Gesamtes Protokol
Grüß Gott, meine Damen und Herren! Ich eröffne die Sitzung.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf: Fragestunde
— Drucksache 12/7295 —
Wir kommen als erstes zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung. Die Fragen 1 und 2 werden schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Damit sind wir schon am Ende dieses Geschäftsbereichs angekommen.
Ich rufe nunmehr den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Familie und Senioren auf. Zur Beantwortung steht hier Frau Parlamentarische Staatssekretärin Roswitha Verhülsdonk zur Verfügung. Herzlichen Dank.
Wir kommen zur Frage 3 des Kollegen Claus Jäger:
Welche Maßnahmen zur Umsetzung des Leitsatzes 10 des Urteils des Bundesverfassungsgerichts zum Schutz des Lebens ungeborener Kinder vom 28. Mai 1993 beabsichtigt die Bundesregierung im Jahr 1994 noch durchzuführen, und wie steht die Bundesregierung in diesem Zusammenhang zum Vorschlag eines jährlich vom Bund zu verleihenden Lebensschutz-Preises für eine Person oder Einrichtung, die sich um den Schutz des Lebens ungeborener Kinder besondere Verdienste erworben hat?
Frau Präsidentin! Herr Kollege Jäger! Die Bundesregierung hat im Zusammenhang mit der staatlichen Verpflichtung — ich zitiere jetzt den Leitsatz 10, auf den Sie abheben — „den rechtlichen Schutzanspruch des ungeborenen Lebens im allgemeinen Bewußtsein zu erhalten und zu beleben", in der Vergangenheit auf entsprechende Anfragen immer wieder deutlich gemacht, daß sie keine Möglichkeit sieht, den Schutz ungeborener Kinder durch eindimensionale Maßnahmen zu bewirken. Angesichts der Differenziertheit von Problemlagen und Entscheidungssituationen, die zum Schwangerschaftsabbruch führen, ist es vielmehr notwendig, zu Bedingungen beizutragen, die es der schwangeren Frau erleichtern, sich für ihr Kind zu entscheiden, und die verhindern, daß ungewollte Kinder gezeugt werden.So gehört denn zu diesem Auftrag natürlich die Aufklärung über den Wert und die Würde vorgeburtlichen menschlichen Lebens und die Stärkung der Verantwortung im Zusammenhang mit der Sexualität.Die Bundesregierung ist nach wie vor bestrebt, die Familienförderung weiter auszubauen.Von großer Bedeutung für die allgemeine Einstellung zum ungeborenen menschlichen Leben ist insbesondere die sachliche Information über die Entwicklung des Kindes im Mutterleib. Ich habe Ihnen, Herr Kollege Jäger, schon in früheren Fragestunden gesagt — aber das wissen Sie sicher sowieso —, daß es die Broschüre „Das Leben vor der Geburt" gibt, die wir weiterhin bei allen Anfragen kostenlos zur Verfügung stellen. Wir haben sie für Gruppen auch in Form einer Videokassette hergestellt. Ich kann Ihnen berichten — das finde ich sehr erfreulich —, daß diese Videokassette derzeit verstärkt von Gruppen und Schulen in den neuen Bundesländern angefordert wird.In Erfüllung der Aufgaben des Schwangeren- und Familienhilfegesetzes, und zwar des Art. 1, zur Aufklärung hat die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung z. B. für Jugendliche die Broschüre „Liebe — über den Umgang mit Liebe, Sexualität und Schwangerschaft" entsprechend dem Schutzauftrag überarbeitet und neu aufgelegt. Hinzu gekommen sind eine Elternbroschüre „Über Sexualität reden" sowie eine Broschüre für Erwachsene „Empfängnisverhütung — Methoden und Möglichkeiten". Diese werden in Kürze zur Verfügung stehen. Die genannten Broschüren sind als Bausteine einer Reihe „Sexuelle Aufklärung" konzipiert.Darüber hinaus sollen unter besonderer Berücksichtigung der verschiedenen Alters- und Personengruppen bessere Aufklärungshilfen für Eltern, Pädagogen und Betroffene entwickelt werden und in besonderen Projekten Modelle gefördert werden, die ein besseres Verhütungsverhalten junger Menschen bewirken können und damit dem Schutz des ungeborenen Lebens dienen.Ich möchte aber auch noch auf den Vorschlag, den Sie in Ihrer Frage gemacht haben, eingehen und Ihnen dazu wie folgt antworten: Die Bundesregierung hält es für problematisch, einen Preis für besondere Verdienste um den Lebensschutz zu verleihen.
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19096 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 221. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. April 1994
Parl. Staatssekretärin Roswitha VerhülsdonkAngesichts der auf diesem Felde, jedenfalls im Grundsatz, zum Teil stark divergierenden Auffassungen in unserer Gesellschaft bestünde nach unserer Meinung die Gefahr, daß eine Preisverleihung nicht als ein Beitrag zur Konsensbildung aufgenommen werden würde, sondern sich daran — je nachdem, welcher Preis verliehen wird und wem er verliehen wird — neue Kontroversen entzünden würden. Wir haben die Erfahrung gemacht, daß das Bewußtsein von Wert und Würde menschlichen Lebens durch nichts stärker tangiert und gestört wird als durch einen unentwegten Streit darüber in der Öffentlichkeit, der letztendlich dazu führt, daß die Urteilsfähigkeit eher beeinträchtigt als gefördert wird.
Ich darf noch einmal an unsere Regel der kurzen Fragen — diese war etwas länger — und der kurzen Antworten erinnern.
Eine Zusatzfrage des Kollegen Jäger.
Frau Staatssekretärin, glaubt die Bundesregierung trotz aller sicher sehr verdienstvollen Broschüren und Informationsmittel zur Verhütung und zur Aufklärung im Schwangerschaftskonflikt darauf verzichten zu können, daß sich ihre führenden Repräsentanten in der Öffentlichkeit deutlich dazu äußern, in welcher Weise nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts Wert und Würde des menschlichen Lebens auch schon vor der Geburt in unserer Bevölkerung zu beleben und wachzuhalten sind? Leider mangelte es bisher an entsprechenden Äußerungen führender Repräsentanten.
Herr Kollege Jäger, wenn sich die Bundesregierung zu diesem Thema geäußert hat, dann hat sie immer getan, was Sie fordern. Ich kenne keinen Repräsentanten der Bundesregierung, der nicht in Äußerungen — wo auch immer, in diesem Hause oder sonstwo in der Öffentlichkeit — auf diesen Gesichtspunkt und auch auf die verfassungsrechtliche Lage hingewiesen hat.
Die Frage ist, ob es in einer Situation, in der das Parlament die Gesetzgebung an sich gezogen hat, die Stunde der Bundesregierung ist, dieses Thema nun unentwegt in der Öffentlichkeit zu behandeln. Ich hoffe nur eines, nämlich, daß das Parlament in der Lage sein wird, die Gesetzgebung noch in dieser Legislaturperiode abzuschließen und damit dann endlich einen Schlußstrich unter die öffentliche Kontroverse zu ziehen.
Eine zweite Zusatzfrage des Kollegen Jäger.
Frau Staatssekretärin, wäre es, da ja nicht bloß über eine neue Gesetzgebung verhandelt wird, sondern seit dem 16. Juni des vergangenen Jahres eine vom Bundesverfassungsgericht beschlossene und verfügte Übergangsregelung gilt, nicht dringend an der Zeit, daß die Bundesregierung auch schon für diesen Zeitraum —von dem wir ja noch nicht wissen, wie lange er dauern wird — klarstellen würde, daß die Grundsätze des Urteils über die Würde des Lebens und seinen Vorrang vor dem Selbstbestimmungsrecht der Frau stärker als bisher in der Bevölkerung bekanntgemacht werden müssen?
Herr Kollege Jäger, das hat die Bundesregierung getan. Ich erinnere mich an eine Fragestunde — die noch nicht so lange zurückliegt —, in der Sie auch nach diesem Thema gefragt haben. Da ging es im Zusammenhang mit der Beratung um die Frage, ob die Zielsetzung der Beratung, wie sie für die Übergangsregelung vom Bundesverfassungsgericht vorgeschrieben worden ist, auch überall beachtet wird.
