitswertes zurückzuerwerben.Als Beispiele auch hier einige Größen, damit die idiotische Vorstellung von der Rückkehr der Großgrundbesitzer wegfällt. Ein früherer Eigentümer von 50 Hektar kann maximal 19 Hektar dafür zurückerwerben, bei 300 Hektar maximal 62 Hektar, bei 500 Hektar sind es 84 Hektar. Graf Lambsdorff nannte schon das Beispiel von 1 000 Hektar mit 184 Hektar.Ein Beispiel: Wer mit 100 Hektar enteignet wurde, kann 29 Hektar zurückerwerben für 87 000 DM, die er in der Regel sofort zahlen muß. Er bekommt dann zehn Jahre später eine Entschädigung von 45 000 DM. So sieht die Sache aus. Das heißt, er zahlt für seine 29 Hektar 42 000 DM.Wer bei diesen höchst bescheidenen Rückkaufsmöglichkeiten des ehemals eigenen Grund und Bodens vor der Rückkehr von Feudalherren und Junkern warnt, schürt bewußt Haß und versucht, aus Opfern Täter zu machen.
Die Enteigneten waren damals nämlich Opfer. Es ist nur ein kleines Stück Heimatrecht und ein kleines Stück Eigentumsrecht — mehr nicht.Der Erwerb soll sich — soweit möglich — auf Flächen des damaligen Eigentums beziehen. Rund 500 000 Hektar stehen für dieses Programm zur Verfügung.Für die Wiedereinrichter — das sind Landwirte, die ihren eigenen Grund und Boden wieder bewirtschaften, und Siedler, die sogenanntes Reformland erhalten haben — sowie für die selbstbewirtschaftenden Alteigentümer ist ein großzügiges Siedlungsprogramm ermöglicht worden, für das weitere 500 000 Hektar zur Verfügung stehen. Auch hier wurde schon ausgeführt, vom Kollegen Krziskewitz, daß hier bis zu 8 000 Bodenpunkten Eigentum erworben werden kann. Das sind bei natürlichen Personen bis 150 Hektar Eigentum bei ca. 60 Bodenpunkten. Ich kann nur sagen: Das sind Größenordnungen und Kaufbedingungen, von denen westdeutsche Landwirte nur träumen können.
Unabhängig vom Erwerb der landwirtschaftlichen Flächen können diese Berechtigten bis zu 100 HektarWald erwerben, auch zum dreifachen Einheitswert — eine sehr gute Lösung.Ein Waldkaufprogramm, für das 450 000 Hektar zur Verfügung stehen, kann den einen oder anderen Alteigentümer versöhnen, weil hier für ihn und am 3. Oktober anwesende Eigentümer ein Forstbetrieb bis zur Größenordnung von 1 000 Hektar erworben werden kann.Es ist eigentlich selbstverständlich, daß die nicht zum Betriebsvermögen gehörenden Kunst- und Wertgegenstände herausgegeben werden. Das ergibt sich im übrigen schon aus § 985 BGB. Einige wenige Kulturgüter können 20 Jahre lang in kostenlosem Nießbrauch der öffentlichen Hand überlassen bleiben.Ungereimtheiten gibt es nach wie vor genug. So ist der ausdrückliche Bezug auf § 1 Abs. 7 Vermögensgesetz sicher richtig. Er bedeutet, daß derjenige, der zwischen 1945 und 1949 verhaftet, verurteilt und enteignet wurde, oder seine Erben das Eigentum voll zurückerlangen, wenn dieses Urteil wieder auf gehoben wurde, während die Erben desjenigen, der auf den Stufen seines Gutshauses erschlagen oder in seinem Wald erhängt wurde — sei es von sowjetischen Soldaten, sei es von kommunistischen Schergen —, oder diejenigen, die jahrelang ohne Urteil nach Sibirien verschleppt wurden, nur mit mageren Entschädigungen abgespeist werden. Hiermit könnte sich vielleicht das Verfassungsgericht noch beschäftigen.Meine Damen und Herren, ich will allen Kritikern— den Alteigentümern, weil ihnen die Entschädigung zu gering und die Möglichkeit, zurückzukaufen, zuwenig ist, und denen, die meinen, das Wenige sei noch zuviel — sagen: Das Gesetz ist in der Tat eine Aneinanderreihung von Kompromissen; aber oft ist— das lassen Sie mich sehr deutlich sagen — der halblebendige Spatz einer konkreten Gesetzgebung in der Hand besser als eine verfassungsrechtliche, vielleicht recht magere, Taube auf dem Dach. Deswegen werbe ich für die Annahme des Gesetzes; es trägt bei allen Ungerechtigkeiten, die bleiben, zum inneren Frieden unseres Landes bei.Danke schön.
Ich erteile noch einmal dem Justizminister des Landes Brandenburg, Dr. Hans Otto Bräutigam, das Wort.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Herr Abgeordneter von Stetten, Sie haben mein Zitat aus der Gemeinsamen Erklärung ergänzt, und dafür bin ich Ihnen geradezu dankbar. Ich habe den moralischen und rechtlichen Anspruch der Opfer der Bodenreform nicht nur nicht bestritten, ich habe ihn ausdrücklich anerkannt. Ich begrüße und unterstütze es, daß auch dieser Teil in das Gesetz aufgenommen wird; darüber gibt es keine Meinungsverschiedenheiten zwischen uns.
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Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 229. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. Mai 1994 19923
Minister Dr. Hans Otto Bräutigam
Ich habe mich allerdings gegen die Regelungen gewandt, die trotz der etwas komplizierten und künstlichen Konstruktion über Schuldverschreibungen — aber das ist nicht das Problem — auf eine Teilrückerstattung hinauslaufen. Damit stellen Sie die Enteignungen auf besatzungsrechtlicher Grundlage oder durch Besatzungsrecht eben in Frage. Das ist der entscheidende Punkt!
Sie werden nicht ganz, aber teilweise rückgängig gemacht, und ich frage Sie, ob Sie dazu ein Recht haben. Ich bin der Auffassung: Sie haben es nicht.
Ich erteile nunmehr dem Abgeordneten Dr. Wolfgang Schäuble das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bitte um Vergebung, daß ich zu dieser vorgerückten Stunde das Wort nehme, aber, Herr Minister Bräutigam, wir wollen der Legendenbildung wirklich vorbeugen.
Nach meiner Erinnerung habe ich ein wenig mit dem Einigungsvertrag zu tun gehabt, und ich kenne auch die Gemeinsame Erklärung beider Regierungen vom 15. Juni 1990 sehr genau. Wir haben — Herr Kollege Weiß, es mag in der Volkskammer anders debattiert worden sein — im Deutschen Bundestag bei der Ratifizierung des Einigungsvertrages sehr ausführlich über diese Frage gesprochen. Über die Formulierung, die der Kollege von Stetten aus der Gemeinsamen Erklärung vom 15. Juni zitiert hat und die Sie, Herr Bräutigam, bei Ihrer ersten Intervention besser vollständig zitiert hätten — das darf ich Ihnen in alter Verbundenheit aus unserer langjährigen Zusammenarbeit sagen —, daß nämlich die Bundesregierung der Auffassung ist, daß einem künftigen gesamtdeutschen Parlament eine abschließende Entscheidung über etwaige staatliche Ausgleichsleistungen vorbehalten bleiben muß, ist in den Ratifizierungsdebatten im Deutschen Bundestag, in erster wie in zweiter und dritter Lesung, ausdrücklich gesprochen worden; ebenfalls darüber, daß Ausgleichsleistungen auch in Naturalien erfolgen können. Das ist ausdrücklich nicht ausgeschlossen worden. Wer das Gegenteil in bezug auf die Debatten im Deutschen Bundestag sagt, kennt den Sachverhalt nicht oder sagt die Unwahrheit.
Was die Regelungen, die wir Ihnen heute zur Zustimmung vorschlagen, vorsehen — auch das ist bereits gesagt worden, ich will es noch einmal sagen —, ist nicht eine Rückgängigmachung der Bodenreform, in keinem Punkt!
— Nein, ich will es gerade erklären, Herr Ehmke. Wir wollen doch bei einer Frage, die kompliziert genug ist und bei der es ungeheuer schwierig ist, eine Regelung zu finden, die im so lange geteilten und jetzt vereinten Deutschland zu einer Befriedung führt, wenigstens
bei der Wahrheit bleiben und uns nicht gegenseitig aufhetzen, weil das nicht Einheit stiftet, sondern nur die Teilung verlängert.
Herr Dr. Schäuble, sind Sie bereit, eine Zwischenfrage zu beantworten?
Herr Präsident, ich würde gern die Regelung erläutern, und dann bin ich gern zur Beantwortung von Zwischenfragen bereit. Aber lassen Sie mich doch die drei Sätze sagen.
Es geht darum, daß der Entschädigungsanspruch derjenigen, denen im Zuge der Bodenreform ihre land- und forstwirtschaftlichen Vermögen enteignet worden sind, zunächst einmal ermittelt wird, indem das Dreifache des Einheitswertes in die Summe eingerechnet wird, die dann aber in einem starken Maße degressiv abgerechnet wird. Man bekommt ja für Beträge, die über 10 000 Mark liegen, zunächst nur noch 70 %, und bei weiter ansteigenden Beträgen werden bis zu 90 % der sich aus dem dreifachen Einheitswert ergebenden Summe für den Entschädigungsbetrag abgerechnet. Der sich so ergebende Betrag kann nun nach den vorgeschlagenen Regelungen — unter der Voraussetzung, daß der erhaltene Lastenausgleich zurückgezahlt wird — zum dreifachen Einheitswert wiederum in land- oder forstwirtschaftliche Flächen umgewandelt bzw. in solche ausbezahlt werden, allerdings ohne jeden Anspruch auf diejenigen Flächen, die ursprünglich das Eigentum der Enteigneten gewesen sind. Es gibt eine Entschädigung in land- oder forstwirtschaftlichen Flächen, es gibt keinen Anspruch auf bestimmte Flächen. Bei der Konkurrenz zwischen mehreren um bestimmte Flächen sollen diejenigen den Vorrang haben, die als Pächter diese Flächen jetzt bewirtschaften.
Dies halten wir für einen fairen, Frieden und Versöhnung stiftenden Ausgleich nach einer so langen Zeit der Teilung. Man kann darüber unterschiedlicher Meinung sein, aber man sollte die Regelung nicht denunziatorisch darstellen.
