Protokoll:
12212

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 12

  • date_rangeSitzungsnummer: 212

  • date_rangeDatum: 2. März 1994

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 13:00 Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 14:48 Uhr

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 12/212 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 212. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 2. März 1994 Inhalt: Tagesordnungspunkt 1: Befragung der Bundesregierung (Bericht über die Verhandlungen zur Erweiterung der Europäischen Union; Finanzierungskonzept und Bauentscheid der Magnetschwebebahnverbindung Berlin-Hamburg) Ursula Seiler-Albring, Staatsministerin AA 18325 B Heidemarie Wieczorek-Zeul SPD . . . . 18326B Ursula Seiler-Albring, Staatsministerin AA 18326C Dr. Olaf Feldmann F.D.P. 18326D Ursula Seiler-Albring, Staatsministerin AA 18327A Dr. Martin Mayer (Siegertsbrunn) CDU/CSU 18327 A Ursula Seiler-Albring, Staatsministerin AA 18327 B Hans-Eberhard Urbaniak SPD 18327 B Ursula Seiler-Albring, Staatsministerin AA 18327B Dr.-Ing. Paul Krüger, Bundesminister BMFT 18327 C Klaus Daubertshäuser SPD 18328A Matthias Wissmann, Bundesminister BMV 18328 B Klaus Daubertshäuser SPD 18328C Matthias Wissmann, Bundesminister BMV 18328 D Christian Lenzer CDU/CSU 18329A Matthias Wissmann, Bundesminister BMV 18329A Wolf-Michael Catenhusen SPD 18329C Matthias Wissmann, Bundesminister BMV 18329D Wolf-Michael Catenhusen SPD 18330B Matthias Wissmann, Bundesminister BMV 18330 B Bärbel Sothmann CDU/CSU 18330 C Dr.-Ing. Paul Krüger, Bundesminister BMFT 18330 D Josef Vosen SPD 18331B Matthias Wissmann, Bundesminister BMV 18331 C Trudi Schmidt (Spiesen) CDU/CSU . . . 18331 D Dr.-Ing. Paul Krüger, Bundesminister BMFT 18331 D Siegrun Klemmer SPD 18331 D Dr.-Ing. Paul Krüger, Bundesminister BMFT 18332A Tagesordnungspunkt 2: Fragestunde — Drucksache 12/6892 vom 25. Februar 1994 — Untersuchung der Milch und anderer landwirtschaftlicher Produkte auf Schadstoffbelastungen; Maßnahmen zur Einhaltung der gesetzlichen Grenzwerte in Lebensmitteln und Trinkwasser MdlAnfr 4 Susanne Kastner SPD Antw PStSekr'in Dr. Sabine BergmannPohl BMG 18332C ZusFr Susanne Kastner SPD 18333A ZusFr Horst Peter (Kassel) SPD 18333B Vorausschätzung gemäß § 270a SGB V für 1994 MdlAnfr 5 Klaus Kirschner SPD Antw PStSekr'in Dr. Sabine BergmannPohl BMG 18333 B ZusFr Klaus Kirschner SPD 18333 C ZusFr Horst Peter (Kassel) SPD 18334 A Ermittlung der Konten von rechtsextremen und neonazistischen Organisationen durch die Generaldirektion der Postdienste; Kündigung dieser Konten MdlAnfr 6, 7 Horst Peter (Kassel) SPD Antw PStSekr Dr. Paul Laufs BMPT . . 18334 B ZusFr Horst Peter (Kassel) SPD 18334 D ZusFr Dr. Rudolf Karl Krause (Bonese) fraktionslos 18335 B ZusFr Hans Wallow SPD 18335 C ZusFr Ortwin Lowack fraktionslos . . . 18335 C II Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 212. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. März 1994 Aussagen des Bundesministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit über eine „nicht vorhandene Ausländerfeindlichkeit" MdlAnfr 8, 9 Hans Wallow SPD Antw StSekr Wighard Härdtl BMZ . . . 18335D, 18336D ZusFr Hans Wallow SPD . . . 18336A, 18337A ZusFr Ortwin Lowack fraktionslos . . . 18336B ZusFr Horst Peter (Kassel) SPD 18336C ZusFr Horst Kubatschka SPD . 18336D, 18337 C Berücksichtigung der Eigenleistungen von Mietern zum Erhalt und Ausbau von Häusern in den neuen Bundesländern bei Restitution der Immobilien MdlAnfr 23 Dr.-Ing. Rainer Jork CDU/CSU Antw PStSekr Rainer Funke BMJ . . . . 18337 D ZusFr Dr.-Ing. Rainer Jork CDU/CSU . . 18338 B Zusendung von als Rechnung getarnten Zahlungsaufforderungen für nicht erbrachte Leistungen, insbesondere an mittelständische Unternehmen MdlAnfr 24, 25 Arnulf Kriedner CDU/CSU Antw PStSekr Rainer Funke BMJ . . . . 18339 A ZusFr Arnulf Kriedner CDU/CSU . . . . 18339 C Schäden und andere Benachteiligungen von Kindern bei Auseinandersetzungen zwischen Eltern im Scheidungs- und Sorgerechtsverfahren, insbesondere bei Flucht eines Elternteils in ein anderes europäisches Land MdlAnfr 26 Ortwin Lowack fraktionslos Antw PStSekr Rainer Funke BMJ . . . . 18339D ZusFr Ortwin Lowack fraktionslos . . . . 18340C ZusFr Dr. Rudolf Karl Krause (Bonese) fraktionslos 18340D Zeitraum für den Abriß des Kernkraftwerks Greifswald MdlAnfr 28, 29 Dr. Klaus-Dieter Feige BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Antw PStSekr Dr. Joachim Grünewald BMF 18341B, D ZusFr Dr. Klaus-Dieter Feige BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 18341B, D ZusFr Horst Kubatschka SPD 18342 C Nächste Sitzung 18342D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . 18343* A Anlage 2 Gefährdung des Weißstorches und anderer Vogelarten durch in Deutschland verbotene Breitbandpestizide in den afrikanischen Überwinterungsgebieten MdlAnfr 2 — Drs 12/6892 — Lieselott Blunck (Uetersen) SPD SchrAntw PStSekr Wolfgang Gröbl BML 18343* C Anlage 3 Stand der Verhandlungen mit der Tschechischen und der Slowakischen Republik über ein Sozialversicherungsabkommen MdlAnfr 3 — Drs 12/6892 — Horst Kubatschka SPD SchrAntw PStSekr Rudolf Kraus BMA . . 18344* A Anlage 4 Gewährleistung des Vogelschutzes bei deutschen Entwicklungshilfeprojekten in afrikanischen Überwinterungsgebieten des Weißstorchs MdlAnfr 10 — Drs 12/6892 — Lieselott Blunck (Uetersen) SPD SchrAntw PStSekr Hans-Peter Repnik BMZ 18344* C Anlage 5 Senkung der Kraftfahrzeugsteuer und der -haftpflicht-Prämien für auf den öffentlichen Personennahverkehr umsteigende Arbeitnehmer MdlAnfr 27 — Drs 12/6892 — Benno Zierer CDU/CSU SchrAntw PStSekr Dr. Joachim Grünewald BMF 18344* D Anlage 6 Verantwortliche Firmen für den Abriß des AKW Greifswald; Folgen des geänderten Abrißkonzepts auf die bisher durchgeführten Genehmigungsverfahren; Eignung des AKW-Standorts für den Bau eines EPR-Reaktors MdlAnfr 30, 31 — Drs 12/6892 — Werner Schulz (Berlin) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN SchrAntw PStSekr Dr. Joachim Grünewald BMF 18345* A Anlage 7 Mitnutzung des US-Militärflugplatzes Grafenwöhr als Regionalflugplatz; Verhandlungen mit den US-Streitkräften über die Abgabe von Teilflächen an die Randgemeinden zur gewerblichen Nutzung MdlAnfr 32, 33 — Drs 12/6892 — Ludwig Stiegler SPD SchrAntw PStSekr Dr. Joachim Grünewald BMF 18345* C Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 212. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. März 1994 18325 212. Sitzung Bonn, den 2. März 1994 Beginn: 13.00 Uhr
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    Anlage i Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Blank, CDU/CSU 2. 3. 94 Joseph-Theodor Borchert, Jochen CDU/CSU 2. 3. 94 Breuer, Paul CDU/CSU 2. 3. 94 Dr. Däubler-Gmelin, SPD 2. 3. 94 Herta Eimer (Fürth), Norbert F.D.P. 2. 3. 94 Eymer, Anke CDU/CSU 2. 3. 94 Fischer (Unna), Leni CDU/CSU 2. 3. 94* Friedrich, Horst F.D.P. 2. 3. 94 Gries, Ekkehard F.D.P. 2. 3. 94 Hedrich, Klaus-Jürgen CDU/CSU 2. 3. 94 Keller, Peter CDU/CSU 2. 3. 94 Kolbe, Regina SPD 2. 3. 94 Kors, Eva-Maria CDU/CSU 2. 3. 94 Koschnick, Hans SPD 2. 3. 94 Leidinger, Robert SPD 2. 3. 94 Marten, Günter CDU/CSU 2. 3. 94 Dr. Matterne, Dietmar SPD 2. 3. 94 Dr. Menzel, Bruno F.D.P. 2. 3. 94 Dr. Mildner, CDU/CSU 2. 3. 94 Klaus-Gerhard Möllemann, Jürgen W. F.D.P. 2. 3. 94 Dr. Müller, Günther CDU/CSU 2. 3. 94* Müller (Wesseling), CDU/CSU 2. 3. 94 Alfons Ostertag, Adolf SPD 2. 3. 94 Dr. Probst, Albert CDU/CSU 2. 3. 94* Reddemann, Gerhard CDU/CSU 2. 3. 94* Rode (Wietzen), Helmut CDU/CSU 2. 3. 94 Dr. Röhl, Klaus F.D.P. 2. 3. 94 Roitzsch (Quickborn), CDU/CSU 2. 3. 94 Ingrid Schäfer (Mainz), Helmut F.D.P. 2. 3. 94 von Schmude, Michael CDU/CSU 2. 3. 94 Schuster, Hans F.D.P. 2. 3. 94 Seehofer, Horst CDU/CSU 2. 3. 94 Sikora, Jürgen CDU/CSU 2. 3. 94 Skowron, Werner H. CDU/CSU 2. 3. 94 Dr. von Teichman, F.D.P. 2. 3. 94 Cornelia Welt, Jochen SPD 2. 3. 94 Wohlrabe, Jürgen CDU/CSU 2. 3. 94 * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 2 Antwort des Parl. Staatssekretärs Wolfgang Gröbl auf die Frage der Abgeordneten Lieselott Blunck (Uetersen) (SPD) (Drucksache 12/6892 Frage 2): Wie beurteilt die Bundesregierung die Gefährdung des Weißstorches und vieler anderer Vogelarten durch die Aufbringung von Breitbandpestiziden in den afrikanischen Überwinterungsgebieten, deren Anwendung bei uns bereits verboten ist, und was will sie veranlassen, um ein nationales und internationales Export- und Anwendungsverbot für derartige Pestizide durchzusetzen? Im Hinblick auf die Gefährdung des Weißstorches und anderer Vogelarten in afrikanischen Überwinterungsgebieten verweise ich bezüglich des Artenschutzes auf die Antworten zu den Fragen der Frau Abgeordneten Ulrike Mehl (Nr. 55 und 56) und des Herrn Abgeordneten Eckart Kuhlwein (Nr. 53), die mein Kollege vom BMU beantwortet. Zu einem internationalen Export- und Anwendungsverbot breitwirksamer Pflanzenschutzmittel vertritt die Bundesregierung folgende Auffassung: Die Problematik der unsachgemäßen Anwendung von Pflanzenschutzmitteln in Staaten, in denen der Umgang mit Pflanzenschutzmitteln nicht bzw. nicht so streng geregelt ist wie in der Bundesrepublik Deutschland, ist seit längerem bekannt. Ein sicherer Umgang mit Pflanzenschutzmitteln ist jedoch letztlich nur durch nationale rechtliche und administrative Maßnahmen dieser Länder zu erreichen. Um einerseits der Verantwortung eines führenden Exportlandes von Pflanzenschutzmitteln gerecht zu werden, andererseits die Souveränität der importierenden Staaten zu wahren, wurden bereits im Pflanzenschutzgesetz vom 15. September 1986 (BGBl. I S. 1505) die Vorschriften für den Export von Pflanzenschutzmitteln (§ 23) neu geregelt und erheblich verschärft. Danach müssen Pflanzenschutzmittel so gekennzeichnet sein, daß die Empfänger ausreichend über mögliche Gefahren informiert werden. Die Exporteure von Pflanzenschutzmitteln sind verpflichtet, internationale Vereinbarungen wie den internationalen Verhaltenskodex der FAO zu berücksichtigen. Die Bundesregierung hat an der Erstellung des internationalen Verhaltenskodex für das Inverkehrbringen und die Anwendung von Pflanzenschutz- und Schädlingsbekämpfungsmitteln der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) aktiv mitgewirkt. Der Kodex enthält einen umfangreichen Katalog detaillierter Empfehlungen bezüglich chemischer Pflanzenschutzmittel - von der Herstellung bis hin zur Anwendung - sowie zum internationalen Handel. Er ist 1985 verabschiedet und im Herbst 1989 durch ein Notifizierungsverfahren ergänzt worden. Damit wird sichergestellt, daß die Einfuhr von bestimmten Stoffen nur mit Zustimmung des importierenden Landes bzw. unter Beachtung der von der Regierung des importierenden Landes festgesetzten Bedingungen erfolgen kann. 18344* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 212. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. März 1994 Der Industrieverband Agrar e. V., der die überwiegende Mehrzahl der deutschen Pflanzenschutzmittelhersteller vertritt, hat die Zielsetzung des FAO-Verhaltenskodex in seine Verbandssatzung aufgenommen und sich in einer Erklärung zur Einhaltung der Vorschriften verpflichtet. Er hat versichert, daß von seinen Mitgliedsfirmen nur Pflanzenschutzmittel hergestellt, exportiert oder in anderen Ländern vertrieben werden, die in der Bundesrepublik Deutschland oder in einem anderen Land mit hohem Registrierungsstandard zugelassen sind. Im übrigen gelten die Vorschriften der Verordnung (EWG) Nr. 2455/92 des Rates vom 23. Juli 1992 betreffend Ausfuhr und Einfuhr bestimmter gefährlicher Chemikalien. Danach werden Exporte von Chemikalien, so auch von Pflanzenschutzmitteln, die in der EU verboten oder streng beschränkt sind oder die dem oben genannten Notifizierungsverfahren unterliegen, kontrolliert. Anlage 3 Antwort des Parl. Staatssekretärs Rudolf Kraus auf die Frage des Abgeordneten Horst Kubatschka (SPD) (Drucksache 12/6892 Frage 3): Wie ist der Stand der Verhandlungen mit der Tschechischen Republik als auch mit der Slowakischen Republik über ein Sozialversicherungsabkommen, und welche Auswirkungen hat das bisherige Nichtzustandekommen des Abkommens für Reisende in diese Länder? Die Bundesregierung ist grundsätzlich am Abschluß bilateraler Sozialversicherungsabkommen mit der Tschechischen Republik und der Slowakischen Republik interessiert. Abkommensverhandlungen konnten bisher aber noch nicht geführt werden, weil beide Staaten zunächst der Umgestaltung ihrer nationalen sozialen Sicherungssysteme Priorität eingeräumt haben. Die Tschechische Republik hat der Bundesregierung aber kürzlich ihre Bereitschaft zur Aufnahme entsprechender Gespräche erklärt. Ein Gesprächstermin muß noch näher festgelegt werden. Die slowakische Seite hat bisher noch nicht ihre Wünsche und Terminvorstellungen mitgeteilt. Für Reisende in das Ausland ist in erster Linie der Krankenversicherungsschutz von Bedeutung. Ohne entsprechende vertragliche Regelung mit der Tschechischen bzw. Slowakischen Republik erstreckt sich der Schutz der deutschen Krankenversicherung nicht auf den Aufenthalt in diesen Staaten. Auch umgekehrt sind Reisende aus diesen Staaten nicht durch ihre heimischen Krankenversicherungssysteme ausreichend geschützt. Den deutschen Krankenversicherten wird daher vor Antritt der Reise stets empfohlen — wie bei Reisen in das übrige vertragslose Ausland —, eine private Auslandskrankenversicherung abzuschließen. Anlage 4 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hans-Peter Repnik auf die Frage der Abgeordneten Lieselott Blunck (Uetersen) (SPD) (Drucksache 12/6892 Frage 10): Inwieweit ist sichergestellt, daß bei von Deutschland geförderten Entwicklungshilfeprojekten in den Überwinterungsgebieten des Weißstorches in Afrika der Schutz der Vögel und ihrer Lebensräume gewährleistet wird, und welche Entwicklungshilfeprojekte haben bisher zur Beeinträchtigung oder Zerstörung ökologisch wertvoller Gebiete in Afrika geführt oder dazu beigetragen? Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung unterstützt im Rahmen seines entwicklungspolitischen Mandats eine Vielzahl von Entwicklungsländern bei der Umsetzung von Naturschutzvorhaben. Ein im Oktober vergangenen Jahres erschienenes BMZ-Aktuell „Naturschutz und Entwicklung" gibt dazu näher Auskunft. Durch die bereits seit Mitte der 80er Jahre obligatorische Umweltverträglichkeitsuntersuchung (UVP) für bilaterale Vorhaben der Entwicklungszusammenarbeit soll die Beeinträchtigung von Lebensräumen gefährdeter Arten im Rahmen des BMZ-Engagements grundsätzlich ausgeschlossen werden. Da auch die Umweltverträglichkeit laufender Projekte regelmäßig überprüft wird, kann im Projektverlauf wider Erwarten auftretenden Beeinträchtigungen ggf. gezielt entgegengewirkt werden. Bezüglich der Überwinterungsgebiete des Weißstorchs sind dem BMZ solche Probleme jedoch nicht bekannt. Anlage 5 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Joachim Grünewald auf die Frage des Abgeordneten Benno Zierer (CDU/ CSU) (Drucksache 12/6892 Frage 27): Hält die Bundesregierung Regelungen über die Kürzung der Kraftfahrzeugsteuer und über die gesetzliche bzw. vertragliche Verpflichtung der Versicherer zu entsprechender Rückerstattung bzw. Kürzung von Kfz-Haftpflicht-Prämien und ggf. von Kfz-Kasko-Prämien zugunsten der Arbeitnehmer für wünschenswert, die für den Weg zwischen Wohnort und Arbeitsplatz ganz auf die Benutzung des Pkw verzichten und statt dessen — z. B. durch Verpflichtung zum Kauf von 12monatigen „jobtickets" — auf den öffentlichen Personennahverkehr umsteigen, damit erstens diese Arbeitnehmer neben den Kosten für die Fahrkarten nicht auch die Kosten der vollen Kraftfahrzeugsteuer, der vollen Kfz-Haftpflicht und der Kasko-Prämie tragen müssen und damit zweitens die Attraktivität des öffentlichen Personennahverkehrs erhöht wird, und was plant die Bundesregierung im Hinblick auf die Schaffung solcher Regelungen zu tun? Die Bundesregierung sieht in einer Ermäßigung der Kraftfahrzeugsteuer für Inhaber des „job-tickets" kein geeignetes Mittel, die Attraktivität des öffentlichen Personennahverkehrs zu steigern. Dies würde auch ihrem erklärten Ziel, Subventionen abzubauen, zuwiderlaufen. Zur Kfz-Haftpflichtversicherung ist darauf hinzuweisen, daß die Bedingungs- und Tarifgenehmigung mit Wirkung vom 1. Juli 1994 aufgehoben wird. Die Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 212. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. März 1994 18345* Kraftfahrtversicherer entscheiden dann frei über die Tarifgestaltung, insbesondere über die Prämienhöhe, wie sie dies bei der Fahrzeugversicherung (Kasko) bereits seit 1985 tun können. Im übrigen sprächen die Praktikabilität und die Gleichbehandlung mit anderen „Wenigfahrern" auch hier gegen eine Ermäßigung für Inhaber des „job-tickets". Anlage 6 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Joachim Grünewald auf die Fragen des Abgeordneten Werner Schulz (Berlin) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 12/6892 Fragen 30 und 31): Aus welchem Grund sollen die westdeutschen Energiekonzerne Bayernwerk und Preußenelektra künftig die unternehmerische Verantwortung für den Abriß des AKW Greifswald übernehmen, und welche Folgen hat das geänderte Abrißkonzept auf die bisher in diesem Zusammenhang durchgeführten Genehmigungsverfahren? Gibt es Überlegungen der zuständigen Treuhandanstalt, den Atomkraftwerksstandort Greifswald beizubehalten, und inwieweit ist dieser Standort für den Bau eines EPR-Reaktors geeignet? Zu Frage 30: Der Abbau der radioaktiv belasteten Blöcke ist eine große technische Herausforderung. Die THA prüft, ob erfahrene Unternehmen — nicht nur EVU — die Gesamtverantwortung für ein solches Projekt übernehmen sollten. Voraussetzung ist, daß bei gleichzeitiger Beachtung der Belange des Atomgesetzes und des Umweltschutzes dadurch eine Reduzierung der Kosten erreicht werden kann. Das Stillegungs- und Abbaukonzept sowie das erst begonnene Genehmigungsverfahren müssen in jedem Fall — auch bei einer evtl. Geschäftsbesorgung durch EVU — den dafür geltenden, gleichen, gesetzlichen Bestimmungen genügen. Insofern ergeben sich keine Folgen für das Konzept und das Genehmigungsverfahren. Zu Frage 31: Die Treuhandanstalt verfügt nur über ein Konzept für die Stillegung und den Abbau der Kernkraftwerke Greifswald und Rheinsberg. Über dieses Konzept hat der Bundesminister der Finanzen am 19. Januar 1994 im Treuhand-Ausschuß des Deutschen Bundestages berichtet. Im übrigen kann davon ausgegangen werden, daß der Standort Greifswald für jede Art von Kraftwerk geeignet ist. Anlage 7 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Joachim Grünewald auf die Fragen des Abgeordneten Ludwig Stiegler (SPD) (Drucksache 12/6892 Fragen 32 und 33): Wird die Bundesregierung die Stadt Grafenwöhr bei dem Vorhaben, den Militärflugplatz Grafenwöhr für einen Regionalflugplatz mitnutzen zu lassen, unterstützen, und hat es in dieser Richtung bereits Kontakte mit der US-Seite durch die Bundesregierung gegeben? Ist die Bundesregierung bereit, die Truppenübungsplatzrandgemeinden dabei zu unterstützen, Teilflächen am Rande des Übungsplatzes für Gewerbegebiete etc. zu erwerben, und welche Vereinbarung gibt es im Hinblick auf die Abgabe von Teilflächen mit den US-Streitkräften? Zu Frage 32: Der bundeseigene Truppenübungsplatz Grafenwöhr mit dem dazugehörigen Militärflugplatz ist den amerikanischen Streitkräften im Rahmen eines völkerrechtlichen Überlassungsverhältnisses nach Maßgabe des NATO-Truppenstatuts und des Zusatzabkommens zum NATO-Truppenstatut für die Dauer ihres militärischen Bedarfs zur ausschließlichen Benutzung überlassen. Die US-Streitkräfte entscheiden über Flächenfreigaben oder Anträge auf zivile Mitbenutzung. Auf Nachfrage haben sich die US-Streitkräfte einer zivilen Mitbenutzung des Flugplatzes in der Vergangenheit nicht verschlossen. Sie sind bereit zu prüfen, ob im Einzelfall eine begrenzte Mitbenutzung des Flugplatzes von Firmen der Umgebung von Grafenwöhr in Betracht kommen kann. Bislang liegt kein konkreter Antrag vor. Die Bundesregierung wird sich dem Vorhaben der Stadt nicht verschließen. Zu Frage 33: Aus militärischen Erwägungen ist den US-Streitkräften grundsätzlich die Freigabe von Übungsplatzrandflächen nur im Austausch gegen Ersatzland möglich. Der Erhalt ausreichender Schutz- und Pufferzonen gegenüber den Übungsplatzanliegern ist dabei vorrangig zu werten. Die US-Streitkräfte sind jedoch bereit, konkrete Freigabeanträge im Einzelfall zu prüfen. Die Bundesregierung steht je nach Lage der begehrten Grundstücksflächen den Wünschen der Gemeinden positiv gegenüber. Eine Vereinbarung mit den US-Streitkräften über die Freigabe von Grundstücksteilflächen des Übungsplatzes besteht nicht.
Gesamtes Protokol
Dr. Rita Süssmuth (CDU):
Rede ID: ID1221200000
Meine Damen und Herren, die Sitzung ist eröffnet.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf:
Befragung der Bundesregierung
Die Bundesregierung hat als Themen der heutigen Kabinettssitzung mitgeteilt: erstens Bericht über die Verhandlungen zur Erweiterung der Europäischen Union; zweitens Finanzierungskonzept und Bauentscheid der Magnetschwebebahnverbindung BerlinHamburg; drittens Zustimmungs- und Ausführungsgesetz zum Chemiewaffenübereinkommen.
Das Wort für den einleitenden Bericht hat die Staatsministerin im Auswärtigen Amt, Frau Ursula Seiler-Albring.