Ich habe Ihnen darauf geantwortet, daß sich die Bundesregierung frühzeitig und unmittelbar nachdem das Urteil ergangen ist, an die Länder als die zuständigen Stellen gewandt hat und sie darauf hingewiesen hat, daß sie den zugelassenen Beratungsstellen in ihrem Zuständigkeitsbereich diesen Hinweis erneut mitzuteilen haben und daß gefordert werden muß, daß sich alle Beratungsstellen an dieser Zielsetzung orientieren. Die Länder haben geantwortet, daß sie dies getan haben. Sie haben zum Teil auch darauf hingewiesen, daß die Finanzierung der Beratungsstellen in Frage gestellt wird, wenn es nicht geschähe.
Weitere Zusatzfragen liegen nicht vor. Damit sind wir am Ende dieses Geschäftsbereichs angekommen. Herzlichen Dank, Frau Staatssekretärin.
Im Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen werden die Fragen 4 des Kollegen Ortwin Lowack und 5 des Kollegen Dr. Olaf Feldmann schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Wir kommen damit zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft. Zur Beantwortung steht Herr Parlamentarischer Staatssekretär Kolb zur Verfügung. Herzlichen Dank.
Die Frage 6 der Kollegin Uta Würfel, die Fragen 7 und 8 des Kollegen Ludwig Stiegler und die Fragen 9 und 10 des Kollegen Wolfgang Schulhoff sowie die Frage 11 des Kollegen Dr. Klaus Kübler werden schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Wir kommen damit zur Frage 12 des Kollegen Norbert Gansel:
Wird die Bundesregierung den anstehenden Export von 300 000 Sprengkörpern für Artilleriegranaten der Firma Eurometall in die Türkei genehmigen, nachdem sie die Exportgenehmigung für die Artilleriegranaten selbst widerrufen, den Export der ganzen Munitionsfabrik dagegen genehmigt hat?
Herr Kollege Gansel, ich beantworte Ihre Frage wie folgt: Der Bundesregierung liegt ein Antrag der Firma Eurometall auf Lieferung von Geschossen oder Teilen davon in die Türkei nicht vor.
Eine Zusatzfrage des Kollegen Gansel.
Hat sich die Bundesregierung auf Grund meiner Anfrage, die ja auf Meldungen
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Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 221. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. April 1994 19097
Norbert Ganselim Bremer Rundfunk zurückzuführen ist, bei der Firma Eurometall erkundigt, ob ein solcher Export in die Türkei geplant ist, und hat die Bundesregierung darauf hingewiesen, daß er genehmigungspflichtig ist?Dr. Heinrich L. Kolb, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Gansel, es entspricht nicht dem Gebaren der Bundesregierung, sich vorsorglich bei möglichen Antragstellern über etwa beabsichtigte Antragstellungen zu erkundigen. Wir haben auch keine Rundfunk- oder Presseberichte zum Anlaß genommen, in diesem Falle abweichend von dieser Praxis so zu verfahren. Ich kann Ihnen nur, wie berichtet, mitteilen, daß derzeit kein Antrag vorliegt.
Eine zweite Zusatzfrage des Kollegen Gansel.
Ist die Bundesregierung mit mir der Auffassung, daß der Export von diesen „bomblets", die für Artilleriegranaten mit einer großen Streuwirkung vorgesehen sind, genehmigungspflichtig ist, und ist die Bundesregierung nicht bereit, zu überprüfen, ob sie, wenn ein Abgeordneter eine Anfrage stellt und einen Hinweis auf ein Geschäft gibt, verpflichtet ist, sich zu erkundigen, anstatt abzuwarten, ob ein Export möglicherweise ohne Genehmigung erfolgt?
Dr. Heinrich L. Kolb, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Gansel, Sie sprechen jetzt ein Problem an, daß ein potentieller Exporteur versuchen könnte, illegal zu exportieren. Ich kann nur alle potentiellen Exporteure in Deutschland auch an dieser Stelle nur dringend davor warnen, so etwas zu tun. Sie wissen selbst, daß nach der Verschärfung des Außenwirtschaftsrechts drastische Strafen für diejenigen vorgesehen sind, die so etwas versuchen sollten.
Was die Genehmigungspflicht anbelangt, die von Ihnen angesprochen wurde, so ist dies vor dem Hintergrund des Einzelfalles zu entscheiden. Die Ausfuhr genehmigungspflichtiger Waren wird generell nach den Bestimmungen des KWKG, des AWG zu entscheiden sein. Die Bundesregierung übt ein politisches Ermessen im Zusammenhang mit den Grundsätzen der Bundesregierung von 1982 aus. Ich kann hier nicht auf Vorrat, pauschal oder auf hypothetische Fragestellungen antworten.
Weitere Zusatzfragen liegen nicht vor. Damit sind wir auch am Ende dieses Geschäftsbereichs angekommen. Herzlichen Dank, Herr Staatssekretär.
Im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit werden die Fragen 13 und 14 des Kollegen Karl Diller schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt. Die Fragen 15 und 16 der Kollegin Dr. Elke Leonhard-Schmid werden ebenfalls schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Wir kommen damit zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit. Zur Beantwortung steht hier Herr Parlamentarischer Staatssekretär Ulrich Klinkert zur Verfügung.
Die Fragen 24 und 25 des Kollegen Dr. Martin Mayer werden schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Damit rufe ich die Frage 26 der Frau Kollegin Siegrun Klemmer auf:
Inwieweit unterstützt die Bundesregierung die Forderung der USA, die beiden noch in Betrieb befindlichen Reaktoren des Atomkraftwerks Tschernobyl abzuschalten, und zu welchem Zeitpunkt ist nach Einschätzung der Bundesregierung an die Umsetzung dieser Forderung zu denken?
Frau Kollegin Klemmer, die Bundesregierung wird weiterhin gemeinsam mit den westlichen Partnern nicht nur auf die Regierung der Ukraine, sondern auch auf die Regierungen Rußlands und Litauens einwirken, daß alle RBMK-Reaktoren zum frühestmöglichen Zeitpunkt abgeschaltet werden.
Die Bundesregierung hält weiterhin ein solidarisches internationales Vorgehen, wie es von der G 7 beim Weltwirtschaftsgipfel 1992 in München beschlossen wurde und von der G 24 in Angriff genommen wurde, für notwendig und zweckmäßig. Ich erinnere Sie an die 200. Sitzung des Deutschen Bundestages am 10. Dezember 1993, in der ein entsprechender Entschließungsentwurf des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit angenommen wurde.
Die Bundesregierung wird sich, wie bisher, auch weiterhin zusammen mit den westlichen Partnern für die energiepolitische Zusammenarbeit mit den Staaten Mittel- und Osteuropas einsetzen, um einseitige Abhängigkeiten von der Kernenergie abzubauen. Unbeschadet der Forderung nach Abschalten der Reaktorblöcke in Tschernobyl ist und bleibt dies letztendlich eine souveräne Entscheidung des ukrainischen Parlaments und der ukrainischen Regierung. Eine Einschätzung des Zeitpunkts der Abschaltung der beiden RBMK-Reaktoren in Tschernobyl ist der Bundesregierung daher derzeit nicht möglich.
Eine Zusatzfrage, Frau Kollegin Klemmer.
Herr Staatssekretär, können Sie für Ihr Ministerium bzw. für die Bundesregierung bestätigen, daß es nach einem sogenannten Geheimerlaß des ukrainischen Präsidenten Krawtschuk vom Februar 1994 bis zum Jahre 2000 in der Ukraine fünf weitere Atomkraftwerke geben soll, und können Sie bestätigen, daß die Wiederinbetriebnahme des abgeschalteten Reaktorblocks 2 und der Weiterbetrieb der jetzt betriebenen Blöcke 1 und 3 dazugehören sollen?
Ulrich Klinkert, Parl. Staatssekretär: Beide Annahmen sind Spekulationen, aber von mir aus auch nicht hundertprozentig auszuschließen.
