Gesamtes Protokol
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Sitzung ist eröffnet.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf:
Befragung der Bundesregierung
Die Bundesregierung hat als Themen der heutigen Kabinettssitzung mitgeteilt: „Gesundheitsforschung 2000"; Übereinkommen über die Kontrolle der grenzüberschreitenden Verbringung gefährlicher Abfälle und ihrer Entsorgung; Jahresabrüstungsbericht 1992.
Das Wort für den einleitenden Bericht hat der Bundesminister für Forschung und Technologie, Herr Matthias Wissmann.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Bundeskabinett hat heute das Programm „Gesundheitsforschung 2000" verabschiedet. Dieses Programm ist Ausdruck der Fürsorge des Staates für das körperliche und seelische Wohlergehen der Bürger und stellt eine konzeptionelle Fortentwicklung des bereits seit 15 Jahren erfolgreich etablierten Programms dar, das sich auch im Zuge der Wiedervereinigung Deutschlands als geeignet und flexibel erwiesen hat.Zwei inhaltliche Schwerpunkte stehen im Mittelpunkt dieses Programms: zum einen die klinische Forschung und zum anderen die Forschung zum Gesundheitswesen, die sogenannte Public-HealthForschung. Das Programm umfaßt im engeren Sinne Projekte, für die seitens des BMFT bis 1996 rund 750 Millionen DM zur Verfügung stehen. Hinzu kommen die institutionell geförderten außeruniversitären Einrichtungen, für die das Forschungsministerium im gleichen Zeitraum rund 1,4 Milliarden DM aufwendet.Bei der klinischen Forschung, unserem ersten Schwerpunkt, stehen in erster Linie die sogenannten großen Volkskrankheiten, beispielsweise die Infektionskrankheiten, Krebs, sowie die Erkrankungen des Nervensystems und die Störungen des Bewegungsapparats, im Mittelpunkt. Dabei geht es auch um eine möglichst große Vielfalt von Methoden. Sie reichen von der molekularen Biologie bis zur somatischen Gentherapie, also zur Gentherapie in Körperzellen,dort, wo sie Hilfe und Heilung bei schweren Krankheiten bieten können.Im Bereich der Neurotraumatologie und neuropsychologischen Rehabilitation — Themen, die für nerven- und hirnverletzte Menschen von großer Bedeutung sind — soll die Verzahnung von Grundlagenforschung und Klinik im Mittelpunkt stehen. Ähnliches gilt auch für die Fortsetzung der Schwerpunkte in bezug auf Infektionskrankheiten einschließlich des außergewöhnlich wichtigen Themas Aids. Ähnliches gilt für die Allergien und Erkrankungen der Atemwege.Ich möchte darauf hinweisen, daß alle Schwerpunkte dieses Programms — dies ist ein neuer Ansatz — zeitlich befristet sind. Dauersubventionen ohne eine neuerlich begründete Plausibilität der Projekte wird es nicht mehr geben. Es findet eine ständige Evaluation der Projekte durch Wissenschaftler, durch Ärzte statt.Im Bereich der Forschung zum Gesundheitswesen stehen die Qualitätssicherung, die Gesundheitsökonomie, die Gesundheitsberichterstattung und die Epidemiologie im Mittelpunkt. In diesem Kontext werden wir einen Innovationskreis Medizintechnik einrichten, um im Zusammenwirken von mittelständischen Unternehmern, Medizinern, Wissenschaftlern und Krankenkassen aussichtsreiche technische Entwicklungen für die Medizin zu identifizieren und die Voraussetzungen für eine gesundheitsökonomische Akzeptanz und Umsetzbarkeit zu definieren.Ich nenne nur ein Beispiel: minimalinvasive Chirurgie, Chirurgieformen, die den Patienten minimal verletzen, die schonender operieren, kleinere Narben hinterlassen und, wenn sie erfolgreich sind, auch zu einer Verkürzung der Dauer des Aufenthalts in den Krankenhäusern beitragen können. Hier gibt es noch große technologische Herausforderungen und auch erhebliche Anwendungsschwierigkeiten, aber die Zukunftspotentiale sind medizinisch, technologisch und wirtschaftlich erheblich.Wir wollen mit diesem Forschungsprogramm Initialzündungen auch für die Forschung der Länder geben. Wir wollen den Strukturwandel im Sinne einer engeren Zusammenarbeit von Grundlagenforschung und klinischer Forschung erheblich beschleunigen. Es sollen sechs bis acht Zentren far interdisziplinäre
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Bundesminister Matthias Wissmannklinische Forschung eingerichtet werden; Centres of Excellence, also Organisationsformen, die auch dem wissenschaftlichen Nachwuchs zugute kommen, die ihm ein schöpferisches Umfeld bieten. Für diesen Bereich wollen wir in dem Programmzeitraum zusätzlich etwa 250 Millionen DM ausgeben.Ein letzter Punkt: Gesundheitsforschung in den neuen Ländern. Sie wissen, daß wir seit 1991 eine entsprechende Strukturförderung für die neuen Bundesländer haben, die sich im wesentlichen bewährt hat. Wir werden für die künftigen Haushalte den neugegründeten außeruniversitären Forschungseinrichtungen in den neuen Ländern jährlich 100 Millionen DM zur Verfügung stellen. Ich nenne ein Beispiel, das sich hervorragend entwickelt: das Max-DelbrückZentrum für molekulare Medizin, das sich in der Zukunft sicherlich auf einem Weltniveau behaupten wird. Wir können allgemein sagen, daß sich die außeruniversitären Forschungseinrichtungen der neuen Bundesländer gut entwickeln.Zusammengefaßt: Wir setzen im Bereich der Gesundheitsforschung ganz bewußt einen Schwerpunkt. Wir sind als große Industrienation unseren Bürgerinnen und Bürgern gegenüber verpflichtet, mit den modernsten technischen und wissenschaftlichen Erkenntnissen alles zu tun, um Therapien gegen die großen Krankheiten zu entwickeln bzw. zu verbessern. Die Erkenntnisse, die wir gewinnen, sollen so schnell wie möglich in praktisches Handeln am Patienten umgesetzt werden.
Danke schön, Herr Minister.
Der erste Fragesteller ist der Abgeordnete Vosen.
Herr Minister, Sie sind ja neu im Amt, und es freut mich, daß Sie auch offen sind. In der Zusammenfassung Ihres Programms auf Seite 7 geben Sie ganz offen Fehler aus der Vergangenheit zu; so interpretiere ich das wenigstens. Sie schreiben unter Punkt 4 auf Seite 7, daß mit diesem Programm strategisch bedeutsame strukturelle Schwachstellen in der deutschen Gesundheitsforschung angegangen werden sollten. Da Sie schon lange — nicht Sie persönlich, aber die Bundesregierung — Verantwortung in diesem Bereich haben, geben Sie damit zu, daß Sie in der Vergangenheit Fehler gemacht haben, die Sie mit diesem Programm jetzt ausräumen wollen. Ich finde es sehr erfrischend und begrüße es, daß Sie diese Schwachstellen zugeben, und das offen sagen.
Glauben Sie denn, daß Sie das mit diesem Programm schaffen? Denn die Mittel stehen ja nur bis 1996 bereit. Es ist nicht mehr gesagt, ob ab 1996 noch Geld vorhanden ist; auch sinkt die Summe insgesamt. Ich habe den Eindruck, daß das Ganze nur ein Fortschreiben des alten Programms ist. Mit dem alten Programm kann man strukturelle Fehler aber nicht ausräumen. Wie können Sie mir da helfen?
Herr Kollege Vosen, wir werden natürlich das Programm auch 1996 fortsetzen. Wir haben jetzt eine Mittelplafondierung bis 1996 vorgenommen.
Wer in der Forschungspolitik — wie überhaupt in der Politik — behaupten würde, er habe immer alles richtig gemacht, von dem würde ich meinen, er habe das Denken eingestellt. Natürlich haben wir eine Evaluierung der 15jährigen Erfahrung mit dem bisherigen Gesundheitsforschungsprogramm nicht nur selbst vorgenommen, sondern auch durch den Wissenschaftsrat vornehmen lassen. Wir haben daraus Konsequenzen gezogen, die ich im Bericht geschildert habe und die zu einer deutlichen Straffung und Schwerpunktsetzung und zu einer wesentlich engeren Verzahnung von Grundlagenforschung und der patientenorientierten Forschung führen.
Das sind Schwachstellen, die wir in der Vergangenheit zweifelsohne hatten und jetzt aufarbeiten. Insofern ist es nicht nur eine Fortschreibung, es ist auch ein deutliches Setzen von Zukunftsakzenten.
