Gesamtes Protokol
Guten Tag, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich eröffne die Sitzung und rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf:
Befragung der Bundesregierung
Die Bundesregierung hat als Themen der heutigen Kabinettssitzung mitgeteilt: Entwurf einer DioxinVerordnung und Zwischenbericht über die Vergabe öffentlicher Aufträge an Unternehmen in den neuen Bundesländern.
Das Wort zum einleitenden Bericht hat der Herr Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, Dr. Klaus Töpfer.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Auf Vorschlag des Bundesumweltministers hat das Kabinett heute eine Dioxinverordnung verabschiedet. Das Ziel dieser Verordnung ist es, den produktbezogenen Dioxineintrag in die Umwelt zu verringern und damit Mensch und Umwelt vor Dioxinen zu schützen.Bereits in den letzten Jahren hat die Bundesregierung einschneidende Maßnahmen zum Schutz der Menschen und der Umwelt vor Dioxinen eingeleitet und durchgesetzt. Ich darf auf einige hinweisen: die Verordnung über Verbrennungsanlagen für Abfälle und ähnliche brennbare Stoffe, die 17. Verordnung nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz, mit dem besonders niedrigen Emissionsgrenzwert von 0,1 Nanogramm pro Kubikmeter Abgas; die Verordnung über Chlor- und Bromverbindungen als Kraftstoffzusatz, eine besonders wichtige Verordnung — diese 19. Verordnung nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz untersagt Zusätze zum verbleiten Benzin —; die Novelle der Klärschlammverordnung, die erstmals auch Dioxinhöchstwerte für landwirtschaftlich zu nutzende Klärschlämme vorschreibt; die Pentachlorphenol-Verbotsverordnung, die jetzt auch vor den strengen Augen der europäischen Richter Gnade gefunden hat; dadurch wurde die größte Dioxineintragsquelle gestoppt. Das gilt auch für polychlorierte Biphenyle, eine weitere Chemikalie, in der besonders Dioxine als Verunreinigung enthalten waren.Ich weise auch auf die Regelung in der GefahrstoffVerordnung hin, die für das Inverkehrbringen vonStoffen, Zubereitungen und Erzeugnissen Grenzwerte für einige Dioxine festlegt.Ich habe zur weiteren Vorbereitung dieser Verordnung im November 1992 in Berlin ein Internationales Dioxin-Symposium durchgeführt. Dort ist noch einmal die Gefährlichkeit von Dioxinen bestätigt worden. Epidemiologische Untersuchungen belegen, daß hohe Konzentrationen von Dioxinen am Arbeitsplatz die Krebshäufigkeit deutlich erhöhen können.Aus Vorsorgegründen ist anzustreben, daß die vom Menschen täglich aufgenommene Menge an Dioxinen von derzeit 2 Pikogramm pro Kilogramm Körpergewicht langfristig auf 1 Pikogramm und darunter abzusenken ist. Wir können durch kürzlich abgeschlossene Meßprogramme feststellen, daß die oben genannten Verordnungen bereits zu greifen beginnen. Die Maßnahmen haben zu einer deutlichen Verringerung der Dioxineinträge geführt.Diese Verordnung nun ersetzt die bisherige Regelung in der Gefahrstoff-Verordnung. In der neuen, eigenständigen Verordnung wird zukünftig die Anzahl der bisher geregelten polychlorierten Dioxine von 8 auf insgesamt 17 erhöht. Des weiteren werden bisher geltende Grenzwerte teilweise deutlich abgesenkt. Zusätzlich werden erstmals 8 polybromierte Dioxine und Furane geregelt. Somit gelten für alle toxikologisch relevanten Dioxine und Furane Grenzwerte.Erstmals unterstellen wir auch die Zwischenprodukte, die bisher von Regelungen gänzlich ausgenommen waren, bei Überschreiten bestimmter Dioxingehalte einer Anzeigepflicht. Um das hochgesteckte Ziel, die niedrigen Grenzwerte einzuhalten, erreichen zu können, muß die Industrie bestimmte Herstellungsverfahren umstellen oder ganz einstellen. Aus diesem Grund müssen auch Übergangsfristen vorgesehen werden. Das haben wir getan.Der in der Vergangenheit oftmals eingeschlagene Weg, mit den Umweltschutzmaßnahmen erst am Ende des Produktionsprozesses, also „end of the pipe", anzusetzen, wird auch hier durch vorbeugende Umweltschutzmaßnahmen ersetzt. Um ein konkretes Beispiel zu nennen: Statt Sportplätze mit dioxinhaltigem Kieselrot schließen und sanieren zu müssen, ist es besser, wenn primäre Maßnahmen beim chemischen
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Bundesminister Dr. Klaus TöpferProduktionsprozeß greifen. Dies ist der Sinn dieser Verordnung.Natürlich haben wir diese Verordnung auch mit den Bundesländern erörtert. Ich gehe also davon aus, daß auch der Bundesrat dieser Verordnung in Kürze zustimmen kann. Ich glaube, daß wir damit das Gesamtkonzept unserer Politik gegen den Eintrag von Dioxinen und Furanen wesentlich weiter absichern konnten.Vielen Dank, Frau Präsidentin.
Herzlichen Dank, Herr Minister.
Auf der Ehrentribüne hat der Präsident des Großen Staatshurals der Mongolei, Herr Bagabandi, mit einer Delegation Platz genommen. Es ist mir eine Freude, Herr Präsident, Sie und Ihre Delegation im Namen des ganzen Hauses willkommen zu heißen. Ihr erster offizieller Besuch in Deutschland dient vor allem dem gegenseitigen Kennenlernen zwischen Ihrem jungen Parlament und dem Deutschen Bundestag sowie den Landtagen in Potsdam und Düsseldorf. Wir freuen uns, daß der Deutsche Bundestag einen kleinen Beitrag zum Aufbau der pluralistischen Demokratie in Ihrem Land leisten kann, und wir freuen uns auf den Erfahrungsaustausch mit unseren mongolischen Kollegen. Wir wünschen Ihnen viele fruchtbare Gespräche, einen angenehmen Aufenthalt in Deutschland und eine glückliche Heimkehr.
Wir kommen nun zu den Fragen zum Bericht der Bundesregierung. Als erste hat die Kollegin Marion Caspers-Merk das Wort.
Herr Bundesumweltminister, warum regelt die vorgelegte Verordnung eigentlich nicht die Hauptbelastungen, die heute noch über den Luftpfad mit Dioxin entstehen, z. B. bei der Zellstofferzeugung oder bei Recyclinganlagen für Aluminium, und warum regelt Ihre Verordnung auch nicht die Problematik dioxinbelasteter Böden oder aber Verfügungen für Klärschlämme?
Frau Kollegin, ich hatte mich bemüht, deutlich zu machen, daß es sich hier um stoffbezogene Regelungen handelt, d. h. daß wir schon im Produktionsprozeß ansetzen, so daß diese Stoffe erst gar nicht in die von Ihnen genannten weiteren Industrieprozesse hineinkommen.
Ich hatte auch darauf aufmerksam gemacht, daß wir für Klärschlämme eine entsprechende Grenzwertregelung haben. Trotzdem müssen wir immer dafür sorgen, daß solche Stoffe erst gar nicht ins Abwasser und damit in die Klärschlämme kommen. Die Klärschlammverordnung ist wichtig, um die Ausbringung von belasteten Klärschlämmen auf Böden, die der Nahrungsmittelerzeugung dienen, zu verhindern. Sie ist aber noch nicht geeignet, tatsächlich dazu beizutragen, daß in die Abwässer Dioxine nicht hineinkommen. Deswegen sind die Ergänzungen, etwa die PCP-Verbotsverordnung und die PCB-Verbotsverordnung, in der es um polychlorierte Biphenyle geht, notwendig. Ich glaube, daß wir darüber hinaus — ich sage es noch einmal — mit der 17. BImSchV und mit der 19. BImSchV dazu beitragen, daß diese Emissionen begrenzt und zurückgeführt werden. Wir haben also schon an diese Dinge gedacht. Ich sehe aber auch der Diskussion im Bundesrat mit großer Offenheit entgegen. Wenn die Kollegen meinen, hier sollten weitere Bereiche eingebunden werden, die ich im Augenblick so nicht beurteile, werden wir das gern aufgreifen.
Die zweite Frage stellt der Kollege Müller.
Herr Umweltminister, ich habe eine Nachfrage zu Ihrer Aussage über die Anzeigepflicht. In welcher Form soll das für Zwischenprodukte gefaßt werden? Können Sie Näheres dazu sagen? In welchem Umfang soll das mit einer Auskunftspflicht über Dioxingehalt etc. verbunden werden?
Wir haben die Anzeigepflicht in § 3 der Verordnung geregelt. Dort ist gesagt, daß derjenige, der Zwischenprodukte in Verkehr bringt, deren Gehalt an Stoffen in bestimmter Größe — vorher geregelt, wie ich eben gesagt habe — diese Grenzwerte überschreitet, dies der zuständigen Behörde halbjährlich unter Angabe der Handelsbezeichnung des Zwischenprodukts, seines Gehalts an Stoffen nach § 1, also der jeweiligen Dioxine oder Furane, sowie der insgesamt abgegebenen Menge anzuzeigen hat. Bei der erstmaligen Anzeige hat der Anzeigepflichtige zusätzlich Namen und Anschriften der inländischen Unternehmen, an die die Zwischenprodukte abgegeben werden, mitzuteilen, bei späteren Anzeigen auf Anforderung der zuständigen Behörde eine entsprechende aktualisierte Liste. So wissen wir auch, wo die Zwischenprodukte hingehen und wie sie dort weiterverarbeitet werden. Die jeweils zuständige Behörde ist somit in der Lage, den weiteren Ablauf dieser Zwischenprodukte genau zu kontrollieren.
Jetzt hat der Kollege Willfried Penner das Wort.
Herr Minister, können Sie uns erklären, warum bei Ihrem Vortrag die Fraktion der CDU/CSU durch totale Abwesenheit glänzt?
— Nein, der ist Mitglied der Regierung.
Herr Kollege Penner, ich kann Ihnen darüber keine weiteren Informationen geben. Ich bin aber davon überzeugt, daß gerade auch die CDU/CSU-Fraktion — natürlich auch die F.D.P.-Fraktion — an diesen Fragen des stoffbezogenen Umweltschutzes ein großes Interesse hat
und daß dies nicht durch die aktuelle Abwesenheit der Fraktion in Frage gestellt werden kann.
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Als nächstes hat die Kollegin Jutta Müller das Wort.
Herr Bundesumweltminister, warum versucht man denn eigentlich nicht, den technischen Fortschritt etwas zu forcieren, indem man in einer solchen Verordnung dynamische Grenzwerte vorsieht, und warum greift die Regierung denn eigentlich zu dem Mittel, an die Hersteller nur zu appellieren, Dioxinwerte in Produkten zu unterschreiten, wenn dies technisch machbar und dem Hersteller zumutbar ist?
Frau Kollegin Müller, die Grenzwerte, die wir hier festschreiben, vor allem die jetzt festgelegten Werte für Dioxine und Furane, sind weltweit die niedrigsten und die meisten, die geregelt sind.
Ich habe, wie Sie wissen, an vielen Stellen die Antwort zu geben, warum wir in der Bundesrepublik Deutschland auch hier weltweit an der Spitze stehen. Ich habe die Antwort auch deswegen zu geben, weil damit wettbewerbliche Verzerrungen gegenüber anderen Standorten besorgt werden. Das heißt, wir sind hier bereits einen Weg gegangen, von dem ich hoffe, daß er auch von anderen entsprechend nachvollzogen wird. Ich hoffe auch, daß es uns gelingt, dies in der Europäischen Gemeinschaft entsprechend zu harmonisieren. Ziel muß es sein, daß die von mir vorhin genannten 1 Pikogramm pro Kilogramm Körpergewicht hinterher nicht überschritten werden. Wir werden dies natürlich weiter zu verfolgen haben; das ist gar keine Frage. Jede Vorlage einer Verordnung mit Grenzwerten unterliegt immer der Überprüfung durch wissenschaftlich-technischen Fortschritt.
Ich weiß natürlich, daß, wenn wir einen solchen Grenzwert festschreiben, die Werte in der Realität deutlich darunter liegen; denn niemand kann Produkte erzeugen, die genau auf dem Grenzwert liegen. Wir werden also den technischen Fortschritt deutlich in Gang setzen. Wir werden zu Produktionsprozessen und Produkten kommen, die genau diese Stoffe nicht mehr enthalten. Ich habe beim bleihaltigen Benzin ja gesehen, daß dies möglich ist. Diese Verordnung provoziert weiteren technischen Fortschritt zur Vermeidung von Dioxinen und Furanen, ohne daß wir hier eine Dynamisierung der Grenzwerte vorzunehmen hätten.
Entschuldigung, es fehlt noch die Antwort auf den zweiten Teil meiner Frage, warum man sich darauf beschränkt, an die Hersteller zu appellieren, die Werte in den Produkten zu unterschreiten, wenn man doch weiß, daß es machbar und dem Hersteller zumutbar ist.