Eine zweite Zusatzfrage der Frau Kollegin Klemmer.
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19098 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 221. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. April 1994
Können Sie sich durch Ihr Ministerium oder durch die Bundesregierung dafür verwenden, bei der ukrainischen Regierung prüfen zu lassen, ob diese Spekulationen zutreffen, und können Sie sie dann zusätzlich zu meiner Frage schriftlich beantworten?
Ulrich Klinkert, Parl. Staatssekretär: Ja.
Zusatzfragen liegen nicht vor.
Damit kommen wir zur Frage 27 des Kollegen Peter Reuschenbach:
Welche Gründe sind dafür maßgebend, daß die Bundesregierung weder aufgrund des ersten Expertenberichtes noch des nachfolgenden THW-Berichtes (3. März 1994) über aus Deutschland nach Albanien verbrachte rd. 800 t unbrauchbarer bzw. umweltgefährdender Pflanzenschutzmittel konkrete Handlungsmaßnahmen ergriffen hat?
Ulrich Klinkert, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, die Bundesregierung hat bereits in ihrer Antwort auf der Bundestagsdrucksache 12/7101 vom 15. März 1994 auf die Kleine Anfrage des Abgeordneten Dr. Klaus-Dieter Feige und der Gruppe BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN dargelegt, daß es sich nach Würdigung aller Informationen bei den Lieferungen der Pflanzenschutzmittel aus ehemaliger DDR-Produktion nach Albanien durch die Firma Schmidt-Cretan um eine legale Ausfuhr von generell exportfähigen Pflanzenschutzmitteln gehandelt hat. Für legal exportierte Wirtschaftsgüter, die im Importland z. B. durch Überlagerung zu Abfall werden, besteht seitens der Bundesrepublik Deutschland keine Rücknahmepflicht.
Albanien fordert von der Bundesrepublik, 460 t aus Deutschland stammende Pflanzenschutzmittel zurückzuführen. Insgesamt lagern nach Schätzungen in Albanien ca. 3 700 t Pflanzenschutzmittel. Letztendlich gaben humanitäre Gründe den Ausschlag dafür, daß das BMU entschieden hat, die überlagerten Pflanzenschutzmittel zurückzuholen. Die Rückholaktion wird zur Zeit vorbereitet.
Eine Zusatzfrage, Herr Kollege Reuschenbach.
Herr Staatssekretär, haben Sie und hat die Bundesregierung in diesen rund 16 Monaten, seit dem Ende 1993 die albanische Regierung und dann auch deutsche Persönlichkeiten auf die Existenz dieser bedrohlichen Mittel hingewiesen haben, durch Zuwarten nicht einen beträchtlichen Ansehensverlust Deutschlands in Albanien in Kauf genommen?
Ulrich Klinkert, Parl. Staatssekretär: Ich erwähnte bereits, daß der Bundesregierung und der Bundesrepublik keine Verantwortung dafür anzulasten ist, daß aus einem legalen Exportgut im Bestimmungsland Abfall geworden ist. Sie haben zu Recht darauf hingewiesen, daß die Bundesregierung im engen Kontakt mit der albanischen Regierung gestanden hat. Ich erwähne noch einmal, daß vor allen Dingen humanitäre Gründe jetzt den Ausschlag dafür gegeben haben, diese Rückholaktion durchzuführen. Insofern dürfte dies zum Nutzen und zum Ansehen der Bundesrepublik geraten.
Weitere Zusatzfragen liegen nicht vor.
Dann kommen wir zur Frage 28 des Kollegen Reuschenbach.
Wann und in welchem Umfang wird die Bundesregierung diese Pflanzenschutzmittel aus Albanien zurückholen?
Ulrich Klinkert, Parl. Staatssekretär: Wie bereits in der Antwort auf Frage 27 erwähnt, bereitet die Bundesregierung die Rückholaktion zur Zeit vor. Sobald die Vorbereitungen abgeschlossen sind — dazu gehört auch die Abstimmung mit der albanischen Regierung —, wird die Rückholaktion durchgeführt werden. Ein konkreter Zeitpunkt wird rechtzeitig bekanntgegeben werden.
Die Bundesregierung beabsichtigt, sämtliche Pflanzenschutzmittel, die von der Firma Schmidt-Cretan nach Albanien exportiert wurden und sich noch dort befinden, zurückzuholen. Hierbei handelt es sich um ca. 460 t, wovon sich 217 t in einem Zug befinden und die restlichen Mengen sich auf fünf weitere Standorte verteilen.
Eine Zusatzfrage.
Angesichts der Tatsache, daß die Delegation des Technischen Hilfswerkes im Dezember des vorigen Jahres ausdrücklich zu dem Zweck nach Albanien gefahren bzw. geschickt worden ist, um die Rückholaktion nicht nur vage für irgendwann, sondern ganz konkret für den Zeitpunkt nach Rückkehr dieser Delegation zu organisieren, frage ich Sie, warum seit der Rückkehr dieser Delegation Ende Dezember — vielleicht auch am 2. Januar — mittlerweile schon wieder vier Monate vergangen sind, ohne daß Sie jetzt in der Lage sind, ein einigermaßen konkretes Datum für das tatsächliche Zurückholen dieses Drecks zu nennen.
Ulrich Klinkert, Parl. Staatssekretär: Wie ich bereits ausgeführt habe, ist aus dem Exportgut Abfall geworden. Die grenzüberschreitende Verbringung von Abfall erfordert eine ganze Reihe von besonderen Genehmigungs- und Zulassungsverfahren. Schon deshalb hat sich diese Aktion verzögert und konnte nicht unmittelbar nach dem Aufenthalt des Technischen Hilfswerks in Albanien vorgenommen werden.
Im übrigen hat das THW darauf hingewiesen, daß von den derzeit lagernden Pflanzenschutzmitteln keine akute Gefahr ausgeht.
Ohne daß ich mit Ihnen nun über diese These des Technischen Hilfswerks streiten will — sie steht in einem eklatanten Widerspruch zu den Aussagen der nach meiner Überzeugung sachkundigeren Leute, die im August und September des vorigen Jahres diesen ganzen Dreck auf seine Gefahr hin untersucht haben —, muß ich Sie doch fragen: Liegt, da die albanische Regierung vermutlich keinerlei administrative Probleme für den
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Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 221. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. April 1994 19099
Peter W. ReuschenbachRücktransport bereitet, das von Ihnen zitierte Problem der verschiedenen Genehmigungen und sonstiger behördlicher Vorbereitungen auf deutscher Seite?Ulrich Klinkert, Parl. Staatssekretär: Wie Sie wissen, ist Albanien kein Nachbarland Deutschlands. Schon deswegen sind besondere internationale Befindlichkeiten zu berücksichtigen.
Eine weitere Zusatzfrage der Kollegin Klemmer.
Herr Staatssekretär, damit nicht wieder nach Zurückbringung dieses nun sehr strittigen Gutes soviel Zeit verstreicht: Können Sie heute schon sagen, wie Sie mit diesen Pflanzenschutzmitteln, wenn sie in der Bundesrepublik eingetroffen sind, beabsichtigen zu verfahren?
Ulrich Klinkert, Parl. Staatssekretär: Diese Pflanzenschutzmittel werden als Abfall nach Deutschland zurückgeführt. Dieser Abfall wird entsprechend den in Deutschland geltenden Abfallbestimmungen behandelt.
Weitere Zusatzfragen liegen mir nicht vor.
Die Fragen 29 und 30 der Kollegin Ulrike Mehl werden ebenso wie die Frage 31 des Kollegen Reinhold Hiller schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Damit sind wir am Ende dieses Geschäftsbereichs angekommen.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau. Hier steht Frau Bundesministerin Dr. Irmgard Schwaetzer zur Beantwortung zur Verfügung.
Wir kommen zur Frage 32 des Kollegen Hans Schuster:
Kann die Bundesregierung darüber berichten, wieweit und wie die Länder den Appell des Deutschen Bundestages bei der Verabschiedung des Investitionserleichterungs- und Wohnbaulandgesetzes bereits umgesetzt haben, die Gemeinden bei der Ausweisung von Wohnbauflächen auch über ihre Landes- und Regionalplanung zu unterstützen?
