Gesamtes Protokol
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Sitzung ist eröffnet. Ich rufe Punkt 1 der Tagesordnung auf: Fragestunde
— Drucksache 12/83 —
Ich rufe zunächst den Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten auf. Der Fragesteller, der Abgeordnete Lennartz, hat um schriftliche Beantwortung seiner beiden Fragen, der Fragen 1 und 2, gebeten. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Herr Staatssekretär Gallus, damit ist Ihre Funktion für heute erfüllt. Vielen Dank für die Vorbereitung.
Wir kommen dann zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung. Der Fragesteller, der Abgeordnete Schreiner, hat ebenfalls um schriftliche Beantwortung seiner beiden Fragen, der Fragen 3 und 4, gebeten. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich rufe nun den Geschäftsbereich des Bundesministers für Frauen und Jugend auf. Zur Beantwortung der Fragen ist der Parlamentarische Staatssekretär Hintze da.
Ich rufe die Frage 5 der Abgeordneten Frau Dr. Höll auf:
Wie wird die Finanzierung der freien Träger der Jugendhilfe in der ehemaligen DDR nach dem Kinder- und Jugendhilfegesetz gewährleistet, und wie erfolgt die Weiterführung der Förderung für diejenigen freien Träger der Jugendhilfe, die 1990 durch das BMJFFG anschubfinanziert wurden, 1991 jedoch der Förderungskompetenz der Länder bzw. der Kommunen unterliegen, ohne daß dort die über die Vergabe von Fördermitteln befindenden Jugendausschüsse schon ihre Arbeit aufgenommen haben?
Herr Staatssekretär, Sie haben das Wort.
Frau Kollegin, die Förderung von Trägern der freien Jugendhilfe erfolgt auf der Grundlage des Kinder- und Jugendhilfegesetzes. Sie obliegt grundsätzlich den Kreisen und kreisfreien Städten als örtlichen Trägern der Jugendhilfe, den Landesjugendämtern und den obersten Landesjugendbehörden. Eine Förderung aus Mitteln des Bundes ist nach Art. 1 § 83 KJHG entsprechend den vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Grundsätzen nur zulässig, soweit die Maßnahme von überregionaler Bedeutung ist und ihrer Art nach nicht durch ein Land allein wirksam gefördert werden kann.
Bereits das am 29. Juli 1990 in der ehemaligen DDR in Kraft getretene Jugendhilfeorganisationsgesetz verpflichtete in § 7 die Kreise und kreisfreien Städte zur Errichtung von Jugendwohlfahrtsausschüssen, die seit der Überleitung des KJHG am 3. Oktober 1990 die Bezeichnung „Jugendhilfeausschüsse" tragen. Sollte ein Jugendhilfeausschuß in einzelnen Kreisen oder Städten noch nicht gebildet sein, so ist es Aufgabe der Kommunalaufsichtsbehörde, auf die umgehende Einrichtung eines Jugendhilfeausschusses hinzuwirken.
Auf Grund der gesetzlichen Zuständigkeitsverteilung zwischen Bund, Ländern und Kreisen bzw. kreisfreien Städten ist eine Bundesfinanzierung örtlicher Maßnahmen nicht möglich.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Danke sehr. — Frau Abgeordnete Dr. Höll, möchten Sie eine Zusatzfrage stellen?
Ja. — Die Schwierigkeit besteht ja darin, daß diese Ausschüsse zum großen Teil noch nicht existieren und selbst bei Existenz dieser Ausschüsse in den Kommunen derzeit kein Geld vorhanden ist.
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Darf ich fragen, was die Frage daran war.
Die Frage war, ob man den derzeitigen besonderen Gegebenheiten in den neuen Bundesländern nicht noch spezieller Rechnung tragen müßte.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Staatssekretär.Hintze, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin, Sie haben hier generelle Fragen angesprochen: die erste ist die generelle Frage der Finanzausstattung der Kommunen, die zweite ist die generelle Frage, ob die Regelungen nun von den zuständigen Ebenen auch wahrgenommen werden. Ich muß wiederholen, daß es Aufgabe der kommunalen Aufsichtsbehörde in den neuen Bundesländern ist, rasch auf die Einrichtung solcher Jugendhilfeausschüsse hinzuwirken.
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292 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 8. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Februar 1991
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Frau Abgeordnete, Sie haben eine weitere Zusatzfrage.
Das wäre dann die Frage Nr. 6.
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Nein, haben Sie zu diesem Komplex noch eine Zusatzfrage? — Da das nicht der Fall ist, darf ich fragen, ob dazu sonst noch jemand eine Frage stellen will. — Auch das ist nicht der Fall.
Dann kommen wir zur Beantwortung der Frage 6 der Frau Abgeordneten Dr. Höll:
Was unternimmt die Bundesregierung, um gemäß ihrem Bekenntnis in den Koalitionsvereinbarungen einen Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz zu schaffen, damit die vorhandenen Kindertagesstätten in den neuen Bundesländern erhalten bleiben und über den 30. Juni 1991 hinaus finanziell abgesichert werden, und welche Vorstellungen bestehen bei der Bundesregierung hinsichtlich der finanziellen Unterstützung vor allem der vielerorts zahlungsunfähigen Kommunen, um Schließungen von Kindertagesstätten und um Folgeprobleme wie die dadurch sich weiter zuspitzende Frauenarbeitslosigkeit zu verhindern?
Hintze, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin, um die Weiterführung der Tageseinrichtungen für Kinder in den neuen Ländern zu gewährleisten, beteiligt sich der Bund gemäß Art. 31 Abs. 3 des Einigungsvertrages bis zum 30. Juni 1991 an den Kosten dieser Einrichtungen. Im Rahmen der von der Mehrzahl der Länder unterzeichneten vorläufigen Verwaltungsvereinbarung hat der Bund für diesen Zweck 1 Milliarde DM bereitgestellt. Die Länder leiten diese Mittel an die Kommunen weiter.
Unabhängig von der besonderen Verpflichtung aus Art. 31 Abs. 3 des Einigungsvertrages trägt der Bund aus Mitteln des Fonds „Deutsche Einheit" sowie durch besondere Investitions- und Kreditprogramme dazu bei, daß die Funktionsfähigkeit der Kommunen erhalten bleibt und auf diese Weise eine bedarfsgerechte Fortführung der Tageseinrichtungen auch über den 30. Juni 1991 hinweg sichergestellt werden kann.
Einen Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz will die Bundesregierung gemäß der Koalitionsvereinbarung mit den Ländern schaffen, mit denen wir daher intensive Gespräche und Verhandlungen über eine entsprechende Novellierung des Kinder- und Jugendhilfegesetzes führen werden.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Zusatzfrage.
Im Koalitionspapier gibt es, wie Sie es gerade gesagt haben, einen Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz. Wir haben aber in den fünf ehemaligen DDR-Ländern und in Berlin Kindertagesstätten gehabt. Inwieweit ist es geplant, das in Übereinstimmung zu bringen?
Hintze, Parl. Staatssekretär: Dies wird im Rahmen der Abstimmung mit den Bundesländern in die Diskussion einzubeziehen sein.
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Zu einer Zusatzfrage der Abgeordnete Bindig.
Herr Staatssekretär, Sie haben einige finanzielle Beträge genannt. Haben Sie denn einmal
durchgerechnet, ob diese Beträge, die Sie genannt haben, ausreichten, um diese Kindertagesstätten in allen Kommunen der ehemaligen DDR auch wirklich fortführen zu können?
Hintze, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, die dafür zur Verfügung gestellten Beiträge gemäß der Vereinbarung im Einigungsvertrag reichen nicht aus, um alle Kosten abzudecken. Im Einigungsvertrag ist lediglich vorgesehen, daß sich der Bund bis zum 30. Juni an diesen Kosten beteiligt. Je nach Schätzung der Aufwendungen für diese Einrichtungen liegt die effektive Höhe dieser Beteiligung bei 30 % bis 40 %.
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Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Reddemann.
Herr Staatssekretär, da die Finanzzusagen des Bundes, wie Sie selbst noch einmal betont haben, am 30. Juni auslaufen, also die Frist nur noch sehr kurz ist, möchte ich fragen: Was schätzen Sie, wie schnell zeitlich die Möglichkeit besteht, daß sich Bund und Länder über das neue Konzept einigen?
Hintze, Parl. Staatssekretär: Ich hoffe, daß das unter dem Druck der Notwendigkeiten sehr rasch geschieht, Herr Kollege.
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Weitere Zusatzfragen? — Das ist nicht der Fall.
Dann rufe ich den Geschäftsbereich des Bundesministers für Gesundheit auf. Zur Beantwortung ist die Parlamentarische Staatssekretärin Frau Dr. Bergmann-Pohl anwesend.
Ich rufe die Frage 7 der Frau Abgeordneten Dr. Otto auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung unter dem Aspekt der Regelung im Einigungsvertrag, wonach Polikliniken im Gebiet der östlichen Bundesländer für fünf Jahre Bestandsschutz genießen, die Möglichkeit, daß die jeweiligen kommunalen Dienstherrn den Ärztinnen und Ärzten auf Grund der Unwirtschaftlichkeit der Polikliniken kündigen bzw. kündigen müssen, um diese zur Freiberuflichkeit zu veranlassen?
Frau Kollegin Dr. Otto, die Frage 7 möchte ich wie folgt beantworten: Nach dem Einigungsvertrag sind im Beitrittsgebiet ärztlich geleitete kommunale, staatliche und frei-gemeinnützige Gesundheitseinrichtungen einschließlich der Einrichtungen des Betriebsgesundheitswesens bis zum 31. Dezember 1995 kraft Gesetzes zur ambulanten Versorgung von Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung zugelassen, soweit sie diese wirtschaftlich erbringen. Eine Bestandsgarantie für diese Einrichtungen sieht das Gesetz dagegen nicht vor.Soweit die poliklinischen Einrichtungen GKV-versicherte Leistungen der ambulanten ärztlichen Versorgung erbringen, werden sie nach den Vorschriften des Kassenarztrechtes vergütet. Es gelten die Grundsätze der Beitragsatzstabilität und der Wirtschaftlichkeit der Leistungserbringung.
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Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 8. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Februar 1991 293
Parl. Staatssekretär Frau Dr. Bergmann-PohlSoweit Personalüberhänge in poliklinischen Einrichtungen zu einer unwirtschaftlichen Leistungserbringung führen, können Kündigungen durch Träger der Einrichtungen notwendig werden. Im Einzelfall gilt das Kündigungsschutzrecht. Über Streitigkeiten wegen der Rechtmäßigkeit solcher Kündigungen entscheiden die zuständigen Gerichte.
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Eine Zusatzfrage, Frau Abgeordnete.
Der ganzen Sache gegenüber steht die Tatsache, daß es in den großen Polikliniken mit sehr vielen Fachabteilungen keine finanzielle Absicherung gibt. Dort sind die Abschlagszahlungen so gering, daß der Bestand der Poliklinik im Moment nicht gesichert werden kann. Ich kenne das aus einem Beispiel der Poliklinik Chemnitz — —
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Verzeihung, Frau Kollegin: Die Frage!
Die Frage lautet: Wie denkt man sich die Finanzierung bei der extremen Finanzlage der Kommunen und den zu geringen Abschlagszahlungen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Frau Staatssekretärin.
Frau Dr. Bergmann-Pohl, Parl. Staatssekretär: Pro Arzt ist eine Abschlagszahlung von 10 000 DM vorgesehen. Dieser Betrag ist auch über die Kassenärztliche Bundesvereinigung gezahlt worden. In der Tat ist es so, daß ca. 30 % der Leistungen der Polikliniken nicht zu den Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung gehören. Dabei handelt es sich z. B. um arbeitsmedizinische Aufgaben, Familienfürsorge, Schwangeren- und Mütterberatung, Kinderbetreuung, Drogenberatung und anderes. Innerhalb der Kommunen muß geklärt werden, inwieweit diese Finanzierung sichergestellt wird.
Ich kann Ihnen dazu sagen, daß ab 1. März 1991 eine gesonderte Abrechnung, z. B. von Heilhilfsleistungen, die ja auch über die Polikliniken erfolgen, d. h. Massagebäder usw., ohne Minderung der Fallpauschale erfolgt und daß des weiteren die Kassenärztliche Bundesvereinigung und die Spitzenverbände der Kassen zur Zeit darüber beraten, inwieweit die Fallpauschalen erhöht werden können.
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Danke sehr. Weitere Zusatzfrage? — Das ist nicht der Fall. Dann zu einer Zusatzfrage Herr Kollege Opel.
Frau Staatssekretärin, können Sie mir freundlicherweise den Unterschied zwischen Versorgungssicherung und Bestandsschutz erklären? — Das eine wollen Sie garantieren, das andere nicht.
Frau Dr. Bergmann-Pohl, Parl. Staatssekretär: Herr Abgeordneter, Sie wissen, daß im Einigungsvertrag steht, daß die Niederlassung in freier Praxis gefördert werden soll, daß aber zum anderen im Einigungsvertrag, dem auch die SPD zugestimmt hat, steht, daß die Polikliniken auf eine wirtschaftliche Basis gestellt
werden sollen. Das heißt, hier müssen die Länder und Kommunen überlegen, wie sie die Polikliniken wirtschaftlich führen werden.
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Zu einer Zusatzfrage Frau Dr. Enkelmann.
Frau Bergmann-Pohl, Sie als ehemalige Ärztin der östlichen Bundesländer kennen die Vorzüge von Polikliniken. Was wollen Sie in Ihrer jetzigen Tätigkeit tun, um Polikliniken zu erhalten?
Frau Dr. Bergmann-Pohl, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin Enkelmann, wir sind uns darüber im klaren, daß wir im Einigungsvertrag festgelegt haben — ich muß das jetzt wiederholen — , daß die Niederlassung in freier Arztpraxis der maßgebliche Träger einer ambulanten Versorgung sein wird. Das heißt, hier muß die Kommune überlegen, inwieweit Polikliniken wirtschaftlich weitergeführt werden. Die ambulante Versorgung des Patienten muß gewährleistet werden. Darum ist eine Übergangszeit von fünf Jahren für das Weiterbestehen von Polikliniken im Einigungsvertrag festgelegt worden.
Vielen Dank, Sie haben meine Frage nicht beantwortet.
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Verzeihung, es werden hier keine Kommentare abgegeben.
Zu einer weiteren Zusatzfrage Frau Kollegin Weyel.
Frau Staatssekretärin, wie stellen Sie sich die Garantie für die Versorgung der Bevölkerung praktisch vor, wenn auf der einen Seite den Polikliniken zur Zeit tatsächlich die Mittel fehlen, ihren Betrieb weiterzuführen, und sich andererseits Ärzte nicht niedergelassen haben, weil sie keine abgesicherte Existenzmöglichkeit haben? Wie soll das, abgesehen von dem, was auf dem Papier steht, aussehen? Sie selbst sind Ärztin; Sie müßten doch eine Vorstellung davon haben.
Frau Dr. Bergmann-Pohl, Parl. Staatssekretär: Ich kann Ihnen darauf antworten, daß sich bereits 6 000 Ärzte frei niedergelassen haben. Ich habe vor ca. 10 Tagen an alle Länder ein Telefax mit der Frage herausgegeben, ob in einem Gebiet die ambulante Versorgung der Patienten — das ist unser Hauptziel — gefährdet ist. Ich habe von keinem der fünf neuen Länder eine Information zurückbekommen, daß eine Gefährdung der ambulanten Versorgung der Patienten besteht.
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Gibt es weitere Zusatzfragen?Dann rufe ich jetzt die Frage 8 der Frau Abgeordneten Dr. Otto auf:Wie beurteilt die Bundesregierung die soziale und berufliche Zukunft sowie die altersbedingten Schwierigkeiten der älteren Ärztinnen und Ärzte, die nach einer etwaigen Kündigung auf Grund der Unwirtschaftlichkeit einer Poliklinik existentiell nicht abgesichert sind?Zur Beantwortung, Frau Staatssekretärin.
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294 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 8. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Februar 1991
Frau Dr. Bergmann-Pohl, Parl. Staatssekretär: Frau Dr. Otto, ich möchte Ihre Frage folgendermaßen beantworten: Die Bundesregierung ist davon überzeugt, daß auch ältere Ärztinnen und Ärzte gute Voraussetzungen für eine freiberufliche Tätigkeit mitbringen.Sollten sie nach einer bisherigen Beschäftigung in Polikliniken arbeitslos werden oder von Arbeitslosigkeit bedroht sein, steht das Instrumentarium des Arbeitsförderungsgesetzes zur Verfügung. Insbesondere können sie im Rahmen von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen tätig werden sowie Lohnkostenzuschüsse in Anspruch nehmen. Gegebenenfalls kommt auch ein Altersübergangsgeld in Betracht.Darüber hinaus sollten die fünf neuen Bundesländer Überlegungen anstellen, inwieweit in einer wirtschaftlichen Umstrukturierung der ambulanten Versorgung auch diesen Ärzten eine weitere Betätigung ermöglicht werden kann.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Eine Zusatzfrage, Frau Dr. Otto.
Wie sehen Sie ihre Antwort unter dem Aspekt der Tatsache, daß ganze Polikliniken mit sehr vielen Fachabteilungen einen relativ alten Arztbestand haben, und unter dem Aspekt, daß keine Räume zur Verfügung stehen und die Treuhand lustig auf den Gebäuden sitzt, so daß eine Umsetzung ihrer Vorstellungen de facto nicht möglich ist?
Frau Dr. Bergmann-Pohl, Parl. Staatssekretär: Ich muß in diesem Zusammenhang auch auf den § 311 des Einigungsvertrages hinweisen. In Abs. 3 steht:
Soweit dies zur Sicherstellung der ambulanten ärztlichen Versorgung erforderlich ist, können die Spitzenverbände der Krankenkassen und die Kassenärztliche Bundesvereinigung gemeinsam bis zum 31. Dezember 1995 eine Treuhandgesellschaft zur Übernahme der Trägerschaft von Einrichtungen nach Absatz 2 gründen, um deren Fortbestand zu ermöglichen.
Das ist eine Möglichkeit.
Als zweite Möglichkeit — das ist bereits praktiziert worden — können sich auch ältere Ärzte mit Hilfe von günstigen Krediten in Polikliniken frei niederlassen. Dafür gibt es sowohl in Sachsen-Anhalt als auch in Chemnitz Beispiele.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Frau Kollegin Dr. Otto, Sie haben eine weitere Zusatzfrage.
Ich sehe, daß Sie den Bestand der Poliklinken wahrscheinlich nicht sichern wollen und habe deshalb keine Frage mehr an Sie.
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Meine Damen und Herren, ich darf noch einmal auf folgendes hinweisen: In der Fragestunde werden Fragen gestellt und keine Kommentare abgegeben. Ich bitte, diese Geschäftsordnungsregel zu beachten.
Zusatzfrage des Kollegen Opel.
Frau Staatssekretärin, ich habe festgestellt, daß Sie ältere Ärztinnen und Ärzte, also Kolleginnen und Kollegen von Ihnen, auf das soziale Netz
verweisen. Sind Sie nicht mit mir der Meinung, daß es viel wichtiger wäre, zu überlegen, wie angesichts des Ärztemangels in den fünf neuen Bundesländern die Bundesregierung dafür sorgen könnte, daß die älteren Ärztinnen und Ärzte weiter praktizieren können?
Frau Dr. Bergmann-Pohl, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Opel, ich möchte Ihnen darauf antworten, daß mir nicht bekannt ist, daß in den fünf neuen Ländern Ärztemangel vorherrscht.
Zweitens muß ich dazu sagen, daß es bereits positive Beispiele dafür gibt, daß sich auch ältere Ärzte unter günstigen Konditionen, die ihnen in den Kommunen angeboten worden sind, innerhalb der Polikliniken frei niedergelassen haben.
Wir sind uns sehr wohl bewußt, daß diese Gruppe unterstützt werden muß. Aber hier liegt die Verantwortung auch mit bei den Ländern. Die Bundesregierung ist bereits dabei, Modellvorstellungen zu entwikkeln, wie hier Hilfe geleistet werden kann.
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Eine weitere Zusatzfrage, Frau Fischer.
Frau Bergmann-Pohl, könnten Sie mir sagen, wie lange ein älterer Arzt dann, wenn er sich frei niedergelassen hat, noch arbeiten muß, um seinen sogenannten kostengünstigen Kredit abzuarbeiten? Oder müssen das dann seine Kinder übernehmen, bzw. wer trägt den letzten Rest, wenn er bereits unter der Erde liegen sollte?
Frau Dr. Bergmann-Pohl, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin, erstens sind bereits positive Beispiele vorhanden; ich muß das nicht noch einmal wiederholen.
Zweitens hat der Arzt, der sich frei niederläßt und Kredite aufnimmt, wenn er in das Rentenalter kommt, die Möglichkeit, seine Praxis zu veräußern.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Danke sehr. Weitere Zusatzfragen werden nicht gestellt. Frau Parlamentarische Staatssekretärin, Ihr Debüt in dieser Funktion ist damit beendet.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau auf. Zur Beantwortung ist der Parlamentarische Staatssekretär Echternach anwesend.
Ich rufe die Frage 9 des Abgeordneten Reimann auf:
Ist die Bundesregierung bereit, die Einkommensgrenze für die Berechnung des Wohnungsberechtigungsscheins, § 25 des Zweiten Wohnungsbaugesetzes, den gestiegenen Lebenshaltungskosten anzupassen, da die letzte Anpassung 1980 erfolgte, und wenn ja, wann wird diese Anpassung durchgeführt werden?
Herr Kollege Echternach.
Die Koalitionsvereinbarung für diese Legislaturperiode enthält in dem hier interessierenden Zusammenhang folgende Aussage:
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Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 8. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Februar 1991 295
Parl. Staatssekretär EchternachUm ungerechtfertigte Ausschlußwirkungen bei der Eigentumsförderung zu verhindern, ist im Laufe der Legislaturperiode eine Anhebung der Einkommensgrenzen in Verbindung mit einer flexibleren Förderung notwendig.Weitergehende Aussagen der Bundesregierung sind derzeit nicht möglich.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege Reimann, eine Zusatzfrage?
Dann, wenn die Bundesregierung nicht antworten kann, nicht mehr. Es tut mir leid.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Gibt es Zusatzfragen zu diesem Thema? — Nein.
Dann rufe ich die Frage 10 der Frau Abgeordneten Dr. Enkelmann auf:
Wie können die Mieten in den neuen Bundesländern „sozial verträglich" angehoben werden, wenn künftig die Betriebskosten auf die Mieten umgeschlagen werden dürfen, wenn außerdem u. a. die Tarife bei Post, Bahn, städtischem Nahverkehr, Energie und Gas steigen, ohne daß damit eine entsprechende Einkommensentwicklung einhergeht, und handelt es sich hier nicht eindeutig um einen Verstoß gegen den Einigungsvertrag (Kapitel XIV, Abschnitt II, Abs. 7)?
Herr Parlamentarischer Staatssekretär, Sie haben das Wort zur Beantwortung.
Echternach, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin Enkelmann, die Bundesregierung wird in den neuen Ländern Mieterhöhungen selbstverständlich nur im Rahmen der Ermächtigung des § 11 des Miethöhegesetzes vornehmen, d. h. schrittweise und unter Berücksichtigung der Einkommensentwicklung. Auch bei der Umlage der Betriebskosten, zu der sie nach § 11 des Miethöhegesetzes ohne diese Einschränkung ermächtigt ist, kommt für sie selbstverständlich nur eine sozial verträgliche Lösung in Betracht. Sie wird dabei besonders zu berücksichtigen haben, daß die allgemeinen Betriebskosten bereits nach geltendem Recht auch in den alten Bundesländern auf die Mieten umgelegt und bei der Bemessung des Wohngeldes berücksichtigt werden können. Bei der Umlegung von Heiz- und Warmwasserkosten wird sie zu bedenken haben, daß Heizenergie in den neuen Ländern zum Teil unwirtschaftlich erzeugt wird und daß die Mieter häufig nicht in der Lage sind, den Heizenergieverbrauch zu regeln.
Dem in der Regierungserklärung des Bundeskanzlers angekündigten speziellen Wohngeld in den neuen Ländern wird für die vorgesehene Regelung insgesamt eine besondere Bedeutung zukommen.
Die Einzelheiten der ins Auge gefaßten Lösung werden derzeit noch beraten. Entscheidungen hat die Bundesregierung noch nicht getroffen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Danke sehr. Eine Zusatzfrage, Frau Dr. Enkelmann?
Herr Staatssekretär, Sie kennen die Liquiditätsprobleme der Wohnungsgenossenschaften. Was wird von Ihrer Seite getan, um die Wohnungsgenossenschaften zu sichern?
Echternach, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin, Sie wissen, daß dies nach dem Einigungsvertrag zunächst Aufgabe der Länder ist. Die Bundesregierung hat sich allerdings ausdrücklich bereit erklärt, wenn die Länder die Bundesregierung dazu ersuchen, im Wege der Verwaltungshilfe tätig zu werden. Ein solches Ersuchen liegt bisher nicht vor.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Danke. Gibt es eine weitere Zusatzfrage? — Das ist nicht der Fall. Dann bedanke ich mich, Herr Staatssekretär.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit auf. Zur Beantwortung der Fragen ist der Parlamentarische Staatssekretär Repnik anwesend.
Ich rufe die Frage 11 des Abgeordneten Bindig auf:
Muß damit gerechnet werden, daß die asiatischen Länder , die von den Folgen der Golfkrise schwer getroffen sind, von der Bundesregierung 1991 geringere Entwicklungshilfezusagen erhalten sollen als 1990?
Herr Präsident! Die Bundesregierung wird ihre Vorstellungen über den Rahmen der Entwicklungshilfezusagen an einzelne Länder der Region im Zusammenhang mit den parlamentarischen Beratungen des Bundeshaushalts 1991 wie üblich in Form von Vertraulichen Erläuterungen darlegen.
Ich bitte daher das Hohe Haus, insbesondere den Kollegen Bindig, um Verständnis dafür, daß diesen vertraulichen parlamentarischen Beratungen heute von dieser Stelle aus nicht vorgegriffen werden kann.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege Bindig, Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, auch wenn man das hier vielleicht nicht für einzelne Länder sagen kann — das ist mir in der Tat, wie Sie sagen, dann in den Vertraulichen Erläuterungen zugänglich — , so geht es doch um Trendentscheidungen. Ob absehbar ist, daß die Zusagen in etwa der gleichen Höhe gehalten werden können, ob es wahrscheinlich deutlich geringere Zusagen geben wird oder ob sogar eine Chance besteht, höhere Zusagen zu machen, ist doch etwas, was wir hier durchaus fragen und erörtern können.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Staatssekretär.Repnik, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Bindig, die Bundesregierung wird bei ihrer ländermäßigen Verteilungsplanung unter Beachtung dessen, was heute im Kabinett für den Haushalt 1991 verabschiedet wurde, gebührende Rücksicht auf die Länder nehmen, die von den Folgen der Golfkrise und dieses Krieges schwer getroffen sind, und zwar unabhängig davon, ob diese Länder in Asien oder in anderen Regionen liegen. Sie hat, wie Sie ja wissen, für die von den Boykott-Folgen besonders betroffenen Länder Türkei, Jordanien und Ägypten bereits 1990 eine Son-
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296 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 8. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Februar 1991
Parl. Staatssekretär Repnikderhilfe von rund einer halben Milliarde DM bereitgestellt und für 1991 für Ägypten, die Türkei, Jordanien und Syrien weitere Sonderhilfen von insgesamt 550 Millionen DM vorgesehen. Sie wird bei der Fortschreibung, auch bei der Rahmenplanung, besonders darauf Rücksicht zu nehmen versuchen, daß die Länder, die vom Golfkrieg besonders betroffen sind, darunter nicht zusätzlich zu leiden haben werden.