Wir appellieren überhaupt nicht. In der Verordnung sind bestimmte Grenzwerte festgeschrieben. Wer sie nicht einhält, kann den Produktionsprozeß nicht mehr durchführen. Das ist keine Appellverordnung, sondern die darin festgelegten Grenzwerte müssen eingehalten werden, entweder durch Produktionsumstellung oder durch Beendigung des entsprechenden Produktionsprozesses. Das ist ja der Sinn. Deswegen ist die Verordnung, vorsichtig gesagt, doch einigermaßen fordernd.
Nun kommt der Kollege Horst Kubatschka.
Herr Minister, Sie sprechen davon, daß wir mit einem Grenzwert von unter 1 Pikogramm den weltweit geringsten Grenzwert haben. Wie beurteilen Sie dann den Wert von 0,006 Pikogramm, mit dem die US-Umweltbehörde arbeitet, der also bedeutend niedriger ist als unser Wert? Hat der dort überhaupt keine administrativen Auswirkungen?
Wir haben über diesen Wert, den die EPA, also die Environmental Protection Agency der Vereinigten Staaten, genannt hat, natürlich in dem von mir gerade genannten Symposium in Berlin mit internationalen Fachkollegen sehr intensiv diskutiert. Es ist von den amerikanischen Kollegen, also von hohen Vertretern der EPA, gesagt worden, daß er für das Handeln der amerikanischen Regierung keine Bedeutung hat. Das heißt, er führt nicht zu entsprechenden Verbots- oder Verminderungsmaßnahmen.
Ich kann deswegen nur noch einmal unterstreichen: Der von Ihnen genannte Wert hat keine politische Handlungswirkung im Sinne des Stopfens von Quellen, aus denen Dioxine oder Furane in die Umwelt kommen können. Für mich ist entscheidend, daß wir an diese Quellen — das habe ich, glaube ich, deutlich gemacht — mit den verschiedenen Bausteinen herangehen. Diese Verordnung ist ein zusätzlicher, nicht der alleinige Baustein der gesamten Arbeit der Bundesregierung im Zusammenhang mit der Verminderung des Eintrags von Dioxinen und Furanen in die Umwelt. Die Zielgröße von einem Pikogramm pro Kilogramm Körpergewicht pro Tag ist das, was uns auch international in diesem Symposium bestätigt worden ist. Der von Ihnen genannte EPA-Wert ist nicht handlungsleitend, auch nicht für die Amerikaner.
Nun hat der Kollege Ernst Schwanhold das Wort.
Herr Minister, ich möchte ein Stückchen von der Einzelstoffregelung weggehen und Sie gerne fragen, inwieweit in Ihrem Hause darüber nachgedacht wird, die Strukturwirkungsbilanz der CCl-Bindung — darum geht es ja im eigentlichen Sinne — in stoffrechtliche Überlegungen einzubeziehen, damit nicht nur die gezielte Produktion davon betroffen ist, sondern auch die zufällige Dioxinproduktion, die an vielen Stellen auftreten kann. Gibt es dazu Forschungsvorhaben, und wie weit sind diese gediehen?
Herr Kollege, Sie wissen, daß wir hier in den gesamten Bereich dessen, was wir im allgemeinen als die Chlorchemie bezeichnen, hineinkommen. Ich bin sehr daran interessiert,
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Bundesminister Dr. Klaus Töpferauch die Arbeit der Enquete-Kommission auf diesem Gebiet mitzuverfolgen. Wir hoffen, daß wir von dort Hinweise darauf bekommen, wie die von Ihnen gekennzeichneten zufälligen Dioxinbildungsprozesse frühzeitig erkannt und vermieden werden können. Wir haben uns im Augenblick in der Tat stoffspezifisch orientiert. Ich meine, das ist das Beste, was wir gegenwärtig tun können. Daß in einer Vielzahl von Prozessen, wenn Sie etwa an die Diskussion über PVC denken, zusätzliche Schwierigkeiten entstehen können, ist richtig. Bei PVC in der Verbrennungsanlage wenden wir die End-of-the-pipe-Strategie an. Durch den Grenzwert von 0,1 Nanogramm verhindern wir nicht die Entstehungsprozesse, sondern bekommen eigentlich nur durch die Filterung etwas heraus.Ich sage noch einmal: Die jetzige Verordnung ist das Beste, was gegenwärtig weltweit vorgelegt werden kann. Das bedeutet nicht, daß wir unser Nachdenken über Dioxine in der Zukunft deswegen einstellen. Der von Ihnen gekennzeichnete Auftrag ist ein wichtiger. Ich kann Ihnen aus dem Stegreif nicht sagen, welche wissenschaftlichen Untersuchungen etwa beim Bundesgesundheitsamt oder beim Umweltbundesamt darüber noch weiter durchgeführt werden. Aber wir stehen ja in Kontakt mit der Enquete-Kommission. Ich würde mich sehr freuen, wenn wir das gemeinsam voranbringen könnten.
Herzlichen Dank, Herr Minister. Darf ich fragen, ob es zu diesem ersten Bereich noch Nachfragen gibt? — Das ist nicht der Fall.
Zu dem zweiten Bereich, der genannt worden ist, nämlich Zwischenbericht über die Vergabe öffentlicher Aufträge an Unternehmen in den neuen Bundesländern, liegen mir bereits Wortmeldungen von den Kollegen Wolfgang Lüder und Gunter Weißgerber vor. Kollege Lüder, Sie haben das Wort.
Da ich den Bericht noch nicht kenne, habe ich eine Frage, die an meine Frage vom 11. Mai an die Bundesregierung im Rahmen der Fragemöglichkeiten der Abgeordneten anknüpft. Ist die Bundesregierung mit ihrem Programm jetzt so weit, daß an die ostdeutschen Bundesländer wenigstens ein Auftragsanteil vergeben wird, der etwa der Hälfte des wirtschaftlichen Potentials der ostdeutschen Länder entspricht? Konkret gefragt: Ist die Bundesregierung bereit, allen Stellen, die Aufträge vergeben, die Zielvorgabe zu machen, daß wenigstens 10 % der Aufträge in die ostdeutschen Bundesländer gehen?
Herr Kollege Riedl, Sie haben das Wort.
Frau Präsidentin, vielen Dank. — Herr Abgeordneter, im Prinzip kann ich diese Bereitschaft unterstreichen. Die Probleme liegen allerdings, wie Sie ja selbst wissen, im Detail.Mit ihrer Kabinettsentscheidung vom 23. Dezember 1992, deren Schwerpunkt in der Aussage liegt — ich darf zitieren —, „bei Direktaufträgen den Anteil ostdeutscher Unternehmen bei allen in den neuenBundesländern verfügbaren Produkten über das bisher erreichte Niveau hinaus so weit wie möglich zu erhöhen und innerhalb von zwei Jahren zu verdoppeln", hat die Bundesregierung ein politisches Signal für alle gesetzt mit dem Ziel, die Bemühungen um den Absatz von Ostprodukten zu verstärken und damit auch die alten Bundesländer zu motivieren, diese Regelungen zu übernehmen.Ich bin aus zeitlichen Gründen jetzt nur in der Lage, Ihnen einige Schwerpunkte dessen zu nennen, was in diesem Zwischenbericht hierzu deutlich erkennbar ist. Die Bundesregierung ist ihrer Vorreiterrolle schon jetzt ganz offensichtlich glaubhaft nachgekommen. Hierzu möchte ich Ihnen für 1992 im einzelnen folgendes punktuell vortragen:Erstens. Ressorts, also Bundesministerien, mit niedrigem Autragsvolumen haben relativ hohe Ostanteile. So haben z. B. das Bundesministerium für Familie und Jugend 17,4 % von insgesamt rund 3,5 Millionen DM und das Bundesumweltministerium 13,6 % von 39 Millionen ihrer Aufträge an ostdeutsche Unternehmen vergeben. Das ist zwar von den Ausgaben her relativ wenig, aber es zeigt den prozentualen Anteil.Zweitens. Zwei große Vergaberessorts, nämlich das Bundesverkehrsministerium — einschließlich Deutsche Bundesbahn und Deutsche Reichsbahn — sowie das Bundesministerium für Post und Telekommunikation haben ihre schon jetzt recht hohen Anteile an Ostaufträgen nochmals erhöht: das Bundesverkehrsministerium mit 30 % von rund 8,7 Milliarden DM und das Bundesministerium für Post und Telekommunikation — hier überwiegend Telekommunikation — mit 12,5 % von 32 Milliarden DM. Darin sind natürlich auch Bauleistungen und Fernmeldetiefbau enthalten. Im Bereich des Bundesministeriums für Post und Telekommunikation ist dies eine Steigerung, Herr Abgeordneter, von — man höre und staune — mehr als 600 Millionen DM. —Ich muß allerdings — wenn Sie mir gestatten, noch ein drittes Beispiel anzufügen — sagen, daß für einige andere große Vergaberessorts, z. B. das Bundesverteidigungsministerium, aber auch das Bundesinnenministerium, eine Vielzahl von Bedarfsgütern noch nicht auf dem Markt in den neuen Bundesländern angeboten werden können. Das erklärt sich aus dem Sicherheitsbedarf und aus der Tatsache, daß Produkte aus dem Hochtechnologiebereich benötigt werden. Die Industrie bemüht sich allerdings, hier aufzuholen. Die Häuser sind angewiesen, vermehrt auf neu entstehende Produktbereiche in dem Verantwortungsbereich dieser beiden Ministerien zurückzugreifen. Es läuft also schon ganz gut.Dieses Signal der Bundesregierung — Frau Präsidentin, wenn ich das noch anfügen darf — gilt natürlich auch für die Länder und für die Gemeinden, wobei, wie z. B. bei uns im Wirtschaftsministerium, der Hauptvergabeanteil dessen, was wir den Ländern an Programmen zur Verfügung stellen, durch die einzelnen Länderministerien vergeben wird. Aber dieses Signal kommt an. Auch bei der Bund-LänderWirtschaftsministerkonferenz wird immer wieder darauf hingewiesen.Danke schön.
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Nun der Kollege Gunter Weißgerber.
Allgemein interessiert mich erst einmal, wie die Bundesregierung die Bereitwilligkeit öffentlicher Stellen in Deutschland einschätzt, ostdeutsche Unternehmen mit Aufträgen zu versorgen, und etwas konkreter: Welche Unternehmen drucken die Telefonbücher in Deutschland?
Herr Abgeordneter, das letzte ist eine sehr interessante Frage. Ich weiß sie aber nicht zu beantworten, weil ich aus dem falschen Ministerium komme. Ich werde der Sache einmal nachgehen; das ist eine sehr gute Frage.
Die Druckaufträge hei der Post werden von der Deutschen Postreklame vergeben. Ich werde mich darum kümmern. Ich werde den neuen Minister, den Kollegen Bötsch, bitten, diese Frage direkt für Sie zu beantworten. Mir ist nur ganz allgemein bekannt, daß die Druckkapazitäten in den neuen Bundesländern dafür vorhanden wären.
Der erste Teil Ihrer Frage betrifft eine persönliche Einschätzung, denn wir vom Bundeswirtschaftsministerium blicken in die Vergabestellen im einzelnen natürlich nicht so hinein und dürfen das auch nicht. Ich habe aber das Gefühl, Herr Abgeordneter, daß die Sensibilität bei den öffentlichen Vergabestellen sehr groß ist und daß es, wenn es nicht klappt, eigentlich immer nur am jeweiligen Produkt liegt. Die westdeutschen Behörden und die westdeutschen Beschaffer sind natürlich sehr anspruchsvoll. Ich würde generell für uns im Parlament den Vorschlag machen und die Anregung geben, daß sich Abgeordnete persönlich vor Ort immer wieder einschalten und auch bei den Vergabestellen vorsprechen, wenn sie wissen, daß in ihrem Wahlkreis oder sonstwo in den neuen Bundesländern leistungsfähige, wettbewerbsfähige Anbieter sind, und daß sie bei den Behörden nachhelfen. Das ist ja keine Schande. Ich möchte das gerade in der jüngsten Zeit diskutierte Problem hier einmal ganz offen ansprechen, daß sich Abgeordnete und Politiker gerade in den neuen Bundesländern hinter ihre einheimischen Unternehmen stellen und bei den Vergabestellen vorsprechen sollten. Das bedeutet nicht, daß die Vergabestellen deshalb etwas Unrechtmäßiges tun.
Herr Kollege Riedl, Ihr Kollege aus dem Postministerium ist anwesend. Vielleicht kann die Frage nach den Telefonbüchern von der Bundesregierung beantwortet werden.
Gerne. Ich habe das leider nicht gesehen. Entschuldigung, Kollege Rawe.
Herr Kollege Rawe, könnten Sie vielleicht etwas dazu sagen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Frau Präsidentin, ich bitte um Nachsicht. Ich habe gerade einen meiner Mitarbeiter gebeten, aufklären zu lassen, wo genau die Telefonbücher gedruckt werden. Ich kann Ihnen den Verlag nicht nennen; aber die Information wird in wenigen Minuten hier sein. Sie bekommen dann selbstverständlich Ihre Antwort.
Dann wird die Frage im Anschluß beantwortet.
Nun hat der Kollege Ernst Schwanhold das Wort.
Herr Staatssekretär, es geht ja nicht nur um die Vergabe von öffentlichen Aufträgen, allerdings auch darum. Es geht ebenfalls darum, die industriellen Kerne Ostdeutschlands zu erhalten. Ist im Rahmen der Diskussion über die Vergabe öffentlicher Aufträge auch die Frage der industriellen Kerne erneut aufgegriffen und ein bißchen näher definiert worden?
