Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet.
Ich rufe Punkt 1 der Tagesordnung auf:
Befragung der Bundesregierung
Die Bundesregierung hat mir mitgeteilt, daß sich das Kabinett als zentralem Thema mit der endgültigen Annahme und Zeichnung eines Umweltschutzprotokolls zum Antarktis-Vertrag am 4. Oktober 1991 in Madrid befaßt hat. Ich nehme an, daß Staatsministerin Frau Seiler-Albring darüber berichten wird.
Ich mache darauf aufmerksam, daß im Anschluß an die Behandlung dieses Themas allgemeine Fragen an die Bundesregierung gerichtet werden können.
Zunächst erteile ich der Staatsministerin das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Bundeskabinett hat in seiner heutigen Sitzung die bisherigen Ergebnisse der Verhandlungen über ein Umweltschutzprotokoll zum Antarktis-Vertrag gebilligt. Gleichzeitig hat das Kabinett für die abschließende Verhandlungsrunde, die am 3. und 4. Oktober in Madrid stattfinden wird, die deutsche Delegation ermächtigt, diese völkerrechtliche Vereinbarung förmlich anzunehmen und auch schon zu zeichnen.Zum Verständnis darf ich folgende Erläuterungen geben. Der Antarktis-Vertrag, der seit 30 Jahren in Kraft ist und dem die Bundesrepublik Deutschland 1979 beigetreten ist, trifft nur einige grundlegende Bestimmungen, z. B. über das Verbot militärischer Nutzung, über die wissenschaftliche Zusammenarbeit und zu der Frage der Souveränitätsansprüche in der Antarktis.Bestimmungen zum Umweltschutz enthält er nicht. Zwar haben die derzeit 40 Staaten des Antarktis-Vertrages bei ihren bisher 15 regelmäßigen Konferenzen, den sogenannten Konsultativtagungen, zahlreiche Bestimmungen zum Schutz der empfindlichen antarktischen Umwelt und ihrer Ökosysteme angenommen; die 15. Konsultativtagung beschloß aber 1989, einen neuen, umfassenden Ansatz zu wählen und die die antarktische Umwelt betreffenden Regelungen in einem Instrument konzentriert und in bindender Weise zusammenzufassen.Die 11. Sonderkonsultativtagung, eine Umweltsonderkonferenz für die Antarktis, hat im Verlauf von drei Sitzungsperioden seit November 1990 diesen Auftrag umgesetzt und ein entsprechendes Instrument erarbeitet. Es besteht aus dem erwähnten Protokoll zum Antarktis-Vertrag und den jeweiligen Anhängen.Während das Protokoll allgemeine Kriterien und Verfahrensvorschriften für alle Aktivitäten von Menschen in der Antarktis umfaßt, enthalten die Anhänge konkrete Verhaltensanweisungen zu den Bereichen Umweltverträglichkeitsprüfungen, Schutz der antarktischen Tier- und Pflanzenwelt, Abfallbehandlung und Verhütung der Meeresverschmutzung.Besonders wichtig ist die in dem Protokoll enthaltene Bestimmung über das Verbot von Bergbauaktivitäten in der Antarktis. Das Verbot gilt prinzipiell unbefristet. Es kann wie die anderen Bestimmungen des Protokolls frühestens nach 50 Jahren unter engen Voraussetzungen verändert oder aufgehoben werden.Gerade über diese brisante Bestimmung hat es langwierige Verhandlungen gegeben. In einigen Konferenzphasen erschien ein erfolgreicher Konferenzausgang zweifelhaft. Nach wiederholter Modifizierung der umstrittenen Bestimmung und einer öffentlichen Ankündigung von Präsident Bush, den im Juni dieses Jahres in Madrid ausgehandelten Kompromiß mitzutragen, ist nunmehr ein positives Ergebnis greifbar.Nachdem vor einem Jahr noch stark divergierende Vorstellungen zwischen verschiedenen Staaten bestanden hatten, wie ein Umweltschutzinstrument für die Antarktis aussehen und welche Regelung in der Frage von Bergbauaktivitäten getroffen werden sollte, ist die nunmehrige Einigung im Rahmen der Umweltsonderkonferenz ein großer Erfolg für das antarktische Vertragssystem.Das Protokoll stellt in seiner jetzigen Form einen ausgewogenen Kompromiß zwischen den divergierenden Ausgangspositionen der Vertragsstaaten dar.Die Bundesregierung hat die Idee eines spezifischen Umweltschutzinstruments für die Antarktis von Anfang an unterstützt und die Verhandlungen aktiv mitgestaltet. Die Ergebnisse liegen durchweg
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3304 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. September 1991
Staatsministerin Ursula Seiler-Albringnahe bei den von uns vertretenen Positionen. Das gilt auch für die Frage des Bergbauverbots, auch wenn sich die Bundesregierung in diesem Punkt bei den Verhandlungen für ein dauerndes Verbot ausgesprochen hatte.Wir wollen das Protokoll auch bereits am 4. Oktober zeichnen und zügig in Kraft gesetzt sehen.Das Konferenzergebnis setzt im übrigen auch ein gutes Vorzeichen für die am 7. Oktober in Bonn beginnende 16. reguläre Konsultativtagung der Antarktisvertragsstaaten.
Frau Staatsminister, ich bedanke mich für diesen Bericht.
Ich bitte nunmehr um Fragen zu diesem Bereich. — Frau Abgeordnete Ganseforth, bitte schön.
Frau Staatsministerin, ich finde es sehr erfreulich, daß die Verhandlungen jetzt zu einem guten Ende gekommen sind. Die Bundesregierung war ja vor vielen Jahren etwas zögerlich, was die Ausbeutung der Antarktis und den Antarktisvertrag betraf. Aber das hat sich geändert. Dann gab es noch Probleme mit Japan und schließlich mit den USA. Es ist also sehr erfreulich, daß es jetzt so weit gekommen ist.
Wichtig bei einem solchen Vertrag ist, daß auch entsprechende Kontrollorgane eingerichtet werden und daß eine Haftung z. B. von Ölunfällen oder anderen Problemen, die auftauchen, vorgesehen wird. Im letzten Jahr war bei einer Forschungsstation Heizöl ausgelaufen. Wir wissen, daß es in der Antarktis einige hundert Jahre braucht, bis das Öl wieder abgebaut ist. Es geht also um Haftungsfragen, um Streitschlichtungsverfahren usw. Es soll ein Umweltkomitee eingerichtet werden. Wie weit hat dieses Umweltkomitee wirklich die Möglichkeit, Streitschlichtung zu betreiben und einzugreifen?
Frau Kollegin, Inspektionen sind vorgesehen, während die Fragen der Haftung und der entsprechenden Ansprüche genau wie die anderen Fragen des Instrumentariums, die Sie hier aufgeworfen haben, noch geklärt werden müssen. Diese Probleme werden in der darauffolgenden Verhandlungsrunde noch zu bearbeiten sein.
Weitere Fragen? — Bitte sehr, Frau Abgeordnete.
Ich habe noch eine zweite Frage. Ich finde es erfreulich, daß jetzt das Außenministerium zuständig ist, nicht mehr — wie noch vor kurzer Zeit — das Wirtschaftsministerium, was ein bißchen eine Schieflage gegeben hat. Besser wäre noch, wenn das Umweltministerium stärker mit eingebunden wäre.
Ich möchte auf eine Aussage zurückkommen, die das Wirtschaftsministerium noch im Sommer zum Tourismus gemacht hat. Wie weit ist vorgesehen, den Tourismus in die Antarktis zu unterbinden? In der letzten Saison haben allein aus der Bundesrepublik vier oder fünf Gesellschaften Reisen in die Antarktis angeboten, soviel wie ich weiß, mit acht Schiffen, wobei jedes Schiff über 100 Passagiere und fast die gleiche Größenordnung an Besatzungsmitgliedern hat, wie uns das Wirtschaftsministerium mitgeteilt hat. Wenn allein aus der Bundesrepublik der Tourismus in die Antarktis solch einen Umfang erreicht hat — bei aller Vorsicht, die dabei natürlich an den Tag gelegt wird —, ist das ein Unding. Ich meine, der Zugang zur Antarktis sollte auf die Wissenschaft beschränkt werden. Meine Frage: Wie weit ist es gelungen oder ist inzwischen das Interesse daran vorhanden, auch den Tourismus in die Antarktis zu verbieten?
Frau Kollegin, es gab zwei Themen, die im Rahmen der 11. Sonderkonsultativtagung zwar auf der Tagesordnung standen und behandelt wurden, bei denen es aber noch nicht zu endgültigen Ergebnissen gekommen ist. Es ist einmal das System der antarktischen Schutzgebiete und dann der Bereich, der von Ihnen angesprochen worden ist, der Antarktistourismus. Beide Themen stehen auf der Tagesordnung der 16. Konsultativtagung in Bonn vom 7. bis 18. Oktober. Ich darf Ihnen die Positionen der deutschen Bundesregierung dazu vortragen. Wir haben sie noch nicht abschließend behandelt, aber die Überlegungen bewegen sich in folgende Richtung: möglichst weitgehende gegenseitige Unterrichtung der Antarktisstaaten über touristische Aktivitäten, Führung von Touristengruppen nur durch gut ausgebildete und erfahrene Führer, strikte Anforderungen an die Ausrüstung dieser Gruppen unter dem Gesichtspunkt der Sicherheit und der Umweltverträglichkeit, strikte Haftungs- und Versicherungsregelung für Touristen und Ausflügler. Ich mache aus meiner Meinung dazu keinen Hehl, daß es sicherlich am sinnvollsten wäre, wenn die Antarktis ganz der wissenschaftlichen Forschung überlassen werden könnte.
Herr Abgeordneter Jungmann.
Frau Staatsministerin, habe ich Sie richtig verstanden, daß die Umweltvereinbarungen nur als Anlage zum Protokoll gegeben werden? Können Sie mir dann sagen, welche völkerrechtliche Verbindlichkeit diese Anlagen zum Protokoll haben?
Beinhaltet das Verbot des Bergbaus auch ein Verbot der Ölausbeutung in der Antarktis?
Die Anlagen haben die gleiche völkerrechtliche Verbindlichkeit.
Die Frage der Ölausbeutung wird in der gleichen Weise geregelt wie die anderen Bergbauaktivitäten. Es gibt also eine frühestmögliche Revision nach 50 Jahren.
Keine weiteren Fragen zu diesem Bereich? — Dann können wir zu anderen Themen übergehen.
Herr Abgeordneter Müntefering, bitte schön.
Meine Frage betrifft das Ressort des Bundesfinanzministers. Die Bundesregierung hat durch ihre Bundesbauministerin ein Pro-
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Franz Münteferinggramm für den Wohnungsbau verkünden lassen, das — auch in Zahlen quantifiziert — gestern über die Medien bekanntgegeben worden ist. Ich frage den Bundesfinanzminister, ob er heute im Kabinett dazu sein Ja gegeben hat oder wann denn das Ja zu den Vorschlägen zu erwarten ist.
Es antwortet der Staatssekretär Carstens. Bitte schön.
Herr Präsident, wenn ich die Tagesordnung richtig kenne, gibt es zu diesem Thema ja noch eine Aktuelle Stunde. Zu der Frage, die hier aufgeworfen wurde, wird dann auch die Bundesbauministerin sicherlich Stellung nehmen.
Das Kabinett hat vor einigen Wochen — ich glaube mich richtig zu erinnern, wenn ich sage, daß es im Juli gewesen ist — beschlossen, eine Wohnungsbaukonzeption vorzulegen, die sehr bald auch offiziell seitens der Bundesregierung vorgelegt werden wird. In den letzten Tagen hat die zuständige Ministerin schon Teilaspekte dieses Vorhabens dargelegt. Ich bin sicher, daß sie das in der Aktuellen Stunde gleich noch weiter ausführen wird.
Die Interpretation der Geschäftsordnung ist richtig, daß Themen, die in der weiteren Tagesordnung behandelt werden, in dieser Regierungsbefragung nicht angesprochen werden sollen. Mir war im Moment nicht bekannt, daß es zu diesem Thema eine Aktuelle Stunde gibt.
Bitte schön, Herr Abgeordneter Müntefering.
Das ist richtig, Herr Präsident, aber die Aktuelle Stunde betrifft den Wohnungsbau. Da ist die Bundesbauministerin gefragt. Ich habe aber das Finanzministerium gefragt, wie seine Position dazu eigentlich aussieht. Deshalb doch noch einmal meine ergänzende Frage: Ist das, was gestern als Teil des gesamten wohnungspolitischen Konzepts bekanntgegeben worden ist, schon mit dem Bundesfinanzminister abgestimmt worden?
Zunächst einmal möchte ich feststellen, Herr Abgeordneter Müntefering, daß der Gesamtzusammenhang so offensichtlich ist, daß ich es dem Staatssekretär des Finanzministeriums freistelle, ob er darauf antworten will oder nicht; denn die Aktuelle Stunde — beantragt von der SPD-Fraktion — heißt: Wohnungspolitisches Konzept der Bundesregierung und Wohnungsnot.
Nun wird der Fachmann für Wohnungsbaufragen Müntefering natürlich wissen, daß zu einem solchen Konzept selbstverständlich auch die Finanzierung gehört, d. h. daß es von der Thematik her schon eine Einheit ist.
Jetzt frage ich den Staatssekretär beim Bundesfinanzminister, ob er trotz dieser Interpretation bereit ist, eine Antwort zu geben, oder nicht.
Herr Präsident, ich möchte dem Kollegen Müntefering sagen, daß die Bundesregierung eine Meinung hat. Diese eine Meinung wird die Bundesbauministerin gleich darlegen.
Gibt es weitere Fragen? — Herr Abgeordneter Jungmann.
Der Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit hat in der vergangenen Woche öffentlich angekündigt, eine Deponieabgabe für Hausmüll, für Industriemüll und für belasteten Müll zu erheben. Ist es allgemeine Auffassung der Bundesregierung, daß zu dem jetzt beschlossenen dualen Konzept der Müllbeseitigung noch eine Deponieabgabe hinzukommen soll? Oder war das eine Ankündigung des Umweltministers, die ohne Abstimmung mit der Bundesregierung erfolgte?
Bitte sehr, Herr Staatssekretär.
Herr Kollege, wir haben in der Koalitionsvereinbarung zur Vorstellung unseres geschlossenen abfallwirtschaftlichen Konzepts darauf hingewiesen, daß es bei diesem integrierten abfallwirtschaftlichen Konzept mehrere Bausteine gibt. Dazu hat auch immer die Abfallabgabe gehört. Hierzu ist der Diskussionsentwurf vorgestellt worden. Dieser Diskussionsentwurf wird natürlich noch mit allen betroffenen Beteiligten ausdiskutiert.
Der derzeitige Vorschlag besagt, daß wir eine breite Bemessungsgrundlage für eine solche Abfallabgabe mit dem Ziel vorsehen, Abfall zu vermeiden, d. h. letztendlich denjenigen zu einer Abfallabgabe zu zwingen, der nicht vermeidet, und um so mehr Abgaben zu erheben, je mehr Abfall — auch toxischer Abfall — anfällt. Der derzeitige Vorschlag umfaßt den Bereich vom Hausmüll bis zum Klärschlamm und bezieht alle Abfälle, unterschieden nach Schadstoffgehalten, ein. Wer Abfall vermeidet, ihn also nicht deponiert, muß dann selbstverständlich auch keine Abfallabgabe bezahlen. Dies ist der Diskussionsstand, und dies hat der Bundesminister am letzten Freitag der Presse vorgestellt.
Eine weitere Frage? — Herr Abgeordneter Jungmann, bitte schön.
Herr Staatssekretär, können Sie mir dann einmal erklären, wie der Endverbraucher zur Abfallvermeidung beitragen kann, wenn das duale System noch nicht eingeführt ist, und wie er sich davor schützen kann, den Hausmüll zu vermehren? Wie ist das mit der Deponieabgabe zu vereinbaren? Am Ende zahlt dann ja wieder derjenige, der am Schluß der Kette steht und nicht viel zur Müllvermeidung beitragen kann, es sei denn, es wird ein System eingeführt, das Müllteilung vorsieht. Dann ist aber immer wieder der Verbraucher gefragt. Bei der Industrie, die Verpackungen vermeiden müßte, setzen Sie überhaupt nicht an.
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Ich denke, daß Sie entweder das System noch nicht zur Kenntnis genommen haben oder nicht begriffen haben, daß wir die bislang bestehende Verantwortung des Produzenten bis zum Werktor, des Händlers, des Konsumenten und des Entsorgers nun nicht mehr teilen wollen; es soll also nicht jemanden geben, der nur für die Entsorgung zuständig ist. Wir binden unter der Philosophie der neuen Produktverantwortung den Produzenten in die gesamte Verantwortung für den Abfall mit ein.
Von dieser Philosophie her sieht jetzt die Verpakkungsverordnung als wesentliches Element Rücknahme und Pfandpflicht vor. In der Verpackungsverordnung ist vorgesehen, daß sich die Industrie, der Produzent, eines Dritten bedienen kann. Hier sind kräftige Korsettstangen der Kontrolle durch die Verpackungsverordnung eingesetzt. Dies bedeutet am Ende, daß wir keinen Abfall haben, sondern einen Wertstoff. Dieser Wertstoff kommt nicht auf die Deponie. Damit kann natürlich jeder durch Sortieren, durch Wertstoffauslese mit dazu beitragen, daß die Deponiekosten oder die Abfallabgaben für ihn entsprechend niedrig ausfallen. So kann der Entsorgungspflichtige die Abgaben umgehen.
Ich will noch einmal sagen: Uns kommt es nicht darauf an, Geld einzunehmen.
Uns kommt es darauf an, eine Lenkungsabgabe auf den Weg zu bringen.
Herr Abgeordneter Schäfer möchte eine Frage stellen. Bitte sehr.
Herr Staatssekretär, teilen Sie oder — wenn nicht — wie bewerten Sie die harsche Kritik des baden-württembergischen Umweltministers Vetter an der im Gesetzentwurf aus dem Hause Töpfer vorgesehenen Deponieabgabe für Hausmüll, die, so der baden-württembergische Umweltminister, überhaupt keine vermeidende Lenkungswirkung entfalten würde?
Ich kenne die Äußerungen des Kollegen Vetter, was den Hausmüll betrifft, so nicht. Ich kenne andere Aussagen, und ich bin sicher, daß wir, wenn im Zuge des Verfahrens über diese Abfallabgabe diskutiert wird, auch berechtigte Kritik entgegennehmen und entsprechende Ausführungen dazu machen werden.
Mir ist dies nicht bekannt. Ich bin Ihnen aber sehr dankbar, wenn Sie mir die Fundstelle nennen, bzw. mir die entsprechende Presseerklärung zukommen lassen. Dann kann ich mich mit dieser Kritik auch auseinandersetzen.
Weitere Fragen zu diesem Bereich sehe ich nicht.
— Im Grunde genommen haben Sie nur eine Frage.
— Einverstanden.
Angesichts der Tatsache, daß Sie zur wahrheitsgemäßen Aussage verpflichtet sind, Herr Staatssekretär,
frage ich Sie, als Baden-Württemberger, ob Ihnen die Lektüre der „Stuttgarter Zeitung" vom Montag dieser Woche entgangen ist, wo die Kritik von Herrn Vetter sehr breit abgehandelt worden ist.
Herr Kollege Schäfer, ich will Ihnen nicht sagen, ob ich die Montagslektüre mit der Zeitung, die Sie eben nannten, begonnen oder beendet habe. Ich habe diesen Artikel am Montag mit Sicherheit nicht zur Kenntnis genommen.
— Ich frage Sie auch nicht nach Ihrer Zeitungslektüre, Herr Kollege Schäfer.
Wenn das zur Wahrheitsfindung beitragen soll, müssen Sie es schon präzisieren; dann aber vielleicht außerhalb dieses Raumes.
Wenn die Herren das vielleicht an anderer Stelle klären würden und Sie freundlicherweise die Informationen dem Herrn Staatssekretär mitteilen würden, können wir weitermachen.
Herr Abgeordneter Jungmann.
Herr Präsident, zu einem anderen Bereich!
Aber selbstverständlich, sonst hätten Sie auch keine Frage mehr.
Ich frage die Bundesregierung, ob sich das Bundeskabinett heute mit der Aussage des Staatsministers Stavenhagen und der Aussage des ehemaligen Präsidenten des Bundesnachrichtendienstes im Zusammenhang mit der Schalck-Golodkowski-Affäre und mit den unterschiedlichen Aussagen, die dazu hier gemacht worden sind, beschäftigt hat. Es war ja in den Zeitungen zu lesen, daß es jetzt angeblich, Herr Staatsminister, schriftliche Unterlagen gibt. Ich möchte gerne wissen, ob sich das Kabinett damit befaßt hat und ob es zutrifft, daß jetzt durch schriftliche Unterlagen erwiesen ist, daß Sie nicht die Unwahrheit gesagt haben.
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Wer antwortet für die Bundesregierung? — Herr Staatsminister Stavenhagen selber, bitte schön.
Herr Kollege, zum ersten Teil Ihrer Frage: Dies war nicht Gegenstand der Beratungen des Kabinetts.
Zum zweiten Teil Ihrer Frage: Die Papiere, die in der Presse ihren Niederschlag fanden, sind Teile und Anlagen des Verwaltungsermittlungsverfahrens des Bundesnachrichtendienstes, das zu einem klaren und eindeutigen Ergebnis gekommen ist, das der Präsident des Bundesnachrichtendienstes, der heute vor dem Unterausschuß zu Schalck-Golodkowski aussagt, dort wohl auch darlegen wird.
Gibt es weitere Fragen zu diesem Bereich? — Das ist nicht der Fall. Liegen weitere Fragen an die Bundesregierung vor? — Dies ist ebenfalls nicht der Fall; das ist höchst erstaunlich. Offensichtlich herrscht allgemeine Zufriedenheit.
Ich muß mich jetzt mit den Fraktionen abstimmen. Ich kann die Sitzung bis zum Beginn der Fragestunde um 13.30 Uhr unterbrechen. Ich sehe aber, daß der erste Fragesteller da ist. Ich frage also, ob die Geschäftsführer damit einverstanden sind, daß wir sofort mit der Fragestunde beginnen. Wenn Sie das nicht wünschen, unterbreche ich die Sitzung bis 13.30 Uhr. Sind Sie einverstanden? —
Dann rufe ich mit Zustimmung der Fraktionen Punkt 2 der Tagesordnungspunkte auf:
Fragestunde
— Drucksache 12/1141 —
Wir kommen zunächst zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft. Zur Beantwortung steht uns der Parlamentarische Staatssekretär Klaus Beckmann zur Verfügung.
Ich rufe Frage i des Abgeordneten Schwanhold auf:
Welche Maßnahmen leitet der Bundesminister für Wirtschaft ein, um den durch die Treuhandanstalt beabsichtigten Schließung des ehemaligen Robotron-Werkes Sömmerda ca. 5 000 arbeitslos werdenden Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen einen Ausgleich zu schaffen und die Region nicht wirtschaftlich veröden zu lassen?
Herr Staatssekretär, Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Herr Kollege Schwanhold, die notwendige Umstrukturierung der Wirtschaft in den neuen Ländern kann erfolgreich nur durch einen breiten Strom privater und öffentlicher Investitionen bewältigt werden. Mit dem Einigungsvertrag und dem Gemeinschaftswerk Aufschwung Ost hat die Bundesregierung hierfür umfassende und wirksame Hilfe bereitgestellt. Die wichtigsten regionsspezifischen Hilfsangebote sind:
Erstens. Im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur werden Zuschüsse für Investitionen der gewerblichen Wirtschaft zur Errichtung, Erweiterung, Umstellung oder grundlegenden Rationalisierung von Betriebsstätten und für Investitionen in die wirtschaftsnahe Infrastruktur gewährt. Zusammen mit der Investitionszulage kann die Förderung privater Investitionen bis zu 35% der Investitionskosten betragen.
Zweitens. Der Kreis Sömmerda ist zusätzlich Teil eines regionalpolitischen Sonderprogramms im Rahmen des Gemeinschaftswerks Aufschwung Ost für vom Strukturwandel besonders betroffene Regionen.
Drittens. In diesem Monat, im September, wird im Kreis Sömmerda ein vom Bundesministerium für Wirtschaft finanziertes Projektteam seine Arbeit aufnehmen. Es hat die Aufgabe, Entwicklungskonzepte für diese Region zu erarbeiten und umzusetzen.
Viertens. Die Bundesregierung hat im Rahmen des Gemeinschaftswerks Aufschwung Ost die Möglichkeiten zur Durchführung von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen erneut erweitert. Unter Leitung des Kreises Sömmerda wird die Bildung einer Beschäftigungsgesellschaft mit Unterstützung der Treuhandanstalt vorbereitet. Das Unternehmen Büromaschinenwerk Sömmerda AG hat von der Treuhandanstalt den Auftrag, die Bemühungen zur Schaffung von ABMPlätzen durch Sachleistungen zu unterstützen.
Fünftens. Die Attraktivität des Investitionsstandortes Sömmerda wird durch Investitionen aus dem kommunalen Investitionsprogramm und durch Mittel für den Wohnungs- und Städtebau und für den kommunalen Straßenbau gefördert.
Eine Zusatzfrage; bitte schön, Herr Abgeordneter Schwanhold.
Die von Ihnen aufgezählten Maßnahmen, Herr Staatssekretär Beckmann, haben sicherlich schon erste Erfolge gezeitigt. Können Sie dies hinsichtlich der Zahl der Arbeitsplätze und der dort schon durchgeführten Investitionsvorhaben quantifizieren?
Klaus Beckmann, Parl. Staatssekretär: Ja. Wir haben hier sechs Investitionsvorhaben im gewerblichen Bereich. Das Investitionsvolumen beträgt 23,55 Millionen DM. Aus Gemeinschaftsmitteln sind davon 5,35 Millionen DM bewilligt. Das bringt zehn neue und sichert 136 bisherige Arbeitsplätze.
Bei den Infrasturkturmaßnahmen, die auch zu diesem Bereich zählen, haben wir zwei Maßnahmen vor. Hier ist das bewilligte Investitionsvolumen 5,64 Millionen DM, davon 3,38 Millionen DM aus der Gemeinschaftsaufgabe.
Eine Zusatzfrage, bitte schön.
Können Sie die Auswirkungen in der Region insgesamt hinsichtlich der Arbeitsplätze quantifizieren, die vor der Vereinigung oder vor der Schließung des Werkes bestanden haben? Wie sieht hinsichtlich der Zahl der Arbeitslosen die prozentuale Bewertung im Kreis Sömmerda aus?
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Klaus Beckmann, Parl. Staatssekretär: Wir haben die traurige Tatsache zu verzeichnen, daß die Entwicklung des Unternehmens Büromaschinenwerk Sömmerda AG in den vergangenen Monaten außerordentlich negativ gewesen ist. Wir hatten einen dramatischen Umsatzeinbruch. Seit Monaten wird durchschnittlich nur ein Zehntel des geplanten Umsatzes realisiert — als Stichwort nenne ich hier nur den Wegfall des RGW-Marktes — , und wir haben hier die fehlende Wettbewerbsfähigkeit für die Hauptprodukte PC und Drucker. Deshalb stuft die Treuhandanstalt dieses Unternehmen als nicht sanierungsfähig ein und sieht eine Abwicklung im Sinne der stillen Liquidation vor. Der Beschäftigtenstand per 1. Juli betrug 7 000 Arbeitnehmer.Die Bemühungen, von denen ich eben sprach, Bestrebungen von Land, Kreis, Kommune und Treuhandanstalt, laufen jetzt, was den Arbeitsmarktsektor betrifft, auf ein Maßnahmenbündel hinaus, das folgende Elemente aufweist: Erhalt von 500 Arbeitsplätzen aus dem bisherigen Kernbereich, d. h. neue Produktionslinien durch Investoren aus der Computerbranche, aktive Industrieansiedlung auf dem Unternehmensgelände für rund 1 500 Arbeitsplätze bis Ende 1993, Flankierung durch Gesellschaften für Arbeitsförderung und Beschäftigungsstrukturentwicklung. Das habe ich eben schon angedeutet. Wir hoffen, daß wir mit diesen Maßnahmen die beabsichtigte Schließung des Büromaschinenwerkes Sömmerda AG in etwa sozialverträglich abfedern können.
Weitere Fragen gibt es zu diesem Bereich nicht.
Dann rufe ich die Frage 2 des Abgeordneten Schwanhold auf:
Beabsichtigt der Bundesminister für Wirtschaft ein Gesetz zu erarbeiten, die regionale Strukturpolitik als eine Aufgabe der Treuhandanstalt festzusetzen, damit nicht weiterhin strukturbestimmte Betriebe ohne Ausgleichsmaßnahmen in den neuen Bundesländern geschlossen werden?