Herr Staatssekretär, haben Sie bemerkt, daß sich meine Frage ganz bewußt nicht auf die Länder bezog, die unmittelbar im Umfeld der Ereignisse am Golf liegen, sondern auf die Länder, die in der öffentlichen Aufmerksamkeit womöglich etwas in den Hintergrund treten, aber trotzdem von der Golfkrise betroffen sind; und könnten Sie vielleicht auch dieses kurze Gespräch hier zum Anlaß nehmen, bei den weiteren Beratungen, bei denen es dann um die Einzelzuteilung der Mittel geht, darauf zu achten, daß diese Länder ausreichend bedacht und auch mit Verpflichtungsermächtigungen berücksichtigt werden?
Repnik, Parl. Staatssekretär: Diese Fragestellung, Herr Kollege Bindig, ist mir in der Tat nicht entgangen. Dennoch dachte ich, daß die Kolleginnen und Kollegen ein Interesse haben, auch zu erfahren, was in der unmittelbaren Region geschieht.
Ich kann noch einmal die grundsätzliche Aussage machen, daß wir uns bemühen, diese Folgen im Rahmen der Haushaltsberatungen, insbesondere der Rahmenplanung, und der Vertraulichen Erläuterungen zu berücksichtigen.
Zu weitergehenden Aussagen bin ich heute nicht in der Lage, weil auch sie den parlamentarischen Beratungen vorbehalten bleiben.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Vielen Dank, Herr Staatssekretär. Zu einer Zusatzfrage der Kollege Dr. Rose.
Kann der Herr Staatssekretär dem Herrn Kollegen Bindig, soweit auf einzelne Länder Bezug genommen wird, vielleicht mit dem Hinweis helfen,
daß möglicherweise bei dem demnächst stattfindenden Staatsbesuch des Herrn Bundespräsidenten in Indien über dieses Thema so positiv wie möglich gesprochen wird?
Repnik, Parl. Staatssekretär: Ja, Herr Kollege Rose, auch dieses Thema wird natürlich eine Rolle spielen. Bundesminister Spranger wird den Herrn Bundespräsidenten auf dieser Reise begleiten.
Ich möchte nur noch einmal darauf hinweisen, daß wir im Rahmen sehr sorgfältiger bilateraler Gespräche mit allen betroffenen Ländern diese Fragen natürlich erörtern.
Ich kann und will heute in dieser Frage nichts präjudizieren. Auch Sie wissen, daß wir heute keine Erwartungen wecken dürfen, denen wir dann in den anstehenden Regierungsverhandlungen möglicherweise nicht gerecht werden können. Es ist ein allgemeiner Usus, daß diese Fragen vertraulich und nicht
auf dem Markt behandelt werden. Ich bitte um Verständnis dafür.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Danke sehr, Herr Staatssekretär. — Keine weitere Zusatzfrage.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen. Zur Beantwortung ist Herr Parlamentarischer Staatssekretär Carstens da.
Herr Staatssekretär, ich bitte Sie, zunächst die Frage 12 des Abgeordneten Opel zu beantworten
Wie hoch sind die Summen, welche die SED/PDS, die Blockparteien der ehemaligen DDR und die Massenorganisationen der ehemaligen DDR mit Einführung der Währungsunion in D-Mark umgetauscht haben?
Herr Kollege Opel, Rechts- und Eigentumsverhältnisse der ehemaligen DDR-Parteien und der mit ihnen verbundenen Massenorganisationen — dazu zählen auch ausgegliederte Kapitalgesellschaften — werden von der vom Bundesinnenministerium betreuten „Unabhängigen Kommission zur Überprüfung der Vermögenswerte aller Parteien und Massenorganisationen" untersucht. Mit einer Bestandsaufnahme wurde Anfang Oktober 1990 begonnen.
Der Treuhandanstalt, die nach Maßgabe des Einigungsvertrages die treuhänderische Verwaltung des von der Kommission festgestellten Parteien- und Organisationsvermögens zu übernehmen hat, liegen wegen bisher fehlender Angaben der Kommission keine gesicherten Erkenntnisse vor, in welchem Umfang die ehemaligen DDR-Parteien, ihre Sonderorganisationen und Unternehmen „Mark -Beträge” im Zuge der Währungsunion in D-Mark umgetauscht haben.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege Opel, eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, gibt es die Möglichkeit, über die Bundesbank gegenzuprüfen?
Carstens, Parl. Staatssekretär: Ich möchte die Bundesbank und auch die Staatsbank einbeziehen. Darüber hinaus gibt es auch noch die Prüfbehörde Währungsumstellung. Das habe ich schon vorsorglich überprüfen lassen: Auch hier haben wir keine Ansatzmöglichkeit, da das sehr vielschichtig untergliedert gewesen ist und wir die Ergebnisse der Kommission, die eingesetzt worden ist, wohl oder übel abwarten müssen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, beabsichtigt die Bundesregierung, die Prüfberichte, die Sie angesprochen haben, lückenlos zu veröffentlichen?
Carstens, Parl. Staatssekretär: Wir erwarten demnächst einen Zwischenbericht, da der Abschlußbericht sicherlich noch länger auf sich warten lassen wird. Selbstverständlich wird die Bundesregierung diesen Zwischenbericht dem Bundestag zuleiten.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Dr. Hitschler, eine Zusatzfrage.
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Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 8. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Februar 1991 297
Herr Staatssekretär, ist dabei daran gedacht, gesondert zu ermitteln, welche Vermögensteile die SPD in das Vermögen der SED eingebracht hat, und hat die SPD schon Ansprüche auf Restitution angemeldet?
— Ja, sicher, bei der Vereinigung der Kommunistischen Partei und der SPD zur SED.
Carstens, Parl. Staatssekretär: Die Bundesregierung hat nicht vor, auf die Arbeitsweise dieser unabhängigen Kommission einzuwirken. Inwieweit es Einzelüberprüfungen geben wird, vermag ich im voraus nicht zu sagen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Bitte, Herr Kollege Schwanhold.
Herr Staatssekretär, stimmen Sie mir zu, daß es sehr leicht möglich sein müßte, die Vermögensverhältnisse der Blockparteien, die der CDU und der FDP zuzuordnen sind, heute offenzulegen, da sie ja angeblich alles abgegeben haben?
Carstens, Parl. Staatssekretär: Ich beziehe mich auf meine vorhergehende Antwort.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Bitte, eine Zusatzfrage des Kollegen Dr. Seifert.
Herr Staatssekretär, Sie wissen, daß sehr viele gemeinnützige Organisationen insbesondere aus der ehemaligen DDR große Hoffnungen darin setzen, aus dem abgegebenen Vermögen aller Parteien und Organisationen der ehemaligen DDR Zuwendungen zu bekommen. Auch wenn die korrekte Summe von Ihnen jetzt noch nicht benannt werden kann, wäre es nicht möglich, im Vorgriff bestimmte Summen auszuzahlen? Denn Sie wissen, daß diese Organisationen häufig in einer sehr schwierigen finanziellen Lage sind. Ich nenne beispielsweise den Allgemeinen Behindertenverband in Deutschland; aber das betrifft viele andere auch.
Meine Frage lautet also: Ist es nicht möglich, schon im Vorgriff bestimmte Summen zu zahlen, damit diese Organisationen weiterhin ihrer nützlichen Tätigkeit nachgehen können?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Zur Beantwortung der Zusatzfrage Herr Staatssekretär, bitte.
Carstens, Parl. Staatssekretär: Das ist eine sehr verständliche und überlegenswerte Frage. Inwieweit sich die Bundesregierung imstande sieht, hierzu eine konkrete Aussage zu machen, vermag ich nicht zu sagen; jedenfalls kann ich das heute nicht tun, wofür Sie sicherlich Verständnis haben werden.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Eine weitere Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, daß der Allgemeine Behindertenverband, der eben angesprochen wurde, erhebliche Millionenbeträge aus dem Vermögen des
FDGB bekommen hat? Nach meiner Kenntnis sind es etwa 110 Millionen.
Carstens, Parl. Staatssekretär: Ich kann das auf Anhieb nicht bestätigen, will aber der Sache gerne nachgehen. Wenn Sie es sagen, will ich es gerne glauben.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Gibt es weitere Zusatzfragen dazu? — Das ist nicht der Fall.
Herr Staatssekretär, die Fragen 13 des Abgeordneten Hinsken und 14 des Abgeordneten Kirschner sollen schriftlich beantwortet werden; die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich rufe Frage 15 der Kollegin Köppe auf:
Warum hat die Bundesregierung — dem Beschluß des Deutschen Bundestages vom 31. Oktober 1990 folgend — noch nicht den auf den 31. Dezember 1990 terminierten Regierungsbericht bezüglich einer Härteregelung für Opfer der Zwangsarbeit unter dem NS-Regime vorgelegt?
Carstens, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin Köppe, auf Grund erneut an die Bundesregierung herangetragener Wünsche osteuropäischer Staaten wird nochmals geprüft, ob besonders schwer geschädigten Opfern des Zweiten Weltkrieges Entschädigung gewährt werden kann. Deshalb hat es die Bundesregierung im gegenwärtigen Zeitpunkt für verfrüht gehalten, den vom Deutschen Bundestag erbetenen Bericht vor Abschluß der Prüfung des Gesamtkomplexes schon jetzt zu erstatten. Sie wird nach Prüfung der anstehenden Fragen unverzüglich berichten.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Eine Zusatzfrage, Frau Kollegin.
Welches Ergebnis hatten die diesbezüglichen Verhandlungen der Bundesregierung mit der deutschen Industrie zwecks Beteiligung an einer Entschädigungsregelung?
Carstens, Parl. Staatssekretär: Es wird in dem Bericht auch speziell auf diese Frage eingegangen werden. Die Bundesregierung bittet darum, den Gesamtkomplex im Zusammenhang behandeln zu können, weil alles andere praktisch eine Vorwegnahme des Berichts wäre. Ich bitte also darum, noch Geduld aufzubringen, bis der Gesamtbericht vorliegt.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Danke sehr. — Eine weitere Zusatzfrage, Frau Kollegin.
Wann wird der Gesamtbericht Ihrer Meinung nach vorliegen?
Carstens, Parl. Staatssekretär: Auf alle Fälle soll er bis zur Sommerpause vorliegen, aber wir bemühen uns, ihn dem Parlament noch schneller zuzuleiten.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Danke. Gibt es dazu weitere Fragen? — Das ist nicht der Fall.
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298 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 8. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Februar 1991
Vizepräsident KleinHerr Staatssekretär, der Kollege Austermann hat die Frage 16 zurückgezogen.Ich rufe Frage 17 des Kollegen Klose auf:Ist der Bundesregierung bekannt, daß die Berliner Treuhandanstalt die Mitteldeutsche Zeitung/Halle und die Freie Presse/ Chemnitz auf westdeutsche Verlage übertragen hat, und sind Zeitungsberichte zutreffend, daß dies mit ausdrücklicher Zustimmung der Bundesregierung auf deren Betreiben hin geschehen ist?Das Wort zur Beantwortung hat der Herr Staatssekretär.Carstens, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Klose, der Bundesregierung ist bekannt, daß die Mitteldeutsche Zeitung Halle und die Freie Presse Chemnitz auf westdeutsche Verlage übertragen worden sind. Die Übertragung der Freien Presse Chemnitz erfolgte noch im September 1990 unter der früheren DDR-Regierung. Die Übertragung der Mitteldeutschen Zeitung Halle fand im Dezember 1990 statt, wobei jedoch auf Grund der Größenordnung der Gesellschaft eine ausdrückliche Zustimmung der Bundesregierung nicht erforderlich war.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege Klose, eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, wenn der Bundesregierung jedenfalls im Falle der Zeitung in Halle bekannt war, daß die Veräußerung durch die Treuhandstelle vorgenommen werden sollte, was hat sie denn getan oder tut sie in solchen Fällen, um ihrer Rechtsaufsichtspflicht zu genügen, deren Ziel es doch u. a. sein müßte, einer möglichen Verletzung von Rechten Dritter entgegenzuwirken?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Staatssekretär.
Carstens, Parl. Staatssekretär: Ich nehme an, daß Ihre Frage teilweise schon in Frage 18 hinüberreicht.
Aber ich will es gern unterteilt beantworten: Zunächst einmal kann ich gar nicht bestätigen, daß uns der Vorgang vorher bekannt war. Aber das mag auch anders gewesen sein. Das spielt im Grunde nicht die entscheidende Rolle; denn wir haben bewußt Wert darauf gelegt, daß die Treuhandanstalt möglichst selbständig entscheiden kann, damit die Dinge, die dort anliegen, so schnell wie möglich abgewickelt werden können. Hierfür haben wir vorgesehen, bei gewissen Größenordnungen keine zusätzliche Genehmigung und Vorlage beim BMF für erforderlich zu erachten. Hier handelt es sich um einen Vorgang, bei dem die Treuhandanstalt in Eigenkompetenz handeln konnte. Die Treuhandanstalt hat Aufsichtsgremien und wird — ich darf es einmal so sagen — parlamentarisch betreut, z. B. durch einen Unterausschuß des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages. Wir glauben, daß die Möglichkeiten, in die Wirkungsweise der Treuhandanstalt einzugreifen, damit wirklich ausgeschöpft sind. Darüber hinaus noch in spezielle Vorgänge hineinzugehen hindert die Abläufe mehr, als sie sie befördert. Wenn es allerdings um ganz brisante Einzelfälle geht, die uns rechtzeitig bekanntwerden, sind wir selbstverständlich bereit, sie uns vorher anzusehen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege Klose, eine weitere Zusatzfrage.
Wenn die Bundesregierung in den beiden konkreten Fällen, aus welchen Gründen auch immer, nichts getan hat, um einer Verletzung von Rechten Dritter entgegenzuwirken, wenn also faktisch, wie Sie sagen, die Treuhandstelle allein entscheidet, dann frage ich Sie, da Sie ja die Aufsichtspflicht haben, ob es mindestens so etwas wie eine fachliche Weisung an die Treuhandstelle gibt, wie in den Fällen der Anlage II Sachgebiet A des Einigungsstaatsvertrages verfahren werden soll, und, falls es diese Weisung gibt, wären Sie bereit, sie mir zur Verfügung zu stellen?
Carstens, Parl. Staatssekretär: Gerne.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Frage ist damit beantwortet.
Ich rufe die Frage 18 des Herrn Abgeordneten Klose auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß mit der Übertragung dieser Verlage Rechte von Dritten — im Fall der Mitteldeutschen Zeitung/Halle Rechte der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands — zu deren Nachteil berührt worden sind, und was gedenkt die Bundesregierung, der die Rechtsaufsicht obliegt, zu tun, um die Verletzung von Rechten Dritter rückgängig zu machen, künftig zu verhindern bzw. eine angemessene Entschädigungsregelung herbeizuführen?
Herr Staatssekretär, Sie haben das Wort.
Carstens, Parl. Staatssekretär: Die Treuhandanstalt ist nach § 3 Abs. 5 des Gesetzes zur Regelung offener Vermögensfragen gesetzlich verpflichtet — deswegen meinte ich vorhin, Herr Kollege Klose, daß Ihre letzte Zusatzfrage hier hineinspielt — , sich vor einer Verfügung zu vergewissern, daß keine Restitutionsansprüche Dritter angemeldet worden sind. Falls durch die Privatisierung Rechte Dritter nachteilig berührt worden sind, kann sich für diese ein Entschädigungsanspruch ergeben: nach § 9 des Gesetzes zur Regelung offener Vermögensfragen. Umfang und Ausmaß der Entschädigung werden sich nach dem zukünftigen Entschädigungsgesetz richten, das derzeit vorbereitet wird.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter Klose, eine Zusatzfrage.
Welche Bedeutung hat eigentlich die in den Veräußerungsverträgen enthaltene Formulierung „unbeschadet der Rechte Dritter" im Hinblick auf Anlage II Kapitel II Sachgebiet A des Einigungsstaatsvertrages, oder im Klartext formuliert: Was hat eigentlich Vorrang, der Veräußerungsvertrag oder der Einigungsstaatsvertrag?Carstens, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Klose, ich mache Ihnen einen Vorschlag. Weil das hier eine sehr spezielle Formulierung ist, auf die man aus dem Stegreif nur sehr schwer antworten kann, biete ich Ihnen an, daß Sie mir diese mündliche Frage schriftlich geben und ich sie in den nächsten Tagen schrift-
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Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 8. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Februar 1991 299
Parl. Staatssekretär Carstenslich beantworte. Das scheint mir besser zu sein als eine sofortige Antwort jetzt.
Ich habe dafür Verständnis und gehe davon aus, daß diese Frage schriftlich beantwortet wird.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Sie haben eine weitere Zusatzfrage.
Möglicherweise ist auch diese zu speziell. Unterstellen wir in den beiden konkreten Fällen einmal — übrigens sind auch im Fall Chemnitz Rechte Dritter berührt —, das wäre so. Würden Sie mir zustimmen, daß die Veräußerung der beiden Zeitungen der Verpflichtung der Treuhandstelle nach Anlage II Kapitel II Sachgebiet A des Einigungsstaatsvertrages widerspricht, nach der nach 1933 enteignetes Vermögen, das später der SED, den Blockparteien und Massenorganisationen der ehemaligen DDR zugeflossen ist, auf die früher Berechtigten zurückzuführen ist?
Carstens, Parl. Staatssekretär: Sie erwarten von der Bundesregierung sicher nicht, daß sie mit präzisen Auskünften auf Fragen antwortet, die Unterstellungen enthalten, die ich nicht einmal kenne, geschweige denn bestätigen kann. Wenn Sie wollen, daß das Thema in der Sache weiter behandelt wird, will ich gerne — meinen vorherigen Vorschlag aufgreifend — das mit in die Antwort aufnehmen. Aber ich bin nicht imstande, auf Ihre Unterstellung einzugehen. Ich kann sie weder bestätigen noch dementieren.
Herr Präsident, erlauben Sie eine Zusatzbemerkung, damit die Antwort sachgerecht ausfällt?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege Klose, eine Bemerkung kann ich nicht erlauben. Ich könnte Ihnen ausnahmsweise eine dritte Frage zugestehen. Es wird Ihnen nicht schwerfallen, das in Frageform zu kleiden.
Das ist furchtbar nett. Vielen Dank.
Herr Staatssekretär, darf ich fragen, ob Ihnen mein Schreiben vom 11. Oktober 1990 nebst Anlage, in dem die Ansprüche der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands bei der Bundesregierung angemeldet werden, bekannt ist?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Staatssekretär.
Carstens, Parl. Staatssekretär: Ich versuche einmal, schnell zu finden, was gefragt wurde. Ich bin nicht sicher, ob ich es hier vorliegen habe. Aber ich schlage Ihnen vor, daß Sie mich hier fragen. Ich bleibe noch auf der Regierungsbank sitzen, solange Sie es für nötig halten — zumindest bis 14 Uhr.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Zusatzfrage, Kollege Reddemann.
Herr Parlamentarischer Staatssekretär, da in Ihren Antworten und in den Fragen des Herrn Kollegen Klose der Begriff der Blockpartei mehrfach eine Rolle spielte und dies natürlich auch bei der Frage einer eventuellen Rückerstattung eine Rolle spielen müßte, darf ich Sie fragen, ob Sie noch davon ausgehen, daß die SPD zumindest vom 5. Juni 1945 bis zum Eintritt in die SED eine eigenständige Blockpartei gewesen ist.
Carstens, Parl. Staatssekretär: Das möchte ich Ihrer eigenen Bewertung überlassen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Keine Kommentare, Herr Kollege.
Gibt es zu dieser Frage noch Zusatzfragen? — Das ist nicht der Fall.
Ich rufe die Frage 19 des Herrn Abgeordneten Dr. Modrow auf:
Gedenkt die Bundesregierung, das im Vertrag über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion zwischen der Deutschen Demokratischen Republik und der Bundesrepublik Deutschland vom 18. Mai 1990 abgegebene Versprechen einzuhalten, daß ehemalige DDR-Bürger eine Urkunde über ihren Anteil am Volkseigentum erhalten, damit sie sich später eine Wohnung oder ähnliches kaufen können, und wenn ja, wie soll das geschehen?
Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Carstens zur Verfügung.
Carstens, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Dr. Modrow, gestatten Sie, daß ich diese beiden Fragen wegen des inhaltlichen Sachzusammenhangs auch zusammen beantworte?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Dann rufe ich auch die Frage 20 des Herrn Abgeordneten Dr. Modrow auf:Wenn nein, welche andere Form der Entschädigung ist für die Enteignung des Volkes vorgesehen, wie sie jetzt durch die Privatisierung seines Vermögens seitens der Treuhandstelle erfolgt?Carstens, Parl. Staatssekretär: Art. 10 Abs. 6 des Vertrages über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion bestimmt, daß nach Möglichkeit vorzusehen sei, den Sparern ein verbrieftes Anteilsrecht am volkseigenen Vermögen einzuräumen. Die gleiche Vertragsvorschrift schreibt jedoch vor, daß zunächst eine Bestandsaufnahme des volkseigenen Vermögens und seiner Ertragsfähigkeit vorzunehmen ist und daß das volkseigene Vermögen vorrangig für die Strukturanpassung der Wirtschaft und für die Sanierung des Staatshaushalts zu nutzen sei.Die Strukturanpassung der Wirtschaft in den neuen Bundesländern ist eingeleitet. Sie bringt erhebliche Belastungen mit sich, die ihre Ursachen im verfehlten planwirtschaftlichen System der ehemaligen DDR haben. Angesichts dessen ist gegenwärtig nicht der Zeitpunkt, über die Einräumung verbriefter Anteilsrechte zu befinden.
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300 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 8. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Februar 1991
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Eine Zusatzfrage.
Ist Ihnen bekannt, daß Herr Dr. Rohwedder die genannten Werte im September auf etwa 900 Milliarden DM schätzte, dann im Oktober in Wien salopp von 600 Milliarden sprach und „Die Welt" — aus demselben Munde — darauf verweist, das Ganze sei zum Nulltarif zu haben.
Ich habe am 13. Februar 1990 auf der Pressekonferenz hier in Bonn darauf verwiesen, daß es sich im Rahmen der Treuhandvermarktung um Werte in Höhe von etwa 1,3 Billionen handelt. Wie erklären Sie sich den Schwund von 900 Milliarden auf null innerhalb von drei Monaten nach der Währungsunion? Das hat ja nun mit den vorhergehenden 40 Jahren nichts zu tun, sondern das sind Wertungen, die in der Zwischenzeit entstanden.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Parlamentarischer Staatssekretär.
Carstens, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Dr. Modrow, ich möchte Ihnen als Vertreter der Bundesregierung, des Bundesfinanzministeriums, zunächst insoweit entgegenkommen, als ich Ihnen sagen darf, daß auch mir täglich Briefe auf den Tisch kommen, die Geld anfordern. Von Geldeingängen sehe ich im Zusammenhang mit dem Ausbau der ehemaligen DDR wenig bis gar nichts.
Was Ihre konkrete Frage angeht, so weiß ich sehr wohl, daß Herr Rohwedder — wenn ich mich richtig erinnere, u. a. anläßlich seines Besuches beim Haushaltsausschuß des Deutschen Bundestages — von Vermögenswerten ehemals volkseigener Betriebe
— sogenannter ehemaliger volkseigener Betriebe — gesprochen hat. Dieser Ausdruck, Herr Kollege Reddemann, scheint besser zu sein.
Ich will mich nicht von dem distanzieren, was in Art. 10 des Vertrages über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion gesagt wurde. Ich lege nur größten Wert darauf, Herr Kollege Dr. Modrow, daß über diese Frage erst entschieden werden kann, wenn die Abläufe erfolgt sind, von denen ich eben gesprochen habe. So muß es schon sein.
Zunächst muß eine Bestandsaufnahme vorliegen, dann muß gesehen werden, welche Kosten bei der Entwicklung einer modernen Industriegesellschaft auf dem Gebiet der ehemaligen DDR anfallen, und erst dann kann über die Frage entschieden werden, ob es möglich ist, den Sparern ein verbrieftes Anteilsrecht einzuräumen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Modrow, haben Sie noch eine Zusatzfrage?
Ja, ich habe noch eine Zusatzfrage.
Ich gehe jetzt erst einmal von der Summe in Höhe von 900 Milliarden DM aus, die zuerst genannt wurde, und stelle die Summe von 60 Milliarden DM dagegen, die die DDR-Bürger — ihnen war ja zunächst zugesichert worden, daß 1 : 1 umgetauscht wird — am Ende doch von ihrem Sparguthaben verloren haben. Sind nicht die 60 Milliarden DM zu den 900 Milliarden DM eine Größe, über die man nachdenken und die man berechnen kann?
Carstens, Parl. Staatssekretär: Es war wohl der Fehler früherer Regierungen in der ehemaligen DDR, so zu rechnen, wie Sie es eben getan haben.
Folglich konnte die Rechnung auch nicht aufgehen. Man muß nämlich unterscheiden zwischen dem, was man selbst errechnet, und dem, was man später dafür bekommt.
Insofern müssen wir schon bei der Regelung verbleiben, die ich eben vorgeschlagen habe.
Gestatten Sie mir eine dritte Zusatzfrage?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Dr. Modrow, Sie haben insgesamt vier Zusatzfragen, weil Ihre beiden Fragen im Zusammenhang beantwortet werden.
Sehr gut. Dann habe ich noch eine Zusatzfrage.
Wie erklären Sie sich, daß ein und derselbe, der für Wirtschaft und Finanzen Verantwortung trägt, binnen drei Monaten von 900 Milliarden DM auf null rechnen kann? Hat das etwas mit der alten DDR zu tun, oder wird dadurch nicht sichtbar, wie mit Finanzen im Moment gerechnet wird? Wundern Sie sich, wenn in dieser Weise gerechnet wird, daß in den neuen Ländern die Finanzminister, wie wir es hier im Parlament erlebt haben, langsam mißtrauisch zu den Rechnungen werden, die im Finanzministerium aufgestellt wurden?
Carstens, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Modrow, da ich nicht weiß, ob das Zahlenmaterial aus Zeitungen stammt oder ob Herr Rohwedder dies wirklich in den Zeitabständen, wie Sie dies sagten, gesagt hat, möchte ich als Vertreter der Bundesregierung darauf nicht weiter eingehen.
Wenn dies so ist, dann erübrigt sich meine vierte Zusatzfrage.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Zu einer weiteren Zusatzfrage erteile ich dem Abgeordneten Dr. Rose das Wort.
Herr Staatssekretär, verstehen Sie die Fragen des Kollegen Dr. Modrow so wie ich, nämlich daß der Anteil der ehemaligen DDR-Bürger am ehemaligen DDR-Volksvermögen auch analog berechnet werden soll, daß also auch führende Vertreter der ehemaligen DDR einen führenden Anteil an diesem ehemaligen Volksvermögen haben möchten und daß auch Herr Modrow daran beteiligt sein möchte?