Diese Frage will ich gerne mit einer Bitte um Zusatzauskunft verbinden, ob zwischenzeitlich von seiten der Treuhand oder von seiten der Bundesregierung den Treuhandunternehmen eine Bestandsgarantie über das Ende der Treuhand hinaus zugeleitet worden ist, damit Kunden überhaupt dort kaufen können. Denn im Maschinenbau ist es unsinnig, bei einem Unternehmen zu kaufen, welches nach einem Jahr vom Markt verschwunden ist, so daß die Ersatzteilfrage nicht geregelt ist.
Diese Frage würde ich gerne in bezug auf den Solidarpakt, über den Sie diskutiert haben, mit der Frage verbinden, ob denn zwischenzeitlich ausgerechnet worden ist, welche Auswirkungen hinsichtlich der Kaufkraft und der Nachfrage der Solidarpakt in Ostdeutschland hat.
Herr Staatssekretär.
Herr Abgeordneter, Sie haben insgesamt drei Fragen gestellt.
— Das ist ganz klar. — Die erste kann ich mit Ja beantworten, die zweite ebenfalls mit Ja. Was die dritte Frage betrifft, bin ich nicht ganz sicher, was in der endgültigen Beschlußfassung zum Solidarpakt dazu vorgesehen ist. Herr Abgeordneter, ich würde Ihnen empfehlen, daß Sie zu diesem Punkt im Wirtschaftsausschuß nachfragen, wenn in der nächsten Sitzung des Wirtschaftsausschusses der Bundesminister für Wirtschaft hierzu Rede und Antwort steht.
Frau Präsidentin, darf ich die Antwort auf die zweite mit Ja beantwortete Frage noch hinterfragen?
Ja, Herr Kollege.
Heißt das zweite Ja, daß Sie eine Bestandsgarantie über das Ende der Treu-
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Ernst Schwanholdhand für alle dann noch bei der Treuhand befindlichen Unternehmen gegeben haben?
In diesem speziellen Fall heißt dieses Ja, daß alle einzelnen Fälle überprüft werden und, wenn wirtschaftlich möglich und wenn es sich rechnet, die entsprechenden — —
— Das ist ja ganz klar: Herr Abgeordneter, eine globale Bestandsgarantie hat die Bundesregierung noch nie abgegeben und kann sie auch nicht abgeben. Die Situation ist ja von Betrieb zu Betrieb unterschiedlich.
Nein, bitte nicht mehr. Jetzt der Kollege Christian Müller.
Herr Staatssekretär, gibt es in der Praxis der Vergabe öffentlicher Aufträge größere regionale Unterschiede? Wenn ja, wo liegen die Schwerpunkte dafür? In diesem Zusammenhang hätte ich gerne gewußt, ob die Bundesregierung daran denkt, die Vergabe von Aufträgen, die letztendlich über Subunternehmen ausgeführt werden, in Richtung Osten zu lenken und das Werkarbeiterangebot bei dieser Gelegenheit einzuschränken.
Zur ersten Frage kann ich sagen, Herr Abgeordneter, daß in dem abschließenden Bericht, über den die Bundesregierung zu dieser Thematik in der ersten Sitzungswoche nach der Sommerpause beraten wird, über diese regionalen Unterschiede, soweit sie gegeben sind, berichtet wird.
Was die Vergabe über Subunternehmen betrifft, so gilt das gleiche, wie wenn es sich um die Vergabe an Generalunternehmer handelt. Hier strebt die Bundesregierung an — sie vertritt diese Auffassung auch —, daß Unterschiede zwischen Generalunternehmen und Subunternehmen, was die gezielte Auftragsvergabe in den neuen Bundesländern anlangt, nicht bestehen sollten. Sonst würden die Empfehlungen, die die Bundesregierung abgibt, ja unterlaufen.
Danke schön.
Damit die Kollegen die Reihenfolge wissen: Ich habe jetzt noch den Kollegen Uwe Jens, den Kollegen Hinrich Kuessner und den Kollegen Holger Bartsch auf der Rednerliste. — Bitte, Herr Kollege Jens.
Herr Staatssekretär, sind Sie mit diesem minimalen Prozentsatz an Aufträgen, die die Bundesministerien an die Unternehmen in Ostdeutschland gegeben haben, zufrieden?
Meine zweite Frage, die sich daran anschließt: Was tun Sie, damit vor allem von den Ländern und Gemeinden mehr Aufträge an Unternehmen in Ostdeutschland gegeben werden?
Vielleicht darf ich noch hinzufügen: Warum haben Sie eigentlich unseren Antrag abgelehnt, der vorsah, daß eine Pflicht zur Vergabe von Aufträgen an ostdeutsche Unternehmen eingeführt werden sollte und daß Ausnahmen davon dann natürlich begründet werden müssen?
Herr Abgeordneter, angesichts der Schwierigkeiten, die wir in den neuen Bundesländern vorgefunden haben, und auch angesichts der Tatsache, daß es sich bei den Neuaufträgen, die die öffentliche Hand zu vergeben hat, auch um neue Felder handelt, bin ich im Prinzip zufrieden. Wenn Sie sich einmal die Post und die Bahn anschauen, dann werden Sie feststellen, daß es enorme Beträge sind. Wenn ich die obersten Behörden der Länder für den Straßenbau hinzunehme, wenn ich den Wohnungsbau hinzunehme, wenn ich auch die Berücksichtigung ostdeutscher Bauunternehmer beim Bau der Wohnungen für die zurückkehrenden russischen Soldaten mit hineinnehme, dann ist dies alles — ich will einmal sagen — nach der Schulnotenskala eine 3 plus. Ich hätte natürlich gern eine 1 plus zu vergeben; aber das läuft schon. Ich teile an sich Ihr Verständnis, daß Sie auch im Wirtschaftsausschuß immer zum Ausdruck gebracht haben, daß sich die Dinge langsam und allmählich nach oben bewegen.
Die Ablehnung Ihres Antrags, Herr Abgeordneter, ist sicherlich auch eine politische Entscheidung gewesen. So ohne weiteres ist die Regierungskoalition nicht bereit, alles und jedes, was Sie auf den Tisch legen, zu übernehmen. Das ist ja das parlamentarische und politische Spiel miteinander und gegeneinander.
Nun der Kollege Hinrich Kuessner.
Herr Staatssekretär, im Unterausschuß Treuhand haben wir auch einmal einen Bericht zu dieser Thematik bekommen. Dieser Bericht sah nicht ganz so optimistisch aus, wie Sie das hier darstellen. Insbesondere das Verteidigungsministerium war sehr kritisch angefragt.
Mich interessiert, ob die Bundesregierung daraus Schlußfolgerungen gezogen hat. Sie haben als Gründe Sicherheitsfragen angesprochen. Die Angehörigen der Bundeswehr brauchen aber auch Essen und Kleidung, und es gibt viele andere Dinge, die gerade für einen regionalen Markt sehr interessant sind. Mich interessiert: Wird bei der Vergabe öffentlicher Aufträge überhaupt differenziert gesehen, daß durch solche Aufträge bei Einheimischen, die neu beginnen wollen, die Startchancen erhöht werden, und wie macht die Bundesregierung das, um dieses Potential sinnvoll zu nutzen?
Herr Abgeordneter, da tun Sie der Bundeswehr eigentlich Unrecht. Sie müssen unterscheiden zwischen den großen Rüstungsbeschaffungsvorhaben, die nicht mehr in dem Maße stattfinden wie früher, und den Detailvergaben von Bundeswehrdienststellen vor Ort an den einzelnen
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Parl. Staatssekretär Dr. Erich RiedlGarnisonsstandorten. Da kann ich Ihnen bekanntgeben, daß die regional mögliche Auftragsvergabe an den neuen Bundeswehrstandorten in den neuen Bundesländern immer mehr — das wird sicherlich in Kürze fast eine hundertprozentige Bedarfsdeckung erreichen können — in den neuen Bundesländern erfolgt.Die Auftragsvergabe für Rüstungsvorhaben geht ja auch in den westlichen Ländern ganz erheblich zurück. Wenn — ich sage das einmal — jetzt ein Panzerabwehrhubschrauber II oder eine sonstige große Rüstungsbeschaffung anstünde, was ja nicht der Fall ist, dann würde davon — das würde das Kraut entsprechend fett machen — natürlich ein entsprechender Anteil in die in den neuen Ländern vorhandenen Kapazitäten gehen.
Die großen Rüstungsvorhaben stehen in den neuen Bundesländern eben nicht zur Verfügung. Das hat andere Gründe und ist auch richtig so.
Eine Nachfrage?
Ja, eine Nachfrage. Die betrifft noch die Differenzierung und die besondere Förderung durch Auftragsvergabe an Einheimische, die neu beginnen wollen. Mein Eindruck ist, daß viele Aufträge auch gerade von der Bundeswehr an Ketten gehen, die nicht unbedingt einheimische Besitzer haben.
Daß da immer noch alteingefahrene Wege begangen werden, Herr Abgeordneter, gebe ich Ihnen ganz offen zu. Das hängt auch ein bißchen mit dem Beharrungsvermögen von Behörden zusammen.
— Herr Abgeordneter, denken Sie einmal an das Beharrungsvermögen der SPD-Fraktion in gewissen Fragen. Dann wissen Sie, was ich mit Beharrungsvermögen meine. — Aber ich will das im Ernst beantworten.
Der Bundesminister der Verteidigung und die Amtsleitung in diesem Ministerium nehmen jede Dienstbesprechung zum Anlaß, die Behördenleiter, die Amtschefs, die Kommandeure auf diese selbstverständliche Auftragsvergabe in den neuen Bundesländern hinzuweisen. Sie dürfen versichert sein, daß die Bundeswehr, gerade die Bundeswehr, alles tut, um vor Ort einzukaufen.
Nun als letzter der Kollege Holger Bartsch, weil wir gleich am Ende der Regierungsbefragung angekommen sind.
Herr Staatssekretär, ich möchte gerne wissen — vielleicht können Sie das sagen — in welche Branchen die Aufträge, die in die
neuen Bundesländer vergeben werden, vorwiegend gehen und wie viele Arbeitsplätze nach Ihrer Schätzung durch solche öffentlichen Aufträge in den neuen Bundesländern in etwa mittelfristig gesichert werden.
Die Antwort auf diese Fragen können Sie im Augenblick weder dem Zwischenbericht, der heute im Kabinett behandelt wurde, noch den derzeit vorhandenen Statistiken entnehmen. Die Bundesregierung möchte — ich sagte das schon — in der ersten Sitzungswoche nach der Sommerpause im Kabinett einen Bericht erörtern und Ihnen dann vorlegen, in dein dies enthalten ist. Das liegt ein bißchen auch an statistischen Schwierigkeiten. Wir arbeiten zur Zeit daran. Ich bitte Sie nur um etwas Geduld. Die entsprechenden Zahlen sind entweder unvollständig oder so lückenhaft, daß sie im Augenblick einen vernünftigen Aussagewert nicht haben. Aber das kommt natürlich; Sie haben ja recht. Das muß klargestellt werden.
Eine Nachfrage?
Ja. — Können Sie nicht zumindest ein paar Trends oder ein paar Schwerpunkte angeben?
Ich weiß es nicht. Sonst würde ich es Ihnen ja sagen. Es tut mir leid.
Damit sind wir am Ende der Regierungsbefragung. Ich hatte keine Gelegenheit mehr, sogenannte offene Fragen, die nicht auf die beiden Punkte bezogen sind, aufzurufen, weil Sie hier so intensiv nachgefragt haben.
Die Frage des Kollegen Weißgerber sollte aber noch beantwortet werden, wenn der Herr Staatssekretär dazu in der Lage ist.
Frau Präsidentin, ich tue das gern. — Nach Nachfrage bei der Deutschen Bundespost Telekom kann ich sagen, daß jetzt schon 50 % der für die neuen Länder erforderlichen Bücher in den neuen Ländern gedruckt werden, und zwar immer bei den Firmen dort, die über die entsprechende Drucktechnik verfügen. Die Telekom hat bei der Firma Bertelsmann sogar erreichen können, daß diese eigens zu dem Zweck auch in den neuen Ländern investiert und eine Druckerei eingerichtet hat. Wir gehen davon aus, daß die gesamten Bücher, also auch die restlichen 50 %, für die neuen Länder vom nächsten Jahr an in den neuen Ländern gedruckt werden können.
Eine Nachfrage dazu vom Kollegen Weißgerber.
Eine Nachfrage nicht. — Ich bedanke mich. Ich werde das auch überprüfen.
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Auch ich bedanke mich. Wir sind damit am Ende der Regierungsbefragung angekommen.
Wir kommen zur Fragestunde: Fragestunde
— Drucksache 12/4132 —
Als erstes kommen wir zum Geschäftsbereich des Bundesministers des Auswärtigen. Zur Beantwortung steht Frau Parlamentarische Staatssekretärin Ursula Seiler-Albring zur Verfügung. Herzlichen Dank.