Klaus Beckmann, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Schwanhold, die Bundesregierung hat nicht die Absicht, ein Gesetz zu erarbeiten, die regionale Strukturpolitik als eine Aufgabe der Treuhandanstalt festzusetzen. Regionale Strukturpolitik ist, wie Sie wissen, nach dem Grundgesetz Aufgabe der Länder. Der Bund wirkt an dieser Länderaufgabe gemäß Art. 91 a des Grundgesetzes mit. Diese Aufgabe kann der Staat auch nicht teilweise an die THA abgeben.
Mit der am 14. März 1991 verabschiedeten Grundsatzvereinbarung zwischen der Bundesregierung und den Ministerpräsidenten der neuen Länder zur Zusammenarbeit von Bund, neuen Ländern und Treuhandanstalt ist die enge Zusammenarbeit bzw. der notwendige enge Informationsaustausch der Treuhandanstalt mit den Ländern vereinbart. Durch die Treuhandwirtschaftskabinette, aber auch durch die Beiräte bei den Niederlassungen sind die Voraussetzungen gegeben, diese Vereinbarungen umzusetzen.
Die Treuhandanstalt, die unter betriebswirtschaftlichen Kategorien entscheidet, wird so weit wie möglich regionalpolitische Aspekte berücksichtigen. Sie wird entsprechend der Grundsatzvereinbarung alle
Möglichkeiten ausschöpfen, um rechtzeitig und umfangreich über ihre Entscheidungen die jeweils politisch Zuständigen in den Ländern zu informieren und notwendige Begleitprozesse abzustimmen. Gesetzliche Änderungen im Hinblick auf die Aufgabenstellung der Treuhandanstalt sind deshalb nicht notwendig.
Eine Zusatzfrage, bitte schön.
Darf ich Ihrer Antwort entnehmen, daß die Bundesregierung es zuläßt, daß von seiten der Treuhandanstalt sehr wohl durch Schließung einzelner Betriebe negative Strukturpolitik und Regionalpolitik gemacht wird, wie am Beispiel Sömmerda eben dargelegt worden ist, daß der gesetzliche Auftrag postive Struktur- und Regionalpolitik allerdings nicht erlaubt?
Klaus Beckmann, Parl. Staatssekretär: Nein, das ist keineswegs die Auffassung der Bundesregierung. Die Bundesregierung geht davon aus, daß die Treuhandanstalt ihre Entscheidungen an betriebswirtschaftlichen Kategorien orientiert, wobei sie natürlich auch regional- und strukturpolitische Aspekte mit einbezieht. Das ergibt sich daraus, daß sie diese Maßnahmen auch mit den zuständigen Länderregierungen bespricht.
Weitere Zusatzfragen? — Bitte.
Wie können Sie sich die Antwort „Nein" vor dem Hintergrund erklären, daß Maßnahmen der Treuhandanstalt dazu führen werden, daß es sowohl im Werftenbereich als auch im Bereich der Textilindustrie als auch im Bereich der chemischen Industrie als auch im Bereich des Braunkohle- und Kalibergbaus zu erheblichen strukturellen und regionalpolitischen Veränderungen durch Abbau von Arbeitsplätzen und durch Schließungen kommt, und dies angesichts der von Ihnen vorher gegebenen Antwort?
Klaus Beckmann, Parl. Staatssekretär: Die Bundesregierung, Herr Kollege Schwanhold, hat es nicht zu vertreten, daß wir es hier mit Betrieben zu tun haben, deren Existenz durch 40 Jahre sozialistische Mißwirtschaft gefährdet ist. Die Betriebe waren personell in den meisten Bereichen überbesetzt — das ist eine Tatsache, an der man nicht vorbeikommt — , die Produkte veraltet und die Produktionsstätten verschlissen. Vor diesem Hintergrund muß man die betriebswirtschaftlichen Entscheidungen der Treuhandanstalt sehen.
Herr Abgeordneter Müntefering hat um eine Zusatzfrage gebeten.
Sieht die Bundesregierung die Länder, die nach Ihrer Meinung für die Strukturpolitik zuständig sind, denn in der Lage, organisatorisch und finanziell dieser Aufgabe gerecht zu werden, die entsprechenden Analysen zu erstellen und Konzepte für eine konstruktive Strukturpolitik zu entwickeln, oder in welcher Weise ist die Bundesre-
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Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. September 1991 3309
Franz Münteferinggierung bereit, die Länder konzeptionell, organisatorisch, finanziell über das bisher Bekannte hinaus zu unterstützen?Klaus Beckmann, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Müntefering, in der Tat war es zu Beginn der Wiedererrichtung der neuen Bundesländer verwaltungstechnisch und administrativ, insgesamt gesehen, außerordentlich schwierig, die gewünschten Ergebnisse zügig und zeitig zu erreichen. Mittlerweile sind die Länderregierungen und ihre entsprechenden administrativen Bereiche aufgebaut. Die Bundesregierung hat sich — damit möchte ich auf Ihre Frage kommen — organisatorisch in ganz erheblichem Maße hieran beteiligt. Sie hat Personal zur Verfügung gestellt, um ein modernes marktwirtschaftliches Verwaltungshandeln dort mit einzuführen. Im übrigen haben das auch die anderen Bundesländer getan. Sie hat im übrigen ein ganz umfangreiches finanzielles Instrumentarium zur Förderung von Strukturmaßnahmen bereitgestellt, das Ihnen allen bekannt ist.
Abgeordneter Schäfer, Offenburg.
Herr Staatssekretär, durch welche Maßnahmen stellt die Bundesregierung sicher, daß bei entsprechenden strukturpolitischen Konzepten, Maßnahmen, Vorhaben der Treuhand von Anfang an der ökologische Gedanke nicht zu kurz kommt?
Klaus Beckmann, Parl. Staatssekretär: Die Treuhandanstalt hat sich bei ihren Entscheidungen selbstverständlich an den Rechtsrahmen der Bundesrepublik Deutschland zu halten und hierbei auch alle unsere ökologischen Gesetze und Verordnungen mit einzubeziehen. Ich denke auch, daß der Informationsfluß zwischen der Treuhandanstalt, den Ländern und den beteiligten politischen Instanzen dazu führt, daß die ökologischen Aspekte mit einbezogen werden. Soweit Klagen laut werden und die Bundesregierung auch erreichen, versucht die Bundesregierung, diese Aspekte über die ihr noch möglichen Wege — z. B. über den Verwaltungsrat der Treuhandanstalt — mit einzubringen.
Meine Damen und Herren, weitere Fragen zu diesem Bereich liegen nicht vor.
Wir haben mit der Fragestunde etwas eher angefangen, und der eine oder andere Kollege hat sich nicht darauf eingestellt. Ich bitte das Haus um Verständnis dafür, daß ich jetzt die normale Reihenfolge ein bißchen verändere je nachdem, welche Abgeordneten da sind. Da sehe ich gerade, die Abgeordnete Frau Funke-Schmitt-Rink ist da, der Herr Staatssekretär Seehofer auch. Deswegen rufe ich den Bereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung auf.
Frage 5 der Abgeordneten Dr. Margret Funke-Schmitt-Rink:
Sind in den neuen Bundesländern ausbildungsplatzsuchende Mädchen überdurchschnittlich oft auf über- und außerbetriebliche Ausbildungsstätten verwiesen worden?
Ich erteile dem Herrn Staatssekretär das Wort.
Frau Kollegin, bis Ende Juli 1991 nahmen 19 241 Bewerber ihre Ausbildung in einer überbetrieblichen Einrichtung im Sinne von § 40 c Abs. 4 des Arbeitsförderungsgesetzes auf, darunter 7 427 Mächen und junge Frauen; das sind 38,8 %. Danach sind bis jetzt weibliche Bewerber nicht überdurchschnittlich häufig auf überbetriebliche Einrichtungen zur Aufnahme oder Fortsetzung ihrer Berufsausbildung verwiesen worden. Ende August 1991 waren allerdings 14 347 weibliche Ausbildungsplatzbewerber nicht vermittelt; das war ein Anteil von 57,2 % der Gesamtzahl der noch nicht vermittelten Bewerber von 25 075.
Die Arbeitsämter bemühen sich, für diese nicht vermittelten Bewerber vorrangig betriebliche Ausbildungsplätze zu erschließen. Hierzu trägt auch das Programm der Bundesregierung zur Förderung von Ausbildungsplätzen in Kleinunternehmen in den neuen Ländern bei, das nicht zuletzt zur gezielten Gewinnung von Ausbildungsplätzen für Mädchen und junge Frauen genutzt wird.
Soweit eine Vermittlung in einen Betrieb nicht gelingt, wird jeder Bewerberin und jedem Bewerber ein Ausbildungsplatzangebot in einer überbetrieblichen Einrichtung gemacht. Dies könnte dazu führen, daß sich der Anteil der weiblichen Auszubildenden in überbetrieblichen Einrichtungen bis Anfang Oktober 1991 noch erhöht.
Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Dr. Funke-Schmitt-Rink? — Nein.
Dann rufe ich die Frage 6 der Abgeordneten Frau Dr. Funke-Schmitt-Rink auf:
Inwieweit sieht die Bundesregierung das Angebot an über- und außerbetrieblichen Ausbildungsstätten im Einklang mit der zukünftigen Berufsstruktur in den neuen Bundesländern?
Herr Staatssekretär, bitte schön.
Horst Seehofer, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin, nach Mitteilung der Bundesanstalt für Arbeit unterscheidet sich die Struktur des Angebots an überbetrieblichen Ausbildungsstellen: Während bei den unbesetzten betrieblichen Ausbildungsstellen solche der gewerblichen Berufe im Bereich Metall, Textil, Landwirtschaft und Bau dominierten, legten die Dienststellen der Bundesanstalt bei der Schaffung von Ausbildungsmöglichkeiten in überbetrieblichen Einrichtungen besonderen Wert auf solche in den Bereichen Organisations-, Verwaltungs- und Büroberufe, Warenkaufleute sowie allgemeine Dienstleistungsberufe.
Zusammengenommen nähert sich damit die Struktur des Ausbildungsplatzangebots mehr den Wünschen der Jugendlichen und der zukünftigen Berufsstruktur in den neuen Ländern an, in der die Dienstleistungen eine größere Bedeutung haben werden.
Zusatzfrage, Frau Dr. Funke-Schmitt-Rink, bitte schön.
Herr Staatssekretär, da man schon jetzt absehen kann, daß im Jahre 1992 das Problem noch gravierender zum Ausdruck kommen wird, da durch die Schulzeitver-
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Dr. Margret Funke-Schmitt-Rinkkürzung in einzelnen Ländern die Zahl der nachfragenden Jugendlichen noch größer und das Angebot möglicherweise genauso knapp wie dieses Jahr sein wird: Hat das Ministerium bzw. die Bundesregierung schon überlegt, wie sie die Weichen stellt, um auch dann wieder alle unterzubekommen?Horst Seehofer, Parl. Staatssekretär: Unser Ministerium ist, wie Sie wissen, nur für die überbetrieblichen Ausbildungsstellen zuständig. Für das Lehrstellenangebot ist ja der Bildungsminister zuständig. Ich verweise auf meine Antwort auf Ihre erste Frage, daß wir jedem, der auf dem normalen Arbeitsmarkt keine Ausbildungsstelle bekommt, einen Ausbildungsplatz in einer überbetrieblichen Ausbildungsstätte anbieten.Im übrigen verweise ich auch darauf, daß der Präsident des Zentralverbands des Deutschen Handwerks vor wenigen Tagen erklärt hat, daß in seinem Bereich jeder Lehrstellenbewerber eine Lehrstelle erhalten wird.
Die Fragestellerin wünscht keine weitere Zusatzfrage. Dann bitte der Abgeordnete Schwanhold.
Herr Staatssekretär, angesichts der noch nicht vorhandenen Kenntnis darüber, wie sich die Wirtschaft in den Regionen entwikkeln wird, frage ich Sie, welche gesicherten oder prognostizierten Erkenntnisse der Bundesregierung darüber vorliegen, daß die jetzt in überbetrieblichen Ausbildungsstätten Ausgebildeten auch tatsächlich in der gewünschten Region und dem gewünschten Bereich einen Arbeitsplatz finden.
Horst Seehofer, Parl. Staatssekretär: Darüber liegen mir keine konkreten Erkenntnisse und Prognosen vor.
Herr Schwanhold, Sie haben nur eine Zusatzfrage. Weitere Zusatzfragen liegen nicht vor.
Ich teile dem Haus mit, daß die Frage 7 des Abgeordneten Eckart Kuhlwein im Bereich des Bundesministeriums für Post und Telekommunikation auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet wird. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ebenfalls schriftlich beantwortet werden die Fragen 8 des Abgeordneten Dr. Klaus Kübler und 9 des Abgeordneten Albrecht Müller aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Forschung und Technologie. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich komme zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit. Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Hans-Peter Repnik zur Verfügung.
Ich rufe zunächst die Frage 10 des Abgeordneten Hans Wallow auf:
Wie wird die Bundesregierung bei den bevorstehenden Regierungsverhandlungen mit der Volksrepublik China ihre Ankündigung, hohe Rüstungsausgaben und Verletzung der Menschenrechte als Kriterien für die Streichung von Entwicklungshilfe anzulegen, in die politische Praxis umsetzen?
Herr Staatssekretär, bitte sehr.
Die Achtung der Menschenrechte sowie die Rüstungsausgaben sind neben anderen Faktoren wichtige, jedoch nicht ausschließliche Kriterien nicht nur für den Umfang, sondern vor allem für die Art der Zusammenarbeit mit Entwicklungsländern. Im Vordergrund steht damit die Frage, wie trotz Defiziten bei einzelnen Rahmenbedingungen mit einem Land zusammengearbeitet werden kann. Der Zielsetzung unserer Entwicklungspolitik entsprechend werden alle Instrumente der Zusammenarbeit daraufhin geprüft, ob sie Möglichkeiten bieten, Armut zu bekämpfen und/oder Umwelt zu schützen, ohne entwicklungswidrige Rahmenbedingungen zu stabilisieren.
Dem Beschluß des Deutschen Bundestags vom 23. Oktober 1990 lag das gemeinsame Verständnis zugrunde, daß eine begrenzte und gezielte Ausweitung der entwicklungspolitischen Zusammenarbeit mit der Volksrepublik China Voraussetzungen schafft, auf eine Verbesserung der Menschenrechtssituation hinzuwirken. Die Bundesregierung wird bei den bevorstehenden Regierungsverhandlungen in der kommenden Woche mit China Menschenrechtsverletzungen wie bereits bei früheren Anlässen zur Sprache bringen. Ich konnte vor ungefähr einer Stunde im Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit in Anwesenheit des Fragestellers zu diesem Thema breit Bericht erstatten und aufzählen, welche Projektarten wir in den Regierungsverhandlungen durchführen und welche wir unter Bezugnahme auf den Beschluß des Deutschen Bundestages aussparen wollen.
Ein zu den Rüstungsausgaben Chinas in Auftrag gegebenes Gutachten kommt zu dem Ergebnis, daß sich die Bedrohungslage Chinas merklich entspannt hat, so daß „auch nicht mit einer Neuauflage einer an Aufrüstung orientierten Politik gerechnet werden kann". Die Bundesregierung wird die weitere Entwicklung sorgfältig beobachten.
Die Rahmenplanung des Bundesministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit für 1991 — und damit auch der Länderbetrag für China — lag im übrigen dem Parlament vor und wurde in der Diskussion auch von der Opposition so nicht beanstandet.
Zusatzfrage, bitte schön, Herr Abgeordneter Wallow.
Herr Staatssekretär, die Bundesregierung hat in der letzten Zeit durch den Bundeskanzler und durch den Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit das Kriterium Abrüstung/Rüstungsanstrengungen eines Landes zur Kondition für die Entwicklungshilfe öffentlich forciert. China ist das einzige Land, das seit den 70er Jahren seine Waffenexporte gesteigert hat: nach einer Analyse der Deutschen Bank von 2 % auf 4 %. Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung bei den kommenden Verhandlungen am Montag daraus?Hans-Peter Repnik, Parl. Staatssekretär: Ich habe vorhin darauf aufmerksam gemacht, daß auch diese Fragen eine Rolle spielen werden. Wir stehen zu der
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Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. September 1991 3311
Parl. Staatssekretär Hans-Peter RepnikAussage, daß die Kriterien Rüstung und Entwicklung in einem engen Zusammenhang gesehen werden müssen. Das bedeutet für uns, daß wir in einer sehr sorgfältigen Einzelfallanalyse, bezogen auf jedes einzelne Land, untersuchen: In welchem Verhältnis stehen die Rüstungsausgaben zu den Bildungsausgaben, wie ist das Verhältnis von Rüstungsausgaben zu Sozialausgaben, in welchem Umfeld befindet sich ein Land, d. h. liegt es in einer bedrohten oder gefährdeten Region oder nicht? Wir haben aber immer darauf aufmerksam gemacht, daß das nur eines von mehreren Kriterien sein kann. Diese Kriterien werden eingebracht. Bei einem fortdauernden Verstoß gegen diese Kriterien werden von uns entsprechende Konsequenzen gezogen.Wir beginnen aber erst mit dem entwicklungspolitischen Dialog in dieser Fragestellung mit den Partnerländern. Ich glaube, der Fairneß halber muß hinzugefügt werden, daß eine kritische Auseinandersetzung in diesen Fragen im Grunde genommen erst seit den veränderten weltpolitischen Bedingungen gegeben ist, seit dem Wegfall des Ost-West-Konflikts. Ich kann Ihnen versichern, wir werden die Chance, die sich für uns hieraus ergibt, nutzen.
Ihre zweite Zusatzfrage, bitte schön.
Ein weiteres Thema, auch von der Bundesregierung, von diesem Hause, von uns forciert, ist das Thema Menschenrechte. Ist die Bundesregierung bereit, bei den zukünftigen Verhandlungen die Forderung nach Freilassung von Oppositionellen zu einem Thema dieser Verhandlungen zu machen bzw. weitere Kredit- und Projektzusagen davon abhängig zu machen?
Hans-Peter Repnik, Parl. Staatssekretär: Wir haben als einen von mehreren Bestandteilen der Regierungsverhandlungen den Block der Menschenrechte eingebaut. Sie werden in der nächsten Woche Gegenstand der Besprechungen in den Regierungsverhandlungen mit der Volksrepublik China sein.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Toetemeyer.
Herr Parlamentarischer Staatssekretär, wird Staatssekretär Lengl die Regierungsverhandlungen in der nächsten Woche mit China führen? Falls das der Fall sein sollte: Ist sichergestellt, daß er angesichts seiner freundlichen Umarmung des chinesischen Ministerpräsidenten richtig vorbereitet ist, um die weitere Vergabe von Entwicklungshilfe von konkreten Zusagen über Fortschritte bei den Menschenrechten abhängig zu machen?
Hans-Peter Repnik, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Toetemeyer, wir hatten dieses Thema ja bereits in epischer Breite im Ausschuß diskutiert. Ich möchte mich nachdrücklich auf meine Ausführungen im Ausschuß beziehen.
Staatssekretär Lengl wird die Regierungsverhandlungen eröffnen. Sie wissen, auch darauf konnte ich schon hinweisen, daß es nicht üblich ist, daß die Regierungsverhandlungen dann von Mitgliedern der
Leitungsebene geführt werden, sondern sie werden von den zuständigen Beamten geführt. Ich hoffe, ich konnte Ihnen heute im Ausschuß überzeugend darlegen, daß wir uns sehr sorgfältig, und zwar unter Bezugnahme auf den Bundestagsbeschluß, wie wir das übrigens immer tun, vorbereitet haben.
Ich gehe davon aus, daß das Ergebnis auch zur Zufriedenheit dieses Hauses ausfallen wird.
Zusatzfrage des Abgeordneten Jungmann.
Herr Staatssekretär, Sie haben auf die Beantwortung der Fragen des Kollegen Wallow verschiedene Kriterien genannt, die Sie bei der Überprüfung der Vergabe von Mitteln im Bereich der Entwicklungshilfe anlegen werden. Da die Regierungsverhandlungen mit China am Montag beginnen, frage ich: Ist es zuviel verlangt, daß die Bundesregierung heute schon sagt, welches Ergebnis ihre Überprüfung gebracht hat? Sie können ja nicht erst anfangen zu überprüfen, wenn Sie in die Regierungsverhandlungen gehen. Sie müssen meiner Auffassung nach wissen, welche Kriterien China erfüllt, die sie sich selbst gegeben hat. Dies betrifft Fragen der Menschenrechte und Fragen des Wehretats. Nicht nur die Rüstungsexporte, sondern auch die Höhe des Wehretats eines Landes sollten dabei eine Rolle spielen. Sind Sie da bisher noch zu keinem Ergebnis gekommen? Wollen Sie einfach in die Regierungsverhandlungen gehen und abwarten, was Ihnen die Chinesen alles vorbeten, und erst dann entscheiden?
Hans-Peter Repnik, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Jungmann, wenn Sie Ihren Kollegen Wallow fragen, dann wird er Ihnen bestimmt bestätigen,
daß wir gerade auch über solche Fragen heute morgen im Ausschuß intensiv diskutiert haben; übrigens in einer nicht üblichen Form: Wir haben unsere Kriterien, die wir erarbeitet haben, auf den Tisch gelegt. Ich habe Projekt für Projekt dargestellt, weshalb wir bestimmte ursprünglich vorgesehene Projekte nicht realisieren werden. Dies war ein Ausfluß unseres Urteils, das wir gefaßt haben. Es war ein Ausfluß des Abgleichens unserer Vorstellungen mit den Vorgaben, die uns der Deutsche Bundestag gegeben hat; d. h. wir haben schon einen sehr engen Spielraum, in den wir eingebettet sind. Dieser Spielraum heißt: nur solche Projekte in einem abgeschmälerten Umfang, die direkt der Bevölkerung zugute kommen, die direkt der Umwelt dienen oder die die Wirtschaftsreform der Volksrepulik China stärken.
Zusatzfrage der Abgeordneten Frau Bock.
Herr Staatssekretär, Sie haben eben gesagt, daß Sie bei Regierungsverhandlungen Menschenrechtsverletzungen ansprechen wollen. Wir wissen aber alle, daß es gerade in diktatorischen
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Thea BockSystemen sehr schwierig ist, über das wahre Ausmaß von Menschenrechtsverletzungen zuverlässige Informationen zu bekommen. Meistens ist es ja so, daß gerade Oppositionelle, die nicht mehr im Land sind — Sie wissen, daß gerade aus der Studentenbewegung viele nach dem Massaker am Tiananmen-Platz das Land verlassen haben — , meistens bessere Informationen haben, weil die Kanäle dann doch noch immer ins Land hineingehen.Meine Frage: Haben Sie, um sich über die Menschenrechtsverletzungen zu informieren, Gespräche mit Oppositionellen, vor allen Dingen aus der Studentenbewegung außerhalb des Landes und auch hier in der Bundesrepublik, aufgenommen, um sich genau zu informieren?Hans-Peter Repnik, Parl. Staatssekretär: Wir haben, Frau Kollegin Bock, eine relativ breite Palette der Informationen, die uns zur Verfügung stehen. Ich darf eine, wenngleich wohl die prominenteste Stimme hier herausgreifen; es ist amnesty international. Wir bereiten uns gerade in diesen sensiblen Fragen sehr sorgfältig vor und nutzen alle uns zur Verfügung stehenden Möglichkeiten, seien sie schriftlicher oder uns auch mündlich vorgetragener Art. So haben wir dies gerade auch im Hinblick auf China getan, weil wir wissen, was auch hier auf dem Spiel steht.
Herr Repnik, ich möchte Sie nicht fragen — damit wir diese Diskussion bezogen auf Herrn Lengl nicht fortsetzen — , ob es in Ihrem Hause inzwischen einen Kurs für Staatssekretäre gibt, wie man sich gegen Zwangsumarmungen zur Wehr setzen kann,
sondern meine Frage hat einen anderen Hintergrund.
Teilt die Bundesregierung die Ansicht des FDP-Vorsitzenden Graf Lambsdorff, daß sich die Volksrepublik China fortlaufender massiver Menschenrechtsverletzungen schuldig macht, teilt sie seine Auffassung auch insofern, daß der britische Premierminister Major mit der Volksrepublik China paktiert, und welche Maßnahmen wird die Bundesregierung treffen, um sich nicht einen ähnlichen Vorwurf zuzuziehen, wie er in diesen Bemerkungen von Graf Lambsdorff anklingt?
Hans-Peter Repnik, Parl. Staatssekretär: Diese Ausführungen von Graf Lambsdorff sind mir nicht bekannt. Von daher möchte ich dazu jetzt auch nicht Stellung nehmen.
Ich darf nur darauf aufmerksam machen, daß wir unsere bilaterale Politik mit der Volksrepublik China auch in die internationale Abstimmung eingebettet haben. Wir haben uns in das eingefügt, was auf den letzten beiden G-7-Gipfeln hierzu beschlossen wurde. Wir befinden uns in diesen Fragestellungen auch mit der Weltbank in enger Übereinstimmung.
Deshalb kann ich eigentlich davon ausgehen, daß wir unter Würdigung der Gesamtumstände, der außenpolitischen wie der entwicklungspolitischen Umstände, gegenüber der Volksrepublik China eine Politik betreiben, die insbesondere den Ansprüchen der armen Menschen in diesem Land gerecht wird und die insbesondere danach trachtet, die ungeheuren Umweltprobleme in diesem Land mit unserer Hilfe einer Lösung zuzuführen.
Herr Abgeordneter Schwanhold, Sie haben das Wort.
Herr Staatssekretär, nachdem Sie die Frage des Abgeordneten Jungmann nicht in für mich ausreichender Konkretheit beantwortet haben, möchte ich Sie sehr direkt fragen, welche Projekte Sie konkret angehen wollen.
Hans-Peter Repnik, Parl. Staatssekretär: Es würde zu weit führen, dies jetzt in dieser Fragestunde zu offenbaren
— weil es sich um eine breite Palette handelt. Ich darf darauf aufmerksam machen: Im zuständigen Fachausschuß habe ich dies getan.
Herr Abgeordneter Jungmann, Sie haben das Wort nicht. — Herr Staatssekretär, es wäre schon hilfreich, wenn Sie darauf verzichten würden, Verweise auf Verhandlungen zu geben, die dem Hause — bis auf die Fachausschüsse — nicht bekannt sind, und sich mindestens die Mühe machen würden, das entsprechend zu ergänzen. Ich wäre Ihnen dafür sehr dankbar.
Hans-Peter Repnik, Parl. Staatssekretär: Herr Präsident, gestatten Sie mir bitte den Hinweis, daß es unüblich ist, daß wir Regierungsverhandlungen, die natürlich nicht auf dem offenen Tisch ausgetragen werden, jetzt im Plenum des Deutschen Bundestages auf den Tisch legen. Ich habe mir ausschließlich deshalb erlaubt, auf den Fachausschuß zu verweisen, weil wir hier keine Geheimnisse haben und weil wir in der Vertrautheit des Fachausschusses, des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit, die Projekte erörtert haben.
Ich halte es, Herr Staatssekretär, für Ihre Pflicht, die notwendige Vertraulichkeit auch gegenüber dem Plenum des Deutschen Bundestages, soweit das notwendig ist, zu wahren. Das ist nicht das Problem.Es gibt nunmehr keine weiteren Fragen zu diesem Bereich.Dann darf ich jetzt auf den Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zurückkommen. Hier steht uns der Parlamentarische Staatssekretär Haschke zur Verfügung.Zunächst rufe ich die Frage 3 des Abgeordneten Dietmar Schütz auf:Wie beurteilt die Bundesregierung die Verwendung von bis zu 100 km langen Treibnetzen u. a. beim Thunfischfang, wenn dabei Millionen geschützter Delphine, Meeresschildkröten, Robben, Haie und Seevögel getötet werden, und welche Schritte hat sie unternommen, um in der Europäischen Gemeinschaft und weltweit ein Verbot der Treibnetzfischerei zu erreichen?Herr Staatssekretär, Sie haben das Wort.
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Herr Kollege, mit der Entschließung 44/225 der UNO vom 22. Dezember 1989 zur großflächigen Treibnetzfischerei, die von der Bundesregierung nachdrücklich unterstützt worden ist, wurde ein wichtiger Schritt getan, um schädliche Auswirkungen dieser Fischerei zu beenden. Danach soll die großflächige Treibnetzfischerei auf hoher See weltweit ab 30. Juni 1992 verboten sein. Im Südpazifik gilt das Verbot bereits seit dem 1. Juli 1991.
Die Europäische Gemeinschaft hat bereits eine Reihe von Verboten für die Verwendung von Treibnetzen in den Gemeinschaftsgewässern des Atlantiks verhängt. Auch einige Mitgliedstaaten — wie Spanien, Portugal, Italien und Großbritannien — haben bestimmte Verbote erlassen, die für die Fischer des eigenen Landes gelten. In bezug auf das Mittelmeer sieht die Kommission der Europäischen Gemeinschaft in Leitlinien für die Einführung einer gemeinsamen Fischereipolitik in dieser Region die schrittweise Reduzierung von Fanggeräten vor, deren Verwendung für die Meeresumwelt von Nachteil ist.