Herr Kollege, Ihre Frage beantworte ich wie folgt: Nach dem neu eingeführten Grundsatz der Raumordnung in § i Nr. 13 des Raumordnungsgesetzes soll einem dringenden Wohnbedarf der Bevölkerung besonders Rechnung getragen werden und eine Verzahnung von Gewerbeflächen- und Wohnbauflächenausweisungen angestrebt werden. Dieser Grundsatz gilt unmittelbar für die Landesplanung in den Ländern. Nach Kenntnis der Bundesregierung haben beispielsweise die Länder Bayern, Mecklenburg-Vorpommern und Hessen bereits zusätzliche Wohnbaulandflächen in den Raumordnungsplänen vorgesehen.
Für mehr Flexibilität im Verhältnis von Regionalplanung und Bauleitplanung sorgt die neue Regelung des § 5 Abs. 5 des Raumordnungsgesetzes, nach der die Länder Rechtsgrundlagen für ein Verfahren zur Abweichung von Zielen der Raumordnung und Landesplanung schaffen, die z. B. der Ausweisung von Wohnbauland entgegenstehen.
Baden-Württemberg, Sachsen, Schleswig-Holstein und Thüringen haben landesgesetzlich ein Verfahren zur Abweichung von den Zielen der Raumordnung und Landesplanung geregelt. Solange dieses Verfahren noch nicht besteht, können auch unmittelbar Abweichungen durch die Landesplanungsbehörden zugelassen werden, wenn die Gemeinden entsprechende Planungsabsichten vorlegen. Uns sind keine Fälle bekannt, in denen von dieser Bestimmung unmittelbar Gebrauch gemacht worden ist.
Eine Zusatzfrage des Kollegen Schuster? — Nein. Dann Herr Kollege Conradi, bitte.
Frau Ministerin, liegt der Mangel an Wohnbauland nicht vielmehr daran, daß ausreichend Wohnbauflächen zur Verfügung stehen, deren Eigentümer sie aber zurückhalten, weil der zu erwartende jährliche Wertanstieg bei den geringen Besteuerungen lukrativer ist, als das Grundstück zu bebauen, und stimmen Sie mit mir darin überein, daß die Bundesregierung nichts getan hat, um die Eigentümer baureifer Grundstücke zu einer früheren Bebauung zu veranlassen?
Dr. Irmgard Schwaetzer, Bundesministerin: Herr Kollege, ich stimme mit Ihnen nicht überein, und zwar in beiden Teilen Ihrer Frage. Das wird Sie nicht weiter verwundern.
Ich will das noch etwas ausführen. Selbstverständlich ist auch die Bundesregierung der Meinung, daß der Zubau von Baulücken zum Zweck einer sparsamen Nutzung von Bauland besonders wichtig ist. Es ist aber völlig unbestritten, daß auf Grund der hohen Zuzüge in die Bundesrepublik Deutschland in den Jahren 1988 bis 1993 so gewonnenes Bauland nicht ausreicht, um den gewachsenen Bedarf zu decken. Es ist deshalb unverzichtbar und im übrigen auch zumindest auf der Ebene der Gemeinden unbestritten, daß zusätzliche Baulandausweisungen erfolgen müssen, urn die gestiegene Nachfrage auch tatsächlich befriedigen zu können.
Die Überwindung des noch bestehenden Wohnungsmangels kann nur erreicht werden, wenn der Knappheitsfaktor Bauland abgebaut wird. Dafür ist das Investitionserleichterungs- und Wohnbaulandgesetz gemacht worden. Jetzt geht es um die Anwendung. Leider müssen wir feststellen, daß es nicht von allen Ländern gleichmäßig und in allen Teilen angewendet wird.
Die Frau Kollegin Peters hat ebenfalls noch eine Zusatzfrage.
Frau Ministerin, trifft vielleicht meine Annahme zu, daß deshalb nicht genügend Flächen zur Verfügung gestellt werden, weil sie in der Regel im Eigentum von Landwirten sind? Durch unsere Steuergesetzgebung, die wir heute haben, verhält es sich so, daß Landwirte wieder voll in ihren
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19100 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 221. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. April 1994
Lisa PetersBetrieb investieren müssen. Das können sie aber nicht aus Gründen, die ich Ihnen nicht erzählen muß und die mit der Situation der Landwirtschaft zusammenhängen. Insofern besteht keine ganz große Bereitschaft, Bauland zur Verfügung zu stellen, weil man dann im Ernstfall 54 % Steuern zahlen müßte. Können Sie mir da recht geben, oder ist das nicht so?Dr. Irmgard Schwaetzer, Bundesministerin: Frau Kollegin, ich stimme mit Ihnen überein, daß die steuerrechtlichen Regelungen für den landwirtschaftlichen Bereich nicht dazu angetan sind, die zusätzliche Bereitstellung von Wohnbauland aus diesen Reserven zu beschleunigen.Es ist generell festzustellen — auch darauf hat der Kollege Conradi ja eben abgehoben —, daß steuerrechtliche Regelungen in dieses Gesetz, das sich mit Beschleunigungs- und Planungsverfahren im Baugesetzbuch beschäftigt, nicht aufgenommen worden sind. Mit dem vorhandenen Instrumentarium ist allerdings eine deutliche Verbesserung der Möglichkeiten auch im Bereich der Landwirtschaft gegeben — obwohl ich allerdings auch einräume, daß zusätzliche Regelungen gerade im steuerlichen Bereich denkbar sind.
Weitere Zusatzfragen zu dieser Frage liegen nicht vor. — Doch. Es wäre gut, wenn ich das etwas schneller erkennen könnte. Der Kollege Hitschler hat noch eine Zusatzfrage.
Ich stehe im Schatten von Frau Peters, Frau Präsidentin.
Frau Ministerin, liegen Ihnen Zahlen vor, wonach man den Wertzuwachs von Wohnbauland über die Jahre hinweg feststellen könnte? Es lag ja in der Frage des Kollegen Conradi die Vermutung, daß man durch den Kauf von Wohnbauland und dann die Nichtbebauung, d. h. durch Abwarten Spekulationsgewinne erzielen könnte. Nach meiner Kenntnis sind die Wertzuwächse bei einer Kapitalanlage in Wohnbauland nicht so hoch, daß sie vergleichbare Renditen bringen würden, wie das bei einer entsprechenden Anlage in hochverzinslichen Wertpapieren der Fall ist. Das mag vielleicht für einige gewerblich genutzte Grundstücke zutreffen, aber bei reinen Wohngrundstücken, noch dazu solchen, mit denen der Wohnbedarf breiter Schichten der Bevölkerung gedeckt werden soll, ist dies doch wohl kaum der Fall.
Dr. Irmgard Schwaetzer, Bundesministerin: Herr Kollege, Hinweise auf die Entwicklung des Wertes von Wohnbauland in geschlossenen Bebauungsgebieten gibt der Baulandbericht der Bundesregierung, der vor einigen Wochen dem Deutschen Bundestag zugestellt worden ist. Die genauen Zahlen aus diesem Bericht sind mir im Moment nicht präsent. Ich kann sie Ihnen aber gerne noch einmal zusammenstellen lassen und zuschicken.
Ich möchte aber zu dieser Problematik generell noch eine Bemerkung machen. Die beste Mobilisierung von vorhandenem Bauland ist durch Aktivitäten
der Verwaltungen der Gemeinden zu erzielen, z. B. durch ein Baulückenkataster und die damit im Zusammenhang stehenden Möglichkeiten von Interessenten, direkt zu prüfen, welche baureifen Flächen noch zur Verfügung stehen.
Hiervon wird bei einer ganzen Reihe von Gemeinden bereits Gebrauch gemacht, aber längst nicht bei allen. Ich würde es begrüßen, wenn noch mehr Gemeinden solche Baulückenkataster auflegen würden.
Nein, das dürfen Sie nicht, weil es nur eine Frage war. Ihre Zusatzfrage müßten Sie dann bei der nächsten oder bei Ihren eigenen Fragen anfügen.