Der nächste Fragesteller ist der Abgeordnete Lenzer.
Herr Bundesminister, Sie sprachen davon, daß das Programm in vielfältiger Hinsicht als Initialzündung zu verstehen sei. Wie ist sichergestellt, daß die Länder die dazu notwendigen Komplementärmittel aufwenden können?
Ich darf die Frage noch dahin gehend erweitern: Sie sprachen von den Centres of Excellence, die an den Hochschulkliniken eingerichtet werden sollen. Auch das betrifft ja die Länderkompetenz. Wie ist sichergestellt, daß die Länder angesichts des beengten Finanzrahmens durch das Gesundheitsstrukturgesetz diese Aufgaben gemeinsam mit dem Bund erfüllen können?
Herr Kollege Lenzer, wir stellen 250 Millionen DM für die sechs bis acht Zentren, die wir in enger Abstimmung mit Wissenschaftlern, anderen Vertretern von Forschung und Wissenschaft und auch mit den Ärzten in den Universitäts-Kliniken errichten, zur Verfügung. Was die Zentren angeht, machen wir also weit mehr als nur Anschubfinanzierung.
Mit dem restlichen Teil des Programms wollen wir den Ländern helfen, bei der Planung neuer wissenschaftlicher Schwerpunkte die in der Regel ja kraftaufwendige Anlaufphase zu bewältigen. Das heißt, wir geben eine Initialzündung, wir helfen in der Aufbauphase und ermutigen natürlich die Länder, die Ausgaben für Wissenschaft und Forschung nicht weiter zu verkürzen, sondern den jetzigen Ausgabenstand gerade in einer Zeit, in der allzusehr an den Zukunftsaufgaben gespart wird, unbedingt zu erhalten. Wir leisten unseren Beitrag, aber wir erwarten auch von den Ländern, daß sie ihren Beitrag leisten.
Der nächste Fragesteller ist der Abgeordnete Eckart Kuhlwein.
Herr Minister, ein Programm mit dem anspruchsvollen Namen „Gesundheitsforschungsprogramm 2000" müßte eigentlich einen umfassenden Ansatz enthalten, der die medizinische Forschung in allen Forschungseinrichtungen
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Eckart Kuhlwein1 einbezieht. Meine Frage schließt sich an die von Herrn Lenzer an: Wie wollen Sie eigentlich angesichts der Fülle von Instituten die Gesundheitsforschung koordinieren? Es gibt 20 Max-Planck-Institute, 5 Institute der Fraunhofer-Gesellschaft, 11 Großforschungseinrichtungen, 16 Blaue-Liste-Institute, 12 sonstige große Behörden und Institute und dazu noch die vielen Universitätskliniken und -institute. Wie wollen Sie eigentlich sicherstellen, daß dort nicht gegeneinander oder nebeneinander geforscht wird? Welchen Ansatz gibt es in Ihrem Haus, um auch diese Arbeit neben den Schwerpunkten, die Sie setzen und vereinbaren, zu koordinieren?
Wir haben uns bei der Schwerpunktsetzung bewußt von Wissenschaftsorganisationen beraten lassen, weil wir die von Ihnen zu Recht angesprochene Schwachstelle eines Mangels an Koordination gesehen haben und weil wir wissen, daß wir auf die Fachleute angewiesen sind, wenn es um die Bündelung der Kräfte geht. Dieses Programm bringt ganz bewußt den Willen zu einer besseren Koordinierung und zu einer Bündelung der Kräfte zum Ausdruck.
Sie sehen das an einem Teilbereich, den ich vorhin nur kurz angetippt habe. Wenn wir den Innovationskreis Medizintechnik einrichten, wo wir Wissenschaftler, Ärzte, Unternehmer und Politiker zusammenbringen und dort Konzepte etwa vom „Operationssaal 2000" oder von technischen Neuheiten im Bereich der minimalinvasiven Chirurgie voranzubringen versuchen, dann streben wir genau jene Bündelung der Kräfte an, die Sie zu Recht als ein wesentliches Problem unserer forschungspolitischen Landschaft kennzeichnen.
Meine Bitte ist: Warten Sie die Erfahrungen mit diesem neuen Programm ab, ehe Sie urteilen. Helfen Sie mit, daß diese Zukunftsakzente auf den Weg kommen. Ich bin gerne bereit, in zwei Jahren mit Ihnen eine kritische Zwischenbilanz zu ziehen. Sie können davon ausgehen: Wir sind für kritischen Ratschlag mehr als dankbar, denn keiner sollte behaupten, er habe schon immer alles richtig gemacht.
Der nächste Fragesteller ist der Abgeordnete Dr. Hans-Peter Voigt.
Herr Minister, es ist seit langem ein Wunsch der Fraktion der CDU/CSU, daß die Aids-Forschung in ein Gesamtpaket der Infektiologie einmündet. Das ist auch ein Beweis dafür, daß Forschung vom Wandel lebt. Vielleicht könnte man Herrn Vosen mit auf den Weg geben, daß von daher eine regelmäßige Evaluation und Neubesinnung stattfindet. Ist eigentlich für die Zukunft sichergestellt, daß es ein Globalprogramm der Infektiologie, auch unter dem Gesichtspunkt der zukünftig auf uns zukommenden Infektionskrankheiten, geben wird?
Herr Kollege, wir verwenden rund 40 % unseres Projektbudgets im Zusammenhang mit Immunsystem und Abwehr. Darin hat die AidsForschung einen großen Anteil. Wir wollen auf jeden Fall die hohe Priorität, die wir der Aids-Forschung geben, auch in Zukunft erhalten. Wir wollen allerdings die interdisziplinären Ansätze, von denen Sie zu Recht gesprochen haben und die die Voraussetzung dafür sind, daß wir die unglaubliche wissenschaftliche Herausforderung besser bewältigen können, deutlich stärken.
Wir werden zwischen 1984 und 1994 rund 165 Millionen DM für die Aids-Forschung ausgegeben haben. In den nächsten Jahren werden wir rund 24 Millionen DM pro Jahr ausgeben. Wir fördern dabei biomedizinische, sozialwissenschaftliche Projekte und klinische Verbundprojekte mit dem Ziel, die interdisziplinäre Vernetzung voranzubringen. Es gibt allein neun Verbundprojekte zwischen klinischer, patientenorientierter und Grundlagenforschung, d. h. zwischen den verschiedenen Disziplinen, die in diesem Bereich zusammenwirken.
Ich will darauf hinweisen: Wir haben ein Stipendienprogramm für junge Wissenschaftler aufgelegt, um sie für die Aids-Forschung zu gewinnen. Insofern hat der von Ihnen angesprochene Ansatz in den Programmen seine volle Berücksichtigung gefunden.
Die nächste Fragestellerin ist Frau Kollegin Dr. Otto.
Ich habe eine Frage zur Infektionsforschung. Hält die Bundesregierung die auf dem Gebiete der Epidemiologie zur Zeit stattfindende Forschung für heute und für die Zukunft für ausreichend? Wie steht es mit der Absicht der Gründung eines Max-Planck-Institutes für Infektionsbiologie in den neuen Bundesländern?
Wir werden im Bereich der Epidemiologie — das haben wir in dieses Programm ganz bewußt hineingeschrieben — qualitativ und quantitativ deutlich mehr leisten als bisher. Das gesamte Thema Infektionskrankheiten gehört zu den sachlichen Schwerpunkten des Programms. Wenn Sie darüber, im einzelnen diskutieren wollen, bin ich gerne bereit, das Thema im Ausschuß zur gegebenen Zeit zu vertiefen.
Die nächste Frage stellt Frau Kollegin Baumeister.
Herr Minister, die Fördermaßnahmen des Programmes verstehen Sie immer stärker als Initialzündungen, die in den Ländern über ihre eigenen Mittel in den Haushalten fortgesetzt werden müssen. Ist sichergestellt, daß eine Abstimmung mit den Ländern erfolgt ist? Können die Länder dann, wenn die Mittel des Bundes nur im geringeren Umfang fließen, die Fördermaßnahmen mit eigenen Mitteln fortsetzen?
Frau Kollegin Baumeister, die Schwerpunkte des Programms können nicht als ausschließlich vom Bund finanzierte Dauermaßnahmen verstanden werden. Ansonsten würden wir unsere
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Bundesminister Matthias WissmannKompetenzen im Bund-Länder-Verhältnis falsch definieren. Die Förderung des Bundes soll den Ländern helfen, bei der Planung neuer wissenschaftlicher Schwerpunkte die schwierige Anlaufphase zu bewältigen.Das Programm kann jedoch keinen direkten Einfluß darauf nehmen, wie viele Schwerpunkte ein Bundesland in der Gesundheitsforschung setzt. Ich sage allerdings ganz klar: Das Bundesforschungsministerium bemüht sich, eine enge Abstimmung mit den Ländern herbeizuführen, um zu einer weitestgehenden Bündelung der Kräfte zu kommen.