Inzwischen hat die Kommission der Europäischen Gemeinschaft unter anderem auf Drängen der Bundesrepublik Deutschland einen Verordnungsvorschlag mit einem Verbot der großflächigen Treibnetzfischerei vorgelegt. Dieser Vorschlag, der sich auf das gesamte EG-Meer, also alle Gewässer unter der Hoheitsgewalt oder Gerichtsbarkeit von Mitgliedstaaten der Gemeinschaft, bezieht und für Schiffe der Gemeinschaft auch in externen Gewässern gelten soll, wird zur Zeit in den Gremien des Rates der Europäischen Gemeinschaft fachlich beraten und soll im Herbst dieses Jahres verabschiedet werden.
Es gibt bisher keine gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnisse über das Ausmaß der ökologischen Schäden der großflächigen Treibnetzfischerei. Alle in der Öffentlichkeit genannten Zahlen über Beifang und Tötung von Delphinen, Seevögeln und anderen Meereslebewesen beruhen auf unsicheren Schätzungen. Die genannten Verbote sind dennoch gerechtfertigt, weil grundsätzlich von einer Schädlichkeit der großflächigen Treibnetzfischerei auszugehen ist.
Herr Abgeordneter Schütz, bitte.
Was verstehen Sie unter großflächiger Treibnetzfischerei? Es ist ja möglich, daß auch wir mit Treibnetzen z. B. in der Ostsee fischen. Fällt das unter dieses Treibnetzverbot oder wo ist Ihrer Meinung nach die Grenze der großflächigen Treibnetzfischerei?
Gottfried Haschke, Parl. Staatssekretär: In diesem Punkt kann ich Ihnen keine genaue Auskunft geben, weil die Verhandlungen, in denen die Grenzen — was großflächig zu nennen ist — festgelegt werden, noch nicht abgeschlossen sind. Es spricht gegen die vernünftigen Ansichten des Umweltschutzes, wenn mit '70 oder 100 Kilometer langen Treibnetzen gefischt wird; hier muß eingegriffen werden. Für die Fischerei in den Gewässern der Ostsee und der Nordsee gilt dies nicht; Delphine und Beifang können nur bei großflächiger Fischerei in die Netze gehen. Bei großflächiger Fischerei kann es vorkommen, daß z. B. Delphine, die auf Sauerstoff angewiesen sind, ins Netz gehen und auf diese Weise sterben müssen.
Eine weitere Zusatzfrage?
Darf ich noch einmal fragen: Es ist doch bekannt, daß auf jeden Fall im Mittelmeer, möglicherweise auch in der Biskaya, Delphine leben. Unsere EG-Partner Frankreich und auch Portugal und Italien fischen mit Treibnetzen. Ist dort ein solcher Beifang nicht möglich? Könnten wir nicht, wenn wir selbst mit Treibnetzen fischen, auch ein Vorbild geben, indem wir ganz auf Treibnetze verzichten, denn möglicherweise bringt unsere Fischerei mit den Treibnetzen überhaupt nicht viel?
Gottfried Haschke, Parl. Staatssekretär: Ich habe Ihnen ja bereits mitgeteilt, daß die Verhandlungen noch nicht abgeschlossen sind und die Bundesrepublik Deutschland die großflächige Treibnetzfischerei auf alle Fälle mit verurteilt.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Schily.
Hat sich Ihr Haus denn um Erkenntnisse bemüht, in welchem Umfang Beifischerei von Delphinen z. B. im Mittelmeer stattfindet?
Gottfried Haschke, Parl. Staatssekretär: Dazu kann ich Ihnen keine genaue Auskunft geben, aber ich bin bereit, Ihnen das schriftlich nachzureichen.
Wir kommen zur Frage 4 des Abgeordneten Schütz:
Wie steht die Bundesregierung zu Embargo- oder Boykottaktionen z. B. der USA gegen Länder, die mit Treibnetzen trotz Ächtung durch die UNO Thunfischfang betreiben, und wird sie ggf. diese Aktionen durch eigene Initiativen unterstützen?
Gottfried Haschke, Parl. Staatssekretär: Verehrter Herr Kollege, etwaige Embargo- oder Boykottmaßnahmen gegen die Einfuhr von Thunfisch sind sorgfältigst zu prüfen. Es muß verhindert werden, daß auch mit ökologisch unbedenklichen Fanggeräten gefangene Fische erfaßt werden. In der für diese Fragen zuständigen Europäischen Gemeinschaft beginnen erste Diskussionen über die mögliche Einführung einer verbindlichen Deklaration über Herkunftsgebiet, Nationalität der Fangflotte und über die Fangmethode.
Herr Staatssekretär, haben Sie sich einmal erkundigt, wie die USA, die ein ziemlich rigides Vorgehen gegen die Treibnetzfischerei geplant und dies auch bei den UN vertreten haben, einen solchen Widerstand mobilisiert haben?
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3314 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. September 1991
Gottfried Haschke, Parl. Staatssekretär: Die Erkundungen und ihre Ergebnisse sind durchaus bekannt; man wird sich daran anlehnen. Aber ich habe Ihnen auch gesagt, daß man natürlich verhindern muß, daß ein generelles Verbot für die Fischer, die ihre Fische auf herkömmliche, solide und ordentliche Art und Weise gefangen haben, ausgesprochen wird.
Herr Staatssekretär, die Umweltverbände rufen teilweise zu einem Boykott auf, nämlich dazu, zumindest den Thunfisch nicht mehr zu kaufen, der von Japanern in Treibnetzen gefangen wird. Sie können aber einen zielgerichteten Boykott nur dann durchführen, wenn die Deklarationen und Hinweise auf den Fischverpackungen klar sind. Die Bundesregierung — darauf haben Sie hingewiesen — unterstützt das. Aber wann werden wir diese Deklarationen endlich vorliegen haben?
Gottfried Haschke, Parl. Staatssekretär: Ich hatte Ihnen vorhin schon die Termine genannt, die im Rahmen der Europäischen Gemeinschaft festgelegt sind.
Was die Frage des Embargos, der Boykottmaßnahmen und der Entscheidungen angeht, die jetzt auch von seiten der Bundesregierung fällig sind, ist es, wie Sie sagen, ganz richtig, daß den Verbrauchern hier große Bedeutung zukommt, da sie die Möglichkeit haben, auf den Kauf dieser Fische zu verzichten.
Aber zum anderen muß auch garantiert sein — eine Verordnung ist in Vorbereitung —, daß die getroffenen Maßnahmen kontrollfähig sind. Man ist jetzt dabei, zu beraten, welches die beste Möglichkeit der exakten Kontrolle ist und wie die Deklarationen, von denen ich hier gesprochen habe, ausgestaltet werden.
Herr Kollege Schily, eine Zusatzfrage? — Bitte.
Herr Staatssekretär, Sie haben auf die Fragen des Kollegen Schütz erklärt, die rigiden Maßnahmen und Ergebnisse in den USA auf diesem Felde seien Ihnen bekannt. Würden Sie uns freundlicherweise mitteilen, was Ihnen davon konkret bekannt ist?
Gottfried Haschke, Parl. Staatssekretär: Ich muß Ihnen hier sagen, sie sind der Bundesregierung bekannt. Ich persönlich kann Ihnen hier keine genauen Angaben machen. Ich bin aber gern bereit, Ihnen hierauf schriftlich zu antworten.
Die USA haben auf diesem Gebiet einiges getan — darüber bin ich informiert — , aber ich muß Ihnen leider mitteilen, daß ich hierzu keine Aussagen dazu machen kann, da ich mit dieser Angelegenheit nicht im Detail befaßt bin. Allerdings haben die USA — das ist hier angeführt worden — in dieser Richtung etliche Maßnahmen ergriffen. Ich bin leider überfragt, inwieweit diese Maßnahmen schon durchgesetzt sind. Das will ich Ihnen gerne schriftlich mitteilen.
Gibt es weitere Fragen an den Herrn Parlamentarischen Staatssekretär Haschke? — Das ist nicht der Fall. Dann bedanke ich mich bei Ihnen. Wir können diesen Komplex dann verlassen.
Herr Kollege Repnik, es ist noch eine Frage von Frau Wohlleben, die Frage 11 aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit, offen.
Ich rufe also nun die Frage 11 auf:
Wann sind die von der Bundesregierung am 28. Mai 1991 angekündigten Überprüfungen der in der „Starnberger Studie" enthaltenen Vorschläge, die die OK-TEDI-Mine in Papua Neu-Guinea betreffen, abgeschlossen, und wann wird die Bundesregierung zu dieser Studie Stellung nehmen?
Herr Parlamentarischer Staatssekretär, Sie haben das Wort.
Hans-Peter Repnik, Parl. Staatssekretär: Vielen Dank, Herr Präsident. — Die vom „Starnberger Institut zur Erforschung globaler Strukturen und Krisen" durchgeführte Untersuchung über „Entwicklung und Umwelt — ökonomisch-ökologische Entwicklung in Papua-Neuguinea" im Auftrag des Missionswerks der evangelisch-lutherischen Kirche in Bayern liegt der DEG, also der Deutschen Investitions- und Entwicklungsgesellschaft in Köln, und der Bundesregierung vor. Das Gutachten wird derzeit noch von den deutschen Teilhabern der Betreibergesellschaft der OkTedi-Mine in Papua-Neuguinea geprüft.
Nach mir vorliegenden Informationen wollten die Verfasser bzw. die Auftraggeber der Studie der Regierung von Papua-Neuguinea und der Betreibergesellschaft eine eigene englische Übersetzung zuleiten, damit diese sich ebenfalls damit auseinandersetzen können. Erst wenn die Regierung von Papua-Neuguinea, die mit 20 % an der Betreibergesellschaft beteiligt ist, und die Betreibergesellschaft selbst zu den Vorschlägen der „Starnberger Studie " Stellung genommen haben, können auch die deutschen Minderheitsaktionäre wie DEG, Degussa und Metallgesellschaft abschließend fachlich und sachlich Position beziehen.
Wenn dieser gesamte Komplex abgeschlossen ist, kann die Bundesregierung auf Grund der Stellungnahmen der beteiligten deutschen Firmen zu dieser Studie Stellung nehmen. Das ist unsere Absicht.
Frau Kollegin, eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, können Sie mir sagen, in welcher Zeitspanne das ungefähr passieren wird?
Hans-Peter Repnik, Parl. Staatssekretär: Ich wage im Moment keine Prognose. Uns liegt daran, diese Überprüfung sehr schnell durchzuführen. Aber wir sind darauf angewiesen, daß die Regierung von Papua-Neuguinea dazu Stellung nehmen wird. Wir haben keinen Einfluß darauf, wie schnell diese Stellungnahme erfolgt.
Keine weitere Zusatzfrage? — Nein. Zusatzfragen aus dem Haus? — Keine. — Vielen Dank, Herr Parlamentarischer Staatssekretär.
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Vizepräsident Hans KleinWir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern. Zur Beantwortung ist der Parlamentarische Staatssekretär Eduard Lintner erschienen.Die Fragen 22 und 23 sollen schriftlich beantwortet werden. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.Wir kommen zur Frage 24 des Kollegen Otto:Hat die Meldepflicht in Beherbergungsstätten die Fahndungserfolge gebracht, die sich der Deutsche Bundestag von ihrer Statuierung versprochen hatte (vgl. Drucksache 8/1845)?Ich bitte Sie um Beantwortung.
Die Antwort lautet wie folgt: Nach den vielfältigen Erfahrungen des Bundeskriminalamts sind auf Grund der bestehenden Hotelmeldepflicht anlaßbezogen bei Ermittlungen in verschiedensten Deliktbereichen Fahndungserfolge und weiterführende Ermittlungsansätze erzielt worden. Über die Erfahrungen der Bundesländer liegen hier keine aktuellen Erkenntnissse vor; sie konnten in der Kürze der Zeit auch nicht eingeholt werden. Bedenken der Länder gegen die Beibehaltung der Hotelmeldepflicht sind der Bundesregierung nicht bekannt.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, da die Begründung des damaligen Gesetzentwurfs maßgeblich auf die Fahndung nach terroristischen Gewalttätern abgestellt hat, frage ich Sie, auch wenn Sie nicht in die Details gehen können: Ist der Bundesregierung bekannt, ob jemals auch nur ein einziger terroristischer Gewalttäter auf Grund von Erkenntnissen infolge der Hotelmeldepflicht enttarnt oder gar gefaßt werden konnte?
Eduard Lintner, Parl. Staatssekretär: Das kann ich Ihnen aus aktuellem eigenen Wissen nicht beantworten.
Zweite Zusatzfrage? Hans-Joachim Otto (FDP): Keine.
Ich rufe die Frage 25 des Abgeordneten Otto auf:
Hält die Bundesregierung die Hotelmeldepflicht noch für notwendig?
Eduard Lintner, Parl. Staatssekretär: Die Bundesregierung setzt sich für die Beibehaltung der bestehenden Hotelmeldepflicht ein. Ähnliche Bestimmungen in anderen, insbesondere auch europäischen, Staaten, zum Teil mit über die hier bestehenden Regelungen hinausgehenden Verpflichtungen wie der Ausweisvorlage, und die mit Fahndungsmaßnahmen im Ausland gesammelten überwiegenden positiven Erfahrungen unterstützen diese Forderung.
Zusatzfrage?
Herr Staatssekretär, wie paßt es zusammen, daß Sie einerseits über keine konkreten Hinweise verfügen, daß dadurch irgendwelche kriminellen Täter gefaßt werden konnten, und daß Sie sich andererseits trotz des hohen Verwaltungsaufwands für die Weiterführung der Hotelmeldepflicht aussprechen?
Eduard Lintner, Parl. Staatssekretär: Ich habe in meiner ersten Antwort darauf hingewiesen, daß durchaus Fahndungserfolge und auch Ermittlungserfolge zu verzeichnen sind. Dabei haben wir einen Überblick nur über das, was beim Bundeskriminalamt angefallen ist, nicht beispielsweise über die Erfolge bei den Ländern. Aber auch die Länder haben offenbar Erfolge erzielt. Denn sonst hätten sie sich schon einmal gegen diese Hotelmeldepflicht gewandt.
Weitere Zusatzfrage.
Hat die Bundesregierung Erkenntnisse darüber, wie groß der bürokratische Verwaltungsaufwand für die entsprechenden Behörden, aber auch für die Gaststättenbetriebe in Erfüllung der Hotelmeldepflicht ist?
Eduard Lintner, Parl. Staatssekretär: Wir haben jedenfalls keine Klagen darüber. Die Erkenntnisse beziehe ich aus dem persönlichen Erfahrungsschatz, den ich bei Hotelübernachtungen sammeln konnte.
Für die Fragen 26 und 27 des Kollegen Dr. Schmieder wurde um schriftliche Beantwortung gebeten. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Das gleiche gilt für die Fragen 28 und 29 des Kollegen Dr. Meyer zu Bentrup.
Wir kommen zur Frage 30 des Abgeordneten Schily:
Beabsichtigt die Bundesregierung, die Direktorin der Deutschen Akademie Villa Massimo in Rom, Frau Elisabeth Wolkens, aufgrund der jetzt durch einen Bericht in der Wochenzeitung „DIE ZEIT" vom 6. September 1991 bekannt gewordenen Vorfälle abzulösen?
Bitte, Herr Parlamentarischer Staatssekretär.
Eduard Lintner, Parl. Staatssekretär: Den kritischen Stimmen gegen die Direktorin der Villa Massimo standen und stehen auch positive Äußerungen gegenüber. Angesichts dieses differenzierten Bildes sowie der Tatsache, daß die Direktorin seit 1965 im Amt ist und sich zweifellos Verdienste um die Villa Massimo erworben hat, hielt es der Bundesminister des Innern bisher für angemessen, mit der Direktorin die Situation der Villa Massimo intensiv zu erörtern und in Einzelfällen Direktiven zu geben.
Der Bundesminister des Innern hat ein großes Interesse daran, daß in der Villa Massimo bald wieder eine den Zielsetzungen dieser Einrichtung entsprechende Atmosphäre hergestellt wird. Er wird daher allen anstehenden Fragen nachgehen und zunächst die Gespräche mit den Beteiligten fortsetzen.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, trifft es zu, daß eine Delegation des Innenministeriums in Rom war, um sich an Ort und Stelle zu erkundigen, wie die Verhältnisse an der Villa Massimo sind? Welches Ergebnis hatte diese Delegationsreise, wenn sie stattgefunden hat?
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Eduard Lintner, Parl. Staatssekretär: Es trifft zu, aber das Ergebnis ist mir noch nicht bekannt.
Zweite Zusatzfrage.
Ich muß mir eine Anmerkung verkneifen, weil die Delegationsreise schon vor einiger Zeit stattgefunden haben soll. Insofern hätte ich gedacht, daß sich der Staatssekretär bei der Vorbereitung einer Fragestunde — —
Herr Kollege, eine Frage.
Entschuldigung.
Ist denn der Bundesregierung der Bericht in der Wochenzeitung „Die Zeit" vom 6. September 1991 bekannt? Hat sie sich darum gekümmert, ob dieser Bericht den Tatsachen entspricht? Welches war das Ergebnis ihrer Nachforschungen, falls sie sich darum gekümmert haben sollte?
Eduard Lintner, Parl. Staatssekretär: Herr Schily, ich habe Ihnen gerade bestätigt, daß eine Delegation dort war. Ich habe Sie in meiner Antwort darauf hingewiesen, daß Gespräche stattgefunden haben und die Gespräche auch fortgesetzt werden sollen. Deshalb ist ein abschließendes Ergebnis im Moment noch nicht vorhanden und daher auch nicht bekanntzugeben. Wir werden, wenn dieses Ergebnis vorliegt, selbstverständlich den fragenden Abgeordneten dieses Ergebnis mitteilen.
Gibt es aus dem Hause weitere Zusatzfragen dazu? — Das ist nicht der Fall. Dann danke ich Ihnen, Herr Parlamentarischer Staatssekretär.
Für die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz haben alle Fragesteller um schriftliche Beantwortung gebeten. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen auf. Zur Beantwortung ist erschienen der Parlamentarische Staatssekretär Manfred Carstens. Die Fragen 35, 36, 37, 38, 39 und 40 werden schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich rufe die Frage 41 des Abgeordneten Kirschner auf. — Der Kollege Kirschner ist nicht im Saal. Es wird verfahren, wie in der Geschäftsordnung vorgesehen. Damit, Herr Parlamentarischer Staatssekretär, ist Ihre Tätigkeit hier beendet.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung auf. Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Hennig zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 42 des Abgeordneten Laumann auf:
Welche Vorstellungen hat die Bundesregierung für eine zivile Anschlußverwendung des Flugplatzes Rheine-Hopsten nach Verlegung des Jagdgeschwaders 72 nach Laage/Rostock?
Herr Parlamentarischer Staatssekretär, Sie haben zur Beantwortung das Wort.
Herr Kollege Laumann, gemäß der von Herrn Bundesminister Dr. Stoltenberg am 5. August bekanntgegebenen Stationierungsentscheidung der Bundeswehr wird das Jagdgeschwader 72 in Rheine-Hopsten bis Ende 1994 auf den Flugplatz Laage bei Rostock verlegt. Nach der Verlegung des Geschwaders ist vorgesehen, das Flugplatzgelände in das allgemeine Grundvermögen des Bundes abzugeben. In Verhandlungen mit dem Bundesminister der Finanzen besteht dann die Möglichkeit, die Liegenschaft zu erwerben und einer neuen Verwendung zuzuführen.
Zusatzfrage, Herr Kollege.
Ist es möglich, daß die betroffenen Gemeinden, die Anrainer an diesem Flugplatz sind, auch noch während der Zeit, wo der Flugplatz militärisch genutzt wird, die Planungshoheit über dieses Gelände bekommen? Des weiteren habe ich die Frage, ob auf das Gelände des Flugplatzes auch noch Dritte Ansprüche haben, die durch die Grundstücksverträge Ansprüche gegenüber dem Bund auf Grundstücke haben, z. B. ein Vorkaufsrecht?
Dr. Ottfried Hennig, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Laumann, selbstverständlich kann in engster Zusammenarbeit mit dem jetzigen Grundstückseigentümer und der Gemeinde dafür gesorgt werden, daß man in dieser Phase des Übergangs bis Ende 1994 so zusammenarbeitet, daß die Gemeinde praktisch jetzt schon planen kann. Es ist in Einzelfällen auch vorstellbar, daß eine zivile Mitnutzung bei gewissen militärischen Einrichtungen, beispielsweise Flugplätzen, erfolgt. Wir sind dann jeweils bereit, auf Antrag der Gemeinde dies zu überprüfen. Aber das leitet bereits zu Ihrer nächsten Frage über, in der dies angesprochen wird.
Ich rufe die Frage 43 des Abgeordneten Karl-Josef Laumann auf:
Wann ist die Verlegung des Jagdgeschwaders 72 von RheineHopsten nach Laage bei Rostock abgeschlossen, bzw. von welchem Zeitpunkt an ist eine zivile Nutzung des Flugplatzes Rheine-Hopsten möglich?
Dr. Ottfried Hennig, Parl. Staatssekretär: Wie bereits bei der Beantwortung Ihrer ersten Frage dargestellt, soll die Verlegung bis Ende 1994 abgeschlossen sein. Ab welchem Zeitpunkt eine zivile Nutzung des Flugplatzes möglich ist, hängt jedoch entscheidend davon ab, ob eine entsprechende Trägergesellschaft gefunden werden kann, die den Flugplatz übernimmt und die Organisation und den Flugbetrieb durchführt. Diese Verhandlungen sollten zweckmäßigerweise in engem Kontakt mit der Landesregierung geführt werden, da nach dem Subsidaritätsprinzip die Landesregierung bei Bedarf das Vorkaufsrecht hat und die erforderlichen Genehmigungsverfahren mit den Luftaufsichtsbehörden des Landes durchzuführen sind.
Zusatzfrage? — Das ist nicht der Fall. Dann bedanke ich mich.Die Frage 44 hat der Abgeordnete Wallow gestellt:
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Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. September 1991 3317
Vizepräsident Hans KleinWie begründet die Bundesregierung die Notwendigkeit des Einsatzes von Beratergruppen der Bundeswehr in elf afrikanischen Entwicklungsländern?Herr Parlamentarischer Staatssekretär, Sie haben das Wort zur Beantwortung.Dr. Ottfried Hennig, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Wallow, Beratergruppen der Bundeswehr werden in Afrika im Rahmen der Ausstattungshilfe eingesetzt. Diese Hilfe ist ein außenpolitisches Instrument der Bundesregierung und wird den Streitkräften der Empfängerländer gewährt. Die Lieferung von Waffen, Munition oder Maschinen zu deren Herstellung ist im Rahmen der Ausstattungshilfe ausgeschlossen.Die Armeen dieser Länder haben neben dem Verteidigungsauftrag oft umfassende Aufgaben bei der Landesentwicklung, z. B. bei der Herstellung von Infrastruktur, der Versorgung der Bevölkerung und der Aufrechterhaltung von Sicherheit und Ordnung zu erfüllen und unterscheiden sich daher in der Aufgabenstellung von Streitkräften in entwickelten Ländern. Sie sind oft nicht in der Lage, diese Aufgaben ohne personelle Unterstützung durch befreundete Staaten zu erfüllen.Außerdem trägt die Arbeit von Beratergruppen der Bundeswehr zu einem effektiven Einsatz des gelieferten Ausstattungshilfematerials wesentlich bei. Unsere Berater können vor Ort in der partnerschaftlichen Zusammenarbeit mit den Angehörigen ausländischer Streitkräfte auch viele wertvolle Kontakte erschließen und gleichzeitig ein Beispiel geben als Soldaten einer Armee, die fest in einem demokratischen Staatswesen verankert ist.
Zusatzfrage, Herr Kollege Wallow.
Herr Staatssekretär, welcher Art ist die Militärhilfe an Diktaturen wie Togo, Zaire und Malawi?
Dr. Ottfried Hennig, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich will Ihnen das, was an ganz konkreter Zusammenarbeit in diesen Staaten geschieht, gerne schriftlich darlegen.
Ich möchte Sie nur darauf hinweisen, daß es hier überhaupt nicht um eine militärische Zusammenarbeit im eigentlichen Sinne geht, sondern daß Ausstattungshilfe ein außenpolitisches Instrument der Bundesregierung zur Vertiefung und Pflege unserer Beziehungen zu zahlreichen Ländern in Afrika, Asien und Lateinamerika ist. Dieses Ausstattungshilfeprogramm wird in enger Zusammenarbeit vom Auswärtigen Amt und Bundesministerium der Verteidigung, bei dem die Durchführungsverantwortung dann liegt, sichergestellt. Die einzelnen Länder trage ich Ihnen gerne nach.
Ich habe Ihnen bereits gesagt, daß die Lieferung von Waffen, Munition und derartigem völlig ausgeschlossen ist. Im übrigen leisten die Beratergruppen der Bundeswehr in keinem Fall militärische Ausbildung. Sie leisten vielmehr technische Unterstützung in den Bereichen Straßenbau, Wasserbohrungen, Kfz-Instandsetzung, Fernmeldewesen sowie Krankenhauseinrichtung und Krankenhausbetrieb.
Eine Zusatzfrage?
Herr Staatssekretär, ist die Militärhilfe nicht Ausdruck auch des Gott sei Dank zu Ende gegangenen Ost-West-Gegensatzes, und sollte man sie nicht unter dem Gesichtspunkt, daß sie in den Ländern, die ich vorhin genannt habe, und in anderen Diktaturen auch dazu beitragen kann, daß die Bevölkerung vom eigenen Militär unterdrückt wird, einstellen?
Dr. Ottfried Hennig, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, wir achten sehr sorgfältig auf diese Gesichtspunkte. Bei der Absprache mit dem Auswärtigen Amt über solche Projekte werden selbstverständlich Gedanken wie diese sorgfältig berücksichtigt. Ich glaube aber nicht, daß es einen Zusammenhang mit dem Ost-West-Konflikt gibt. Es handelt sich auch nicht um Militärhilfe im eigentlichen Sinne, sondern um die technische Zusammenarbeit für solche humanitären und strukturellen Bereiche, wie ich sie hier skizziert habe.
Im übrigen haben wir aus politischen Gründen die Zusammenarbeit für einige Länder eingestellt, beispielsweise für Somalia aus Sicherheitsgründen oder für Sudan, wo politische Gründe für die Beendigung einer solchen Zusammenarbeit maßgebend waren.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Scheer.
Herr Staatssekretär, wenn die Militärhilfe die Aufgaben leistet, die Sie eben beschrieben haben, warum findet dann nicht eine solche Unterstützungsleistung durch technische Hilfswerke oder ähnliche Einrichtungen, soweit sie international einsatzfähig sind, statt, warum statt dessen durch das Militär?
Dr. Ottfried Hennig, Parl. Staatssekretär: Auch dies gibt es, Herr Kollege Scheer. In dem Rahmen aber, in dem die Bundeswehr eine solche technische Hilfe besonders gut leisten kann — ich erinnere beispielsweise an Pioniere beim Thema „Straßenbau", das hier angesprochen worden ist — , ist die Frage in der Vergangenheit für einzelne, ausgewählte Länder in dieser Hinsicht so beantwortet worden, wie sich das in meiner Beantwortung widerspiegelt.
Weitere Zusatzfragen zu diesem Punkt? — Das ist nicht der Fall. Dann danke ich Ihnen, Herr Parlamentarischer Staatssekretär.Jetzt möchte ich schnell eine geschäftsführende Bemerkung machen: Wir haben den Beginn des nächsten Tagesordnungspunkts für 14.35 Uhr vorgesehen gehabt. Wir haben verfrüht mit der Fragestunde begonnen. Der Vorschlag ist: Wir machen bis 14.35 Uhr mit der Fragestunde weiter und haben dann morgen eine Viertelstunde bei der Fragestunde eingespart.Deshalb rufe ich jetzt den Geschäftsbereich des Bundesministers für Frauen und Jugend auf. Zur Beantwortung ist der Parlamentarische Staatssekretär Peter Hintze anwesend.Ich rufe die Frage 45 des Abgeordneten Dr. Seifert auf:
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3318 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. September 1991
Vizepräsident Hans KleinIst der Bundesregierung bekannt, daß die vom Bundesministerium der Finanzen ab 1. Januar 1993 geplante generelle Streichung aller Aufwandszuschüsse für den Einsatz von Zivildienstleistenden zusätzliche Kosten für viele freie Träger wichtiger sozialer Hilfsdienste [z. B. Mobiler Sozialer Hilfsdienst (MSHD) und der Individuellen Schwerstbehindertenbetreuung (ISB)] verursachen würde, die beispielsweise in Berlin entweder zu einer Reduzierung der Leistungen oder zu einer Weitergabe der Kosten an die Nutzer dieser Dienste, die ohnehin benachteiligten Menschen im Alter und mit Behinderungen führen müßten?