Wir kommen zur Frage 33 des Kollegen Hans Schuster:
Liegen der Bundesregierung Erkenntnisse vor, ob der Wegfall der Anzeigepflicht der Gemeinden gegenüber den höheren Verwaltungsbehörden bei bestimmten Bebauungsplänen zur Deckung dringenden Wohnbedarfs bereits zur Beschleunigung bei der Aufstellung von Bebauungsplänen geführt hat?
Dr. Irmgard Schwaetzer, Bundesministerin: Herr Kollege, die Gemeinden sind seit dem 1. Mai 1993 gemäß § 2 Abs. 6 Baugesetzbuch-Maßnahmengesetz in bestimmten Fällen, nämlich im Fall, das dringender Wohnbedarf besteht und daß ein Bebauungsplan aus dem Flächennutzungsplan entwickelt wird, von der Verpflichtung befreit, Bebauungspläne der höheren Verwaltungsbehörde anzuzeigen.
Die Gemeinden begrüßen nach Erkenntnissen der Bundesregierung diese Vereinfachung und erwarten eine erhebliche Beschleunigung des Aufstellungsverfahrens für die genannten Bebauungspläne. Darüber hinaus wird die mit Wegfall der Anzeigepflicht verbundene Stärkung der kommunalen Planungshoheit begrüßt.
Teilweise besteht allerdings, so beispielsweise in Baden-Württemberg, in Bayern, im Saarland und in Thüringen auf Grund von Regelungen in den Gemeindeordnungen die Verpflichtung, alle kommunalen Satzungen, zu denen gerade auch ein Bebauungsplan zählt, der höheren Verwaltungsbehörde vorzulegen. In diesen Ländern könnte daher, soweit die entsprechenden Regelungen der Gemeindeordnungen auf die Bebauungspläne angewendet werden sollten, der vom Bundesgesetzgeber beabsichtigte Beschleunigungseffekt nicht eintreten. Eine Überarbeitung der Gemeindeordnungen in diesen Ländern wäre also dringend erforderlich.
Zusatzfrage des Kollegen Schuster.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Frau Ministerin, liegen der Bundesregierung Erkenntnisse vor, nach denen die Baugenehmigungsbehörden beim Vollzug des Gesetzes durch die Länder generell gehalten werden, bei Baugenehmigungsverfahren die Stellungnahme der höheren Verwaltungsbehörde einzuholen?
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Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 221. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. April 1994 19101
Dr. Irmgard Schwaetzer, Bundesministerin: Herr Kollege, solche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung in der Tat vor. Sie dienen leider nicht dem Ziel des Investitionserleichterungs- und Wohnbaulandgesetzes, die Baulandausweisung zu beschleunigen.Der Bundesgesetzgeber hat durch dieses Gesetz die bis dahin nach § 36 Baugesetzbuch bestehende Verpflichtung der zuständigen Behörden aufgehoben, in bestimmten Fällen die Zustimmung der höheren Verwaltungsbehörde einzuholen.In Fällen des § 35, d. h. Bauen im Außenbereich, ist den Landesregierungen allerdings die Möglichkeit verblieben, durch Rechtsverordnung allgemein oder für bestimmte Fälle festzulegen, daß die Zustimmung der höheren Verwaltungsbehörde weiterhin erforderlich ist. Von dieser Möglichkeit hat beispielsweise das Land Nordrhein-Westfalen Gebrauch gemacht. Das Land nutzt damit nicht in vollem Umfang die durch das Wohnbaulandgesetz eröffneten Möglichkeiten der Beschleunigung.Trotz dieser Freistellung durch den Bundesgesetzgeber und ohne Vorliegen einer entsprechenden Rechtsverordnung durch den Landesgesetzgeber sind der Bundesregierung darüber hinaus Fälle z. B. aus Thüringen und Sachsen bekannt, in denen sich die höhere Verwaltungsbehörde auf Grund einer internen Dienstanweisung wie bisher die Unterlagen für den Bauantrag von der Baugenehmigungsbehörde zur Prüfung vorlegen läßt.Die Bundesregierung bedauert, daß auf diese Weise die gesetzliche gewollte Beschleunigung nicht erreicht wird.
Jetzt noch eine Zusatzfrage der Frau Kollegin Peters.
Ich muß jetzt zusehen, daß ich den Kollegen Hitschler nicht ganz verdecke, und das ist ein bißchen schwierig.
Frau Ministerin, ich weiß nicht, ob ich zum Schluß etwas nicht richtig mitbekommen habe. Können Sie Ausführungen dazu machen, wie das Land Nordrhein-Westfalen diese Dinge angegangen ist?
Dr. Irmgard Schwaetzer, Bundesministerin: Das Land Nordrhein-Westfalen, Frau Kollegin Peters, hat von den Möglichkeiten des Investitionserleichterungs- und Wohnbaulandgesetzes zur Beschleunigung leider nicht in dem Ausmaß Gebrauch gemacht, wie wir uns das gewünscht hätten. Vor allen Dingen ist in den Fällen des Bauens im Außenbereich in Nordrhein-Westfalen weiterhin die Baugenehmigung der höheren Verwaltungsbehörde vorzulegen, was dazu führt, daß nicht nur längere Zeiten bis zu einer eventuellen Genehmigung verstreichen, sondern daß auch zum Teil sehr widersprüchliche Bescheide erlassen werden, die erst nach umfänglichen zusätzlichen Prüfungen geklärt werden können.
Eine Zusatzfrage des Kollegen Peter Conradi.
Frau Ministerin, dürfen wir aus der Tatsache, daß Sie die Antwort auf die Zusatzfrage des Abgeordneten Schuster hier flüssig vom Blatt abgelesen haben, schließen, daß nicht nur die Fragen, sondern auch die Zusatzfragen in Ihrem Hause geschrieben wurden?
Dr. Irmgard Schwaetzer, Bundesministerin: Lieber Herr Kollege Conradi, Sie wissen, daß im Hause des Bauministeriums viel geschrieben wird. Sie kennen aber die Kolleginnen und Kollegen aus diesem Hause gut und wissen, daß sie mit allen Facetten nicht nur der Formulierung, sondern auch der Anwendung des Baugesetzbuchs so vertraut sind, daß sie in der Lage sind, dies selbst zu formulieren.
Weitere Zusatzfragen liegen zu dieser Frage nicht vor.Wir kommen zur Frage 34 der Kollegin Lisa Peters:Wie schätzt die Bundesregierung die Beschleunigungseffekte ein, die durch die Einbeziehung der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung in das Bauleitplanverfahren aufgrund des Investitionserleichterungs- und Wohnbaulandgesetzes erzielt werden können?Dr. Irmgard Schwaetzer, Bundesministerin: Frau Kollegin, die Bundesregierung schätzt die möglichen Beschleunigungseffekte, die durch die Einbeziehung der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung in das Bauleitplanverfahren erzielt werden können, als erheblich ein. Sie werden leider von einigen Bundesländern unterlaufen bzw. nicht in vollem Umfang ausgeschöpft. Ich spreche hier über den § 8a Bundesnaturschutzgesetz.Die Verlagerung der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung von der Genehmigungsebene auf die vorgelagerten Ebenen der Flächennutzungs- und Bebauungsplanverfahren entlastet das eigentliche Baugenehmigungsverfahren in Gebieten mit gültigen Bebauungsplänen deutlich.So entfällt nach neuem Recht die bislang von einem Teil der Länder auf Grund der rahmenrechtlichen Regelungen von § 8 Bundesnaturschutzgesetz praktizierte zeitintensive Prüfung im Baugenehmigungsverfahren, ob durch ein Vorhaben ein Eingriff in Natur und Landschaft bewirkt wird und ob und in welchem Umfang dieser auszugleichen ist oder ob Ersatzgeldzahlungen geleistet werden müssen.Die Beschleunigung des Investitionserleichterungs- und Wohnbaulandgesetzes greift dabei in der jetzigen Formulierung — § 8 a Bundesnaturschutzgesetz — tendenziell auch, wenn ergänzend zur bundesgesetzlich abschließenden Regelung Länder von der Ermächtigung zur Erhebung von Geldleistungen als Ausgleichszahlungen Gebrauch machen.Allerdings ist nicht zu verkennen, daß die Einbeziehung der Eingriffsregelung in das Bauleitplanverfahren in der Praxis noch mit gewissen Anlaufschwierigkeiten verbunden ist. Diese Schwierigkeiten werden dabei vor allem aus Ländern berichtet, in denen Ländererlasse zur Anwendung des Gesetzes noch nicht vorliegen und wo daher die Verwaltungen hinsichtlich Auslegung und Anwendung einzelner
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19102 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 221. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. April 1994
Bundesministerin Dr. Irmgard SchwaetzerVorschriften nicht über die benötigten Hilfestellungen zur Umsetzung verfügen. Erlasse oder Arbeitshilfen liegen vor von Bayern, Berlin, Hamburg, Hessen, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt.