Man sollte schon gar nicht sagen, es sei ein Abweichen von der Gemeinsamen Erklärung vom 15. Juni oder ein Abweichen vom Einigungsvertrag. Dies ist es ausdrücklich nicht, sondern es ist das, was wir uns bei der Ratifizierung des Einigungsvertrages gemeinsam vorgenommen haben.
Ich erteile nunmehr dem Abgeordneten Dr. Hans-Jochen Vogel das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Ich will mich nicht mehr zu den Details der Vorlage äußern. Das ist bereits ausgiebig geschehen. Ich will vielmehr sagen, was mich an der Vorlage, die Sie heute mit Ihrer Mehrheit verabschieden wollen, in besonderer Weise bedrückt, und zwar als Abgeordne-
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19924 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 229. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. Mai 1994
Dr. Hans-Jochen Vogelten aus den alten Bundesländern, der seit dem Sommer 1991 über 30 Wahlkreise in den neuen Bundesländern je zwei Tage besucht hat,
der dabei Tausenden von Mitbürgerinnen und Mitbürgern im persönlichen Gespräch begegnet ist und der deshalb ziemlich konkret weiß, wovon hier die Rede ist. Und ich sage das, weil ich noch einmal deutlich machen will, daß es sich hier nicht um ein ostdeutsches Spezialthema, sondern um ein Problem handelt, das für das Gelingen des Einigungsprozesses von substantieller Bedeutung ist
und uns deshalb alle fordert, in West genauso wie in Ost.Mich bedrückt, daß über die Situation der Alteigentümer großer landwirtschaftlicher Flächen tage-, wochen- und monatelang verhandelt und diskutiert wird, während uns — ich sage: uns — die Frage, wie ehemalige DDR-Häftlinge für ihre Haftzeiten und für Schäden an ihrer Gesundheit entschädigt werden sollen, seinerzeit nur einen Bruchteil dieser Zeit beschäftigt hat.
Mich bedrückt, daß damals eine angemessene Erhöhung des für jeden Monat erlittener Haft zu gewährenden Entschädigungsbetrages auf 600 DM mit der Begründung abgelehnt wurde, daß die dafür notwendige Summe von rund 500 Millionen DM unter keinen Umständen aufgebracht werden könne, während Sie jetzt eine Erhöhung der Leistungen an Alteigentümer — gegenüber Ihrem eigenen Regierungsentwurf — um mehrere Milliarden DM ohne weiteres gutheißen wollen.
Unsere Verfassung — ich stimme all denen zu, die das gesagt haben — gibt dem Eigentum einen hohen Rang. Aber unsere Verfassung räumt der persönlichen Freiheit, dem Leben und der Gesundheit einen höheren Rang ein. Bei dem, was ich hier anspreche, ist diese Reihenfolge in ihr Gegenteil verkehrt worden.
Hier wird das Eigentum, insbesondere das Grundeigentum, überhöht.Dem setze ich entgegen: Nicht das Eigentum — die Menschenwürde ist das oberste Prinzip unserer Rechtsordnung,
und darum wäre es auch besser, wenn es über die Entschädigungsregelung für die Opfer der NS- Gewaltherrschaft zu einer Verständigung mit der jüdischen Gemeinschaft gekommen wäre. Diese Verständigung sollte uns mindestens ebenso wichtig seinwie der durchaus anzuerkennende Versuch der Verständigung mit den Alteigentümern.
Mich bedrückt weiter, daß zwischen 600 000 und 800 000 Vertriebenen in der ehemaligen DDR der Zuwendungsbetrag von 4 000 DM und den NS- Verfolgten ihre Entschädigung nur zukommen sollen, wenn der Bundesrat dem gesamten Gesetzentwurf, also auch den Teilen zustimmt, die sich auf die Alteigentümer beziehen.
Damit werden die Vertriebenen und auch die Verfolgten als Pressionsmittel benutzt, um die Annahme einer Regelung durchzusetzen, die damit in gar keinem Zusammenhang steht.
Ich rufe in Erinnerung, daß Sie in der Opposition die sozial-liberale Koalition kritisiert haben, weil solche Zusammenhänge hergestellt wurden. Dabei hat es sich allerdings nie um die Verknüpfung von NS-Verfolgten- und Eigentümerinteressen gehandelt. Ich würde Sie bitten, Ihre eigene Kritik aus den Jahren vor 1982 ernst zu nehmen. Mir erscheint diese Verquikkung als ein Mißbrauch gesetzestechnischer Möglichkeiten.
Die die einmalige Entschädigung der Vertriebenen und auch die die Verfolgten betreffenden Regelungen könnten noch heute verabschiedet werden, wenn Sie dem von uns in der zweiten Lesung eingebrachten Gesetzesantrag zustimmen würden. Dann wäre die Sorge von Hunderttausenden heute nachmittag behoben, und diese Sitzung hätte ein meßbares Ergebnis.
Sie weigern sich, das zu verwirklichen, obwohl es auch von Thüringen verlangt wird. Das ist bei der Rede des betreffenden Kollegen deutlich geworden. Thüringen hat ja im Bundesrat einen entsprechenden Entwurf eingebracht.Sie instrumentalisieren damit ein Problem, statt es zu lösen, und tun damit genau das, was der noch amtierende Bundespräsident Richard von Weizsäcker immer wieder mißbilligt hat: die Instrumentalisierung von Problemen statt ihrer Lösung.
Kein Wunder, daß die Politikverdrossenheit zunimmt!Mich bedrückt schließlich und vor allem, daß mit dieser Vorlage alte Besitzstrukturen — nicht zur Gänze, ich halte mich von jeder Übertreibung frei — —
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Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 229. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. Mai 1994 19925
Dr. Hans-Jochen Vogel— Sie wissen ja noch gar nicht, was ich sagen will!
— Dann muß ich es noch einmal wiederholen: Mich bedrückt, daß Sie mit dieser Vorlage alte Besitzstrukturen nicht zur Gänze, aber in einem relevanten Umfang gegen den erklärten Willen der in den neuen Bundesländern lebenden Menschen wiederaufleben lassen wollen.
Niemand bestreitet: Die seinerzeit unter Verantwortung der sowjetischen Militäradministration vorgenommenen Enteignungen widersprachen rechtsstaatlichen Prinzipien. Und weiß Gott ist damals Betroffenen offenkundiges Unrecht geschehen! Deshalb sind angemessene finanzielle Ausgleichsleistungen am Platze. Meine Fraktion hat sich dem nie widersetzt.Aber hier ist viel mehr beabsichtigt. Hier sollen — und das, was Sie ausgeführt haben, Herr Abgeordneter Schäuble, räumt das nicht aus — entgegen der Intention der Erklärung vom 15. Juni 1990, die Bestandteil des Einigungsvertrages geworden ist, also Vertragsrecht, und die vom Bundesverfassungsgericht ausdrücklich für verfassungsgemäß erklärt worden ist, für Flächen in einem Ausmaß von 750 000 ha — das sind nicht nur 27 % der Treuhandflächen, sondern 7 % des Gesamtterritoriums der ehemaligen DDR — Rückerwerbsansprüche begründet und insoweit die früheren Eigentumsverhältnisse wiederhergestellt werden;
Rückerwerbsansprüche, also Ansprüche darauf, daß alte Eigentumsverhältnisse jedenfalls quantitativ wiederhergestellt werden.
— Meine Damen und Herren, ich lade Sie herzlich ein, in meinem Büro die Zahlenunterlagen im einzelnen einzusehen. Sie können mir glauben, daß ich mit Zahlen sorgfältig und gründlich umgehe.Sie wollen das zu Lasten der ortsansässigen Landwirtschaft, indem Sie die Erwerbsmöglichkeiten der juristischen Personen beschränken. Aber auch hinsichtlich des Kaufpreises und der Finanzierung des Erwerbs wollen Sie diese juristischen Personen benachteiligen. Der Anteil der von juristischen Personen gegenwärtig bewirtschafteten landwirtschaftlichen Flächen ist keine Bagatelle, sondern beträgt heute fast 64 % der landwirtschaftlichen Fläche in den neuen Bundesländern überhaupt. Das macht das Ausmaß der Ungerechtigkeit und der Benachteiligung sichtbar und deutlich.
— Ja, aber das Eigentum enthalten Sie den Leuten vor.Außerdem: Sie berufen sich immer wieder auf rechtsstaatliche Prinzipien. Sie sagen, das Rechtsbewußtsein zwinge sie dazu, den Forderungen der Alteigentümer zu entsprechen. Das ist eine einseitige Betrachtung, denn Sie vernachlässigt das Rechtsbewußtsein der Menschen in Ostdeutschland. In deren Rechtsbewußtsein stand und steht, daß die Beibehaltung und die Endgültigkeit dessen, was in der Erklärung vom 15. Juni und im Einigungsvertrag festgelegt wurde, nicht — wie es neuerdings geschieht — in Zweifel gezogen oder zurückgedreht wird.
Es wird gar nicht bestritten, Herr Kollege Schäuble, daß bei dieser oder jener Gelegenheit relativierende Äußerungen zu der Erklärung vom 15. Juni und zum Einigungsvertrag gemacht worden sind. Aber in den Wahlauseinandersetzungen, die dem 18. März 1990 vorausgingen, und in der Wahlauseinandersetzung, die dem 2. Dezember 1990 vorausging, ist den Menschen in der ehemaligen DDR von keiner Seite gesagt worden, daß 27 % dieser Flächen, 7 % des Territoriums der ehemaligen DDR, wieder in alte Hände als Eigentum zurückkehren sollen.
Ich frage: Ist dieses Rechtsbewußtsein, ist das Vertrauen auf das von beiden Regierungen gegebene Wort, mit dem die Vorschläge so massiv kollidieren, denn nicht schutzwürdig, und zwar gerade dem Rechtsstaat zuliebe? Und ist es wirklich mit den Prinzipien des Rechtsstaates vereinbar, daß Rückerstattungsberechtigte, die ihr Grundstück in natura zurückerhalten, zu 100 %, die auf Geldersatz Verwiesenen aber nur zu 20 bis 30 % entschädigt werden? Ist das mit dem Rechtsstaatsprinzip vereinbar?Mit dem, was Sie hier verabschieden wollen, wird den Menschen in den neuen Bundesländern etwas auferlegt, was die große Mehrheit dort nicht will. Damit wird der Eindruck erweckt, im Widerstreit westlicher und östlicher Interessen entschiede sich die Mehrheit des Bundestages einmal mehr für die westlichen und gegen die östlichen Interessen.
