Gesamtes Protokol
Meine Damen und Herren, die Sitzung ist eröffnet.Interfraktionell ist vereinbart worden, die verbundene Tagesordnung zu erweitern. Die Punkte sind in der Ihnen vorliegenden Zusatzpunktliste aufgeführt:5. Beratung der Unterrichtung durch den Bundesrat: Gesetz zur Regelung der Dauer des Grundwehrdienstes und des Zivildienstes — Drucksachen 11/7840, 11/7858, 11/7995hier: Einspruch gemäß Artikel 77 Abs. 3 Grundgesetz — Drucksache 11/8135 —6. Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU und FDP: Zurückweisung des Einspruchs des Bundesrates gegen das Gesetz zur Regelung der Dauer des Grundwehrdienstes und des Zivildienstes — Drucksache 11/8186 —7. Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verbesserung des Lebensmittelstraf- und -ordnungswidrigkeitenrechts sowie des Fleischhygienerechts — Drucksachen 11/4309, 11/7885 —8. Aktuelle Stunde: Einreise für Juden aus Osteuropa9. Beratung des Antrags der Abgeordneten Frau Saibold, Stratmann-Mertens und der Fraktion DIE GRÜNEN/Bündnis 90: Jahresbericht zur Entwicklung der ökologischen und sozialen Folgekosten des Wirtschaftens in der Bundesrepublik Deutschland— Drucksache 11/8170 —Von der Frist für den Beginn der Beratung soll abgewichen werden, soweit es zu einigen Punkten der Tagesordnung erforderlich ist.Außerdem soll Tagesordnungspunkt 9 — Beratungen ohne Aussprache — erst nach den namentlichen Abstimmungen heute mittag aufgerufen werden. Tagesordnungspunkt 9.1 — Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über Gebühren für die Benutzung von Bundesfernstraßen mit schweren Lastfahrzeugen — wird abgesetzt.Sind Sie damit einverstanden? — Dagegen sehe ich keinen Widerspruch. Dann ist es so beschlossen.Ich rufe Tagesordnungspunkt 10 auf:a) Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung eines Dritten Nachtrags zum Bundeshaushalts-plan für das Haushaltsjahr 1990
— Drucksachen 11/7950, 11/8132, 11/8148 —Beschlußempfehlung und Bericht des Haushaltsausschusses
— Drucksache 11/8160 —Berichterstatter:Abgeordnete Borchert Dr. Weng Wieczorek (Duisburg) Frau Vennegerts
b) Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Frau Augustin, Böhm , Carstensen (Nordstrand), Doss, Dr. Faltlhauser, Dr. Grünewald, Frau Dr. Hellwig, Herkenrath, Hinsken, Krey, Lowack, Maaß, Magin, Dr. Möller, Müller (Wadern), Nelle, Pesch, Rossmanith, Ruf, Schwarz, Spilker, Dr. Sprung und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Dr. Weng (Gerlingen), Frau Seiler-Albring, Grünbeck, Funke, Gattermann, Dr. Solms, Wolfgramm (Göttingen) und der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung eines Dritten Nachtrags zum Wirtschaftsplan des ERP-Sondervermögens für das Jahr 1990 (3. ERP-Nachtragsplangesetz 1990)— Drucksache 11/7982 —aa) Beschlußempfehlung und Bericht des Aus-schusses für Wirtschaft
— Drucksache 11/8204 —Berichterstatter:Abgeordnete Niegel Pfuhlbb) Bericht des Haushaltsausschusses
gemäß § 96 der Geschäftsordnung— Drucksache 11/8205 —
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18270 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 231. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Oktober 1990
Präsidentin Dr. SüssmuthBerichterstatter:Abgeordnete Esters Frau VennegertsRossmanithDr. Weng
c) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Wirtschaftsplans des ERP-Sondervermögens für das Jahr 1991
— Drucksachen 11/8002, 11/8152 —aa) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft
— Drucksache 11/8206 —Berichterstatter:Abgeordnete Niegel Pfuhlbb) Bericht des Haushaltsausschusses
gemäß § 96 der Geschäftsordnung— Drucksache 11/8207 —Berichterstatter:Abgeordnete Rossmanith Dr. Weng EstersFrau Vennegerts
d) Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses
Sammelübersicht 162 zu Petitionen
— Drucksache 11/6988 —e) Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses
Sammelübersicht 171 zu Petitionen
— Drucksache 11/7448 —f) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Haushaltsausschusses zu der Unterrichtung durch die BundesregierungBericht der Bundesregierung über die Entwicklung der Finanzhilfen des Bundes und der Steuervergünstigungen gemäß § 12 des Gesetzes zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft vom 8. Juni 1967 für die Jahre 1987 bis 1990 (Zwölfter Subventionsbericht)— Drucksachen 11/5116, 11/6989 —Berichterstatter:Abgeordnete Rossmanith Dr. Weng Wieczorek (Duisburg) Frau Vennegertsg) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Haushaltsausschusses zu dem Antrag der Fraktion der SPD Haushaltswahrheit und -klarheit: Gesamtdeutscher Haushalt 1991 noch in diesem Jahr— Drucksachen 11/7756, 11/7865 —Berichterstatter:Abgeordnete Borchert Dr. Weng EstersFrau Vennegertsh) Beratung der Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses zu der Unterrichtung durch die BundesregierungAußerplanmäßige Ausgabe bei Kapitel 1402 Titel 559 01
— Drucksachen 11/ 7575, 11/7957 —Berichterstatter:Abgeordnete Müller Frau Seiler-AlbringKühbacherKleinert
Im Ältestenrat sind für die Beratung vier Stunden vereinbart worden. — Auch dagegen sehe ich keinen Widerspruch.Zu dem aufgerufenen Tagesordnungspunkt liegt eine Reihe von Änderungs- und Entschließungsanträgen vor. Ich mache darauf aufmerksam, daß nach Schluß der Aussprache einige namentliche Abstimmungen stattfinden werden.Das Wort zur Berichterstattung hat zunächst Herr Abgeordneter Niegel.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zu den drei Tagesordnungspunkten, die heute Schwerpunkt der Beratung sind, gehören auch der ERP-Nachtragsplan und die Feststellung des ERP-Haushaltsplanes 1991. Ich glaube, dazu ist im Rahmen der Berichterstattung für den Wirtschaftsausschuß einiges anzumerken.Es handelt sich um die ersten Gesetze, die nach dem Beitritt der ehemaligen DDR zum Gebiet der Bundesrepublik Deutschland am 3. Oktober 1990 von uns auf den Weg gebracht wurden. Sie leisten einen wesentlichen Beitrag zum wirtschaftlichen Wiederaufbau in den fünf neuen Bundesländern und im Ostteil von Berlin.ERP-Kredite waren es, die wir nach den politischen Veränderungen in der ehemaligen DDR als wirtschaftliche Hilfen in kürzestmöglicher Zeit bereits im Frühjahr bereitgestellt haben. Hierauf hat sich sehr schnell die Hoffnung auf eine baldige durchgreifende Besserung der wirtschaftlichen Verhältnisse konzentriert. Es galt, zunächst die Eigenanstrengungen zu unterstützen, einen Mittelstand, ein Handwerk, einen Handel und freie Berufe aufzubauen.Der Ihnen heute vorliegende ERP-Wirtschaftsplan für ganz Deutschland, für alle elf alten Länder und alle fünf neuen Bundesländer, umfaßt 12,2 Milliarden DM für Kreditzusagen im nächsten Jahr. Es ist der bisher umfangreichste ERP-Kredithaushalt seit Bestehen des
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Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 231. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Oktober 1990 18271
NiegelERP-Wirtschaftsplanes — er ist das Wirtschaftsförderungsinstrument des Bundes schlechthin. Es handelt sich ausschließlich — Zuschüsse sind darin nicht enthalten — um Kredite, wenn auch um zinsverbilligte. Dabei muß man sagen, daß die bisherigen Kreditprogramme für die bisherigen elf Bundesländer beibehalten worden sind. Die Programme für die Mittelstandsförderung sind sogar um 110 Millionen DM aufgestockt worden, die Programme für Umweltschutz und Energieeinsparung um 70 Millionen DM, das Programm für die Berlin-Förderung um 20 Millionen DM. Es muß auch einmal ganz klipp und klar herausgestellt werden, daß bei den neuen Krediten für die neuen fünf Bundesländer die bisherigen Förderungen im bisherigen Bundesgebiet nicht leiden werden. Alle Kreditanträge, die berechtigt sind , — —
Herr Niegel, ich möchte Sie einmal unterbrechen. Es bestehen Mißverständnisse darüber, als was Sie sprechen.
Als Berichterstatter. Präsidentin Dr. Süssmuth: Wofür?
Für den Wirtschaftsausschuß. Ich berichte über die gestrige Beratung.
Ich möchte dazu sagen, daß für die Kredite in den fünf neuen Bundesländern und dem Gebiet des ehemaligen Berlin für Existenzsicherungen 1,3 Milliarden DM, für Modernisierungsmaßnahmen 2 Milliarden DM und für Tourismusinvestitionen 700 Millionen DM zur Verfügung stehen. Das sind Zahlen, die sich sehen lassen können.
Ich appelliere im Namen des Wirtschaftsausschusses an alle Beteiligten, hinsichtlich der Instrumente, die für den Einsatz der Kredite insbesondere auf dem Gebiet der fünf neuen Bundesländer erforderlich sind, keine zu großen Schwierigkeiten zu machen.
Herr Niegel, ich muß Sie leider noch einmal unterbrechen. Sie können als Berichterstatter nur Korrekturen einbringen. Darin erschöpft sich Ihre Funktion.
Korrekturen, meine Damen und Herren? Frau Präsidentin, es ist eine Sache der Auslegung, ob ein Berichterstatter das berichtet, worüber der Ausschuß beschlossen hat.
Er darf nicht in die Debatte eingreifen.
Ich meine, daß das, was ich vorgetragen habe, auch zu sagen war.
Korrekturen sind in der Weise angebracht worden, daß gegenüber der Vorlage der Bundesregierung der Begriff „Bundesgebiet" seit dem 3. Oktober 1990 neu zu beschreiben war. Es sind dafür die zehn Bundesländer Baden-Württemberg, Bayern usw. aufgeführt worden. Unter dem Begriff „DDR" sind die neuen fünf Bundesländer „Brandenburg" usw. einschließlich
Berlin aufgeführt worden, damit wegen unterschiedlicher Förderkriterien keine Differenzen entstehen.
Als Berichterstatter bitte ich um Annahme der beiden vorgelegten Programme.
Das Wort hat der Abgeordnete Herr Kühbacher.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte ganz herzliche Grüße von dem ausrichten, den Sie hier eigentlich erwartet haben. Er ist heute in Bonn. Kollege Strube, wir machen folgende Taktik: getrennt marschieren und vereint die Regierung schlagen. Das ist das Ergebnis.
Ich möchte die gute Stimmung nutzen, um — ich denke, auch in Ihrem Namen — dem Bundesinnenminister und meinem Freund Wolfgang Schäuble von diesem Pult herzliche Genesungswünsche auszusprechen.
Ich wünsche dem Bundesfinanzminister, der an einer Erkältung leidet, gute Besserung.
Nun ist es aber vorbei mit der Schonung der Regierung.
Das Schicksalsbuch der Nation, das zwei Teile, die frühere Bundesrepublik und die frühere DDR, zusammenfaßt und ein gemeinsames Finanzbudget nachweist, ist heute durch das Parlament zu beraten und zu beschließen. In der Ausschußempfehlung ist das ganz einfach zu erkennen. Aus Einnahmen und Ausgaben in Höhe von 311 Milliarden DM werden nun 396 Milliarden DM. Schon haben wir ein gemeinsames Budget; so einfach geht das mit den Zahlen. Die Wirklichkeit ist ungleich schwieriger.Sie, meine Damen und Herren, haben in diesem Finanzbudget neue Kredite in Höhe von 145 Milliarden DM zu verantworten. Diese Kredite sollen zur Schuldentilgung und zur Defizitfinanzierung neu aufgenommen werden. Die Bundesregierung will den bequemen Weg des Leihens und Borgens weitergehen, statt dem Parlament den steinigen Weg des Teilens und Sparens vorzuschlagen.
Dies ist eine schwere Hypothek für die neugewonnene Einheit.Die Einheit im Innern unseres Landes aufzubauen heißt, eine solidarische Gesellschaft zu schaffen. Dazu gehört Solidarität mit den Menschen in den neuen Bundesländern. Dazu gehört aber genauso So-
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Kühbacherlidarität mit den Millionen Arbeitslosen überall in unserem Land, in Ost und West.
Dazu gehört Solidarität mit den wohnungssuchenden und Solidarität mit den Familien. Dazu gehört nicht zuletzt Solidarität mit den kommenden Generationen, deren natürliche Lebensgrundlagen durch Umweltverschmutzung zerstört und deren Lebenschancen durch die Staatsverschuldung dieser Bundesregierung belastet werden.
Der dritte Nachtragshaushalt dieses Jahres beweist, Herr Bundesfinanzminister: Zu einer soliden Finanzpolitik sind Sie nicht fähig.
Mit diesem Nachtragshaushalt, Herr Bundesfinanzminister, erhöhen Sie die gesamtstaatliche Verschuldung in diesem Jahr bundesweit auf rund 125 Milliarden DM. Das bedeutet gegenüber der Neuverschuldung des letzten Jahres von nur 26 Milliarden DM einen sprunghaften Anstieg von über 100 Milliarden DM.
Damit steigt die gesamte Staatsverschuldung unseres Gemeinwesens in den drei Gebietskörperschaften auf 1,2 Billionen DM.
Dieser drastische Anstieg zeigt: Die Bundesregierung finanziert die deutsche Einheit auf Pump.
Die Staatsverschuldung zeigt aber auch, Herr Bundesfinanzminister: Sie sind — Ihr Vorgänger Stoltenberg eingeschlossen — der größte Schuldenmacher in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland.
Versuchen Sie nicht, den Menschen weiszumachen, daß die Explosion der Staatsverschuldung in diesem Jahr nur ein vorübergehender Ausrutscher sei. Im nächsten Jahr droht sogar ein Finanzierungsdefizit in Höhe von 140 bis 150 Milliarden DM. Alle Planungsdaten zeigen: Wenn es nicht endlich zu einer sparsamen Finanzpolitik kommt, dann wird die staatliche Neuverschuldung auch in den folgenden Jahren weit über 100 Milliarden DM liegen.Ihre Staatsverschuldung, Herr Bundesfinanzminister Waigel, ist besorgniserregender als das Budgetproblem in den USA.
Dort zieht der Kongreß Konsequenzen. In Amerika beträgt die Kreditaufnahme des Gesamtstaates 3,4 des Bruttosozialprodukts. Dagegen liegt der Anteilder staatlichen Neuverschuldung am Bruttosozialprodukt in Deutschland bei fast 5 %.Herr Bundesfinanzminister, statt auf internationalen Konferenzen die USA zur Haushaltsdisziplin zu ermahnen, sollten Sie endlich Ihre eigenen Hausaufgaben in Deutschland machen und die Budgetprobleme durch Einsparungen lösen.
Ihre unsolide Schuldenpolitik ist wirtschafts- und finanzpolitisch verheerend. Durch eine immer weiter steigende Staatsverschuldung muß der Staat immer mehr Zinsen zahlen. Ich habe das eben noch einmal nachgeschlagen, Herr Bundesfinanzminister, damit die Kollegen nicht „Erblast" dazwischenrufen. Das Rechnungsergebnis 1982 weist aus, daß wir damals 22,106 Milliarden DM an Zinsen gezahlt haben. Das Rechnungsergebnis 1988 weist aus, daß — natürlich im wesentlichen durch Ihren Vorgänger Stoltenberg veranlaßt — bereits 32,2 Milliarden DM zu zahlen waren, also 10 Milliarden DM mehr.Wissen Sie, Herr Finanzminister, wieviel 1 Milliarde DM ist? Um 1 Milliarde DM zu haben, müßte jemand 20 Jahre lang an jedem Wochenende 1 Million DM im Lotto gewinnen. Und Sie machen innerhalb von 6 Jahren höhere Zinsausgaben in Höhe von 10 Milliarden DM. Für dieses Jahr erwarten Sie — das weist der dritte Nachtragshaushalt aus — 35 Milliarden DM. Das sind allein in einem Jahr 3 Milliarden DM mehr für Zinsen.
— Daß er das nicht gerne macht, Herr Kollege Weng, wissen wir ja. Nur, er geht nicht den Weg des Einsparens. Diese Zinsen — das ist doch das Problem, Herr Kollege Weng — fließen den Kapitalbesitzern im In-und Ausland zu, d. h. dieses Geld kann nicht für sinnvolle Aufgaben wie z. B. für die Schaffung von Kindertagesstätten — ein ernsthaftes Problem — angelegt werden.
Meine Damen und Herren, da Sie die parlamentarische Verantwortung haben, stelle ich fest: CDU/CSU und FDP wählen den bequemeren Weg der Kreditaufnahme statt den steinigen und beschwerlichen Weg des Sparens.
Sie nehmen unserer Jugend damit das Recht auf eine eigene Zukunft.
— Das ist so. Mit Ihrer Staatsverschuldung versündigen Sie sich am Selbstbestimmungsrecht der kommenden Generationen; denn diese werden es bezahlen müssen.
Was heute verzehrt wird, muß auch heute bezahlt werden. Sie verzehren heute auf Pump.
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Kühbacher— Seien Sie nicht so aufgeregt, Herr Kollege Laufs, auch wenn es weh tut. Ich rede hier die Wahrheit.Ihre uferlose Staatsverschuldung ist auch wirtschaftspolitisch verheerend.
Das renommierte Ifo-Institut hat Ihnen vorgerechnet, daß infolge des vom Institut so genannten DDR-Effektes der Kapitalmarktzins um rund 2 % gestiegen ist. Damit verhindert Ihre unsolide Finanzpolitik die notwendigen Investitionen in neue Arbeitsplätze; denn die sind im Moment überall in Deutschland, in Ost und West, sehr viel teurer zu finanzieren als noch vor einem oder zwei Jahren. Wegen des riesigen Investitionsbedarfs werden Millionen Arbeitnehmer die erwartetenneuen Arbeitsplätze so schnell nicht bekommen. Millionen Mieter werden die Überwälzung der Zinslast bei der Erhöhung ihrer Mieten spüren.Herr Bundesfinanzminister, Sie machen sich doch so stark für die Einfamilienhausbesitzer. Was ist denn mit dem Einfamilienhausbesitzer, der sich mit großen Mühen ein solches Gebäude errichtet hat, um mit seiner Familie angemessen wohnen zu können, wenn für ihn die Hypothekenzinsen jetzt um 200, 300 oder gar 400 DM monatlich steigen? Er kommt in Zwangslagen. Das haben Sie, Herr Finanzminister, mit Ihrer Schuldenpolitik zu verantworten.
Angesichts der Herausforderungen der deutschen Einheit brauchen wir eine Finanzpolitik, die den Mut zu eiserner Sparsamkeit und zum Abbau überflüssiger Subventionen besitzt, Herr Finanzminister.
Dabei muß alles auf den Prüfstand. Die Milliarden, die bisher in die Finanzierung der Teilung gehen, — —
Natürlich komme ich auch zum Jäger 90, Kollege Strube. Das tut auch weh. Ich weiß das wohl.
Die Milliarden, die bisher in die Finanzierung der Teilung gehen, müssen schrittweise umgeschichtet werden für den Aufbau der neuen Bundesländer und für den Aufbau der neuen Metropole und Großstadtregion Berlin. Sie, Herr Bundesfinanzminister, haben diesen Mut, den neuen Realitäten in Deutschland durch Haushaltsumschichtungen Rechnung zu tragen, nicht aufgebracht. Sie verweigern den Unternehmern bis zur Wahl Klarheit und Berechenbarkeit, die für private Investitionen unerläßlich sind.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Es wird nicht zu Steuererhöhungen kommen. Ich prophezeie Ihnen: Nach der Bundestagswahl werden Sie anders reden. So etwas nennt man auch Wählertäuschung.
Herr Kollege Dregger, Sie müssen endlich auch den Mut aufbringen, mit der Abrüstung in Deutschland Ernst zu machen.
In welcher Welt lebt denn unsere Bundesregierung? In welcher Welt leben Sie denn, daß wir in diesem Nachtragshaushalt einen Militäretat in Höhe von 57,6 Milliarden DM verabschieden, den höchsten, den es je gegeben hat?
Die Einsparungsabstriche, die Sie vorgenommen haben sind erbärmlich.
Ich sage Ihnen: Wir brauchen für Deutschland eine Politik, die nicht die Interessen der Rüstungsindustrie zum Maßstab ihres Handelns macht, sondern die Interessen der Menschen unseres Landes.
Wir müssen endlich die Konsequenzen aus dem Ende des Kalten Krieges und aus der weltweiten Entspannung ziehen und die daraus gewonnenen Friedensdividenden sinnvoll einsetzen.Wir haben für dieses Jahr eine Kürzung des Verteidigungsetats in Höhe von 4 Milliarden DM beantragt. Das hat die Regierungsmehrheit abgelehnt.
Deshalb sind diese 4 Milliarden DM für immer verloren. Für das nächste Jahr wollen wir den Verteidigungshaushalt mindestens um 9 Milliarden DM kürzen. Und unser mittelfristiges Ziel heißt: Halbierung der Militärausgaben und damit Kürzung in einer Größenordnung von jährlich 2,5 Milliarden DM.
Ich bin gespannt, wie die neuen Kolleginnen und Kollegen auf Ihrer Seite des Hauses heute bei der namentlichen Abstimmung zu dem — ich muß das wirklich sagen — Wahnsinnsprojekt Jäger 90 stimmen werden. Sie werden nämlich mit ihrer Stimmkarte darüber zu beschließen haben, ob dieses Rüstungsprojekt so, wie es die Bundesregierung und wie es die Rüstungsindustrie will, fortgeführt wird. Sie werden vor ihren Wählern Farbe bekennen müssen, ob sie sich daran beteiligen, ein Rüstungsprojekt mit einem Kostenvolumen von vorausgesagt 100 Milliarden DM für 200 Flugzeuge weiterlaufen zu lassen.
— Wir können diese Rechnungsdiskussion ja noch einmal führen, Herr Kollege Strube.Es ist doch erstaunlich, daß Sie gestern abend, als im Haushaltsausschuß endlich über die von Ihnen angeforderten Berichte des Bundesrechnungshofs, des Koordinators diskutiert werden sollte, wieder eine Verschleppungstaktik an den Tag gelegt haben. Sie wollen nicht, daß die Zahlen auf den Tisch kommen.
— Natürlich. Herr Kollege Strube, es tut weh, dieWahrheit um den Jäger 90 zu hören. Sie finanzieren
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18274 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 231. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Oktober 1990
Kühbacherhiermit das Rüstungsprojekt einer Industrie, die nicht fähig ist, den Umbau in Richtung auf den zivilen Bereich selber zu organisieren. Es ist leichter, in der militärischen Produktion fortzufahren, als sich am zivilen Markt zu behaupten. Dies ist die Katastrophe.
Meine Damen und Herren, nur, damit das öffentlich wird: Wir sind für morgen früh zu einer Sitzung eines kleineren Gremiums eingeladen worden, das sich mit neuen Beschaffungsvorlagen der Hardthöhe beschäftigt. Ich frage Sie: Was treibt eigentlich den Bundesaußenminister Genscher, in der FDP-Fraktion ganz maßgeblich für einen neuen Hubschrauber der Luftwaffe, des Heeres und der Marine zu kämpfen, wie ich höre? Was treibt die FDP, auf diesem Weg immer weiter zu gehen? Sie werden heute bei der Abstimmung über den Jäger 90 ja Farbe bekennen können, ob Sie an Ihrem Parteitagsbeschluß festhalten oder ob Sie wieder eine Eierkurve finden, mit dem Jäger 90 weiterzumachen.
Was treibt eigentlich den Bundesverteidigungsminister, in diesem Jahr für 2,5 Milliarden DM — noch einmal: für 2,5 Milliarden DM — neue Munition zu kaufen und eine Verpflichtungsermächtigung für das nächste Jahr in einer noch größeren Höhe einzufordern, damit er schon jetzt bestellen kann?
Morgen früh steht z. B. die Beschaffung von 9 300 Panzerabwehrminenraketen für ein Artilleriesystem an. Kostenvolumen 1,1 Milliarden DM insgesamt. In Jahresraten soll geliefert werden. Wäre es nicht an der Zeit, Herr Bundesfinanzminister, daß Sie sich in Ihrer Regierung wirklich einmal Zeit zum Nachdenken darüber nehmen, ob wir das alles in diesem Umfang und mit diesem Ausgabevolumen tatsächlich noch brauchen?
Wir haben lange darüber diskutiert, ob die Marine neue Schiffe braucht. Hin und her ging die Diskussion. Sie ging so weit, daß die Kollegen von der Union die Kritik des Bundesrechnungshofs im Ausschuß unterdrücken wollten. Das ist übrigens eine neue Methode.
Wir werden es Ihnen nicht durchgehen lassen, daß die mit richterlicher Unabhängigkeit ausgestatteten Beamten des Bundesrechnungshofs auf Ihre Weisung im Ausschuß nicht mehr zu Wort kommen sollen, nur weil Sie das Licht der Wahrheit zu scheuen haben.
Ich komme zu einem weiteren Punkt. Mit einer soliden Finanzpolitik hat es ebenfalls nichts zu tun, wenn die Staatsbürokratie in der Bundesrepublik unerträglich ausgeweitet wird. Bundeskanzler Kohl hat seit 1982 bereits 13 neue Minister- und Staatssekretärstellen geschaffen. Jetzt kommen durch diesen Nachtragshaushalt fünf weitere Stellen für Minister aus der ehemaligen DDR hinzu.
Diese Aufblähung der Regierungsbürokratie um insgesamt 18 Minister- und Staatssekretärstellen, die Sie von 1982 an vorgenommen haben, kostet den Steuerzahler täglich 26 000 DM.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Wenn Sie Vertreter aus den neuen Bundesländern ins Kabinett nehmen — dafür bin ich sehr — , warum entlassen Sie dafür nicht fünf andere Bundesminister oder Staatssekretäre?
In dem Kabinett des Bundeskanzlers Kohl gibt es genug Personen, die ihre vorzeitige Pensionierung ersessen haben.
Weil ich gerade bei den neuen Ministern bin, meine Damen und Herren: Wir haben es uns in den Berichterstattergesprächen im Haushaltsausschuß nicht einfach gemacht. Wir haben über die Mitarbeiter in der Bürokratie der DDR entschieden. Rund 255 000 Mitarbeiter waren dort unter der Verantwortung des Ministerpräsidenten der DDR, de Maizière, tätig.
Wenn dieser Nachtragshaushalt heute beschlossen wird, werden es einschließlich der Soldaten nur noch 107 000 Beschäftigte sein. Mehr als 130 000 Beschäftigte werden mit Ihrer Stimme also die Kündigung bekommen. Ich hätte mir gewünscht, daß die Minister aus der DDR wenigstens an den Beratungen, an dem Kampf um die Zahl der Entlassungen teilgenommen hätten.
Dazu haben wir entschieden — Sie wissen, daß das auf meinen Widerstand gestoßen ist — , daß eine Reihe von Mitarbeitern, die früher nachweislich für die Staatssicherheit gearbeitet haben, weiterbeschäftigt werden.
Das ist ein schwieriges Problem; ich will es nicht dramatisieren. Ich hätte mir gewünscht, daß uns die neuen Minister eine Handreichung bei der Lösung dieses schwierigen Problems gegeben hätten. Wir haben es ganz allein beraten.
Ich frage mich natürlich: Wenn die neue Regierung auf dieser Ebene schon neue Beschäftigungsverhältnisse ausspricht, wer setzt sich eigentlich für die zen-
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Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 231. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Oktober 1990 18275
Kühbachertral finanzierten Kultureinrichtungen ein? Wer setzt sich für die Mitarbeiter des Instituts für Denkmalpflege ein, für die Deutsche Zentralbücherei für Blinde, für das Institut für Museumswesen, für die Staatlichen Museen in Berlin, für das Brecht-Zentrum, für das Büro für kulturelle Zusammenarbeit? Das sind 38 zentral finanzierte Einrichtungen, deren Schicksal ungeklärt ist. Damit ist auch das Schicksal von Tausenden von Mitarbeitern ungeklärt.
Herr Abgeordneter Kühbacher, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Walther?
Das ist völlig offen. Dies wollte ich dem Herrn Ministerpräsidenten a. D. de Maizière noch einmal gesagt haben.
Um Einzelpersonen aber, die in der Staatssicherheit waren, kümmert sich die Bundesregierung; denn Sie, Herr Ministerpräsident, und Ihre Minister haben der neuen Bundesregierung diese Mitarbeiter zur Übernahme empfohlen. Um diesen Kulturbereich kümmert sich jedoch niemand.
Herr Abgeordneter Kühbacher, gestatten Sie eine Zwischenfrage Ihres Kollegen Walther?
Herr Ausschußvorsitzender!
Nein, in dieser Eigenschaft, Herr Kühbacher, frage ich Sie nicht.
Wenn Sie ein bißchen früher hierher geguckt hätten, dann hätte ich Sie zur richtigen Zeit fragen können. Ich möchte Sie nämlich fragen, wie Sie die Tatsache beurteilen, daß ausgerechnet zu dem Zeitpunkt, zu dem Sie zu dem Thema der früheren Mitarbeiter des früheren DDR-Ministerpräsidenten geredet haben, sich dieser mit dem Generalsekretär der CDU unterhalten hat, anstatt Ihnen bei einer Frage zuzuhören, die ihn heiß interessieren müßte.
Herr Kollege Walther, ich bewerte das so, daß der Bundeskanzler die neuen Minister ausschließlich für Wahlkampfzwecke eingestellt hat.
Wahrscheinlich ist mit dem Generalsekretär der CDU der nächste Wahlkampfeinsatz abgesprochen worden, auf Staatskosten selbstverständlich.
Meine Damen und Herren, ich hätte noch eine ziemlich lange Passage zu einigen Bereichen vorzutragen, die mir am Herzen liegen, aber ich muß auf die Redezeit achten.
Wir haben nach der Überwindung der staatlichen Teilung einen neuen Abschnitt in der deutschen Geschichte und auch in der öffentlichen Haushaltswirtschaft vor uns. Jetzt muß die Einheit im Innern unseres Landes hergestellt werden; denn das ist es, was die Menschen in der früheren DDR, in Leipzig und in anderen Städten meinten, als sie zu Hunderttausenden riefen: „Wir sind ein Volk! "
Ihnen ging es nicht nur um die staatsrechtliche Einheit, ihnen ging es vor allem darum, die gleichen Lebenschancen wie die Menschen im Westen Deutschlands zu bekommen.
Dieses zu erreichen, haben Sie kläglich versäumt. Ich fordere Sie noch einmal auf: Packen Sie diese Aufgabe endlich an.
Als nächster hat der Abgeordnete Herr Borchert das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Heute debattieren wir mit dem dritten Nachtrag zum Bundeshaushalt 1990 den ersten gemeinsamen gesamtdeutschen Haushalt. Er stellt die Grundlage für unsere Wirtschafts-, Haushalts- und Finanzpolitik im vereinten Deutschland dar.Dieser Haushalt schafft erstens Grundlagen zur Stabilisierung der Verhältnisse in den neuen Ländern. Zweitens legt er die staatlichen Rahmenbedingungen für private Investitionen in den zukünftigen Jahren fest. Drittens zeigt er Perspektiven auf, die den Menschen Mut machen.Die politische Botschaft dieses Haushalts ist: Der Aufbau in den neuen Bundesländern wird uns gemeinsam gelingen.
Dies haben auch die Bürgerinnen und Bürger in den fünf neuen Ländern gespürt. Sie haben mit Herz und Verstand gewählt. Sie haben der Partei ihr Vertrauen geschenkt, die für die Vereinigung Deutschlands ist
und für die die Vereinigung nicht nur ein Lippenbekenntnis, sondern ein politischer Herzenswunsch war und ist. Daran wird auch die Polemik des Kollegen Kühbacher nichts ändern.
Die Bürgerinnen und Bürger wissen, daß nach 40 Jahren kommunistischer Gewaltherrschaft ein tiefes Tal des Umbruchs durchschritten werden muß. Erblasten aus mehr als 40 Jahren zentraler Planwirtschaft sind nicht in 40 Tagen zu beseitigen.Der Dritte Nachtragshaushalt, den wir heute abschließend beraten, schafft die Grundlagen, um die Folgen der zentralen Planung zu überwinden. Ausgaben zugunsten der neuen fünf Länder noch in diesem Haushaltsjahr in Höhe von rund 17 Milliarden DM werden heute von uns beschlossen.
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18276 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 231. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Oktober 1990
BorchertDazu gehören wichtige Maßnahmen, Sofortmaßnahmen. Mittelfristig aber werden sich die Systeme der Sozialversicherung selber tragen und werden Subventionen mit dem wirtschaftlichen Aufschwung auch in den neuen Bundesländern entbehrlich werden. Viel wichtiger aber ist, daß mit diesem Haushalt die Weichen für 1991 gestellt werden. Hier werden Rahmenbedingungen für künftiges wirtschaftliches Wachstum geschaffen.Die Verpflichtungsermächtigungen werden um 20 Milliarden DM erhöht. Dies ist die eigentliche politische Dimension des Haushalts. Die Verpflichtungsermächtigungen ermöglichen eine Fortsetzung der eingeleiteten Politik. Sie umreißen die zukünftigen Rahmenbedingungen für die investierende Wirtschaft. Die notwendigen Investitionen in den neuen Bundesländern werden mit einem Bündel von Maßnahmen gefördert. All diese Programme sind Angebote, stehen den privaten Investoren und den Kommunen zur Verfügung. Jetzt heißt es zugreifen, investieren und den Aufbau beginnen.Was trägt die SPD zur Lösung dieser Probleme bei? Die wirtschaftlichen und menschlichen Folgen des Sozialismus vor Augen, predigt sie weiterhin die alten sozialistischen Gedanken. Das Parteiprogramm ist voll davon. Der neue Weg sind die alten sozialistischen Ladenhüter.
Von umfassenden Befugnissen staatlicher Organe, von mehr kollektiver Steuerung der Wirtschaft und damit notwendigerweise von der Einschränkung der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit ist da die Rede. Es seien Rahmenbedingungen gegen Kapitalinteressen verbindlich durchzusetzen; dies durch staatliche Steuerung.Die Bürger haben längst erkannt, daß dies der falsche Weg ist. Die SPD aber, die letzten Wahlergebnisse und die neuesten Umfrageergebnisse vor Augen, schreckt hierbei vor keiner Falschmeldung mehr zurück.Der Kollege Müntefering von der SPD annonciert in einer Zeitung: Wahlkampfminister. Kohl hat fünf neue Minister in sein Kabinett geholt. Ihre Aufgabe: Wahlkampf.
Das kostet den Steuerzahler noch in diesem Jahr 320 Millionen DM. Dies wären pro Minister und Monat 21,3 Millionen DM. — Der Kollege Müntefering sollte einmal im Haushalt nachsehen. So rechnet aber die SPD immer.
Meine Damen und Herren, wer solchen Unsinn behauptet, der kann nicht ernst genommen werden.
Herr Borchert, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Ja, gern.
Herr Kollege, wie erklären Sie sich die öffentliche Erklärung des Bundesministers Walther, daß er die Differenz, die durch sein Ministergehalt entsteht, für den Wahlkampf einsetzen will?
Natürlich steht jedem bei uns in der Bundesrepublik frei, wie er sein Einkommen verwendet.
Wenn Sie eine andere Regelung haben wollen, wenn Sie möchten, daß der Staat über Ihr Privateinkommen verfügt, dann sollten Sie hier einen Vorschlag machen. Bei uns kann jeder über sein Einkommen völlig frei verfügen.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Oostergetelo?
Wenn Sie mir das nicht anrechnen, Frau Präsidentin, gerne.
Herr Kollege, sind Sie nicht der Meinung, daß bei einigen Ministern die Möglichkeit besteht, die Nullen zu verwechseln?
Herr Kollege, ich bin nicht dieser Meinung. Nur, so viele Nullen, wie Sie hier verwechseln — —
Dann ist der Betrag von 320 Milliarden DM in der Zeitung — damit ja kein Druckfehler passieren kann — nicht in Zahlen, sondern ausgeschrieben, in Buchstaben gedruckt worden.
— 320 Millionen DM!
Es wäre schon wichtig, wenn Sie Ihre Kollegen einmal darüber aufklären würden, wieviel 1 Milliarde DM ist. Ich glaube, wer einen solchen Unsinn behauptet, kann nicht ernst genommen werden.
Herr Abgeordneter Borchert, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Grafen Lambsdorff?
Ja.
Herr Kollege, könnten wir darin übereinstimmen, daß es mit den Nullen eigentlich immer nur dann Probleme gibt, wenn sie rechts stehen?
Vielen Dank, Herr Kollege. — Ich kann dem nicht zustimmen.
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Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 231. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Oktober 1990 18277
BorchertDas Problem bei dieser Falschmeldung ist, daß diese Nullen auf der linken Seite stehen.
Herr Kollege Wieczorek, Obmann der SPD im Haushaltsausschuß, erklärte auf einer Veranstaltung in seinem Wahlkreis wider besseres Wissen, die CDU plane, die Mehrwertsteuer um 3,5 % zu erhöhen. Herr Kollege, ich will hier jetzt nicht sagen, wie man diejenigen nennt, die wider besseres Wissen etwas Falsches behaupten.
— Das scheint bei Ihnen üblich zu sein.Meine Damen und Herren, das ist der untaugliche Versuch, mit Falschmeldungen die wirtschafts- und finanzpolitischen Erfolge der Regierung Helmut Kohl anzugreifen. Nur, die Wähler haben Ihr falsches Spiel durchschaut. Die Bürger haben den Kurs ausufernder Staatsanteile und steigender Steuerbelastungen unter sozialdemokratischen Bundeskanzlern nicht vergessen.
Herr Abgeordneter Borchert, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Wieczorek?
Ja.
Herr Kollege Borchert, es gibt klare Indikatoren aus dem Finanzministerium, die dahin gehen, daß die Staatsverschuldung, die Sie machen, nicht mehr zu ertragen ist, daß im nächsten Jahr eine Summe von über 100 Milliarden DM herauskommt und daß Sie dies nur kompensieren können, indem Sie die von Ihnen geplante Mehrwertsteuererhöhung auch realisieren.
Herr Kollege Wieczorek, ich weiß nicht, auf welche Indikatoren aus dem Finanzministerium Sie sich berufen. Das ist eine etwas merkwürdige Quelle für Erklärungen in der Öftentlichkeit.
— Wenn man auf „Indikatoren aus dem Finanzministerium" verweist, dann sollte man schon deutlich sagen, worauf man sich beruft.
Ich wiederhole hier noch einmal: Die CDU/CSUFraktion hat sich eindeutig festgelegt und beschlossen, daß sie die deutsche Einheit ohne Steuererhöhungen finanziert. Steuererhöhungen werden für uns nicht in Frage kommen. Sie kennen diese Presseerklärung. Wenn Sie sich, statt die Beschlüsse der Fraktion zur Kenntnis zu nehmen,
auf angebliche Indikatoren berufen, ohne klar zu sagen, wie Sie zu der Aussage kommen, wir planten eine Steuererhöhung von 3,5 %,
dann stelle ich hier eindeutig fest: Wir planen keine Steuererhöhungen, weder in der Fraktion noch irgendwo anders.
— Wir machen sie auch nicht, Frau Kollegin.
Die Bürger haben den Kurs ausufernder Staatsanteile und steigender Steuerbelastungen unter sozialdemokratischen Bundeskanzlern nicht vergessen. Nur mit einer marktwirtschaftlich orientierten Ordnung kann die Aufgabe des Aufbaus in den neuen Bundesländern gelingen. Das bedeutet dezentralisierte, an den Konsuminteressen orientierte unternehmerische Entscheidungen über Produkte und Investi-ti onen.Die SPD dagegen verlangt weiter eine gesamtwirtschaftliche Steuerung durch staatliche Organe. Ich frage die SPD: Sollen denn auch bei uns noch einmal all die bedrückenden Erfahrungen gesammelt werden, die andere mit der staatlichen Steuerung gemacht haben? Kommunisten haben in der DDR einen Scherbenhaufen hinterlassen — im Umweltbereich, im Sozialbereich, in der Landwirtschaft, in den Betrieben und vor allem in den Herzen der Menschen. Unsere Aufgabe ist es heute, die Wege aufzuzeigen, die notwendig sind, um den Übergang von einer Plan- zu einer Marktwirtschaft so sozialverträglich wie möglich zu gestalten. Dazu sind sozialistische Rezepte völlig untauglich.
Wir haben daher am Montag im Sozialdemokratischen Pressedienst mit Interesse gelesen, Lafontaine würde in der heutigen Haushaltsdebatte den Kompetenzvorsprung der SPD in wirtschafts- und sozialpolitischen Fragen herausstellen. Aber heute zieht er es vor, zur gleichen Zeit seine Vorstellungen auf der Bundespressekonferenz darzulegen.
Niemand unterstellt ihm, er würde kneifen. Aber für so einen kompetenten Kandidaten
ist das Plenum des Bundestages offensichtlich nicht der adäquate Rahmen.
Herr Kühbacher hat heute
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18278 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 231. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Oktober 1990
Borchertalte Positionen, die wir längst im Haushaltsausschuß diskutiert haben, erneut vorgetragen. Die Kritik an den Haushaltsberatungen, wir würden die Mitarbeit oder die Kritik des Rechnungshofes einschränken, ist unsinnig. Der Rechnungshof ist für uns ein notwendiges Instrument. Wir sind dankbar für seine Beratung. Es geht aber nicht, daß der Rechnungshof in den Berichterstattergesprächen zu den zu beratenden Fragen nicht Stellung nimmt, aber einen Tag später in den Haushaltsberatungen, offensichtlich mit der Opposition abgesprochen, völlig neue Erkenntnisse hat.
Wenn wir einen Tagesordnungspunkt absetzen und der Rechnungshof auf die Gegenäußerung der Regierung eine Woche lang nicht reagiert, dann aber wie aus dem Hut gezaubert im Haushaltsausschuß wieder mit neuen Erkenntnissen kommt, ist das nicht die Form der Zusammenarbeit, die wir vom Bundesrechnungshof erwarten.
Im Nachtragshaushalt sind neue Stellen entsprechend der erweiterten Aufgabenstellung ausgebracht. Die Stellen der Mitarbeiter, die aus der DDR übernommen werden, sind zeitlich befristet. Alle Stellen im Haushalt werden 1991 erneut überprüft. Bedienstete der ehemaligen DDR werden nicht in unkündbare Dauerarbeitsverhältnisse übernommen. Die besonderen Kündigungsregelungen ermöglichen Kündigen, wenn etwa neue Erkenntnisse über eine Stasi-Mitarbeit oder Stasi-Mitgliedschaft vorliegen. Mit dieser Regelung haben wir einen Weg gefunden, der der besonderen Problematik gerade bei der Übernahme der Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes gerecht wird.Die Bürger der alten und der neuen Bundesländer wollen keine neuen sozialistischen Versuche. Unsere Aufgabe lautet vielmehr: Überwindung des Sozialismus
und Aufbau einer sozialen Marktwirtschaft. Welchen Beitrag die SPD dazu leisten kann, hat Oskar Lafontaine 1990 in einem Aufsatz über den Sozialismus beschrieben:Machen wir uns nichts vor. Gemessen an dem, was sozialistische Utopien verheißen, hat der Sozialismus, wo er die Macht im Staate erlangte, nicht allzuviel gebracht. Seine historischen Leistungen hat er mehr aus der Opposition erzielt, seine großen Siege in der Opposition errungen. Das gilt für die Kommunisten, und das gilt für die demokratischen Sozialisten nicht minder.Meine Damen und Herren, dem ist nur hinzuzufügen: Wir werden mit aller Kraft dafür kämpfen, daß die SPD ihre historischen Leistungen auch weiterhin in der Opposition erbringt.
Umverteilung, Steuererhöhungen und Ausbau staatlicher Steuerung sind die alten Antworten der SPD auf neue Herausforderungen.
Mit Hilfe dieser Politik haben Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, in den 70er Jahren die Wirtschaft an den Rand des Ruins gebracht.
17mal haben Sie die Steuern erhöht. Die SPD ist die Partei der Steuererhöhungen. Wir finanzieren die notwendigen Ausgaben für die deutsche Einheit und für den Aufbau der neuen Bundesländer
aus dem Wirtschaftswachstum, aus Einsparungen und Umschichtungen im Haushalt. Das wird unsere große Aufgabe 1991 sein. Ich bin gespannt, mit welchen konkreten Vorschlägen die Opposition dann kommt. Vorübergehend werden wir die Kreditaufnahme erhöhen. Ihr Gerede von einer Steuerlüge ist haltlos. Sie wissen, daß Ihre Behauptungen, wir hätten Steuererhöhungen beschlossen oder wir würden Steuererhöhungen planen, falsch sind.Wir finanzieren die deutsche Einheit ohne Steuererhöhungen. Steuererhöhungen sind kontraproduktiv. Steuererhöhungen wirken konjunkturdämpfend. Unsere Politik der Senkung des Staatsanteils und der soliden und berechenbaren Wirtschafts- und Finanzpolitik
hat zu einem stabilen Aufschwung, zu steigenden Einkommen und zu sinkenden Arbeitslosenzahlen geführt.
Deswegen haben wir auch das Vertrauen der Wähler.
Und deswegen Ihr Ärger bei allen neuen Umfrageergebnissen.
Herr Abgeordneter Borchert, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Westphal?
Ja.
Herr Kollege Borchert, haben Sie gleich mir im „Flensburger Tageblatt" nachgelesen, was dort mit Hinweis auf die Überlegungen zu einer Ergänzungsabgabe für die Besserverdienenden in dem Sinne geschrieben worden ist, daß die SPD nun auch noch den Leuten das Geld wegnehmen will, die jeden Tag von der Bundesregierung aufgefordert werden, Anleihen zu zeichnen, um damit die deutsche Einheit zu finanzieren?
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Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 231. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Oktober 1990 18279
Herr Kollege, ich habe diese Meldung in der Zeitung nicht gelesen. Aber ich habe noch einmal sehr sorgfältig das auch in Ihrer Zeit der Mitarbeit hier im Parlament unter Karl Schiller konzipierte Stabilitätsgesetz durchgelesen. Dort ist eine Ergänzungsabgabe vorgesehen, und zwar ausdrücklich für den Zweck einer Konjunkturdämpfung.
Genau in einer Phase, in der wir auf stabile konjunkturelle Entwicklungen, aber nicht auf Konjunkturdämpfung angewiesen sind, schlagen Sie ein Instrument vor, das Karl Schiller richtigerweise genau für einen anderen Zweck vorgesehen hat.
— Nein, nein, Herr Kollege, hier im Stabilitätsgesetz ist nur in einer Richtung gedacht.
— Ich habe gesagt, ich habe diesen Artikel in der Zeitung nicht gelesen.
— Ja, natürlich. Herr Kollege, Sie hatten mich gefragt, ob ich den Artikel gelesen habe. Den habe ich nicht gelesen.
Ich habe dann zu der Bedeutung der Ergänzungsabgabe wirtschaftspolitisch Stellung genommen, bin genau auf das Thema eingegangen.
Die Erhebung einer Ergänzungsabgabe ist kontraproduktiv, weil damit die Investitionsbereitschaft geschwächt wird.
Herr Abgeordneter Borchert, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage der Abgeordneten Enkelmann?
Nein, ich bitte um Verständnis, aber nach der Vielzahl der Zwischenfragen würde ich jetzt gern noch zu einigen anderen Punkten kommen.
Meine Damen und Herren, die Opposition leistet ihren Beitrag zu dem notwendigen Aufbruch in den neuen Bundesländern und zum Aufbau sicher nicht dadurch, daß sie nach 48 neuen Steuererhöhungsvorschlägen in dieser Legislaturperiode nun den Steuererhöhungsvorschlag Nr. 49 oder 50 macht. Sie leistet ihren Beitrag auch nicht dadurch, daß sie den Jäger 90 jetzt zum 25. Mal zur Finanzierung anbietet.
Bei der Entscheidung zum Jäger 90, um die es jetzt geht, geht es nicht um Einsparungen von 100 Milliarden DM,
sondern es geht um die Frage der Entwicklungskosten. Es geht nicht um die Beschaffung, und es geht nicht um die Kosten während der gesamten Lebensdauer des Jägers 90. Sie wissen, daß das Operieren mit den 100 Milliarden eine bewußte Irreführung ist.
Wir haben diesen Bericht auch nicht verschleppt, sondern haben diesen Bericht sofort diskutiert, nachdem er überwiesen worden war.
Wir weisen einen Teil der Kosten der Wiedervereinigung in Fonds aus. Die Wiedervereinigung der getrennten Teile Deutschlands ist ein einmaliger Vorgang. Es gibt, glaube ich, keinen Anlaß zu Kritik, in drei Bereichen die besonderen Belastungen herauszustellen.
Ich danke allen Kolleginnen und Kollegen für die konzentrierte und disziplinierte Beratung des Nachtragshaushalts. Die nächsten Wochen und Monate werden zeigen, ob wir die zukünftigen Anforderungen an den Haushalt richtig kalkuliert haben. Wir können und wir werden die notwendigen Korrekturen bei den Beratungen für den Haushalt 1991 vornehmen.
Wir stimmen dem Dritten Nachtrag und damit dem ersten gemeinsamen Haushalt für das wieder vereinte Deutschland zu.
Meine Damen und Herren, es wurde eben von Herrn Waltemathe gefragt, wo der Bundeskanzler sei. Ich möchte das Plenum darüber informieren, daß er zu Beginn der Woche seine heutige Abwesenheit mit allen Fraktionen abgesprochen hat. An diesem Tag fällt eine wichtige Entscheidung in bezug auf Bundesminister Schäuble. Ich denke, daß man dafür Verständnis haben wird. Ich nehme dies zum Anlaß, dem Bundesinnenminister unsere Genesungswünsche nach Freiburg zu schicken.
Als nächstes erteile ich das Wort dem Abgeordneten Herrn Roske.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wer hoffte — insbesondere in Ostdeutschland wurde gehofft —, die Bundesregierung würde Förderprogramme zur Strukturanpassung Ostdeutschlands und zur Anhebung der Lebensqualität der Ostbürger und -bürgerinnen mit gleicher Beschleunigung entwickeln wie die Programme zum politisch-formalen Zusammenschluß der beiden deutschen Staaten, sieht sich enttäuscht und wird enttäuscht bleiben.Die GRÜNEN treten für eine Umverteilung von viel mehr Mitteln mit anderer Struktur in den anderen Teil Deutschlands ein, mit dem Ziel, die Folgekosten der Einheit nicht etwa zu erhöhen, sondern auch für die
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18280 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 231. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Oktober 1990
Dr. RoskeBürgerinnen und Bürger im Westen zu reduzieren. Denn: Wird die Ungleichheit von Wirtschaftskraft und Lebensverhältnissen auf lange Sicht aufrechterhalten, sind Einbrüche, zumindest Stagnation, bei den sozialen und ökologischen Standards des Westens wahrscheinlich und damit die Gesamtkosten höher.In der letzten Zeit wird immer wieder mit Recht betont, die Marktwirtschaft habe unvermeidlich über die bürokratische Planwirtschaft gesiegt. Andererseits ist klar, daß der Markt und damit liberale Wirtschaftspolitik vor der Aufgabe versagen muß, extreme Ungleichheit zwischen Marktpartnern zu überwinden.Die vom Grundgesetz geforderte Angleichung der Lebensverhältnisse und der Wirtschaftskraft zwischen Ost- und Westdeutschland bedarf nämlich gerade der politischen Gegensteuerung gegen die Wirkungen des Marktes und bedarf der staatlichen Strukturanpassungsprogramme ebenso wie des Schutzes der Umwelt vor den Folgen des Marktes.Die Planwirtschaft hat welthistorisch versagt. Der Markt versagt solchen Aufgaben gegenüber täglich aufs Neue. Gegen dieses Versagen des Marktes etwas zu tun, gehört, wie alle wissen, nicht zu den Lieblingsgeschäften von Liberalen und Konservativen.In den Regierungsprogrammen zur Förderung der ostdeutschen Wirtschaft sind Ansätze für einen regionalen Ausgleich kaum erkennbar. Die Bewältigung der Strukturprobleme Ostdeutschlands soll vor allem durch Investitionen der Unternehmen erfolgen, nicht der öffentlichen Hand.Die 1,5 Milliarden DM Unternehmensförderung pro Jahr reichen neben einem Kreditprogramm allerdings kaum aus, um nur die Investitionen der Stromkonzerne, von Daimler und anderer Autokonzerne zu bezuschussen, die sowieso erfolgt wären.Die Erfahrungen mit der regionalen Wirtschaftsförderung im ehemaligen Bundesgebiet haben aber gezeigt, daß regionale Standortnachteile der Wirtschaft sowieso nicht in erster Linie durch private Wirtschaftsförderung ausgeglichen werden können. Standortnachteile bestehen nämlich vor allen Dingen in der Ungleichheit der Infrastruktur: Verkehrsanbindung, Kommunikation, Energieversorgung, insbesondere Forschung und Entwicklung, Technologietransfer, Qualifikation, Gewerbeflächenentschließung, Abfallwirtschaft und Abwasserentsorgung. Investitionen der privaten Wirtschaft setzen deshalb einen Vorlauf an Infrastrukturinvestitionen voraus.Was tut die Bundesregierung? Die Bundesregierung bezuschußt wirtschaftsnahe kommunale Infrastrukturinvestitionen mit lächerlichen 750 Millionen DM pro Jahr. 750 Millionen DM müssen die Ostländer selber beitragen — genauso wie bei der privaten Wirtschaftsförderung.
Darunter befand sich 1990 für die Verkehrsinfrastruktur der Kommunen fast nichts. Für die überregionale Verkehrsinfrastruktur in den Ländern der ehemaligen DDR wurde im zweiten Halbjahr 1990 ebenfalls fast nichts investiert. Für kommunale Infrastruktur, die mehr mit Umweltnähe als mit Wirtschaftsnähe zu tun hat — es handelt sich um Abfall-, Wasser-, Abwasserwirtschaft sowie um den Personenverkehr und die kommunale Energieversorgung — , gibt es für Ostdeutschland kein besonderes Zuschußprogramm.
Für solche Maßnahmen stehen nur verbilligte Kredite — verbilligt um 3 % — zur Verfügung. Nach gegenwärtigem Stand müssen die Kommunen 7 % selbst zahlen.Da die Gemeinden aber keine Eigenmittel haben, unterbleib en die Infrastrukturmaßnahmen weitgehend. Man muß sich vergegenwärtigen, daß z. B. die Stadt Leipzig nur 1,5 % ihrer Haushaltsausgaben aus eigenen Steuern und Gebühren zahlen kann.Für Forschung und Entwicklung in Ostdeutschland sieht das Bundesministerium für Forschung und Technologie — das ist ein ganz wesentlicher Punkt für die Angleichung des Produktivitätsniveaus — ca. 100 Millionen DM für 1990 und 1991 vor. Ein lächerlicher Betrag, wenn man weiß, daß die Industrieforschung in Ostdeutschland vor allen Dingen von den Kombinaten getragen wurde, diese aber gerade in diesem Bereich Einschränkungen machen müssen. Für die Angleichung des technologischen Niveaus ist eine eigenständige Forschung in Ostdeutschland unabdingbar.
Die Bundesregierung redet neuerdings häufig von Hilfe zur Selbsthilfe. Sie klaut den GRÜNEN die Vokabeln und macht in der Praxis Ostdeutschland zu einer verlängerten Werkbank der Wirtschaft des Westens.
Mangels moderner Infrastruktur kommen die privaten Investitionen nur bei Verschleuderung des Vermögens der volkseigenen Betriebe in Gang. Erfahrene Kommunalpolitiker, wie Rommel oder Schmalstieg, schätzen alleine den Bedarf der Kommunen in Ostdeutschland für Maßnahmen der Infrastruktur und für Sozialhilfe in den nächsten fünf Jahren auf ca. 100 bis 180 Milliarden DM jährlich. Höchstens 40 Milliarden DM werden sie aber 1991 an Einnahmen und Zuweisungen haben. Daß die Bundesregierung den Ländern Ostdeutschlands den ihnen nach dem Grundgesetz zustehenden Länderfinanzausgleich durch eine Grundgesetzänderung vorenthält, trägt wesentlich zum Haushaltsdefizit von Kommunen und Ländern bei. Für Infrastrukturmaßnahmen ist unter diesen Bedingungen in Kommunen und Ländern drüben kein Geld da.Graf Lambsdorff verkündete Anfang des Jahres, auch Infrastrukturmaßnahmen könnten durch private Unternehmen gewährleistet werden.
Was dabei herauskommt, zeigt die Übereignung derStromversorgung Ostdeutschlands an RWE, Preußen-
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Dr. Roskeelektra und Bayernwerk durch weitgehende Enteignung der Kommunen: Die Stromkonzerne kassieren Zuschüsse für Investitionen, die sie wegen ihrer enormen Überkapazitäten sowieso tätigen würden, und exportieren mit den von ihnen versprochenen 2 Milliarden DM Anlageinvestitionen zugleich ein teures, verschwenderisches und umweltschädliches Energiesystem.
Gleichzeitig wird die Akzeptanz für die AKW im Westen wieder verbessert und über Nachrüstung in Greifswald und Stendal und über AKW-Neubauten diskutiert. Der Strompreis bleibt wahrscheinlich subventioniert, weil die Bürger und Bürgerinnen im Osten ihn nicht bezahlen können. Der Absatz für Stromkonzerne ist also durch doppelte Subventionierung garantiert.Energieeinsparung, rationelle Energienutzung sind in diesem Energiekonzept nicht vorgesehen; RWE ist, wie jedes private Unternehmen, an Wachstum interessiert. Die Stromkonzerne bauen auch Müllverbrennungsanlagen und steigen auf diese Art und Weise in die kommunale Infrastruktur ein, wenn gleichzeitig Abfallmengen garantiert werden. Vermeidung und Verwertung von Abfall haben unter diesen Bedingungen ganz enge Grenzen.Die Bundesregierung projektiert das hiesige Verkehrssystem aus Ostdeutschland. Die Chancen für ein anderes, umweltverträglicheres Verkehrsystem werden vertan. Ein Szenario des Bundesverkehrsministeriums vom September will den Anteil des Schienenverkehrs in Ostdeutschland am Personenverkehr von 33 auf 11 % senken.
Vom Transportaufkommen, das drüben fast völlig auf der Schiene war, sollen zwei Drittel bis neun Zehntel auf die Straße. In diesem Punkt wird sich also die Umweltbelastung Ostdeutschlands noch erhöhen.Meine Damen und Herren, es gibt zwei Methoden, den Zusammenschluß auf dem Rücken der kleinen Leute auszutragen: Die Regierung kann sich auf eine langandauernde Ungleichheit einrichten, indem man die Umverteilung vom Westen nach dem Osten in engen Grenzen hält, und man kann sie dazu nutzen, die ohnehin schlechten sozialen und ökologischen Standards auch im Westen zu senken oder mindestens einzufrieren. Auch dies ist dann eine Angleichung der Lebensverhältnisse. Man kann die Folgekosten der Ungleichheit auch über die Erhöhung der Mehrwertsteuer und über Gebühren, von Bundesfinanzminister Waigel bereits thematisiert, einfahren. Mir scheint, die Bundesregierung denkt an beide Wege.Die Fördermittel für umweltverträgliche Infrastrukturmaßnahmen in Ostdeutschland müssen deshalb erheblich erhöht und inhaltlich umstrukturiert werden.
Die GRÜNEN fordern erstens die Einrichtung von regionalen Entwicklungsgesellschaften bzw. Entwicklungszentren in der Trägerschaft von Kommunen, Kammern, Hochschulen, Arbeitsverwaltungen, Ge-werkschaften, Umweltschutzverbänden und Verbraucherverbänden, deren Hauptaufgabe es ist,
den Transfer von modernen und zugleich umweltverträglichen Technologien zu beschleunigen und gleichzeitig das Qualifizierungs- und Beratungspotential dezentral zu vergrößern.Zweitens. Die Mittel für Forschung und Entwicklung für sowohl produktivere als auch umweltverträgliche Technologien müssen erheblich erhöht werden, weil dies der entscheidende Faktor der Wettbewerbsfähigkeit der ostdeutschen Wirtschaft ist.Drittens. Die vorgesehenen Mittel für Personen-und Güterverkehr müssen zugunsten des Schienenverkehrs umstrukturiert werden.Viertens. Kommunale Vermeidung, Verwertung und Entsorgung von Abfällen müssen ebenso wie Kläranlagen und Kanalisationsnetze bezuschußt werden.Fünftens. Die kommunale Energieversorgung muß in die Infrastrukturförderung aufgenommen werden. Das Eigentum an kommunalen Energieanlagen muß den Kommunen zurückgegeben werden.Die Finanzierung dieses Programms ist möglich. Die GRÜNEN treten schon lange für eine radikale Kürzung des Rüstungshaushalts ein. Wir freuen uns, daß die fünf Institute, die das Herbstgutachten vorgelegt haben, die Forderung nach einer radikalen Kürzung des Militärhaushalts um 10 Milliarden DM von den GRÜNEN übernommen haben.
Zweitens: Finanzierung aus den Kosten der Teilung. Herr Waigel beziffert sie auf 40 Milliarden DM. Wir bitten Herrn Waigel darum, sie endlich lockerzumachen. Drittens: Streichung des Atomprogramms. Viertens sind wir für einen Solidarbeitrag der deutschen Wirtschaft aus den ungeheuren nicht investierten Gewinnen. Fünftens sind wir für eine Ergänzungsabgabe auf höhere Einkommen, und sechstens sind wir für die Einführung von Ökosteuern, zunächst für die Erhöhung des Benzinpreises um 1 DM pro Liter.
— Ich weiß, das entspricht nicht Ihrem Verkehrskonzept. Aber dabei kommen erst einmal eine bessere Umwelt und zweitens ein Investitionsvolumen von 42 Milliarden DM heraus.
Ich bedanke mich.
Als nächster hat Graf Lambsdorff das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Am 4. Oktober
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18282 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 231. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Oktober 1990
Dr. Graf Lambsdorfffragte uns der Abgeordnete Dr. Gysi während unserer Debatte im Reichstag:Viele fragen, was dieser schnelle Anschluß kostet. Ich frage, wer eigentlich wieviel daran verdient.Meine Damen und Herren, einen Großverdiener haben wir inzwischen ausmachen können: die PDS.
Wohlgemerkt, die FDP bleibt bei ihrer Kritik an der Durchsuchung einer Parteizentrale ohne richterlichen Durchsuchungsbefehl. Dafür wäre ohne jede Beeinträchtigung der Ermittlungen ausreichend Zeit gewesen. Wir legen Wert darauf, daß gerade gegenüber den Vertretern und Erben des Unrechtsstaates der SED jetzt der Rechtsstaat mit seiner Ordnung und seinen Garantien antritt. Aber es ist auch klar, daß derart abenteuerliche Geldbewegungen, offenbare Verletzungen der gesetzlich vorgeschriebenen Verfügungsbeschränkungen genau ermittelt und untersucht werden. Mit „Mein Name ist Hase, ich weiß von nichts" wird Herr Gysi nicht davonkommen.Meine Damen und Herren, die Mahnung nach rechtsstaatlichem Verhalten ist aber auch für einen anderen Fall der letzten Woche nötig. Kaum war in Zeitungsberichten die Nachricht verbreitet worden, daß mein Fraktionskollege Gerry Kley ein informeller Mitarbeiter des Staatssicherheitsdienstes gewesen sei, da erklang der Ruf, er solle unverzüglich sein Mandat niederlegen. Rufer waren die Kollegen Lintner und Niggemeier (SPD). Am Abend des gleichen Tags stellte sich heraus: Der Kollege Kley ist Opfer einer Namensverwechslung geworden. Wäre er Herrn Lintner und Herrn Niggemeier gefolgt, so wäre er sein Mandat los.
Ich wiederhole für die FDP: Es darf doch wohl nicht in Frage kommen, dem Ungeheuer Staatssicherheitsdienst dadurch späte Erfolge zu bescheren, daß wir seine Akten und Informationen ungeprüft gelten lassen.
Wer sich schuldig gemacht hat, der gehört vor Gericht, und zwar nicht nur der Schütze an der Mauer, sondern auch derjenige, der den Schießbefehl gegeben hat.
Aber auch er hat Anspruch auf ein rechtsstaatliches Verfahren.Wie können wir das in der alten DDR überhaupt sicherstellen? Mir ist nach vielen Gesprächen eines ganz klargeworden: Die ehemaligen DDR-Richter genießen bei der Bevölkerung keinen Funken Vertrauen. Richterwahlausschüsse mit in Salzgitter erf aß-ten Mitgliedern, mit Mitgliedern, die sich ihre sogenannte Kaderakte selbst gesäubert haben, sind ein Unding.
Deswegen bittet die FDP die Bundesregierung in allen diesen Fragen um höchste Aufmerksamkeit.
Die SED-Seilschaften in Betrieben und Verwaltungen stören, ja hintertreiben in vielen Fällen den Aufbau. Vor allem aber: Sie haben die Menschen gepeinigt, gequält und gedemütigt. Wir dürfen nicht in ihre Nähe geraten, wenn wir das Vertrauen der Menschen behalten wollen.
Daß Bundesregierung und Koalitionsparteien dieses Vertrauen besitzen, haben die Landtagswahlen vom 14. Oktober bewiesen. Alle Versuche der Opposition und des Kanzlerkandidaten Lafontaine, mit den Stichworten zu frühe Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion, Arbeitslosigkeit, hohe Zinsen, unzureichende Renten usw. haben nur zu einer vernichtenden Absage an die SPD geführt.Eines ist ganz klar: In den Augen der Wähler besitzt die SPD keinerlei Kompetenz zur Lösung der gravierenden wirtschaftspolitischen Probleme in der früheren DDR, und die Wähler haben recht.
In den alten Bundesländern ist es ganz genauso. Seit 1982 hat die SPD wirtschaftspolitisch nichts dazugelernt — ihr Programm „Rückschritt 90" zeigt es —, sie will die Fehlleistungen sozialistischer Wirtschaftspolitik immer noch nicht zur Kenntnis nehmen.
Graf Lambsdorff, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Kühbacher?
Wenn das nicht angerechnet wird, Frau Präsidentin, gerne.
Graf Lambsdorff, ich möchte noch einmal auf Ihren Gedanken und Ihre Ausführungen zur Staatssicherheit zurückkommen dürfen. Wäre es von der Bundesregierung nicht klüger gewesen, den Personalübernahmevorschlägen aus einigen Häusern sehr viel kritischer gegenüberzustehen und nicht zuzulassen, daß wir, wenn auch nur als Zeitpersonal, Mitglieder, hauptamtliche Mitarbeiter des MfS für einen gewissen Zeitraum weiterbeschäftigen? Wäre es nicht klüger gewesen, diese sofort zu entlassen und für die vergleichbar niedrigen Arbeiten, die z. B. bei den Dynamo-Sportplätzen oder bei Turn- und Sporthallen anfallen, dann eben andere arbeitslose DDR-Bürger vorübergehend einzustellen? Kommt die Bundesregierung nicht in den Geruch des — so formuliere ich es einmal — Durchlaufenlassens?
Herr Kühbacher, wir sind dafür, daß individuell entschieden wird. Sie können nicht 2,3 Millionen Menschen, die Mitglied der
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Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 231. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Oktober 1990 18283
Dr. Graf LambsdorffSED waren, aus welchen Gründen auch immer, einfach an die Seite stellen.