Herr Präsident, Herr Abgeordneter, die Zahlung von Aufwandszuschüssen im Zivildienst ist für die Jahre 1991 und 1992 gesichert. Für das Jahr 1993 enthält der geltende Finanzplan keinen Ansatz mehr.
Im Rahmen der Aufstellung des Bundeshaushaltes für das Jahr 1993 wird die Bundesregierung entscheiden, ob aus zivildienstpolitischen Gründen eine weitere Bezuschussung der genannten Tätigkeitsbereiche erforderlich ist.
Die Bundesregierung verkennt nicht, daß beim Wegfall der Aufwandszuschüsse Einkommensausfälle für Beschäftigungsstellen des Zivildienstes im Bereich der von ihnen durchgeführten sozialen Dienste entstehen. Ob dies zu einer Reduzierung des Leistungsangebotes oder zu einer erhöhten Kostenbelastung der Nutzer sozialer Dienste führt oder letztlich ohne Auswirkungen auf die von den Nutzern zu tragenden Kosten bleibt, hängt von der Situation der Beschäftigungsstelle und ihrer Nutzer im Einzelfall ab und kann deshalb nicht generell beantwortet werden.
Zusatzfrage, Herr Dr. Seifert.
Herr Staatssekretär, wenn Sie davon ausgehen, daß ab 1993 keine derartigen Zahlungen mehr gewährt werden: Gibt es in Ihrem Ministerium Alternativvorschläge, wie diese Dienste finanziert werden können? Ob das nun über den Zivildienst oder andere Stellen geht, ist mir egal. Mir geht es nur darum, ob diese Leistungen finanziert werden können.
Peter Hintze, Parl. Staatssekretär: Es ist so, daß die rechtliche Grundlage für die Finanzierung dieser Leistungen allein in der Aufgabenstellung des Zivildienstes liegt. Die Finanzierungskompetenz für die sozialen Dienste, die hier angesprochen sind, liegt nicht beim Bund, sondern bei den Ländern und den örtlichen Trägern der Sozialhilfe, so daß der Bund für die Fragestellung der Aufrechterhaltung dieser sozialen Dienste nicht angesprochen und auch nicht verantwortlich gemacht werden kann.
Es ist aber so, daß im Rahmen der Beratungen des Haushalts für 1993 zu prüfen ist, ob aus zivildienstpolitischen Gründen nicht doch wieder ein entsprechender Haushaltsansatz hereinkommt, der dann auch die positive Auswirkung auf die sozialen Dienste hätte, die Sie angesprochen haben.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Kollege.
Ich freue mich, daß Sie derartige Überlegungen hier zumindest in den Bereich des Möglichen rücken. Dennoch noch einmal die Frage: Sind Sie nicht wie ich der Meinung, daß der Bund in Anbetracht der immensen Aufgaben in diesem sozialen Bereich, der gegenwärtig vom Zivildienst abgedeckt wird, Pflichten zu übernehmen hat, u. a. auch mit Hilfe finanzieller Zuwendungen?
Peter Hintze, Parl. Staatssekretär: Ich sehe die positiven Wirkungen, die vom Einsatz der Zivildienstleistenden gerade im Bereich der von Ihnen angesprochenen ambulanten Dienste ausgehen. Die Bundesministerin für Frauen und Jugend hat sich schon öffentlich dazu geäußert, daß sie sich bei den Beratungen des Bundeshaushaltes 1993 dafür einsetzen wird, daß aus zivildienstpolitischen Gründen diese Förderung dann fortgeführt wird.
Ich kann jetzt niemandem vorgreifen; aber nach meinem Eindruck ist die Frage 46, Herr Kollege Seifert, durch die Antworten auf Ihre Zusatzfragen schon beantwortet worden.Gleichwohl rufe ich die Frage 46 des Abgeordneten Dr. Seifert auf:Wenn ja, welche Maßnahmen sieht die Bundesregierung vor, diese reale Verschlechterung der auf Pflege-Assistenz angewiesenen Menschen zu kompensieren und womöglich die Angebote für Hilfen zur Selbsthilfe zusätzlich zu verbessern?Herr Parlamentarischer Staatssekretär, Sie haben das Wort.Peter Hintze, Parl. Staatssekretär: Herr Präsident, ich möchte die Frage 46 doch kurz, aber umfassend beantworten.Wie eben kurz angedeutet, hat der Bund soziale Dienste durch den Einsatz von Zivildienstleistenden und die Gewährung von Aufwandszuschüssen ausschließlich aus zivildienstpolitischen Gründen unterstützt, weil er nur auf dem Feld des Zivildienstes eine Finanzierungskompetenz im Rahmen unserer Finanzverfassung hat. Er hat das getan, um für den Zivildienst nach Art der Beschäftigung besonders geeignete Zivildienstplätze zu erhalten. Daraus kann aber keine Gesamtverantwortung des Zivildienstes für den sozialen Bereich abgeleitet werden. Die Bundesregierung hat deshalb nicht die Möglichkeit, unmittelbare, einzelfallbezogene Kompensationsleistungen an Stelle der Aufwandszuschüsse für den Zivildienst zu erbringen.Die Lösung muß nach Auffassung der Bundesregierung im Rahmen übergreifender sozialpolitischer Maßnahmen zur Sicherstellung der Pflege gefunden werden. Die Bundesregierung ist sich mit allen Beteiligten darin einig, daß eine umfassende Lösung der Pflegeproblematik nur durch ein Zusammenwirken aller Beteiligten in gegenseitiger Abstimmung und Verantwortung erreicht werden kann.Entsprechend dieser Einschätzung hat die Bundesregierung bereits 1989 die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen mit dem Thema Sicherstellung der Pflege befaßt. Darin wurde zwischen allen Beteiligten über eine ganze Reihe von Maßnahmen innerhalb der unterschiedlichen Zuständigkeiten Einvernehmen erzielt.
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Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. September 1991 3319
Parl. Staatssekretär Peter HintzeIn der Frühjahrssitzung 1991 hat die Konzertierte Aktion das Thema erneut aufgegriffen und die Beteiligten u. a. aufgefordert, die in ihren Verantwortungsbereich fallenden Maßnahmen zügig umzusetzen. Auf ihrer Herbstsitzung wird die Konzertierte Aktion erneut eine Bilanz des Erreichten ziehen.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, es ist ja nun weithin bekannt, daß schon etwas mehr als drei Wochen über die Pflegeabsicherung debattiert wird und daß eine Lösung noch nicht in Sicht ist. Gibt es von seiten Ihres Ministeriums Überlegungen, gemeinsam mit anderen Fachbereichen und Fachministerien — die Aufsplittung bringt ja auch eine Aufsplittung der finanziellen Mittel und der Kräfte mit sich — Wege zu erschließen, die es ermöglichen, daß Menschen, die einer gewissen Assistenz bedürfen, diese auch in Zukunft bekommen können und daß sich diejenigen, die diese Pflege anbieten, die also diese Assistenz bieten, darauf vorbereiten können?
Peter Hintze, Parl. Staatssekretär: Herr Abgeordneter, die Bundesregierung wird einen Gesetzentwurf zur Absicherung des finanziellen Pflegefallrisikos einbringen. Das zum ersten Teil Ihrer Frage.
Zum zweiten Teil: Unser Ressort ist — wie schon in der Vergangenheit — auch weiterhin bemüht, alle Möglichkeiten, die im Rahmen der Zuständigkeit des Bundes liegen — was uns betrifft, ist das der Zivildienst — , dazu zu nutzen, um dafür zu sorgen, daß diese Tätigkeit auch in Zukunft weitergeführt werden kann und daß pflegebedürftigen Personen die Hilfe, die Sie angesprochen haben, mit Unterstützung des Zivildienstes zugute kommt. Wir wollen dabei sehr darauf achten — wir haben die entsprechenden Maßnahmen ergriffen —, daß diejenigen, die zu diesem Dienst bereit sind, auf diesen Dienst auch ausreichend und gut vorbereitet und in diesem Dienst begleitet werden.
Die zweite Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, da Sie immer auf die Bundeskompetenz ausschließlich für den Zivildienst abheben, möchte ich eine zweite Zusatzfrage in eine etwas andere Richtung stellen. Welche Aktivitäten gibt es von seiten Ihres Ministeriums in bezug auf die Koordinierung der Länderaktivitäten, infolge derer solche Leistungen über andere Wege als den Zivildienst angeboten werden?
Peter Hintze, Parl. Staatssekretär: Hierfür gibt es keine Zuständigkeit bei unserem Ministerium. Es wird also im Sinne Ihrer Frage eine solche Koordinierung von unserem Ressort nicht wahrgenommen. Aber im Rahmen der Zuständigkeit unseres Ressorts — es ist für den Bereich des Zivildienstes zuständig — kommt es zu einer solchen Zusammenarbeit, beispielsweise zu regelmäßigen Besprechungen mit den Bundesländern, wobei von der Natur der Sache her dann auch das Ineinandergreifen der unterschiedlichen Hilfsbereiche und Zuständigkeiten Gegenstand der Erörterung ist.
Gibt es weitere Zusatzfragen dazu? — Das ist nicht der Fall.
Dann rufe ich die Frage 47 des Abgeordneten Schily auf:
Mit welchen konkreten Maßnahmen befolgt die Bundesregierung die Forderungen des sogenannten Weltgipfels für Kinder, der am 30. September 1990 in New York stattfand und an dem auch Bundespräsident Richard von Weizsäcker teilgenommen hat?
Peter Hintze, Parl. Staatssekretär: Herr Präsident, Herr Abgeordneter Schily, die Bundesregierung setzt die Beschlüsse des Weltgipfeltreffens für Kinder in folgenden Bereichen um.
Sie fördert künftig verstärkt Vorhaben der Primarschulerziehung und Grundbildung in der Dritten Welt als einen Schwerpunkt der Entwicklungspolitik für die laufende Legislaturperiode. Sie fördert Vorhaben der Armutsbekämpfung, um die Lebensbedingungen der Familien zu verbessern, weil die Situation der Kinder untrennbar von der Situation der Eltern abhängt und bessere Lebensbedingungen für die Familien insgesamt auch bessere Chancen für die Kinder bedeuten. Sie unterstützt mit zusätzlichen Mitteln für die Internationale Arbeitsorganisation in Genf Maßnahmen zur Abschaffung der Kinderarbeit in der Dritten Welt, sie erhöht den deutschen Beitrag für UNICEF.
Die Bundesregierung fühlt sich in ihrer Kinder-, Jugend- und Familienpolitik durch die Beschlüsse des Weltkindergipfels bestätigt. Dem Kindeswohl dient neben den zahlreichen familienpolitischen Maßnahmen der Bundesregierung das neue Kinder- und Jugendhilferecht, das eine Vielzahl an Hilfen für Kinder in unterschiedlichen Lebenssituationen vorsieht.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, halten Sie das für eine angemessene Antwort, wenn man die zehn Punkte vor Augen hat, die in der Deklaration des Weltkindergipfels verabschiedet worden sind?
Peter Hintze, Parl. Staatssekretär: Ja.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, wenn Sie die zehn Punkte durchgehen und z. B. den Punkt 10 vor Augen haben, wonach es u. a. notwendig ist, den Transfer von angemessenen zusätzlichen Ressourcen, in Entwicklungsländern verbesserte Terms of Trade, eine weitgehende Liberalisierung des Handels und Entschuldungsmaßnahmen zu vollziehen, um das Los der Kinder in den Dritte-Welt-Ländern zu verbessern, meinen Sie dann wirklich, daß die löbliche Absicht, auch für den Privatschulbereich etwas zu tun, dem entspricht, was die wirkliche Notlage der Kinder in den Dritte-Welt-Ländern darstellt?Ich möchte das noch kurz ergänzen. Sie wissen wahrscheinlich, daß die Voraussage von UNICEF ist, daß in den nächsten zehn Jahren in den Dritte-WeltLändern über 100 Millionen Kinder buchstäblich ver-
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3320 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. September 1991
Otto Schilyhungern werden. Insofern, meine ich, ist Ihre Aussage völlig unzureichend.
Ich muß noch einmal die Regeln ins Gedächtnis rufen. Wir stellen Fragen und erhalten Antworten, aber wir geben in der Fragestunde keine Kommentare. Dazu sind die Debatten da, Herr Kollege Schily.
Peter Hintze, Parl. Staatssekretär: Herr Abgeordneter Schily, ich stimme mit Ihnen überein, daß das Bildungswesen nur ein Ansatzpunkt zur Bewältigung dieser Fragen ist, aber ich habe ausgeführt und würde das gern wiederholen, daß es zu einem Schwerpunkt der Entwicklungspolitik der Bundesregierung gehört, Armutsbekämpfung in den von Ihnen angesprochenen Regionen voranzubringen. Das ist, denke ich, das große, ernste und wichtige Thema, das auch als Antwort auf Ihre Frage angesprochen werden muß.
Weitere Zusatzfragen dazu? — Das ist nicht der Fall. Dann danke ich Ihnen, Herr Parlamentarischer Staatssekretär.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Gesundheit auf. Da ist für eine Reihe von Fragen um schriftliche Beantwortung gebeten, Frau Parlamentarische Staatssekretärin. Die Fragen 53 und 54 des Abgeordneten Dr. Martin Mayer sind zurückgezogen worden. Zu der Frage 57 ist der Fragesteller nicht anwesend; also wird nach der Geschäftsordnung verfahren.
Ich komme jetzt zu dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr. Da bitten alle Fragesteller um schriftliche Beantwortung. Diesen Geschäftsbereich können wir hiermit ebenfalls abschließen und damit die Fragestunde beenden, die heute knapp 75 Minuten gedauert hat. Ich bedanke mich bei den Vertretern der Bundesregierung.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 3 auf:
a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 19. November 1990 über konventionelle Streitkräfte in Europa
— Drucksache 12/1133 —
Überweisungsvorschlag :
Auswärtiger Ausschuß Verteidigungsausschuß
Haushaltsausschuß gemäß § 96 GO
b) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Ausführungsgesetzes zu dem Vertrag vom 19. November 1990 über konventionelle Streitkräfte in Europa
— Drucksache 12/1135 —
Überweisungsvorschlag :
Auswärtiger Ausschuß Verteidigungsausschuß
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Aussprache eine Stunde vorgesehen. — Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch; dann ist das so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Die Bundesregierung hat dem Deutschen Bundestag die Entwürfe eines Gesetzes zum Vertrag über konventionelle Streitkräfte in Europa und des ihn ergänzenden Ausführungsgesetzes vorgelegt. Mit diesen Entwürfen strebt die Bundesregierung die parlamentarische Zustimmung zur Ratifikation des wichtigsten Rüstungskontrollabkommens an, das Deutschland bislang unterzeichnet hat. Der Vertrag markiert das Ende des kalten Krieges und den Eintritt in eine neue Ara kooperativer Sicherheit in Europa.
Mit seinen weitreichenden Bestimmungen über Rüstungsabbau, Höchststärken für die konventionellen Waffen und ein umfangreiches Verifikationsregime legt der KSE-Vertrag die sicherheitspolitische Grundlage für ein System, in dem Sicherheit nicht mehr gegeneinander, sondern miteinander geschaffen wird.Kernbestimmung des Vertrages sind die Reduzierung und Begrenzung der fünf wichtigsten Kategorien konventioneller Waffen in Europa auf gleiche Obergrenzen zwischen zwei für die Zwecke des Vertrages gebildeten Staatengruppen und auf davon abgeleitete nationale Höchststärken.Im Laufe von 40 Monaten nach Inkrafttreten des Vertrages sind in Europa an die 45 000 Kampfpanzer, gepanzerte Kampffahrzeuge, Artilleriegeschütze, Kampfflugzeuge und Kampfhubschrauber zu reduzieren. Die danach verbleibenden Reststärken werden einem beispiellosen Regelwerk unterliegen, das nicht nur den Gesamtumfang an konventionellen Waffen der Vertragsteilnehmer begrenzt; es greift darüber hinaus auch in die räumliche Verteilung und in den Präsenzgrad der Streitkräfte ein, und es schafft mit dem vereinbarten Kontroll- und Verifikationsregime einen bis dahin in Europa unbekannten Grad der Offenheit der militärischen Potentiale.Für die Bundesrepublik Deutschland hat der KSEVertrag auch deshalb eine besondere Bedeutung, weil er zu den zentralen Rahmenbedingungen für die erfolgreiche Regelung der äußeren Aspekte der deutschen Einheit gehörte.In einem engen politischen Zusammenhang mit dem Vertrag steht auch unsere im Zuge des Einigungsprozesses eingegangene Verpflichtung zur Reduzierung des Personalumfangs der Streitkräfte des vereinten Deutschland. Ein baldiges Inkrafttreten des KSE-Vertrages liegt deshalb nicht nur im gesamteuropäischen, sondern sehr stark auch in unserem eigenen deutschen Interesse.
Schon zuviel Zeit ging durch den Versuch konservativer Kräfte in der Sowjetunion verloren, den Vertrag nach seiner Unterzeichnung umzuinterpretieren. Erst nach zähem, monatelangem Ringen ist es schließlich im Juni dieses Jahres gelungen, den durch die frühere sowjetische Militärführung ausgelösten Aus-
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Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. September 1991 3321
Bundesminister Hans-Dietrich Genscherlegungsstreit auszuräumen und den Weg zur Ratifikation durch alle Vertragsstaaten frei zu machen.Angesichts des Entstehens neuer Streitkräftestrukturen auf dem Boden der alten Sowjetunion gewinnt der KSE-Vertrag eine zusätzliche Bedeutung. Er muß die neue Union und die in ihr zusammengeschlossenen souveränen Staaten in den Stabilitätsrahmen des KSE-Rüstungskontrollregimes voll einbinden.Präsident Gorbatschow und die höchsten Vertreter der zur Bildung der neuen Union entschlossenen Republiken haben den Willen bekräftigt, die von der UdSSR eingegangenen Verpflichtungen zur Rüstungsreduzierung und -kontrolle einzuhalten. Nach meinen jüngsten Gesprächen in Moskau erwarte ich, daß die neue Union und ihre souveränen Mitglieder diese Willenserklärung mit Blick auf den KSE-Vertrag konkretisieren und daß sie zusichern, alle Verpflichtungen, die die UdSSR mit der Unterzeichnung dieses Vertrags übernommen hat — einschließlich der Verpflichtung über Obergrenzen, Reduzierung und Verifikation —, voll und ganz einzuhalten, unabhängig davon, wer innerstaatlich dazu im einzelnen verpflichtet ist.
Ich habe auch in Moskau die Bereitschaft zu einer raschen Ratifizierung des KSE-Vertrags vorgefunden. Wir unsererseits sollten nicht zurückstehen und nunmehr in enger Abstimmung mit den anderen Vertragspartnern die Ratifizierung zügig vorantreiben. Das erfordert auch von uns die Bereitschaft zur Flexibilität beim weiteren Vorgehen. Dafür erbitte ich die Unterstützung des Deutschen Bundestags.Soweit durch die jüngsten Entwicklungen in der Sowjetunion Anpassungen des Vertrags notwendig werden, sollten sie möglichst nach dessen Inkrafttreten erfolgen.Ein spezifischer Klärungsbedarf ergibt sich hinsichtlich der Position der baltischen Staaten zum KSE-Vertrag. Wir halten den Beitritt dieser Staaten zum Vertrag nach seinem Inkrafttreten grundsätzlich für wünschenswert; denn wir möchten auch die baltischen Staaten in die durch den Vertrag entstehenden kooperativen Sicherheitsstrukturen voll einbeziehen. Auf jeden Fall werden wir jedoch die in den drei baltischen Staaten zu treffenden Entscheidungen respektieren.Auch ohne Beitritt der baltischen Staaten oder vorher wird es notwendig sein, Regelungen zu finden, mit denen die vorübergehend dort verbleibenden sowjetischen Streitkräfte in das Vertragsregime voll eingebunden werden.Mit der Inkraftsetzung des KSE-Vertrags schaffen wir auch die Voraussetzung für weitere Schritte bei der Kontrolle der konventionellen Rüstung und Streitkräfte in Europa. Zunächst gilt es, neben den Waffenbeständen auch Personalumfänge der konventionellen Streitkräfte zu begrenzen und, wo möglich, zu reduzieren. Wir wollen, daß ein solches Ergebnis bis zum nächsten KSZE-Folgetreffen in Helsinki im Jahre 1992 erreicht wird. Deutschland hat mit der Selbstbeschränkung seiner Streitkräfte auf 370 000 Mann einBeispiel für Reduzierungen im Personalumfang gegeben. Wir hoffen, daß andere jetzt folgen werden.1992 soll eine neue Etappe in den Bemühungen in Abrüstung, Vertrauens- und Sicherheitsbildung in Europa beginnen — eine Etappe, an der dann alle jetzt 38 KSZE-Teilnehmerstaaten beteiligt sein werden. Auch diese Verhandlungen gilt es zu nutzen, um durch die Vereinbarung neuer konkreter Rüstungskontrollmaßnahmen ein immer dichteres Netz von Vereinbarungen über Umfang, Zusammensetzung und Aktivitäten der Streitkräfte in Europa zu knüpfen.Der Beginn der neuen Verhandlungen ab 1992 bietet hierzu die Chance. Unser Ziel bleibt eine stabile Ordnung kooperativer Sicherheit in Europa.Der Ihnen zur Zustimmung vorliegende KSE-Vertrag markiert eine Etappe auf dem Weg zu diesem Ziel. Für dieses Ziel einer neuen stabilen und kooperativen Sicherheit ist es auch erforderlich, daß mit der Beseitigung der nuklearen Kurzstreckenraketen und der nuklearen Artilleriemunition unverzüglich begonnen wird.
Die amerikanische Regierung nimmt dazu eine aufgeschlossene Haltung ein. Die sowjetische und die russische Führung sind zur gänzlichen Beseitigung bereit. Wir wissen, daß unsere Verbündeten unsere Sorgen über die Proliferation dieser Waffen teilen. Der beste Weg, die Proliferation zu vermeiden, ist die gänzliche Beseitigung dieser schwer kontrollierbaren und destabilisierenden Vernichtungswaffen.
Wenn sie je einen Sinn hatten, so ist dieser Sinn im Gefolge der grundlegenden Veränderungen in Europa weggefallen.Meine Damen und Herren, das Ziel der Bundesregierung ist Abrüstung auf allen Gebieten, auch bei den nuklearen Kurzstreckenwaffen.Ich bitte Sie um Unterstützung für diesen Vertrag, der uns auch die anderen Fragen lösbarer machen wird.
Das Wort hat die Abgeordnete Katrin Fuchs.
Herr Präsident! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Über eines sind wir uns sicher nicht nur in diesem Hause einig, sondern auch unter allen 22 Unterzeichnerstaaten: Der KSE-Vertrag muß so schnell wie möglich ratifiziert werden. Das Inkrafttreten dieses Vertrages, eines der Eckpfeiler von Stabilität in einem unruhiger gewordenen Europa, duldet keinen Aufschub.Gleichzeitig wissen wir aber auch, daß die politischen Veränderungen der vergangenen Wochen einige Modifikationen und Ergänzungen verlangen. Niemand weiß, was aus dem Vertragspartner Sowjetunion am Ende werden wird. Deswegen brauchen wir
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3322 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. September 1991
Katrin Fuchs
— hier stimme ich Ihnen ausdrücklich zu, Herr Außenminister — nicht nur von der Unionsregierung, sondern auch von den einzelnen Republiken eine Verpflichtungserklärung darüber, daß die von der Sowjetunion notifzierten Anteilshöchstgrenzen weiter gültig bleiben, und — zweitens — darüber, daß die Verifikations- und Reduzierungsverpflichtungen auch für die sowjetischen Streitkräfte gelten, die noch in den baltischen Staaten stehen.Mit Estland, Lettland und Litauen haben drei Staaten innerhalb des Vertragsgebiets ihre Unabhängigkeit neu erreicht. Sie haben nun die Wahl, entweder dem KSE-Vertrag beizutreten oder aber auszuscheiden. Ich unterstütze ausdrücklich Ihre Position und sage auch für meine Fraktion, daß wir es sehr begrüßen würden, wenn die drei baltischen Staaten dem Stabilitätsregime des KSE-Vertrages beitreten würden. Allerdings müßten sie dann mit der sowjetischen Unionsregierung neue Limits für ihre Länder aus dem Bestand der jetzigen sowjetischen Höchstgrenzen aushandeln.Wir sind mit der Bundesregierung völlig einer Meinung, daß der Vertrag, so wie er ist, jetzt ratifiziert werden muß, damit er möglichst schnell in Kraft treten kann. Die unzweifelhaft notwendigen und im Detail nicht unkomplizierten Veränderungen und Anpassungen können nach Ratifizierung und Inkrafttreten des Vertrages ausgehandelt werden. Im übrigen sind es keine Veränderungen des Vertrages selbst, sondern lediglich solche seiner Anwendung.Meine Fraktion ist für die zügige Verabschiedung der Entwürfe eines Ratifizierungsgesetzes zum KSEVertrag und des dazugehörigen Ausführungsgesetzes, das die rechtliche Grundlage für Verifizierungsmaßnahmen im nichtstaatlichen Bereich schafft.Liebe Kolleginnen und Kollegen, alle Welt meint, Abrüstung laufe nun von ganz allein. Aber auf die versprochene Friedensdividende warten wir bisher noch vergebens. Für das kommende Jahr hat die Bundesregierung einen Verteidigungsetat vorgelegt, der fast genauso hoch ist wie der diesjährige. Die NATO hat bereits im Frühjahr darauf hingewiesen, daß sinkende Rüstungslasten in absehbarer Zeit nicht zu erwarten seien, und das trotz der positiven Entwicklungen um uns herum. Frankreich führt die neue Hades-Atomrakete ein, die nur Deutschland und die Tschechoslowakei erreichen kann, als hätte sich nichts, aber auch überhaupt nichts in Europa geändert.Der Golfkrieg hat zu einer perversen Suche nach neuen militärischen Bedrohungen aus dem Süden geführt, der mit neuer und höchst kostenträchtiger HighTech-Rüstung begegnet werden soll.Schließlich könnte der Bürgerkrieg in Jugoslawien manchen in Versuchung bringen, zu glauben, daß auch innerhalb Europas der Einsatz militärischer Mittel in Zukunft noch sinnvoll sei.Hier liegen eine Reihe von Tretminen für die Abrüstung, fürchte ich. Ein friedliches Zusammenwachsen Europas aber wird es ohne weitere Abrüstung nicht geben. Die Völker Europas brauchen dringend die Mittel, die das Wettrüsten bisher verschlungen hat. Das brauche ich hier im Hause keinem zu erzählen. Das trifft uns Deutsche ja sehr direkt.Niemand kann ernsthaft vertreten, daß das nicht ginge. Eine direkte militärische Bedrohung der Bundesrepublik gibt es nicht mehr. Hatte das Verteidigungsministerium zu Jahresanfang in seiner Risikoanalyse noch das „Restrisiko Sowjetunion" ausgemacht, dürfte es jetzt, nach dem Ende der alten Sowjetunion, auch mit diesem sogenannten Restrisiko vorbei sein. Gegen wen eigentlich sollen wir jetzt noch an solchem Irrsinn wie dem Jäger 90 festhalten: gegen das Restrisiko Rußland oder das Restrisiko Ukraine? Machen Sie doch endlich Schluß damit!Die Bundesregierung hat bisher kein einziges großes Beschaffungsprojekt gestrichen, kein einziges Konversionsprogramm in Gang gebracht. Wer aber jetzt nicht in der Lage ist, abzurüsten und diesen Prozeß für die Betroffenen sozial zu gestalten, der vergibt einmalige Chancen und überlebt sich politisch selbst, was ich in diesem Fall nicht unbedingt bedaure.
Die Hochrüstung aus der Zeit der Ost-West-Konfrontation schützt uns nicht vor den Risiken von heute und morgen. Wirtschaftliche, soziale und ökologische Katastrophen, ethnische Spannungen und Flüchtlingsbewegungen kann man nicht mit militärischen Mitteln bekämpfen. Genau dafür brauchen wir das Geld, das jetzt die Rüstung verschlingt.Im übrigen ist in Europa auch nach dem KSE-Vertrag der Nahe Osten immer noch die Region mit der weltweit höchsten Waffenkonzentration. Diese funktionslos gewordene Rüstung kann angesichts der spannungsreichen Entwicklung auf unserem Kontinent zu einem eigenständigen Risikopotential führen. Am deutlichsten ist dies bei den taktischen Atomwaffen der Sowjetunion: rund 9 000 Sprengköpfe.Unmittelbar nach dem Putsch teilte der damalige sowjetische Außenminister Bessmertnych mit, daß sich die Atomwaffen der Sowjetunion in der sicheren Verwahrung der zuständigen Behörden befunden hätten. Welche Behörden das waren, wissen wir bis heute nicht. Aus den USA wurde die Version Bessmertnychs zunächst bestätigt. Ich habe den Verdacht, es gibt da eine Kumpanei von Atomwaffenbesitzern, die versuchen, globale Risiken ihrer Vernichtungsarsenale auf jeden Fall herunterzuspielen.Inzwischen hat der sowjetische Verteidigungsminister zusätzliche Sicherungen für die sowjetischen Atomwaffen angekündigt. Offensichtlich war doch nicht alles Menschenmögliche getan worden, um die Gefahren dieser Massenvernichtungsmittel zu bannen.Zwei Gefahren springen besonders ins Auge: der Mißbrauch bei einem Putsch oder Staatsstreich und das Entstehen neuer Nuklearmächte bei dem Zerfall der Sowjetunion. Dagegen hilft nur eines — und da stimme ich Ihnen, Herr Bundesminister, wiederum zu — : Die taktischen Atomwaffen der Sowjetunion müssen gänzlich beseitigt werden, aber nicht nur die der Sowjetunion, sondern auch die aller anderen Staaten müssen restlos beseitigt werden. Ich freue mich, daß wir da offensichtlich übereinstimmen.