Der nächste Fragesteller ist der Abgeordnete Dr. Knaape.
Herr Minister, Sie erwähnten das Max-Delbrück-Zentrum in BerlinBuch als ein besonderes Zentrum, das gefördert werden sollte. Wie ist der gegenwärtige Stand des Ausbaus? Wie wird das Institut weiter ausgebaut werden? Wird das Institut in der Lage sein, den internationalen wissenschaftlichen Trend mitzubestimmen, oder ist die Anlage des Instituts dazu zu klein geraten?
Ich habe erst kürzlich mit Verantwortlichen des Max-Delbrück-Zentrums ein intensives Gespräch geführt. Mein Eindruck ist, daß man dort mit den Fortschritten und der gelungenen Aufbauentwicklung zufrieden ist. Ohne daß ich jetzt alle Einzelheiten aus dem Stegreif beantworten kann — wir liefern Ihnen gerne schriftlich das nach, was Sie im einzelnen wissen wollen —: Sie können davon ausgehen, daß wir das Max-Delbrück-Zentrum für ein Schwerpunktzentrum der Forschungsentwicklung auf diesem Gebiet halten.
Die nächste Frage kommt von der Kollegin Sothmann.
Herr Minister, Sie haben gerade über die Aids-Forschung gesprochen. Mich würde interessieren, ob im Zusammenhang mit der Aids-Forschung in dem von Ihnen genannten Forschungsprogramm auch die Gentherapie gefördert wird. In welchem Ausmaß geschieht dies? Welche Zukunftsaussichten sehen Sie für die Gentherapie?
Wir geben der somatischen Gentherapie, also der Gentherapie in Körperzellen, nach intensiver wissenschaftlicher Beratung einen großen Stellenwert. Sie wird in Deutschland zum Wohle des Patienten fortentwickelt werden müssen; denn bei ihr bestehen im Gegensatz zur Keimbahntherapie, die gesetzlich verboten ist, keine grundsätzlichen ethischen Bedenken.
Erste Vorbereitungen — damit komme ich auf die Frage des Kollegen zurück — zur Gentherapie gibt es beispielsweise im Max-Delbrück-Zentrum in Berlin. Darüber hinaus gibt es in einzelnen Schwerpunkten Vorüberlegungen, bisher aber noch keine konkreten Vorhaben. Klar ist, daß die somatische Gentherapie insgesamt ein Gewicht bekommen wird, wie wir es in der Vergangenheit nicht gekannt haben.
Herr Kubatschka.
Herr Minister, Sie haben ein Programm „Gesundheitsforschung 2000" entwikkelt. Es ist aber notwendig, daß man kurzfristig auf neue Fragestellungen reagiert. Ist das System der Gesundheitsforschung in der Lage, sich auf wissenschaftliche Fragestellungen kurzfristig neu einzustellen und zu reagieren?
Herr Kollege, sicher machen uns die oft lange währenden Evaluationsprozesse die Schwierigkeit, daß wir uns nur schwer schnell genug auf neue Herausforderungen einstellen können. Es wird eine der Herausforderungen für den Bundesforschungsminister sein — nicht nur im Bereich der Gesundheitsforschung, sondern auch auf allen anderen Gebieten —, die Flexibilität der Anpassung an neue Schwerpunkte zu erhöhen. Auch deswegen haben wir jetzt bewußt nur den Zeitraum bis 1998 genommen und nicht ein 15-Jahres-Programm aufgelegt, weil wir sozusagen ständig den Puls der wissenschaftlichen Entwicklung spüren und ihn in konkrete Programme umsetzen wollen. Hier besteht zweifelsohne die Notwendigkeit zu einer Beschleunigung von Erkenntnis und Umsetzung zu gelangen.
Herr Abgeordneter Horst Schmidbauer.
Herr Minister, haben Sie bei der Aufgabenstellung — ich habe sie noch nicht komplett durchsehen können — auch daran gedacht, daß wir es hier mit einer großen Zahl von Menschen zu tun haben, die im Gesundheitswesen beschäftigt sind und deren Aufgabenstellung natürlich auch in zunehmendem Maße eine wissenschaftliche Unterstützung erfahren muß? Wenn ja, hätte ich die Bitte, daß Sie das vielleicht aufzeigen.
Ich wollte das vor allen Dingen gern in dem Zusammenhang sehen, daß Sie auch das Programm „Arbeit und Technik" haben, und in dem Programm „Arbeit und Technik" ist auch der Bereich Pflege und Betreuung Alter, Kranker und Behinderter berücksichtigt worden. Nun ist meine zweite Frage an Sie, ob denn durch dieses große Programm — sagen wir einmal — das Humanprogramm der Beschäftigten eingeschränkt wird, ob es vielleicht eine Stärkung erfährt oder ob in Zukunft an eine Kombination zwischen beiden Programmen gedacht ist.
Herr Kollege Schmidbauer, wir werden das Programm „Arbeit und Technik" — Sie könnten auch sagen: Humanisierung der Arbeitswelt —
— trotz der enormen finanziellen Schwierigkeiten auf jeden Fall fortsetzen. Das Programm ist von Wissenschaftlern, von Vertretern der Gewerkschaften, von der Arbeitgeberseite und dem Forschungsministerium zusammen entwickelt worden. Ich habe nach kritischer Überprüfung des Programms entschieden, daß wir es auf hohem Niveau weiterführen. Es steht
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Bundesminister Matthias Wissmannnicht in Konkurrenz zu dem, was wir auf dem größeren Feld der Gesundheitsforschung entwickeln.Ein humanes Arbeitsleben ist eine der Voraussetzungen dafür, daß Menschen im Arbeitsleben weniger krank werden. Insofern gehört es in den von Ihnen gestellten Zusammenhang.
Wird denn die Verbindung zwischen den beiden Forschungsvorhaben hergestellt?
Die Verbindung wird hergestellt. Das ist die Koordinierungsaufgabe, die im Ministerium geleistet wird.
Herr Kirschner.
Herr Minister, Sie widmen in Ihrem Bericht dem Thema „Gesundheitsökonomie" einen erheblichen Teil. Nun wird allein über die gesetzliche Krankenversicherung ein Volumen von 170 Milliarden DM jährlich umgesetzt. Nach meiner Meinung — ich denke, da sind wir uns einig; das steht ja auch bei Ihnen ganz vorn — geht es einerseits darum, die notwendige und ausreichende Gesundheitsversorgung mit einer Weiterentwicklung unseres hochstehenden Gesundheitswesens zu gewährleisten. Aber die Frage ist andererseits auch die: Werden die vorhandenen Mittel auch effizient genug eingesetzt?
Dazu konkret meine Frage: Gibt es eine Begleitforschung zur Umsetzung des Gesundheitsstrukturgesetzes? Planen Sie so etwas ressortübergreifend mit dem Kollegen Seehofer, dem Bundesminister für Gesundheit? Ich denke beispielsweise daran, daß wir in dem Gesundheits-Strukturgesetz eine Positivliste oder, wie es in dem Gesetz heißt, eine Liste verordnungsfähiger Arzneimittel haben. Wir haben Fallpauschalen, wir haben Qualitätssicherung, Garantiefristen, all diese Dinge, die ganz gezielt strukturverändernd wirken und Gesundheitsökonomie zum Hintergrund haben. Plant die Bundesregierung oder planen Sie — wie gesagt, in Zusammenarbeit mit dem Bundesgesundheitsminister — eine solche Evaluationsforschung?
Das Thema, das Sie ansprechen — ich hatte es vorhin in meinem einleitenden Bericht auch schon angetippt — spielt eine erhebliche Rolle. Ich sehe in dem Gesundheitsforschungsprogramm die Aufnahme auch wesentlicher Gedanken des von uns gemeinsam erarbeiteten Gesundheits-Strukturgesetzes. Das Gesundheits-Strukturgesetz zielt in allen Bereichen der Medizin — auch in den Hochschulkliniken — auf eine wirtschaftlichere Planung und Gestaltung der Abläufe. Genau denselben Ansatz verfolgen wir mit dem Konzept der interdisziplinären Zentren.