Die erste Frage ist die Dringliche Frage des Kollegen Hans Wallow:
Welche Vorkehrungen wird die Bundesregierung treffen, um die Sicherheit der vier Heeresfliegersoldaten aus Mendig zu gewährleisten, die sich während der Luftangriffe als UNO experts on mission in Bagdad aufgehalten haben und dort weiter Dienst tun, und wird die Bundesregierung auf Grund dieser Situation ihre Haltung zu UNO-Einsätzen deutscher Soldaten ändern?
Vielen Dank, Frau Präsidentin. — Herr Kollege Wallow, die Bundesregierung hat der im Anschluß an den Golfkrieg vom Sicherheitsrat eingerichteten Sonderkommission der Vereinten Nationen zur Eliminierung der irakischen Massenvernichtungswaffen seit Sommer 1991 drei Bundeswehrhubschrauber mit knapp 30 Soldaten Bedienungspersonal zur Verfügung gestellt. Diese transportieren die multinationalen VN-Inspektionsteams im Lande. Über alle hiermit zusammenhängenden Fragen ist das Parlament durch die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Andrea Lederer und der Gruppe der PDS/Linke Liste seinerzeit unterrichtet worden.
Noch bedingt durch die Weihnachtspause befindet sich gegenwärtig lediglich eine vierköpfige Bereitschaftscrew bei den in Bagdad stehenden Hubschraubern. Die vier Soldaten sind wohlauf. Sie haben über das Kommunikationsnetz der Sonderkommission Verbindung zur Außenwelt und zu ihren Familien in Deutschland. Sie sind auch von hier telefonisch erreichbar.
Die vier Soldaten sind, wie uns die Sonderkommission bestätigt, zusammen mit etwa 500 weiteren ausländischen Kräften der Vereinten Nationen im Irak, davon 80 in Bagdad, voll in das örtliche Sicherheitssystem der Vereinten Nationen integriert.
Für zusätzliche Maßnahmen der Bundesregierung besteht deshalb gegenwärtig kein Bedarf.
Für alle VN-Bediensteten gilt Alarmbereitschaft im Hinblick auf die eskalierte Situation. Evakuierungen sind bislang von den Vereinten Nationen nicht eingeleitet worden. Überlegungen zu einer Ausdünnung des Personalbestands werden gegenwärtig angestellt, sind aber nach unserer Kenntnis nicht abgeschlossen und nach den neuesten Entwicklungen offensichtlich auch nicht mehr notwendig.
Die deutschen Soldaten vor Ort haben den völkerrechtlichen Status von experts on mission gemäß dem Übereinkommen vom 13. 2. 1946 über Vorrechte und
Immunitäten der Vereinten Nationen. Sie genießen damit dieselben Vorrechte und Immunitäten, die den Bediensteten der Vereinten Nationen in allen Mitgliedstaaten der Organisation zustehen. Diesen Status der Unverletzlichkeit hat auch der Irak als Mitglied der Vereinten Nationen in vollem Umfang zu respektieren.
Zusatzfrage, Kollege Wallow.
Frau Staatsministerin, wie mir die Soldaten telefonisch erzählt haben, sind sie des öfteren zum Abendessen in das Hotel gegangen, in das diese Rakete eingeschlagen ist, in das AlRaschid-Hotel. Ich schließe an diese Situation meine Frage an: War die Bundesregierung durch die Alliierten vorher darüber informiert worden, daß dieser Angriff stattfinden würde?
Nach meinem Informationsstand, Herr Kollege Wallow, nein.
Zweite Zusatzfrage.
Meine zweite Frage. — Die sind nun 14 Tage zu lange dort, weil die 30 Ablösesoldaten aus Bahrain nicht hineinkommen können. Sie sind gegenwärtig im Grunde in folgendem Status: Sie tun nichts, versuchen, nicht aufzufallen, gehen in Zivil, fahren auch nicht mit UNO-Wagen. — Wird das dann zukünftig bei den 30 Soldaten, die diese ablösen sollen, ebenso sein, oder wie werden die die Arbeitspraxis fortführen?
Herr Kollege Wallow, nach meinen Informationen ist die gegenwärtige Situation so, daß damit gerechnet werden kann, wenn der Irak dem ausdrücklich zustimmt, daß die Kontrollmissionen sowie Inspektionsaufgaben und -missionen ab morgen wieder fortgesetzt werden, so daß der normale Übungsbetrieb oder der normale Inspektionsbetrieb, zu dem unsere Soldaten ja die logistische Unterstützung bieten, wieder aufgenommen werden kann. Insofern würde sich dann Ihre Frage auch erledigt haben.
Vielen Dank.
Zusatzfrage, Kollege Karl-Heinz Klejdzinski.
Frau Staatsministerin, unabhängig von Ihren inhaltlichen Ausführungen, welchen Status die Soldaten haben, was der Irak alles zu beachten hat usw., muß ich sagen: Es geht doch ganz schlicht und einfach um die Sicherheit der dort eingesetzten Soldaten, daß sie im Grunde genommen an einer Friedensmission teilnehmen. Dann müßte doch die Bundesregierung wegen der Frage der Eskalierung — Sie schließen das ja nicht aus — zu der Überzeugung kommen, daß sie ab sofort die Soldaten zurückzuziehen hat, weil sie nämlich auch einen Anspruch darauf haben, daß ihr Dienstherr, sprich: die Bundesrepublik Deutschland, ihre Sicherheit gewährleistet.
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Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 133. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Januar 1993 11569
Selbstverständlich wäre es so, Herr Kollege Klejdzinski, daß wir dann, wenn wir Anlaß hätten anzunehmen, daß die Sicherheit dieser Soldaten akut gefährdet ist, gemeinsam mit den Vereinten Nationen darüber nachdenken müßten — das habe ich, wie Sie beim Zuhören vielleicht mitbekommen haben, auch dargestellt —, sie abzuziehen.
Außerdem, Herr Kollege Klejdzinski, handelt es sich hier ja nicht um eine Friedensmission, sondern um eine Abrüstungsaufgabe, an der unsere Soldaten teilnehmen. Insofern besteht, wie Sie genau wissen, natürlich auch ein qualitativer Unterschied.
Weitere Zusatzfragen liegen nicht vor. — Herzlichen Dank, Frau Staatsministerin.
Nun kommen wir zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Gesundheit. Zur Beantwortung steht Frau Parlamentarische Staatssekretärin Dr. Sabine Bergmann-Pohl zur Verfügung. Herzlichen Dank!
Die erste Frage ist die des Kollegen Dr. Karl-Heinz Klejdzinski:
Teilt die Bundesregierung die von Experten geäußerte Auffassung, daß das Gentechnik-Gesetz von 1991 in seinen Auswirkungen praktisch dafür gesorgt hat, daß in den USA rd. 1 000 und in Japan 300 Unternehmen in der Biotechnik engagiert sind, während in Deutschland lediglich noch 36 Genlaboratorien tätig sind?
Herr Kollege, über die Anzahl der in USA und Japan tätigen Unternehmen in der Biotechnologie liegen der Bundesregierung keine Angaben vor.
Die in der Anfrage aufgestellte Behauptung, daß seit Inkrafttreten des Gesetzes in Deutschland nur noch 36 Genlaboratorien tätig seien, kann die Bundesregierung nicht bestätigen. Vielmehr sind nach Kenntnis der Bundesregierung allein in der Zeit vom 1. Juli 1990 bis zum 31. Dezember 1992 der ZKBS von den Ländern 594 Anträge zur Begutachtung erstmaliger gentechnischer Arbeiten in Anlagen gemeldet worden.
Zusatzfrage, Herr Kollege.
Ich darf Sie fragen, ob die Antwort auf meine Frage qualitativ besser ausgefallen wäre, wenn sie vom Wirtschaftsministerium gegeben worden wäre.
Herr Kollege, dieses Gesetz fällt in den Zuständigkeitsbereich des Bundesministers für Gesundheit. Aus diesem Grunde habe ich die Antwort gegeben. Sie ist aber mit dem Bundesministerium für Wirtschaft besprochen worden.
Die zweite Zusatzfrage, Herr Kollege.
Darf ich zumindest gelegentlich davon ausgehen, daß Sie, wenn Abgeordnete solche Fragen stellen, gängige Zeitschriften wie die „Wirtschaftswoche" oder wie das „Handelsblatt" oder wie die „Zeit" lesen, in denen solche Informationen grundsätzlich stehen, und daß Sie dann nicht erklären, daß die Bundesregierung davon gar keine Kenntnis hat?
Herr Kollege, ich habe gesagt, daß die von Ihnen aufgestellte Behauptung, daß es seit dem 1. Juli 1990 in Deutschland nur noch 36 Genlaboratorien gibt, nicht den Tatsachen entspricht. Ich darf Sie vielleicht daran erinnern, daß bis zum Inkrafttreten des Gesetzes in Deutschland bereits 1 306 Laboratorien bestanden haben und daß, wie gesagt, der ZKBS 594 Anträge zur Begutachtung vorlagen. Wir gehen davon aus, daß die Länderbehörden ca. 500 Anträge bereits genehmigt haben.
Zusatzfrage dazu, der Kollege Horst Kubatschka.
Frau Staatssekretärin, gibt es im Gesundheitsministerium eine Gegenüberstellung der Gesetzgebung in den USA und in Deutschland, an Hand derer abgewogen werden kann, wo es die strengeren Auflagen gibt, und, wenn ja, welches wäre das Ergebnis einer solchen Gegenüberstellung?
Herr Kollege, natürlich gibt es solche Aufstellungen. Sie wissen ja, daß wir uns in der Vorbereitung der Novellierung des Gentechnikgesetzes befinden.
Es ist so, daß z. B. in den USA wissenschaftliche und technische Voraussetzungen gleichwertiger Art bestehen, um gentechnische Anlagen zu betreiben, daß die Haftungsbedingungen aber sehr scharf sind.
Weitere Zusatzfragen zur ersten Frage gibt es nicht mehr.
Dann kommen wir zur Frage 2 des Kollegen Dr. Karl-Heinz Klejdzinski:
Welche Bedingungen sprechen bei der Abwägung von Standortentscheidungen für die USA und für Japan?
Herr Kollege, die Bundesregierung nimmt die Sorge um die internationale Wettbewerbsfähigkeit des Industriestandorts Deutschland ernst. Allerdings sind für Standortentscheidungen internationaler Unternehmen eine Vielzahl von Faktoren bedeutsam, z. B. wirtschaftliche Vernetzung, jeweilige Produktpalette, Marktnähe sowie forschungs-, gesellschafts- und arbeitsmarktpolitische Gesichtspunkte. Die rechtlichen Rahmenbedingungen der Gentechnik sind dabei nur ein Faktor.Im Einklang mit dem Beschluß des Bundestages vom 12. 11. 1992 und damit ausgehend vom Fördergedanken des Gesetzes in § 1 beabsichtigt die Bundesregierung eine Novellierung des Gentechnikgesetzes im Rahmen des geltenden EG-Rechts. Der Änderungsbedarf ergibt sich aus der notwendigen Anpassung des Rechts an den Fortschritt von Wissenschaft und Technik, ohne einen Verlust an Sicherheit für Mensch und Umwelt in Kauf zu nehmen.
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11570 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 133. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Januar 1993
Zusatzfrage, Herr Kollege.
Ist der Bundesregierung bekannt, daß der europäische Chemieverband zum Ende des Jahrzehnts für den weltweiten Biotechnikmarkt ein Volumen von 167 Milliarden schätzt und daß die Industrie gegenwärtig davon ausgeht, daß, wenn es eine deutsche Teilhabe an Wissenschaft und Forschung in dieser Frage geben könnte, diese weitestgehend außerhalb unserer Landesgrenzen stattfände, ist der Bundesregierung zusätzlich bekannt, daß beispielsweise — da nehme ich mal die „FAZ" vom 2. Januar 1992 — Schering als ein Weltpharmakonzern seine gesamte gentechnische Aktivität ausgerechnet in den Vereinigten Staaten konzentriert hat, und teilen Sie meine Meinung, daß man sich dann einmal ein paar Gedanken darüber machen muß, wie bestimmte Auflagen sind, wie die Bedingungen sind, mit dem Ziel, daß wir diese qualitativen Arbeitsplätze bei uns erhalten?
Herr Kollege, ich habe in meiner Antwort ausgeführt, daß wir eine Novellierung des Gentechnikgesetzes vorbereiten. Ihnen dürfte aber vielleicht auch bekannt sein, daß die Industrie das Gentechnikgesetz bei seiner Verabschiedung 1990 positiv bewertet hat und sich auch öffentlich so dazu geäußert hat.
Die Zahlen, die Sie eben genannt haben, sind meinem Ministerium sicherlich bekannt. Ich habe aber auch die Faktoren genannt, die für die Firmen zum Teil ausschlaggebend sind, im Ausland zu investieren.
Weitere Zusatzfrage.
Frau Staatssekretärin, teilt die Bundesregierung die Annahme, daß durch langwierige Genehmigungsverfahren und Behinderungen, sprich Hemmnisse, Auswirkungen dahin gehend vorhanden sind, daß gerade im Bereich der Gentechnikforschung Unternehmen vielfach ins Ausland gehen, und wir deshalb die Rahmenbedingungen wirklich grundsätzlich ändern müssen?
Ich teile diese Auffassung. Sie wissen aber, daß für die Genehmigung die Länder zuständig sind und daß es natürlich auch eine Vielfalt von Ursachen gibt, warum Genehmigungen zum Teil sehr lange dauern. Wir tragen dem Rechnung und werden bei der Novellierung des Gesetzes genau darauf achten, daß sich die Genehmigungspraxis verändert.