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Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. September 1991 3323
Katrin Fuchs
Dabei ist keine Zeit durch langwierige Verhandlungen zu verlieren. Es reicht, wenn die Sowjetunion und die Vereinigten Staaten eine verbindliche Erklärung über den vollständigen Abzug ihrer taktischen Atomwaffen aus Europa abgeben und sich verpflichten, solche Systeme nicht wieder nach Europa zurückzuführen.Verhandeln müßten sie dann über die Verifizierung dieses Abzugs und die Vernichtung der Trägersysteme und der Sprengköpfe. Verhandeln müßten alle Atommächte auch über die weltweite Beseitigung sämtlicher taktischer Atomwaffen. Natürlich darf sich dies nicht auf die Kurzstreckenraketen und die Atomartillerie beschränken. See- und luftgestützte Systeme gehören in das Paket hinein.An dieser Stelle fordere ich noch einmal von der Bundesregierung — das haben wir wiederholt getan, zuletzt während der Haushaltsdebatte —, daß sie die Einführung luftgestützter Atomraketen, die die NATO plant, ablehnt. Der NATO-Gipfel im November muß dieser sogenannten Modernisierung endgültig ein Ende setzen.
Liebe Kollegen und Kolleginnen, vieles in der Abrüstung kann man jetzt eigenständig tun. Man kann z. B. den Jäger 90 und den Panzerabwehrhubschrauber 2 streichen und die Bundeswehrstärke auf unter 370 000 Mann absenken.
— Na ja, ich wußte doch, daß ich noch etwas beitragen muß, damit auch Sie zufrieden sind. Wenn wir jetzt wirklich übereinstimmen, dann kann ich mich nur freuen.
Wir werden uns noch wundern, Kollegen und Kolleginnen, welche Kettenreaktion eigenständiger Abrüstungsschritte in Gang gesetzt werden wird, wenn erst einmal die Ankündigung des russischen Präsidenten Jelzin realisiert wird, die sowjetische Armee drastisch zu reduzieren. Ein solcher Prozeß ist gut und richtig. Das Tempo der politischen Entwicklung zwingt einfach dazu.Dennoch bleiben weitere Abrüstungsverhandlungen nötig, insbesondere auf dem Gebiet der konventionellen Abrüstung und der Vertrauensbildung in Europa.Das große Verdienst des KSE-Vertrages ist es gerade, daß er eine völkerrechtlich verbindliche und verifizierbare Ordnung für die konventionellen Streitkräfte in Europa bringt. Ein solches Regime gibt es sonst nirgendwo auf der Welt, und die Existenz einer solchen Rahmenordnung ist die Voraussetzung dafür, zu weiteren verbindlich festgeschriebenen und kontrollierbaren Abrüstungsschritten zu kommen.Ich will dabei nicht übersehen, daß der Block-zuBlock-Ansatz des KSE-Vertrages bereits bei seiner Unterzeichnung überholt gewesen war. Das spricht aber nicht gegen diesen Vertrag, sondern für die Fortführung des Wiener Verhandlungsprozesses und für die Weiterentwicklung seiner konzeptionellenGrundlagen. Wenn Wien I nicht über kurz oder lang zu einer Vertragsruine werden soll, muß Wien II folgen. Wien II wird sicherlich komplizierter werden als die erste Runde, die auch schon nicht ganz einfach war. Wien II wird sich in vielfacher Weise den neuen Bedingungen in Europa anpassen müssen.Ich will hier einmal einige vorläufige Gedanken zu dieser nächsten Verhandlungsrunde umreißen. Das ist sicher nur eine Skizze, aber zu Ende gedacht hat dieses Thema noch niemand, und das ist angesichts der raschen Entwicklung auch gar nicht möglich.Bei den Wien-II-Verhandlungen werden nicht mehr zwei Militärblöcke verhandeln — das ist der erste Punkt — , sondern innerhalb des KSE-Rahmens 38 souveräne Staaten, jedenfalls nach dem jetzigen Stand. Es wird nicht mehr um ein stabiles Gleichgewicht zwischen zwei Bündnissen gehen, sondern um die Austarierung von 38 nationalen Höchstgrenzen.Damit stellt sich die praktische Frage nach den Kriterien für 38 nationale Höchstgrenzen. Geographische oder demographische Kriterien — Fläche, Grenzlage oder Bevölkerungszahl — werden dabei nach meiner Auffassung kaum weiterhelfen.Ich denke, die Lösung kann am besten aus dem vorhandenen Instrumentarium des KSE-Vertrages heraus entwickelt werden. Hier haben wir mit den zwar veränderbaren, aber völkerrechtlich verbindlichen Anteilshöchstgrenzen bereits ein Instrument, zunächst allerdings nur für die 22 Unterzeichnerstaaten.Meine Idee ist es nun, daß man die 16 anderen Staaten in den KSE-Vertrag einbezieht, mit eigenen Obergrenzen und allen Informations- und Verifikationsverpflichtungen. Dabei geht es, denke ich, zunächst nicht einmal so sehr darum, das Militärpotential der hinzukommenden Staaten zu reduzieren. Ich meine, es würde ausreichen, es zu limitieren. Die Limits, also die Obergrenzen für die 16 neuen KSE-Teilnehmer, könnten diese Staaten sogar maßgeblich selber bestimmen.In diesem ersten Schritt ist das Wichtigste, denke ich, die 16 Staaten in das KSE-Vertragsregime einzubeziehen. Das könnte allerdings durchaus einige Jahre dauern, fürchte ich. Aber erst wenn das geleistet ist, haben wir eine gemeinsame Grundlage aller 38 Staaten, von der aus weitere tiefe Einschnitte vorgenommen werden können und auch vorgenommen werden müssen.Ein zweiter Gesichtspunkt ist für mich, daß sich die Verhandlungen in ihrem Inhalt und in ihrer Form der neuen politischen Lage in Europa anpassen müssen. Das heißt, im Mittelpunkt der Verhandlungen steht nicht mehr die Regulierung der Konfrontation, sondern die Ausgestaltung der Kooperation.Praktisch bedeutet dies, daß in der ersten Phase von Wien II eine Vielzahl von Maßnahmen, die wir bisher unter dem Titel vertrauens- und sicherheitsbildende Maßnahmen diskutiert haben, im Vordergrund stehen werden. Dies könnten ganz neue Maßnahmen sein, etwa grenzüberschreitende Zusammenarbeit bei der militärischen Flugsicherung oder ein Personalaustausch zwischen grenznah stationierten Verbänden
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Katrin Fuchs
oder eine gemeinsame europäische Sicherheitsakademie aller 38 für den kontinuierlichen Dialog über Streitkräfte, Strategien und Doktrinen.Also, Kreativität und Phantasie sind hier kaum Grenzen gesetzt. Der Kerngedanke ist, daß weitere Reduzierungen um so leichter fallen, je mehr Vertrauen und praktische Zusammenarbeit es gibt.Ein dritter Gedanke ist, daß es in Zukunft viel schwerer fallen wird als zu Zeiten der Blockkonfrontation, einheitliche Regelungen für ganz Europa zu treffen. Im Ostseeraum gibt es ganz andere Sicherheitsprobleme als auf dem Balkan. Das heißt, es könnte notwendig werden, auch regionale Sicherheitsarrangements zu treffen.Dies zielt nun überhaupt nicht auf die Schaffung von Zonen ungleicher Sicherheit. Im Gegenteil: Das Endziel gleicher Sicherheit in Europa könnte gerade dadurch erreicht werden, daß offensichtlich unterschiedliche Problemlagen in den verschiedenen Regionen mit unterschiedlichen Mitteln gelöst werden.Wir müssen dabei allerdings beachten, daß solche regionalen Lösungen mit der angestrebten Gesamtarchitektur für die europäische Sicherheit kompatibel und im Kreise aller 38 Teilnehmer konsensfähig sein müssen.Viertens sollte man über Eingriffe in die Struktur, die Dislozierung und den Präsenzgrad der Streitkräfte nachdenken mit dem Ziel, ihre rein defensive Ausrichtung zu stärken. Angesichts einiger aktueller Planungen, ist das, glaube ich, wichtiger denn je.Das im Mandat zu Wien I formulierte Ziel, die Fähigkeit zu groß angelegten offensiven Handlungen zu beseitigen, ist nicht nur von unveränderter Aktualität, sondern besitzt unter den neuen Bedingungen noch viel weitergehende Realisierungschancen, und die müssen ergriffen werden. Praktische Maßnahmen könnten sein, die Streitkräfte in Grenzregionen auszudünnen oder den Präsenzgrad von Streitkräften erheblich herunterzufahren.Unabweisbar ist fünftens der Einstieg in die maritime Rüstungskontrolle in den an Europa angrenzenden Meeren, also in der Ostsee, der Nordsee, aber auch im Mittelmeer.
— Na gut; ich bedanke mich, Kollege Koschnick.Gerade Regelungen über das Mittelmeer könnten dazu beitragen, auch für diese Region einen mit der KSZE vergleichbaren Prozeß einzuleiten, der eines Tages zu einer Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit im Mittelmeer führen würde. Der Einstieg in das heftig umstrittene Gebiet der maritimen Rüstungskontrolle könnte darin liegen, daß in einem ersten Schritt bestimmte Informationspflichten für Marineaktivitäten vereinbart werden. Dabei darf es natürlich nicht bleiben; aber wichtig ist, daß man endlich mit der maritimen Rüstungskontrolle anfängt. Dem werden sich auch die Vereinigten Staaten nicht länger entziehen können.Wenn quantitative Abrüstung nicht über kurz oder lang durch eine neue High-Tech-Rüstung untergraben und entwertet werden soll, dann bedarf es sechstens eines Einstiegs in qualitative Rüstungskontrolle, d. h. einer Begrenzung des rüstungstechnologischen Fortschritts bis hin zum Verbot der Anwendung bestimmter Technologien.Noch wäre es möglich, den Einsatz von Technologien auf der Basis neuer physikalischer Prinzipien — die wir bisher nur vom Thema SDI kennen, also z. B. Laserwaffen oder elektromagnetische Geschütze — für die „konventionelle" — aber „konventionelle" in Anführungsstrichen — Kriegsführung zu verbieten. Diesen Aspekt der Abrüstung, der in der Politik bisher so gut wie keine und auch in der Wissenschaft nur wenig Aufmerksamkeit fand, müssen wir in Zukunft viel stärker beachten.Siebtens schließlich müssen die Obergrenzen für vertraglich bereits begrenztes Gerät weiter reduziert und auch neue Kategorien einbezogen werden. Nach dem KSE-Vertrag sind insgesamt immer noch 157 000 Panzer, gepanzerte Fahrzeuge, Artillerie, Kampfhubschrauber und Kampfflugzeuge in Europa zulässig; eine ungeheure Menge, die in keinerlei Verhältnis zu den heute gegebenen politischen Bedingungen und Möglichkeiten steht.Auch wenn diese Obergrenzen nicht überall ausgeschöpft sind — worüber wir uns freuen können —, sind weitere vertraglich festgelegte Reduzierungen durchaus erforderlich; ich denke, sie sind sogar zwingend erforderlich.Ich würde mich freuen, Kollegen und Kolleginnen, wenn sich in diesem Hause eine lebhafte Debatte über die Zukunft der europäischen Abrüstung entwickeln würde; gerade auch deshalb, weil es um dieses Thema in der letzten Zeit etwas ruhiger geworden war. Die Möglichkeiten für eine offene Diskussion sind gut, weil die Bedingungen neu sind und weil noch niemand über ein festes, unverrückbares Konzept verfügt. Notwendig ist diese Diskussion schon deshalb, weil nach dem Beschluß des Berliner Ratstreffens der KSZE-Außenminister informelle Gespräche über Wien II schon in diesem September geführt werden und formelle, vorbereitende Verhandlungen auf dem KSZE-Folgetreffen im März kommenden Jahres beginnen sollen.Angesichts der Bedeutung der Abrüstung für die Zukunft Europas darf es nicht nur Verhandlungen zwischen Regierungen geben, es müssen vielmehr auch in den Parlamenten Diskussionen über diesen Prozeß stattfinden. Gott sei Dank können wir diese Diskussion in dem Bewußtsein führen, daß Sicherheitspolitik und auch Abrüstung nur noch Teile eines umfassenden Systems europäischer Sicherheit sind, das sich zunehmend und immer stärker auf zivile Kooperation abstützen wird.Mit der in der Vergangenheit wichtigen LokomotivFunktion der Abrüstung ist es angesichts der politischen Umbrüche in Osteuropa vorbei. Was bleibt, ist die Notwendigkeit einer neuen Kooperation, die die militärischen Altlasten der Ost-West-Konfrontation beseitigt und endlich die Mittel freisetzt, die wir für
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die Gestaltung der europäischen Zukunft dringend brauchen.
Das Wort hat der Abgeordnete Peter Kurt Würzbach.
Herr Präsident! Meine Kolleginnen und Kollegen! Die CDU/CSUBundestagsfraktion begrüßt die Einbringung beider Gesetze durch die Bundesregierung und tritt für eine zügige weitere parlamentarische Beratung ein.Das rüstungskontroll- und abrüstungspolitische Feld ist seit einigen Wochen wieder schwieriger geworden, deshalb aber für uns alle um so bedeutsamer. Die augenblickliche und — ich gehe davon aus — noch etwas länger anhaltende Instabilität in der Sowjetunion sollte für West und Ost gerade Anlaß sein, mit besonderem Ernst — und damit meine ich: unter Einsatz aller zur Verfügung stehenden politischen Mittel und Möglichkeiten —, die Ratifizierung, die Implementierung, die Realisierung und die Verifizierung dieses Vertrages voranzutreiben.Unsere Bundesregierung kann mit Recht mit dem Zustandekommen dieses wichtigen und erstmals so in die Waffenbestände in Ost und West eingreifenden Vertrages auf einen weiteren großen und großartigen Erfolg in ihrer Abrüstungspolitik hinweisen.
Ich will hier ausdrücklich den Verhandlungsführern und vorweg unserem deutschen Botschafter in Wien, Herrn Hartmann, mit seinen militärischen Beratern sowie dem Auswärtigen Amt und dem Verteidigungsministerium anerkennend für die Arbeit, die geleistet wurde, danken.
Ich weiß, daß gerade von uns, den Deutschen, die daran beteiligt waren, in der Phase der Verhandlungen eine Menge wichtige und tragfähige Brücken für das Zustandekommen des Vertrages, Brücken zwischen Ost und West, gebaut wurden.
Es ist erfreulich, daß das, so sage ich einmal, lähmende Trauma von 17 Jahren MBFR-Verhandlungen diese Verhandlungen nicht gelähmt hat, sondern daß es hier in weniger als zwei Jahren, in 21 Monaten, gelungen ist, diesen komplexen und einschneidenden Vertrag zur Vernichtung von Zehntausenden von großen Waffensystemen zu formulieren. Ich will hier als beispielhafte Zahl nur einmal die der Hauptkampfwaffe des Heeres, der Panzer, nennen: In der NATO werden über 4 000, im ehemaligen Warschauer Pakt rund 12 000 dieser Hauptwaffensysteme zu vernichten sein,
bei uns in Deutschland sind es rund 3 000. — Ein gutes Ergebnis.Aber dies — da sollten wir uns nicht täuschen, und das gehört hier angesprochen — muß nun erst umgesetzt werden. Das bedarf vieler Anstrengungen. Das lohnt volle politische Konzentration, und das fordert — ich freue mich, daß der Außenminister dies erwähnte — hohe Flexibilität auf allen Seiten.
Und es bedeutet noch mehr — und das möchte ich hier einfügen — : Das kostet eine Menge Geld.
Es erfordert ebenfalls viel Zeit. Meine Bitte auch an unsere Regierung — ich spreche das Ressort des Auswärtigen hier besonders an — ist in diesem Zusammenhang, in der innenpolitischen Diskussion, Herr Minister, bei uns in Deutschland deutlich und deutlicher zu machen — um auch Verständnis für die Abläufe dieser guten Ergebnisse, für die außenpolitischen Erfolge in der Bevölkerung zu erwirken —, daß dies Geld kostet, daß dies Anstrengungen kostet, daß dies auch Zeit kostet, damit diese außenpolitischen Erfolge umgesetzt werden.Ich will beim Geld noch bleiben: Im Regierungsentwurf des Verteidigungsetats, der hier angesprochen wurde — wenngleich mit anderer Absicht — , sind im Kapitel „Rüstungskontrolle und Abrüstung" allein für das kommende Jahr 265 Millionen DM eingesetzt — eine große Summe. Ich sage: Wenn wir mit der Ratifizierung von KSE Erfolg haben und die Waffen in den beabsichtigten Schritten vernichten, wird dieses Geld nicht ausreichen. Wir werden noch mehr dafür brauchen: teures, wenngleich einem guten Zweck dienendes Geld. Nur müssen wir in der innenpolitischen Diskussion den außenpolitischen Erfolg mit der sich daraus ergebenden Notwendigkeit ein wenig besser als bislang verdeutlichen.Und ich will noch konkreter werden: Deutschland ist es einzige Land, das die Reduzierung seiner Streitkräfte — einseitig und vorleistend — verbindlich auf 370 000 Mann festgelegt hat. Wer bereits heute — wie eine Seite dieses Hauses es getan hat; hier soeben noch einmal mehr als nur angedeutet geschehen — in dieser Lage mit dieser Zahl wieder weiter herunter will, der übersieht den Zusammenhang von Rüstungskontrolle, Abrüstung und Sicherheitspolitik mit dem Ziel sich daraus ergebender größerer, berechenbarer Stabilität gerade jetzt in der Situation, in der wir hier in Europa leben. Er übersieht auch, daß die neuen Demokratien im Osten, denen die NATO die Hand offiziell noch nicht reichen kann und will — aus einsehbaren Gründen —,
wegen ihrer Sicherheitsbedürfnisse großes Interesse daran haben, da auch wir dort Verantwortung übernehmen. Und ich sage denen, die dies jetzt fordern, noch etwas deutlicher: Sie übersehen — oder sie wollen dies bewußt herbeiführen —, daß sie mit einer noch weiteren Reduzierung — auf welche Zahl auch immer, aber erheblich darunter — die Wehrpflicht zum jetzigen Zeitpunkt automatisch abschaffen, ob-
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Peter Kurt Würzbachwohl sie dies nach ihren offiziellen Äußerungen nicht wollen.
Ich will hier deutlich machen, daß Abrüstung auch in unseren Gemeinden — wo wir als Abgeordnete Rede und Antwort zu stehen haben — durch die gegenwärtige Entlassung unserer Soldaten und die Entlastung der Gemeinden, aus denen die Soldaten abgezogen werden, eine Menge Geld erfordert.Zum Faktor Zeit: Hier, meine ich, sollten wir als Deutsche sehr bewußt und auch selbstbewußt darauf hinweisen, daß wir eine Menge Gutes vorgeleistet haben. Ich möchte als Beispiel nennen, daß wir in diesem Prozeß aus zwei Armeen in kürzester Zeit eine gemacht haben; daß wir uns zeitlich verpflichtet haben, diese eine Armee nun um rund die Hälfte zu reduzieren; daß wir im Zuge des Überdenkens der NATO-Strategie, was ansteht, gezwungen sind, diese neu zu dislozieren, umzustrukturieren, ihr neue Aufgaben zu geben, daß wir deutlich machen müssen, daß auf die Bundeswehr neue Aufgaben wie die Verifizierung im Abrüstungsprozeß und anderes zukommen.
Herr Minister, eine weitere Bitte an Sie. Wir haben riesige Materialbestände: solche, die Überbestände der Bundeswehr sind, plus solche aus der Übernahme alten NVA-Gerätes — viele Lager, große Bestände. Es kostet viel Geld, sie zu bewachen. Ganz gelingt dies im Augenblick noch nicht einmal; wir kennen die traurigen Nebenerscheinungen. Diese bei der Industrie zu vernichten verschlingt weitere Milliarden, und das Ganze kostet viel Zeit. Meine Bitte ist, zu prüfen, wie wir unter Ihrer Überschrift — die ich mir zu eigen mache — Flexibilität Entscheidungen zu möglicher Weitergabe dieser Geräte im eigenen Bereich oder in voller Abstimmung — die herbeizuführen wäre — mit der anderen Seite
— ich kenne die Texte — zügig treffen können, Entscheidungen, die allen miteinander nutzen.Meine Kolleginnen und Kollegen, nach den bisherigen Erkenntnissen gibt es erfreulicherweise keinerlei Anlaß, an der Erfüllung vertraglicher Verpflichtungen der ehemaligen Sowjetunion zu zweifeln. Wir begrüßen es deshalb außerordentlich, daß sich Präsident Gorbatschow und mit ihm die Präsidenten der Republiken verpflichtet haben — ich zitiere — , „die strikte Einhaltung aller internationalen Abkommen und Verpflichtungen, die von der Sowjetunion übernommen worden waren — einschließlich der Fragen der Rüstungsreduzierung und der Rüstungskontrolle —, zu übernehmen". Dies ist etwas ganz Wichtiges und Gutes, das wir nun einfordern sollten.Es muß unser Ziel sein — und meine Fraktion bittet die Bundesregierung, hier sehr darauf zu achten —, schon jetzt alles zu tun, daß nach Abschluß des neuen Unionsvertrages von der dann neuen Union eine politisch verbindliche Verpflichtung erreicht wird, die zum Inhalt hat, daß sie und ihre Teilrepubliken die von der Sowjetunion eingegangenen Verpflichtungen aus dem KSE-Vertrag erfüllen, daß in den einzelnen Republiken möglicherweise neu entstehende Streitkräfte den Vertragsbestimmungen unterliegen und daß auch dasjenige Gerät, das außerhalb des Territoriums der neuen Union liegt, den eingegangenen Verpflichtungen unterworfen bleibt. Das heißt auch, daß die Sowjetunion ihr noch im Baltikum stehendes Gerät auf ihre Höchstgrenzen anrechnet und in den Informationsaustausch einbezieht.Ich gebe Minister Genscher recht, wenn er sinngemäß sagt, daß die Sowjetunion nun, um diese tiefen Schnitte, diese großen Schritte in der eigenen Abrüstung und des eigenen Rückzugs aus großen Regionen zu verdauen, eine bestimmte innere Ruhe braucht. So habe ich Sie, glaube ich, sinngemäß richtig zitiert.Ich möchte das, was Sie zu Recht für diesen Bereich fordern, aber auf andere Bereiche übertragen, die diese innere Ruhe für den Ablauf dieser komplizierten Prozesse nötig haben. Ich schließe dabei ausdrücklich die Bundesrepublik und die Bundeswehr ein.Parallel zu KSE sollten wir, fußend auf der Londoner Erklärung alle Energie einsetzen, um die Abschaffung der bodengestützten nuklearen Kurzstreckenwaffen — Rohrartillerie und Kurzstreckenraketen — zu erreichen, und zwar in Europa. Das ist meine Empfehlung.Ich könnte Ihnen Zitate von Cheney oder dem neuen sojwetischen Verteidigungsminister Schaposchnikow nennen. Ich könnte unseren langjährigen Fraktionsvorsitzenden Alfred Dregger als Zeugen anrufen, der dies als einer der ersten — nicht immer regierungskonform — schon damals laut gefordert hat. Aber ich freue mich, zwei zu zitieren, die in einem Atemzug bei diesem Thema als in Übereinstimmung nennen zu können mir besondere Freude macht: den deutschen Generalsekretär der NATO, Manfred Wörner, und den russischen Präsidenten Jelzin. Ich zitiere aus einem Interview des „Deutschlandfunks" vom 12. September 1991, das also erst wenige Tage her ist, in dem Wörner von dem Journalisten gefragt wird: „Jelzin hat ja z. B. vorgeschlagen, man solle ohne langwierige Verhandlungen die atomaren Kurzstrekkenraketen und die nukleare Artillerie schnellstens verschrotten. Ist das Ihrer Ansicht nach ein guter Vorschlag?" Die Antwort Wörners: „Das ist ein guter Vorschlag. "Ich finde, das ist ein gutes Beispiel, wie wir auf dem Weg von der Konfrontation zur Kooperation sind. Es ist weiter ein Beispiel dafür, daß entgegen manchen Behauptungen die NATO sehr wohl in ihrer militärpolitischen Entwicklung auf der Höhe der Zeit ist. Es geht um schnelles Realisieren des beiderseitigen totalen Vernichtens dieser Kurzstreckensysteme. Meine Empfehlung ist, dies, wo es greifbar zu sein scheint, nicht mit zusätzlichen, weiterreichenden Forderungen über diesen Bereich hinaus zu befrachten.In diesem Zusammenhang begrüße ich es sehr, daß der französische Präsident bezüglich der Ausgestaltung seines Nuklearpotentials Bewegung zeigt. Es ist,
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Peter Kurt Würzbachfüge ich hinzu, aus deutscher Sicht dringend geboten, daß dessen Zusammensetzung überdacht wird.
Bei aller Freude, verehrte Kolleginnen und Kollegen, über bisherige und über konkret absehbare Erfolge in der Abrüstungspolitik dürfen wir aber nicht übersehen, daß Ziel und Zustand, daß Absicht und Wirklichkeit noch nicht übereinstimmen, daß Rüstungskontrolle mehr als nur numerisch weniger Waffen ist und daß wir nach dem Nachdenken endlich, und zwar bevor konkrete Krisen wieder vor der Tür stehen, auch zu praktischen Ergebnissen kommen müssen und Instrumente für die Verhinderung und, wenn wir hier ohne Erfolg waren, für die Eindämmung von Konflikten aufbauen müssen. Anders ausgedrückt: Wir brauchen effiziente Sanktionsmechanismen. Sie sind unverzichtbar, wie gerade an traurigen Beispielen vor unserer Haustür viel zu lang im Augenblick vorgeführt.
Wir sollten jetzt eine Vielzahl von sich bietenden Möglichkeiten zur Vertrauensbildung — es gibt eine Menge — nutzen: Kontakte, Kooperation, Austausch von Offizieren und anderen, Abbau von Fehlvorstellungen über Kapazitäten und mögliche Absichten. Ich rate in diesem Zusammenhang zu voller Konzentration unserer Außenpolitik auf KSE und zum Nutzen der Chancen für Folgeverhandlungen im Personalbereich sowie Vorbereitung des Gipfels in Helsinki.Es liegt im Interesse der regionalen wie der gesamteuropäischen Stabilität, daß nicht nur die neue Union, sondern auch die neuen Staaten, die aus der ehemaligen UdSSR entstanden sind oder noch entstehen werden, in diesen Rüstungskontrollprozeß eingebunden sind und damit der Aufbau einer Sicherheitsordnung in Europa auch wirklich gelingt.Eine Realisierung von KSE bedeutet, daß kein Staat mehr die Fähigkeit zur Offensive gegenüber einem anderen hat. Es bedeutet, daß Überraschungsangriffe unmöglich werden. Es bedeutet, daß es lange politische und militärische Vorwarnzeiten mit Möglichkeiten der Beilegung gibt. Es bedeutet, daß Abrüstung und Sicherheit neue Berechenbarkeit schaffen. Für Deutschland bedeutet dies, auch ganz konkret vor dem Hintergrund einer stabilen Ordnung, daß wir von der bisherigen Waffenkammer in der Mitte des geteilten Europas auch durch zusätzliche einseitige, vorzeitige Reduzierung der Bundeswehr zum abrüstungspolitischen Führungsstaat und vom Frontstaat in der Mitte des geteilten Europas zum Verbindungsglied zwischen Ost und West werden können.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Ulrich Irmer.
Vielen Dank, Herr Präsident. Der Vorredner hat gar nicht unklug gesprochen.
Ich möchte das bei Frau Fuchs nicht so uneingeschränkt sagen.Herr Bundesaußenminister, Sie haben vorhin die Hoffnung zum Ausdruck gebracht, daß das Haus diesen Vertrag mit großer Mehrheit ratifizieren möge. Ich habe mit großer Freude vernommen, daß SDP- und CDU/CSU-Fraktion das gleiche tun werden, was ich jetzt für die FDP-Fraktion ankündige, daß wir diesen Vertrag ratifizieren werden, und zwar mit Lust und großer Freude.