Wenn den beteiligten Ärzten und Wissenschaftlern einer Hochschulklinik nicht bewußt ist, welche Leistungen Sie in der Versorgung, welche in der Forschung erbringen, wo die Qualität gut ist und wo Verbesserungen möglich sind, dann fehlt ja jeder
Anreiz für Leistung und wirtschaftliches Verhalten. Genau das aber soll in den Zentren, von denen ich gesprochen habe, erreicht werden; denn wir sind uns sicher gemeinsam darüber einig, daß ein wettbewerbs- und leistungsbewußtes Arbeiten notwendig ist. Das gilt für die Forschung genauso wie für die Krankenversorgung.
Herr Kollege Kirschner, es kommt jetzt darauf an, daß wir bei der Umsetzung dieses Programms gemeinsam erreichen, was wir beabsichtigen. Insofern lade ich Sie ein, mit uns gemeinsam immer wieder genau zu überprüfen, wie wir diese anspruchsvollen Ziele schließlich auch in die Praxis umsetzen können.
Frau Bulmahn.
Herr Minister Wissmann, ich habe, wenn Sie gestatten, eine ganz kurze, eine Verständnisfrage: Sie haben vorhin gesagt, daß Sie ungefähr 40 % der Projektfördermittel für Immun- und Abwehrsystemerforschung eingesetzt haben. Ich habe da, ehrlich gesagt, einige Rechenprobleme. Wenn ich mir die Ansätze angucke, dann hat die Projektförderung ein Gesamtvolumen von 191 Millionen DM im Jahre 1993 und der Titel „Immun- und Abwehrsystem" 62 Millionen DM; das entwickelt sich bis 1996 auf 45 Millionen DM hinunter. Ich kann nicht ganz nachvollziehen, wie Sie da auf 40 % kommen, um ehrlich zu sein. Von daher bitte ich Sie um Aufklärung. Wenn Sie das jetzt nicht können, bitte ich Sie, uns das schriftlich zur Kenntnis zu geben, weil es aus der Vorlage nicht ohne weiteres hervorgeht.
Wir liegen bei der gesamten Projektförderung in einem Korridor zwischen 160 Millionen und 190 Millionen DM. Wir geben für Fragen im Zusammenhang mit Immun und Abwehr Mittel in einer Größenordnung von etwa 60 Millionen DM aus. Es kommt noch eine Reihe von komplementären Mitteln hinzu, so daß wir das Ziel, das ich beschrieben habe, finanziell erreichen werden. Aber ich bin gerne bereit, Ihnen, Frau Kollegin, wenn Sie wollen, dies auch noch einmal nachzureichen.
Eine weitere Frage.
Sie haben in Ihrem Gesundheitsforschungsbericht kaum Aussagen zur Entwicklung der somatischen Gentherapie gemacht. Da ich das für einen in der Zukunft sehr wichtigen Bereich halte, frage ich Sie, ob Sie analog zu den amerikanischen Erfahrungen, wo schon seit längerer Zeit Versuche mit somatischer Gentherapie durchgeführt werden, Überlegungen anstellen, ob sowohl auf nationaler wie auf örtlicher Ebene entsprechende Gremien eingerichtet werden sollen. Sie wissen vielleicht, daß es in den USA so ist, daß dort sowohl in nationalen wie in örtlichen Gremien Vertreter aus Wissenschaft, aus Politik und aus dem dort so genannten öffentlichen Leben vertreten sind wie auch Betroffene, die dann praktisch eine Entscheidung darüber treffen, ob das dort beantragte Experiment sinnvoll ist, seinen Zielsetzungen gerecht wird oder nicht. Mich würde interessieren, ob Sie in Richtung auf die Schaf-
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Edelgard Bulmahnfung solcher Gremien Überlegungen angestellt haben, wie weit diese Überlegungen gediehen sind und inwieweit Sie dann auch Rückschlüsse auf dieses entsprechende Forschungsprogramm vorsehen.
Frau Kollegin, wir werden zum Thema Gentherapie eine Bund-Länder-Kommission einrichten. Der Gedanke, den Sie angesprochen haben, der letztlich auch für eine möglichst große Transparenz sorgen soll, muß in lokal oder regional orientierten Ethik-Kommissionen, an denen die verschiedenen Kräfte beteiligt sind, aufgenommen werden, weil uns natürlich schon bewußt ist, welche Ängste mit diesem Thema verbunden sind. Ängste kann man nicht durch Verschweigen, sondern nur durch eine möglichst breite Information abbauen.
Ich verlängere die Regierungsbefragung um zehn Minuten, also bis 13.45 Uhr, damit alle Fragen, die im Augenblick anstehen, noch beantwortet werden können.
Bitte, Herr Nitsch.
Herr Bundesminister, eine Frage zur Integration der außeruniversitären Forschung, die in den neuen Bundesländern erhalten werden konnte. Sie wissen, daß wir in diesem Bereich bessere Ergebnisse als in anderen Bereichen der Forschung haben. Aber was bis jetzt erhalten worden ist, muß ja nicht bestehenbleiben, wenn wir nicht dafür sorgen, daß es voll in Ihr Gesamtkonzept Forschungslandschaft im neuen Deutschland integriert wird. Könnten Sie dazu einige Angaben machen?
Herr Kollege Nitsch, die außeruniversitären Forschungseinrichtungen liegen dem Bundesforschungsministerium sehr am Herzen. Ich habe einen meiner ersten Besuche außerhalb Bonns bewußt bei der Sitzung der Institutsleiter der außeruniversitären Forschungseinrichtungen gemacht. Mein Eindruck ist, daß die Leistung der Konsolidierung, die hier vorhanden ist, gar nicht genügend gewürdigt werden kann. In den außeruniversitären Forschungseinrichtungen ist die Motivation und auch die Perspektive der Mitarbeiter deutlich stärker entwickelt als beispielsweise in Bereichen der Hochschulforschung.
Das Bundesministerium für Forschung und Technologie will 1993 für die Haushalte der Institute in den neuen Ländern mit Bezug zur Gesundheitsforschung jährlich 104 Millionen DM bereitstellen. Es stehen 640 Planstellen zur Verfügung. Nach der Empfehlung des Wissenschaftsrats besteht die Möglichkeit, eine etwa gleich große Zahl an Personal über Drittmittel zu beschäftigen.
Wir wollen in jedem Fall erreichen, daß das Personal in den Einrichtungen der neuen Länder größtenteils auch aus den neuen Ländern kommt, und wir wollen sicherstellen, daß die Perspektive für die Einrichtungen, die mit Gesundheitsforschung zu tun haben, genauso wie für die anderen außeruniversitären Forschungseinrichtungen gewährleistet ist. Ich sagte vorhin im Zusammenhang mit dem Max-Delbrück-Zentrum, wir haben hervorragende wissenschaftliche Einrichtungen der Gesundheitsforschung in den neuen Bundesländern, und wir sind gut beraten, sie auch in Zukunft zu fördern.
Eine Zusatzfrage: Vom Forschungsprogramm her ist die Integration auch hinsichtlich der Themenaufteilung zwischen den alten und den neuen Ländern gewährleistet?
So ist es. Wir haben uns hier sehr eng an die Empfehlungen gehalten, die wir vom Wissenschaftsrat bekommen haben.
Übrigens will ich in diesem Zusammenhang auch sagen, daß wir gemeinsam mit anderen über ein Konzept zur Neuordnung der Blaue-Liste-Einrichtungen nachdenken. Sie wissen sicher, daß der Wissenschaftsrat dazu eine Arbeitsgruppe gebildet hat, die voraussichtlich im Juni dieses Jahres entsprechende Empfehlungen formulieren wird.
Speziell für den Bereich Gesundheitsforschung sind wir in folgender Lage: In den neuen Bundesländern wurden vier neue Blaue-Liste-Einrichtungen mit Bezug zur Gesundheitsforschung gebildet. Damit hat sich die Anzahl insgesamt in Deutschland auf elf erhöht. In diesen Einrichtungen wird an Kernthemen der Gesundheitsforschung gearbeitet. Sie können dies übrigens dem Anhang unseres Programms entnehmen. Somit ist bei diesen Einrichtungen, bei denen man zu Recht von überregionaler Bedeutung und gesamtstaatlichem wissenschaftlichen und politischen Interesse sprechen kann, die Zukunft gesichert. Ich glaube, es kommt bei den Wissenschaftlern, wenn sie kreativ und dynamisch sein wollen, eben darauf an, daß sie eine Perspektive für Projekte der nächsten Jahre haben. Wir haben sie im Bereich der außeruniversitären Forschungseinrichtungen und damit auch im Bereich der Blaue-Liste-Einrichtungen gesichert.
Nächste Frage, Frau Steen.