Nun noch eine Zusatzfrage des Kollegen Kubatschka.
Frau Staatssekretärin, Sie schieben das also auf die Länge der Genehmigungsverfahren. Ist Ihnen bekannt, daß in Amerika die Dauer der Genehmigungsverfahren ungefähr genauso lang ist wie die in Deutschland?
Herr Abgeordneter, ich habe es nicht nur auf die Länge der Genehmigungsverfahren geschoben. Vielmehr gibt es dafür eine Vielzahl von Ursachen. Ich habe bei meiner letzten Antwort eben gesagt, daß wir diesen Rahmenbedingungen Rechnung tragen und bei der Novellierung des Gesetzes versuchen werden, diese Regelungen — unter dem Vorbehalt, daß für Umwelt und Mensch keine Gefahren entstehen — zu vereinfachen bzw. zu deregulieren.
Weitere Zusatzfragen liegen nicht vor. Damit sind wir am Ende dieses Geschäftsbereichs angekommen. Herzlichen Dank Frau Staatssekretärin.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Post und Telekommunikation. Hier steht zur Beantwortung Herr Parlamentarischer Staatssekretär Wilhelm Rawe zur Verfügung.
Wir kommen zur Frage 3 des Kollegen Ludwig Stiegler:
Treffen Gerüchte in der Wirtschaft zu, daß die neuen Postleitzahlen fix und fertig sind und nur deshalb nicht herausgegeben werden, weil die deutsche Postreklame bei der EDV-Erfassung noch Probleme hat?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege Stiegler, die Gerüchte treffen nicht zu. Vor ca. anderthalb Jahren hat die Deutsche Bundespost Postdienst als Termin für die Bekanntgabe der neuen Postleitzahlen den 15. Januar 1993 genannt. Im Ergebnis wird dieser Termin tatsächlich um 14 Tage verfehlt werden, da für die letzte Korrekturphase doch mehr Zeit erforderlich war, als ursprünglich geplant. Die neuen Postleitzahlen werden nun am 29. Januar 1993 veröffentlicht werden.
Herr Staatssekretär, trifft es also nicht zu — das haben Sie nicht beantwortet —, daß Probleme bei der Postreklame Ursache dafür waren, daß die Zahlen verspätet bekanntgegeben werden?
Wilhelm Rawe, Parl. Staatssekretär: Ich denke, daß habe ich doch beantwortet. Ich habe gesagt, die von Ihnen angeführten Gerüchte seien unzutreffend. Ich will Ihnen das auch gerne erläutern. Die Deutsche Postreklame wirkt in dieser Phase nur insoweit mit, als sie vorrangig die Aufgabe hat, Leitdateien zur Umstellung von Adreßbeständen auf die neuen Postleitzahlen zu erstellen und zu vertreiben und z. B. dialogfähige Auskunftsysteme zu erstellen, die man sich in Form von Dateipaketen dann dort beschaffen kann, so daß man beispielsweise die alte Postleitzahl mit der Straßenbezeichnung eingibt und dann infolge der Computerhilfe gleich die neue Postleitzahl finden kann.
Zusatzfragen liegen nicht vor.Frage 4 der Kollegin Dr. Elke Leonhard-Schmid wird auf Antrag der Fragestellerin schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.Damit sind wir schon am Ende des Geschäftsbereichs angekommen, herzlichen Dank, Herr Staatssekretär.
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Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 133. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Januar 1993 11571
Vizepräsidentin Renate SchmidtWir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern. Hier steht zur Beantwortung Herr Parlamentarischer Staatssekretär Eduard Lintner zur Verfügung. Frage 5 der Kollegin Ingrid Köppe wird schriftlich beantwortet. Das gleiche gilt für Frage 6 des Kollegen Simon Wittmann . Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.Wir kommen zu Frage 7 des Kollegen Jürgen Augustinowitz.Welche verfassungsschutzrelevanten Informationen liegen der Bundesregierung bezüglich einer Zusammenarbeit zwischen der PDS und der „Kommunistischen Plattform" vor, und welche Strategien und Taktiken konnten ggf. vom Verfassungsschutz ermittelt werden?
Sehr geehrter Herr Kollege Augustinowitz, die Antwort lautet wie folgt: Schon bei der Beantwortung Ihrer Frage zum aktuellen Stand der Prüfung durch das Bundesamt für Verfassungsschutz am 22. Januar 1992 und bei der Beantwortung der Kleinen Anfrage des Abgeordneten Dr. Gysi und der Gruppe PDS/Linke Liste mit dem Titel „Unterstellung verfassungsfeindlicher Bestrebungen" ist darauf hingewiesen worden, daß die sogenannte Kommunistische Plattform innerhalb der PDS u. a. neben der juristischen sowie organisatorischen und historischen Kontinuität der PDS mit der totalitären SED zu den Verdachtsmomenten gehört, die eine Prüfung begründen, ob bei der PDS tatsächliche Anhaltspunkte im Sinne der §§ 3 und 4 des Bundesverfassungsschutzgesetzes vorliegen. Auf diese Ausführungen darf ich Bezug nehmen.
Ferner ist in dem allen Abgeordneten des Deutschen Bundestages vorgelegten Verfassungsschutzbericht für das Jahr 1991 auf Seite 53 Entsprechendes ausgeführt.
Zusatzfrage.
Vielen Dank, Herr Staatssekretär. Ich hatte in meiner Frage auch mögliche Strategien und Taktiken angesprochen, die zwischen diesen beiden Organisationen bestehen könnten, und welche verfassungsschutzrechtliche Auswirkungen es hier gibt.
Eduard Lintner, Parl. Staatssekretär: Dazu sind uns Einzelheiten nicht bekannt. Deshalb kann es naturgemäß auch keine Auswirkungen auf die Verhaltensweise des Verfassungsschutzamtes haben.
Die zweite Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, die Sicherheitsbehörden, haben sich kürzlich dazu entschlossen, eine rechtsradikale Partei, die Republikaner, durch den Verfassungsschutz überprüfen und beobachten zu lassen. Was hindert die Bundesregierung eigentlich daran, eine linksradikale Partei wie die PDS — Sie haben eben etwas zur Historie ausgeführt — ebenfalls vom Verfassungsschutz überprüfen zu lassen?
Eduard Lintner, Parl. Staatssekretär: Ich habe ausgeführt, daß Verdachtsmomente vorliegen und diesen Verdachtsmomenten nachgegangen wird. Sollten
sich im Rahmen dieser Untersuchungen Hinweise darauf ergeben, daß sogar ein Verbot in Frage käme, würde die Bundesregierung sicher nicht zögern, auch ein solches auszusprechen.
Zusatzfrage des Kollegen Jäger.
Herr Staatssekretär, ist eine solche verfassungsmäßige Überprüfung der Partei der PDS nicht allein schon deswegen geboten, weil, wie Sie eben gesagt haben, über manche Einzelheiten dieser engen Zusammenarbeit zwischen der Kommunistischen Plattform und dieser Partei der Bundesregierung keine ausreichenden Erkenntnisse vorliegen?
Eduard Lintner, Parl. Staatssekretär: Nein. Es muß nach dem einschlägigen Bundesverfassungsschutzgesetz ein gewisser Anhaltspunkt konkreter Art vorliegen, der auch verifiziert sein muß. Das ist im vorliegenden Fall nicht gegeben. Deshalb besteht für derartige Maßnahmen im Augenblick keine Rechtsgrundlage.
Weitere Zusatzfrage des Kollegen Lowack.
Herr Kollege, habe ich Sie richtig verstanden, daß Sie gesagt haben „Kommunistische Plattform in der PDS"? Würde das heißen, daß die Bundesregierung davon ausgeht, daß sie ausschließlich innerhalb der PDS organisiert ist?
Eduard Lintner, Parl. Staatssekretär: Könnten Sie den ersten Teil der Frage vielleicht wiederholen?
Habe ich Sie richtig verstanden, daß Sie vorhin gesagt haben, die „Kommunstische Plattform in der PDS" und Sie deshalb davon ausgehen, daß das ausschließlich eine Organisation in der PDS ist?
Eduard Lintner, Parl. Staatssekretär: In der Antwort heißt es „die sogenannte Kommunistische Plattform innerhalb der PDS". So ist es richtig.
Es liegen keine weiteren Zusatzfragen mehr vor.Wir kommen zu Frage 8 des Kollegen Michael Wonneberger:Warum hat das Bundesministerium des Innern Herrn Honekker ein unverzügliches Verlassen der Bundesrepublik Deutschland durch sofortiges Ausstellen eines Reisepasses und Polizeieskorte zum Flugplatz ermöglicht, obwohl für Rechtskundige ersichtlich war, daß der Beschluß des Berliner Verfassungsgerichtes über die Verfassungsbeschwerde Erich Honeckers — Beschluß vom 12. Januar 1993 —, der im Endeffekt auch ausschlaggebend für die Entscheidungen der 27. und der 14. Großen Strafkammer des Landgerichts Berlin auf Einstellung des Verfahrens gegen Honecker war, rechtsfehlerhaft und damit nicht bindend war ?Eduard Lintner, Parl. Staatssekretär: Sehr geehrter Herr Kollege, die Antwort lautet: Es trifft nicht zu, daß der Bundesminister des Innern Erich Honecker einen Reisepaß der Bundesrepublik Deutschland ausgestellt hat. Nach § 19 des Paßgesetzes vom 19. April
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11572 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 133. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Januar 1993
Parl. Staatssekretär Eduard Lintner1986 war das Landeseinwohneramt Berlin zuständige Paßbehörde für die Ausstellung eines Reisepasses an Erich Honecker. Das Landeseinwohneramt Berlin untersteht ausschließlich der Aufsicht des Innensenators Berlin. Ebenso oblagen natürlich auch die Personenschutzmaßnahmen dem Land Berlin.
Zusatzfrage, Herr Kollege.
Danke zunächst für die Antwort.
Gab es Verbindungen zwischen dem Bundesinnenministerium und dem Innensenator in Berlin, der das Procedere der Ausreise festgelegt hat?
Eduard Lintner, Parl. Staatssekretär: Ja. Der Innensenator Berlin hat am 8. Januar 1993 an das Bundesinnenministerium folgendes Fernschreiben gerichtet:
Dem Landeseinwohneramt Berlin liegt als zuständige Paßbehörde ein Antrag des oben Genannten auf Ausstellung eines vorläufigen Reisepasses vor. Das Landeseinwohneramt Berlin hat die Generalstaatsanwaltschaft beim Kammergericht um Mitteilung ersucht, ob Paßversagungsgründe vorliegen. Unabhängig davon ist nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 des Paßgesetzes ein Paß zu versagen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme begründen, daß der Paßbewerber die innere oder äußere Sicherheit oder sonstige erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdet.
Nach hiesiger Auffassung ist im Falle des Antragstellers ein Paßversagungsgrund nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 Paßgesetz nicht gegeben. Für den Fall, daß sie entgegen unserer Auffassung bei einer Paßausstellung an Herrn Honecker politische Belange gefährdet sehen sollten, bitten wir um Ihre kurzfristige Mitteilung bis zum 11. 1. 1993.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Gegen die Auffassung des Innensenators Berlin werden Einwendungen nicht erhoben.
Weitere Zusatzfrage, Herr Wonneberger?
Nein, danke.
Dann Herr Kollege Lowack.
Herr Kollege, wie steht denn die Bundesregierung zu dem in der Frage des Kollegen Michael Wonneberger bereits angeführten Artikel des Kollegen Rupert Scholz in der „Welt" vom 14. Januar 1993?
Eduard Lintner, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Lowack, die Stellungnahme zu Ihrer Frage würde bedeuten, daß die Bundesregierung das Urteil eines Landesverfassungsgerichts kommmentieren würde. Das ist nach gängiger Praxis nicht üblich und stets abgelehnt worden. Ich darf also diese Frage nicht beantworten.
Nun noch eine Zusatzfrage des Kollegen Jäger.
Herr Staatssekretär, hat die Bundesregierung eine Begründung dafür, weshalb in dem von Ihnen eben zitierten Brief des Bundesinnenministers an den Innensenator von Berlin ganz schlicht und selbstverständlich davon ausgegangen wird, daß es keine schwerwiegenden politischen Bedenken gegen die Ausstellung dieses Reisepasses gibt?
Eduard Lintner, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Jäger, ja, nämlich die dafür vorhandene Gesetzeslage und die auch entsprechend vorliegende Rechtsprechung.
Weitere Zusatzfragen liegen nicht vor.
Dann kommen wir zu Frage 9 des Kollegen Jäger:
Haben nach Auffassung der Bundesregierung Verfassungsgerichte der Länder die Befugnis, die Vereinbarkeit von Bundesrecht mit dem Grundgesetz oder gar mit Landesverfassungen zu überprüfen, und ist die Bundesregierung verneinendenfalls bereit, beim Bundesverfassungsgericht einen Antrag auf Überprüfung des Berliner Landesgesetzes über das Verfassungsgericht zu stellen?