Ursula Seiler-Albring (FDP):
Rede ID: ID1221200100
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Herr Bundeskanzler hat zu Beginn der heutigen Kabinettssitzung den Verlauf der Beitrittsverhandlungen der Europäischen Union vom Wochenende gewürdigt, dem Außenminister und der gesamten deutschen Delegation gratuliert und die Anerkennung des Kabinetts ausgesprochen.
In der Tat gibt es Anlaß zur Freude über den Verlauf der Verhandlungen mit Österreich, Schweden und Finnland. In den Verhandlungen mit Norwegen ist nur noch die Frage der Fischerei offen. Wir haben Anlaß zur Hoffnung — nachdem drei Beitrittsländer mit der Europäischen Union einen Erfolg erzielt haben —, daß dies auf die Bereitschaft fördernd wirkt, auch einen Abschluß mit Norwegen herbeizuführen. Auch wenn dies eine erste Etappe ist — wir alle wissen, daß es noch Referenden in den Beitrittsländern geben wird —, kann man wohl von einem historischen Erfolg für die Europäische Union sprechen. Wir haben eine wichtige Etappe auf dem Weg zur europäischen Einigung zurückgelegt.
Der Beitritt von Österreich, Schweden und Finnland wird die Europäische Union wirtschaftlich und politisch stärken. Die Basis der Union wird verbreitert, und sie hat durch das Hinzutreten der nordischen Länder — wenn es dazu kommen wird, was wir alle hoffen — ein natürlicheres Gleichgewicht gefunden.
Der erfolgreiche Abschluß der Verhandlungen unterstreicht die Attraktivität und die Handlungsfähigkeit der Europäischen Union. Sie hat sich damit einmal mehr als Stabilitätsanker in Europa erwiesen.
Der Verhandlungserfolg mit Österreich, Schweden und Finnland wurde durch ein Höchstmaß an Flexibilität und Kompromißbereitschaft auf beiden Seiten möglich. In der Schlußphase der Verhandlungen hat die Troika die Verhandlungen übernommen, also Belgien, Griechenland und Deutschland. Nur durch deren unermüdlichen Einsatz, z. B. im „Beichtstuhlverfahren", wurde ein Verhandlungserfolg möglich.
Um Verhandlungen termingerecht und erfolgreich abschließen zu können, haben sich beide Seiten beim abschließenden Marathon bewegt. Österreich, Schweden und Finnland haben Forderungen der Europäischen Union, ihre Landwirtschaft vom ersten Tag des Beitritts an vollständig in die gemeinsame Agrarpolitik zu integrieren, akzeptiert. Dadurch ist ein sofortiger und vollständiger Abbau der Grenzkontrollen möglich, eine der wesentlichsten Forderungen des Binnenmarktes somit erfüllt. Dieser Erfolg war dadurch möglich, daß sich die Europäische Union an den Kosten für die Finanzierung der übergangsweisen Beihilfen, Unterstützungsmaßnahmen für die arktische und für die subarktische Landwirtschaft beteiligt. Für die alpine Landwirtschaft wurden Lösungen im Rahmen der Bergbauernverordnung gefunden.
Die Europäische Union sowie Österreich, Schweden und Finnland haben sich auf regional- und strukturpolitische Förderung geeinigt.
Die Frage des Transits durch Österreich konnte in letzter Minute gelöst werden. Die Lösung sieht verschiedene, hintereinander gestaffelte Übergangsfristen vor, die spätestens Anfang 2004 ablaufen, wenn nicht zuvor mit Österreich einvernehmlich eine andere Regelung gefunden worden ist. Die Lösung hält an der für Österreich wichtigen Ökopunkteregelung fest.
Haushaltsfragen konnten entschärft werden. Um Österreich, Schweden und Finnland von anfänglich überproportionalen Haushaltsbeiträgen zu entlasten, hat sich die Europäische Union zu einigen Konzessionen entschlossen. Ich nenne davon eine: Österreich, Schweden und Finnland brauchen 1995, d. h. im ersten Jahr, in der Höhe Beiträge nicht zu zahlen, in der Rückflüsse aus den Agrarfonds im ersten Jahr



Staatsministerin Ursula Seiler-Albring
nicht zu erwarten sind. Dadurch wird es erhebliche Entlastungen der Haushaltsbeiträge dieser drei Länder geben.
Die Verhandlungen mit Norwegen sind auf gutem Wege. Es war von Anfang an klar, daß die Verhandlungen mit Norwegen besonders schwierig — da später begonnen — und mit Sonderproblemen — Fischerei — belastet sind. Ich muß sagen, daß die norwegische Delegation sehr engagiert verhandelt hat, Rückstände aufgeholt und den Anschluß gefunden hat und damit — um ein bißchen in der Sprache des Landes zu sein — halbwegs im Boot ist.
Beim Kapitel „Fischerei" ist es gelungen, zwei Kernfragen zu isolieren, die auf politischer Ebene gelöst werden müssen: Spaniens Forderung nach Erhöhung seiner Fangquoten sowie die Frage des Marktzugangs für norwegischen Fisch. Derzeit finden in Brüssel weitere Verhandlungen dazu statt. Ziel ist die abschließende Behandlung der Fischereifragen im Allgemeinen Rat gleich in der nächsten Woche, am 7. und 8. März.
Der Allgemeine Rat wird sich auch noch mit zwei internen Problemen dieser Beitrittsrunde befassen müssen, mit der Frage der Institutionen und der Wirtschafts- und Währungsunion. Hier gibt es einen spanischen Vorbehalt. Wir sind aber zuversichtlich, daß diese restlichen Fragen einvernehmlich geklärt werden können.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich möchte an dieser Stelle ganz ausdrücklich den Beamten meines Hauses und vor allen Dingen auch denen der ständigen Vertretung in Brüssel meinen Dank für ihren wirklich unermüdlichen Einsatz aussprechen.
Ich bedanke mich.

(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)


Dr. Rita Süssmuth (CDU):
Rede ID: ID1221200200
Vielen Dank, Frau Ministerin. Wer wünscht das Wort? — Frau Wieczorek-Zeul, bitte.

Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD):
Rede ID: ID1221200300
Die Nachricht von der möglichen Aufnahme der drei EFTA-Länder ist endlich eine gute Nachricht aus Brüssel.
Ich möchte gern folgende Frage an die Vertreterin der Bundesregierung richten. Die Regelung, die jetzt zu dem Schwerlastverkehr für Österreich getroffen worden ist, ist eine Regelung, die unter dem Druck des schweizerischen Votums entstanden ist. Wir begrüßen, daß es dieses Votum gegeben hat. Wir begrüßen, daß es Österreich in dieser Frage den Rücken gestärkt hat. Da es auch im Interesse der Menschen in Deutschland ist, zu erreichen, daß sich die Lkw-Lawinen nicht weiter über die Autobahnen wälzen, würde ich gern wissen, welche Schlußfolgerungen die Bundesregierung für eine sinnvolle EG-Verkehrspolitik aus Anlaß dieser Absprachen bei der Erweiterung und bei der Regelung für Österreich zieht. Denn es kann ja nicht so sein, daß vom Jahr 2004 an „business as usual" einsetzt. Daran können wir alle nicht interessiert sein. Es geht also darum, die Verkehrspolitik ökologisch umzuorientieren. Das ist der eine Punkt.
Der zweite Punkt ist die Frage: Welche Linie wird die Bundesregierung in den noch offenen Fragen zu
Norwegen beziehen? Wird sie die Linie beziehen, die z. B. von der spanischen Regierung bezogen wird? Oder wird sie eine Linie beziehen, die sehr weitgehend der norwegischen Position entspricht?

Dr. Rita Süssmuth (CDU):
Rede ID: ID1221200400
Das waren zwei Fragen.

Ursula Seiler-Albring (FDP):
Rede ID: ID1221200500
Frau Kollegin Wieczorek-Zeul, zu Ihrer ersten Frage.
Die Bundesregierung und ihre Delegation war diejenige, die von Anfang an, schon zu Beginn der Verhandlungen, in bezug auf die Übergangszeiten der österreichischen Position erheblich näher als alle anderen Mitglieder gewesen ist, die dort am Tisch zusammen waren.
Wir haben eine Regelung gefunden, die während der gesamten Laufzeit des Transitvertrages inhaltlich so beibehalten werden kann. Es war immer die Haltung der Bundesregierung — das hat sie auch zum Ausdruck gebracht —, daß man versuchen wird, die Standards, die Inhalt der Ökopunkteregelung der österreichischen Regierung sind, nach Möglichkeit alsbald auch auf die anderen Länder zu übertragen, also ähnliche Umweltstandards für den Straßenverkehr zu erreichen.
Ein Bestandteil der Beitrittsunterlagen ist u. a. auch der Brenner-Basistunnel. Österreich, Italien und Deutschland haben sich als die beteiligten Länder verpflichtet, sich hier zu engagieren und diesen Tunnel gemeinsam zu finanzieren.
Diese zwei Aspekte unter dem Stichwort „Umweltschutz" — wir haben sehr viel Verständnis für die österreichische Haltung gehabt, haben sie auch im wesentlichen unterstützt — sind also ein Zeichen dafür, daß die Bundesregierung auf diesem Wege weiter fortschreiten wird.
Ihre zweite Frage galt den noch nicht abgeschlossenen Verhandlungen mit Norwegen und der Wirtschafts- und Währungsunion. Ich möchte hier noch einmal gerne sehr nachdrücklich feststellen, daß die Überlegung der spanischen Regierung, die Beitrittsländer — die dann schon längst Mitgliedsländer der Europäischen Union sein werden — nicht an der Abstimmung über die Einführung der dritten Stufe zu beteiligen, von uns in keiner Weise und niemals unterstützt werden kann. Es kann nicht angehen, daß man versucht, während der Beitrittsverhandlungen den Vertrag von Maastricht zu ändern.
Die deutsche Delegation hat die Verhandlungen mit Norwegen geführt. Wir sind, glaube ich, die Delegation, die am meisten und am nachdrücklichsten für den Erfolg der Verhandlungen mit Norwegen gesorgt hat. Wir werden uns hier entsprechend weiter bemühen, so daß es am nächsten Dienstagabend auch Norwegen für möglich hält, in die Europäische Union aufgenommen zu werden.