Meine Damen und Herren, der Vertrag, seine Vorgeschichte und seine Ratifizierung jetzt lassen ganz deutlich erkennen, welchen rasanten Wandel die Entwicklung in Europa durchgemacht hat. Wer hätte sich vor zwei Jahren vorstellen können, daß dieser Vertrag, der dem neuen Denken entspricht, schon zu der Zeit, wo er ratifiziert wird, gänzlich andere Voraussetzungen vorfindet!Begonnen hat es mit zwei Blöcken, die miteinander verhandelten. Den einen Block, nämlich den Warschauer Pakt, gibt es nicht mehr. Es war bei den Verhandlungen ein Land beteiligt, das es auch nicht mehr gibt, nämlich die DDR. Eines der wichtigsten Länder, das Vertragspartner ist, nämlich die Sowjetunion, existiert nicht mehr in der alten Form. Der Minister hat angesprochen, welche Schwierigkeiten sich hieraus für den Vertrag möglicherweise ergeben. Es ist richtig, daß die Selbständigkeit, die die baltischen Staaten errungen haben, natürlich hier in diesem Zusammenhang gewisse Probleme aufweist. Ich hoffe, daß diese Probleme in der von Herrn Minister Genscher angedeuteten Weise gelöst werden können.Es ist eine gewisse Tragik, meine Damen und Herren, daß wir zwar jetzt den Vertrag ratifizieren können, aber deutlich sehen, daß damit der Frieden selbst noch nicht gewährleistet ist. Zur Zeit der Hochrüstung hatten wir keine kriegerischen Auseinandersetzungen in Europa. Heute erleben wir in unserer Nachbarschaft einen blutigen Krieg der Serben gegen die Kroaten. Auch dieses zeigt, daß keineswegs alle Bedrohungen verschwunden sind.
Verehrte Frau Kollegin Fuchs, ich glaube, Sie machen es sich zu leicht, wenn Sie sagen, es sei im Golfkrieg künstlich eine Bedrohung herbeigeredet worden. Die war doch da. Die war doch ganz konkret da. Wir müssen natürlich jetzt sowohl für unsere Bundeswehr als auch in der NATO neue Bedarfskonzepte erstellen. Wir müssen analysieren, wo die Bedrohungen der Zukunft liegen könnten. Aber man kann doch jetzt nicht sagen: Weil es einige Monate keine Gewitter gegeben hat, bauen wir die Blitzableiter ab. Man kann nicht sagen: Weil es einige Monate auf einer Straßenkreu-
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Ulrich Irmerzung nicht gekracht hat, schalten wir die Ampeln aus. Das, was Sie gesagt haben — weg mit all der Rüstung — , ist so leider nicht zu verwirklichen. Trotzdem muß der Prozeß der Entspannung und der Abrüstung weitergeführt werden.Ich möchte in diesem Zusammenhang daran erinnern, daß der KSE-Vertrag das Produkt des KSZE-Prozesses ist, der auch in diesem Hause sehr umstritten war.
Ich möchte ganz ausdrücklich dem Bundesaußenminister danken, daß er von Anfang an, beharrlich und immer wieder den KSZE-Prozeß vorangetrieben hat
zu einer Zeit, als andere bei weitem noch nicht soweit waren und in altem Denken verhaftet waren.
— Ja, ich weiß, Herr Koschnick. Das richtete sich nicht gegen Sie.Erinnert sich noch jemand daran, daß in diesem Hause im Sommer 1987 über den Vertrag zur Beseitigung der atomaren Mittelstreckenraketen heftigst gestritten wurde? Da gab es noch welche, die es noch nicht begriffen hatten, daß die Zeit auf Abrüstung stand. Wer sich daran erinnert, daß noch im Sommer 1989 die Modernisierung der atomaren Kurzstreckenwaffen von gewissen Kreisen verlangt wurde, dem kann ich nur sagen: Ich freue mich herzlich darüber, daß sich das neue Denken jetzt auch dort überall durchgesetzt hat.Meine Damen und Herren, der Prozeß der Abrüstung ist ein dauerhafter Auftrag. Der Prozeß ist nicht abgeschlossen. Ich stimme all denen zu, die gesagt haben, daß wir hier weitere Fortschritte erzielen müssen.Der nächste Schritt muß die komplette Beseitigung aller nuklearen Kurzstreckenwaffen und der nuklearen Artillerie sein. Wir müssen weitere Fortschritte bei der Reduzierung strategischer Atomwaffen erzielen. Hier gibt es ja den hochinteressanten Gedanken, daß man den START-Vertrag ergänzen könnte
um eine weitere Beseitigung und Rückführung und daß hiervon dann im Osten die Atomwaffen betroffen sein könnten, die nicht in der Republik Rußland, sondern in den anderen Republiken stationiert sind. Dies würde angesichts der Umwälzungen in der Sowjetunion sicher hilfreich sein.Auch die konventionelle Abrüstung muß weiter fortgesetzt werden.Meine Damen und Herren, wir sollten hier nicht nur an Europa denken. Wir sehen, daß in anderen Weltregionen nach wie vor gekämpft wird. Es gibt zuviele Waffen auf der Welt, es gibt gerade auch in Entwicklungsländern zuviele Waffen.
— Das ist richtig. Wir sind ja dabei, Rüstungsexporte zu kontrollieren. Auch dies gehört zu dem Konzept einer umfassenden Abrüstung.Abrüstung weltweit — Gott sei Dank hat sich das neue Denken durchgesetzt. In diesem Sinne beglückwünsche ich die Bundesregierung und den Bundesaußenminister, daß wir jetzt den KSE-Vertrag ratifizieren können.Ich danke Ihnen.
Meine Damen und Herren, nächster Redner ist der Abgeordnete Hans Modrow.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der heute zur Beratung vorliegende Vertrag wurde bereits im November des vergangenen Jahres unterzeichnet. Auch wenn er hinter den tatsächlichen Möglichkeiten und Anforderungen zurückbleibt, hat ihn die PDS/Linke Liste begrüßt, weil er dennoch erhebliche Reduzierungen wichtiger konventioneller Waffensysteme vorsieht. Die Reduzierung der Bundeswehr ist zugleich Bestandteil der Regelung der äußeren Aspekte der deutschen Einheit.Bedauerlich ist, daß sich die Bundesregierung erst jetzt um sein Inkrafttreten bemüht; dies um so mehr, als man in Paris übereinkam, in sehr schneller Ratifizierung vorzugehen, damit die Verhandlungen in Wien unverzüglich weitergeführt werden können, um zum KSZE-Gipfeltreffen in Helsinki im Frühjahr nächsten Jahres bereits weitere Ergebnisse vorzulegen.Die PDS/Linke Liste spricht die Erwartung aus, daß die Bundesregierung die Verpflichtungen dieses Vertrages konsequent und zügig verwirklicht und alles tun wird, damit die Verhandlungen in Wien im gesamteuropäischen Interesse zu weiteren konkreten Abrüstungsschritten geführt werden.Es wird zum Teil sehr euphorisch bewertet, was dieser Vertrag bringt. Dem können wir nicht in vollem Maße zustimmen; denn beim Lichte betrachtet, erfolgt im wesentlichen Rüstungssteuerung und weit weniger wirkungsvolle Abrüstung. Gewiß kann auf der Seite der Bundesregierung auf eine beträchtliche Reduzierungsquote verwiesen werden. Tatsache aber ist, daß diese zum großen Teil aus dem Abbau der Nationalen Volksarmee bestritten wird.Fakt ist: Die europäischen Staaten sind in einer neuen Situation. Der Warschauer Vertrag ist gewissermaßen zerfallen, während sich westliche Reduzierungsschritte dagegen äußerst bescheiden ausnehmen. Der einseitigen Teilabrüstung, vor allem der Sowjetunion, stehen keine adäquaten Schritte der NATO sichtbar gegenüber. Mehr noch: Die NATO hat mit ihrem zögerlichen, kleinlichen Vorgehen verhindert, daß eine Spirale wirklicher Abrüstung in Europa in Gang gesetzt wurde. Bis auf den heutigen Tag wurden nicht einmal in diesem Zusammenhang gegebene Versprechungen erfüllt, wie Verhandlungen über den Abbau der taktischen Kernwaffen oder die grundlegende Veränderung der Einsatzdoktrin. Selbst beim INF-Vertrag droht heutzutage ein Unterlaufen durch
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Dr. Hans Modrowdie Einführung neuer, weitreichender luft- und seegestützter Potentiale auf seiten der NATO.
Die NATO lehnt nach wie vor Verhandlungen über die Marinerüstung ab.
— Vergleichen Sie Ihre Reden von damals! Entschuldigen Sie mal, wir sind in einer Situation, von der Sie gerade gesagt haben, daß wir viel bessere Bedingungen haben. Nun reden wir nicht von vor 20 Jahren,
sondern von dem, wovon aus wir weitergehen wollen.Hier am Pult wurde gerade gesagt, daß auch die DDR bei den Verhandlungen in Wien dabei war. Niemand von Ihnen kann sagen, daß die DDR bei diesen Verhandlungen ein Bremser gewesen sei.Es ist keineswegs nur ein Verdacht, sondern bereits eine Tatsache, daß die in Wien vereinbarten Reduzierungen zwar rein rechnerisch zu einem quantitativ niedrigeren Stand führen, daß sie aber in ihrem Kern als gewaltige Umrüstung anzusehen sind. Weit entfernt davon, die Schwächung der Gegenseite durch den Zerfall des Warschauer Paktes und die großen innenpolitischen Probleme mit eigenem neuen Denken zu beantworten, nutzt die NATO den Sieg im Kalten Krieg zum Ausbau ihrer Positionen unter Ausnutzung moderner Technologien.
— Das ist wieder die Frage, von der Sie ausgegangen sind, nämlich wie es mit dem Blitzableiter ist. Aus dieser Theorie läßt sich am Ende alles machen.Die gewünschte innere Ruhe in der Sowjetunion wird auch durch neue Zeichen von seiten der NATO gewiß beeinflußt. Diese Realitäten werden die Entwicklungen Europas im letzten Jahrzehnt offensichtlich viel stärker prägen als die bisherigen Ergebnisse der Wiener Verhandlungen.Wir verlangen deshalb von der Bundesregierung, daß sie mit wesentlich größeren eigenen Aktivitäten zur echten Abrüstung und Entmilitarisierung der internationalen Beziehungen vorangeht. Das könnte auch die Brückenfunktion sein, von der hier gesprochen wurde.Da darf man für die nächsten zehn Jahre dann intensiver weiterrechnen. Man darf nicht bei den 370 000 stehenbleiben, sondern muß im Verlauf der nächsten zehn Jahre wohl auf 100 000 zurückgehen und die Militärausgaben auf ein Viertel des Jahres 1990 reduzieren, ein eindeutiges Verbot des Einsatzes deutscher Soldaten außerhalb des deutschen Territoriums festlegen, den Export und Import von Rüstungsgütern verbieten und ein gesamtgesellschaftlich orientiertes Konversionsprogramm gestalten.Die von Ihnen hier am Pult genannten hohen Kosten einer Abrüstung wird man eben um so besser bereitstellen können, je konsequenter man selber die Abrüstung durchsetzt.Die Veränderungen in Europa bieten die Möglichkeit, in allen Bereichen und gerade auf atomarem Gebiet neue, weitgehene Schritte zur Abrüstung einzuleiten und zu vollziehen. Der Vertrag muß rasch wirksam gemacht werden. Aber neue, größere Schritte zur Abrüstung und zur Vertrauensbildung sind notwendig.
Meine Damen und Herren, ich erteile jetzt der Frau Abgeordneten Vera Wollenberger das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In den nächsten 40 Monaten sollen in Europa nur noch 20 000 Kampfpanzer, 20 000 Artilleriegeschütze, 30 000 gepanzerte Gefechtsfahrzeuge, 6 800 Kampfflugzeuge und 2 000 Kampfhubschrauber stationiert sein. Diese Obergrenzen bedeuten, daß die Sowjetunion ungefähr 60 ihrer Bestände aus Europa entfernen muß, während die NATO um etwa 13 % abrüstet.Von den fast 1,5 Millionen Soldaten in Deutschland werden Ende 1995 nur noch knapp 500 000 übrigbleiben. Gewiß, das sind wirklich eindrucksvolle Zahlen, und wir begrüßen das KSE-Abkommen ausdrücklich.Was uns aber neben der Zahl des abzurüstenden Kriegsmaterials mehr beeindruckt, ist die Zahl dessen, was man in Europa noch an Kriegsgerät behalten möchte. Mit einer Besitzstandswahrung auf einem derart hohen Niveau werden wir uns nicht abfinden.
— Sehr schön, da haben wir ja schon was gemeinsam.Wie Sie wissen, hatten wir von Anfang an über die Reichweite und den Umfang der KSE-Verhandlungen andere Vorstellungen als die Bundesregierung. Ich erinnere in diesem Zusammenhang nur an den Ausschluß der Seestreitkräfte. Jedoch begrüßen wir diesen Vertrag als einen ersten Schritt in die richtige Richtung, dem weitere folgen müssen. Jetzt gilt es, diesen Vertrag mit Leben zu füllen und auf seine Einhaltung zu achten.Allerdings beweist das KSE-Verhandlungsergebnis, daß Rüstungskontrollverhandlungen trotz der vielfältigen Friedensproklamationen nicht viel mehr als reine Rüstungssteuerung sind. Dies gilt uneingeschränkt für den KSE-Vertrag. Denn trotz einer Vereinbarung im Rahmen der Verhandlungen in Wien rüsten die Bundesrepublik und die NATO einseitig qualitativ auf.Wie ist diese qualitative Aufrüstung in einer Zeit allgemeiner Abrüstungserwartungen und eines kon-
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Vera Wollenbergerkreten Abrüstungsvertrages zu erklären? Der NATOOberbefehlshaber, US-General Galvin, hat dazu einige aufschlußreiche Informationen geliefert. Er erklärte das Konzept der sogenannten Kaskade auf diese Weise: Wenn z. B. ein Land qualitativ bessere Panzer hat, dann kann es davon welche an ein anderes Land, das weniger gute hat, abgeben. Dieses kann dann von seinen weniger guten Panzern welche an ein Land abgeben, das noch schlechtere hat. Am Ende dieses Transfers werden die schlechtesten verschrottet. Wir erwarten nicht, daß die Sowjets ihre besten Panzer zerstören; wir selber werden das ebensowenig tun.Mit anderen Worten heißt dies: Gerade durch den KSE-Vertrag wird die NATO legitimiert, ihre schrottreifen Waffen abzurüsten und dennoch weiterhin moderne High-Tech-Waffen anzuschaffen. Mit dem gesellschaftlichen Akzeptanzmantel eines Abrüstungsvertrages werden die qualitativen Ausrüstungsunterschiede innerhalb der NATO weitgehend beseitigt. Die Hauptempfänger von Abrüstungswaffen werden die Türkei, Griechenland, Spanien und Portugal sein. Die ausgehandelten Obergrenzen des KSE-Vertrages erlauben den oben genannten Ländern sogar zusätzliche Beschaffungen. Ohne Zweifel hat die NATO mit Hilfe des KSE-Abrüstungsvertrages ihre Möglichkeiten gegenüber den erklärten neuen Feinden im Süden verbessern können.Deshalb ist das „Wunder von Wien", so der deutsche Delegationsleiter, und die Beschaffung neuer Milliardenprojekte, z. B. Jäger 90, für diese Regierungspolitik kein Widerspruch. Die Logik hinter diesem Denken lautet: Wenn die Zahl der Waffen schon reduziert werden muß, dann soll dies wenigstens durch qualitative Verbesserung ausgeglichen werden. Was diese Regierung deshalb unternimmt, ist keine wirklich Abrüstung auf dem Weg zu einem sicheren und friedlicheren Europa, sondern die propagandistische Vermarktung ausgedienter Waffen als Abrüstungspolitik.Wie konsequent die Regierung dabei vorgeht, zeigt übrigens der diesjährige Haushaltsansatz für die Verteidigung, über den wir aber noch zu einem späteren Zeitpunkt beraten werden. Wir hoffen, daß es möglichst bald KSE-II-Verhandlungen mit einem noch weitergehenden Ergebnis geben wird, auch wenn wir wissen, daß durch Rüstungssteuerungsverträge Frieden und Sicherheit nicht zu erhalten sind. Dazu bedarf es einer konsequenten Entmilitarisierung von Staat und Gesellschaft sowie einer umfassenden Zivilisierung der internationalen Beziehungen.Ich danke Ihnen.
Meine Damen und Herren, als letzter Redner zu diesem Tagesordnungspunkt hat der Abgeordnete Ortwin Lowack das Wort.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Natürlich ist der Abschluß des KSE-Vertrages zu begrüßen, und ich freue mich, daß auch das deutsche Parlament eine wichtige Entscheidungshilfe gegeben hat. Es sind einige Kollegen aus dem Unterausschuß „Abrüstung und Rüstungskontrolle" hier. Entgegen anderen Außerungen können wir auch begrüßen, daß der NATO-Gipfel im Mai 1989 einige wichtige Impulse gegeben hat, daß in dieser relativ kurzen Zeit dieses Ergebnis zu erzielen war.Aber es bleiben doch einige Fragen an die Bundesregierung zu formulieren, was sich bisher keiner so recht getraut hat, auch wenn der Kollege Würzbach ein paar Dinge angesprochen hat, die auch mir auf der Seele brennen. Zum Beispiel: Wie konnte es eigentlich die Konstruktion des KSE-Vertrages zulassen, daß zwar die Vernichtung großer Mengen deutschen Materials vereinbart wurde — man darf nicht vergessen: es sind 40 % bei den Kampfpanzern, über 50 % bei den Schützenpanzern, über 50 % der Artillerie, was man durchaus befürworten kann — , daß aber gleichzeitig der Sowjetunion die Möglichkeit eröffnet wurde, die Vernichtung eigenen Materials, das einen unglaublichen Bestand ausmacht, dadurch zu umgehen, daß sie einen Großteil ihres Kriegsgeräts hinter dem Ural zurückverschafft hat. Wo blieb damals eigentlich der Protest der Bundesregierung? Herr Außenminister, sie hat das ja nicht nur von dem Vertragsabschluß zurückgebracht, sondern tatsächlich bis zum 16. Februar 1991.Warum hat die Bundesregierung bei den Verhandlungen über einen Truppenabzug aus Deutschland eigentlich nicht auf die Vereinbarung von Ottawa zurückgegriffen, bei der bereits zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und der Sowjetunion die Reduzierung von Truppen innerhalb der zentraleuropäischen Zone der KSE auf 190 000 vereinbart war, d. h. einschließlich Ungarns, der Tschechoslowakei und Polens hätte die Sowjetunion nur noch 190 000 Truppen in dieser Zone haben können. Warum ist das bei den Abschlußverhandlungen mit der Sowjetunion nicht zugrunde gelegt worden? Wir zahlen hier doppelt für die gleiche Menge von Soldaten, obwohl sie bereits einmal wegverhandelt war.Warum hat die Bundesregierung nicht protestiert, als die sowjetische Führung durch die Zuweisung von Armee-Einheiten zum Küstenschutz oder zur Marine versucht hat, drei Divisionen aus diesen Vereinbarungen herauszustehlen, ausgerechnet Divisionen, die in einem sehr heiklen Bereich, nämlich dem Baltikum und dem Schwarzen Meer, disloziert sind? Wo war hier der Protest der Bundesregierung? Ich frage: Können wir es uns auf Dauer immer leisten, andere die Kohlen aus dem Feuer holen zu lassen? Auch hier ist es geschehen. Es war die Hartnäckigkeit der Amerikaner und vor allen Dingen die Geschlossenheit der kleinen Länder des ehemaligen Warschauer Paktes, die entscheidend war, daß hier ein Durchbruch erzielt werden konnte.Letztlich: Gibt es angesichts der Tatsache, daß hier eine einseitige Verpflichtung auf Reduzierung auf 370 000 eingegangen ist, realistische und einigermaßen greifbare Zusagen über Reduzierung bei einer Armee, die heute noch etwa fünf Millionen Soldaten umfaßt?Verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich konnte heute nur Fragen stellen. Ich würde mich freuen, wenn das Parlament bei den anstehenden Diskussio-
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Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. September 1991 3331
Ortwin Lowacknen in den Ausschüssen seitens der Bundesregierung hierauf eine Antwort erhielte.
Meine Damen und Herren, ich schließe die Aussprache.
Interfraktionell wird die Überweisung der Gesetzentwürfe auf den Drucksachen 12/1133 und 12/1135 an die in der Tagesordnung angeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Gibt es dazu anderweitige Vorschläge? — Ich sehe, das ist nicht der Fall; damit ist die Überweisung so beschlossen.
Meine Damen und Herren, ich rufe nunmehr den Zusatzpunkt 1 auf:
Aktuelle Stunde
Wohnungspolitisches Konzept der Bundesregierung und Wohnungsnot
Die Fraktion der SPD hat diese Aktuelle Stunde verlangt. Ich erteile als erstem Redner dem Abgeordneten Achim Großmann das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Lage am Wohnungsmarkt überfordert die Koalition. Es droht eine soziale Katastrophe bei der Wohnraumversorgung. Wer jetzt wohnungspolitische Maßnahmen hinauszögert, risikiert einen Sturzflug in der Wohnungsversorgung. — Das sind vernichtende Urteile über die Politik der Bundesregierung, aber keineswegs von der Opposition, sondern von Politikern der Koalition; es sind zwei Zitate von Herrn Kansy, Wohnungsexperte der CDU, eines von Herrn Raidel, Wohnungsexperte der CSU.
Die Bauministerin kann sich solche Offenheit natürlich nicht leisten.
— Sie ist auf dem Wege. Wir hoffen, daß sie noch eintrifft.
Man muß sich das mal wirklich überlegen, daß wir über Wohnungsnot diskutieren und die Bauministerin ist nicht da. — Da kommt sie.
Die Bauministerin kann sich solche Offenheit natürlich nicht leisten; aber ihre Wortwahl spricht Bände. Sie sprachen zunächst von einem wohnungspolitischen Gesamtkonzept, dann von neuen Akzenten und zu guter Letzt gestern nur noch von Elementen für das wohnungspolitische Konzept der nächsten Jahre. Ihnen fehlt offenbar die Kraft für ein wirksames Konzept gegen die Wohnungsnot. Der Mut hat Sie verlassen. Dabei wird die Wohnungsnot immer bedrohlicher. Etwa 2,5 Millionen Wohnungen fehlen. Die Mieten explodieren. Bauland wird knapp und teuer, unbezahlbar. Die Obdachlosigkeit nimmt stark zu. Besonders preiswerter Wohnraum fehlt. Bald wird es, von vier Millionen reduziert auf zwei Millionen, nur noch 1 Million gebundene Wohnungen geben.Die Antwort der Bauministerin darauf sind Ankündigungen. Am 22. März 1991 sagte Frau Adam-Schwaetzer: Ziel von einer Million neuer Wohnungen in drei Jahren erreichbar. Sie knüpfte damit nahtlos und völlig unkritisch an die Zahl ihrer Vorgängerin an. Die Realitäten sind anders: 257 000 Wohnungen in 1990. Für 1991 rechnet der Bundesverband Steine und Erden, also Leute, die sich auskennen, mit 280 000. Die Zahl von insgesamt einer Million Fertigstellungen ist unerreichbar. Es ist verständlich, daß die Bauministerin nervös wird. Da nützt auch emsigste Pressearbeit nichts mehr. Die von der Wohnungsnot betroffenen Menschen, die Bürgerinnen und Bürger, die bauen wollen, aber nicht können, und natürlich auch die Fachwelt merken inzwischen, daß zwischen Ankündigungen und der Wirklichkeit große Lücken klaffen.
Ihre politische Bilanz sieht trostlos aus.
— Ja, es tut Ihnen weh. — Ihre erste Amtshandlung war die Zustimmung zur Kürzung der finanziellen Mittel im sozialen Wohnungsbau der alten Bundesländer um eine halbe Milliarde D-Mark. Bei dem, wie die Zeitungen schrieben, Möllemann-Subventionsschwindel wurden diese Kürzungen für die nächsten Jahre festgeschrieben. Zusätzlich wurden Ihnen 400 Millionen DM bei der Förderung von selbstgenutztem Wohneigentum weggenommen.
Die Senkung der Kappungsgrenze bei den Mieterhöhungen von 30 auf 20 % in drei Jahren und die Verschärfung des Mietwucherparagraphen, von Ihnen im Februar öffentlich und im Bauausschuß angekündigt, läßt auf sich warten. Sie schweigen im Moment dazu. Die Spekulationssteuer für bebaubare Grundstücke — wie immer medienwirksam vorgestellt — wollten Sie im Kabinett beschließen lassen. Inzwischen haben Sie CDU und FDP zurückgepfiffen. Schließlich ständige Ankündigungen von neuen Wohnungsbaukonzepten. Statt dessen jetzt nur „Elemente" als ein Sammelsurium von nicht abgestimmten, unausgereiften und sozial völlig ungerechten Vorschlägen.Das ist jedenfalls keine seriöse Wohnungsbaupolitik. Das ist ein Zickzackkurs von Ankündigungen, Rückziehern, Schnellschüssen, zeitlichen Verzögerungen. Das schafft weitere Unruhe. Verunsicherte Bauherren warten ab. Die Schlangen vor den Wohnungsämtern werden länger und die Probleme nur noch drängender. Die Not vieler Menschen in Deutschland wird zum Spielball einer zerstrittenen und handlungsunfähigen Koalition. Sie lassen sich mit dem Hinweis auf knappe Finanzen abspeisen, und
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3332 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. September 1991
Achim Großmanngleichzeitig lassen Sie zu, daß die Zahl der Minister und Staatssekretäre erhöht wird,
daß im Finanzplan die Verteidigungskosten erhöht werden und daß viel anderes Geld für unnötige Zwecke verausgabt wird.
In Ihrem eigenen Verantwortungsbereich setzen Sie bei der Wohneigentumsförderung noch einen drauf : Sie werfen den Hochverdienenden noch mehr Geld hinterher als bisher. 115 000 DM — hören Sie sich das gut an, und dann erzählen Sie das einmal in Ihrem Wahlkreis — wollen Sie einem Hochverdiener mit einem Jahreseinkommen von 220 000 DM aus öffentlichen Geldern für sein Haus geben, das er auch ohne diese Förderung bauen könnte. Wer als Arbeitnehmer 60 000 DM im Jahr verdient, soll nach Ihrem Willen die Hälfte weniger bekommen. Sozial ungerechter und uneffizienter kann Wohnungspolitik nicht sein.
Unser Angebot steht — ich will es wiederholen — : Die SPD ist zu konstruktiver Zusammenarbeit bereit. Ich sehe eine große Möglichkeit des Konsenses in wichtigen Fragen, nachdem in jüngster Zeit immer häufiger Vorschläge der SPD von FDP, CDU und CSU aufgegriffen worden sind.
Wenn es aber so weitergeht, daß der Bauausschuß von der Regierung nur mit Kleinkram, Lappalien —
Herr Kollege Großmann, Ihre Redezeit ist abgelaufen.
Sie haben gemerkt, daß ich schon ein beschleunigtes Tempo angeschlagen habe.
Aber die fünf Minuten sind weit überschritten.
Herr Präsident, bedenken Sie bitte, daß ich eine halbe Minute auf Frau Adam-Schwaetzer warten mußte. Wenn Sie mir diese halbe Minute zusätzlich geben, bin ich mit meiner Rede zu Ende.
Die Ministerin ist unmittelbar nach Beginn der Aktuellen Stunde eingetroffen. Ich bitte Sie, jetzt wirklich zum Schluß zu kommen.
Wenn es aber so weitergeht, daß wir uns im Bauausschuß nur mit Kleinkram, Lappalien und schönen Berichten befassen müssen, während die Bauministerin von Pressekonferenz zu
Pressekonferenz hetzt, um Ankündigungen zu machen, die später nicht zu halten sind, dann fehlt für die von mir vorgeschlagene konstruktive Zusammenarbeit allerdings eine Grundlage.
Meine Damen und Herren, jetzt hat das Wort der Abgeordnete Dr. Kansy.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Großmann, am Ende der Sommerpause schien es fast so, als ob verantwortliche Wohnungspolitiker aller Parteien, und zwar auf allen staatlichen Ebenen, angesichts der Größe der Herausforderung wenigstens auf ein Mindestmaß an Konsens in der Wohnungspolitik hinarbeiten würden. Über eines sind wir uns wohl gemeinsam klar: Alle politischen Kräfte in diesem Land, wo auch immer sie Verantwortung haben — vom Bürgermeister bis zur Wohnungsbauministerin des Bundes, in Regierung oder Opposition, jeweils auch umgedreht — , werden ihrer Verantwortung, die sie in einer schwierigen Situation haben, nur dann gerecht, wenn dieses alte Rollenspiel endlich aufgegeben wird: Sie als Opposition stellen maßlose Forderungen in Richtung Regierung und beschimpfen die Regierung, aber dort, wo Sie selber Verantwortung tragen, verweisen Sie auf den leeren Geldbeutel. Damit helfen wir den Menschen in diesem Lande doch nicht.