Eduard Lintner, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Jäger, die Antwort lautet: Nach Art. 20 Abs. 3 GG sind auch die Gerichte der Länder nicht nur befugt, sondern verpflichtet, die Vereinbarkeit von Bundesrecht mit dem Grundgesetz zu überprüfen. Halten sie einfaches Bundesrecht für unvereinbar mit dem Grundgesetz, so müssen sie nach Art. 100 Abs. 1 GG das Verfahren aussetzen und die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einholen. Sie prüfen dagegen nicht die Vereinbarkeit von einfachem Bundesrecht mit dem jeweiligen Landesverfassungsrecht. Vielmehr geht nach Art. 31 GG Bundesrecht, d. h. sowohl Bundesverfassungsrecht als auch einfaches Bundesrecht, jeglichem Landesrecht vor.
Nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG entscheidet das Bundesverfassungsgericht u. a. auf Antrag der Bundesregierung über die Vereinbarkeit von Landesrecht mit dem Grundgesetz oder sonstigem Bundesrecht. Die Bundesregierung sieht derzeit keinen Anlaß, hinsichtlich des Berliner Gesetzes über den Verfassungsgerichtshof einen solchen Antrag zu stellen.
Zusatzfrage, Herr Kollege Jäger.
Herr Staatssekretär, da sich das Berliner Verfassungsgericht ausweislich des Textes seiner Entscheidung im Fall Honecker ja auf Landesverfassungsrecht gestützt hat, und zwar auf ein angeblich dort geltendes gewohnheitsmäßiges Recht auf Menschenwürde entsprechend dem Art. 1 unseres Grundgesetzes: Sind denn nach Ihren Ausführungen Berliner Landesrecht und Bundesrecht nicht falsch angewandt worden, wenn Sie sagen, daß in einem
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Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 133. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Januar 1993 11573
Claus Jägersolchen Fall ausschließlich das Bundesverfassungsgericht zu entscheiden habe?Eduard Lintner, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Jäger, Sie möchten mich jetzt wieder dazu veranlassen, die Entscheidung eines Gerichts zu kommentieren, was ich — ich verweise auf die vorherige Antwort — natürlich nicht tun will. Ich empfehle aber, meine Antwort auf Ihre Frage 9 zu lesen. Ich glaube, da können Sie durchaus die entsprechenden Rückschlüsse finden.
Eine zweite Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, da ich zunächst einmal davon ausgehe, daß sich das Landesverfassungsgericht Berlin innerhalb der Berliner Landesverfassung bewegt hat: Ist denn nicht für die Bundesregierung Anlaß gegeben nachzuprüfen, ob eine landesverfassungsrechtliche Bestimmung, die einem Landesverfassungsgericht eine derartige Entscheidung ermöglicht, noch im Einklang mit dem Grundgesetz steht, wenn nach der Rechtsordnung des Grundgesetzes ausschließlich das Bundesverfassungsgericht darüber entscheiden kann, ob eine derartige Bestimmung im Widerspruch zum Grundgesetz steht?
Eudard Lintner, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Jäger, die Bestimmungen des Berliner Landesverfassungsgerichtsgesetzes zwingen nicht zu einem solchen Verhalten des Gerichts. Insofern besteht für die Bundesregierung kein Anlaß, das überprüfen zu lassen.
Zusatzfrage des Kollegen Lowack.
Lieber Herr Kollege, Sie haben vorhin gesagt, die Bundesregierung sehe derzeit keinen Anlaß zu überprüfen. Bezieht sich das auf den Fall Honecker oder entsprechende Entscheidungen des Verfassungsgerichts des Landes Berlin?
Eudard Lintner, Parl. Staatssekretär: Ich bin mir jetzt nicht sicher, auf was sich das „derzeit" vorhin bezogen hat. Ich kann nur sagen: Die Bundesregierung ist nicht bereit, Gerichtsentscheidungen zu kommentieren, und sie sieht jedenfalls nach gegenwärtigem Kenntnisstand keinen Ansatzpunkt für eine verfassungsgerichtliche Überprüfung des Landesverfassungsgerichtsgesetzes des Landes Berlin.
Weitere Zusatzfragen liegen nicht vor. Herzlichen Dank, Herr Lintner.
Wir kommen dann zum Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz, und zwar zunächst zur Frage 10 des Abgeordneten Claus Jäger:
Trifft es nach den Erkenntnissen der Bundesregierung zu, daß der Ex-Diktator der DDR, Erich Honecker, nach seiner Haftentlassung unter Mitnahme von Geldvermögen in Höhe von rund 700 000 DM die Bundesrepublik Deutschland verlassen konnte, und weshalb ist dieses Vermögen zutreffendenfalls nicht bis zur Höhe der Pfändungsfreigrenzen beschlagnahmt worden, um staatliche Schadensersatzforderungen gegen Honecker zu sichern?
Es antwortet Herr Staatssekretär Dr. Reinhard Göhner.
Herr Kollege Jäger, der Bundesregierung ist nicht bekannt, ob und in welcher Höhe Erich Honecker Geldvermögen mit nach Chile genommen hat. Die Presseberichte, wonach aus Sammlungen eines „Solidaritätskomitees" eine halbe Million DM herrühren soll, kann die Bundesregierung deshalb auch nicht bestätigen. Es ist nicht bekannt, ob Honecker Eigentümer dieses Geldes geworden ist.
Die Beschlagnahme von Schuldnervermögen ist nur bei einer rechtskräftigen Verurteilung des Schuldners zulässig. Ein derartiges Urteil gegen Honecker besteht nicht. Auch die Voraussetzungen für einen Arrest im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes liegen nicht vor. Die Geltendmachung von Prozeßkosten oder Steuerforderungen wäre Sache der Länder. Schadensersatzforderungen von Privatpersonen, z. B. Angehörigen von Maueropfern, kann der Bund nicht geltend machen oder sichern lassen.
Zusatzfrage, Herr Kollege Jäger.
Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung dem Hinweis in Presseberichten nachgegangen, daß — wie es dort heißt — Honecker aus seinem Privatvermögen 200 000 DM freigegeben worden wären, um mit diesem Geld nach Chile zu reisen? Von der Spende, die auch erwähnt wird, will ich jetzt in diesem Zusammenhang nicht reden.
Dr. Reinhard Göhner, Parl. Staatssekretär: Ich nehme an, daß sich diese 200 000 DM aus der Differenz zwischen dieser halben Million, die es laut Presseberichten aus Sammlungsaktionen geben soll, und den 700 000 DM, von denen Sie in Ihrer Frage gesprochen haben, ergeben. Nein, der Bundesregierung oder mir zumindest ist das nicht bekannt.
Zweite Zusatzfrage, Herr Kollege Jäger.
Die zweite Frage: Hat die Bundesregierung nicht, als erkennbar wurde, daß möglicherweise eine dem Freilassungs- und Verfahrenseinstellungsbegehren des Herrn Honecker entsprechende Entscheidung fallen könnte, die Möglichkeiten des Erlasses eines Arrests überprüft, um Ansprüche der Bundesrepublik Deutschland sicherzustellen, die sich ja aus sehr vielen Gründen, die ich hier jetzt gar nicht alle aufzählen möchte, die aber eigentlich für jeden Bürger dieses Landes völlig klar und sichtbar sind, ergeben könnten?Dr. Reinhard Göhner, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Jäger, es kann gar kein Zweifel daran bestehen, daß Herr Honecker in unermeßlicher Weise den Menschen, unserem Volk, dem Land Schaden zugefügt hat. Aber die Voraussetzungen für eine Beschlag-
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11574 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 133. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Januar 1993
Parl. Staatssekretär Dr. Reinhard Göhnernahme oder für einen Arrest sind rechtliche: bei der Beschlagnahme ein Titel, beim Arrest die Glaubhaftmachung von zivilrechtlichen Forderungen. Ich darf noch einmal darauf verweisen: Die Geltendmachung von Prozeßkosten ist Sache der Länder. Schadensersatzforderungen Privater kann der Bund nicht geltend machen. Andere Rechtsgrundlagen für solche Schadensersatzansprüche sehe ich nicht.
Weitere Zusatzfragen liegen nicht vor.
Dann kommen wir zur Frage 11 des Kollegen Michael Wonneberger:
War der Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin überhaupt für die Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde Erich Honeckers — Beschluß vom 12. Januar 1993 — zuständig, oder wäre in diesem Fall nicht das Bundesverfassungsgericht ausschließlich zuständig gewesen?
Dr. Reinhard Göhner, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Wonneberger, nach Art. 72 Abs. 2 Nr. 4 der Verfassung des Landes Berlin entscheidet der Verfassungsgerichtshof dieses Landes über Verfassungsbeschwerden, soweit nicht Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht erhoben ist oder wird. Das Nähere wird durch das Gesetz über den Verfassungsgerichtshof bestimmt. § 49 des Berliner Gesetzes über den Verfassungsgerichtshof bestimmt, daß jedermann mit der Behauptung, durch die öffentliche Gewalt des Landes Berlin in einem seiner in der Verfassung von Berlin enthaltenen Rechte verletzt zu sein, die Verfassungsbeschwerde zum Verfassungsgerichtshof erheben kann, soweit nicht in derselben Sache Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht erhoben ist oder wird. Nach § 90 Abs. 3 des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht bleibt das Recht, eine Verfassungsbeschwerde an das Landesverfassungsgericht nach dem Recht der Landesverfassung zu erheben, unberührt.
Über die Auslegung und Anwendung dieser Vorschriften in dem Verfahren über die Verfassungsbeschwerde Honeckers hat der Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin in richterlicher Unabhängigkeit entschieden. Im Hinblick auf den Grundsatz der Gewaltenteilung — der Kollege Lintner hat davon soeben schon gesprochen — ist es nicht Aufgabe der Bundesregierung, dazu Stellung zu nehmen, ob diese Entscheidung eines unabhängigen Gerichts mit dem geltenden Recht in Einklang steht.
Zusatzfrage, Herr Kollege Wonneberger.
Ich frage — obwohl die Zuständigkeit des Bundesverfassungsgerichts nach meiner Auffassung noch etwas umstritten ist — trotzdem noch einmal nach: Liegen der Bundesregierung Informationen dazu vor, ob Rechtsanwalt Plöger als Prozeßbevollmächtigter der Nebenkläger im Verfahren gegen Honecker vor der 27. Großen Strafkammer des Landgerichts Berlin eine einstweilige Anordnung des Bundesverfassungsgerichts für den Fall beantragt hat, daß der Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin der Verfassungsbeschwerde
Erich Honeckers stattgibt, und was ist aus diesem Antrag geworden?
Dr. Reinhard Göhner, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Wonneberger, das ist mir nicht bekannt. Deshalb kann ich Ihnen das auch nicht beantworten.
Zweite Zusatzfrage, Herr Kollege Wonneberger.
Eigentlich hätte ich noch eine andere Frage, aber zunächst möchte ich noch fragen: Ist es nicht für die Bundesregierung interessant, diesem Problem nachzugehen?
Dr. Reinhard Göhner, Parl. Staatssekretär: Ja, Herr Kollege Wonneberger. Aber ich kann Ihnen im Augenblick nicht sagen, ob Informationen über den Verfahrensstand vorliegen. Mir persönlich liegen sie jedenfalls nicht vor.
Zusatzfrage, Kollege Jäger.
Herr Staatssekretär, da Sie durch Anhören verfolgen konnten, was Ihr Kollege Lintner vom Bundesinnenministerium vorhin auf meine in ähnlichen Bereichen angesiedelte Frage gesagt hat, möchte ich Sie fragen: Ist die Bundesregierung der Auffassung, daß sich ein landesrechtliches ungeschriebenes Recht auf Menschenwürde, das von irgend jemandem vor einem Gericht in Anspruch genommen wird, immer aus Art. 1 des Grundgesetzes herleitet und insofern immer Ausfluß des Bundesrechts ist und daß im Falle, daß vor einem Landesverfassungsgericht eine Rüge erfolgt, immer eine Richtervorlage nach Art. 100 des Grundgesetzes erfolgen müßte, wenn ein Gericht zu dem Ergebnis kommt, hier sei dieses Menschenrecht und Grundrecht verletzt worden?
Dr. Reinhard Göhner, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Jäger, ich darf darauf hinweisen, daß Herr Kollege Wonneberger nach der Zuständigkeit gefragt hatte. Das betrifft das Verhältnis von Landesverfassungsgerichtshof und Bundesverfassungsgericht. Sie haben den Kollegen Lintner wie auch jetzt in Ihrer Nachfrage nach der materiellen Bewertung gefragt. Daß vorkonstitutionelle Rechtsgrundsätze im Recht überhaupt Geltung haben, ist etwas, was in der Rechtsprechung anerkannt ist und was gerade auch bei der Verfolgung von Unrechtstaten früherer Machthaber der DDR von Bedeutung ist.
Die Frage, ob und inwieweit der Landesverfassungsgerichtshof daraus Konsequenzen ableitet, ist in richterlicher Unabhängigkeit entschieden. Ich bitte Sie sehr um Verständnis, daß die Bundesregierung hier in keine Bewertungen eintreten kann und will. Ich möchte mich deshalb auch persönlich im Hinblick auf meinen Standpunkt zu dieser Frage zurückhalten, auch wenn ich nicht verschweigen will, daß mir das Nachvollziehen dieser Entscheidung persönlich sehr schwerfällt.
Zusatzfrage des Kollegen Lowack.
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Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 133. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Januar 1993 11575
Persönlich habe ich sehr viel Respekt gegenüber dieser letzten Anmerkung.