Kollegin Peters.
Frau Ministerin, welcher Art sind denn diese Anlaufschwierigkeiten? Ist Ihnen auch bekannt, daß das in einzelnen Bundesländern, in denen es Bezirksregierungen gibt, von Bezirksregierung zu Bezirksregierung wieder ganz unterschiedlich gehandhabt wird?
Dr. Irmgard Schwaetzer, Bundesministerin: Frau Kollegin, diese Schwierigkeiten sind der Bundesregierung ebenfalls bekannt. Ich vermute, daß Sie aus Ihrer Erfahrung als niedersächsische Bundestagsabgeordnete sprechen. Das Land Niedersachsen hat einen entsprechenden Einführungserlaß noch nicht herausgegeben.
Das bedeutet, daß die Bezirksregierungen in der Tat gar keine andere Möglichkeit haben, als sich auf ihren eigenen Sachverstand und ihr eigenes Einschätzungsvermögen zu verlassen. Dies erleichtert die Anwendung des Gesetzes nicht. Es erhöht auch nicht die Rechtssicherheit.
Es gibt darüber hinaus — vor allen Dingen in den Ländern Hessen und Niedersachsen — die Schwierigkeit, daß sogenannte zweigeteilte Bebauungspläne zur Einführung anstehen. Das bedeutet nichts anderes, als daß der Bebauungsplan für das eigentliche Vorhaben durch einen nicht unbedingt im räumlichen Zusammenhang damit stehenden Teilbebauungsplan ergänzt werden soll. Dieser Teilbebauungsplan bezieht sich dann ausschließlich auf die Ausgleichsmaßnahmen. Dies birgt für die Gemeinden — wir kommen im Zusammenhang mit einer anderen Frage darauf noch zurück — die große Gefahr, daß sie die Vorleistungen im Zusammenhang mit den Erschließungskosten unter Umständen nicht in vollem Umfang durch die Realisierung des eigentlich zur Genehmigung anstehenden Vorhabens wieder hereinholen können. Darin liegen für die Gemeinden deutliche Risiken.
Das Bauministerium hat in den Gremien der Arbeitsgemeinschaft der Bauminister von Bund und Ländern darauf hingewiesen, daß wir dieses Vorgehen für nicht mit dem Baugesetzbuch in Übereinstimmung stehend halten und daß die Einführung solcher zweigeteilter Bebauungspläne unsere Zustimmung nicht findet.
Eine weitere Zusatzfrage des Kollegen Hitschler.
Frau Ministerin, bei der Beratung des angesprochenen Gesetzes haben die kommunalen Spitzenverbände zu erkennen gegeben, daß sie ihrerseits einen gemeinsamen Mustererlaß entwerfen wollten, in dem die Kriterien für die Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen festgelegt würden, damit man, wenn sich die Länder in etwa daran halten, nicht zu einem sehr zersplitterten Recht zwischen den verschiedenen Bundesländern kommt, sondern eben
gemeinsame Grundzüge hat. Ist Ihnen bekannt, ob an diesem Mustererlaß noch gearbeitet wird, oder gibt es ihn schon? Wie sieht die Lage in den Ländern, die Sie genannt haben, die bereits Erlasse vorgelegt haben, hinsichtlich der Zersplitterung des Rechts zwischen einzelnen Ländern gegenwärtig aus?
Dr. Irmgard Schwaetzer, Bundesministerin: Herr Kollege, es gibt einen Mustereinführungserlaß für das Investitionserleichterungs- und Wohnbaulandgesetz insgesamt, der die Anwendung der naturschutzrechtlichen Regelungen im Zusammenhang nicht nur mit der Aufstellung von Flächennutzungsplänen und Bebauungsplänen, sondern auch mit den Baugenehmigungsverfahren im Rahmen von Bebauungsplangebieten und §-34-/§-35-Gebieten beinhaltet.
Ich habe bereits darauf hingewiesen, daß bisher nicht alle Länder diese Mustereinführungserlasse herausgegeben haben. Das hat dazu geführt, daß in der Tat Rechtsunsicherheit eingetreten ist. Das führt ebenfalls dazu, daß eine unterschiedliche Handhabung die Regel geworden ist. Dies führt wiederum dazu, daß sowohl auf der Ebene der Gemeinden wie auf der Ebene der Investoren, die sich vor allen Dingen im Mietwohnungsbau, aber auch im Eigenheimbau engagieren wollen, große Verunsicherungen festzustellen sind. Hier wird es noch eine deutliche Nachbearbeitung im Rahmen der ARGEBAU geben müssen.
Weitere Zusatzfragen zu dieser Frage liegen nicht vor.Damit kommen wir zu Frage 35 der Kollegin Lisa Peters:Welche Länder haben von der im Investitionserleichterungs- und Wohnbaulandgesetz eingeräumten Möglichkeit Gebrauch gemacht, abweichende gesetzliche Regelungen zur Ausgleichsabgabenerhebung zu erlassen?Dr. Irmgard Schwaetzer, Bundesministerin: Frau Kollegin, von der Möglichkeit des § 8 b Abs. 2 Nr. 1 des Bundesnaturschutzgesetzes, bei Vorhaben innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile nach § 34 des Baugesetzbuchs Ausgleichsabgaben zu erheben, haben die Länder Hessen, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen Gebrauch gemacht. Von der Möglichkeit des § 8 b Abs. 2 Nr. 2 des Bundesnaturschutzgesetzes, bei Vorhaben im Bereich „alter" Bebauungspläne Ausgleichsabgaben zu erheben, haben die Länder Hessen und Nordrhein-Westfalen teilweise Gebrauch gemacht. Dabei hat Nordrhein-Westfalen bedauerlicherweise erstmals überhaupt die Zahlung einer verpflichtenden Ausgleichsabgabe für die genannten Bereiche eingeführt, was nach dem Bundesgesetz nicht erforderlich war. Dies verteuert vor allen Dingen den Wohnungsbau, aber auch die Ausweisung von zusätzlichen Baugebieten, und zwar sowohl von Gewerbeflächen als auch von Wohnungsbauflächen, weil in Nordrhein-Westfalen jetzt erstmals auch für alle Erschließungsanlagen in solchen Gebieten Ausgleichsabgaben zu zahlen sind.
Das verteuert das Bauland und wirkt damit den Zielen des Baulandgesetzes selbstverständlich entgegen.
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Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 221. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. April 1994 19103
Zusatzfrage der Frau Kollegin Peters.
Frau Ministerin, welche Länder beabsichtigen in absehbarer Zeit, davon noch Gebrauch zu machen, und wäre — im ersten Fall ist Niedersachsen ja dabei — auch im zweiten Fall Niedersachsen dabei? Ist Ihnen das bekannt?
Dr. Irmgard Schwaetzer, Bundesministerin: Ich denke, die Wählerinnen und Wähler von Niedersachsen werden, gerade was Bauland anbetrifft, sehr deutlich zu spüren bekommen, was sie von der jetzigen Landesregierung zu erwarten haben.