Schon einmal haben Sie entgegen unseren Warnungen in ähnlicher Weise das Prinzip Rückerstattung vor Entschädigung durchgesetzt. Heute sind Sie drauf und dran, diesen schlimmen Fehler, den Sie inzwischen selber als solchen erkannt haben, in ebenso schlimmer Weise zu wiederholen.
Und das, obwohl Herr de Maizière, der, Herr Abgeordneter Schäuble, am Einigungsvertrag ebenfalls beteiligt war, in einem Interview vor wenigen Tagen die Normierung des Prinzips Rückerstattung vor Entschädigung als den schwerwiegendsten Fehler des ganzen Einigungsprozesses bezeichnet hat. Sie sind drauf und dran, diesen Fehler noch zu verschärfen.
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19926 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 229. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. Mai 1994
Dr. Hans-Jochen VogelSpüren Sie denn nicht, daß hier die Vergangenheit mit Ihrer Hilfe einen tiefen Keil zwischen beide Teile unseres Landes treibt? Wissen Sie eigentlich, was Sie dem Selbstverständnis und der Selbstachtung von Menschen in den neuen Bundesländern damit zumuten? Wissen Sie, welchen politischen Kräften Sie mit dieser Vorlage dort in die Hände arbeiten, wem Sie es erleichtern — unter Leugnung der Verantwortung für die Vergangenheit, für die Zeit vor der Wende —, nostalgische Gefühle und zugleich Widerwillen gegen die Verwirklichung der inneren Einheit zu fördern?
Ich frage, wem Sie dadurch vielleicht zum zweiten oder dritten Direktmandat verhelfen.
Verehrter Herr Dr. Vogel, sind Sie bereit, eine Zwischenfrage zu beantworten?
Nein, ausnahmsweise nicht, Herr Heuer.
Herr Seite, der Ministerpräsident von Mecklenburg-Vorpommern, weiß das offenbar und lehnt auch aus diesem Grunde die Vorlage ab. Warum folgen Sie ihm nicht? Ihn als Übel zu bezeichnen, das ausgerissen werden muß, ist jedenfalls keine Antwort auf meine Frage — wenn ich das richtig verstanden habe.
Im übrigen: Wenn Herr Seite ein Übel sein sollte, dann gibt es dafür ein demokratisches Verfahren, nämlich die Stimmabgabe bei der nächsten Wahl.
Aber in diesem Fall sollten Sie Herrn Seite folgen.
Ich bitte Sie eindringlich, das alles noch einmal zu überlegen. Ich bitte Sie auch, den Beschluß, den der Landtag von Sachsen-Anhalt gestern gefaßt hat und in dem gerade die mangelnde Wahrung der ostdeutschen Interessen angesprochen wird
— beschlossen am 19. Mai; das war, glaube ich, gestern —, noch einmal zu bedenken.
Ich bitte Sie, mit einer Gesetzgebung innezuhalten, aus der nur Unfrieden erwachsen kann. Gerade in diesem Fall gilt es, das Gesamtinteresse über Teilinteressen zu stellen. Es gilt, sich an dem Begriff zu orientieren, den der Eigentumsartikel des Grundgesetzes in zwei aufeinanderfolgenden Sätzen zweimal verwendet und damit besonders einschärft, nämlich am Wohl der Allgemeinheit, am Wohl des Einigungsprozesses. Dafür ringen wir hier, und dafür werden Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten auch im Bundesrat ringen, bis eine dem Allgemeinwohl entsprechende Lösung zustande gekommen ist.
Zu einer Kurzintervention erteile ich dem Abgeordneten Prof. Uwe-Jens Heuer das Wort.
Herr Vogel, den ich schätze
und mit dem ich in der Verfassungskommission sehr gut zusammengearbeitet habe, dem ich auch in vielem von dem, was er heute gesagt hat, zustimme, hat ein weiteres Mal gesagt, daß wir, also wahrscheinlich Frau Enkelmann, Frau Höll und ich, Verantwortung für die DDR getragen haben. Ich möchte erst einmal sagen, daß das nicht wahr ist. Es ist schlicht und einfach nicht wahr. Herr Vogel hat viel mehr mit Politbüromitgliedern der SED gesprochen als ich. Ich habe es nicht getan. Ich habe nicht Verantwortung für die DDR getragen. Trotzdem meine ich, daß ich ein differenziertes Bild dieser DDR habe, und ich vertrete das auch.
Ich meine, daß man mit dem ewigen Hinweis auf die Vergangenheit uns nicht ständig daran hindern kann, die Interessen unserer Wähler zu vertreten und um Wähler zu werben, auch in Konkurrenz zur SPD.
Ich möchte ein Zweites sagen. Die SPD hat es der PDS zu verdanken, daß sie heute eine so radikale Position in der zur Erörterung stehenden Frage einnimmt.
Wenn von den Wählern dafür gesorgt wird, daß die PDS im nächsten Deutschen Bundestag wieder vertreten ist, wird das dazu beitragen, daß die SPD dort eine etwas linkere Position einnimmt, was ich uns allen wünsche.
Zur Erwiderung erteile ich nach unserer Geschäftsordnung dem Abgeordneten Dr. Hans-Jochen Vogel das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, Herr Heuer, es ist eine Selbstverständlichkeit, daß wir darauf hinweisen, daß nichts geschehen soll, was denen, die unter fröhlichem Gedächtnisverlust ihre Verantwortung für
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Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 229. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. Mai 1994 19927
Dr. Hans-Jochen Vogeldie Vergangenheit immer wieder beiseite schieben, hilft und ihre nostalgischen Aktivitäten verstärkt. Es ist mein gutes Recht, das zum Ausdruck zu bringen. Daß Sie mir nicht zustimmen würden, das habe ich erwartet.
Außerdem, weil ich das Wort habe, Herr Präsident, darf ich einen Irrtum korrigieren.
— Ja, so geht man miteinander um. — Hier ist vermerkt worden, daß ein Antrag, der 1994 eingebracht worden ist — das ist handschriftlich hier vermerkt —, am 19. Mai angenommen worden ist. Ich habe mich vergewissert, es ist falsch. Ich nehme diese Behauptung als irrig zurück. Der Beschluß ist aber im Jahre 1994 mit dem von mir zitierten Inhalt gefaßt worden.
— ' 94. Entschuldigung, wenn ich das jetzt noch sage. Hier ist das Datum: März 1994. Können wir uns wenigstens darüber verständigen?
Nachdem dies offenbar möglich war, erteile ich dem Abgeordneten Reiner Krziskewitz zu einer Kurzintervention das Wort.
Da wir uns ja weiter um die Wahrheitsfindung bemühen, möchte ich noch hinzufügen, daß dieser Beschluß mit dem hier heute zur Verhandlung stehenden Gesetzentwurf nichts zu tun hat. Es handelt sich um eine viel frühere Phase unserer ganzen Formulierungen.
— Selbstverständlich. Wenn dem nicht so wäre, dann hätte doch die SPD gestern nicht ausziehen müssen. Entweder ist es dasselbe, oder es ist nicht dasselbe. Sie müssen sich irgendwann einmal festlegen..
Ich erteile nunmehr dem Abgeordneten Hartmut Büttner das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auf die Ausführungen von Herrn Dr. Vogel wird die Bundesregierung noch im einzelnen eingehen. Aber, lieber Herr Dr. Vogel, nach der Kurzintervention von Herrn Heuer wissen wir nun sehr wohl, vor wessen Karren sich die Sozialdemokraten hier haben spannen lassen.
Das sollte Ihnen hochgradig peinlich sein, meine Damen und Herren, hochgradig peinlich!
Ich befasse mich in meinem Debattenbeitrag ausschließlich mit Art. 9 des Entschädigungs- und Ausgleichsgesetzes. Dieser Art. 9 bildet die gesetzliche Grundlage für die Auszahlung einer Einmalleistung in Höhe von 4 000 DM an die Heimatvertriebenen, die in die Sowjetische Besatzungszone, also die spätere DDR, vertrieben worden sind.Meine Damen und Herren, trotz der Unruhe wegen der namentlichen Abstimmung: Wir sollten daran denken, daß die Biographien dieser Menschen, von denen niemand jünger als 50 Jahre alt ist, geprägt sind durch die furchtbaren Ereignisse von Krieg und Verfolgung, von Flucht und Vertreibung, von Entbehrung und Tod. Sie kamen direkt von der braunen Diktatur in den Machtbereich kommunistischer Willkür.Die Heimatvertriebenen wurden von der SED, Herr Heuer, als revanchismusanfällige Risikogruppe angesehen. Die Pflege von Heimat, Kultur und Brauchtum war so gut wie nicht möglich. Sie konnten ihre Lebenschancen nicht so entfalten, wie dies im Westen Deutschlands unter den Bedingungen einer freiheitlichen Demokratie und der Sozialen Marktwirtschaft möglich war.
Gegenüber den Landsleuten, die in die Westzonen vertrieben wurden, hatten sie es — und ich denke, das ist unstrittig, liebe Frau Barbe — noch schwerer.Die Fraktionen des Deutschen Bundestages haben Übereinstimmung — zumindest in der Enquete-Kommission — in der Erkenntnis gefunden, daß wir es nicht schaffen werden, sämtliches Leid der SED-Diktatur oder auch nur die unterlassene Hilfeleistung der DDR gegenüber Kriegs- und Kriegsfolgeschäden heute allein mit Geld auszugleichen oder wiedergutzumachen. Aber wir haben eine Verpflichtung: alles in unserer Kraft Stehende zu tun, um zumindest durch die Zahlung der Einmalleistung das erlittene Vertreibungsschicksal zu würdigen und die Ungleichbehandlung in Deutschland etwas abzumildern.Ich danke allen Kolleginnen und Kollegen, die sich seit Jahren darum bemühen — es waren relativ wenig Sozialdemokraten dabei —, trotz notwendiger Sparprogramme und schmerzhafter Haushaltskürzungen in anderen Bereichen für diesen Kreis der Vertriebenen eine Regelung zu erreichen.Dabei kam eine Lösung wie in Westdeutschland durch den Lastenausgleich nicht in Frage. Um Mißverständnissen vorzubeugen: Dieser Lastenausgleich war damals keine staatliche Benefizaktion. Es war der solidarische Ausgleich zwischen denjenigen, die etwas über den Krieg hatten hinwegretten können, und denen, die alles verloren hatten. Ein entsprechender Lastenausgleich wäre abgesehen von der Beweisnot nun nach fast 50 Jahren für die neuen Bundesländer nicht anwendbar gewesen.Deshalb schälte sich als einzige Lösung die Zahlung einer Einmalleistung heraus. Es waren vor allem die ehemaligen Innenminister Wolfgang Schäuble und Rudolf Seiters, die für diese Regelung warben und mit uns nach Finanzierungsmöglichkeiten suchten.