— Auch wenn sie beim Staatssicherheitsdienst als Fahrer, als untere Charge angestellt waren, können Sie sie nicht einfach ausgrenzen. Ich bin für individuelle Beurteilung. Schuld ist ein individueller Tatbestand und nicht eine Kollektivveranstaltung.
Meine Damen und Herren, der heute zur Verabschiedung anstehende Nachtragshaushalt, dem die FDP zustimmt, ist Anlaß, einige der Fragen der Wirtschaftspolitik in den neuen Bundesländern zu diskutieren. So hat der saarländische Ministerpräsident dann auch seinen Auftritt in der heutigen Debatte angekündigt: „Ihr werdet euch noch wundern" — so hat er gesagt. In der Tat, wir wundern uns. Wo ist Oskar?
— Nun lassen Sie mich weiter ausführen. Ich glaube Herr Lafontaine hat Schopenhauer zu sehr verinnerlicht, den ich jetzt zitiere:Die gänzliche Nichtbeachtung, die mein Werk erfahren hat, beweist, daß entweder ich des Zeitalters nicht würdig war oder umgekehrt.
In beiden Fällen heißt es jetzt: Der Rest ist Schweigen.
Wir wollen uns mit Schweigen nicht begnügen. Der Nachtragshaushalt ist dabei eigentlich weniger wichtig als der Blick in die Zukunft. Das Herbstgutachten der Forschungsinstitute bescheinigt Westdeutschland eine durchaus stabile Konjunktur, verschweigt aber die wirtschaftlichen Probleme der deutschen Einheit nicht.Zwei Feststellungen und ein Rat scheinen uns bedeutsam: die Feststellungen, daß der Produktionseinbruch in der alten DDR sein Tief erreicht hat und daß die hohe Arbeitslosigkeit sich ab Mitte des nächsten Jahres abbauen wird, und der Rat: Laßt die Finger von Steuererhöhungen.Sind auch die Gutachter, Frau Matthäus-Maier, Steuerlügner? Ist auch Karl Schiller ein Steuerlügner? Lesen Sie, was er heute in der „Zeit" schreibt. Sie gehen reichlich leichtfertig mit dem Vorwurf der Steuerlüge und überhaupt der Lüge um.
Wir werden dem Rat der Institute folgen. Die FDP war, ist und bleibt die einzige Partei, die geschlossen gegen Steuererhöhungen zur Finanzierung der deutschen Einheit ist. Sie sind schädlich für die Konjunktur bei uns. Sie sind auch falsch für die neuen Bundesländer. Strukturbrüche überwindet man nicht mit Steuererhöhungen, die die private Wirtschaft belasten.
Steuererhöhungen sind auch nicht nötig. Selbstverständlich erfordert das eine Haushaltspolitik der Einsparungen und des Abbaus von Subventionen, die keine Position auslassen darf.
Erst dann können und dürfen wir an erhöhte Kreditaufnahme herangehen, wobei ich mit dem Finanzminister einig bin, daß die Nettoneuverschuldung der öffentlichen Hände insgesamt 5 % des Bruttosozialprodukts übersteigen sollte.Da ich immer wieder von Ihnen von den Rekorddefiziten höre, lese ich Ihnen vor, was Karl Schiller heute in der „Zeit" veröffentlicht: Wer behauptet, diese Defizite stellten die größte staatliche Neuverschuldung seit dem Krieg dar, der meint damit stillschweigend wohl nur die nominalen absoluten Werte — wahrlich kein Kompliment für den mündigen Wahlbürger; denn eine derartige Bewegung des Anteils der staatlichen Neuverschuldung am Bruttosozialprodukt hatten wir früher schon einmal, nämlich Mitte der 70er Jahre, worauf das Gutachten diskret hinweist.
Deswegen sage ich: Angesichts der sich uns stellenden Aufgaben ist eine Grenze bis zu 5 % des Bruttosozialprodukts vertretbar.
Es ist aber falsch, immer nur auf Haushaltsmittel zu starren. Die tiefgreifende wirtschaftliche Krise in den neuen Bundesländern ist ohne privates Kapital aus dem Westen nicht zu überwinden.
Es war doch von Anfang an klar, daß öffentliche Mittel niemals ausreichen könnten, den riesigen Reparaturbedarf in der alten DDR zu finanzieren.
Deshalb ist es richtig, auch für Infrastrukturvorhaben privates Kapital soweit wie möglich einzusetzen und dadurch die öffentlichen Haushalte zu entlasten.
Die FDP begrüßt es, daß der Bundeskanzler sich im ZDF-Interview vorgestern gegenüber solchen Vorschlägen offen gezeigt hat.Wir verstehen die Absage von Herrn Biedenkopf an eine privat finanzierte Autobahn in der bisherigen DDR nicht. Er und vor allem die Bürger Sachsens werden sehr viel länger warten müssen, wenn sie auf öffentliche Mittel angewiesen bleiben.
Dr. Graf LambsdorffWir müssen uns aus hergebrachten Denkkategorien befreien. In kaum einem Land der Welt werden große Verkehrsinvestitionen heute noch ausschließlich mit öffentlichen Mitteln finanziert. Denken Sie an den Kanaltunnel zwischen England und Frankreich.Das gleiche gilt für Kommunikationseinrichtungen, z. B. für private Telefonnetze — darüber gibt es heute einige positive Berichte in den Zeitungen — , insbesondere für ein mobiles Telefonfunknetz in der alten DDR. Ich halte es nach allem, was ich höre und sehr:, unter allen Infrastrukturhemmnissen für besonders schwerwiegend, daß eine Konzernzentrale in Hannover ihr Investitionsvorhaben in Erfurt nicht telefonisch erreichen kann. Dann investiert niemand.Auch in den Bereichen der Wasserversorgung und des Umweltschutzes sind private Finanzierungen durchaus denkbar und möglich. Ich bin — ganz im Gegensatz zu Ihnen — besorgt über die Nachricht, daß einige Kommunen der DDR gegen den Stromvertrag gerichtlich vorgehen wollen. Ich verstehe ja deren Wünsche, aber woher sollen die Milliarden kommen, um die Stromerzeugung und Stromverteilung in der DDR zu finanzieren, wenn nicht aus den Kassen der westdeutschen Energieversorgungsunternehmen? Der Staat kann zweistellige Milliardenbeträge nicht zur Verfügung stellen.Ich wünschte mir eine andere Wettbewerbslandschaft für Stromerzeugung und Stromverteilung in der alten DDR, aber wenn man das Geld nicht hat, geht es nicht.
Großangelegte öffentliche Beschäftigungsprogramme, dirigistische Industriepolitik à la SPD führen in die Sackgasse, und sie überfordern den Staat.Es ist absolut falsch, wenn Herr Lafontaine sagt: Was wir bei Arbed Saarstahl — an einer Stelle im Saarland — gemacht haben, können wir in der ganzen DDR veranstalten. Denken Sie einmal daran, wie teuer das war und wie lange das gedauert hat.
— Ich werde das noch erläutern, Herr KühbacherDer Ansatz ist eben grundfalsch. Staatsdirigismus hat die ehemalige DDR in den Ruin getrieben.
Was wir jetzt brauchen, sind ein Boom bei Unternehmensinvestitionen und die Schaffung von massenhaft neuen Arbeitsplätzen. Hier, meine Damen und Herren, ist uns insbesondere darum zu tun, daß die entstehende Arbeitslosigkeit in erster Linie zu Lasten der Frauen geht. Wenn man sich die 40 Jahre DDR ansieht, dann stellt man fest, daß die Frauen in der DDR den schwersten Teil dieser Jahre zu tragen gehabt haben. Ich meine diejenigen, die voll berufstätig waren, die Schlange stehen und sich um alles kümmern mußten. Sie dürfen jetzt nicht unter die Räder kommen.
Graf Lambsdorff, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Ullmann?
Bitte sehr, Herr Ullmann.
Graf Lambsdorff, ich will jetzt nicht zu dem Stellung nehmen, was Sie über private und staatliche Finanzierung gesagt haben.
— Lassen Sie mich doch ausreden.
Ich möchte fragen, wie Sie sich vorstellen, daß die Unabhängigkeit der Kommunen und auch die politische Unabhängigkeit der Länder zustande kommen, wenn sie finanziell in Abhängigkeit gehalten werden.
Meine Damen und Herren, Sie können finanzielle Abhängigkeiten doch nicht dadurch beseitigen, daß Sie Geld drucken, das Sie künftig zur Verfügung stellen. Sie müssen einen Weg finden, Herr Ullmann, den wir mit dem Stromvertrag gefunden haben, daß die Kommunen mit einem hohen Anteil an den Stromverteilungsorganisationen beteiligt sind und daß sogar nach einem bestimmten zeitlichen Ablauf ihr Zugriff auf Mehrheiten an diesen Einrichtungen in Aussicht gestellt und gesichert wird.Wer jetzt z. B. Energieerzeugung und -verteilung in Ordnung bringen will, braucht in den nächsten überschaubaren Jahren 30 bis 40 Milliarden DM. Wer soll die mitbringen? Wer hat sie? Der Finanzminister kann das nicht, und die Länder können damit auch nicht ausgestattet werden.
— Man hat es doch nicht auf Kosten der Kommunen gemacht. Die Kommunen in der ehemaligen DDR verfügen — nicht nur nominell — über einen riesigen Wohnbesitz. Was ist der denn? Es bedeutet eine einzige finanzielle Belastung, wenn man ihn in Ordnung bringen will. Das kann ich doch nicht als Vermögenswert rechnen.
Ich weiß nicht, ob der Kollege Roth heute hier ist; ich sehe ihn nicht. Er sagte vor wenigen Tagen in einem Fernsehinterview: nicht Arbeitslosigkeit, sondern Arbeit bezahlen. Das klingt gut.
Aber der Weg dahin ist doch falsch. Ihre staatlichen Beschäftigungsprogramme sind völlig unfinanzierbar, und sie verdrängen privates Kapital. Sie verlängern die Misere und verhindern den Aufbau wettbewerbsfähiger Strukturen.
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Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 231. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Oktober 1990 18285
Dr. Graf LambsdorffWir erreichen einen besseren Beschäftigungsstand nur über private Investitionen. Es genügt nicht — da sind wir hoffentlich einig — , die Unternehmen auf ihr eigenes Interesse daran zu verweisen, sich im Osten neue Märkte zu sichern. Die frühere DDR darf nicht nur Absatzgebiet für Westdeutschland bleiben. Das schafft keine Arbeitsplätze. Produzierendes Gewerbe muß hin. Dieser Teil Deutschlands war immer ein wichtiger industrieller Standort. Er muß und er wird es wieder werden.Wir müssen aber daran denken — ergehen wir uns nicht in Romantik, meine Damen und Herren —, daß der Investitionsstandort Ostdeutschland im Wettbewerb mit Portugal, Spanien, Irland, Belgien oder anderen Standorten der Europäischen Gemeinschaft steht. Das ist die Wahrheit. Wer daran vorbeisieht, wird Fehlkalkulationen anstellen.Um die Investitionstätigkeit richtig in Schwung zu bringen, müssen die Standortbedingungen in den neuen Bundesländern verbessert werden.
Die FDP hält es für erforderlich, für eine Zeit von zwei bis drei Jahren die Unternehmensinvestitionen mit staatlichen Hilfen, Investitionszulagen und Förderzuschüssen analog zur Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" oder aus ihr anzukurbeln.
Zusätzlich zu den eher kurzfristig angelegten staatlichen Fördermaßnahmen
sollten die in den neuen Bundesländern investierenden Unternehmen besonders günstige steuerliche Rahmenbedingungen haben.
Die FDP verlangt, die ostdeutschen Länder zu einem Niedrigsteuergebiet zu machen. Die einheitswertabhängigen Steuern — es gibt ja gar keine Einheitswerte in der DDR; was wollen Sie denn am 1. Januar damit anfangen? — wie die betriebliche Vermögensteuer und die Gewerbekapitalsteuer sollten dort erst gar nicht eingeführt werden. Wen wollen Sie denn in Rostock oder Cottbus Steuern aus der Substanz zahlen lassen?
— Ich rede ja gerade davon, was wir uns vorstellen, was wir für richtig halten. Da dies am 1. Januar schon aus technischen Gründen nicht kommen kann, wird es ja wohl auch nicht kommen. — Die Ertragsteuerbelastung sollte 40 % des erzielten Gewinns nicht übersteigen. Jetzt, meine Damen und Herren, muß — um einmal in dieser Sprache zu reden — geklotzt und nicht gekleckert werden.
In den Details hat sich die FDP bei ihrem Konzept für ein Niedrigsteuergebiet bewußt noch nicht festgelegt. Wir sind für Gespräche mit Ihnen, Herr Bundesfinanzminister, offen. Das betrifft auch die Frage, ob die steuerliche Entlastung nur die Unternehmen und die Selbständigen, die Risikokapital investieren, oder auch alle Facharbeiter, die leitenden Angestellten und die Sparer in Ostdeutschland erfassen soll.Ich bitte den Herrn Bundesfinanzminister, bei allen diesen Vorschlägen eines zu bedenken: Wir muten Ihnen im Ergebnis — das ginge auch nicht — keine neuen Lasten zu. Wir wollen Lasten von Ihnen nehmen, die Wirtschaft in Gang bringen, die Anschubfinanzierung möglichst schnell mindern. Besser doch, meine Damen und Herren, niedrige Steuereinnahmen von niedrigen Ertragsteuersätzen als keine Steuereinnahmen von abschreckend hohen Steuersätzen!
Wir beabsichtigen nicht — das sage ich ganz deutlich, weil Herr Stihl uns da mißinterpretiert hat —, eine Betriebsteuer einzuführen. Ein Steuermodell zugunsten der neuen Bundesländer sollte so konzipiert werden, daß es später einmal auf Gesamtdeutschland übertragen werden kann, wenn die Haushaltslage es erlaubt; eine Automatik kann es dabei nicht geben. Aber die Notwendigkeit einer Unternehmensteuerreform in der Bundesrepublik bleibt. Insbesondere ist sie ein wichtiger Standortfaktor im Hinblick auf den Binnenmarkt ab 1. Januar 1993.Meine Damen und Herren, wir dürfen bei allem Bemühen um die Lösung der Probleme in den neuen Bundesländern die alten nicht aus den Augen verlieren. Unsere mit der Wende 1982 eingeleitete Politik der marktwirtschaftlichen Erneuerung hat die Grundlage geschaffen, auf der wir unsere Probleme lösen wollen und können. Wir sind im neunten Jahr eines kontinuierlichen wirtschaftlichen Aufschwungs. Ich sage mit Bedacht und nach genauer Überlegung: Es gibt kein westliches Industrieland, das zur Zeit über so gute wirtschaftliche und wirtschaftspolitische Daten verfügt wie der alte Teil der Bundesrepublik Deutschland.
Niemals zuvor gab es so viele Beschäftigte in der alten Bundesrepublik wie heute.
Im Umweltschutz haben wir keineswegs schon genug getan, aber wir sind vorangekommen.
In Fragen der Abrüstung und Rüstungskontrolle sind wir erfolgreich und auf gutem Wege. 700 Milliarden DM werden 1990 für soziale Zwecke ausgegeben, fast ein Drittel unseres Bruttosozialprodukts. Die soziale Komponente der Sozialen Marktwirtschaft ist wahrlich nicht unterbelichtet, und unsere Landsleute in der alten DDR merken jetzt, was diese Wirtschaftsordnung und diese Gesellschaftsordnung an Sozialpolitik ermöglichen. Aber sie wissen auch: Man kann nur verteilen, was man vorher erarbeitet und verdient hat.
Kurz, meine Damen und Herren: Diese Koalition hat eine der erfolgreichsten Legislaturperioden in der Ge-
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18286 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 231. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Oktober 1990
Dr. Graf Lambsdorffschichte der Bundesrepublik hinter sich. Die deutsche Einheit krönt dieses Werk.
Mit dieser Bilanz stellen wir uns dem Wähler. Dabei werden wir Liberale einen differenzierten Wahlkampf führen: SPD, PDS und GRÜNE — das sind unsere politischen Gegner in diesem Wahlkampf. CDU und CSU sind unsere Wettbewerber um Stimmen. Ob die DSU es auch noch ist, weiß ich nicht so genau.Der Opposition aber, meine Damen und Herren, und ihrem nicht anwesenden Kanzlerkandidaten gilt eine Lebensweisheit von Karl Rahner: „Der, der ich bin, grüßt trauernd den, der ich sein möchte."Vielen Dank.
Das Wort hat die Abgeordnete Frau Matthäus-Maier.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nach der Herstellung der staatlichen Einheit Deutschlands lautet die Hauptaufgabe der Politik jetzt, einheitliche Lebensverhältnisse in Deutschland herzustellen.
Dieser Auftrag des Grundgesetzes gilt für alle Teile Deutschlands und für alle Bevölkerungsgruppen. Wir meinen, der Finanzpolitik kommt dabei eine Schlüsselrolle zu. Wir brauchen jetzt eine solide, wirtschaftspolitisch vernünftige und gerechte Finanzpolitik, und diese Finanzpolitik muß insbesondere zehn Forderungen erfüllen.Forderung eins: Statt weiter Arbeitslosigkeit zu finanzieren, müssen wir endlich Arbeit finanzieren; Graf Lambsdorff, Sie haben es gerade aufgegriffen.
Wer durch die Städte und Gemeinden in den neuen Bundesländern fährt, sieht immer wieder folgendes: Bauhandwerker entlassen Arbeitnehmer, weil sie von den Gemeinden keine Aufträge erhalten;
denn die Gemeinden haben kein Geld. Die entlassenen Arbeitnehmer erhalten aber Arbeitslosengeld.
Andererseits liegt die Arbeit auf der Straße: kaputte Straßen, kaputte Wohnungen, kaputte Kläranlagen. Hier müßte überall gebaut und saniert werden. Wäre es da nicht sinnvoller, die Städte und Gemeinden in den neuen Bundesländern erhielten das Geld, das sie brauchen, um dem Bauhandwerk Aufträge zu erteilen? Dann könnten Menschen eingestellt werden, und die dringend notwendigen Arbeiten würden erledigt, meine Damen und Herren.
Es werden dringend private Investitionen gebraucht, damit endlich Arbeitsplätze geschaffen werden.
Da hilft es überhaupt nichts, wenn der Wirtschaftsminister jeden Tag ein neues Modell für eine steuerliche Förderung von Investitionen vorstellt. Das verunsichert nur. Da hilft es übrigens auch nicht, Graf Lambsdorff, über die ehemalige DDR als Niedrigsteuerland zu philosophieren. Wem wollen Sie denn eigentlich weismachen, daß in der ehemaligen DDR mehr investiert wird, wenn für Frau Bergmann-Pohl und Herrn de Maizière die Steuern um mehrere tausend DM im Jahr gesenkt werden? Dies ist aber Inhalt Ihrer Vorschläge.
— Ja, selbstverständlich! Niedrigsteuerland DDR allgemein heißt Spitzensteuersatzsenkung, und das geht an die falschen Leute und geht nicht in Arbeitsplätze, meine Damen und Herren.
Wir Sozialdemokraten hingegen wollen eine klare steuerliche Förderung von Investitionen.
Die Betriebe sollen zwischen Sonderabschreibungen bis zu 75 % und einer Investitionszulage von 25 % wählen können. Übrigens ist eine solche steuerfreie Investitionszulage für die Betriebe besser als die von Herrn Haussmann ins Gespräch gebrachten 33 %, von denen die Bundesregierung immer spricht, von denen sie aber verschweigt, daß sie zum größten Teil versteuert werden müssen. Dies hätte jedoch zur Folge, daß diese 33 % materiell sehr viel weniger als die von uns vorgeschlagenen 25 % ausmachen.Wer investieren will, braucht Grundstücke. Die rechtlichen Hindernisse dafür wurden mit dem Einigungsvertrag aus dem Weg geräumt; leider erst sehr spät im September, weil Sie sich vorher aus ideologischen Gründen dagegen gewehrt haben. Aber immer noch muß jemand, der in den neuen Bundesländern ein Grundstück kaufen will, dafür 7,5 % Grunderwerbsteuer zahlen. Wenn er bis zum nächsten Jahr wartet, zahlt er nur 2 %, wie es jetzt schon in Westdeutschland der Fall ist.
Sehen Sie denn nicht, daß dies ein überflüssiger wirtschaftspolitischer Fehler ist, der Investitionen verzögert? Wo ist der Gesetzentwurf, der dies ganz schnell ändert, meine Damen und Herren?
Damit die Wirtschaft investiert, brauchen wir auch eine vernünftige Infrastruktur. Aber die Bahn in der ehemaligen DDR fährt immer noch wie zu Honeckers Zeiten, und viele Unternehmen können nicht richtig arbeiten, weil sie nicht einmal ihre Lieferanten und ihre Kunden antelefonieren können. Sie sind mit Ihrer Politik des Zögerns bei der Infrastruktur zum Investi-
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Frau Matthäus-Maiertionshindernis Nummer eins geworden; wir brauchen dringend öffentliche Infrastruktur.
Ganz schlimm ist, wie Sie mit den Arbeitslosen und mit den Kurzarbeitern verfahren. Sie zahlen Arbeitslosengeld und Kurzarbeitergeld. „Kurzarbeit auf Null" nennt man das in den neuen Bundesländern.
Aber das kann es doch nicht gewesen sein. Die Menschen wollen Arbeit, und dafür brauchen sie Qualifizierung und Umschulung. Bis heute fehlen aber die dafür notwendigen Einrichtungen und Fachkräfte.Wir Sozialdemokraten wollen nicht „Kurzarbeit auf Null" , sondern Umschulung und Weiterbildung, damit die Menschen zukunftssichere Arbeitsplätze finden.
Wir brauchen auch Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, meine Damen und Herren. Es ist doch Unfug, daß in den neuen Bundesländern Kindergärten geschlossen und Kindergärtnerinnen arbeitslos werden, weil die Kommunen kein Geld haben, sie zu bezahlen. Aber für das Arbeitslosengeld, damit die Kindergärtnerinnen zu Hause sitzen, ist dann Geld da.
Es wäre doch allen Beteiligten geholfen, den Kindergärtnerinnen, den Eltern und den Kindern, wenn der Staat, statt Arbeitslosengeld zu zahlen, die Kindergärten weiter betreiben würde.
Graf Lambsdorff, Sie sprachen zu Recht über die miserable Lage der Frauen in den neuen Bundesländern. Was spricht eigentlich dagegen, daß Sie sich unserem Vorschlag in diesem Sinne anschließen?
Die fünf Wirtschaftsforschungsinstitute haben für das nächste Jahr enorm hohe Arbeitslosenzahlen prognostiziert. Dem Bundeswirtschaftsminister fällt dazu nichts anderes ein, als die Zahlen zu kritisieren. Wir fordern Sie auf: Bekämpfen Sie nicht länger Statistiken, Gutachten und Prognosen über Arbeitslosigkeit, die Ihnen nicht gefallen; das kennen wir schon aus den elf alten Bundesländern. Bekämpfen Sie endlich die Arbeitslosigkeit!
Die zweite Forderung: Eine gerechte und wirtschaftspolitisch vernünftige Finanzpolitik muß endlich auch energischer gegen die Wohnungsnot vorgehen. Die Städte und Gemeinden müssen Hunderte von Millionen D-Mark im Jahr ausgeben, um Hotels, Pensionen und andere Gebäude anzumieten, damit sie allein die Menschen unterbringen können, die nicht einmal ein Dach über dem Kopf haben.Richtig wäre es doch, dieses Geld für den Bau von Sozialwohnungen auszugeben. Wir unterstützen dieForderung aller elf Bauminister der Bundesländer, die die Mittel des Bundes für den sozialen Wohnungsbau auf 3,5 Milliarden DM aufstocken und die Rückflüsse ebenfalls wieder für den Wohnungsbau einsetzen wollen. Wenn Sie schon uns nicht glauben, dann glauben Sie doch wenigstens
den CDU-geführten Bundesländern, die die gleiche Forderung erheben.
Die dritte Forderung: Eine solide und gerechte Finanzpolitik muß endlich den Marsch in den Schuldenstaat stoppen.
Sie erhöhen die Neuverschuldung in diesem Jahr auf 67 Milliarden DM. Jeder weiß, daß Sie weitere Milliardenschulden in diversen Sondertöpfen und Verschiebebahnhöfen versteckt haben. Dadurch erhöht sich die staatliche Neuverschuldung in diesem Jahr auf insgesamt rund 125 Milliarden zusätzliche DMark, meine Damen und Herren. Damit steigt die gesamte Staatsverschuldung in diesem Jahr auf 1,2 Billionen DM an.
Übrigens, dabei haben Sie in Ihrer Regierungszeit — das wird leicht vergessen — von 1983 bis heute noch 75 Milliarden DM Bundesbankgewinne einstreichen können, um die Sie ja wohl sonst die Neuverschuldung zusätzlich hätten anheben müssen.
Meine Damen und Herren, ich habe ein Zitat von der CSU aus dem Jahre 1980 gefunden.
Dort heißt es:
Jeden Tag, wenn Helmut Schmidt die Bettdecke über die Ohren zieht, hat er 120 Millionen DM Schulden gemacht.Das Zitat war originell, die Zahl leider falsch. Ich nenne Ihnen jetzt die richtige Zahl für Sie: Jeden Abend, wenn Helmut Kohl und Theo Waigel sich die Bettdecke über die Ohren ziehen, haben sie 270 Millionen DM neue Schulden gemacht.
— 270 Millionen DM!
Frau Matthäus-Maier, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Graf Lambsdorff?
Frau Kollegin, haben Sie von der Bettdecke oder den Bettdecken gesprochen?
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18288 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 231. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Oktober 1990
Ich nehme an, es sind zwei Bettdecken.
Aber ich nehme an, daß Herr Waigel, damit er trotz dieser enormen Staatsverschuldung von 270 Millionen DM jeden Tag gut schlafen kann, es so macht wie beim Schäfchenzählen und jeden Abend bis 270 zählt. Dann schlafen Sie selbst bei den hohen Schulden ein, Herr Waigel.
Frau Matthäus-Maier, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage des Abgeordneten Wieczorek?
Frau Kollegin, wir haben in dem allgemeinen Trubel die Zahl nicht verstanden.
Würden Sie diese besorgniserregende Zahl noch einmal wiederholen? Egal, unter welcher Bettdecke; uns interessiert die Zahl.
Ich lasse einmal die Bettdecke weg, weil er vielleicht unter einem Plumeau schläft. Er macht jedenfalls jeden Tag 270 Millionen DM neue Schulden.Wir haben darüber gelacht, meine Damen und Herren, aber ich will Ihnen einmal eine andere Zahl nennen. Die freien Träger in den neuen Bundesländern — Arbeiterwohlfahrt, Caritas und die anderen freien Träger — haben uns Brandbriefe geschrieben und gefragt, ob wir ihnen nicht 300 Millionen DM überweisen könnten, damit dort die entsprechenden Kinder-und Alteneinrichtungen weitergeführt werden können. Sie sehen: Sie machen jeden Tag 270 Millionen DM Schulden, und mit 300 Millionen DM könnten wir bereits auf einem Gebiet die Probleme lösen.
Meine Damen und Herren, Sie tun so, als sei das nur ein vorübergehender Ausrutscher.
Aber: Im nächsten Jahr droht — sogar nach den Berechnungen von Finanzminister Waigel — ein Finanzierungsdefizit von 140 bis 150 Milliarden DM. Alle Planungsdaten zeigen: Wenn es nicht endlich zu einer soliden und sparsamen Finanzpolitik kommt, wird die staatliche Neuverschuldung in den folgenden Jahren Jahr für Jahr weit über 100 Milliarden DM liegen.Ich sage Ihnen, Herr Finanzminister, die Finanzierung der Einheit erlaubt eine zeitlich begrenzte, maßvolle Erhöhung der Kreditaufnahme.
Wir haben dem Fonds Deutsche Einheit doch zugestimmt. Aber das gibt Ihnen doch keinen Freibrief dafür, sich hemmungslos so zu verschulden, wie Sie das tun.
Nein, die deutsche Einheit muß endlich finanziell solide bezahlt werden.Unsere vierte Forderung ist: Eine solide und gerechte Finanzpolitik darf nicht länger durch die enormen Zinslasten der öffentlichen Haushalte die Zukunft unserer Kinder und Enkel belasten.
Durch die dramatische Staatsverschuldung nimmt die Zinsbelastung der öffentlichen Haushalte immer weiter zu. 1981 mußte der Staat noch 36,7 Milliarden DM Zinsen zahlen. 1991 schnellt die Zinslast unseres Staates auf 100 Milliarden DM hoch.
— Herr Kollege, ich habe gerade gehört, daß Sie „genüßlich" gesagt haben. Nein, ich nenne die Zahl von 100 Milliarden so deutlich, damit Sie und die Zuhörer sich darüber klar sind, was das heißt. Ich sage das traurig; denn Sie könnten die Lohnsteuer halbieren, wenn Sie nicht diese idiotischen Zinsbelastungen hätten.
Sie könnten 5,9 Millionen Kindergartenplätze einrichten, wenn wir nicht diese Zinsbelastungen hätten. Wir könnten die gesamte Verkehrsinfrastruktur der DDR auf Vordermann bringen.
— Das ist so!
Nein, meine Damen und Herren, wir müssen wissen: Die Zinsbelastungen, die wir auf unsere Kinder und Enkel abwälzen, werden sie daran hindern, in Zukunft nützliche Dinge im Umweltschutz, in der Sozialpolitik und in der Wirtschaftspolitik zu bezahlen. Unsere Kinder und Enkel werden dafür bluten müssen,
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Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 231. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Oktober 1990 18289
Frau Matthäus-Maierweil wir heute — und in diesem Fall Sie — nicht in der Lage und nicht willens sind, endlich eine solide Finanzpolitik zu machen.
Ich möchte Ihnen noch ein Zitat vorlesen. Es lautet:Eine Regierung, die einen Schuldenberg in dieser gigantischen Höhe auftürmt, muß sich die Frage gefallen lassen, ob sie nicht dabei ist, unserer Jugend das Recht auf ihre eigene Zukunft zu nehmen — und sich am Selbstbestimmungsrecht späterer Generationen zu versündigen.Dies hat im September 1980 Helmut Kohl als damaliger Oppositionsführer über Helmut Schmidt gesagt, als die Staatsverschuldung weniger als halb so hoch war, als sie heute ist. Sie haben allen Anlaß, sich heute an diese Worte von Helmut Kohl zu erinnern!
Forderung fünf: Eine solide und wirtschaftspolitisch vernünftige Finanzpolitik muß verhindern, daß durch die Staatsverschuldung die Zinsen für Bürger und Wirtschaft immer weiter steigen. Das renommierte Ifo-Institut hat Ihnen vorgerechnet, daß infolge des — von Ifo so genannten — DDR-Effektes der Kapitalmarktzins um rund 2 Prozentpunkte angestiegen ist. Hohe Zinsen sind aber, wie jeder weiß, Gift für den Wohnungsbau und für neue Investitionen in Arbeitsplätze.
Mit Ihrer unsoliden Finanzpolitik tragen Sie also mit die Verantwortung dafür, daß sich die Wohnungsnot in der Bundesrepublik Deutschland immer weiter verschärft. Sie tragen auch mit die Verantwortung dafür, daß viele Familien, die sich unter großen Mühen ein Eigenheim erspart haben, für ihre Hypothek monatlich 200, 300 oder auch 400 DM mehr zahlen müssen und dadurch in schwierige Zwangslagen kommen.
Wer den wirtschaftlichen Aufbau der neuen Bundesländer will, wer die Millionen Arbeitslosen in beiden ehemaligen Teilen Deutschlands in Lohn und Brot bringen will und wer es mit dem Kampf gegen die Wohnungsnot ernst meint, der muß jetzt zu einer soliden Finanzpolitik bereit sein. Damit die Zinsen nicht noch weiter steigen, muß der Marsch in den Schuldenstaat gestoppt werden.
Daraus ergibt sich unsere Forderung sechs: Eine solide und wirtschaftspolitisch vernünftige Finanzpolitik muß jetzt endlich sparen.
Ich kann das sehr kurz machen, weil Kollege Kühbacher heute morgen umfangreiche und detaillierte Vorschläge zum Einsparen gemacht hat:
bei den Kosten der Teilung, beim Subventionsabbau, beim Abbau der Bürokratie und im Verteidigungshaushalt.Lassen Sie mich zum Verteidigungshaushalt nur noch zwei Bemerkungen machen.
— Ja, Herr Waigel, genau dazu möchte ich kommen; denn ich glaube, daß nicht allen Menschen, nicht allen Bürgern klar ist, wie die Situation beim Jäger 90 ist.
Wir befinden uns im Moment in der sogenannten Entwicklungsphase. Wenn sie abgelaufen ist — in der nächsten Legislaturperiode ist das der Fall — , muß entschieden werden, ob man in die sogenannte Produktionsphase einsteigt. Es ist klar, wie man sich am 2. Dezember entscheiden kann; denn hier hat jeder seine Meinung gesagt.Die CDU will den Jäger 90 auf Deubel komm raus weiterbauen, trotz aller Abrüstung und Entspannung.
Die FDP behauptet immer, sie wolle den Jäger 90 nicht mehr. Aber immer dann, wenn wir hier im Bundestag darüber abstimmen, fällt sie um
und stimmt dem Jäger 90 zu. Bei der SPD können sich die Leute darauf verlassen: Mit uns wird es dieses unsinnige 100-Milliarden-Projekt nicht geben. Wir werden den Jäger 90 stoppen.
Meine Damen und Herren, Herr Kühbacher nannte bereits eine, wie ich es empfinde, der erschreckendsten Zahlen. Wir geben Jahr für Jahr 2,5 Milliarden DM für Munition aus. — Da nicken Sie Gott sei Dank ausnahmsweise einmal. Seien Sie doch mit uns bereit, endlich auch hier einzusparen!Wir geben fast 30 Millionen DM allein für Sprit für die Tiefflüge aus. Die Menschen wollen keine Tief-
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18290 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 231. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Oktober 1990
Frau Matthäus-Maierflüge mehr. Laßt uns die Tiefflüge einstellen, dann haben wir 30 Millionen DM.
Der neue Panzerabwehrhubschrauber kostet 205 Millionen DM im Jahr. Wir meinen, in einer Zeit, in der wir abrüsten und nicht aufrüsten wollen, können wir dieses neue Militärprojekt überhaupt nicht verständlich machen, meine Damen und Herren.
Auch wenn Ihnen dieses Thema unangenehm ist —
jetzt schaue ich nach ganz links und auf die rechte Hälfte des Hauses — , sage ich:
Zur Finanzierung der deutschen Einheit gibt es eine weitere Finanzierungsquelle, an die diese Bundesregierung bisher nicht herangegangen ist.
Ich spreche vom Parteivermögen von SED/PDS, von der ehemaligen Ost-CDU, von den ehemaligen OstLiberalen und von den anderen Blockparteien.
Meine Damen und Herren, es ist unerträglich,
daß diese Nachlaßgemeinschaft des stalinistischen Systems ein Riesenvermögen von weit über 10 Milliarden DM besitzt, während viele Familien — —
Frau Matthäus-Meier, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Weng? — Die kommt gerade richtig.
Damit alle wissen, warum wir lachen: Normalerweise ist in diesem Bundestag ja nicht sehr viel von Natur zu sehen. Aber gerade flog ein Vogel nach oben. Deswegen haben wir im Moment gute Chancen.
Frau Kollegin, nach meiner Einschätzung war das ein weiblicher Haussperling.
Auf Grund des Themenkreises, den Sie im Zusammenhang mit den Blockparteien gerade angesprochen haben, möchte ich Sie fragen, Frau Kollegin, ob Sie mit Absicht die Massenorganisationen vergessen haben.
Ich habe Ihnen die Frage schon einmal beantwortet. Jetzt wollte ich darauf verzichten, weil die meisten Kollegen ja wissen, daß wir knapp in der Zeit sind.
Wir haben immer gefordert, und wir haben uns aktiv dafür eingesetzt, daß selbstverständlich auch die Vermögen der sogenannten Massenorganisationen einzuziehen sind.
So steht es auch auf unser Betreiben hin im Einigungsvertrag. Das müßten Sie eigentlich wissen, Herr Weng.
Meine Damen und Herren, da wird immer über „einziehen" diskutiert. Das muß auch eingezogen werden, aber da offensichtlich das Einziehen dieses verflixten Vermögens so lange dauert — es ist aber ganz wichtig; das sind über 10 Milliarden DM, und es gibt eine Menge Menschen in den neuen wie in den alten Bundesländern, die hart an der Grenze des Existenzminimums leben —, frage ich: Warum verzichten nicht endlich — dann wäre das Ganze viel einfacher — die drei Parteivorsitzenden — der Herr Gysi für die SED/PDS, der Graf Lambsdorff für die vereinigte FDP und der Herr Bundeskanzler Helmut Kohl als Parteivorsitzender der vereinigten CDU — auf dieses Unrechtsvermögen? Geschähe dies, wären wir schon ein ganzes Stück weiter, meine Damen und Herren!
Forderung Nummer sieben: Eine solide und gerechte Finanzpolitik muß auch auf Steuersenkungen für Spitzenverdiener und Unternehmen in Höhe von 25 Milliarden DM verzichten. Ich bitte auch die Wirtschaft, die das ja zum Teil immer noch fordert, dringend darum, zu beachten, daß unser hohes Niveau an öffentlichen Leistungen durch Steuern finanziert werden muß. Unsere hervorragende Infrastruktur ist teuer. Aber sie stellt für die Wirtschaft auch geldwerte Vorteile dar und erspart ihr Kosten.Erst vor wenigen Tagen war in großen deutschen Zeitungen zu lesen, daß nach Berechnungen des britischen Industrieverbandes die unterentwickelte Infrastruktur Großbritanniens die Unternehmen dort mit etwa 45 Milliarden DM jährlich belastet. Ich frage Sie: Was haben eigentlich die Unternehmen davon, daß Frau Thatcher ihnen dauernd die Steuern gesenkt hat, wenn sie gleichzeitig selbst Milliarden dafür aufwenden müssen, die Nachteile der heruntergekommenen britischen Infrastruktur zu bezahlen? — Nein, wer ein solch hohes Niveau von Infrastruktur haben will, wie es in unserem Land herrscht, der kann dieses Land nicht zu einem Niedrigsteuerland machen, meine Da-
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Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 231. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Oktober 1990 18291
Frau Matthäus-Maiermen und Herren. Übrigens, die Unternehmen wissen das auch.
Herr Waigel, die erste Pflicht eines Finanzministers wäre es gewesen, zu einer solchen Steuersenkung für Unternehmen und Spitzenverdiener endgültig nein zu sagen. Sie haben das leider nicht getan; die Bundesregierung hat ja auch schon ein Finanzierungsmodell in der Schublade. Sie wollen die Steuersenkung für Spitzenverdiener und Unternehmen durch eine Anhebung der Verbrauchsteuern oder der Mehrwertsteuer finanzieren.Der Bundeswirtschaftsminister hat dies auch bis vor einem Jahr öffentlich erklärt. Ich nehme an, daß Graf Lambsdorff dann zu ihm gesagt hat: Helmut, das mußt du nicht immer öffentlich erzählen; das verschreckt die Leute. Nur, der Wille hat sich nicht geändert. Ich bin ganz sicher, wir werden auf diesen Punkt noch zurückkommen; denn mittlerweile ändern sich nur noch die Begründungen. Der Bundeskanzler hat im Fernsehen gesagt, daß er Steuererhöhungen für die Finanzierung der Einheit ausschließt; vielleicht wird es sie aber für die Entwicklung in Osteuropa oder wegen der Golfkrise oder wegen was weiß ich geben.
— Dies ist nicht nur ein Etikettenschwindel. Den Bürgern ist es ganz egal, mit welcher Begründung Sie nach der Wahl die Steuern anheben werden.Ich sehe die große Gefahr, daß die Bundesregierung eine Steuerlüge vorhat, wie wir sie aus Amerika kennen. Vor der Wahl heißt es: keine Steuererhöhung. Nach der Wahl wird dann die Steuererhöhung vorgenommen.
Wir fordern Sie auf: Sagen Sie den Menschen doch endlich die Wahrheit.
Sagen Sie, daß Sie, die Konservativen, die Verbrauchsteuern oder die Mehrwertsteuer anheben wollen, was die Masse der kleinen Leute enorm belastet.
Wir Sozialdemokraten nennen dann unsere Alternative, nämlich: ein zeitlich befristeter Solidarbeitrag der Besserverdienenden. Dann sehen die Bürger klar die Unterschiede zwischen Ihnen und uns und können sich entscheiden. Das hilft der Ehrlichkeit und der Glaubwürdigkeit in der Politik mehr als dieses monatelange Versteckspiel.
Forderung Nummer acht: Eine solide und gerechte Finanzpolitik muß dafür sorgen, daß die Familien mit Kindern endlich zu ihrem Recht kommen. Seit dem Amtsantritt von Bundeskanzler Kohl ist das nicht der Fall. Die Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichtes sind klar: Der heutige Familienlastenausgleich ist verfassungswidrig. Er reicht nicht aus, um den Kindern ein steuerfreies Existenzminimum zu garantieren.
Jahr für Jahr hat die Regierung Kohl seit 1983 die Familien mit Kindern steuerlich höher belastet als erlaubt.
Es ist doch eine Schande, meine Damen und Herren, daß sich ein so reiches Land wie die Bundesrepublik Deutschland gegenüber den Familien mit Kindern so schäbig verhält.
Herr Bundesfinanzminister, ich fordere Sie auf, den Familien mit Kindern jetzt klipp und klar zu sagen, wann und in welcher Form Sie eine verfassungsgemäße Neuregelung des Familienlastenausgleichs vorlegen wollen. Das Lavieren muß endlich ein Ende haben. Fragen Sie bitte auch die Familien, die auf die Rechtmäßigkeit der Besteuerung vertraut haben, ob sie wirklich wieder die Dummen sein wollen. Wollen Sie wirklich nur den gut informierten Menschen, die sich einen teuren Steuerberater leisten können, eine Nachzahlung beim Kindergeld geben, meine Damen und Herren? Ich meine, auch wenn sie juristisch kein Recht darauf haben, haben unsere Familien mit Kindern zumindest moralisch das Recht, auch für die Vergangenheit etwas zu bekommen.
Frau Matthäus-Maier, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Graf Lambsdorff?
Frau Matthäus-Maier, darf ich auf eine zwischen uns bekanntlich seit urlanger Zeit bestehende Meinungsverschiedenheit zurückkommen und Sie fragen, ob Sie Ihre Meinung zum Thema „Kinderfreibeträge" nach diesem Urteil des Bundesverfassungsgerichts nun endlich geändert haben?
Kollege Graf Lambsdorff, das habe ich nicht.
Im Gegenteil, Sie wissen genausogut wie wir alle in diesem Hause, daß wir Sozialdemokraten ausdrücklich die Ersetzung der ungerechten Kinderfreibeträge bei der Besteuerung als Finanzierung für unseren Vorschlag „höheres Kindergeld" vorsehen.
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18292 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 231. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Oktober 1990
Frau Matthäus-Maier— Nun lassen Sie mich doch die Frage beantworten. — Denn ein Höchstverdiener bekommt nach diesen ungerechten Kinderfreibeträgen eine Entlastung von 134 DM im Monat, ein Niedrigverdiener aber nur eine Entlastung von 48 DM monatlich. Daß wir die Familien mit Kindern bei der Steuer entlasten wollen, ersehen Sie daraus: Unser Ziel ist mindestens 200 DM Kindergeld für jedes Kind vom ersten Kind an. Dieser Betrag würde direkt von der Steuer abgezogen mit der Folge, daß jemand, der Steuern zahlen muß und der zwei Kinder hat, gleich 400 DM weniger Steuern zahlt. Wenn das keine steuerliche Gerechtigkeit ist, dann frage ich mich, was Sie eigentlich wollen.
Verehrte Frau Kollegin, darf ich versuchen, es Ihnen viel leichter zu machen, und Sie bitten, an Stelle einer so langen und gewundenen Antwort doch schlicht die Frage zu beantworten: Stimmen Sie den Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts zu den Kinderfreibeträgen zu oder nicht? Sagen Sie ja oder nein!
Herr Kollege Lambsdorff, Sie haben das Urteil — im Unterschied zu mir — anscheinend nicht gelesen; ich habe es sehr sorgfältig gelesen.
Dort steht — Kollege Graf Lambsdorff, das wissen Sie übrigens auch — , daß das Existenzminimum eines jeden Familienmitglieds steuerfrei sein muß.
— Moment! Wie das durchgeführt wird, über steuerliche Kinderfreibeträge oder über Kindergeld oder über ein duales System, wird in diesem Urteil ausdrücklich offengelassen.
Graf Lambsdorff, reden wir jetzt einmal offen miteinander: Die meisten Journalisten in Bonn wissen ja, daß in der ursprünglichen Vorlage von Finanzminister Waigel für den Finanzausschuß des Deutschen Bundestages als mögliche Alternative, wie man das heutige verfassungswidrige System richtig reformieren kann, ausdrücklich enthalten ist: 200 DM Kindergeld vom ersten Kind an und für alle Kinder gleich. Das hat er dann vorsichtigerweise aus der Vorlage für den Finanzausschuß gestrichen, meine Damen und Herren.
Graf Lambsdorff, ich stelle Ihnen das Original dieser sehr bemerkenswerten Seite nachher gern zu.
Frau Matthäus-Maier, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage des Abgeordneten Poß? — Bitte.
Frau Kollegin, wären Sie bitte so freundlich, zur Kenntnis zu nehmen, daß der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Voss in der gestrigen Sitzung des Finanzausschusses ausdrücklich erklärt hat, daß unser Kindergeldkonzept mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts übereinstimmt?
Dies bestätige ich gern. Das ergibt sich auch aus der Vorlage. Graf Lambsdorff, da Sie mich in Ihrer Frage gebeten haben, ja oder nein zu sagen, sage ich ganz klar: Wir lehnen steuerliche Kinderfreibeträge ab. Ich will einmal Luther zitieren. Ich lege Wert darauf, daß das von Luther ist und nicht von mir; sonst würde ich das hier nicht sagen. Meine Damen und Herren, Luther hat gesagt: „Der Teufel scheißt immer auf den größten Haufen." Er meint damit: Wer hat, dem wird gegeben, und das wollen wir nicht.
Wir wollen nicht, daß das Kind eines Reichen dem Staat fast dreimal so viel wert ist wie das Kind eines Armen. Deswegen wollen wir ein gleich hohes Kindergeld für alle Kinder.
— Haben Sie etwas gegen Luther?
Unser Vorschlag lautet: 200 DM Kindergeld vom ersten Kind an und ab einer Familie mit vier Kindern ein zusätzlicher Familienzuschlag für kinderreiche Familien.Forderung Nummer neun: Eine solide und gerechte Finanzpolitik muß dafür sorgen, daß das Existenzminimum eines Menschen nicht länger besteuert wird.
Auch dies ergibt sich aus dem Urteil des Verfassungsgerichts. Der heute bestehende Grundfreibetrag von 5 616 DM ist zu niedrig; er müßte längst 8 000 DM betragen.
Dies zeigt, wie ungerecht Ihre Steuerpolitik ist: Sie haben zwar mit der Steuerreform 1990 milliardenschwere Steuergeschenke an Bezieher hoher und höchster Einkommen verteilt, Sie haben den Spitzensteuersatz gesenkt und neue Steuerprivilegien für Betuchte geschaffen, aber die verfassungsrechtliche Mindestanforderung an das Steuerrecht, nämlich das Existenzminimum nicht zu besteuern, haben Sie leider nicht erfüllt. Für die SPD gehört die Steuerfreiheit des Existenzminimums der Bürger zu den drängendsten steuerpolitischen Aufgaben. Wir werden den Grundfreibetrag auf 8 000 DM bei Ledigen bzw. 16 000 DM bei Verheirateten verbessern.
Das bedeutet eine Senkung der Lohn- und Einkommensteuer für Verheiratete um 1 000 DM und für Ledige um 500 DM im Jahr.
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Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 231. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Oktober 1990 18293
Frau Kollegin, erinnern Sie sich daran, daß bei der Steuerreform der Grundfreibetrag, der von der Koalition durchgesetzt wurde, höher war als die SPD-Forderung?
Ich bitte um Entschuldigung. In Ihrer Steuerreform war auch eine Verbesserung des Grundfreibetrags drin, und der haben wir ausdrücklich zugestimmt, in zweiter Lesung hier im Hause. Aber das hat nichts damit zu tun, daß er nicht ausreicht und wir seit Jahren fordern, das müsse sich ändern. Herr Weng, Sie wissen doch, es kann nicht sein, daß jemand, der einen geringen Verdienst hat, darauf Steuern zahlt und danach zur Sozialhilfe geht und sich die Differenz wieder abholt. Ich kann doch nicht ein Einkommen besteuern, das ich als Sozialhilfe steuerfrei erhalte. Das weiß jeder. Deswegen werden wir Sozialdemokraten das ändern.
Diese Senkung der Lohn- und Einkommensteuer wird im Rahmen der von uns vorgesehenen steuerlichen Umschichtung erfolgen, bei der wir die Arbeit steuerlich entlasten und die Belastung auf den umweltschädlichen Energieverbrauch verlagern.
Zehnte und letzte Forderung. Eine solide und gerechte Finanzpolitik darf die finanziellen Lasten nicht länger einseitig den Arbeitnehmern aufbürden.
Die Bundesregierung hat bei der Steuerreform den Arbeitnehmern zahlreiche Sonderopfer abverlangt, wie die höhere Besteuerung der Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit, die Besteuerung der Belegschaftsrabatte, die Streichung des Essensfreibetrags und die Kürzung der Arbeitnehmersparzulage. Besonders deutlich wurde die arbeitnehmerfeindliche Steuerpolitik der Bundesregierung bei der Streichung des Arbeitnehmer- und des Weihnachtsfreibetrags. Die Streichung des Weihnachtsfreibetrags führt dazu, daß die Besteuerung des Weihnachtsgeldes auf neue Rekordhöhen ansteigt.
Die Mitglieder der Regierungskoalition behaupten immer, der Weihnachtsfreibetrag sei gar nicht gestrichen worden, sondern er sei zusammen mit dem Arbeitnehmerfreibetrag in dem neuen Arbeitnehmer-pauschbetrag aufgegangen. Das ist eindeutig falsch. Der Pauschbetrag ist nichts anderes als eine Werbungskostenpauschale. Arbeitnehmer, deren Werbungskosten 2 000 DM übersteigen, haben von dem Pauschbetrag überhaupt nichts, weil sie höhere Werbungskosten ohnehin absetzen können. Nein, für Arbeitnehmer mit geringeren Werbungskosten ist der Verlust zwar geringer, aber fest steht, daß für alle Arbeitnehmer, deren tatsächliche Werbungskosten höher als 920 DM im Jahr sind — das ist die große Mehrheit — , die Streichung von Weihnachts- und Ar-b eitnehmerfreibetrag zu erheblichen Mehrbelastungen führt. Nein, die weitaus überwiegende Zahl der Arbeitnehmer wird ungerechtfertigterweise zur Kasse gebeten. Deswegen sage ich Ihnen: Wir Sozialdemokraten werden den Weihnachtsfreibetrag wieder einführen.
Meine Damen und Herren, ich fasse zusammen. Wir brauchen jetzt endlich eine solide, wirtschaftspolitisch vernünftige und gerechte Finanzpolitik, eine Finanzpolitik, die den wirtschaftlichen Aufbau in den neuen Bundesländern aktiv fördert, eine Finanzpolitik, die den Marsch in die hemmungslose Staatsverschuldung stoppt, eine Finanzpolitik, die endlich einspart und umschichtet, eine Finanzpolitik, bei der die Familien mit Kindern endlich zu ihrem Recht kommen und ein Kindergeld von mindestens 200 DM im Monat pro Kind erhalten, und eine Finanzpolitik, die soziale Gerechtigkeit auch in der Steuerpolitik verwirklicht. Diesen Anforderungen, Herr Finanzminister Waigel, entspricht Ihr Bundeshaushalt, entspricht Ihre Finanzpolitik nicht. Deshalb brauchen wir eine neue Finanzpolitik, meine Damen und Herren.
Das Wort hat der Abgeordnete Bohl.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich muß mich schon über die Selbstgerechtigkeit wundern, die hier bei der Vorstellung eines Programms der SPD zur Lösung der anstehenden Probleme an den Tag gelegt wird. Ich weiß nur, daß es in den 13 Jahren, in denen die SPD die Verantwortung trug, so war, daß der Karren in den Dreck gefahren wurde.
Ich kann mir gar nicht vorstellen, daß die SPD in der Lage ist, die großen wirtschaftlichen Herausforderungen, die wir ohne Zweifel in der ehemaligen DDR haben, zu bewältigen. Es war doch so: Wir haben, wenn ich mich richtig entsinne, im letzten Jahr Ihrer Regierungsverantwortung 450 000 Arbeitsplätze verloren. Im letzten Jahr dieser Regierungskoalition haben wir 650 000 Arbeitsplätze dazugewonnen. Was ist denn besser, meine Damen und Herren?
Sie haben im letzten Jahr Ihrer Regierungstätigkeit 37 Milliarden DM Schulden gemacht. Unsere Schuldenneuaufnahme im letzten Jahr belief sich auf 19 Milliarden DM. Was ist denn besser, meine Damen und Herren?
Wir gehen also nicht in den Schuldenstaat, wie Sie zu belieben meinen, sondern wir gehen in einen wirtschaftlich blühenden Sozialstaat. Wir gehen auf ein zweites Wirtschaftswunder in Deutschland zu. Das ist gut so.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Wieczorek ?
Nein.
Keine Zwischenfrage.
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18294 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 231. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Oktober 1990
Wir gehen auch davon aus, daß natürlich Kandidat Lafontaine hier heute zur gleichen Stunde wieder die Kosten der Überwindung des Sozialismus zu problematisieren versuchen will,
und darüber lamentiert — soll er das ruhig. Damit bestätigt er immer wieder den Zweifel, ob die SPD die Einheit überhaupt will. Wir jedenfalls freuen uns über die Einheit und freuen uns, daß wir mit diesem Haushalt für ganz Deutschland die Mittel zur Überwindung der Kosten des Sozialismus bereitstellen können.
Im übrigen, wer wie Lafontaine behauptet, die ehemalige DDR sei vor Öffnung der Mauer noch ein führendes Industrieland gewesen, und wer vor einem knappen Jahr auf dem SPD-Parteitag gesagt hat, wer unser System preist, hat die Zeichen der Zeit nicht verstanden, der muß sich fragen lassen: Wer überhaupt in Deutschland soll denn Lafontaine und Ihnen abnehmen, daß Sie den Sozialismus überwinden wollen, meine Damen und Herren?
Ich glaube, wir haben die richtigen Marksteine gesetzt: Der Bundeskanzler hat am 28. November letzten Jahres den Zehn-Punkte-Plan vorgelegt. Zum 1. Juli dieses Jahres hat er die Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion verwirklicht. Noch im selben Monat hat er mit Michael Gorbatschow im Kaukasus verhandelt und dort die Zustimmung zur NATO-Mitgliedschaft Gesamtdeutschlands erreicht.
Im September konnten wir bei den Zwei-plus-VierGesprächen die Zustimmung der Alliierten zur vollen Souveränität Deutschlands erreichen. Und am 3. Oktober durften wir die langersehnte deutsche Einheit feiern.Sie werden verstehen, daß ich in diesem Zusammenhang insbesondere für die Verdienste bei dem Einigungsvertrag, der eine wichtige Voraussetzung dafür war, von dieser Stelle aus Wolfgang Schäuble noch einmal sehr, sehr herzlich für diese große Leistung danke.
Es zeigt sich, wie richtig unser Weg war und ist. Die Soziale Marktwirtschaft erringt in diesen Wochen und Monaten ihren größten Erfolg und den Sieg über den Sozialismus. Wir gehen jetzt daran, Wohlstand und soziale Sicherheit auch in den neuen Bundesländern zu ermöglichen. Dazu dient in besonderem auch dieser Nachtragshaushalt.Der Sachverständigenrat bestätigt ja — im Gegensatz zu manchem, was so berichtet wird — , daß unsere Politik in weiten Teilen richtig ist. Die Produktion in den neuen Bundesländern kann im kommenden Jahr stabilisiert werden. Die Privatisierung kommt in Gang. In der Bauwirtschaft beginnen öffentliche Ausgabenprogramme zu greifen. Die Landwirtschaft wird im nächsten Jahr in die Phase der Konsolidierung eintreten. Der Wendepunkt der Entwicklung sei, so schreiben die Sachverständigen, etwa im Sommer nächsten Jahres zu erwarten. Wir sind zuversichtlich, meine Damen und Herren, daß er schon im nächsten Frühjahr da sein wird. Das hohe Engagement der bisher vom Sozialismus unterdrückten Menschen zeigt die Zahl von rund 170 000 Gewerbeanträgen, die bereits gestellt wurden. Eine neue Gründerwelle rollt.Aber diese gute Entwicklung ist nicht selbstverständlich. Was wäre eigentlich bei einer Verantwortung der SPD und von Lafontaine im letzten Jahr gelaufen? Diese Frage müssen wir uns doch stellen.
Herr Fraktionsvorsitzender Vogel, am 3. Oktober letzten Jahres, genau ein Jahr vor der Wiedervereinigung, forderten Sie vor der SPD-Fraktion zur Ablehnung des leichtfertigen und illusionären Wiedervereinigungsgeredes auf.
Unter einer SPD-Regierung wäre den Menschen in der DDR von Anfang an der Boden unter den Füßen weggezogen worden. Das ist die Wirklichkeit.
Der nächste Schlag wäre die Zahlung von 15 Milliarden DM an SED-Modrow gewesen.
Lafontaine hat noch vor einem Monat hier im Bundestag bekräftigt, daß er das Geld überwiesen hätte. Welch grobe Fehleinschätzung.
Dann wäre der nächste Fehler gekommen: Lafontaine gab von vornherein die NATO-Mitgliedschaft Deutschlands auf. Im Februar dieses Jahres sagte er auf dem SPD-Parteitag in Leipzig: „Ein vereintes Deutschland in der NATO ist ein Anachronismus." Zum großartigen Erfolg Helmut Kohls im Kaukasus wäre es nicht gekommen, weil unter Lafontaine kein entsprechender Versuch unternommen worden wäre. Das ist die Wirklichkeit.
Schließlich hätte Lafontaine kein Angebot für eine Währungsunion gemacht. Bis heute predigt er landauf, landab, die Währungsunion sei viel zu früh gekommen.
— Er kneift.Ich möchte Ihnen jetzt — es muß immer wieder erwähnt werden — das Interview in der „Zeit" vortra-
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Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 231. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Oktober 1990 18295
Bohlgen, das Frau Kollegin Matthäus-Maier gegeben hat:Die Schaffung einer konvertiblen DDR-Mark aus eigener Kraft erfordert viel Zeit — Zeit, die die DDR nicht hat.... Eine Währungsunion mit der D-Mark wäre für die Bürger in der DDR ein einsichtiges und überzeugendes Signal für eine rasche wirtschaftliche Besserung, das sie zum Bleiben in ihrer Heimat veranlassen könnte.— So Frau Matthäus-Maier.
— Wenn das sehr gut ist, sagen Sie es doch einmal Herrn Lafontaine, damit er das versteht und kapiert. Sie sollten da predigen und nicht hier im Bundestag.Nun empfehle ich noch Frau Kollegin Fuchs, Herrn Lafontaine zu informieren, was Sie so fabrizieren. Ich habe mir Ihre Wahlkampfbroschüre, Ihr Handbuch, herausgesucht. Auf Seite 11 ist zu lesen — Zitat — :Kohl hält seine Versprechungen nicht. Erst auf den Druck der Straße hin hat er die D-Mark eingeführt — ... mit erheblicher Verzögerung.
Das ist schon ein dickes Ding: Im Wahlkampfhandbuch wird die angeblich verspätete Währungsunion kritisiert, während auf der Titelseite des Handbuchs der Genosse Lafontaine abgebildet ist, der die Währungsunion als überhastet bezeichnet.Was ist denn nun? Mit Ihrer Erlaubnis, Frau Fuchs, werde ich Herrn Lafontaine ein Exemplar dieses Handbuchs zusenden, damit er sich ganz auf die Wahlkampflinie Ihrer Partei einstellen kann.Ein Sozialdemokrat alter Schule aus dem Ruhrgebiet, Jens Feddersen, hat kürzlich zu Lafontaine geschrieben:Der Kandidat hinkt der Entwicklung hinterher. Er erscheint lustlos.- Das spürt man. —Er spürt wohl, daß er von der Entwicklung überholt und überrollt wird.... Wenn man so will: Er hechelt der Entwicklung hinterher, er bestimmt sie nicht. Er ist keiner, der Pflöcke setzt, keiner, der agiert, sondern nur taktiert.Wie wahr! Heute taktiert er einmal mehr.
Es ist ja so — Lafontaine hat es auch angekündigt —, daß er sich nach der Wahl auf seine Latifundien im Saarland zurückziehen will. Ich habe mit großem Interesse gelesen, was in allen renommierten Zeitungen in diesem und anderem Zusammenhang an köstlichen Witzen in der SPD-Fraktion über den Kandidaten kursiert.
Ich finde daher sicherlich nicht nur die Zustimmung meiner Fraktion, sondern auch die Zustimmung der Kollegen aus der SPD-Fraktion, wenn ich LafontainesVerzicht auf das Amt des SPD-Fraktionsvorsitzenden auf das Schärfste begrüße.
Ich möchte Sie, verehrte Kolleginnen und Kollegen von der SPD, nicht weiter in die Verlegenheit bringen, klatschen zu wollen, es aber nicht zu dürfen. Deshalb: Schluß jetzt mit Lafontaine!
Alles spricht dafür, daß es in den neuen Bundesländern — auch dank dieses Bundeshaushaltes — bald aufwärts geht. Ein ganz wichtiges Problem ist dabei vordringlich und schnell zu lösen: Die alten SED-Bonzen müssen weg aus ihren Blockadepositionen in Staat und Wirtschaft. Ich bin dankbar, daß darauf schon mehrfach hingewiesen wurde.
Es ist unerträglich, wenn Richter im Amt bleiben, die noch vor kurzem mutige Demokraten ins Gefängnis steckten. Es ist unerträglich, wenn SED-Kommandowirtschaftler heute Arbeiter entlassen, die die Revolution getragen haben.
Ich begrüße es daher sehr, daß die Bundesregierung nach meinen Informationen jetzt gemeinsam mit der Treuhandanstalt Anlaufstellen einrichten will, denen Mitteilung gemacht werden kann über Alt-SEDFunktionäre, die sich jetzt als Erzkapitalisten gebärden. Das ist der richtige Weg. Das wollen wir unterstützen.
Auch die Besetzung der Richterwahlausschüsse muß schleunigst überprüft werden. Dazu sind die Akten der Erfassungsstelle Salzgitter zu nutzen. Es zeigt sich, wie richtig es war, die Verbrechen der SED-Gewalttäter zu dokumentieren.
Es ist schon ein Treppenwitz der Geschichte, wenn die SPD-Justizminister heute darüber klagen, daß die Akten der Erfassungsstelle bei der Besetzung der Richterwahlausschüsse nicht verwandt worden sind. Jedermann weiß doch, daß die SPD-Bundesländer ab 1988, also nach dem Ideologiepapier von 1987, die Zahlungen an Salzgitter eingestellt haben. Das ist doch wirklich die Geschichte vom Biedermann und Brandstifter: Erst wir gezündelt, und dann beschwert man sich über das Feuer. Ich muß sagen: Wenn Sie noch etwas moralischen Kredit zurückgewinnen wollen, dann entsprechen Sie meiner Forderung, daß alle SPD-regierten Länder ihre Zahlungen sofort wieder aufnehmen.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Heuer?
Ich wollte noch ergänzen: Es wäre auch nicht verkehrt, wenn die ausstehenden
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18296 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 231. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Oktober 1990
BohlBeträge noch nachentrichtet würden. Auch das wäre gut.
Konrad Adenauer hat 1952 prophetisch ausgeführt:Die Europäischen Gemeinschaften beschränken sich auf Westeuropa. Der Bund der europäischen Völker wird aber anziehend und werbend auf andere europäische Länder wirken und damit ein kräftiges Werkzeug zur Wiedervereinigung Deutschlands so gut wie für die Bildung der europäischen Einheit werden.Diese Vision verwirklicht sich heute. Wir leben, wie ich finde, in einer großartigen Zeit: Die deutsche Einheit ist wiedererlangt, und wir blicken jetzt auf die Einheit Europas. Auch die Völker Mittel- und Osteuropas haben sich wieder Europa zuwenden dürfen. Wir leben heute in der friedlichsten Region der Welt. Nachdem viele von uns, insbesondere unsere Eltern und Großeltern, in jeder Generation einen Krieg erleben mußten, haben wir und unsere Jugend eine großartige Chance: ein freies Leben in einem Europa des Friedens und des Wohlstandes zu führen.Gleichzeitig haben wir Mittel, um auch den Entwicklungsländern stärker zu helfen. So kann auch dort politischer, sozialer Friede geschaffen und erhalten werden.Ich finde, es ist eine faszinierende Aufgabe, vor der wir stehen. Es sind große Chancen, die wir in Europa und in Deutschland haben. Die CDU/CSU ist bereit und fühlt sich verpflichtet, diese Chancen wahrzunehmen. Dazu dient auch dieser Haushalt.Vielen Dank.
Das Wort hat die Abgeordnete Frau Wollenberger.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dem Bundestag liegen seit Monaten mehrere Petitionen vor, wie z. B. die von Pax Christi und der Initiative „Bundesrepublik ohne Armee", BOA, die die Abgeordneten dazu auffordern, sich dafür einzusetzen, die Rüstungsausgaben drastisch zu kürzen und das Geld für die Lösung von ökologischen und sozialen Problemen in diesem Land und in der Zweidrittelwelt einzusetzen. So wünschenswert dies wäre, so weiß doch jeder, der sich näher mit der Materie beschäftigt hat, daß Konversion viel Geld kostet und einen beträchtlichen Etat im Haushalt beansprucht.Die Fraktion DIE GRÜNEN/Bündnis 90 legt deshalb in der heutigen Haushaltsdebatte einen Entschließungsantrag vor, der eine interfraktionelle Initiative hätte werden sollen, wenn nicht zeitliche und organisatorische Schwierigkeiten das verhindert hätten.Die Volkskammer hatte am 28. September dieses Jahres 144 Abgeordnete der ehemaligen DDR beauftragt, sich dafür einzusetzen, daß der Deutsche Bundestag umgehend für die auf dem bisherigen Territorium der DDR entstandenen fünf Länder gesetzliche Rahmenbedingungen für eine sozial und ökologisch verträgliche ökonomisch effektive und verifizierbare Konversion des Militär- und Wehrwirtschaftsbereichs schafft. Ein entsprechender Antrag der Fraktion GRÜNE/Bündnis 90 wurde mit nur zwei Gegenstimmen und bei einigen Stimmenthaltungen angenommen. Ich denke deshalb, daß dies eine gute Ausgangsbasis ist, um sich an unser gemeinsames Anliegen zu erinnern und jetzt auch gemeinsam zu handeln.