Dr. Rita Süssmuth (CDU):
Rede ID: ID1221200600
Herr Feldmann.

Dr. Olaf Feldmann (FDP):
Rede ID: ID1221200700
Frau Präsidentin, die Frau Staatsministerin hat soeben im Zusammenhang mit ihrem Bericht über die EG-Beitrittsverhandlungen



Dr. Olaf Feldmann
den in diesem Zusammenhang etwas ungewöhnlichen Fachbegriff „Beichtstuhlverfahren" gebraucht. Können Sie, Frau Staatsministerin, diesen Begriff etwas näher erläutern und Aufschluß darüber geben, wer wem gebeichtet hat?

Ursula Seiler-Albring (FDP):
Rede ID: ID1221200800
Es handelt sich hier nicht um ein Unterfangen, bei dem wir eine solche Einrichtung tatsächlich praktisch benutzen. Der Sinn des „Beichtstuhlverfahrens" ist vielmehr, daß man abseits einer größeren Öffentlichkeit unter vier oder sechs Augen — insofern unterscheidet sich das etwas vom Beichtstuhl; da sind normalerweise vier Ohren beteiligt —

(Heiterkeit)

versucht, eine schwierige Verhandlungsklippe zu umschiffen, d. h. hier ohne nachrangig Beteiligte tatsächlich zur Sache zu sprechen und ein Forum zu haben, wo man sich richtig austauschen und versuchen kann, ein Ergebnis zu erzielen. Das ist also das sogenannte Beichtstuhlverfahren.

Dr. Rita Süssmuth (CDU):
Rede ID: ID1221200900
Das erhöht die Attraktivität des Beichtens.
Waren Sie fertig, Herr Feldmann? — Dann Herr Kollege Martin Mayer.

Dr. Martin Mayer (CSU):
Rede ID: ID1221201000
Frau Staatsministerin, welche Zeitpläne bestehen, um gegenüber Österreich nicht nur die Zollschranken aufzuheben, sondern durch Einbeziehung in das Schengener Abkommen auch die Grenzkontrollen ganz abzubauen?

Ursula Seiler-Albring (FDP):
Rede ID: ID1221201100
Österreich muß seine Bereitschaft erklären, dem Schengener Übereinkommen beizutreten. Das wird mit Sicherheit im Rahmen dieses Beitrittsprozesses zu erwarten sein.

Dr. Rita Süssmuth (CDU):
Rede ID: ID1221201200
Herr Urbaniak.

Hans-Eberhard Urbaniak (SPD):
Rede ID: ID1221201300
Frau Staatsministerin, mir ist aus der ersten Antwort nicht ganz klargeworden: Ist es so, daß die Ökostandards der Österreicher auf die EU übertragen werden? Oder ist die Konsequenz der Verhandlungen, daß der Alpentransit im Jahre 2004 — wenn sich keine Vereinbarung darüber ergibt — so weiterlaufen wird wie bisher? Oder gibt es klare Ansätze, diesen Verkehr zu einem ganz hohen Prozentsatz auf die Schiene zu verlagern?

Ursula Seiler-Albring (FDP):
Rede ID: ID1221201400
Herr Kollege, daß es sinnvoll und anzustreben ist, diesen Verkehr auf die Schiene zu verlagern, ist völlig unbestritten.
Zu der Frage der Ökostandards: Ich habe vorhin schon gesagt, daß es das Ziel der Bundesregierung ist, im Rahmen der Europäischen Union konsequent darauf hinzuarbeiten, daß die Ökostandards, die die Grundlage für das Ökopunktesystem der österreichischen Regierung sind, für die Europäische Union verbindlich werden. Dies ist ein Prozeß, der nicht von heute auf morgen zum Erfolg führen wird. Aber es ist
die klare Absicht der Bundesregierung, dies anzustreben.

Dr. Rita Süssmuth (CDU):
Rede ID: ID1221201500
Danke, Frau Staatsministerin.
Meine Frage: Brauchen Sie zu dem Berichtspunkt zwei — Finanzierungskonzept der Magnetschwebebahnverbindung Berlin-Hamburg — noch einen Bericht, oder können wir gleich zu Fragen kommen? — Kurzer Bericht. Darf ich fragen, wer ihn gibt, Herr Minister Wissmann oder Herr Minister Krüger? — Wer nun? — Also Herr Minister Krüger.

Dr. Paul Krüger (CDU):
Rede ID: ID1221201600
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Bundeskabinett hat heute über die Einführung einer neuen Technologie in Deutschland entschieden und damit ein neues Kapitel in der Geschichte der Verkehrstechnologien aufgeschlagen. Das Konzept zum Bau einer Magnetschwebebahn ist genau 60 Jahre alt. Das erste Patent ist 1934 eingereicht worden.

(Wolf-Michael Catenhusen [SPD]: Das wissen wir doch!)

Wir haben jetzt nach 20 Jahren Entwicklung und Förderung ein einsatzreifes Verkehrssystem zur Verfügung. Die Einführung der Magnetschwebebahn als fünften Verkehrsträger demonstriert die Leistungsfähigkeit des Industriestandortes Deutschland.
Mit dem Transrapid verfolgen wir vier Punkte:
Erstens. Der Transrapid ist geeignet, Verkehr von der Straße und aus der Luft auf die neuartige Schiene zu verlagern. Das ist ein Beitrag zum Umweltschutz.
Zweitens. Der Transrapid vermag einen Beitrag zur Belebung der Wirtschaft durch technische Innovation zu leisten.
Drittens. Der Transrapid trägt ganz besonders zur Entwicklung der neuen Bundesländer bei.
Viertens. Mit dem Transrapid wird ein neues Finanzierungskonzept verwirklicht. Es bindet die Wirtschaft in einem weit höheren Maße in die Finanzierung ein, als das bislang bei Verkehrsinfrastrukturprojekten der Fall war. Die Wirtschaft trägt das volle Risiko des Betriebes des Transrapid. Sie hat dieses Risiko kalkuliert. Die Kosten des Bundes für den Fahrweg sind von gleicher Größenordnung wie für einen kompletten Neuausbau der ICE-Strecke Hamburg-Berlin. Aber die private Betreibergesellschaft zahlt dem Bund aus dem Fahrkartenerlös die Kosten für den Fahrweg zurück. Hier können also für den Bund enorme Kosten gegenüber konventionellen Modellen eingespart werden.
Das Kabinett hat heute den Verkehrsminister und mich aufgefordert, im Rahmen unserer jeweiligen Zuständigkeit die notwendigen weiteren Schritte einzuleiten. Nachdem nun 40 Jahre gebraucht worden sind, ehe die Entwicklung aufgenommen wurde, 20 Jahre für die Entwicklung verstrichen sind, hoffe ich, daß es gelingen wird, in einer Zeit von nur zehn Jahren tatsächlich die erste Anwendungsstrecke von Hamburg nach Berlin zu realisieren. Ich glaube, es ist



Bundesminister Dr.-Ing. Paul Krüger
ganz besonders wichtig, daß eine schnelle Realisierung erfolgt, denn sonst werden wir auch mit dieser neuen Technologie, mit diesem neuen Verkehrsträger, der Entwicklung und vor allem der Konkurrenz hinterherfahren.
Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)


Dr. Rita Süssmuth (CDU):
Rede ID: ID1221201700
Vielen Dank, Herr Minister. — Als erster der Kollege Klaus Daubertshäuser.

Klaus Daubertshäuser (SPD):
Rede ID: ID1221201800
Herr Minister, Sie haben die Betriebsgesellschaft angesprochen. In der Konzeption der Bundesregierung sah das so aus, daß in dieser Betriebsgesellschaft die Lufthansa und die neue Deutsche Bahn AG eine sehr wichtige Rolle spielen sollten, weil sie das Know-how haben, einen entsprechenden Betrieb zu führen.
Die Lufthansa hat erklärt, sie werde sich nicht an dieser Betriebsgesellschaft beteiligen. Der Aufsichtsrat der Deutschen Bahn AG hat am letzten Donnerstag kein grünes Licht für eine Beteiligung der Bahn AG gegeben. Also werden Sie sich heute im Kabinett darüber unterhalten haben, wie die Betriebsgesellschaft jetzt neu organisiert wird und welche Alternativen Sie an Stelle der Lufthansa und der Bahn AG anbieten. Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie die neue Struktur der Betriebsgesellschaft darstellen könnten.

Dr. Rita Süssmuth (CDU):
Rede ID: ID1221201900
Herr Minister Wissmann.

Matthias Wissmann (CDU):
Rede ID: ID1221202000
Herr Kollege Daubertshäuser, der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Bahn AG, Heinz Dürr, hat mir auch in dieser Woche ausdrücklich erklärt, daß er die feste Absicht habe, eine Beteiligung der Bahn AG am Transrapid zu verwirklichen. Er hat diesen Willen sowohl dem Vorstand wie auch dem Aufsichtsrat mitgeteilt. In einer ersten Runde im Aufsichtsrat ist darüber sorgfältig gesprochen worden. Es war klar, daß zuerst das Bundeskabinett die Gesamtentscheidung fällen muß — das ist heute positiv geschehen, nach enger Absprache mit dem Industriekonsortium —, bevor eine 100 %ige Tochter der Bundesrepublik Deutschland dann schließlich auch die notwendigen Vorstands- und Aufsichtsratsentscheidungen treffen kann. Wir gehen davon aus, daß diese Entscheidungen — in enger Absprache mit allen Beteiligten — in den nächsten Wochen und Monaten erfolgen werden, damit wir die gesamte Planung zeitgerecht verwirklichen können.
Der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Lufthansa hat mir ebenfalls mitgeteilt, daß die Lufthansa an der Realisierung dieses Projektes interessiert ist, zumal wir beide wissen, daß ein strategisches Ziel bei der Verwirklichung einer solchen Strecke die Verlagerung des Verkehrs von der Straße und vom regionalen Luftverkehr auf die Magnetbahn sein wird, so daß wir deswegen alle Verkehrsträger in das Konzept einbinden müssen.
In welcher Größenordnung sich die einzelnen Beteiligten dann schließlich an der Betriebsgesellschaft beteiligen, bleibt den Verhandlungspartnern vorbehalten. Die Grundentscheidung ist getroffen. Ich glaube, daß es ganz entscheidend ist, daß jetzt endlich klar ist: Öffentliche Garantien für den Betrieb des Transrapids wird die Bundesrepublik Deutschland nicht übernehmen. Hier hat die privatwirtschaftliche Betreibergesellschaft das Risiko. Der Staat engagiert sich bei der Streckenführung; das tut er übrigens auch bei der ICE-Strecke.
Wenn ich in wenigen Wochen die Gelegenheit haben werde, den Baubeginn der Strecke NürnbergIngolstadt-München vorzunehmen — Hochgeschwindigkeitssystem ICE —, dann diskutiert niemand, daß daraus ein erheblicher Aufwand auch für den Staat entsteht. Warum haben wir eigentlich eine solche Diskussion bei einem modernen Technologieprojekt wie dem Transrapid? Ich finde, wir müßten in Deutschland nicht nur die Kraft haben, intelligente Bedenken vorzutragen, sondern mit Blick auf die Zukunft auch kluge Entscheidungen zu treffen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)


Dr. Rita Süssmuth (CDU):
Rede ID: ID1221202100
Eine kurze Zusatzfrage, Herr Daubertshäuser.

Klaus Daubertshäuser (SPD):
Rede ID: ID1221202200
Herr Minister, habe ich Sie richtig verstanden, daß Sie im Kabinett keine Alternativen der Betriebsgesellschaft zur Lufthansa-Beteiligung und zur Bahn-AG-Beteiligung diskutiert haben?

(Ina Albowitz [F.D.P.]: Das fehlt uns noch!)

Sie kennen das Aktiengesetz. Sie wissen, daß es im Aufsichtsrat sehr starke Bedenken gab; die waren nicht an einen Regierungs- oder Kabinettsbeschluß gebunden. Habe ich Sie richtig verstanden, daß Sie — unabhängig von dieser Sachlage — am alten Konzept Betriebsgesellschaft festhalten?

Matthias Wissmann (CDU):
Rede ID: ID1221202300
Lieber Herr Kollege Daubertshäuser, ich kann Ihnen nur bestätigen, daß der Vorstandsvorsitzende der Bahn AG, Herr Dürr, mir in dieser Woche in einem intensiven Gespräch ausdrücklich versichert hat, daß er — so wie wir — den festen Willen hat, dieses Projekt zu verwirklichen.
Ich sage es ein bißchen blumig, meine Damen und Herren: Ich finde, unser Denken darf in Deutschland nicht an der Eisenbahnschwelle enden, sondern wir müssen die Kraft haben — wenn der Vorstandsvorsitzende der Bahn sie hat, könnten auch wir sie haben —, über die Eisenbahnschwelle hinaus nicht an einen Ersatz, aber an ein ergänzendes Zukunftsprojekt zu denken.
Ich will ausdrücklich erwähnen, daß ich froh bin, daß damit eine Vernetzung der Verkehrsträger gelingt; denn ohne die Vernetzung der Verkehrsträger könnten wir die Entscheidung nicht verantwortlich treffen.

Dr. Rita Süssmuth (CDU):
Rede ID: ID1221202400
Als nächster der Kollege Christian Lenzer.




Christian Lenzer (CDU):
Rede ID: ID1221202500
Frau Präsidentin! Meine Herren Bundesminister! Es versteht sich — am Rande gesagt —, daß wir die Entscheidung des Kabinetts sehr begrüßen. Der Haupteinwand, mit dem Sie, mit dem wir in der Zukunft werden rechnen müssen, ist der Einwand hinsichtlich des Finanzierungskonzeptes. Das ist deutlich geworden. Deshalb möchte ich Sie noch einmal bitten, zu sagen, von welchen Prämissen das Bundeskabinett bei seiner Entscheidung hinsichtlich des Finanzierungskonzeptes ausgegangen ist. Vor allen Dingen möchte ich Sie bitten, noch einmal die Gegenrechnung eines dann doch auch dringend notwendigen ICE-Streckenausbaus zwischen diesen beiden Punkten aufzumachen, damit wir endlich einmal die Zahlen kennen und auf der Grundlage von Fakten diskutieren können.

Dr. Rita Süssmuth (CDU):
Rede ID: ID1221202600
Bevor der Minister antwortet, stelle ich fest, daß wir die Regierungsbefragung auf Grund des Fragebedarfs bis viertel vor zwei verlängern.

Matthias Wissmann (CDU):
Rede ID: ID1221202700
Herr Kollege Lenzer, die Privatwirtschaft stellt über eine zu gründende Betriebsgesellschaft sämtliche für den Betrieb der Magnetschwebebahn erforderlichen Wirtschaftsgüter zur Verfügung. Die Kostenschätzungen, die erarbeitet worden sind, gehen von einem Volumen von 3,3 Milliarden DM aus.
Den Fahrweg schafft die öffentliche Hand durch ihre Investitionen. Geschätztes Volumen: 5,6 Milliarden DM. Das Finanzierungskonzept, das wir mit der Industrie abgesprochen haben, sieht vor, daß durch ein Nutzungsentgelt, das die private Betreibergesellschaft im Laufe der Jahre bezahlt, über 2 Milliarden DM wieder an den Bund zurückfließen, so daß auf dem Stand der Preise des Jahres 1993 für die Bundesrepublik netto 3,6 Milliarden DM Kosten als Fahrweginvestition entstünden.
Eine alternative ICE-Strecke mit einem Geschwindigkeitsgrad von 350 Kilometern würde bei Vollausbau etwa 51/2 Milliarden DM kosten, also etwa dieselbe Summe, wie wir sie für den Transrapid einkalkuliert haben. Würden wir uns mit begrenzten Ausbaumaßnahmen begnügen, würden wir beim ICE auf eine Größenordnung von etwa 21/2 Milliarden DM kommen. Allein daraus sehen Sie schon, daß wir nicht vor der Frage stehen, ob wir in dem einen Fall Geld ausgeben und in dem anderen nicht, sondern daß wir vor der Frage stehen: Wie können wir auf der Strecke Hamburg-Berlin ein Hochgeschwindigkeitssystem sinnvoll organisieren? In jedem Falle müßte sich der Staat engagieren. Nur, in dem einen Fall treffen wir nicht nur eine verkehrspolitische, sondern gleichzeitig auch eine eminent technologiepolitische und wirtschaftspolitische Entscheidung.
Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich denke, es ist auch im Sinne des Kollegen Krüger, wenn ich sage: Wenn wir in Deutschland nicht in der Lage sind — Industrie und Politik gemeinsam und übrigens auch über Parteigrenzen hinweg —, große industriepolitische Entscheidungen gegen eine immer große Zahl von Bedenkenträgern durchzusetzen, dann können wir auch keine neuen Arbeitsplätze schaffen. Wir reden hier über 10 000 hochqualifizierte Arbeitsplätze. Wir reden auch — etwa in Mecklenburg-Vorpommern — über Regionalpolitik. Deswegen freue ich mich, zu hören, daß die Signale aus den Senaten von Berlin und Hamburg zu dem Projekt nicht negativ, sondern positiv sind. Wir werden die weiteren Arbeiten in enger Abstimmung mit den beiden Regierungen von Hamburg und Berlin vorantreiben und hoffen auch auf eine aufgeschlossene Haltung der Opposition, damit wir große Dinge gemeinsam durchsetzen können.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Dr. Rita Süssmuth (CDU):
Rede ID: ID1221202800
Als nächster der Kollege Wolf-Michael Catenhusen.