Frau Kollegin, derartige Ausgleichsabgaben beabsichtigen nach gegenwärtigem Kenntnisstand Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg und Sachsen-Anhalt. Fast die gleichen Lander beabsichtigen, nicht nur für Gebiete nach § 34 des Baugesetzbuches, sondern auch für „alte" Bebauungspläne solche Ausgleichsabgaben einzuführen. Das ist in meinen Augen höchst bedauerlich. Denn hier kommt zum Ausdruck, daß der alte Streit zwischen Wohnungsbau und Naturschutz auf dem Rücken von Wohnungsuchenden ausgetragen wird und daß eine ganze Reihe von Landesregierungen — das Wohnbaulandgesetz ist im vergangenen Jahr ja auch im Bundesrat mit einer überwältigenden Mehrheit verabschiedet worden — ein wenig mit verteilten Rollen spielen. Auf der einen Seite mahnen sie an, daß im Wohnungsbau noch mehr getan werden sollte, auf der anderen Seite unterlaufen sie die Beschleunigungseffekte des Baulandgesetzes, nur um dem Streit mit der einen oder anderen Interessengruppe aus dem Wege zu gehen. Eine solche Politik halte ich nicht für glaubwürdig.
Ich darf daran erinnern, daß wir in einer Fragestunde sind. Ich bitte um kurze Fragen und kurze Antworten. Ansonsten haben wir andere Instrumente.
Frau Kollegin Peters, eine weitere Zusatzfrage.
Ist das jetzt erledigt? Dann würde ich gern die Zusatzfrage stellen.
— Ich habe das Wort. Nun ist mir bei dem ganzen Geplänkel aber die Frage entfallen.
Entschuldigung, Frau Präsidentin, nun weiß ich sie wieder.
Frau Ministerin, am 1. Mai ist das Gesetz ein Jahr in Kraft. Im Rahmen der ARGEBAU wird darüber diskutiert. Werden diese einzelnen Dinge dort entsprechend durchgesprochen? Wir kamen bei der Gesetzgebung zu keiner Einigkeit. Es sollte den Ländern überlassen bleiben. So ist es im Gesetz ausgeführt. Aber wir stellen doch zunehmend fest, daß das nicht ganz befriedigend läuft.
Dr. Irmgard Schwaetzer, Bundesministerin: Frau Kollegin, selbstverständlich wird in der ARGEBAU auch über die Umsetzung dieses Gesetzes weiter diskutiert. Die Unruhe bei den Kollegen von der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion macht schon deutlich, daß sie Ihre Fragen nach dem Vollzug dessen, was wir mit breiter Mehrheit im vergangenen Jahr verabschiedet haben, offensichtlich als durchaus relevant empfinden. Auf die Umsetzung kommt es in der Tat an. Der Bundesgesetzgeber hat mit dem Baugesetzbuch die Möglichkeit, rahmengesetzliche Regelungen, aber auch direkte Regelungen zu schaffen. Die Durchführung obliegt den Ländern und den Gemeinden. Selbstverständlich müssen die Länder bei der Durchführung einen Ermessensspielraum haben. Aber genauso wichtig ist es, etwa ein Jahr nach Inkrafttreten dieses Gesetzes eine Bilanz in bezug auf die Durchführung der einzelnen Regelungen und der Umsetzung der Intentionen zu ziehen, die der Gesetzgeber dabei gehabt hat.
Eine Zusatzfrage des Kollegen Janzen.
Frau Ministerin, kann ich aus der Tatsache, daß in dieser Fragestunde aus Ihrem Verantwortungsbereich eine gehäufte Zahl von Fragen aus Ihrer Fraktion kommt, davon ausgehen, daß Sie an den Fraktionssitzungen Ihrer Fraktion nicht teilnehmen, wo diese Fragen schon längst hätten geklärt werden können?
Dr. Irmgard Schwaetzer, Bundesministerin: Herr Janzen, Fraktionssitzungen der F.D.P. finden nicht öffentlich statt,
Fragestunden des Deutschen Bundestages hingegen öffentlich. Diese detaillierte Beantwortung von Fragen, die den Kollegen während ihrer Wahlkreisarbeit permanent gestellt werden,
scheint mir wirklich sehr notwendig, um darüber hinaus auch Aufklärung über die Anwendung dessen zu leisten, was der Bundesgesetzgeber beschlossen hat.
Es soll hier dem Fragebedürfnis der Kollegen und Kolleginnen in kei-
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19104 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 221. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. April 1994
Vizepräsidentin Renate Schmidtner Weise entgegengewirkt werden. Ich möchte nur noch einmal darauf aufmerksam machen — gerade deshalb, Frau Ministerin, weil Sie gerade die „detaillierte" Antwort erwähnt haben —, daß wir dafür die Instrumentarien der Kleinen Anfragen und der Großen Anfragen haben.Ich bitte jetzt noch einmal darum, daß wir uns — das steht in unserer Geschäftsordnung — um Kürze sowohl bei den Fragestellungen der Zusatzfragen als auch bei den Antworten bemühen.
— Das mahne ich regelmäßig an, wenn wir hier zu einzelnen Fragen sehr lange Aufsätze vortragen, die sich besser für die schriftliche Beantwortung im Rahmen von Kleinen Anfragen oder Großen Anfragen eignen. Das mahne ich regelmäßig an, egal von welcher Fraktion. Ich kann auch nachweisen, daß ich das tue.Nun der Kollege Großmann.
Frau Ministerin, sind Sie mit mir der Meinung, daß es sinnvoll ist, über dieses Gesetz zu sprechen, daß es aber wenig sinnvoll ist, hier Länderentscheidungen zu kommentieren und auch zu werten, ohne daß die Länder die Möglichkeit haben, ihre sicherlich guten Gründe für die jeweiligen Entscheidungen hier vorzutragen, so daß das hier eine völlig einseitige Veranstaltung wird, die uns parlamentarisch keinen Nutzen bringt?
Dr. Irmgard Schwaetzer, Bundesministerin: Herr Kollege Großmann, ich beantworte Fragen, die mir Abgeordnete des Deutschen Bundestages gestellt haben. — Frau Präsidentin, ich bin im übrigen gerne bereit, einmal eine vergleichende Untersuchung über die Länge von Antworten zu machen —,
Frau Ministerin, ich habe nicht behauptet, daß Sie die einzige sind.
Dr. Irmgard Schwaetzer, Bundesministerin: — und dies auch im Hinblick auf die Antworten, die ich hier heute erteile.
Herr Kollege Großmann, Sie wissen es doch: Die Anwendung des Baugesetzbuches erfolgt auf Grund von ergänzenden Regelungen durch die Länder.
Das, was entscheidend ist, d. h. das, was unten ankommt,
ist eben beides: Baugesetzbuchregelung plus das, was die Länder daraus machen.
Deswegen halte ich es nicht nur für notwendig, sondern geradezu für geboten, im Zusammenhang
darzustellen, wie das in den einzelnen Ländern aussieht; denn das sind die Fragen, die unseren Kolleginnen und Kollegen gestellt werden.
— Die Länder haben ihre eigenen Sitzungen und werden sich selbstverständlich ebenfalls damit beschäftigen.
Nur, Herr Kollege, da auch Sie aus Nordrhein-Westfalen sind: Wenn in Nordrhein-Westfalen darauf hingewiesen wird, daß die Ausgleichsabgabenregelung vom Bund erforderlich gemacht würde, denke ich, ist es wohl geboten, darauf hinzuweisen, daß diese Regelung vom Bund her nicht erforderlich gewesen ist, sondern eine Entscheidung der dort mit absoluter SPD-Mehrheit regierenden Landesregierung ist. Sie ist nicht dem Bund zuzuordnen.
Nun habe ich zu dieser Frage noch eine Zusatzfrage des Kollegen Hitschler— wenn ich das vorhin richtig mitbekommen habe.
Ich nehme Ihre Anregung auf und verzichte.