Ist der Bundesregierung irgend etwas bekannt, daß — worüber in der Öffentlichkeit mehrfach berichtet wurde — der Hinweis, einen Antrag an das Verfassungsgericht des Landes Berlin zu stellen, von diesem Gericht selber kam, weshalb die Anwälte Honeckers gerade nicht das Bundesverfassungsgericht, sondern den Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin bemüht haben?
Dr. Reinhard Göhner, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, mir persönlich sind solche Hinweise nicht bekannt. Ich kann das deshalb auch nicht bestätigen.
Im übrigen ist das natürlich die freie Entscheidung der Anwälte. Solange nicht Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht gestellt war bzw. dort ein Rechtsmittel eingelegt war, war der Landesverfassungsgerichtshof zuständig.
Weitere Zusatzfragen zu dieser Frage liegen nicht vor.
Wir kommen zur Frage 12 des Kollegen Siegfried Scheffler:
Ist es richtig, daß die Jahresgebühren des Deutschen Patentamtes die höchsten in der Welt sind und eine weitere Erhöhung dieser Gebühren beabsichtigt ist?
Dr. Reinhard Göhner, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, daß die Jahresgebühren beim Deutschen Patentamt die höchsten der Welt seien, trifft nicht zu. In Japan ist die Summe der Jahresgebühren höher als beim deutschen Patentamt. In den USA ist zwar die Summe der Jahresgebühren niedriger, dafür sind aber die Anmelde- und Prüfungsgebühren höher. Genaue Vergleiche sind wegen der unterschiedlichen Ausgestaltung der Verfahren und wegen unterschiedlicher Gebührenstrukturen auch nur sehr schwer möglich.
Die Gebühren des Deutschen Patentamtes betragen bis zur Erteilung des Patents 650 DM. Im Vergleich dazu sind die Kosten, die aufgewendet werden müssen, um Patentschutz durch ein europäisches Patent zu erlangen, ungleich höher. Sie betragen — bei Benennung eines Vertragsstaates — mindestens 7 050 DM. Hinzu kommt ein Betrag von 350 DM für jeden weiteren Vertragsstaat, in dem das Patent nach Wahl des Anmelders angemeldet werden soll.
Die Gebühren des Deutschen Patentamts wurden seit 1976 — auch unter Inkaufnahme steigender Defizite — bis heute konstant gehalten. Die Defizite haben inzwischen allerdings eine Größenordnung erreicht, die eine Erhöhung der Gebühren unumgänglich macht. Wir haben im Oktober 1992 deshalb einen Referentenentwurf vorgelegt, mit dem als vorläufige Lösung eine lineare Erhöhung der Gebühren des Patentamtes um 20 % vorgeschlagen wird. Von der Erhöhung sollen solche Gebühren ausgenommen werden, die erst in jüngerer Zeit eingeführt worden sind.
Zusatzfrage, Kollege Scheffler.
Herr Staatssekretär, Sie sagten, die Erhöhung der Gebühren sei vorgesehen. Sie wissen natürlich auch, daß in der Presse vielfach berichtet wurde, daß eine erhebliche Anzahl von Patenten wegen Nichtzahlung der Jahresgebühren erlischt. Vor diesem Hintergrund frage ich Sie: Können Sie zwischen der Nichtzahlung wegen bisheriger hoher Gebühren und der geplanten Erhöhung der Gebühren differenzieren? Wie sieht es in diesem Zusammenhang mit den Patentinhabern aus den neuen Bundesländern aus? Ich beziehe mich dabei auf die Nichtverwertbarkeit bzw. den Verzicht von Lizenzgebern.
Dr. Reinhard Göhner, Parl. Staatssekretär: Ich bin nicht sicher, ob ich die Frage richtig verstanden habe, Herr Kollege.
Ich darf noch einmal sagen: Im internationalen Vergleich kann man wirklich nicht sagen, daß die Gebühren bei uns überproportional hoch sind. Das Gegenteil — auch wenn Sie den europäischen Weg berücksichtigen - ist der Fall. Dieser Weg rechnet sich trotz der hohen Verfahrensgebühren für die Anmelder, die mehrere Staaten benennen wollen, weil sie die jeweiligen nationalen Verfahrensgebühren und die Kosten für Patentanwälte in den jeweiligen Staaten sparen.
Soweit jemand nicht in der Lage ist, diese Gebühren aufzubringen, und auch niemanden findet, der ihm das finanziert, sehe ich jetzt allerdings keine Möglichkeit, irgendeine Sonderregelung zu treffen. Im Hinblick auf die Erhöhung darf ich noch einmal sagen: Man muß einfach berücksichtigen, daß wir seit 1976 keine Steigerung mehr gehabt haben, trotz steigender Defizite. Deshalb scheinen uns sowohl die zunächst vorgesehene vorläufige Lösung einer linearen Erhöhung als auch anschließend Überlegungen im Hinblick auf strukturelle Änderungen angemessen. Dazu wird die Bundesregierung eine Kommission einsetzen, die demnächst ihre Arbeit aufnehmen wird, um hierfür Vorschläge zu erarbeiten.
Die zweite Zusatzfrage, Herr Kollege Scheffler.
Zu der strukturellen Änderung habe ich noch eine Zusatzfrage. Auf Grund der wirtschaftlichen Umstrukturierung der ehemaligen Betriebe und Kombinate in den neuen Bundesländern bzw. in der ehemaligen DDR sind ja viele Patente mit diesen Betrieben untergegangen. Das ist Ihnen bekannt. Können Sie uns hier eventuell berichten, ob die Rechte aus diesen Patenten auf die Erfinder übergegangen sind?
Dr. Reinhard Göhner, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Scheffler, es gibt für die Fortgeltung der Patente eine gesetzliche Regelung, die der Bundestag beschlossen hat und die auch entsprechende Wege eröffnet, um denen, die bisher Inhaber gewesen sind, eine Fortführung zu ermöglichen. Dazu sind unterschiedliche Wege und Schritte erforderlich, die dann jeweils in der Initiative der Inhaber liegen.
Weitere Zusatzfragen liegen nicht vor.
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11576 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 133. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Januar 1993
Vizepräsidentin Renate SchmidtWir kommen zur Frage 13 des Kollegen Antretter:Wann gedenkt die Bundesregierung die mit ihrer Antwort vorn 23. Januar 1991 auf die schriftliche Frage 13 des Kollegen Dr. Uwe Holtz in Drucksache 12/43 schon für Ende 1991 in Aussicht gestellte Umwandlung der von ihr gezeichneten Konvention des Europarates über „das Aufspüren, die Beschlagnahme und das Einziehen der durch Verbrechen erzielten Einnahmen" in nationales Recht nun endlich vorzunehmen bzw. die Konvention zu ratifizieren?Dr. Reinhard Göhner, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Antretter, in ihrer Antwort auf die schriftliche Frage des Kollegen Holtz, auf die Sie Bezug nehmen, hatte die Bundesregierung ihre Absicht bekundet, das Übereinkommen über Geldwäsche sowie Ermittlung, Beschlagnahme und Einziehung von Erträgen aus Straftaten in der Tat so bald wie möglich dem Deutschen Bundestag zur Ratifizierung vorzulegen und auch die Erwartung zum Ausdruck gebracht, daß die zur Umsetzung des Übereinkommens erforderlichen Änderungen des nationalen Rechts noch im Jahre 1991 verabschiedet werden würden.Die Ratifizierung dieses Übereinkommens setzt nämlich nicht nur die zwischenzeitlich erfolgte Pönalisierung der Geldwäsche voraus, sondern auch eine Änderung des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen und die Einführung eines Gewinnaufspürungsgesetzes.Während, wie Sie wissen, die parlamentarische Beratung dieses Gewinnaufspürungsgesetzes in den Fachausschüssen weit vorangeschritten ist und einer Verabschiedung durch den Bundestag in naher Zukunft nichts im Wege stehen dürfte, läßt sich ein Zeitpunkt für die Verabschiedung des Vertragsgesetzes und des Ausführungsgesetzes zum Suchtstoffübereinkommen 1988, welches in seinem Art. 4 die erforderliche Änderung des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen enthält, derzeit nicht verläßlich prognostizieren; denn die von einigen Bundesländern entwickelten Vorstellungen zu einer weitgehenden Entkriminalisierung des Drogenbesitzes für der Eigenbedarf sind nur schwerlich mit den Verpflichtungen aus dem Suchtstoffübereinkommen in Einklang zu bringen.Nach Verabschiedung dieser vorerwähnten Gesetze wird die Bundesregierung das Vertragsgesetz zu dem Übereinkommen über Geldwäsche sowie Ermittlung, Beschlagnahme und Einziehung von Erträgen aus Straftaten, das bisher nur vom Vereinigten Königreich ratifziert worden ist, unverzüglich einbringen.
Zusatzfrage, Herr Kollege Antretter.
Herr Staatssekretär, angesichts der Tatsache, daß die organisierte Kriminalität und die damit im Zusammenhang stehende Geldwäsche in unserem Land in erschreckendem Maße zugenommen hat, frage ich Sie, ob die Bundesregierung mittlerweile bereit ist, die in diesem von Ihnen erwähnten Zusammenhang stehende Abgabenordnung so zu ändern, daß die Finanzbehörden verpflichtet werden, Erkenntnisse über Geldwäsche an die Strafverfolgungsbehörden weiterzuleiten, und ob sie bereit ist, den Finanzbehörden die Befugnis einzuräumen, in bestimmten Verdachtsfällen bereits von sich aus Mitteilungen an die Ermittlungsbehörden zu richten, und in diesem Zusammenhang das gesetzliche Ermittlungsverbot nach § 30a der Abgabenordnung zu modifizieren.
Dr. Reinhard Göhner, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, diese Probleme sind Gegenstand des Entwurfs eines Gewinnaufspürungsgesetzes, der im Bundestag liegt. Da Sie die Bundesregierung fragen — das sage ich jetzt nicht nur formal —, antworte ich: Es ist Sache des Bundestages, zunächst die Verabschiedung des Gesetzentwurfes zu bewirken.
Wenn ich es richtig sehe, sind die parlamentarischen Beratungen in den Ausschüssen nahezu abgeschlossen. Ich gehe eigentlich davon aus, daß in Kürze hier mit der Verabschiedung zu rechnen sein wird.
Die zweite Zusatzfrage, Kollege Antretter.
Trifft es zu und habe ich Sie richtig verstanden, Herr Staatssekretär, daß es sich bei den Unstimmigkeiten, die es hinsichtlich der Verabschiedung des Gewinnaufspürungsgesetzes noch gibt, ausschließlich um Unstimmigkeiten zwischen den Koalitionsparteien handelt?
Dr. Reinhard Göhner, Parl. Staatssekretär: Nein, Herr Kollege. Der Grund, warum wir insgesamt nicht vorankommen, liegt eigentlich in den unterschiedlichen Auffassungen zum Suchtstoffübereinkommen 1988; denn hier — das wissen Sie — haben einige Bundesländer Vorstellungen zur Entkriminalisierung des Drogenbesitzes entwickelt, die mit diesem Abkommen kaum zu vereinbaren sind. Deshalb liegen die Schwierigkeiten und die Ursache der Verzögerung, die sich ergibt, nicht im Gewinnaufspürungsgesetz, sondern eher in diesem Bereich.
Weitere Zusatzfragen liegen nicht vor. Wir sind damit am Ende dieses Geschäftsbereichs angekommen. Herzlichen Dank, Herr Staatssekretär.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen. Zur Beantwortung steht Herr Parlamentarischer Staatssekretär Dr. Joachim Grünewald zur Verfügung.
Wir kommen zur Frage 14 des Kollegen Dr. Eberhard Brecht:
Ist dem Bundesministerium der Finanzen bekannt, daß die Treuhandanstalt einen Großteil der Kinder- und Erholungszentren, die zum Unternehmensvermögen ehemaliger volkseigener Betriebe gehörten, entgegen den Beschlüssen der Kommunalparlamente und früheren Äußerungen des Direktorats „Kommunalvermögen" an die Käufer der Unternehmen mitveräußert, und billigt es dieses Vorgehen?
Herr Kollege Brecht, in der ehemaligen DDR gab es insgesamt 51 sogenannte zentrale Pionierlager, die ab 1990 Kindererholungszentren genannt wurden. Davon sind durch das Treuhandgesetz 48 in das Eigentum der Trägerunternehmer übergegangen und kamen damit in die Verwaltung der Treuhandanstalt.
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Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 133. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Januar 1993 11577
Parl. Staatssekretär Dr. Joachim GrünewaldDie für diesen Bereich der Jugendhilfe zuständigen Länder haben mittlerweile festgestellt, daß Bedarf nur an 19 dieser Zentren besteht. Die Treuhandanstalt ist bestrebt, diese Einrichtungen im Einvernehmen auch und insbesondere mit den Kommunen an freie oder öffentliche Träger zweckgebunden zu veräußern.In zwei Fällen nun hat die Treuhandanstalt ohne nochmalige Rückfrage bei den zuständigen Landesjugendbehörden an Dritte veräußert. In einem Fall geschah dies, nachdem der interessierte freie Träger die Finanzierung nicht nachweisen konnte. In beiden Fällen ist die Treuhandanstalt auch und nicht zuletzt auf Betreiben der Bundesregierung bemüht, eine Weiterführung als Kinder- und Jugenderholungszentren dennoch sicherzustellen.