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19928 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 229. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. Mai 1994
Hartmut Büttner
Es ist richtig, daß das Vertriebenenzuwendungsgesetz eigentlich im Entschädigungsgesetz nichts zu suchen hat.
Herr Abgeordneter, Entschuldigung, wenn ich Sie unterbreche. Sind Sie bereit, eine Frage des Abgeordneten Dr. Brecht zu beantworten?
Ich habe lediglich noch zwei Minuten, Herr Präsident. Ich möchte ganz gerne diese zwei Minuten im Sinnzusammenhang zu Ende bringen.
Da dieser Weg allerdings auch einen Ausgleich darstellt, uns aber auch die Finanzierung der Leistung sichert, halte ich ihn für vertretbar; denn Ihre Finanzierungsvorschläge liegen uns, lieber Herr Schwanitz und andere, bis heute nicht auf dem Tisch.
Trotzdem hatte der erste Gesetzentwurf der Bundesregierung Mängel. Deshalb haben 150 Abgeordnete aus CDU/CSU und F.D.P. versucht, mittels eines eigenen Gesetzentwurfs Verbesserungen zu erreichen. Wir waren auch nicht völlig sicher, ob wir es schaffen, in dieser Legislaturperiode das Gesetz zu verabschieden. Aber unser eigener Entwurf war kein Selbstzweck, sondern er sollte ein Katalysator sein, um die Verhandlungen zum Entschädigungsgesetz voranzubringen, um es zu verbessern. Ich denke, diese Funktion hat unser Antrag auch im wesentlichen erfüllt. Wir können ihn deshalb zugunsten der Regelung des Art. 9 des Entschädigungsgesetzes als erledigt betrachten.
Wir hätten gern die Altersstufen der zunächst Berechtigten noch etwas mehr herabgesetzt. Trotzdem muß man wissen, daß gegenüber dem ersten Entwurf jetzt nicht 1996, sondern sofort nach Inkrafttreten des Gesetzes mit der Zuwendung begonnen wird, daß alle Altersstufen um zwei Jahre vorgezogen und um zwei Jahre gesenkt worden sind und — das halte ich für das Wichtigste — die Regelung nunmehr auch vererbbar gestaltet wurde, was den unsäglichen Vorwurf, der Bundestag warte aus finanziellen Gründen auf eine biologische Lösung, entkräftet.
Ich habe, meine Damen und Herren, viel Verständnis für alle Verbände und Einzelpersonen, denen dieses Gesetz immer noch nicht ausreichend erscheint. Ich habe Verständnis für diejenigen, die kritisieren, daß der Betrag zu niedrig oder die Auszahlung zu schleppend ist. Gerade als Sohn einer Schlesierin und eines Rußlanddeutschen habe ich für viele dieser Forderungen hohe Sympathie. Meine Familie — das darf ich hier auch einmal sagen — hat in diesem Jahrhundert fünfmal Haus und Hof verloren und mehrfach erfahren, was Krieg, Flucht und Vertreibung bedeuten.
Trotzdem appelliere ich an uns alle, jetzt das Machbare und Finanzierbare zu beschließen. Ich appelliere auch an die Sozialdemokraten, die ansonsten mit
Leistungen an die Vertriebenen nicht so großzügig sind, uns daran zu erinnern, daß wir ohne die erneute Einheit unseres Vaterlandes diese Diskussion im Deutschen Bundestag gar nicht führen würden. Ist es wirklich zuviel verlangt, daß, nachdem die Ulbricht, Honecker, Krenz und Modrow für die Heimatvertriebenen in der DDR keinen Pfennig übrig hatten, jetzt für diese Lösung auch einmal danke gesagt wird?
Ich werde im Interesse der Heimatvertriebenen diesem Gesetz meine Zustimmung nicht verweigern.
Ich erteile nunmehr dem Abgeordneten Wilhelm Rawe das Wort.
Herr Präsident! Meine verehrten Damen und Herren! Es ist sicherlich sehr schade, daß wir heute morgen mit einer langen Geschäftsordnungsdebatte viel Zeit verschwendet haben, statt sie dazu zu nutzen, uns in dieser Frage richtig auseinanderzusetzen.
Als wir dieses Gesetz vor gut einem Jahr zum erstenmal gelesen haben, waren wir uns alle darüber einig, daß wir vor einer ungeheuer schweren Aufgabe stehen würden. Ich habe in meinem Redebeitrag damals den Wunsch geäußert, zu versuchen, gemeinsam einen guten Kompromiß zum Wohle aller Bürger in unserem vereinten Vaterland zu finden. Ich habe die Hoffnung damit verbunden, daß wir ein Ergebnis erzielen könnten, das vielleicht nicht die Zustimmung aller finden würde, sehr wohl aber von den Menschen in Ost und West toleriert werden könnte.Ich will auch ausdrücklich sagen, daß es keineswegs so ist, daß um einen solchen Kompromiß nicht gerungen worden wäre. Viele kompetente Vertreter der Koalitionsfraktionen und der Bundesregierung haben sich bemüht, eine Lösung zu finden. Ich will ihnen ausdrücklich dafür danken und will dabei besonders unseren viel zu früh verstorbenen Kollegen Gattermann erwähnen.
Dennoch bin ich der Meinung — das führt uns die „Frankfurter Allgemeine Zeitung" in ihrer gestrigen Ausgabe drastisch vor Augen; ich zitiere —: „Auch dieser neue Entwurf hält rechtsstaatlichen Ansprüchen nicht stand", aber aus anderen Gründen, meine verehrten Damen und Herren von der Opposition, als Sie sie hier gerade vorgetragen haben. Denn erstens ist es nach meiner Meinung nicht gelungen, das erlittene Unrecht auch nur einigermaßen wiedergutzumachen, und zweitens ist es vor allen Dingen nicht gelungen, die uns gestellte Aufgabe gemeinsam zu bewältigen.Statt dessen ist bis in die letzten Tage — ich muß jetzt hinzufügen, verehrter Herr Kollege Dr. Vogel: bis in diese Stunde hinein — der Eindruck erweckt worden, als gehe es nur um die Abgrenzung der Interessen der Bürger im Osten unseres Vaterlandes
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Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 229. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. Mai 1994 19929
Wilhelm Raweauf der einen Seite gegen die Interessen der Bürger im Westen auf der anderen Seite. Verehrter Herr Vogel, das ist schlicht und einfach falsch. In Wirklichkeit ist das Problem ein viel umfassenderes.
Ich darf als Beleg nur ein Beispiel vortragen. Vor mir liegt ein Brief — Sie können ihn gerne einsehen — vom April dieses Jahres. Darin schreibt eine Bürgerin ihrem Bundestagsabgeordneten aus einem jungen Bundesland u. a.:Nach Ihrem Auftritt im Fernsehen im Mitteldeutschen Rundfunk— nicht Ihrer, Herr Dr. Vogel —bin ich doch sehr befremdet. Es ist doch richtig, daß Sie sagten, Sie vertreten die ostdeutschen Bürger? Auch meine Familie lebt seit Generationen in Sachsen. Wir wurden durch die Bodenreform enteignet und sind in Sachsen geblieben, eben weil wir bodenständige, mit der Scholle verwurzelte Bauern waren. Wir hatten in DDR- Zeiten ein schweres Leben und sind trotzdem in Sachsen geblieben. Nur weil meine Familie Eigentum besessen hat, wurde und wird sie bestraft. Wen vertreten Sie eigentlich?Das frage auch ich Sie, Herr Kollege Vogel; denn dieser Brief einer einfachen Frau aus Leipzig in Sachsen macht deutlich, daß es in Wirklichkeit eben nicht um die Austragung eines Konfliktes zwischen Ost und West geht, zu dem so mancher prominente Bodenreformgläubige die Auseinandersetzung noch immer hochstilisieren will. Die fundamentale Frage, um die es hier eigentlich geht, hat die Bäuerin vielmehr genau benannt. Sie hat nämlich schlicht und einfach die Frage aufgeworfen: Wie halten wir es eigentlich mit dem Eigentum?
— Sie können ruhig munter dazwischenrufen, aber Sie werden sich schon noch ein paar Sätze gefallen lassen müssen.Jeder, der sich mit dem Problem befaßt hat — ich denke, Sie werden mir dann sogar zustimmen —, war sich von Anfang an darüber im klaren, daß es selbstverständlich nicht darum gehen konnte, altes Unrecht durch neues zu ersetzen.