Herr Minister, ich möchte Sie fragen, ob bei den Forschungsvorhaben in Ihrem Hause ein frauenpezifischer Anteil vorhanden ist. Ich möchte das damit begründen, daß Frauen andere Wege zur Gesundheit brauchen und daß in der Gesundheitsförderung für sie andere Wege beschritten werden müssen. So sind z. B. viele große Studien zu Herzerkrankungen überwiegend an männlichen Probanden gemacht worden und nicht an Frauen. Frauen reagieren z. B. auf Arzneimittel anders als Männer. Deswegen möchte ich frage, ob Ihre Forschungsvorhaben in der Zukunft Rücksicht auf den Anteil der Frauen an der Bevölkerung nehmen und deren Situation ganz besonders beleuchten.
Frau Kollegin, wir haben dieses Thema auf Seite 29 des Programms bewußt aufgenommen. Wir sind aber für weitere Anregungen zu diesem Thema sehr dankbar.
Frau Sothmann.
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Herr Minister, Sie haben von neuen Gebieten gesprochen. Mich würde interessieren, wer diese neuen Gebiete denn eigentlich auswählt. Sind Sie es, der Minister, sind es Wissenschaftlergruppen oder Beamte? Dies interessiert mich besonders auch im Hinblick auf die Tatsache, daß die Strukturmaßnahmen des Programms ganz erheblich in bestehende Strukturen, beispielsweise an Hochschulen, eingreifen. Mich würde auch interessieren: Welches Echo finden diese Förderinitiativen bei den Hochschulen und bei den Ländern?
Frau Kollegin Sothmann, Aufbau und Beendigung von Schwerpunkten in der Gesundheitsforschung ist ein Prozeß, der im Konsens geschehen muß. Man kann keinen Schwerpunkt aufbauen, wenn sich die Wissenschaft nicht interessiert. Auf der anderen Seite lassen sich auch nicht alle Wünsche der Wissenschaft erfüllen, zumal natürlich jeder ordentliche Forscher sein Gebiet gegenüber dem Ministerium, aber auch gegenüber anderen als besonders wichtig und bedeutsam herausstreichen will. Wir bedienen uns daher bei der Vorbereitung neuer Schwerpunkte eines Beratungssystems, bei dem wir sicher sein können, daß die beratenden Experten unabhängig urteilen und nicht einzelne Gebiete sozusagen im Sinne eines Kartells bevorzugen können. Wir verlangen einiges an Aufwand von der Wissenschaft, wenn neue Schwerpunkte begründet werden sollen, und zwar in einem offenen Wettbewerb. Die Begründungspapiere werden mittlerweile übrigens alle veröffentlicht, damit nicht der Eindruck entstehen kann, es würde irgend etwas unter der Decke geschehen; sie sind für alle Interessierten nachzulesen.
Ich glaube, daß wir durch den neuen Ansatz, der Projekte der Gesundheitsforschung zu befristen und damit von dem Dauersubventionscharakter mancher Projekte der Vergangenheit wegzukommen, auch den Zwang einer ständig neuen Legitimation schaffen, und den brauchen die Wissenschaft und die Forschung genauso wie jeder andere Bereich des Lebens.
Wir bestreiten die Regierungsbefragung bisher sozusagen monothematisch. Ich möchte aber wenigstens ein zweitens Thema aufrufen. Frau Kollegin Schmidt, wenn Sie noch eine kurze Frage haben, die vielleicht eine kurze Antwort ermöglicht, dann möchte ich Ihnen gern noch das Wort erteilen.
Ich möchte auf die Beteiligung der Länder zurückkommen. Die beiden Länder Bremen und Saarland bekommen aus dem Bundeshaushalt erhebliche Mittel zur Entschuldung. Sehen Sie auf Grund dieser Tatsache die Möglichkeit, insbesondere auf das Saarland einzuwirken, daß es die Grundausstattung der Universitätsklinik so verbessert, daß sich diese überhaupt um ein solches interdisziplinäres Zentrum bewerben kann?
Frau Kollegin Schmidt, durch die im Zusammenhang mit dem Solidarpakt getroffenen Entscheidungen zugunsten der Länder Saarland und Bremen ist deren finanzielle Perspektive gesichert.
Man kann sich jetzt nur wünschen, daß sie keine klare Schwerpunktsetzung auch im Bereich der Gesundheitsforschung vornehmen.
Danke, Herr Bundesminister.
Herr Kollege Würzbach, ich unterstelle, Sie haben eine Frage zu einem der beiden anderen Themen, die heute behandelt worden sind. Bitte, Sie haben das Wort.
Herr Präsident, ich weiß nicht, ob jetzt ein Mißverständnis vorliegt. Ich hatte mich zu dem Bericht über Abrüstung und Rüstungskontrolle gemeldet.
Das ist genau das richtige Verständnis. Bitte schön!
Dieser Bericht wurde von der CDU/CSU-Fraktion, noch in der Opposition, Anfang der achtziger Jahre beantragt. Ich nehme an, daß der Bericht, den uns die Bundesregierung zum letzten Jahr vorlegt, in der Bilanz zu den erfolgreichsten überhaupt gehören wird. Ich möchte die Bundesregierung vor dem Hintergrund der großen und großartigen Erfolge in der Abrüstungspolitik — hier standen gerade die Deutschen in den Bereichen der Chemiewaffen, der Nichtverbreitung von Nuklearwaffen, der Ratifizierung der Verträge über konventionelle Abrüstung auch nach dem Zerfall der Sowjetunion und der Bildung des NATO-Kooperationsrates unter Einbeziehung östlicher Staaten an der Spitze; dies war also eine gute Bilanz — fragen: Was will, wird und kann die Bundesregierung tun, um diese Verträge nun auch praktisch umzusetzen?
Frau Staatsministerin!
In der Tat, Herr Kollege Würzbach, ist dieser Bericht, den die Bundesregierung seit Jahren vorlegt, in diesem Jahr ganz außerordentlich erfolgreich. Ich glaube, dies wird das gesamte Haus erfreuen. Ganz besonders wichtig ist mit Sicherheit der erfolgreiche Abschluß des C-Waffen-Abkommens, das im übrigen einem Beschluß des Deutschen Bundestages aus dem Jahre 1981 positiv folgt. Damals wurde nämlich einstimmig vom Deutschen Bundestag gefordert, daß diese Kategorie von Massenvernichtungswaffen sofort und unmittelbar abgeschafft werden soll. Es hat nun zehn Jahre gedauert. Um so schöner ist es, daß nun unter deutschem Vorsitz dieses Abkommen vereinbart werden konnte, das eine ganze Kategorie von Massenvernichtungswaffen ächtet.Nun komme ich auf Ihre Frage: Wir haben im letzten Jahr einen ganzen Fächer von Abkommen geschlossen oder hatten Abkommen aus anderen Jahren zu implementieren. Nun kommt es darauf an, diese Abkommen der verschiedensten Art zu kontrollieren und durchzuführen. Sie haben unterschiedlich lange Laufzeiten. Ich nenne beispielhaft die Abrüstungshilfe. Diese hat der Deutsche Bundestag auch mit einer Summe von zunächst 10 Millionen DM dotiert. Das kann natürlich nur ein erster Schritt sein.
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Staatsministerin Ursula Seiler-AlbringDiese Abrüstungshilfe bezieht sich etwa auf die Frage: Wie und in welchem Umfang kann die Forderung nach der Vernichtung eben dieser chemischen Kampfstoffe, die sich aus den verschiedenen Verträgen ergibt, erfüllt werden? Wie kann sie implementiert werden? Das ist eine große Aufgabe, der wir uns mit Sicherheit noch viele Jahre widmen müssen. Die Bundesregierung kann diese Hilfe nicht allein leisten, wenn auf dem Boden der ehemaligen Sowjetunion allein im Bereich der russischen Föderation 40 000 t dieser chemischen Kampfstoffe lagern. Dies ist eine Aufgabe der gesamten westlichen Welt und sicher auch darüber hinaus.Also müssen wir nun ein Implementieren dieses Abkommens durchsetzen. Es gibt Inspektionsregime. Es gibt das Open-sky-Abkommen, das darstellt, wie man nicht nur über Satelliten, sondern auch durch Flugzeuge, die mit besonderen Sensoren ausgestattet sind, beobachten kann, inwieweit der allgemeinen Abrüstung und Vernichtung von Massenvernichtungswaffen Rechnung getragen wird. — Dies sind nur wenige Beispiele. Der Bericht, den ich wirklich jedem Kollegen ans Herz legen möchte, sagt noch sehr viel Genaueres dazu aus.
Herr Kollege Feldmann.