Carstens, Parl. Staatssekretär: Ich bitte Sie um Verständnis dafür, daß ich als Vertreter der Bundesregie-
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Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 8. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Februar 1991 301
Parl. Staatssekretär Carstensrung auf diese Frage nicht mit ja oder nein antworte. Aber vielleicht können Sie, verehrter Herr Kollege Dr. Rose, den Kollegen Modrow gleich einmal selbst fragen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich stelle fest, daß es keine weiteren Zusatzfragen zu der letzten Frage gibt.
Ich rufe die Frage 21 der Abgeordneten Frau Dr. Enkelmann auf:
Inwieweit werden bei der Untersuchung illegaler Waffenexporte in den Irak auch ausländische Tochterunternehmen deutscher Firmen berücksichtigt?
Zur Beantwortung erteile ich dem Parlamentarischen Staatssekretär Carstens das Wort.
Carstens, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin, Dr. Enkelmann, Außenwirtschaftsprüfungen und Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts von Verstößen gegen Vorschriften des Außenwirtschaftsrechts können sich nur gegen Unternehmen bzw. natürliche Personen im Geltungsbereich des Außenwirtschaftsgesetzes richten. Soweit dabei Erkenntnisse über Tochterunternehmen deutscher Firmen mit Sitz im Ausland anfallen, kann im Wege der Rechtshilfe die Zollverwaltung oder eine sonstige Ermittlungsbehörde des ausländischen Staates um Aufklärung gebeten werden. Da das Außenwirtschaftsgesetz keine extraterritoritale Wirkung entfaltet, richtet sich die Frage der rechtlichen Bewertung des Handelns ausländischer Tochterunternehmen jeweils nach dem für ihren Sitz geltenden ausländischen Recht.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Eine Zusatzfrage.
Meine Frage bezog sich weniger auf die theoretische Untersuchung, sondern mehr auf die praktische Untersuchung. Was wird praktisch getan?
Carstens, Parl. Staatssekretär: Es ist so, wie ich es hier vorgetragen habe. Wir überprüfen die in Frage kommenden Firmen. Wenn in einem Einzelfall der Eindruck entsteht, eine Tochter im Ausland müßte in die Ermittlungen einbezogen werden, dann schalten wir die in Frage kommende Stelle des Außenhandels ein.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Eine weitere Zusatzfrage.
Gibt es inzwischen konkrete Feststellungen, daß ausländische Tochterunternehmen deutscher Firmen von illegalen Waffenexporten in den Irak betroffen sind?
Carstens, Parl. Staatssekretär: Ich darf darauf aufmerksam machen, Frau Kollegin, daß Sie das nicht gefragt haben. Sie haben vielmehr gefragt: Inwieweit werden bei der Untersuchung illegaler Waffenexporte in den Irak auch ausländische Tochterunternehmen deutscher Firmen berücksichtigt?
— Die Frage ist doch beantwortet.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Bitte keine Kommentare, Frau Kollegin! Ihre zweite Zusatzfrage ist beantwortet worden.
Frau Kollegin Dr. Höll, haben Sie eine Zusatzfrage?
— Bitte sehr.
Sie sagten soeben, daß in Frage kommende Firmen überprüft würden. Worin besteht für Sie das Kriterium des In-FrageKommens, weil die Ausrichtung der Unternehmen ja doch eine sehr große Spannbreite hat?
Carstens, Parl. Staatssekretär: Ja, es muß ein hinlänglicher Verdacht vorhanden sein.
— Das war die zweite Frage, die ich nicht mehr zu beantworten habe.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Bestehen dazu weitere Zusatzfragen? — Dies ist nicht der Fall. Herr Staatssekretär, ich bedanke mich bei Ihnen.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft auf. Zur Beantwortung der Fragen steht der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Riedl zur Verfügung.
Ich rufe Frage 22 des Abgeordneten Börnsen auf. — Ich kann den Kollegen Börnsen nicht entdecken. Die Frage 22 wird ebenso wie Frage 23 desselben Fragestellers entsprechend der Geschäftsordnung behandelt.
Frage 24 des Herrn Abgeordneten Wittmann soll auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet werden. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe Frage 25 des Abgeordneten Dr. Rose auf:
Sieht die Bundesregierung als Folge des Golfkrieges oder auch als Folge der Wirtschaftsveränderungen im östlichen Teil Europas die Notwendigkeit, die deutsche Energieversorgung mehr als bisher auf Erdgas umzustellen?
Herr Staatssekretär, Sie haben das Wort.
Herr Präsident, Herr Abgeordneter, nach Auffassung der Bundesregierung wird Erdgas bei der Umstrukturierung der Energieversorgung und der wirtschaftlichen Entwicklung der neuen Bundesländer und für den Klimaschutz eine besondere Rolle spielen. Die Umstellung auf Erdgas muß sich auf kommerzieller Grundlage im Rahmen der von der Bundesregierung vorgegebenen marktwirtschaftlichen Rahmendaten vollziehen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege Dr. Rose, eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, steht für die Versorgung des deutschen Erdgasmarktes überhaupt ausreichend Erdgas zur Verfügung?
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302 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 8. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Februar 1991
Dr. Riedl, Parl. Staatssekretär: Herr Abgeordneter, es ist natürlich eine sehr schwierige Frage, das gesamte Erdgasaufkommen bei diesen Mengen richtig zu quantifizieren, aber ich will sagen — ich erlaube mir, Ihnen so konkret wie möglich zu antworten — : Für die alten Bundesländer ist die Erdgasversorgung sicherlich bis über das Jahr 2000 hinaus auf Grund bestehender Verträge und durch die inländische Förderung gesichert. Dies kann ich Ihnen verbindlich mitteilen.Im Hinblick auf den zusätzlichen Bedarf für die neuen Bundesländer wurden inzwischen erhebliche Neumengen unter Vertrag genommen, insbesondere durch Verträge mit Norwegen. Außerdem werden Verhandlungen mit der UdSSR über die Neuvereinbarung des Regierungsabkommens der DDR mit der UdSSR und über den Import weiterer Erdgasmengen geführt. Das ist auch der Grund dafür, warum ich vorhin gesagt habe: Ich kann Ihnen die Mengen, um die es nach Abschluß der Verträge geht, noch nicht im einzelnen nennen. Wir arbeiten aber auf eine ausreichende Versorgung mit Erdgas für die neuen Bundesländer hin.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege Dr. Rose, eine weitere Zusatzfrage? — Das ist nicht der Fall. Dann bedanke ich mich.
Jetzt eine Zusatzfrage des Kollegen Opel.
Herr Staatssekretär, können Sie bestätigen, daß die Sowjetunion zusätzliche Erdgaslieferungen, insbesondere durch ihre Exportfirma Gazprom, angeboten hat, und wenn ja, in welcher Größenordnung bewegen sich diese Angebote?
Dr. Riedl, Parl. Staatssekretär: Herr Abgeordneter, im Grundsatz kann ich Ihnen dies bestätigen. Die Mengen kenne ich im Augenblick nicht. Herr Präsident, ich würde mir erlauben, dem Herrn Abgeordneten Opel diese Frage schriftlich zu beantworten — Sie wollen es ja genau haben— , damit ich in der nächsten Woche nicht wieder hier stehe und von ihm korrigiert werden muß.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich rufe die Frage 26 des Abgeordneten Dr. Rose auf:
Können Gaskraftwerke mehr als bisher zur Stromgewinnung eingesetzt werden?
Dr. Riedl, Parl. Staatssekretär: Herr Präsident. Herr Abgeordneter, Erdgaskraftwerke haben mit einer Kapazität von knapp 16 000 MW einen Anteil von 15,3 % am Kraftwerkspark in den alten Bundesländern. Die Stromerzeugung aus Erdgas erreichte im Jahre 1990 ca. 35,7 TWh, was 7,7 % der Gesamtstromerzeugung entspricht.
Erdgaskraftwerke werden in der öffentlichen Versorgung derzeit typischerweise zu Reserve- und Spitzenlastzwecken eingesetzt. Die Ausnutzungsdauer dieser Erdgaskraftwerke lag 1990 mit rund 1 900 Stunden entsprechend niedrig. Diese Situation entspricht der bisherigen energiepolitischen Zielsetzung
der Bundesregierung, die Verstromung von Kohlewasserstoffen so gering wie möglich zu halten.
Neubauten von Erdgaskraftwerken und der Erdgaseinsatz sind bei Leistungsgrößen von über 10 MW seit 1975, wie Sie wissen, Herr Abgeordneter, genehmigungspflichtig. In den vor dem 1. Januar 1975 gebauten Erdgaskraftwerken ist jedoch ein Erdgaseinsatz in einem erheblichen Umfang möglich und erfolgt nach Wirtschaftlichkeitsüberlegungen durch die Energieversorgungsunternehmen.
Technisch ist es daher durchaus, und zwar auch kurzfristig, möglich, die vorhandenen Erzeugungskapazitäten in der öffentlichen Versorgung stärker als bisher zur Stromerzeugung einzusetzen. Begrenzungen ergeben sich allerdings aus der Verfügbarkeit — das schließt an Ihre erste Frage an — preisgünstigen Erdgases. Insbesondere wenn die Kraftwerksnachfrage nach Erdgas mit der Höchstlast des Erdgasnetzes zusammenfällt, ist die Wirtschaftlichkeit einer Erdgasverstromung in der Regel nicht gegeben. Das ist eine besondere Problematik, vor die wir uns im Augenblick gestellt sehen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Dr. Rose, eine Zusatzfrage.
Herr Parlamentarischer Staatssekretär, sehen Sie angesichts der CO2- Problematik nicht einen Anlaß zur Veränderung der bisherigen Haltung?Dr. Riedl, Parl. Staatssekretär: Herr Abgeordneter, dies ist ein drängendes Problem, mit dem sich die Bundesregierung derzeit vordringlich befaßt.Die Bundesregierung hatte schon 1974/75 — damals unter dem Eindruck der ersten Ölpreiskrise und der Einschätzung der Reservesituation bei Erdgas — eine Politik der Verringerung des Verstromungseinsatzes von Öl und Erdgas eingeleitet und zugleich die Nutzung preisgünstiger und man kann auch sagen: versorgungssicherer Energieträger unterstützt. Diese Politik hat zu einer diversifizierten und ausgewogenen Energieträgereinsatzstruktur in der Elektrizitätserzeugung geführt, die ein sehr hohes Maß an Versorgungssicherheit aufweist.Der Anteil der Kohlenwasserstoffe Öl und Erdgas in der Stromerzeugung liegt bei uns in Deutschland mit rund 10 % auf einem im internationalen Vergleich äußerst niedrigen Niveau. Inzwischen macht natürlich die veränderte Sachlage beim Erdgas eine Neubewertung möglich. Erdgas ist gegenwärtig relativ preisgünstig. Ich sage „relativ" . Die Reservesituation wird inzwischen günstiger beurteilt als früher. Vor allem aber ist Erdgas unter CO2-Aspekten positiv zu bewerten.Erdgas wird daher bei der Neustrukturierung der Energieversorgung in den neuen Bundesländern — das machen im übrigen auch die anderen Länder Mittel- und Osteuropas, vor allen Dingen Polen, die Tschechoslowakei und Ungarn — eine wichtige Rolle spielen. Allerdings muß auch gesehen werden, daß bei einer aus diesen Gründen zukünftig verstärkten internationalen Nachfrage nach Erdgas auch Verknappungserscheinungen eintreten können — das
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Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 8. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Februar 1991 303
Parl. Staatssekretär Dr. Riedlgeht dann wieder in den Preis —, die vor allen Dingen eine Verstromung von Erdgas verteuern würden. Die Rolle des Erdgases in der Verstromung muß daher im Rahmen einer energiepolitischen Gesamtaussage unter Abwägung aller Gesichtspunkte bestimmt werden. Das ist auch der Grund, Herr Abgeordneter, Herr Präsident, warum ich diese Frage etwas ausführlicher beantwortet habe; ich bitte um Nachsicht.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Danke sehr, Herr Parlamentarischer Staatssekretär. — Herr Kollege Rose, haben Sie eine weitere Zusatzfrage? — Bitte.
Herr Parlamentarischer Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß ein angesehenes deutsches Energieversorgungsunternehmen das in Österreich nicht zustande gekommene Projekt Zwentendorf auf Erdgasbasis realisieren möchte, und kann man dann, wenn das stimmt, nicht auch in Deutschland ähnliche Projekte betreiben?
Dr. Riedl, Parl. Staatssekretär: Herr Abgeordneter, dies ist mir aus der Zeitung bekannt, und immer dann, wenn von Zwentendorf die Rede ist, bin ich besonders sensibilisiert.
Ich konnte das, was Sie hier angesprochen haben, noch nicht verifizieren und habe deshalb in meinem Haus den Auftrag gegeben, der Sache einmal nachzugehen. Interessant ist dies jedenfalls, und ich werde mir, wenn alle Fakten vorliegen, erlauben, Sie davon in Kenntnis zu setzen und zu informieren.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Vielen Dank. — Eine Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Weyel.
Herr Staatssekretär, unterliegt das Erdgas, das für Kraftwerke verwendet wird, denselben Preisbindungen, die das Gas über die Versorgungsunternehmen hat?
Dr. Riedl, Parl. Staatssekretär: Soweit ich weiß, ja.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Vielen Dank, Herr Parlamentarischer Staatssekretär.
Inzwischen ist der Herr Kollege Börnsen doch noch eingetroffen. Ich würde Sie deshalb bitten, Herr Kollege Dr. Riedl, auf die von ihm eingereichte Frage 22 zu antworten, die ich hiermit aufrufe:
Für welchen Zeitraum und in welchem Umfang sieht die Bundesregierung regionalpolitische Ausgleichsmaßnahmen als Ersatz für den Wegfall der Zonenrandförderung sowie der Strukturhilfe in den Regionen Westdeutschlands vor, die in ihrer wirtschaftlichen Entwicklung nicht unmittelbar positiv von der Wirtschaftsentwicklung im Zuge der deutschen Einheit beeinflußt werden, und in den Regionen, in denen erhebliche Abrüstungsmaßnahmen erfolgen und die aus eigener Kraft nur geringe Möglichkeiten zur Selbstentwicklung haben?
Dr. Riedl, Parl. Staatssekretär: Ich tue dies sehr gern, Herr Präsident. Ich bin früher auch öfter zu spät gekommen und habe die Gunst des Präsidenten genießen dürfen.
Herr Abgeordneter, mit der Überwindung der Teilung Deutschlands entfallen die Grundlagen für eine bevorzugte Förderung des Zonenrandgebietes. Die Zonenrandförderung soll deshalb bis Ende 1994 schrittweise abgebaut werden.
Es ist nicht beabsichtigt, eine spezielle Zonenrandförderung ersatzweise vorzusehen, da die dafür in Frage kommenden Regionen im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" sowie aus den europäischen Programmen — Sie kennen das Programm INTERREG — angemessen gefördert werden können. So sind die strukturschwachen Zonenrandregionen, insbesondere im CSFR-Grenzgebiet zum Freistaat Bayern hin, auch nach dem Beschluß des Planungsausschusses der Gemeinschaftsaufgabe vom 25. Januar 1991 zur Neuabgrenzung des westdeutschen Regionalfördergebietes weiterhin Fördergebiete.
Die Bundesregierung beabsichtigt, sich für Regionen, die von der Abrüstung in ähnlicher Weise betroffen sind wie in der Vergangenheit etwa Montan- und Werftregionen, im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe für ein zeitlich befristetes Sonderprogramm mit zusätzlichen Haushaltsmitteln einzusetzen. Mit der Neuabgrenzung der regionalen Fördergebiete wird die Mehrzahl der eventuell betroffenen strukturschwachen Regionen bereits ins Fördergebiet der Gemeinschaftsaufgabe aufgenommen.
Herr Abgeordneter, jetzt muß ich auf etwas hinweisen, was die ganze Sache im Augenblick natürlich noch offenläßt: Diese Beschlüsse der Bundesregierung stehen unter dem strengen Vorbehalt der Genehmigung durch die EG-Kommission, die auf einen sehr schnellen Abbau der Berlin- und Zonenrandförderung sowie eine Rückführung des westdeutschen Fördergebiets drängt. Ich kann Sie informieren, daß Herr Minister Möllemann mit dem zuständigen Kommissar Brittan ein aus unserer Sicht sehr dramatisches Gespräch führen mußte. Ich kann Ihnen daher im Augenblick noch nicht sagen, ob die deutsche Position die Billigung der EG-Kommission findet.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege Börnsen, Sie haben eine Zusatzfrage.
Herr Präsident, ich möchte mich zuerst für Ihre Nachsicht bedanken, daß Sie die Beantwortung der von mir eingereichten Frage doch noch möglich gemacht haben.
Herr Parlamentarischer Staatssekretär, verstehe ich Sie richtig, daß die vorgesehenen Sondermittel für Abrüstungsregionen rechtlich gesehen für einen bestimmten Zeitraum in den Haushalt eingestellt und in Anspruch genommen werden können?
Dr. Riedl, Parl. Staatssekretär: Richtig, es ist so, wie Sie es sehen, z. B. im Gebiet um Kaiserslautern oder in Ihrem Wahlkreis, wo ich das ja auch kenne; rechtlich ist das möglich. Aber der Zeitraum sollte nicht sehr lang sein. Doch die Chance, diesen Zeitraum zu nutzen, ist gegeben.
Im übrigen hoffe ich sehr, daß wir bei der EG-Kommission — ich spreche es nur einmal an — auch hier — da sind die Probleme allerdings nicht so groß wie im anderen Bereich — Zustimmung finden.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Zweite Zusatzfrage, Herr Kollege Börnsen.
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304 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 8. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Februar 1991
Herr Parlamentarischer Staatssekretär, können Sie schon mitteilen, wann sich die Absicht der Bundesregierung konkretisiert? Denn wir gehen davon aus, daß der Bundesverteidigungsminister noch in diesem Jahr mitteilen wird, in welchen Bereichen welche Abrüstungsmaßnahmen vorgesehen sind. Um Planungssicherheit für die Gemeinden zu bekommen, ist es sicher notwendig zu wissen, wann der Bund mit seinen Fördermaßnahmen einsteigen will.
Dr. Riedl, Parl. Staatssekretär: Auf der einen Seite, Herr Abgeordneter, sind wir bemüht, schnellstmöglich zu handeln. Auf der anderen Seite hängen wir natürlich auch von den Entscheidungen der Alliierten ab. Wenn diese schnellstmöglich getroffen werden, dann können wir auch von uns aus entsprechend tätig werden. Wir können nicht sehr viel Zeit verlieren, weil die Bewältigung der Strukturprobleme, die daraus entstehen, natürlich schwieriger und teurer wird.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Zusatzfrage des Kollegen Opel.
Herr Staatssekretär, die Gemeinschaftsaufgabe „Förderung der regionalen Wirtschaftsstruktur" sollte langfristig abgebaut werden. Wir müssen sie nun auch auf die fünf neuen Bundesländer ausdehnen. Wir müssen zusätzlich Ausgleichsmaßnahmen — Stichwort: Zonenrand — und, wie Sie es auch gesagt haben, Abrüstung durchführen. Dies ist ein unglaublicher neuer Bedarf, den wir für eine bestimmte Zeit eingeräumt haben. An welche Größenordnungen, Herr Staatssekretär, denkt die Bundesregierung, wenn sie von einer Aufstockung dieser Mittel spricht, und an welchen Zeitraum denkt sie?
Dr. Riedl, Parl. Staatssekretär: Herr Abgeordneter, dies ist zur Zeit den Beratungen des Bundeskabinetts zum Bundeshaushalt zugeordnet. Sie verstehen, daß ich hier im Augenblick aus Contenance-Gründen nicht bekanntgeben kann, was zur gleichen Zeit im Bundeskabinett beschlossen wird. Wenn Sie sich einige Stunden gedulden und dann in meinem Büro anrufen, gebe ich Ihnen die Größenordnungen bekannt. Als ehemaliger deutscher General wissen Sie Ordnung sicher sehr zu schätzen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Zusatzfrage des Kollegen Lowack.
Herr Parlamentarischer Staatssekretär, wie beurteilen Sie denn die Tatsache, daß durch die Entscheidung des Planungsausschusses Gebiete aus der Förderung herausgefallen sind, die unmittelbar an der ehemaligen Zonengrenze liegen, während andere Gebiete für eine Übergangszeit offenbar neu einbezogen werden sollen, die sich eigentlich bisher bester Prosperität erfreuen?
Dr. Riedl, Parl. Staatssekretär: Herr Abgeordneter, ich nehme an, daß Sie Ihren Wahlkreis Bayreuth meinen. Ich würde mich an Ihrer Stelle in solch einer Frage ebenfalls an die Bundesregierung wenden.
Es gibt für den Planungsausschuß eine Arbeitsgrundlage, die unbestechlich ist. Auch ich komme aus
Bayern. Ich hätte Ihnen im Fall von Bayreuth gerne geholfen, aber der Ausdruck des Computers hat hinsichtlich der relevanten Faktoren zur Ermittlung der Fördergebiete Bayreuth leider Gottes ausscheiden lassen. Der Computer ist — ich sage es noch einmal —unbestechlich. Auch bestand seitens der Bundesregierung keine Möglichkeit — jetzt komme ich zum Punkt — , den Kreis Bayreuth einzubeziehen.
Hätte allerdings der Freistaat Bayern im Planungsausschuß einen Antrag gestellt, Bayreuth gegen ein Fördergebiet auszutauschen, hätte der Bund nicht widersprochen. Ich darf Sie also bitten, sich dieserhalb auch an den Bayerischen Staatsminister für Wirtschaft zu wenden, der Ihnen sicherlich Auskunft geben wird, warum ein solcher Tauschantrag nicht gestellt worden ist.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Kein Kommentar. Sie haben außerdem nur eine Zusatzfrage, Herr Kollege.
Nach welchen Kriterien sieht die Bundesregierung diese regionalpolitischen Ausgleichsmaßnahmen vor?Dr. Riedl, Parl. Staatssekretär: Herr Präsident, ich habe aber verstanden, was mir der Herr Abgeordnete Lowack mitteilen wollte.Nach dem Beschluß des Planungsausschusses über die Neuabgrenzung des Fördergebietes gelten Regionen als strukturschwach, die Defizite in der regionalen Arbeitslosenquote, im Bruttojahreslohn, in der Infrastruktur oder bei der künftigen Arbeitsplatzentwicklung aufweisen. Darüber hinaus können Regionen mit besonderen regionalen Problemlagen ins Fördergebiet aufgenommen werden.Sonderprogramme kommen für Regionen in Betracht, in denen Wirtschaftsbereiche vorherrschen, die vom Strukturwandel in einer Weise betroffen oder bedroht sind, daß negative Rückwirkungen auf das Gebiet in erheblichem Umfang eingetreten oder absehbar sind. Dies könnte z. B. auch für Regionen gelten, die, wie ich schon sagte, von der Standorte- und Rüstungskonversion betroffen sind. Entscheidungen über regionale Sonderprogramme können jedoch erst dann getroffen werden, wenn Umfang und Zeitraum für die Freisetzung der Arbeitskräfte bekannt sind.Gegenwärtig liegen nur in geringem Maße Standortentscheidungen der alliierten Streitkräfte vor, die Hinweise auf die Zahl der betroffenen Arbeitsplätze geben. Die Bundeswehr wird ihre Standortentscheidungen im Sommer dieses Jahres bekanntgeben. Dies gilt auch für die Standorte der ehemaligen Nationalen Volksarmee.Über die regionale Bedeutung der Sowjettruppen in den neuen Ländern liegen — ich will das deutlich unterstreichen — noch keine konkreten Informationen vor. Als Arbeitgeber für zivile inländische Beschäftigte hat die sowjetische Armee keine große Be-
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Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 8. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Februar 1991 305
Parl. Staatssekretär Dr. Riedldeutung. Ein Flankierungsbedarf für einzelne Regionen kann noch nicht konkretisiert werden.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Erschöpfend, Herr Kollege Börnsen?
Jawohl, danke.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege Reddemann zu einer Zusatzfrage, bitte.
Herr Kollege Riedl, welche besonderen Ausgleichsmaßnahmen sieht die Bundesregierung für solche ehemaligen Zonenrandgebiete vor, die auf der anderen Seite der ehemaligen Grenze, sprich: in den fünf neuen Ländern liegen und die jetzt doppelt geschädigt werden, weil der alte Zonenrand noch weiterhin gefördert wird?
Dr. Riedl, Parl. Staatssekretär: Herr Abgeordneter, im Prinzip die gleichen Fördermaßnahmen, wie sie bisher auch bei uns gegolten haben, wobei ich Ihnen natürlich recht geben muß: Ob dies alles ausreichen wird und ob nicht doch ein gewisser Bedarf für weitere Maßnahmen notwendig erscheint, weiß ich im Augenblick nicht.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Vielen Dank.
Ich rufe Frage 27 der Frau Kollegin Bulmahn auf:
Welche Formeln werden von Unternehmen aus der Bundesrepublik Deutschland bei Verträgen mit ausländischen Geschäftspartnern benutzt, die Boykottverpflichtungen gegenüber Israel enthalten, und seit wann haben Stellen der Bundesregierung Kenntnis von solchen Vorgängen?
Dr. Riedl, Parl. Staatssekretär: Frau Abgeordnete, der sogenannte Sekundär-Boykott, d. h. die Boykottierung von Firmen, die besondere Beziehungen zu Israel unterhalten, wird von den Staaten der Arabischen Liga seit Anfang der 50er Jahre praktiziert.
Die Praxis der einzelnen arabischen Staaten ist unterschiedlich und verändert sich im Laufe der Zeit. Dementsprechend unterschiedlich sind auch die Erklärungen, die in arabischen Staaten verlangt werden.
Im wesentlichen handelt es sich um negative Ursprungszeugnisse — ich nenne beispielsweise: kein israelischer Ursprung der Ware, keine israelischen Materialien in der Ware — , um Herstellererklärungen — Beispiel: Angabe der Firma des Herstellers — oder um verschiedene Negativ-Erklärungen über Formen spezifischer Zusammenarbeit mit Israel, also z. B. Hinweise auf Niederlassungen, Montage, Lizenzen und ähnliches. Dies ist allerdings seit geraumer Zeit allgemein bekannt, aber jetzt erst durch entsprechende Presseveröffentlichungen wieder in das Bewußtsein der Öffentlichkeit getreten.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Frau Abgeordnete, Sie haben eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, welche Mittel stehen der Bundesregierung zur Verfügung, um im Falle einer durch deutsche Unternehmen eingegangenen Boykottverpflichtung gegen Israel einzugreifen, und was hat die Bundesregierung in den ihr bisher bekanntgewordenen Fällen unternommen?
Dr. Riedl, Parl. Staatssekretär: Vielen Dank, Frau Abgeordnete. Die Bundesregierung hat stets erklärt, daß sie den Israel-Boykott als politisches Kampfmittel ablehnt. Sie hat sich deshalb auch stets vordringlich für eine politische Lösung des hinter dem Boykott stehenden Nahost-Konfliktes eingesetzt.