Wolf-Michael Catenhusen (SPD):
Rede ID: ID1221202900
Herr Minister Wissmann, es ist ja nicht so, daß eine Entscheidung schon damit intelligent ist, daß man feststellt, sie sei intelligent. Über zwei Dinge könnte man sich hier sehr wohl unterhalten: einmal darüber, wie der Widerspruch aufzulösen ist, daß Sie heute für die ICE-Strecke Hamburg-Berlin Kosten von über 5 Milliarden DM nennen, während im Bundesverkehrswegeplan nur 2,4 Milliarden DM vorgesehen sind. Zu fragen ist auch, welchen Sinn es, verkehrspolitisch gesehen, macht, den Transrapid von Anfang an in Konkurrenz zum ICE zu setzen.
Der Kern meiner Frage bezieht sich — da es hier auch sehr stark um Kosten geht — auf folgendes: Können Sie zum gegenwärtigen Zeitpunkt ausschließen, daß, um die Innenstädte von Hamburg und Berlin zu erreichen, eine Tunnellösung gewählt werden muß, und hat die Bundesregierung die Konsequenzen einer solchen Tunnellösung für das Gesamtfinanzierungskonzept bereits geprüft? Das heißt, wie teuer würde eine Aasschließung dieser Strecke an die Innenstädte von Hamburg und Berlin durch eine Tunnellösung werden? Ich hoffe ja, daß Sie das alles schon durchgerechnet haben.

Matthias Wissmann (CDU):
Rede ID: ID1221203000
Herr Kollege Catenhusen, ich will Ihnen zunächst die Zahlen nennen, die wir von allen Fachexperten für Ausbaumaßnahmen im Rad-Schiene-Bereich für eine Strecke, die wir sonst bauen müßten, wenn wir den Transrapid nicht verwirklichen würden, bekommen haben. Würden wir uns auf einen Ausbau für 220 km/h für Neigetechnikzüge beschränken, würden wir bei einem Investitionsvolumen von rund 1,2 Milliarden DM landen. Dieses würde aber nach Meinung aller beteiligten Fachleute nicht genügen.
Würden wir uns auf den Neubau eines ca. 100 km langen Abschnittes zwischen Boizenburg und Wittenberge konzentrieren, würden wir dann mit einem Investitionsaufwand von etwa 2,6 Milliarden DM und einer Fahrzeit von ca. 82 Minuten rechnen müssen. Würden wir aber einen Vollausbau der Strecke für eine Geschwindigkeit von 350 km/h auf einer weitgehend kompletten Strecke zwischen Hamburg-Bergedorf und Berlin-Spandau vorsehen, hätten wir mit einem Investitionsvolumen von ca. 5,4 Milliarden DM zu rechnen. Das sind die objektiven Zahlen, die den Planern und Fachleuten seit langem vorliegen.
Ich möchte auch im Blick auf die in der Bahnpolitik Engagierten ausführen, daß die Bahn bei ihren bisherigen Planungen davon ausgeht, daß im Falle des Baus



Bundesminister Matthias Wissmann
einer Hochgeschwindigkeitsstrecke im Jahre 2010 etwa 9 Millionen Passagiere diese benutzen würden. Also kann doch die Annahme nicht so unrealistisch sein, daß bei dem weltweit einzigartigen Fall einer Magnetbahn Größenordnungen von mehr als 10 Millionen Passagieren erreichbar sind, zumal wir wissen, daß bei der Strecke Paris-Lyon des TGV die ursprüngliche Passagierzahl vor Realisierung dieser Strecke mit 6 Millionen angesetzt wurde und jetzt bei 20,4 Millionen liegt. Das heißt, eine große technologische Zukunftsentscheidung hat auch für die Passagierzahlen und damit für das Verkehrsvolumen eine erheblich positive Wirkung.
Was die Frage angeht, wie wir in die Innenstädte hineinkommen, konnte natürlich in diesem Planungsstand noch keine Entscheidung getroffen werden. In Frage kommen in Hamburg der Hauptbahnhof genauso wie Billwerder-Moorfleet, in Berlin das Westkreuz und Spandau als denkbare Haltepunkte. Wir werden uns natürlich mit den Regierungen von Berlin und Hamburg sehr sorgfältig abstimmen, welcher Weg gefunden werden soll, ob dafür Tunnelprojekte notwendig sind oder nicht.
Meine Damen und Herren, eines will ich klar sagen. Eine Entscheidung über das letzte Komma der Kosten konnte zu keinem einzigen Zeitpunkt bei irgendeiner traditionellen Hochgeschwindigkeitsstrecke in Deutschland bisher erarbeitet werden. Wir haben auch hier genau dieselben Annahmen zugrunde gelegt, die die Bahn üblicherweise bei der Erarbeitung anderer Hochgeschwindigkeitsstrecken zugrunde legt. Insofern sind die Annahmen genauso realistisch, wie sie bei den übrigen Strecken sind oder nicht sind. Es kommt dann jeweils auf den Blickwinkel des Betrachters an.

Dr. Rita Süssmuth (CDU):
Rede ID: ID1221203100
Damit die anderen überhaupt noch eine Chance haben, darf ich bitten, daß wir kürzer fragen und kürzer antworten.
Sie haben jetzt noch eine Zusatzfrage. Sie kann nur ganz kurz sein; Ihre Frage beinhaltete nämlich schon zwei Fragen.

Wolf-Michael Catenhusen (SPD):
Rede ID: ID1221203200
Herr Wissmann, ich kann also davon ausgehen, daß Sie erstens bestätigen, daß aus den Erfahrungen der Strecke Paris-Lyon etwa eine Verdrei- oder Vervierfachung des Passagieraufkommens zu erwarten ist — das wäre die Zahl 9 Millionen und nicht 14,5 Millionen —, und zweitens kann ich ebenfalls davon ausgehen, daß nach Ihrem gegenwärtigen Planungsstand die Transrapidstrecke in Spandau enden wird und nicht in das Zentrum von Berlin weitergeführt wird?

(Ina Albowitz [F.D.P.]: Das hat er alles nicht gesagt!)


Matthias Wissmann (CDU):
Rede ID: ID1221203300
Ich kann beides nicht bestätigen. Wir haben schon jetzt, wenn man das gesamte Verkehrsaufkommen nimmt, auf der Strecke Passagierzahlen von 3 bis 4 Millionen. Würden Sie diese Zahl verdreifachen, landeten Sie nicht bei 9, sondern bei 12 bis 13 Millionen.

(Vorsitz: Vizepräsident Hans Klein)

Das wäre innerhalb der Rentabilitätsrechnung des Industriekonsortiums.
Im übrigen kann ich nur noch einmal sagen: Keine der Annahmen ist nicht hinterfragbar. Ich habe nie behauptet, daß es nicht einen klugen Widerspruch gegen solche Annahmen geben könnte. Nur, meine Damen und Herren, dieses gibt es bei jedem einzelnen großen Verkehrs- oder Industrieprojekt.
Die Frage ist nur: Sind die Beteiligten aus den politischen Gruppen oder aus der Industrie bereit, Entscheidungen zu treffen, oder verweigern sie die Entscheidung über Jahre mit der Folge, daß wir den Transrapid dann endgültig ins Museum fahren lassen können.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Hans Klein (CSU):
Rede ID: ID1221203400
Frau Kollegin Sothmann.

Bärbel Sothmann (CDU):
Rede ID: ID1221203500
Meine Herren Bundesminister, ich habe hier eine Presseverlautbarung aus der „FAZ" vom 22. Februar dieses Jahres vor mir liegen. Darin stellt der BUND die Behauptung auf: Der Transrapid wird ein neues Milliardengrab. Er behauptet noch mehrere Dinge, wie z. B.: Er sei ein Energiefresser, kein flüsternder, sondern ein dröhnender Pfeil und ähnliche Dinge.
Was mich sehr beunruhigt — und das veranlaßt mich auch zu meiner Frage —, ist: Hier steht u. a., daß die Magnetschwebebahn keine neue Hochtechnologie sei, sondern sie sei schon eine Technologie aus den 70er Jahren. Mich wundert, daß hier nicht steht, daß sie schon aus dem Jahre 1934 stammt, als der Erfinder Kemper sein Patent für ein elektromagnetisches Schwebesystem erhielt.
Es steht außerdem darin: Die Entscheidung, den Transrapid statt der Bahn zu fördern, habe die Entwicklung des ICE um zehn Jahre verzögert. Mich interessiert jetzt: Was halten Sie von dieser Aussage? Sehen Sie einen Zusammenhang zwischen ICE und Transrapid und, wenn ja, welchen? Und vor allem: Wie hoch ist der Technologievorsprung zu den anderen jetzt wirklich?

Hans Klein (CSU):
Rede ID: ID1221203600
Frau Kollegin, das wäre das Redekonzept für einen mittleren Debattenbeitrag des Ministers von etwa einer halben Stunde.
Ich habe jetzt noch acht Fragebegehren vorliegen, und wir haben noch acht Minuten Zeit. Ich werde die Befragung nicht weiter verlängern. Ich bitte doch sehr herzlich, daß sich sowohl Fragende als auch Antwortende auf kurze Interventionen beschränken.
Bitte, Herr Minister.

Dr. Paul Krüger (CDU):
Rede ID: ID1221203700
Verehrte Frau Sothmann, ich werde versuchen, mich ganz kurz zu fassen.
Was den Vorwurf des Energiefressers anbelangt, so liegt der Energieverbrauch des Transrapid nach objektiven Vergleichen um ein Drittel niedriger als bei der derzeitigen ICE-Technologie bzw. TGV-Technologie.



Bundesminister Dr.-Ing. Paul Krüger
Die Lautstärke ist nach Messungen, die von deutschen und französischen Instituten vorgenommen worden sind, so, daß der — ich möchte Sie hier nicht mit den detaillierten Dezibelzahlen behelligen — ICE leiser ist als der TGV und daß der Transrapid deutlich leiser ist als beide.
Man könnte es vereinfacht so sagen: Die Lautstärke, die der Transrapid bei 400 km/h verursacht, ist etwa so hoch wie die Lautstärke des ICE bei 300 km/h.
Das erklärt sich daraus, daß der Transrapid strömungstechnisch viel günstiger auszulegen ist. Dort fehlen eine ganze Reihe von Bauteilen, wie Drehgestelle, Stromabnehmer usw., die bei hohen Geschwindigkeiten Geräusche verursachen. Zum zweiten finden keine mechanischen Berührungen statt, so daß keine mechanischen Geräusche entstehen, sondern nur aerodynamische Strömungsgeräusche verursacht werden. Diese sind allerdings bei keiner Bahn vermeidbar.
Es kommt darauf an, wie belastbar eine Region ist. Auf dem freien Land könnte man erheblich schneller fahren als etwa durch Städte.
Was den Vorwurf, der Transrapid sei keine Hochtechnologie, anbelangt, so möchte ich antworten: Daß die Idee schon 60 Jahre alt ist, heißt noch lange nicht, daß es keine Hochtechnologie ist. Die Realisierungsmöglichkeit hat sich erst mit der Entwicklung weiterer Technologien ergeben — bis hin zur Mikroelektronik, die in ganz starkem Maße im Transrapid realisiert wird.
Der Entwicklungsvorsprung zu den USA und insbesondere zu Japan, wo sehr intensiv an der Entwicklung der Magnetschwebetechnologie gearbeitet wird, beträgt nach Einschätzung von Fachleuten etwa vier bis fünf Jahre. Wir dürfen diesen Vorsprung nicht verpassen.
Den Vorwurf, durch die Entwicklung des Transrapid zehn Jahre Verzögerung des ICE verursacht zu haben, vermag ich nicht nachzuvollziehen.
Mir ist allerdings bekannt, daß durch — ich sage einmal — übergroße Bedenken seinerzeit, die vielleicht vergleichbar sind mit den Bedenken, die wir heute bei der Einführung des Transrapid haben, die Einführung des ICE um etwa zehn Jahre verzögert wurde und daß wir deshalb heute einige Probleme bei der internationalen Vermarktung des ICE haben, obwohl die technische Perfektion des ICE auch nach Meinung von Fachleuten unbestritten besser ist als die des TGV.

Bärbel Sothmann (CDU):
Rede ID: ID1221203800
Danke.

Hans Klein (CSU):
Rede ID: ID1221203900
Kollege Josef Vosen, bitte.

Josef Vosen (SPD):
Rede ID: ID1221204000
Herr Wissmann, ich bin an und für sich — das ist bekannt — ein Befürworter der Technologie

(Zuruf von der CDU/CSU: Sehr gut!)

und habe das auch immer sehr offensiv vertreten. Ich hätte auch gerne, daß dieses System ein Erfolg würde.

(Zuruf von der CDU/CSU: Nur an und für sich?)

Ich fürchte aber, daß es Risiken finanzieller und juristischer Art gibt und daß auch noch technologische Probleme bezüglich der Anwendung da sind.

(Zurufe von der CDU/CSU: Frage!)

Ich denke, daß die Probleme einer Transrapidstrecke zwischen Hamburg und Berlin so groß sind, daß sie dieses System zu einem Phantomzug verkommen lassen werden. Haben Sie nicht Angst, daß Sie durch diese Entscheidung insgesamt das System Transrapid im Grundsatz gefährden?

Hans Klein (CSU):
Rede ID: ID1221204100
Herr Bundesminister Wissmann.

Matthias Wissmann (CDU):
Rede ID: ID1221204200
Herr Kollege Vosen, diesen Zweifel habe ich nicht, zumal alle Daten, die wir bei der Annahme zugrunde gelegt haben, seriös und realistisch sind, ja sogar einige der Prognosen, die zugrunde gelegt worden sind, etwa über die Entwicklung der Einwohnerzahlen im Raum Hamburg, durch die Realität übertroffen worden sind. Mit anderen Worten: Wir gehen von seriösen Kalkulationsgrundlagen aus.
Wenn Sie es mir nicht glauben, dann glauben Sie es bitte dem Vorstandsvorsitzenden von Siemens, Heinrich von Pierer, der öffentlich wie intern erklärt hat, daß nicht nur diese Entscheidung notwendig ist, sondern daß auch das Finanzierungskonzept auf soliden Annahmen beruht.

Hans Klein (CSU):
Rede ID: ID1221204300
Frau Kollegin Trudi Schmidt.

Trudi Schmidt (CDU):
Rede ID: ID1221204400
Nur eine kurze Frage: Kann der Transrapid auch Güter transportieren?

Dr. Paul Krüger (CDU):
Rede ID: ID1221204500
Der Transrapid ist auf der Anwendungsstrecke, die wir heute im Kabinett entschieden haben, nicht dafür vorgesehen. Prinzipiell ist das aber möglich, und langfristig auch vorgesehen, insbesondere für den Transport von hochwertigen Eilgütern, wie das auch mittlerweile in umfangreichem Maße im Flugverkehr passiert.
Einen Transport von Massengütern auf der Bahn durchzuführen, halte ich ohnehin für nicht besonders günstig, sondern da ist, glaube ich, das Wasser mittlerweile wesentlich besser geeignet.

(Wolf-Michael Catenhusen [SPD]: Wo wir es haben!)

— Wo wir es haben, natürlich, Herr Catenhusen.

Hans Klein (CSU):
Rede ID: ID1221204600
Frau Kollegin Siegrun Klemmer.