Ich hoffe sehr, Herr Großmann, daß das, was Sie heute hier vorgetragen haben, nicht der Stil ist, mit dem wir in diesem Herbst weiterarbeiten werden.Ich erinnere Sie an folgendes. In der letzten Sitzungswoche stand an dieser Stelle Frau MatthäusMaier und hat sich gegen eine zu hohe Staatsverschuldung gewehrt. Sie hat sich gegen Steuererhöhungen gewehrt. Herr Engholm hat in diesen Tagen in einem Interview gesagt — ich zitiere — : Wir können uns angesichts der Kassenlage nichts Neues mehr leisten; wir können das soziale Netz nicht weiter ausdehnen und sozusagen soziale Wohltaten unters Volk bringen.Meine Damen und Herren, dies ist sogar noch nicht einmal unsere Auffassung. Wir sind der Meinung, daß trotz großer internationaler und nationaler Herausforderungen und einer wirklich kritischen Haushaltslage in Bund, Ländern und Gemeinden alle drei Ebenen ihre Anstrengungen zur Belebung des Wohnungsbaus massiv verstärken müssen, um angesichts des bekannten Problems bei ganz bestimmten Bevölkerungsgruppen eine soziale Katastrophe zu vermeiden.Dies ist auch unsere Aussage. Die Bundesregierung und die Koalitionsfraktionen haben in der Vergangenheit in erheblichem Maße so gehandelt. Kollegen aus dieser Arbeitsgruppe werden sich erlauben, noch einmal auf das hinzuweisen, was wir sowohl in West-
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Dr.-Ing. Dietmar Kansydeutschland als auch in Ostdeutschland seitens des Bundes in den letzten zwei Jahren zur Lösung dieser Probleme beigetragen haben.Eines ist doch unbestritten, meine Damen und Herren, Frau Ministerin: Alle Anstrengungen, die bisher unternommen worden sind — hier ist der Staat nicht allein gefragt; das wissen alle, die sich mit Finanzierungsproblemen beschäftigen — , reichen nicht aus, um der Situation Herr zu werden. Das Problem hat im wesentlichen zwei Gründe. Ich möchte sie hier wiederholen. Erstens haben wir seit der Volks- und Wohnungsstättenzählung im Mai 1987 in den westlichen Bundesländern fast 3 Millionen neue Bürger. Alle Rechnungen und Planungen von Wirtschaft, Wissenschaft und Politik im Hinblick auf Bevölkerung und benötigten Wohnraum in den westlichen Bundesländern sind seitdem Makulatur. Das ist Fakt. Hier kann man keine Vorwürfe machen, sondern man muß sich um Lösungen für die Zukunft bemühen.
Es gibt aber noch ein anderes Stück der Wahrheit. Während bestimmte Gruppen immer größere Probleme haben, etwa junge Familien in den Ballungsräumen und in zunehmendem Maße auch alleinerziehende Frauen — wir befinden uns gerade in einer Diskussion um den § 218; dazu gehört nach meiner Auffassung auch die Wohnungspolitik — , gibt es auf der anderen Seite eine massive Ausweitung des Wohlstandes bei der Mehrheit der Bevölkerung. Ich möchte das nicht erläutern. Es gibt verschiedene Gründe dafür. Die Kinder ziehen früher aus dem Haus, und man bleibt allein zurück. Es handelt sich um einen Viertelquadratmeter pro Person und Jahr. Das ist eine gewaltige Menge. 150 000 neugebaute Wohnungen im Jahr gehen allein in die Wohlstandsausweitung. Das ist mehr als die Hälfte von dem, was wir heute bauen.Deswegen hat die Bundesbauministerin gestern, wie vor der Sommerpause vereinbart, ein Konzept für weitere Anstrengungen des Bundes vorgelegt.
Sie wird es gleich erläutern. Es geht auch in Richtung Länder und Gemeinden. Die Schwerpunkte sind, die Wohnungseigentumsförderung etwas stärker auf mittlere und kleine Einkommen zu verlagern und den sozialen Wohnungsbau zu verstetigen. Die CDU/ CSU-Fraktion steht zu diesem Konzept, wenn wir auch zu der einen oder anderen Alternative noch unsere Meinung darlegen werden.Abschließend möchte ich noch folgendes sagen— Herr Großmann, Ihnen habe ich das heute morgen im Ausschuß schon gesagt — : Ein erheblicher Teil dieses Pakets bedarf der Zustimmung des Bundesrates. Wir sind im Grunde in einer Art übergroßen Koalition gefordert, wenn aus der Sache wirklich etwas werden soll.
— Herr Reschke, mit diesem Geist werden wir die Probleme nicht lösen:
ein paar naßforsche Bemerkungen machen und genau dort enden, wo wir vor der Sommerpause schon gewesen sind.
Herr Kollege Dr. Kansy, auch Ihre Redezeit ist bei weitem abgelaufen.
Das ist richtig, Herr Präsident.
Ich bitte um einen Schlußsatz.
Jawohl, Herr Präsident. — Ich bitte alle in diesem Raum, daran zu denken, bei der Beratung der möglichen Alternativen eine Zustimmungssituation zu erreichen, so daß wir auch im Bundesrat eine Mehrheit dafür bekommen. Darum werden wir, die CDU/CSU, uns bemühen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie machen es dem Präsidium sehr schwer. In Anlage 5 unserer Geschäftsordnung, die für Aktuelle Stunden zuständig ist, steht eindeutig:
Der einzelne Redner darf nicht länger als fünf Minuten sprechen.
Sie wissen, daß man bei anderen Debatten großzügiger sein kann. Aber wenn das hier so steht, müssen wir uns daran halten. Darum bitte ich alle nachfolgenden Redner.
Als nächster Redner hat unser Kollege Dr. Ilja Seifert das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir reden hier nicht zum erstenmal über Wohnungs- und Mietenfragen. Die Probleme sind auch so gewaltig, daß das immer wieder sein muß.Ich bedaure, daß in diesem Hause und in diesem Lande die Wohnung als eine x-beliebige Ware angesehen und auch entsprechend Politik gemacht wird. Nach meinem Verständnis und nach dem Verständnis der PDS/Linke Liste ist das Wohnen, die Be-Hausung, ein grundlegendes Menschenrecht und insofern nicht als x-beliebige Ware anzusehen.In 42jähriger BRD-Geschichte ist ja auch bewiesen, Herr Kansy, daß die Marktwirtschaft allein, auch wenn sie sich sozial nennt, nicht in der Lage ist, Wohnungsnot zu verhindern. Eine Million fehlender Wohnungen reicht ja wohl aus.
— Das kommt ja gleich. Ich habe sie ja nicht gebaut. Ich habe ja in der DDR leider keine Verantwortung gehabt.Diese fehlenden Wohnungen in der alten BRD sind in meinen Augen massenhafte Menschenrechtsverletzungen. Auf dem DDR-Gebiet, wo auch sehr viele
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3334 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. September 1991
Dr. Ilja SeifertWohnungen fehlen, kommt hinzu, daß der Ausstattungsgrad der Wohnungen viel niedriger ist; d. h. es ist eine bedeutend niedrigere Wohnqualität vorhanden. Der Wohnungsbedarf in der gesamten Bundesrepublik Deutschland ist also gewaltig. Hier wäre tatsächlich eine Konzeption nötig, die ein prinzipiell anderes Herangehen erfordert. Insofern ist das, was jetzt neue Konzeption der Ministerin genannt wird, im Grunde nicht mehr als ein Klacks, wenn es sich um 400 000 Wohnungen pro Jahr handelt. Der Bedarf, der Mangel ist viel größer.Im Gegenteil: Die Preise steigen ja ins immer Unerschwinglichere, d. h. es ist eigentlich vorprogrammiert, daß die Beschneidung des menschlichen Grundrechts auf Wohnraum zu- statt abnimmt. Meines Erachtens wäre es also erforderlich, unverzüglich von diesem Marktfetischismus wegzukommen, der zu einer grenzenlosen Verteuerung des Grundes und Bodens, damit zu unbezahlbaren Wohnungen und somit zu weiteren Menschenrechtsverletzungen führt.Frau Minister, ich würde Sie bitten: Bauen Sie Wohnungen und nicht so viele Luftschlösser!Danke schön.
Meine Damen und Herren, nächster Redner ist unser Kollege Dr. Walter Hitschler.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Dr. Seifert, ich meine, Sie hatten jetzt in der Tat 40 Jahre lang Gelegenheit, zu beweisen, wie man eine Wohnraumversorgung ohne „Marktfetischismus" praktizieren kann. Sie haben Ihre Chance vertan. Sie sollten eigentlich die nächsten Jahre einmal Gelegenheit zu äußerster Zurückhaltung haben.
Die Bundesregierung, meine sehr verehrten Damen und Herren, hat sich verpflichtet, im Herbst dieses Jahres ein wohnungspolitisches Gesamtkonzept vorzulegen. Dies ist erforderlich geworden, weil die in der Koalitionsvereinbarung festgelegten wohnungspolitischen Zielsetzungen mit denen im Programm Aufschwung Ost beschlossenen Fördermaßnahmen für die neuen Bundesländer zusammengefaßt und auf Grund veränderter Marktdaten aktualisiert werden mußten. Die Bundesregierung liegt daher genau im Zeitplan.Die von der Opposition beantragte Aktuelle Stunde gibt uns Gelegenheit, die Eckpunkte unserer die bestehende Konzeption ergänzenden wohnungspolitischen Vorstellungen wie sie gegenwärtig in den zuständigen Gremien unserer Fraktion und der Koalition diskutiert und abgestimmt werden zu umreißen, nachdem die Bauministerin, Frau Dr. Adam-Schwaetzer, ihre Vorstellungen und auch Präferenzen dargelegt hat.Einer konzeptionellen Erneuerung und Ergänzung muß eine klare Analyse der Gegebenheiten und Rahmenbedingungen vorausgehen. Zu erwartende Entwicklungen auf den Wohnungsmärkten sind zu antizipieren. Auf Grund unserer Analyse kommen wir zu dem Ergebnis — und das werden die Schwerpunkte unsers Konzeptes sein — , daß die Wohneigentumsbildung — der Mietwohnungsbau läuft ganz gut — der besonderen Förderung bedarf, und zwar sowohl in den alten als auch in den neuen Bundesländern. Ziel ist es, sowohl durch zusätzliche Elemente als auch durch eine Verbesserung bereits vorhandener Elemente — hier meinen wir insbesondere die Lastenbeihilfe — die bei den Einkommensgruppen mit zu versteuernden Einkommen zwischen 40 000 und 90 000 DM aufgetretene erhebliche Finanzierungslücke zu schließen. Die eklatanten Steigerungen der Baulandpreise, an denen Ihre Genossen in den Kommunen, die sich in der Vergangenheit mit größerer Intensität der Krötenwanderung denn der Erstellung von Bebauungsplänen angenommen haben, nicht ganz unschuldig sind, und die auf Grund exzessiver Tarifanhebungen gestiegenen Baukosten und insbesondere die auf Grund der starken Inanspruchnahme des Kapitalmarkts gestiegenen Zinsen haben zwangsläufig zu diesen für den Eigenheimbau verschlechterten Rahmenbedingungen geführt.Die Wohnungspolitik ist Teil der gesamten Wirtschaftspolitik. Sie kann sich nicht aus der allgemeinen Entwicklung der makro-ökonomischen Daten ausklinken.Die wohnungspolitischen Instrumente müssen deshalb der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung angepaßt und in ihrer Kombination geeignet sein, zielgenau zu wirken und dabei ein Höchstmaß an Effektivität zu erreichen.Dem dient eine neue Kombination verschiedener Instrumente, mit deren Hille die Fertigstellungszahlen im Eigenheimbau nachhaltig erhöht werden sollen. Wir gehen davon aus, daß die Förderungsmaßnahmen auch rückwirkend beschlossen werden, um durch die jetzige Diskussion keinen Attentismus zu fördern.Der private Mietwohnungsbau wird seine Chancen trotz ungünstiger Marktbedingungen haben, wenn die Investitionen von der Rendite her für den Anleger eine sinnvolle Anlagemöglichkeit bieten.Eine starke Übernachfrage an den Wohnungsmärkten führt zu einem Verdrängungswettbewerb, unter dem die sozial Schwächsten am Ende am meisten zu leiden haben.
Es ist daher erforderlich, die Zahl von Sozialwohnungen durch besondere Fördermaßnahmen zu erhöhen. Wir halten den dritten Förderweg dabei für den geeignetsten, meinen aber, daß die Länder ihre Landesförderrichtlinien den unterschiedlichen Gegebenheiten anpassen und so ausgestalten sollten, daß aus dem dritten Förderweg tatsächlich eine vereinbarte Fördermöglichkeit wird.Der Truppenabbau wird uns in die Lage versetzen, freiwerdende Kasernenanlagen für die Einrichtung von Sozialwohnungen zu nutzen. Dies wird in nicht unerheblichem Maße eine Entlastung gerade für Wohnungssuchende mit Dringlichkeitsschein bewirken können.
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Dr. Walter HitschlerWeitere Schwerpunkte, werden die Förderung des Werkswohnungsbaus sowie eine strukturelle Verbesserung des Wohngeldes sein.Nach wie vor können freilich die Kommunen, insbesondere was die Baulandbereitstellung angeht, und die Länder als die eigentlichen Träger der Wohnungspolitik nicht aus ihrer Hauptverantwortung entlassen werden. Die SPD, Herr Großmann, wird deshalb bei der Umsetzung der wohnungspolitschen Vorschläge Farbe bekennen müssen, ob sie in Bund, Ländern und Gemeinden ihre bisher doppelzüngige Politik fortsetzen möchte oder ob sie sich statt bisheriger Beschränkungen auf Kassandra-Rufe bei gleichzeitigem kräftigem Tritt auf die Bremse in der Baulandnachfrage zu einer Haltung durchringen wird, die Mitverantwortungsbereitschaft signalisiert.
Meine Damen und Herren, als nächste Rednerin hat Frau Abgeordnete Iris Gleicke das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst möchte ich mich bei unserer Bundesbauministerin recht herzlich für das Faltblatt bedanken, das ich heute morgen auf den Schreibtisch bekommen habe. Das Faltblatt heißt „So hilft der Staat beim Bauen" und gibt einen Überblick über die Förderungen in den neuen Bundesländern.
Dank seiner guten Übersichtlichkeit wird jedem auf den ersten Blick klar, daß die Bundesregierung auch in dieser Frage über kein realistisches Konzept zur Lösung der drängenden Probleme verfügt.Greifen wir einmal den Punkt Kauf von Mietwohnungen heraus. Auch angesichts der in diesem hübschen Faltblatt erläuterten staatlichen Förderungen, auch unter der Voraussetzung, daß die Wohnung dem Käufer frei von Hypotheken, Grundschulden und vergleichbaren Lasten übereignet werden muß, selbst wenn die wichtigsten Instandsetzungsarbeiten durchgeführt sind: Erwartet die Bundesregierung ernsthaft, daß die Mieter begeistert zugreifen?Ich darf hier einmal an die derzeitige Einkommenssituation in den neuen Bundesländern erinnern. Dort liegt bei 35 % der Bevölkerung das Familieneinkommen zwischen 1 500 und 2 200 DM. Grenzgänger, die im Westen arbeiten und im Osten leben, können wohl nicht repräsentativ sein. Auch von Finanzierbarkeit kann man in diesem Zusammenhang nicht reden.Was den Mietern bliebe, wäre die Vollfinanzierung von Wohneigentum, wie sie mittlerweile von Bausparkassen allerorten angepriesen wird. Vor einem solchen Abenteuer mit seinen möglichen katastrophalen Folgen für ganze Familien hat auch Frau AdamSchwaetzer eindringlich gewarnt, wofür ich ihr an dieser Stelle herzlich danken möchte. Nein, wer in den neuen Ländern den Erwerb von Wohneigentum als Patentrezept anpreist, lügt sich und anderen etwas in die Tasche; so geht es nicht.Ein wichtiges DDR-typisches Phänomen findet in diesem Faltblatt übrigens keine Erwähnung. Deshalb möchte ich es Ihnen erklären. Es war bei uns früher durchaus üblich, daß Mieter ihre Wohnung in Eigenarbeit modernisiert haben, etwa durch den Einbau eines Bades. Zum Dank für ihre Mühe steigt heute die Miete zusätzlich. Das verstehen die Mieter nicht, ich auch nicht.
— Natürlich stimmt es!
— Natürlich, es gibt 15 % Zulage für den Einbau eines Bades, egal, ob das selber finanziert ist oder nicht.
Es gibt überhaupt vieles, was ich an der Wohnungspolitik der Bundesregierung nicht verstehen kann. Vielleicht kann mir jemand erklären, warum z. B. bei der Erhöhung des Wohngeldes in den neuen Ländern den dort wohnenden Behinderten der Freibetrag gestrichen wird, der im Westen gewährt wird. Der Präsident des VdK, Walter Hirlinger, hat dem Bundeskanzler geschrieben, die Betroffenen hätten dies mit größter Erbitterung und Empörung zur Kenntnis genommen. Diese Erbitterung und Empörung kann ich gut verstehen.Meine Damen und Herren von der Regierungskoalition, machen Sie sich doch einmal einige Gedanken über die desolate Situation der Wohnungsbaugesellschaften; aber beeilen Sie sich bitte. Wenn das Problem der Altschulden nicht rasch gelöst wird, droht vielen Wohnungsunternehmen der Bankrott, und zwar mit schlimmsten Folgen für Vermieter und öffentliche Hand.Fazit: Diese Wohnungspolitik — sofern man dieses Chaos noch mit gutem Gewissen als Politik bezeichnen kann — ist planlos, kopflos und konzeptionslos. Da sorgt sich die verantwortliche Ministerin öffentlich um Obdachlose und darum, daß einkommensschwächere Bevölkerungskreise — namentlich alleinerziehende Mütter mit Kindern — keine bezahlbaren Wohnungen mehr finden,
und schon kommen aus den Reihen ihrer eigenen Fraktion bereits Vorschläge, wann die Mieten das nächste Mal zu steigen haben.
Es gibt scheinbar immer noch Leute, die glauben, daß Wohnungspolitik aus der Erhöhung von Mieten besteht. Das hat wohl etwas mit einem Mangel an Lernfähigkeit zu tun, oder das ist schon Realitätsverlust.
Eines ist gewiß: Mit der Wohnungspolitik protzt die Bundesregierung herum wie der Kaiser mit seinen neuen Kleidern. Da kann man in Abwandlung jenes berühmten Spruches nur rufen: Da ist ja gar nichts dran!
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3336 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. September 1991
Iris GleickeSchönen Dank.
Ich erteile jetzt der Bundesministerin für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau, Frau Dr. Irmgard Adam-Schwaetzer, das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Einiges von dem, was ich hier gehört habe, macht mich schon betroffen, und ich bin eigentlich ganz froh, daß in den vielen Diskussionen mit Mietern, die ich im Moment in den neuen Bundesländern führe, die Reaktionen ganz anders sind, als ich sie heute von Ihnen gehört habe.
Natürlich spreche ich auch mit aufgebrachten Leuten, aber ich treffe sehr, sehr viele Menschen, die nicht nur Verständnis dafür haben, daß am 1. Oktober die Mieten steigen werden, sondern die dies ausdrücklich für notwendig erachten, damit sich an ihren Wohnungen endlich etwas tut.Ich möchte gleich einige Mißverständnisse aus dem Weg räumen: Wer den Einbau seines Bades selbst finanziert hat, bekommt jetzt nicht die 15 Pfennige Zuschlag pro Quadratmeter; das wäre ungesetzlich.Herr Großmann, ich hetze nicht von Pressekonferenz zu Pressekonferenz; das brauche ich gar nicht. Die vielen Diskussionen, die ich in der Öffentlichkeit zu Fragen der Wohnungsversorgung und der Mieten führe, sind verständlicherweise für die Presse auch ohne Konferenz interessant.
— Gern, nächste Woche. — Deswegen trifft das nicht zu.Wir stehen vor riesigen Aufgaben; wir machen uns da überhaupt nichts vor, meine Damen und Herren. Die Gründe dafür sind klar: In den fünf neuen Bundesländern sind es die 40 Jahre sozialistischer Mißwirtschaft, die uns 7 Millionen marode Wohnungen hinterlassen haben; in den westlichen Bundesländern sind es allein von 1988 bis 1990 2,5 Millionen Menschen, die aus Mittel- und Osteuropa zugewandert sind und eine Wohnung brauchen. Es sind 5,5 Millionen Ein-Personen-Haushalte in den vergangenen Jahren zusätzlich entstanden, die Wohnraum haben möchten, und es sind wohlstandsbedingte Ansprüche in den westlichen Bundesländern, die sich ebenfalls in Nachfrage umsetzen.In den östlichen Bundesländern ist mit der Mieterhöhung zum 1. Oktober in der Tat der Grundstein für die Verbesserung gelegt. Wir wissen, daß das viele Mieter vor schwierige Aufgaben stellt. Deswegen haben wir auch großen Wert darauf gelegt, daß die Regelungen die Zustimmung aller Ministerpräsidenten der neuen Länder gefunden haben, aber auch die Zustimmung des Deutschen Mieterbundes und derSPD, die zumindest die zwingende Notwendigkeit von Mieterhöhungen anerkannt haben. Ich gehe davon aus, daß sich jetzt niemand aus der Verantwortung stiehlt.Wir haben großen Wert darauf gelegt, daß die Wohngeldregelungen funktionieren. Ich habe die Hoffnung, daß das auch tatsächlich der Fall sein wird. Noch einmal die Bitte und Aufforderung an alle, ihren Wohngeldantrag möglichst rasch zu stellen!Probleme mit den Betriebskostenabrechnungen werden von uns ganz sicherlich nicht geringgeschätzt. Wir gehen berechtigten Einwendungen dort, wo wir auf sie treffen, nach. Ich bin auch sicher, daß die Mieter ihre Einwendungen gegenüber den Wohnungsunternehmen geltend machen und daß die Wohnungsunternehmen hierauf verantwortungsbewußt reagieren.Privatisierung ist mit vielen Unwägbarkeiten verbunden. Aber ich weiß aus den Anfragen, die ich bekomme, daß sich viele Menschen dafür interessieren, Privateigentum in den fünf neuen Bundesländern zu bilden. Eine Eigentumsquote von 20 % ist in einer Industrienation völlig unbefriedigend. Wir wollen den Menschen helfen, diese Erwartung, die auch in unserem Grundgesetz verankert ist, zu erfüllen.Die Privatisierung kommunalen Wohnraums prüfen wir in Modellen, über die wir unsere Informationen kontinuierlich sammeln und sie weiterverbreiten, damit beim Wohnungskauf in der Tat niemand überfordert wird. Aber eines weiß ich ganz sicher: Die Menschen in den fünf neuen Bundesländern wollen nun nicht mehr bevormundet werden. Sie wollen selbst entscheiden. Sie brauchen unsere Hilfe, damit sie ihre Entscheidungen verantwortbar treffen können, damit sie alle Informationen haben, die sie brauchen. Aber sie wissen, daß sie jetzt selbst entscheiden müssen, und das wollen sie auch tun.Im Westen werden wir mit unseren Anstrengungen nicht nachlassen. Im Gegenteil: Wir werden sie verstärken. Deswegen hat das Kabinett den Auftrag erteilt, im Herbst ein wohnungspolitisches Gesamtkonzept vorzulegen. Wir werden diesen Auftrag erfüllen, und zwar mit vernünftigen und intelligenten Maßnahmen, die den finanziellen Möglichkeiten des Staates Rechnung tragen und gleichzeitig dort Entlastung schaffen, wo es nötig ist. Es wird weder eine Gießkanne noch eine ideologisch orientierte Umverteilung ohne Zielgenauigkeit geben.Zu den Problemfeldern: Lassen Sie mich etwas hervorheben, was gut läuft, nämlich der freifinanzierte Mietwohnungsbau. Hier hat das Sofortprogramm der Bundesregierung von 1989, das meine Vorgängerin vorgelegt hat, hervorragende Ergebnisse bewirkt. Aber wir brauchen zusätzliche Anreize bei der Bildung des Wohneigentums, aber auch zusätzliche Mittel für den sozialen Wohnungsbau.Das Wohneigentum wird der zentrale Ansatzpunkt der Fortentwicklung des wohnungspolitischen Konzeptes sein, das wir vorlegen werden. Wir wollen, daß der Eigenheimbau seine große gesellschaftliche und wohnungsmarktstabilisierende Rolle in Ost und West ausfüllen kann. Dabei soll die Förderung auf diejenigen Haushalte konzentriert werden, die an der
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Bundesministerin Dr. Irmgard Adam-SchwaetzerSchwelle zum Wohneigentum stehen. Deswegen werden wir die steuerliche Förderung selbstgenutzten Wohneigentums im bestehenden System deutlich verbessern. Das Baukindergeld soll künftig unabhängig von der Steuerschuld ausgezahlt werden, so daß alle Einkommensbereiche in den Genuß dieser familienpolitisch erwünschten Zusatzförderung kommen. Außerdem denken wir daran, einen befristeten Schuldzinsenabzug für eigengenutzte neue Wohnungen einzuführen, um gerade in einer Zeit hoher Zinsen die Maßnahmen möglich zu machen, die die Menschen brauchen, um sich ihren Wunsch nach Wohneigentum zu erfüllen.Mit diesen kombinierten Maßnahmen erfahren gerade die Haushalte mit mittlerem Einkommen eine deutlich verbesserte Förderung,
und zwar eine bessere Förderung als mit allen Alternativmodellen, die auf dem Markt diskutiert werden, z. B. mit dem Antrag des Landes Nordrhein-Westfalen, der im Bundesrat eingebracht worden ist.
Mit einer zusätzlichen Entlastung um etwa 400 DM monatlich in dem für die Eigentumsbildung so zentralen Bereich der Einkommen um etwa 65 000 DM würden die gestiegenen Zinslasten und Baukosten der vergangenen zwei Jahre wettgemacht. So können wir zu Recht eine verstärkte Eigentumsbildung auf dem hohen Niveau der beiden letzten Jahre erwarten.Hinzu kämen deutliche Entlastungseffekte durch die vorgeschlagene Ausdehnung der steuerlichen Förderung auf Aus- oder Umbaumaßnahmen von bisher als Einfamilienhäuser genutzten Gebäuden, wenn dadurch eine Wohnung freigemacht wird.Für die Bezieher von Einkommen von 40 000 DM und darunter gilt aber nach wie vor, daß der Wunsch nach einem Eigenheim nur bei massiver Direktförderung erfüllt werden kann. Diese massive Direktförderung ist zum einen im Wohngeldbereich durch den Lastenzuschuß und zum anderen im Bereich des sozialen Wohnungsbaus angesiedelt, wo wir durch die Anhebung der Einkommensgrenzen die Voraussetzungen dafür schaffen wollen, daß auch in diesem von uns gesellschaftspolitisch gewünschten Bereich Eigentumsförderung besser möglich wird.So addiert sich z. B. bei einem Haushalt mit zwei Kindern mit einem zu versteuernden Einkommen von 40 000 DM die Direktförderung durch Lastenzuschuß und sozialen Wohnungsbau auf 1 100 DM monatlich. Zusammen mit der steuerlichen Entlastung ist das ein Betrag von 1 500 DM im Monat und damit höher als alles, was man durch steuerliche Entlastung allein ohne Direktförderung überhaupt erzielen kann. Deswegen warne ich davor, die Direktförderung geringzuschätzen.
— Wir rechnen in der Tat genau.
Die letzte Bemerkung gilt einem ganz wichtigen Bereich, nämlich dem sozialen Wohnungsbau. Wir brauchen vor allem in den Ballungsgebieten zusätzliche Mittel für die Förderung des sozialen Wohnungsbaus. Damit möglichst viele Wohnungen gefördert werden, müssen die Länder hier ihrer Verantwortung nachkommen, den günstigsten Förderungsweg und sozial verantwortbare Bewilligungsmieten einzuräumen, damit Problemfamilien — das sind Familien mit mehreren Kindern — und Alleinerziehern besonders geholfen werden kann.Die Abstimmung über das wohnungspolitische Konzept innerhalb der Bundesregierung läuft auf Hochtouren. Wir stellen uns unserer Verantwortung. Wir hoffen, daß Länder und Gemeinden dies ebenfalls tun. Wir werden Lösungen vorschlagen, die problemorientiert, umfassend und effizient sind.Ich danke Ihnen.