Frau Staatsministerin, denkt die Bundesregierung daran, den neugeschaffenen Abrüstungstitel angemessen aufzustocken?
Wir denken intensiv daran. Wir bitten das Parlament, bei den nächsten Haushaltsberatungen unseren Wünschen zu entsprechen und diesen Titel aufzustocken, weil dies — wie ich gesagt habe — eine Aufgabe ist, deren Dimension sich uns jetzt erst langsam darstellt.
Herr Kollege Würzbach, noch eine Minute.
Wie beurteilt die Bundesregierung die Möglichkeiten der Ratifizierung und der Praktizierung vor dem Hintergrund des Krieges, den die Serben führen und an dem Staaten im Osten, Nachfolgestaaten der Sowjetunion, sehen, daß man eben doch seinen politischen Willen mit Waffen durchsetzen kann, wenn man das will? Wie beurteilt die Bundesregierung die Auswirkungen dessen auf die bisher erfolgreich theoretisch eingeleiteten Abrüstungsbemühungen?
Es mag sein, daß auf Grund der fortgefallenen Ost-West-Konfrontation die Notwendigkeit, permanent Abrüstung und Rüstungskontrolle auszuüben, etwas in den Hintergrund getreten ist. Aber der von Ihnen angesprochene Konflikt im ehemaligen Jugoslawien macht einmal mehr außerordentlich deutlich, wie wichtig es ist, daß wir verbindliche Regelungen des Umgangs mit militärischer Macht haben. Deshalb werden wir das Implementieren der verschiedenen, hier im Bericht angeführten Maßnahmen und Verträge als eine ganz wichtige Aufgabe auch in den nächsten Jahren begreifen müssen. Abrüstung und Rüstungskontrolle ist nicht mit dem Abschluß von Verträgen an einem Tag beendet. Es ist eine permanente Aufgabe, gerade vor dem Hintergrund dieses Konfliktes.
Damit sind wir inklusive der zehn Zusatzminuten am Ende der Zeit, die für die Regierungsbefragung vorgesehen war.
Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 2: Fragestunde
— Drucksache 12/4791 —
Wie beurteilt die Bundesregierung den starken Anstieg der Herstellung und Verbreitung von Falschgeld, vor allem bei den 100- und 200-DM-Noten der als fälschungssicher geltenden neuen Banknotenserien, und was wird sie dagegen unternehmen?
Herr Kollege Kubatschka, die Ausgabe und fälschungssichere Gestaltung von Banknoten fällt in die ausschließliche Zuständigkeit der Deutschen Bundesbank. Die Deutsche Bundesbank hat bereits vor der Ausgabe der neuen Banknoten in enger Zusammenarbeit mit der Polizei und dem Bundeskriminalamt eine Reihe von Maßnahmen ergriffen, um dem Wachstum des Falschgeldanfalls entgegenzuwirken.
Die neuen Banknoten enthalten mehr und leichter prüfbare Sicherheitsmerkmale als die alten. Die Bundesbank bemüht sich, die Bevölkerung hierüber umfassend zu unterrichten, um die Erkennung von Falschgeld zu verbessern. Außerdem konnte durch technische Weiterentwicklungen die Fälschungssicherheit der Banknoten erhöht werden. Ein Beispiel hierfür ist der changierende Farbeffekt in den Wertzahlen der im Oktober 1992 herausgegebenen 500-DM- und 1 000-DM-Banknoten.
Darüber hinaus wollen die Hersteller von Farbkopiergeräten noch in diesem Jahr integrierte Schutzverfahren in den Geräten installieren, die ein Kopieren von Banknoten verhindern.
Zusatzfrage, Herr Kollege Kubatschka.
Herr Staatssekretär, Sie haben uns sehr viele Maßnahmen aufgezählt, die wirken sollten. Wie erklären Sie sich dann die Tatsache, daß beispielsweise die 100-DM-Banknoten teilweise nicht mehr genommen werden, weil die Menschen Angst haben, einen „falschen Fünfziger" angedreht zu bekommen?Dr. Joachim Grünewald, Parl. Staatssekretär: Das Problem ist uns wie auch der Deutschen Bundesbank bekannt und in diesen Tagen in der öffentlichen Diskussion besonders virulent. Deshalb habe ich auch die entsprechenden Zahlen zur Hand: Bei der Deutschen Bundesbank wurden im Jahre 1992 etwa 14 000
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Parl. Staatssekretär Dr. Joachim GrünewaldBanknoten im Gesamtwert von 2,5 Millionen DM als falsch erkannt und dann natürlich aus dem Zahlungsverkehr gezogen. Beim gesamten Notenumlauf — etwa 2,2 Milliarden einzelne Banknoten in einem Gesamtwert von 213 Milliarden DM — kommen also, über den Daumen gepeilt, etwa sieben Fälschungen auf eine Millionen Banknoten.
Zweite Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, was würden Sie einem Bürger empfehlen, der — O Schreck — eine falsche Banknote erwischt und dabei erwischt wird, wie er sie weitergibt, ohne daß er von der Fälschung weiß? Dies kann doch im Grunde jedem passieren. Man wird sich ja nicht jede Banknote unter der Lupe daraufhin ansehen können, ob sie wirklich echt ist oder nicht. Was soll der Bürger tun?
Dr. Joachim Grünewald, Parl. Staatssekretär: Ich habe schon erwähnt, daß zu den vorgesehenen Maßnahmen der Bundesbank auch eine noch umfassendere Aufklärung der Bevölkerung zählt, um auch dem einzelnen Bürger die manchmal sehr schwierige Feststellung von Falschgeld zu ermöglichen. Wenn er es nicht feststellt, wird er auch nicht von den Folgen involviert. Erst dann, wenn ein Kreditinstitut, das Bundeskriminalamt oder die Bundesbank die Feststellung trifft, daß es sich um Falschgeld handelt, wird das Geld aus dem Verkehr gezogen.
Wünscht jemand aus dem Kollegenkreis, zu diesem Thema eine Zusatzfrage zu stellen? — Das ist nicht der Fall. Ich bedanke mich bei Ihnen, Herr Parlamentarischer Staatssekretär, für die Beantwortung der Fragen.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung auf. Für die Fragen 2 und 3 ist um schriftliche Beantwortung gebeten worden. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Frauen und Jugend auf. Für die Frage 4 ist ebenfalls um schriftliche Beantwortung gebeten worden. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Post und Telekommunikation auf. Auch hier ist für die Frage 5 um schriftliche Beantwortung gebeten worden. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich fahre fort in der Verlesung der schriftlichen Beantwortungsbitten und rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern auf. Zur Beantwortung steht uns Staatssekretär Dr. Priesnitz zur Verfügung. Die Fragen 6, 7 und 8 sollen schriftlich beantwortet werden. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich rufe die Frage 9, die der Kollege Siegfried Vergin gestellt hat, auf:
Wie werden in der Praxis auf Bundes-, Landes- und Gemeindeebene Zeiten der Tätigkeit ziviler Arbeitskräfte bei einer Truppe sowohl im Angestellten- als auch im Arbeiterverhältnis auf Beschäftigungs- und Dienstzeiten im öffentlichen Dienst angerechnet, und wie können sie theoretisch angerechnet werden?
Herr Staatssekretär, ich bitte Sie, diese Frage zu beantworten.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten! Herr Abgeordneter Vergin, ich komme vorweg auf zwei Begriffe zu sprechen, weil sie in Ihrer Frage auftauchen: die Beschäftigungszeit bei ein und demselben Arbeitgeber, beim Bund, beim Land oder bei den Gemeinden sowie die Dienstzeit im allgemeinen öffentlichen Dienst. Die Zeiten der Tätigkeiten ziviler Arbeitskräfte bei einer Truppe, d. h. bei einer Einrichtung der Stationierungsstreitkräfte, werden im Bereich des Arbeitgebers Bund, und zwar in den alten Bundesländern, dann auf die Beschäftigungszeit angerechnet, wenn der Bund eine Einrichtung der Stationierungsstreitkräfte oder auch geschlossene Teile von ihr übernimmt. Dies gilt aber nur für Zeiten, die nach dem 5. Mai 1955 — Sie wissen: Übernahme der Teilsouveränität — und nach Vollendung des 18. Lebensjahres des einzelnen Angestellten oder Arbeiters liegen.
Auf die Dienstzeit der Angestellten bzw. auf die Jubiläumszeit der Arbeiter werden im Bereich des Arbeitgebers Bund, und zwar in den alten Bundesländern, ebenfalls die Zeiten einer Tätigkeit nach dem 5. Mai 1955 bei einer Einrichtung der Stationierungsstreitkräfte angerechnet, die der Arbeitnehmer nach Vollendung des 18. Lebensjahres ununterbrochen im Dienst der Stationierungsstreitkräfte abgeleistet hat.