Darüber hinaus bestanden auch rechtspolitische Zweifel an der Wirksamkeit und Durchsetzbarkeit einer Anti-Boykott-Gesetzgebung, die aber auf Grund jüngster Ereignisse von der Bundesregierung jetzt noch einmal überprüft werden. Ich bin gerne bereit, Ihnen oder dem Deutschen Bundestag das Ergebnis dieser Überprüfung bekanntzugeben.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Frau Kollegin, eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ist der Bundesregierung bekannt, wie viele deutsche Unternehmen solche Boykottverpflichtungen eingegangen sind, und wie hoch schätzen Sie, wenn Sie die genaue Zahl nicht nennen können, die Zahl und den Umfang der dadurch betroffenen Handelsgeschäfte?
Dr. Riedl, Parl. Staatssekretär: Uns ist diese Tatsache natürlich bekannt. Ich habe jetzt keine enumerative Aufstellung; aber Sie können schon davon ausgehen, daß die Zahl nicht unerheblich ist. Ob sich das zahlenmäßig feststellen läßt, weiß ich nicht; denn ich kann auch nicht sagen, ob wir darüber eine Statistik führen. Wir Deutschen sind an sich sehr gründlich und führen generell über alles Statistiken. Ich werde bei uns im Hause einmal nachfragen, ob es darüber eine Statistik gibt. Ausschließen möchte ich das bei der deutschen Gründlichkeit nicht.
— Sie bekommen von mir alles, was Sie wissen wollen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Lowack.
Herr Parlamentarischer Staatssekretär, da ich zuversichtlich davon ausgehe, daß nicht etwa das Bundesamt für Wirtschaft in Zusammenarbeit mit dem Auswärtigen Amt für die Kontrolle oder für die Niederlegung dieser Boykottvereinbarungen zuständig ist, darf ich fragen, wer nach Kenntnis der Bundesregierung diese Überprüfungen vornimmt.
Dr. Riedl, Parl. Staatssekretär: Gehen Sie einmal davon aus, daß sich das Bundesministerium für Wirtschaft um keine Verantwortung drückt. Wenn wir Amtshilfe brauchen, wenden wir uns auch an andere Ministerien, Herr Abgeordneter.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich rufe die Frage 28 der Abgeordneten Frau Bulmahn auf:Wird die Bundesregierung eine gesetzliche Regelung zum Verbot solcher Boykottverpflichtungen unterstützen?Dr. Riedl, Parl. Staatssekretär: Frau Abgeordnete, die Bundesregierung überprüft zur Zeit mögliche Maßnahmen — ich habe das bereits im letzten Teil meiner vorhergehenden Antwort gesagt — ein-
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306 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 8. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Februar 1991
Parl. Staatssekretär Dr. Riedlschließlich gesetzgeberischer Maßnahmen gegenüber dem arabischen Israel-Boykott unter Berücksichtigung der Erfahrungen in anderen Ländern, z. B. in den USA, in Frankreich und in den Niederlanden.Wenn Sie mir gestatten, möchte ich Ihnen zusätzlich bekanntgeben, daß einige Länder solche Regelungen bereits getroffen haben. Sie sind allerdings sehr unterschiedlich und auch nicht unflexibel. So enthalten die amerikanischen Regelungen z. B. zahlreiche Ausnahmetatbestände; die niederländischen z. B. begründen im wesentlichen nur eine Meldepflicht. Die Mehrzahl der Länder innerhalb der EG — das kann ich hier sagen — hat keine besonderen Maßnahmen getroffen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Zusatzfrage.
Sie haben bereits darauf verwiesen, daß Sie einige Initiativen gestartet haben, und Sie haben in einer schriftlichen Erklärung gegenüber der israelischen Regierung darauf verwiesen, daß Sie sich um eine EG-einheitliche Regelung bemühen. Könnten Sie mir die Kernpunkte einer derartigen Regelung zur Kenntnis geben, entweder jetzt oder in schriftlicher Form?
Dr. Riedl, Parl. Staatssekretär: Frau Abgeordnete, so weit sind wir noch nicht. Internationale Regelungen — selbst wenn ich sie auf die EG beschränke — dieser Art sind bei der bekanntermaßen unterschiedlichen Bewertung solcher Forderungen — ich sage das ganz offen — sehr schwer herbeizuführen. Eine europaeinheitliche Regelung wäre das Beste. Ob sie allerdings erreichbar ist, weiß ich nicht. Deshalb bin ich im Augenblick subjektiv und objektiv nicht in der Lage — auch angesichts der Tatsache, daß es in den meisten EG-Ländern nichts an rechtlichen Vorschriften gibt — , Ihnen zu sagen, wie die Ergebnisse lauten werden. Aber unter dem Aspekt, den ich hier politisch dargestellt habe, werden wir auf EG-Ebene Konsultationen — wie es im diplomatischen Sprachgebrauch so schön heißt — beginnen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Eine weitere Zusatzfrage.
Falls es nicht zu einer derartigen einheitlichen EG-Regelung kommen sollte — Sie haben bereits auf die Probleme hingewiesen — : Wäre die Bundesregierung dann bereit, eine nationale Regelung zu treffen?
Dr. Riedl, Parl. Staatssekretär: Wir werden diese Frage mit den Spitzenverbänden der deutschen Wirtschaft, mit dem BDI, mit dem DIHT, aber auch mit dem DGB und mit allen relevanten Kräften zu erörtern haben, die daran interessiert oder davon betroffen sind und ein Interesse entweder an einer Regelung oder an einer Nichtregelung haben. Aber, Frau Abgeordnete, der ganze Komplex ist wahnsinnig schwierig zu lösen. Vor allen Dingen halte ich nationale Alleingänge für so gut wie ausgeschlossen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Weitere Zusatzfrage, bitte.
Herr Parlamentarischer Staatssekretär, ist das Problem der Boykottverpflichtungen nur
ein Problem mit den arabischen Staaten, oder gibt es — weltweit gesehen — weitere Beispiele, die uns noch nicht aus der Presse bekannt sind?
Dr. Riedl, Parl. Staatssekretär: Ich muß jetzt sagen: Gott sei Dank kenne ich keine anderen Fälle. Ausschließen will ich auf dieser Welt allerdings gar nichts. Aber soweit mir bekannt, handelt es sich nur um die genannten Boykottfälle. Ich bin schon heilfroh, daß es nicht mehr gibt.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich rufe die Frage 29 der Frau Abgeordneten Braband auf:
Hält die Bundesregierung nicht angesichts der Verknappung der Welt-Ölvorräte eine drastische Reduzierung des Ölverbrauchs durch Energieeinsparung, effiziente Energienutzung, der Nutzung regenerativer Energiequellen sowie des Ersatzes von Öl durch andere fossile Energieträger in der Bundesrepublik Deutschland für notwendig, und welche konkreten Schritte wird sie hierfür in die Wege leiten?
Herr Parlamentarischer Staatssekretär hat das Wort zur Beantwortung.
Dr. Riedl, Parl. Staatssekretär: Herr Präsident, Frau Abgeordnete, die Menge der sogenannten sicheren Welt-Ölvorräte hat in den letzten Jahren nicht abgenommen, sondern ist sogar stark gestiegen. Natürlich sind die Welt-Ölvorräte endlich. Welcher Teil der Vorräte förderbar sein wird, hängt in hohem Maße vom Preisniveau, vom Stand der Technik und natürlich auch von den Förderkosten ab.
Die Energiepolitik der Bundesregierung ist langfristig angelegt. Dabei ist sparsame und rationelle Energieverwendung ein wesentliches Element.
Seit 1973 stieg das Bruttosozialprodukt um annähernd 40 %, der Energieverbrauch aber nur um ca. 1,3 %. Das ist im übrigen eine sehr erfreuliche Relation. Im gleichen Zeitraum sank der Anteil des Öls am Primärenergieverbrauch von 55 auf 41 %. Der spezifische Ölverbrauch pro 1 000 DM Bruttosozialprodukt ist in diesem Zeitraum um fast die Hälfte zurückgegangen.
Kurzfristige Reaktionen auf vorübergehende Energiepreisentwicklungen, wie sie immer wieder gefordert werden, setzen die falschen Signale. Insbesondere das Einsparprogramm der Bundesregierung wirkt unabhängig von den aktuellen Entwicklungen auf dem Ölmarkt und ist die beste Voraussetzung für die Zukunft.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Frau Abgeordnete Braband, eine Zusatzfrage.
Herr Präsident, Herr Staatssekretär, ich finde schon, daß im Zusammenhang mit dem gerade geführten Krieg das Thema der Ölabhängigkeit sehr wohl auf der Tagesordnung steht, auch wenn Sie gerade ausgeführt haben, daß die Menge der Welt-Ölvorräte insgesamt gestiegen ist.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Bitte eine Frage.
Für die Bundesrepublik kann das in bezug auf das europäische Aufkommen doch nur heißen, daß es um eine Verminderung des Ölverbrauchs gehen muß.
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Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 8. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Februar 1991 307
Frau BrabandWie bewerten Sie angesichts dieser Situation die Pläne der Mineralölwirtschaft, daß in den neuen Bundesländern 20 % des Bedarfs an Heizenergie durch Öl gedeckt werden soll, wodurch eine steigende Abhängigkeit von Ölimporten wiederhergestellt wird?Dr. Riedl, Parl. Staatssekretär: So konkret, wie Sie es jetzt beziffern, sind mir diese Pläne nicht bekannt; ich müßte der Sache einmal nachgehen. Ich müßte auch feststellen lassen, welche Unternehmen es sind. Vielleicht gestatten Sie mir, daß ich das einmal nachprüfe. Ich kann jetzt aus der Lamäng nicht sagen, wie diese Aussage gemeint ist und ob sie überhaupt so zutrifft.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Frau Kollegin, eine weitere Zusatzfrage?
Ich würde dann in diesem Fall, da sich der Herr Staatssekretär erst kundig machen möchte, um eine schriftliche Beantwortung bitten. Ist das möglich?
Dr. Riedl, Parl. Staatssekretär: Selbstverständlich.
Ich habe in diesem Moment keine Zusatzfragen mehr.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich rufe dann die Frage 30 der Frau Abgeordneten Braband auf:
Ist die Bundesregierung vor dem Hintergrund des Golfkrieges und der damit verbundenen Gefährdung der Ölversorgung auch für die EG-Staaten sowie mit Hinblick auf die zukünftige Versorgungssicherheit noch der Ansicht, daß eine weitere Reduzierung der Steinkohleförderung in der Bundesrepublik Deutschland und der EG verantwortbar ist?
Dr. Riedl, Parl. Staatssekretär: Auch vor dem Hintergrund des Ölkrieges hat die Bundesregierung in der Regierungserklärung deutlich gemacht, daß deutsche Steinkohle und Braunkohle zu einer sicheren Energieversorgung beitragen müssen, allerdings auf einem niedrigeren Niveau als bisher. Deutsche Steinkohle wird zu Kosten produziert, die derzeit fast dreimal so hoch sind wie der Weltmarktpreis. Die daraus resultierenden Subventionen haben mit über 10 Milliarden DM pro Jahr einen Umfang erreicht, der auf Dauer nicht durchhaltbar ist.
Der Bergbau muß — das wissen wir alle im Deutschen Bundestag — seine Kosten deshalb senken. Die Förderung muß stärker auf die leistungsfähigsten Anlagen konzentriert werden. Eine Kapazitätsanpassung ist damit —. ich sage: weiterhin; wir verfolgen dieses Ziel schon länger — notwendig.
Auch eine vorsorgeorientierte Kohlepolitik muß auf finanzielle Begrenzungen Rücksicht nehmen. Die Bundesregierung wird darin auch von der von ihr selbst eingesetzten Mikat-Kommission unterstützt. Auch die EG-Kommission fordert eine Senkung der Kohlehilfen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Eine weitere Zusatzfrage?
Herr Staatssekretär, sind Sie nicht der Auffassung, daß angesichts der aktuellen Situation auch in bezug auf den Golfkrieg die Ergebnisse der Mikat-Kommission eigentlich schon überholt sind?
Dr. Riedl, Parl. Staatssekretär: In einem Punkt haben Sie recht: Die Mikat-Kommission hat vom Golfkrieg nichts gewußt. Deshalb wird alles, was mit dem Golfkrieg zusammenhängt, bei der Erörterung der Ergebnisse der Mikat-Kommission durchaus zusammengebunden werden; das ist ganz klar. Den Golfkrieg aus energiepolitischen Diskussionen auszuschalten hat sowieso niemand vor.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Frau Abgeordnete, Sie haben eine zweite Zusatzfrage.
Hält es die Bundesregierung auch angesichts der aktuellen Situation in der ehemaligen DDR nicht für angebracht, den Steinkohleeinsatz in den neuen fünf Bundesländern insbesondere im Hausbrandbereich zu fördern, wodurch ja kurzfristig eine enorme Umweltentlastung erreicht werden könnte? Ferner würde der Heizöleinsatz im Einzelfeuerungsbereich vermieden. Außerdem würde die Braunkohleverbrennung sehr stark reduziert werden können.
Dr. Riedl, Parl. Staatssekretär: Im Prinzip: ja. Im Prinzip bin ich also Ihrer Meinung; das füge ich hinzu, damit es nicht falsch verstanden wird.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Eine Zusatzfrage, Frau Dr. Enkelmann.
Handelte es sich am Beginn Ihrer Beantwortung der Frage um eine Art Freudschen Versprecher, als Sie statt „Golfkrieg" „Ölkrieg" gesagt haben?
Dr. Riedl, Parl. Staatssekretär: Gnädige Frau, mir passieren ab und zu Freudsche Versprecher, vor allen Dingen in nicht politischen Bereichen. Ich bitte um Nachsicht. Ich habe genau das gemeint, was Sie gesagt haben, nämlich „Golfkrieg" .
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Gibt es dazu weitere Zusatzfragen? — Das ist nicht der Fall. Ich danke vielmals, Herr Parlamentarischer Staatssekretär, für die erschöpfende Beantwortung.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung. Zur Beantwortung der Fragen ist der Parlamentarische Staatssekretär Wimmer da.
Ich rufe die Frage 31 des Abgeordneten Dr. Keller auf:
Schließt die Bundesregierung aus, daß an Universitäten und Hochschulen ihres Verantwortungsbereiches Rüstungsforschung betrieben wird bzw. Forschungsergebnisse in der Rüstungsindustrie genutzt oder mißbraucht werden?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Herr Kollege! Die Professoren an den Universitäten der Bundeswehr sind ebenso wie ihre Kollegen an anderen Hochschulen im Rahmen des Art. 5 Abs. 3 des Grundgesetzes frei, sich ihre Forschungsgegenstände zu wählen. Die Durchführung solcher Projekte liegt allein in der Verantwortung des jeweiligen Hochschullehrers, der hierbei selbstverständlich die Vorschriften der allgemeinen Gesetze zu beachten hat.
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308 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 8. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Februar 1991
Parl. Staatssekretär WimmerDie kürzlich erschienenen Forschungsberichte der Universitäten der Bundeswehr zeigen das weite Spektrum der Forschungsinteressen, unter denen zu einem geringen Teil auch wehrtechnische Themen vertreten sind.Die Nutzung der Forschungsergebnisse unterliegt den gesetzlichen Bestimmungen der Bundesrepublik Deutschland. Ein Mißbrauch wäre daher nur als Bruch der Rechtsordnung denkbar. Mißbräuche dieser Art sind der Bundesregierung allerdings nicht bekannt.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Zusatzfrage, Herr Kollege Dr. Keller.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident, gestatten Sie mir zunächst die Feststellung, daß ich meine Frage an den Bundesminister Herrn Professor Ortleb gerichtet habe; ich nehme zur Kenntnis, daß die Antwort ausschließlich für die Hochschulen der Bundeswehr gegeben worden ist.
Erlauben Sie mir bitte eine Frage. Gibt es in Ihrem Verteidigunsministerium einen Katalog von wissenschaftlichen Problemen, über die aus humanitären Gründen Forschungen generell untersagt sind?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Staatssekretär, lassen Sie mich, bevor Sie antworten, eine Bemerkung machen. Es gibt ein ganz bestimmtes Regelwerk für den Ablauf dieser Fragestunde. Ich bitte Sie, sich in dieses Regelwerk einzufügen. Wenn wir nämlich anfangen, in der Fragestunde die Fragen mit Feststellungen oder Kommentaren einzuleiten und womöglich noch Kommentare an die Antworten zu hängen, wird dieses Instrument zu einer ganz normalen Debatte. Dies ist damit aber nicht gemeint. Ich bitte Sie also: Halten Sie sich an die Regeln! Es werden hier nur Fragen gestellt und keine Feststellungen und Kommentare geäußert.
Herr Parlamentarischer Staatssekretär, ich bitte Sie, zu antworten.
Wimmer, Parl. Staatssekretär: Ich habe im Rahmen der Zuständigkeit unseres Hauses geantwortet. Wir sind gern bereit, Ihnen vollständigen Aufschluß darüber zu geben, worüber die Hochschulen der Bundeswehr forschen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege Vergin zu einer Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, habe ich Sie richtig verstanden, daß es auch den Hochschulen des Bundes nicht erlaubt ist, Ergebnisse von Rüstungsforschung der Öffentlichkeit vorzuenthalten, das heißt, daß die Ergebnisse nicht mit einem Verschlußvermerk versehen werden?
Wimmer, Pari. Staatssekretär: Herr Kollege, ich habe mich zu diesem Themenfeld überhaupt nicht geäußert.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Weitere Zusatzfragen? — Nicht der Fall.
Ich rufe die Frage 32 der Abgeordneten Frau Lederer auf:
Welche Konsequenzen hat die Bundesregierung im Hinblick auf ihre militärischen und finanziellen Unterstützungsleistungen an die Türkei aus dem Beschluß des türkischen Parlaments vom 17. Januar 1991 gezogen, durch den der Regierung Özal die Vollmacht erteilt wird, türkische Streitkräfte „zur Wahrung und zum Schutz der Interessen der Türkei angesichts der Entwicklung während und nach der Krise" gegen den Irak auch dann einzusetzen, ohne daß die Türkei selbst angegriffen wird, und ist die Rückholung der Bundeswehreinheiten für den Fall vorgesehen, daß die türkischen Streitkräfte zum Einsatz kommen, ohne daß die Türkei einem Angriff ausgesetzt ist?
Wimmer, Parl. Staatssekretär: Herr Präsident! Frau Kollegin! Die Bundesregierung gewährt der Türkei sowohl als NATO-Partner wie auch im Zusammenhang mit der Umsetzung der Resolution des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen finanzielle sowie materielle — darunter militärische — Unterstützung.
Der von Ihnen nur sehr verkürzt zitierte Beschluß des türkischen Parlaments vom 17. Januar 1991 lautet vollständig:
Im Hinblick auf die durch die Eroberung und Annexion Kuwaits durch den Irak herbeigeführte Golfkrise und in der Absicht, den Frieden und die Stabilität im Mittleren Osten wiederherzustellen, und auf Grund des Art. 92 der türkischen Verfassung wird die Regierung zur Durchsetzung der Resolution 678 der Vereinten Nationen zur Verteidigung unseres Landes gegen Bedrohungen, zur Wahrung und zum Schutz der Interessen der Türkei angesichts möglicher Entwicklungen während und nach der Krise und zur Unterstützung einer schnellen und dynamischen Politik, deren Ziel es ist, je nach Entwicklung der Dinge einem nicht wiedergutzumachenden Schaden vorzubeugen, ermächtigt, türkische Streitkräfte ins Ausland zu entsenden und ausländische Streitkräfte in der Türkei zu stationieren und ihren Einsatz zu erlauben, wobei es im Ermessen der Regierung liegt, die Notwendigkeit, den Bereich, den Umfang und den Zeitpunkt dieser Maßnahmen zu bestimmen.
Davon ausgehend hat die Bundesregierung keine Veranlassung, Konsequenzen im Hinblick auf die gewährte Unterstützung zu ziehen. Die Bundesregierung wird in dieser Haltung dadurch bestärkt, daß die türkische Regierung wiederholt ausdrücklich erklärt hat, daß türkische Streitkräfte im Zusammenhang mit der Umsetzung der Resolutionen der Vereinten Nationen nicht zum Einsatz kommen, ohne daß die Türkei vorher einem Angriff ausgesetzt worden wäre.
Die in die Türkei entsandten Bundeswehrteile dienen nicht der Durchsetzung der Resolutionen der Vereinten Nationen, sondern sollen dazu beitragen, Irak von einer Ausweitung seiner Aggressionen gegen unseren NATO-Partner Türkei abzuschrecken.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Eine Zusatzfrage, Frau Lederer.
Herr Staatssekretär, stimmen Sie mit mir darin überein, daß in dem von Ihnen nun ausführlich zitierten Beschluß des türkischen Parlaments jedenfalls nicht ausdrücklich die Rede davon ist oder eine Eingrenzung in dem Sinne
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Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 8. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Februar 1991 309
Frau Lederererfolgt ist, daß ausschließlich im Falle eines Angriffs auf das türkische Territorium der Einsatz türkischer Streitkräfte ermöglicht wird?Wimmer, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin, das ist die erklärte türkische Politik, und von der können wir ausgehen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Sie haben eine weitere Zusatzfrage.
Ist die Rückholung der Bundeswehreinheiten beispielsweise für den Fall vorgesehen, daß ein Waffenstillstand — möglicherweise jetzt auf Grund des sowjetischen Friedensplans — zustande kommt? Gibt es entsprechende Vereinbarungen zwischen Bundesregierung und türkischer Regierung?
Wimmer, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin, wir haben den Einsatz der Bundeswehreinheiten im Zusammenhang mit der Türkei in dem von uns seit Jahren praktizierten NATO-Kontext gesehen. Wenn das Nordatlantische Bündnis zu entsprechenden Überzeugungen kommt — die einvernehmlich getroffen werden — , dann werden wir alle erforderlichen Schritte unternehmen, die Bundeswehrangehörigen aus den Regionen im Bereich des NATO-Vertragsgebietes zurückzuholen, in denen sie sich derzeit befinden und in denen es sie zu belassen dann gegebenenfalls keine Veranlassung mehr gibt.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich rufe die Frage 33 der Abgeordneten Frau Lederer auf:
Betrachtet die Bundesregierung den Fall eines irakischen Angriffs auf die Türkei als Spannungsfall im Sinne des Artikels 80 a des Grundgesetzes, und wenn ja, beabsichtigt die Bundesregierung den Spannungsfall gemäß Artikel 80a Abs. 1 GG oder gemäß Artikel 80a Abs. 3 GG festzustellen?
Wimmer, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin, ich muß allerdings kurz antworten: Nein.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Eine Zusatzfrage.
Bedeutet das dann auch, daß die im Grundgesetz für den Spannungsfall vorgesehenen möglichen Regelungen, die mit dem Stichwort Notstandsgesetze zu bezeichnen sind, nicht in Kraft treten werden für den Fall, daß die Bundesregierung beispielsweise den Bündnisfall feststellt?
Wimmer, Parl. Staatssekretär: Wir haben die verfassungsmäßige Ordnung unseres Landes darauf ausgerichtet, daß gesetzliche Konsequenzen nur zu den vorgesehenen Zwecken und Bestimmungen nach der Verfassung eintreten. Wenn diese Voraussetzungen nicht gegeben sind, gibt es auch keine entsprechenden Konsequenzen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich rufe die Frage 34 des Abgeordneten Ostertag auf:
Über welche konkreten Planungen hinsichtlich der Dienstpostenausstattung beim Kreiswehrersatzamt Schwelm verfügt die Bundesregierung, und wie wird die Bundesregierung sicherstellen, daß insbesondere die Stufenvertretungen des Personalrates hinsichtlich personeller Veränderungen, die für den Fortbestand der Bundeswehrverwaltung insbesondere der kleinen Kreiswehrersatzämter, zu denen auch das Kreiswehrersatzamt Schwelm gehört, in ihrer jetzigen bzw. in ihrer zukünftigen Form
entscheidend sein können, rechtzeitig informiert werden mit dem Ziel, Klarheit bezüglich der Sicherheit der Arbeitsplätze der dort Beschäftigten zu erlangen?
Herr Parlamentarischer Staatssekretär, Sie haben das Wort.
Wimmer, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, die Konsequenzen der deutschen Einheit, die Reduzierung des Friedens- und Verteidigungsumfanges der Bundeswehr sowie geringer werdende Ressourcen haben eine grundsätzlich neue Lage geschaffen, die auch für die Wehrverwaltung und das Zivilpersonal insgesamt neue Planungen erforderlich macht.
Bei der künftigen Struktur der Wehrersatzbehörden werden die Folgerungen aus dem niedrigeren Personalbedarf der Streitkräfte im Mittelpunkt der Untersuchungen stehen und voraussichtlich zu einer Straffung der Organisation zwingen. Einbezogen in die Untersuchungen werden auch die Auswirkungen auf die betroffenen Mitarbeiter.
Organisatorische Veränderungen sollen grundsätzlich sozial verträglich vorgenommen werden. Selbstverständlich werden die zuständigen Stufenvertretungen des Personalrates rechtzeitig unterrichtet und beteiligt, soweit die Planungen ein konkretes Stadium erreicht haben.
Ich bitte Sie deshalb um Verständnis, daß vor Abschluß der Untersuchungen Aussagen zu eventuell betroffenen Kreiswehrersatzämtern nicht möglich sind.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege Ostertag, eine Zusatzfrage.
Herr Parlamentarischer Staatssekretär, können Sie mir sagen, mit welchen Zeiträumen zu rechnen ist? Denn in dem angesprochenen Kreiswehrersatzamt sind die Reduzierungen bereits seit Monaten zu verzeichnen, und angesichts der von Ihnen beschriebenen aktuellen Lage ist die Arbeitsanhäufung ja nicht geringer geworden. Das ist auch demotivierend. Von daher die Frage: Können Sie die Zeiträume konkreter benennen?Wimmer, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, wir haben es ja mit zwei Prozessen zu tun, und zwar mit zwei sehr erfreulichen: Zum einen haben wir den Personalumfang der Streitkräfte wegen der Ergebnisse der internationalen Abrüstungsverhandlungen zu reduzieren. Hinzugetreten ist der Umstand — über den wir beide, glaube ich, sehr erfreut sind — , daß wir wegen der Vereinbarungen zwischen dem sowjetischen Staatspräsidenten Gorbatschow und dem deutschen Bundeskanzler und wegen der internationalen Folgevereinbarungen die gesamtdeutschen Streitkräfte auf 370 000 Mann reduzieren. Seit dem Sommer des vergangenen Jahres sind wir in der konkreten Ausplanung dessen, was sich aus dem Einigungsprozeß und den vorgenannten Überlegungen ergibt. Der Bundesminister der Verteidigung hat immer wieder deutlich gemacht, daß wir die Gesamtdarstellung der Planungsüberprüfung vor der parlamentarischen Sommerpause dem Deutschen Bundestag und der deutschen Öffentlichkeit präsentieren werden.
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310 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 8. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Februar 1991
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Parlamentarischer Staatssekretär, sind Sie nicht auch meiner Meinung, daß ein Jahr für die betroffenen Beschäftigten in den Kreiswehrersatzämtern eine sehr lange Zeit ist, wenn sie auf Grund von nicht besetzten Posten doppelte Arbeit leisten müssen und wenn sie immer noch keine konkreten zeitlichen Perspektiven bekommen?