Positiv ist auch, daß wir nicht mit leeren Händen an die Arbeit gehen müssen, da es bereits einen Gesetzentwurf zur Konversion gibt. Er lag dem damaligen Verteidigungs- und Abrüstungsausschuß der Volkskammer zur Meinungsbildung vor, und parteiübergreifender Konsens herrschte dahin gehend, daß eine weitere Bearbeitung dieses Konzepts notwendig sei und schnellstmöglich folgen sollte.Ich halte es an dieser Stelle für erforderlich, etwas über den Hintergrund der bisherigen Konversionsdebatte in Ostdeutschland zu sagen, vor allem, um Verständnis für die Dringlichkeit zu finden, mit der Abgeordnete der ehemaligen Volkskammer die Ausarbeitung eines Konversionsgesetzes fordern. Ich habe vorhin schon erwähnt, daß Konversionsmaßnahmen kostenintensiv sind, und darum hat das gesamtdeutsche Parlament wichtige politische und finanzielle Entscheidungen zu tragen.Ich möchte deshalb meinen Kollegen folgende Situationseinschätzung geben: Spätestens seit dem Frühjahr 1989 war klar, daß in der damaligen DDR materielle und personelle Konversionsprozesse notwendig und unumgänglich geworden sind. Ein akuter Handlungsbedarf ergab sich jedoch im Ergebnis der Wende in der Entwicklung der ehemaligen DDR. Sie veränderte vollkommen die Rahmenbedingungen für die Konversion. Die tiefe politische und ökonomische Krise der DDR, die auf lange Zeit offengehaltene Perspektive der früheren Nationalen Volksarmee, verbunden mit umfangreichen personellen Kürzungen, der verhängte Stopp für den Export von Rüstungsgütern und die gleichzeitige Einführung von ersten marktwirtschaftlichen Prinzipien in der Volkswirtschaft brachte die Produktion eines Großteils der ehemaligen Rüstungsbetriebe binnen kürzester Zeit zum Erliegen.In der Rüstungswirtschaft der DDR wurde 1989 ein Gesamtvolumen von 3,7 Milliarden Mark produziert. 31 Unternehmen mit überwiegender und 44 Unternehmen mit anteiliger Rüstungsproduktion beschäftigten rund 42 000 Menschen zur Instandsetzung und Modernisierung importierter Wehrtechnik sowie zur Produktion für Wehrtechnik für die NVA und die Organe der sogenannten inneren Sicherheit und für den Export. Insgesamt geht es um die Existenz von ca. 1 200 Betrieben und über 100 000 Beschäftigten, die bisher durch die bewaffnete Macht des Staates der ehemaligen DDR in die Pflicht genommen worden waren.Natürlich gibt es mittlerweile Einzelbeispiele von Betrieben, die durch ihre Eigeninitiative Konversions-
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Frau Wollenbergermaßnahmen in Angriff nahmen, so z. B. die vielzitierten ehemaligen Mechanischen Werkstätten von Königswarta, die sich mit der Munitionsvernichtung beschäftigen. Aber auch dort ist zu hören, daß auf die Dauer die durch den Staat verursachten Probleme durch gute Ideen allein nicht zu bewältigen sind. Konversion in dem Ausmaß, wie sie bei uns bereits jetzt erforderlich ist, erweist sich in der Praxis als ein so komplexes und kompliziertes Problem, daß es weder durch punktuelle Verordnungen noch allein durch marktwirtschaftliche Maßnahmen zu lösen ist.
— Durch politischen Willen, genau. Darum geht es heute.Nachdem die Auflösung und Entwaffnung der Staatssicherheit, der Kampftruppen und der Bereitschaftspolizei sowie der Grenztruppen vollzogen bzw. beschlossen worden war, sind in der ehemaligen DDR gute Konversionskonzepte entwickelt worden. Was aber nicht kam, waren entsprechende verbindliche Korrekturen der Wirtschaftspläne oder gar Aufträge zur Vernichtung von Waffen und Gerät durch die Regierung de Maizière. Im Gegenteil, der Minister für Abrüstung und Verteidigung Eppelmann unterschrieb den Haushaltsplan für das zweite Halbjahr 1990 mit dem Umfang von über einer Milliarde DM für Beschaffung. Dieser Haushalt zeugte, vorsichtig gesagt, von totaler Unkenntnis der Finanz- und Wirtschaftslage.Am 1. Juli wurde schließlich unter dem Druck der Probleme im Wirtschaftsministerium ein Amt für Konversion eingerichtet, aber leider am zweiten Tag der Einheit gleich wieder aufgelöst.Das zeigt, daß an die Stelle von personeller und materieller Konversion der einfache Zusammenbruch getreten ist, und dieser Zustand ist, glaube ich, auf nationaler Ebene problemgeladen genug und muß dringend geändert werden. Ich bin auch ganz sicher, daß ein Mißlingen der Konversion negative Folgen für den europäischen Einigungsprozeß und den KSZEProzeß hätte sowie negative Auswirkungen auf die Schaffung neuer Sicherheitsstrukturen in Europa haben könnte. Die Konversion bleibt also auf der Tagesordnung, zumal die Reduzierung der Bundeswehr und der Abzug der ausländischen Truppen gerade erst begonnen hat. Damit ist auch klar, daß Konversion ein gesamtdeutsches Problem ist.Ich möchte jetzt zum Schluß Herrn Ulbricht von der CDU-Fraktion zitieren. Ich folge immer gern auch Kollegen aus der CDU, wenn sie etwas Gutes sagen. Herr Ulbricht hat in der Volkskammerdebatte zum Konversionsgesetz erklärt, es solle uns Deutschen gelingen, ein gutes Gesetz zur Friedensstabilisierung zu schaffen, und ich denke, wir haben jetzt Gelegenheit dazu, das unter Beweis zu stellen. Ich bitte Sie deshalb, den vorliegenden Entschließungsantrag der Fraktion der GRÜNEN/Bündnis 90 zu unterstützen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Weng.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Matthäus-Maier, man kann auch dadurch falsches Zeugnis ablegen, daß man bestimmte falsche Eindrücke erweckt. Sie haben in der Frage der Parteien in der früheren DDR hier den Eindruck erweckt, als ob hiesige Parteien über deren Vermögen verfügen würden, und Sie haben den Eindruck erweckt, als ob sich das fortsetzt.Tatsache ist, daß wir gerade mit den jetzt abgelaufenen Beratungen im Haushaltsausschuß eine großvolumige Behörde eingerichtet haben, die diese gesamten Vermögen durchleuchten und die Unrechtsvermögen dem Staat zurückgeben wird, Vermögen, die im Augenblick übrigens nicht dem Zugriff der Parteien unterliegen, sondern die von der Treuhand treuhänderisch verwaltet werden. Ich meine, dies muß hier klargemacht werden.Ebenso glaube ich Ihnen nicht, daß Zeitmangel daran schuld ist, daß Sie hinter den Parteien die Massenorganisationen in gleicher Sache vergessen.
Sie vergessen die nach meiner Überzeugung einfach deswegen mit Absicht, weil an diesen Vermögen von FDGB und ähnlichem politische Freunde von Ihnen in Zukunft zu partizipieren hoffen. Deswegen haben Sie hier nicht davon gesprochen.
Meine Damen und Herren, in der letzten Haushaltsdebatte der laufenden Wahlperiode berät der Deutsche Bundestag heute über den Dritten Nachtrag zum Haushalt 1990, der im wesentlichen haushaltsmäßige Einbeziehung des Beitritts der früheren DDR beinhaltet. Das jetzt veranschlagte Gesamtvolumen des Haushalts beträgt 396 Milliarden DM Ausgaben, von denen nach der Voraussetzung ca. 329 Milliarden durch Einnahmen gedeckt sind, so daß eine Nettokreditaufnahme von rund 67 Milliarden DM für das laufende Jahr konzipiert werden muß. Der Haushaltsausschuß hat unter fast unglaublichem Zeitdruck verhandeln müssen. Konnte das Kabinett seinen Entwurf erst nach dem 3. Oktober verabschieden, weil erst nach der Vereinigung die gesamtstaatliche Verantwortung gegeben war, so blieben dem Ausschuß für seine Beratungen nach der ersten Lesung vom 5. Oktober nur knapp drei Wochen. Deshalb haben wir die Regierungsvorlage diesmal im wesentlichen unverändert passieren lassen.Wir haben eine globale Entscheidung in Sachen Personal getroffen, die ich hier gern darstellen möchte. Zusätzlich zu den neuen Stellen aus dem früheren DDR-Haushalt waren im Bereich der Bundesverwaltung rund 10 000 neue Stellen eingerichtet worden, und zwar mit der Begründung der zusätzlichen neuen Aufgaben.Die „Wirtschaftswoche" hat sich hierzu in der vergangenen Woche in einem Artikel sehr kritisch geäußert. Die Mehrheit des Ausschusses hat mit den Stirnmen der FDP 10 % dieser Stellen wieder gestrichen,
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Dr. Weng
und sie hat alle übrigen für eine nochmalige detaillierte Überprüfung im kommenden Jahr mit einem Sondervermerk versehen. Ich meine, hier muß gesagt werden, daß gerade unsere leistungsfähige Verwaltung einen wesentlichen Teil an der wirtschaftlichen Wohlfahrt in unserem Land trägt. Aber sie trägt ihn auch deshalb, weil sie nicht überbesetzt ist. Auch die starke Zurückhaltung der Koalition in all den vergangenen Jahren bei der Einrichtung neuer Stellen im öffentlichen Dienst hat einen wichtigen Beitrag zu dieser positiven Entwicklung geleistet.
Das krasse Gegenteil, nämlich eine Überbesetzung der Verwaltung, hat ganz wesentlich zum Zusammenbruch der früheren DDR beigetragen. Dies muß uns warnend vor Augen stehen. In diesem Bereich darf es kein Umsteuern in mehr Bürokratisierung geben.Die FDP-Fraktion im Deutschen Bundestag hat mit ihrer Haushaltspolitik der vergangenen Jahre eine wirtschaftliche Entwicklung flankiert und gefördert, die durch wenige Schlagworte beleuchtet werden kann: Acht Jahre ist es wirtschaftlich ununterbrochen aufwärtsgegangen. Das ist die längste Periode eines solchen Aufschwungs, die es in unserem Land je gegeben hat. Eine Jahr für Jahr deutliche Erhöhung der Zahl der Arbeitsplätze — allein mehr als eine halbe Million zusätzlicher Arbeitsplätze sind in den letzten zwölf Monaten hinzugekommen — , ein drastischer Abbau von Jugendarbeitslosigkeit und Kurzarbeit und der höchste Stand der Erwerbstätigen, den es je gab, sind zu verzeichnen. Schon die Tatsache, daß die Arbeitslosigkeit, die nach 1982 über lange Zeit der Hauptangriffspunkt für die Opposition war, in unseren Debatten keine Rolle mehr spielt, zeigt, wie sehr sich die Situation hier gebessert hat. Ich sage das, ohne die noch vorhandenen Probleme zu übersehen. Diese deutlichen Erfolge stelle ich hier auch deswegen dar, weil die FDP auf ihren Anteil daran natürlich stolz ist.
Die Beurteilung der Lage der deutschen Wirtschaft durch die wirtschaftswissenschaftlichen Forschungsinstitute in der vergangenen Woche bestätigt die Richtigkeit dieser unserer Politik. Die Prognose ist unter Berücksichtigung der einmaligen Sondersituation nach Herstellung der deutschen Einheit ausdrücklich positiv zu werten.Allerdings macht die sehr unterschiedliche Entwicklung zwischen der früheren Bundesrepublik und der früheren DDR deutlich, wo schwerpunktmäßig in den nächsten Jahren angesetzt werden muß: Es muß zu einer massiven Umlenkung auch der öffentlichen Investitionen in die Infrastruktur der neuen Bundesländer kommen,
wenn der dortige Aufschwung die erforderliche Dynamik bekommen soll. Es darf nicht sein, daß ein wichtiger Teil unseres Landes über lange Zeit gar das Armenhaus würde. Es ist unsere wesentliche Aufgabe für die nähere Zukunft, hier den notwendigen Beitrag zu Veränderungen zu leisten.Zu einem sehr frühen Zeitpunkt hat der Bundeskanzler darauf hingewiesen, daß vielleicht der eine oder andere Wunsch im Westen, daß die eine oder andere Umgehungsstraße nicht so schnell, wie geplant, verwirklicht werden könnten.Ich sage in Einschätzung der Finanzverteilung und des Steueraufkommens von Ländern und Gemeinden: Das Jammern dieser Gebietskörperschaften ist absolut unbegründet. Priorität kann nicht die Vielzahl des Wünschenswerten im Westen haben: das weitere Hallenbad, das weitere Stadtmuseum, das weitere Kulturhaus. Priorität hat der Ausbau der Verkehrswege, der Telekommunikation, der Versorgung, besonders der Entsorgung unter dem Stichwort „Umweltschutz" in den neuen, östlichen Bundesländern.
Da ich nicht glaube, daß Länder und Gemeinden freiwillig zur Kasse treten — die gestrigen Äußerungen des niedersächsischen Ministerpräsidenten Schröder sind hier ein deutliches Signal —, wird die Mehrheit im neuen Deutschen Bundestag in harte Auseinandersetzungen wegen der künftigen Finanzverteilung eintreten müssen.Wenn ich mich daran erinnere, wer alles heftig applaudiert hat, als Bundespräsident von Weizsäcker in Berlin davon sprach, daß wir teilen lernen müßten, dann sehe ich schon jetzt an vielen Stellen den Unterschied zwischen solcher Zustimmung und dem tatsächlichen Handeln.
Schröder von der SPD: Wir Länder geben nichts. — Frau Wulf-Mathies von der ÖTV: Im öffentlichen Dienst unbestreitbarer Nachholbedarf. — Der Reichsbund nach heutiger Nachrichtenlage: Der Überschuß in der Rentenversicherung darf unter keinen Umständen für die Rentner in den neuen Bundesländern Verwendung finden.Das sind alles Dinge, die in Angriff genommen werden und gelöst werden müssen. Ich habe hier keine fertigen Konzepte, aber diese Schlagworte für die nächste Wahlperiode zeichnen vor, daß mit dem Hinweis auf sogenannte „soziale Gerechtigkeit", auf „Besitzstandswahrung", auf „keine Sonderopfer" die Begründung dafür gegeben werden wird, bestimmte Gruppeninteressen massiv zu vertreten.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Wieczorek?
Ich gestatte nur diese eine Zwischenfrage; denn ich möchte natürlich gern im Zusammenhang reden. Bitte schön, Herr Kollege.
Herr Kollege Weng, wenn Sie hier den Bundespräsidenten zitieren, dann frage ich Sie: Warum haben Sie denn bei den Nachtragshaushaltsberatungen nicht die Gelegenheit wahrgenommen, über Umschichtungen im Haushalt Einsparungen an den Stellen vorzunehmen, wo Sie es
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Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 231. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Oktober 1990 18299
Wieczorek
für richtig halten, wenn Sie schon unseren Vorschlägen nicht gefolgt sind?
Herr Kollege, ich habe vorhin deutlich gemacht, daß allein auf Grund der Kürze der Beratungszeit nicht die Möglichkeit gegeben war, ins Detail so einzusteigen, wie es wünschenswert gewesen wäre.
Aber eines kommt wesentlich hinzu, was Sie natürlich nicht öffentlich darstellen: Das Haushaltsjahr ist ja überwiegend abgelaufen, d. h. Umschichtungen im laufenden Haushaltsjahr sind in dieser Weise gar nicht mehr möglich, weil wir mit dem Ende dieses Jahres in ein neues Haushaltsjahr eintreten. Ich habe schon bei der ersten Lesung darauf hingewiesen, daß die vorläufige Haushaltsführung zu Beginn des Jahres für die Bundesregierung eine hohe Verantwortung bedeutet. Wir werden uns zu Beginn des nächsten Jahres — besonders bei der Haushaltsberatung 1991 — ganz intensiv über solche Fragen der Umschichtung, aber auch der Finanzverteilung unterhalten müssen.
Meine Damen und Herren, ich bin gespannt auf die Diskussion zu den Eckwerten, die wir in den kommenden Tagen noch bekommen werden. Der Herr Finanzminister hat ja diese Eckwerte für die nächste Zeit angekündigt. Ich meine, Sie müssen verdeutlichen, daß die durch die Sondersituation der Wiedervereinigung begründete Verschuldungspolitik schnellstens wieder einer Haushaltssanierungspolitik weicht. Der wachsende Schuldenberg und die hieraus resultierende wachsende Zinsbelastung des Bundeshaushalts werden bedrohlich, wenn nicht umgesteuert wird. Die Deutsche Bundesbank, weiterhin für eine vorbildliche Stabilität der Deutschen Mark verantwortlich, müßte ohne konsequente Haushaltsdisziplin mit restriktiver Geld- und Zinspolitik antworten, was für die Gesamtentwicklung der Volkswirtschaft bedenklich wäre.
Die Kapitalmärkte sind keine normalen Einnahmequellen, sind keine Selbstbedienungsläden der öffentlichen Hände. Kreditaufnahmen sind Verpflichtungen für die Zukunft. Sie müssen in Grenzen gehalten werden.
— Es hört sich nicht nur gut an, es ist auch gut, Herr Kollege Walther.
Meine Damen und Herren, die Funktion des Finanzministers wird in der kommenden Wahlperiode außerordentlich unbequem sein. Ich sage auch in Kenntnis all der Notwendigkeiten, die ich hier zum Teil dargestellt habe, einerseits und in Kenntnis der Wahlversprechen, die natürlich vor der Bundestagswahl insbesondere von den jeweiligen Spitzenpolitikern am laufenden Meter verteilt werden, andererseits:
Die Mitgliedschaft im Haushaltsausschuß wird ebenfalls keine vergnügliche Veranstaltung werden. Aber das ist unsere Tätigkeit ja auch seither nicht.
Ich möchte diese letzte Haushaltsdebatte des 11. Deutschen Bundestags deshalb von meiner Seite aus mit Dank für die gemeinsame Arbeit beschließen: Mein Dank gilt dem Vorsitzenden des Ausschusses, Rudi Walther, für seine Arbeit, für eine exzellente Aufgabenerfüllung.
Mein Dank gilt den Kollegen aller Fraktionen, insbesondere natürlich meiner Mitstreiterin Ursula Seiler-Albring und meinem Mitstreiter Werner Zywietz für die hervorragende Zusammenarbeit zur Erreichung des gemeinsamen Zieles:
Wir haben die von der FDP geforderte konsequent sparsame Haushaltspolitik parlamentarisch umgesetzt und damit unseren Beitrag zum Erfolg von Koalition und Regierung geleistet.
Die FDP-Fraktion stimmt dem dritten Nachtrag und damit dem ersten gesamtdeutschen Haushalt in der Ausschußfassung heute hier in der abschließenden Lesung zu.
Ich danke Ihnen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Steinitz.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bereits in der ersten Beratung des dritten Nachtragshaushalts wiesen Vertreter aller Oppositionsparteien auf große inhaltliche Defizite und offensichtliche Ungleichgewichte hin. Daran hat sich mit dem jetzt vorgelegten Gesetzentwurf nichts Wesentliches geändert. Das ist auch der Grund dafür, daß wir diesem Nachtragshaushalt nicht zustimmen können. Das gilt vor allem hinsichtlich der unbefriedigenden finanziellen Lösungsansätze für die ökonomischen und sozialen Probleme der ostdeutschen Länder.Dabei geht es nach unserer Meinung nicht nur um finanzpolitische Probleme, sondern sehr stark auch um wirtschafts- und sozialpolitische Fragen. Und es geht nicht nur um die letzten Monate dieses Jahres, sondern auch um die Weichenstellung für die Haushalte der Folgejahre.Jede Million, die für die Stärkung der Wirtschaft heute sinnvoll eingesetzt wird, kann das Mehrfache an Haushaltsmitteln der Folgejahre einsparen. Umgekehrt gilt jedoch ebenso: Wenn heute und in nächster Zukunft die Chance verpaßt wird, den Investitions-und Produktionsstandort Ostdeutschland umzustrukturieren, zu modernisieren und damit zu erhalten, so
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Dr. Steinitzwerden sich daraus in Zukunft — neben verheerenden sozialen Auswirkungen — vor allem eine langandauernde Massenarbeitslosigkeit und ständig wachsende finanzielle Belastungen ergeben. Ostdeutschland darf nicht zum wirtschaftlichen und sozialen Notstandsgebiet der neuen Bundesrepublik werden.Die Bürger der ehemaligen DDR fordern keine Geschenke vom Bund und den Bundesländern. Unsere Gespräche mit ihnen, besonders in Vorbereitung der Landtagswahlen, zeigten: Sie wollen an den Veränderungen tatkräftig mitarbeiten. Für sie sind einfache, klare und verständliche Regelungen und Durchführungsbestimmungen zu dem riesigen Berg an neuen, komplizierten Gesetzesregelungen von großem Wert. Sie brauchen keine Vorhaltungen, nun endlich die Ärmel hochzukrempeln. Sie brauchen aber die Achtung ihrer Würde, auch die Stärkung ihres Selbstbewußtseins, um Kraft, Initiative und Elan für die Bewältigung der konfliktreichen Probleme der nächsten Zeit aufzubringen.Ich möchte zu einigen Problemen in diesem Zusammenhang sprechen.Als Abgeordnete der PDS halten wir ein langjähriges Struktur- und Beschäftigungsprogramm für die neuen deutschen Länder für unerläßlich. Eine aktive Struktur- und Beschäftigungspolitik für die fünf neuen Bundesländer und Berlin insgesamt, für die fünf Länder im einzelnen und insbesondere für die stark gefährdeten Regionen ist unumgänglich. Es geht vor allem darum, die Länder der ehemaligen DDR als Produktions- und Investitionsstandort zu erhalten und damit die Bedingungen für Beschäftigung, sozialen Fortschritt und auch für eine kulturelle Lebensweise zu verbessern.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Heuer? — Bitte schön, Herr Heuer.
Herr Abgeordneter, Sie haben soeben eine aktive Strukturpolitik gefordert, vor allem im Interesse der ehemaligen DDR. Nun wird das hier von der konservativen Seite dieses Hauses als planwirtschaftlich abgewertet. In dem Zusammenhang habe ich eine Frage an Sie.
Herr Minister Krause hat gestern im „Bonner Generalanzeiger" ein Interview gegeben und die harte Aufbauarbeit der nächsten Jahre folgendermaßen charakterisiert:
Man kann nicht mit nur marktwirtschaftlichen Methoden ... verformte Strukturen verändern.
Er sagte weiter:
Der japanische Erfolg liegt darin, die Marktwirtschaft mit ihren Instrumentarien und Methoden nicht ausschließlich einzusetzen. Übrigens wird das in der Bundesrepublik ähnlich gemacht. Es gibt auch hier viele Bereiche, die traditionell gewachsen sind und in denen planwirtschaftliche Elemente dominieren.
Das ist alles Herr Krause. Ich wollte wissen, wie Sie über dieses Plädoyer des Herrn Krause für planwirtschaftliche Elemente denken.
Ich habe das Interview zwar nicht gelesen, aber ich nehme an, daß es die inhaltlichen Auffassungen von Herrn Krause richtig wiedergibt. Da kann ich nur sagen: Einerseits staune ich, andererseits freue ich mich über den Erkenntnisprozeß, den Herr Krause durchgemacht hat, vielleicht auch in Auswertung der Erfahrungen, die er in den Verhandlungen über den Einigungsprozeß gesammelt hat. Also, diesen Feststellungen über eine notwendige Verbindung von beiden Elementen kann ich schon folgen, daß nämlich dieser komplizierte Übergangsprozeß von einer Kommandowirtschaft zu völlig neuen Bedingungen nur mit Marktkräften nicht gestaltet werden kann, sondern der Unterstützung, der sinnvollen Ergänzung, der Kombination von Marktkräften und demokratischen, staatlichen Regulierungsmaßnahmen bedarf.
— Das habe ich doch sehr deutlich gesagt, und Sie haben doch auch gehört, daß auch ein, wie ich annehme, führender CDU-Politiker zu dieser Erkenntnis gekommen ist. Ich habe doch gerade deutlich betont, daß wir nicht die alten Rezepte einführen wollen, sondern daß es um eine sinnvolle Kombination von marktwirtschaftlichen und anderen, staatlichen Regulierungsmaßnahmen geht.
— Ich habe doch nicht darüber gesprochen, ob wir eine Verantwortung haben. Auch wir haben unsere Schlußfolgerungen gezogen und werden versuchen, unseren Beitrag zu leisten. Bloß kann der Hinweis auf die 40 Jahre natürlich nicht heißen, daß man kein Recht mehr hat, zu den Problemen, die uns bewegen auch seinen Standpunkt darzustellen.
— Ja, gut, dabei sind wir, vielleicht sogar aktiver als andere in diesem Haus.
— Das ist ein bißchen sehr vereinfacht. Ich möchte Ihnen empfehlen, sich etwas sachlicher mit den Auseinandersetzungen zu beschäftigen, die tatsächlich erfolgen.
Es geht um wichtige Beiträge, die mit einer solchen Struktur- und Beschäftigungspolitik für eine stärker
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Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 231. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Oktober 1990 18301
Dr. Steinitzfortschrittsorientierte, sozial gerechte Arbeits- und Sozialordnung in Gesamtdeutschland zu leisten sind.
Herr Abgeordneter, der Herr Abgeordnete Krause möchte eine Zwischenfrage stellen. Gestatten Sie sie?
Das muß ich ja. Bitte, gerne.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Stimmen Sie mir zu, daß wir im Vertrag zur Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion, gegen den Sie ja gestimmt haben, unter dem Kürzel Vertrauensschutz bewußt Elemente für die DDR ausgehandelt haben, die einen Weg zulassen, bestimmte Produktpaletten noch für eine bestimmte Zeit in ehemalige sozialistische Länder zu exportieren, und könnten Sie sich vorstellen, daß ich genau dieses Element des Vertrages zur Währungs- und Wirtschaftsunion in diesem Interview gemeint habe? Für mich bleibt die Frage offen, warum Sie dann seinerzeit gegen die Währungsunion gestimmt haben.
Herr Krause, es dürfte doch für Sie nicht überraschend sein, daß es in einem umfangreichen Vertrag wichtige Elemente gibt, denen man zustimmt, und andere, mit denen man nicht einverstanden sein kann. Das ist doch häufig der Fall. Ich nehme doch an, daß Vertreter der SPD und andere
— vielleicht kann ich den Satz noch zu Ende reden —, die gegen den Haushalt gesprochen haben, viele seiner Elemente auch unterstützen. So wird es bei vielen Dingen sein. Natürlich bin ich dafür, daß dieser Vertrauensschutz, die Exportförderung in die UdSSR und andere osteuropäische Länder, unserer Unterstützung bedarf. Das ist eines der positiven Elemente dieses Staatsvertrages, das ich auch unterstütze.
Wollen Sie noch eine weitere Zwischenfrage beantworten? — Bitte schön, Herr Krause.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Können Sie mir auch darin folgen, daß ich weniger dazuzulernen hatte als Vertreter Ihrer Fraktion?
Vielleicht ging der Lernprozeß in etwas unterschiedliche Richtungen. Dem würde ich zustimmen. Dazuzulernen hatten wir alle. Auch unsere Fraktion, auch ich persönlich haben viel dazuzulernen gehabt und haben noch viel dazuzulernen.
Allerdings ist es sehr fraglich, ob diese Aufgaben mit der jetzigen Regierungskoalition zu lösen sind. Hierfür sind unseres Erachtens auch wichtige gesellschaftliche und politische Veränderungen im Kräfteverhältnis notwendig, um wirksame Maßnahmen durchzuführen, die die wirtschaftliche Talfahrt der Länder in der ehemaligen DDR verhindern und aufhalten.Ich möchte hier nur einige Zahlen in Erinnerung rufen. Im ersten Quartal betrug der Rückgang der Produktion 4 % , im zweiten Quartal 16 %, im ersten Monat nach Einführung der Währungsunion 42 % und im August 50 %. Das heißt, es besteht kein Grund, davon zu sprechen, daß die Wende schon vollzogen sei. Es ist aller Grund vorhanden, alle Kräfte einzusetzen, um diese negative Entwicklung aufzuhalten; denn ohne sie aufzuhalten, wird die Massenarbeitslosigkeit weiter zunehmen.
Ich möchte einige Worte zitieren, die ich in der letzten Zeit gelesen habe:Die westdeutschen Unternehmer nutzen den Einigungsprozeß in erster Linie, um zusätzliche Geschäfte zu machen. Ein direkter Vergleich zwischen den Gewinnen, die aus dem ostdeutschen Markt herausgeholt werden, und den Investitionen muß die Unternehmer schamrot werden lassen.Das ist ein Zitat des DGB-Vorsitzenden, Herrn Meyer.
Wir halten Sofortmaßnahmen für notwendig, um die in den letzten Monaten praktizierte Untergrabung und Zerstörung der Existenz auch lebens- und sanierungsfähiger Betriebe im östlichen Teil Deutschlands durch eine gnadenlose Konkurrenz, auf die sich die Betriebe nicht genügend vorbereiten konnten, zu verhindern.
— Nein, das sind sie nicht; diese sind größtenteils ausgetreten. Das brauchen Sie sich bloß einmal anzusehen. Das sind ganz andere.
Hierzu gehört unseres Erachtens auch die Unterstützung der Produktion konkurrenzfähiger Waren und Leistungen durch die raschere und großzügigere Streichung von Altschulden, die nicht von ihnen verantwortet wurden — übereinstimmend ist hier auch die Einschätzung westdeutscher Wirtschaftsforschungsinstitute — bzw. durch mehrjährige Schuldenmoratorien, um auf der Grundlage von Sanierungsprogrammen die zukünftige Entwicklungsperspektive zu bestimmen.Die Treuhandanstalt muß dabei weit aktiver werden. Es muß auch endlich gesichert werden, daß die im Staatsvertrag festgelegte Priorität bei der Nutzung der Privatisierungserlöse, eben nicht eine Gleichberechtigung, wie es gestern vom Vertreter der Regierung gesagt wurde, der zur Treuhandanstalt gesprochen hat, zwischen Modernisierung und Sanierung der Betriebe und Sanierung finanzieller Mittel bedeutet, sondern als eine eindeutige Priorität der Moderni-
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18302 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 231. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Oktober 1990
Dr. Steinitzsierung der Betriebe festgelegt wurde und auch so umgesetzt wird. Die Wirklichkeit ist genau umgekehrt. Es wurden bisher kaum Mittel für die Modernisierung eingesetzt, und damit wurde dieser Sanierungsprozeß erschwert. Hier stehen die bisherige Praxis und auch die Vorausschau für 1991 in einem eklatanten Widerspruch zu diesen Forderungen.Wir halten es für notwendig zu verhindern, daß die Verteilung der Einkommen in den westlichen Bundesländern, die bereits in den 80er Jahren zugunsten der Kapitalseite verschoben wurde, weiter verschlechtert wird. Eben gerade im Zusammenhang mit dieser Entwicklung in Ostdeutschland dürfen nicht Bedingungen eintreten, die die kommenden tariflichen Auseinandersetzungen wesentlich erschweren und bisherige soziale Leistungen gefährden. Denn eines, glaube ich, ist jedem auch auf Grund der bisherigen Erfahrungen deutlich geworden. Die wirtschaftliche Verschlechterung der Situation — ich nenne z. B. Massenarbeitslosigkeit — in Ostdeutschland ist nicht ohne Wirkungen auf die westdeutschen Gebiete und wirkt sich auch negativ auf die finanziellen Belastungen aus. Denn es müssen zunehmend Mittel „eingeführt" werden, die nicht zur Sanierung der eigenen Volkswirtschaft genutzt werden.Längerfristig wirkt sich ein andauernder Krisenzustand in den ostdeutschen Länder negativ auf alle wichtigen Komponenten der wirtschaftlichen Stabilität des gesamten Bundesgebietes und damit auch auf die Haushaltsbedingungen aus.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage des Abgeordneten Graf Lambsdorff?
Ich darf Sie fragen, ob Sie kein Zitat gefunden haben oder kein Zitat anführen wollen, das sich mit der Forderung beschäftigt, die alten SED-Seilschaften aus den Betrieben und Kombinaten zu feuern.
Ich glaube, dazu gibt es genug Zitate. Da Sie diese ständig bringen, wird es ja nicht unbedingt meine Aufgabe sein, Ihren Zitatenschatz um einige neue, weitere Zitate zu ergänzen.Zu einem weiteren Problem, zu den Regelungen bezüglich des Finanzausgleichs mit den ostdeutschen Ländern und Kommunen. Wir sind der Meinung, daß die bisher vorgesehenen Regelungen im Einigungsvertrag unzureichend sind und nicht die Basis zur Sicherung einer ökonomisch selbständigen Entwicklung in den ostdeutschen Ländern, speziell in den Kommunen, geben. So erhielten die Bezirke und Kommunen aus dem Staatshaushalt der ehemaligen DDR für das zweite Halbjahr 1990 zwar Zuweisungen in Höhe von insgesamt rund 19 Milliarden DM, die sich mit dem vorliegenden Nachtragshaushalt noch einmal um 3 Milliarden DM erhöhen; davon sind jedoch 16 Milliarden DM für die laufenden personellen und sachlichen Ausgaben vorgesehen, so daß nur wenige Mittel für zusätzliche notwendige Infrastrukturmaßnahmen vorhanden sind, die nicht ausreichen, um die dringendsten, auch für die Zukunft notwendigen Projekte der Wohnungssanierung, des Straßenbaus, der Wasserwirtschaft und des Gesundheitswesens zu finanzieren.Vom Städtetag wird der jährliche Finanzbedarf der ostdeutschen Länder auf 100 Milliarden DM geschätzt. Wenn hiervon und von den voraussichtlichen Haushaltseinnahmen der Länder im Jahre 1991 ausgegangen wird, so werden im nächsten Jahr fast 50 % dieses Finanzbedarfs der ostdeutschen Länder durch Kredite gedeckt werden müssen. Die Finanzierung dieses Defizits durch Kredite — ich glaube, das ist jedem klar — ist eine absolute Fiktion.Nach Berechnungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung wird sich für die Kommunen der fünf neuen Bundesländer aus der höheren Kreditbelastung eine etwa viermal so hohe Verschuldungsquote wie bei den Kommunen auf dem bisherigen Bundesgebiet ergeben. Bei einer kaum vorhandenen eigenen ökonomischen Basis und den damit verbundenen ge- ringen finanziellen Einnahmen befürchten viele Kommunen, daß sie sich völlig verschulden. Gerade aus diesem Grunde treten auch große Verzögerungen bei der Nutzung dieser Kredite auf, ausgehend von der komplizierten ökonomischen Situation, in der sie sich befinden.Wir stellen den Antrag, die im Einigungsvertrag getroffenen, unseres Erachtens unzureichenden und auch dem Gleichheitsprinzip widersprechenden Regelungen für die Finanzausstattung der Länder und Kommunen Ostdeutschlands durch Beschluß des Bundestages in folgender Weise zu ändern:Erstens. In den gesamtdeutschen Länderfinanzausgleich gemäß Art. 107 des Grundgesetzes dürfen die ostdeutschen Länder nicht erst ab 1995, sondern müssen bereits ab 1991 einbezogen werden.Zweitens. Die Regelung des Einigungsvertrags, wonach die ostdeutschen Länder nur 55 % des ihnen normalerweise zustehenden Anteils an Umsatzsteuern und erst nach 1995 100 % erhalten, müßte korrigiert werden. Diese Regelung müßte geändert werden, indem eine rasche, kurzfristige Erhöhung dieses Anteils entsprechend den Regelungen, die für westdeutsche Bundesländer gelten, vorgenommen wird.Drittens. Die Anteile der Kommunen an den Steuereinnahmen der Länder sind erheblich über der im Einigungsvertrag vereinbarten Mindestquote von 20 % festzulegen, damit die Kommunen langfristig mit höheren Einnahmen und entsprechenden Ausgaben, vor allem für Infrastrukturmaßnahmen, rechnen können.Als Sofortmaßnahme sollten für den Zeitraum von mindestens zwei Jahren alle Steuereinnahmen auf dem Gebiet der ehemaligen DDR den ostdeutschen Ländern überlassen werden. Schließlich sollten zur Verwirklichung des vorliegenden Antrages die notwendigen Steuermindereinnahmen, die sich ergeben, ausgeglichen werden, u. a. durch Steuermehreinnahmen, die auf erhöhtem Wirtschaftswachstum — vor allem in den westdeutschen Bundesländern — beruhen, durch Haushaltseinsparungen und durch Einsparungen des Verteidigungshaushalts.Auf sozialpolitischem Gebiet geht es unseres Erachtens im Kern nicht um höhere finanzielle Mittel,
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Dr. Steinitzsondern vor allem um eine bessere Verteilung und einen wirksameren Einsatz dieser Mittel. Die Haushalts- und Sozialpolitik des letzten halben Jahres muß — ich spreche hier natürlich vorwiegend für das ehemalige DDR-Gebiet — in mehrfacher Beziehung leider als fehlgerichtet charakterisiert werden.Auf zwei Komplexe will ich etwas näher eingehen, zuerst zur Arbeitslosigkeit. Meines Erachtens besteht kein Grund dafür — wie der Vorredner sagte — , daß diese Probleme in den Debatten des Bundestages eine geringere Rolle einnehmen. Für die finanzielle Absicherung der Arbeitslosen war im Juli für die ostdeutschen Länder eine Anschubfinanzierung von 2 Milliarden DM vorgesehen. Inzwischen wird es für notwendig gehalten, den Bundeszuschuß für 1990 auf rund 7,5 Milliarden DM aufzustocken. Das ist die finanzielle Konsequenz aus dem katastrophalen Zuwachs der Arbeitslosigkeit.Wir müssen auch hier sagen, daß die negativsten Einschätzungen, die Anfang dieses Jahres von den sogenannten Schwarzsehern bezüglich der Arbeitslosigkeit geäußert wurden, leider übertroffen worden sind. Die Arbeitslosigkeit ist auf dem Gebiet der ehemaligen DDR besonders von Juli bis September sprunghaft angestiegen. Die Anzahl der Arbeitslosen erhöhte sich in den letzten drei Monaten auf das Dreifache und beträgt gegenwärtig 450 000. Die Kurzarbeiter wurden im Juli nicht erfaßt; im September waren es 1,8 Millionen. Die Bezeichnung „Kurzarbeit" ist dabei irreführend; der überwiegende Teil der Kurzarbeiter in Ostdeutschland arbeitet null Stunden, ist de facto arbeitslos.In dem Gutachten der Wirtschaftsforschungsinstitute, das unlängst vorgelegt wurde, werden für 1991 Arbeitslosigkeit und Kurzarbeit in Gesamtdeutschland in Höhe von mehr als 5 Millionen vorausgesagt.Meine Damen und Herren, ist es nicht verhängnisvoll, wenn ein neuer Staat, das vereinigte Deutschland, seine Existenz von Beginn an auf einer Massenarbeitslosigkeit gründet und das erste Jahr seiner Entwicklung — das wäre Mitte 1991 — voraussichtlich mit einer alarmierenden Höhe der Arbeitslosigkeit abschließt? Mehr als 5 Millionen Arbeitslose bedeutet — wenn wir die betroffenen Familienangehörigen einbeziehen — , daß fast jeder vierte Bürger direkt oder indirekt von Arbeitslosigkeit betroffen sein wird.
Es geht um ein Grundrecht der Bürger. Ohne Arbeit oder bei ständiger Erwartung eines Arbeitsplatzverlustes kann es keine Selbstverwirklichung des Menschen geben und wird es auch zu einer zunehmenden Gefährdung sozialer Leistungen kommen.
Für besonders problematisch halte ich die Perspektivlosigkeit, mit der wir hier konfrontiert sind. Wie wird es weitergehen? Wann und wie kann die hohe Arbeitslosigkeit abgebaut werden? Besteht das Ziel der Regierungskoalition überhaupt darin, Vollbeschäftigung oder zumindest eine wesentliche Verringerung der Arbeitslosigkeit zu erreichen?
Mit den gegenwärtigen struktur- und beschäftigungspolitischen Vorstellungen und Konzepten wird dieses Ziel auf keinen Fall erreichbar sein.
Herr Abgeordneter, der Herr Abgeordnete Wüppesahl möchte Ihnen eine Zwischenfrage stellen. Lassen Sie das zu?
Bitte.
Bitte schön.
Danke, Herr Kollege. Angesichts Ihrer Ausführungen erinnerte ich mich des nicht gänzlich uninteressanten Dialoges zwischen Herrn Krause und Ihnen über die Fragestellung, weshalb die Abgeordneten der PDS zu den wenigen gehörten, die dem ersten Staatsvertrag ihre Zustimmung versagten. Deshalb folgende Frage: Kann dieses Nein auch damit etwas zu tun gehabt haben, daß in dem ersten Staatsvertrag, obwohl er mit „Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion" überschrieben war, zu den gesamten sozialen Konfliktfeldern, die Sie gerade zu einem Teil dargestellt haben — also Kinder, alte Menschen, kranke Menschen und Frauen — , keine zutreffenden Regelungen enthalten waren, die die Überschrift „Sozialunion" gerechtfertigt hätten, und daß bereits zu dem damaligen Zeitpunkt für klar und nüchtern analysierende Köpfe deutlich war, daß es zu solchen Zahlen, die Sie gerade geschildert haben, kommen mußte?
Es war schon einer der Hauptgründe für unser Verhalten, daß eigentlich nur von Wirtschafts- und Währungsunion gesprochen werden konnte und die Sozialunion immer mehr zurückgedrängt wurde. Aber ich möchte nach wie vor hervorheben: Wir verstehen uns nicht als eine Partei, die nur soziale Forderungen stellt. Deswegen habe ich an die Spitze unseres Standpunktes hierzu die Aussage gestellt: Die wirtschaftliche Gesundung ist die Voraussetzung für die soziale Leistungsfähigkeit und für die Erfüllung dieser sozialen Aufgabe.Wir wollen keine Geschenke. Wir wollen Unterstützung für eine wirtschaftliche Stabilisierung, um zunehmend gemeinsam diese Aufgaben lösen zu können. Dabei halten wir es doch für richtig, daß eine Vielzahl sozialer Leistungen vorhanden waren, die im Einigungsvertrag genutzt werden sollten. Es war einer unserer Kritikpunkte, daß Kündigungsschutz, die sozialen Leistungen für Frauen, Alleinstehende und kinderreiche Familien und vieles andere nicht übernommen wurden.Meine Damen und Herren, wenn wir die Fragen der Beziehung zwischen wirtschaftlicher Stabilisierung, Arbeitslosigkeit und Haushalt betrachten, so schließt sich hier der Kreislauf: Ohne wirtschaftliche Stabilisierung und Abbau der Arbeitslosigkeit werden auch
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18304 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 231. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Oktober 1990
Dr. Steinitzdie Haushaltsprobleme nicht stabil gelöst werden können.1 Million Arbeitslose bedeuten, auf ein Jahr umgerechnet, 25 Milliarden DM Mehrausgaben, direkte Ausgaben und Einnahmenausfall, auf vier Jahre umgerechnet, 100 Milliarden DM. Wenn diese 100 Milliarden DM für sinnvolle Investitionsmaßnahmen, für Infrastruktur eingesetzt werden würden, wäre es möglich, auch marktkonforme Wege zu gehen, um die Arbeitslosigkeit abzubauen und den Staatshaushalt auf diese Weise auf eine stabilere Grundlage zu stellen. Die anzustrebende Hauptrichtung für den Einsatz der Mittel müßte deshalb sein, nicht Arbeitslosigkeit, sondern die Arbeitsbeschaffung zu finanzieren.Unter diesen Bedingungen sind aus unserer Sicht vor allem zwei Prämissen für die Haushaltspolitik notwendig, erstens: die Verteilung der Fördermittel unter konsequent beschäftigungspolitischen Gesichtspunkten. In dieser Hinsicht sollten unseres Erachtens die Kriterien der Wirtschaftsförderung bedeutend strenger gefaßt werden. Wir sind weder für ein Niedrigsteuergebiet noch für eine globale, undifferenzierte Investitionsförderung. Wir würden es für richtig halten, die Frage aufzuwerfen und zu prüfen: Investitionsförderungen und auch Steuerbegünstigungen sollten dann gewährt werden, wenn wirklich neue Arbeitsplätze geschaffen werden. Die enge Koppelung von Investitionsförderung und Steuerbegünstigung mit der Schaffung von Arbeitsplätzen sollte als eine notwendige Besonderheit des ehemaligen DDRTerritoriums zumindest für die nächsten drei bis vier Jahre vorgesehen werden.Das zweite ist die enge Verknüpfung der Tätigkeit der Bundesanstalt für Arbeit und der Arbeitsämter mit den Trägern der Wirtschaftsförderung. Diese beiden Aufgaben eng miteinander zu verflechten, sehen wir als eine Bedingung an.Abschließend möchte ich noch hervorheben, daß es unseres Erachtens notwendig ist, eine Reihe von Fragen, die in der Vorbereitung des Haushalts 1991 stehen — vor allem die voraussichtliche Steuerentwicklung — , in den nächsten Monaten zu bestimmen und auch den Einsatz der Maßnahmen für eine solche wirtschaftliche und soziale Gesundung.Danke schön.
Das Wort hat der Bundesminister der Finanzen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es grenzt schon an Zynismus, wenn man sich das anhören muß, was der Kollege Dr. Steinitz eben uns gegenüber an Vorwürfen gemeint hat anbringen zu sollen.
Wer selber eine solche Hinterlassenschaft übergibt, wer ein Land so verkommen ließ, wer die Menschen vier Jahrzehnte in dieser Knechtschaft hielt, wer solche Altlasten überbringt, der hat kein Recht, irgendjemandem hier in diesem Hause und politisch Verantwortlichen irgendeinen Vorwurf zu machen.
Wenn Sie von Arbeitslosigkeit reden, Herr Dr. Steinitz, dann sollten Sie über die verdeckte, die versteckte Arbeitslosigkeit sprechen, die in dem System vorher geherrscht hat, die noch viel höher war, als wir es früher von den wissenschaftlichen Instituten wußten.
Sie sprechen von Perspektivlosigkeit. Wir verkennen nicht die großen Anpassungsprobleme, vor denen die Menschen heute stehen. Aber vor einem Jahr oder vor eineinhalb Jahren standen sie vor dem Chaos ohne Perspektive. Heute gibt es Anpassungsprobleme mit Perspektive. Das ist die große Wende, und das ist der Unterschied, dem die Menschen heute gegenüberstehen.
Wenn Sie von der mangelnden Ausformung der Sozialunion sprechen, dann sollten Sie immerhin bedenken: Fast die Hälfte dieses Nachtragshaushaltes ist Sozialpolitik, ist Hilfe zur Sozialpolitik und betrifft unseren Beitrag zur Sozialunion.Über Verschuldung und Altlasten, über alle Dinge, die noch vor uns stehen, können wir heute noch gar keine umfassende Bilanz ziehen. Sie täten gut daran, sich hier zunächst an sich selbst und an Ihre Hinterlassenschaft zu machen, bevor Sie irgendwelche Forderungen oder Vorwürfe erheben.Beim Kollegen Kühbacher — ich sehe ihn im Moment nicht — möchte ich mich für die Genesungswünsche bedanken, die er mir entgegengebracht hat. Ich möchte mich auch nochmals bedanken Herr Kollege Vogel, für die Fairneß, daß Sie mich bei der ersten Lesung damals früher haben gehen lassen. Auch das gibt es noch. Ich bedanke mich. Wir standen ja damals allesamt noch in Wahlkampfsituationen. Aber heute dann wegen Erkältung abzusagen, das wollte ich Ihnen nicht zumuten. Aber Sie müssen sich deswegen heute von mir eine etwas tiefere Stimme anhören.Übrigens wollte ich dem Kollegen Kühbacher sagen, daß er Lafontaine gut vertreten hat; denn der hätte es auch nicht besser gemacht.
— So war es auch gedacht. Es ist ein Doppellob, und nur so kann es auch verstanden werden.
Nun hat er mich den größten Schuldenmacher genannt.
Meine Damen und Herren, da frage ich mich natürlichschon, ob der Kollege Kühbacher und die meisten Kolleginnen und Kollegen der SPD überhaupt mitbekom-
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Bundesminister Dr. Waigelmen haben, daß in diesem Jahr die Wiedervereinigung stattgefunden hat.
Das ist doch ein Ereignis, an dem die meisten von Ihnen teilgenommen haben.
Ich meine, wenn wir die Finanzierungspriorität und auch die Inanspruchnahme des Kapitalmarktes auf die größte Herausforderung dieses Jahrhunderts richten, auf die sinnvollste Herausforderung dieses Jahrhunderts, dann ist das, was wir tun, berechtigt, notwendig, sogar geboten und befindet sich in Übereinstimmung mit allen wissenschaftlichen Forschungsinstituten und den wichtigsten Sachverständigen —
bis hin zu Professor Karl Schiller.
— Nein, die Bundesbank sieht das nicht anders. Die Bundesbank drängt mit vollem Recht auf eine sparsame Ausgabenpolitik. Das ist ihr gutes Recht; nur weiß die Bundesbank sehr genau, daß zu der Finanzpolitik, die wir anstreben und die wir verantwortlich gestalten, keine Alternative besteht.
Sie wissen, daß uns die Bundesbank unterstützt und daß auch alle öffentlichen Hände ihren Beitrag leisten müssen — dafür sind wir ihnen dankbar. Sie wissen, es hat noch nie ein so gutes Einvernehmen zwischen Bundesregierung und Bundesbank gegeben, wie es auch in schwieriger Zeit im letzten Jahr der Fall gewesen ist. Ich bleibe dabei: Wir haben allen Anlaß, der Bundesbank, ihrem Präsidenten, dem Direktorium und den anderen Gremien für die großartige, verantwortungsvolle Mitarbeit in diesem Jahr unsere Anerkennung und unseren Dank auszusprechen.
Nur, es ist schon merkwürdig: Heute wird man zur eisernen Sparsamkeit aufgefordert. Mir gellen noch die Rufe im Ohr, in denen von Kaputtsparen die Rede war. Das sind dieselben Personen, die noch heute dem Parlament angehören. War es denn Kaputtsparen, als wir den Staat und die Finanzen fit gemacht haben, um in den Jahren 1990 und 1991 die Wiedervereinigung zu finanzieren? Wenn wir damals Ihrer hemmungslosen Ausgabenpolitik gefrönt hätten, mit der Sie den Staat überfordert hätten, wären wir heute nicht in der Lage, diese Herausforderung zu bestehen.
Wir haben im Jahre 1989 mit 19 Milliarden DM Nettokreditaufnahme des Bundes und einem Überschuß aller öffentlichen Hände den besten Haushalt seit 1974 vorgelegt, meine Damen und Herren. Das beweist, daß wir die richtige Finanzpolitik — Konsolidierung einerseits, Senkung des Staatsanteils und der Steuerquote andererseits — betrieben haben. Das hat zu dieser Wettbewerbsfähigkeit geführt. Das hat auch dazu geführt, daß wir seit mehr als sieben Jahren eine gute, positive Konjunktur und damit auch die Chance haben, diese Herausforderung im nächsten Jahr konjunkturell und finanziell bestehen zu können.
Nun hatte sich Frau Kollegin Matthäus-Maier mit irgendeinem Abendmärchen gemeldet: Es war mit dem Schlafen und dem Decken ein Märchen zur Abendstunde. Normalerweise hört man das vom Gute-Nacht-Sandmännchen. Dies war also das GuteNacht-Sandmädchen. Sie können versichert sein, Frau Kollegin Matthäus-Maier, ich schlafe gut. Die meisten Menschen in Deutschland schlafen gut, weil sie keine Angst haben müssen, daß Lafontaine Kanzler und Sie Finanzministerin werden.
Ich bedanke mich auch für die Angriffe, die Sie immer wieder mir und auch der von uns vertretenen Finanzpolitik widmen. Das Ergebnis zeigt sich beim Politbarometer.Ein bißchen enttäuscht bin ich darüber, daß überhaupt keine Rücktrittsforderung kommt. Das hatte ich schon lange einmal erwartet. Ich werde aber nur kritisiert und nicht zum Rücktritt aufgefordert, obwohl ich jetzt schon anderthalb Jahre lang Finanzminister bin.
— Ich schließe mit Ihnen gerne Wetten ab, wer abgewählt wird. Sie haben ein Riesenglück, daß die Opposition, auch wenn sie nur 31 % bekommt, nicht abgewählt werden kann.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich noch eine Bemerkung zu dem machen, was Frau Kollegin Matthäus-Maier auf Grund der Urteile des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesfinanzhofs zu den Kinderfreibeträgen gesagt hat. Meine Meinung ist, daß wir in unserer steuerlichen Grundphilosophie eindeutig bestätigt worden sind — im Gegensatz zur SPD.
Wir sind der Meinung, daß die Berücksichtigung von Aufwendungen für den Kindesunterhalt nach dem Prinzip der Steuergerechtigkeit durch einen Abzug von der Steuerbemessungsgrundlage sichergestellt werden muß.
Nachdem die SPD in den 70er Jahren den Kinderfreibetrag ganz abgeschafft hatte, haben wir ihn entsprechend den finanzpolitischen Möglichkeiten bis 1990 wieder auf 3 024 DM pro Jahr angehoben. Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts werden wir den Familienlastenausgleich für die Jahre 1983 bis 1985 und darüber hinaus für die Folgejahre neu regeln. Dabei geht es zum einen um die Korrektur der
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18306 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 231. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Oktober 1990
Bundesminister Dr. Waigelnoch nicht bestandskräftigen Steuerbescheide. Zum anderen werden wir auch prüfen, ob eine Ausdehnung auf die übrigen Fälle vorgenommen werden sollte; denn es wäre in der Tat wohl nur schwer verständlich und schwer begreiflich zu machen, daß diejenigen, die keinen Einspruch eingelegt haben, schlechter behandelt werden als diejenigen, die Einspruch eingelegt haben.
Wir werden es jedoch nicht bei der Korrektur für die Vergangenheit belassen, sondern wir werden für eine dauerhaft tragfähige und verfassungsgemäße Regelung des Familienlastenausgleichs sorgen.Übrigens, Sie können hier nicht aus einem anderen Vorschlag von mir zitieren. Es gibt auch keinen entsprechenden Vorschlag, aber es gibt selbstverständlich Kostenmodelle: Was würde welche Alternative kosten? Ich halte das für das Normalste der Welt. Sie brauchen da gar keine Geheimniskrämerei zu machen, ob etwas in irgendeiner Vorlage stand oder nicht.Meine Damen und Herren, dieser dritte Nachtragshaushalt 1990 steht im Zeichen der deutschen Einheit. Durch die rechtzeitige Verabschiedung des Nachtragshaushalts werden die Voraussetzungen für die finanzielle, wirtschaftliche und soziale Integration unseres Vaterlandes geschaffen. Zugleich schlagen wir eine Brücke zur Haushalts- und Finanzpolitik des kommenden Jahres.Nun muß sich die SPD natürlich endlich einmal darüber klar werden, was sie will. Kommt diese Einheit zu schnell, wie es ihr Kanzlerkandidat sagt, oder kommt sie zu langsam, wie Frau Matthäus-Maier es gesagt hat? Wir wissen auch immer noch nicht, ob Ihnen die Aufwendungen für die Vereinigung zu hoch oder zu niedrig sind.
Auf der einen Seite fordern Sie die rasche Angleichung der Lebensverhältnisse. Das bedingt Mehrkosten. Nur, meine Damen und Herren, dann kann man auf der anderen Seite die Kosten und ihre Finanzierung nicht sofort wieder kritisieren.
Da paßt nichts zusammen, wenn man die Kosten der Einheit zum Wahlkampfschlager für den 2. Dezember 1990 machen will. Sie sind auch mit dieser Strategie gescheitert. Sie werden sehen: Kassandra wählt man nicht. Die Strategie der Verunsicherung und der Verängstigung der Menschen ist gescheitert.
Deswegen hat Ihr Kanzlerkandidat Lafontaine auchgewußt: In dieser Debatte ist für ihn nichts mehr zuholen. Deshalb hat er Ihnen, Frau Matthäus-Maier, die Redemöglichkeit verschafft.
Den Deutschen in Ost und West ist bewußt: Solidarität und gegenseitige Hilfe sind in einem Staat und in einer Nation selbstverständliche Verpflichtung. Genauso wie sich diese Solidarität in der Vergangenheit auf das Saarland, auf das krisengeschüttelte Ruhrgebiet oder die norddeutschen Küstenregionen erstreckt hat, gehören heute Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Thüringen und Sachsen zu unserer staatlichen Gemeinschaft. Künftig gibt es nur noch eine Wirtschafts- und Finanzpolitik, nur noch eine Sozialpolitik und nur noch das gemeinsame Ziel, das Beste für die Deutschen in allen Regionen zu tun. Wer das nicht akzeptieren will, stellt sich gegen die Einheit und gegen die Zukunft unserer Nation.
Diese Wiedervereinigung wächst auf gutem Boden. Wir haben in den letzten 40 Jahren die Idee eines geeinten Deutschlands nicht zum Lippenbekenntnis verkommen lassen. Wir haben auch über Deutschland gesprochen, als manche ein vereinigtes Deutschland zur Lebenslüge erklären wollten.
— Ich weiß, daß Ihnen das nicht gefällt. Nur, meine Damen und Herren, bei allem Respekt vor Ihrem Ehrenvorsitzenden, von dem ich fest überzeugt bin, daß er sich über die Einheit freut und gefreut hat, er muß sich schon vorhalten lassen, noch vor zwei Jahren gesagt zu haben, das sei eine Lebenslüge.
Dann kann man heute natürlich nicht sagen: Hier wächst zusammen, was zusammengehört. Entschuldigung, alles geht nicht.
Wir haben die Bundesrepublik Deutschland aus der lähmenden wirtschaftlichen Krise der 70er und der frühen 80er Jahre befreit und wieder in die Gruppe der führenden Industrienationen eingereiht.
Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Brück?
Bitte schön.
Herr Bundesminister, weil Sie von den Verdiensten zur deutschen Einheit gesprochen haben: Ist es richtig, daß der Bundeskanzler gesagt hat, dies wäre ohne KSZE nicht möglich gewesen?
Die KSZE hat ohne Zweifel gerade durch die Entwicklung in diesem Jahr einen wichtigen Beitrag dazu geleistet, und es ist uns durch die Zwei-plus-Vier-Gespräche
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Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 231. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Oktober 1990 18307
Bundesminister Dr. Waigelund das entsprechende Einbringen in die KSZE gelungen, für uns einen Prozeß zu ermöglichen, der besser war als andere Alternativen.
Herr Bundesminister, ist es richtig, daß die CDU/CSU damals dagegen gestimmt hat?
Können Sie sich daran erinnern, daß wir uns beim Korb III damals mehr vorgestellt haben, als herausgekommen ist,
und daß es die Aufgabe einer Opposition ist, auch in außenpolitischen Fragen für die eigene Nation noch mehr zu verlangen,
als die Regierung erreichen kann?
Nur haben wir damit im Gegensatz zu Ihnen der Regierung im Grunde sogar Spielraum gegeben, im internationalen Feld mehr erreichen zu können.
Meine Damen und Herren, wir haben — das wird niemand bestreiten können — die öffentlichen Haushalte saniert und die Steuerbelastung gesenkt. Was hätten wir in der Vorbereitung auf die jetzt anstehenden Finanzierungsaufgaben mehr tun können, als im letzten Jahr die Schere zwischen Ausgaben und Einnahmen im Staatshaushalt insgesamt vollständig zu schließen?
Meine Damen und Herren, wir haben nichts verschleiert und wir haben nichts verborgen.
— Als Vorsitzender des Haushaltsausschusses weiß der Kollege Walther ganz genau, daß auch nicht getrickst wurde.
Wir haben nichts verschleiert und nichts verborgen.
Wir haben den erforderlichen Finanzbedarf in den Nachtragshaushalten klar bezeichnet. Wir werden die voraussichtliche finanzielle Entwicklung des nächsten Jahres mit den Eckwertbeschlüssen zum Bundeshaushalt 1991 vor den Wahlen auf den Tisch legen.
Wenn die Opposition behauptet, wir würden die Kosten der Einheit verschweigen,
spricht sie bewußt die Unwahrheit.
Bösartig sind die ewigen Unterstellungen über angebliche Steuererhöhungspläne. So viele Schubladen, wie sie die Frau Kollegin Matthäus-Maier jeden
Tag ausfindig zu machen glaubt, gibt es im ganzen Bundesfinanzministerium nicht. Die Öffentlichkeit kann es auch immer weniger verstehen, wenn Frau Matthäus-Maier jedesmal, wenn der Bundeskanzler oder andere Mitglieder der Regierung über finanzpolitische Risiken sprechen, in einer schon geisterhaften Form der Auseinandersetzung ihre Unterstellungen, ihre Schlagworte
von der Finanzierungslüge, der Schuldenlüge und der Steuerlüge herausposaunt. Ich sage nochmals: Wer in Sachen Wiedervereinigung von der Lebenslüge dieser Republik gesprochen hat, soll jemandem anderen nicht die Lüge zum Vorwurf machen und keine Lüge unterstellen.
Dieser dritte Nachtragshaushalt sichert unsere finanzpolitische Handlungsfähigkeit bis zur Verabschiedung des Haushaltsgesetzes 1991. Wir schaffen Vorsorge für wirtschaftliche und soziale Hilfen. Darüber hinaus verwirklichen wir wie im ersten und zweiten Nachtragshaushalt Einsparungen von diesmal 3,5 Milliarden DM.
Wenn man in dieser kurzen Zeit gegenüber dem früheren Finanzplan und gegenüber früheren Vorstellungen
— z. B. im Verteidigungsbereich — Einsparungen
insgesamt in der Größenordnung von 3,5 Milliarden DM erbringt, dann zeigt das sehr deutlich, daß wir uns bei allen Haushalten und auch bei den Nachtragshaushalten der Notwendigkeit einer sparsamen Haushaltspolitik voll bewußt waren.
Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Walther?
Nein, danke schön.
Die jüngsten Meldungen über die Steuereinnahmen auf dem Gebiet der fünf neuen Bundesländer bestätigen die Solidität dieses ersten, gesamtdeutschen Haushaltsentwurfs.
Die vorausgeschätzten Einnahmen werden nach den Zahlen für den September mit großer Sicherheit bis zum Jahresende erreicht werden.Auch die Steuereinnahmen in den ursprünglichen Bundesländern werden dieser Voraussicht nach entsprechend den Ankündigungen erreicht. Die Gemeinschaftsdiagnose der fünf führenden Wirtschaftsinsti-
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18308 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 231. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Oktober 1990
Bundesminister Dr. Waigeltute geht sogar von leicht höheren Steuereinnahmen aus.Unwahr sind auch die Behauptungen zu der angeblichen Verschiebung von Zahlungsverpflichtungen in das Jahr 1991. Für die Wohnungsbaukredite muß nicht der Bund, sondern müssen die Kommunen den Schuldendienst übernehmen. Der Nachtragshaushalt ist von diesen Zahlungen überhaupt nicht betroffen. Bei der Bundesanstalt für Arbeit besteht nach den heutigen Vorausschätzungen kein zusätzlicher Mittelbedarf über das hinaus, was wir im Nachtragshaushalt veranschlagt haben.Wir werden auch künftig flexibel auf neue Probleme und Aufgaben reagieren. Wir haben die Zahlungsfähigkeit der Sozialversicherungsträger sichergestellt, und wir haben umfangreiche Hilfen und Kreditprogramme von rund 40 Milliarden DM für die Gemeinden und die Lösung kommunaler Infrastrukturaufgaben bereitgestellt.Flexibilität bedeutet allerdings nicht Aktionismus. Es ist wenig hilfreich, wenn tagtäglich ohne entsprechende Abstimmung neue Vorschläge für Förderprogramme, Steueroasen und Niedrigsteuergebiete gemacht werden.
— To whom it may concern. —
Im Rahmen des Art. 28
— lassen Sie mich das doch zunächst ausführen —
des Einigungsvertrages haben wir gemeinsam ein tragfähiges Konzept zur Unterstützung der privaten und öffentlichen Investitionen auf dem Gebiet der fünf neuen Bundesländer beschlossen. Wir können nicht jeden Tag die Wirksamkeit dieser Maßnahmen selbst in Frage stellen.
Gegen ein Niedrigsteuergebiet in den fünf neuen Bundesländern sprechen folgende Argumente:Es gäbe erhebliche Mitnahmeeffekte. Es gäbe das Problem der Strategien zur Steuervermeidung und -umgehung durch reine Sitzverlagerungen.
Es wäre auch die Vorwegnahme unserer steuerpolitischen Entscheidungen, die wir, nachdem die SteuerKommission ihre Arbeit Ende dieses Jahres oder Anfang nächsten Jahres abgeschlossen und uns vorgelegt haben wird, treffen werden. Dann ist meines Erachtens der Zeitpunkt gekommen, über die Steuerpolitik der nächsten Legislaturperiode vom Umfang und vom zeitlichen Horizont her zu entscheiden.Man muß auch die vermutlich geringe Wirksamkeit bei zunächst geringen Erträgen und geringen Vermögenswerten der Betriebe sehen. Außerdem ist eine neue, steuerrechtliche Teilung Deutschlands sicherlich nicht gerade das, was wir uns wünschen.Wir sollten — und das scheint mir das Wichtigste zu sein — jetzt nicht eine kontroverse Diskussion eröffnen, die nur zu Attentismus, zu Verzögerung, führt und die uns nichts bringt.
Wir haben jetzt fast 200 000 Gewerbeanmeldungen. Der vom Sozialismus zerschlagene Mittelstand erwacht zu neuem Leben. Zahlreiche Großprojekte führender deutscher Industrieunternehmen kommen in Gang. Angesichts dieser Entwicklung sollten wir nicht an unseren eigenen Grundüberzeugungen, an unserem Glauben an die Kräfte der freien Marktwirtschaft zweifeln.Meine Damen und Herren, uns geht es um den Investitionsstandort Deutschland. Deshalb werden wir, wie ich vorher gesagt habe, die Arbeit der Sachverständigenkommission abwarten und dann darüber entscheiden, wie wir diese Vorschläge oder Alternativen verwenden.Meine Damen und Herren, die Wiedervereinigung ist ohne Steuerhöhungen möglich. Die wirtschaftliche und finanzielle Vereinigung Deutschlands sowie die angestrebten steuerpolitischen Verbesserungen stellen die Haushaltspolitik des Bundes vor erhebliche Anforderungen. Doch die Aufgaben sind zu lösen. Die führenden wirtschaftswissenschaftlichen Forschungsinstitute haben uns am Montag bestätigt,
sie sind auch ohne Steuererhöhungen zu bewältigen.Die Vertreter der SPD ziehen über das Land und versuchen uns die Schelle der Schuldenmacherei umzuhängen.
Dabei wissen sie genauso gut wie wir: Kurzfristig gibt es angesichts des Tempos der Wiedervereinigung überhaupt keine Alternative
zur Erhöhung der Kreditaufnahme.
Sie wissen doch ganz genau, daß die von Ihnen vorgeschlagene Ergänzungsabgabe nur dann die Summe erbringen würde, wenn Sie weit runtergingen und sie nicht nur bei den Höherverdienenden ansetzten.Meine Damen und Herren, es gab noch nie eine Investition, für die es sich mehr gelohnt hätte, Kredit-marktmittel in Anspruch zu nehmen, als die deutsche Einheit.
Wann je hat es eine solche Zukunftsinvestition gegeben? Auch ein Privatbetrieb könnte nie und nimmer in einem oder zwei Jahren das finanzieren, was an Aufwendungen für eine solch rentierliche Investition auf
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Bundesminister Dr. Waigeluns zukommt, wie es nun im staatlichen und gesellschaftlichen Bereich die deutsche Einheit ist.
Sie wissen auch: Steuererhöhungen würden uns viel teurer zu stehen kommen als eine zeitlich eng begrenzte zusätzliche Neuverschuldung.