Da bin ich mit Ihnen, Herr Kollege Vogel, völlig einer Meinung. Es bedurfte vielmehr einer Lösung, eine Wiedergutmachung für die rechtswidrig Enteigneten zu finden, zugleich aber die Existenz der heute in den neuen Ländern wirtschaftenden Bürger zu sichern.Dieser Versuch ist aus meiner Sicht nicht
gelungen. Aber daß ein Versuch gemacht worden ist, dies weitgehend zu tun, wird ja wohl keiner bestreiten. Wenn ich die Argumente Ihrer Seite heute dazu höre, dann drängt sich mir der Eindruck auf: Wenndieses Gesetz heute nicht verabschiedet wird, kann es nur noch schlimmer werden, denn dann werden Sie weiter durch Ihre Länder die Taktik verfolgen, keinen Fußbreit zu weichen, sondern nur Conditiones sine qua non aufzustellen und um keinen Preis von dieser Meinung abzuweichen.Ich muß Ihnen schon sagen: Von dem Ziel einer wirklichen Wiedergutmachung ist dieser Gesetzentwurf ein weites Stück entfernt. Der Grund liegt darin, daß wir neben der Herausgabe von beweglichen Sachen den Rückerwerb einerseits auf land- und forstwirtschaftliche Flächen und andererseits auch nur auf durchschnittlich 20 % dieses enteigneten Eigentums beschränkt haben.Es ist sicherlich richtig — das ist außerordentlich bedauerlich —, daß in den letzten Wochen die Diskussion eigentlich nur um die Agrar- und Forstflächen geführt wurde statt um die vielen anderen ebenso zu Unrecht erfolgten Enteignungen. Ich will das hier ausdrücklich sagen.Wenn sich hier die Vertreter der jungen Bundesländer so energisch zu Wort melden, Herr Kollege Bräutigam, dann werden sie sich vorhalten lassen müssen, daß es für mich völlig unverständlich ist, daß die jungen Bundesländer, die nach dem Einigungsvertrag die Rechte der ehemaligen DDR wahrnehmen, nicht auch in die Pflicht genommen werden, die Beseitigung des Unrechts, das sie auch als solches bezeichnen, wirklich vorzunehmen.Nun soll mir keiner mit dem Argument kommen, meine Damen und Herren, eine Alternative zu dem vorliegenden Gesetzentwurf könne es nicht geben. Es gibt noch immer — Herr Vogel, prüfen Sie Ihre Rechnungen einmal daraufhin nach — genügend Land — und es gab vor allen Dingen vor drei Jahren noch mehr Land — in der Verfügungsgewalt des Bundes und der Länder, das es ermöglicht hätte, einen angemessenen Ausgleich herbeizuführen. Es gibt genügend Fläche für die Neusiedler und Wiedereinrichter und genügend Fläche, um eine teilweise Entschädigung für die Alteigentümer vorzunehmen.Ich bin der tiefen Überzeugung, dies hätte zur Befriedung beider Seiten und zur Herstellung des Rechtsfriedens erheblich mehr beigetragen.Die große Misere beim Zustandekommen dieses Gesetzes mag vielleicht — das haben Sie so gesehen, Herr Vogel — von der Gemeinsamen Erklärung über die Bodenreform ausgehen, die von Anfang an lediglich einen Ausgleich vorsah, ihn aber nicht genügend deutlich definierte. Ich denke, mein Fraktionsvorsitzender hat Ihnen sehr klargemacht — ich habe das auch so in Erinnerung —, daß wir bei der Verabschiedung des Gesetzes sehr wohl davon ausgegangen sind, daß dieser Ausgleich auch in Natur erfolgen darf.Wenn Sie das aber immer noch nicht so haben wollen, dann will ich Ihnen wenigstens sagen, daß das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich klargestellt hat, daß es der Bundesrepublik Deutschland durchaus gestattet ist, den Opfern dieser Willkürakte und Verbrechen den Rückerwerb ihres Eigentums zu ermöglichen. Deswegen, verehrter Herr Bräutigam und verehrter Herr Vogel, verstehe ich Ihre Einlassungen
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19930 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 229. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. Mai 1994
Wilhelm Rawenicht, denn die richten sich gegen die ausdrücklichen Ausführungen des Bundesverfassungsgerichtes.
Meine Damen und Herren, unübersehbar kam hinzu — auch das will ich nicht leugnen —, daß auch fiskalische Argumente einen gerechten Ausgleich verhindert haben. Ich füge gerne hinzu: Auch für mich sind die Leistungsfähigkeit des Staates und eine ausgeglichene Haushaltsbilanz wichtige Güter. Aber ebenso elementar ist auch, daß Fragen des Rechts nicht vorwiegend und schon gar nicht alleine unter fiskalischen Gesichtspunkten betrachtet werden dürfen.
Herr Abgeordneter, ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie meine Zeichen beachten würden.
Ich komme gerne zum Ende, Herr Präsident.
Leider muß ich bei der Kürze der mir zur Verfügung stehenden Zeit darauf verzichten, daß wir möglicherweise — Herr Kollege Vogel, hören Sie einmal genau zu — dadurch, daß wir mit diesem Gesetz dem Staat eine Verfügungsgewalt über fremdes Eigentum einräumen, Gefahr laufen, auf Dauer in eine Entwicklung zu geraten, die die grundgesetzliche Eigentumsgarantie aushöhlt. Ich würde das außerordentlich bedauern.
Meine Damen und Herren, ich will gerne dem Präsidenten folgen und diese Ausführungen jetzt abbrechen — so leid es mir tut, denn es sind noch wichtige Aspekte darin.
— Reden Sie nur immer kräftig dazwischen; das ist ja das, was Sie am besten können.
Damit wir uns richtig verstehen: Ich bin sehr dafür, daß wir einen Weg finden, die Vertriebenenentschädigung auszuzahlen. Ich sage auch ausdrücklich zu den Kollegen der Koalitionsfraktionen: Ich werbe hier nicht dafür, den Gesetzentwurf abzulehnen. Ich bitte aber um Ihr Verständnis, daß ich persönlich diesem Gesetz nicht zustimmen kann. Ich werde zusammen mit dem Kollegen Franz Möller in einer schriftlichen Erklärung zur Abstimmung meine verfassungsrechtlichen Bedenken dazu zu Protokoll geben.
Vielen Dank für das Zuhören.
Da der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Joachim Grünewald darauf verzichtet hat zu sprechen *), erteile ich nunmehr nach § 31 unserer Geschäftsordnung dem Grafen Joachim von Schönburg-Glauchau das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kolle*) Anlage 7gen! Ich will versuchen, mich kurz zu fassen, aber ich glaube, ich sollte ein paar Worte sagen, weil ich mich heute mehrfach persönlich angesprochen gefühlt habe. Hier steht tatsächlich einer von diesen „Gespenstern" und diesen ehemaligen „fürchterlichen, drohenden Großgrundbesitzern", die jetzt alles übereinanderwerfen müssen.
Ich stehe hier allerdings nicht als Wessi; das muß ich auch sagen. Bei allen Diskussionen ist das oft durcheinander gebracht worden. Ich bin mein Leben lang ein Sachse geblieben. Das ist gar kein besonderes Verdienst; denn ein Kaninchen, auch wenn man es in einen Kanarienvogelkäfig sperrt, bleibt ein Kaninchen.
Ich will aber ganz ernsthaft sagen: Das von Herrn Kollegen Dr. Ullmann Ausgeführte über die mangelhafte Bereitschaft zu Teilen hat mich sehr beeindruckt. Ich glaube, nach dem, was ich sagen werde, werden Sie bemerken, daß hier eine Bereitschaft zum Teilen vorhanden ist, wie man sie nicht alltäglich finden wird.Mich hat auch sehr beeindruckt, was Herr Dr. Vogel gesagt hat. Herr Dr. Vogel, ich hoffe, ich werde mit meinen Worten bei Ihnen Gehör finden. Sie haben sehr eindrucksvoll darauf hingewiesen, daß die immateriellen Schäden, die fürchterlich waren, höchst ungenügend ausgeglichen worden sind. Sie wissen aus dem, was ich damals hier gesagt habe, daß ich persönlich alles tue und tun will, um das zu verbessern. Aber wir sind uns auch beide darüber klar, daß es Dinge gibt, die nicht mit Geld gutzumachen sind.
— Da gibt es aber einen Unterschied. Ich darf einmal persönlich werden: Meine Mutter, Kriegerwitwe mit acht minderjährigen Kindern, ist betroffen gewesen. Sie hat im Alter ihren Verstand verloren. Das läßt sich nicht wiedergutmachen. Aber wenn es eine Möglichkeit gibt, mit Dingen, die vorhanden sind, die öffentliches Eigentum sind und bei denen niemand etwas weggenommen wird, irgendwie einen kleinen Teil wiedergutzumachen, dann soll man die Gelegenheit wahrnehmen, auch wenn man andere Dinge nicht wiedergutmachen kann.
Was, lieber Herr Kollege Dr. Vogel, das Rechtsbewußtsein der Bevölkerung angeht, lade ich Sie in meinen Wahlkreis ein. Reden Sie mit den Leuten. Die Steine alleine reden, und die Leute reden. Sie finden es nicht gerecht, daß ich mich bemühe, daß jeder möglichst wiedergutgemacht bekommt, was er erlitten hat, und nur ich und meine Geschwister sollen gar nichts kriegen.
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Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 229. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. Mai 1994 19931
Joachim Graf von Schönburg-Glauchau— Oder eine Entschädigung in Geld, ein paar Prozent, okay.Was das Urteil der Bevölkerung angeht, lade ich Sie herzlich ein. Wir verstehen uns persönlich gut. Bitte seien Sie mein Gast,
und reden Sie ohne meine Gegenwart mit den Menschen. Die Menschen bei uns zu Hause haben ihre Stärken und Schwächen, aber sie haben auch ein sehr ausgeprägtes Rechtsbewußtsein.Das letzte, was ich sagen will, geht zu dem Teilen zurück. Natürlich ist es unbefriedigend, Herr Dr. Vogel, daß der eine 100 % und der andere 20 % bekommt.
Aber wenn ich sage: „Ich gehöre zu denen, die zweieinhalb Prozent bekommen" , und ich dann den Leuten sagen kann: „Ich bemühe mich, daß du ein bißchen mehr als 20 % bekommst, aber ich will mich des Gemeinwohls wegen mit zweieinhalb Prozent zufriedengeben", dann kann ich das sagen, dadurch schüre ich keinen Neid, sondern dann bin ich der, Herr Dr. Ullmann, der zum Teilen auffordert.Ich bitte dann diejenigen, die aus guten Gründen, die Kollege Willi Rawe dargelegt hat, ihre Bedenken haben und meinen, nicht zustimmen zu können, trotzdem zuzustimmen. Bekommen wir das, auch wenn es Unebenheiten und Ungerechtigkeiten hat, auf den Weg! Probieren wir voranzukommen!Ich danke allen, die sich bemüht haben. Ich bitte persönlich auch die Freunde in der Sozialdemokratischen Partei: Machen Sie den Weg frei, daß wir hier ein Gesetz hinbekommen, das den Frieden und das Rechtsempfinden ein Stück vorantreibt.Danke schön.