Wimmer, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich habe — wie jeder bei uns — immer menschliches Verständnis bei derart schwierigen Prozessen; nur sind wir in einer in der Tat gewaltigen Umwälzung begriffen. Wir können uns mit dem erfreulichen Umstand beschäftigen, daß wir die Zahl der Soldaten in Deutschland von rund 560 000 im Sommer des vergangenen Jahres im Laufe der nächsten Jahre auf insgesamt 370 000 reduzieren und daß Entsprechendes für den zivilen Anteil gilt. Das ist eine gewaltige Umwälzungsaufgabe, bei der wir auch den Zeitraum bis zum Jahre 1994, in dem dieser Prozeß abgeschlossen sein muß, ins Auge fassen müssen. Ich glaube, daß wir eine so komplette Umgestaltung der deutschen Streitkräfte in aller Sorgfalt und mit der gebotenen Sachlichkeit durchführen müssen. Bei allem menschlichen Verständnis für partielle Mehrarbeit bitte ich allerdings auch um Berücksichtigung des Umstandes, daß wir dann eine Struktur haben wollen, die uns in der Tat auf Dauer eine saubere Behandlung aller Themenstellungen erlaubt.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Gibt es weitere Zusatzfragen? — Das ist nicht der Fall.
Dann rufe ich die Frage 35 des Abgeordneten Ostertag auf:
Durch welche konkreten Maßnahmen will die Bundesregierung bei den angeordneten Kürzungen von (besetzten) Dienstposten aus dem Fachgebiet II beim Kreiswehrersatzamt Schwelm und der Überlegung der Wehrbereichsverwaltung III, freiwerdende Dienstposten beim Kreiswehrersatzamt Schwelm vorerst nicht nachzubesetzen, gewährleisten, daß unverzüglich ein Gesamtkonzept vorgelegt wird, das allen dienstlichen und sozialen Belangen der Mitarbeiter gerecht wird, und teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß es zur Fürsorgepflicht des Bundes gehört, rechtzeitig und umfassend zu informieren, damit sich die Beschäftigten auf entsprechende organisatorische Maßnahmen einstellen können?
Wimmer, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, für das von Ihnen angesprochene Problem der nicht besetzten und darüber hinaus der zurückzuziehenden Dienstposten sind neben der fehlenden haushaltsmäßigen Abdeckung von eingerichteten und nicht be-setzbaren Dienstposten eigene Feststellungen und Feststellungen des Bundesrechnungshofes maßgebend, nach denen insbesondere bei den kleineren Wehrersatzbehörden zur Zeit zu viele Dienstposten eingerichtet sind. Wegen des zurückgehenden Aufgabenumfangs der Wehrersatzbehörden werden künftig bei allen Wehrersatzbehörden weniger Dienstposten erforderlich sein. Der Rückgang der Aufgaben erfolgt voraussichtlich kontinuierlich über mehrere Jahre — ich habe gerade einen Zeitraum angesprochen, nämlich den bis 1994 — und betrifft die Aufgabengebiete der jeweiligen Kreiswehrersatzämter in unterschiedlichem Umfang. Erst am Ende eines jeden Jahres steht fest, welche Dienstposten betroffen sind. Es ist sichergestellt, daß bei den dann notwendigen Personalmaßnahmen die Personalvertretungen rechtzeitig und umfassend unterrichtet und beteiligt werden.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Eine Zusatzfrage, Herr Kollege Ostertag.
Kann ich daraus schlußfolgern, daß es jährlich entsprechende Mitteilungen unter Einbeziehung der Personalräte gibt oder aber erst Ende 1994, wie Sie es eben angedeutet haben?
Wimmer, Parl. Staatssekretär: Ich habe eben den Zeitraum bis 1994 als einen wichtigen Zeitraum in diesem Prozeß angesprochen, weil das der Zeitpunkt ist, zu dem wir die Struktur mit 370 000 Mann eingenommen haben müssen. Nur in diesem Kontext will ich das gewertet wissen.
Im übrigen wissen Sie, daß wir im Rahmen der guten Zusammenarbeit mit den Personalvertretungen die Mitarbeiter und die Personalvertretungen immer rechtzeitig darüber unterrichten, welche Personalmaßnahmen erforderlich sind. Wir haben da eine in der Breite sehr gute Praxis, weil wir auf Kooperation im Sinne der Mitverantwortung auch im öffentlichen Dienst angewiesen sind.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Zweite Zusatzfrage.
Wie kommt es, daß in dem von mir konkret angesprochenen Fall die Personalräte seit über einem halben Jahr auf entsprechende Anfragen keine Antworten haben?
Wimmer, Parl. Staatssekretär: Dann waren wir in diesem Fall bis dato nicht in der Lage, die gewünschten Aussagen zu machen. Wir werden sie dann, wenn wir sie vorliegen haben, selbstverständlich dem Personalrat gegenüber offenbaren.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Gibt es dazu weitere Zusatzfragen? — Das ist nicht der Fall.
Ich bedanke mich, Herr Parlamentarischer Staatssekretär.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit auf. Zur Beantwortung der Fragen ist Herr Parlamentarischer Staatssekretär Schmidbauer gekommen.
Ich rufe die Frage 36 des Abgeordneten Dr. Thalheim auf :
Inwieweit liegen der Bundesregierung Erkenntnisse darüber vor, ob und in welchem Umfang krebserregende Stoffe durch die Verbrennung von Einweggetränkeverpackungen aus Kunststoff bei der Abfallentsorgung entstehen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Herr Kollege Thalheim, die von Ihnen genannten Einweggetränkeverpackungen werden bisher ausschließlich zusammen mit anderen Abfällen entsorgt. Soweit Siedlungsabfälle verbrannt werden, sind die Einweggetränkeverpackungen im Gemisch enthalten. Spezielle Erkenntnisse über die Entstehung von kanzerogenen Stoffen bei dieser Art ihrer Verbrennung liegen nicht vor. Es ist auch nicht bekannt, ob spezielle Emissionsmessungen bei aus-
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Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 8. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Februar 1991 311
Parl. Staatssekretär Schmidbauerschließlicher Verbrennung in speziellen Behandlungsanlagen durchgeführt worden sind.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Zusatzfrage, Herr Kollege.
Wenn ich Ihre Aussage richtig interpretiere, Herr Staatssekretär, liegen auch keine Erkenntnisse darüber vor, wie es speziell im Niedertemperaturbereich aussieht. Denn in der ehemaligen DDR wird auf Grund des verbreiteten Hausbrandes viel Verpackungsmaterial in normalen Heizöfen verbrannt.
Schmidbauer, Parl. Staatssekretär: Es liegen darüber keine Erkenntnisse vor. Aber im Zusammenhang mit der nächsten Frage, die Sie gestellt haben, kann ich auf diese Thematik eingehen. Denn bei der jetzt von Ihnen gestellten Frage ist nicht auf spezielle Verbundmaterialien oder spezielle Werkstoffe abgehoben, so daß ich in dieser Detailliertheit nicht auf die Frage eingehen kann.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich habe jetzt gewisse Schwierigkeiten, Herr Parlamentarischer Staatssekretär. Sind Sie auf die Frage 37 schon eingegangen oder bloß losgesteuert?
Schmidbauer, Parl. Staatssekretär: Nur losgesteuert.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Frau Dr. Wetzel, bitte, eine Zusatzfrage.
Gibt es in bezug auf diese Fragen eine Zusammenarbeit zwischen dem Bund und den Ländern? Mir ist eine sehr umfangreiche Untersuchung aus dem Land Niedersachsen bekannt, die sich genau mit diesem Themenbereich befaßt.
Schmidbauer, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin, die Frage ist nicht, ob es eine Zusammenarbeit gibt. Sie müssen jetzt vielmehr spezifizieren, welches Verbundmaterial Sie meinen und ob dazu Ergebnisse vorliegen. Ich kann nicht allgemein beantworten, ob es Ergebnisse über Verbundmaterial allgemeiner Art gibt. Es gibt sehr viele Untersuchungen. Es gibt sehr viele Bemühungen der Bundesregierung in der Umsetzung entsprechender Verordnungen, z. B. TA Luft, TA Abfall oder Bundes-Immissionsschutzverordnungen. All dies gibt Auskunft auf Fragen, die die Emissionen betreffen. Ich gehe einmal davon aus, daß es sich in Ihrer Frage um Polyethylen handelt, d. h. um einen Werkstoff im Verbundmaterial, der natürlich zu CO2 und Wasser verbrennt. Das ist allgemein bekannt. Dazu bedarf es keiner besonderen Untersuchungen der Bundesregierung.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Mehr dazu in der Antwort auf die Frage 37:
Auf Grund der in den östlichen Bundesländern besonders verbreiteten Praxis der Müllverbrennung und der damit einhergehenden möglichen Gesundheitsgefährdung der Bevölkerung infolge der Verbrennung von Getränke-Einwegverpackungen aus Kunststoff frage ich die Bundesregierung, welche Mittel sie angesichts wachsender Suche nach einer umweltverträglichen Entsorgung von Kunststoffprodukten für geeignet hält, um die Verwendung von synthetischen Kunststoffen bei den sog. Tetra-Packs einzuschränken?
Schmidbauer, Parl. Staatssekretär: Nach den Erkenntnissen der Bundesregierung wird in den fünf neuen Ländern lediglich in einer Müllverbrennungsanlage, nämlich Berlin-Lichtenberg, Siedlungsabfall verbrannt.
Mit der vom Bundeskabinett am 14. November 1990 beschlossenen und der derzeit in den Ausschüssen des Bundesrates beratenen Verordnung über die Vermeidung von Verpackungsabfällen wird die vorrangige stoffliche Verwertung aller Verpackungsarten und -materialien, also auch der Verbundkartonverpackungen, festgelegt.
Die im Fachverband Kartonverpackungen für flüssige Nahrungsmittel zusammengefaßten Unternehmen haben gegenüber der „Duales System Deutschland GmbH" bereits eine Garantie für das Recycling gebrauchter Getränkekartons abgegeben.
Vor diesem Hintergrund sind spezielle Maßnahmen der Bundesregierung zur Einschränkung der Verwendung von Verbundkartonverpackungen derzeit entbehrlich.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Keine Zusatzfrage, Herr Dr. Thalheim. — Frau Kollegin Wetzel.
Ich höre zum erstenmal, daß die Entsorgungswirtschaft offensichtlich in der Lage ist, Verbundmaterialien zu recyceln. Habe ich Sie richtig verstanden: die stoffliche Verwertung von Verbundmaterialien? Ich erinnere aus der Diskussion der letzten Jahre, daß das bisher als grundsätzlich unmöglich dargestellt worden ist. Können Sie uns Informationen darüber geben, welche bestimmten Recyclingverfahren für diese Verbundmaterialien vorgesehen sind?
Schmidbauer, Parl. Staatssekretär: Der Bundesminister hat eine Studie „Ökobilanzen von Verpackungen" in Auftrag gegeben. Ziel der umfassenden Forschungsarbeit ist die Erstellung einer allgemein zugänglichen Datenbasis über die Umweltbelastungen und Auswirkungen von Verpackungen auf ihrem gesamten Lebensweg. In diesem Zusammenhang gibt es auch Untersuchungen über die von Ihnen angeschnittenen Fragen. Ich bin gern bereit, Ihnen dazu schriftlich eine ausführliche Stellungnahme zuzusenden.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich rufe die Frage 38 des Abgeordneten Weis auf:Weil der Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit in seiner Antwort auf meine schriftliche Frage vom 30. Januar 1991 mit erschwerten Ausgangsbedingungen über einen längeren Zeitraum begründet hat, weshalb er den Atomkraftwerken Greifswald und Rheinsberg noch nicht die Betriebsgenehmigung trotz des bislang fehlenden Nachweises der Deckungsvorsorge entzogen hat, frage ich die Bundesregierung, wann konkret entzieht sie die Betriebsgenehmigung angesichts einer zwischenzeitlich über 11/2 monatigen Überschreitung der gesetzlichen Frist zur Erbringung einer Deckungsvorsorge?Schmidbauer, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Weis, nach § 17 Abs. 4 des Atomgesetzes kann die zuständige Verwaltungsbehörde dem Genehmigungsinhaber eine angemessene Frist zum Nachweis der Deckungsvorsorge setzen, nach deren fruchtlo-
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312 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 8. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Februar 1991
Parl. Staatssekretär Schmidbauersem Ablauf die Genehmigung zu widerrufen ist. Eine solche Ausschlußfrist hat die für den Vollzug des Atomrechts nach Art. 14 des Einigungsvertrages geschaffene Gemeinsame Einrichtung der Länder den Genehmigungsinhabern bisher aus folgenden Gründen noch nicht gesetzt.Nach § 1 der Atomrechtlichen Deckungsvorsorgeverordnung kann die erforderliche Deckungsvorsorge vom Genehmigungsinhaber entweder durch eine private Haftpflichtversicherung oder eine Freistellungsoder Gewährleistungsverpflichtung eines Dritten erbracht werden.Im Rahmen der angesichts erschwerter Ausgangsbedingungen nicht einfachen Prüfung dieser beiden Deckungsvorsorgemöglichkeiten durch die Betreiber unter Beteiligung der GEL hat sich jetzt ergeben, daß eine Versicherungslösung faktisch ausscheidet. Auf Drängen des BMU, der sich mehrfach auch unmittelbar — zuletzt in einer Besprechung am 14. Februar 1991 — eingeschaltet hat, soll nunmehr auf Grund kurzfristiger Abstimmung zwischen Betreiber und Treuhandanstalt die erforderliche Gewährleistungsverpflichtung abgegeben werden. Sollte es hierbei zu Verzögerungen kommen, wird sich der Bundesminister abschließend nochmals unmittelbar einschalten.Wie schon auf entsprechende schriftliche Anfragen mitgeteilt, ist darauf hinzuweisen, daß geschädigten Dritten bis zum Nachweis der Deckungsvorsorge im Fall eines Schadens kein finanzieller Nachteil entsteht. Über die gesetzlich vorgesehene staatliche Einstandspflicht sind sie in jedem Fall abgesichert.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Weis.
Zu meinem Verständnis: Soll das heißen, daß die Deckungsvorsorge für das Atomkraftwerk in Greifswald aus dem Treuhandvermögen entnommen werden soll?
Schmidbauer, Parl. Staatssekretär: Das soll heißen, daß die Verhandlungen zwischen Betreiber und Treuhandanstalt in diesen Tagen fortgesetzt werden und sich der Bundesminister bereits in der nächsten Woche persönlich einschaltet, damit diese leidige Frage geklärt werden kann. Ich sagte aber bereits bei der Antwort, daß Schaden für Dritte nicht zu befürchten ist, zumal durch den Einstand des Staates entsprechende Vorsorge getroffen ist.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege Weis, Sie haben eine weitere Zusatzfrage.
Ich möchte Sie fragen, ob Sie nicht auch der Meinung sind, daß die Verwendung von Treuhandvermögen, das allgemein zur Sanierung der maroden Wirtschaft in der ehemaligen DDR verwandt werden soll, eine Verschwendung ist, wenn es in bezug auf diese anerkanntermaßen den Bestimmungen des Atomgesetzes nicht entsprechende Anlage eingesetzt wird?
Schmidbauer, Parl. Staatssekretär: Da keine Kosten entstehen, Herr Kollege Weis, ist diese Frage wohl nur so zu beantworten, wie ich es eben gemacht habe.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Gibt es weitere Zusatzfragen zu diesem Themenbereich? — Das ist nicht der Fall.
Herr Parlamentarischer Staatssekretär, ich danke Ihnen.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern auf. Zur Beantwortung der Fragen ist der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Waffenschmidt hier.
Ich rufe die Frage 47 des Abgeordneten Opel auf:
Was hat die Bundesregierung unternommen, um jene D-Mark-Beträge zurückzuerhalten, welche von der SED/PDS, den ehemaligen Blockparteien sowie den Massenorganisationen der ehemaligen DDR im Zuge der Einführung der Währungsunion am 1. Juli 1990 widerrechtlich in DM umgetauscht wurden, und welchen Erfolg hatten diese Bemühungen?
Herr Parlamentarischer Staatssekretär, Sie haben das Wort.
Herr Präsident, Herr Abgeordneter, gemäß den Vorschriften des Parteiengesetzes der DDR — ich verweise hier auf die §§ 20a und 20b — haben die Parteien und Massenorganisationen der DDR der Unabhängigen Kommission vollständig Rechenschaft über ihr Vermögen abzulegen. Dieses Vermögen unterliegt der treuhänderischen Verwaltung, die seit dem 3. Oktober 1990 von der Treuhandanstalt wahrgenommen wird. Ich verweise in diesem Zusammenhang auf die entsprechenden Stellen im Einigungsvertrag und seinen Anlagen.
Die diesbezügliche Tätigkeit von Unabhängiger Kommission und Treuhandanstalt wird sich möglicherweise über eine längere Zeit — ich will hinzufügen: wahrscheinlich über eine längere Zeit — erstrekken. Die Unabhängige Kommission wird dem Deutschen Bundestag über die Bundesregierung Zwischenberichte über ihre Arbeitsergebnisse zuleiten.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Zusatzfrage.
Herr Präsident, Herr Staatssekretär, gibt es — nach Ihrer Kenntnis — aus der bisherigen Tätigkeit der Kommission und der Treuhand irgendwelche Hinweise, daß die getauschten D-Mark-Beträge nicht nach den üblichen Usancen erworben wurden, sondern daß hier ein Erstattungsanspruch der Bundesrepublik Deutschland bestehen könnte?
Dr. Waffenschmidt, Parl. Staatssekretär: Herr Präsident, Herr Abgeordneter, ich möchte zunächst auf die Informationen verweisen, die eben der Kollege Carstens vom Finanzministerium gegeben hat.
Zusätzlich möchte ich gern, Herr Kollege Opel, noch auf folgendes hinweisen: Zuständig für die Prüfung des rechtmäßigen Erwerbs von Umstellungsguthaben war nach dem damals geltenden DDR-Gesetz über den Nachweis der Rechtmäßigkeit des Erwerbs von Umstellungsguthaben vom 29. Juni 1990 ein zeitweiliger Sonderausschuß der Volkskammer. Der Bundesregierung ist nicht bekannt, ob dieser Ausschuß hinsichtlich des Umstellungsguthabens von Parteien oder Massenorganisationen Beschlüsse gefaßt hat.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Eine Zusatzfrage, Herr Opel.
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Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 8. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Februar 1991 313
Herr Präsident, Herr Staatssekretär, glauben Sie, daß sich die Bundesregierung zumuten könnte, sich das Arbeitsergebnis dieses ehemaligen Sonderausschusses zu beschaffen und mir das Ergebnis schriftlich mitzuteilen?
Dr. Waffenschmidt, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich will gern mit der Unabhängigen Kommission, die ja insofern eine besondere Verantwortung hat, Kontakt aufnehmen und prüfen, ob es möglich ist, unbeschadet der speziellen, besonderen Aufgabe dieser Kommission, schon vorweg eine solche Mitteilung zu machen. Wenn dies möglich ist, werde ich Sie gern informieren, da ich der Meinung bin, daß eine Information der Kollegen des Deutschen Bundestages durch die Bundesregierung immer so weit wie möglich erfolgen sollte.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Weitere Zusatzfragen dazu? — Das ist nicht der Fall.
Der Abgeordnete Wittmann hat um schriftliche Beantwortung der Frage 48 gebeten. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 49 der Abgeordneten Frau Köppe auf:
Wie viele der Pressemeldungen zufolge in der dem Bundesamt für Verfassungsschutz vorliegenden Gehaltsliste des ehemaligen MfS/AfNS erfaßten Personen sind zum gegenwärtigen Zeitpunkt in den Verwaltungen von Bund, Ländern und Kommunen beschäftigt?
Dr. Waffenschmidt, Parl. Staatssekretär: Herr Präsident, Frau Kollegin Köppe, ich beantworte Ihre Frage 49 wie folgt: Mangels einer entsprechenden Rechtsgrundlage ist das Bundesamt für Verfassungsschutz nicht befugt, eine allgemeine Verbleibekontrolle für ehemalige Mitarbeiter des MfS/AfNS durchzuführen. Das Bundesamt für Verfassungsschutz kann die bei ihm vorhandenen Erkenntnisse über ehemalige Mitarbeiter dieser Behörden auch nicht generell mit den Einstelldaten oder Personaldaten des gesamten öffentlichen Dienstes, den Sie ja mit Ihrer Frage ansprechen, abgleichen.
Dem Bundesamt für Verfassungsschutz oder anderen Stellen des Bundes werden die Einstellungen in den öffentlichen Dienst nicht generell gemeldet, auch nicht die in den öffentlichen Dienst des Bundes. Es gibt bekanntlich auch keine Regelanfrage der Anstellungsbehörden beim Bundesamt für Verfassungsschutz.
Ein berechtigtes Informationsinteresse muß im Einzelfall mit den zur Verfügung stehenden Möglichkeiten bearbeitet werden.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Eine Zusatzfrage, Frau Köppe.
Welche Bemühungen wird die Regierung anstrengen, um diese Gehaltsliste des Ministeriums für Staatssicherheit, die jetzt dem Kölner Amt für Verfassungsschutz vorliegt, dem Sonderbeauftragten für die Stasi-Auflösung zu übergeben?
Dr. Waffenschmidt, Parl. Staatssekretär: Herr Präsident, Frau Kollegin, wir sind immer bereit, der von
Ihnen erwähnten Behörde des Sonderbeauftragten alle von ihr benötigten Informationen zu geben. Soweit sich dies auch auf die von Ihnen erwähnten Unterlagen erstreckt, wird dies sicher geschehen.
Im übrigen möchte ich auf folgendes hinweisen, Herr Präsident, Frau Kollegin Köppe, meine Damen und Herren: Es wird wichtig sein, sich für diesen politisch sehr bedeutsamen Fragenkomplex noch einmal im zuständigen Fachausschuß — das wäre der Innenausschuß — darüber im einzelnen klarzuwerden, wie man dieses ja auch politisch sehr sensible Thema, das Sie hier ansprechen, behandelt. Ich möchte für die Bundesregierung ausdrücklich anbieten, daß wir uns im Innenausschuß, dem ja auch Sie angehören, über diese Frage unterhalten und daß wir gemeinsam einen Weg suchen, der zu einer sachgerechten Lösung führt.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Zweite Zusatzfrage, Frau Kollegin Köppe.
Trifft es zu, daß diese Gehaltsliste inzwischen auch an andere Geheimdienste und auch an einige Landesämter für Verfassungsschutz weitergegeben wurde und — wenn ja — zu welchem Zweck?
Dr. Waffenschmidt, Parl. Staatssekretär: Ich kann dies nach dem Stand meiner Informationen, Frau Kollegin, nicht bestätigen. Ich will aber auf Grund Ihrer Frage der Angelegenheit nachgehen und Sie, falls erforderlich, darüber informieren.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Bestehen weitere Zusatzfragen zu dieser Frage? — Das ist nicht der Fall.Dann rufe ich die Frage 50 der Abgeordneten Frau Jelpke auf:Welche Maßnahmen sind von der Bundesregierung ergriffen und bereits ausgeführt worden, um im Spannungsfall gemäß der Notstandsgesetzgebung und anderen Gesetzen wie dem Katastrophenschutzgesetz, dem Arbeitssicherstellungsgesetz, dem Energiesicherstellungsgesetz, dem Fernmeldeanlagengesetz, dem Verkehrssicherstellungsgesetz und dem Wehrpflichtgesetz reagieren zu können?Dr. Waffenschmidt, Parl. Staatssekretär: Herr Präsident! Frau Kollegin, Ihre Frage möchte ich wie folgt beantworten: Eine Anwendung der Sicherstellungsgesetze ist nach Maßgabe des Art. 80 a des Grundgesetzes außer im Verteidigungsfall erst nach Feststellung des Spannungsfalls oder nach besonderer Zustimmung zur Anwendung durch den Deutschen Bundestag möglich. In Friedenszeiten sind auf der Grundlage der Sicherstellungsgesetze lediglich planerische Maßnahmen zulässig.Bund, Länder und Gemeinden sind auf Grund vorbereitender Klauseln, sogenannter präparatorischer Klauseln, in den Sicherstellungsgesetzen aber verpflichtet, die zur Anwendung der Gesetze in Krisenzeiten erforderlichen Vorbereitungen zu treffen. Eine Ausnahme stellt das Wassersicherstellungsgesetz dar, das auch im Frieden schon so gut wie voll anwendbar ist. Die Maßnahmen zur Trinkwassernotversorgung, die nur in längeren Zeiträumen zu verwirklichen sind und in einer Krise nicht nachgeholt werden könnten, werden seit 1965 kontinuierlich betrieben.
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314 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 8. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Februar 1991
Parl. Staatssekretär Dr. WaffenschmidtDie im Fall einer Anwendung der Sicherstellungsgesetze notwendigen Kenntnisse vermittelt im übrigen die im Jahre 1966 durch den Bundesminister des Innern errichtete Akademie für zivile Verteidigung.Im übrigen, Frau Kollegin, möchte ich auf den Zivilschutz hinweisen, der ein umfassendes Aufgabengebiet hat, der über rund 150 000 Helferinnen und Helfer verfügt, der Vorsorge für die Bevölkerung, für die Mitbürgerinnen und Mitbürger trifft und sich auch dadurch auszeichnet, daß er bereits in Friedenszeiten einen guten Beitrag zum Katastrophenschutz leistet.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatsrat, welche Maßnahmen sind von der Bundesregierung im Gesundheitsbereich ergriffen worden, um die medizinische Versorgung verletzter und eventuell verseuchter amerikanischer Soldaten zu gewährleisten und notfalls auch gegen den Widerstand des bundesdeutschen Pflegepersonals durchzusetzen?
Dr. Waffenschmidt, Parl. Staatssekretär: Herr Präsident! Frau Kollegin, lassen Sie mich zunächst sagen: Ich finde es charmant, daß Sie mich auch als Stadtrat ansprechen; das bin ich nämlich auch.
— Als Staatsrat! Das ist etwas noch Tolleres. Herzlichen Dank, aber wir bleiben bei dem schlichten Parlamentarischen Staatssekretär.
Auf Ihre recht umfangreiche Frage hin möchte ich Ihnen gerne anbieten, Ihnen noch in dieser Woche eine auf einzelne Fragenkomplexe eingehende schriftliche Antwort zu geben. Davon haben Sie mehr, als wenn ich diese Frage im Augenblick auf etwas unsicherer Grundlage beantwortete.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Dies, Herr Parlamentarischer Staatssekretär, kommt der Sitzungsleitung sehr zupaß; denn wir haben heute eine Fragestunde mit zweistündiger Dauer vereinbart, und wir haben diese zwei Stunden schon um eine Minute überschritten. Alle hier heute offengebliebenen Fragen werden schriftlich beantwortet.
Die Fragestunde ist damit beendet.
Ich rufe Zusatzpunkt 1 der Tagesordnung auf: Aktuelle Stunde
Haltung der Bundesregierung zur wachsenden Wohnungsnot und zur Lage der Wohnungswirtschaft
Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen, die Fraktion der SPD hat gemäß unserer Geschäftsordnung eine Aktuelle Stunde zu diesem Thema verlangt.