Wir würden mit weniger Investitionen, weniger Arbeitsplätzen, weniger Wachstum und weniger Zukunftsperspektiven bezahlen.Lieber Kollege Walther, den Lärm, den Sie veranstalten, hätte ich an Ihrer Stelle 1975 gemacht, als Sie mit dem Anteil der Nettokreditaufnahme am Bruttosozialprodukt bei über 6 % waren. Einen solchen Lärm hätten Sie 1981 und 1982 machen sollen, als Sie ohne Wiedervereinigung einen Anteil von etwa 5 % Nettokreditaufnahme am Bruttosozialprodukt zugelassen haben.
Bereits im ursprünglichen Haushaltsentwurf 1991 waren gegenüber dem früheren Finanzplan Einsparungen von nahezu 8 Milliarden DM vorgesehen. Wenn wir jetzt mit der Aufstellung des gesamtdeutschen Haushalts 1991 beginnen, stehen alle Ausgaben auf dem Prüfstand. Wir werden deutliche Einsparungen bei den Verteidigungsausgaben erzielen müssen. Der Abbau der teilungsbedingten Kosten, insbesondere der Berlin- und Zonenrandförderung wird zügig verwirklicht werden müssen. Wir werden wesentliche Einsparungen nicht erst in sieben Jahren, sondern früher erreichen, und zwar schon deswegen, weil uns die Europäische Gemeinschaft dazu zwingen wird.Im Zusammenhang mit der Steuerreform 1990 haben wir steuerliche Vergünstigungen und Sonderregelungen mit einem Volumen von 13 Milliarden DM abgebaut. Wir wollen jetzt bei den Subventionen, insbesondere auch bei den Finanzhilfen, weitere spürbare Einsparungen vornehmen.Die besondere Umbruchsituation in den fünf neuen Bundesländern wird auch in naher Zukunft noch Defizite bei der Bundesanstalt für Arbeit zur Folge haben. Wir wollen durch systemkonforme Maßnahmen diese Defizite auf das Unvermeidbare begrenzen.Die Krankenversicherungen, die in diesem Jahr noch einen erheblichen Zuschuß des Bundes erhalten haben, sollen ab 1991 überall in Deutschland wieder auf eigenen Beinen stehen.
Schließlich müssen auch die Länder und Gemeinden zu ihrer gesamtstaatlichen Verantwortung stehen. Darum, glaube ich, müssen wir mit den Ländern und mit den Kommunen zu Lösungen kommen, die die Kostenverteilung jedenfalls in den nächsten Jahren etwas günstiger für den Bund gestalten, als das in den Jahren 1990 und 1991 der Fall ist.
— Ich harre da auf die Solidarität der SPD-Ministerpräsidenten, lieber Kollege Walther, aber nicht nur darauf.Die Wiedervereinigung erfordert den Einsatz aller Deutschen. Unsere Landsleute aus Leipzig, Dresden, Berlin und vielen anderen Städten und Gemeinden haben Freiheit und Demokratie auf deutschem Boden herbeigeführt. Die Bundesregierung war auf die nicht vorhersehbare Chance zur Wiedervereinigung vorbereitet. Sie tut jetzt alles, damit unser Vaterland politisch, wirtschaftlich und vor allem menschlich wieder zusammenwächst.Die Selbständigen und Unternehmen sind angetreten, um die vom Sozialismus zerstörten industriellen Strukturen wieder aufzubauen. Viele von ihnen— nicht nur die großen, sondern gerade die kleineren und mittleren Betriebe — gehen in die fünf neuen Bundesländer, weil sie dort eine neue Aufgabe sehen, und nicht nur deshalb, weil sie sich kurzfristigen Profit versprechen.Die Gewerkschaften müssen den bisher ins Einheitsjoch des FDGB gezwungenen Kollegen in den fünf neuen Bundesländern helfen, zu selbstbewußten Partnern und Mitarbeitern in den Betrieben zu werden. Sie müssen über ihre Rechte, aber auch über ihre Verantwortung in unserer freiheitlichen und sozialen Marktwirtschaft aufgeklärt werden. Die Kirchen, die Verbände, die wissenschaftlichen und kulturellen Institutionen sind dabei, über 40 Jahre verschüttete und abgeschnittene Kontakte wieder aufzunehmen. Sie vollziehen neben dem ökonomischen Wiederaufbau die geistige, kulturelle und historische Wiedervereinigung.Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, haben wieder einmal nein gesagt, auch wenn Sie formal den Verträgen Ihre Zustimmung gegeben haben.
— Nein, nein. Ihr ständiges Fragen nach den Kosten und Ihre Anklagen zur Finanzierung läßt Ihr Ja zur Einheit als halbherzig erscheinen.
Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Struck?
Bitte schön.
Herr Minister Waigel, sind Sie endlich bereit, zur Kenntnis zu nehmen, daß wir nicht über die Kosten klagen, die mit der deutschen Vereinigung zwangsläufig verbunden sind, sondern über
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Dr. Struckdie Art und Weise, wie Sie die Kosten aufzubringen gedenken?
Ihre Anklage ist deswegen nicht ehrlich und nicht begründet, weil Sie ohne das Problem der Einheit selber in entscheidenden Situationen zu dieser Finanzierung gegriffen haben, ohne daß dies damals notwendig gewesen wäre, und weil Sie genau wissen, daß Sie diese Herausforderung auch mit Steuererhöhungen in 1990/91 nicht bewältigen könnten.
Insofern bauen Sie einen Türken auf und setzen auf die Verunsicherung der Menschen, anstatt gemeinsam mit uns den Menschen Zuversicht und Optimismus für die Zukunft zu geben.
Niemand anderer als der frühere Bürgermeister von Hamburg, von Dohnanyi, hat Ihnen das bereits vor Monaten ins Stammbuch geschrieben, als er feststellte, daß Sie damit von der Regierungsverantwortung ferngehalten würden wie damals durch das Nein zur Marktwirtschaft und zur Bundeswehr in der frühen Nachkriegsgeschichte.
16 Millionen Deutsche sind aus der Gefangenschaft des Kommunismus in einen freien Staat zurückgekehrt. Das ist kein Anlaß zu kleinlichem Gezänk und zu buchhalterischem Aufrechnen.
Die Volksabstimmung, die Sie fordern, hat längst stattgefunden. Das deutsche Volk hat entschieden, auf der Grundlage von Frieden, Freiheit und Völkerverständigung gemeinsam in die Zukunft zu gehen. Das ist der Auftrag, den wir Politiker zu erfüllen haben.
Wir schaffen die finanziellen und institutionellen Voraussetzungen für die deutsche Einheit. Aber die Wiedervereinigung ist nicht in erster Linie eine Frage der Organisation und des Geldes. Es gibt größere Aufgaben jenseits von Angebot und Nachfrage. Die deutsche Einheit ist vor allem eine Sache des Herzens, der Bereitschaft, aufeinander zuzugehen. Sie braucht auch den Enthusiasmus und die Offenheit der Jugend. Sie braucht gemeinsames Empfinden und den Willen, an der Zukunft unseres Vaterlandes zu bauen.
Die Vollendung der Einheit Deutschlands, die Überwindung der Teilung Deutschlands war die Voraussetzung für die Überwindung der Teilung Europas. Heute stehen wir mitten im Prozeß der Neuordnung Europas auf der Grundlage von Frieden und Freiheit.
Die Aufgabe unserer Generation ist es vor allem, die ökonomischen Fundamente dieser Neuordnung Europas zu bauen. Das ist nicht zum Null-Tarif zu haben und erfordert einen hohen finanziellen Einsatz. Die Bundesregierung leistet gewichtige Beiträge zu dieser Neuordnung durch die Finanzierung der Wiedervereinigung durch die ökologischen Hilfen für die Staaten des ehemaligen Ostblocks und nicht zuletzt durch die Vorreiterrolle bei der Fortentwicklung der Europäischen Gemeinschaft zu einem einheitlichen Wirtschaftsraum und dann zu einer Wirtschafts- und Währungsunion. Was Deutschland gerade in diesem und im nächsten Jahr in Europa erbringt, geht weit über das nationale Interesse der Deutschen allein hinaus.
Diesen Aufwendungen sind die Erträge gegenüberzustellen, von denen die junge Generation profitieren wird. Die Neuordnung Europas schafft neue Perspektiven für eine grenzüberschreitende Zusammenarbeit im politischen, ökonomischen und vor allem im kulturellen Bereich.
Mit der europäischen Neuordnung wird der Frieden sicherer gemacht. Das nationale Machtstaatsdenken des vergangenen Jahrhunderts wird durch eine politische Föderation freier Völker ersetzt werden. Noch nie waren die Zukunftsperspektiven der jungen Generation in Europa so positiv wie heute.
Noch nie konnte eine junge Generation mit einem solchen Optimismus ihr Leben gestalten, wie dies jetzt möglich wird. Es liegt an der jungen Generation selbst, diese Chance aufzugreifen, oder, wie es John F. Kennedy in seiner Inaugurationsrede am 21. Januar 1961 an die Adresse der Jugend gesagt hat: „Fragt nicht, was euer Land für euch tun kann, fragt vielmehr, was ihr für euer Land tun könnt. " Wir tun unser Mögliches. Jetzt sind die Menschen aufgerufen, das ihre zu tun.
Herr Abgeordneter Walther, Ihre Erregung an einer bestimmten Stelle der Rede des Ministers sollte Sie eigentlich nicht dazu verführt haben, zu Ausdrücken zu greifen, die parlamentarisch nicht vertretbar sind. Sie haben an einer Stelle vorher einen Ausdruck verwendet, den wir hier nicht rügen. Aber den Ausdruck „belogen" muß ich rügen.
Jetzt hat der Abgeordnete Dreßler das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die sozialdemokratische Fraktion hat heute im Laufe der Haushaltsdebatte einfache Fragen gestellt. Eine Reihe von Koalitionsabgeordneten und der Bundesminister der Finanzen hatten die Gelegenheit, gerade diese einfachen Fragen zu beantworten.
Ich stelle fest: Eine Beantwortung dieser Fragen hat nicht stattgefunden, etwa der Frage, warum die Bundesregierung und die sie tragenden Koalitionsfraktionen 20 Milliarden DM Defizit des Jahres 1990 in diesen Nachtragshaushalt nicht einstellen, sondern in das Jahr 1991 schleppen und uns und der Bevölkerung nicht sagen, woher sie diese 20 Milliarden DM zu nehmen gedenken.
Zweiter Punkt. Herr Waigel hat das Wort Familienlastenausgleich gebraucht, also auch das Stichwort Familienpolitik. Das ist genau das gleiche wie mit der
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DreßlerDefizithaftung, die wir in ihrer Art und Weise, wie sie zustande zu bringen ist, nicht zur Kenntnis nehmen können, weil die Regierung sie verschweigt.Ich werde Ihnen jetzt einmal zwei Stellen aus dem Entwurf des CDU-Wahlprogramms zur Familienpolitik zur Kenntnis geben,
weil es die Kontinuität der Übertünchung von Fakten ist, die wir zur Arbeit und zur Bewertung der zukünftigen Aufgaben benötigen. Dort lesen wir:Finanzielle Verbesserungen für die Familien können erst in Angriff genommen werden, sobald finanzielle Spielräume vorhanden sind.
Dann lesen wir im nächsten Absatz, daß die CDU den Familienlastenausgleich verbessern will, das Kindergeld erhöhen will, das Erziehungsgeld ausdehnen will und das Ziel sei, für alle Kinder über drei Jahre einen Kindergartenplatz zu schaffen. Also erster Absatz: Wir haben kein Geld, zweiter Absatz: Wir versprechen aber doch alles. Oder: Wenn ich von Herrn Waigel einen Fernsehapparat kaufen würde und ihm sagen würde: Den bezahle ich von meiner nächsten Lohnerhöhung, obwohl mein Chef mir gerade gesagt hat, daß ich in den nächsten vier Jahren keine bekomme, ist das genauso logisch wie das Angebot des CDU-Wahlprogramms.
Ich stelle fest: Es war wohl kein Zufall, daß die Zwischenfrage, die Kollege Rudi Walther, Vorsitzender des Haushaltsausschusses, an den Minister stellen wollte, vom Minister nicht zugelassen wurde, denn Kollege Walther hätte ihn in Kontinuität seiner Darlegungen gefragt, an welcher Stelle er, der Bundesfinanzminister, in den dem Parlament zur Verfügung stehenden Unterlagen denn den Nachweis erbracht hat, daß er 3,5 Milliarden DM gespart hat.
Dieser Nachweis, Herr Bundesfinanzminister, ist aus den uns zur Verfügung stehenden Unterlagen nicht zu erkennen. Daraus konstatieren wir: Es gibt ihn auch gar nicht.
Dann der dritte Punkt. Ausgerechnet Altbundeskanzler Willy Brandt, den Wegbereiter der Vereinigungspolitik, hier diskreditieren zu wollen, finde ich schon ein starkes Stück.
Ich finde es deshalb ein starkes Stück, Herr Waigel, weil Sie mit Ihrer CDU/CSU-Fraktion unter dem Stichwort KSZE nur noch die albanischen Kommunisten und die italienischen Neofaschisten in der Gegnerschaft gegen diesen Prozeß auf Ihrer Seite hatten.
Auch der dritte Nachtragshaushalt, Herr Waigel, setzt die unrühmliche Tradition seiner beiden Vorgänger fort. Schon zum Zeitpunkt seiner Verabschiedung ist er weitgehend Makulatur. Wenn, wie es allgemein heißt, der Bundeshaushalt so etwas wie das Hauptbuch der Politik der Regierung ist, dann steht es nicht gut damit. Wir erkennen taktische, ja wahltaktische Winkelzüge, wo raumgreifende, strategisch angelegte Politik erforderlich gewesen wäre.
Auch dem dritten Nachtragshaushalt fehlt eine entscheidende Voraussetzung, die Glaubwürdigkeit.
Er vermittelt den Menschen eben nicht jene Gewißheit, daß die Regierung die Nation auf den guten Weg gebracht hat, die aus der deutschen Einigung entstandenen Probleme zu bewältigen. Für uns Sozialdemokraten ist Solidarität ein identitätsstiftender Wert.
— Nachdem Sie über den Begriff Solidarität lachen,
was sich mit der Zielsetzung Ihrer Politik allerdings in Gleichklang befindet, will ich das Wort Solidarität einmal übersetzen. Es heißt: gegenseitige Verpflichtung, nicht mehr, aber auch nicht weniger.
Genau dieser Wert der gegenseitigen Verpflichtung bedeutet eben mehr. Solidarität war einer der Grundpfeiler unseres Gemeinwesens der alten Bundesrepublik Deutschland. Wir Sozialdemokraten wollen, daß Solidarität auch zu den Grundpfeilern unseres neuen deutschen Gemeinwesens wird.
Wenn der dritte Nachtragshaushalt den Weg dahin aufzeigen sollte, dann verdient er die enttäuschende Note „mangelhaft". Die hehren und die deutsche Einheit beschwörenden Worte der Bundesregierung können eben nicht verdecken, daß es der Regierungspolitik da, wo es um die konkrete Lebenssituation der Menschen in Deutschland geht, erstens an inhaltlicher Klarheit fehlt und zweitens daß vieles im Zwielicht bleibt, weil sich diese Regierung nicht vor den Wahlen festlegen will.
So etwa, wenn es um die Bewältigung der finanziellen Probleme geht. Solidarität heißt, daß sich alle Bürger daran beteiligen müssen. Solidarität heißt aber auch, Herr Waigel, daß die Leistungsfähigeren einen größeren Anteil als die weniger Leistungsfähigen aufzubringen haben. Es gilt zu verhindern, daß sich einige Gruppen aus der notwendigen gesamtgesellschaftlichen Solidarität abmelden.
Wir sagen Ihnen: Eine Politik, die diese Abmeldementalität fördert, etwa ein als Unternehmensteuerre-
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Dreßlerform getarntes Steuergeschenk an Gutbetuchte, wird die Sozialdemokratie weiter bekämpfen.
Wie sieht die Lage aus, meine Damen und Herren? Vier Millionen Menschen in Deutschland sind arbeitslos oder arbeiten kurz. Die Perspektiven für den Arbeitsmarkt sehen auch nicht gut aus. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung hält 5 Millionen Arbeitslose und Kurzarbeiter im kommenden Jahr für wirklichkeitsnah. Die 5 Institute sind in ihrem Herbstgutachten noch ein wenig skeptischer. 5,2 Millionen prognostizieren sie. Die Regierung hat weder den Menschen zu Arbeit verholfen noch für viele in Deutschland den Lebensunterhalt gesichert.Die Nachrichtenagentur Associated Press überschrieb am Dienstag dieser Woche eine Meldung mit dem deprimierenden Satz — ich zitiere — : „Die Armut in der reichen Bundesrepublik wird ein immer größeres Problem." Der Paritätische Wohlfahrtsverband und der Deutsche Gewerkschaftsbund hielten in dieser Woche in einer Studie fest, jeder zehnte Westdeutsche lebe an oder unter der Armutsschwelle. Und der Bundesjustizminister, wahrlich kein Mann der lauten Töne und der schnellen Entschlüsse, gab bekannt, 1,2 Millionen westdeutsche Haushalte seien überschuldet.Was ist Ihre Methode dagegen? Der Herr Bundesarbeitsminister beherrscht, wie wir kennenlernen durften, die Methode des Täuschens und Tarnens fast perfekt.
Nach dieser Methode wurde das Umschulungs- und Qualifizierungsinstrumentarium der Altrepublik her-unterreformiert. Mit Hilfe dieser Methode wurde von der Bundesregierung auch das Gesundheitswesen im Westen krankenhausreif reformiert. Nun versuchen sich die tragenden Kräfte der Koalition an der früheren DDR, an den fünf neuen Bundesländern.
Eine Sachverständigenanhörung des Bundestagsausschusses für Arbeit und Sozialordnung am 10. Oktober 1990 hat eine Sachstandsbeschreibung ergeben, die erschreckt.Ich zitiere — nicht die deutsche Sozialdemokratie, sondern die westdeutsche Presselandschaft „Stuttgarter Zeitung" : Erhebliches Defizit bei DDR-Sozialversicherung. „Bonner Rundschau" : Bei Sozialversicherung droht 30-Milliarden-Loch. „Süddeutsche Zeitung" : Düstere Prognose für ostdeutsche Sozialversicherung. „Handelsblatt" : Vor allem in der Arbeitslosenversicherung wird ein hohes Defizit für 1991 befürchtet. „Frankfurter Allgemeine Zeitung" : Arbeitslosigkeit belastet die Sozialkassen schwer. „Kölnische Rundschau" : Ein Loch von 30 Milliarden in Sozialkasse. „Hannoversche Allgemeine" : Riesendefizit in Arbeitslosenkasse befürchtet.Sind denn eigentlich, Herr Waigel und Herr Blüm, mittlerweile auch die in Bonn akkreditierten Journalisten, die sich auf der Grundlage einer Sachverständigenanhörung eine Meinung bilden, Horrorspezialisten? Wollen Sie mittlerweile alle, die sich Sorgen um unsere Zukunft machen, auf diese Art und Weise diskreditieren? Oder treten Sie endlich in einen Dialog mit uns darüber ein?
Der Krankenversicherung in den neuen Bundesländern fehlen im laufenden Jahr 3 Milliarden DM, die aus der Bundeskasse genommen werden müssen. Im nächsten Jahr besteht nach Angaben der Krankenkassen ein Defizitrisiko von bis zu 10 Milliarden DM.Die fehlende Anschubfinanzierung für die gesetzliche Krankenversicherung in Ostdeutschland hat eine verhängnisvolle Situation heraufbeschworen.Ziel muß es sein, auf schnellstmögliche Weise die beiden unterschiedlichen Gesundheitssysteme in den früheren beiden deutschen Teilstaaten zu einem gemeinsamen System zusammenzubringen. Und dies, Herr Blüm, geht eben nicht ohne einen West-OstFinanztransfer.
— Das haben wir Ihnen bereits am 5. März dieses Jahres in unserem Konzept zur Sozialunion aufgeschrieben. Am 5. März! Sie haben das Konzept entweder nicht gelesen oder es verworfen. Heute stehen Sie vor dem Finanzierungsdilemma. Das sind die Tatsachen.Die Bundesregierung hat mit einer Politik der Versäumnisse die Krankenversicherung in den ostdeutschen Bundesländern in die Situation gebracht, mit Einkünften auf dem Einkommensniveau Ost Leistungen auf dem Preisniveau West finanzieren zu müssen.
Dies kann nicht gutgehen. Die Bundesregierung hat sich nun zu dem Irrweg staatlicher Preisfestsetzung verstiegen.
Übrigens: Wo bleibt bei dem Stichwort „staatliche Preisfestsetzung" eigentlich die FDP?
Sie sticken sich nämlich immer noch die Worte „Soziale Marktwirtschaft" jeden Abend in die Bettenkissen.Ich frage den Arbeitsminister: Können Sie uns erläutern, wie ein niedergelassener Arzt mit Einkünften, die 45 % des Westniveaus betragen, seine Praxis einrichten und finanzieren soll, wenn er dies zu Preisen tun muß, die zu 100 % Westniveau haben? Schlicht und einfach: Das geht nicht, Herr Blüm.
Die Politik der Regierung ist auf Zerstörung der bestehenden Einrichtungen der ambulanten Versorgung in den ostdeutschen Bundesländern ausgerichtet. Sie wollen Ambulatorien und Polikliniken, die das
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DreßlerRückgrat für die ambulante Versorgung bilden, systematisch ruinieren.
Zur Verbesserung der Leistungsfähigkeit dieser Einrichtungen ist hoher Kapitaleinsatz erforderlich. Im Einigungsvertrag ist jedoch für Polikliniken und Ambulatorien nur noch eine Lebensdauer von fünf Jahren vorgesehen.Ich frage: Ist den Mitgliedern der Bundesregierung, die solche unsinnigen Regelungen herbeigeführt haben, eigentlich nicht bewußt, daß kein Investor und keine Bank bereit sein werden, für diese Zeit Kapital zu mobilisieren? Polikliniken und Ambulatorien werden also vor den Hund gehen.Der Arbeitslosenversicherung im Osten fehlen nach den skizzierten Angaben zwischen 20 und 30 Milliarden DM, je nach Annahme. Die Regierung weigert sich, den Menschen zu sagen, von welchen wirtschaftlichen und sozialen Eckdaten sie im kommenden Jahr für die neuen Bundesländer ausgeht. Sie scheut die bittere Wahrheit. Das bedeutet: Eine Finanzierung der Einheit auf Pump im Westen wird die Probleme im Osten nicht lösen. Im Gegenteil, dieser Weg macht den Westen reicher, den Osten ärmer.
Dabei wäre es richtig, aus den Erfahrungen mit der Sanierung westdeutscher Industrieregionen die guten Ergebnisse zu übertragen, d. h. eine aktive Arbeitsmarktpolitik mit regionaler wie sektoraler Strukturpolitik und weitreichenden Maßnahmen zur Modernisierung der Infrastruktur zu kombinieren. Mindestens zum zehnten Male erinnere ich daran: Die von den westdeutschen Arbeitgebern Mitte Dezember 1989, also vor mehr als zehn Monaten, angebotene Hilfe bei der Qualifizierung in Ostdeutschland hat die Bundesregierung bis heute nicht abgerufen.
Ich will zu einem anderen Problem kommen. Das Problem der alten Seilschaften in Wirtschaft, Verwaltung, Rechtsprechung und Erziehung der früheren DDR muß endlich gelöst werden.
Es ist ein Skandal sondergleichen, daß immer noch Vertreter des SED-Unrechtsstaats in Betrieben darüber befinden können, wer gefeuert wird und wer bleiben kann.
Ich sage Ihnen: Hinter mancher Kündigung im Namen des Marktes steckt tatsächlich die Rachlust des notdürftig gewendeten Apparatschiks gegenüber den Demokraten.
Ich frage: Wie weit sollen die Verhältnisse im Osten denn noch treiben, bis die Regierung endlich etwas tut? Ich will noch einmal wiederholen, was ich am 20. September von dieser Stelle für meine Fraktiongesagt habe: Wer für die Demütigung und Einschüchterung, für Repressionen und das Aushorchen von Arbeitnehmern verantwortlich war, hat an der Spitze von Unternehmen nichts zu suchen.
Ich füge hinzu, meine Damen und Herren: Er hat dort nichts zu suchen, ob er der SED, der CDU oder den Blockliberalen angehört hat. Das darf keine Rolle spielen.
Die Sachstandsbeschreibung auf dem Gebiet der Alterssicherung fällt nicht negativ aus, weil gestern abend der Deutsche Bundestag bereits diskutiert hat, daß die Forderungen der SPD zur Erhöhung der Renten im Osten und einer Weiterzahlung des Sozialzuschlags erfüllt worden sind.
Herr Abgeordneter, Sie müssen einmal auf die rechte Lampe sehen.
Ich komme zum Schluß, Herr Präsident, und fasse zusammen. Die sozialpolitische Eingliederung der Menschen in der ehemaligen DDR wird von der Bundesregierung unsauber und voller Risiken finanziert. Sie wird auf Kosten der Schwächeren betrieben und in der Hauptsache als Finanzierung von Arbeitslosigkeit und als Ausverkauf gemanagt.
Damit wird der schnellere Übergang von der Sozialunion zum Sozialstaat in einem geeinten Deutschland verspielt.
Meine Damen und Herren, die Regierung hat für die Lösung der vor uns stehenden Probleme im Rahmen dieses dritten Nachtragshaushalts kein Reformkonzept vorgelegt. Das heißt in der Analyse, daß die Regierung augenscheinlich auf dem Weg ist, ihren Frieden mit der Ungerechtigkeit in der Gesellschaft zu machen.
Ich sage Ihnen noch etwas: Keine Momentaufnahme irgendeiner Meinungsumfrage wird die deutsche Sozialdemokratie dazu bringen, sich mit der ungerechten Hinterlassenschaft dieser Bundesregierung zu arrangieren.
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich lasse mir von niemandem, noch nicht einmal von Rudolf Dreßler, die Freude darüber vermiesen, daß das der schönste Nachtragshaushalt ist, den wir jemals beschlossen haben.
Denn es gibt keinen besseren Zweck als einen Nachtragshaushalt für die deutsche Einheit. Ich freue mich, daß wir ihn beraten und diskutieren mit unseren Kolleginnen und Kollegen aus der ehemaligen DDR.
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Bundesminister Dr. BlümUnd diese Freude lasse ich mir von niemandem nehmen.
Ich werbe allerdings um Verständnis für die kritische Gemütslage des Herrn Dreßler. So oft, wie der jetzt vorbeigeschossen hat! Er hat mit Fanfare — Retter der Rentner! — zum Sturm auf die Bundesregierung geblasen. 10 % Rentenerhöhung für die Rentner in der ehemaligen DDR — die Bundesregierung beschließt 15 %!
Dann sagt er — Retter der kleinen Rentner! — : Die kleinen Rentner werden vergessen. Und die Bundesregierung beschließt: Die 15 %ige Rentenerhöhung geht an niemandem vorbei.Lassen wir den parteipolitischen Hickhack beiseite, die beste Nachricht für die Rentner in der ehemaligen DDR ist: Wir vergessen sie nicht, 15 % Rentenerhöhung ab 1. Januar.
Sie sind schließlich in dem alten SED-Staat lange genug vergessen worden. Jahr für Jahr haben sie zittern müssen, ob für sie etwas übrig ist. Nein, Gott sei Dank haben wir 1957 unter Konrad Adenauer eine Rentenversicherung geschaffen, die die Rentner vom Almosenstatus befreit. Die Rente hängt an den Löhnen; das gilt jetzt auch für die fünf neuen Bundesländer. Es ist die größte Beruhigung für die Rentner, daß sie an der Lohnentwicklung ankoppeln.
Und was sagen Sie da: in der Sozialunion sei nichts geschehen? Schon mit der Sozialunion sind die Renten durchschnittlich um 30% gestiegen, und jetzt steigen sie noch einmal um 15 %. Sie liegen allerdings immer noch weit unter dem Renteniveau im westdeutschen Teil. Sie müssen also noch aufholen. Deshalb plädiere und werbe ich für dieses Aufholen. Ich werbe auch um Verständnis bei den Westdeutschen. Ihre Alterskameraden in der DDR sind geradezu in einem Rentenkeller; da müssen die jetzt raus. Immerhin beträgt auch die Rentenanpassung bei uns im nächsten Jahr 5,1 %. Sie ist nicht zuletzt auch dadurch etwas erhöht worden, daß die Beiträge der Krankenversicherung sinken — ein Erfolg jener Reform, die gerade Herr Dreßler madig zu machen versucht.
Aber ich will noch ein Stück früher ansetzen. Herr Dreßler, wie kommen Sie eigentlich dazu, die Rentenpolitik zu kritisieren? Die Umstellung der Renten im Verhältnis 1: 1 war doch schon der erste, wichtige rentenpolitische Fortschritt. Wäre in diesem Jahr 1990 — er wird es 1991 auch nicht sein — Lafontaine Bundeskanzler gewesen,
hätte es keine 1: 1-Umstellung gegeben. Denn der hat die Umstellung im Verhältnis 1: 1 noch am 1. Oktober 1990 kritisiert. Hätten wir im Verhältnis 2: 1 umgestellt, dann wäre die jetzige Eckrente in der ehemaligen DDR nicht 672 DM hoch, sondern dann betrügesie — wie jeder ausrechnen kann; rechnen Sie nach —336 DM.Meine Damen und Herren, selbst wenn die Rentenerhöhung in jedem Jahr 20 % betrüge, wären die Rentner in der ehemaligen DDR unter Lafontaine erst in fünf Jahren dort, wo sie unter Kohl heute schon sind. So einfach ist das.
um 10 %, dann wären die Rentner in der ehemaligenDDR 1999 dort, wo sie 1990 unter Helmut Kohl sind.
— Herr Vogel, die Wahrheit muß man sagen.
— Also gut, dann sage ich es jetzt noch einmal ganz leise:
Die Umstellung im Verhältnis 2 : 1 — das, was Oskar Lafontaine offenbar für richtig gehalten hat — hätte die Renten halbiert. Deshalb sollten wir das, finde ich, noch einmal in Erinnerung rufen. Wir vergessen die Rentner nicht.
— Bitte, Herr Dreßler, wenn der Herr Präsident Ihnen das Wort erteilt.
Herr Abgeordneter Dreßler, bitte schön.
Herr Bundesminister Blüm, würden Sie mir zustimmen, daß Sie vor ungefähr zehn bis vierzehn Tagen in deutschen Fernsehanstalten verkündet haben, daß Sie gegen die Fortzahlung und Dynamisierung des Sozialzuschlags deshalb seien, weil diese Menschen anschließend Sozialhilfe bekommen würden, was eben nicht anders gehe? Würden Sie mir weiter zustimmen, daß Sie erst, nachdem wir den Gesetzentwurf eingebracht haben und Sie unter unserem Druck standen, nachgegeben haben und den Sozialzuschlag jetzt weiterzahlen? Würden Sie wenigstens das vor dem Deutschen Bundestag noch eingestehen?
Gut, daß Sie mir auch noch dieses Thema liefern. Ich hole ein bißchen weiter aus — Sie können sich gern wieder setzen — und will den Sozialzuschlag im Zusammenhang darstellen. In der Tat, der Sozialzuschlag ist ein Fremdkörper in unserem Rentenrecht.
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Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 231. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Oktober 1990 18315
Bundesminister Dr. BlümEr ist nur begründbar, weil die Sozialhilfe in der DDR nicht aufgebaut ist. Deshalb ist er nur eine Übergangslösung.
Ich jedenfalls kann im Sozialzuschlag nicht die mich befriedigende Gerechtigkeit feststellen. Ist es gerecht, Herr Dreßler, wenn jemand, der beispielsweise 330 DM Rente hat — das ist wenig, das ist die Mindestrente in der ehemaligen DDR — und mit einem Ehepartner zusammenlebt, der möglicherweise 2 000 DM Lohn hat, einen Sozialzuschlag bekommt, während die Nachbarfamilie, die nur von 600 DM Rente leben muß, nichts bekommt?
— Das mit dem Sozialzuschlag ist so, weil es im Moment nicht anders regelbar ist. Aber insgesamt halte ich die Sozialhilfe für gerechter. Nur, meine Damen und Herren, Sie sollten sie nicht pausenlos madig machen. Sie diskriminieren damit nämlich die Sozialhilfeempfänger. Die Sozialhilfe ist eine ordentliche, bedarfsgerechte soziale Einrichtung.
Wofür ich allerdings plädiere, ist, daß wir Rentenversicherung und Sozialhilfe in Zukunft besser miteinander verzahnen, als es in der Vergangenheit der Fall war; daß wir die Menschen nicht von Schalter zu Schalter schicken, sondern dem einzelnen Antragsteller mit Datenabgleich in der Tat helfen. Aber die Finanzierung — einerseits bedarfsgerecht über Sozialhilfe und andererseits lohngebunden und leistungsgerecht über die Rente — verteidigen wir als einen Fortschritt für Rentner. Rente ist Alterslohn für Lebensleistung und keine Fürsorgeleistung. Darauf bestehe ich.
Aber noch einmal zurück zum Umtauschkurs 2 : 1. Herr Dreßler, antworten Sie doch einmal darauf: Sie hätten doch mit Ihrem Kanzlerkandidaten einen Kurs von 2 : 1 durchgesetzt; dabei muß ich noch ein bißchen bleiben. Bei einer solchen Politik würden die Rentner noch in der Talsohle hängen. Sie haben in der Talsohle biwakiert und wollen uns, die in der Anstiegspartie sind, sagen, wir sollten ein bißchen schneller laufen.
Wer den Rückwärtsgang eingeschaltet hat, eignet sich nicht zum Vorreiter.
Meine Damen und Herren, ich möchte noch zur Arbeitsmarktpolitik kommen.
— Bitte, bevor ich mit dem nächsten Thema beginne.
Herr Blüm, da Sie das nun wiederholt haben, — —
Herr Bundesminister, wenn Sie das bitte mir überlassen würden, dann hätte ich eine bessere Übersicht.
Entschuldigung, Herr Präsident.
Bitte schön.
Nachdem Sie jetzt noch einmal behauptet haben, Oskar Lafontaine sei bei der Währungsumstellung gegen einen Kurs von 1: 1 gewesen, möchte ich Sie fragen, ob Sie bitte zur Kenntnis nehmen wollen, daß wir, Rudi Dreßler, Oskar Lafontaine und ich, zusammen eine Pressekonferenz gemacht haben, auf der wir ausdrücklich eine Umstellung von 1: 1 gefordert haben, weil nämlich nach dem ursprünglichen Vorschlag der Bundesbank die Gefahr bestand, daß Sie zum Kurs von 1: 2 umstellen.
Frau Kollegin Matthäus-Maier, in der „Abendzeitung" vom 1. Oktober 1990 — das war nach Ihrer Pressekonferenz — hat Oskar Lafontaine die 1 : 1-Umstellung kritisiert und auf die schlimmen Folgen hingewiesen.
Ich beziehe mich immer auf die jüngsten Nachrichten von Lafontaine. Es kann natürlich sein, daß er zwischendurch auch einmal etwas anderes gesagt hat. Das kommt schon vor.
Herr Bundesminister, zu diesem Punkt gibt es vermutlich noch eine Frage.
Das dauert dann nur ein bißchen länger. Aber bitte.
Herr Bundesminister, ich möchte noch einmal auf Ihre vorhergehende Bemerkung zurückkommen. Wenn ich Sie richtig verstanden habe, haben Sie gesagt, daß Sie den Sozialzuschlag als einen Fremdkörper und daher als Übergangslösung betrachten und abschaffen wollen und die Sozialhilfe mit der Rente besser verzahnen wollen. Heißt das, daß Sie von vornherein darauf abstellen, daß Invalidenrentner — für die bestanden in der DDR ja bisher sehr positive Regelungen — in absehbarer Zeit damit rechnen können, Sozialhilfeempfänger zu werden?
Nein, das möchte ich noch einmal klar darstellen. Der Einigungsvertrag sieht vor — die Verhandler haben damals schon erkannt, daß 1991 noch kein Sozialhilfesystem ausgebaut sein wird —, daß man 1991 noch in den Sozialzuschlag hineinwachsen kann und er dann bis 1995 Besitzstand bleibt. Aber ich halte die Sozialhilfe doch für sehr viel bedarfsgerechter. Die
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Bundesminister Dr. BlümRente steigt wie die Löhne. Aber wenn es um Armut und Not geht, muß man doch auf Preise und Mieten achten. Deshalb bleibt die Sozialhilfe die gerechtere Lösung, als wenn man Bedarf und Leistung miteinander koppelt.Im übrigen möchte ich darauf aufmerksam machen, daß eine Mindestrentenregelung exportfähig und damit auch eine Einladung ist, sich nun auf diesem Wege in den Genuß einer deutschen Mindestrente zu bringen, die man dann im Ausland verzehrt. Das gönne ich zwar jedem. Nur, so kann der Sozialstaat nicht organisiert sein.Es herrscht Armut bei den Rentnern, denen wir helfen wollen, wobei wir ja auch Schritt für Schritt vorankommen. Die größte Not sehe ich allerdings bei den Witwen in der ehemaligen DDR; denn in der Tat stürzen die Renten für Frauen, deren Mann gestorben ist, auf eine Höhe von 90 DM herunter. Bei uns im westlichen Teil beträgt die Witwenrente 60 %. Deshalb ist es gut, daß nun unser Hinterbliebenenrecht ab 1. Januar 1992 für ganz Deutschland gelten soll. Ich habe gestern schon einmal gesagt, daß wir prüfen sollten, ob wir nicht vorher einen Schritt machen können; denn die Notleidenden sind in erster Linie, wie ich glaube, die Witwen, die nach altem DDR-Rentenrecht Leistungen erhalten.
meine Frage nicht beantwortet!)— Doch, die Frage habe ich beantwortet.
Herr Minister, gestatten Sie noch eine Frage? — Bitte.
Es ging ganz konkret um Invalidenrentner, also beispielsweise um Menschen, die von Geburt an behindert sind oder in jungen Jahren einen Unfall hatten. Diese Menschen haben nach Ihrem Modell niemals im Leben die Chance, Vermögen zu bilden, weil sie Sozialhilfeempfänger werden.
Ich sagte schon einmal: Das Rentenrecht soll für ganz Deutschland gelten. In diesem Rentenrecht ist auch für die Berufsunfähigkeitsrente und für die Invaliditätsrente mit Hilfe von Zurechnungszeiten — wir wollen jetzt nicht in sozialpolitische Fachgespräche verfallen — eine Versorgung gewährleistet, die in der Regel oberhalb der Sozialhilfe liegt.
Ich bleibe dabei, daß wir in ganz Deutschland eine Rentenversicherung aufbauen, die nicht nach verschiedenen Mustern arbeitet. Wir wollen den Sozialstaat Deutschland, in dem es keine Unterschiede gibt. Wir wollen ein gemeinsames Dach für alle, die in Deutschland leben, also auch für die Rentner in allen Teilen Deutschlands.
Ich muß aber doch noch zur Arbeitsmarktpolitik Stellung nehmen. Der Kollege Dreßler hat wieder gesagt — ich weiß nicht, warum er mir immer diesen Ball vor das Tor schiebt —, daß ich in der zurückliegenden Zeit die Arbeitsmarktpolitik ruiniert hätte.
Ich denke, ich habe ihm jetzt mindestens zwanzigmal darauf geantwortet und will ihm noch einmal darauf antworten. 1982 hatten wir 29 000 Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen; derzeit haben wir 97 000 Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen. Wenn jetzt die Arbeitsmarktpolitik bei fast 100 000 Arbeitsplätzen über Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen in der Bundesrepublik ruiniert ist, was war sie dann bei 29 000 Arbeitsplätzen über Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen unter der SPDRegierung? 29 000 sind doch nur ein Drittel von 97 000, wenn ich richtig rechnen kann.
Ich muß Ihnen in bezug auf Fortbildung und Umschulung — diese habe ich ja angeblich, wie Sie gerade gehört haben, ebenfalls ruiniert — noch einmal sagen: Im letzten Jahr der SPD-Regierung hatten wir 265 000 Zugänge; im letzten Jahr waren es 500 000. Meine Damen und Herren, liebe Zuhörer, was ist mehr: 500 000 oder 265 000? Lieber Herr Kollege Dreßler, warum eigentlich immer die Wiederholung dieser alten Platte?
Lassen Sie mich aber noch etwas zur Kurzarbeit sagen. Frau Kollegin Matthäus-Maier, Sie haben von Kurzarbeit auf Null gesprochen. Ich finde, wir sollten immer die Proportionen richtig schildern. Die Lage ist schwierig genug. Ich will sie keineswegs so darstellen, als wäre sie nicht voller Probleme. Aber machen Sie sie doch nicht schlimmer, als sie ist. Sie nehmen den Leuten ja den Mut.
Sie haben von Kurzarbeit auf Null gesprochen. Zwei Drittel derjenigen, die Kurzarbeit leisten, haben einen Arbeitsausfall unter 50 %. Da können Sie es doch nicht so darstellen, als wären sie alle auf Null.
Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Frau Matthäus-Maier? — Bitte sehr.
Herr Blüm, wollen Sie mir zustimmen, daß der Ausdruck „Kurzarbeit auf Null" nicht von Sozialdemokraten erfunden worden ist, sondern in den fünf neuen Bundesländern gang und gäbe ist — das ist der Ausdruck für das, was stattfindet —, und daß gerade nicht — so war doch die gemeinsame Idee der Kurzarbeit — die Zeit der Kurzarbeit für Qualifizierung und Umschulung genutzt wird, weil dort praktisch noch keine Plätze und Ausbilder vorhanden sind?
Verehrte Frau Matthäus-Maier, Kurzarbeit auf Null gibt es auch. Aber Sie sollten die davon betroffenen 12 % nicht nehmen, um die 88 %, die nicht null arbeiten, nun unter den gleichen Begriff zu fassen.
— Nein, da verwechseln Sie wieder etwas. Meine Statistik habe ich gut im Kopf. Der durchschnittliche Ausfall durch Kurzarbeit beträgt 42 %. 12 % der Kurzarbeiter sind auf Null-Arbeit.Richtig ist, daß wir die Kurzarbeit noch sehr viel stärker mit Qualifizierung und Umschulung verbinden müssen. An Geld mangelt es nicht, an Paragraphen mangelt es nicht. Das Arbeitsförderungsgesetz hat das entsprechende Angebot. Das größte Defizit
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Bundesminister Dr. Blümheißt Initiative und Engagement. Ich nutze die Gelegenheit, auch an die Kommunen zu appellieren. Geld reicht nicht. Wir brauchen Menschen, die Initiative haben und die Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen auch organisieren. Vom Himmel fällt nichts. Wir brauchen Menschen, die eine solche Arbeitsbeschaffungsmaßnahme mit organisieren.Es ist gesagt worden, eine Umschulung sei nicht vorhanden. Immerhin liefen Ende September 75 000 Umschulungen. Mein Ziel war es, bis Ende des Jahres 100 000 Mitbürger in Umschulung und Fortbildung zu haben. Ich glaube, wir übertreffen das Ziel. Die Bundesanstalt für Arbeit geht von 160 000 aus. Sie sehen auch an diesem Beispiel: Die Verwirklichung geht über die Ankündigung hinaus. Wir geben der Realisierung immer den Vorzug. Es gibt eine Politik, die immer mehr ankündigt, als anschließend gemacht wird.Ich glaube, daß wir unser eigenes Ziel übertreffen können — was sehr gut für die Menschen ist — und daß wir uns auch ehrgeizige Ziele für das nächste Jahr vornehmen sollten, nämlich 300 000 Fortbildungsund Umschulungsmaßnahmen und 200 000 Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen.Dem Kollegen Dreßler stimme ich in bezug auf seinen Hinweis auf alte Seilschaften ausdrücklich zu. Ich kann mich auch sehr gut in solche Situationen hineindenken, wo Arbeitnehmer über 40 Jahre von Menschen und Unternehmensleitungen unterdrückt und schikaniert worden sind. Wenn diese Leute jetzt wieder in Führungspositionen stehen, dann verletzt das nicht nur das Gerechtigkeitsgefühl, sondern widerspricht geradezu dem Sinn des Aufstandes gegen Unterdrückung. Ich bin allerdings für rechtsstaatliche Überprüfungen. Wir sind nicht für Kollektivurteile. Aber daß die Peiniger von gestern nicht die neuen Anführer von heute sein können, sollte unsere gemeinsame Überzeugung sein. Das gilt für alle Einrichtungen, also auch für die sozialen Einrichtungen.
Was die Krankenversicherung angeht, so sind Sie, Herr Dreßler, nicht mehr ganz auf dem letzten Stand, da bei der Honorargestaltung bereits ein Anstieg gegenüber dem Einstieg von 45 % beschlossen wurde. Auch dieser Anstieg bezieht sich auf die Lohnentwicklung. Wer es anders will, der soll mir einmal die Frage beantworten, wie man von halb so hohen Löhnen, wie sie im westdeutschen Teil bestehen, die gleichen Preise wie in Westdeutschland bezahlen kann. Wenn er mir das mathematisch erklären kann, dann gebe ich mich geschlagen.Ich bin auch dafür, daß man die Niederlassung von Ärzten mit Investitionshilfen und Krediten unterstützt. Aber ich bin dagegen, daß sozusagen alles auf Kosten der Krankenkasse geschieht. Dafür ist die Krankenkasse nicht in erster Linie da. Sie ist vielmehr für die Heilung der Patienten da.Ich erlaube mir noch ein kritisches Wort, zumal man ja auch wechselseitig voneinander lernen sollte: Man kann auch aus westdeutschen Fehlern lernen. Insofern sollte die Einheit ein wechselseitiges Lernen sein. Man muß nicht im anderen Teil Deutschlands die gleiche Apparatemedizin aufbauen, mit der mancherorts in Westdeutschland der Kontakt zwischen Patient und Arzt geradezu blockiert wird. Insofern sollte man auch hier die Kirche im Dorf lassen.
Ich kann auch noch etwas zu den Pharmapreisen sagen: Daß der Kollege Dreßler das angreift, überrascht mich immer neu. Vor wenigen Wochen habe ich noch gehört, ich würde einem Vorschlag der SPD folgen. Jetzt gibt es offenbar Gegenwind, nun stehe ich wieder allein. Nun gut, dann wollen wir auch dies durchstehen. Was nämlich unter dem Stichwort Solidarität notwendig ist, das werden wir wie in der Vergangenheit gegen Widerstände und gegen Proteste durchsetzen. Was richtig ist, muß gemacht werden.An den Früchten einer solchen Politik partizipieren Millionen von Mitbürgern. Das haben wir bei der Rentenreform gesehen, die wir zusammen gemacht haben, und das sehen wir in diesen Tagen bei der Gesundheitsreform. Die wichtigste Nachricht zur Gesundheitsreform lautet: Ab 1. Januar 1991 wird es in allen Teilen Deutschlands — auch in den fünf neuen Bundesländern — aus dem, was wir dort eingespart haben, Pflegegeld oder Sachleistungen für die Schwerstpflegebedürftigen geben. Die haben die Zuwendung mehr verdient als manche, die gegen unsere Gesundheitsreform protestiert haben.
Wir machen nicht Politik — das bleibt jedenfalls mein Maßstab — für die, die am lautesten schreien. Dann kämen nämlich die zu kurz, die sich nicht selber wehren können, die gar nicht auf dem Marktplatz der Proteste erscheinen können. Auch für die Stillen, die gar nicht in den Schlagzeilen erscheinen können, muß der Sozialstaat dasein. Deren Gewerkschaftsvorsitzender bin ich.
Es ist viel über Finanzierung gesprochen worden. Mein Kollege Waigel hat dazu bereits alles gesagt. Ich will dazu nur sagen: Es kommt immer darauf an, für was man Schulden macht. Schulden für die deutsche Einheit sind eine gute Anlage. Es kommt immer darauf an, für was man Schulden macht. Wenn ein Bauer Schulden macht, um Saatgut zu kaufen, so hat er das Geld gut angelegt; denn er kann die Schulden aus der Ernte des nächsten Jahres bezahlen. Wenn aber derselbe Bauer Schulden macht, um sich den Weinkeller zu füllen, ist er ein armer Mann, wenn er die Weinflaschen leer getrunken hat.
Das ist der Unterschied. Schulden zu machen für eine Zukunftsaufgabe, Schulden zu machen für die deutsche Einheit ist das beste Ziel, was man anstreben kann.Meine Damen und Herren, der Zug „Deutsche Einheit" fährt.
Er richtet sich nicht nach den Fahrplänen der Ideologen, er richtet sich auch nicht nach den Fahrplänen
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Bundesminister Dr. Blümder Bürokraten, sondern die Sehnsüchte der Menschen bestimmen sein Tempo.
Wenn Sie weiter auf dem Bahnsteig stehenbleiben, dann können Sie zwar über Fahrpläne diskutieren, aber der Zug wird an Ihnen vorbeigefahren sein.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Beer.
Herr Präsident! Verehrte Damen und Herren! Herr Blüm, der Zug der deutschen Einheit fährt. Er fährt durch eine vierstündige Debatte, eine Mogelpackung, die man Nachtragshaushalt nennt. Und er fährt in Richtung Golf, was bisher verschwiegen worden ist.Im Nachtragshaushalt sind Milliardenbeträge für die finanzielle Unterstützung des militärischen Aufmarsches der USA und anderer Staaten am Golf vorgesehen. Wir GRÜNEN lehnen diesen finanziellen Flankenschutz für eine militärische Lösung der Golf-Krise entschieden ab.
Statt dessen fordern wir humanitäre Maßnahmen. Humanitäre Maßnahmen, Herr Blüm, gibt es auch noch für viele andere Menschen, und diese nehmen wir sehr ernst.
Wir fordern humanitäre Maßnahmen für die Menschen, die die Hauptleidtragenden der Krise im Golf sind. Dazu gehören insbesondere die „Staatenlosen", vor allem die Palästinenser und die Kurden, die unter den Folgen der Krise ganz besonders zu leiden haben.Wir stellen deswegen heute einen Entschließungsantrag zur namentlichen Abstimmung, der zum Ziel hat, die Milliarden für eine Unterstützung einer militärischen Intervention gänzlich zu streichen. Wir fordern statt dessen die Einrichtung eines Hilfsfonds für humanitäre Hilfe unter Verfügungsgewalt der UNO, um zu verhindern, daß weiter Unwesen mit deutschen Geldern getrieben wird.
Solche humanitäre Hilfe stünde der wiedervereinigten Bundesrepublik sehr gut zu Gesicht, da sie sich durch eine unverantwortliche Rüstungsexportpolitik an der Golf-Krise mitschuldig gemacht hat.Die Bundesregierung aber will mit diesem Nachtragshaushalt an ihrer zynischen, menschenverachtenden Politik in Sachen Golf-Krise festhalten. Es ist doch bodenloser Zynismus, wenn man deutschen Firmen ermöglicht, Giftgasfabriken für den Irak zu bauen, und hinterher mit diesem Haushalt der Produktion von Spürpanzern den Weg ebnet, um dieses Giftgas aufzuspüren, und Gasmasken an die bedrohten Völker dort unten verteilt.Es ist doch ebenso zynisch, wenn die Rüstungsonderhilfe für die Türkei mit dem „Argument" GolfKrise aufgestockt wird, wohl wissend, daß die türkische Zentralregierung einen wirklich brutalen Krieg mit brutalsten Mitteln gegen Teile der eigenen Bevölkerung, nämlich die Kurden, in Türkisch-Kurdistan führt und dabei auch deutsches Rüstungsgut einsetzt.In diesem Zusammenhang sind auch Ankündigungen des Verteidigungsministers Stoltenberg, man sei bereit und in der Lage — wenn nötig, in aller Schnelle — , Bundeswehreinheiten an die türkischirakische Grenze zu verlegen, gelinde gesagt nicht gerade deeskalierend. Im Gegenteil: Eine solche Entsendung deutscher Truppen an den Rand der Krisenregion mag zwar formaljuristisch vom Grundgesetz und auch vom NATO-Vertrag her gedeckt sein, würde in der aktuellen Situation aber gleichwohl dazu beitragen, die Krise zu verschärfen und die Bundesrepublik, möglicherweise in militärische Auseinandersetzungen hineinzuziehen.Wir fordern deshalb den Verzicht auf die Beteiligung deutscher Soldaten an Manövern in dem südöstlichen Gebiet der NATO in der gegenwärtigen Lage. Wir fordern ebenso noch einmal den Rückzug der Minensuchboote der Bundesmarine aus dem östlichen Mittelmeer.Wir kündigen schon heute ganz entschiedenen Widerstand gegen jegliche Versuche an, das Grundgesetz mit dem Ziel zu ändern, Bundeswehreinsätze außerhalb des NATO-Vertragsgebietes möglich zu machen. Wir GRÜNEN lehnen jede Grundgesetzänderung in dieser Richtung ab.
Dies bezieht sich nicht nur auf eventuelle NATO-, WEU- oder EG-Eingreiftruppen, sondern auch auf die Beteiligung an sogenannten UNO-Friedenstruppen, womit mittlerweile relevante Teile der SPD zu liebäugeln scheinen.
Wir sind zwar der Meinung, daß UNO-Blauhelme — das will ich durchaus sagen — in bestimmten Lagen sinnvolle Aufgaben erfüllen können. Es besteht aber überhaupt keine Notwendigkeit, daß sich ausgerechnet Deutschland mit eigenen Truppen daran beteiligt.
Wir sehen bei diesem Spiel der neuen Macht vielmehr die Gefahr, daß eine Grundgesetzänderung zur Ermöglichung der Beteiligung von deutschen Streitkräften an UNO-Streitkräften und -friedenstruppen nur eine „Türöffnerfunktion" für Einsätze „out of area" , also außerhalb des NATO-Gebietes hat.Aber nicht nur eine direkte Beteiligung der BRD an militärischen Aktivitäten im Zusammenhang mit der
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Frau BeerGolf-Krise, die finanziert werden soll, lehnen wir ab, sondern alle Formen indirekter Unterstützung. Ein besonders makaberes Beispiel für solche indirekte Unterstützung lieferte jüngst Herr Stoltenberg. In einem Schreiben vom 4. Oktober 1990 an die Mitglieder des Verteidigungsausschusses teilte er mit — ich zitiere — :... für die Übungseinsätze von in der Bundesrepublik stationierten britischen Luftwaffeneinheiten im Rahmen ihrer Vorbereitung auf den Einsatz in der Golfregion ... Ausnahmeregelungen zugesagt,die diesen Einheiten wieder Übungstiefflüge unterhalb von 300 m erlauben. Das heißt auf deutsch: Der Tiefflugterror gegen die eigene Bevölkerung bei uns wird neu legitimiert,
damit für einen Bündnispartner Übungsgelegenheiten geschaffen werden, um die Bevölkerung in der Golfregion womöglich mit noch viel grausamerem Terror überziehen zu können.Auf zahlreichen Veranstaltungen werden wir als GRÜNE im Zusammenhang mit dieser Golf-Krise dafür plädieren, daß der in weiten Teilen der Öffentlichkeit schon vorhandene Unmut, das Unbehagen über und gegen diese neue Stärke — das Einmischen in neue Kriegssituationen und das Verheimlichen neuer Kriegssituationen
auf Grund wirtschaftlicher Intentionen — wachsen werden.Wir lehnen dieses Spiel mit dem Feuer ab. Es ist illegitim, im Namen der Wiedervereinigung, der Sorge um die Finanzierung der Wiedervereinigung versteckte Haushaltstitel in dieser Form einzubringen.Wir fordern die Friedensbewegung und insbesondere alle anderen Menschenrechtsgruppen dazu auf, verstärkt Initiativen gegen eine militärische und für eine friedliche politische Lösung des Konfliktes am Golf zu ergreifen und dafür zu sorgen, daß dies möglich wird. Wir werden als GRÜNE und als Bündnis 90 mit allen Kräften versuchen, diesen Initiativen unsere Kräfte zur Verfügung zu stellen.Einen Staat wie die Türkei, der offiziell mitteilt, daß die Menschenrechte aufgehoben worden sind, mit Rüstungslieferungen in Höhe von Milliarden DM vollzustopfen ist für diese Regierung und für alle Parlamentarier, die Verantwortung tragen, unwürdig.Vielen Dank.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Wissmann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Unsere Themen sind der Nachtragshaushalt und der ERP-Wirtschaftsplan sowie die Frage, wie wir die großen wirtschaftlichen und finanzpolitischen Herausforderungen in den fünf neuenBundesländern, aber auch die Fortführung der Konjunktur im Westen Deutschlands in Zukunft erfolgreich meistern.
Ich meine, wir sollten zunächst einmal darauf hinweisen, daß wir zur Bewältigung der großen Aufgaben in den fünf neuen Bundesländern vor allem deswegen gut gewappnet sind, weil wir im Westen der Bundesrepublik Deutschland in den letzten acht Jahren eine wirtschaftliche Entwicklung haben, wie wir sie in all den 13 Jahren sozialdemokratischer Regierung in dieser Weise nie vorfinden konnten.
Im August war die Zahl der Erwerbstätigen um 710 000 höher als im Jahr zuvor und hat mit 28,5 Millionen den bisher höchsten Stand in der Geschichte des Westens Deutschlands erreicht. Gleichzeitig haben wir, Herr Kollege Dreßler, mit 1,7 Millionen Arbeitslosen im September den tiefsten Stand der Arbeitslosigkeit seit 1982 erreichen können.
Alles spricht dafür, daß wir auch 1991 mit einer Fortsetzung der guten konjunkturellen Entwicklung im Westen Deutschlands rechnen können. Das versetzt uns auch in die Lage, die großen Schwierigkeiten bei der Umstellung von der sozialistischen Kommandowirtschaft zur Sozialen Marktwirtschaft in den fünf neuen Bundesländern anzugehen.Meine Damen und Herren, bei allen Schwierigkeiten, die wir sehen, muß auch einmal darauf hingewiesen werden, daß es in den fünf neuen Bundesländern nicht nur große Schwierigkeiten gibt, sondern bereits erste Zeichen des Lichts am Ende des Tunnels.
Ich nehme einmal einige Beispiele heraus, die gerne von den professionellen Gespenstersehern verschwiegen werden: Wir haben seit Jahresbeginn einen Zugang von 185 000 kleinen und mittleren Unternehmen in den fünf neuen Bundesländern zu verzeichnen. Derzeit liegen fast 50 000 Anträge mit einem Volumen von 9,7 Milliarden DM auf Erhalt von zinsgünstigen ERP-Krediten vor. 95 % der Antragsteller kommen aus den neuen Bundesländern. Zugesagt wurden bisher 44 100 Anträge mit einem Volumen von 4,9 Milliarden DM.Wir wissen aus dem Westen Deutschlands, daß eine erfolgreiche Existenzgründung nach kurzer Zeit im Schnitt drei bis vier neue Arbeitsplätze schafft. Der Zentralverband des Deutschen Handwerks hat vor wenigen Wochen darauf hingewiesen, daß er davon ausgeht, auf dieser Gründungsbasis könnten in den nächsten 12 Monaten etwa 600 000 neue Arbeitsplätze in Handel, Handwerk und Mittelstand in den fünf neuen Bundesländern entstehen.Meine Damen und Herren, bei all den Schwierigkeiten, die wir sehen — gestiegene Arbeitslosigkeit, gestiegene Kurzarbeit —, gibt es inzwischen auch wachsende Investitionsbereitschaft nicht nur der großen Unternehmen im Westen — Opel, VW, Siemens, Daimler Benz. Vielmehr zeigt eine vor wenigen Tagen
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18320 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 231. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Oktober 1990
Wissmannveröffentliche Umfrage, daß 62 % aller mittelständischen Unternehmen aus dem Westen der Bundesrepublik Deutschland Aktivitäten in den fünf neuen Bundesländern planen.
Deswegen brauchen wir jetzt nicht die professionelle Schwarzseherei der Herren Dreßler, Lafontaine und anderer, wobei Lafontaine dazu im Deutschen Bundestag gar nicht mehr zu sprechen wagt. Wir brauchen mehr Mut zum Anpacken, Unterstützung der Initiativen der Menschen drüben. Diese Politik einer Unterstützung der Initiativen der Menschen betreiben wir hier als Koalition. Wir stellen sie Ihrer pessimistischen Perspektive auch in dieser Debatte mit Klarheit entgegen.
Ich habe einmal nachgelesen, wie 1948/49 manche Sozialdemokraten im Westen auf Ludwig Erhards Konzept der Sozialen Marktwirtschaft reagiert haben und wie sie damals die Zukunft eingeschätzt haben.Der damalige Frankfurter Bürgermeister hat 1949 geschätzt, daß es bis 1978 dauern werde, die Kriegstrümmer der Stadt zu beseitigen. Ein Darmstädter Sozialdemokrat hat damals gemeint, Darmstadt könne bei den üblichen Zementzuteilungen wohl erst in 500 Jahren vollständig wiederaufgebaut werden.Mich erinnern die heutigen Aussagen von Lafontaine & Co. sehr stark an die damals vorhandenen Vorstellungen der Planwirtschaftler in der SPD.
Meine Damen und Herren, Ludwig Erhard hat damals, projiziert auf heute, die richtige Antwort gegeben. Er hat gesagt — ich zitiere —:Die Wiedervereinigung Deutschlands wird in menschlicher und wirtschaftlicher Hinsicht Kräfte frei machen, von deren Stärke und Macht sich die Schulweisheit der Planwirtschaftler nichts träumen läßt.
Was damals gilt, gilt auch heute. Wir müssen die Schwierigkeiten erkennen, wir müssen aber gleichzeitig die Menschen ermutigen, statt ihnen die Hoffnung zu nehmen. Das ist das, was wir auch heute in dieser Debatte sagen müssen. Nicht Ihr Zukunftspessimismus wird am Ende Erfolg haben, sondern die begründete Zuversicht derer, die die Erneuerung auch in den fünf neuen Bundesländern mit dem Konzept der Sozialen Marktwirtschaft bewirken wollen.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Krehl.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Dritte Nachtragshaushalt kann von uns ehemaligen DDR-Bürgern nur als erster Schritt zur Einbindung der fünf neuen ostdeutschen Länder in den Gesamthaushalt begriffen werden. Der Dritte Nachtragshaushalt ist auch der Versuch, Versäumnisse des Jahres 1990, die man hätte vermeiden können, mehr oder weniger zu spät auszugleichen. Deshalb kann ich die Freude von Herrn Blüm nicht ganz teilen. Hier hätte eher gehandelt werden müssen.
Nicht erst seit dem 3. Oktober 1990 besteht die haushaltspolitische Verantwortung des Bundes für das Gebiet der früheren DDR. Schon seit dem ersten Staatsvertrag war die Selbständigkeit der DDR und ihrer Regierung sehr begrenzt.
Der in diesem Vertrag festgelegte Haushaltsrahmen für die Jahre 1990 und 1991 und die Mitwirkungsrechte des Bundesfinanzministers haben der Volkskammer als Haushaltsgesetzgeber faktisch keinen politischen Spielraum gelassen. Er war sogar viel zu eng, um auch nur die notwendigste Vorsorge für die wirtschaftliche Entwicklung in diesem Jahr zu treffen.
Weder die Ausgabenhöhe noch die Möglichkeit der Kreditaufnahme konnten ohne Zustimmung des Bundesfinanzministers verändert werden. Bereits bei den Beratungen über den DDR-Haushalt 1990 in der Regierung und der Volkskammer war allen Beteiligten klar, daß die vom Bundesfinanzminister eingeräumten Haushaltsermächtigungen weder der Entwicklung in der DDR noch der Entwicklung in den neuen Bundesländern — nach der Vereinigung — gerecht werden können.Aber die rechtliche und politische Verantwortung lag schon damals bei der Bundesregierung. Erst jetzt werden diese, wie ich meine, aus wirtschafts- und arbeitsmarktrechtlicher Sicht viel zu engen Fesseln, die die Bundesregierung der DDR-Regierung im Staatsvertrag angelegt hat, haushaltsmäßig gelokkert.Als aber die Konsequenzen der mangelnden haushaltsmäßigen Vorsorge erkennbar und von der DDRArbeitsministerin Regine Hildebrand und dem Finanzminister Walter Romberg auch öffentlich genannt wurden, nahm die Bundesregierung ihre politische Verantwortung überhaupt nicht wahr.
Im Gegenteil, die Auffassung des Bundeskanzlers, des Bundesfinanzministers und des Kanzleramtsministers von angeblichen Horrormeldungen und Schrekkensbildern des DDR-Finanzministers haben hier alle noch im Ohr. Daß schon damals der Ministerpräsident de Maizière und sein Staatssekretär Krause als Sprachrohr der Bundesregierung die inkompetenten Äußerungen aufnahmen und wiederholten, konnte auch kaum jemanden verwundern.
Denn gleichzeitig mit diesen Äußerungen waren jaauch die Zusagen des Bundeskanzlers für die gutdotierten Bundesministerstellen ohne Aufgabenbe-
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Frau Krehlreich für die Zeit nach dem Seitenwechsel bekanntgeworden.
Die jetzt im Dritten Nachtragshaushalt gezogenen haushaltsmäßigen Konsequenzen für die Entwicklung in den neuen Bundesländern sind also lediglich die Korrekturen einer falschen Einschätzung durch die politisch Verantwortlichen, und das war und ist in erster Linie die Bundesregierung.
Es stünde den Verantwortlichen gut an, hier heute ihre damaligen Fehler klar einzuräumen und sich für ihre, wie inzwischen deutlich geworden ist, inkompetente Kritik an dem früheren Finanzminister Walter Romberg zu entschuldigen.
Doch ich hoffe, daß heute mit dem Nachtragshaushalt Weichen für gemeinsame Anstrengungen und gemeinsame Erfolge in den neuen Bundesländern gestellt werden. — Aber sind diese Weichenstellungen ausreichend, Herr Kollege? Sind die haushaltsmäßigen Absicherungen für die Entwicklung in den neuen Bundesländern und ihren Gemeinden in den nächsten Monaten tragfähig? Ich muß hier die politisch verantwortlichen Stellen deutlich fragen, weil deren Verantwortung von wesentlicher, in vielen Fällen von existentieller Bedeutung ist. Gibt es eine finanzpolitische Perspektive für die Bürger und die Politiker in den neuen Ländern und ihren Gemeinden, die ihnen ein rechtzeitiges Handeln und Planen für die kommenden zwölf Monate überhaupt erlaubt? Gibt es Vorbereitungen dazu in der Bundesregierung, und wenn ja: Wie sehen sie aus? Was folgt, wenn dieser Nachtragshaushalt am 31. Dezember ausläuft? Wie sieht der Anschluß an diesen Nachtragshaushalt aus? Wird die haushaltspolitische Verantwortung mindestens bis Mitte nächsten Jahres voll beim Bund bleiben?Der heute hier zu beschließende Nachtragshaushalt wirft die Frage der Anschlußfinanzierung in den neuen Bundesländern und den Gemeinden verstärkt auf.
Durch das Niveau der Ausgaben auf dem Gebiet der früheren DDR müßte der Haushalt gewaltig erhöht werden. Die Einnahmeerwartungen mußten um fast ein Drittel zurückgenommen werden. Das hat zwangsläufig Konsequenzen für den Haushalt 1991. Es stimmt doch nicht, daß die Bundesregierung für dieses Jahr den wirtschaftlichen Zusammenbruch in der früheren DDR mit minus 14 % beim Bruttosozialprodukt bereits für dieses Jahr in ihrer Planung berücksichtigt hat.Wenn die Umstellung des Planwirtschaftssystems auf eine Marktwirtschaft und die gleichzeitige Öffnung der ostdeutschen Märkte für den internationalen Wettbewerb einen solchen Einbruch auslöst und die Arbeitslosigkeit so hoch treibt, ist die Sozialunion, sind die Verantwortlichen in der Bundesregierung darauf vorbereitet, auch die soziale Komponente derSozialen Marktwirtschaft für die Menschen dort zu verwirklichen?Ich werfe hier keine abstrakten Fragen auf, die sich aus der Integration zweier verschiedener Wirtschaftsräume ergeben. Mir geht es um die notwendigen Grundlagenkenntnisse, die die politisch Verantwortlichen in den neuen Bundesländern und ihren Gemeinden in diesen Tagen haben müssen, um ihre Tätigkeit für ihre Bürgerinnen und Bürger überhaupt aufnehmen zu können.