Siegrun Klemmer (SPD):
Rede ID: ID1221204700
Herr Minister, Sie haben unter Ihren vier Punkten als dritten den Transrapid als



Siegrun Klemmer
ein ganz positives Entwicklungsprojekt für die neuen Länder bezeichnet.
Mich interessiert doch sehr, wie Sie z. B. im Hinblick auf das Arbeitsplatzpotential oder auch sonst hinsichtlich der Stärkung der strukturschwachen Regionen — bei den neuen Ländern kann es sich ja nur um Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern handeln — die prognostizierten Zahlen für realistisch halten, 12 000 Arbeitsplätze während der Realisierungsphase zu schaffen, wenn man doch davon auszugehen hat, daß die Fahrgastprognosen besagen, daß ein Teil der Fahrgäste von der Bahn weggenommen wird, und daß das wiederum bedeutet, daß die Bahn auch weniger produzieren wird. Bahn wird gerade in den neuen Ländern produziert.
Können Sie dazu einmal ein bißchen auf Grund Ihrer Prognosen sagen, oder gibt es die noch gar nicht?

(Heinrich Lummer [CDU/CSU]: Hat er doch gesagt!)

— Nein, hat er nicht.

Dr. Paul Krüger (CDU):
Rede ID: ID1221204800
Verehrte Frau Kollegin, es gehen eine ganze Reihe von positiven Impulsen vom Transrapid aus. Da sind wir sehr zuversichtlich.
Zum ersten werden natürlich mit dem Bau des Transrapid in Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg oder Berlin und im Umfeld Menschen beschäftigt. Wir schätzen den Bedarf während der Bauphase auf jährlich etwa 8 000 bis 10 000 Beschäftigte. Viel genauer kann man das im Moment nicht sagen, diese Zahlen erscheinen aber seriös. Wie viele Menschen davon in den neuen Bundesländern beschäftigt werden, vermag ich nicht einzuschätzen.
Einen wichtigen Effekt gibt es dann natürlich beim Betrieb. Beim Betrieb wird Wartungspersonal und für den Haltepunkt, der in Mecklenburg-Vorpommern vorgesehen ist, Bahnhofspersonal beschäftigt. Eine Menge von Arbeitsplätzen ergeben sich, glaube ich, später vor allem bei der Fertigung des Exportgutes Transrapid.
Es ist bekannt, daß Verkehrsknotenpunkte immer auch Orte mit besonderem Wirtschaftswachstum sind. Bei der Strecke Paris-Lyon hat sich der Haltepunkt Lille, der auf der Strecke liegt, wirtschaftlich in ganz besonderer Weise entwickelt, nachdem der TGV eingeführt worden ist. So gehe ich davon aus, daß sich auch im Raum Schwerin, dem Haltepunkt des Transrapid in Mecklenburg-Vorpommern, eine positive Entwicklung vollziehen wird.
Von diesen positiven Effekten sind auch die neuen Bundesländer überzeugt.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Hans Klein (CSU):
Rede ID: ID1221204900
Die für die Befragung der Bundesregierung vorgesehene Zeit inklusive einer Verlängerung ist abgelaufen. Ich beende die Befragung.

(Christian Lenzer [CDU/CSU]: Wir danken dem Präsidium für seine vorzügliche Leitung!)

Ich rufe Punkt 2 der Tagesordnung auf: Fragestunde
— Drucksache 12/6892 —
Die zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten von der Kollegin Lieselott Blunck (Uetersen) gestellte Frage 2 soll schriftlich beantwortet werden. Das gleiche gilt für die Frage 3 des Kollegen Horst Kubatschka zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit. Zur Beantwortung steht uns die Parlamentarische Staatssekretärin Dr. Sabine Bergmann-Pohl zur Verfügung.
Ich rufe Frage 4 der Kollegin Susanne Kastner auf:
Mit welchen Ergebnissen werden Milch und andere landwirtschaftliche Produkte in den mit Umweltaltlasten belasteten Regionen in den neuen Ländern auf Schadstoffbelastungen untersucht, und welche Maßnahmen müssen ergriffen werden, um die gesetzlichen Grenzwerte in Lebensmitteln und im Trinkwasser einhalten zu können?
Ich bitte um Beantwortung.

Dr. Sabine Bergmann-Pohl (CDU):
Rede ID: ID1221205000
Frau Kollegin Kastner, aus der Sicht der Bundesregierung ist festzustellen, daß auf Grund des Einigungsvertrags in den neuen Bundesländern dieselben lebensmittelrechtlichen Vorschriften anzuwenden sind, die in den alten Bundesländern gelten. Somit findet die Lebensmittelüberwachung in allen Fällen, also auch in mit Umweltaltlasten belasteten Regionen, statt. Das trifft auch auf die Untersuchung von Milch und anderen landwirtschaftlichen Erzeugnissen auf Schadstoffbelastungen zu. In diesen Fällen ist ohnehin weitgehend G emeinschaftsrecht anzuwenden.
Das Bundesministerium für Gesundheit fördert derzeit ein Forschungsvorhaben „Bundesweites Lebensmittelmonitoring neue Bundesländer", bei dem entsprechende Untersuchungen auch in den mit Umweltaltlasten belasteten Regionen durchgeführt werden. Dieses Vorhaben wird vom Bundesgesundheitsamt koordiniert. Aus den bisher vorliegenden Ergebnissen läßt sich keine besonders auffällige Belastung der im Rahmen des Monitoring beprobten Lebensmittel mit Rückständen von Pflanzenschutzmitteln oder Schadstoffen aus der Umwelt erkennen. Inwieweit von der amtlichen Lebensmittelüberwachung Belastungsgebiete intensiver kontrolliert werden bzw. ob in solchen Gebieten überhaupt noch Lebensmittel produziert werden, ist der Bundesregierung nicht bekannt.
Schadstoffbelastungen des Trinkwassers in Regionen mit Umweltaltlasten können im Einzelfall zwar nicht ausgeschlossen werden. Die bisherigen Untersuchungen im Rahmen des Sofortprogramms 1990, im Rahmen der laufenden Eigenüberwachung der Wasserversorgung und im Rahmen der amtlichen Kontrolle nach § 19 der Trinkwasserverordnung lassen aber den Schluß zu, daß in der ehemaligen DDR auch in Regionen mit Umweltaltlasten auf Trinkwasserschutzzonen ausreichend Rücksicht genommen wurde. Die Vorschriften des § 15 der Trinkwasserver-



Parl. Staatssekretärin Dr. Sabine Bergmann-Pohl
ordnung, für deren Vollzug die örtlichen Behörden verantwortlich sind, werden daher grundsätzlich für ausreichend gehalten, um die gesetzlichen Grenzwerte im Trinkwasser gewährleisten zu können.

Hans Klein (CSU):
Rede ID: ID1221205100
Zusatzfrage, Frau Kollegin.

Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1221205200
Frau Staatssekretärin, wie beurteilt das Bundesgesundheitsministerium die Tatsache der kontaminierten Milch im Raum Bitterfeld, die im Zusammenhang mit der Verseuchung der Auen des Flüßchens Mulde steht?

Dr. Sabine Bergmann-Pohl (CDU):
Rede ID: ID1221205300
Frau Kollegin Kastner, wir haben diese Umweltbelastung zur Kenntnis genommen. Soweit uns bekannt ist, sind die Milch und die Milchprodukte sofort vernichtet und die Rinder entsorgt worden.

Hans Klein (CSU):
Rede ID: ID1221205400
Zweite Zusatzfrage.

Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1221205500
Frau Staatssekretärin, was plant das Gesundheitsministerium zu tun, um die Aufklärung in der Bevölkerung voranzutreiben, nachdem eine für mich recht unverständliche Ignoranz von seiten der Bevölkerung festzustellen ist?

Dr. Sabine Bergmann-Pohl (CDU):
Rede ID: ID1221205600
Frau Kollegin, Sie wissen, daß wir alle uns zur Verfügung stehenden Mittel nutzen, um die Bevölkerung aufzuklären. Hier ist es aber ausschließlich Sache der zuständigen Landesbehörden, entsprechende Maßnahmen zu ergreifen und die Bevölkerung aufzuklären.

Hans Klein (CSU):
Rede ID: ID1221205700
Zusatzfrage, Herr Kollege Horst Peter.

Horst Peter (SPD):
Rede ID: ID1221205800
Frau Staatssekretärin, sind Sie im Zusammenhang mit der Überschwemmung der Mulde nicht der Auffassung, daß es notwendig wäre, sich mit den Quellen der Belastung auseinanderzusetzen und damit dafür zu sorgen, daß die Altlasten sinnvoll bekämpft werden, statt lediglich die kontaminierte Milch aus dem Verkehr zu ziehen?

Dr. Sabine Bergmann-Pohl (CDU):
Rede ID: ID1221205900
Herr Kollege, ich stimme mit Ihnen darin völlig überein. Aber wie Sie wissen, sind da ausschließlich die Landesbehörden zuständig.

Hans Klein (CSU):
Rede ID: ID1221206000
Ich rufe die Frage 5 auf, die unser Kollege Klaus Kirschner gestellt hat:
Auf welchen konkreten Annahmen fußt die vom Bundesminister für Gesundheit gegebene Vorausschätzung für 1994, die er nach § 270 a SGB V zu treffen hat und die von einer durchschnittlichen Veränderung der beitragspflichtigen Einnahmen der Mitglieder aller Krankenkassen von +3,2 Prozent (West) und 7,5 Prozent (Ost) ausgeht?
Ich bitte um Beantwortung.

Dr. Sabine Bergmann-Pohl (CDU):
Rede ID: ID1221206100
Herr Kollege Kirschner, nach der Gesetzesbegründung zu § 270 a SGB V hat die Vorausschätzung auf der Grundlage der relevanten gesamtwirtschaftlichen Daten zu erfolgen. Dabei ist insbesondere die Einschätzung der Bruttolohn- und -gehaltssumme je beschäftigten Arbeitnehmer zugrunde zu legen, wie
sie im Jahreswirtschaftsbericht der Bundesregierung vorgenommen wird. Dort lautet die Schätzung für 1994: Bruttolohn- und -gehaltssumme je beschäftigten Arbeitnehmer für die alten Länder rund 2 % und für die neuen Länder 6,5 bis 7,5 %.
Neben den Daten des Jahreswirtschaftsberichts sind auch die Daten der gesetzlichen Krankenversicherung zu berücksichtigen. Dabei wirkt sich besonders die Veränderung der Beitragsbemessungsgrenze aus, die von 1993 auf 1994 in den alten Bundesländern um 5,6 % und in den neuen Bundesländern um 11,3 % gestiegen ist.
Die Gesamtschätzung der beitragspflichtigen Einnahmen erfolgte auf der Grundlage eines wissenschaftlich erstellten Simulationsmodells.

Hans Klein (CSU):
Rede ID: ID1221206200
Zusatzfrage.

Klaus Kirschner (SPD):
Rede ID: ID1221206300
Frau Staatssekretärin, wie beurteilen Sie denn diese Vorausschätzung nach § 270 a SGB V tatsächlich vor dem Hintergrund der laufenden Tarifverhandlungen? Ich darf daran erinnern, daß der Bundeskanzler von einer Nullrunde für den öffentlichen Dienst gesprochen hat. Ich darf ferner daran erinnern, daß, was beispielsweise die Verhandlungen im Metallbereich angeht, auf der Arbeitgeberseite sogar von einer Minusrunde die Rede ist. Wie kommt die Bundesregierung —jetzt einmal abzüglich der Anhebung der Bemessungsgrenze — auf eine Zahl von 3,2 % vor dem Hintergrund dieser Fakten in der laufenden Tarifrunde?

Dr. Sabine Bergmann-Pohl (CDU):
Rede ID: ID1221206400
Herr Kollege Kirschner, die Schätzung des Bundesministeriums für Gesundheit auf der Basis einer wissenschaftlichen Untersuchung bedeutet die bestmögliche Berücksichtigung aller relevanten Einflußfaktoren. Ich darf Ihnen vielleicht sagen, daß über 150 Gleichungen verschiedenster Art in die Berechnung eingeflossen sind. Gegenüber dem Prognosemodell für 1993, das, wie Sie wissen, sehr kurzfristig erstellt werden mußte, basiert das jetzt genutzte Simulationsmodell auf einem Vielfachen von Einflußgrößen und Beziehungen sowie auf den entsprechenden längerfristigen Zeitreihen.
Im übrigen darf ich hinsichtlich der Tarifverhandlungen ergänzen, daß ich bester Hoffnung bin, daß die wirtschaftliche Lage von beiden Verhandlungspartnern real eingeschätzt wird und daher ein vernünftiger Tarifabschluß zustande kommt.

Hans Klein (CSU):
Rede ID: ID1221206500
Herr Kollege Kirschner, Sie haben eine weitere Zusatzfrage.

Klaus Kirschner (SPD):
Rede ID: ID1221206600
Das war zwar nicht die Antwort auf meine Frage, aber gut.
Frau Staatssekretärin, Sie wissen, daß die 3,2 % auf der Leistungsanbieterseite, also bei den Ärzten, Zahnärzten usw., zu entsprechenden Forderungen geführt haben. Was passiert, Frau Staatssekretärin, wenn jetzt diese 3,2 % für den Westen bzw. die 7,5 % für den Osten nicht erreicht werden? Welche Garantien gibt es dann auf Grund dieser Verhandlungsgrundlagen, daß durch die Kassen, wenn auf Grund dieser Vorausschätzung zuviel Gelder in die Verträge einfließen,



Klaus Kirschner
entsprechende Rückforderungen erfolgen können? Ich darf auch daran erinnern, Frau Staatssekretärin, daß durch die Änderungen im Arbeitsförderungsgesetz die Bemessungsgrundlage auf 80 % der bisherigen Bemessung zurückgeht.

Dr. Sabine Bergmann-Pohl (CDU):
Rede ID: ID1221206700
Herr Kollege Kirschner, Sie wissen, daß die Prognosen auch eine Unterschätzung darstellen können, wie es letztes Jahr der Fall war. Wir hatten in den neuen Bundesländern die Grundlohnentwicklung auf 9,5 % geschätzt; tatsächlich lag sie weit darüber.
Sie wissen, daß wir im Gesundheits-Strukturgesetz festgelegt haben, daß in dem darauffolgenden Jahr die veränderten Zahlen Grundlage für die erneuten Verhandlungen sind.

Hans Klein (CSU):
Rede ID: ID1221206800
Bitte, Herr Kollege Peter.

Horst Peter (SPD):
Rede ID: ID1221206900
Mit Bezug auf Ihre Antwort frage ich Sie: Spielen im Ministerium denn Überlegungen nach Rückforderungen eine Rolle?

Dr. Sabine Bergmann-Pohl (CDU):
Rede ID: ID1221207000
Nein, ich habe gesagt: Dafür sind die Verhandlungspartner zuständig. Das heißt, die Verhandlungspartner müssen im darauffolgenden Jahr die wirkliche Entwicklung der Grundlohnsumme in die Verhandlungen mit einbringen.

Hans Klein (CSU):
Rede ID: ID1221207100
Weitere Zusatzfragen? — Das ist nicht der Fall. Frau Parlamentarische Staatssekretärin, ich bedanke mich für die Beantwortung der Fragen.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Post und Telekommunikation auf. Die Antworten wird uns der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Paul Laufs geben.
Ich rufe die Frage 6 auf, die der Kollege Horst Peter (Kassel) gestellt hat:
Trifft es zu, daß die Generaldirektion der POSTDIENSTE die Zahl der bei ihr geführten Konten von rechtsextremen und neonazistischen Organisationen ermittelt hat?
Bitte, Herr Parlamentarischer Staatssekretär.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1221207200
Herr Präsident, gestatten Sie bitte, daß ich die beiden Fragen des Herrn Kollegen wegen des Sachinhalts zusammenfassend beantworte.

Hans Klein (CSU):
Rede ID: ID1221207300
Wenn der Kollege einverstanden ist. — Dann rufe ich auch die Frage 7 des Kollegen Horst Peter (Kassel) auf:
Ist die Bundesregierung bereit, darauf hinzuwirken, daß diese Konten gekündigt werden?
Dr. Paul Laufs, Parl. Staatssekretär: Danke.
Herr Kollege Peter, bei der Deutschen Bundespost Postbank wurde im Bereich der Öffentlichkeitsarbeit eine institutsinterne Recherche durchgeführt, in deren Rahmen u. a. Zeitschriften und Werbematerialien verfassungsfeindlicher, insbesondere auch rechtsextremer oder neonazistischer Gruppen gesammelt wurden, die ein Konto der Deutschen Bundespost Postbank angeben. Soweit aus Sicht des Unternehmens auf Grund des vorliegenden Materials ein Verstoß gegen Straftatbestände offensichtlich ist, werden die betreffenden Girokonten gelöscht. Dies war bei Kontoverbindungen mit rechtsextremem Hintergrund bisher zweimal der Fall.
Die Bundesregierung begrüßt die Bemühungen des Unternehmens gegen die Einbindung verfassungsfeindlicher Gruppierungen in den legalen Finanzkreislauf.
Die rechtlichen Möglichkeiten der Deutschen Bundespost Postbank, Konten rechtsradikaler Organisationen zu kündigen, sind jedoch beschränkt. Gemäß § 8 des Postgesetzes ist jedermann berechtigt, die Dienste der Deutschen Bundespost Postbank unter üblichen Bedingungen in Anspruch zu nehmen, es sei denn, Gründe des öffentlichen Interesses stehen dem entgegen. Auch nach der Rechtsprechung rechtfertigt der Umstand, daß ein Kontoinhaber dem rechtsradikalen Umfeld zuzurechnen ist, für sich allein noch keine Kontolöschung seitens des Unternehmens.
Nur wenn konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, daß die im Zusammenhang mit Dienstleistungen der Deutschen Bundespost Postbank durchgeführte Tätigkeit der betreffenden Personen oder Organisationen Straftatbestände — z. B. nach § 130 StGB, Volksverhetzung, oder nach § 185 StGB, Beleidigung — verwirklicht, darf die Deutsche Bundespost Postbank aus Gründen des öffentlichen Interesses nach § 8 Abs. 2 des Postgesetzes die Inanspruchnahme ihrer Einrichtungen verweigern bzw. nach ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen aus wichtigem Grund fristlos kündigen.