Vorausgesetzt wird allerdings hierbei außerdem, daß sich der Arbeitnehmer unverzüglich nach Beendigung seines Arbeitsverhältnisses mit den Stationierungsstreitkräften um Einstellung beim Bund bemüht und daß die Einstellung dann auch innerhalb von sechs Monaten tatsächlich erfolgt.
Die Anrechnung der vorgenannten Zeiten ist darin begründet, daß die Stationierungsstreitkräfte ihre Aufgaben ab 5. Mai 1955 zugleich im Interesse des Bundes wahrnehmen und die Tätigkeiten der bei ihnen beschäftigten Arbeitnehmer vielfach den Tätigkeiten von Arbeitnehmern des Bundes, insbesondere im Verteidigungsbereich, entsprechen. Auch darum haben die Länder und Gemeinden nun auf der anderen Seite keine tarifrechtlichen Regelungen über die Anrechnung dieser Zeiten getroffen. Allerdings ist bei diesen im Einzelfall dennoch für bestimmte tarifliche Leistungen eine Anrechnung solcher Zeiten möglich, so z. B. im Rahmen der Lohnbemessung der Arbeiter der Länder durch Anrechnung von Zeiten, die für die Berufsausübung förderlich gewesen sind.
Für die Arbeitnehmer der Länder und der Gemeinden besteht — das wissen Sie — jeweils eine eigene Tarifhoheit. Der Bund kann deshalb in diesen Tarifbereichen keine entsprechenden Regelungen treffen. Die Praxis für die Anrechnung der Zeiten im Bereich des Bundes entspricht selbstverständlich dem Tarifrecht.
Einfache Frage, kurze Antwort!
Herr Kollege, Zusatzfrage.
Für Beamte ist das alles etwas kompliziert. Das ist richtig.
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Siegfried VerginWenn also diese Ausschließung für die Kommunen und für die Länder nach dem Tarifrecht, das mir natürlich geläufig ist, gegeben ist, frage ich: Gibt es Überlegungen, wie man diesem immer größer werdenden Personenkreis trotzdem helfen kann? Sind Überlegungen Ihrerseits in Gesprächen mit den Ländern und den Spitzenverbänden der Gemeinden im Gange, Anregungen zu geben, daß eine Hilfe erfolgen kann?Dr. Walter Priesnitz, Staatssekretär: Herr Abgeordneter, nach den Kenntnissen, die wir haben, reicht im Augenblick im Hinblick auf die „Vielzahl" der Fälle die Möglichkeit, die ich angedeutet habe, die dann auch von Ländern und Gemeinden in Anspruch genommen wird. Inwieweit vielleicht ein größerer Personenkreis einmal eine Regelung erfordert, ist eine andere Frage.
Weitere Zusatzfrage.
Kann ich Ihren letzten Satz so verstehen, daß dies im Blickfeld der Bundesregierung bleibt und daß dann entsprechende Gespräche geführt werden?
Dr. Walter Priesnitz, Staatssekretär: Das können Sie selbstverständlich.
Vielen Dank.
Wünscht sonst jemand, dazu noch zu fragen? — Das ist nicht der Fall.
Die Frage 10 soll schriftlich beantwortet werden. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt. — Herr Staatssekretär, ich bedanke mich für die Beantwortung der Fragen.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz auf. Die Fragen 11, 12 und 13 sollen schriftlich beantwortet werden. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft auf. Zur Beantwortung steht uns der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Heinrich Kolb zur Verfügung.
Herr Kollege Kolb, die Frage 14 soll schriftlich beantwortet werden. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 15, die die Kollegin Lydia Westrich gestellt hat, auf:
Ist die Bundesregierung bereit, sich an der konkreten Ausgestaltung bzw. der Festlegung der Vergabekriterien des Programms KONVER aktiv im Sinne der Unterstützung der Forderung der Bundesländer zu beteiligen, damit die 1993 zusätzlich verfügbaren EG-Mittel auch den Problemregionen in der Bundesrepublik Deutschland zugute kommen können, und ist die Bundesregierung bereit, die Forderung des Bundesrates, Gemeinschaftsinitiativen zur Überwindung neu auftretender Strukturprobleme aufzustellen, zu unterstützen?
Ich bitte um Beantwortung.
Frau Kollegin Westrich, die Bundesregierung steht Gemeinschaftsinitiativen grundsätzlich kritisch gegenüber. Viele der bisherigen Gemeinschaftsinitiativen widersprachen dem Subsidiaritätsprinzip. Wir haben daher den Beschluß
des Europäischen Rates in Edinburgh vom 11. und 12. Dezember 1992, der ja dieses Subsidiaritätsprinzip stärkt, nachhaltig unterstützt. Danach sollen Gemeinschaftsinitiativen auf die Schwerpunkte grenzüberschreitende, transnationale und interregionale Zusammenarbeit sowie Unterstützung für Gebiete in äußerster Randlage konzentriert werden. Auch soll die Anzahl der Gemeinschaftsinitiativen deutlich reduziert und das dafür bereitgestellte Mittelvolumen im Rahmen der Strukturfonds zurückgefahren werden.
KONVER würde demgegenüber eine zusätzliche, bisher nicht vorgesehene Gemeinschaftsinitiative darstellen. Es ist allerdings zutreffend, daß die Konversionsproblematik in vielen Regionen erhebliche Strukturprobleme hervorgerufen hat, die ein Gegensteuern erforderlich machen. Insofern wird sich die Bundesregierung trotz grundsätzlicher Bedenken nicht gegen die Durchführung von KONVER-Maßnahmen im Jahr 1993 in der von der Kommission vorgesehenen pragmatischen Weise und deren Finanzierung aus dem europäischen Fonds für regionale Entwicklung und aus dem europäischen Sozialfonds aussprechen.
Herr Parlamentarischer Staatssekretär, gehe ich recht in der Annahme, daß Sie damit auch die Frage 16 schon aufgegriffen haben? Oder kommt da noch eine eigene Antwort?
Dr. Heinrich L. Kolb, Parl. Staatssekretär: Herr Präsident, es folgt noch eine kurze Ergänzung zu Frage 16.
Dann rufe ich jetzt — wenn Sie einverstanden sind, Frau Kollegin Westrich — Frage 16 auf:
Beabsichtigt die Bundesregierung, sich bei den anstehenden Verhandlungen für eine Gemeinschaftsinitiative des Typs KONVER einzusetzen, damit über einen längeren Zeitraum (1994 bis 1999) die wirtschaftlichen Folgen des Truppenabbaus und der Abrüstung in den betroffenen Gebieten unterstützt bzw. gemildert werden können?
Bitte, Herr Parlamentarischer Staatssekretär.
Dr. Heinrich L. Kolb, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin Westrich, die Bundesregierung wird sich, wie gesagt, trotz grundsätzlicher Bedenken nicht gegen die Durchführung von KONVER im Jahr 1993 aussprechen. Für die weitere Behandlung der Konversionsproblematik über 1994 hinaus bedarf es der Rechtsgrundlage der neuen EG-Strukturfondsverordnungen, so daß hierüber auch erst nach deren Verabschiedung entschieden werden kann.
Im übrigen ist es die deutsche Position in den laufenden Strukturfondsverhandlungen, daß über Gemeinschaftsinitiativen künftig der Rat zu entscheiden hat.
Frau Kollegin Westrich, Sie haben jetzt theoretisch vier Zusatzfragen. Sie müssen nicht alle in Anspruch nehmen. Bitte sehr, die erste.
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Heißt das konkret, daß Sie lieber Geld im EG-Topf lassen, als sich an Gemeinschaftsinitiativen zu beteiligen?
Dr. Heinrich L. Kolb, Parl. Staatssekretär: Nein, dann hätten Sie mich nicht richtig verstanden, Frau Kollegin Westrich. Ich habe gesagt, daß wir zwar grundsätzliche Bedenken haben, aber hier durchaus eine Handlungsnotwendigkeit sehen. Es ist aber darauf zu verweisen, daß sich dieses KONVER-Programm im Moment noch in der Entwicklung befindet, also noch nicht formell verabschiedet ist.
Zweite Zusatzfrage.
Ist der Bundesregierung bewußt, daß es für die betroffenen Gemeinden eine Zeitschiene gibt, daß es also sehr notwendig ist, hier schnell zu handeln?