Zu dieser Frage werden keine weiteren Zusatzfragen gewünscht.Die Fragen 36 und 37 sollen schriftlich beantwortet werden. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.Wir kommen nun zur Frage 38 des Kollegen Rolf Rau:In welchem Maße wird das mit dem Investitionserleichterungs- und Wohnbaulandgesetz auf die westlichen Bundesländer ausgedehnte Instrument des Vorhaben- und Erschließungsplanes von den Gemeinden und Investoren angenommen?Dr. Irmgard Schwaetzer, Bundesministerin: Herr Kollege, die Einführung des Instruments des Vorhaben- und Erschließungsplans in den alten Ländern ist von den kommunalen Spitzenverbänden und den Ländern begrüßt und von den Investoren sehr positiv aufgenommen worden. Soweit ersichtlich, werden in einer Vielzahl von Städten bereits Satzungen über Vorhaben- und Erschließungspläne vorbereitet.Genaue Erkenntnisse, in welchem Umfang die Satzung über den Vorhaben- und Erschließungsplan den Bebauungsplan ersetzt, liegen zur Zeit jedoch noch nicht vor. Eine rechtstatsächliche Untersuchung, die in Fallbeispielen dieser Frage nachgehen soll, ist von der Bundesregierung in Auftrag gegeben.
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Eine Zusatzfrage? — Keine. Gibt es weitere Zusatzfragen? — Das ist nicht der Fall.
Dann kommen wir zur Frage 39 des Kollegen Rolf Rau:
Wie steht die Bundesregierung in diesem Zusammenhang zu der Behauptung, der Vorhaben- und Erschließungsplan stoße „in den östlichen Bundesländern in zunehmendem Umfang auf Kritik" ?
Dr. Irmgard Schwaetzer, Bundesministerin: Herr Kollege, die Kritik, auf die Sie sich beziehen, ist unverständlich. Die Bauminister und die Gemeinden in den neuen Ländern beurteilen das Instrument des Vorhaben- und Erschließungsplans insgesamt äußerst positiv. Das gilt ebenso für die Investoren. Ohne den Vorhaben- und Erschließungsplan wäre die rasche Schaffung planungsrechtlicher Grundlagen für die Investoren nicht möglich gewesen.
Eine Zusatzfrage, Herr Kollege.
Frau Minister, da drängt sich natürlich die Frage auf: Wie stehen Sie zu der Kritik, die aus diesem Raum geäußert wurde? Gleichzeitig möchte ich fragen: Ist das eventuell länderspezifisch unterschiedlich?
Dr. Irmgard Schwaetzer, Bundesministerin: Mein Eindruck, Herr Kollege Rau, daß sich die Kritik an der Anwendung des Vorhaben- und Erschließungsplans in den neuen Bundesländern eher darauf richtet, daß es mit der deutschen Einheit nicht sofort verbindliche Landesplanungen gegeben hat, verfestigt sich dadurch, daß der Zusammenhang, in dem diese Kritik geäußert wird, im wesentlichen solche landesplanerischen Gesichtspunkte betrifft. Die Kritik richtet sich z. B. an die massive Genehmigung des Baus von großflächigen Handelsunternehmen am Rande von Städten.
Dies ist aber kein Problem des Vorhaben- und Erschließungsplans, sondern ein Problem, das ganz eindeutig im Zusammenhang mit der zu Beginn der deutschen Einheit noch fehlenden Landesplanung zu sehen ist. Insofern, denke ich, wird eine sachliche Diskussion diese Kritik relativieren und zurechtrükken.
Unterschiede zwischen den Ländern sind mir in dem Zusammenhang nicht bekannt.
Gibt es dazu weitere Zusatzfragen? — Das ist nicht der Fall.
Dann rufe ich die Frage 40 des Kollegen Dr. Walter Hitschler auf:
Sieht die Bundesregierung eine Notwendigkeit, das Bewertungsprivileg des § 169 Abs. 4 des Baugesetzbuches für land- und forstwirtschaftlich genutzte Grundstücke materiell auszuweiten?
Dr. Irmgard Schwaetzer, Bundesministerin: Herr Kollege, die Bundesregierung sieht keine Notwendigkeit für eine materielle Ausweitung bzw. Anhebung
der Mindestentschädigung des § 169 Abs. 4 des Baugesetzbuches. In den seltenen Ausnahmefällen, in denen die Sonderregelung des § 169 Abs. 4 des Baugesetzbuches zur Anwendung kommt, wird den betroffenen Land- und Forstwirten bereits nach der jetzt geltenden Regelung eine höhere Entschädigung, nämlich der Wert des begünstigten Agrarlandes, gewährt, als es dem tatsächlich vorliegenden Verkehrswert entspricht, der in diesen Fällen der inner-landwirtschaftliche Verkehrswert wäre.
Eine darüber hinausgehende Ausweitung des § 169 Abs. 4 des Baugesetzbuchs wäre nicht nur nicht erforderlich, sondern unter dem verfassungsrechtlichen Gebot der Gleichbehandlung nicht zu rechtfertigen.
Zusatzfrage, Herr Kollege Hitschler.
Frau Ministerin, Ihnen ist bekannt, daß die Auslegung des § 169 Abs. 4 des Baugesetzbuches in einigen Fällen Irritationen und Interpretationsschwierigkeiten ausgelöst hat und daß es zu Problemen vor Ort gekommen ist. Sehen Sie es als denkbar und möglich an, daß man, um diese Irritationen in Zukunft zu vermeiden, auf dem Gesetzgebungswege eine Klarstellung dessen, was der Gesetzgeber hier gewollt hat, herbeiführen kann?
Dr. Irmgard Schwaetzer, Bundesministerin: Herr Kollege, wenn es denn einer Beruhigung der Diskussion dient, sind wir gern bereit, eine Klarstellung dieser Regelung im Baugesetzbuch zu verankern, aber keine materielle Ausweitung. Mir erscheint es in diesem Zusammenhang allerdings wichtig, daß es bei der Anwendung des Instruments der städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme — in diesem Zusammenhang ist ja die Anwendung des § 169 Abs. 4 des Baugesetzbuchs wichtig — zu keiner Einschränkung durch die Gemeinden kommt.
Eine zweite Zusatzfrage? — Nein. Ich werde jetzt noch zwei Zusatzfragen zulassen und dann die Fragestunde beenden. Als nächster hat der Kollege Kansy das Wort.
Frau Ministerin, ist die hier von Ihnen geschilderte und auch vom Kollegen Hitschler angesprochene — nach meiner Auffassung unnötige — Auseinandersetzung zwischen Kommunen und Landwirten nicht dadurch begründet, daß der dringend notwendige Einführungserlaß zu dieser Sache, über den von Ihnen mit den Ländern ausführlich verhandelt wurde und der als Mustererlaß seit langer Zeit vorliegt, zurückgehalten wird, so daß auf diese Weise Unsicherheit provoziert wird mit der Folge, daß wir wahrscheinlich keine andere Möglichkeit haben — wenn die Länder nicht reagieren, um diese Unsicherheit zu beenden —, als jetzt eine gesetzliche Klarstellung vorzunehmen?
Dr. Irmgard Schwaetzer, Bundesministerin: Ich bin mit Ihnen dieser Meinung, Herr Kollege. Es wäre ganz sicher angezeigt gewesen, daß die Länder den Mu-
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Bundesministerin Dr. Irmgard Schwaetzer stereinführungserlaß, der zwischen Bund und Ländern abgestimmt war, umgehend erlassen hätten. Da dies unterblieben ist, ist es leider zu einer weiteren Verschärfung der Diskussion gekommen.Lassen Sie mich allerdings eines hinzufügen: Ich würde es begrüßen, wenn sich die Gemeinden, die von dem Instrument der städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme Gebrauch machen, und zwar in einem Bereich, der im Flächennutzungsplan bisher nicht als Wohnbauland oder als Bauland überhaupt vorgesehen gewesen ist, mit den Eigentümern der Grundstücke in dem betroffenen Bereich auf dem Verhandlungswege einigen würden.
Da wir die Fragestunde bereits um knapp zwei Minuten überzogen haben, muß ich die Fragestunde jetzt beenden.
Herzlichen Dank, Frau Ministerin, herzlichen Dank, liebe Kollegen und liebe Kolleginnen.
Die weiteren Fragen können morgen beantwortet werden.
Damit schließe ich die heutige Sitzung.