Hans Klein (CSU):
Rede ID: ID1221207400
Zusatzfrage, Herr Kollege Peter.

Horst Peter (SPD):
Rede ID: ID1221207500
Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung der Auffassung, daß auch die im Verfassungsschutzbericht 1992 aufgeführten rechtsextremen Organisationen und Personen wie FAP, HNG, Nazi-Müllers, Mainz, DVU, NPD, Deutsche Liga, Nation Europa Verlag, Peter Dehoust, Europa vorn, Manfred Rouhs, DSG-inform, Heinz-Dieter Hansen, Verlag Diagnosen, Eckehard Franke Gricksch und auch die unter dem Namen „Todesliste" bekanntgewordene Nazi-Zeitschrift „Der Einblick " unter die von Ihnen in die Wege geleiteten Maßnahmen fallen müßten?
Dr. Paul Laufs, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Peter, die Tatsache, daß ein Postkunde ein Straftäter ist oder unter Beobachtung des Verfassungsschutzamtes steht, ist allein noch kein hinreichender Grund, ihm z. B. seinen Telefonanschluß oder sein Postgirokonto zu kündigen. Die Kündigung von Konten aus Gründen des öffentlichen Interesses setzt voraus, daß ein relevanter Zusammenhang zwischen dem Zahlungsverkehr und offensichtlich rechtswidrigen Aktivitäten besteht. Das muß zunächst offengelegt werden.

Hans Klein (CSU):
Rede ID: ID1221207600
Zweite Zusatzfrage.




Horst Peter (SPD):
Rede ID: ID1221207700
Herr Staatssekretär, ist unter den von Ihnen genannten Kautelen die Interpretation richtig, daß — möglicherweise durch rechtliche Hemmnisse — der Geldverkehr rechtsextremer Organisationen, der ja eine wesentliche Basis für rechtsextreme Aktivitäten bedeutet, unbehelligt bleibt?
Dr. Paul Laufs, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Peter, das können Sie aus meiner Antwort nicht schließen. Man kann Postgirokonten natürlich, wie ich dargestellt habe, kündigen, wenn der Zusammenhang zwischen rechtswidrigen Aktivitäten und Zahlungsverkehr offenkundig ist. Es gibt neben den zwei von mir bereits genannten noch eine Reihe von anderen Fällen, in denen solche Zusammenhänge gegenwärtig recherchiert werden.

Hans Klein (CSU):
Rede ID: ID1221207800
Dritte Zusatzfrage.

Horst Peter (SPD):
Rede ID: ID1221207900
Herr Staatssekretär, meine letzte Zusatzfrage: Wäre die Bundesregierung angesichts der Tatsache, daß privatrechtlich organisierte Banken Konten von Kunden aus diesem Umfeld mit dem Argument der Geschäftsschädigung gekündigt haben, bereit, in diesem Sinne auf die Postbanken hinzuwirken, in gleicher Weise vorzugehen?
Dr. Paul Laufs, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Peter, wenn Sie hier Parallelen zu anderen Banken und Sparkassen ziehen, dann müssen Sie den Unterschied sehen, der darin liegt, daß die Banken und Sparkassen nach ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen Geschäftsverbindungen ohne Angabe von Gründen kündigen können. Die Deutsche Bundespost Postbank kann hinsichtlich der hier diskutierten Problematik nur kündigen, wenn es aus Gründen des öffentlichen Interesses notwendig ist.
Sie sehen, es ist im Bereich der Postbank sehr viel schwieriger, solche Geschäftsverbindungen abzubrechen.

Hans Klein (CSU):
Rede ID: ID1221208000
Zusatzfrage, Kollege Dr. Krause.

Dr. Rudolf Karl Krause (CDU):
Rede ID: ID1221208100
Herr Staatssekretär, betreffen Ihre Erkenntnisse auch Materialien oder Konten von Verbänden der Partei „Die Republikaner", die ja im Europäischen Parlament und in einem Landesparlament vertreten ist und der auch ich angehöre? Wie wird im Einzelfall — gleichgültig, um wen es sich handelt — durch Beweisaufnahmen abgesichert, daß es sich bei solchen strafrechtlich relevanten Pamphleten nicht um Fälschungen durch Provokateure handelt?
Dr. Paul Laufs, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Krause, mir sind hinsichtlich der von Ihnen genannten Partei keine Hinweise bekannt. Ich habe bereits darauf hingewiesen, daß ein strafrechtsrelevanter Zusammenhang offensichtlich vorliegen und sehr sorgfältig recherchiert sein muß, damit die Deutsche Bundespost Postbank eingreifen kann.

(Dr. Rudolf Karl Krause [Bonese] [fraktionslos]: Danke schön!)


Hans Klein (CSU):
Rede ID: ID1221208200
Herr Kollege Wallow.

Hans Wallow (SPD):
Rede ID: ID1221208300
Herr Staatssekretär, Sie schilderten zwei Fälle, in denen Konten gelöscht wurden. Welche strafrechtsrelevanten Kriterien waren in diesen beiden Fällen gegeben?
Dr. Paul Laufs, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Wallow, in den zwei genannten Fällen war ein Verstoß gegen Straftatbestände gegeben, da bereits einschlägige rechtskräftige Strafurteile vorlagen.

Hans Klein (CSU):
Rede ID: ID1221208400
Herr Kollege Lowack.

Ortwin Lowack (CSU):
Rede ID: ID1221208500
Herr Staatssekretär, ohne jede Betroffenheit, nur um hier einer gewissen Hysterie vorzubeugen: Gibt es eine Enumeration dieser rechtsextremen und neonazistischen Organisationen? Oder wird die Festlegung in freier Berufsausübung oder vielleicht nach dem Anruf irgendeines Parteivorsitzenden getroffen? Und gibt es eine besondere Attraktivität dieser Postbankkonten für bestimmte Gruppen, so daß diese einen Anlaß haben, ein Konto gerade bei der Postbank zu eröffnen?
Dr. Paul Laufs, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich habe schon dargestellt, daß die Kündigung von Postgirokonten eine sehr sorgfältige Prüfung im Hinblick auf die Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses voraussetzt. Möglicherweise existieren gerade deshalb einige dieser Konten bei der Postbank.
Was die Straftatbestände anlangt, so handelt es sich in der Regel um politische Äußerungen von extremistischen politischen Gruppierungen. Hier sind einschränkende Maßnahmen nach den Art. 5 und 21 des Grundgesetzes unterhalb der Strafrechtsrelevanz nach ständiger Rechtsprechung verfassungsrechtlich nicht vertretbar. Deshalb existiert hier eine relativ hohe Schwelle, die überwunden werden muß, bevor Konsequenzen gezogen werden können.

Hans Klein (CSU):
Rede ID: ID1221208600
Weitere Zusatzfragen zu diesem Themenbereich? — Das ist nicht der Fall. Dann bedanke ich mich bei Ihnen, Herr Parlamentarischer Staatssekretär.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung auf. Zur Verfügung steht uns Herr Staatssekretär Wighard Härdtl.
Ich rufe die Frage 8 des Abgeordneten Hans Wallow auf:
Auf welchen persönlichen Erfahrungen oder wissenschaftlichempirisch abgesicherten Analysen beruhen die Aussagen des Bundesministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Carl-Dietrich Spranger, über eine „nicht vorhandene Ausländerfeindlichkeit" in Deutschland in der „Neuen Osnabrücker Zeitung" vom 22. Februar 1994?
Ich bitte um Beantwortung.

(Das Mikrophon am Platz des Staatssekretärs ist zunächst nicht eingeschaltet — Zurufe von der SPD: Erst abrufen, dann einschalten und warten! — Wenn Rot kommt, geht's los! — Bei Rot geht's immer los!)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1221208700
Vielen Dank für die Hilfestellung! Meine Erfahrungen in diesem Hohen Hause sind nicht so groß.



Staatssekretär Wighard Härdtl
Herr Abgeordneter, auf Ihre Frage antworte ich wie folgt: Bundesminister Carl-Dieter Spranger hat davor gewarnt, aus Übergriffen gewalttätiger Extremisten eine Ausländerfeindlichkeit der Deutschen generell abzuleiten. Die Toleranzbereitschaft der Deutschen wird aus dem täglichen Zusammenleben mit Ausländern ebenso deutlich wie aus empirischen Untersuchungen.

Hans Klein (CSU):
Rede ID: ID1221208800
Zusatzfrage? — Bitte.

Hans Wallow (SPD):
Rede ID: ID1221208900
Herr Staatssekretär, der Bundeskanzler hat an mehreren Stellen die Ausländerfeindlichkeit und die ausländerfeindlichen Ekzesse der Vergangenheit kritisiert. Will sich Herr Spranger, indem er in der „Neuen Osnabrücker Zeitung" feststellt, daß es keine Ausländerfeindlichkeit gebe, dazu in Widerspruch stellen?
Wighard Härdtl, Staatssekretär: Wenn Sie das Interview vollständig gelesen haben,

(Hans Wallow [SPD]: Hier ist es!)

so werden Sie feststellen, daß Minister Spranger sehr deutlich Übergriffe kritisiert hat und auch eine strafrechtliche Verfolgung gefordert hat. Aber es ist ein Unterschied, ob man davon spricht, daß es in Deutschland Übergriffe gegeben hat, oder ob man den Deutschen generell Ausländerfeindlichkeit unterstellt. Gegen diese Unterstellung hat sich Minister Spranger gewandt.

Hans Klein (CSU):
Rede ID: ID1221209000
Zweite Zusatzfrage.

Hans Wallow (SPD):
Rede ID: ID1221209100
In diesem Interview spricht er auch davon, daß man dies auch zum Wahlkampfthema machen müsse. Mir ist dabei nicht ganz klar geworden: Meint er damit die vorhandene Ausländerfeindlichkeit oder die nicht vorhandene Ausländerfeindlichkeit?
Wighard Härdtl, Staatssekretär: Er meint damit, daß man sich mit diesem Thema auseinandersetzen muß, und zwar gleichermaßen mit der Frage der einzelnen Übergriffe als auch mit der Asylthematik insgesamt, weil man dieses wichtige Thema, das nachweislich eine große Mehrzahl der Bevölkerung interessiert, nicht extremistischen Gruppierungen und Radikalen überlassen darf.

Hans Klein (CSU):
Rede ID: ID1221209200
Zusatzfrage des Kollegen Lowack.

Ortwin Lowack (CSU):
Rede ID: ID1221209300
Das Schlimme ist, daß man hier am Mikrophon abwarten muß, bis Dauerrot eingetreten ist. Flackerndes Rot könnte man noch akzeptieren.
Herr Staatssekretär, kann bei den Äußerungen des Ministers auch eine Rolle gespielt haben, daß es in der Zwischenzeit durchaus auch Erfahrungen gibt, daß die Ausländerfeindlichkeit in anderen westlichen Industriestaaten manchmal wesentlich stärker als in Deutschland ist, wenn auch mit anderen Ausdrucksformen?
Wighard Härdtl, Staatssekretär: Es ist richtig, daß es das Phänomen der radikalen Gruppierungen leider auch in anderen Ländern gibt. Die Auffassung des
Ministers ist, daß man dem offensiv entgegentreten sollte.

Hans Klein (CSU):
Rede ID: ID1221209400
Zusatzfrage des Kollegen Peter.

Horst Peter (SPD):
Rede ID: ID1221209500
Herr Staatssekretär, im Zusammenhang mit dem Interview von Herrn Minister Spranger wurde auch die Formulierung gebraucht:
Aber wir haben in Deutschland keine rechtsextremistischen, neonationalsozialistischen Großorganisationen, geschweige denn eine verbreitete Ausländerfeindlichkeit.
Hat der Herr Minister bei dieser Feststellung berücksichtigt, daß wir laut Verfassungsschutzbericht 1992 in der Bundesrepublik etwa 42 000 Mitglieder in über 80 Gruppierungen von rechtsextremen Organisationen haben? Dabei ist von Organisationen wie den Republikanern überhaupt noch nicht die Rede. Erhalten Sie unter diesen Bedingungen die Aussage aufrecht?
Wighard Härdtl, Staatssekretär: Herr Abgeordneter, ich glaube, wir können uns noch glücklich schätzen, daß wir in Deutschland keine radikalen Großorganisationen, gleich welcher Richtung, haben. Natürlich sind 42 000 Rechtsextremisten 42 000 zuviel. Aber bezogen auf die Grundeinstellung der Bürgerinnen und Bürger dieses Landes, auf 74 Millionen Deutsche und etwa 6 Millionen Ausländer, die in Deutschland leben, ist dies doch nicht eine Zahl, bei der man von Großorganisation sprechen kann.

Hans Klein (CSU):
Rede ID: ID1221209600
Kollege Kubatschka.

Horst Kubatschka (SPD):
Rede ID: ID1221209700
Herr Staatssekretär, der Minister spricht — das ist jetzt wörtlich — von gar nicht vorhandener Ausländerfeindlichkeit und Rassismus in Deutschland. Bei solchen Aussagen muß es doch Untersuchungen geben. Oder waren die Fanale der Ausländerfeindlichkeit, die man verfolgen konnte, für den Minister gar nicht vorhanden?
Wighard Härdtl, Staatssekretär: Herr Abgeordneter, es tut mir leid, Sie korrigieren zu müssen, denn die Formulierung „in Deutschland" steht so nicht im Text.

Hans Klein (CSU):
Rede ID: ID1221209800
Weitere Zusatzfragen zur Frage 8 werden nicht gestellt.
Dann rufe ich die Frage 9 des Kollegen Wallow auf:
Wie will die Bundesregierung verhindern, daß Aussagen wie die des Bundesministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung in der „Neuen Osnabrücker Zeitung" —„(...) die ständigen Demonstrationen gegen angebliche, aber gar nicht vorhandene Ausländerfeindlichkeit und Rassismus (...) (sind) nichts anderes als ein Identifikationsthema für unverbesserliche Sozialisten (...)" - die Akzeptanz für weitere Anschläge auf ausländische Mitbürgerinnen und Mitbürger erhöhen und ausländerfeindliches Verhalten in Teilen der Bevölkerung fördern?
Ich bitte um Beantwortung, Herr Staatssekretär.
Wighard Härdtl, Staatssekretär: Herr Abgeordneter, die Aussagen von Bundesminister Spranger lassen diesen Schluß nicht zu. Ganz im Gegenteil hat Mini-



Staatssekretär Wighard Härdtl
ster Spranger auf eine ganz entschiedene Bekämpfung von rechtsradikalen Straftaten gedrängt.

Hans Klein (CSU):
Rede ID: ID1221209900
Zusatzfrage, Herr Kollege? — Bitte.

Hans Wallow (SPD):
Rede ID: ID1221210000
In meiner Frage ging es ja um die Demonstrationen gegen Ausländerfeindlichkeit als „Identifikationsthema der unverbesserlichen Sozialisten". Darauf haben Sie jetzt nicht geantwortet.
Meine Frage ist: Meinen Sie nicht auch, daß das demokratische Engagement, das dort auf unseren Straßen zum Ausdruck kam, zum Ansehen der Deutschen in der Welt beigetragen hat?
Wighard Härdtl, Staatssekretär: Herr Abgeordneter, dies ist eine politische Bewertungsfrage. Man kann feststellen, daß in Deutschland etwa drei Viertel der Bevölkerung nach empirischen Untersuchungen für ein Recht auf politisches Asyl eintreten und daß Ausländer und Deutsche generell — bei diesen großen Zahlen — sehr gut zusammenleben. Darüber, daß man daraus im Ausland — auch auf Grund von Demonstrationen dieser Art — den Schluß zieht, es gebe hier eine verbreitete Ausländerfeindlichkeit, muß man diskutieren.
Ich habe ebenso wie der Minister bei Gesprächen mit ausländischen Stipendiaten, die nach Deutschland kommen, festgestellt, daß sie mit gewissen Sorgen hierherkommen und nach einiger Zeit in Gesprächen sagen: Wir haben soviel von großen Demonstrationen gehört und gelesen, so daß wir meinten, es müsse ja ganz furchtbar sein, als Ausländer in Deutschland zu leben; und jetzt stellen wir fest, wie freundlich wir aufgenommen werden.
Das sind Einzelstimmen. Man muß aber, wenn man solche Aktionen startet, auch sehen, welche Wirkungen man damit im Ausland hervorruft. Auf dieses Wechselverhältnis hat Minister Spranger abgestellt.

Hans Klein (CSU):
Rede ID: ID1221210100
Die zweite Zusatzfrage, bitte.