Dr. Heinrich L. Kolb, Parl. Staatssekretär: Es ist uns bewußt, daß bis zum 31. Juli dieses Jahres Vorschläge vorgelegt werden sollen. Wir sind allerdings der Meinung, daß hier die Länder zunächst gefordert sind, die Vorschläge machen müssen. Wir sehen hier die Priorität bei den Ländern. Die Bundesregierung will hier nur ihre Koordinierungsaufgabe und ihr Außenvertretungsrecht gegenüber der Gemeinschaft wahrnehmen.
Dritte Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, kann ich Sie dann so verstehen, daß die Vorschläge, die von den Ländern kommen, von der Bundesregierung willig aufgenommen und weitergetragen werden?
Dr. Heinrich L. Kolb, Parl. Staatssekretär: Wir werden die Vorschläge der Länder mit Interesse zur Kenntnis nehmen, Frau Kollegin Westrich. Es wird dann allerdings unter Umständen — wir kennen sie ja noch nicht — erforderlich sein, diese Vorschläge aufeinander abzustimmen. Wenn sich dies problemlos zu einem Ganzen fügt, wollen wir gern so verfahren. Es kann allerdings sein, daß es hier auch auf Kompromisse zwischen den Ländern ankommen wird.
Herr Kollege Kubatschka, bitte.
Herr Staatssekretär, welche konkreten Vorschläge für das Gemeinschaftsprogramm KONVER liegen der Bundesregierung bisher schon vor? Welche Projekte werden damit, vor allem in Bayern, gefördert?
Dr. Heinrich L. Kolb, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Kubatschka, die Frage nach konkreten Projektvorschlägen und nach dem, was in Bayern passiert, kann ich aus dem Stand nicht beurteilen. Ich schlage vor, Ihnen diese Frage schriftlich zu beantworten.
Zweite Frage, Herr Kollege Kubatschka.
Herr Staatssekretär, ein Entwurf der Kommission liegt über das Schreiben an die Bundesregierung schon vor. Es zeichnet sich die
Tendenz ab, daß alles genommen wird, was geboten wird. Es liegt also einzig und allein im Willen der Bundesregierung, was durchgeführt wird. Stimmt diese Beurteilung?
Dr. Heinrich L. Kolb, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Kubatschka, Sie haben recht, der Katalog der Maßnahmen, die durch das KONVER-Programm gefördert werden können, ist in der Tat sehr umfangreich. Ich will jetzt darauf verzichten, diesen Katalog vorzulegen, aber ich habe noch einmal deutlich zu machen, daß Vorschläge von den Ländern kommen müssen. Sofern sie mit dem Katalog vereinbar sind, müßte es auch möglich sein, diese dann im Rahmen des Gesamtprogramms zu fördern.
Weitere Zusatzfragen dazu? — Das ist nicht der Fall.
Herr Parlamentarischer Staatssekretär, die Frage 17 soll schriftlich beantwortet werden. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt. Ich danke Ihnen für die Beantwortung.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung auf. Herr Parlamentarischer Staatssekretär Bernd Wilz ist zur Beantwortung erschienen.
Herr Kollege Wilz, die Frage 18 soll schriftlich beantwortet werden. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 19 des Kollegen Dr. Wolfgang Weng auf und bitte um Beantwortung:
Welche politischen und militärischen Ziele verfolgt die Bundesregierung mit der zunehmenden Integration deutscher Soldaten in internationalen, vor allem binationalen Verbänden?
Herr Kollege Dr. Weng, ich beantworte Ihre Frage wie folgt:
Die Sicherheit Deutschlands hat während der vergangenen 40 Jahre ganz wesentlich auf dem Prinzip der integrierten multinationalen Verteidigung beruht. Allein kann Deutschland auch künftig seine Sicherheit nicht gewährleisten. Die Bundeswehr bleibt daher als Bündnisarmee in die NATO integriert.
Die Allianz hat während ihres Gipfeltreffens in Rom einvernehmlich beschlossen, im Rahmen der durch die veränderte sicherheitspolitische Lage notwendig gewordenen neuen Streitkräftestrukturen multinationale Verbände auf Korps-Ebene aufzustellen. Die Bundesregierung setzt diesen Beschluß u. a. auch mit der Aufstellung des deutsch-niederländischen und der beiden deutsch-amerikanischen Korps um. Sie bringt so zum Ausdruck, daß Integration und Multinationalität wesentliche Elemente der Bündnissolidarität im Rahmen der Teilung von Verantwortung, Lasten und Risiken sind.
Soweit meine Antwort.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, davon ausgehend, daß Integration nur in Teilen ein Wert an sich sein kann, möchte ich Sie
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Dr. Wolfgang Weng
fragen: Folgen Sie mir in der Auffassung, daß für einen nicht direkt sachbefaßten Beobachter das ganze Vorgehen etwas unsystematisch wirkt?Bernd Wilz, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Dr. Weng, ich kann nicht restlos ausschließen, daß man das so auffassen könnte. Dies alles ist aber sehr wohl und sehr gut überlegt — das eine im Rahmen der NATO, das andere aber auch bilateral. Wir haben umfassende Gespräche mit den amerikanischen und den niederländischen Partnern geführt. Auch was Strukturen und Organisation angeht, haben wir über die Details hinreichend gesprochen.
Zweite Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, kann es nicht mit Blick auf künftige rechtliche Gegebenheiten zu Problemen kommen, wenn man zu einem Zeitpunkt, zu dem die Frage möglicher Einsätze der Bundeswehr noch nicht abschließend rechtlich und parlamentarisch geklärt ist, voranschreitet und damit bestimmte Fakten bereits schafft?
Bernd Wilz, Parl. Staatssekretär: Ich sehe im wesentlichen solche Schwierigkeiten nicht, Herr Kollege Dr. Weng. Wie Sie wissen, sind wir gerade erst bei der Aufstellung, was das deutsch-niederländische und die beiden deutsch-amerikanischen Korps angeht. Dies braucht naturgemäß Zeit. Ich hoffe sehr, daß es zwischenzeitlich im Deutschen Bundestag zu einer entsprechenden Lösung dieser Frage kommen wird.
Im übrigen geht es bei diesen Korps nicht darum, daß, wie beispielsweise bei AWACS, in den Einheiten, in den Verbänden alles miteinander verwoben ist. Sie haben in der Regel vielmehr nur einen integrierten Stab, aber reinrassige Divisionen und auch reinrassige Brigaden. Insofern sind diese Verbände auch völlig frei einsatzfähig.
Zusatzfrage, Herr Kollege Kubatschka.
Herr Staatssekretär, ist auch beabsichtigt, gemischte Verbände außerhalb der NATO aufzustellen? Wie würden Sie z. B. einen gemeinsamen Verband von deutschen und polnischen Soldaten beurteilen?
Bernd Wilz, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, zunächst ist festzustellen: Es ist gegenwärtig nur im Rahmen der NATO geplant, gemeinsame Korps zu bilden. Sie wissen, daß Polen gegenwärtig noch nicht der NATO angehört, sondern dem Kooperationsrat der NATO. Längerfristig kann ich mir aber schon vorstellen, daß Polen wie die anderen mittelosteuropäischen Staaten eines Tages Mitglied der NATO sein werden. Für diesen Fall ist es durchaus vorstellbar, daß wir auch mit MOE-Partnern entsprechende Korps aufstellen könnten.
Gibt es weitere Zusatzfragen zu Frage 19? — Nein.
Ich rufe die Frage 20 des Kollegen Dr. Weng auf:
Befürchtet die Bundesregierung nicht, ihre eigenen Handlungsspielräume und künftige parlamentarische Mitsprache auszuhöhlen, wenn bei deutscher Ablehnung militärischer Einsätze out of area die Integration von Bundeswehrverbänden in der Praxis eine Blockade des Einsatzes der Verbündeten bedeutet?
Bernd Wilz, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Dr. Weng, ich antworte wie folgt:
Die Teilnahme an einem multinationalen Verband berührt nicht die nationale Kompetenz, in jedem Einzelfall über den Einsatz der deutschen Kontingente zu entscheiden. Der Handlungsspielraum der Bundesregierung und die parlamentarischen Mitsprachemöglichkeiten werden somit nicht eingeschränkt.
Zusatzfrage dazu?
— Herr Parlamentarischer Staatssekretär, das war auch ein Kompliment.
Ich bedanke mich, Herr Parlamentarischer Staatssekretär, für die Beantwortung der Fragen und teile Ihnen noch mit, das die Fragen 21 bis 27 schriftlich beantwortet werden sollen. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Wir sind damit am Schluß unserer heutigen Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, 29. April, 9 Uhr ein.
Die Sitzung ist geschlossen.