Meine Damen und Herren, bevor ich zur Abstimmung komme, möchte ich dem Haus mitteilen, daß mir 55 schriftliche Erklärungen nach § 31 unserer Geschäftsordnung vorliegen. Darf ich davon ausgehen, daß es Ihnen lieber ist, die Namen derjenigen, die diese Erklärungen abgegeben haben, im Protokoll nachzulesen, und ich sie nicht erst vorzulesen brauche.*)
— Wenn ich das als Zustimmung interpretieren darf, dann kann ich mit der Abstimmung beginnen.Wir kommen zur Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetzes. Das liegt Ihnen auf den Drucksachen 12/4887, 12/5108, 12/5190 Nr. 1.2 und 12/7588 Nr. 1 vor. Hierzu liegen je ein Änderungsantrag der Fraktion der SPD und der Gruppe PDS/Linke Liste vor.*) Anlage 2-6Ich lasse zunächst über den Änderungsantrag der Gruppe PDS/Linke Liste abstimmen. Er liegt Ihnen auf Drucksache 12/7639 vor. Wer stimmt für diesen Änderungsantrag? — Enthaltungen? — Wer stimmt dagegen? — Enthaltungen? — Dann ist dieser Änderungsantrag mit überwiegender Mehrheit des ganzen Hauses abgelehnt.Wir kommen nunmehr zum Änderungsantrag der Fraktion der SPD. Dieser liegt Ihnen auf Drucksache 12/7638 vor. Wie Ihnen bekannt ist, hat die Fraktion der SPD namentliche Abstimmung verlangt.Ich mache darauf aufmerksam, daß es eine weitere namentliche Abstimmung gibt, und zwar zu dem gesamten Gesetzeswerk.Ich eröffne die Abstimmung nach dem Ihnen bekannten Verfahren.Ich wäre dankbar, wenn sich diejenigen, die die Abstimmungskarten noch nicht abgegeben haben, beeilen würden; denn ich weiß, daß viele Kollegen gerne möglichst bald in ihren Wahlkreis zurückkehren würden.Meine Damen und Herren, ich frage in aller Form: Ist noch ein Mitglied im Hause, das seine Stimmkarte nicht abgegeben hat? — Das ist offensichtlich nicht der Fall. Dann schließe ich die Abstimmung.Die Schriftführer beginnen mit der Auszählung und werden sich bemühen, das möglichst schnell hinter sich zu bringen. Bitte haben Sie Verständnis dafür, daß wir erst nach dem Ergebnis über das gesamte Gesetzeswerk abstimmen können.Ich unterbreche bis dahin die Sitzung.
Ich eröffne die unterbrochene Sitzung und bitte, Platz zu nehmen.Ich darf zunächst einmal das von den Schriftführern und Schriftführerinnen ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der SPD — das lag Ihnen auf den Drucksachen 12/4887, 12/7588 und 12/7638 vor — bekanntgeben: 406 Abgeordnete haben ihre Stimme abgegeben, mit Ja haben 115 gestimmt, mit Nein haben 278 gestimmt, 13 haben sich enthalten. Damit ist der Änderungsantrag abgelehnt.Endgültiges ErgebnisAbgegebene Stimmen: 400; davon:ja: 114nein: 273enthalten: 13JaCDU/CSUKolbe, Manfred SPDBarbe, AngelikaBecker , HelmuthBecker-Inglau, Ingrid Bernrath, Hans Gottfried Beucher, Friedhelm Julius Bock, TheaDr. Böhme , Ulrich Börnsen (Ritterhude), Arne Brandt-Elsweier, AnniDr. Brecht, EberhardBüttner , Hans Bulmahn, EdelgardBury, Hans Martin Caspers-Merk, MarionDr. Diederich , Nils Diller, KarlDr. Ehmke , Horst Eich, LudwigDr. Elmer, KonradEsters, HelmutFischer , Evelin
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19932 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 229. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. Mai 1994
Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg Fischer , Lothar Fuhrmann, ArneGilges, Konrad Gleicke, IrisGroßmann, Achim Habermann, Michael Hacker, Hans-Joachim Hampel, Manfred Hanewinckel, Christel Dr. Hartenstein, Liesel Hasenfratz, Klaus Hilsberg, Stephan Horn, ErwinHuonker, Gunter Ibrügger, Lothar Jäger, RenateJung , Volker Kastner, Susanne Kastning, ErnstKlappert, Marianne Klemmer, Siegrun Klose, Hans-UlrichDr. Knaape, Hans-Hinrich Koltzsch, RolfKuessner, Hinrich Dr. Küster, Uwe Kuhlwein, Eckart Lange, Brigittevon Larcher, Detlev Lennartz, Klaus Lohmann , KlausDr. Lucyga, Christine Maaß , Dieter Matschie, Christoph Matthäus-Maier, Ingrid Meckel, Markus Meißner, HerbertDr. Mertens ,Franz-JosefDr. Meyer , Jürgen Müller (Düsseldorf), Michael Dr. Niese, RolfOesinghaus, Günter Opel, ManfredOstertag, Adolf Dr. Otto, Helga Palis, KurtDr. Pick, Eckhart Poß, Joachimvon Renesse, Margot Rennebach, Renate Rixe, GünterSchily, OttoSchloten, Dieter Schmidbauer , HorstDr. Schmude, Jürgen Dr. Schnell, Emil Schreiner, Ottmar Schröter, GiselaSchulte , BrigitteDr. Schuster, R. Werner Schwanitz, Rolf Seuster, LisaSimm, ErikaSinger, JohannesDr. Sonntag-Wolgast, Cornelie Sorge, WielandDr. Sperling, Dietrich Dr. Struck, Peter Tappe, JoachimToetemeyer, Hans-Günther Urbaniak, Hans-EberhardDr. Vogel, Hans-JochenVoigt , Karsten D. Walter (Cochem), RalfDr. Wegner, Konstanze Weiermann, Wolfgang Weis , Reinhard Weißgerber, GunterWeisskirchen , GertWester, Hildegard Westrich, LydiaDr. Wieczorek, Norbert Wieczorek , Helmut Wimmer (Neuötting),HermannDr. de With, Hans Zapf, UtaBÜNDNIS 90/DIE GRÜNENDr. Feige, Klaus-Dieter Poppe, GerdDr. Ullmann, Wolfgang Weiß , KonradFraktionslosDr. Briefs, UlrichDr. Krause , Rudolf KarlNeinCDU/CSUDr. Ackermann, Else Adam, UlrichDr. Altherr, Walter Franz Augustin, Anneliese Bargfrede, Heinz-GünterDr. Bauer, WolfBaumeister, Brigitte Belle, MeinradDr. Bergmann-Pohl, Sabine Bierling, Hans-DirkDr. Blank, Joseph-Theodor Blank, RenateDr. Blens, Heribert Bleser, PeterDr. Blüm, Norbert Dr. Böhmer, Maria Dr. Bötsch, Wolfgang Bohl, FriedrichBohlsen, Wilfried Brähmig, KlausBreuer, PaulBrunnhuber, Georg Büttner , HartmutBuwitt, DankwardCarstens , Manfred Carstensen (Nordstrand),Peter HarryClemens, Joachim Dempwolf, Gertrud Deres, KarlDeß, AlbertDiemers, RenateDörflinger, Werner Dr. Dregger, Alfred Echternach, Jürgen Ehlers, Wolfgang Eichhorn, MariaEngelmann, WolfgangErler , Wolfgang Eymer, AnkeFalk, IlseDr. Faltlhauser, Kurt Fockenberg, Winfried Frankenhauser, Herbert Dr. Friedrich, Gerhard Fritz, Erich G.Fuchtel, Hans-Joachim Ganz , JohannesDr. Geiger , Sissy Geis, NorbertGerster , JohannesGibtner, HorstGlos, MichaelDr. Göhner, Reinhard Göttsching, Martin Götz, PeterGres, Joachim Grochtmann, Elisabeth Gröbl, WolfgangDr. Grünewald, Joachim Frhr. von Hammerstein,Carl-DetlevHarries, KlausHaschke , Udo Hauser (Rednitzhembach), HansgeorgHedrich, Klaus-Jürgen Heise, ManfredDr. Hellwig, RenateDr. h. c. Herkenrath, Adolf Hiebing, Maria Anna Hinsken, ErnstHintze, PeterHörsken, Heinz-Adolf Hörster, JoachimDr. Hoffacker, PaulDr. Hornhues, Karl-Heinz Hornung, Siegfried Hüppe, HubertJäger, ClausJaffke, SusanneDr. Jahn ,Friedrich-Adolf Janovsky, Georg Jeltsch, KarinDr.-Ing. Jork, Rainer Junghanns, Ulrich Dr. Kahl, Harald Kalb, Bartholomäus Kampeter, SteffenDr.-Ing. Kansy, Dietmar Karwatzki, Irmgard Kiechle, IgnazKittelmann, Peter Klein , Günter Klein (München), Hans Köhler (Hainspitz),Hans-UlrichDr. Köhler , VolkmarKors, Eva-Maria Koschyk, HartmutKrause , Wolfgang Krey, Franz Heinrich Kriedner, ArnulfKronberg, Heinz-Jürgen Dr.-Ing. Krüger, Paul Krziskewitz, Reiner Lamers, KarlDr. Lammert, Norbert Lamp, HelmutDr. Laufs, PaulLaumann, Karl-Josef Lehne, Klaus-Heiner Dr. Lehr, UrsulaLenzer, Christian Dr. Lieberoth, Immo Limbach, Editha Lintner, EduardDr. Lischewski, Manfred Löwisch, SigrunLohmann , WolfgangLouven, JuliusLummer, Heinrich Dr. Luther, Michael Männle, UrsulaMagin, Theo Marschewski, ErwinDr. Mayer ,MartinMeckelburg, Wolfgang Meinl, RudolfDr. Merkel, Angela Michalk, MariaMichels, Meinolf Dr. Mildner, Klaus Dr. Möller, Franz Molnar, ThomasMüller , Elmar Müller (Wesseling), Alfons Niedenthal, Erhard Nitsch, JohannesDr. Olderog, Rolf Oswald, Eduard Otto , Norbert Dr. Päselt, Gerhard Dr. Paziorek, PeterPesch, Hans-Wilhelm Petzold, UlrichPfeifer, AntonPfeiffer, AngelikaDr. Pflüger, Friedbert Dr. Pinger, Winfried Dr. Pohler, Hermann Priebus, Rosemarie Dr. Probst, AlbertDr. Protzner, Bernd Pützhofen, Dieter Raidel, HansDr. Ramsauer, Peter Rau, RolfRawe, WilhelmReddemann, Gerhard Reinhardt, Erika Repnik, Hans-Peter Dr. Rieder, Norbert Riegert, KlausDr. Riesenhuber, Heinz Ringkamp, Werner Rode , Helmut Rossmanith, Kurt J.Dr. Ruck, Christian Dr. Rüttgers, JürgenSauer , Helmut Schätzle, OrtrunDr. Schäuble, Wolfgang Schell, Manfred Schemken, Heinz Scheu, Gerhard Schmidbauer, Bernd Dr. Schmidt, ChristaSchmidt , Christian Dr.-Ing. Schmidt (Halsbrücke),JoachimSchmidt , Andreas Schmidt (Spiesen), Trudi Schmitz (Baesweiler),Hans Petervon Schmude, MichaelDr. Schockenhoff, Andreas Graf von Schönburg-Glauchau, Joachim Frhr. von Schorlemer,ReinhardSchulhoff, Wolfgang