Hans Wallow (SPD):
Rede ID: ID1221210200
Herr Präsident, wir werden immer ermahnt, daß wir bei der Frage bleiben sollen. Ich bitte, dann und wann auch einmal einen Hinweis an die Regierungsmitglieder zu geben. Der Herr Staatssekretär ist nicht bei der Frage geblieben.

Hans Klein (CSU):
Rede ID: ID1221210300
Herr Kollege, ich kann zwar das Haus ermahnen, aber ich habe keine Ordnungsgewalt über die Bundesregierung.

Hans Wallow (SPD):
Rede ID: ID1221210400
Vielen Dank. Ich versuche es noch einmal. Herr Staatssekretär, wie würden Sie denn die Demonstrationen gegen Ausländerfeindlichkeit in der Vergangenheit bewerten?
Wighard Härdtl, Staatssekretär: Diese Demonstrationen haben nach Auffassung des Ministers — er hat dies ja deutlich gemacht — darauf hingewirkt, daß die Übergriffe von wenigen Radikalen, die entschieden bekämpft werden müssen — der Minister hat das ausdrücklich gesagt —, im Ausland in einer Dimension gesehen wurden, die der wahren Realität des
Zusammenlebens mit Ausländern in Deutschland nicht entspricht.

Hans Klein (CSU):
Rede ID: ID1221210500
Kollege Kubatschka, bitte.

Horst Kubatschka (SPD):
Rede ID: ID1221210600
Herr Staatssekretär, welcher Zusammenhang besteht nach den Ausführungen des Herrn Ministers zwischen der Zuwanderung aus Drittländern und Ausländerfeindlichkeit?
Wighard Härdtl, Staatssekretär: Das Hauptproblem liegt natürlich in der illegalen Zuwanderung und auch in der Frage, daß ein Großteil der Asylantragsteller aus anderen als politischen Gründen hierherkommt. Die statistischen Unterlagen des Bundesministers des Innern weisen dies eindeutig aus.

Hans Klein (CSU):
Rede ID: ID1221210700
Ich habe jetzt nicht schnell genug geschaltet; aber, Herr Kubatschka, diese Zusatzfrage stand nicht mehr im Zusammenhang mit der Frage. Herr Wallow hatte mich abgelenkt, deshalb lief es so durch.
Herr Staatssekretär, ich bedanke mich für die Beantwortung.
Die Frage 10 der Kollegin Lieselott Blunck wird schriftlich beantwortet werden. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Justiz auf. Der Parlamentarische Staatssekretär Rainer Funke steht zur Beantwortung der Fragen zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 23 des Kollegen Rainer Jork auf:
Welche gerechte Möglichkeit sieht die Bundesregierung, durch Mieter bzw. Bewohner von Häusern in der DDR im Sinne des Erhalts und/oder Ausbaus dieser Häuser erbrachte Eigenleistungen bei nun laufenden oder erfolgten Rückübertragungen angesichts der Tatsachen zu berücksichtigen, daß Rechnungsnachweise für Eigenleistungen und meist auch für Material nicht vorliegen können, daß ohne erhebliche Eigenleistungen die Grundstücke/Gebäude in der Regel verfallen wären, diese Leistungen damals erheblich waren und von den Eigentümern oder deren Beauftragten hätten geleistet werden müssen, heute aber bei formaler Umrechnung relativ gering oder verjährt scheinen, und daß sich die Grundstückspreise inzwischen erheblich änderten?

Rainer Funke (FDP):
Rede ID: ID1221210800
Herr Kollege, die in der ehemaligen DDR von Mietern vorgenommenen Erhaltungs-
und Ausbaumaßnahmen werden im Rahmen laufender Rückübertragungsverfahren sowie nach erfolgter Rückübertragung von Eigentumsrechten nach dem Vermögensgesetz angemessen berücksichtigt, so daß eine Gesetzesänderung insoweit nicht erforderlich ist.
Vor dem 19. Oktober 1989 von einem redlichen Erwerber eines Grundstücks oder Gebäudes in wesentlichem Umfang vorgenommene werterhöhende oder substanzerhaltende Investitionen führen nach § 4 Abs. 2 Satz 2, zweiter Halbsatz, Buchstabe c des Vermögensgesetzes auch dann zu einem Ausschluß der Rückübertragung, wenn das Grundstück oder Gebäude erst nach dem 18. Oktober 1989 veräußert worden ist. Das Vorliegen der Voraussetzungen



Parl. Staatssekretär Rainer Funke
dieses Ausschlußtatbestandes ist von der zuständigen Behörde von Amts wegen festzustellen.
Mit der Rückübertragung des Eigentums an einem Grundstück oder Gebäude tritt der Alteigentümer nach § 16 Abs. 2 Satz 1 des Vermögensgesetzes in bestehende Mietverträge ein. Der Mieter kann dann ihm zustehende Ersatzansprüche für getätigte Aufwendungen und Investitionen gegen den Eigentümer geltend machen. Im Falle eines Rechtsstreits muß er allerdings nach den allgemeinen zivilprozessualen Grundsätzen das Vorliegen der Voraussetzungen des Ersatzanspruchs darlegen und beweisen.
Eine Ausnahme von diesen Grundsätzen kommt hier trotz etwaiger Beweisschwierigkeiten des Mieters nicht in Betracht; denn die bloße Behauptung des Mieters, Erhaltungs- und Ausbaumaßnahmen vorgenommen zu haben, kann für die Begründung eines Ersatzanspruches nicht genügen. Eine Beweislastumkehr kommt ebenfalls nicht in Betracht, weil der Alteigentümer erst recht nicht den Beweis erbringen kann, daß der Mieter keine Aufwendungen und Investitionen getätigt hat, die Ersatzansprüche begründen würden; denn Erhaltungs- und Ausbaumaßnahmen des Mieters können nicht der Sphäre des Eigentümers zugerechnet werden, insbesondere dann nicht, wenn sie während der Dauer des Eigentumsentzugs vorgenommen worden sind.
Im übrigen ist zu bedenken, daß angesichts der sehr geringen Mieten in der ehemaligen DDR die Erhaltung des Mietobjekts in gewisser Weise als Teil der Gegenleistung des Mieters für die Überlassung des Wohnraums angesehen werden muß.
Ersatzansprüche des Mieters werden in der Regel noch nicht verjährt sein, da die Ersatzansprüche nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch sowie der Anspruch auf angemessene Entschädigung für bauliche Veränderungen nach dem Zivilgesetzbuch der ehemaligen DDR erst mit der Beendigung des Mietverhältnisses entstehen.
Soweit Ersatzansprüche wegen Mängelbeseitigung nach dem Zivilgesetzbuch der ehemaligen DDR bereits verjährt sind, rechtfertigt dies nicht ihre nachträgliche Berücksichtigung, weil dem Mieter zwei Jahre zur Geltendmachung seines Anspruchs zur Verfügung standen und er sich auch durch Aufrechnung seiner Aufwendungen mit dem Mietpreis befriedigen konnte.
Entschuldigen Sie, die Antwort ist etwas länger geworden; dafür ist sie aber um so ausführlicher und, so glaube ich, auch begründeter.

Hans Klein (CSU):
Rede ID: ID1221210900
Zusatzfrage.

Dr.-Ing. Rainer Jork (CDU):
Rede ID: ID1221211000
Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär.
Die erste Zusatzfrage: Welche Möglichkeit sehen Sie angesichts der Tatsache, daß aus meiner Sicht und Erfahrung die Ansprüche der Betroffenen nicht ausreichend und angemessen berücksichtigt werden, daß eine Verjährung — das sprachen Sie an — eintreten kann und daß vor allem Probleme infolge der Umrechnung von Leistungen, die damals erbracht wurden, auftreten können? Einerseits wird nämlich in D-Mark
umgerechnet, und andererseits ist der Umstand eingetreten, daß die Grundstücke im Wert ja erheblich höher sind, als es den Bedingungen damals in der DDR entsprach.
Rainer Funke, Parl. Staatssekretär: Da schneiden Sie, Herr Abgeordneter, eine Reihe von Fragen an, die jeweils unterschiedlich danach zu behandeln sind, wie die tatsächliche Rechtslage bzw. die tatsächlichen Verhältnisse gewesen sind.
Ich habe ausgeführt, daß noch nicht verjährte Ansprüche geltend gemacht werden können. Soweit Sie darlegen, daß beim Umrechnungsverhältnis Schwierigkeiten entstehen können, kann ich sagen, daß wir auch dort gesetzliche Vorschriften vorgesehen haben, wonach eine Umrechnung im Verhältnis 2 : 1 erfolgt.

Hans Klein (CSU):
Rede ID: ID1221211100
Eine weitere Zusatzfrage.

Dr.-Ing. Rainer Jork (CDU):
Rede ID: ID1221211200
Herr Staatssekretär, wie, meinen Sie, können möglicherweise Leistungen ohne Rechnungsnachweis — das sprachen Sie an —, erstens bezogen auf direkte, persönlich erbrachte Eigenleistungen, für die gar keine Rechnungen vorliegen können, berücksichtigt werden? Zweitens, wie können Leistungen, die im Sinne der Unterstützung oder der Beförderung von Fremdleistungen erbracht worden sind, angerechnet werden? Ich will andeuten, daß die 7 Mark pro Stunde nie ausreichten, die man den dienstlich Befaßten gab; es mußte zugezahlt werden. Und wie kann drittens auch Materialbereitstellung durch den Mieter berücksichtigt werden, ohne daß entsprechende Rechnungen vorliegen?
Rainer Funke, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, Beweise können unterschiedlich erbracht werden. Sie können natürlich durch Urkunden, also in diesem Fall durch Rechnungen, erbracht werden. Es gibt aber auch andere Beweismittel, z. B. den Zeugenbeweis. Da gilt natürlich der alte Anwaltsschnack, entschuldigen Sie, wenn ich es auf Hamburgisch sage: Zeugenbeweis ist der schlechteste Beweis. Es ist also immer am besten, Sie haben Urkunden. Und wenn Sie die nicht haben, müssen Sie versuchen, durch Zeugenbeweis, gegebenenfalls auch vor Gericht, diese Ansprüche geltend zu machen.

Hans Klein (CSU):
Rede ID: ID1221211300
Weitere Zusatzfragen zu dieser Frage werden nicht gestellt.
Dann rufe ich die Frage 24 auf, die unser Kollege Arnulf Kriedner gestellt hat:
Plant die Bundesregierung Initiativen, um den immer weiter um sich greifenden Mißbrauch einzudämmen, der dadurch betrieben wird, daß kurzfristig gegründete und dann sehr schnell wieder liquidierte Firmen insbesondere an mittelständische Betriebe Werbesendungen in Form von „Rechnungen" vornehmen, mit denen sie unberechtigt in ultimativer Form Zahlungen für Leistungen anfordern, die noch nicht erbracht worden sind oder möglicherweise nie erbracht werden sollen?
Bitte, Herr Parlamentarischer Staatssekretär.
Rainer Funke, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Kriedner, gestatten Sie bitte, daß ich die beiden



Parl. Staatssekretär Rainer Funke
Fragen, die Sie gestellt haben, im Sachzusammenhang beantworte.

Hans Klein (CSU):
Rede ID: ID1221211400
Dann rufe ich auch die Frage 25 unseres Kollegen Kriedner auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß solche Aktionen in verstärktem Umfang unternommen worden sind oder unternommen werden und daß sie in mittelständischen Firmen mit einem geringen Umfang an Büropersonal versehentlich zu Zahlungen führen, die wegen der Arbeitsweise der obengenannten ominösen Firmen nicht mehr zurückgefordert werden können?
Rainer Funke, Parl. Staatssekretär: Der Bundesregierung ist bekannt, daß z. B. von sogenannten Telefaxdiensten Angebote versandt werden, die als Rechnung ausgestaltet sind, die also für den Empfänger so aussehen, als ob es eine Rechnung sei. Das Versenden solcher Angebote verstößt eindeutig gegen geltendes Recht. Die Bundesregierung hält deswegen Gesetzesänderungen nicht für erforderlich.
Die Gerichte haben wiederholt entschieden, daß in solchen Fällen — unabhängig davon, ob gezahlt wird oder nicht — ein Verstoß gegen die §§ 1 und 3 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb — UWG — vorliegt. Das OLG Hamm hat schon in einem Urteil vom 26. Mai 1988 u. a. ausgeführt, das Versenden solcher „Rechnungen" sei sittenwidrig im Sinne des § 1 UWG, weil ersichtlich darauf abgezielt werde, es auszunutzen, daß in Unternehmen der Zahlungsverkehr häufig in anderen Händen liege als der geschäftliche Verkehr.
Je nach den Umständen des Einzelfalls kann auch § 4 UWG — strafbare Werbung — verletzt sein.
Wer die §§ 1, 3 und 4 UWG verletzt, kann vor den Zivilgerichten auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, und zwar von dem Verletzten, von Wettbewerbern, von Verbänden zur Förderung gewerblicher Interessen, von Verbraucherverbänden und von Industrie- und Handelskammern. Das ist alles in § 13 Abs. 2 UWG geregelt.
Die §§ 1 und 13 Abs. 6 UWG räumen dem Verletzten ferner einen Anspruch auf Schadenersatz ein, der dahin gehen kann, daß bezahlte Beträge zurückgezahlt werden müssen und der Getäuschte aus einem zustande gekommenen Vertrag nicht auf Erfüllung in Anspruch genommen werden kann. Dies hat der BGH im Zusammenhang mit der Frage der Durchsetzbarkeit sogenannter Folgeverträge erst kürzlich entschieden — wenn Sie es nachlesen wollen: diese Entscheidung vom 7. Oktober 1993 ist abgedruckt in der NJW 1993 auf den Seiten 3329 und 3330 —, allerdings nicht so sehr unter Schadenersatzgesichtspunkten, sondern weil die Durchsetzung solcher Verträge selbst gegen § 1 UWG verstößt.
Schließlich kommt im Einzelfall eine Strafbarkeit wegen Betruges nach § 263 StGB jedenfalls dann in Betracht, wenn eine Gegenleistung nicht erbracht wird oder nicht erbracht werden soll. Hierüber haben im konkreten Einzelfall dann die zuständigen Strafverfolgungsbehörden der Länder zu entscheiden.

Hans Klein (CSU):
Rede ID: ID1221211500
Daß man nach der Länge dieser Antwort noch eine Zusatzfrage haben kann,
Herr Kollege Kriedner! Aber Sie haben ein Recht darauf. Bitte.

Arnulf Kriedner (CDU):
Rede ID: ID1221211600
Herr Präsident! Herr Staatssekretär, ich danke Ihnen zunächst einmal für die rechtliche Darlegung. Ich frage Sie, ob Sie Verständnis dafür haben, wenn ich mit der Antwort trotzdem nicht ganz zufrieden bin und wenn ich zweitens darauf hinweise — ich habe das auch in Frage 25 getan —, daß sehr viele dieser Firmen, die so betrügerisch Geld erlangen, zum Zeitpunkt der juristischen Belangung gar nicht mehr existieren, also bereits liquidiert sind, und daß dieses inbesondere für kleinere mittelständische Firmen schon eine erhebliche Belastung darstellen kann.
Ich darf Sie fragen, ob Sie wissen, daß z. B. allein in meinem Wahlkreis — in der Rhön — solche Rechnungen in einem Umfang verschickt worden sind, der in die Hunderte geht, und daß es dort sehr kleine Betriebe gibt, die mit der Rechtslage der Bundesrepublik Deutschland noch nicht so vertraut sind und die dort einen Gefährdungsgrad erreicht haben, wenn sie Rechnungen in Höhe von ein paar tausend Mark bezahlt haben — in der Annahme, sie zahlten zu Recht — und erst dann festgestellt haben, daß das nicht so ist.
Sieht die Bundesregierung Möglichkeiten, wenigstens im Bereich ihrer Öffentlichkeitsarbeit diesen Sachverhalt so darzustellen, daß man diesem Mißbrauch mit öffentlich wirksamen Mitteln entgegenwirkt?
Rainer Funke, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Kriedner, mir sind solche Tatbestände auch aus meiner früheren anwaltlichen Tätigkeit durchaus bekannt. Es ist auch bei meinen Mandanten vorgekommen, daß sie solche Rechnungen bekommen haben. Sie haben mich dann um anwaltlichen Rat gebeten, und ich habe Ihnen gesagt, was sie zu tun haben.
Der Bundesregierung sind solche Tatbestände hinreichend bekannt. Wir arbeiten — auch was die Öffentlichkeitsarbeit angeht — gegen diese unseriösen Praktiken. Die Verbände, die im Wettbewerbsbereich tätig sind — es gibt eine Reihe von sehr angesehenen Wettbewerbsvereinen —, arbeiten ebenfalls massiv gegen diese unseriösen Praktiken.