Frau Abgeordnete, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Frau Hamm-Brücher?
Ja.
Frau Kollegin, wäre es Ihnen recht, wenn ich den Herrn Präsidenten bitte, daß er Ihnen für ihre Rede ein bißchen mehr Ruhe verschafft?
Ich wäre dafür sehr dankbar.
Meine Damen und Herren, wer länger in diesem Parlament ist, auch in diesem Provisorium Wasserwerk, weiß, daß, wenn alle zur Abstimmung in diesen Saal strömen, ein ganz natürlicher Geräuschpegel entsteht, der manchmal etwas höher und manchmal schwächer ist. Ich bin sehr froh, wenn es so bleibt, wie es jetzt ist. — Darf ich bitten fortzufahren.
Ich möchte hier deutlich feststellen, daß mit der Verweigerung und Verschiebung der haushaltsmäßigen Transparenz auch die vollständige Übernahme der politischen Verantwortung für die Haushaltspolitik der Gebietskörperschaften in der früheren DDR verbunden ist. Die Verantwortung liegt eindeutig bei der Bundesregierung.Wir Bürgerinnen und Bürger der ehemaligen DDR haben natürlich hohe Erwartungen in die Einheit gesetzt. Nun trifft aber für den Privathaushalt im kleinen das zu, was im großen für den Staatshaushalt gilt. In Eisenhüttenstadt, meiner Heimat, nahe der polnischen Grenze ist es genauso wie in den zur Westgrenze gelegenen Teilen Brandenburgs und um Berlin herum und in den anderen Gebieten der ehemaligen DDR: Große Enttäuschung, weil die Bürger sehen, daß nichts so vorangeht, wie es die Bundesregierung seit einem Jahr immer wieder versprochen hat.
Den Vergleich zwischen geweckten Erwartungen und dem traurigen Ist-Zustand kann jeder Bürger der ehemaligen DDR bei sich selbst vornehmen. Keinem sollte es schlechter gehen als vorher, war das Verspre-
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Frau Krehlchen des Bundeskanzlers. Oder war es ein Versprecher?
Unterschwellig suggerierte er, daß es vielen oder den meisten, wenn nicht gar allen besser gehen würde als vorher. Uns geht es besser, soweit nicht die wirtschaftlichen Folgen, über die man hier im Dritten Nachtragshaushalt beraten muß, in Rede stehen. Wir haben durch den Umbruch in unserem Land die Reisefreiheit gewonnen, und wir haben seit einigen Monaten die D-Mark als Zahlungsmittel. Dennoch geht es uns in den wirtschaftlichen Dingen des täglichen Lebens nicht besser.
Vielen geht es schlechter, weil auf der einen Seite sofort das Preisniveau der Bundesrepublik zu 100 und mehr in Anwendung gekommen ist,
auf der anderen Seite die Löhne und Gehälter aber nicht entsprechend gestiegen sind. Die Tage der noch niedrigen Mieten und Energiekosten sind gezählt.Und vergessen wir nicht die große Zahl der Rentnerinnen und Rentner, Arbeitslosen und Alleinerziehenden. Es ist in der Tat so, daß die Zahl derer in den nächsten Monaten wachsen wird, die am bzw. unter dem Existenzminimum leben. Dies ist ein bedenklicher Prozeß, weil es hier erneut enttäuschte Hoffnungen gibt, Bürger, die sich betrogen fühlen, Bürger, die sich an den Rand der Gesellschaft, in den Schatten versetzt fühlen.Bedenklich ist auch folgender Prozeß: Frauen waren in der ehemaligen DDR zu über 90 % berufstätig und damit ökonomisch unabhängig. Jetzt sieht es so aus, daß bei den notwendigen Strukturveränderungen und Einsparungen zuerst und überdurchschnittlich viele Frauen entlassen werden. Bereits jetzt ist ihr Anteil an den Arbeitslosen überproportional hoch. Sie werden wieder ökonomisch abhängig und werden an den Kochtopf zurückgeschickt. Die Chance für Frauen, an Qualifizierungsmaßnahmen und ähnlichem teilzunehmen, ist wesentlich geringer als für Männer. Ist das die Familienpolitik der CDU?
Die von allen Parteien verlangte Wahlmöglichkeit der Frauen zwischen Beruf und Familie sowie deren Vereinbarkeit ist so nicht durchzusetzen.
Wie sieht es denn jetzt in den ostdeutschen Ländern aus? Die Arbeitslosigkeit steigt. Die Zahl der Kurzarbeiter mit Arbeitszeit null ist enorm hoch. Ich habe dabei immer folgendes Bild vor Augen: Wenn ich durch die Orte meiner Heimat fahre — und das sollten auch Sie sich vielleicht einmal ansehen — , sind auf einmal viele Frauen und Männer tagsüber zu Hause, schwatzen in aller Seelenruhe miteinander, streichen Gartenzaun und ähnliches. Es ist eine trügerische Idylle. Sie sind arbeitslos oder Kurzarbeiter. Dabei gibt es genügend Arbeiten, die begonnen werden müßten.
Die Kommunen müßten jede Menge Aufträge zur Verbesserung z. B. der Infrastruktur erteilen. Sie haben die finanziellen Mittel nicht oder nicht ausreichend zur Verfügung.
Ich muß da auch Herrn Blüm sagen: Unsere Bürger sind initiativ. Sie wollen ihre Heimat gestalten. Ich widerspreche Ihnen da ganz entschieden.
Auch wenn der Anfang schwierig ist und die Bundesregierung mit ihren Fehleinschätzungen und Verschleierungen nicht unbedingt zu einer Verbesserung der Lage fähig war, werden wir es gemeinsam schaffen. Wir Sozialdemokraten werden darum kämpfen. Aber dafür müssen Sie, Herr Bundeskanzler und Ihre Regierung, etwas tun, damit sich die Lebensverhältnisse, die in Bezug auf Freiheit der persönlichen Entfaltung verbessert worden sind, nun auch wirtschaftlich verbessern.Meine Damen und Herren! „Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben." Sollen nun aber die Bürgerinnen und Bürger der ehemalgen DDR dafür bestraft werden, daß die Bundesregierung ihre Verantwortung für die Haushaltsfragen auch der neuen Bundesländer erst so spät und in mangelhafter Art annimmt?Danke schön.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Nowack.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es fällt mir schwer, in dieser Debatte herauszubekommen, was die SPD im Zusammenhang mit der Einheit Deutschlands eigentlich wirklich will.
— Ich höre hin. Ich höre, Herr Vogel, nicht nur heute hin, ich habe die letzten 35 Jahre hingehört, was Sie in diesem Hohen Hause gesagt haben.
Als der Kollege Dreßler sprach, habe ich mich z. B. daran erinnert, daß er vor zwei oder drei Jahren in derselben Art und Weise Schwarzmalerei betrieben hat.
— Sie haben doch die Probleme mit der Einheit des Vaterlandes, doch nicht ich.Viele meiner Freunde und sehr viele Menschen der damaligen DDR haben die Geschichte dieses Deutschen Parlamentes seit den ersten Bundestagswahlen
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Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 231. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Oktober 1990 18323
Nowackim August 1949 bis zur Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990 aufmerksam verfolgt. Mit der Bildung der ersten Regierung durch Konrad Adenauer im September 1949 begann die erfolgreiche Geschichte dieses Parlamentes. Sie ist mit Personen verknüpft, deren Stimmen mir noch heute gegenwärtig sind. Lassen Sie mich bitte einige Namen nennen. Diese Personen, die in dieser Zeit im Deutschen Bundestag gesprochen haben, haben für die Bevölkerung in den neuen Bundesländern, der ehemaligen DDR, eine große Bedeutung gehabt. Das war Konrad Adenauer, das war Kurt Schumacher, das war Ludwig Erhard, das war Herr 011enhauer, das war Thomas Dehler — ich könnte weitere aufzählen.Dieses Parlament legte ein festes Fundament für die Demokratie. Es ist das beste und erfolgreichste Parlament in der Geschichte unseres Landes. Die Festigung der Demokratie, die Sicherung der wirtschaftlichen Entwicklung und die Arbeit aller Menschen in diesem Lande schufen die Voraussetzung für die Wiedervereinigung am 3. Oktober.
Das Ziel der Wiedervereinigung verfolgten kontinuierlich und ohne Zweifel an dieser Aufgabe: CDU, CSU und FDP. Die Namen Helmut Kohl und Franz Josef Strauß sind dabei zu nennen.
Bis zu Beginn der 60er Jahre konnte man das mit wenigen Abstrichen auch von der SPD sagen.
Wir bemerkten damals bei geschärfter Sensibilität für diese Problematik, — —
— Die Menschen in der DDR.
— Nein, mein Herr, da sind Sie bei mir absolut an der falschen Adresse. Ich bin niemals ein Mitglied irgendeiner Blockpartei gewesen. Da sind Sie schief gewikkelt; da liegen Sie ganz schief.
Herr Abgeordneter Nowack, ich möchte gerne ein paar Bemerkungen machen.
Meine Damen und Herren, Sie haben mit gutem Recht erwartet, daß die Vertreterin der sozialdemokratischen Fraktion Ihre Ausführungen in Ruhe machen konnte.
— Bei uns gibt es die Regelung, daß Sie sich, wenn der Präsident spricht, nicht dazwischenmischen.
Daran sollten Sie sich möglichst rasch gewöhnen.
— Herr Abgeordneter Nowack, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Ich bitte, die Frage am Schluß meiner Ausführungen zu stellen.
— Ich habe keine Angst — da machen Sie sich keine Sorgen — , vor Ihnen nicht und vor denen dort hinten schon gar nicht.
Das Ziel der Wiedervereinigung verfolgten die CDU und CSU kontinuierlich ohne Abstriche.
Wir bemerkten damals bei verschärfter Sensibilität für diese Problematik die ersten Töne, die einen Kurswechsel der SPD in der deutschen Frage anzeigten. — Das war Anfang der 60er Jahre. — Dies war der Beginn einer traurigen Entwicklung.
Was dann von Ihnen, meine sehr verehrten Damen und Herren von der SPD, bis zum heutigen Tage gesagt und getan wurde, kann man folgendermaßen zusammenfassen: Mit der Einheit des Vaterlandes hatte die SPD nicht mehr viel im Sinn.
— Ich werde es Ihnen gleich erzählen. — Damit die Vergeßlichkeit nicht wieder zur Initialzündung einer neuen SPD-Politik wird, nenne ich enge Fakten: Die SPD forderte die Streichung des Wiedervereinigungsgebotes des Grundgesetzes. Ist das wahr, oder ist das nicht wahr?
Sie forderten den Verzicht auf die staatliche Einheit Deutschlands. Sie forderten die Anerkennung einer eigenen Staatsbürgerschaft der DDR. Sie waren für die Auflösung der Zentralen Erfassungsstelle in Salzgitter. Das ist keine Geschichtsfälschung, sondern Wahrheit.
Nun könnte ich Ihnen eine Vielzahl von Zitaten bringen — ich habe sie alle hier stehen — , die das untermauern. Ich kann aber darauf verzichten. Ich will Ihnen nur das letzte Zitat — —
— Wir sprechen später darüber. Lassen Sie mich meinen Vortrag zu Ende bringen.
Herr Egon Bahr hat noch am 3. November 1989 und am 13. Dezember 1989 in der „Frankfurter Rund-
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Nowack
schau" gesagt, die Wiedervereinigung sei kein Thema.
Er hat gesagt: „In der Teilung gibt es deutsche Chancen." Das ist keine Geschichtsklitterung; das stimmt so.
Es geht weiter: — —
Herr Abgeordneter Nowack, ich bin überzeugt, es geht weiter. Aber Ihre Redezeit ist zu Ende.
— Ich will zum Schluß nur noch folgendes sagen: Haben Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren von der SPD, einmal darüber nachgedacht, wieviel Hoffnungslosigkeit Sie bei den Menschen in der DDR damals mit dieser Politik erzeugt haben, bei Menschen, die eingesperrt waren und die Hoffnung zum Überleben brauchten?
Daher ist z. B. auch — —
Herr Abgeordneter Nowack, es tut mir leid, wenn einer, der zum erstenmal in diesem gemeinsamen Parlament spricht, schon „abgeschaltet" werden muß.
Ich kann die Aufregung verstehen. Nur noch zwei Minuten.
Herr Abgeordneter, es ist zu Ende, wenn ich das sage. Es geht nicht mehr weiter.
Sie können ganz sicher sein, meine sehr verehrten Damen und Herren — —
Meine Damen und Herren! Jeder Redner an diesem Pult muß die Verantwortung für das übernehmen, was er gesagt hat.
Verehrte Kollegen, es gibt bei uns, wenn die Redezeit abgelaufen ist, keine Möglichkeit mehr, Zwischenfragen zu stellen. Das gilt auch für Herrn Kollegen Schmude.
Wir haben noch zwei Redner. Als erster spricht Herr Abgeordneter Wüppesahl.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist nicht ganz einfach, nach dieser Stimmungskanone, die vor mir gesprochen hat, die gleichzeitig zu feige gewesen ist, Zwischenfragen zuzulassen, und die insgesamt bei mir den Eindruck hinterlassen hat, daß die Erinnerung an den Auftritt in der Philharmonie nicht sehr weit entfernt gewesen ist, das Wort zu ergreifen und wieder zur Sachlichkeit zurückzukommen.Ich möchte ganz gerne Ausführungen zur Rentenentwicklung machen. Ich halte die Art und Weise, wie die Rentenerhöhung nach dem Vorschlag von Herrn Blüm — er hat ja gerade vor wenigen Minuten gesprochen — ab 1. Januar 1991 vorgenommen werden soll, für nicht akzeptabel. Der Sozialzuschlag soll nicht in die Dynamisierung einbezogen werden. Das bedeutet, daß die etwa 600 000 Rentner, die die niedrigsten Renten haben, auch den geringsten Zuwachs bekommen werden. Sie gehen fast leer aus. Diejenigen, die eine Rentenerhöhung am dringendsten benötigen, sollen am wenigsten bekommen. Das kann und darf nicht zugelassen werden, schon gar nicht in der Art und Weise eines Wahlkampfgeschenks. Wir haben nicht nur in dieser Legislaturperiode das Phänomen, daß in den ersten zweieinhalb Jahren die unangenehmen Dinge durchgezogen werden — erinnern wir uns nur an die Gesundheitsreform, die Steuerreform und anderes — , und kurz vor dem nächsten Wahltermin kommen dann kleine Geschenke zurück, die bei weitern nicht das in die Taschen der benachteiligten Gruppen unserer Bevölkerung zurücktransportieren, was ihnen vorher durch Reformwerke herausgezogen wurde.Wenn wir von der Mindestrente in Höhe von 330 DM und einer jährlichen Anhebung der Renten um 15 % ausgehen, so würden hierfür drei Jahre erforderlich sein. Mit anderen Worten: Die Ausschließung des Sozialzuschlags von der Dynamisierung könnte zu dem unakzeptablen Zustand führen, daß die am stärksten Benachteiligten drei Jahre lang doppelt benachteiligt werden. Wenn wir ferner berücksichtigen, daß die Dynamisierung des Sozialzuschlags eine Größenordnung von weniger als 30 Millionen DM jährlich bedeutet, wird die Fragwürdigkeit dieses Vorhabens offensichtlich.Meines Erachtens sollte das Prinzip der prozentualen Erhöhung der Renten kritisch hinterfragt und korrigiert werden.
Es bedeutet, daß die höchsten Renten auch die größten absoluten Zuwächse erhalten, die niedrigsten aber die geringsten. Das heißt, daß die Abstände zwischen hohen und niedrigen Renten kontinuierlich weiter anwachsen. Ist das soziale Gerechtigkeit?Schließlich müßte rechtzeitig die Anfang 1991 voraussehbare sehr spürbare Erhöhung der Lebenshaltungskosten u. a. durch höhere Mieten, Tarife und anderes mehr bei der Bestimmung der notwendigen
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WüppesahlRentenhöhe berücksichtigt werden. Sonst würde die Schere zwischen Renten und Lebenshaltungskosten noch weiter geöffnet.
Nach bisherigen Berechnungen würde eine Mindestrente von 1 200 DM plus Wohngeld, so wie es auch der Senioren-Schutz-Bund Graue Panther vorschlägt, erforderlich sein.Bei der Diskussion dieser Frage und insbesondere der Finanzierung und bei dem immer wieder auftretenden Argument, eine stärkere Erhöhung der Renten sei eben nicht finanzierbar, muß man sich die Frage stellen: Soll diese reiche Bundesrepublik, der ökonomisch stärkste Staat Europas, so arm sein, daß sie den Rentnern nicht die Grundversorgung bei den notwendigen Lebensbedürfnissen einschließlich Wohnen sichern kann? Das kann nicht hingenommen werden.
Entschuldigen Sie, Herr Abgeordneter Wüppesahl. Mein verehrter Vorgänger hier in diesem Amte hat einen gewissen Geräuschpegel für akzeptabel gehalten. Sie, meine Damen und Herren, sind im Begriff, diesen Geräuschpegel deutlich zu überschreiten. Ich wäre sehr dankbar, wenn Sie den Geräuschpegel wieder ein wenig senken würden.
Bitte sehr, Herr Abgeordneter.
Vielen Dank, Herr Präsident.
Zur Lösung der vielfältigen Rentenprobleme von der Art der Dynamisierung der Renten über die Schaffung eines weiterentwickelten Rentenrechts bis zur besseren Objektivierung der Zusammenhänge zwischen Lebenshaltungskosten und Renten halte auch ich die Bildung des von der PDS beantragten Sonderausschusses für zweckmäßig. Sie werden bei der Abstimmung gleich die Gelegenheit haben, einem solchen Antrag zuzustimmen.
Zur Aufrechterhaltung der bisher erreichten Lebensqualität vieler älterer Bürger in den ostdeutschen Ländern unterstütze ich eine dringliche Bitte der Volkssolidarität aus der ehemaligen DDR. Denn auch ich bin der Meinung, daß neben der Herausbildung eines breit gefächerten Angebots sozialer Dienste durch alle Wohlfahrtsverbände der Volkssolidarität die bisherige finanzielle Förderung aus öffentlichen Mitteln weitergewährt werden sollte, auch über das Jahr 1990 hinaus. Angesichts der im nächsten Jahr besonders auch in den ostdeutschen Ländern zu lösenden Aufgaben ist es mir unverständlich, daß bis jetzt weder der Entwurf noch die Eckwerte des Haushaltsplans 1991 vorliegen. Sollen hiermit die Kosten aus wahltaktischen Gründen bagatellisiert werden?
Warum wird keine solide finanzielle Vorausschau gegeben?
Herr Präsident, ich wäre dankbar, wenn mir diese Unterbrechungen von der Redezeit abgezogen würden.
Herr Abgeordneter Wüppesahl, Sie wissen doch, daß Sie so großzügig behandelt werden. Nun verlängern Sie die Sache nicht noch durch Diskussionen mit mir. Bitte fahren Sie fort.
Herr Cronenberg, Sie wissen genau, daß ich in der fünfstündigen Debatte, die wir jetzt schon führen — die Debatte sollte eigentlich um 13 Uhr beendet sein; es ist jetzt 14.04 Uhr —, wirklich nicht der Anlaß gewesen bin, daß wir jetzt schon eine Stunde überzogen haben. Bis 13.55 Uhr habe ich das Wort nicht ergriffen; vielmehr haben die Fraktionen in ihrer Maßlosigkeit einen Redner und eine Rednerin nach dem bzw. der anderen nach vorne geschickt.Weshalb wurde die offizielle Steuerschätzung über die Entwicklung des Steueraufkommens im Jahre 1991 und darüber hinaus auf Dezember, einen Zeitpunkt nach der Bundestagswahl, verschoben? Alles das sind Fragen, die zum Teil in der Debatte aufgeworfen wurden und von der Bundesregierung und den sie tragenden Fraktionen hier im Hause nicht schlüssig beantwortet werden konnten.Ich möchte Ihnen zum Abschluß meines zu kurz bemessenen Redekontingentes die Möglichkeit geben, bei der Abstimmung über einige wenige der von mir eingebrachten Änderungsanträge Ihre gestrige Entscheidung, der PDS den Fraktionsstatus im Bundestag zu verwehren, zu korrigieren. Ich habe zehn Änderungsanträge eingebracht; davon sind neun auf die Haushaltskapitel bezogen, die die notwendige Bereitstellung von zusätzlichen Haushaltsmitteln erforderlich machen, um einen fraktionsgleichen Status für die PDS, aber auch die übrigen i20 Abgeordneten, die von der Volkskammer hierher entsandt wurden, zu ermöglichen.Ich möchte z. B., daß der Titel für Mieten und Pachten um 500 000 DM angehoben wird, weil die augenblickliche Raumsituation, daß jeder Abgeordnete, der in der Volkskammer war, nur einen Büroraum zur Verfügung hat, wirklich eine Diskriminierung erster Klasse darstellt. Sie wissen selbst, daß der Standard für uns so aussieht, daß wir zwei Räume haben, damit die Abgeordneten in Ruhe Gespräche führen und die Mitarbeiter in ihrem separaten Raum tätig sein können.Darüber hinaus haben die Fraktionen eine erhebliche Zahl von Funktionsräumen zur Verfügung gestellt bekommen. Funktionsräume hat die PDSGruppe überhaupt nicht. Im Gegensatz zu den anderen Kollegen aus der Volkskammer, die in den großen Fraktionen aufgefangen werden, ist gerade im Hinblick auf die Funktionsräume, nicht auf ihren persönlichen Bedarf an Büroräumen, die Deklassierung der PDS im Bereich der Raumsituation offensichtlich.Dasselbe gilt für Telefax- und Teletext-Standleitungen. Es ist natürlich absurd, daß wir altbundesdeutsche Abgeordnete in unseren Wahlkreisbüros diese hervorragenden Kommunikationstechniken haben, aber gerade die Abgeordneten unter uns, die aus einem Gebiet der jetzigen Bundesrepublik kommen, in dem die Kommunikationstechnologie noch weit hinterherhinkt, nicht in der Lage sind, einen annähernd vergleichbaren Arbeitsstandard eingeräumt zu be-
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Wüppesahlkommen. Das gilt auch für die Kollegen unter Ihnen, die bei der CDU/CSU, SPD, FDP und GRÜNEN/Bündnis 90 aus der Volkskammer kommen.Ich bin auch sehr gespannt, wie sich gerade die Abgeordneten aus der Volkskammer — ich muß leider zum Schluß kommen, weil meine Redezeit zu Ende ist — unter Ihnen, die jetzt in den Altfraktionen des Bundestages Platz gefunden haben, sich bei diesen Änderungsanträgen verhalten werden.Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit und bitte um Zustimmung zu den Anträgen.
Meine Damen und Herren, nun bitte ich noch um drei Minuten Ruhe für die Abgeordnete Frau Unruh.
Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Volksvertreterinnen und Volksvertreter! Ich werde diesem dritten Nachtragshaushalt zustimmen,
und ich kann Ihnen auch sagen, warum. Ich kann es nicht ertragen, wie Sie sich hier wieder gegenseitig fertigmachen, wie Sie nicht zur Kenntnis nehmen, daß letztlich die Landtagswahlen gelaufen sind in der ehemaligen DDR.
Die Menschen drüben haben entschieden, daß jetzt erst mal die CDU/CSU und die FDP dran sind.
Jetzt stehen wir zur Bundestagswahl an, und Sie werden es doch bitte den Wählerinnen und Wählern in der ehemaligen DDR überlassen, wen sie jetzt wieder wählen zu müssen meinen und wer für sie die beste Vertretung ist.
Ihre einäugigen Darstellungen hier stören einen Menschen wie mich wahnsinnig. So kann es nämlich nicht weitergehen. Ich meine, wenn wir die Demokratie auch in der ehemaligen DDR ernst nehmen, dann müssen wir alle ehemaligen DDR-Bürger und -Bürgerinnen auffordern, wählen zu gehen und ihr Meinungsbild abzugeben.
Im nächsten Deutschen Bundestag — am 2. Dezember wird ja gewählt —, wird es hier viele andere Gesichter geben. Wie werden wir dann entscheiden? Das ist eine ganz andere Frage.
Ein Punkt steht fest: Die von den Grauen Panthern initiierte Partei DIE GRAUEN kommt hinein. Das Wichtigste ist dann die Innenpolitik. Wir wollen, daß z. B. die Altersarmut wegkommt, daß Rente Lohnersatz wird, ob hier oder dort.
Frau Abgeordnete, sind Sie bereit, eine Zwischenfrage des Abgeordneten Stratmann-Mertens zu beantworten?
Ja, immer.
Bitte sehr, Herr Abgeordneter.
Meine Zwischenfrage stützt sich auf deine Gewißheit, daß DIE GRAUEN hineinkommen. Treffen Gerüchte zu, daß die Grauen Panther nach Verhandlungen mit der DSU über das Trittbrett CDU in den Bundestag hineinrutschen wollen?
Frau Unruh (fraktionslos): Diese Frage
ist genauso unverschämt wie die Unterstellung der GRÜNEN, wir würden eventuell mit der PDS verhandeln.
Zusätzlich sage ich: Wir Grauen Panther haben eine Partei initiiert, und in voller Unabhängigkeit kämpfen wir um Wählerstimmen — mit einem minimalen Betrag von 300 000 DM.
Sie werden über 60 Millionen, Sie werden — was weiß ich — 100 Millionen für den Wahlkampf ausgeben. Wir stehen noch für Idealismus. Das ist die Beantwortung Ihrer Frage.
— Da sollten Sie nicht weggehen.
— Danke!
Frau Abgeordnete Unruh, bitte fahren Sie fort.
Wir werden dafür sorgen, daß es ein neues Arbeitsförderungsgesetz gibt, bei dem Massenarbeitslosigkeit nicht bedeutet, in den Sumpf zu fallen. Das Bundessozialhilfegesetz wird geändert werden, damit die Sippenhaft ersten Grades aufhört. Die Arbeitslosenhilfe wird so gestaltet werden, daß die Arbeitslosen wie Menschen unter uns leben können.
In diesem Sinne: Wählt DIE GRAUEN!
Bevor wir mit dem Abstimmungsmarathon in diesem überfüllten Saal beginnen, möchte ich mit Rücksicht darauf, daß einige Kollegen aus der ehemaligen Volkskammer offen-
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Vizepräsident Cronenbergsichtlich nicht richtig informiert sind, noch einmal darauf aufmerksam machen: Sie benötigen für die namentlichen Abstimmungen Karten, rot, blau oder weiß. Für jeden von Ihnen ist draußen in der Lobby ein Fach angelegt worden, aus dem Sie diese Karten holen können. Ich bitte also, sich rechtzeitig mit den erforderlichen Namensstimmkarten zu versehen. Ich zeige Ihnen ein rotes und ein blaues Exemplar dieser Karten. Die weiße ist nicht dabei.Wir kommen nun zur Abstimmung über den dritten Nachtragshaushalt 1990, und zwar zunächst zu den dritten Nachträgen zu den Einzelplänen.Ich rufe den dritten Nachtrag zu dem Einzelplan 01 auf. Es handelt sich um den Einzelplan des Bundespräsidenten und des Bundespräsidialamts. Wer stimmt dafür? — Wer stimmt dagegen? — Enthaltungen? — Dieser Einzelplan ist mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU, der FDP und der SPD bei Gegenstimmen der Gruppe der PDS und der Fraktion DIE GRÜNEN/Bündnis 90 mit einigen Ausnahmen — zwei Abgeordnete der Fraktion DIE GRÜNEN/Bündnis 90 haben sich enthalten — angenommen.Ich rufe den dritten Nachtrag zum Einzelplan 02 auf. Hierzu liegen uns Änderungsanträge vor.Wer stimmt für den Änderungsantrag der Abgeordneten Frau Stolfa und weiterer Mitglieder der Gruppe der PDS, der Ihnen auf Drucksache 11/8226 vorliegt?— Wer stimmt dagegen? — Enthaltungen? — Dieser Antrag ist mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU, der FDP und der SPD bei Enthaltung der Fraktion DIE GRÜNEN/Bündnis 90 abgelehnt worden.Jetzt kommen wir zu dem Änderungsantrag des Abgeordneten Dr. Steinitz und weiterer Mitglieder der Gruppe der PDS, der Ihnen auf Drucksache 11/8227 vorliegt. Wer stimmt für diesen Änderungsantrag der Gruppe der PDS? — Wer stimmt dagegen?— Enthaltungen? — Dann ist dieser Antrag mit der gleichen Mehrheit abgelehnt.Wer stimmt für den Änderungsantrag des Abgeordneten Wüppesahl auf Drucksache 11/8229? — Wer stimmt dagegen? — Enthaltungen? — Dann ist dieser Antrag bei Enthaltung der Fraktion DIE GRÜNEN/Bündnis 90 mit Zustimmung der Gruppe der PDS und des Abgeordneten Wüppesahl mit den Stimmen von SPD, CDU/CSU und FDP abgelehnt.Wer stimmt für den Änderungsantrag des Abgeordneten Wüppesahl auf Drucksache 11/8230? — Wer stimmt dagegen? — Enthaltungen? — Dann ist dieser Antrag mit der gleichen Mehrheit abgelehnt.Wer stimmt für den Änderungsantrag des Abgeordneten Wüppesahl auf Drucksache 11/8231? — Wer stimmt dagegen? — Enthaltungen? — Dann ist dieser Antrag mit den gleichen Mehrheitsverhältnissen abgelehnt worden.Wer stimmt für den Änderungsantrag des Abgeordneten Wüppesahl auf Drucksache 11/8232? — Wer stimmt dagegen? — Enthaltungen? — Dieser Antrag ist mit der gleichen Mehrheit abgelehnt. Es waren allerdings einige Zustimmungen bei der Fraktion DIE GRÜNEN/Bündnis 90 zu verzeichnen.Wer stimmt für den Änderungsantrag des Abgeordneten Wüppesahl auf Drucksache 11/8233? — Wer stimmt dagegen? — Enthaltungen? — Dann ist dieser Antrag mit der gleichen Mehrheit wie beim vorhergehenden Antrag abgelehnt worden, wiederum bei mehreren Zustimmungen aus der Fraktion DIE GRÜNEN/Bündnis 90.Wer stimmt für den Änderungsantrag des Abgeordneten Wüppesahl auf Drucksache 11/8234? — Wer stimmt dagegen? — Enthaltungen? — Dann ist dieser Antrag mit den gleichen Mehrheitsverhältnissen abgelehnt worden.Wer stimmt für den Änderungsantrag des Abgeordneten Wüppesahl auf Drucksache 11/8235? — Wer ist dagegen? — Enthaltungen? — Mit gleicher Mehrheit abgelehnt.Wer stimmt für den Änderungsantrag des Abgeordneten Wüppesahl auf Drucksache 11/8236? — Wer ist dagegen? — Enthaltungen? — Mit der gleichen Mehrheit abgelehnt.Wir kommen nunmehr zu dem Änderungsantrag des Abgeordneten Wüppesahl auf Drucksache 11/8237. Wer stimmt dafür? — Wer ist dagegen? — Enthaltungen? — Mit der gleichen Mehrheit abgelehnt.Wer stimmt für den dritten Nachtrag zum Einzelplan 02 — es handelt sich um den Haushalt des Deutschen Bundestags — in der Ausschußfassung? — Wer stimmt dagegen? — Enthaltungen? — Dann ist dieser Plan mit den Stimmen der CDU/CSU, FDP und SPD sowie einigen Stimmen aus der Fraktion DIE GRÜNEN/Bündnis 90 gegen die Stimmen der Gruppe der PDS, die Stimme des Abgeordneten Wüppesahl und einigen Stimmen aus der Fraktion DIE GRÜNEN/Bündnis 90 angenommen.
— Enthaltung bei der Gruppe der PDS. Das halten wir fest.Es wird an mich der Wunsch herangetragen, über die Nachträge zu den Einzelplänen 03, 04 und 05 — das betrifft Bundesrat, Bundeskanzleramt und Auswärtiges Amt — getrennt abstimmen zu lassen. Ich komme diesem Wunsch nach.Ich lasse zunächst über den Nachtrag zum Einzelplan 03 — Bundesrat — abstimmen. Wer dafür stimmt, den bitte ich um das Handzeichen. — Wer stimmt dagegen? — Enthaltungen? — Dann ist dieser Nachtrag angenommen worden mit den Stimmen der sozialdemokratischen Fraktion, der CDU/CSU-Fraktion sowie der FDP-Fraktion bei unterschiedlichem Stimmverhalten in der Gruppe der PDS und in der Fraktion DIE GRÜNEN/Bündnis 90.Ich komme nunmehr zu Einzelplan 04 — Bundeskanzleramt. Wer stimmt dafür? — Wer stimmt dagegen? — Enthaltungen? — Dann ist der dritte Nachtrag zum Einzelplan 04 — Bundeskanzleramt — mit den Stimmen der CDU/CSU-Fraktion und der FDP-Fraktion gegen die Stimmen des Restes des Hauses angenommen. —
Entschuldigung, ich werde von einem der Schriftführer darauf aufmerksam gemacht, daß sich einige beider Gruppe der PDS der Stimme enthalten haben. Ist
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Vizepräsident Cronenbergdas richtig? — Ja. Dann wollen wir das im Protokoll festhalten. Herr Abgeordneter Dr. Daniels, Sie auch? — In Ordnung.Dann kommen wir jetzt zum Auswärtigen Amt. Wer dem dritten Nachtrag zum Einzelplan 05 — Auswärtiges Amt — zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Wer stimmt dagegen? — Wer enthält sich? — Dann ist der dritte Nachtrag zum Einzelplan 05 — Auswärtiges Amt — mit den Stimmen der CDU/CSU-Fraktion, der FDP-Fraktion und der SPD-Fraktion bei teilweiser Ablehnung in der Fraktion DIE GRÜNEN/Bündnis 90 und der Gruppe der PDS und bei teilweiser Enthaltung in der Fraktion DIE GRÜNEN/Bündnis 90 und der Gruppe der PDS angenommen.Ich rufe nunmehr den Nachtrag zum Einzelplan 06 auf. Hier handelt es sich um den Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern. Auch hierzu liegen uns Änderungsanträge vor.Zunächst einmal rufe ich den Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf, der Ihnen auf Drucksache 11/8214 vorliegt. Wer diesem Änderungsantrag der SPD zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Wer stimmt dagegen? — Enthaltungen? — Dieser Änderungsantrag ist mit den Stimmen der CDU/CSU- und FDP-Fraktion bei Stimmenthaltungen in der FDP-Fraktion und bei Zustimmung der Gruppe der PDS und der SPD — bei einigen Enthaltungen — abgelehnt.Wer dem Änderungsantrag der Fraktion DIE GRÜNEN/Bündnis 90 auf Drucksache 11/8242 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Wer stimmt dagegen? — Enthaltungen? — Keine Enthaltung. Dann ist dieser Antrag mit den Stimmen der Sozialdemokraten, der CDU/CSU und der FDP abgelehnt.Wer stimmt für den dritten Nachtrag zum Einzelplan 06 — Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern? Wer lehnt ihn ab? — Enthaltungen? — Keine Enthaltungen. Dann ist der dritte Nachtrag zum Einzelplan 06 mit den Stimmen der CDU/CSU und FDP angenommen.Ich rufe nunmehr den dritten Nachtrag zum Einzelplan 07 auf. Hier handelt es sich um den Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz. Wer diesem dritten Nachtrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Wer stimmt dagegen? — Enthaltungen? — Der dritte Nachtrag zum Einzelplan 07 ist gegen die Stimmen der SPD-Fraktion, der Gruppe der PDS und der GRÜNEN/Bündnis 90 — mit zwei Ausnahmen in dieser Fraktion, wenn ich es richtig gesehen habe — angenommen.Dann rufe ich den dritten Nachtrag zum Einzelplan 08 auf. Hier handelt es sich um den Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen.Zunächst einmal lasse ich über den Änderungsantrag der Abgeordneten Frau Dr. Kaufmann und weiterer Mitglieder der Gruppe der PDS abstimmen. Dieser Änderungsantrag liegt Ihnen auf Drucksache 11/8228 vor. Wer diesem Änderungsantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Wer stimmt dagegen? — Enthaltungen? — Der Antrag ist von der SPD-Fraktion, von Teilen der Fraktion DIE GRÜNEN/Bündnis 90 — bei einigen Enthaltungen in dieser Fraktion — und mit den Stimmen der CDU/ CSU-Fraktion und der FDP-Fraktion abgelehnt.Wir kommen nunmehr zur Abstimmung über den dritten Nachtrag zum Einzelplan 08. Wer stimmt für den Nachtrag zum Einzelplan 08? — Wer stimmt dagegen? — Enthaltungen? — Dann ist der Nachtrag zum Einzelplan 08 mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen angenommen.Ich rufe nunmehr den dritten Nachtrag zum Einzelplan 09 auf. Es handelt sich um den Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft. Auch hierzu liegt ein Änderungsantrag vor. Wer stimmt für den Änderungsantrag der Fraktion DIE GRÜNEN/Bündnis 90 auf Drucksache 11/8243? — Wer stimmt dagegen? — Enthaltungen? — Dann ist dieser Änderungsantrag mit den Stimmen der Fraktionen von CDU/CSU und FDP gegen die Stimmen der SPD-Fraktion, der Fraktion DIE GRÜNEN/Bündnis 90 und der Gruppe der PDS abgelehnt worden.Wer stimmt nunmehr für den Nachtrag zum Einzelplan 09 in der Ausschußfassung? — Wer stimmt dagegen? — Enthaltungen? — Keine. Mit der gleichen Stimmenmehrheit ist der Nachtrag zum Einzelplan 09 angenommen worden.Ich rufe nunmehr die dritten Nachträge zu den Einzelplänen 10, 11, 12, und 13 auf. Es handelt sich um die Geschäftsbereiche Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, Arbeit und Sozialordnung, Verkehr, Post und Telekommunikation. Wer stimmt für die Nachträge zu den Einzelplänen 10, 11, 12 und 13 in der Ausschußfassung? — Wer stimmt dagegen? — Enthaltungen? — Eine Enthaltung. Dann sind diese Nachträge zu den genannten Einzelplänen mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen bei einer Enthaltung aus der Gruppe der PDS angenommen worden. Die übrigen Stimmen waren Gegenstimmen.Ich rufe nunmehr den Nachtrag zum Einzelplan 14 auf. Hier handelt es sich um den Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung. Auch hierzu liegen Änderungsanträge vor, und zwar ein Antrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 11/8218 und ein Antrag der Fraktion DIE GRÜNEN/Bündnis 90 auf Drucksache 11/8245. Beide Fraktionen haben namentliche Abstimmung verlangt. Die Änderungsanträge sind inhaltsgleich. Wir können die Beschlußfassung also in einer Abstimmung vollziehen.Das Verfahren der namentlichen Abstimmung ist bekannt. Ich eröffne die Abstimmung über die Anträge auf Drucksachen 11/8218 und 11/8245. —Haben alle Abgeordneten ihre Stimme abgegeben? — Ich darf die Fraktionen fragen, ob ich die namentliche Abstimmung schließen kann. — Meine Damen und Herren, dann schließe ich die namentliche Abstimmung *) und bitte Sie, wieder Platz zu nehmen, damit wir das Abstimmungsverfahren fortsetzen können.Meine Damen und Herren, wir lassen nun diese namentliche Abstimmung auszählen. Ich gehe davon*) Ergebnis Seite 18329
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Vizepräsident Cronenbergaus, daß wir die weiteren Abstimmungen jetzt vornehmen können. Über den Einzelplan 14 wird aber insgesamt erst dann abgestimmt, wenn das Ergebnis dieser namentlichen Abstimmung vorliegt. Ich bitte die Schriftführer, sich zur Verfügung zu stellen, damit schnell ausgezählt werden kann.Wir kommen nunmehr zu weiteren Abstimmungen, und zwar über die Änderungsanträge, die sich ebenfalls auf den Einzelplan 14 beziehen. Wer stimmt für den Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 11/8215? — Wer stimmt dagegen? — Wer enthält sich? — Dann ist der Änderungsantrag mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen bei unterschiedlichem Stimmverhalten der Fraktion DIE GRÜNEN/Bündnis 90 — teilweise gab es Ablehnung, teilweise Enthaltung — und bei einem ähnlichen Stimmverhalten der Gruppe der PDS abgelehnt worden.
Wer stimmt für den Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 11/8216? — Wer stimmt dagegen? — Enthaltungen? — Dann ist dieser Änderungsantrag der Fraktion der SPD mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen abgelehnt worden.Wir kommen nunmehr zum Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 11/8217. Wer stimmt für diesen Änderungsantrag? — Wer stimmt dagegen? — Enthaltungen? — Dieser Änderungsantrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen abgelehnt worden, während sich die überwiegende Zahl der Abgeordneten der Fraktion der GRÜNEN/Bündnis 90 und einige Abgeordnete aus der Gruppe der PDS der Stimme enthalten haben.Wir kommen nunmehr zum Änderungsantrag der Fraktion DIE GRÜNEN/Bündnis 90 auf Drucksache 11/8244. Wer für diesen Änderungsantrag ist, den bitte ich um das Handzeichen. — Wer stimmt dagegen? — Enthaltungen? — Dann ist dieser Änderungsantrag durch die Fraktionen der SPD, der CDU/CSU und der FDP bei einigen Enthaltungen innerhalb der SPD-Fraktion abgelehnt worden.Wer stimmt für den Änderungsantrag des Abgeordneten Wüppesahl auf Drucksache 11/8238? — Wer stimmt gegen diesen Antrag? — Enthaltungen? — Dieser Antrag ist mit der Mehrheit der Koalitionsfraktionen bei einigen Enthaltungen aus der SPD-Fraktion abgelehnt worden.Wie angekündigt, kann ich jetzt noch nicht über den Einzelplan 14 in toto abstimmen lassen. Das wird geschehen, wenn mir das Ergebnis der letzten namentlichen Abstimmung vorliegt.Ich rufe nunmehr die Einzelpläne 15, 16, 19, 20 und 23 auf, über die auf Wunsch der SPD-Fraktion ebenfalls einzeln abgestimmt wird.Wir kommen zum Einzelplan 15. Das ist der Geschäftsbereich Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit. Wer dem Dritten Nachtrag zu diesem Einzelplan zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. — Wer stimmt dagegen? — Enthaltungen? — Dann ist dieser Einzelplan bei Enthaltung des Abgeordneten Wüppesahl mit der Mehrheit der Koalitionsfraktionen angenommen.Wir kommen nunmehr zum Einzelplan 16: Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit. Wer diesem Einzelplan zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Wer stimmt dagegen? — Enthaltungen? — Dann ist dieser Einzelplan mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Fraktionen DIE GRÜNEN/Bündnis 90 und SPD und der Gruppe der PDS bei 2 Enthaltungen aus der Gruppe der PDS angenommen worden.Wir kommen nunmehr zum Einzelplan 20: Bundesverfassungsgericht. Wer diesem Einzelplan zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Wer stimmt dagegen? — Enthaltungen? — Dann ist der Einzelplan des Bundesverfassungsgerichts mit den Stimmen der Fraktionen der SPD, der CDU/CSU und der FDP bei einigen Enthaltungen und einigen Gegenstimmen aus der Fraktion DIE GRÜNEN/Bündnis 90 und der Gruppe der PDS angenommen.
— Okay, das halten wir gerne fest. Damit das klar ist: In der Gruppe der PDS gab es Zustimmung, Enthaltung und Ablehnung.Nun kommen wir zum Einzelplan des Bundesrechnungshofes. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Wer stimmt dagegen? — Enthaltungen? — Dann ist der Einzelplan des Bundesrechnungshofes mit den Stimmen der SPD, der CDU/CSU, der FDP und der Fraktion DIE GRÜNEN bei unterschiedlichem Stimmverhalten der Gruppe der PDS angenommen worden.Wir kommen nunmehr zu dem Einzelplan 23 des Bundesministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Wer stimmt dagegen? — Enthaltungen? — Dieser Einzelplan ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen angenommen worden.Ich gebe nunmehr das von den Schriftführern ermittelte Ergebnis der gemeinsamen namentlichen Abstimmung über die Änderungsanträge der Fraktion der SPD auf Drucksache 11/8218 und der Fraktion DIE GRÜNEN/Bündnis 90 auf Drucksache 11/8245 zum Einzelplan 14 bekannt. Abgegebene Stimmen: 588. Ungültig: keine. Mit Ja haben gestimmt: 249. Mit Nein haben gestimmt: 336. Es haben sich 3 Abgeordnete der Stimme enthalten.Endgültiges ErgebnisAbgegebene Stimmen 585; davonja: 247nein: 335enthalten: 3JaSPDFrau Adler AmlingAndresAntretter Dr. Apel Bachmaier BahrBamberg
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18330 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 231. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Oktober 1990
Vizepräsident CronenbergBecker BernrathBindigDr. Böhme
Börnsen BrandtBrückBüchler
Dr. von BillowBuschfort ConradiDaubertshäuserDr. Diederich
DillerDreßlerDuveEgertDr. Ehmke
Dr. EhrenbergDr. EmmerlichErlerEstersFrau FaßeFischer
Frau Fuchs
Frau GanseforthGanselGerster
GilgesDr. Glotz Großmann Haack
Frau HämmerleFrau Dr. Hartenstein HasenfratzDr. HauchlerHäuserHeimann HeistermannHerberholz HeyennHiller
Dr. Holtz HornHuonkerJahn
JaunichJungmann Frau KastnerKastning KiehmKirschner KiBlinger Dr. KlejdzinskiKolbowKoltzsch Dr. Kübler Kühbacher Kuhlwein Lambinus Leonhart Lohmann
LutzFrau LuukFrau Matthäus-MaierDr. Mertens Müller (Düsseldorf)Müller
Müller MünteferingNagelNehmF?au Dr. NiehuisDr. Niese NiggemeierDr. NöbelFrau Odendahl OesinghausOostergeteloOpelDr. Osswald PaternaPauliDr. Penner PfuhlDr. PickPurpsReimannFrau Renger ReschkeReuschenbachReuterRixeRothSchäfer
SchanzDr. Scheer SchluckebierFrau Schmidt Dr. SchmudeDr. SchöfbergerSchreinerSchröer
SchützFrau Schulte SeidenthalFrau Seuster SielaffSieler
Frau Dr. Skarpelis-SperkDr. SoellFrau Dr. Sonntag-Wolgast Dr. SperlingStahl
SteinerFrau SteinhauerStobbeDr. Struck Frau Terborg TietjenFrau Dr. TimmUrbaniakVerheugen Dr. VogelVosenWaltemathe WaltherWartenberg
Frau Dr. Wegner WeiermannFrau Weiler Dr. Wernitz WestphalFrau Weyel Dr. WieczorekWieczorek
Frau Wieczorek-Zeul Wiefelspützvon der WiescheWimmer
Dr. de With ZanderZeitlerZumkleySPD
AmendeFrau Barbe BogischDr. BotzFrau Dräger Dr. ElmerFrau Fritsch GutzeitDr. Heltzig HilsbergDr. KalzKamilliFrau Krehl KuessnerFrau Dr. LucygaFrau MorgensternDr. Misselwitz Richter
SeegerSchemmel SchröderSchwanitz SchultzeSorgeDr. Stephan Stockmann ThierseFrau Uecker Voigtländer WeisWeißgerberFDPBaumDr. FeldmannFrau Dr. Hamm-Brücher Dr. HirschDIE GRÜNENFrau Beck-OberdorfFrau Beer BrauerDr. Daniels Frau EidFrau Flinner Frau Garbe HäfnerFrau Hensel Frau HillerichHossHüserKleinert
Dr. Knabe Frau KottwitzKreuzederDr. Lippelt
Dr. Mechtersheimer Meneses VoglFrau NickelsFrau Oesterle-Schwerin Frau RockDr. Roske Frau Rust Frau Saibold Frau SchillingFrau Schmidt Stratmann-MertensSuchFrau TeubnerVolmerWeiss
WetzelFrau WollnyDIE GRÜNEN
Dr. DörflerSchulzDr. Ullmann WollenbergerGruppe der PDS
Frau Dr. Bittner Frau DenekeFrau Fache Frau Dr. FischerDr. Friedrich
Frau Dr. FuchsDr. HeuerFrau Dr. KaufmannDr. Keller Dr. Klein Frau Dr. MorgensternDr. RiegeFrau Dr. SchönebeckDr. Schumann Dr. Schumann (Potsdam)Dr. Seifert Dr. Steinitz Frau Stolf a Frau WegenerFraktionslosDr. BriefsFrau Unruh WüppesahlNeinCDU/CSUDr. Abelein Frau AugustinAustermann Dr. Bauer BayhaDr. Becker
Dr. Blank Dr. Blens Dr. Blüm Böhm
Börnsen
Dr. Bötsch BohlBohlsenBorchertBreuerBrunnerBühler
Buschbom Carstens
Carstensen ClemensDr. Czaja DawekeFrau DempwolfDeresDewitzDörflingerDr. Dollinger DossDr. Dregger Echternach EngelsbergerEylmannDr. FaltlhauserFeilckeDr. FellFellnerFrau Fischer Fischer
Francke
Dr. Friedrich FuchtelGanz
Frau Geiger GeisDr. GeißlerDr. von GeldernGerstein
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Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 231. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Oktober 1990 18331
Vizepräsident CronenbergGerster
GlosDr. GöhnerDr. Götz GröblDr. GrünewaldGünther Dr. HäfeleHamesFrau HasselfeldtHaungsHauser
HedrichFreiherr Heeremanvon ZuydtwyckFrau Dr. HellwigHelmrich Dr. HennigHerkenrathHinrichs Hinsken Höffkes HöpfingerHörsterDr. HoffackerFrau Hoffmann
Dr. HornhuesHornungFrau Hürland-BüningDr. HüschJägerDr. Jahn
Dr. JobstJung
Jung
KalbKalisch Dr.-Ing. KansyDr. KappesFrau KarwatzkiKellerKiechle KittelmannKlein
Dr. Köhler KolbKossendeyKrausKreyKroll-SchlüterDr. KronenbergDr. Kunz
LamersDr. LammertDr. LangnerLattmannDr. Laufs Lenzer Frau LimbachLink
Link
LinsmeierLintnerDr. Lippold LouvenLowack Lummer MaaßFrau MännleMaginDr. MahloMarschewskiDr. Meyer zu Bentrup MichelsDr. MöllerDr. MüllerMüller
Müller
NelleDr. NeulingNeumann
Dr. Olderog OswaldPeschPfeffermann PfeiferDr. Pfennig Dr. PingerDr. Pohlmeier Dr. ProbstRauenRaweReddemann Regenspurger RepnikDr. Riedl
Dr. RiesenhuberFrau Rönsch Frau Roitzsch (Quickborn) Dr. RoseRossmanith Roth RüheDr. Rüttgers RufSauer
Sauer Sauter (Epfendorf)Frau Schätzle SchemkenSchmidbauerFrau Schmidt Schmitz (Baesweiler)von SchmudeDr. Schneider Schneider (I.-Oberstein) Freiherr von Schorlemer SchreiberDr. Schroeder SchulhoffDr. Schulte
Schulze SchwarzDr. Schwarz-SchillingDr. Schwörer SeehoferSeesingSeitersSpilkerSprangerDr. SprungDr. Stark
Dr. StavenhagenDr. Stercken Dr. Stoltenberg StraßmeirStrubeStücklenFrau Dr. SüssmuthSussetTillmannDr. Todenhöfer Dr. Uelhoff UldallDr. UnlandFrau VerhülsdonkVogel
Vogt
Dr. Voigt
Dr. VondranDr. WaffenschmidtDr. WaigelGraf von Waldburg-Zeil Dr. WarnkeDr. WarrikoffDr. von Wartenberg Werner
Frau Will-Feld Frau Dr. Wilms WilzWimmer
WindelenFrau Dr. Wisniewski WissmannDr. WittmannWürzbach Dr. Wulff Zeitlmann ZiererDr. ZimmermannZinkCDU
Frau Dr. Ackermann AlbrechtBarthel Bauer BeckerFrau Dr. Bergmann-Pohl Frau BrudlewskyCreter Dehnel Dr. DorendorfEhlersDr. FiedlerDr. FischerDr. GeislerGöttschingDr. GoldhahnGriesHaschke, G.Haschke, U.HolzHönicke Frau JaffkeDr.-Ing. JorkDr. KleditzschKlinkert Dr. KochKöhler KoslowskiDr. KrauseKrauseDr. Ing. KrügerFrau LandgrafLejade MaizièreFrau Martini zum Berge Frau MichalkNitsch Frau NolteNowack Dr. Paar Patzig Frau PfeifferFrau PriebusRauRauber Frau RehmReichenbachRotherDr. ScharfFrau Dr. SchmidtDr. SchmidtSchneiderSchwalbeSelkeFrau TammThees Toscher Unger Wagner WetzelDr. Wieczorek WonnebergerZimmermann DSU
Dr. GottschallSchmidtDr. Ing. Schmiele SteinerDr. TieslerDr. WaltherFDPFrau Dr. Adam-Schwaetzer BeckmannBredehornCronenberg Eimer (Fürth)EngelhardFrau Folz-SteinackerFunkeGallusGattermann Genscher GriesGrünerDr. HaussmannDr. Hitschler HoppeDr. Hoyer IrmerKleinert
Dr.-Ing. LaermannDr. Graf Lambsdorff Mischnick NeuhausenNoltingPaintner RichterRindRonneburgerSchäfer
Frau Dr. SegallFrau Seiler-AlbringDr. Sohns Dr. Thomae TimmFrau WalzDr. Weng Wolfgramm (Göttingen) Frau WürfelZywietzFDP
AnniesFelberKleyLehment Dr. Ortleb Dr. WöstenbergDr. Zirkler ZschornackEnthaltenCDU/CSUScharrenbroich FDPHeinrich KohnDie Anträge sind damit abgelehnt worden.
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18332 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 231. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Oktober 1990
Vizepräsident CronenbergIch rufe nunmehr den Einzelplan 14 in der Ausschußfassung auf. Wer diesem Einzelplan zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Wer stimmt dagegen? — Enthaltungen? — Dann ist dieser Einzelplan mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen angenommen worden.Wir kommen nunmehr zum Dritten Nachtrag zum Einzelplan 25: Geschäftsbereich des Bundesministers für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau. Hier liegt ein Änderungsantrag der Fraktion der SPD vor, und zwar auf Drucksache 11/8219. Wer diesem Änderungsantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Wer stimmt dagegen? — Enthaltungen? — Dieser Antrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen bei einer Enthaltung aus der Gruppe der PDS abgelehnt worden.Wer stimmt nunmehr dem Nachtrag zum Einzelplan 25 in der Ausschußfassung zu? — Wer stimmt dagegen? — Enthaltungen? — Dann ist dieser Einzelplan mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen angenommen worden.Ich rufe nunmehr die Dritten Nachträge zu den Einzelplänen 30, 31, 32, 36 und 60 auf. Es handelt sich um die Geschäftsbereiche Forschung und Technologie, Bildung und Wissenschaft, Bundesschuld, zivile Verteidigung und allgemeine Finanzverwaltung. Wer diesen Einzelplänen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Wer gegen diese Einzelpläne zu stimmen wünscht, den bitte ich ebenfalls um das Handzeichen. — Wer enthält sich? — Keine Enthaltungen. Damit sind die Einzelpläne 30, 31, 32, 36 und 60 mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen angenommen worden.Wir kommen nunmehr zum Dritten Nachtrag zum Gesamtplan des Bundeshaushalts 1990. Wer stimmt dafür? — Wer stimmt dagegen? — Enthaltungen? — Dann ist der Dritte Nachtrag zum Gesamtplan mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen angenommen worden.Ich rufe nunmehr den Entwurf des Dritten Nachtragshaushaltsgesetzes 1990 auf. Wir stimmen zunächst über den hierzu vorliegenden Änderungsantrag der Fraktion DIE GRÜNEN/Bündnis 90 auf Drucksache 11/8241 ab. Wer für diesen Änderungsantrag zu stimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Wer stimmt dagegen? — Enthaltungen? — Eine Enthaltung. Damit ist dieser Änderungsantrag mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen bei einer Stimmenthaltung aus der Gruppe der PDS abgelehnt worden.Ich rufe nunmehr den Entwurf eines Dritten Nachtragshaushaltsgesetzes 1990 mit den Art. 1 bis 3, Einleitung und Überschrift in der Ausschußfassung auf. Die Abstimmung hierüber wird mit der Schlußabstimmung verbunden.Meine Damen und Herren, die Fraktionen der CDU/CSU und der FDP sowie die Fraktion DIE GRÜNEN/Bündnis 90 haben hierzu namentliche Abstimmung verlangt. Ich eröffne die namentliche Abstimmung über das Dritte Nachtragshaushaltsgesetz 1990 und mache Sie noch einmal darauf aufmerksam, daß wir noch mehrere namentliche Abstimmungen haben werden und daß bei einer Abstimmung eine qualifizierte Mehrheit, die Kanzlermehrheit, über das Ergebnis entscheiden wird.Meine Damen und Herren, ich schließe die Abstimmung und bitte Sie, für die weiteren namentlichen Abstimmungen Platz zu nehmen. Das Ergebnis dieser namentlichen Abstimmung werde ich später bekanntgeben.*)Mit Ihrem Einverständnis werden wir nunmehr mit den Abstimmungen fortfahren. Ich lasse zunächst über die Entschließungsanträge abstimmen, für die eine namentliche Abstimmung verlangt worden ist.Wir kommen zuerst zur namentlichen Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion DIE GRÜNEN/Bündnis 90 auf Drucksache 11/8246. Stehen die Urnen inzwischen wieder bereit? Sind die Urnen besetzt? — Alles in Ordnung. Dann eröffne ich die namentliche Abstimmung über den Entschließungsantrag auf Drucksache 11/8246.Ich werde von verschiedenen Seiten gebeten, das Haus noch einmal darauf aufmerksam zu machen, daß es nachher eine Abstimmung geben wird, bei der 332 Stimmen für die Entscheidung benötigt werden.Befinden sich Abgeordnete im Saal, die noch nicht abgestimmt haben? — Das ist offensichtlich nicht der Fall. Ich schließe die Abstimmung. Das Ergebnis der namentlichen Abstimmung wird später bekanntgegeben.**)Ich unterstelle Ihre Zustimmung, daß wir mit den Abstimmungen fortfahren können.Wir kommen nunmehr zur nächsten namentlichen Abstimmung. Ich bitte wiederum, die Urnen vorzubereiten. Es handelt sich um den Entschließungsantrag der Fraktion DIE GRÜNEN/Bündnis 90 auf Drucksache 11/8247. — Meine Damen und Herren, Sie können noch nicht abstimmen. Der Abgeordnete Weisskirchen hat gebeten, eine Erklärung zur Abstimmung abgeben zu dürfen. Ich lasse diese Erklärung erst zu, wenn Sie freundlicherweise wieder Platz genommen haben.Herr Abgeordneter Weisskirchen, Sie haben das Wort zur Abgabe einer Erklärung zur Abstimmung.
Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Wenn sich die sozialdemokratische Bundestagsfraktion bei diesem Antrag der Stimme enthalten wird, dann nicht deswegen, weil wir das Anliegen nicht verstünden oder weil wir es nicht teilen würden. Es gibt einen ganz entscheidenden Grund dafür, daß wir mit Enthaltung stimmen, und zwar den, daß sofort rasch wirksame Mittel eingesetzt werden müssen, um insbesondere in den strukturschwachen Regionen, in denen die Frage der Auflassung von Militärstandorten ansteht, Maßnahmen einleiten zu können. Wir halten es für notwendig, direkte Förderungsmaßnahmen zu ergreifen. Wir haben deswegen einen entsprechenden Antrag eingebracht.* Ergebnis Seite 18333** Ergebnis Seite 18336
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Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 231. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Oktober 1990 18333
Weisskirchen
Wir werden demnächst im Zusammenhang mit der Konversion noch darüber reden müssen, ob wir gesetzliche Maßnahmen brauchen. In diesem Zusammenhang werden wir entsprechende Initiativen ergreifen. Aber den Regionen muß sofort geholfen werden. Deswegen stimmen wir heute mit Enthaltung.