Schulz , Gerhard Schwalbe, ClemensDr. Schwörer, Hermann Seesing, Heinrich Seibel, WilfriedSeiters, RudolfSikora, JürgenSkowron, Werner H. Sothmann, Bärbel Dr. Sprung, Rudolf Steinbach-Hermann, ErikaDr. Stercken, Hans Dr. Frhr. von Stetten, WolfgangDr. Stoltenberg, Gerhard Strube, Hans-Gerd Stübgen, Michael
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Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 229. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. Mai 1994 19933
Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg Dr. Süssmuth, RitaSusset, EgonSzwed, DorotheaTillmann, FerdiUldall, GunnarVerhülsdonk, Roswitha Vogt , Wolfgang Dr. Voigt (Northeim),Hans-PeterDr. Waffenschmidt, Horst Graf von Waldburg-Zeil, Alois Dr. Warrikoff, Alexander Werner , Herbert Wetzel, KerstenDr. Wilms, Dorothee Wilz, BerndDr. Wittmann, FritzWittmann , SimonWonneberger, Michael Würzbach, Peter Kurt Yzer, CorneliaZeitlmann, Wolfgang Zöller, WolfgangF.D.P.Albowitz, InaBaum, Gerhart RudolfDr. Blunk , Michaela Bredehorn, GüntherEimer , Norbert Engelhard, Hans A.Friedhoff, Paul K.Funke, RainerDr. Funke-Schmitt-Rink, MargretGallus, GeorgGenscher, Hans-Dietrich Grüner, MartinGünther , Joachim Dr. Guttmacher, Karlheinz Hansen, DirkHeinrich, UlrichDr. Hitschler, WalterDr. Hoth, SigridDr. Hoyer, WernerIrmer, UlrichKoppelin, JürgenDr.-Ing. Laermann, Karl-Hans Dr. Graf Lambsdorff, Otto Leutheusser-Schnarrenberger,SabineLüder, WolfgangDr. Menzel, BrunoNolting, Günther Friedrich Dr. Ortleb, RainerPaintner, JohannParr, DetlefPeters, LisaDr. Pohl, EvaRichter , ManfredRind, HermannDr. Röhl, KlausSchäfer , Helmut Schmalz-Jacobsen, Cornelia Schmidt (Dresden), Arno Dr. Schmieder, JürgenDr. Schnittler, Christoph Schüßler, GerhardDr. Schwaetzer, Irmgard Sehn, MaritaDr. Semper, SigridDr. Solms, Hermann Otto Dr. Thomae, DieterTimm, JürgenTürk, JürgenWalz, IngridDr. Weng , WolfgangEnthaltenCDU/CSUDr. Jüttner, Egon Marten, GünterF.D.P.Cronenberg , Dieter-JuliusDr. Hirsch, BurkhardPDS/Linke ListeBläss, PetraDr. Enkelmann, Dagmar Dr. Fischer, UrsulaDr. Heuer, Uwe-Jens Dr. Höll, BarbaraJelpke, UllaDr. Keller, DietmarDr. Seifert, IljaFraktionslos Schenk, ChristinaIch bitte nunmehr diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschußfassung zuzustimmen wünschen, um das Handzeichen. — Wer stimmt dagegen? — Enthaltungen? — Bei einigen Enthaltungen aus der F.D.P.-Fraktion und weiteren Enthaltungen aus der CDU/CSU-Fraktion ist das Gesetz in zweiter Lesung mit den Stimmen der CDU/CSU und der F.D.P. angenommen.Meine Damen und Herren, für die dritte Lesung wird namentliche Abstimmung gewünscht, die ich hiermit eröffne.Ich frage die Fraktionen, ob alle Stimmen abgegeben sind. — Das ist der Fall. Dann schließe ich die Abstimmung. Ich bitte, die Schriftführer mit der Auszählung zu beginnen.Meine Damen und Herren, weil wir für die weiteren Abstimmungen das Ergebnis der namentlichenAbstimmung nicht brauchen, kann ich es später bekanntgeben und mit der Abstimmung fortfahren.*)Wir kommen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion der SPD, der Ihnen auf der Drucksache 12/7640 vorliegt. Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag? — Wer stimmt dagegen? — Enthaltungen? — Damit ist der Entschließungsantrag abgelehnt.Wir stimmen jetzt ab über die Beschlußempfehlung des Finanzausschusses zu dem Antrag der Fraktion der SPD zur Beseitigung der Investitionshemmnisse im eigentumsrechtlichen Bereich der neuen Bundesländer und Sicherung des Rechtsfriedens. Sie liegt Ihnen auf der Drucksache 12/7588 Nr. 2 vor. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 12/6066 abzulehnen. Wer dieser Empfehlung zu folgen gedenkt, den bitte ich um das Handzeichen. — Wer stimmt dagegen? — Enthaltungen? — Damit ist die Beschlußempfehlung angenommen.Meine Damen und Herren, ich kann das Ergebnis noch nicht bekanntgeben. Mit Zustimmung des Hauses könnte ich nun den nächsten Punkt aufrufen. — Es erhebt sich kein Widerspruch dagegen, dann tue ich das.Ich rufe den Zusatzpunkt 6 auf:Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neuregelung der Vorschriften über den Bundesgrenzschutz
— Drucksache 12/7562 —Überweisungsvorschlag:Innenausschuß Auswärtiger AusschußRechtsausschußAusschuß für VerkehrHaushaltsausschußEs war eine Debattenzeit von einer halben Stunde vorgesehen. Die Geschäftsführer haben mir mitgeteilt, daß alle Fraktionen und Gruppen ihre Reden zu Protokoll gegeben haben.**) Ist das Haus mit diesem Verfahren einverstanden? —
— Da es, Herr Abgeordneter Gilges, an der ersten Voraussetzung fehlt, nämlich den Rednern, kann Ihrem Wunsch nicht entsprochen werden.Damit, meine Damen und Herren, wird Ihre Zustimmung zu dem interfraktionellen Vorschlag erbeten, den Gesetzentwurf auf Drucksache 12/7562 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse und zusätzlich an den Haushaltsausschuß zu überweisen. Ist das Haus damit einverstanden? — Das ist offensichtlich der Fall. Dann ist es beschlossen.*) Seite 19934B **) Anlage 8
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19934 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 229. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. Mai 1994
Vizepräsident Dieter-Julius CronenbergIch rufe den Zusatzpunkt 13 auf:Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Durchführung der Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften über den Jahresabschluß und den konsolidierten Abschluß von Versicherungsunternehmen
— Drucksache 12/5587 —
Beschlußempfehlung des Rechtsausschusses
— Drucksache 12/7586 —Berichterstattung:Abgeordnete Andreas Schmidt Ludwig StieglerHierzu ist eine Aussprache nicht vorgesehen. Wir kommen gleich zur Abstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschußfassung zuzustimmen wünschen, um das Handzeichen. — Dagegen? — Enthaltungen? — Bei Enthaltung des Abgeordneten Weiß ist er in der zweiten Beratung einstimmig angenommen.Wir kommen zurdritten Beratungund Schlußabstimmung. Diejenigen, die dem Gesetz als Ganzem zuzustimmen wünschen, bitte ich, sich vom Platz zu erheben. — Wer stimmt dagegen? — Enthaltungen? — Bei dem gleichen Mehrheitsverhältnis ist der Gesetzentwurf angenommen worden.Meine Damen und Herren, wir sind damit im Grunde genommen am Schluß der Tagesordnung. Ich muß nur noch das Ergebnis bekanntgeben, habe also volles Verständnis dafür, wenn ich das sozusagen im kleinsten Kreis nachvollziehe. Ich möchte Ihnen ein angenehmes Wochenende wünschen, wenn Sie sich nunmehr aus dem Saal begeben.