Das Wort hat der Abgeordnete Großmann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Schlangen vor den Wohnungsämtern werden länger, im Osten wie im Westen Deutschlands. In den neuen Bundesländern verfällt dieBausubstanz; gleichzeitig werden die Arbeitnehmer aus den Baubetrieben entlassen.Um den Wohnungsmangel zu stoppen, wäre 1990 der Bau von über 500 000 Wohnungen nötig gewesen; nicht einmal 350 000 dürften es tatsächlich gewesen sein. In den neuen Ländern gibt es sogar einen Rückgang von über 30 % im Neubau.Im früheren Bundesgebiet fehlt eine wirksame Begrenzung des Mietanstiegs. Die eigentliche Mieterhöhungswelle steht noch bevor, wenn nämlich die hohen Neuvertragsmieten auf den Mietspiegel und die Mieten im Bestand durchschlagen.Die Wirksamkeit der steuerlichen Eigentumsförderung bleibt unverändert schlecht. Den 5 % Haushalten mit den höchsten Einkommen kommt fast die Hälfte der jährlich etwa 6-Milliarden-DM-Summe der Steuervergünstigungen zugute. Die Normalverdienerhaushalte dagegen müssen wegen der hohen Zinsen ihren Wunsch auf ein Eigenheim zunächst zurückstellen. Die Wohnungspolitiker der CDU wissen dies. Schließlich wollten sie sich unserem Konzept des einkommensneutralen Abzugs von der Steuerschuld anschließen.
Aber die Bewahrung von Steuervorteilen für Spitzenverdiener ist der Koalition wohl doch wichtiger als die Bekämpfung der Wohnungsnot.Schauen wir uns die Probleme in den neuen Ländern an. Der Wohnungsbestand ist schlecht. Auf die Mieter rollt eine Belastungslawine zu. Dabei ist jedem — auch den Mitbürgern in den neuen Ländern — klar, daß die künstlich niedriggehaltenen Mieten steigen müssen. Die Bundesregierung hat dieses Problem jedoch vor den Wahlen bewußt heruntergespielt. Das innerdeutsche Ministerium hat noch im November 1990 behauptet, es werde im Jahr 1991 keine Mieterhöhungen geben. Nun jagen sich täglich neue Meldungen über geplante Mieterhöhungen und neue Belastungen.
Beginnend mit dem 1. April 1991 — jetzt offensichtlich später, aber um so drastischer — sollen Mieten und Nebenkosten steigen. Daß Sie das Wohngeld für die Haushalte mit geringem Einkommen in seiner Struktur ändern müssen, davon ist in der Koalitionsvereinbarung nicht die Rede. Die Verwaltungen, personell unzureichend ausgestattet, lernen gerade, mit dem Wohngeld umzugehen. Wie lange wird es wohl dauern, bis die Hunderttausende von Anträgen bearbeitet sind und die Familien das erste Wohngeld sehen?Die Städte und Gemeinden lassen Sie schließlich auf den angeblichen Altschulden sitzen, deren Zinsen an die Treuhand und damit indirekt an den Bund fließen. Es ist schon fast skandalös: Die Wohnungsunternehmen gehen am Krückstock, und die Bundesregierung kassiert Zinsen von fiktiven Schulden. Es wäre schon interessant, von der Bundesregierung endlich zu hören, ob die Zinsforderungen überhaupt Rechtens sind.
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Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 8. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Februar 1991 315
GroßmannIn diesen Tagen häufen sich Berichte über zurückgefahrene Heizungen, Zahlungsunfähigkeit von Städten und bevorstehenden Pleiten bei Wohnungsgenossenschaften. Schwerin hat mit der Übernahme der Altschulden für ehemals volkseigene Wohnungen über Nacht eine Pro-Kopf-Verschuldung von 5 000 DM, Magdeburg gar von 5 200 DM. Der Finanzminister schiebt die Verantwortung einfach weg und läßt die Länder, Kommunen und Wohnungsunternehmen im Stich.Auch die Lücke zwischen Kosten und Mieteinnahmen wird 1991 nicht zu schließen sein. Wie bei den Schulden läßt die Bundesregierung hier Länder und Gemeinden allein. Wir denken: ein völlig unhaltbarer Zustand.
Fehlende Anschubfinanzierung, unklare Rahmenbedingungen, unklare Eigentumsverhältnisse und die verschleppende Abwicklung der bodenrechtlichen Fragen durch die Treuhand führen zu einer traurigen, zu einer paradoxen Situation. Der Baubedarf beträgt Hunderte von Milliarden, die Arbeit liegt auf der Straße. Aber keiner investiert. Viele werden arbeitslos, und die Bausubstanz verfällt weiter.Nach den Beruhigungspillen im Wahlkampf kommt das Wechselbad: sprunghafte Belastungssteigerungen bei wachsender Arbeitslosigkeit und sozialer Not. Die Bundesregierung hat kein Konzept. Allein die Vermehrung der Zahl der Staatssekretäre im zuständigen Ministerium ist keine wohnungspolitische Lösung für diese Probleme
Wir fordern deshalb ein klares Konzept, wie sich die Mietbelastungen in den neuen Ländern sozial verträglich entwickeln und über das Wohngeld flankiert werden, wie mit einer entschlossenen Anschubfinanzierung endlich ein umfassender Prozeß der Erneuerung und Modernisierung der vorhandenen Bausubstanz eingeleitet wird, wie der dringend notwendige Neubau von Wohnungen in Ost und West belebt wird und wie die katastrophale Situation der Städte und Gemeinden, insbesondere der Wohnungswirtschaft, schnell verbessert werden kann.Vielen Dank.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Herr Dr. Kansy.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Wohnungsbaudiskussion in dieser Legislaturperiode beginnt leider so, wie wir in der letzten aufgehört hatten.
Die Sozialdemokraten erschöpfen sich in maßloser, in unqualifizierter, in — oft wider besseres Wissen — ungerechtfertigter Kritik an dieser Regierung,
machen pausenlos selber widerstrebend Vorschläge und verängstigen die Menschen mit Horrormeldungen. Das einzig Neue ist eigentlich nur: Es findet jetzt gesamtdeutsch statt.
Aber dies ist, Herr Müntefering nicht ausreichend. — Ich kenne die ehemalige DDR sehr gut. Ich kann Ihnen, wenn Sie wollen, nachher einmal ein bißchen darüber erzählen.Dies gilt, meine Damen und Herren — ich will das gleich vorwegnehmen —, insbesondere auch für die zweite Oppositionspartei, die PDS. Es ist schon unglaublich, wenn sich eine Partei, die uns einen Wohnungsbestand mit einem Durchschnittsalter von 58 Jahren hinterlassen hat — 25 % der Wohnungen sind nach DDR-Statistik in den Güteklassen 3 und 4 ausgewiesen, sind also kaum oder überhaupt nicht mehr bewohnbar; 30 % haben keine Innentoiletten; 50 % haben lediglich veraltete Kohleheizungen —, hier als Mahner aufspielt und kritisiert, daß wir in einem Vierteljahr Gesamtdeutschland nicht die Wohnungsprobleme in der ehemaligen DDR im Griff haben.
Das ist eine Aufgabenverteilung, meine Damen und Herren, auf die wir uns nicht einlassen.
Wir handeln. Wir haben in einer Zeit großer außen-und innenpolitischer Schwierigkeiten die Herausforderungen in beiden Teilen Deutschlands aufgenommen. Das umfangreiche Wohnungsbaupaket das wir 1989 beschlossen haben, das 1990 die ersten und sichtbaren Wirkungen in den westlichen Bundesländern zeigt, wird weiter verbessert und fortgesetzt; der Kollege Raidel wird nachher noch einige Worte dazu sagen. Im ersten gesamtdeutschen Haushalt werden wir für den sozialen Wohnungsbau, die Städtebauförderung, die Modernisierung und die Erhaltung in erheblichem Umfang Mittel einsetzen, damit erstmals die Chance gegeben ist, in den neuen Bundesländern in diesem Bereich einen großen Schritt nach vorn zu machen.
Wir gehen eben nicht, Herr Müntefering, nach dem Motto Ihres Parteigenossen und derzeitigen Ministerpräsidenten von Niedersachsen, Herrn Schröder, vor, der gesagt hat: Die sollen sich erst einmal selber krummlegen. Wir sagen vielmehr: Teilung muß auch durch Teilen überwunden werden.
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316 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 8. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Februar 1991
Dr.-Ing. KansyMeine Damen und Herren, das wäre einfacher, wenn sich die westdeutschen Bundesländer der Herausforderung finanzpolitisch stellen würden. Aber wenn wir im Jahre 1990 30 Milliarden DM Bundesaufwendungen und 1 Milliarde DM Aufwendungen der Bundesländer hatten und in diesem Jahr bisher — es soll sich ja ändern — 70 Milliarden DM Bundesaufwendungen und 3,5 Milliarden DM Länderaufwendungen haben, dann, meine Damen und Herren, meine ich schon, daß wir unter diesen Voraussetzungen an die Länder appellieren müssen,
ihre ureigene verfassungsmäßige Aufgabe des Wohnungsbaus und des Städtebaus für eine begrenzte Zeit mit einer geringfügig verminderten Hilfe des Bundes durchzustehen, es sei denn, daß es in diesen nächsten Tagen, sowohl was die Bauminister als auch was die Ministerpräsidenten betrifft, eine Lösung gibt, die auf Grund einer gerechteren Finanzverteilung für uns als Wohnungs- und Städtebaupolitiker in Bonn den Spielraum eröffnet, die Schwerpunkte wieder etwas anders zu setzen.Ich appelliere also, meine Kolleginnen und Kollegen von der SPD, auch an Sie, sich auch in diesem Fachbereich endlich zu einer vernünftigen Gemeinsamkeit zusammenzufinden
und nicht, Herr Conradi, mit Ihrem bekannten doppelzüngigen Spiel vorzugehen. Vor 14 Tagen stellte sich Ihr ehemaliger Kollege und heutige brandenburgische Finanzminister Kühbacher an diese Stelle und sagte: Sie böse Bundesregierung, Sie böse Koalition haben es versäumt, die Mieten im Bereich der ehemaligen DDR rechtzeitig anzupassen; wir werden mit den finanziellen Schwierigkeiten nicht fertig. Und Sie, Herr Müntefering, stellen sich hin und beklagen vernünftige Überlegungen, das jetzt sozialverträglich in die Hand zu nehmen.
Ich sage hier ganz klar: Wir werden den Einigungsvertrag dem Geist und dem Buchstaben nach erfüllen, nämlich in dem Sinne, daß wir die Mieten per Verordnung der Bundesregierung — dem auch die Länder zustimmen müssen — in dem Umfang anpassen, in dem die Einkommen in den neuen Bundesländern steigen.Dies ist eine Politik der Gerechtigkeit. Es kann nicht darum gehen, Mieten flächendeckend festzuhalten. Es kann meines Erachtens nur darum gehen, jedermann Gerechtigkeit widerfahren zu lassen.
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Darf ich Sie bitten, zum Ende zu kommen.
Ich darf Ihnen, Frau Präsidentin, noch einmal versichern, daß die CDU/ CSU ihre Wohnungspolitik genau in diesem Geiste betreibt. Ich darf Sie auffordern, hier nicht nur große Sprüche zu machen, sondern auch Mitverantwortung
zu übernehmen, damit wir die schwierige Situation meistern.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Seifert.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir, zunächst eine Frage zurückzugeben: Warum sollte die PDS nicht fragen dürfen, warum entgegen der vertraglichen Regelung im Einigungsvertrag die Mieten jetzt so rabiat gesteigert werden sollen, wenn — auch wir sehen es — der Komfort des Wohnungsbestands so schlecht ist, daß man überhaupt keinen Grund sehen kann, solch hohe Mieten zu verlangen? Durch die Umlage von Instandhaltungskosten wird doch der Wohnungsbestand in keiner Weise verbessert. Es wird doch nur gesichert, was recht und schlecht vorhanden ist.Außerdem frage ich: Warum sollte die PDS nicht daran erinnern dürfen, daß es in der DDR keine Obdachlosen gab? Jetzt werden Obdachlosenasyle gebaut. Ich finde, man könnte das Geld besser investieren.Und warum sollten wir nicht mal daran erinnern dürfen, daß jährlich immerhin mehrere hunderttausend Wohnungen gebaut wurden? Schlechterweise wurde nicht dazu gesagt, wieviel verfielen; das ist richtig. Immerhin wurde aber gebaut, was jetzt nicht der Fall ist.
Ja, aber es wurde gebaut.
Mir geht es darum — ich bin doch nicht hier, um zu meckern und zu sagen: dies und jenes ist schlecht! —, den Menschen, die sowohl in Ost als auch in West Wohnungen suchen — darauf wies ich neulich schon hin — , Wohnungen zu verschaffen, die ihrem Grundbedürfnis, ein Dach über dem Kopf und sichere vier Wände zu haben, entsprechen. Konkret auf die Länder der DDR bezogen, heißt das: Nach Einkommensgruppen gegliedert sollten die Mehrbelastungen aus Mieten, höheren Energiepreisen, Verkehrstarifen usw. den Zuwächsen aus z. B. Löhnen, Renten und Arbeitslosigkeit entsprechen, d. h. sie sollten diese Zuwächse nicht überschreiten. Man darf nicht vergessen, daß nicht nur die Mieten steigen, sondern auch andere Kosten.
— Darauf komme ich gleich.Außerdem: Wo bleibt die verbindliche Zusage der Landesregierung, überhaupt erst einmal die rechtlichen, finanziellen und auch verwaltungstechnischen Voraussetzungen dafür zu schaffen, daß Wohngeldanträge in kurzer Frist bearbeitet werden können und das Wohngeld auch gezahlt werden kann. Momentan ist es von der verwaltungstechnischen Seite her nicht
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Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 8. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Februar 1991 317
Dr. Seifertmöglich, die Anträge richtig entgegenzunehmen, geschweige denn, die Gelder auszuzahlen.Ich will, bitte, noch einmal daran erinnern, daß solche Dinge zuerst einmal geregelt werden müssen, bevor man festlegt: Am Soundsovielten steigen die Mieten um soundsoviel Geld, und am Soundsovielten— wenn die Heizperiode beginnt — rechnen wir schnell auch noch die Heizkosten dazu.Ich bin der Meinung: Wenn hier schon Marktwirtschaft eingeführt werden soll, dann sollte es bitte konsequent gemacht und nicht dirigistisch vorgegeben werden nach dem Motto: Ab dem Soundsovielten steigen die Mieten linear um soundsoviel Prozent bzw. um soundsoviel DM.
— Sie haben jede Menge Redezeit; Sie können das alles widerlegen.Mir geht es jetzt darum, darauf aufmerksam zu machen, daß Menschen in Ost und West auf der Suche nach Wohnungen sind.Ich möchte noch einmal darauf hinweisen, daß es jede Menge freiwerdenden Wohnraum gibt. Ich erinnere daran, daß in Berlin Mitte sehr viele Wohnungen aus dem ehemaligen Dienstleistungsamt für ausländische Vertretungen nicht mehr belegt worden sind; das sind die Wohnungen, wo Diplomaten gelebt haben. Darunter sind z. B. im Stadtzentrum Wohnungen, die seinerzeit rollstuhlgerecht gebaut, dann zweckentfremdet für Diplomaten benutzt wurden; sie werden jetzt nicht wieder belegt. Das wäre eine Sache, die Wohnungsnot durchaus lindern könnte, allerdings — das gebe ich zu — auf dem teuersten Boden Europas. Ich sehe ein, daß das nicht so sehr Ihren Interessen entspricht; aber es entspräche den Interessen der Menschen, die dort wohnen möchten.Ich danke für die Aufmerksamkeit.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Hitschler.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die PDS scheint sich in diesem Hause mehr und mehr zu der Partei zu entwikkeln, die für den schwarzen Humor zuständig ist. Nachdem heute morgen Herr Kollege Modrow die Privatisierung des Vermögens als Enteignung des Volkes bezeichnet hat, ist es Herrn Seifert gelungen, diese Treppenwitze fortzusetzen.Die Opposition zeichnet sich von der Wohnungspolitik ein Schreckenszenario als Rundgemälde mit Panoramablick und bejammert dieses Kunstbild als die Wirklichkeit. Bereits ein Blick in die Monatsberichte über die wirtschaftliche Lage in den alten Bundesländern hätte Ihnen Aufschluß über eine ausgezeichnete Situation der Wohnungswirtschaft gegeben und Ihnen sowohl bei den Zahlen der Baugenehmigungen als auch bei den Fertigstellungen von Zwei- und Mehrfamilienhäusern Zuwachszahlen aufgezeigt,
von denen Sie, Herr Kollege, noch vor einem Jahr, als die Bundesregierung ihr Programm für den Bau von einer Million Wohnungen verkündete, nicht zu träumen gewagt haben.
Die Entwicklung zeigt, wie erfolgreich unser Programm gewesen ist,
und signalisiert dem Bürger draußen, daß er sich auf unsere Politik verlassen kann. Nur durch den Bau von Wohnungen kann die Wohnungsnot behoben werden. Die Ankurbelung der Wohnungswirtschaft ist uns gelungen. Wenn wir Ihren Ratschlägen gefolgt wären, wäre die Wohnungswirtschaft in Stagnation verfallen.Ich gebe zu: Die gestrige Veröffentlichung des IfoInstitutes — Sie konnten das in den Schlagzeilen aller Wirtschaftszeitungen nachlesen — kam uns zu dieser Aktuellen Stunde gerade zupaß. Die Wohnungswirtschaft ist zufrieden; die Baupreisentwicklung ist ein untrügliches Indiz dafür. Die langfristigen Zinsen sind trotz der Erhöhung des Diskontsatzes wieder leicht gesunken. Allein die Baulandengpässe und die Baulandpreise in vielen Städten behindern Bauwillige am Bauen. Dort gibt es für viele ihrer Kollegen in den Kommunalparlamenten ein reiches Betätigungsfeld.
Die neuen Koalitionsvereinbarungen gewährleisten eine stetige Weiterentwicklung und weitere Anreize für den Eigenheimbau sowie für eine Belebung des Werkswohnungsbaus.Die Haushaltsmittel für den sozialen Wohnungsbau plus die Mittel aus der generellen Fehlbelegungsabgabe plus Einsatz im dritten Förderweg bedeuten zwar nicht gerade eine Zauberformel für mehr sozialen Wohnungsbau, aber doch eine solide und verläßliche Grundlage für die verschiedenen Investorengruppen.Für die neuen Bundesländer ist die Bundesregierung dabei, ein Strategiepapier für den Aufschwung Ost zu entwickeln, in das die Wohnungswirtschaft eingebunden wird, weil das Baugewerbe ein Motor für den konjunkturellen Aufschwung werden wird. Gewiß, hier gibt es noch einige Schwierigkeiten zu überwinden.Nun kommt es aber darauf an, den Menschen in den neuen Bundesländern Mut zu machen und Zuversicht zu vermitteln. Deshalb werden Sie Ihrer staatspolitischen und staatsbürgerlichen Verantwortung nicht gerecht, wenn Sie zwingend erforderliche Anpassungen der Betriebskosten, der Warmwasser- und Heizkosten sowie der Nettokaltmieten zum Katastrophenalarm nutzen.Dabei wissen Sie ganz genau, daß Sie selbst als Vertragspartner auf der anderen Seite auch den Weg über die Rechtsverordnungen ausgehandelt haben. Sie wollen sich aber wieder einmal als Schönwetterdemokraten präsentieren und sehen sich nicht in der Lage, unpopuläre Entscheidungen mitzutragen, die
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318 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 8. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Februar 1991
Dr. Hitschleraber die Voraussetzung dafür sind, daß der Aufschwung eingeleitet wird.Instandsetzung und Modernisierung kommen nur in Schwung, wenn die Kosten umgelegt werden dürfen. Es muß eine große Privatisierungsaktion eingeleitet, und alte Ungerechtigkeiten, wie z. B. die Eintragung von Zwangshypotheken, müssen korrigiert werden.In der Tat brauchen sowohl die privaten Vermieter als auch die kommunalen Wohnungsunternehmen zwischenzeitliche Ausgleichszahlungen von seiten der Länder.Daher ist es unverantwortlich, was sich der Mieterbund mit der Anzettelung seiner Protestaktionen geleistet hat. Wir werden die Aufgaben, die anstehen, meistern. Der Präsident des Mieterbundes wird gemeinsam mit Ihnen und uns am 1. Mai 1994 nicht „Brüder, zur Sonne, zur Freiheit!" , sondern das „Auferstanden aus Ruinen" singen, aber nicht nach der Melodie der Becher-Hymne, sondern nach der von Irmgard Adam-Schwaetzer.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat die Abgeordnete Frau Schenk.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Wohnungspolitik ist ein Bereich, in dem der Westen nichts vorzuweisen hat, zumindest nichts, was für den Osten nachahmenswert wäre.
Mietenexplosion, Umwandlungsverdrängung, willkürliche Kündigungen und Obdachlosigkeit, das waren für uns im Osten bisher Fremdwörter, die wir nur aus den westlichen Medien kannten.In der DDR wurde die Wohnungsfrage zwar auch nicht vorbildlich gelöst — Frau oder Mann mußten ewig lange, fünf oder zehn Jahre, auf eine Wohnung warten — , aber wenn sie dann eine Wohnung hatten, war sie erstens bezahlbar, und sie war zweitens ganz im Gegensatz zu der Situation in den westlichen Bundesländern absolut sicher.Im Gegensatz zu der Situation im Westen konnten Menschen in der DDR unter keinen Umständen aus ihren Wohnungen herausgesetzt werden, nicht, weil die Miete ins Unermeßliche steigt, nicht wegen Umwandlung und nicht, weil der Hausbesitzer Eigenbedarf anmeldet.Ich kann Ihnen sagen: Diese Sicherheit erspart viele schlaflose Nächte. Das Bewußtsein, eine sichere Wohnung zu haben, eine Wohnung, die man nicht verlieren kann, beruhigt ungemein. Ich möchte das schon in den Rang eines elementaren Menschenrechts erhoben wissen.Seit der Erweiterung der BRD um das Gebiet der DDR ist die Situation nun eine gänzlich andere. Die Bundesregierung hat jetzt im Widerspruch zum Einigungsvertrag eine Vervielfachung der Mieten vorgesehen; darauf läuft es hinaus. Man kann überhaupt nicht darum herumreden, auch wenn vielfältige Anstrengungen dazu unternommen werden. Darüber gibt es ganz genaue und auch verifizierbare Zahlen.Frau Adam-Schwaetzer behauptet in ihrer Presseerklärung vom 14. Februar, sie könne die steigenden Wohnkosten in den neuen Bundesländern mit Hilfe des Wohngeldes wieder auf 10 % des Einkommens herunterdrücken. Dazu müßten Sie allerdings — Frau Ministerin, das haben wir genau nachgerechnet — das jetzige Wohngeld um über 100 % erhöhen, womit Sie dann — zumindest meine ich das — erhebliche Schwierigkeiten mit Ihrem CSU-Finanzminister bekommen werden.Ich meine, Sie sollten sich davor hüten, den Bürgerinnen und Bürgern in der Ex-DDR Versprechungen zu machen, die später nicht eingehalten werden können; denn solche haben wir gerade in der letzten Zeit genug bekommen.
Aber ganz abgesehen davon, daß ein so hohes Wohngeld zumindest mit der gegenwärtigen Regierung auf Dauer nicht durchsetzbar wäre, meine ich, daß es grundsätzlich auch falsch ist, das Wohngeld, das nichts anderes als eine Sozialhilfe ist, als Mittel der Wohnungspolitik einzusetzen.
Mit der Vervielfachung der Mieten und deren Bezahlung durch das erhöhte Wohngeld bauen Sie die Subventionen nicht ab, sondern Sie verlagern sie nur. Das tun Sie allein zugunsten und wegen der privaten Vermieter — das ist offenkundig —; denn diese allein werden von den erhöhten Mieten profitieren.Für die kommunalen Wohnungsbaugesellschaften hingegen wäre es besser, wenn sie direkt subventioniert würden, damit sie davor bewahrt blieben, ihren Wohnungsbestand an gewinnorientierte Privatunternehmer verkaufen zu müssen.
Mit Ihrer Wohnungspolitik im Osten führen Sie ein ganzes Volk — ich möchte das hier mit aller Klarheit sagen — in die Abhängigkeit vom Wohngeld. Ein ganzes Volk wird durch diese Politik dazu gezwungen, Anträge zu schreiben, Anträge einzureichen, Wartezeiten in Kauf zu nehmen, und das jedes Jahr wieder.Damit wird aus den Menschen in der ehemaligen DDR ein Volk von Bittstellern und Bittstellerinnen gemacht. Ich muß Ihnen sagen: Diese Politik kommt einer kollektiven Demütigung der einst so umjubelten Schwestern und Brüder gleich,
von der ich fürchte, daß sie nicht ohne Folgen bleiben wird. Die Regierungsparteien hätten durchaus Anstand beweisen können, wenn das vor der Vereinigung klar gesagt worden wäre.
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Frau SchenkEs geht ja auch anders. Der Runde Tisch von unten, an dem die Vertreterinnen und Vertreter von 16 sozialen Interessenverbänden, Gewerkschaften, Bürgerinnenbewegungen und -initiativen sitzen, hat Forderungen formuliert. Die drei zentralen Forderungen möchte ich hier abschließend nennen: erstens direkte Subventionierung der kommunalen Wohnungsbaugesellschaften anstelle einer Erhöhung des Wohngeldes, zweitens Verhinderung der Wohnungsspekulation, und zwar in ganz Deutschland, durch staatliche Maßnahmen
und drittens Investitionen in die Sanierung der ostdeutschen Bausubstanz, anstatt weitere Milliarden DM für den Golfkrieg zu verschleudern. Diesen Forderungen kann ich mich hier nur anschließen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat die Ministerin für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau, Frau Dr. Adam-Schwaetzer.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Bundesregierung ist sich der Probleme, die auf dem Wohnungssektor herrschen, durchaus bewußt. Wir wissen, daß es im Westen in den Ballungsgebieten Wohnungsnot gibt. Wir wissen, daß es für junge Familien und für Alleinerziehende sehr schwierig ist, angemessenen Wohnraum zu tragbaren Preisen zu bekommen. Aber wir wissen eben auch, meine Damen und Herren — das relativiert dann wieder die Panikmache, die hier von der Opposition betrieben werden soll — , daß über 90 % der Bevölkerung in den westlichen Bundesländern angemessen mit Wohnraum versorgt ist und damit auch durchaus zufrieden ist.
— Wir machen selbstverständlich eine Politik für 100 % der Bevölkerung.
Deswegen werden wir den sozialen Wohnungsbau auf hohem Niveau weiterführen. Auch in diesem Jahr wird der Bau von 100 000 Wohnungen im sozialen Wohnungsbau möglich werden.Wir werden die Eigenheimförderung weiter ausbauen.Das, meine Damen und Herren, führt genau dazu, daß das Problem dort beseitigt wird, wo der Zusammenhang zwischen Wohnungsmangel, Angebot und Preisen auch von einzelnen Sozialdemokraten durchaus richtig gesehen wird.Herr Müntefering hat vor vier Wochen gesagt, Wohnungsmangel und steigende Mieten könnten wirklich wirksam nur durch eine Ausweitung des Wohnungsangebots und Neubau bekämpft werden. Das unterstreichen wir; genau darauf richtet sich unsere Politik.