Nach dieser Erklärung zur Abstimmung kommen wir zur namentlichen Abstimmung über den Antrag auf Drucksache 11/8247. Die Abstimmung ist eröffnet.Befindet sich noch jemand im Saal, der noch nicht abgestimmt hat? — Kann ich schließen? — Ich schließe die Abstimmung *) und bitte, die Urnen für die nächste Abstimmung vorzubereiten.Nun gebe ich das von den Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen Schlußabstimmung über das Dritte Nachtragshaushaltsgesetz 1990 bekannt. Das Gesetz liegt Ihnen vor auf den Drucksachen 11/7950, 11/8132, 11/8148 und 11/8160. Abgegebene Stimmen: 589. Ungültig: keine. Mit Ja haben gestimmt: 345 Abgeordnete, mit Nein 243 Abgeordnete. Es gab eine Enthaltung.Endgültiges ErgebnisAbgegebene Stimmen 590; davonja: 346nein: 243enthalten: 1JaCDU/CSUDr. Abelein Frau AugustinAustermannDr. Bauer BayhaDr. Becker
Dr. Blank Dr. Blens Dr. Blüm Böhm
Börnsen
Dr. Bötsch BohlBohlsen Borchert BreuerBrunnerBühler
Buschbom Carstens
Carstensen ClemensDr. Czaja DawekeFrau DempwolfDeresDewitzDörflinger Dr. Dollinger DossDr. Dregger Echternach Engelsberger EylmannDr. Faltlhauser FeilckeDr. FellFellnerFrau Fischer Fischer Francke (Hamburg) Dr. Friedrich FuchtelGanz Frau GeigerGeisDr. GeißlerDr. von Geldern GersteinGerster GlosDr. Göhner Dr. GötzGröbl*) Ergebnis Seite 18338Dr. GrünewaldGünther Dr. HäfeleHarriesFrau Hasselfeldt HaungsHauser HedrichFreiherr Heeremanvon ZuydtwyckFrau Dr. Hellwig HelmrichDr. HennigHerkenrathHinrichs Hinsken Höffkes HöpfingerHörsterDr. HoffackerFrau Hoffmann Dr. HornhuesHornungFrau Hürland-Büning Dr. HüschJägerDr. Jahn
Dr. JobstJung
Jung
KalbKalisch Dr.-Ing. KansyDr. KappesFrau KarwatzkiKellerKiechle KittelmannKlein
Dr. Köhler KolbKossendeyKrausKreyKroll-SchlüterDr. KronenbergDr. Kunz LamersDr. LammertDr. LangnerLattmannDr. Laufs Lenzer Frau LimbachLink
Link LinsmeierLintnerDr. Lippold LouvenLowack Lummer MaaßFrau MännleMaginDr. MahloMarschewskiDr. Meyer zu Bentrup MichelsDr. MöllerDr. MüllerMüller Müller (Wesseling) NelleDr. NeulingNeumann
Dr. OlderogOswald PeschPfeffermannPfeiferDr. PfennigDr. PingerDr. Pohlmeier Dr. ProbstRauenRaweReddemann Regenspurger RepnikDr. Riedl
Dr. RiesenhuberFrau Rönsch Frau Roitzsch (Quickborn) Dr. RoseRossmanith Roth RüheDr. Rüttgers RufSauer
Sauer Sauter (Epfendorf)Frau Schätzle Scharrenbroich SchemkenScheuSchmidbauerFrau Schmidt Schmitz (Baesweiler)von SchmudeDr. Schneider Schneider (I.-Oberstein) Freiherr von Schorlemer SchreiberDr. Schroeder SchulhoffDr. Schulte
Schulze SchwarzDr. Schwarz-SchillingDr. Schwörer SeehoferSeesingSeitersSpilkerSprangerDr. SprungDr. Stark
Dr. StavenhagenDr. Stercken Dr. Stoltenberg StraßmeirStrubeStücklenFrau Dr. SüssmuthSussetTillmannDr. Todenhöfer Dr. UelhoffUldallDr. UnlandFrau VerhülsdonkVogel
Vogt
Dr. Voigt
Dr. Vondran Dr. VossDr. WaffenschmidtDr. WaigelGraf von Waldburg-Zeil Dr. WarnkeDr. WarrikoffDr. von Wartenberg Werner
Frau Will-Feld Frau Dr. Wilms WilzWimmer WindelenFrau Dr. Wisniewski WissmannDr. Wittmann
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18334 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 231. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Oktober 1990
Vizepräsident CronenbergWürzbachDr. WulffZeitlmannZiererDr. ZimmermannZinkCDU
Frau Dr. Ackermann AlbrechtBarthel Bauer BeckerFrau Dr. Bergmann-Pohl Frau BrudlewskyCreter Dehnel Dr. DorendorfEhlersDr. FiedlerDr. FischerDr. GeislerGöttschingDr. GoldhahnGriesHaschke, G.Haschke, U.HolzHönickeFrau JaffkeDr.-Ing. JorkDr. KleditzschKlinkertDr. KochKöhler KoslowskiDr. KrauseKrauseDr.-Ing. KrügerFrau LandgrafLejade MaizièreFrau Martini zum Berge Frau MichalkNitsch Frau NolteNowackDr. PaarPatzigFrau PfeifferFrau PriebusRauRauber Frau RehmReichenbachRotherDr. ScharfFrau Dr. SchmidtDr. SchmidtSchneiderSchwalbeSelkeFrau TammThees Toscher Unger Wagner WetzelDr. Wieczorek WonnebergerZimmermannDSU
Dr. Gottschall Frau LandgrafSchmidtDr.-Ing. Schmiele SteinerDr. TieslerDr. WaltherFDPFrau Dr. Adam-Schwaetzer BaumBeckmann BredehornCronenberg Eimer (Fürth)EngelhardDr. FeldmannFrau Folz-Steinacker FunkeGallusGattermann Genscher GriesGrünerFrau Dr. Hamm-Brücher Dr. HaussmannHeinrichDr. Hirsch Dr. Hitschler HoppeDr. Hoyer IrmerKleinert
KohnDr.-Ing. LaermannDr. Graf Lambsdorff Mischnick NeuhausenNoltingPaintnerRichterRindRonneburger Schäfer
Frau Dr. SegallFrau Seiler-AlbringDr. Solms Dr. Thomae TimmFrau WalzDr. Weng Wolfgramm (Göttingen) Frau WürfelZywietzFDP
AnniesFelberKleyLehment Dr. Ortleb Dr. WöstenbergDr. Zirkler ZschornackFraktionslos Frau UnruhNeinSPDFrau AdlerAmling Andres AntretterBachmaier BahrBambergBecker BernrathBindigDr. Böhme Börnsen (Ritterhude) BrandtBrückBüchler
Dr. von Billow Buschfort Conradi DaubertshäuserDr. Diederich DillerDreßlerDuveEgertDr. Ehmke
Dr. EmmerlichErlerEstersFrau FaßeFischer Frau Fuchs (Verl)Frau Ganseforth GanselGerster GilgesDr. Glotz Großmann Haack
Frau HämmerleFrau Dr. Hartenstein HasenfratzDr. HauchlerHäuserHeimann Heistermann HerberholzHeyennHiller
Dr. Holtz HornHuonkerJahn JaunichJungmann Frau KastnerKastning KiehmKirschner KißlingerDr. Klejdzinski KolbowKoltzsch Dr. Kübler Kühbacher Kuhlwein Lambinus LeonhartLohmann LutzFrau LuukFrau Matthäus-Maier Dr. Mertens Müller (Düsseldorf) Müller (Pleisweiler) Müller (Schweinfurt) MünteferingNagelNehmFrau Dr. NiehuisDr. Niese NiggemeierDr. NöbelFrau Odendahl Oesinghaus OostergeteloOpelDr. Osswald PaternaPauliDr. Penner PfuhlDr. PickPurpsReimannFrau Renger ReschkeReuschenbach ReuterRixeRothSchäfer
SchanzDr. Scheer SchluckebierFrau Schmidt Dr. SchmudeDr. SchöfbergerSchreinerSchröer
SchützFrau Schulte SeidenthalFrau Seuster SielaffSieler
Frau Dr. Skarpelis-Sperk Dr. SoellFrau Dr. Sonntag-Wolgast Dr. SperlingStahl
SteinerFrau SteinhauerStobbeDr. Struck Frau Terborg TietjenFrau Dr. Timm UrbaniakVerheugen Dr. VogelVosenWaltemathe WaltherWartenberg
Frau Dr. Wegner WeiermannFrau Weiler Weisskirchen Dr. WernitzWestphalFrau Weyel Dr. WieczorekWieczorek
Frau Wieczorek-Zeul Wiefelspützvon der WiescheWimmer
Dr. de With ZanderZeitlerZumkleySPD
AmendeFrau Barbe BogischDr. BotzFrau Dräger Dr. ElmerFrau Fritsch GutzeitHackerDr. Heltzig Hilsberg
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Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 231. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Oktober 1990 18335
Vizepräsident CronenbergDr. KalzKamilliFrau Krehl Kuessner Frau Dr. LucygaFrau MorgensternDr. MisselwitzRichter
SeegerSchemmel Schröder Schwanitz SchultzeSorgeDr. Stephan Stockmann ThierseFrau Uecker Voigtländer WeisWeißgerberDIE GRÜNENFrau Beck-OberdorfFrau Beer BrauerDr. Daniels
Frau EidFrau Flinner Frau Garbe HäfnerFrau Hensel Frau HillerichHossHüserKleinert
Dr. Knabe Frau KottwitzKreuzederDr. Lippelt
Dr. MechtersheimerMeneses VoglFrau NickelsFrau Oesterle-SchwerinFrau Rock Dr. Roske Frau Rust Frau Saibold Frau SchillingFrau Schmidt Stratmann-MertensSuchFrau TeubnerVolmerWeiss WetzelFrau WollnyDIE GRÜNEN
Dr. DörflerSchulzTschicheDr. Ullmann WollenbergerGruppe der PDS
Frau Dr. BittnerFrau Deneke Frau Fache Frau Dr. FischerDr. Friedrich
Frau Dr. FuchsDr. HeuerFrau Dr. KaufmannDr. Keller Dr. KleinFrau Dr. MorgensternDr. RiegeFrau Dr. SchönebeckDr. Schumann Dr. Schumann (Potsdam)Dr. Seifert Dr. Steinitz Frau Stolfa Frau WegenerFraktionslosDr. Briefs WüppesahlEnthaltenDIE GRÜNEN Frau Wilms-KegelDamit ist das Gesetz angenommen.Ich möchte mich nun vergewissern: Sind die Urnen besetzt, auch die im hinteren Teil des Saales? — Wir kommen nunmehr zu der namentlichen Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion DIE GRÜNEN/Bündnis 90 auf Drucksache 11/8248. Ich eröffne die namentliche Abstimmung nach dem bekannten Verfahren.Befindet sich noch jemand im Saal, der nicht abgestimmt hat? — Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Abstimmung. *)Ich bitte, die Urnen für die nächste namentliche Abstimmung vorzubereiten. — Ich möchte mich vergewissern, ob die Urnen wieder besetzt sind.Wir kommen nunmehr zu der namentlichen Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion DIE GRÜNEN/Bündnis 90 auf Drucksache*) Ergebnis Seite 1834011/8249. Ich eröffne die Abstimmung nach dem bekannten Verfahren.Ich darf fragen: Befindet sich noch jemand im Saal, der noch nicht abgestimmt hat? — Das ist offensichtlich nicht der Fall. Dann schließe ich die Abstimmung. *)Wir kommen nunmehr zu weiteren Abstimmungen über Entschließungsanträge, und zwar zu nichtnamentlichen Abstimmungen. Dazu ist es erforderlich, daß Sie wegen des unterschiedlichen Abstimmungsverhaltens Ihre Plätze einnehmen; bei der Fülle des Hauses ist es sonst beim besten Willen nicht mehr zu übersehen.Wir kommen zum Entschließungsantrag der Fraktion DIE GRÜNEN/Bündnis 90 auf Drucksache 11/8250. Wer für diesen Entschließungsantrag stimmt, den bitte ich um das Handzeichen. — Wer stimmt dagegen? — Enthaltungen? — Dann ist dieser Entschließungsantrag mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der SPD gegen die Stimmen der Fraktion DIE GRÜNEN/Bündnis 90 und der Gruppe der PDS abgelehnt.Wir kommen nunmehr zum Entschließungsantrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 11/8239. Wer diesem Entschließungsantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Wer stimmt dagegen? — Wer enthält sich? — Dann ist dieser Entschließungsantrag mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen bei Enthaltungen des Abgeordneten Wüppesahl und einiger Mitglieder der PDS-Gruppe abgelehnt worden.Nun kommen wir zum Entschließungsantrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 11/8240. Wer für diesen Entschließungsantrag zu stimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Wer stimmt dagegen? — Wer enthält sich? — Damit ist dieser Entschließungsantrag mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen bei Enthaltungen einiger Mitglieder der Fraktion DIE GRÜNEN/Bündnis 90 und der PDS-Gruppe abgelehnt worden.Wir kommen zum Entschließungsantrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 11/8251. Wer diesem Entschließungsantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Wer stimmt dagegen? — Enthaltungen? — Dieser Entschließungsantrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und bei unterschiedlichem Verhalten der PDS-Gruppe und der Fraktion DIE GRÜNEN/Bündnis 90 abgelehnt worden.Wir stimmen über den Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und der FDP auf Drucksache 11/8270 ab. Wer für diesen Entschließungsantrag ist, den bitte ich um das Handzeichen. — Wer stimmt dagegen? — Enthaltungen? — Damit ist dieser Entschließungsantrag mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der SPD-Fraktion, der Fraktion DIE GRÜNEN/Bündnis 90 und der Gruppe der PDS angenommen.Wir kommen zur Einzelberatung und Abstimmung über den von den Fraktionen der CDU/CSU und der*) Ergebnis Seite 18342
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18336 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 231. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Oktober 1990
Vizepräsident CronenbergFDP eingebrachten Entwurf eines 3. ERP-Nachtragsplangesetzes 1990. Er liegt Ihnen auf den Drucksachen 11/7982 und 11/8204 vor.Ich rufe zunächst die Art. 1 bis 3, Einleitung und Überschrift mit den vom Ausschuß empfohlenen Änderungen auf. Wer diesen Vorschriften zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. Wer stimmt dagegen? — Enthaltungen? — Damit sind die aufgerufenen Vorschriften bei einigen Enthaltungen aus der Fraktion DIE GRÜNEN/Bündnis 90 und bei unterschiedlichem Stimmverhalten der Gruppe der PDS angenommen worden.Wir treten in diedritte Beratungein und kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Wer stimmt dagegen? — Wer enthält sich? — Damit ist das Gesetz mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der SPD-Fraktion bei überwiegender Enthaltung der Fraktion DIE GRÜNEN/Bündnis 90 und bei einigen Enthaltungen bei der Gruppe der PDS angenommen worden.Ich gebe nun die von den Schriftführern ermittelten Ergebnisse der namentlichen Abstimmungen bekannt. Es handelt sich zunächst um die namentliche Abstimmung über die Drucksache 11/8246. Abgegebene Stimmen: 585; ungültig: keine; mit Ja: 243, mit Nein: 341; Enthaltungen: 1.Endgültiges ErgebnisAbebebene Stimmen 581: davonja: 240nein: 340enthalten: 1JaSPDFrau Adler AmlingAndresAntretter Bachmaier BahrBambergBecker BernrathBindigDr. Böhme Börnsen (Ritterhude) BrandtBrückBüchler
Dr. von Bülow Buschfort Conradi DaubertshäuserDr. Diederich DillerDreßler DuveEgertDr. Ehmke Dr. Emmerlich ErlerEstersFrau FaßeFischer Frau Fuchs (Verl) Frau Ganseforth GanselGerster GilgesDr. GlotzFrau Dr. Götte GroßmannHaack Frau Hämmerle Frau Dr. Hartenstein HasenfratzDr. Hauchler HäuserHeimann Heistermann HerberholzHeyennHiller Dr. HoltzHornHuonkerJahn
JaunichJungmann Frau KastnerKastning KiehmKirschner Kißlinger Dr. KlejdzinskiKolbowKoltzsch Dr. Kübler Kühbacher Kuhlwein Lambinus Leonhart Lohmann
LutzFrau LuukFrau Matthäus-MaierDr. Mertens Müller (Düsseldorf) Müller (Pleisweiler) Müller (Schweinfurt) MünteferingNehmFrau Dr. NiehuisDr. Niese NiggemeierDr. Nöbel Frau Odendahl OesinghausOostergeteloOpelDr. OsswaldPaternaPauliDr. Penner PfuhlDr. Pick PurpsReimann Frau RengerReschke ReuschenbachReuterRixeRothSchäfer SchanzDr. Scheer SchluckebierFrau Schmidt Dr. Schöfberger SchreinerSchröer
SchützFrau Schulte SeidenthalFrau SeusterSielaffSieler
Frau Dr. Skarpelis-Sperk Dr. SoellFrau Dr. Sonntag-Wolgast Dr. SperlingStahl
SteinerFrau SteinhauerStobbeDr. Struck Frau TerborgFrau Dr. TimmUrbaniak Verheugen Dr. Vogel VosenWaltematheWaltherWartenberg
Frau Dr. Wegner WeiermannFrau Weiler Weisskirchen Dr. WernitzWestphalFrau Weyel Dr. WieczorekWieczorek
Frau Wieczorek-Zeul Wiefelspützvon der WiescheWimmer
Dr. de With ZanderZeitlerZumkleySPD
AmendeFrau Barbe BogischDr. BotzFrau Dräger Dr. ElmerFrau Fritsch GutzeitHackerDr. Heltzig HilsbergDr. KalzKamilliFrau Krehl KuessnerFrau Dr. LucygaFrau MorgensternDr. Misselwitz Richter
SeegerSchemmel SchröderSchwanitzSchultzeSorgeDr. Stephan Stockmann ThierseFrau Uecker Voigtländer WeisWeißgerberDIE GRÜNENFrau Beck-OberdorfFrau BeerBrauerDr. Daniels Frau EidFrau Flinner Frau Garbe HäfnerFrau Hensel Frau Hillerich HossHüserKleinert
Dr. KnabeFrau Kottwitz KreuzederDr. Lippelt
Dr. Mechtersheimer Meneses VoglFrau NickelsFrau Oesterle-Schwerin
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 231. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Oktober 1990 18337
Vizepräsident CronenbergFrau RockDr. RoskeFrau RustFrau SaiboldFrau SchillingFrau Schmidt Stratmann-MertensSuchFrau TeubnerFrau Dr. Vollmer Weiss WetzelFrau WollnyDIE GRÜNEN
Dr. DörflerSchulzTschicheDr. Ullmann WollenbergerGruppe der PDS
Frau Dr. BittnerFrau DenekeFrau Dr. EnkelmannFrau Fache Frau Dr. FischerFrau Dr. FuchsDr. HeuerFrau Dr. KaufmannDr. KellerFrau Dr. MorgensternDr. RiegeFrau Dr. SchönebeckDr. Schumann Dr. Schumann (Potsdam)Dr. Seifert Frau Stolf a Frau WegenerFraktionslosDr. BriefsFrau Unruh WüppesahlNeinCDU/CSUDr. Abelein Frau AugustinAustermannDr. Bauer BayhaDr. Becker
Dr. Blank Dr. Blens Dr. Blüm Böhm
Börnsen
Dr. Bötsch BohlBohlsen Borchert BreuerBrunnerBühler Buschbom Carstens (Emstek)Carstensen ClemensDr. Czaja DawekeFrau DempwolfDeresDewitzDörflingerDr. DollingerDossDr. DreggerEchternachEngelsbergerEylmannDr. FaltlhauserFeilckeDr. FellFellnerFrau FischerFischer Francke (Hamburg)Dr. FriedrichFuchtelGanz
Frau GeigerGeisDr. GeißlerDr. von Geldern GersteinGerster
GlosDr. GöhnerDr. Götz GröblDr. GrünewaldGünther Dr. Häfele HarriesFrau Hasselfeldt HaungsHauser HedrichFreiherr Heeremanvon ZuydtwyckFrau Dr. Hellwig HelmrichDr. HennigHerkenrathHinrichs Hinsken Höffkes Höpfinger Hörster Dr. HoffackerFrau Hoffmann Dr. HornhuesHornungFrau Hürland-Büning Dr. HüschJägerDr. Jahn
Dr. JobstJung
Jung
KalbKalisch Dr.-Ing. KansyDr. KappesFrau KarwatzkiKellerKiechle KittelmannKlein
Dr. Köhler KolbKossendeyKrausKreyKroll-SchlüterDr. KronenbergDr. Kunz
LamersDr. LammertDr. LangnerLattmannDr. LaufsLenzerFrau LimbachLink
Link
LinsmeierLintnerDr. Lippold LouvenLowack Lummer MaaßFrau MännleMaginDr. MahloMarschewskiDr. Meyer zu Bentrup MichelsDr. MöllerDr. MüllerMüller
Müller
NelleDr. NeulingNeumann
Dr. OlderogOswald Pesch PfeffermannPfeiferDr. PfennigDr. PingerDr. PohlmeierDr. ProbstRauen Rawe ReddemannRegenspurgerRepnikDr. Riedl
Dr. RiesenhuberFrau Rönsch Frau Roitzsch (Quickborn) Dr. RoseRossmanithRoth
RüheDr. RüttgersRufSauer
Sauer
Sauter
Frau Schätzle ScharrenbroichSchemkenScheu SchmidbauerFrau Schmidt Schmitz (Baesweiler)von SchmudeDr. Schneider Schneider (I.-Oberstein) Freiherr von Schorlemer SchreiberDr. Schroeder SchulhoffDr. Schulte
Schulze
SchwarzDr. Schwarz-SchillingDr. SchwörerSeehoferSeesing SeitersSpilkerSprangerDr. SprungDr.' Stark
Dr. StavenhagenDr. Stercken Dr. StoltenbergStraßmeir StrubeStücklenFrau Dr. SüssmuthSussetTillmannDr. TodenhöferDr. Uelhoff UldallDr. UnlandFrau VerhülsdonkVogel
Vogt
Dr. Voigt
Dr. Vondran Dr. VossDr. WaffenschmidtDr. WaigelGraf von Waldburg-Zeil Dr. WarnkeDr. WarrikoffDr. von Wartenberg Werner
Frau Will-FeldFrau Dr. WilmsWilzWimmer
WindelenFrau Dr. Wisniewski WissmannDr. WittmannWürzbach Dr. Wulff Zeitlmann ZiererDr. ZimmermannZinkCDU
Frau Dr. Ackermann BarthelBauerBeckerFrau Dr. Bergmann-Pohl Frau BrudlewskyCreterDehnelDr. DorendorfEhlersDr. Fiedler Dr. Fischer Dr. Geisler Göttsching Dr. GoldhahnGriesHaschke, G. Haschke, U. HolzHönickeFrau Jaffke Dr.-Ing. Jork Dr. KleditzschKlinkertDr. KochKöhlerKoslowski Dr. Krause KrauseDr.-Ing. KrügerFrau LandgrafLeja
Metadaten/Kopzeile:
18338 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 231. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Oktober 1990
Vizepräsident Cronenbergde MaizièreFrau Martini zum Berge Frau MichalkNitschFrau Nolte NowackPatzigFrau Pfeiffer Frau Priebus RauRauberFrau Rehm Reichenbach RotherDr. ScharfFrau Dr. SchmidtDr. Schmidt SchneiderSchwalbeFrau Tamm ToscherUngerWagnerWetzelDr. Wieczorek Wonneberger ZimmermannDSU
Dr. GottschallFrau LandgrafSchmidtDr.-Ing. Schmiele SteinerDr. TieslerDr. WaltherFDPFrau Dr. Adam-Schwaetzer BaumBeckmann BredehornCronenberg Eimer (Fürth)EngelhardDr. FeldmannFrau Folz-Steinacker FunkeGallusGattermannGenscherGriesGrünerDr. HaussmannHeinrichDr. Hirsch Dr. Hitschler HoppeDr. HoyerIrmerKleinert
KohnDr.-Ing. LaermannDr. Graf Lambsdorff Mischnick NeuhausenNoltingPaintnerRichterRindRonneburger Schäfer
Frau Dr. SegallFrau Seiler-AlbringDr. SohnsDr. Thomae TimmFrau WalzDr. Weng Wolfgramm (Göttingen) Frau WürfelZywietzFDP
AnniesFelberKleyLehmentDr. OrtlebDr. Wöstenberg Dr. ZirklerZschornackEnthaltenDIE GRÜNEN Frau Wilms-KegelDamit ist der Entschließungsantrag der Fraktion DIE GRÜNEN/Bündnis 90 auf Drucksache 11/8246 abgelehnt.Wir kommen zum Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion DIE GRÜNEN/Bündnis 90 auf Drucksache 11/8247. Abgegebene Stimmen: 585; mit Ja: 61; mit Nein: 344; Enthaltungen: 180.Endgültiges ErgebnisAbgegebene Stimmen 585; davonja: 60nein: 344enthalten: 181JaDIE GRÜNENFrau Beck-OberdorfFrau Beer BrauerDr. Daniels Frau EidFrau Flinner Frau Garbe HäfnerFrau Hensel Frau HillerichHossHüserKleinert
Dr. Knabe Frau KottwitzKreuzederDr. MechtersheimerMeneses VoglFrau NickelsFrau Oesterle-SchwerinFrau Rock Dr. Roske Frau Rust Frau Saibold Frau SchillingFrau Schmidt Stratmann-MertensSuchFrau TeubnerVolmerWeiss
WetzelFrau WollnyDIE GRÜNEN
Dr. DörflerSchulzTschicheDr. Ullmann WollenbergerGruppe der PDS
Frau Dr. BittnerFrau DenekeFrau Dr. EnkelmannFrau Fache Frau Dr. FischerFrau Dr. FuchsDr. HeuerFrau Dr. KaufmannDr. Keller Dr. Klein Frau Dr. MorgensternDr. RiegeFrau Dr. SchönebeckDr. Schumann Dr. Schumann (Potsdam)Dr. Seifert Dr. Steinitz Frau Stolfa Frau WegenerFraktionslosDr. BriefsFrau Unruh WüppesahlNeinCDU/CSUDr. Abelein Frau Augustin AustermannDr. Bauer BayhaDr. Becker Dr. BlankDr. Blens Dr. BlümBöhm Börnsen (Bönstrup)Dr. Bötsch BohlBohlsenBorchert BreuerBrunnerBühler Buschbom Carstens (Emstek)Carstensen ClemensDr. Czaja DawekeFrau DempwolfDeresDewitzDörflinger Dr. DollingerDossDr. Dregger Echternach EngelsbergerEylmannDr. FaltlhauserFeilckeDr. FellFellnerFrau FischerFischer Francke (Hamburg)Dr. FriedrichFuchtelGanz
Frau GeigerGeisDr. GeißlerDr. von Geldern GersteinGerster
GlosDr. Göhner Dr. Götz GröblDr. GrünewaldGünther Dr. Häfele HarriesFrau Hasselfeldt HaungsHauser HedrichFreiherr Heeremanvon ZuydtwyckFrau Dr. Hellwig HelmrichDr. Hennig HerkenrathHinrichs Hinsken HöffkesHöpfinger HörsterDr. HoffackerFrau Hoffmann Dr. HornhuesHornungFrau Hürland-Büning
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 231. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Oktober 1990 18339
Vizepräsident CronenbergDr. HüschJägerDr. Jahn
Dr. JobstJung Jung (Lörrach) KalbKalischDr.-Ing. Kansy Dr. KappesFrau Karwatzki KellerKiechleKittelmannKlein
Dr. Köhler KolbKossendeyKrausKreyKroll-Schlüter Dr. Kronenberg Dr. Kunz
LamersDr. Lammert LattmannDr. LaufsLenzerFrau Limbach Link Link (Frankfurt) LinsmeierLintnerDr. Lippold LouvenLowackLummerMaaßFrau Männle MaginDr. MahloMarschewskiDr. Meyer zu Bentrup MichelsDr. MöllerDr. MüllerMüller Müller (Wesseling)NelleDr. NeulingNeumann
Dr. OlderogOswaldPeschPfeffermann PfeiferDr. PfennigDr. PingerDr. Pohlmeier Dr. ProbstRauenRaweReddemann Regenspurger RepnikDr. Riedl
Dr. RiesenhuberFrau Rönsch Frau Roitzsch (Quickborn) Dr. RoseRossmanithRoth RüheDr. Rüttgers RufSauer Sauer (Stuttgart) Sauter (Epfendorf)Frau Schätzle Scharrenbroich SchemkenScheu SchmidbauerFrau Schmidt Schmitz (Baesweiler)von SchmudeDr. Schneider Schneider (I.-Oberstein) Freiherr von Schorlemer SchreiberDr. Schroeder SchulhoffDr. Schulte
Schulze
SchwarzDr. Schwarz-SchillingDr. Schwörer SeehoferSeesingSeitersSpilkerSprangerDr. SprungDr. Stark
Dr. StavenhagenDr. Stercken Dr. StoltenbergStraßmeir StrubeStücklenFrau Dr. SüssmuthSussetTillmannDr. TodenhöferDr. Uelhoff UldallDr. UnlandFrau VerhülsdonkVogel
Vogt
Dr. Voigt
Dr. Vondran Dr. VossDr. WaffenschmidtDr. WaigelGraf von Waldburg-Zeil Dr. WarnkeDr. WarrikoffDr. von Wartenberg Werner
Frau Will-FeldFrau Dr. WilmsWilzWimmer
WindelenFrau Dr. Wisniewski WissmannDr. WittmannWürzbach Dr. Wulff Zeitlmann ZiererDr. ZimmermannZinkCDU
Frau Dr. Ackermann AlbrechtBarthelBauerBeckerFrau Dr. Bergmann-Pohl Frau BrudlewskyCreterDehnelDr. DorendorfEhlersDr. FiedlerDr. FischerDr. Geisler Göttsching Dr. GoldhahnGriesHaschke, G.Haschke, U.HolzHönicke Frau JaffkeDr.-Ing. JorkDr. KleditzschKlinkert Dr. Koch KöhlerKoslowski Dr. Krause KrauseDr.-Ing. KrügerFrau LandgrafLejade MaizièreFrau Martini zum Berge Frau MichalkNitschFrau NolteNowack Dr. Paar PatzigFrau PfeifferFrau PriebusRauRauber Frau RehmReichenbachRotherDr. ScharfFrau Dr. SchmidtDr. SchmidtSchneider Schwalbe SelkeFrau TammTheesToscher UngerWagner WetzelDr. Wieczorek WonnebergerZimmermannDSU
Dr. GottschallFrau LandgrafSchmidtDr.-Ing. Schmiele SteinerDr. TieslerDr. WaltherSPD NagelFDPFrau Dr. Adam-Schwaetzer BaumBeckmann BredehornCronenberg Eimer (Fürth) EngelhardDr. FeldmannFrau Folz-SteinackerFunke Gallus GattermannGenscherGriesGrünerDr. HaussmannHeinrich Dr. HirschDr. HitschlerHoppeDr. HoyerIrmerKleinert
KohnDr.-Ing. LaermannDr. Graf Lambsdorff MischnickNeuhausenNolting Paintner Richter RindRonneburgerSchäfer
Frau Dr. SegallFrau Seiler-AlbringDr. SolmsDr. ThomaeTimm Frau WalzDr. Weng Wolfgramm (Göttingen) Frau WürfelZywietzFDP
Annies Felber KleyLehmentDr. OrtlebDr. WöstenbergDr. ZirklerZschornackEnthaltenSPDFrau AdlerAmling Andres AntretterBachmaierBahrBambergBecker BernrathBindigDr. Böhme
Börnsen BrandtBrück Büchler
Dr. von BillowBuschfortConradi DaubertshäuserDr. Diederich
DillerDreßler DuveDr. Ehmke
Metadaten/Kopzeile:
18340 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 231. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Oktober 1990
Vizepräsident Cronenberg Dr. EmmerlichErlerEstersFrau FaßeFischer
Frau Fuchs
Frau GanseforthGanselGerster
GilgesDr. GlotzFrau Dr. GötteGroßmann Haack
Frau HämmerleFrau Dr. Hartenstein HasenfratzDr. HauchlerHäuserHeimann HeistermannHerberholz HeyennHiller
Dr. Holtz HornHuonkerJahn
JaunichJungmann Frau KastnerKastning KiehmKirschner Kißlinger Dr. KlejdzinskiKolbowKoltzsch Dr. Kübler Kühbacher Kuhlwein Lambinus Leonhart Lohmann
LutzFrau LuukFrau Matthäus-MaierDr. Mertens Müller (Düsseldorf) Müller (Pleisweiler) Müller (Schweinfurt) MünteferingNehmFrau Dr. NiehuisDr. Niese NiggemeierDr. NöbelFrau Odendahl OesinghausOostergeteloOpelDr. OsswaldPaterna PauliDr. Penner PfuhlDr. Pick PurpsReimann Frau RengerReschke ReuschenbachReuterRixeRothSchäfer SchanzDr. Scheer SchluckebierFrau Schmidt
Dr. SchöfbergerSchreinerSchröer
SchützFrau Schulte SeidenthalFrau Seuster SielaffSieler
Frau Dr. Skarpelis-Sperk Dr. SoellFrau Dr. Sonntag-Wolgast Dr. SperlingStahl
SteinerFrau SteinhauerStobbeDr. Struck Frau Terborg Frau Dr. Timm UrbaniakVerheugen Dr. VogelVosenWaltemathe WaltherWartenberg
Frau Dr. Wegner WeiermannFrau Weiler Weisskirchen Dr. WernitzWestphalFrau Weyel Dr. WieczorekWieczorek
Frau Wieczorek-Zeul Wiefelspützvon der WiescheWimmer
Dr. de With ZanderZeitlerZumkleySPD
AmendeFrau Barbe BogischDr. BotzFrau Dräger Dr. Elmer Frau Fritsch GutzeitHackerDr. Heltzig HilsbergDr. KalzKamilliFrau KrehlKuessnerFrau Dr. LucygaFrau MorgensternDr. Misselwitz Richter
SeegerSchemmel SchröderSchwanitz SchultzeSorgeDr. Stephan Stockmann ThierseFrau UeckerVoigtländer WeisWeißgerberDIE GRÜNEN Frau Wilms-KegelDer Antrag ist abgelehnt.Wir kommen zum Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion DIE GRÜNEN/Bündnis 90 auf Drucksache 11/8248. Abgegebene Stimmen: 579; mit Ja: 63; mit Nein: 343; Enthaltungen: 173.Endgültiges ErgebnisAbgegebene Stimmen 579; davonja: 63nein: 343enthalten: 173JaSPD
Frau Barbe DIE GRÜNENFrau Beck-OberdorfFrau BeerBrauerDr. Daniels Frau EidFrau Flinner Frau GarbeHäfnerFrau Hensel Frau Hillerich HossHüserKleinert
Dr. KnabeFrau Kottwitz KreuzederDr. Lippelt
Dr. Mechtersheimer Meneses VoglFrau NickelsFrau Oesterle-Schwerin Frau RockDr. RoskeFrau RustFrau Saibold Frau SchillingFrau Schmidt Stratmann-MertensSuchFrau Teubner VolmerWeiss WetzelFrau WollnyDIE GRÜNEN
Dr. Dörfler SchulzTschicheDr. Ullmann WollenbergerGruppe der PDS
Frau Dr. BittnerFrau DenekeFrau Dr. EnkelmannFrau Fache Frau Dr. FischerDr. Friedrich
Frau Dr. FuchsDr. HeuerFrau Dr. KaufmannDr. Keller Dr. Klein Frau Dr. MorgensternDr. RiegeFrau Dr. SchönebeckDr. Schumann Dr. Schumann (Potsdam)Dr. Seifert Dr. Steinitz Frau Stolfa Frau WegenerFraktionslosDr. BriefsFrau Unruh WüppesahlNeinCDU/CSUDr. Abelein Frau AugustinAustermannDr. Bauer BayhaDr. Becker
Dr. Blank Dr. Blens Dr. BlümDeutscher Bundestau — 11. Wahlperiode — 231. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Oktober 1990 18341Vizepräsident CronenbergBöhm
Börnsen
Dr. Bötsch BohlBohlsen Borchert BreuerBrunnerBühler BuschbomCarstens Carstensen (Nordstrand) ClemensDr. Czaja DawekeFrau DempwolfDeresDewitz DörflingerDr. DollingerDossEchternachEngelsbergerEylmannDr. FaltlhauserFeilcke Dr. Fell Fellner Frau FischerFischer
Francke
Dr. FriedrichFuchtelGanz
Frau GeigerGeisDr. GeißlerDr. von GeldernGerstein Gerster
GlosDr. GöhnerDr. Götz GröblDr. GrünewaldGünther Dr. HäfeleHarriesFrau HasselfeldtHaungsHauser HedrichFreiherr Heeremanvon ZuydtwyckFrau Dr. HellwigHelmrichDr. HennigHerkenrathHinrichs Hinsken Höffkes HöpfingerHörsterDr. HoffackerFrau Hoffmann HornungFrau Hürland-BüningDr. HüschJägerDr. Jahn
Dr. JobstJung
Jung
KalbKalisch Dr.-Ing. KansyDr. KappesFrau KarwatzkiKellerKiechle KittelmannKlein Dr. Köhler (Wolfsburg)KolbKossendey KrausKreyKroll-SchlüterDr. KronenbergDr. Kunz
LamersDr. Lammert Dr. Langner LattmannDr. Laufs LenzerFrau LimbachLink
Link
Linsmeier LintnerDr. Lippold LouvenLowackLummerMaaßFrau MännleMaginDr. Mahlo MarschewskiDr. Meyer zu Bentrup MichelsDr. Möller Dr. Müller Müller
Müller
NelleDr. Neuling Neumann
Dr. Olderog OswaldPeschPfeffermann PfeiferDr. Pfennig Dr. Pinger Dr. PohlmeierDr. Probst RauenRaweReddemannRegenspurgerRepnikDr. Riedl
Dr. RiesenhuberFrau Rönsch Frau Roitzsch (Quickborn) Dr. RoseRossmanith Roth
RüheDr. Rüttgers RufSauer
Sauer
Sauter
Frau Schätzle ScharrenbroichSchemken ScheuSchmidbauerFrau Schmidt Schmitz (Baesweiler)von SchmudeDr. Schneider Schneider (I.-Oberstein) Freiherr von Schorlemer SchreiberDr. Schroeder Schulhoff
Schwarz Dr. Schwarz-SchillingDr. SchwörerSeehofer SeesingSeitersSpilkerSpranger Dr. SprungDr. Stark
Dr. StavenhagenDr. SterckenDr. StoltenbergStraßmeir StrubeStücklenFrau Dr. SüssmuthSussetTillmannDr. TodenhöferDr. Uelhoff UldallDr. UnlandFrau VerhülsdonkVogel
Vogt
Dr. Voigt
Dr. VondranDr. VossDr. WaffenschmidtDr. WaigelGraf von Waldburg-ZeilDr. WarnkeDr. WarrikoffDr. von Wartenberg Werner
Frau Will-FeldFrau Dr. WilmsWilzWimmer
WindelenFrau Dr. Wisniewski WissmannDr. WittmannWürzbach Dr. Wulff Zeitlmann ZiererDr. ZimmermannZinkCDU
Frau Dr. Ackermann AlbrechtBarthelBauerFrau Dr. Bergmann-Pohl Frau BrudlewskyCreterDehnelDr. DorendorfEhlersDr. Fiedler Dr. Fischer Dr. Geisler Göttsching Dr. GoldhahnGriesHaschke, G. Haschke, U. HolzHönickeFrau Jaffke Dr.-Ing. Jork Dr. KleditzschKlinkertDr. KochKöhlerKoslowski Dr. Krause KrauseFrau LandgrafLejade MaizièreFrau Martini zum Berge Frau MichalkNitschFrau Nolte NowackDr. PaarPatzigFrau Pfeiffer Frau Priebus RauRauberFrau Rehm Reichenbach RotherDr. ScharfFrau Dr. SchmidtDr. Schmidt Schneider Schwalbe SelkeFrau Tamm TheesToscherWagnerWetzelDr. Wieczorek WonnebergerZimmermannDSU
Dr. GottschallFrau LandgrafSchmidtDr. Ing. Schmiele SteinerDr. TieslerDr. WaltherSPDNagelNiggemeierPfuhlStahl SteinerFDPFrau Dr. Adam-Schwaetzer BaumBeckmann BredehornCronenberg Eimer (Fürth)EngelhardDr. FeldmannFrau Folz-Steinacker FunkeGallusGattermann GriesGrünerDr. HaussmannHeinrich Dr. Hirsch Dr. HitschlerHoppeDr. Hoyer IrmerKleinert
KohnDr.-Ing. Laermann
Metadaten/Kopzeile:
18342 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 231. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Oktober 1990
Vizepräsident Cronenberg Dr. Graf Lambsdorff MischnickNeuhausenNolting Paintner Richter RindRonneburgerSchäfer
Frau Dr. SegallFrau Seiler-AlbringDr. SolmsDr. ThomaeTimmFrau WalzDr. Weng Wolfgramm (Göttingen) Frau WürfelZywietzFDP
AnniesFelberKleyLehmentDr. OrtlebDr. Wöstenberg Dr. ZirklerZschornackEnthaltenSPDFrau AdlerAmling Andres Antretter BachmaierBahrBambergFrau Becker-Inglau BernrathBindigDr. Böhme
Börnsen BrandtBrückBüchler
Dr. von BillowBuschfortConradi DaubertshäuserDr. Diederich
DillerDreßler DuveDr. Ehmke
Dr. EmmerlichErlerEstersFrau FaßeFischer
Frau Fuchs
Frau GanseforthGanselGerster
Gilges Dr. GlotzFrau Dr. GötteGroßmannHaack
Frau HämmerleFrau Dr. Hartenstein HasenfratzDr. HauchlerHäuser HeimannHeistermannHerberholz HeyennHiller
Dr. Holtz HornHuonkerJahn
JaunichJungmann Frau KastnerKastning KiehmKirschner Kißlinger Dr. KlejdzinskiKolbowKoltzsch Dr. Kübler Kühbacher Kuhlwein Lambinus Leonhart Lohmann
LutzFrau LuukFrau Matthäus-MaierDr. Mertens Müller (Düsseldorf) Müller (Pleisweiler-Oberhofen)Müller MünteferingNehmFrau Dr. NiehuisDr. NieseFrau Odendahl Oesinghaus OostergeteloOpelDr. Osswald PaternaPauliDr. Penner Dr. Pick PurpsReimann Frau RengerReschke ReuschenbachReuterRixeRothSchäfer SchanzDr. Scheer SchluckebierFrau Schmidt SchreinerSchröer
SchützFrau Schulte SeidenthalFrau SeusterSielaffSieler
Frau Dr. Skarpelis-Sperk Dr. SoellFrau Dr. Sonntag-Wolgast Dr. SperlingFrau SteinhauerStobbeDr. Struck Frau TerborgFrau Dr. TimmUrbaniak Verheugen Dr. Vogel VosenWaltematheWaltherWartenberg
Frau Dr. Wegner WeiermannFrau Weiler Weisskirchen Dr. WernitzWestphalFrau Weyel Dr. WieczorekFrau Wieczorek-Zeul Wiefelspützvon der WiescheWimmer
Dr. de With ZanderZeitlerZumkleySPD
AmendeBogischDr. BotzFrau Dräger Dr. ElmerFrau Fritsch GutzeitHackerDr. Heltzig HilsbergDr. KalzKamilliFrau Krehl KuessnerFrau Dr. Lucyga Frau Morgenstern Dr. Misselwitz Richter SeegerSchemmel Schröder Schwanitz SchultzeSorgeDr. Stephan Stockmann ThierseFrau Uecker Voigtländer WeisWeißgerberDIE GRÜNEN Frau Wilms-KegelDamit ist dieser Antrag abgelehnt.Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion DIE GRÜNEN/Bündnis 90 auf Drucksache 11/8252. Wer diesem Entschließungsantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um dass Handzeichen. — Wer stimmt dagegen? — Enthaltungen? — Damit ist dieser Entschließungsantrag mit der Mehrheit der Koalitionsfraktionen bei einigen Enthaltungen bei der SPD-Fraktion abgelehnt worden.Wir stimmen nunmehr ab über den Entschließungsantrag der Fraktion GRÜNE/Bündnis 90 auf Drucksache 11/8254. Wer diesem Entschließungsantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. Wer stimmt dagegen? — Dann ist dieser Antrag mit den Stimmen der SPD, CDU/CSU, FDP abgelehnt.Wir kommen nunmehr zum Entschließungsantrag der Fraktion DIE GRÜNEN/Bündnis 90 auf Drucksache 11/8255. Wer diesem Entschließungsantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Wer stimmt dagegen? — Das ist mit der gleichen Mehrheit wie eben abgelehnt.Ich habe noch ein Ergebnis einer namentlichen Abstimmung vorliegen, und zwar über den Entschließungsantrag der Fraktion DIE GRÜNEN/Bündnis 90 auf Drucksache 11/8249: abgegebene Stimmen 580, mit Ja haben 58 gestimmt, mit Nein 519, 3 Enthaltungen.Endgültiges ErgebnisAbgegebene Stimmen 580; davonja: 58nein: 519enthalten: 3JaDIE GRÜNENFrau Beck-Oberdorf Frau BeerBrauerDr. Daniels Frau EidFrau FlinnerFrau GarbeHäfner
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 231. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Oktober 1990 18343
Vizepräsident CronenbergFrau Hensel Frau Hillerich HossHüserKleinert
Dr. KnabeFrau Kottwitz KreuzederDr. Lippelt
Dr. MechtersheimerMeneses Vogl Frau Nickels Frau Oesterle-SchwerinFrau RockDr. RoskeFrau RustFrau SaiboldFrau Schmidt Stratmann-MertensSuchFrau Teubner VolmerWeiss
WetzelFrau WollnyDIE GRÜNEN
SchulzTschicheDr. Ullmann WollenbergerGruppe der PDS
Frau Dr. BittnerFrau DenekeFrau Dr. EnkelmannFrau Fache Frau Dr. FischerFrau Dr. FuchsDr. HeuerFrau Dr. KaufmannDr. Keller Dr. KleinFrau Dr. MorgensternDr. RiegeFrau Dr. SchönebeckDr. Schumann Dr. Schumann (Potsdam)Dr. Seifert Dr. Steinitz Frau Stolfa Frau WegenerFraktionslosWüppesahl Dr. BriefsNeinCDU/CSUDr. Abelein Frau Augustin Austermann Dr. BauerBayhaDr. Becker Dr. BlankDr. Blens Dr. BlümBöhm Börnsen (Bönstrup)Dr. Bötsch BohlBohlsen Borchert BreuerBrunnerBühler Buschbom Carstens (Emstek)Carstensen ClemensDr. Czaja DawekeFrau DempwolfDeresDewitzDörflingerDr. DollingerDossDr. DreggerEchternach EngelsbergerEylmannDr. FaltlhauserFeilckeDr. Fell FellnerFrau FischerFischer Francke (Hamburg)Dr. FriedrichFuchtelGanz
Frau GeigerGeisDr. GeißlerDr. von Geldern GersteinGerster
GlosDr. GöhnerDr. Götz GröblDr. GrünewaldGünther Dr. Häfele HarriesFrau Hasselfeldt HaungsHauser HedrichFreiherr Heeremanvon ZuydtwyckFrau Dr. Hellwig HelmrichDr. HennigHerkenrathHinrichs Hinsken Höffkes Höpfinger Hörster Dr. HoffackerFrau Hoffmann Dr. HornhuesHornungFrau Hürland-Büning Dr. HüschJägerDr. Jahn
Dr. JobstJung
Jung
KalbKalisch Dr.-Ing. KansyDr. KappesFrau Karwatzki KellerKiechleKittelmannKlein
Dr. Köhler KolbKossendeyKrausKreyKroll-Schlüter Dr. Kronenberg Dr. Kunz
LamersDr. Lammert Dr. LangnerLattmannDr. LaufsLenzerFrau Limbach Link Link (Frankfurt) LinsmeierLintnerDr. Lippold LouvenLowackLummerMaaßFrau Männle MaginDr. MahloMarschewskiDr. Meyer zu Bentrup MichelsDr. MöllerDr. MüllerMüller Müller (Wesseling)NelleDr. NeulingNeumann
Dr. OlderogOswaldPeschPfeffermann PfeiferDr. PfennigDr. PingerDr. Pohlmeier Dr. ProbstRauenRaweReddemann Regenspurger RepnikDr. Riedl
Dr. RiesenhuberFrau Rönsch Frau Roitzsch (Quickborn) Dr. RoseRossmanithRoth RüheDr. Rüttgers RufSauer
Sauer Sauter (Epfendorf)Frau Schätzle Scharrenbroich SchemkenScheuSchmidbauerFrau Schmidt Schmitz (Baesweiler)von SchmudeDr. Schneider Schneider (I.-Oberstein) Freiherr von Schorlemer SchreiberDr. Schroeder Schulhoff
SchwarzDr. Schwarz-SchillingDr. Schwörer SeehoferSeesingSeitersSpilkerSpranger Dr. Sprung Dr. Stark
Dr. StavenhagenDr. Stercken Dr. StoltenbergStraßmeir StrubeStücklenFrau Dr. SüssmuthSussetTillmannDr. TodenhöferDr. Uelhoff UldallDr. UnlandFrau VerhülsdonkVogel
Vogt
Dr. Voigt
Dr. Vondran Dr. VossDr. WaffenschmidtDr. WaigelGraf von Waldburg-Zeil Dr. WarnkeDr. WarrikoffDr. von Wartenberg Werner
Frau Will-FeldFrau Dr. WilmsWilzWimmer
WindelenFrau Dr. Wisniewski WissmannDr. WittmannWürzbach Dr. Wulff Zeitlmann ZiererDr. ZimmermannZinkCDU
Frau Dr. Ackermann AlbrechtBarthelBauerBeckerFrau Dr. Bergmann-Pohl Frau BrudlewskyCreterDehnelDr. DorendorfEhlersDr. Fiedler Dr. Fischer Dr. Geisler Göttsching Dr. GoldhahnGriesHaschke, G. Haschke, U. HolzHönicke
Metadaten/Kopzeile:
18344 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 231. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Oktober 1990
Vizepräsident CronenbergFrau JaffkeDr.-Ing. JorkDr. KleditzschKlinkert Dr. KochKöhler KoslowskiDr. KrauseKrauseDr. Ing. KrügerFrau LandgrafLejade MaizièreFrau Martini zum Berge Frau MichalkNitsch Frau NolteNowackDr. PaarPatzigFrau PfeifferFrau PriebusRauRauber Frau RehmReichenbachRotherDr. ScharfFrau Dr. SchmidtDr. SchmidtSchneiderSchwalbeSelkeFrau TammThees Toscher Unger Wagner WetzelDr. Wieczorek WonnebergerZimmermannDSU
Dr. GottschallFrau LandgrafSchmidtDr. Ing. Schmiele SteinerDr. TieslerDr. WaltherSPDFrau AdlerAmling Andres AntretterBachmaierBahrBambergBecker BernrathBindigDr. Böhme
Börnsen BrandtBrück Büchler
Dr. von BülowBuschfortConradiDaubertshäuserDr. Diederich DillerDreßlerDuveDr. Ehmke
Dr. EmmerlichErlerEstersFrau FaßeFischer Frau Fuchs (Verl) Frau Ganseforth GanselGerster GilgesDr. GlotzFrau Dr. Götte Großmann Haack
Frau HämmerleFrau Dr. Hartenstein HasenfratzDr. Hauchler HäuserHeimann Heistermann Herberholz HeyennHiller
Dr. Holtz HornHuonkerJahn JaunichJungmann Frau Kastner KastningKiehmKirschner KißlingerDr. Klejdzinski KolbowKoltzschDr. Kübler Kühbacher Kuhlwein Lambinus Leonhart Lohmann LutzFrau LuukFrau Matthäus-Maier Dr. Mertens Müller (Düsseldorf) Müller (Pleisweiler-Oberhofen)Müller MünteferingNagelNehmFrau Dr. NiehuisDr. Niese Niggemeier Frau Odendahl Oesinghaus Oostergetelo OpelDr. Osswald PaternaPauliDr. Penner PfuhlDr. PickPurpsReimannFrau Renger Reschke ReuschenbachReuterRixeRothSchäfer SchanzDr. Scheer SchluckebierFrau Schmidt Dr. SchöfbergerSchreinerSchröer
SchützFrau Schulte SeidenthalFrau Seuster SielaffSieler
Frau Dr. Skarpelis-Sperk Dr. SoellFrau Dr. Sonntag-Wolgast Dr. SperlingStahl
SteinerFrau SteinhauerStobbeDr. Struck Frau Terborg Frau Dr. Timm UrbaniakVerheugen Dr. VogelVosenWaltemathe WaltherWartenberg
Frau Dr. Wegner WeiermannFrau Weiler Weisskirchen Dr. WernitzWestphalFrau Weyel Dr. WieczorekFrau Wieczorek-Zeul Wiefelspützvon der WiescheWimmer
Dr. de With ZanderZeitlerZumkleySPD
AmendeBogischDr. BotzFrau Dräger Frau Fritsch GutzeitHackerDr. Heltzig HilsbergDr. KalzKamilliFrau Krehl KuessnerFrau Dr. LucygaFrau MorgensternDr. Misselwitz Richter
SeegerSchemmel SchröderSchwanitz SchultzeSorgeDr. Stephan Stockmann ThierseFrau Uecker Voigtländer WeisWeißgerberFDPFrau Dr. Adam-Schwaetzer BaumBeckmann BredehornCronenberg Eimer (Fürth)EngelhardDr. FeldmannFrau Folz-Steinacker FunkeGallusGattermann GriesGrünerDr. HaussmannHeinrichDr. Hirsch Dr. Hitschler HoppeDr. Hoyer IrmerKleinert
KohnDr.-Ing. Laermann Mischnick Neuhausen NoltingPaintnerRichterRindRonneburger Schäfer
Frau Dr. SegallFrau Seiler-AlbringDr. Solms Dr. Thomae TimmFrau WalzDr. Weng Wolfgramm (Göttingen) Frau WürfelZywietzFDP
AnniesFelberKleyLehment Dr. Ortleb Dr. WöstenbergDr. Zirkler ZschornackEnthaltenSPD
Frau BarbeDIE GRÜNENFrau Wilms-Kegel FraktionslosFrau Unruh
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Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 231. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Oktober 1990 18345
Vizepräsident CronenbergAuch dieser Antrag ist abgelehnt.Wir kommen nunmehr zu Einzelberatung und Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines ERP-Wirtschaftsplangesetzes 1991. Das sind die Drucksachen 11/8002 und 11/ 8206.Ich rufe die §§ 1 bis 12, Einleitung und Überschrift auf. Wer den aufgerufenen Vorschriften zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Wer stimmt dagegen? — Enthaltungen? — Damit sind die aufgerufenen Vorschriften mit den Stimmen der SPDFraktion und der Koalitionsfraktionen bei unterschiedlichem Stimmverhalten der Gruppe der PDS und der Fraktion DIE GRÜNEN/Bündnis 90 angenommen.Wir treten nunmehr in diedritte Beratungein und kommen zur Schlußabstimmung. Wer diesem Gesetz als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Wer stimmt dagegen? — Wer enthält sich? — Dann ist das Gesetz mit den Stimmen der Fraktionen der SPD, der CDU/CSU und FDP angenommen, bei Enthaltung der Fraktion DIE GRÜNEN/Bündnis 90 bei unterschiedlichem Stimmenverhalten der Gruppe der PDS.Wir kommen nunmehr zu Tagesordnungspunkt 10 d. Ich lasse abstimmen über die Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses auf Drucksache 11/6988, Sammelübersicht 162, Kürzung des Verteidigungsetats, Verwendung der freiwerdenden Mittel für andere Zwecke. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? — Wer stimmt dagegen? — Enthaltungen? — Damit ist diese Beschlußempfehlung mit den Stimmen der Fraktionen der SPD, CDU/CSU und FDP bei Enthaltung der Fraktion DIE GRÜNEN/Bündnis 90 und unterschiedlichem Stimmverhalten der Gruppe der PDS angenommen.Ich komme nunmehr zur Abstimmung über den Tagesordnungspunkt 10 e, Sammelübersicht 171.Zunächst kommen wir zum Änderungsantrag der Abgeordneten Frau Nickels auf Drucksache 11/8225. Wer dem Änderungsantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Wer stimmt dagegen? — Dieser Änderungsantrag ist abgelehnt worden mit den Stimmen der Fraktionen der SPD, CDU/CSU und FDP bei einigen Enthaltungen aus der Gruppe der PDS.Wer der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses auf Drucksache 11/7484 zuzustimmen wünscht, und zwar in unveränderter Form, den bitte ich um das Handzeichen. — Wer stimmt dagegen? — Enthaltungen? — Damit ist diese Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses mit den Stimmen der SPD, CDU/CSU und FDP angenommen worden bei unterschiedlichem Stimmverhalten der Gruppe der PDS und Gegenstimmen der GRÜNEN/Bündnis 90.Tagesordnungspunkt 10 f! Wir stimmen über die Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses auf Drucksache 11/6989 zu dem Zwölften Subventionsbericht der Bundesregierung ab. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? — Wer stimmt dagegen? — Enthaltungen? — Diese Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU, der FDP und der SPD bei Enthaltung der Fraktion DIE GRÜNEN/Bündnis 90 und — mit einer Ausnahme — der Gruppe der PDS gegen die Stimme des Abgeordneten Wüppesahl
angenommen.Tagesordnungspunkt 10 g! Wir kommen zur Abstimmung über die Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses auf Drucksache 11/7865. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 11/7756 abzulehnen. Wer dieser Empfehlung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Wer stimmt gegen diese Empfehlung? — Enthaltungen? — Keine Enthaltung. Die Empfehlung des Ausschusses ist angenommen.Tagesordnungspunkt 10 h! Wir stimmen über die Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses auf Drucksache 11/7957 ab. Wer stimmt für die Beschlußempfehlung? — Wer stimmt dagegen? — Enthaltungen? — Diese Beschlußempfehlung ist bei Enthaltung der Fraktion DIE GRÜNEN/Bündnis 90 und einigen Enthaltungen aus der Gruppe der PDS angenommen.Ich rufe die Zusatztagesordnungspunkte 5 und 6 auf :ZP5 Beratung der Unterrichtung durch den BundesratGesetz zur Regelung der Dauer des Grundwehrdienstes und des Zivildienstes — Drucksachen 11/7840, 11/7858, 11/7995hier: Einspruch gemäß Artikel 77 Abs. 3 Grundgesetz— Drucksache 11/8135 —ZP6 Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU und FDPZurückweisung des Einspruchs des Bundesrates gegen das Gesetz zur Regelung der Dauer des Grundwehrdienstes und des Zivildienstes— Drucksache 11/8186 —Dazu hat die Abgeordnete Frau Barbe um das Wort gebeten. Frau Abgeordnete, Sie haben das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Deutsche Bundestag befaßt sich heute zum wiederholten Mal in wenigen Wochen mit einem Thema von großer Bedeutung für junge Menschen in unserem Land. Es betrifft seit dem 3. Oktober auch alle jungen Männer in der ehemaligen DDR.Bis zum Oktober gab es unterschiedliche Regelungen in beiden Teilen Deutschlands. Die Zivildienstverordnung vom 20. Februar 1990 der ehemaligen DDR, die eine Zivildienstdauer von zwölf Monaten und eine freie Entscheidung für den Zivildienst ohne sogenannte Gewissensprüfung vorsah, war eine der wenigen Rechtsvorschriften, die auf die Initiative der DDR-Opposition in den 80er Jahren zurückging, insbesondere, wie Sie sich erinnern, der kirchlichen Friedensgruppen. Mit der völligen Gleichbehandlung von Wehrdienstleistenden und Zivildienstleistenden
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18346 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 231. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Oktober 1990
Frau Barbewaren endlich die Forderungen der Opposition erfüllt, nämlich die Diskriminierung der Bausoldaten und der Wehrdienstverweigerer zu beenden. Wir waren stolz darauf, eine fortschrittlichere Regelung als Sie hier in der Bundesrepublik zu haben.
Heute soll die ungerechte Regelung: 15 Monate Zivildienst, 12 Monate Wehrdienst, für die Zukunft festgeschrieben werden, und das, obwohl sich auch in den Fraktionen von CDU/CSU und FDP die Stimmen derer mehren, für die eine höhere Belastung der Zivildienstleistenden nicht mehr annehmbar erscheint.
Als Neuling muß ich wohl erst lernen, daß Parteitagsbeschlüsse beispielsweise der FDP oder prominente Stimmen einzelner nicht dazu sind, in praktische Politik umgesetzt zu werden, sondern nur die Kritiker in den eigenen Reihen beschwichtigen sollen.
Der Beschluß des Vermittlungsausschusses von Bundestag und Bundesrat, über den wir heute endgültig abstimmen werden, sieht demgegenüber eine Angleichung der Dienstzeiten mit einer großzügigen Übergangsregelung vor, nach der der Zivildienst bis zum September 1991 auf 13 Monate und erst danach auf zwölf Monate reduziert werden soll. Damit wurde Strukturbedenken Rechnung getragen und der Bundestagsmehrheit ein akzeptabler Kompromiß angeboten.Niemand in diesem Hause hat wohl heute noch Zweifel daran, daß die Pflege von Schwerbehinderten und alten Menschen ein Höchstmaß an körperlicher und seelischer Anstrengung verlangt. Der langjährige Vorsitzende der CDU-Sozialausschüsse, Ulf Fink, faßte diese Erkenntnis in einem Interview mit der „Augsburger Allgemeinen" im letzten Monat so zusammen:Die körperliche und seelische Belastung eines Zivildienstleistenden, z. B. bei der Pflege von Schwerbehinderten, ist größer als die eines Wehrpflichtigen in der Kaserne. Deshalb sollte der zivile Ersatzdienst nicht länger dauern als der Wehrdienst.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir wissen alle, daß dies nicht die Auffassung eines einzelnen ist. Nahezu alle großen gesellschaftlichen Gruppen, die Kirchen eingeschlossen, unterstützen nachdrücklich das Bemühen der SPD.Wenn man zurückblickt, dann stellt man fest, daß auch in der Bundesrepublik liberale Regelungen für den Ersatzdienst häufig an der Ideologie des kalten Kriegs gescheitert sind. Glücklicherweise sind dieseKonfrontationen vorbei, heute überwunden, und es besteht die Chance zu einem Neuanfang.
Ich wende mich deshalb ausdrücklich an Sie, liebe ehemalige Volkskammerkolleginnen und -kollegen der anderen Fraktionen:
Was wir alle gemeinsam nach dem 18. März für richtig gehalten haben, kann doch nicht heute einfach deshalb falsch sein, weil wir jetzt Mitglieder des Deutschen Bundestags sind.
Stimmen Sie deshalb bitte mit uns für das Ergebnis des Vermittlungsauschusses. Unsere Landsleute, gerade die in den neuen Bundesländern, brauchen uns als ihre Interessenvertreter, und die jungen Menschen wollen wissen, wer die verläßlichen Sachwalter ihrer Interessen sind.
Die SPD fordert alle Abgeordneten auf, den Einspruch des Bundesrats nicht zurückzuweisen und deshalb den Antrag der Koalition abzuweisen.Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Zu einer Erklärung zur Abstimmung gebe ich dem Abgeordneten Sauer das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Für die CDU/CSU-Fraktion erkläre ich hiermit: Wir weisen den Einspruch des Bundesrats gegen das Gesetz zur Regelung der Dauer des Grundwehrdienstes und des Zivildienstes zurück.
Wir sehen keine neuen Argumente seit unserer Debatte vom 5. Oktober, die eine Veränderung unserer Haltung notwendig machen würden. Es gilt nach wie vor: Es gibt gravierende verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Angleichung der Dienstzeit bei Grundwehrdienst und Zivildienst. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 1978 ist für uns nach wie vor der Maßstab.
Das vom Bundestag beschlossene Gesetz verkürzt den Grundwehrdienst um drei Monate und den Zivildienst um fünf Monate. Mit dieser überproportionalen Verkürzung des Zivildienstes ist den Entlastungen, die sich in der jüngeren Vergangenheit beim Wehrdienst ergeben haben, in vollem Umfang Rechnung getragen worden.
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Sauer
Mit der heutigen Beschlußfassung soll nun die gesetzliche Regelung in Kraft treten, die Grundlage für die bereits zum 30. September dieses Jahres erfolgte Dienstzeitverkürzung ist. Eine weitere Verunsicherung unserer jungen Menschen kann von uns nicht länger hingenommen werden.
— Hören Sie mal gut zu, Herr Jahn.Lassen Sie mich einige wenige Worte zu den uns bestimmenden Gründen sagen: Im Verhältnis von Wehr- zu Zivildienst gilt für uns nach wie vor das Gebot der Lastengleichheit und der Gerechtigkeit.
Wehrdienst und Zivildienst müssen dem Bürger in der Gesamtbetrachtung Bleichschwere Pflichten auferlegen.
— Also, ich würde vorschlagen, daß Sie mir einmal zuhören und hier nicht nur herumschreien.
In den Lastenvergleich muß nicht nur die Dienstzeit in Monaten, sondern auch die Wochendienstzeit, also die Anzahl der Stunden, die im Dienst verbracht werden — ebenso die Wehrübungen —, und auch die Zeitverluste bei der An- und Abfahrt vom und zum Dienstort einbezogen werden.
Hier sind höhere zeitliche Belastungen des Wehrdienstleistenden festzustellen, die im Zivildienst Berücksichtigung finden müssen.Weiter sind auch dienstbedingte Besonderheiten, die den Wehrdienst in der Lebenssituation der Jugendlichen belastender erscheinen lassen, zu beachten,
etwa der heimatferne Dienst, die Kasernierung, die Uniformierung, das Leben unter Befehl und Gehorsam usw.
Obwohl Wehrdienst und Zivildienst rechtlich vergleichbar ausgestaltet sind, arbeitet der Zivildienstleistende in einem objektiv weniger strengen Dienstverhältnis als der Wehrpflichtige.
Für Jugendliche spielt dies eine große Rolle.
— Also, ich habe das letzte Mal gesagt — ich wiederhole mich — : Wer so schreit, hat sicher unrecht.
Noch ein Wort zu den Wehrübungen: Viele Wehrpflichtige werden zwar nie zu Wehrübungen herangezogen; aber der einzelne Wehrpflichtige weiß nicht, in welchem Umfang er diesen zusätzlichen Dienst bei der Bundeswehr in Zukunft zu leisten hat.
Der Zivildienstleistende dagegen absolviert seinen Dienst zusammenhängend und abschließend. Er hat damit — im Gegensatz zum Wehrpflichtigen — Klarheit für seine weitere Lebensplanung; der Wehrpflichtige hat sie nicht. Die Zahl von 200 000 Reservisten, die im Jahr 1989 eingezogen worden sind, bestätigt diese Feststellung.Aus all diesen zusätzlichen Belastungen folgt: Es ist ein Gebot der Gerechtigkeit, den längeren Zivildienst zu akzeptieren. Im übrigen war die SPD noch bis vor kurzem der gleichen Meinung. Die neue Haltung der SPD scheint mir ihren Ursprung aber nicht in der Fürsorge für die Zivildienstleistenden zu haben. Hier spielen ganz andere Motive eine Rolle.
Meine Damen und Herren, die Geschäftsordnung legt eindeutig fest, daß vor der Zurückweisung oder Nichtzurückweisung eines solchen Einspruchs nicht die Aussprache eröffnet wird, sondern nur Erklärungen abgegeben werden. Ich bitte also alle — einschließlich der Zwischenrufer — , darauf zu achten, daß hier nur Erklärungen abgegeben werden.
Herr Abgeordneter Sauer, ich bitte Sie, nun in diesem Sinne fortzufahren.
Je näher der Wahltag rückt, desto mehr siegt bei der SPD der reine Opportunismus.
Die Saarbrücker Wetterfahnenpraxis kommt auch hier voll zum Zuge. Obstruktion und Opportunismus sind das Markenzeichen Ihrer Politik. Wir dagegen sagen den Wehrpflichtigen und den Zivildienstleistenden die Wahrheit und geben ihnen Klarheit, auch wenn die Wahl kurz bevorsteht.
Herr Abgeordneter, ich habe den Eindruck, Sie haben meinen Appell ein bißchen überhört.
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18348 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 231. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Oktober 1990
Herr Präsident, ich komme zum Schluß.
— In Ihrer Situation, im freien Fall,
sind es kleine Dinge, die Sie freuen. —
Beiden, Wehrpflichtigen und Zivildienstleistenden, sind wir aber zu großem Dank für ihren Dienst verpflichtet. Die Arbeit der Zivildienstleistenden schätzen wir hoch ein. Ihr aufopfernder Beitrag in den sozialen Einrichtungen in unserem Land ist wichtig.
Herr Abgeordneter, ich wäre dankbar, wenn Sie Ihre Ankündigung wahr machten. Jetzt ist Ihre Redezeit deutlich überschritten.
Letzter Satz, Herr Präsident! Ich halte die gefundene Regelung für fair. Sie hält sich an den vom Bundesverfassungsgericht vorgegebenen Rahmen und ist ein erfreuliches Ergebnis der erfolgreichen Abrüstungs- und Friedenspolitik von Helmut Kohl.
Das ist auch wieder mehr als ein Satz. Bringen Sie mich bitte nicht in Verlegenheit!
Meine Damen und Herren, nun hat der Herr Abgeordnete Dr. Lippelt das Wort. Herr Dr. Lippelt, ich wäre Ihnen dankbar, wenn ich nicht alles wiederholen müßte und Sie sich von vornherein nach meinem Appell richteten.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident, ich will mich an Ihre Worte halten. Über diese Angelegenheit ist auch relativ kurz zu reden.
Herr Sauer, ich wünsche Ihnen — —
Sie eröffnen nicht die Debatte, sondern Sie erklären jetzt etwas für Ihre Fraktion.
Ich erkläre für meine Fraktion, daß in meiner Fraktion genügend Leute schon einmal einen Schwerbehinderten gepflegt haben, was, wie ich vermute, mein Vorredner nicht behaupten könnte,
so daß er auch nicht weiß, daß die Belastungen, dieunsere jungen Zivildienstleistenden in Schwerbehindertenwohngemeinschaften, in der Altenpflege bringen,
körperlich und seelisch weit über das hinausgehen, was an Belastungen beim Herumspielen mit Kriegsmaterial auftritt.
Ich erkläre zweitens, daß, wenn die Belastungen beim Wehrdienst so groß sein sollten, wie sie uns hier eben dargestellt wurden, nur eines übrigbliebe: den Wehrdienst sofort abzuschaffen.
Ich appelliere drittens dringendst an die FDP, ihren Erklärungen, die sie auf Parteitagen verabschiedet, hier nun wenigstens insoweit nachzukommen,
daß wir eine Gleichberechtigung, eine gleichlange Zeit von Wehr- und Zivildienst bekommen.Das ist auch aus einem anderen Grunde nötig. Nun nehme ich ein Argument, das hier vielleicht der Mitte näherkommt: Wenn Sie von den jetzigen Zahlen auf 370 000 heruntergehen, dann müssen Sie ganz notwendigerweise den Zivildienst dem Wehrdienst gleichstellen, weil sonst so viele in den Wehrdienst gehen, die hoffen, nicht gezogen zu werden — das ist jetzt ein Argument in Ihrem Sinne —, daß es dann keine Wehrgerechtigkeit mehr gäbe. Sie müssen das also auch aus Ihren Gründen heraus tun.Meine Damen und Herren, ich sage als allerletztes: Abgeordnete der CDU und der FDP, die jetzt zu uns gekommen sind und mit denen wir hier jetzt arbeiten, haben ein sehr fortschrittliches Zivildienstgesetz beschlossen.
Dies ist so ungefähr alles, was aus dem berühmten Erbe des Umbruchs in der DDR, das wir alle so hochhalten und permanent feiern, übriggeblieben ist. Diesen kleinen letzten Rest können Sie noch retten. Zwingen Sie deshalb Ihre eigenen Leute nicht dazu, ihr Rückgrat aus falschverstandener Fraktionsdisziplin zu verkrümmen,
sondern geben Sie Ihren Leuten die Freiheit zum aufrechten, geraden Gang. Das ist doch das, wozu dieses ganze Parlament eigentlich da sein sollte, nicht aber zur Verkrümmung, indem Sie Fraktionszwang herstellen. Deshalb sage ich Ihnen: Retten Sie zumindest das allerletzte, was noch aus dem Erbe des großartigen Umbruchs bleibt, indem Sie für die Gleichberechtigung und gleiche Dauer von Zivildienst und Wehrdienst stimmen!
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Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 231. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Oktober 1990 18349
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Seifert.
— Ich bitte um Ruhe für Herrn Dr. Seifert.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich muß sagen, ich bin über das unwürdige Schauspiel, das uns hier geboten wird, empört. Vor kurzem haben wir hier ein Gesetz verabschiedet. Ich habe damals gesagt, daß ich eigentlich dafür bin, Wehr- und Zivildienst abzuschaffen. Dem ist nicht zugestimmt worden. Aber wenn jetzt hier öffentlich, vor aller Augen, Wehrdienst höher gestellt wird als Zivildienst, halte ich das in höchstem Maße für inhuman.
Ich appelliere an alle Abgeordneten, die einem christlichen Sozialethos verpflichtet sind, bitte daran zu denken, daß die Pflege des einzelnen Menschen fast zum Höchsten gehört, was überhaupt möglich ist. Ich bitte Sie deshalb, dieses unwürdige Schauspiel hier zu beenden.
Danke schön.
Das Wort hat der Abgeordnete Ronneburger.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im Gegensatz zu dem, was in die heutige Entscheidung hineininterpretiert worden ist, erkläre ich für meine Fraktion: Es geht hier heute darum, eine klare Rechtslage für eine Entscheidung zugunsten von Grundwehrdienst- und Zivildienstleistenden herzustellen, eine Entscheidung, die sich im Rahmen von allgemeiner Wehrpflicht und gleichzeitig der Gewissensfreiheit eines jeden bewegt, der sich gegen den Wehrdienst entscheidet.
Gleichzeitig habe ich festzustellen: Es ist nach der Überzeugung in meiner Fraktion nicht zulässig, daß der demokratische Rechtsstaat eine stärkere Inanspruchnahme von Lebenszeit oder einen stärkeren Eingriff in die persönliche Lebensplanung seiner Bürger vornimmt, als im Rahmen der vorgegebenen Bedingungen und Zielsetzungen unabdingbar erforderlich ist.