Hans Klein (CSU):
Rede ID: ID1221211700
Herr Kriedner, ich sehe, Sie haben keine Frage mehr. Theoretisch hätten Sie noch drei Zusatzfragen stellen dürfen. — Vielen herzlichen Dank.
Die Frage 25 ist bereits beantwortet worden.
Dann rufe ich die Frage 26 auf, die der Abgeordnete Ortwin Lowack gestellt hat:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß schwere Schäden und Benachteiligungen von Kindern dadurch vorgezeichnet sind, daß in der Auseinandersetzung zwischen Eltern im Scheidungs-
und Sorgerechtsverfahren und der Flucht eines Elternteils in ein anderes europäisches Land, z. B. die Niederlande, unterschiedliche gerichtliche Entscheidungen, jeweils auf Betreiben der beiden Elternteile, ergehen können, und welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, diese Kollisions- und Konfliktfälle zu lösen?
Rainer Funke, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Lowack, miteinander unvereinbare Entscheidungen



Parl. Staatssekretär Rainer Funke
in Sorgerechtsangelegenheiten in und außerhalb von Scheidungsverfahren in verschiedenen Staaten können nachteilige Auswirkungen auf Kinder haben. Abhilfe bewirken internationale Übereinkünfte, die in bezug auf Sorgerechtssachen die direkte internationale Zuständigkeit und das Verhältnis von Verfahren in verschiedenen Vertragsstaaten zueinander regeln sowie die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen sichern.
Die Bundesrepublik Deutschland hat das Haager Übereinkommen vom 5. Oktober 1961 über die Zuständigkeit der Behörden und das anzuwendende Recht auf dem Gebiet des Schutzes von Minderjährigen ratifiziert. Dieses Übereinkommen, dem neben den Niederlanden noch acht weitere europäische Staaten angehören, enthält einheitliche Regelungen der internationalen Zuständigkeit für Schutzmaßnahmen und sichert ihre Anerkennung.
Schutzmaßnahmen im Sinne dieses Übereinkommens sind auch Entscheidungen über das Sorgerecht außerhalb von Scheidungsverfahren sowie im Zusammenhang mit Scheidungsverfahren. Die Vertragsstaaten unterrichten sich gegenseitig über laufende Verfahren.
Die Bundesrepublik Deutschland hat ferner das Haager Übereinkommen vom 25. Oktober 1980 über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführungen ratifiziert, das außer für die Niederlande für 18 weitere europäische Staaten gilt.
Deutschland ist darüber hinaus neben den Niederlanden und 12 weiteren europäischen Staaten Vertragsstaat des Europäischen Übereinkommens vom 20. Mai 1980 über die Anerkennung und Vollstrekkung von Entscheidungen über das Sorgerecht von Kindern und die Wiederherstellung des Sorgeverhältnisses. Ziel beider Übereinkommen ist es, die sofortige Rückgabe widerrechtlich durch einen Elternteil in einen Vertragsstaat verbrachter oder dort zurückgehaltener Kinder sicherzustellen. Sie sollen ferner gewährleisten, daß das in einem Vertragsstaat bestehende Sorgerecht und Recht zum persönlichen Umgang in den anderen Vertragsstaaten tatsächlich beachtet wird.
Minderjährigenschutzübereinkommen und Europäisches Sorgerechtsübereinkommen verhindern grundsätzlich, daß Sorgerechtsverfahren in mehreren Vertragsstaaten parallel durchgeführt werden. Innerhalb des Kreises der Vertragsstaaten aller genannten Übereinkünfte wird es daher regelmäßig im Ergebnis nicht zu unterschiedlichen durchsetzbaren Sorgerechtsregelungen kommen.
Die Bundesregierung setzt sich dafür ein, daß weitere europäische Staaten diese Übereinkommen ratifizieren. Sie hat maßgeblich dazu beigetragen, daß derzeit im Rahmen der Haager Konferenz für Internationales Privatrecht Vorbereitungen dafür getroffen werden, das Minderjährigenschutzübereinkommen so zu überarbeiten, daß es von weiteren europäischen Staaten ratifiziert werden kann.

Hans Klein (CSU):
Rede ID: ID1221211800
Eine Zusatzfrage, Herr Kollege.

Ortwin Lowack (CSU):
Rede ID: ID1221211900
Herr Staatssekretär, muß man dann nicht mit Erstaunen zur Kenntnis nehmen — leider gibt es ja in der Realität Fälle, die heute noch nicht gelöst sind —, daß beispielsweise ein deutsches Gericht das Sorgerecht für ein Kind dem einen Elternteil zuspricht, dieses Kind von dem anderen Elternteil in die Niederlande entführt wird und daß ein niederländisches Gericht konträr dazu das Kind dem Elternteil zuspricht, der es entführt hat, so daß man angesichts der augenblicklichen Situation fragen muß, wo eigentlich Europa ist und ob das europäische Recht nicht ein Torso bleibt, wenn man diese Fragen nicht auch regelt?
Rainer Funke, Parl. Staatssekretär: Diese Fragen sind ja gerade in den Abkommen, die ich erwähnt habe, insbesondere in dem Übereinkommen über die zivilrechtlichen Aspekte der internationalen Kindesentführung geregelt. Leider kann es — das wissen Sie als Anwalt — durchaus unterschiedliche Entscheidungen nationaler Gerichte geben. Diese Kollisionsfälle müssen wir regeln. Nach diesem von mir genannten Übereinkommen gibt es zentrale Regierungsstellen, die vermeiden sollen, daß hier Kollisionen entstehen.

Hans Klein (CSU):
Rede ID: ID1221212000
Zweite Zusatzfrage.

Ortwin Lowack (CSU):
Rede ID: ID1221212100
Ihr Wort in Gottes Ohr, daß es zentrale Regierungsstellen gebe. Ich habe sie — das sage ich ganz offen — noch nicht ausfindig machen können.
Herr Staatssekretär, würden Sie vielleicht auch noch einer anderen Initiative zustimmen, die es aus dem Parlament heraus Anfang der 80er Jahre schon einmal gegeben hat, als sich der Rechtsausschuß des Deutschen Bundestages mit dem Rechtsausschuß der Assemblée Nationale zusammengefunden hat, um hinsichtlich solcher Fragen eine gemeinsame gesetzliche Regelung zu treffen, in Deutschland durch den deutschen Gesetzgeber und durch den französischen Gesetzgeber in seinem Bereich?
Rainer Funke, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, das ist sicherlich eines von vielen möglichen Verfahren. Ich glaube, daß es besser wäre, internationale Verträge multilateral zu schließen und binationale Verträge möglichst zu vermeiden. Das ist aber vielleicht mehr eine Geschmacksfrage. Ich denke, daß die Verhandlungen in Den Haag jetzt durchaus erfolgreich verlaufen. Wir rechnen damit, daß diese Verhandlungen in etwa einem Jahr abgeschlossen sein werden. Ich bin gerne bereit, dann erneut zu berichten.

Hans Klein (CSU):
Rede ID: ID1221212200
Herr Kollege Dr. Krause.

Dr. Rudolf Karl Krause (CDU):
Rede ID: ID1221212300
Herr Staatssekretär, bei doppelter Staatsbürgerschaft treten diese Probleme ja gehäuft auf. Welche Verträge auf Gegenseitigkeit bestehen mit anderen Staaten, die unterschiedliche Sorgerechtsgesetze haben? Bestehen solche vertraglichen Vereinbarungen z. B. mit der Türkei?



Rainer Funke, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich habe dargelegt, welche Verträge es gibt. In diesen Verträgen ist geregelt, wie eine Kindesrückführung erfolgt. Ich muß kurz nachsehen — wenn ich darf —, ob die Türkei diesen Vertrag mit unterzeichnet hat. Ich bin der Meinung: Nein. — In der Drucksache des Deutschen Bundestages aus der 11. Wahlperiode kann ich das nicht feststellen. Ich müßte nachreichen, ob die Türkei es im Einzelfall mit unterzeichnet hat. Nach meiner Erinnerung: Nein.

Hans Klein (CSU):
Rede ID: ID1221212400
Werden dazu weitere Zusatzfragen gestellt? — Das ist nicht der Fall. Herr Parlamentarischer Staatssekretär, ich bedanke mich sehr für die Beantwortung.
Wir haben zwar nur noch wenige Minuten, aber es gibt in bezug auf den Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen — ich sage das deshalb so artikuliert, damit die anderen Damen und Herren auf der Regierungsbank wissen, daß sie mit Sicherheit nicht mehr drankommen werden — Bitten, eine Reihe von Fragen schriftlich zu beantworten, nämlich die Fragen 27, 30, 31, 32 und 33. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich rufe die Frage 28 unseres Kollegen Dr. Klaus-Dieter Feige auf:
In welchem Zeitraum soll der Abriß des AKW Greifswald erfolgen, und welche Kosten werden durch den Abriß voraussichtlich entstehen?
Zur Beantwortung steht uns der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Joachim Grünewald zur Verfügung. Bitte, Herr Parlamentarischer Staatssekretär.

Dr. Joachim Grünewald (CDU):
Rede ID: ID1221212500
Schönen Dank, Herr Präsident. Herr Kollege Feige, der Abbau wird einen Zeitraum über das Jahr 2000 hinaus beanspruchen. Eine Prüfung der Kosten erfolgte im Jahre 1992/93 durch eine vom Bundesministerium der Finanzen eingesetzte Arbeitsgruppe, die eine atomrechtliche Gesellschafterverpflichtung zum 1. Juli 1990 in Höhe von rund 5,4 Milliarden DM für Nachbetrieb, Rückbau und die Entsorgung der kontaminierten Bereiche ermittelte. Zeitdauer und Kosten werden auch maßgeblich von der Qualität des Projektmanagements bestimmt werden, das zur Zeit aufgebaut wird. Mein Haus hat unter dem Datum des 14. Januar dem Ausschuß Treuhandanstalt einen umfassenden Bericht, den wir auch im Ausschuß beraten haben, zu diesem Stillegungsprojekt vorgelegt.

Hans Klein (CSU):
Rede ID: ID1221212600
Zusatzfrage?

Dr. Klaus-Dieter Feige (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1221212700
Herr Staatssekretär, natürlich müssen wir die Kosten minimieren. Wie stehen Sie aber zu der Äußerung der Prüfergesellschaft Price-Waterhouse, die bei einer Prüfung zu dem Urteil kommt, daß im AKW Greifswald-Lubmin in den internen Abläufen eine derartige Gestaltung vorherrscht, wie sie in einem fast intakten Erwerbsbetrieb besteht und nicht etwa wie in einem zu liquidierenden Betrieb. Zu nennen ist der Mehrschichtbetrieb und ähnliches. Ich frage Sie: Welche Kosten entstehen der Bundesrepublik Deutschland allein aus diesem Überanspruch von Weiterbetrieb?
Dr. Joachim Grünewald, Parl. Staatssekretär: Es wäre ja schön, wenn diese Prämisse Ihrer Frage zutreffend wäre. Nur, Realität ist leider, daß die vorhandenen fünf Blöcke den Anforderungen der strengen westlichen Vorschriften — sie sind ja sowjetischer Bauart — überhaupt nicht entsprechen, und daß wir diese fünf Blöcke schleifen müssen, weil sie auch kontaminiert sind. Dann haben wir es noch mit den Blöcken sechs bis acht zu tun. Sie sind ja nicht mehr in Betrieb gegangen, deshalb auch nicht kontaminiert und brauchen daher auch nicht atomrechtlich und gesellschaftsrechtlich abgerissen zu werden. Es gab Ungenauigkeiten und unterschiedliche Zahlen. Wir haben die renommierte Prüfgruppe unter Professor Ludewig eingesetzt, der uns nun gesagt hat: Rückstellungsbedarf zum Stichtag der DM-Eröffnungsbilanz 5,4 Milliarden DM. Davon gehen die Treuhandanstalt und wir zur Stunde aus.

Dr. Klaus-Dieter Feige (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1221212800
Ich habe noch eine Zusatzfrage zum Kostenpunkt: Welche Überlegungen bzw. Pläne sind zur Schaffung von Ersatzarbeitsplätzen für die jetzt noch dort Tätigen gemacht worden, und was davon wurde bisher praktisch umgesetzt?
Dr. Joachim Grünewald, Parl. Staatssekretär: Die Arbeitnehmerschaft ist ja leider schon in erschreckender Weise zurückgeführt worden — wenn ich es aus der Diskussion im Treuhandausschuß richtig in Erinnerung habe —, von rund 6 000 auf zur Zeit noch etwa 2 000 Personen. Dort werden noch Arbeitskräfte für den Rückbau — wie eben erwähnt —, aber auch für die Ausschlachtung der Einrichtungen in einer Größenordnung von mindestens 200 Personen auf längere Zeit benötigt werden. Wir bemühen uns mit dem betroffenen Land Mecklenburg-Vorpommern, mit allen Beteiligten in dieser zweifellos strukturell sehr schwierigen Situation um die Schaffung von Ersatzarbeitsplätzen.

Hans Klein (CSU):
Rede ID: ID1221212900
Ich würde gern jetzt noch die zweite Frage beantworten lassen. Wenn wir dann noch Zeit haben, werden wir auch noch auf die Zusatzfragen eingehen. Ich rufe jetzt die Frage 29 des Abgeordneten Klaus-Dieter Feige auf:
Aus welchem Grund sollen die Blöcke sechs bis acht des AKW Greifswald stehen bleiben, obwohl nach früheren Planungen deren Abriß zur Erprobung des besten Verfahrens für den Abriß der radioaktiv kontaminierten Blöcke eins bis fünf vorgesehen war?
Bitte Herr Staatssekretär.
Dr. Joachim Grünewald, Parl. Staatssekretär: Für die Treuhandanstalt besteht nach rechtsgutachterlichen Stellungnahmen keine öffentlich-rechtliche Verpflichtung zur Finanzierung des Abrisses der nicht fertiggestellten und damit nicht radioaktiv kontaminierten Blöcke sechs bis acht.

Hans Klein (CSU):
Rede ID: ID1221213000
Zusatzfrage.

Dr. Klaus-Dieter Feige (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1221213100
Das ist mir rechtlich so weit klar. Aber beim Abriß der kontaminierten Blöcke war es nach dem Stand unseres Wissens zum Antragsverfahren vorgesehen, die Blöcke sechs bis acht sozusagen als Probe-



Dr. Klaus-Dieter Feige
abriß, um Erfahrungen für den Abriß der Blöcke eins bis fünf zu sammeln, abzureißen. Hat das einen Einfluß auf das Genehmigungsverfahren für die Blöcke eins bis fünf, da dort diese Probe integriert war?
Dr. Joachim Grünewald, Parl. Staatssekretär: Nein, auf das Genehmigungsverfahren nicht. Die Stillegungspläne, die insbesondere unter atomrechtlichen Aspekten genehmigungsbedürftig sind, nehmen ihren Weg. Sie werden step-for-step beantragt. Zutreffend aber ist, daß ursprünglich begehrt worden war, insbesondere auch vom Lande Mecklenburg-Vorpommern, alle acht Blöcke zu schleifen.
Diesem Begehren vermögen die Treuhandanstalt und die Bundesregierung nicht Folge zu leisten, weil diese Blöcke nicht kontaminiert sind. Lassen Sie es mich ganz offen sagen: Es ist eine Frage der Kosten, das würde nämlich noch einmal eine halbe Milliarde DM kosten. Ich glaube, man wird darüber Einvernehmen erzielen können, daß es nicht notwendig ist, aus ästhetischen Gründen einen so großen Kostenaufwand in dieser finanzpolitisch so schwierigen Zeit zu betreiben.

Hans Klein (CSU):
Rede ID: ID1221213200
Zweite Zusatzfrage.

Dr. Klaus-Dieter Feige (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1221213300
Es ist verschiedentlich der Verdacht geäußert worden, daß die Blöcke sechs bis acht stehen bleiben und daß möglicherweise nach- oder umgerüstet wird, um dort die Option für ein weiteres KKW offenzuhalten. Können Sie ausschließen, daß diese Option an dem Standort weiterhin besteht, selbst wenn ein Investor käme?
Dr. Joachim Grünewald, Parl. Staatssekretär: Zur Stunde kann ich das ausschließen. Es bestehen bei der
Treuhandanstalt nur Stillegungs- und Abbaupläne. Zugestanden aber sei, daß dieser Standort für Kraftwerke jedweder Provenienz geeignet wäre.

Hans Klein (CSU):
Rede ID: ID1221213400
Herr Kollege Kubatschka.

Horst Kubatschka (SPD):
Rede ID: ID1221213500
Herr Staatssekretär, wie will Ihr eingesetztes Management, von dem Sie gesprochen haben, das Problem der Endlagerung lösen?
Dr. Joachim Grünewald, Parl. Staatssekretär: Das Problem der Endlagerung ist mit ein wichtiger Punkt, denn das vorhandene Naßlager wurde 1991 auch vorläufig stillgelegt. In den Projektplanungen zum Abbau besteht natürlich auch die Vorstellung — deswegen werden auch noch weitere Arbeitsplätze benötigt —, ein neues Zwischenlager zu bauen.

Hans Klein (CSU):
Rede ID: ID1221213600
Weitere Zusatzfragen? Das ist nicht der Fall.

(Horst Kubatschka [SPD]: Es waren zwei Fragen und zwei Zusatzfragen!)

— Nein, Herr Kollege. Wir sind schon über die Zeit und damit auch am Schluß unserer heutigen Tagesordnung. Herr Parlamentarischer Staatssekretär, ich bedanke mich herzlich für die Beantwortung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 3. März 1994, 9 Uhr ein.
Die Sitzung ist geschlossen.