Das Wort hat der Abgeordnete Werner Dörflinger.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der wohnungsbaupolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion hat heute morgen im Zusammenhang mit der Behandlung des Einzelplans 25 von einer gewissen Lustlosigkeit gesprochen, mit der er die Diskussion führe. Ich stelle fest, daß die Lustlosigkeit der SPD eine gewisse Fortsetzung in dieser Aktuellen Stunde findet.
Das ist auch nicht ganz verwunderlich,
weil ein merkwürdiger Gegensatz, lieber Kollege Großmann, zwischen der Vernunft, die unsere Arbeit im Ausschuß bestimmt, und dem klafft, was man hier in gewisser Pflichtübung vorträgt.Denn klar ist wohl: Wir sind uns darin einig, daß die Situation auf dem Wohnungsmarkt uns alle mit einer großen Herausforderung konfrontiert und daß in einer solchen Situation Ehrlichkeit genauso wie Verantwortung gefordert ist. Das heißt für mich: Wir sollten von keiner politischen Fakultät aus die Erwartung wekken, als könne es uns gelingen, die Probleme, die es auf dem Wohnungsmarkt gibt und die verschiedene Ursachen haben, kurzfristig zu lösen.
: Weil Sie jahrelang
unsere Vorschläge abgelehnt haben!)Wir sollten gleichzeitig sagen, daß alle politischen Ebenen gefordert sind, auch um eine optimale soziale Treffsicherheit dessen herzustellen, was wir in Bonn bewirken.Um so bedauerlicher ist die Strategie der SPD, die mit verschiedenen Abteilungen operiert. Da gibt es die Abteilung „Seriöse Fassade", die die hohe Ver-
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Werner Dörflingerschuldung und die hohen Zinsen beklagt und Zurückhaltung bei neuen sozialen Verpflichtungen fordert.
Da gibt es die Abteilung „Unseriöse Polemik", die dauernd milliardenschwere Forderungen erhebt. Und da gibt es noch die Abteilung „Ideologie", die z. B. hier gegen das Ausweisen zusätzlicher Bauflächen — auch bei der Behandlung des Wohnungsbauerleichterungsgesetzes — polemisiert
und eine solche Strategie draußen in den Gemeinden und Städten wacker durchhält; erkundigen Sie sich mal nach der Situation beispielsweise in München.
Wir alle erkennen, daß die Zahlen bei der Genehmigung und Fertigstellung von Wohnungen im freifinanzierten Wohnungsbau und im Mietwohnungsbau einigermaßen befriedigend sind, auch wenn wir uns noch mehr wünschen könnten. Deswegen ist der pauschale Vorwurf, unser Programm zöge nicht oder wir hätte gar keines, Unsinn.Wir haben einen besorgniserregenden Rückgang bei der Förderung von Wohnungseigentum bzw. bei der Bildung von Wohnungseigentum. Deswegen sehen auch wir als Unionsfraktion auf diesem Feld dringenden Handlungsbedarf, wobei wir darauf hinweisen müssen, daß z. B. die Schwierigkeiten beim § 10 e eine unmittelbare Folge auch unserer Steuerreform sind, durch die Bezieher kleiner und mittlerer Einkommen nicht mehr die Steuerschuld haben, die sie ehedem gehabt haben.
Meine Damen und Herren, deswegen begrüßen wir die Schwerpunktbildung in dem Programm, das die Bauministerin eben vorgestellt hat. Wir begrüßen auch die generelle Zielrichtung. Über Details wird man noch reden müssen.
— Ja, das ist die Pluralität einer Volkspartei. Hindern Sie uns nicht daran, zu diskutieren.Wir sagen, über Details wird man noch reden müssen, und zwar deswegen, weil aus der Sicht der Unionsfraktion der eindeutige Schwerpunkt bei der Förderung der Bezieher kleiner und mittlerer Einkommen liegen muß.
Insofern erkläre ich hier als Baden-Württemberger: Ich beziehe bewußt auch den Vorschlag in die Diskussion ein, den Baden-Württemberg gemacht hat, weil er für mich etwas Herausragendes enthält, nämlich auch eine familienpolitische Komponente. Darüber werden wir uns in den Fraktionen und in der Koalition unterhalten.Meine Damen und Herren, wir begrüßen auch die anderen flankierenden Maßnahmen. Wir begrüßen die Initiativen im sozialen Wohnungsbau, sagen allerdings: Wir haben uns wirklich darauf zu konzentrieren, daß wir uns vor allem den unterversorgten Gruppen zuwenden, damit wir Fehlbelegungen vermeiden, und daß wir sicherstellen, daß mit dem knappen öffentlichen Geld für diejenigen am meisten getan wird, die sich auf dem Markt schwertun. Das halten wir für praktizierte soziale Verantwortung, und ich lade Sie trotz Lustlosigkeit dazu ein, über diese Punkte mit uns im Ausschuß vertieft zu diskutieren.
Meine Damen und Herren, ich erteile jetzt dem Kollegen Dieter Maaß das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn wir heute das Thema „Wohnungspolitisches Konzept der Bundesregierung und Wohnungsnot" behandeln, dann geht dies nicht, ohne daß wir auf die Verhältnisse und Probleme in den Ballungszentren hinweisen. Die Bundesregierung findet keine Konzepte, den enormen Mietpreissteigerungen zu begegnen. Allein der Hinweis, der Markt werde dies regeln, reicht nicht. Es rächt sich jetzt, daß Sie ab Mitte der 80er Jahre den sozialen Wohnungsbau sträflich vernachlässigt haben.
Damit hat die Regierung das Angebot bezahlbaren Wohnraums in unzulässiger Weise verringert.Die Schwächsten in unserer Gesellschaft werden in immer stärkerem Maße aus preiswertem Wohnraum verdrängt. Die Zahl der Obdachlosen steigt in erschreckendem Maße. Die Städte müssen bereits Wohnraum beschlagnahmen, weil sie für die obdachlosen Familien nicht einmal mehr Notunterkünfte haben. Dies sind sicher die extremsten Fälle, aber auch alte Menschen, alleinerziehende Elternteile und junge Paare mit geringem Einkommen werden aus preiswertem Wohnraum verdrängt, oder er steht ihnen nicht zur Verfügung.Mietpreissteigerungen von 60 bis 100 % in weniger als zehn Jahren sind die Regel. Gemeinnütziger Wohnungsbau, der noch ein wenig als Regulativ auf Mietpreissteigerungen hätte wirken können, wurde durch Ihre Politik zunichte gemacht. Eine Facharbeiterfamilie mit zwei Kindern, in der die Frau nicht berufstätig ist und nicht hinzuverdient, kann eine Miete von über 15 DM pro Quadratmeter nicht aufbringen.
Dies hat zur Folge, daß dieser Personenkreis sich außerhalb des Ballungsraumes Wohnungen zu erschwinglichen Preisen sucht. Dadurch steigt die Zahl der Pendler mit allen negativen verkehrspolitischen und umweltbelastenden Auswirkungen.Seit Monaten verspricht die Wohnungsbauministerin ein Gesetz zur Kappung der Mietpreissteigerungen, sobald sie über 20 % in drei Jahren hinausgehen. Ich verweise dabei auf Presseerklärungen des Ministeriums vom 6. und 20. Februar 1991. Warum, so fra-
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Dieter Maaß
gen wir, haben Sie diesem Parlament bisher keinen entsprechenden Gesetzentwurf vorgelegt?Ein weiterer Bereich, dem die Bundesregierung hilflos gegenübersteht, sind die explosionsartig ansteigenden Baulandpreise. Die Berliner Bevölkerung kann Ihnen, den politisch Verantwortlichen in den Koalitionsparteien, dazu einiges sagen.Nicht alle Ballungsräume trifft ein geringes Angebot an preiswertem Wohnraum gleich. Mein Wahlkreis, die Stadt Herne mit ihren 180 000 Einwohnern und einer Bevölkerungsdichte von ca. 3 300 Menschen auf einem Quadratkilometer, ist sicher ein klassischer Ballungsraum. Der Mietspiegel ist zwar deutlich niedriger als der in München; aber bedingt durch eine Arbeitslosigkeit von zur Zeit 12,9 % und einen hohen Anteil von Sozialhilfeempfängern ist die Nachfrage nach bezahlbarem Wohnraum immens.Welch hohe Erwartungen an die Politik gestellt werden, weiß ich aus Gesprächen mit hilfesuchenden Menschen in meinen Sprechstunden. Ich fordere Sie deshalb auf: Schaffen Sie mehr Wohnraum zu erschwinglichen Preisen! Erhöhen Sie die Finanzmittel für den sozialen Wohnungsbau!Ihrer Erklärung, Frau Ministerin, „Liberale Wohnungspolitik wird aber immer zugleich auch in besonderem Maße dem sozialen Ausgleich und dem Gebot einer wirksamen sozialen Absicherung des Wohnens verpflichtet sein", stimme ich zu.
Dies sollten Sie nicht nur erklären, sondern auch durchsetzen.
Meine Damen und Herren, nächster Redner ist unser Kollege Peter Götz.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben Engpässe auf dem Wohnungsmarkt. Das ist unstreitig richtig. Wenn Sie, Herr Großmann, oder auch Sie, Herr Maaß, über die Wohnungsnot klagen, dann sollten wir uns auch über die Gründe unterhalten, die zu diesen Engpässen am Wohnungsmarkt in den Städten und Gemeinden führen.Wir wissen — auch Herr Dr. Kansy hat es eben erwähnt — , daß in den letzten Jahren nahezu 3 Millionen Menschen in den alten Bundesländern aufzunehmen waren. Daß dies zusätzlich Wohnraum erfordert, kann, glaube ich, jeder nachvollziehen. Allein in diesem Jahr werden mehr als 200 000 Asylbewerber nach Deutschland kommen, die u. a. auch nach Wohnraum fragen.Wenn wir ferner wissen, daß nur 5 oder 6 % der Asylbewerber berechtigte Aussicht auf Anerkennung als politisch Verfolgte haben, heißt das, daß mehr als 90 % der Bewerber unser Asylrecht mißbrauchen und unseren engen Wohnraum zusätzlich strapazieren.
Wir sollten diese wohnungspolitische Debatte deshalb auch nutzen, um über Ursachenbekämpfung zu reden. Wir sollten — damit meine ich alle politisch Verantwortlichen — zur Vermeidung weiterer Spannungen am Wohnungsmarkt diesen massenhaften Mißbrauch unseres Asylrechts rasch beenden.
Ich fordere daher die SPD, aber auch die FDP auf, sich der dringend gebotenen Ergänzung des Art. 16 unseres Grundgesetzes auch aus wohnungspolitischen Gründen nicht länger zu verschließen.
Meine Damen und Herren von der Opposition, wenn Sie über Wohnungsnot reden, sollten Sie nicht nur Milliarden für den Haushalt fordern,
sondern auch dort mithelfen, wo Sie mit in der Verantwortung stehen. — Sie haben doch die wohnungspolitische Debatte beantragt. Auf Ihren Zuruf werde ich noch später zu sprechen kommen.Wir brauchen — das ist unbestritten — eine Aktualisierung der bestehenden wohnungspolitischen Konzeption. Hierzu ist vieles gesagt worden. Ich will das nicht im einzelnen wiederholen. Das ist in den fünf Minuten nicht möglich. Nur eine Anregung — auch der Kollege Dörflinger hat es vorhin angesprochen — : Die Landesregierung von Baden-Württemberg hat in dankenswerter Weise einige sehr gute Gedanken zur steuerlichen Förderung des selbstgenutzten Wohnungseigentums zu Papier gebracht. Wir sollten diese Vorschläge in unsere Überlegungen einbeziehen.Ein drittes Thema möchte ich ansprechen, das bei der Schaffung von Wohnraum neben den förderpolitischen Überlegungen eine nicht zu unterschätzende Rolle spielt: die Baulandsituation. Wir können noch so tolle Förderprogramme entwickeln; wenn es uns nicht gelingt, baureifes Gelände für den Wohnungsbau zu aktivieren, dann werden wir uns auch in den nächsten Jahren schwertun, bessere Fertigstellungszahlen zu erzielen.
— Richtig.Baulandmangel ist nicht nur ein Problem der großen Städte. Zwischenzeitlich wissen wir, daß auch kleinere Gemeinden über zunehmende Baulandengpässe klagen. Hier sind die Gemeinden gefordert, die vieler-
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Peter Götzorts auch erfolgreich betriebene aktive Bodenvorratspolitik und die kommunale Baulandpolitik verstärkt fortzusetzen, da nur mit ihrer Hilfe die Verfügbarkeit von Grund und Boden für Zwecke des Wohnungsbaus wirkungsvoll verbessert werden kann.Es gibt aber auch viele positive Perspektiven. Auch diese sollten wir zur Kenntnis nehmen. Durch das Freiwerden bisher militärisch genutzter Grundstücke haben viele Regionen große Chancen, unter Mitwirkung des Bundes qualitative Stadterneuerungs- und Wohnungsbaupolitik zu gestalten.Wir sind deshalb der Bundesregierung sehr dankbar, daß sie im Sommer dieses Jahres erklärt hat, bei der Veräußerung bundeseigener bebauter und unbebauter Grundstücke für den sozialen Wohnungsbau mit entsprechender Belegungsbindung einen Nachlaß von 50% zu gewähren. Meine Damen und Herren, das ist ein Wort; damit kann man etwas anfangen. Jetzt können die Städte und Gemeinden nicht nur Pläne entwerfen, sondern diese auch zu vertretbaren Konditionen realisieren.Abschließend eine Bitte an die Opposition: Das Thema „Wohnen" gehört zu den sensibelsten Themen, die die Menschen bewegen. Sie sollten endlich aufhören, alles, aber auch wirklich alles, was hier kommt, negativ zu kommentieren. Wenn der Bundesfinanzminister beim Verkauf von Grundstücken einen Nachlaß von 50 % anbietet, fordern Sie 80 %.
Wird ein neues Wohnungsbauförderungskonzept vorgelegt, setzen Sie auch noch eins drauf, sagen aber nicht, woher das Geld kommt, und lassen andere in Ihrer Fraktion gleichzeitig Steueranpassung und Staatsverschuldung kritisieren. Das paßt einfach nicht zusammen.Meine Damen und Herren, der Wohnungsbau braucht Vertrauen, er braucht auch Kontinuität. Das gilt vor allem für die Bauwirtschaft, vor allem gilt es aber auch für die Menschen — und darum bitte ich Sie.Vielen Dank.
Meine Damen und Herren, nächster Redner ist unser Kollege Thomas Molnar.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich als Abgeordneter des Landes Brandenburg, der ja eine SPD-Landesführung hat, sagen, daß ich das, was Sie anmahnen, nicht im geringsten in Brandenburg wiederfinde. Ich höre immer wieder die Schimpferei: Der Bund ist schuld.
— Nein, bin ich nicht.Am April/Mai hatten wir solche Anträge, die 40 Seiten lang waren, aus Nordrhein-Westfalen über die Amtshilfe bekommen, gerade um im Wohnungsbau relativ rasch voranzukommen. Ich wurde belehrt, daß diese 40 Seiten nicht wirklich 40 Seiten sind, sondern nur 14 Seiten, wovon 5 Seiten aus Erläuterungen bestehen, wie man diesen Antrag ausfüllt. Die Situation ist die, daß wir im Land praktisch noch keine Anträge haben. Brandenburg ist tatsächlich eines der Länder, die es „geschafft" haben, daß vor lauter Kontrolle, damit niemand, der nicht in den Genuß solcher Mittel kommen soll, sie bekommt, nichts mehr geht.Lassen Sie mich aber durchaus würdigen, was die Bundesregierung hier für die neuen Bundesländer getan hat.
— Sie dürfen glauben, daß ich auf dem laufenden bin, weil ich mit dieser Landesregierung nicht so ... — okay.
— Nein. Ich habe ein Planungsbüro; dieses Planungsbüro hat eine ganze Reihe von Gemeinden — —
— Passen Sie auf. Eins ist mal sicher: Wir haben eine ganze Reihe von Fördermitteln — eine Milliarde DM für den sozialen Wohnungsbau, insgesamt 4,8 Milliarden DM — , die für die neuen Bundesländer ohne die Städtebauförderung bereitstehen, um Wohnungen zu bauen.Tatsache ist, daß wir jetzt tatsächlich über Umschichtungen reden und daß es nicht geschafft worden ist — ich kann jetzt ganz dezidiert von Brandenburg berichten —, diese Mittel auch auszugeben.Die Privatisierung sollte gerade ein vorrangiges Anliegen sein. Ich meine, in Ihren Augen ist sie nicht ein so vorrangiges Anliegen.
— Schauen Sie doch her: Brandenburg ist das erste Land, das diese Mittel umschichtet.
— Na, na, das ist jetzt Ihre Meinung.Die 4,8 Milliarden DM muß man einfach zugeben. Als Brandenburger muß ich schon sagen: Es ist wirklich eine faire Geschichte und auch eine faire Mittelzuteilung gewesen, indem in die neuen Bundesländer Geld geflossen ist.Man kann als SPD natürlich schreien: Ich will noch mehr, und ich will noch mehr. Aber man muß es auch ausgeben können. Brandenburg sollte uns hier vielleicht doch ein warnendes Beispiel dafür sein, daß
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Thomas Molnarman nicht immer nur schreien sollte, sondern daß man Mittel auch ausgeben muß.Vielen Dank.
Meine Damen und Herren, nächster Redner ist unser Kollege Otto Reschke.
Herr Kansy, Sie kennen ja das alte Ruhrgebietssprichwort: Leute wie Sie nennen wir im Ruhrgebiet „Tell", aber nicht wie Wilhelm, sondern wie Tro...
— Wie Trottel.Es ist erstaunlich: In zwei Jahren haben wir nun die fünfte Aktuelle Stunde zur Wohnungsnot mit immer neuen Versprechungen der Bauminister. Vor drei Monaten, Frau Ministerin, war es die gestiegene Zahl der Baugenehmigungen, die Sie hoffen ließ. Aber wir stehen ja heute bei 14 % Einbruch allein im Bereich der Einfamilienhäuser und bei fast 3 % bei den Zweifamilienhäusern. Heute sind es nun die 100 000 Eigenheimer, die auf Ihre Vorschläge warten.Aber Ihre Vorschläge machen noch nicht einmal — das haben Sie gestern der Presse vorgelegt — die gestiegenen Zinsen, Boden- und Baukosten wett. Sie reden vom Traum für viele Eigenheimer und machen ihn durch Ihre Vorschläge für viele zu einem Alptraum.Also, mit den 1 Million Wohneinheiten in drei Jahren wird es wohl nichts werden. Diese Erkenntnis haben Sie uns ja eben vermittelt.Dafür haben Sie gestern herausposaunt, jetzt sollen 100 000 Wohnungen, und zwar echte Sozialwohnungen, in drei Jahren mit besonderer Marktnähe gebaut werden. Das heißt doch wohl auf gut deutsch: Es sind Sozialwohnungen mit besonders hoher Miete. Oder wie soll ich das in vielen Punkten verstehen? Dies geschieht vor dem Hintergrund, daß der Bestand an Sozialwohnungen von 30 % im Jahre 1978 auf heute 18 % abgenommen hat und die Mietpreisschraube mittlerweile ein Steilgewinde bekommen hat.Im sozialen Wohnungsbau sieht es katastrophal aus. Im Etatentwurf 1992 sind, wenn ich es richtig gelesen habe, 150 Millionen DM für den klassischen sozialen Wohnungsbau, erster Förderweg vorgesehen. Zur Verwirklichung Ihrer Forderung nach 100 000 neuen Sozialwohnungen in drei Jahren müßte das 30fache im Haushalt stehen. Ich frage mich: Wie wollen Sie diese zusammenbekommen? Woher wollen Sie im Herbst das Geld vom Finanzminister bekommen?
Um Ihnen zu beweisen, lieber Herr Kollege, wie lächerlich die Bundesförderung ist, sage ich Ihnen: Vorgesehen sind 150 Millionen DM für Sozialwohnungen, erster Förderweg. 320 Millionen DM macht allein die Fehlbelegungsabgabe aus, mit der wir die Mieter in diesen Sozialwohnungen der fünfziger und sechziger Jahre einfach schröpfen.
Frau Ministerin, der Bundestag hat im Mai seine Auffassung kundgetan, daß sich die steuerrechtliche Förderung des Wohnungsbaus, insbesondere des selbstgenutzten Wohneigentums, in zunehmendem Maße als wenig wirksam erweist. Er hat sich daher dafür ausgesprochen, schnell ein neues Förderkonzept zu entwickeln.Im Protokoll des Finanzausschusses vom April ist zu lesen, daß dieses Förderkonzept im September vorgelegt werden soll. Was Sie aber gestern vor der Presse abgeliefert haben und heute mit wenigen Sätzen und unnachprüfbar angesprochen haben, ist für mich wirklich ein Ding aus dem Tollhaus. Das gilt auch für das, was in der CDU/CSU und teilweise, mit Verlaub, manchmal mit besserer Qualität versehen, in der FDP geschieht.Was Sie abgeliefert haben, sind Mitnahmeeffekte, die vergrößert werden sollen. Ausdrücklich gegen die Erkenntnisse des Finanzausschusses gehen Sie weiterhin andere Wege.Ich will der Öffentlichkeit einfach einmal sagen, wie verwirrend der Diskussionsstand in der Koalition ist. Der Kollege Raidel — er ist eben weggelaufen; er ist jetzt nicht da — schlug in der „Süddeutschen Zeitung" vom 16. September geradezu vor, einen Sturzflug im Wohnungsbau, den er erkannt haben will, abzuschaffen. Er regt an, die Baulandkosten steuerlich zu berücksichtigen, die übrigens noch nicht beschlossenen Einkommensgrenzen bei der Eigentumsförderung wieder abzuschaffen, einen befristeten Zeitraum für die Befreiung von der Mehrwertsteuer einzuführen und kommunales Wohngeld zu zahlen. Mit der Einführung eines neuen Steuertatbestandes, nämlich dem des entgangenen Gewinns, für nicht erhaltene und selbst eingeschätzte Miete will er im Grunde genommen den Wohnungsbau in vielen Bereichen anreizen.Ich will Ihnen sagen, was in dieser Koalition eigentlich los ist. Ihnen fehlt es tatsächlich am Willen zur Lösung der Wohnungsprobleme in diesem Staat. Die Baugenehmigungen blieben und bleiben in den Schubladen vieler potentieller Bauherren. Ursache sind die sich immer weiter verschlechternden Rahmenbedingungen, zu denen auch die Bundesregierung wesentlich beigetragen hat. Mit ihrer verwirrenden Förderung, mit ständig neuen Ankündigungen und Versprechungen auf der einen Seite und mit Kürzungsdrohungen, wie ihr Wirtschaftsminister auf der anderen Seite das tut, bewegen Sie keinen Bauwilli-
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Otto Reschkegen: Abwarten heißt verständlicherweise in vielen Punkten die Devise.Im übrigen — das müßten Sie eigentlich wissen — finden Zweidrittel der Förderung des Wohnungsbaus durch den Staat von über 60 Milliarden DM im Bestand statt. Wer den Wohungsbestand und nicht den Neubau fördert, der kann die Erfolge bei den Neubauraten in vielen Punkten nicht bekommen.Die Bodenfrage ist nicht gelöst, die Zins- und Kreditbasis für den Wohnungsbau muß neu geregelt werden, das Fördersystem muß den Neubau stärker fördern als den Bestand, die Eigentumsförderung muß die Haushalte mit geringen Einkommen am meisten fördern und nicht umgekehrt.Ihre Rechnung stimmt ja gar nicht, Frau Ministerin, wenn ich dpa gestern richtig gelesen habe: Bei 140 000 DM Einkommen kommt Ihr Vorschlag jetzt 1991 nach der alten Förderung auf 8 000 DM und 1992 bei Ihnen auf 15 000 DM. Bei einem Einkommen von 40 000 DM — 5 500 DM — steigt das auf 7 800 DM. Das ist eine lächerliche Erhöhung; da kriegen Sie keinen Bauwilligen in der Eigentumsförderung hinter dem Tisch vor. Tun Sie was in den Bereichen Boden, Zinsen, Fördersystem und in der Eigentumsfrage, damit am Wohnungsmarkt etwas geschieht. Steigen Sie aus aus der überstarken Bestandsförderung!Schönen Dank.
Letzter Redner in der Aktuellen Stunde ist unser Kollege Josef Hollerith.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch die Polemik der SPD ändert nichts daran, daß 95 To der bundesdeutschen Haushalte hervorragend mit Wohnraum versorgt sind. In der Bundesrepublik Deutschland, in den Altbundesländern, ist in den letzten Jahren die Versorgung mit Wohnraum kontinuierlich gestiegen. Heute verfügt im Durchschnitt jede bundesdeutsche Person in den Altländern über 36 Quadratmeter Wohnfläche. Im Vergleich dazu verfügt in der Sowjetunion jeder Einwohner nur über 9 Quadratmeter. Diese Versorgung ist dank der Politik der Bundesregierung, dank der Verbesserung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, dank der Verbesserung der Einkommen der Bevölkerung in den letzten neun Jahren kontinuierlich gestiegen.Aber auch wir geben uns nicht damit zufrieden, daß 5 % nicht optimal mit Wohnraum versorgt sind. Allerdings, Kollegen von der SPD, verkennen Sie die Wirklichkeit. Wenn wir die Probleme der 5 % der Haushalte lösen wollen, müssen wir über die Ursachen reden. Die Ursachen der Knappheit an Wohnraum sind erstens der Zustrom — Herr Kansy hat das bereits ausgeführt — von Aussiedlern, Übersiedlern und Asylanten, zweitens die gestiegene Nachfrage nach Wohnraum auf Grund der verbesserten Einkommenssituation und drittens die hohe Zahl von Scheidungen und von jungen Leuten, die als Einzelhaushalte Wohnraum nachfragen. Beispielsweise sind in derLandeshauptstadt München 50 % der Haushalte mittlerweile Ein-Personen-Haushalte.
— Wenn Sie zugehört hätten, hätten Sie verstehen können, daß ich auch die Asylanten erwähnt hatte.
Trotz dieser Faktoren, die die gestiegene Nachfrage nach Wohnraum verursachen, hat die Bundesregierung in den vergangenen Jahren mit ihren wohnungsbaupolitischen Programmen Erfolg gehabt.
Ich darf Sie daran erinnern, daß mittlerweile — wir werden das in diesem Jahr erreichen — 300 000 neue Wohnungen gebaut werden. Ich sage nicht, daß das genügt; aber ich sage, daß das ein politischer Erfolg ist,
daß wir 300 000 Wohnungen in diesem Jahr dank der Programme der Bundesregierung bauen.
Der Bund hat die Mittel für den sozialen Wohnungsbau in den Altländern im Jahre 1991 auf 1,76 Milliarden DM erhöht. Er hat für die neuen Bundesländer 1 Milliarde Mark bereitgestellt. Er hat zweitens für die neuen Bundesländer im Rahmen des Gemeinschaftswerks „Aufschwung Ost" Abschreibungsmöglichkeiten und Zuschüsse im Rahmen des Kreditprogramms für Wiederaufbau bereitgestellt, die es ermöglichen, drei Millionen Wohnungen der sozialistischen Plattenbauweise zu sanieren und menschenwürdige Bedingungen für die Bundesbürger in den neuen Bundesländern zu schaffen.
Wir erreichten mit diesem Programm, daß mit der Sanierung Energieeinsparung finanziert wird, sich die Wohnqualität verbessert und zugleich Umweltschutz geleistet wird. Ich erwähne nur das CO2-Problem, das hier mit den Leistungen des Bundes auch über die Sanierung der sozialistischen Plattenbauten gelöst wird.Drittens. Der Bund hat die Abschreibungen für die eigengenutzten Wohnungen in § 10e verbessert.Viertens. Der Bund hat das Baukindergeld erhöht.Fünftens. Er hat die Abschreibungen für den vermieteten Wohnraum wesentlich verbessert, so daß auch vermehrt privates Kapital wieder in den Wohnungsbau fließen kann.
Meine Damen und Herren, es genügt nicht, wie es die SPD hier vorträgt, zu polemisieren oder Programme zu fordern, die niemand finanzieren kann. Es sind notwendig, wie das auch von Herrn Kansy und der Frau Bundeswohnungsbauministerin AdamSchwaetzer dargestellt worden ist, zielgerichtete Pro-
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Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. September 1991 3343
Otto Reschkegramme, die die Eigeninitiative fördern, die soziale Ausgewogenheit der Maßnahmen sicherstellen und die Möglichkeiten der Mietwohnungsbaumaßnahmen erhöhen. Ich meine, die Bundesregierung hat gehandelt. Ich meine, die Maßnahmen, die vorgetragen worden sind, werden helfen, die Probleme zu lösen. Zu Panikmache und Polemik, wie sie die SPD betreibt, besteht kein Anlaß.Herzlichen Dank.
Meine Damen und Herren, damit ist die Aktuelle Stunde beendet.
Wir sind damit am Schluß unserer heutigen Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 19. September 1991, 9 Uhr ein.
Die Sitzung ist geschlossen.