Zusatzfrage, Herr Kollege Brecht.
Darf ich fragen, ob im Fall der Veräußerung des Kinder- und Erholungsheimes in Günthersberge nicht Interesse der Landesregierung vorlag und auch eine Auslastung dieses Erholungszentrums für Monate hinaus gewährleistet war.
Dr. Joachim Grünewald, Parl. Staatssekretär: Ich sage ja, daß wir uns auch in diesem von Ihnen erwähnten Falle mit der Treuhandanstalt bemühen, die Zuführung zum ursprünglichen Verwendungszweck wieder sicherzustellen. Nach meinem Informationsstand sind diese Bemühungen auf gutem Wege.
Die zweite Zusatzfrage.
Darf ich Sie fragen, welchen Sinn es ergibt, daß, wenn die Landesregierung der Meinung ist, dieses Erholungszentrum zu erwerben, gleichzeitig eine Veräußerung an Herrn Ministerpräsident a. D. Ernst Albrecht stattfindet, der seinerseits wiederum zu verstehen gegeben hat, dieses Erholungszentrum an den Interessenten verkaufen zu wollen.
Dr. Joachim Grünewald, Parl. Staatssekretär: Ich durfte Ihnen ja sagen, daß es — wenn Sie so wollen: bedauerlicherweise — auf Grund eines Informationsmangels des zuständigen Direktorats bei der Treuhandanstalt, das diese Absprachen mit den Kommunen und den Ländern nicht kannte, zu dieser Veräußerung im Gesamtzusammenhang mit dem Unternehmen gekommen ist. Jetzt bemüht man sich um die Reparatur.
Weitere Zusatzfragen liegen nicht vor.
Wir kommen damit zur Frage 15 des Kollegen Dr. Michael Luther:
Warum wurde bei der Privatisierung des Treuhandbetriebes „Stahlbau Thale" nicht beachtet, daß damit das Kinder- und Jugenderholungszentrum „Günthersberge/Harz" mitveräußert wurde und somit die getroffenen Vereinbarungen zum Erhalt der Kinder- und Jugenderholungszentren in Frage gestellt sind?
Dr. Joachim Grünewald, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Luther, das mit der Privatisierung der Eisen-und Hüttenwerk Thale AG befaßte Direktorat — ich sagte es gerade schon — hat in Unkenntnis der zuvor mit Land und Kommune geführten Gespräche das Kindererholungszentrum Günthersberge bedauerlicherweise mitveräußert.
Die Treuhandanstalt setzt sich bei dem Bewerber — auch das durfte ich schon sagen — nun für eine Reparatur ein, um auf jeden Fall die Einrichtung doch noch für Zwecke der Kinder- und Jugenderholung zur Verfügung zu stellen. Die Verhandlungen sind auf gutem Wege.
Zusatzfrage, Herr Kollege Luther.
Herr Staatssekretär, weil Sie es vorhin erwähnt haben: Das zweite Objekt ist dann offensichtlich Limbach-Oberfrohna. Treffen Sie dafür dieselbe Aussage, daß versucht wird, das zu heilen?
Dr. Joachim Grünewald, Parl. Staatssekretär: Ja, es ist zutreffend: Das ist das zweite Objekt. Auch hier steht die Treuhandanstalt in Verhandlungen, es dem ursprünglichen Verwendungszweck, der Kindererholung, zuzuführen.
Eine zweite Zusatzfrage wird nicht gewünscht. Dann eine Zusatzfrage des Kollegen Schily.
Herr Staatssekretär, wie hoch werden denn die Reparaturkosten sein, und werden Sie dafür irgendwelche Regreßforderungen stellen?
Dr. Joachim Grünewald, Parl. Staatssekretär: Ich vermag nicht zu sagen, Herr Kollege Schily, ob überhaupt bzw. in welcher Höhe Reparaturkosten anstehen. Einen Regreßanspruch vermag ich bei dem mir bekannten Tatbestand dem Grunde nach nicht zu erkennen.
Eine weitere Zusatzfrage des Kollegen Brecht.
Glauben Sie, daß nach einer Privatisierung des Günthersberger Erholungsheims eine Veräußerung zu dem Zweck der Erholung überhaupt noch möglich ist, nachdem eine privatrechtliche Grundlage geschaffen ist? Glauben Sie, daß das Land Sachsen-Anhalt noch in der Lage sein wird, einen darstellbaren Preis zu zahlen?Dr. Joachim Grünewald, Parl. Staatssekretär: Das entscheidet sich, Herr Kollege, zunächst einmal an der Frage des Bedarfs. Das entscheidet sich selbstverständlich auch dadurch, ob ich einen Interessenten, einen privaten oder auch öffentlichen Träger, etwa das Land, finde. Wenn diese Voraussetzungen gegeben sind, kann das selbstverständlich realisiert werden.Ich darf hinzufügen, daß auch in der Trägerschaft des Eigentümerunternehmens eine solche Einrichtung weiter betrieben werden könnte.
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11578 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 133. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Januar 1993
Weitere Zusatzfragen liegen nicht vor.
Wir kommen damit zur Frage 16 des Kollegen Dr. Michael Luther:
Wie wird von der Treuhandanstalt sichergestellt, daß bei der Privatisierung von ehemaligen Trägerbetrieben von Kinder- und Jugenderholungszentren die Erholungszentren nicht mitprivatisiert werden und somit die Übertragung an die neuen Träger solcher Einrichtungen, entsprechend den Absprachen zwischen den Ländern, der Treuhandanstalt und dem Ausschuß für Frauen und Jugend des Deutschen Bundestages, sichergestellt wird?
Dr. Joachim Grünewald, Parl. Staatssekretär: Mit dem nochmaligen Hinweis der Treuhandanstalt auf die getroffenen Absprachen müßte deren Einhaltung durch alle Direktorate für die Zukunft endgültig gesichert sein.
Zusatzfrage, Herr Kollege Luther.
Sehen Sie die Möglichkeit einer sofortigen Herauslösung dieser interessierenden Objekte, d. h. der ehemaligen Pionierlager, aus den Unterbereichen der Treuhand zugunsten der Treuhand-Liegenschaften bzw. des zuständigen Bereichs in Berlin?
Dr. Joachim Grünewald, Parl. Staatssekretär: Wenn ich Ihre Frage richtig verstanden habe, dann geht es darum, daß wir diesen Teilbereich, das ehemalige Pionierlager, aus dem Unternehmen, so wie es jetzt besteht, wieder herauslösen oder abspalten sollen. Diese Möglichkeit ist selbstverständlich gegeben. Um diese Möglichkeit bemüht sich die Treuhandanstalt mit dem Unternehmen zusammen im konkreten Fall ja auch.
Noch eine Zusatzfrage, Kollege Luther.
Vielleicht darf ich meine Frage noch einmal präzisieren: Ich meine diejenigen ehemaligen Pionierlager, über die jetzt noch Verhandlungen geführt werden, z. B. mit den Landkreisen bzw. mit dem Land. Da die ehemaligen Trägerbetriebe noch nicht privatisiert sind, könnte wiederum die Gefahr bestehen, daß die ehemaligen Pionierlager mit privatisiert werden. Könnte, um dem vorzubeugen, die Zuständigkeit innerhalb der Treuhand für die ehemaligen Pionierlager nicht von den Unterbereichen der Treuhand nach Berlin verlagert werden?
Dr. Joachim Grünewald, Parl. Staatssekretär: Nach den bedauerlichen Vorfällen — ich habe das ja schon gesagt — in diesen beiden Einzelfällen bei insgesamt 48 Pionierlagern ist gewährleistet, daß sich so etwas in der Zukunft nicht wiederholt. Theoretisch können alle 48 ehemaligen Pionierlager abgespalten und dem ursprünglichen Verwendungszweck zugeführt werden. Aber — das durfte ich ja auch schon sagen — es besteht nach dem Erkenntnisstand, den wir zusammen mit den zuständigen Jugendministerien in den neuen Ländern gewonnen haben, nur für 19 solcher Projekte Bedarf und ein privates oder öffentliches Interesse.
Noch eine Zusatzfrage des Kollegen Brecht.
Welchen Stellenwert genießen die Beschlüsse der Kommunalparlamente bezüglich der Weiternutzung solcher Lager bei der Entscheidung der Treuhandanstalt?
Dr. Joachim Grünewald, Parl. Staatssekretär: Sie genießen einen ganz entscheidenden Stellenwert. Die Treuhandanstalt hat mit den Belegenheitskommunen in den hier angesprochenen Fällen j a auch verhandelt. Sie hat die Kommunalparlamente gebeten, einen Ratsbeschluß zu fassen. Sie hat die Kommunalparlamente auch gebeten, die planungsrechtlichen Voraussetzungen für die Fortführung des bisherigen Verwendungszwecks möglichst bald zu schaffen; denn das ist ja ganz entscheidend für die Findung des Preises, der sich dann möglicherweise bis auf Null reduzieren kann.
Weitere Zusatzfragen liegen nicht vor.
Dann kommen wir zu Frage 17 des Kollegen Ludwig Stiegler:
Wie ist der derzeitige Stand der Informationen der Bundesregierung über die künftige Beschäftigung deutscher Arbeitnehmer bei den US-Streitkräften, und nach welchem Fahrplan wird mit der neuen Administration über die Zukunft dieser Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gesprochen werden?
Dr. Joachim Grünewald, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Stiegler, nach dem gegenwärtigen Stand der Informationen war vorgesehen, in den Jahren 1992 und 1993 die Zahl der Stellen für örtliche Arbeitnehmer bei der US-Armee im Zusammenhang mit dem Truppenabzug um rund 13 500 zu verringern. Zusätzlich soll die Zahl der Arbeitnehmer nunmehr um weitere 5 000 aus Haushaltsgründen dadurch vermindert werden, daß Abfindungen bei freiwilligem Ausscheiden gewährt werden.
Bereits Anfang Februar werden erste Gespräche mit dem Hauptquartier der US-Armee in Heidelberg stattfinden, um nun endgültig Klarheit darüber zu gewinnen, ob und gegebenenfalls welche weiteren Personalmaßnahmen für den Bereich der örtlichen Arbeitnehmer geplant sind.
Eine Zusatzfrage, Kollege Stiegler.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß die US-Streitkräfte zunehmend dazu übergehen, Stellen, die eigentlich für deutsche Arbeitnehmer vorgesehen sind, mit zivilem Gefolge oder mit Angehörigen der Streitkräfte zu besetzen, und was unternehmen Sie dagegen, daß wenigstens die übrigen Stellen dann weiter ausnahmslos mit deutschen Arbeitnehmern besetzt werden?Dr. Joachim Grünewald, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Stiegler, wir haben dieses Problem ja schon einmal in einer Fragestunde miteinander erörtert.
— Die Personalhoheit — das können wir ja gar nichtleugnen — liegt natürlich bei den US-Streitkräften.
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Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 133. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Januar 1993 11579
Parl. Staatssekretär Dr. Joachim GrünewaldWir haben jedoch, wie Sie wissen, unterschiedliche Tarifverträge, die wir teilweise im Auftrag der US-Streitkräfte mit den Tarifpartnern abgeschlossen haben, aber auch zusätzliche tarifliche und sonstige Vereinbarungen, die die US-Streitkräfte selber getroffen haben. Wir sind schon der Meinung — nach der bisherigen Erfahrung kann ich das auch bestätigen —, daß sich die US-Streitkräfte im Konzert mit uns um sozialverträgliche Lösungen bemühen.
Die zweite Zusatzfrage, Kollege Stiegler.
Herr Staatssekretär, das NATO-Truppenstatut und das Zusatzabkommen, in dem der Vorrang für den lokalen Arbeitsmarkt vorgesehen ist, sind Ihnen ja bekannt. Was unternimmt die Bundesregierung, um diesen Vorrang gegebenenfalls bei den laufenden Verhandlungen zur Änderung des Zusatzabkommens zum NATO-Truppenstatut zu bekräftigen und vielleicht einmal endgültig durchzusetzen?
Dr. Joachim Grünewald, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, wie Sie wissen, haben wir ja gerade über eine Revision des Zusatzabkommens zum NATO-Truppenstatut verhandelt. Wenn ich richtig unterrichtet
bin, wird das Auswärtige Amt den Verteidigungsausschuß in einer seiner nächsten Sitzungen über die Ergebnisse dieser Verhandlungen unterrichten.
Selbstverständlich hat das Bundesfinanzministerium seine über Jahre gewachsenen guten Kontakte auch genutzt. Ich darf Ihnen versichern, daß wir in diesen Verhandlungen nachhaltig darauf drängen, daß so wenig wie eben möglich deutsche Arbeitnehmer betroffen werden und daß dies, wo es unvermeidbar ist, in sozialverträglicher Weise geschieht.
Zusatzfragen zu dieser Frage liegen nicht vor.
Die Frage 18 der Kollegin Dr. Elke LeonhardSchmid wird schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Damit sind wir am Ende dieses Geschäftsbereichs angekommen. Herzlichen Dank, Herr Staatssekretär.
Wir sind auch am Ende der Fragestunde und damit auch am Ende der Tagesordnung der heutigen Sitzung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 21. Januar 1993, 9 Uhr ein.
Die Sitzung ist geschlossen.