— Verehrter Graf Lambsdorff, ich will Sie nicht rausschmeißen. Es geht nur darum, Ihnen die Möglichkeit zu eröffnen, mit Anstand und Würde den Saal zu verlassen.Meine Damen und Herren, ich kann Ihnen nunmehr das Ergebnis der namentlichen Schlußabstimmung bekanntgeben. Der Gesetzentwurf lag Ihnen auf den Drucksachen 12/4887, 12/5108, 12/5190, Nr. 1, 2 und auf 12/7588 vor.Abgegebene Stimmen: 402. Mit Ja haben gestimmt: 248. Mit Nein haben gestimmt: 143. Es gab 11 Enthaltungen. Der Gesetzentwurf ist angenommen.Endgültiges ErgebnisAbgegebene Stimmen: 397; davon:ja: 245nein: 141enthalten: 11JaCDU/CSUDr. Altherr, Walter Franz Augustin, Anneliese Bargfrede, Heinz-Günter Dr. Bauer, WolfBaumeister, Brigitte Belle, MeinradDr. Bergmann-Pohl, Sabine Bierling, Hans-DirkDr. Blank, Joseph-Theodor Blank, RenateDr. Blens, Heribert Bleser, PeterDr. Blüm, Norbert Dr. Böhmer, Maria Dr. Bötsch, Wolfgang Bohl, FriedrichBohlsen, Wilfried Brähmig, KlausBreuer, PaulBrunnhuber, Georg Büttner , HartmutBuwitt, DankwardCarstens , Manfred Carstensen (Nordstrand),Peter HarryDempwolf, Gertrud Deres, KarlDeß, AlbertDiemers, Renate Dörflinger, Werner Dr. Dregger, Alfred Echternach, Jürgen Eichhorn, MariaEngelmann, WolfgangErler , Wolfgang Eymer, AnkeFalk, IlseDr. Faltlhauser, Kurt Fockenberg, Winfried Frankenhauser, Herbert Dr. Friedrich, Gerhard Fritz, Erich G.Fuchtel, Hans-JoachimGanz , Johannes Dr. Geiger (Darmstadt), Sissy Geis, NorbertGerster , Johannes Gibtner, HorstGlos, MichaelGöttsching, Martin Götz, PeterGres, JoachimGrochtmann, Elisabeth Gröbl, WolfgangDr. Grünewald, Joachim Harries, KlausHaschke , Udo Hauser (Rednitzhembach), HansgeorgHeise, ManfredDr. Hellwig, RenateDr. h. c. Herkenrath, Adolf Hiebing, Maria Anna Hinsken, ErnstHintze, PeterHörsken, Heinz-Adolf Hörster, JoachimDr. Hoffacker, PaulDr. Hornhues, Karl-Heinz Hornung, Siegfried Hüppe, HubertDr. Jahn ,Friedrich-Adolf Janovsky, Georg Jeltsch, KarinDr.-Ing. Jork, Rainer Junghanns, Ulrich Dr. Kahl, Harald Kalb, Bartholomäus Kampeter, SteffenDr.-Ing. Kansy, Dietmar Karwatzki, Irmgard Kiechle, IgnazKittelmann, PeterKlein , GünterKlein , Hans Köhler (Hainspitz), Hans-UlrichKors, Eva-Maria Koschyk, HartmutKrause , Wolfgang Krey, Franz Heinrich Kriedner, ArnulfKronberg, Heinz-Jürgen Dr.-Ing. Krüger, Paul Krziskewitz, Reiner Lamers, KarlDr. Lammert, Norbert Lamp, HelmutDr. Laufs, PaulLaumann, Karl-Josef Lehne, Klaus-Heiner Dr. Lehr, UrsulaLenzer, Christian Limbach, Editha Lintner, EduardDr. Lischewski, Manfred Löwisch, SigrunLohmann , WolfgangLouven, JuliusLummer, Heinrich Dr. Luther, Michael Männle, UrsulaMagin, TheoMarschewski, ErwinDr. Mayer , MartinMeckelburg, Wolfgang Meinl, RudolfDr. Merkel, Angela Michalk, MariaDr. Mildner, Klaus Molnar, ThomasMüller , Elmar Müller (Wesseling), Alfons Niedenthal, Erhard Nitsch, JohannesDr. Olderog, Rolf Oswald, EduardOtto , Norbert Dr. Päselt, Gerhard Dr. Paziorek, Peter Pesch, Hans-Wilhelm Petzold, UlrichPfeifer, AntonPfeiffer, AngelikaDr. Pflüger, Friedbert Dr. Pinger, Winfried Dr. Pohler, Hermann Priebus, RosemarieDr. Probst, Albert Dr. Protzner, Bernd Pützhofen, Dieter Raidel, HansDr. Ramsauer, Peter Rau, RolfReddemann, Gerhard Reinhardt, Erika Repnik, Hans-Peter Dr. Rieder, Norbert Riegert, KlausDr. Riesenhuber, Heinz Ringkamp, Werner Rossmanith, Kurt J.Dr. Ruck, Christian Dr. Rüttgers, Jürgen Schätzle, OrtrunDr. Schäuble, Wolfgang Schell, ManfredSchemken, Heinz Scheu, GerhardSchmidbauer, Bernd Dr. Schmidt, ChristaSchmidt , Christian Dr.-Ing. Schmidt (Halsbrücke),Joachim
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 229. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. Mai 1994 19935
Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg Schmidt , Andreas Schmidt (Spiesen), Trudi Schmitz (Baesweiler),Hans PeterDr. Schockenhoff, Andreas Graf von Schönburg-Glauchau, Joachim Schulhoff, WolfgangDr. Schulte , DieterSchulz , Gerhard Schwalbe, ClemensDr. Schwörer, Hermann Seesing, HeinrichSeibel, WilfriedSeiters, RudolfSikora, JürgenSkowron, Werner H. Sothmann, Bärbel Steinbach-Hermann, Erika Dr. Stercken, HansDr. Frhr. von Stetten, WolfgangDr. Stoltenberg, Gerhard Strube, Hans-GerdStübgen, MichaelDr. Süssmuth, RitaSusset, EgonSzwed, DorotheaTillmann, FerdiUldall, GunnarVerhülsdonk, Roswitha Vogt , Wolfgang Dr. Voigt (Northeim),Hans-PeterDr. Waffenschmidt, Horst Graf von Waldburg-Zeil, Alois Dr. Warrikoff, Alexander Werner , Herbert Wetzel, KerstenDr. Wilms, DorotheeWilz, BerndDr. Wittmann, FritzWittmann , SimonWonneberger, Michael Würzbach, Peter Kurt Yzer, CorneliaZeitlmann, Wolfgang Zöller, WolfgangSPDHuonker, Gunter F.D.P.Albowitz, InaBaum, Gerhart RudolfEimer , Norbert Engelhard, Hans A.Friedhoff, Paul K.Dr. Funke-Schmitt-Rink, MargretGenscher, Hans-Dietrich Grüner, MartinGünther , Joachim Dr. Guttmacher, Karlheinz Hansen, DirkDr. Hitschler, WalterDr. Hoth, SigridDr. Hoyer, WernerIrmer, UlrichKoppelin, JürgenDr.-Ing. Laermann, Karl-Hans Dr. Graf Lambsdorff, Otto Nolting, Günther Friedrich Paintner, JohannParr, DetlefPeters, LisaDr. Pohl, EvaRichter , ManfredRind, HermannDr. Röhl, KlausSchäfer , Helmut Schmalz-Jacobsen, Cornelia Schmidt (Dresden), Arno Dr. Schmieder, Jürgen Schüßler, GerhardDr. Schwaetzer, Irmgard Sehn, MaritaDr. Semper, SigridDr. Solms, Hermann Otto Dr. Thomae, DieterTimm, JürgenTürk, JürgenWalz, IngridDr. Weng , WolfgangNeinCDU/CSUAdam, UlrichClemens, JoachimEhlers, WolfgangFrhr. von Hammerstein, Carl-DetlevHedrich, Klaus-Jürgen Jäger, ClausJaffke, SusanneDr. Köhler , VolkmarKolbe, ManfredMarten, GünterMichels, MeinolfRawe, WilhelmSauer , Helmut von Schmude, Michael Frhr. von Schorlemer,ReinhardDr. Sprung, RudolfSPDBarbe, AngelikaBecker , Helmuth Becker-Inglau, Ingrid Bernrath, Hans Gottfried Beucher, Friedhelm Julius Bock, TheaDr. Böhme , Ulrich Börnsen (Ritterhude), Arne Brandt-Elsweier, AnniDr. Brecht, Eberhard Büttner , Hans Bulmahn, EdelgardBury, Hans Martin Caspers-Merk, MarionDr. Diederich , Nils Diller, KarlDr. Ehmke , Horst Eich, LudwigDr. Elmer, KonradEsters, HelmutFischer , EvelinFischer , Lothar Fuhrmann, ArneGilges, KonradGleicke, IrisGroßmann, Achim Habermann, Michael Hacker, Hans-Joachim Hampel, Manfred Hanewinckel, Christel Dr. Hartenstein, LieselHasenfratz, Klaus Hilsberg, Stephan Horn, ErwinIbrügger, Lothar Jäger, RenateJung , Volker Kastner, Susanne Kastning, ErnstKlappert, Marianne Klemmer, Siegrun Klose, Hans-UlrichDr. Knaape, Hans-Hinrich Koltzsch, RolfKuessner, Hinrich Dr. Küster, Uwe Kuhlwein, Eckart Lange, Brigittevon Larcher, DetlevLennartz, Klaus Lohmann , KlausDr. Lucyga, ChristineMaaß , Dieter Matschie, Christoph Matthäus-Maier, Ingrid Meckel, Markus Meißner, HerbertDr. Mertens ,Franz-JosefDr. Meyer , Jürgen Müller (Düsseldorf), Michael Dr. Niese, RolfOesinghaus, GünterOpel, Manfred Ostertag, Adolf Dr. Otto, Helga Palis, KurtDr. Pick, Eckhart Poß, Joachimvon Renesse, Margot Rennebach, Renate Rixe, GünterSchily, OttoSchloten, Dieter Schmidbauer , HorstDr. Schmude, JürgenDr. Schnell, Emil Schreiner, Ottmar Schröter, Gisela Schulte , BrigitteDr. Schuster, R. Werner Schwanitz, Rolf Seuster, LisaSimm, ErikaSinger, JohannesDr. Sonntag-Wolgast, Cornelie Sorge, WielandDr. Sperling, DietrichDr. Struck, Peter Tappe, JoachimToetemeyer, Hans-Günther Urbaniak, Hans-EberhardDr. Vogel, Hans-JochenVoigt , Karsten D. Wallow, HansWalter , RalfDr. Wegner, Konstanze Weiermann, WolfgangWeis , ReinhardWeißgerber, Gunter Weisskirchen , Gert Wester, HildegardWestrich, LydiaDr. Wieczorek, Norbert Wimmer ,HermannDr. de With, Hans Zapf, UtaF.D.P.Bredehorn, Günther Gallus, GeorgHeinrich, UlrichDr. Ortleb, RainerPDS/Linke ListeBläss, PetraDr. Enkelmann, Dagmar Dr. Fuchs, RuthDr. Heuer, Uwe-Jens Dr. Höll, BarbaraJelpke, UllaDr. Keller, DietmarDr. Seifert, IljaBÜNDNIS 90/DIE GRÜNENDr. Feige, Klaus-Dieter Poppe, GerdDr. Ullmann, Wolfgang Weiß , KonradFraktionslosDr. Briefs, UlrichDr. Krause , Rudolf KarlSchenk, ChristinaEnthaltenCDU/CSUDr. Ackermann, Else Dr. Göhner, Reinhard Dr. Jüttner, EgonDr. Lieberoth, Immo Rode , HelmutF.D.P.Dr. Blunk , Michaela Cronenberg (Arnsberg), Dieter-JuliusDr. Hirsch, Burkhard Leutheusser-Schnarrenberger, SabineDr. Menzel, BrunoDr. Schnittler, Christoph
Meine Damen und Herren, damit sind wir endgültig am Schluß der Tagesordnung.Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Donnerstag, 26. Mai 1994, 9 Uhr ein.Ich wünsche Ihnen ein geruhsames Wochenende. Die Sitzung ist geschlossen.