Aus diesem Grunde bin ich sehr froh darüber, daß es uns in harten Auseinandersetzungen gelungen ist, die Wehrdienstzeit und die Zivildienstzeit zu verkürzen und gleichzeitig dafür zu sorgen, daß der Drittelmechanismus für die Zivildienstleistenden aufgehoben worden ist.
Dies ist ein Schritt auf dem richtigen Wege.
Wir werden daher der Zurückweisung des Einspruchs zustimmen. Aber ich mache gleichzeitig, da hier mehrfach auf Parteitagsbeschlüsse hingewiesen worden ist, folgende Aussage.
— Hören Sie doch erst einmal zu. Ich habe eben gesagt, ich werde auf diesen Parteitagsbeschluß Bezug nehmen. Da Sie mich jetzt dazu provozieren, werde ich ihn auch wörtlich zitieren.
Es heißt in diesem Parteitagsbeschluß nach der Zustimmung zur allgemeinen Wehrpflicht, aber gleichzeitig zum Recht auf Wehrdienstverweigerung:
Die im Zuge der Reduzierung der Streitkräfte in Deutschland zu erwartende Verbesserung der Personalstruktur in der Armee, speziell des Verhältnisses der Zahl der Ausbilder zur Zahl der Grundwehrdienstleistenden, eröffnet auch die Chance zur Intensivierung und Verdichtung der Ausbildung und damit zu einer weiteren Verkürzung des Grundwehrdienstes auf neun Monate.
Dann heißt es weiter:
Die Dauer des Zivildienstes soll die Dauer des Grundwehrdienstes einschließlich der entsprechenden Zeit von Wehrübungen nicht überschreiten.
Das ist das, woran wir uns halten.
Ich will jetzt die ganzen Argumente in der Auseinandersetzung nicht wiederholen. Aber ich sage Ihnen, meine Damen und Herren: Wir befinden uns auf einem richtigen Weg zugunsten derjenigen, die den Dienst für unseren Staat zu leisten haben. Wir tun heute, was heute möglich ist, und wir werden morgen, in den auf uns zukommenden Jahren, tun, wofür sich dann die Möglichkeiten eröffnen.
Ich danke Ihnen.
Meine Damen und Herren, wir kommen nunmehr zur Abstimmung. Die Fraktionen der CDU/CSU und FDP sowie die Fraktion DIE GRÜNEN/Bündnis 90 haben hierzu eine namentliche Abstimmung verlangt.Ich mache Sie auf folgendes aufmerksam: Um den Einspruch des Bundesrates, den dieser mit der Mehrheit seiner Stimmen beschlossen hat, zurückzuweisen, bedarf es nach Art. 77 Abs. 4 des Grundgesetzes der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages. Das sind 332 Stimmen.Die Abstimmung ist eröffnet.
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18350 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 231. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Oktober 1990
Vizepräsidentin RengerMeine Damen und Herren Mitglieder des Ältestenrates, nach dieser namentlichen Abstimmung tagt der Ältestenrat. —
Meine Damen und Herren, haben alle abgestimmt? — Die Abstimmung ist geschlossen. Ich bitte um Auszählung. )Meine Damen und Herren, wir fahren in den Beratungen fort. Ich darf Ihnen mitteilen: Nach einer interfraktionellen Vereinbarung soll die zweite und dritte Beratung des Wasserverbandsgesetzes auf einen späteren Zeitpunkt verschoben und damit dieser unter Tagesordnungspunkt 9.10 aufgeführte Punkt abgesetzt werden. Kein Widerspruch? — Dann ist das so beschlossen.Ich sollte Ihnen ferner mitteilen, daß auch der Tagesordnungspunkt 9.1 von der Tagesordnung abgesetzt worden ist.Ich rufe nunmehr die Tagesordnungspunkte 9.2 bis 9.9 und 9.11 bis 9.32 sowie Zusatztagesordnungspunkt 7 auf:9.2 Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verbesserung der Berufsförderung für Soldaten auf Zeit— Drucksache 11/6769 —a) Beschlußempfehlung und Bericht des Verteidigungsausschusses
— Drucksache 11/7959 —Berichterstatter:Abgeordnete Francke Steinerb) Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung— Drucksache 11/8021 —Berichterstatter:Abgeordnete Müller Frau Seiler-AlbringKühbacherKleinert
9.3 Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verlängerung der Amtsdauer der Organmitglieder in der sozialen Selbstverwaltung— Drucksache 11/8022 —Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung
— Drucksache 11/8180 — •) Ergebnis Seite 18357Berichterstatter: Abgeordneter Heyenn
9.4 Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Tierseuchengesetzes— Drucksache 11/7065 —Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten
— Drucksache 11/8117 —Berichterstatter: Abgeordneter Brunner
9.5 Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Aussetzung der Brennrechtsveranlagung 1992/93— Drucksache 11/6905 —Beschlußempfehlung und Bericht des Finanzausschusses
— Drucksache 11/8201 —Berichterstatter:Abgeordneter Dr. Meyer zu Bentrup
9.6 a) Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Dr. Jobst, Fischer , Bauer, Rauen, Frau Augustin, Börnsen (Börnstrup), Breuer, Carstensen (Nordstrand), Eigen, Dr. Grünewald, Haungs, Frau Karwatzki, Lenzer, Maaß, Magin, Oswald, Pesch, Schartz (Trier), Schneider (Idar-Oberstein), Schreiber, Dr. Schroeder (Freiburg), Dr. Schwörer, Frau Dr. Wisniewski, Dr. Dregger, Dr. Bötsch und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Dr. Weng (Gerlingen), Gries, Kohn, Richter, Zywietz, Mischnick und der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines 4. Gesetzes zur Änderung des Bundesbahngesetzes (4. BbÄndG)— Drucksache 11/6735 —aa) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr
— Drucksache 11/7963 —Berichterstatter:Abgeordneter Dr. Niese
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Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 231. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Oktober 1990 18351
Vizepräsidentin Rengerbb) Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung— Drucksache 11/7970 —Berichterstatter:Abgeordnete Purps BorchertDr. Weng Frau Vennegerts
b) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr zu dem Antrag der Abgeordneten Weiss (München), Frau Rock und der Fraktion DIE GRÜNENVerstoß gegen § 5 Bundesbahngesetzdurch den Deutschen Bundestag— Drucksachen 11/3648, 11/4183,11/7963 —Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Niese9.7 Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Zusatzabkommen vom 26. Oktober 1989 zum Abkommen vom 27. Februar 1976 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königsreich Schweden über Soziale Sicherheit und zu der Zusatzvereinbarung vom 26. Oktober 1989 zur Vereinbarung vom 23. Februar 1978 zur Durchführung des Abkommens sowie zur Ergänzung des Gesetzes vom 2. September 1980 zu dem Abkommen vom 23. April 1979 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Finnland über Soziale Sicherheit— Drucksache 11/7998 —Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung
— Drucksache 11/8149 —Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Thomae
9.8 Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 12. April 1989 zur Änderung des Abkommens vom 1. Juni 1961 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über die Errichtung neben-einanderliegender Grenzabfertigungsstellen und die Grenzabfertigung in Verkehrsmitteln während der Fahrt— Drucksache 11/7996 —Beschlußempfehlung und Bericht des Finanzausschusses
— Drucksache 11/8202 —Berichterstatter:Abgeordneter Dr. Schroeder
9.9 Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Europäischen Übereinkommen vom 13. November 1987 zum Schutz von Heimtieren— Drucksache 11/6854 —Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten
— Drucksache 11/8116 —Berichterstatter: Abgeordneter Kißlinger
9.11 Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur unterhaltsrechtlichen Berechnung von Aufwendungen für Körper- oder Gesundheitsschäden— Drucksache 11/6153 —Beschlußempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses
— Drucksache 11/8173 —Berichterstatter:Abgeordnete Dr. Pick Dr. Stark
9.12 a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neufassung des Bundesumzugskostengesetzes und zur Änderung sonstiger umzugskostenrechtlicher und reisekostenrechtlicher Vorschriften— Drucksache 11/6829 —aa) Beschlußempfehlung und Bericht desInnenausschusses
— Drucksache 11/8138 —Berichterstatter:Abgeordnete Regenspurger RichterLutzSuch18352 Deutscher Bundestag — 1 í. Wahlperiode — 231. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Oktober 1990Vizepräsidentin Rengerbb) Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung— Drucksache 11/8139 —Berichterstatter:Abgeordnete Deres KühbacherFrau Seiler-Albring Kleinert
b) Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verbesserung der personellen Struktur in Bereichen der Bundesverwaltung, die durch die Einrichtung des Europäischen Binnenmarktes und die Vereinigung der beiden deutschen Staaten besonders betroffen sind— Drucksache 11/7782 —aa) Beschlußempfehlung und Bericht desInnenausschusses
— Drucksache 11/8138 —Berichterstatter:Abgeordnete Dr. Nöbel SuchRegenspurgerRichterbb) Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung— Drucksache 11/8139 —Berichterstatter:Abgeordnete Deres KühbacherFrau Seiler-Albring Kleinert
9.13 Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Finanzausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über Wertpapierdienstleistungen— Drucksachen 11/4081 Nr. 2.2, 11/8027 —Berichterstatter:Abgeordnete Dr. Fell Dr. Wieczorek9.14 Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Finanzausschusses zu der Unterrichtung durch die BundesregierungVorschlag für eine Richtlinie des Rates über die angemessene Eigenkapitalausstattung von Wertpapierfirmen und Kreditinstituten— Drucksachen 11/7609 Nr. 9, 11/8028 —Berichterstatter:Abgeordnete Dr. Fell Dr. Wieczorek9.15 Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Finanzausschusses zu der Unterrichtung durch die BundesregierungVorschlag für eine Verordnung des Rates zur Festlegung des Zollkodex der GemeinschaftenVorschlag für eine Verordnung des Rates zur Festlegung der Fälle und der besonderen Voraussetzungen, unter denen das Zollverfahren der vorübergehenden Verwendung unter vollständiger Befreiung von den Einfuhrabgaben in Anspruch genommen werden kann— Drucksachen 11/7319 Nr. 2.1, 11/8032 —Berichterstatter: Abgeordneter Uldall9.16 Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft zu der Verordnung der BundesregierungAufhebbare Neunte Verordnung zur Änderung der Außenwirtschaftsverordnung— Drucksachen 11/7658, 11/8035 —Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Sprung9.17 Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft zu der Verordnung der BundesregierungAufhebbare Neunundsechzigste Verordnung zur Änderung der Ausfuhrliste — Anlage AL zur Außenwirtschaftsverordnung— Drucksachen 11/7659, 11/8037 —Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Jens9.18 Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft zu der Verordnung der BundesregierungAufhebbare Achte Verordnung zur Änderung der Außenwirtschaftsverordnung— Drucksachen 11/7693, 11/8036 —Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Sprung
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Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 231. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Oktober 1990 18353
Vizepräsidentin Renger9.19 Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft zu der Verordnung der BundesregierungAufhebbare Zehnte Verordnung zur Änderung der Außenwirtschaftsverordnung— Drucksachen 11/7694, 11/8038 —Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Jens9.20 Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Finanzausschusses zu der Unterrichtung durch die BundesregierungMitteilung der Kommission an den Rat über steuerliche Maßnahmen, die die Gemeinschaft im Zusammenhang mit der Liberalisierung des Kapitalverkehrs zu treffen hatVorschlag für eine Richtlinie des Rates über ein gemeinsames System einer Quellensteuer auf ZinsenVorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinie 77/799/EWG über die gegenseitige Amtshilfe zwischen den zustän- digen Behörden der Mitgliedstaaten in den Bereichen der direkten und der Mehrwertsteuern— Drucksachen 11/5197 Nr. 2.1, 11/5533 —Berichterstatter:Abgeordneter Dr. Meyer zu Bentrup9.21 Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Finanzausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Apel, Poß, Brück, Börnsen (Ritterhude), Dr. Hauchler, Huonker, Kastning, Matthäus-Maier, Dr. Mertens (Bottrop), Oesinghaus, Reschke, Westphal, Dr. Wieczorek, Bahr, Simonis, Ewen, Tietjen, Oostergetelo, Buschfort, Esters, Stahl (Kempen), Vosen, Großmann, Dr. Nöbel, Diller, Schreiner, Fischer (Homburg), Conrad, Dr. Götte, Müller (Pleisweiler), Hämmerle, Schäfer (Offenburg), Erler, Kirschner, Bindig, Dr. Skarpelis-Sperk, Vahlberg, Bamberg, Wimmer (Neuötting), Leidinger, Kißlinger, Weyel, Büchner (Speyer), Dr. Vogel und der Fraktion der SPDSteuerliche Behandlung der Grenzgänger— Drucksachen 11/2328, 11/7560 —Berichterstatter:Abgeordnete Dr. Fell Oesinghaus9.22 Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung zu dem Antrag der Fraktion der SPDZur EG-Charta sozialer Grundrechte— Drucksachen 11/5906, 11/7223 —Berichterstatter: Abgeordneter Peter
9.23 Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Fraktion der SPDForderungen an ein abrüstungspolitisches Gesamtkonzept— Drucksachen 11/4053, 11/7673 —Berichterstatter:Abgeordnete Lamers VerheugenIrmerDr. Lippelt
9.24 Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr zu der Unterrichtung durch das Europäische ParlamentEntschließung zu den Unglücken auf den Fähren „Scandinavien Star", „Norrona" und weiteren Fährschiff en— Drucksachen 11/7376, 11/7876 —Berichterstatter: Abgeordneter Bohlsen9.25 Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für innerdeutsche Beziehungen zu der Unterrichtung durch die BundesregierungBericht des Bundesministers für das Post- und Fernmeldewesen über die Erschließung des Zonenrandgebietes im Bereich des Post- und Fernmeldewesens— Drucksachen 11/3704, 11/6109 —Berichterstatter:Abgeordnete Seidenthal Böhm
9.26 Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Verteidigungsausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Frau Schilling, Frau Schoppe und der Fraktion DIE GRÜNENzur Schließung des Luft-Boden-Übungsplatzes „Nordhorn-Range"zu dem Antrag der Abgeordneten Oostergetelo, Dr. Däubler-Gmelin, Andres, Börnsen , Bulmahn, Dr. Emmerlich, Ewen, Faße, Dr. Gautier, Götte, Graf, Haack (Extertal), Dr. Hauchler, Heistermann, Hiller (Lübeck), Kiehm, Koltzsch, Kühbacher, Müller (Pleisweiler), Niehuis, Pauli, Rixe, Dr. Sonntag-Wolgast, Sielaff, Scherrer, Schmidt (Salzgitter), Schütz, Dr. Struck, Terborg, Tietjen, WaltematheSchließung des Luft-Boden-Übungsplatzes „Nordhorn-Range"— Drucksachen 11/6866, 11/7264, 11/8055 —Berichterstatter:Abgeordnete Kossendey Zumkley
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18354 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 231. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Oktober 1990
Vizepräsidentin Renger9.27 Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses
Sammelübersicht 170 zu Petitionen
— Drucksache 11/7447 —9.28 Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses
Sammelübersicht 174 zu Petitionen
— Drucksache 11/7803 —9.29 Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses
Sammelübersicht 175 zu Petitionen
— Drucksache 11/7804 —9.30 Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses
Sammelübersicht 178 zu Petitionen
— Drucksache 11/7857 —9.31 Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses
Sammelübersicht 183 zu Petitionen— Drucksache 11/8050 —9.32 Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses
Sammelübersicht 184 zu Petitionen— Drucksache 11/8051 —ZP7 Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verbesserung des Lebensmittelstraf- und -ordnungswidrigkeitenrechts sowie des Fleischhygienerechts— Drucksache 11/4309 —Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit
— Drucksache 11/7885 —Berichterstatter: Abgeordneter Eimer
Es handelt sich um eine Reihe von Vorlagen ohne Aussprache, über die abgestimmt werden muß.Wir kommen jetzt zur Einzelberatung und Abstimmung beim Tagesordnungspunkt 9.2 über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Berufsförderung für Soldaten auf Zeit. Das sind die Drucksache 11/6769 und die Drucksache 11/7959. Ich rufe die Art. 1 bis 3, Einleitung und Überschrift auf. Wer den aufgerufenen Vorschriften zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. Wer stimmt dagegen? — Enthaltungen? — Gegen die Stimmen der GRÜNEN in der zweiten Lesung mit großer Mehrheit angenommen.Wir treten in diedritte Beratungein und kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Die Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei Gegenstimmen der GRÜNEN ist der Gesetzentwurf in der dritten Lesung angenommen.Tagesordnungspunkt 9.3. Wir kommen zur Einzelberatung und Abstimmung über den von den Fraktionen der CDU/CSU und FDP eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Verlängerung der Amtsdauer der Organmitglieder in der sozialen Selbstverwaltung, Drucksachen 11/8022 und 11/8180. Ich rufe die §§ 1 und 2, Einleitung und Überschrift auf. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Dies ist in der zweiten Beratung einstimmig angenommen.Wir treten in diedritte Beratungein und kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetzentwurf zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei einer Gegenstimme ist der Gesetzentwurf angenommen.Tagesordnungspunkt 9.4. Wir kommen zur Einzelberatung und Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Tierseuchengesetzes, Drucksachen 11/7065 und 11/8117. Ich rufe auf die Art. 1 bis 5, Einleitung und Überschrift in der Ausschußfassung. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Die Gegenprobe! — Enthaltungen?— Bei Enthaltung der GRÜNEN/Bündnis 90 in der zweiten Beratung angenommen.Wir treten in diedritte Beratungein und kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetzentwurf im Ganzen zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Die Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei Enthaltung einiger Abgeordneter der GRÜNEN und der Gruppe der PDS ist der Gesetzentwurf in der dritten Lesung angenommen.Wir kommen zum Tagesordnungspunkt 9.5.
— Vielleicht kann meine Stimme mehr durchdringen als die Ihre, Frau Kollegin.Wir kommen zur Einzelberatung und Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Aussetzung der Brennrechtsveranlagung 1992/93, Drucksachen 11/6905 und 11/8201. Ich rufe die §§ 1 und 2, Einleitung und Überschrift in der Ausschußfassung auf. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen.— Die Gegenprobe! — Enthaltungen? — Eine Enthal-
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Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 231. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Oktober 1990 18355
Vizepräsidentin Rengertung. Dann ist dies in der zweiten Beratung angenommen.Wir treten in diedritte Beratungein und kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetzentwurf zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das ist einstimmig angenommen.Tagesordnungspunkt 9.6 a). Wir kommen zur Einzelberatung und Abstimmung über den von den Fraktionen der CDU/CSU und FDP eingebrachten Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Bundesbahngesetzes, Drucksachen 11/6735 und 11/7963. Ich rufe die Art. 1 bis 3, Einleitung und Überschrift in der Ausschußfassung auf. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Die Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig in der zweiten Beratung angenommen.Wir treten ein in diedritte Beratungund kommen zur Schlußabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetz im Ganzen zuzustimmen wünschen, sich zu erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Gesetzentwurf ist einstimmig angenommen.Tagesordnungspunkt 9.6b). Wir kommen zur Abstimmung über die Beschlußempfehlung des Ausschusses für Verkehr auf Drucksache 11/7963. Der Ausschuß empfiehlt unter Nr. 2 der Beschlußempfehlung, den Antrag der Fraktion DIE GRÜNEN auf Drucksache 11/3648 für erledigt zu erklären. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig mit Ihnen?
— Ja. Es kann sowieso niemand verstehen, wie dies läuft.Tagesordnungspunkt 9.7. Wir kommen zur Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Vertragsgesetzentwurf zur Ergänzung von Abkommen mit dem Königreich Schweden und der Republik Finnland über Soziale Sicherheit, Drucksachen 11/7998 und 11/8149. Ich rufe das Gesetz mit seinen Art. 1 bis 5, Einleitung und Überschrift in der Ausschußfassung auf. Wer dem Gesetz zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Es gibt nur diese eine Abstimmung. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das ist einstimmig angenommen.Ich komme zum Tagesordnungspunkt 9.8 und lasse abstimmen über den von der Bundesregierung eingebrachten Vertragsgesetzentwurf zur Änderung eines Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweiz zur Grenzabfertigung, Drucksachen 11/7996 und 11/8202. Ich rufe das Gesetz mit seinen Art. 1 bis 4, Einleitung und Überschrift in der Ausschußfassung auf. Wer dem Gesetz zuzustimmen wünscht, bitte ich, sich zu erheben. — Auch hier gibt es nur die eine Abstimmung. — Gegenstimmen? — Enthaltungen? — Bei Enthaltungen der GRÜNEN ist das Gesetz angenommen.Tagesordnungspunkt 9.9. Wir kommen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf zum Europäischen Übereinkommen zum Schutz von Heimtieren, Drucksachen 11/6854 und 11/8116. Ich rufe das Gesetz mit seinen Art. 1 bis 3, Einleitung und Überschrift auf. Wer dem Gesetz zuzustimmen wünscht, bitte ich, sich zu erheben. — Gegenstimmen? — Enthaltungen? — Das Gesetz ist einstimmig angenommen.Tagesordnungspunkt 9.11. Wir kommen jetzt zur Einzelberatung und Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur unterhaltsrechtlichen Berechnung von Aufwendungen für Körper- oder Gesundheitsschäden, Drucksachen 11/6153 und 11/8173. Ich rufe die Art. 1 bis 3, Einleitung und Überschrift auf. Wer dem zuzustimmen wünscht, bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Dies ist in der zweiten Beratung einstimmig angenommen.Wir treten in diedritte Beratungein und kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz im Ganzen zuzustimmen wünscht, bitte ich, sich zu erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das Gesetz ist einstimmig angenommen.Tagesordnungspunkt 9.12a) und b). Wir kommen zur Einzelberatung und Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Neufassung des Bundesumzugskostengesetzes und zur Änderung sonstiger umzugskostenrechtlicher und reisekostenrechtlicher Vorschriften sowie zu dem von den Fraktionen der CDU/CSU und FDP eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der personellen Struktur in Bereichen der Bundesverwaltung, die durch die Einrichtung des Europäischen Binnenmarktes und die Vereinigung der beiden deutschen Staaten besonders betroffen sind. Es handelt sich um die Drucksachen 11/6829, 11/7782 und 11/8138. Meine Damen und Herren, ich rufe die Art. 1 bis 4, Einleitung und Überschrift in der Ausschußfassung auf. Wer zuzustimmen wünscht, bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei Enthaltung einiger Abgeordneter der GRÜNEN/Bündnis 90 und der Gruppe der PDS ist dies angenommen.Wir treten in diedritte Beratungein und kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz im Ganzen zuzustimmen wünscht, bitte ich, sich zu erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei Enthaltung der GRÜNEN/Bündnis 90 und der Gruppe der PDS ist der Gesetzentwurf angenommen.Tagesordnungspunkt 9.13. Ich lasse abstimmen über die Beschlußempfehlung des Finanzausschusses auf Drucksache 11/8027. Es handelt sich um die Richtlinie des Rates über Wertpapierdienstleistungen. Wer stimmt dieser Beschlußempfehlung zu? — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei Enthaltung der GRÜNEN/Bündnis 90 ist die Beschlußempfehlung angenommen.
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18356 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 231. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Oktober 1990
Vizepräsidentin RengerTagesordnungspunkt 9.14. Ich lasse abstimmen über die Beschlußempfehlung des Finanzausschusses auf Drucksache 11/8028. Es handelt sich um die Richtlinie des Rates über die Eigenkapitalausstattung von Wertpapierfirmen und Kreditinstituten. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei Enthaltung der GRÜNEN/Bündnis 90 ist dies angenommen.Tagesordnungspunkt 9.15. Ich lasse abstimmen über die Beschlußempfehlung des Finanzausschusses auf Drucksache 11/8032. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei Enthaltung der Gruppe der PDS ist diese Beschlußempfehlung angenommen.Tagesordnungspunkte 9.16 bis 9.19. Wir stimmen über vier Beschlußempfehlungen des Ausschusses für Wirtschaft zur Änderung der Außenwirtschaftsverordnung auf den Drucksachen 11/8035 bis 11/8038 ab. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlungen? — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Dies ist einstimmig so beschlossen.Tagesordnungspunkt 9.20. Ich lasse über die Beschlußempfehlung des Finanzausschusses auf Drucksache 11/5533 abstimmen. Es handelt sich um Vorlagen der EG-Kommission betreffend Kapitalverkehr, Quellensteuer auf Zinsen und Mehrwertsteuer. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Die Beschlußempfehlung ist gegen die Stimmen der GRÜNEN/Bündnis 90 bei Enthaltung der Gruppe der PDS angenommen.Tagesordnungspunkt 9.21. Wir kommen jetzt zur Abstimmung über die Beschlußempfehlung des Finanzausschusses auf Drucksache 11/7560. Es handelt sich um die steuerliche Behandlung von Grenzgängern. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 11/2328 für erledigt anzusehen. Wer stimmt dafür? — Gegenstimmen? — Enthaltungen? — Dies ist einstimmig beschlossen.Tagesordnungspunkt 9.22. Ich lasse jetzt über die Beschlußempfehlung des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung auf Drucksache 11/7223 abstimmen. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag der Fraktion der SPD „Zur EG-Charta sozialer Grundrechte" auf Drucksache 11/5906 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? — Gegenstimmen? — Enthaltungen? — Die Beschlußempfehlung ist mit Mehrheit angenommen. Damit ist der Antrag abgelehnt.Tagesordnungspunkt 9.23. Ich lasse über die Beschlußempfehlung des Auswärtigen Ausschusses auf Drucksache 11/7673 abstimmen. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag der Fraktion der SPD zu einem abrüstungspolitischen Gesamtkonzept auf Drucksache 11/4053 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen angenommen.Tagesordnungspunkt 9.24. Ich lasse über die Beschlußempfehlung des Ausschusses für Verkehr auf Drucksache 11/7876 abstimmen. Es handelt sich um die Entschließung des Europäischen Parlaments zu Unglücken auf verschiedenen Fährschiffen auf Drucksache 11/7376. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? — Gegenstimmen? — Enthaltungen? — Diese Beschlußempfehlung ist bei einer Enthaltung von den GRÜNEN/Bündnis 90 angenommen.Tagesordnungspunkt 9.25. Wir kommen jetzt zur Abstimmung über die Beschlußempfehlung des Ausschusses für innerdeutsche Beziehungen auf Drucksache 11/6109. Es handelt sich um den Bericht des Bundesministers für das Post- und Fernmeldewesen über die Erschließung des Zonenrandgebietes im Bereich des Post- und Fernmeldewesens. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? — Die Gegenprobe! — Enthaltungen? — Die Beschlußempfehlung ist bei Enthaltung der GRÜNEN/Bündnis 90 angenommen.Tagesordnungspunkt 9.26. Wir kommen zur Abstimmung über die Beschlußempfehlung des Verteidigungsausschusses auf Drucksache 11/8055. Es handelt sich um die Schließung des Luft-Boden-Übungsplatzes „Nordhorn-Range". Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Die Beschlußempfehlung ist mit der Mehrheit der Koalitionsfraktionen und der SPD angenommen.Tagesordnungspunkt 9.27. Wir kommen zur Abstimmung über die Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses auf Drucksache 11/7447. Es handelt sich um die Sammelübersicht 170 zu Petitionen.Wir stimmen zuerst über den Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 11/8273 ab. Wer stimmt diesem Änderungsantrag der SPD zu? — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei Enthaltung der Gruppe der PDS ist der Änderungsantrag abgelehnt.Wer der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses auf Drucksache 11/7447 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei Enthaltung der Gruppe der PDS ist die Beschlußempfehlung angenommen worden.Tagesordnungspunkt 9.28, Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses auf Drucksache 11/7803, Sammelübersicht 174.Wir kommen zuerst zu dem Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 11/8222. Wer dem Änderungsantrag der SPD zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei einigen Enthaltungen ist dieser Anderungsantrag mit der Mehrheit der Koalitionsfraktionen abgelehnt.Wer der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses auf Drucksache 11/7803 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei Enthaltung der PDS ist diese Beschlußempfehlung angenommen.Tagesordnungspunkt 9.29, Beschlußempfehlung des Petitionausschusses auf Drucksache 11/7804. Das ist die Sammelübersicht 175.Hierzu liegt ein Änderungsantrag der Abgeordneten Frau Garbe auf Drucksache 11/8257 vor. Wer stimmt für diesen Änderungsantrag? — Gegenstimmen? — Enthaltungen? — Der Änderungsantrag ist abgelehnt.
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Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 231. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Oktober 1990 18357
Vizepräsidentin RengerWer der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses auf Drucksache 11/7804 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der SPD ist diese Beschlußempfehlung angenommen.Tagesordnungspunkt 9.30, Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses auf Drucksache 11/7857.Hierzu liegt ein Änderungsantrag der Abgeordneten Frau Nickels auf Drucksache 11/8224 vor. Wer stimmt diesem Änderungsantrag zu? — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Dieser Antrag ist abgelehnt.Wer der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses auf Drucksache 11/7857 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Das sind dieselben Mehrheiten. Mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen ist diese Beschlußempfehlung bei einigen Enthaltungen angenommen.Tagesordnungspunkte 9.31 und 9.32. Wir stimmen über die Beschlußempfehlungen des Petitionsausschusses auf den Drucksachen 11/8050 und 11/8051 ab. Das sind die Sammelübersichten 183 und 184. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlungen? — Wer stimmt dagegen? — Enthaltungen? — Bei Enthaltung der GRÜNEN/Bündnis 90 und der PDS sind die Beschlußempfehlungen angenommen.Zusatztagesordnungspunkt 7, zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verbesserung des Lebensmittelstrafrechts, Drucksachen 11/4309 und 11/7885. Ich rufe die Art. 1 bis 4, Einleitung und Überschrift in der Ausschußfassung auf. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. -- Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei Enthaltung der Gruppe der PDS, der SPD und der GRÜNEN/Bündnis 90 sind die aufgerufenen Vorschriften mit Mehrheit angenommen.Wir treten in diedritte Beratungein und kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetzentwurf zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Gegenstimmen! — Enthaltungen? — Bei Enthaltung der eben schon Genannten ist dieser Gesetzentwurf in der dritten Beratung angenommen.Meine Damen und Herren, ich gebe das von den Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstimmung über die Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU und der FDP auf Zurückweisung des Einspruchs des Bundesrates gegen das Gesetz zur Regelung der Dauer des Grundwehrdienstes und des Zivildienstes auf den Drucksachen 11/8135 und 11/8186 bekannt. Abgegebene Stimmen: 583. Keine ungültigen Stimmen. Mit Ja haben 340 Mitglieder des Hauses gestimmt. Mit Nein haben 239 Mitglieder des Hauses gestimmt. 4 Mitglieder des Hauses haben sich enthalten.Endgültiges ErgebnisAbgegebene Stimmen 583; davonja: 340nein: 239enthalten: 4JaCDU/CSUDr. AbeleinFrau Augustin AustermannDr. Bauer BayhaDr. Becker Dr. BlankDr. Blens Dr. BlümBöhm Börnsen (Bönstrup)Dr. Bötsch BohlBohlsen Borchert BreuerBrunnerBühler Buschbom Carstens (Emstek)Carstensen ClemensDr. Czaja DawekeFrau DempwolfDeresDewitzDörflingerDr. DollingerDossDr. DreggerEchternachEngelsbergerEylmannDr. FaltlhauserFeilckeDr. FellFellnerFrau FischerFischer Francke (Hamburg)Dr. FriedrichFuchtelGanz
Frau GeigerGeisDr. GeißlerDr. von Geldern GersteinGerster
GlosDr. GöhnerDr. Götz GröblDr. grünewaldGünther Dr. Häfele HarriesFrau Hasselfeldt HaungsHauser HedrichFreiherr Heeremanvon ZuydtwyckFrau Dr. Hellwig HelmrichDr. HennigHerkenrathHinrichs Hinsken Höffkes HöpfingerHörsterDr. HoffackerFrau Hoffmann Dr. HornhuesHornungFrau Hürland-Büning Dr. HüschJägerDr. Jahn
Dr. JobstJung
Jung
KalbKalischDr.-Ing. KansyDr. KappesFrau KarwatzkiKeller Kiechle KittelmannKlein
Dr. Köhler KolbKossendeyKrausKreyKroll-SchlüterDr. KronenbergDr. Kunz LamersDr. LammertDr. LangnerLattmannDr. LaufsLenzerFrau LimbachLink
Link LinsmeierLintnerDr. Lippold LouvenLowack Lummer MaaßFrau MännleMaginDr. Mahlo MarschewskiDr. Meyer zu Bentrup MichelsDr. MöllerDr. MüllerMüller Müller (Wesseling) NelleDr. NeulingNeumann
Dr. OlderogOswald Pesch PfeffermannPfeiferDr. PfennigDr. PingerDr. PohlmeierDr. ProbstRauen
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18358 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 231. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Oktober 1990
Vizepräsidentin RengerRaweReddemann Regenspurger RepnikDr. Riedl
Dr. RiesenhuberFrau Rönsch Frau Roitzsch (Quickborn) Dr. RoseRossmanith Roth RüheDr. Rüttgers RufSauer
Sauer
Sauter
Frau Schätzle Scharrenbroich SchemkenScheuSchmidbauerFrau Schmidt Schmitz (Baesweiler)von SchmudeDr. Schneider Schneider (I.-Oberstein) Freiherr von Schorlemer SchreiberDr. Schroeder SchulhoffDr. Schulte
Schulze SchwarzDr. Schwarz-SchillingDr. Schwörer SeehoferSeesingSeitersSpilkerSprangerDr. SprungDr. Stark
Dr. StavenhagenDr. Stercken Dr. Stoltenberg StraßmeirStrubeStücklenFrau Dr. SüssmuthSussetTillmannDr. Todenhöfer Dr. UelhoffUldallDr. UnlandFrau VerhülsdonkVogel
Vogt
Dr. Voigt
Dr. Vondran Dr. VossDr. WaffenschmidtDr. WaigelGraf von Waldburg-Zeil Dr. WarnkeDr. WarrikoffDr. von Wartenberg Werner
Frau Will-Feld Frau Dr. Wilms WilzWimmer WindelenFrau Dr. Wisniewski WissmannDr. Wittmann WürzbachDr. WulffZeitlmannZiererDr. Zimmermann ZinkCDU
Frau Dr. Ackermann BarthelBauer BeckerFrau Dr. Bergmann-Pohl Frau BrudlewskyCreter Dehnel Dr. DorendorfEhlersDr. FiedlerDr. FischerDr. GeislerGöttschingDr. GoldhahnGriesHaschke, G.Haschke, U.HolzHönickeFrau JaffkeDr.-Ing. JorkDr. KleditzschKlinkert Dr. KochKöhler KoslowskiDr. KrauseKrauseDr. Ing. KrügerFrau LandgrafLejade MaizièreFrau Martini zum Berge Frau MichalkNitsch Frau NolteNowack Dr. Paar Patzig Frau PfeifferFrau PriebusRauRauber Frau RehmReichenbachRotherDr. ScharfFrau Dr. SchmidtDr. SchmidtSchneiderSchwalbeSelkeFrau TammThees Toscher Unger Wagner WetzelDr. Wieczorek WonnebergerZimmermannDSU
Dr. GottschallFrau LandgrafSchmidtDr. Ing. Schmiele SteinerDr. TieslerDr. WaltherFDPFrau Dr. Adam-Schwaetzer BaumBeckmann BredehornCronenberg Eimer (Fürth)EngelhardFrau Folz-Steinacker FunkeGallusGattermann Genscher GriesGrünerHeinrich Dr. Hirsch Dr. HitschlerHoppeDr. Hoyer IrmerKleinert
KohnDr.-Ing. LaermannDr. Graf Lambsdorff Mischnick NeuhausenNoltingPaintnerRichterRindRonneburgerSchäfer
Frau Dr. SegallFrau Seiler-AlbringDr. Solms Dr. Thomae TimmFrau WalzDr. Weng Wolfgramm (Göttingen) Frau WürfelZywietzFDP
AnniesFelberLehment Dr. Ortleb Dr. WöstenbergDr. Zirkler ZschornackNeinSPDFrau Adler AmlingAndresAntretter Bachmaier BahrBambergBecker BernrathBindigDr. Böhme
Börnsen BrandtBruckBüchler
Dr. von BülowBuschfortConradi DaubertshäuserDr. Diederich DillerDreßlerDuveDr. EmmerlichErlerEstersFrau FaßeFischer Frau Fuchs (Verl) Frau Ganseforth GanselGerster GilgesDr. GlotzFrau Dr. Götte Großmann Haack
Frau HämmerleFrau Dr. Hartenstein HasenfratzDr. HauchlerHäuserHeimann Heistermann Herberholz HeyennHiller
Dr. Holtz HornHuonkerJahn JaunichJungmann Frau KastnerKastning KiehmKirschner KiBlingerDr. Klejdzinski KolbowKoltzsch Dr. Kübler Kühbacher Frau KuglerKuhlwein Lambinus Leonhart Lohmann LutzFrau LuukFrau Matthäus-Maier Dr. Mertens Müller (Düsseldorf) Müller (Pleisweiler) Müller (Schweinfurt) MünteferingNagelNehmFrau Dr. NiehuisDr. Niese NiggemeierFrau Odendahl Oesinghaus OostergeteloOpelDr. Osswald PaternaPauliDr. Penner PfuhlDr. Pick PurpsReimann Frau RengerReuschenbachReuterRixeRothSchäfer
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Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 231. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Oktober 1990 18359
Vizepräsidentin Renger SchanzDr. Scheer SchluckebierFrau Schmidt Dr. SchöfbergerSchreinerSchröer
SchützFrau Schulte SeidenthalFrau Seuster SielaffSieler
Frau Dr. Skarpelis-Sperk Dr. SoellFrau Dr. Sonntag-Wolgast Dr. SperlingStahl
SteinerFrau SteinhauerStobbeDr. Struck Frau Terborg Frau Dr. TimmUrbaniakVerheugen Dr. VogelVosenWaltemathe WaltherWartenberg
Frau Dr. Wegner WeiermannFrau Weiler Weisskirchen Dr. WernitzWestphalFrau Weyel Dr. WieczorekFrau Wieczorek-Zeul Wiefelspützvon der WiescheWimmer
Dr. de With ZanderZeitlerZumkleySPD
AmendeFrau Barbe BogischDr. BotzFrau Dräger Dr. Elmer Frau Fritsch GutzeitHackerDr. Heltzig HilsbergDr. KalzKamilliFrau Krehl KuessnerFrau Dr. LucygaFrau MorgensternDr. MisselwitzRichter
SeegerSchemmel SchröderSchwanitz SchultzeSorgeDr. Stephan Stockmann ThierseFrau Uecker VoigtländerWeis WeißgerberDIE GRÜNENFrau Beck-OberdorfFrau BeerBrauerDr. Daniels Frau EidFrau Flinner Frau GarbeHäfnerFrau HenselFrau Hillerich HossHüserKleinert
Dr. KnabeFrau Kottwitz KreuzederDr. Lippelt
Dr. MechtersheimerMeneses Vogl Frau Nickels Frau RockDr. RoskeFrau RustFrau Saibold Frau SchillingFrau Schmidt Stratmann-MertensSuchFrau Teubner VolmerWeiss WetzelFrau WollnyDIE GRÜNEN
Dr. DörflerSchulzTschicheDr. Ullmann WollenbergerGruppe der PDS
Frau Dr. BittnerFrau DenekeFrau Dr. EnkelmannFrau Fache Frau Dr. FischerDr. Friedrich
Frau Dr. FuchsDr. HeuerFrau Dr. KaufmannDr. Keller Dr. KleinFrau Dr. MorgensternDr. RiegeFrau Dr. SchönebeckDr. Schumann Dr. Schumann (Potsdam)Dr. Seifert Dr. Steinitz Frau Stolfa Frau WegenerFraktionslosDr. Briefs Frau Unruh WüppesahlFDP
KleyDIE GRÜNENFrau Wilms-KegelDer Antrag ist angenommen.Meine Damen und Herren, wir treten jetzt in die Fragestunde ein.
— Hier ist vereinbart, daß wir jetzt die Fragestunde abhalten.
— Mir ist vor Eintritt in diese Beratung mitgeteilt worden, daß wir zuerst die Fragestunde machen. Wenn das Haus anders beschließt, machen wir es anders.
Gibt es hierzu Einlassungen?
— Meine Damen und Herren Geschäftsführer, ich finde es wunderbar, daß Sie Beschlüsse unter sich fassen. Aber es wäre schon richtig, daß der amtierende Präsident darüber eine Information bekommt.
Nun bitte ich um die Information.
— Meine sehr verehrten Damen und Herren, alles ist geklärt.Ich rufe jetzt Zusatzpunkt 8 der Tagesordnung auf:Aktuelle StundeEinreise für Juden aus OsteuropaDie Fraktion DIE GRÜNEN/Bündnis 90 hat gemäß unserer Geschäftsordnung diese Aktuelle Stunde verlangt.Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Wetzel.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Frau Präsidentin, ich bitte um Entschuldigung für den Verdruß.Liebe Kolleginnen und Kollegen! Deutschland ist wieder da. Wenig vorbereitet und teilweise auch mit gemischten Gefühlen stehen wir plötzlich vor der Herausforderung: Wie soll dieses neue, vereinigte Deutschland aussehen? Sowjetische Juden wollen inEnthaltenCDU
AlbrechtFDPDr. Feldmann
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18360 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 231. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Oktober 1990
Wetzeldie Bundesrepublik einwandern. Wie wir uns dazu stellen, das wird unsere erste Antwort auf die Frage nach dem Charakter der neuen Republik, auf die Frage nach der von uns gewollten politischen Identität sein.Diese Antwort wird auch international als Auskunft darüber verstanden werden, inwieweit die Vorbehalte und Ängste vor dem neuen Deutschland berechtigt sind.Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Einwanderungswünsche sowjetischer Juden verlangen von uns eine politische Entscheidung, ob und wie das neue Deutschland mit seiner Geschichte leben will.
Ein westdeutscher CDU-Stadtverband hat kürzlich in seinem Mitteilungsblatt geschrieben — ich zitiere wörtlich — :Die Wiedervereinigung war Gottes Handeln. Gott hat die Schuld des Mordes an 6 Millionen Juden vergeben.Ich sage: Gott bewahre uns davor, daß solche Blasphemie in die Politik der neuen Republik Einzug hält.Ich sehe ein schlimmes Vorzeichen darin, daß die Bundesregierung seit September einen faktischen Einreisestopp für sowjetische Juden erlassen hat. Die vom Ministerpräsidenten der ehemaligen DDR, Lothar de Maizière, im Juni großzügig geöffneten Grenzen sind schon wieder geschlossen. Diese Politik muß der Deutsche Bundestag nach unserer Auffassung unverzüglich korrigieren.Daß Antisemitismus in der Sowjetunion herrscht, daß dort Juden nicht nur in ihren Bürgerrechten, sondern auch an Leib und Leben bedroht sind, das wird von niemandem bestritten.Die sowjetischen Juden stehen erneut vor der Jahrtausende alten Frage des Judentums: Wohin können wir fliehen? Müssen wir nicht aufschreien, wenn sich diese Menschen dann die Antwort geben: Nach Deutschland können wir nicht fliehen; seine Grenzen sind für uns verschlossen. Wem käme da nicht der entsetzliche Gedanke, daß diese von uns zu verantwortende Politik im Klartext doch bedeutet: Die Deutschen wollen schon wieder einen „judenreinen" Staat.Ich sage: Eine solche Republik wollen wir alle — ich betone: wir alle — hier im Plenum des deutschen Bundestages ganz gewiß nicht.
Alle Juden aus der Sowjetunion, die zu uns kommen wollen, sollen zu uns kommen dürfen. Nicht nur das: Sie sollen unbürokratisch aufgenommen werden, sie sollen jede Hilfe erhalten, und sie sollen alle Bürgerrechte bekommen, wenn sie es wollen.
Ist es nötig, diese politische Aufgabe näher zu begründen? Juden in Deutschland waren niemals Ausländer. Im Jiddischen lebt bis heute der wundersame Klang mittelalterlichen deutschen Sprechens. DieVorfahren der osteuropäischen Juden wanderten — wie übrigens auch viele Nichtjuden — vor allem aus dem Rheinland nach Osten. Warum sollen sie jetzt nicht zu uns zurückkehren?Wenn die sowjetischen Juden trotz des Nationalsozialismus, trotz der Shoah die Kraft und die Versöhnungsbereitschaft haben, zurückzukommen, dann sind sie hochwillkommen.Heute geht es darum, gemeinsam zu überlegen, welche Regelung in der kommenden Woche im Bundestag zu beschließen wäre, um unsere Grenzen für die Juden zu eröffnen.Ich möchte eine Schlußbemerkung machen, weil ich sehe, daß die Zeit schon abzulaufen droht. Wenn wir uns dazu entschließen sollten, in die neue Bundesrepublik sowjetische Juden großzügig einreisen zu lassen, sollte kein Zweifel daran bestehen, daß dies kein unfreundlicher Akt — wie gelegentlich argumentiert wurde — gegen Israel ist. Ich nehme nichts von meiner Kritik an der israelischen Politik gegenüber den Palästinensern zurück, aber ich nehme auch nichts von meiner Solidarität mit dem jüdischen Staat zurück.Ich denke, wenn Deutsche den sowjetischen Juden vorschreiben würden, wohin sie zu fliehen haben, dann wäre das eine unerträgliche Verweigerung des legitimen Rechts der Juden, nach eigener Entscheidung zu uns nach Deutschland zurückzukehren.Wir GRÜNEN wünschen uns von diesem Bundestag als erste und letzte gemeinsame Entschließung vor den ersten gesamtdeutschen Wahlen eine Einladung an alle sowjetischen Juden. Wir bieten ihnen an, zu uns zu kommen. Wir wissen: Nichts ist wiedergutzumachen an den Opfern deutscher Geschichte. Aber wenn sowjetische Juden mit uns leben wollen, dann werden wir uns um mehr als bloß zu ertragende Nachbarschaft bemühen.Ich danke Ihnen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Glotz.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die letzten Jahre seien in Moskau schrecklich gewesen, berichtet eine russische Jüdin im „Spiegel" vom 1. Oktober 1990. Ihr 14jähriger Sohn sei fast täglich weinend aus der Schule zurückgekommen, weil ihm die Mitschüler immer wieder mit Kreide das Wort „Jude" auf den Rücken gemalt hätten. Wenn Juden, die so etwas erleben mußten, den Wünsch äußern, nach Deutschland zu kornmen, müssen wir bereit sein, diese Menschen aufzunehmen.
Ich sage deutlich: Es geht nicht um die Beschuldigung des Staates Sowjetunion, in dem sich nach der Perestroika Gorbatschows manches geändert hat. Ich glaube, liebe Kolleginnen und Kollegen von den GRÜNEN, in Ihrem Antrag, den ich im Grundsatz für richtig halte, liegt möglicherweise ein falscher Zun-
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Dr. Glotzgenschlag. Sie schreiben dort, daß der Wandel und die Demokratisierung in der Sowjetunion mit Glasnost und Perestroika Nationalismus und in dessen Folge Antisemitismus neu haben aufleben lassen. Ich rate dringend, hier einzufügen: als Nebenfolge. Wir sollten nämlich nicht den Eindruck erwecken, als ob die Perestroika für Nationalismus oder Antisemitismus verantwortlich wäre.
Herr Kollege Wetzel, ich würde das Ganze auch nicht mit einer kritischen Diskussion um die Vereinigung der Deutschen verbinden. Das hilft unserem konkreten Problem nicht; hier wollen wir doch alle helfen.Zum Kern der Sache: Die Anweisung des Innenministeriums, Aufnahmeanträge jüdischer Bürger nicht weiter zu bearbeiten, halten auch wir so, wie sie ergangen ist, für nicht akzeptabel. Wir Sozialdemokraten wissen, daß man in der Bundesrepublik keine Einwanderungspolitik nach dem Motto betreiben kann: Jeder, der zu uns kommen will, kann zu uns kommen.
Die Bundesrepublik kann das Weltflüchtlingsproblem, das eines der größten Probleme der 90er Jahre werden wird, nicht auf eigene Faust lösen. Aber als eines der wohlhabendsten Länder der Welt müssen wir einen angemessenen Anteil zur Lösung dieses Problems beitragen.Die Deutschen haben Schuld gegenüber dem jüdischen Volk auf sich geladen. Ich glaube, es ist das mindeste, daß wir jetzt, wenn es wieder Juden gibt, die den Wunsch haben, in das Land des Holocaust zurückzukommen oder zu kommen, nicht kleinlich herumrechnen, sondern die Probleme unbürokratisch und möglichst lautlos lösen.
Im übrigen sollten wir sie in enger Zusammenarbeit mit den jüdischen Gemeinden lösen.Dabei können wir davon ausgehen, daß wir nicht vor unlösbare Probleme gestellt werden. Sicherlich wären wir überfordert, wenn sich 2 Millionen Juden, die noch in der Sowjetunion leben, für Deutschland entschieden. Davon kann aber keine Rede sein. Die ehemalige DDR hat in den letzten Monaten — Herr Wetzel hat es erwähnt — etwa 1 000 sowjetische Juden aufgenommen, die Bundesrepublik 400; die Quote der Vereinigten Staaten liegt jetzt bei etwa 40 000. Wir Deutschen sollten uns in dieser Frage von den Amerikanern nicht beschämen lassen.
Lassen Sie mich zum Schluß sagen: Nach heutigem Recht, aber auch nach Inkrafttreten des neuen Ausländerrechts Anfang des nächsten Jahres, ist die Exekutive frei zur Lösung des Problems. Wir sollten uns bei diesem Fall nicht darauf konzentrieren, darüber zu streiten, wer welche Kosten trägt. Wir sollten auch nicht durch fragwürdige Verwaltungsakte unser Prestige im Ausland gefährden. Das ist meine einzige außenpolitische Bemerkung zu diesem Thema. Kurz und gut: Wir sollten über dieses Problem überhaupt nicht zuviel und zu lange reden, sondern wir sollten es lösen, und zwar durch die klare Entscheidung, daß Juden, die in der Sowjetunion von Nationalisten und Antisemiten verfolgt werden und den Wunsch äußern, zu uns zu kommen, unsere Mitbürger werden können.Herzlichen Dank.
Das Wort hat Herr Dr. Hirsch.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte bei dem anfangen, mit dem Herr Glotz geschlossen hat: Es gibt Themen, die man nicht lange und breit und öffentlich erörtern darf, deren Lösungen nicht einfacher werden, wenn man sie in eine Polemik hineinzieht. Darum sind wir der Meinung, daß wir uns im Rahmen dieser Aktuellen Stunde nur soweit beteiligen wollen, wie es unbedingt notwendig ist, um unsere Position klarzustellen.Wir empfinden gegenüber dem jüdischen Volk eine tiefe historische Verantwortung. Der von uns Deutschen unternommene Versuch, das jüdische Volk auszurotten, liegt 45 Jahre zurück. Aber die Erinnerung ist wachgeblieben; das kann auch nicht anders sein. Unsere Verantwortung ist geblieben; wir können uns von ihr nicht lösen.Es berührt mich sehr, daß 45 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs viele Juden aus der Sowjetunion in die Bundesrepublik, also nach Deutschland, einwandern wollen. Es ist sehr schwer zu sagen, wie viele es tatsächlich sind, wie viele auf Dauer in der Bundesrepublik bleiben wollen, wie viele nach Israel, Kanada und in die Vereinigten Staaten weiterwandern wollen. Es ist offenbar, daß sie erhebliche Sorgen sowohl vor der wirtschaftlichen Entwicklung in der Sowjetunion haben wie vor der Instabilität der politischen Verhältnisse und schließlich vor antisemitischen Pogromen, die in solchen Zeiten nicht selten sind, wie die geschichtliche Erfahrung zeigt. Diese Sorgen sind verständlich, und man kann nicht ohne weiteres sagen, daß sie unbegründet seien.Damit stehen wir mitten in einer Auseinandersetzung vieler ganz unterschiedlicher Interessen. Der Sowjetunion kann es nicht gleichgültig sein, wenn viele Zehntausende das Land fluchtartig verlassen. Der Staat Israel wiederum hat sein Interesse daran erklärt, alle jüdischen Emigranten aus der Sowjetunion in Israel aufzunehmen. Genau entgegengesetzter Meinung sind die Palästinenser und die sie unterstützenden arabischen Staaten. Sie müssen von einer solchen massiven Zuwanderung natürlich einen erheblichen Siedlungsdruck in die besetzten Gebiete hinein erwarten.Wir in der Bundesrepublik schließlich könnten mit einer Zuwanderung den Gedanken verbinden, die jü-
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18362 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 231. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Oktober 1990
Dr. Hirschdischen Gemeinden wieder zu beleben. Andererseits könnten wir kein Interesse daran haben, daß bei einem unkontrollierten plötzlichen Zuzug von Zehntausenden die Gemeinden die Unterbringungsfrage nicht lösen könnten. Sie würden nämlich versuchen, sie in unzulänglichen Verhältnissen und in Sammellagern, oder was immer das dann verwaltungsmäßig bedeutet, unterzubringen. Man muß nicht im einzelnen ausführen, wohin das führt. Darum müssen in einer solchen Frage vertrauensvolle Gespräche sowohl mit dem Zentralrat der Juden in Deutschland wie mit dem Staat Israel geführt werden, und wir müssen ernsthaft und seriös feststellen, wie viele angemessene Aufnahmemöglichkeiten von den Bundesländern jährlich zur Verfügung gestellt werden können.Jede andere Verhaltensweise würde zu erheblichen politischen Problemen, zu wachsender Polemik von allen Seiten führen und würde eine angemessene Hilfe für die Personen, die aus der Sowjetunion emigrieren wollen, nicht erleichtern, sondern erschweren und komplizieren. Wir gehen davon aus, daß das Innenministerium und das Auswärtige Amt solche Gespräche führen, und wir appellieren an die Länder, an der Lösung dieses Problems mitzuarbeiten, weil es rechtlich und tatsächlich ohne diese Mithilfe nicht geht.Im übrigen, meine Damen und Herren, wird uns hier in einer sehr drastischen Weise Nachhilfeunterricht erteilt. Manche Politiker glauben ja, wir könnten durch eine einfache Gesetzesänderung die neuen Wanderungsbewegungen in Osteuropa verhindern oder uns ihnen verschließen. Das wird nicht gehen, wenn wir an offenen Grenzen festhalten wollen. Wenn also nicht wir diejenigen sein wollen, die die nächste Mauer und den nächsten Zaun errichten, wenn wir offene Grenzen gegenüber unseren neuen Nachbarn erhalten wollen, dann müssen wir drastisch mehr tun, um die Lebensverhältnisse bei unseren neuen Nachbarn so zu stabilisieren, daß wir nicht eine Vielzahl von Menschen entwurzeln. Wir stehen erst am Anfang des Problems und noch lange nicht am Anfang der Lösung.Wir müssen bereit sein, einen angemessenen Teil der Zuwanderungswünsche zu erfüllen, den ich hier weder beziffern kann noch will. Wir gehen davon aus, daß die Bundesregierung die notwendigen Verhandlungen führt, und wir erwarten und empfehlen, daß sie sich dabei auch mit den Fraktionen des Hauses ins Benehmen setzt.Mehr, glaube ich, kann man im Rahmen einer solchen Akutellen Stunde verantwortungsbewußt nicht sagen.
Das Wort hat der Abgeordnete Gerster.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Natürlich steht bei einem derartigen Thema das Gedächtnis an die Verfolgung und Ermordung von Millionen Juden durch die nationalsozialistische Diktatur im Raum. Es verpflichtet. Die Last der Geschichte verpflichtet uns. Natürlich muß deswegen bei dieser Frage sehr genau gewogen werden, was zu geschehen und was zu erfolgen hat. Hier müssen wir folgende Gesichtspunkte mit beachten:Erstens. Wir sollten nicht in eine Situation kommen, in der wir die „Einwanderungserwartungen" des Staates Israel in massiver Weise unterlaufen. Hier darf es zu keiner Konkurrenzsituation mit Israel kommen. Wir müssen auf dessen Einwanderungspolitik Rücksicht nehmen.Zweitens. Mit Rücksicht auf unsere Bundesländer können wir keine „unkontrollierten" Einreiseverfahren außerhalb der geltenden Gesetze zulassen. Ein geordnetes Einreiseverfahren muß gleiches Recht für alle schaffen. Ein Sonderrecht, ein zusätzlicher Einreisegrund, der ausschließlich an die Religionszugehörigkeit anknüpft, wäre sowohl unter rechtsstaatlichen wie unter Gleichheitsgesichtspunkten sehr problematisch und wird mit Sicherheit auch von den jüdischen Bürgern nicht erwartet und verlangt. Im Gegenteil, sie wollen keine Sonderrechte. Unser geltendes Recht bietet für die Einreise von Juden aus Osteuropa schon jetzt wirksame Möglichkeiten.Erstens. Soweit es sich um deutsche Staatsangehörige oder deutsche Volkszugehörige handelt, haben die natürlich nach Art. 116 des Grundgesetzes das Recht, hier einzureisen, sie genießen Freizügigkeit .Zweitens. Soweit es sich bei den Juden aus Osteuropa um Personen handelt, die hierherkommen und vortragen, sie seien in ihrem Herkunftsland politisch verfolgt, ist die Rechtslage genauso klar und eindeutig. Eine Zurückweisung an der Grenze ist nicht möglich.Drittens. Die verbleibende und bei weitem größte Personengruppe sind weder deutsche Aussiedler noch Asylbewerber; da haben wir die Möglichkeit der Aufnahme nach dem Kontingentflüchtlingsgesetz, was wir auch wollen. Wir wissen — das ist hier gesagt worden — , daß bisher rund 400 Personen auf diesem Weg in die Bundesrepublik Deutschland gekommen sind. Hier ist es garantiert möglich, auf die in jüngster Zeit gewachsenen Einreisewünsche von Juden aus Osteuropa zu reagieren. Dabei müssen wir allerdings beachten, daß es zu einer erhöhten Aufnahme von Juden aus Osteuropa nötig ist, mit den Bundesländern vorher Vereinbarungen zu treffen; denn die Länder haben letzlich die finanziellen und sozialen Lasten der Aufnahme zu tragen. Mit Recht würden sich die Länder beklagen, wenn der Bund ohne entsprechende Absprachen zu Lasten der Länder Verfügungen treffen würde.Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion drängt auf eine Regelung, die der Verantwortung gegenüber unserer eigenen Geschichte, aber auch den konkreten Aufnahmemöglichkeiten Rechnung trägt und auch internationale Rücksichtnahmen nicht fehlen läßt. Ich gehe davon aus, daß es in Kürze hier zu den Bund-LänderVereinbarungen kommen wird. Gerade bei diesem sensiblen Thema suchen wir einen breiten parteiübergreifenden Konsens, und dieser Konsens sollte auch möglich sein.
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Gerster
Ich glaube, daß dieses Thema weder geeignet ist, in den Wahlkampf gezogen zu werden, noch geeignet ist, mit großem Geräusch behandelt zu werden. Wir sind der Meinung, daß wir hier sehr ausgewogen im Rahmen des Kontingentflüchtlingsgesetzes und auf Grund der anderen Rechtsgrundlagen sowohl unserer Verantwortung, unserer Verpflichtung gerecht werden können wie auch dort helfen können, wo zu helfen ist.Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Dr. Bittner.
Verehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir kennen das doch sehr gut: Sind Sündenböcke nötig, so werden sie gefunden. In unserer Geschichte ist der dunkle Fleck der Judenverfolgung noch nicht abgetragen. Wir haben immer noch Schmerzen bei solchen Worten wie Pogrom, Anne Frank, Auschwitz. Es trifft uns und es betrifft uns in besonderem Maße, wenn es nun wieder um die Verletzung der Menschenwürde, um Anwürfe und schließlich auch wieder um Pogrome geht.
Sowjetische Juden sind betroffen, und wir sind gefordert, schließlich auch aus der geschichtlichen Schuld heraus, aber auch aus einer besonderen Verpflichtung für die neue sowjetische Politik, die uns eine Vereinigung möglich machte. Sowjetische Juden werden von ihren Mitmenschen beschuldigt und zu Sündenböcken gemacht für die katastrophale Versorgung, für schlechte ökologische Verhältnisse. Glasnost und Perestroika sind zwar nicht der Grund dieser Misere, spitzen sie aber zu und machen sie präsent. Die Folge sind Nationalismus und Antisemitismus. Die deutsche Bundesregierung ist gefordert, die besondere Verpflichtung der Deutschen in dieser Frage sehr ernst zu nehmen und Auswege aus der Notlage, in die sowjetische Juden gekommen sind, zu suchen, als erstes und wichtigstes allen sowjetischen Juden, die es wünschen, den Daueraufenthalt in der BRD zu gewähren, die Einwanderung zu ermöglichen und sie in die deutsche Staatsangehörigkeit aufzunehmen, wenn sie letzteres wollen, allen eingewanderten Juden die Integration zu erleichtern, insbesondere sie finanziell und mit sozialem Wohnraum zu unterstützen.
Von der deutschen Bundesregierung sollte eine Initiative ausgehen, daß die übrigen Staaten des westlichen Bündnisses den sowjetischen Juden ihre Grenzen ebenfalls öffnen.
Meine Damen und Herren, was den Juden geschieht, geschieht auch uns. Man wird das vereinigte Deutschland daran messen, wie wir uns zu den Juden verhalten.
Das Wort hat der Herr Parlamentarische Staatssekretär Dr. Waffenschmidt.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich denke, als erstes sollte ich hier auch für die Bundesregierung sagen: Die Bearbeitung dieser wichtigen Aufgabe verlangt viel Sensibilität und Einfühlungsvermögen.Die Bundesregierung ist bemüht, in Abstimmung mit den Ländern und unter Beteiligung auch der jüdischen Organisationen — das möchte ich hier ganz besonders ansprechen — ein Verfahren festzulegen, das die Einreisepolitik, die wir bisher ja schon gegenüber Hunderten von jüdischen Zuwanderern realisiert haben, in einer sachgerechten Weise fortführt. Wir können uns vorstellen, daß die Zahl derer größer wird, die zu uns kommen und Aufnahme bei uns finden. Aber wir legen es — Minister Wolfgang Schäuble hat sich vor dem schlimmen Attentat noch persönlich darum bemüht — auch sehr darauf an, daß wir mit den zuständigen Bundesländern und — ich wiederhole es — auch mit den jüdischen Organisationen den richtigen, sachgerechten Weg im Einvernehmen und im wohlverstandenen Interesse der betroffenen Menschen finden.Das ist ein komplexer Sachverhalt. Notwendig ist hier aber ein geordnetes Verfahren. Ich möchte ganz besonders darauf hinweisen, daß wir den Menschen, gerade in der besonderen Verantwortung als Deutsche gegenüber den Juden, wenn sie denn zu uns kommen, auch eine gute Unterkunft anbieten können. Mehrere Sprecher des Parlaments haben darauf hingewiesen.Wir müssen berücksichtigten, daß die Bundesrepublik — das haben wir bei den Fragen über die Flüchtlinge und die Einwanderer oft angesprochen — kein Einwanderungsland ist.Aber beim Zuzug der Juden aus Osteuropa sind wir wie schon bisher auch künftig der Meinung, daß wir eine besondere Verantwortung wahrzunehmen haben. Dafür will ich gern einige Überlegungen vortragen.Der geordnete Zuzug von Juden vornehmlich aus Osteuropa stärkt — das haben wir auch zahlreichen Äußerungen der jüdischen Gemeinden entnommen — die Überlebensfähigkeit der jüdischen Gemeinden, die sich nach dem Krieg in Deutschland wieder gebildet haben. Auch das ist ein wichtiges Interesse, das wir zu berücksichtigen haben. Der Zuzug von Juden und die Stärkung der jüdischen Gemeinden führen sicher — das will ich ausdrücklich als ein Positivum nennen — auch zu einer Revitalisierung des jüdischen Elements im deutschen Kultur- und Geistesleben, das in der Vergangenheit eine so wichtige Rolle gespielt hat. Ich erinnere nur an die vielen Nobelpreisträger, die Musiker und Schriftsteller, die die Bedeutung des jüdischen Elements für die deutsche Wissenschaft und Kultur belegen. Auch daran haben wir zu denken, wenn jetzt Juden aus Osteuropa Einreise begehren.Ich verweise auch auf die Leistungen vieler namenloser Bürger jüdischer Herkunft, die ihren Beitrag geleistet haben, daß die deutschen Juden vor Aufkommen des bösen NS-Unrechtsstaats ein weithin geachteter Bestandteil der deutschen Gesellschaft waren.
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18364 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 231. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Oktober 1990
Parl. Staatssekretär Dr. WaffenschmidtWenn wir dies alles werten, müssen wir in der echten Verantwortung aber dafür sorgen, daß ein Zuzug mit den Ländern, die die Menschen letztlich unterbringen müssen, abgesprochen werden kann. Die Bundesregierung hat Initiativen dazu ergriffen. Wir können die Dinge nicht überhastet angehen, sondern müssen sie in einem geordneten Verfahren angehen. Die Gespräche mit den Bundesländern sind eingeleitet. Es haben sich auch schon erste Bundesländer gemeldet, die ihre Bereitschaft erklärt haben, im Rahmen des Kontingentflüchtlingsgesetzes Juden aufzunehmen.Ein so mit den Ländern, den jüdischen Gemeinden und den jüdischen Organisationen im einzelnen abgestimmtes Verfahren kann die richtige Grundlage werden. Ich möchte hier ausdrücklich erklären und damit anderen Eindrücken, die bisweilen in der Öffentlichkeit vorgetragen wurden, widersprechen: Die Bundesregierung bemüht sich, in diesem Kontakt mit den Ländern und auch mit den jüdischen Organisationen das Ihre zu tun. Soweit ich mich noch bis in die letzte Stunde hinein habe informieren lassen, ist nie einer aus dem jüdischen Bereich abgelehnt worden, der einen berechtigten Anspruch geltend gemacht hat, nach Deutschland zu kommen, oder nachgewiesen hat, daß er hier einreisen müsse. Aber wir sind es den Menschen auch schuldig, daß dies alles in einem geordneten Verfahren nach unseren Gesetzen und unseren Verwaltungsstrukturen geschieht. Die Bundesregierung wird sich davon leiten lassen, daß uns die besondere Verantwortung auferlegt ist, aber daß wir das Ganze in einem guten, sachgerechten Verfahren mit den Ländern durchführen müssen.Wir bleiben im Kontakt mit den zuständigen Organisationen. Wir setzen uns auch mit dem Auswärtigen Amt dafür ein, daß die betroffenen Menschen, insbesondere auch in der Sowjetunion, alles das kennenlernen, was wir für sie zu tun bereit sind. Ich glaube, wir finden bei einem breiter, Konsens auch hier im Hause und bei entsprechender Mitwirkung der Länder den Weg, der hier sachgerecht ist und der auch der deutschen Verantwortung entspricht.Vielen Dank.
Meine Damen und Herren, damit ist die Aktuelle Stunde beendet.
Wir haben jetzt das Problem, daß durch die Zeitverschiebung und durch die schnelle Beendigung der Aktuellen Stunde die Bundesminister bzw. Staatssekretäre für die Befragung in der Fragestunde noch nicht anwesend sind. Wir versuchen gerade, sie heranzurufen. Die Frage ist jetzt, was wir in der Zwischenzeit tun.
— Dann ist die Frage, ob die betreffenden Redner anwesend sind. Der nächste Tagesordnungspunkt beträfe das Gesetz zur Bekämpfung des illegalen Rauschgifthandels. Sind dazu die Redner bereits anwesend?