Die Bilanz der Bundesregierung in der Wohnungspolitik kann sich in den neuen Bundesländern sehen lassen. Die Schlagzeilen, die das Ifo-Institut gestern gemacht hat, passen da natürlich wirklich gut ins Bild. „Wende im Wohnungsbau" war eine dieser Schlagzeilen.
Ich kann das mit Zahlen untermauern. Die Bewilligungen für den sozialen Wohnungsbau sind im Jahre 1990 um 42 % gestiegen. Die Zahl der Baugenehmigungen ist im Jahre 1990 insgesamt um 44 % gestiegen. Damit lagen wir zum ersten Mal seit vielen Jahren mit knapp 400 000 Baugenehmigungen in einem für unsere Verhältnisse zwar noch nicht ausreichenden, aber sehr guten Bereich.
Immerhin sind diese Baugenehmigungen zu 75 % für mehrgeschossige Mehrfamilienhäuser erteilt worden. Das bedeutet, daß der Zug genau in die Richtung fährt, in der wir ihn haben wollen. Am Ende des Jahres sprechen wir uns dann wieder.
Wohnungsmangel wird nicht durch Eingriffe in das Mietrecht beseitigt. Eingriffe in das Mietrecht schaffen keine neue Wohnung.
Trotzdem ist es gerechtfertigt, für eine begrenzte Zeit die Kappungsgrenze einzuführen. Wir haben dies bis 1996 festgelegt; das ist in Ordnung. Ich denke, bis dahin muß sich die Situation so verbessert haben, daß dieser Eingriff dann überflüssig wird.Sorgen macht uns die Bautätigkeit im Eigenheimbereich. Wir werden das sorgfältig beobachten.Übrigens ist die Umstellung auf den Abzug von der Steuerschuld dieses Mal an Finanzproblemen gescheitert. Aber sie bleibt auf der Tagesordnung.
Der Bund macht damit deutlich, daß er seine Mitverantwortung im Wohnungsbau ernst nimmt und auch umsetzt.Wir wissen, daß die Situation in den neuen Bundesländern besonders schwierig ist. Ich möchte kurz auf die Frage der Liquiditätsengpässe bei den Wohnungsunternehmen und den Genossenschaften eingehen. Dies ist ein Punkt, der uns mit großer Sorge erfüllt. Denn es wäre niemandem gedient, wenn tatsächlich Wohnungsunternehmen zum Konkursrichter gehen müßten.
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320 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 8. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Februar 1991
Bundesminister Frau Dr. Adam-SchwaetzerDeswegen, meine Damen und Herren, lassen Sie mich sagen: Art. 15 Abs. 3 des Einigungsvertrages gibt den Ländern die Möglichkeit, Verwaltungshilfe beim Bund zu beantragen. Dies ist bisher nicht geschehen.
Das verwundert mich, weil damit eine Chance für die Liquidität gerade in diesem Bereich vertan wird. Ich hoffe, daß das nicht das letzte Wort ist. Auch darüber wird auf der Bauministerkonferenz am Ende dieser Woche zu sprechen sein.Der Bund wird darüber hinaus über den Bund-Länder-Finanzausgleich seine Mitverantwortung in diesem Bereich deutlich machen. Darüber wird auch in dem Gespräch zwischen dem Bundeskanzler und den Ministerpräsidenten der Länder am 28. Februar zu sprechen sein. Hier ist natürlich die Solidarität vor allem der alten Länder gefordert. Denn eines ist klar: Den Wohnungsunternehmen und den Genossenschaften müssen die Defizite aus den nicht gedeckten Betriebskosten in irgendeiner Weise zur Verfügung gestellt werden.
Dies ist eine Verantwortung der Länder; in der Tat.
— Es ist eine Verantwortung der Länder; das sage ich doch klar und deutlich.
Denn die Länder sind schließlich dafür zuständig, Verbrauchersubventionen zu zahlen.
Dies ist nach unserer Verfassungsordnung so.Wie hoch der Subventionsbedarf sein wird, wird durch die Mietverordnungen festgelegt. Die Mietverordnungen, höre ich, werden draußen auf weiter Front angegriffen. Deswegen freue ich mich, daß ich heute vor ungefähr einer Stunde eine Agenturmeldung auf den Tisch bekommen habe. Ich möchte Ihnen daraus einen Teil vorlesen:Der brandenburgische Wohnungsbauminister Jochen Wolf— übrigens von der SPD —forderte, die künftige Miethöhe müsse dem Ziel Rechnung tragen, eine wirtschaftlich sinnvolle Vermietung zu ermöglichen. Dieses Ziel dürfe auch vor dem Argument einer sozialverträglichen Gestaltung der Mieten nicht in den Hintergrund treten.
Es könne niemandem nutzen, wenn private Vermieter und Wohnungsgesellschaften in den wirtschaftlichen Ruin getrieben würden.
Überdies müsse mit der Gestaltung der Miethöhe auch möglichst schnell ein Anreiz zu Investitionen in Ostdeutschland gegeben werden.
Ostdeutsche Mieter, die bereits Einkommensverbesserungen zu verbuchen hätten, sollten umgehend mit Mieterhöhungen zur Kasse gebeten werden, betonte der Minister.Ich stelle also fest, daß, wie Herr Kühbacher vor 14 Tagen, auch Herr Wolf mit der Regierungsverantwortung durchaus marktwirtschaftlichen Sachverstand zum Ausdruck bringt.
Ich wünschte mir, daß die Sozialdemokraten hier im Hause dem zustimmen könnten.Wir werden mit den Verordnungen zur Mietenanpassung, also zur Umlegung der Betriebskosten sowohl bei den kalten Betriebskosten als auch bei den Energiekosten, gleichzeitig das Wohngeldsystem auf die spezifischen Bedürfnisse der Mieter in den ostdeutschen Bundesländern abstellen; und wir werden die Regelungen des Wohngelds besser ausgestalten, als es in den westlichen Bundesländern derzeit der Fall ist. Ich mache einfach nur der guten Ordnung halber darauf aufmerksam, was für ein sozialer Sprengstoff darin liegt. Aber wir fühlen uns durch die Zusage, die wir im Einigungsvertrag gegeben haben, nämlich die Mieten schrittweise anzupassen, verpflichtet, auch durch spezielle Wohngeldregelungen für die Mieter im Osten dafür zu sorgen, daß die Mieterhöhung sozialverträglich gestaltet wird.
Wir werden deshalb die Heizkosten entgegen dem, was in den westlichen Bundesländern heute möglich ist, wohngeldfähig machen. Uns ist sehr wohl bewußt, daß die Mieter in den östlichen Bundesländern durch ihr eigenes Verhalten in vielen Fällen die Höhe der Heizkosten nicht beeinflussen können, und wir werden das bei der Ausgestaltung der Mietverordnung sorgfältig zu beachten haben. Aber das macht um so deutlicher, wie wichtig die Initiative von Bundeswirtschaftsminister Möllemann ist, durch Zuschüsse eine möglichst rasche Modernisierung der Heizungsanlagen in Gang zu setzen und abzuschließen.
Wir werden darüber hinaus durch zusätzliche Maßnahmen im Wohngeldbereich der schwierigen Situation der Mieter in der Anpassungsphase Rechnung tragen.Die Wohngeldauszahlung wird in der Tat kompliziert. Wir bereiten derzeit die notwendigen Programme für die Ausrechnung vor. Wir haben bereits im vergangenen Jahr im Vorgriff auf alles, was seit dem 1. Januar im Wohngeld möglich ist, ca. 1 500 Mitarbeiter von Verwaltungen in den östlichen Bundesländern geschult. Wir müssen heute bedauerlicher-
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Bundesminister Frau Dr. Adam-Schwaetzerweise feststellen, daß von den Ländern und Gemeinden diese geschulten Mitarbeiter zu einem nicht unerheblichen Teil in anderen Bereichen eingesetzt werden. Dann fehlen sie uns natürlich bei der Wohngeldberechnung und -auszahlung. Trotzdem werden wir in unseren Schulungsbemühungen nicht nachlassen, damit Wohngeld pünktlich und zeitgerecht ausgezahlt werden kann.Die Situation wird gerade in den östlichen Bundesländern auf absehbare Zeit noch sehr schwierig sein. Wir wollen und wir sind daran interessiert, daß sich die Wohnsituation der Menschen in den ostdeutschen Bundesländern möglichst rasch verbessert. Aber es muß uns allen klar sein, daß das nicht möglich ist mit einer Belastung von 4 % des Einkommens. Vielmehr ist eine rasche Verbesserung nur möglich, wenn auch die Mieten einen höheren Anteil am Einkommen ausmachen. Das sozial abzufedern, darauf richtet sich die Politik der Bundesregierung. Ich hoffe sehr, daß sie auch im Bundestag breite Unterstützung findet.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Janzen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Fehler und Fehlentscheidungen der Mediziner sieht man in der Regel nicht. Sie liegen nämlich unter der Erde. Es ist das Schicksal der Bauleute, daß ihre Fehler starr in Beton und Stein vor uns stehen, und das in der Regel über viele Jahre. Auch ihre Unterlassungssünden machen sich in gleicher Weise bemerkbar.In sage das deshalb hier und heute, weil Sie, Frau Dr. Adam-Schwaetzer, ja beruflich zur ersten Gruppe gehören. Ich zähle zur zweiten und kennen den scharfen Wind, der den Bauleuten von allen Seiten um die Ohren weht.Frau Ministerin, ich hoffe nun für uns alle — das möchte ich meinen kurzen Ausführungen voranschikken — , daß Sie am Ende Ihrer Amtszeit im Bausektor die Ergebnisse Ihrer Entscheidungen nicht lieber unter der Erde sehen würden; denn ihre Fehler werden nun in Zukunft auch in Stein geformt. Mit Betäubungsmitteln ist da für die Betrachter nichts mehr zu machen.Ich gehöre zu den Sozialdemokraten der neuen Bundesländer und möchte deshalb meiner Vorbemerkung hinzufügen, daß Sie und mit Ihnen die Regierung von mir in erster Linie daran gemessen werden, was Sie kurzfristig und sichtbar auf dem Gebiet der Wohnungswirtschaft in den neuen Ländern leisten werden.Aus der Fülle der Probleme möchte ich willkürlich drei herausgreifen und dazu einige Bemerkungen machen. Erstens. In Ihrem Programm gehen Sie vorrangig von marktwirtschaftlich orientierten Wohnungsbausystemen aus, d. h. Sie fordern Privatinvestitionen. Dafür werden Sie aber in den neuen Ländern vorläufig keine Basis finden. Das Privatkapital fehlt nämlich.
Trotzdem muß gebaut werden. Für mich bedeutet das folgerichtig ein Fortsetzen des Bauens im Sinne des hier üblichen sogenannten sozialen Wohnungsbaus. Dabei wäre es zunächst gleichgültig, ob die Wohnungsgenossenschaften oder die Gemeinden Träger der Baumaßnahmen werden. Geld haben sie nämlich beide nicht.Wenn Sie aber trotzdem, Frau Ministerin, Ihre für mich allerdings überspitzten Privatisierungsgefühle durchsetzen möchten, sehe ich zur Zeit nur folgendes Konzept. Die zu errichtenden Wohnungen müssen eine Qualität erreichen, die so beschaffen ist, daß sie eines Tages als Eigentum verkauft werden können. Sozialwohnungen im Verständnis der alten Länder sind das aber ebenso wenig wie die bisher im Osten entstandenen.Fazit: Der Wohnungsbau in den neuen Ländern muß weitsichtig in Größe, Qualität und städtebaulicher Einordnung so konzipiert werden, daß er eines späteren Tages verkäuflich wird.
— Sie haben mich nicht verstanden.Eine zweite Bemerkung. Massenwohnungsbau verlangt Serien. Serien haben logischerweise Gedanken und Überlegungen nach industriellen Methoden zur Folge. Im Bauwesen ist der Plattenbau dabei ein Weg. Ich halte es rein fachlich, aber auch politisch für falsch, die Mängel und Fehler des Wohnungsbaus in den neuen Ländern einfach auf den Plattenbau zu reduzieren. Sehen Sie sich bitte die Wohngebiete des sozialen Wohnungsbaus in den alten Ländern und den Wohnungsbau des Ostens bei Ihren Flugreisen von oben an und erklären die Unterschiede.Fest steht unbestritten, daß die Bauten erhebliche Qualitätsmängel im Detail, in der Wärmedämmung, in der Wohnungsgröße und in der Ausstattung besitzen. Diese lassen sich aber technisch abstellen. Ich sage das auch deshalb, weil ein Plan der sofortigen Abschaffung des Plattenbaus ein weiteres Kontingent an Arbeitslosen in den Plattenwerken schaffen würde; denn die dort Beschäftigten sind im traditionellen Wohnungsbau aus fachlichen Gründen größenteils nicht einsetzbar. Deshalb bin ich so sehr gespannt, wie das Bauministerium dieses Problem in den neuen Ländern meistern will.
Eine letzte Bemerkung. Neben dem Neubau wird die Sanierung der Altbausubstanz in den neuen Ländern den weitaus größeren Umfang annehmen. Hierfür gibt es große Summen an Fördermitteln. Sie werden nach dem in den alten Ländern üblichen Sinne eingesetzt.Frau Ministerin, Sie haben richtigerweise auf die Notwendigkeit der Verkürzung der Genehmigungsverfahren hingewiesen. Ich möchte diese Forderungen auf das sinngemäß übertragen, was sich gegen-
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Dr. Janzenwärtig in den fünf Pilotstädten der neuen Länder in der Sanierung abspielt; ich nenne das Beispiel Stralsund. Was dort zur Zeit läuft, ist nach meinem fachlichen Verständnis geradezu strafbar. Die Bevölkerung wartet auf sichtbare Ergebnisse; statt dessen werden im höchsten Grade der Pedanterie und zu hohen Kosten Gebäuderuinen aufgemessen, um sie schließlich entweder umzubauen oder sogar im Ergebnis der Erkenntnis abzureißen. Ein Institut aus Stuttgart befaßt sich in Stralsund im Auftrage des Sanierungsträgers aus Kiel sogar mit norddeutscher Backsteingotik, braucht dazu aber natürlich auch wieder Zeit und Geld. Ich könnte diese Beispiele fortführen. Das kann und darf nicht Sinn des Einsatzes der Fördermittel sein.Aus den wenigen Beispielen leiten sich notwendigerweise erhebliche Prozesse des Umdenkens für alle diejenigen ab, die mit Aufgaben des Aufbaus in den neuen Ländern betraut sind. Ich bemerke zum Schluß, daß Ihr Konzept, Frau Ministerin, dabei noch viele Fragen offenläßt.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Rau.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Meinem verehrten Vorredner möchte ich sagen, er sollte sich bei seinem Konzept noch einmal überlegen, wie lange die Werkstätten, in denen die Platten produziert werden, überhaupt noch eine Lebenschance haben. Das ist sehr differenziert, und die entsprechenden Gedanken sollte man mit in das Konzept einbinden.In meinem Beitrag möchte ich auf die Erfahrungen in den neuen Bundesländern eingehen. Es ist weitestgehend bekannt, daß die Wohnungssubstanz dort durchschnittlich 58 Jahre alt ist. „Aufgebessert" worden ist dieser gesamte Bereich mit der Wohnungsfassade WBS 70. Sie wissen, daß wir Gebiete haben, die dadurch stark belastet sind. In diesem Zusammenhang darf ich auch Herrn Seifert ansprechen, weil er von den Vorteilen gesprochen hat. Ich betrachte das als riesigen Nachteil, denn das Innenleben dieser Gebäude hat eine Lebensdauer von ungefähr zehn Jahren, und in diesen schadhaften Wohnungen leben wir jetzt. Mit den Problemen des warmen Wassers und der Heizung — die haben wir ja schon angesprochen — müssen wir uns zusätzlich auseinandersetzen.Wir wissen auch, daß in dieser Erblast 40 % der Wohnungen vor 1918 gebaut worden sind. Auf unserem Territorium fallen 22 % der Wohnungen — ich meine, daß es in Wirklichkeit 30 % sind — unter die Bauzustandsstufe 3 bis 4, d. h. kaum bewohnbar. Von der Ausstattung und der Infrastruktur der Wohngebiete will ich ganz schweigen. Auch nutzt ein neuer Bundesbürger rund 10 qm weniger Wohnfläche als sein Kollege und Nachbar im Westen.Vor dem Hintergrund, daß 41 % der privaten Wohnungsinhaber bei den bekannten Einnahmen die anfallenden Kosten nicht decken können und daß die genossenschaftlichen und kommunalen Wohnungenüberschuldet und ebenfalls nicht finanzierbar sind, muß es eine Übergangsform geben, die eine seriöse Arbeitsweise der Wohnungsverwaltung und der privaten Eigentümer garantiert. Hier sehe ich einen dringenden Entscheidungsbedarf. Frau Minister, ich glaube, dort müssen wir, was die Entwicklung bis zur Mietpreisregelung angeht, noch etwas zulegen. Eine Abwartehaltung bringt in unserem Gebiet weitere Unsicherheit und, wie ich meine, auch Vertrauensschwund.Es muß deutlich gemacht werden, wie der Übergang gestaltet wird. Transparente und zukunftsorientierte Entscheidungen sowie klare Schrittfolgen bei der Mietpreisregulierung in Verbindung mit neuem Wohngeld sind wichtige Voraussetzungen, um den sozialen Frieden in den neuen Bundesländern zu gewährleisten. Den Mietern angebotene Privatisierungen der Wohnungen zu einem niedrigen Preis — dabei denke ich an maximal 10 000 DM für eine ZweiZimmer-Wohnung mit Bad und WC in einem durchschnittlichen Bebauungsgebiet der letzten zehn Jahre — sind genauso bedeutungsvoll wie die Regelung des Rechtes an Grund und Boden zu Bedingungen vor dem 2. Oktober 1990 für den Eigenheimbau, wenn die Verwaltungszeit nicht dazu gereicht hat, die notarielle Übereignung zu realisieren. Klare gesetzliche Regelungen, wie sie in den Koalitionsvereinbarungen fixiert sind, zu modernen Heizungssystemen, sind Begleitmaßnahmen, die dabei mit eingebunden werden müssen.
Dazu gehört eine Finanzausstattung in den Landratsämtern, die für gleiche Förderungsmöglichkeiten in ganz Deutschland sorgt.Umweltfördermittel — gestern von Bundesminister Töpfer angesprochen — sollten auch in die Stadt- und Blockheizwerke mit einfließen, damit perspektivisch die differenzierten Kosten in den verschlissenen Anlagen vermindert werden können. Dabei möchte ich den Vorschlag bekräftigen, den wir gestern in der Fraktion beraten haben: daß 250 DM bis 300 DM pro Kopf Soforthilfe für kommunale Investitionen in die Landratsämter fließen, um eine Brücke von der momentanen unzumutbaren Situation bis hin zu einer Aufbauphase zu schlagen, wo durch möglichst kostenlose Kommunalisierung von Treuhandobjekten eine eigene Kraft in den Kommunen entwickelt ist.
Dabei helfen wir sinnvoll, Arbeitsplätze zu schaffen, fördern den Mittelstand, insbesondere das Handwerk. Hierzu sollten auch die Bundeshaushaltsmittel eingesetzt werden, und zwar auch dann, wenn Landesmittel noch nicht zur Verfügung stehen. Das gilt für Planungszwecke wie auch für den sozialen Wohnungsbau oder den kommunalen Verkehrsbau. Das ist besonders deshalb erforderlich, da begonnene bzw. bereits abgerechnete Bauten noch nicht oder nur teilweise finanziert wurden und damit eine Liquiditätsfrage der Baubetriebe ansteht.Ich bin der Auffassung, daß, wenn zu diesen von mir genannten Problemkreisen in kürzester Zeit Entscheidungen fallen, wir entscheidenden Einfluß auf die weitere Entwicklung in den neuen Bundesländern
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Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 8. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Februar 1991 323
Raunehmen und gleichzeitig für die deutsche Einheit im Sinne gemeinsamer Anstrengungen aller Bundesbürger einen gemeinsamen Beitrag leisten.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat nun Frau Schmalz-Jacobsen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich habe mit Interesse zur Kenntnis genommen, daß der Kollege von der PDS hier gesagt hat: Marktwirtschaft, aber bitte auch konsequent. Genau das haben wir vor. Allerdings wollen wir das sozial absichern. Stimmen Sie nur immer mit! Man kann lernen.Meine Damen und Herren, der Zustand der Städte und der Dörfer in den neuen Ländern ist tatsächlich erschreckend. Die verblichene DDR hat uns eine schwere Hypothek hinterlassen. Aber sie muß nun einmal abgetragen werden. Das haben wir vor. Das haben wir gemeinsam mit unserer tatkräftigen Ministerin vor.In diesem Zusammenhang relativieren sich unsere eigene Wohnungsnot, die Wohnungsengpässe bei uns etwas. Während in den alten Ländern die Menschen langsam bis auf 36 Quadratmeter pro Person hochgekrabbelt sind, haben die Menschen in den neuen Ländern nur 24 Quadratmeter. Ich weiß, diese Statistik sagt nicht alles, sondern gibt nur eine ungefähre Richtschnur. Aber immerhin: Das ist ein ganz interessanter Vergleich. Wir setzen auf Modernisierung und Instandsetzung in den neuen Ländern, weil die Wohnungssubstanz so beklagenswert ist. Es muß schnell gehen, aber über Nacht geht es nun einmal nicht. Wir setzen auf marktwirtschaftliche Instrumente. Wir setzen aber auch auf Menschen, die in der Lage sind, eigenständig zu handeln. Wir fordern private Investoren auf, dort tätig zu werden. Natürlich können sie nicht allein aus den neuen Bundesländern kommen, sondern auch aus den alten.Wir erwarten und erhoffen uns ein Umdenken in den großen Wohnungsbaugesellschaften in den neuen Ländern. Immerhin 60 % der Wohnungen werden durch diese Gesellschaften verwaltet. Größe ist hier leider häufig umgekehrt proportional zur Effizienz. Aber vielleicht kann man das ändern.Ich begrüße, daß es Patenschaften durch Wohnungsbauunternehmen aus den alten Ländern gibt. Das ist ein Stück Solidarität. Auch Städtepartnerschaften gibt es. Über 2 300 Sachbearbeiter sind ausgebildet worden. Das ist einerseits viel, andererseits natürlich nur ein Tropfen auf den heißen Stein.Man kann die Menschen mit nichts so verrückt machen, als wenn man sie in Angst und Sorge hält, was ihre Wohnungen betrifft.
— Lieber Herr Kollege, wenn die Leute Angst haben, dann gibt es zwei Möglichkeiten: Man kann ihnen immer noch mehr Angst machen, ohne Lösungen anzubieten,
oder man kann ihnen die Wahrheit sagen.
Das ist ja das, worum wir in den nächsten vier Jahren— wie schon in den letzten Jahren — immer wieder streiten werden.
— Herr Kollege, wir werden deutlich machen, daß wir die Sorgen der Mieterinnen und Mieter ernst nehmen, aber wir werden ihnen kein X für ein U vormachen. Wir schenken ihnen reinen Wein ein.
Dazu gehört, deutlich zu sagen, daß sich die mietrechtlichen Rahmenbedingungen in der nächsten Zeit ändern werden und daß es einen Anstieg der Mietkosten geben wird.Meine Damen und Herren, das ist auch ein Stück Gerechtigkeit gegenüber den alten Bundesländern. Das muß ich hier auch einmal deutlich sagen. Während in der ehemaligen DDR der durchschnittliche Anteil der Miete am Nettogehalt 4 % beträgt, sind es bei uns, in den alten Ländern, 25 % und mehr. Es gibt Leute, die fragen, wie das mit dem Zusammenwachsen aussieht.
— Ich weiß ja, daß Ihnen das nicht gefällt, Herr Kollege. Aber Sie müssen Tatsachen einmal zur Kenntnis nehmen.
— Stichwort Mütter: Eine ganz große Aufgabe für uns in den alten Bundesländern ist es nicht nur, die Leute, die in Mietverhältnissen sind, zu sichern, sondern auch jungen Familien, die neu auf dem Wohnungsmarkt auftreten, die Möglichkeit zu geben, eine Wohnung zu finden.
Wir setzen — ich wiederhole das — auf die private Initiative. Und die ist, meine Damen und Herren, in der ehemaligen DDR nicht tot. Das sieht man z. B. daran, daß die scheußlichen Häuser in Plattenbauweise — das ist der Sozialismus —
von den Leuten innen ganz hübsch zurechtgemacht worden sind.Ich komme zum Schluß. Zur sozialen Flankierung gehört nicht nur Geld. Es gehören die notwendigen Behörden dazu, und es gehört das qualifizierte Personal dazu. Das fehlt. Deswegen begrüße ich ausdrücklich die Initiative von Herrn Minister Möllemann, in Pension gegangene Beamte zu reaktivieren.
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324 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 8. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Februar 1991
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Frau Kollegin, darf ich Sie bitten, zum Ende zu kommen.
Wir brauchen eine Aufklärungskampagne, die mehr Klarheit, mehr Rechtssicherheit und schließlich — das halte ich für das Wichtigste — mehr Zuversicht bringt.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Raidel.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ein ganz allgemeiner Überblick über unsere westliche Situation: Nach Aussagen des Sachverständigenrates gehört die Wohnungsversorgung in den alten Bundesländern neben der Schweiz zu der besten der Welt. Sie schlägt sich auch im Lebensgefühl unserer westdeutschen Bürger nieder. Noch im Herbst 1989 befanden 29 % der Befragten ihre persönliche Wohnraumsituation als sehr gut, 51% als gut und nur 1 % als schlecht.
— Herr Kollege, es ist erstaunlich, daß Ihre Ecke trotz Ihres Heiligenscheins so dunkel bleibt.Vor diesem Hintergrund ist zu beachten, daß sich Angebot und Nachfrage auf den Wohnungsmärkten selten im Gleichgewicht befinden. Lange Planungs- und Fertigstellungszeiten sowie hohe Vorhaltekosten erschweren schnelle Reaktionen auf Marktveränderungen. Zyklische Schwankungen, als „Wohnungsnot" oder „Wohnungshalden" bezeichnet, hat es deshalb zu allen Zeiten — unabhängig davon, welche Parteien in der Regierungsverantwortung waren — gegeben.Die derzeitigen Wohnungsengpässe, vor allem in den großen Städten, aber auch auf dem flachen Land, sind im wesentlichen auf folgende Ursachen zurückzuführen:
a) die schnelle Ausweitung der beanspruchten ProKopf-Wohnfläche, z. B. auf Grund des stark gestiegenen Realeinkommens; b) Zuzug von Hunderttausenden von Aus- und Übersiedlern; c) Rückgang der Investitionsbereitschaft privater Kapitalanleger, bedingt durch frühere Wohnungsleerstände; d) die dadurch bedingte Rücknahme der Fördermittel von Bund, Länder und Gemeinden.Die Bundesregierung hat, als die Anspannungen auf den Wohnungsmärkten deutlich wurden, mit einem Bündel von Maßnahmen schnell und umfassend reagiert
und die Wohnungsbautätigkeit aus ihrer Talfahrt bis 1988 in eine neue Aufschwungphase übergeleitet.Ein Milliardenprogramm mit insgesamt 20 verschiedenen Maßnahmen wurde beschlossen. Es umfaßt eine allgemeine Verbesserung der steuerlichen Abschreibungsbedingungen für den Neu-, Aus- und Umbau von Mietwohnungen, eine umfangreiche Aufstockung der Mittel für den sozialen Wohnungsbau und ein Bausparzwischenfinanzierungsprogramm für den Eigenheimbau.
Es umfaßt weiter die Förderung des Baus von Studentenwohnheimen. Flankiert wurden diese Maßnahmen durch das Wohnungsbauerleichterungsgesetz.Diese politischen Signale lösten einen beeindrukkenden Wohnungsbauaufschwung aus. Die statistischen Zahlen sind Ihnen allen bekannt.
Die wohnungspolitische Offensive wird fortgesetzt.
— Ich gebe es Ihnen schriftlich.Wichtig ist rasches und konsequentes Handeln. Da sind wir uns sicher einig.
— Sorgen Sie bitte für Ihren eigenen Kopf. Ich tue das für meinen.Wir müssen dafür Sorge tragen, daß möglichst viele neue Wohnungen gebaut werden. Wir sind sicher gemeinsam der Auffassung: Wer schnell hilft, hilft sogar doppelt.Dabei kommt es darauf an:Erstens. Die Privatinitiative muß weiter gestärkt werden, weil der frei finanzierte Wohnungsbau die tragende Säule in der Wohnungsversorgung ist und auch bleiben muß.Zweitens. Die Wohnungseigentumsbildung muß weiter gefördert werden. Sie alle wissen: Ein eigenes Haus ist die Sehnsucht vieler. Die Förderung entspricht unserer Auffassung und unseren Zielen der Sozialen Marktwirtschaft ganz besonders. Die Förderung bleibt darüber hinaus ein unverzichtbarer Beitrag zur Entlastung des Wohnungsmarktes.Drittens. Der soziale Wohnungsbau muß verstetigt werden. Ein hie und da geforderter Ausstieg ist abzulehnen; denn wir können gerade hier den Gruppen gezielt helfen, die dieser Hilfe besonders bedürfen, z. B. jungen Ehepaaren, kinderreichen Familien, Alleinstehenden mit Kindern und nicht zuletzt Bürgern mit geringen Einkommen.Viertens. Das Wohngeld muß weiter verbessert werden; denn es ist auch in Zukunft eine wichtige Hilfe für alle Haushalte, deren Einkommen für eine angemessene Wohnungsversorgung nicht ausreicht. Die Bundesregierung hat das Wohngeld noch wirksamer ausgestaltet und auf regionale Besonderheiten zugeschnitten. Den überdurchschnittlichen Belastungen in den wohnungspolitischen Brennpunkten wurde Rechnung getragen. Es ist unser erklärtes Ziel, das Wohngeld rechtzeitig und nachhaltig an die Entwicklung der Mieten und Wohnkosten anzupassen.
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Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 8. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Februar 1991 325
RaidelFünftens. Wir müssen den Mieterschutz verstärken. Mietrechtliche Maßnahmen müssen den Mieter schützen, ohne Vermieter und Investoren abzuschrekken. Hier muß mit Fingerspitzengefühl immer wieder ein gerechter Interessenausgleich gefunden werden.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege, darf ich Sie bitten, zum Schluß Ihrer Rede zu kommen.
Sechstens. Städtebauförderung und Dorferneuerung sind weiterzuführen.
In allen wohnpolitischen Maßnahmen, meine Damen und Herren, fährt der Zug in die richtige Richtung; nach meiner Auffassung auch in der richtigen und gebotenen Geschwindigkeit. Wir wollen, daß alle Bürgerinnen und Bürger in angemessenen Wohnungen zu tragbaren Kosten leben können.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Darf ich Sie jetzt noch einmal bitten, zum Schluß zu kommen!
Nach unserer Meinung gehören Wohnen und Heimat zusammen. Deshalb ist die Sorge um bezahlbare und familiengerechte Wohnungen ein Herzstück unserer Politik.
Herzlichen Dank.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat die Abgeordnete Frau Dr. Lucyga.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Noch vor wenigen Monaten hieß es in den Schlagzeilen: „Willkommen in Deutschland". „Wir freuen uns auf Deutschland" war aus den östlichen Bundesländern zu hören.Inzwischen sind wir um Illusionen und auch um Hoffnungen ärmer geworden. Statt des für die neuen Bundesländer versprochenen Aufschwungs durch Einheit ist dort der soziale Aschermittwoch angebrochen, und sein Ende ist noch nicht abzusehen, wenn nicht rasch eine politische Kurskorrektur erfolgt.
Die Schlagzeilen, die wir heute fast täglich lesen können, lauten — trotz Ihrer flotten Sprüche — so: „Kommunen vor dem Zusammenbruch", „Ist der Osten Deutschlands noch zu retten?" Oder auch: „Das Wasser steht an der Oberkante Unterlippe."Verzweifelte melden sich zu Wort: „Wie soll ich denn davon noch leben?", schrieb mir eine junge Frau, die die drastisch gestiegenen Lebenshaltungskosten für sich und ihre zwei Kinder von ihrem geringen Einkommen nicht mehr aufbringen kann. Resignation und Verzweiflung wachsen in den neuen Bundesländern, und dabei heißt es, das Drama sei noch nicht auf dem Höhepunkt, denn die Talsohle sei noch nicht erreicht.Die Talsohle — das bedeutet konkret: noch mehr Arbeitslosigkeit, noch mehr soziale Verwerfungen.Wen wundert es noch, wenn die Angst dort umgeht; die Angst vor einer ungewissen Zukunft, mittlerweile auch die Angst um das Dach über dem Kopf. Diese Angst ist nicht ganz unbegründet, denn viele erleben ja direkt, am eigenen Leibe, die Katastrophe.
Millionen Menschen — von 3 Millionen ist die Rede — sind bereits arbeitslos. Die Wirtschaft bricht in weiten Teilen zusammen. In manchen Regionen erreicht die Arbeitslosigkeit 50 % und mehr. Das sind Angaben, die auch der Wirtschaftsminister nicht bestreitet.Preise für lebensnotwendige Dinge, Verkehrstarife, Medikamente, Post-, Energie- und Heizungskosten steigen rapide. Öffentliche Einrichtungen sind kaum noch arbeitsfähig. Die Angst, die Mieten nicht mehr zahlen zu können, wächst.
Auf den Bruch von Versprechungen der Koalitionsparteien haben sich die Menschen in den neuen Bundesländern inzwischen eingerichtet. Das von Ihnen, Frau Ministerin, angekündigte Verordnungspaket sieht ganz danach aus, als würde es dem Gesetz dieser Serie folgen. Obwohl es in der Regierungserklärung des Bundeskanzlers vom 30. Januar dieses Jahres heißt — ich zitiere — : „Die Mieten in den neuen Bundesländern wollen wir schrittweise und sozial verträglich anpassen" , zeigt sich bei näherem Hinsehen, daß hier in bewährter Form durch rhetorische Pflichtübungen übertüncht wird, was konkret auf die Mieter in den neuen Bundesländern zukommt: drastische Mieterhöhungen.
Dazu ein Beispiel: Bei Inanspruchnahme des Mietsteigerungs- und Umlagenspielraums der Verordnungsvorlagen können Mieten im Ostteil Deutschlands schon bis Oktober dieses Jahres um das Sechsbis Achtfache ansteigen. Es gibt Berechnungen, nach denen eine 64 qm große Wohnung ab Oktober 1991 bereits mehr kosten kann, als ein Mindestrentner, ein Vorruheständler, ein Geringverdienender oder ein Arbeitsloser überhaupt an monatlichem Einkommen zur Verfügung hat. Diese Erhöhung der Mieten noch in diesem Jahr auf dem Gebiet der neuen Länder widerspricht den Regelungen des Einigungsvertrages, die Mieten der ehemaligen DDR schrittweise und unter Berücksichtigung der Einkommensentwicklung zu steigern, und ist sozial unvertretbar.Energie- und Heizungskosten sind bereits gestiegen und werden weiter steigen. Dazu ebenfalls ein Beispiel: Wer in Mecklenburg-Vorpommern für Beheizung, Küche und Warmwasser auf Stadtgas angewiesen ist — ob nun in Rostock, Wismar oder anderswo —, muß ab Mai dieses Jahres für seinen bisherigen Verbrauch mit einer Jahresrechnung von etwa 5 120 DM rechnen, was die Jahresbezüge eines Mindestrentners oder anderer Einkommensschwacher total verschlingt. Sicher kommt an dieser Stelle der Einwand: Wohngeld, aber durch Wohngeld allein kön-
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326 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 8. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Februar 1991
Frau Dr. Lucyganen die Belastungen in dieser Größenordnung nicht abgefedert werden,
zumal die neuen Länder durch ihren Verwaltungsnotstand dem Antragsverfahren ja noch gar nicht gewachsen sind. Darüber hinaus ist das Wohngeld ja auch keine wohnungspolitische Wunderpille. Es fängt extreme Mietsteigerungen nicht auf.
Im übrigen wissen die Apotheker, daß es keine Wunderpillen gibt.Von vornherein war absehbar, daß zwischen sozialverträglichen Wohnkosten und kostendeckenden Mieten auf absehbare Zeit eine Lücke klaffen würde, die nur durch öffentliche Mittel geschlossen werden kann. Niemand bestreitet hier die Notwendigkeit von Mieterhöhungen, denn die Mieten in der Ex-DDR lagen ja weit unter den tatsächlichen Wohnkosten. Entsprechend sind die Wohnbedingungen noch heute. Aber diese Fakten allein rechtfertigen es doch noch nicht, die Wohnungswirtschaft der ehemaligen DDR vor der Zeit auf den freien Markt zu entlassen
und die Lasten auf die schwachen Schultern zu verteilen: auf die Mieter, auf die Kommunen und auf die Länder, die jetzt schon unter den Belastungen zusammenbrechen, denn wenn die Mieten in keinem Verhältnis zu den Einkommen stehen, muß die öffentliche Hand einspringen. Aber: Allein in Mecklenburg-Vorpommern fehlen bereits 1,1 Milliarden DM zum Zwecke der sozialverträglichen Abfederung von Mietsteigerungen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Frau Kollegin, kommen Sie bitte zum Ende.
Hier kann sich der Bund nicht zu Lasten der Länder, Kommunen und Mieter aus der Verantwortung zurückziehen.
Ich danke Ihnen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Otto.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die heilige Kuh staatlich verordneter Mieten wird in der ehemaligen DDR zur Zeit geschlachtet. Dieses Aushängeschild sozialistischer Errungenschaften hat sich als ein verhängnisvoller Fehler in der Wohnungswirtschaft herausgestellt.Freilich: niedrige Mieten, billig wohnen — wer wollte das nicht? Doch das Resultat sind verfallende Innenstädte, kaum noch reparable historische Bautenund Wohnsilos an unseren Stadträndern in den neuen Ländern.
Schnelle Hilfe ist nötig. Auch in der Wohnungspolitik muß die Soziale Marktwirtschaft Einzug halten.
Es wäre jedoch verantwortungslos, würden wir dem Wohnungsmarkt und der Mietpreisbildung in den neuen Ländern jetzt freien Lauf lassen. Schon jetzt kursieren in Erfurt, Leipzig, Dresden und anderswo Horrormeldungen über neue Mietpreise. Presse und Funk mischen ordentlich mit, verkünden sechs- bis achtfach gesteigerte Mieten.
— Jawohl.Offensichtlich muß es manchen Journalisten und vielleicht auch manchen Politikern höllischen Spaß machen, unsere Menschen in den neuen Bundesländern, die bereits schon jetzt eine Roßkur der Umstellung in vielen Lebensbereichen durchmachen, zusätzlich in Panik zu versetzen. Demgegenüber steht die klare Aussage der CDU, daß die Mieten nur in dem Tempo an eine Kostendeckung herangeführt werden, wie das Einkommen in den neuen Bundesländern steigt.
Da sich aber die Löhne und Gehälter in den neuen fünf Bundesländern sehr unterschiedlich entwickeln, müssen demzufolge die neuen Mieten differenziert erhoben werden.
Es gibt bereits jetzt gut verdienende Berufsgruppen, wie z. B. bei den Banken, bei den Versicherungen und auch Bundestagsgeordnete, die kostendeckende Mieten durchaus verkraften könnten.
Auch der Berufspendler, der zwischen einem neuen und einem alten Bundesland pendelt, wird bereits ein höheres Einkommen haben als sein Kollege am Heimatort. Demgegenüber müssen sich andere Arbeitnehmer, insbesondere in Verwaltung, Schulen und im sozialen Bereich, aber auch viele Rentner und Arbeitslose mit Mindesteinkommen begnügen. Es dürfte wohl recht und billig sein, daß diese unverschuldeten Differenzen auszugleichen sind.
Zwar sollten die wirklichen Mietkosten sichtbar gemacht werden, jedoch sind die über die soziale Leistungsfähigkeit hinausgehenden Mietforderungen durch staatliche Zuschüsse abzudecken.
— Ja, ja. Ich meine auch sie.
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Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 8. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Februar 1991 327
Otto
Sozial zumutbar wäre für mich dabei ein Anteil um 10 % des Realeinkommens einer Familie,
selbstverständlich unter Beachtung des niedrigen Wohnkomforts in der ehemaligen DDR.Es muß also ein spezielles Wohngeldrecht für die neuen Bundesländer geschaffen werden. Darin muß auch zum Ausdruck kommen, daß Wohngeld kein staatliches Almosen ist, sondern eine soziale Pflichtleistung des Staates.
Leider befürchte ich aber, daß die Verwaltungen in den neuen Bundesländern nicht in der Lage sind, umgehend und kurzfristig den hierfür notwendigen Verwaltungsapparat aufzubauen, zumal derzeit ein Einstellungsstopp in vielen Kommunen unserer Länder besteht. Vielleicht könnte hier unser Bundesarbeitsminister mit Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen den Kommunen kurzfristig unter die Arme greifen.
Feststehen muß jedoch, daß bis zum Wirksamwerden des neuen Wohngeldrechtes die bisherigen Subventionen weiter bereitgestellt werden müssen.
— Hatten Sie gedacht, meine Herren und Damen von der SPD, die CDU mache eine menschenfeindliche Politik gegen die Mieter unserer Länder? Es kommt aber beides so hervor. Ja, ja, ich sehe das schon recht.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege, kommen Sie jetzt bitte zum Ende!
Meine sehr verehrten Damen und Herren, mit diesem Programm werden wir schrittweise aus dem verhängnisvollen Teufelskreis von nicht kostendeckenden Mieten und verfallener Wohnsubstanz bei hohen Subventionen herauskommen. Diese Zielstellung bedarf einer großen Solidarität.
Verehrte Abgeordnete, gestatten Sie mir abschließend einen Appell an alle: Lassen Sie es nicht zu, daß die Finanzstreitigkeiten zwischen Bund und Ländern — jetzt schaue ich auf diese Seite — auf dem Buckel der Mieter in den neuen fünf Bundesländern ausgetragen werden!
Vielen Dank.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Kollege Reschke.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Ministerin, ich wäre geneigt, den vierten Staatssekretär rufen zu lassen, da ich nur drei sehe.
Aber vermutlich ist er damit beschäftigt, Baugenehmigungen zu zählen, um dann festzustellen, was sich da geändert hat. Es ist schon erstaunlich, daß wir in zwei Jahren nun vier Aktuelle Stunden im Plenum zur Wohnungsnot hatten mit der dritten Ministerin — oder Minister — und mit immer wieder neuen Versprechungen.Oskar Schneider hat jede Wohnungsnot geleugnet.
Gerda Hasselfeldt hat bis Mitte des letzten Jahres eine Reihe von Positivmeldungen — genau wie Sie jetzt, Frau Ministerin — durch die Presse gehen lassen, wie wirksam und effektiv doch ihre Politik gewesen sei. Die Baugenehmigungen, so wurde immer angeführt, seien der Beweis. Ich frage mich nur, warum sie dann das Ressort gewechselt hat. Vielleicht haben Sie jetzt auch erkannt, daß man in Baugenehmigungen nicht wohnen kann. Auch Sie sollten das langsam erkennen und diese Zahlen weglassen. Legen Sie dem Haus hier bitte die Fertigstellungszahlen auf den Tisch!
Die Baugenehmigungen blieben und bleiben in den Schubladen vieler potentieller Bauherren. Ursache sind die schlechten Rahmenbedingungen, zu denen auch die Bundesregierung wesentlich beigetragen hat.Die Regierung hat den Bau von 400 000 Wohnungen jährlich im Westen versprochen.
Doch konnte der Wohnungsbau 1989 mit 230 000 Fertigstellungen nur ein kleines Plus gegenüber dem Jahr davor erreichen, nämlich ein Mehr von rund 22 000 Einheiten. Auch 1990 hat es die versprochene wesentliche Steigerung nicht gegeben. Gehen Sie davon aus, daß im Westen 1990 nicht wesentlich mehr als 250 000 Wohnungen fertiggestellt worden sind.
Die Fertigstellungszahlen im Osten sind 1990 gegenüber den Vorjahren um mehr als 30 % zurückgegangen. Rechnen Sie die dazu, dann kriegen Sie im Westen und im Osten gerade gut Ihre 300 000 Wohnungen zusammen. Und jetzt fangen Sie, Frau Adam-Schwaetzer, wieder an, von gestiegenen Baugenehmigungen zu reden, anstatt den Wohnbedarf vor dem Parlament einmal tatsächlich auszubreiten.Wir haben aber nicht zuletzt auf Grund zunehmender Wanderungsgewinne einen jährlichen Neubaubedarf von mindestens 530 000 Wohneinheiten bis zum Jahr 2000: das sagen Ihnen auch die Institute. Diese Zahlen überlesen Sie gern.
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328 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 8. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Februar 1991
ReschkeDie Situation am Wohnungsmarkt spitzt sich weiter zu, trotz aller Beschönigungsversuche, und wirksame Maßnahmen schlagen Sie hier heute konkret nicht vor. In den alten Bundesländern sind im Bereich des Ein- und Zweifamilienhausbaus, eine der wichtigen Säulen im Wohnungsbau, in diesem Frühjahr rapide Rückgänge zu verzeichnen.Enorme Preissteigerungen am Bau, verbunden mit einem hohen Zinsniveau und ineffektiver Förderung, schrecken viele Bauwillige in den alten Bundesländern ab.Durch den frei finanzierten Mietwohnungsbau sind trotz der mehrfach verbesserten steuerlichen Förderung neue Wohnungen im wesentlichen Umfang nicht entstanden. Fragen Sie beim Statistischen Bundesamt nach, und Sie werden feststellen, daß Sie über 30 000 neue frei finanzierte Wohnungen im Jahr 1990 nicht hinauskommen.Das wichtigste steuerliche Förderungsinstrument für selbstgenutztes Wohneigentum fördert im Grunde die falschen; das ist hier schon mehrfach beobachtet und diskutiert worden. Aber der eigentlich wichtige Punkt — und der schmerzt mich einfach — ist, daß Sie sagen: Die Umstellung auf den steuerlichen Abzugsbetrag nehmen wir deshalb nicht vor, weil wir uns das finanziell nicht leisten können. Damit schließen Sie alle Bürgerinnen und Bürger in den fünf neuen Bundesländern von Wohneigentumsförderung nach § 10 e aus. Das ist doch der Punkt, den wir hier zu kritisieren haben.
In den neuen Bundesländern bricht die Bauwirtschaft gänzlich zusammen. Sehen Sie sich die Zahlen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung an: Im vierten Quartal 1990 mußte das Baugewerbe einen Rückgang, ein Minus von 26,1 % in der Beschäftigung hinnehmen. Dabei könnte gerade die Bauindustrie Konjunkturmotor für die Schaffung von Arbeitsplätzen und für die Versorgung von vielen Menschen sein. Nein, auf Grund Ihrer nicht durchgeführten Maßnahmen ist die steuerliche Abschreibung bei den Ostinvestoren nicht vorhanden — die Voraussetzungen sind nicht so — , und Westinvestoren halten sich wegen ungeklärten Eigentumsfragen und der Altlastenfragen in vielen Dingen zurück.Ich sage ganz deutlich, wir brauchen zwei Dinge: die Entschuldung der Wohnungswirtschaft über einen Kreditabwicklungsfonds oder Streichung der Altschulden, zweitens ein Wiederaufbauprogramm für die Sanierung der Altbauten in der DDR, das ganz schnell aufgelegt werden muß. Darüber hinaus brauchen wir, um den Neubau wieder zu fördern, massive Zinssubventionen.Ich frage mich, warum Herr Möllemann bekannt hat, daß Sie sich geirrt haben, und jetzt, nach unseren monatelangen Forderungen, eine 5prozentige Erhöhung der Zinssubvention vorschlägt. Wir sagen ganz deutlich: Für den sozialen Mietwohnungsbau muß etwas getan werden.Die Mieten steigen mehr als doppelt so schnell wie die übrigen Preise. Dazu wäre noch einiges zu sagen, z. B. wie die Kappungsgrenze, die Frau Hasselfeldt hier im Haus versprochen hat, in Zukunft wirken soll. Wir werden heute im Fachausschuß darüber zu beraten haben.Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich komme zum Schluß. Was den Mietern und Wohnungssuchenden bevorsteht, haben sie heute von Ihnen zur Genüge gehört. Wir werden Ihre Reden rechtzeitig zur Diskussion vor Ort vervielfältigen. Nehmen Sie die Warnungen, die viele hier im Haus ausgesprochen haben, ernst, und ergreifen sie endlich vernünftige Maßnahmen. Es ist Auftrag des Gesetzgebers, die Menschen in den alten und neuen Bundesländern mit sicherem und preiswertem Wohnraum zu versorgen. Was Sie hier heute abliefern, ist nach meiner Auffassung Beginn von sozialem Sprengstoff in vielen Städten.Frau Ministerin, gehen Sie davon aus: Von 28 Millionen Haushalten betrifft dies 10 % , also 2,7 Millionen Haushalte — mit 3 je Haushalt multipliziert ergibt dies 10 Millionen Menschen in unserer Republik, die von Wohnungsnot betroffen sind.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Dörflinger.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Inflationierung von Aktuellen Stunden zu einem die Bürger in der Tat bewegenden Thema bedeutet noch nicht, daß die SPD den Beweis dafür angetreten hat, dem wohnungsbaupolitischen Konzept, das wir in der Vergangenheit vertreten haben, und dem, was wir an Perspektiven für die Zukunft entwickeln, ein realistisches, seriöses Gegenkonzept entgegengesetzt zu haben.
Meine Damen und Herren, wer sich seriös mit diesem Thema auseinandersetzt, sollte zunächst einmal zwei Dinge tun: Er sollte sich erstens realistischer von unserer Verfassungsordnung her die Frage stellen, wer für was zuständig ist, wo die Verantwortlichkeiten liegen. Dann funktioniert aber das Doppelspiel nicht, den Bund permanent zum Lastesel machen zu wollen und auf der anderen Seite dort, wo man parteipolitischen Einfluß hat, nämlich in den Ländern, einen handfesten Egoismus gegenüber der Bereitschaft, für den Aufbau der neuen Länder das Entsprechende zu tun, zu züchten.
Meine Damen und Herren, dazu gehört auch, daß man Fakten nicht verschleiert oder schönt.Liebe Kollegin vom Bündnis 90, mich hat es betroffen gemacht, als Sie vorhin hier gestanden und quasi im Nachhinein die Verhältnisse in der früheren DDR als ideal dargestellt haben. Hat es denn etwas mit dem Umgang, mit den sozialen Interessen unserer Mitbürger zu tun, eine Bauweise zu wählen, die unmenschlich ist, eine Energiepolitik zu betreiben, die un-
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Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 8. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Februar 1991 329
Dörflingermenschlich ist, Leute in gesundheitliche Schwierigkeiten zu bringen, 20 Milliarden DM mit der Rasenmähermethode aus dem öffentlichen Haushalt herauszunehmen? Ist denn das Instrument Wohngeld, dessen Umsetzung zugegebenermaßen schwierig ist, nicht ein viel treffsicheres Instrument der sozialen Absicherung als das, was unter 40 Jahren staatlicher Kommandowirtschaft in der früheren DDR geschehen ist?Meine Damen und Herren, wie sehen eigentlich die Fakten aus?
In den alten Bundesländern haben wir — das hat der Kollege vorhin dargestellt — durch wohlstandsbedingte Nachfrage und Zunahme der Bevölkerung in wenigen Jahren um rund 2 Millionen Personen eine Lücke zwischen Angebot und Nachfrage. Der seriöse Umgang mit den Besorgnissen unserer Bürger gebietet, sie darauf hinzuweisen, daß keine wie auch immer geartete staatliche Förderung in der Lage wäre, diese Lücke in absehbarer Zeit so schnell wie erwartet zu schließen. Wir sind vielmehr darauf angewiesen, die öffentliche Hand und die privaten Initiativen zusammenzuspannen, um diese Probleme zu lösen.
Meine Damen und Herren von der SPD, Sie sind doch diejenigen, die den Bürgerinnen und Bürgern dauernd die Illusion vorgaukeln, die Erhöhung der öffentlichen Mittel, sprich der Bundesmittel, führe in sehr kurzer Zeit zur Überwindung dieses Engpasses. Das ist doch die Konzeption, die Sie gegenüber den Bürgern vertreten.
Wir haben ein wohnungsbaupolitisches Paket geschnürt und auf den Weg gebracht, weil wir der Auffassung sind, daß dies eine Aufgabe sowohl der öffentlichen Hand als auch der privaten Initiativen ist. Wir haben die Rahmenbedingungen für private Investitionen verbessert. Wir haben die Mittel für den sozialen Wohnungsbau erhöht und sind der Meinung, daß diese Mittel vor allem auf diejenigen Bevölkerungskreise konzentriert werden müssen, die sich erfahrungsgemäß am Markt schwertun.Meine Damen und Herren, natürlich ist die Situation in den neuen Bundesländern auch sozial bewegend. Wir dürfen aber doch nicht vergessen, daß wir diejenigen sind, die das grausame Erbe eines grausamen Regimes so schnell wie möglich abzutragen haben. Dann sollten wir — diese Bitte richtet sich auch an die Kolleginnen und Kollegen von der linken Seite aus den fünf neuen Bundesländern — alles vermeiden, was den Eindruck erweckt, als seien wir, diejenigen, die dieses Erbe aufarbeiten, auch nur im Entferntesten daran schuld, daß wir uns in dieser Lage befinden.
— Herr Kollege Conradi, wie üblich in solchen Debatten, tun Sie sich durch überintelligente Zwischenrufe hervor!Ich komme auf das zurück, was Herr Dr. Kansy zu Beginn gesagt hat: Wir sollten uns unserer gemeinsamen Verantwortung stellen, wir sollten aber nicht in den Fehler verfallen, unseren Bürgern und Bürgerinnen draußen Konzepte vorgaukeln zu wollen, die weder finanzierbar sind noch letztlich der Befriedigung ihrer Interessen dienen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, die Aktuelle Stunde ist beendet.
Ich habe noch eine Mitteilung für Sie. Herr Kollege Andres hat mir eine Erklärung nach § 30 der Geschäftsordnung vorgelegt. Damit stellt er eine Aussage seines Diskussionsbeitrages in der Sitzung vom 1. Februar klar. Diese Erklärung wird zu Protokoll gegeben. *)
Wir sind damit am Schluß unserer heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 21. Februar 1991, 9 Uhr ein.
Die Sitzung ist geschlossen.