Ich sehe soeben, daß wir mit der Fragestunde beginnen können. Ich rufe also Punkt 1 der Tagesordnung auf:
Fragestunde
— Drucksache 11/8162 —
Den Geschäftsbereich des Bundesministers für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit brauche ich heute nicht aufzurufen, da die Fragen 56 und 57 des Abgeordneten Brauer sowie die Fragen 58 und 59 der Abgeordneten Frau Wollny schriftlich beantwortet werden. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Warum spart das Gutachten des Instituts der deutschen Wirtschaft über die „Wirtschaftlichen und sozialen Perspektiven der deutschen Einheit" die Bereiche Land-, Forst- und Ernährungswirtschaft völlig aus, obwohl der Anteil dieses Wirtschaftsbereiches — vor allem bei regionaler Betrachtung in den neuen Bundesländern — am Bruttosozialprodukt relativ hoch ist, und wäre es nicht dringend erforderlich gewesen, bei der Untersuchung der wirtschaftlichen und sozialen Vorteile der deutschen Einheit für die Deutschen in der ehemaligen DDR auch die Problematik des Verlustes von rund 400 000 Arbeitsplätzen im oben genannten Bereich mit in die Untersuchung einzubeziehen?
Bitte schön, Herr Bundesminister.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Frau Präsidentin, wegen des Zusammenhangs bitte ich, die Fragen 12 und 13 des Kollegen Oostergetelo gemeinsam beantworten zu dürfen.
Dann rufe ich auch die Frage 13 des Herrn Abgeordneten Oostergetelo auf:
Wäre es nicht auch unbedingt erforderlich gewesen, die mit der Einheit verbundenen Auswirkungen auf die Agrarstruktur, insbesondere den möglichen Konkurrenzdruck in der Zukunft der größeren Betriebe in der ehemaligen DDR gegenüber den kleinbetrieblichen Strukturen in den alten Bundesländern und in den übrigen EG-Ländern, in das Gutachten miteinzubeziehen?
Klein, Bundesminister: Herr Kollege Oostergetelo, das Gutachten ging von einer Reihe von globalen Annahmen aus, die selbstverständlich auch die erwartete Entwicklung in der Landwirtschaft einschließen. In der Tat wurden die Bereiche Land-, Forst- und Ernährungswirtschaft im Gutachten des Instituts der deutschen Wirtschaft, als es um die einzelnen Aufschlüsselungen ging, nicht im Detail behandelt. Die Erklärung hierfür liegt darin, daß die Landwirtschaft nicht zu den Forschungsschwerpunkten des Instituts der deutschen Wirtschaft zählt und es in dem Institut auch gar kein Referat für Landwirtschaft und Agrarpolitik gibt, während auf der anderen Seite natürlich in dem zuständigen Bundesministerium, das sich ja in den letzten Monaten ganz außerordentlich intensiv um die Entwicklung auf diesem Sektor im Gebiet der ehemaligen DDR gekümmert hat, ausreichend solide Kenntnisse, soweit das jetzt überhaupt möglich ist, vorliegen, die die Einbeziehung vor allem in die Politikgestaltung ermöglichen.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Oostergetelo.
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Herr Minister, da die Strukturunterschiede zwischen der ehemaligen DDR und unserem Gebiet so gravierend sind — ich darf nur eine Zahl nennen: Die durchschnittliche Betriebsgröße beträgt bei uns weniger als 20 Hektar, dort aber etwa 4 600 Hektar — : Sind Sie bereit, doch noch nachträglich die Strukturunterschiede und deren Auswirkungen auf die Politik des ländlichen Raums untersuchen zu lassen?
Klein, Bundesminister: Herr Kollege Oostergetelo, wenn das noch nach Erstattung des Jahreswirtschaftsberichts 1991, der sich sehr ausführlich mit dieser Frage befassen wird, Sinn macht, bin ich gern dazu bereit. Bloß: Jetzt sozusagen ein Nachgutachten oder ein teilweises Nachgutachten zu beantragen würde heißen, daß das doch eine gewisse Bearbeitungszeit braucht und sich das Resultat möglicherweise mit den Ergebnissen oder den Findungen des Jahreswirtschaftsberichts 1991 überschneidet.
Aber ich darf die Gelegenheit nutzen, Ihnen voll zuzustimmen, daß die Strukturunterschiede — auch im Blick auf die Einbeziehung dieses Gebiets in die Europäische Gemeinschaft — für die weitere Gestaltung der Politik auf diesem Sektor von ganz großer Bedeutung sein werden.
Haben Sie noch eine Zusatzfrage zu diesem Punkt? — Bitte schön.
Herr Minister, ich bin dankbar, daß Sie das, wenn das Sinn macht — ich bin sicher, daß das bei diesen Unterschieden Sinn macht —, nachträglich noch tun wollen.
Herr Minister, die Preiszusammenbrüche, die durch das Zusammenwachsen und durch die, wie ich finde, nicht gute handwerkliche Arbeit abrupt entstanden sind, haben zu riesigen Schwierigkeiten sowohl in der DDR-Landwirtschaft als auch bei uns geführt. Meine Frage und Bitte wäre: Sind Sie bereit, auch in der Regierung Einfluß darauf zu nehmen, daß diese katastrophalen Entwicklungen, die wir im Moment haben, wenigstens mittelfristig in eine Perspektive einmünden können?
Klein, Bundesminister: Herr Kollege Oostergetelo, das liegt natürlich ein wenig jenseits der Frage des Gutachtens und auch ein wenig jenseits meines Kompetenzbereichs. Aber angesichts Ihres Einflusses auf den zuständigen Bundesminister und angesichts der Tatsache, daß auch ich ihm sehr nahestehe, bin ich überzeugt, daß wir in der Richtung, die von Ihnen gewünscht wird, mit gemeinsamer Anstrengung einiges erreichen werden.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Dann rufe ich jetzt Frage 14 des Herrn Abgeordneten Häuser auf :
Warum wird in der Kurzfassung des Gutachtens des Instituts der deutschen Wirtschaft über die „Wirtschaftlichen und sozialen Perspektiven der deutschen Einheit" die Forderung, für Neubauten, Leerstände und sanierte Wohnungen die Mieten völlig freizugeben, nicht erwähnt?
Bitte schön.
Klein, Bundesminister: Herr Abgeordneter, auch hier bitte ich, die beiden Fragen wegen des Zusammenhangs gemeinsam beantworten zu dürfen.
Ich rufe also auch Frage 15 des Abgeordneten Häuser auf:
Warum wird in der Kurzfassung des Gutachtens des Instituts der deutschen Wirtschaft über die „Wirtschaftlichen und sozialen Perspektiven der deutschen Einheit" die besondere Bedeutung einer staatlichen Bausparförderung nicht erwähnt?
Klein, Bundesminister: In Zusammenfassungen bzw. Kurzfassungen von solch ausführlichen Gutachten können zwangsläufig nicht alle behandelten Zusammenhänge und Einzelforderungen wiedergegeben werden. Die Bedeutung der von Ihnen aufgeführten Sachverhalte wird dadurch natürlich nicht verringert.
Eine Zusatzfrage bitte schön.
Aber ich meine doch, gerade in der Kurzfassung zeigt sich, wie Sie was bewerten. Also gehe ich davon aus, daß das, wonach ich gefragt habe, in Ihrer Wertung nicht eine solche Priorität wie andere Bereiche hatte, die im Gutachten enthalten sind.
Klein, Bundesminister: Das könnten Sie angesichts des Umfangs des Gutachtens, von dem ich jetzt nicht genau weiß, wie viele Seiten es hat, nicht sagen.
— Das Gutachten hat einige Hundert Seiten. Deshalb kann solch eine Feststellung natürlich nicht bei jedem Gebiet, das in einer Kurzfassung nicht wieder aufgeführt ist, getroffen werden. In Kurzfassungen muß eben immer etwas zusammengefaßt und global dargestellt werden; nur einige Punkte können herausgegriffen werden.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Kollege.
Ich habe meine zweite schriftliche Frage gerade deshalb gestellt, weil Herr Echternach neulich im Ausschuß gerade den Bausparkassenbereich als so wichtig erwähnte. Deshalb war ich erstaunt, als ich diesen Bereich in der Kurzfassung nicht erwähnt fand. Das läßt doch gewisse Rückschlüsse auf die Prioritätensetzung zu; denn Herr Echternach hat dieses Gebiet als eines der wichtigsten im Baubereich dargestellt.
Klein, Bundesminister: Herr Kollege, ich glaube, wir müssen jetzt zwischen Dingen, die in einem Gutachten als Beleg für eine bestimmte Entwicklung angezogen werden, und der Prioritätensetzung unterscheiden. In dem Gutachten sollte dargelegt werden, was sich wie zu welchen Kosten — ungefähr — entwickeln wird. Das schließt überhaupt nicht aus, daß ganz bestimmte Sektoren eine hohe Priorität bei der politischen Umsetzung haben, ohne daß das in diesem Gutachten nun als besondere Voraussetzung dafür gekennzeichnet ist.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Oostergetelo.
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18366 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 231. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Oktober 1990
Herr Bundesminister, da Sie wahrscheinlich zu Recht gesagt haben, daß eine Kurzfassung nicht alles bringen könne, wir bei der Behandlung meiner Fragen eben aber das Dilemma schon erkannt haben, möchte ich Sie fragen, ob die Bundesregierung bereit wäre — ich kenne eine Broschüre des Bundespresseamtes „Die deutsche Einheit
— ein Gewinn für alle" — , auch einmal eine Broschüre aufzulegen, in der die wirklich kritischen Probleme tatsächlich angesprochen werden.
Klein, Bundesminister: Das Bundespresseamt hatte bislang nie Schwierigkeiten damit, auf kritische Zusammenhänge hinzuweisen oder — vor allem dann, wenn es zur Überwindung von Problemen erforderlich erscheint — deren Darstellung vorher zu verbreiten.
Vizepräsidentin Renger: Eine Zusatzfrage,
Dr. Sperling.
Herr Bundesminister, da wir uns beide einig sind, daß jeder Mensch wohnen muß, die Wohnkosten für sein Leben ungeheuer wichtig sind und dies auch für die Mitbürger in der ehemaligen DDR gilt, muß dann nicht die Nichterwähnung der Mieten und der Haus- und Wohnungsproblematik als ein Ausweichen der Bundesregierung in der Wahlpropaganda vor dem wirklich entscheidenden Thema bewertet werden?
Klein, Bundesminister: Herr Kollege Sperling, jetzt wollen wir einmal — bitte erlauben Sie diesen etwas saloppen Begriff — die Kirche im Dorf lassen. Das Presse- und Informationsamt der Bundesregierung hat bei einem renommierten Institut ein Gutachten mit einer bestimmten Fragestellung in Auftrag gegeben. Solche Gutachten sind naturgemäß in einer wissenschaftlichen Sprache gehalten und haben einen entsprechenden Umfang. Das genau war auch hier der Fall.
Sie werden in einer sehr begrenzten Auflage
— wenn man alles zusammenrechnet und auch den Nachdruck berücksichtigt, den wir im eigenen Hause herstellen, wird man vielleicht auf 1 000 Stück kommen — an Fachleute, an Verbände, an Abgeordnete und an Journalisten abgegeben.
Nun erscheint es aber notwendig, um die rasche Lektüre zu ermöglichen, ein paar Punkte herauszugreifen. Damit haben wir eine Tochter des Instituts betraut; das war also nicht die Arbeit des Presseamtes. Dann kommt ein Ergebnis heraus.
— Ich habe immer ein Faible für Töchter. — Davon wurde eine größere Auflage hergestellt; ich glaube, es waren 28 000 Exemplare.
Angesichts der Zahl der Wähler in diesem Lande, Herr Kollege Sperling: Was können Sie da mit 28 000 Broschüren an Wahlpropaganda leisten? Im übrigen wurde das nicht von einer Partei und noch nicht einmal direkt von der Regierung, sondern im Auftrage der Regierung von einem wissenschaftlichen Institut vorgenommen.
— So ist es.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Die Fragen 16 und 17 des Abgeordneten Großmann werden auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.* )
Wir kommen zu den Fragen 18 und 19 des Herrn Abgeordneten Roth. Er ist nicht im Saal. Die Fragen werden also nicht beantwortet.
Ich rufe Frage 20 des Herr Abgeordneten Dr. Sperling auf:
Wie ist die Summe von 9 Mrd. DM vor dem Hintergrund von Expertenaussagen (Sachverständigenanhörung der SPD-Bundestagsfraktion vom 10. Oktober 1990) über ungedeckte Finanzierungsdefizite in der Sozialversicherung in Höhe von mehr als 30 Mrd. DM für 1991 zu verstehen?
Bitte schön, Herr Bundesminister.
Klein, Bundesminister: Ich bitte wiederum, die Fragen 20 und 21 im Zusammenhang beantworten zu dürfen.
Dann rufe ich auch die Frage 21 des Herrn Abgeordneten Dr. Sperling auf:Wie kann eine Selbstfinanzierung der Einheit errechnet werden, wenn der Gutachter der Broschüre feststellt, daß „der zukünftige Finanzbedarf für die Arbeitslosenversicherung einstweilen noch im dunkeln liegt"?Klein, Bundesminister: Herr Kollege Sperling, laut Vertrag über die Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion war für 1991 in der Tat eine Anschubfinanzierung von lediglich 3 Milliarden DM vorgesehen. Dies war der offizielle Informationsstand bei Redaktionsschluß für das Gutachten Anfang September.Das Institut der deutschen Wirtschaft hat schon damals auf Grund der sich abzeichnenden Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt der ehemaligen DDR in seinen Annahmen die Anschubkosten höher veranschlagt. Inzwischen zeigt sich nach Meinung des Instituts der Deutschen Wirtschaft, daß voraussichtlich 9 Milliarden DM nicht ausreichen werden, sondern je nach Entwicklung der Arbeitslosigkeit 12 bis 20 Milliarden DM eher zutreffen werden. Einen Bedarf von 30 Millionen DM hält das Institut allerdings für unwahrscheinlich.Die Möglichkeit der Selbstfinanzierung wird durch diese aktuelle Entwicklung aber nicht in Frage gestellt, da der Nettoeffekt positiv bleibt. In der Kurzfassung des Gutachtens heißt es dazu wörtlich:Selbst wenn — was sich abzeichnet — die Kostenfür die Anschubfinanzierung des neuen DDR-Sozialversicherungssystems kurzfristig und vor-*) Siehe Plenarprotokoll 11/232
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Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 231. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Oktober 1990 18367
Bundesminister Kleinübergehend steigen und noch Aufwendungen für die außenpolitische Absicherung der deutschen Einheit hinzukommen, reicht das ausgewiesene Überschußpolster zur Abdeckung solcher weiteren Kosten aus.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Sperling.
Herr Minister, daß eine Selbstfinanzierung der deutschen Einheit möglich ist, würde ich ja auch nicht bezweifeln. Die Frage ist bloß, ob die jetzt belastete Generation davon noch viel abbekommt, so daß die Frage, wie die Lasten der Selbstfinanzierung verteilt werden, bevor sie denn wirklich zur vollen Erfüllung gekommen ist, bedeutsam ist. Dabei spielt natürlich der Punkt eine Rolle, wie hoch die Kosten der Anschubfinanzierung für die sozialen Sicherungssysteme sein werden und wie sie verteilt werden. Könnten Sie noch ein paar zusätzliche Auskünfte über die Nachberechnungen des Gutachtens geben?
Klein, Bundesminister: Was das Gutachten enthält, liegt auf dem Tisch. Was in der Kurzfassung zu diesem Punkt steht, habe ich Ihnen vorgetragen. Im übrigen stellen Sie natürlich eine ganz allgemein-politische Frage, die ja jetzt auch nur sozusagen am Gutachten aufgehängt ist.
In der Grundrichtung Ihrer Fragestellung, Herr Kollege Sperling, stimme ich Ihnen zu. Nur in bezug auf die Schlußfolgerung, zu der Sie kommen, kann ich Ihnen aus Überzeugung nicht zustimmen, daß es nämlich eine so lange Frist beanspruchen wird, wie Sie offenbar pessimistischerweise annehmen. Ich glaube, daß das alles sehr viel schneller gehen wird, und daß infolgedessen die jetzt lebende Generation selbstverständlich nicht nur noch in den Genuß der Selbstfinanzierung kommen wird, sondern auch zu einem vergleichsweise frühen Zeitpunkt.
Könnten Sie mir mitteilen, wie dieser vergleichsweise frühe Zeitpunkt in dem Gutachten gesehen wird? Welchen Zeithorizont hat dieses Institut für die Selbstfinanzierung?
Klein, Bundesminister: Soweit ich das Gutachten in Erinnerung habe
und einigermaßen richtig interpretiere, ist da wohl ein Zeitraum zwischen fünf und acht oder zehn Jahren ins Auge gefaßt.
Und dieser Zeitrahmen bleibt bei diesem Gutachter derselbe, egal ob die Anschubfinanzierung 12 oder 20 Milliarden DM beträgt und selbst dann, wenn die Anschubkosten für die Arbeitslosenversicherung noch im dunkeln liegen, wie der Gutachter selber schreibt? Gibt es da keine genaueren Berechnungsgrundlagen? Oder könnten Sie mir diese zugängig machen? Ich habe nicht die Langfassung des Gutachtens.
Klein, Bundesminister: Erstens darf ich mir erlauben, Ihnen sofort die Langfassung des Gutachtens zuzuschicken, Herr Kollege.
Zweitens glaube ich, daß zur Zeit niemandem sehr viel präzisere Berechnungsgrundlagen zur Verfügung stehen. Aber ich habe ja zu Beginn der Fragestunde erklärt, daß die Gutachter von einer Reihe globaler Annahmen ausgegangen sind, die sie allerdings im Gutachten genau beschreiben, so daß man weiß, welches die Annahmen sind und worauf dann die Hochrechnungen beruhen.
Dann habe ich eine letzte Frage, Herr Minister. Da ja die Bundesregierung auch schon vorher in bezug auf die deutsche Einheit bestimmte Glaubensvorstellungen hatte, frage ich Sie, ob Ihre genauso gut begründet sind wie die Anfangsglaubensvorstellungen der Bundesregierung, die jetzt alle revidiert werden mußten?
Klein, Bundesminister: Ich habe den Eindruck, Herr Kollege Sperling, daß die Vorstellungen — dabei zögere ich ein bißchen, Ihren Begriff „Glaubensvorstellungen" zu übernehmen —
keineswegs revidiert werden müssen.
Die Bundesregierung ist von Anfang an davon ausgegangen, daß wir es mit einer Reihe bedeutender Schwierigkeiten bei einer größeren Anzahl von Sektoren zu tun haben werden, und zwar vom Arbeitsmarkt bis zur Umwelt. Wenn ich von der Umwelt spreche, muß ich sicher anfügen: Dies wird ein Problem sein, dessen Bewältigung eine längere Frist in Anspruch nehmen wird als die der übrigen wirtschaftlichen Probleme. Davon ist die Bundesregierung immer ausgegangen.
Die Bundesregierung ist aber auch davon ausgegangen, daß das angesichts — ich darf einmal diese beiden Zahlen nennen — einer Einwohnerzahl, die etwa der von Nordrhein-Westfalen entspricht, und einer bisherigen Wirtschaftskraft, die etwa der Hessens entspricht, im Vergleich zur bisherigen Bundesrepublik Deutschland mit ihrer Wirtschaftskraft, ihrer gegenwärtigen Statur und Konjunkturlage Probleme sein werden, die wir mit gemeinsamer Kraft in einer überschaubaren Frist werden lösen können.
Danke schön, Herr Bundesminister.Die Fragen 22 und 23 des Abgeordneten Reschke werden schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt. *)Zur Beantwortung der Frage 24 steht jetzt der Parlamentarische Staatssekretär Straßmeir zur Verfügung.Ich rufe Frage 24 des Abgeordneten Such auf:Treffen Berichte zu, wonach sich der wegen des Verdachts der Stasi-Mitarbeit beurlaubte Generalsekretär der DDR-CDU, Martin Kirchner, schon vor der politischen Wende in der DDR am 9. November 1989 zu politischen Gesprächen mit Vertretern von Bundesregierung und Landesregierungen getroffen hat, darunter dem Bundeskanzler und dem hessischen Ministerpräsidenten?*) Siehe Plenarprotokoll 11/232
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18368 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 231. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Oktober 1990
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter Such, Ihre Frage ist identisch mit der Frage 1 der Kleinen Anfrage der GRÜNEN vom 2. September 1990. Meine Antwort lautet deshalb selbstverständlich ebenso wie die zwei Wochen alte Antwort der Bundesregierung vom 11. Oktober 1990 auf die Kleine Anfrage der GRÜNEN: Die Bundesregierung sieht sich nicht veranlaßt, über Kontakte der in der Frage dargestellten Art Auskunft zu geben.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Such.
Mit welchen Erwägungen tritt die Bundesregierung meiner Bewertung und Auslegung der GO-Richtlinien für die Fragestunde entgegen, wonach Auskünfte, politische Initiativen, Kontakte sowie deren Auswirkungen von Mitgliedern dieser Bundesregierung durchaus in ihren Zuständigkeitsbereich gehören?
Straßmeir, Parl. Staatssekretär: Diese Darstellung der GO ist korrekt. Allerdings handelt es sich hier um eine Materie, die nach den eigenen Verfahrensregeln des Deutschen Bundestages an einer anderen Stelle zu verhandeln ist. Hierzu kommt in erster Linie die PKK in Frage.
Herr Kollege, eine weitere Zusatzfrage.
Mit welchen Erwägungen will die Bundesregierung dem sich angesichts dieser Informationspraxis gegenüber Abgeordneten und damit letztlich auch gegenüber der angeschlossenen medialen Öffentlichkeit aufdrängenden Eindruck entgegentreten, als lege sie an die Aufklärung von Kontakten zur Stasi und möglicher Einflußnahme der Stasi in eigener Sache geringere Maßstäbe an, als die Bundesregierung sie etwa gegenüber Abgeordneten der PDS nicht müde wird öffentlich anzulegen.
Straßmeir, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Such, diese Frage, die Sie eben gestellt haben, ist eine von sieben Fragen einer Kleinen Anfrage der Fraktion DIE GRÜNEN über die Stasi-Mitarbeit des Generalsekretärs der DDR-CDU und der Kenntnis von Bundesbehörden. Da hat die Bundesregierung Ihnen genau das mitgeteilt, wovon ich annehme, daß darüber auch im Kreise der Kollegen des Deutschen Bundestages Einvernehmen herrscht: Die Bundesregierung nimmt zu Erkenntnissen sowie zum Inhalt und Zeitpunkt der Berichterstattung ihrer Nachrichtendienste sowie/oder auf Grund dessen eventuell getroffener Maßnahmen aus grundsätzlichen Erwägungen nicht öffentlich Stellung. Sie ist jedoch jederzeit bereit, den zuständigen parlamentarischen Gremien gegenüber zu berichten.
Eine Zusatzfrage, Herr Dr. Sperling.
Herr Staatssekretär, nachdem Sie Kontakte des Herrn Kirchner zu Regierungsstellen der ehemaligen Bundesrepublik nicht dementiert haben, darf ich aus Ihren Antworten entnehmen, daß solche Kontakte in einer Form stattgefunden haben, die nur PKK-auskunftswürdig und -auskunftsfähig sind?
Straßmeir, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Dr. Sperling, ich glaube, Sie haben meine Ausführungen falsch interpretiert. Ich habe nichts dementiert.
— Wenn Sie davon ausgehen, daß dann, wenn jemand zu einer bestimmten Materie keine Auskünfte gibt, alles das, wonach Sie gefragt haben, zutreffend ist, so wäre dies in der Tat ein logischer Trugschluß. Nein, ich habe das nicht dementiert; denn ich bin nicht bereit, hier zur Gesamtmaterie mehr zu sagen, als es in der Beantwortung der Kleinen Anfrage durch die Bundesregierung geschehen ist.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Wüppesahl.
Ich habe die Hoffnung, daß die gleich erfolgende Antwort auf meine Frage nicht solche Windungen in sich trägt, wie wir es soeben — zumindest bei den beiden letzten Beantwortungen — erlebt haben, und sich nicht darauf reduziert, daß man lediglich auf eine Kleine Anfrage rekurriert; denn wir stellen jetzt in der Fragestunde mündliche Fragen und haben sie nicht in der Kleinen Anfrage gestellt.
In Anlehnung an die Frage meines Vorredners, Herrn Dr. Sperling, bin ich der Auffassung, daß es keine Interpretation des Dr. Sperling gewesen ist. Sie haben vielmehr gesagt, daß die Auskunft der Bundesregierung vor dem für diesen Fall zuständigen Gremium — Sie nannten expressis verbis die PKK — stattfinden müßte, woraus nun die Schlußfolgerung zu entwickeln ist
— ich bin bei einer Frage; es ist ein Satz, Herr Kollege Börnsen — , daß die Tätigkeit des Herrn Kirchner Geheimdienstcharakter hatte und Herr Kirchner eine im öffentlichen Leben stehende Person zumindest gewesen ist.
Nun machen wir aber Schluß.
Sie sehen doch: Er hört nicht einmal zu.
Er kann das wie Caesar.
Ich bitte Sie, Frau Präsident. Er war im Gespräch vertieft, während ich die Frage formulierte, und ich werde aufgefordert, mich kurz zu fassen.
Ich bitte Sie, sich kurz zu fassen, weil Sie schon eine kurze Intervention machen, statt eine Frage zu stellen.
Wichtiger ist doch, daß er überhaupt zuhört.
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Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 231. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Oktober 1990 18369
Herr Wüppesahl, ich habe keinen Einfluß auf den Herrn Staatssekretär.
Wenn Sie bitte Ihre Frage beenden würden. Ich wollte Ihnen nicht das Wort abschneiden.
Ich habe nur Zweifel, ob er meinen Gedanken verfolgt hat. Ich sehe mich fast gezwungen, noch einmal von vorne zu beginnen.
Nein, das kann ich nicht zulassen. Nun machen Sie doch nicht wieder soviel Schwierigkeiten.
Ich doch nicht. Wer läßt sich denn während meiner Frage ablenken? Ich finde das mir gegenüber wirklich ungehörig.
Ihre Frage war beendet?
Ich möchte die Frage jetzt beenden.
Mit einem Satz, wenn ich bitten darf.
Ich möchte von Ihnen vor dem Hintergrund des von mir entwickelten Gedankengangs wissen, weshalb eine solche Person, die im öffentlichen Leben gestanden hat, nicht in den Auskunftsbereich der Bundesregierung gehört.
Straßmeir, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Wüppesahl, wir sind uns, glaube ich gemeinsam darüber einig, daß der Kern Ihrer Frage in den letzten anderthalb Sätzen gelegen hat. Deswegen glaube ich nicht, daß meine Aufmerksamkeit zu gering war, während Sie vorgetragen haben.
Die Bundesregierung kann Ihnen keine andere Antwort geben als das, was den Kollegen gesagt worden ist, die vor Ihnen gefragt haben. Es ist so, daß sich die Bundesregierung in diesem Fall nicht veranlaßt sieht, über Kontakte der in der Frage dargestellten Art Auskunft zu geben. Auf die anderen Möglichkeiten, diese Dinge zu besprechen, habe ich aufmerksam gemacht. Aber ich lehne es grundsätzlich ab, inhaltlich zu irgendeiner der von Ihnen dargestellten personellen Fragen Auskunft zu geben.
Die Frage 25 der Abgeordneten Frau Wollenberger wird schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.*)
Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers des Auswärtigen auf. Herr Staatsminister Schäfer steht zur Beantwortung zur Verfügung.
Ich rufe Frage 26 des Herrn Abgeordneten Börnsen auf:
Nachdem die dänische Staatsregierung durch Ministerpräsident Poul Schlüter am 22. August 1990 in einer parlamentarischen Antwort die Bonn-Kopenhagener-Minderheitenerklärung in Übereinstimmung mit der Bundesregierung in aller Klarheit als völkerrechtliche Verpflichtung bezeichnet hat und nunmehr der Status dieser Erklärung aus dem Jahr 1955 für die
') Siehe Plenarprotokoll 11/232
deutsche Volksgruppe in Dänemark und für die dänische Minderheit in Deutschland gerade auch vor dem Hintergrund der deutschen Einheit eindeutig und zukunftsweisend geklärt und gesichert ist, frage ich die Bundesregierung, werden diese Grundsätze des deutsch-dänischen Minderheitenmodells auch auf andere deutsche Volksgruppen in Osteuropa im Rahmen der KSZE-Menschenrechtskonferenz angewandt?
Bitte, Herr Staatsminister.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege, die Bundesregierung setzt sich nachdrücklich für einen wirksamen Minderheitenschutz als Bestandteil der europäischen Friedensordnung ein, der auch den deutschen Minderheiten in den Ländern Mittel- und Osteuropas zugute kommt. Hierbei können die Regelungen zum umfassenden Schutz der dänischen und deutschen Minderheiten durchaus als Modell dienen. Bundesminister Genscher hat dies in seiner Rede am 5. Juni 1990 vor der Kopenhagener Konferenz über die menschliche Dimension der KSZE ausdrücklich befürwortet.
Das Kopenhagener Treffen hat ein Dokument verabschiedet, das — entsprechend einer Initiative der Bundesrepublik Deutschland — Aussagen zum Minderheitenschutz enthält, die weit über die bisherigen diesbezüglichen internationalen Texte hinausgehen.
Bei den laufenden Verhandlungen in Wien über die Vorbereitung des KSZE-Gipfeltreffens setzt sich die Bundesregierung dafür ein, daß 1991 ein zusätzliches KSZE-Treffen in der Schweiz speziell zu dem Thema des Minderheitenschutzes durchgeführt wird.
Eine Zusatzfrage, Herr Börnsen.
Herr Staatsminister, ich möchte mich für die sehr konkrete Antwort bedanken und Sie gerne fragen: Ist die Bundesregierung bereit, über das deutsch-dänische Minderheitenabkommen, das nach Ihren Worten einen Modellcharakter besitzt, auch deutsche Volksgruppen in osteuropäischen Ländern zu informieren?
Schäfer, Staatsminister: Ich glaube, daß die Bundesregierung gerne jeden über interessante internationale Beschlüsse zum Bereich Minderheiten informiert. Es steht dem nichts im Wege.
Eine weitere Zusatzfrage bitte schön.
Herr Staatsminister, können Sie sich vorstellen, daß wir auch in der Bundesrepublik — entweder beim Außenministerium oder bei einem anderen Ministerium — ein Sekretariat für die Belange deutscher Minderheiten in anderen Ländern erhalten, damit dort für sie ein Ansprechpartner bereitsteht?Schäfer, Staatsminister: Das sind Anregungen, Herr Kollege, die eigentlich weniger in einer Fragestunde als vielmehr im Kreise der Abgeordneten in den Ausschüssen behandelt werden sollten, in denen man solche Anregungen im allgemeinen mit der Regierung erörtert. Ich halte diese Anregungen für interessant.
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18370 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 231. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Oktober 1990
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Sperling.
Herr Staatsminister, wird sich die Bundesregierung bei ihren Kontakten mit den jeweiligen Mehrheitsregierungen und den deutschen Minderheitengruppen in den osteuropäischen Ländern der Tatsache bewußt sein, daß es sich bei den jeweiligen Mehrheitsvölkern um Völker handelt, die in der deutschen Geschichte völlig anders behandelt wurden, als es das dänische Volk im Umgang mit Deutschen erleben mußte?
Schäfer, Staatsminister: Herr Kollege, was den Umgang mit den Dänen betrifft, gab es ja auch nicht unbedingt nur positive Seiten in der deutschen Geschichte.
Sie können sicher sein, daß wir natürlich bei der Behandlung von Fragen deutscher Minderheiten immer auch auf die Gefühle anderer Staaten und der dort lebenden Mehrheiten Rücksicht nehmen.
Die Frage 27 des Abgeordneten Lowack wird schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Dann kommen wir zur Frage 28 des Herrn Abgeordneten Wüppesahl:
Trifft es tatsächlich zu, daß die Bundesregierung am 18. Oktober erst „Konzepte" zu einem Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Polen erarbeitet hat, wenn sie einige Tage später bereits in konkrete Verhandlungsgespräche einsteigt, und beschreibt das Konzept des Nachbarschaftsvertrages zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Polen auch längst überfällige Regelungen für die Entschädigung ehemaliger polnischer Zwangsarbeiter bei deutschen Firmen bzw. staatlichen Institutionen und Häftlingen deutscher Konzentrationslager in der Zeit von 1933 bis 1945, oder geht die Bundesregierung davon aus, daß mit der endgültigen Anerkennung der polnischen Westgrenze durch die Bundesregierung diese und ähnliche Ansprüche polnischer oder ehemals polnischer Bürger abgegolten sind?
Bitte schön, Herr Staatsminister.
Schäfer, Staatsminister: Herr Kollege, die Verhandlungen mit der Republik Polen über den Grenzvertrag sowie über den umfassenden Vertrag werden Ende Oktober in Warschau aufgenommen. Die Bundesregierung bereitet sich auf diese Verhandlungen mit größter Sorgfalt vor. Ich bitte um Ihr Verständnis, daß ich im Vorfeld dieser Verhandlungen hier einzelne Positionen der Bundesregierung nicht darlegen kann.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Wüppesahl.
Herr Staatsminister, vor dem Hintergrund, daß Mitglieder der CDU/CSUFraktion auf öffentlichen Versammlungen Äußerungen gemacht haben, die ein ganz klares Anforderungsprofil an die polnische Seite beinhaltet haben, und dies auch in der Presse wiedergegeben werden konnte, wäre ich Ihnen doch dankbar, wenn Sie etwas konkreter werden und zumindest mitteilen könnten, welche Maßnahmen zum Schutz deutschsprachiger Minderheiten in der Republik Polen das Konzept des Nachbarschaftsvertrages zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Polen auf der staatsbürgerlichen, kulturellen, sozialen und ökonomischen Ebene vorsieht und ob das Konzept ähnliche Maßnahmen zum Schutz polnischer Bürger in der Bundesrepublik Deutschland vorsieht. Damit würden Sie nicht allzuviel verraten, aber doch Äußerungen von Kollegen aus der CDU/CSU-Fraktion, auf die ich mich jetzt sehr allgemein bezogen habe, ihre Nahrung nehmen.
Schäfer, Staatsminister: Herr Kollege, ich finde es interessant, daß Sie Äußerungen einzelner Mitglieder dieses Hauses so ernst nehmen, daß Sie dazu Fragen stellen. Ich könnte mir vorstellen, daß nicht jede Meinungsäußerung, die bei Wahlveranstaltungen fällt, von der Bundesregierung so ernst genommen wird, wie sie offensichtlich von Ihnen genommen wird.
Ich kann nur sagen: Der Bundeskanzler wird sich am Wochenende mit dem polnischen Ministerpräsidenten in Frankfurt an der Oder treffen. Alle diese Fragen werden mit dem polnischen Ministerpräsidenten sehr sorgfältig erörtert werden. Es wäre völlig unsinnig, wenn ich zu dieser Stunde hier irgendwelche Erklärungen abgeben würde, die den Bundeskanzler bei solchen Gesprächen eher behindern würden und Festlegungen bedeuteten, die wir ja gar nicht haben, sondern die erst mit der polnischen Seite im Verlauf der Vertragsverhandlungen ausgehandelt werden.
Eine weitere Zusatzfrage, bitte.
Da man in solche Verhandlungen natürlich mit einer eigenen Position geht, hat man auch zum jetzigen Zeitpunkt — wenige Tage vor Beginn dieser Verhandlungen — ziemlich konkrete Vorstellungen darüber, was man selbst am Ende dieses Verhandlungsprozesses haben möchte. Und weil das Verhältnis Deutschland-Polen noch viel sensibler ist als bei der Nationalitätengruppe, die wir in der Frage davor behandelt haben, nämlich bei den Dänen, nehme ich solche Äußerungen in der Tat sehr ernst, Herr Staatsminister. Deswegen frage ich Sie in der Hoffnung, vielleicht doch noch etwas mehr darüber zu erfahren, ob die Bundesregierung vor Aufnahme der Verhandlungen über den Nachbarschaftsvertrag mit der Regierung der Republik Polen Ende Oktober eine allgemeine Aussprache über diesen Vertrag im Deutschen Bundestag durchzuführen plant oder ob sie es als hilfreich ansehen würde, wenn sie die Auffassung des Parlamentes mit auf den Weg bekäme.Schäfer, Staatsminister: Herr Kollege, Sie wissen selbst, daß vor diesem Wochenende der Ältestenrat oder auch das Präsidium des Deutschen Bundestages angesichts des Zeitplans wohl kaum mehr eine neuerliche Debatte über das deutsch-polnische Verhältnis zustande bringen kann. Abgesehen davon ist über dieses Verhältnis in diesem Hause so oft gesprochen worden, sind die Positionen so klar, daß ich nicht glaube, daß es einer neuerlichen Debatte vor dem Vertrag bedarf, höchstens vielleicht im Verlauf der Beratungen.Ich gehe davon aus, daß wir auch die Auffassungen aus den verschiedenen Parteien dieses Hauses sehr
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Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 231. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Oktober 1990 18371
Staatsminister Schäfergenau kennen, die vielfach auch im Auswärtigen Ausschuß diskutiert worden sind. Es gibt Festlegungen, die im Zusammenhang mit der deutschen Einheit im Hinblick auf den völkerrechtlichen Vertrag über die Grenze — da gibt es nichts zu deuteln; den wird es geben — getroffen worden sind. Es wird darüber hinaus einen zweiten Vertrag geben, wie Sie wissen, in dem das allgemeine deutsch-polnische Verhältnis angesprochen wird. Dabei werden eine ganze Reihe von Fragen, auch die Fragen der deutschen Minderheit, eine Rolle spielen.
Frage 29 des Abgeordneten Wüppesahl steht noch aus:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß maßgebliche politische Kräfte auf öffentlichen Veranstaltungen der Regierung der Republik Polen die Annahme eines Nachbarschaftsvertrages mit der Bundesregierung unter besonderem Hinweis auf „deutsches Eigentum in diesen Gebieten" anempfehlen, obgleich an dessen Konzept, nach Auskunft des Auswärtigen Amtes, dort noch gearbeitet wird und die Verhandlungen darüber mit der Regierung der Republik Polen erst Ende Oktober 1990 beginnen sollen und somit die polnische Position dazu noch nicht gehört wurde, und wie bewertet die Bundesregierung diese Empfehlung, die als Aufforderung zur Blanko-Unterschrift gewertet werden muß, angesichts des aus der Geschichte heraus problematischen Verhältnisses der Bundesrepublik Deutschland zu Polen, nach dem sich ein solches Vertrags-Diktat ausschließen sollte?
Herr Staatsminister.
Schäfer, Staatsminister: Die in Ihrer Frage erwähnten Empfehlungen an die Adresse der Regierung der Republik Polen sind der Bundesregierung nicht bekannt. Sie würden der Haltung der Bundesregierung auch nicht entsprechen.
Zusatzfrage, Herr Wüppesahl.
Dann werde ich Ihnen diese Empfehlungen noch am heutigen Tage zukommen lassen.
Ich würde aber trotzdem gerne noch folgendes wissen, weil das indirekt durch meine Fragestellung eine darüber hinausgehende Empfehlung darstellt: Welche wirtschaftlichen, technischen und ökologischen Maßnahmen beinhaltet das Konzept des Nachbarschaftsvertrages zwischen der Republik Polen und der Bundesrepublik Deutschland zum Schutz der Ostsee vor weiterer Verschmutzung durch die an der polnischen Küste ansässige Wirtschaft und Industrie und zur Sanierung der Ostsee? Falls Sie jetzt wieder allgemein antworten, Sie möchten vor dem Wochenende nichts sagen, möchte ich Sie zumindest fragen, ob es in dem Konzept zu diesem Problempunkt Essentials gibt.
Ich möchte zuerst einmal sagen, daß dies kein Teil der Frage ist, deswegen nicht zugelassen und auch nicht beantwortet wird.
Frau Präsidentin, wenn Sie die Frage noch einmal lesen — sie ist relativ lang — : Da geht es um Empfehlungen aus der CDU/CSU-Fraktion. In Ergänzung dazu habe ich jetzt diese Frage gestellt.
Sie haben die Möglichkeit gehabt, diese hervorragende Frage, die wichtig ist, einzubringen. Die Antwort ist nicht erforderlich, wenn der Herr Staatsminister dazu nicht bereit ist.
Schäfer, Staatsminister: Darf ich — mit Ihrer Genehmigung, Frau Präsidentin — , etwas dazu sagen?
Aber selbstverständlich.
Schäfer, Staatsminister: Herr Kollege, schon das Thema, das Sie ansprechen, nämlich die Verschmutzung der Ostsee, fällt nicht in die Zuständigkeit des Auswärtigen Amtes. Wir könnten hier natürlich sehr viele Punkte, die wahrscheinlich besprochen werden, erörtern. Ich bitte aber, solche Detailfragen im Hinblick auf das Bevorstehende an die Stelle zu richten, wo sie hingehören. Das Auswärtige Amt beschäftigt sich nicht unmittelbar mit der Frage der Umweltproblematik. Im weiteren Sinn, beim Abschluß von Verträgen, tut es das natürlich schon.
Sind Sie bereit, zu Ihrem eigenen Punkt noch eine längere oder kürzere Frage zu stellen? Dann haben Sie noch eine.
Auf diese motivierende Bitte von Ihnen hin wird es mir nicht schwerfallen, noch eine weitere Zusatzfrage zu stellen.
Ich möchte gerne wissen, ob das Konzept des Nachbarschaftsvertrages zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Polen die Schaffung regulierender Mechanismen zum Schutz der polnischen Wirtschaft vor Gütern und Dienstleistungen bundesdeutscher Unternehmen vorsieht? Diese Frage stelle ich vor dem Hintergrund, daß ich natürlich weiß, daß das Auswärtige Amt nicht für Wirtschaftsfragen zuständig ist. So aber, wie Sie am Schluß Ihrer letzten Antwort dargestellt haben, verhandelt das Auswärtige Amt oft, zwangsläufig, über andere gesellschaftspolitische Felder, bei denen eigentlich Ministerien anderer Kollegen zuständig sind.
Schäfer, Staatsminister: Herr Kollege, Sie können davon ausgehen, daß die polnische Seite sehr daran interessiert ist, bei einem deutsch-polnischen Vertrag, der sich mit allen Fragen einer Zusammenarbeit zwischen unseren beiden Staaten beschäftigen wird, der wirtschaftlichen und technologischen Zusammenarbeit natürlich einen hohen Rang einzuräumen. Wir werden sehen, was sich machen läßt. All das wird ja verhandelt und wird demnächst im Deutschen Bundestag, wobei ich nicht sicher bin, ob Sie ihm angehören werden, länger diskutiert.
Schönen Dank, verehrter Herr Staatsminister.Frage 30 des Herrn Abgeordneten Bindig soll auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet werden. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.Ich brauche den Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr nicht aufzurufen, da die Fragen 51 des Herrn Abgeordneten Hinsken, 52 des Herrn Abgeordneten Stiegler sowie die Fragen 53 und 54 der Abgeordneten Frau Bulmahn auf Wunsch der Fragesteller schriftlich beantwortet werden sollen. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
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18372 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 231. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Oktober 1990
Vizepräsidentin RengerWas den Geschäftsbereich des Bundesministers für innerdeutsche Beziehungen angeht, so sollen die Fragen 60 und 61 des Herrn Abgeordneten Müntefering sowie Frage 62 des Herrn Abgeordneten Kirschner auf Wunsch der Fragesteller schriftlich beantwortet*) werden. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.Ich danke der Regierung.Ich rufe nunmehr Punkt 11 der Tagesordnung auf:Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Bekämpfung des illegalen Rauschgifthandels und anderer Erscheinungsformen der Organisierten Kriminalität
— Drucksache 11/7663 —Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:Rechtsausschuß
Auswärtiger AusschußInnenausschußAusschuß für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit HaushaltsausschußNach einer Vereinbarung im Ältestenrat sind für die Beratung 45 Minuten vorgesehen. — Es erhebt sich kein Widerspruch. Es ist so beschlossen.Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat Herr Staatsminister Schlee.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf wird ein sicherheitspolitisches Anliegen aufgegriffen, das eigentlich keinen weiteren Aufschub duldet. Sie alle kennen die täglichen Meldungen über die Zahl der Rauschgifttoten, die Sicherstellungsmengen an harten Drogen und sonstige spektakuläre Fälle der organisierten Kriminalität.
Ich will die Lage nicht dramatisieren.
Die Entwicklung droht uns aber aus dem Ruder zu laufen, wenn wir den Sicherheitsbehörden nicht das notwendige rechtliche Instrumentarium für die Bekämpfung der organisierten Kriminalität, des organisierten Verbrechens an die Hand geben.
Diese Einsicht hat zu einem denkwürdigen sicherheitspolitischen parteiübergreifenden Schulterschluß der Länder und zu diesem Gesetzentwurf geführt.
Sie werden den Gesetzentwurf in dieser Legislaturperiode nicht mehr verabschieden können.
Sie sollten allerdings — dies ist für mich heute das Hauptanliegen — den Entwurf in der neuen Legislaturperiode unverzüglich aufgreifen, zumal wichtige Eckpunkte des Entwurfs ja auch Eingang in den nationalen Rauschgiftbekämpfungsplan gefunden haben. Die Sicherheitsbehörden sind auf klarstellende
*) Siehe Plenarprotokoll II/232
gesetzliche Regelungen dringend angewiesen. Das ist die Auffassung aller Bundesländer.
Dies wird durch die Entwicklung der letzten Monate und Wochen mehr als deutlich. Diese Entwicklung hat alle Prognosen weit in den Schatten gestellt. In diesem Jahr zählen wir — das ist eine Zahl von heute vormittag — 1 032 Drogentote. Wir haben damit die Gesamtzahl des Jahres 1989 bereits weit überschritten. Während sich Mitte der 70er Jahre die Sicherstellungsmengen der harten Drogen noch im Kilo-Bereich bewegten, geht es heute gleich um mehrere, um viele Tonnen. Wie nirgends sonst werden die Aktivitäten international agierender Verbrechensorganisationen gerade bei der Rauschgiftkriminalität für alle, die die Szene mit offenen Augen beobachten, deutlich sichtbar.
Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Emmerlich?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Natürlich.
Herr Minister, sind die Schätzungen des Bundeskriminalamts über den Prozentsatz der in die Bundesrepublik importierten, aber sichergestellten Mengen an Rauschgift richtig — danach soll es sich um einen Prozentsatz von 6 % handeln —, und ist zutreffend, was nahezu alle Sachverständigen übereinstimmend aussagen: daß die Zahl der Drogentoten insbesondere auf die Prohibition, also darauf zurückzuführen ist, daß eine staatliche Kontrolle der Qualität der Drogen nicht stattfindet, und daß es den Drogenabhängigen wegen der Prohibition verwehrt ist, sich über einen angemessenen Umgang mit Drogen zu informieren, um gesundheitliche Schäden, die durch Drogenmißbrauch entstehen, zu vermeiden?
Ich werte das als eine Kurzintervention.
Dazu müßte man vorher den Betreffenden fragen. Aber es ist akzeptiert. Der Herr Minister wird antworten.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich will versuchen, ganz kurz zu antworten. Herr Kollege, natürlich wird die Frage kontrovers diskutiert, wie hoch der Anteil der Sicherstellungsmengen am gesamten Umsatz — ich will es einmal so nennen — ist. Ich glaube, daß die von Ihnen angegebene Prozentzahl
— vom Bundeskriminalamt ist diese Zahl immer wieder genannt worden, aber auch andere Zahlen —
entschieden zu niedrig veranschlagt ist.
Auch der von Ihnen genannte zweite Punkt wird unter den Fachleuten außerordentlich kontrovers dis-
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Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 231. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Oktober 1990 18373
Staatsminister Schlee
kutiert. Eines ist natürlich richtig: daß die Aufklärung über die unmittelbaren Wirkungen weiter verbessert werden muß, um wenigstens einen Teil der Todesfälle zu vermeiden. Daß es hier nach wie vor noch eine Menge zu tun gibt, ist sicherlich unbestritten. Sie wissen, daß die Fachleute dazu eine ganze Reihe von Vorschlägen erarbeitet haben.
Nach einer Kurzintervention können Sie nicht noch eine Frage stellen. Das würde den Rahmen sprengen und das Thema zu sehr ausweiten.
Dann hat sich Frau Dr. Fischer zu einer Zusatzfrage gemeldet.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Frau Präsidentin, ich wäre dankbar, wenn ich zunächst einmal das eine oder andere im Zusammenhang darstellen könnte. Ich bin gerne bereit, anschließend die Fragen zu beantworten.
Ich möchte die Dimension dieses Problems deutlich machen, die durch die Frage des Kollegen Emmerlich angedeutet worden ist. Weltweit wird der Umsatz im Rauschgifthandel inzwischen auf mehr als 800 Milliarden DM geschätzt. Diese Zahl macht aber nicht deutlich, welches menschliche Leid hinter all dem steckt, was das für Familien bedeutet, die innerhalb von wenigen Wochen auseinandergesprengt werden.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich spreche hier im Namen aller Innenminister der Länder, wenn ich sage: Wir sind ob dieser Entwicklung tief besorgt, und wir sind der Meinung, daß ganz rasch etwas geschehen muß. Wir müssen und wollen dieser Entwicklung Einhalt gebieten. Dazu brauchen wir angemessene strafrechtliche Sanktionen und eine gesetzliche Regelung und Präzisierung der notwendigen polizeilichen Ermittlungsmaßnahmen.
Die organisierte Kriminalität geht inzwischen weit über den Kernbereich der Rauschgiftkriminalität hinaus. Die Sozialschädlichkeit auch anderer Formen der organisierten Kriminalität liegt auf der Hand. Denken Sie nur an ältere Menschen oder Kinder in dieser Gesellschaft. Wir brauchen dringend die Einführung einer Vermögensstrafe, um den kriminellen Organisationen die finanzielle Basis zu entziehen. Wir brauchen eine Regelung des erweiterten Verfalls von Vermögensgegenständen. Hier muß eine Lücke der strafrechtlichen Gewinnabschöpfung geschlossen werden. Wir brauchen Kontrollmöglichkeiten, um die Einschleusung illegal erzielter Gewinne in den legalen Finanz- und Wirtschaftskreislauf zu verhindern. Wir brauchen den Straftatbestand der Geldwäsche. Das ist unverzichtbar. Warum soll das bei uns nicht möglich sein, nachdem die Schweiz all diese Regelungen vor wenigen Wochen getroffen hat?
Aber all diese Strafverschärfungen nützen nichts,
wenn wir nicht die gesetzlichen Möglichkeiten erhalten, die kriminellen Strukturen in ihrem Zentrum zu zerschlagen.
Hier genügt es natürlich nicht, mit Ermittlungen nur bei Einzeltaten anzusetzen. Hier müssen wir an die Gruppen, an die Organisationen, an die Banden herangehen. Die inneren Strukturen dieser kriminellen Organisationen müssen bekämpft, müssen gesprengt werden, wenn wir mittel- und langfristig Erfolg haben wollen.
Dazu sind verdeckte Ermittlungen dringend notwendig. Diese verdeckten Ermittlungen sind ja nicht neu. Mit diesem Gesetzentwurf — ich will mit großem Ernst darauf hinweisen — wird ja nur etwas geregelt, was die Rechtsprechung bereits abgesegnet hat. Wir treffen mit diesem Gesetzentwurf sicherlich klarere datenschutzrechtliche Regelungen. Nicht zuletzt deshalb haben alle — ich betone es noch einmal: alle — Bundesländer zugestimmt. Ich frage die Kritiker: Wie soll die Polizei denn an einen Rauschgifthändlerring herankommen, wenn nicht durch verdeckte Ermittler? Sie werden keinen Kriminellen der mittleren oder oberen Führungsebene je mit einem Gramm Rauschgift antreffen. Durch konventionelle Aufklärung fängt die Polizei mit Glück die „kleinen Fische", die Straßenhändler, die zum Teil selbst süchtig sind.
Nur durch den Einsatz der verdeckten Ermittler kann es uns gelingen, an die Hintermänner und an die Drahtzieher heranzukommen.
Dazu ist notwendig, daß wir Verdächtige über längere Zeit beobachten, daß wir sie auch im Bilde festhalten. Dazu ist auch eine akustische Überwachung notwendig, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Den Kollegen der SPD-Fraktion darf ich nur noch einmal sagen, daß die Innenminister aller SPD-regierten Länder diesen Regelungen zugestimmt haben.
Die professionelle, nach außen hin völlig abgeschottete Steuerung krimineller Organisationen ist in aller Re el nicht ohne langwierige komplexe Ermittlungen aufzudecken. Das sind halt diese Strukturen. Die Mauer aus Konspiration und Abschottung ist anders überhaupt nicht zu überwinden.
Das ist doch inzwischen, glaube ich, Allgemeingut. Dem hochspezialisierten Verbrecher, meine sehr verehrten Damen und Herren, müssen wir den erfahrenen hochspezialisierten Ermittler entgegensetzen,
18374 Deutscher Bundestag — 11.Wahlperiode — 231. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Oktober 1990
Staatsminister Schlee
der — ich sage das mit großem Ernst — auf einer gesicherten rechtlichen Basis sein Geschäft betreiben kann. Wir können nicht so tun, als ob wir all die Dinge den kleinen Polizeibeamten in die Schuhe schieben könnten. Sie erwarten von uns — und das können sie mit Recht erwarten — , daß sie ein gesichertes rechtliches Instrumentarium an die Hand bekommen, gerade wenn Sie daran denken, was dieses kriminelle Handeln im Rauschgiftbereich für Kinder bedeutet.
Ich sage noch einmal: Alle Bundesländer haben diesem Gesetzentwurf zugestimmt. Es gibt also auf der Länderebene einen breiten Kosens.
Die Tatsache, daß Sie diesen Gesetzentwurf heute auf die Tagesordnung gesetzt haben, macht deutlich, daß Sie wohl die Absicht haben — weil Sie das Problem für so bedeutend halten —, unmittelbar nach Zusammentreten des neuen Bundestages sich dieser Problematik wieder anzunehmen.
Die Jugendlichen und die Kinder in dieser Gesellschaft, die von dieser Rauschgiftkriminalität betroffen sind, haben, meine ich, ein Anrecht darauf, daß wir uns nachhaltigst um diese Probleme kümmern.
Darum wollte ich werben, und ich wollte an dieser Stelle die Positionen der Länder deutlich machen, meine sehr verehrten Damen und Herren.
— Ich bin selbstverständlich gerne bereit, Ihre Fragen zu beantworten.
Obwohl Sie Ihre Redezeit inzwischen überschritten haben. Aber selbstverständlich ist das interessant, was jetzt an Fragestellungen kommen wird. Herr Such, Sie hatten sich zuerst gemeldet.
Bezüglich der sichergestellten Mengen von Rauschgiften, Heroin: Ist Ihnen bekannt, daß eine nicht unwesentliche Menge, die das Bundeskriminalamt auf diesem Gebiet sichergestellt hat, nur dadurch sichergestellt werden konnte, weil entsprechende Verbindungsbeamte des Bundeskriminalamtes dafür gesorgt haben, daß diese Mengen hier ankamen, die ansonsten hier auf dem illegalen Markt gar nicht erschienen wären, und insofern die Zahlen geschönt sind.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Lieber Herr Kollege, wenn Sie in dem Punkt kein anderes
Problem haben, dann muß ich wirklich fragen, wo Sie leben. Das ist meine Antwort auf das, was Sie gesagt haben.
Nein, Herr Kollege, wir haben noch zwei Meldungen zu Zwischenfragen, und wir veranstalten hier keine Zwiegespräche. Es ist schon ungewöhnlich, daß ich die Fragen überhaupt noch zulasse.
Frau Dr. Fischer hatte sich noch zu einer Zwischenfrage gemeldet.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Staatssekretär, ich bin Kinderarzt. Sie werden natürlich verstehen — ich stamme aus der ehemaligen DDR —, daß mir das Problem sehr am Herzen liegt, besonders weil unsere Kinder und Jugendlichen diese Problematik relativ unvermittelt und sehr naiv trifft. Ich habe da sehr große Bedenken.
Ich frage Sie deshalb: Wo sehen Sie aus psychologischer Sicht, aus sozialer Sicht und aus gesellschaftlicher Sicht die tieferen Ursachen für die Problematik? Diese Frage ist wichtig; denn ich glaube nicht, daß man mit einem Gesetz, das solch drastische Maßnahmen vorsieht, sehr Entscheidendes erreicht; das ist international erwiesen.
Danke.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident, ich möchte die Frage folgendermaßen beantworten: Ich habe hier zu einem Gesetzentwurf des Bundesrates gesprochen, der sich mit Rauschgiftkriminalität und anderen Formen der organisierten Kriminalität beschäftigt. Darauf näher einzugehen, würde den Rahmen dieser Ausführungen sprengen. Natürlich gibt es eine Vielzahl von Gründen, über die wir seit vielen Jahren in diesem Lande miteinander diskutieren. Es gibt Gründe in all den Bereichen, die Sie angesprochen haben. Aber ich kann sie beim besten Willen jetzt nicht alle aufzählen. Es tut mir leid, Frau Kollegin; aber ich kann Ihnen gerne privatissime und gratis dazu etwas sagen.
Herr Abgeordneter Osswald, bitte schön.
Herr Minister Schlee, Sie haben hier die Schweiz als Vorbild dargestellt. Können Sie über die Ergebnisse berichten, wie in der Schweiz, nachdem diese Vorbildfunktion wahrgenommen worden ist, der Drogenkonsum zurückgegangen ist?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege, die Schweiz hat das Transparentmachen der Geldströme und die Strafe für Geldwäsche, glaube ich, vor etwa drei Wochen eingeführt. Ergebnisse gibt es natürlich bisher noch nicht.
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Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 231. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Oktober 1990 18375
Staatsminister Schlee
Ich bedanke mich.
Das Wort hat der Abgeordnete Singer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn wir uns heute in erster Lesung mit dem Gesetzentwurf des Bundesrates zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität beschäftigen, dann müßte jeden von uns eigentlich eine tiefe Frustration erfassen. Dieser Entwurf wird keinen Ausschuß mehr erreichen, weil kein Ausschuß mehr tagt. Eine zweite oder dritte Lesung des Gesetzentwurfs wird es ebenfalls nicht geben; der Zeitplan des Deutschen Bundestages sieht das nicht mehr vor. Der Entwurf wird der sogenannten Diskontinuität zum Opfer fallen. Das heißt, ernsthafte Gesetzesberatungen kann es erst nach der Bundestagswahl, also in der kommenden Legislaturperiode, geben.Die deutsche Öffentlichkeit wird vor Mitte des kommenden Jahres nicht mit neuen klareren und wirksameren Regelungen zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität, insbesondere im Rauschgifthandel, rechnen können. Ich halte das für einen Skandal.Noch im Frühsommer dieses Jahres hat der Bundeskanzler mit großem Getöse und entsprechender Medienresonanz den nationalen Rauschgiftbekämpfungsplan von dieser Stelle aus vorgestellt. Der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesinnenministerium, Carl-Dieter Spranger, hat vor etwa einem Monat vor der Polizeiführungsakademie in Hiltrup mit Recht darauf hingewiesen, daß sich die Rauschgiftsituation dramatisch zuspitzt, wir in diesem Jahr mit wahrscheinlich über 1 400 Drogentoten rechnen müssen und die Sicherstellungsmengen nicht mehr in Kilogramm, sondern in Tonnen gerechnet werden.Das Gebiet der neuen Bundesländer wird von mafiaähnlichen Dealerorganisationen regelrecht aufgeteilt und zugewiesen. Der Gesetzentwurf spricht in der Begründung davon, daß Fachleute den jährlichen Umsatz, der in der Bundesrepublik mit Rauschgifthandel erzielt wird, auf 2 bis 4 Milliarden DM schätzen.Drogenabhängigkeit und Drogenkriminalität sind Gefahren, denen sich die staatliche und internationale Politik eigentlich dringend stellen müßte.Der Bremer Justizsenator — der überigens diesen Gesetzentwurf ebenso wie die Regierung des Landes Berlin abgelehnt hat, Herr Minister Schlee — spricht von einer Art sozialen Klimakatastrophe, die, wenn überhaupt, nur durch ein Maßnahmenbündel von Prävention, Hilfe und Repression zu bewältigen ist.
Hierüber herrscht zwischen den Parteien in Bund und Ländern im wesentlichen auch Einigkeit. Es wird ja nicht bestritten, daß die Nachfrage nach Drogen durch verbesserte Aufklärung und Prävention vermindert werden muß, daß vorhandene Hilfsangebote auszubauen und zu verbessern sind, daß neue geeignete Ansätze gefördert werden müssen, daß der Grundsatz „Hilfe statt Strafe" bei Drogenabhängigenin den Vordergrund zu stellen ist, daß aber auch der illegale Drogenhandel verstärkt bekämpft werden muß.Wenn es jedoch um die Umsetzung aller dieser vollmundigen Absichtserklärungen geht, dann verkrümeln sich die Vertreter der Koalitionsfraktionen in die Sträucher und beschließen Vertagungen im Rechtsausschuß. — Ja, Herr Fellner, so ist das; da brauchen Sie mich gar nicht so fromm und erstaunt anzusehen. Im Rechtsausschuß hatten wir zahlreiche Gesetzentwürfe von der Bundesregierung, von der SPD zur Geldwäsche und zur Abschöpfung von illegalen Drogengewinnen. Wir hatten die Berichte der Bundesregierung zur Entwicklung der Rechtsprechung in Rauschgiftstrafsachen. Wir hatten etwa acht Untertagesordnungspunkte. Was haben wir dort erlebt? — FDP und CDU konnten sich nicht einigen, und zwar im Hinblick auf den jetzt vorliegenden Entwurf, der in den parlamentarischen Beratungen ohnehin keine Rolle mehr spielen wird; sie beschlossen gemeinsam die Vertagung.
Sie von den Koalitionsfraktionen waren nicht einmal in der Lage, Teilbereiche, wie die Geldwäsche, die Gewinnabschöpfung bei Großdealern oder das in der Sache unter uns völlig unstrittige Zeugnisverweigerungsrecht für Suchtberater, zu beschließen. Nicht einmal das haben Sie zuwegegebracht, obwohl wir uns da einig waren.
In der Rechtsausschußsitzung am 10. Oktober 1990 ist eine Beerdigung erster Klasse vorgenommen worden: FDP und CDU/CSU blockieren sich gegenseitig, anstatt gegen die Drogenkriminalität massiv und energisch vorzugehen.
Sie verabreichen der deutschen Öffentlichkeit die Drogen der Versprechungen, der Ankündigungen und Absichtserklärungen.Ich habe durchaus Verständnis dafür, daß einige der Kollegen von der FDP bei diesem Gesetzentwurf angesichts einer ganzen Reihe von Kröten, die im Gesetzentwurf des Bundesrates stehen und auf die ich im einzelnen eingehen werde und die auch von meinen Parteifreunden in den Länderregierungen — mit Ausnahme von Bremen und Berlin — nur mit Bauchschmerzen akzeptiert werden konnten, Bedenken haben. Das ist völlig klar. Ich halte es z. B. für völlig inakzeptabel, daß der Gesetzentwurf gewaltige Strafvorschriften und die Zulässigkeit besonderer Ermittlungsmethoden an völlig schwammige Begriffe wie „gewohnheitsmäßig", „gewerbsmäßig" , „Straftaten von erheblichem Gewicht" und dergleichen knüpft, obwohl uns in der Sachverständigenanhörung vor dem Rechtsausschuß von den Justizpraktikern eindeutig gesagt worden ist, daß die Strafrahmen des BTMG zur Bekämpfung der Drogenkriminalität völlig ausreichten. Das ist also gar nicht das Problem.Meine Stimme wird kein Gesetzentwurf bekommen, der den Einsatz von nachrichtendienstlichen18376 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 231. Sitzung. Bonn, Donnerstau, den 25. Oktober 1990SingerMitteln wie Wanzen, Peilsender und ähnliches bei Unverdächtigen, nämlich bei Kontaktpersonen von Verdächtigen, zuläßt, wobei diese Kontaktpersonen, die Unverdächtigen, noch nicht einmal davon erfahren werden, daß sie solchen nachrichtendienstlichen Mitteln ausgesetzt worden sind; denn eine Benachrichtigung sieht der Gesetzentwurf erst vor, wenn ohne Gefährdung des verdeckten Ermittlers oder des Ermittlungsverfahrens unterrichtet werden kann. Der verdeckte Ermittler kann aber theoretisch jahrelang tätig sein, so daß erst sein Ausscheiden aus dem Dienst die Unterrichtung zuläßt. Das heißt, ein wichtiger Bereich der Privatsphäre, die Wohnung, kann ohne richterliche, ohne justitielle Kontrolle über einen langen Zeitraum durchschnüffelt und überwacht werden, ohne daß der Betroffene überhaupt etwas davon erfährt.Die Mißachtung der Privatsphäre war immer ein Kennzeichen totalitärer Staaten. Nazis und Kommunisten haben sich nur mit den Mitteln der Bespitzelung, der Schnüffelei, der Einschüchterung und des Mißbrauchs von Polizei und Justiz an der Macht halten können. Das heißt, jede Revision unseres Strafrechts und unseres Strafverfahrensrechts muß sich einem strengen rechtsstaatlichen Anforderungsprofil unterwerfen.
Ich habe bereits vor einigen Wochen von dieser Stelle aus meine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die von der Bundesregierung und jetzt auch vom Bundesrat vorgeschlagene Einführung einer Vermögensstrafe vorgetragen. Ich habe dargelegt, daß die Vermögensstrafe gegen das Schuldprinzip und gegen Art. 14 GG verstößt und daß sie nach den Ausführungen der Sachverständigen mit hoher Wahrscheinlichkeit im europäischen Raum nicht rechtshilfefähig ist, deshalb also nichts bringt. Im OrgKG steht sie aber wieder drin. Die Sachverständigen haben gesagt: Laßt das sein; überlegt euch das mit der Gewinnabschöpfung lieber so, wie das die SPD in ihrem Gesetzentwurf vorgeschlagen hat.Ich habe weiter geltend gemacht, daß ich von den verdeckten Ermittlern nichts halte. Denn auch dort haben uns die Sachverständigen erklärt — interessanterweise der Präsident des bayerischen Landeskriminalamtes, ein Herr, der uns politisch bestimmt nicht nahesteht — , daß die verdeckten Ermittler nur dann sinnvoll sind und etwas bringen, wenn man ihnen erlaubt, sich an Straftaten der Banden zu beteiligen, in die sie eingeschleust werden.
Das kommt doch für uns unter keinen Umständen in Frage. Wir wollen den Fall des Agenten Haupt aus Duisburg nicht noch einmal haben, wir wollen das Celler Loch nicht noch einmal haben.
Polizeibeamte, die sich an Straftaten beteiligen sollen, sind ja wohl völlig undenkbar. Ein solcher Gesetzentwurf der das im übrigen nicht vorsieht — das muß ich Herrn Schlee schon einräumen —, der aber den Einsatz der verdeckten Ermittler erst unter diesen Umständen sinnvoll machen würde, wie uns von Polizeiseite erklärt wird, ist völlig unmöglich.
Auf das nächste Argument ist bereits hingewiesen worden. Verdeckte Ermittler, wie Sie sie haben wollen, meine Damen und Herren von der konservativen Seite, gibt es in den USA seit geraumer Zeit. Der Erfolg der Amerikaner bei der Bekämpfung der Rauschgiftkriminalität ist gleich Null; auch das habe ich am 20. Juni hier dargestellt. Die Amerikaner beschäftigen 6 000 Beamte bei der Drug Enforcement Agency, bei der DEA; erreicht haben sie so gut wie nichts. Ich habe das Beispiel gebracht, daß der Bürgermeister von Chicago sogar erwogen hat, eine Ausgehsperre für Jugendliche abends ab 22 Uhr anzuordnen, um auf diese Weise das Dealen und das Konsumieren auf den Straßen der Großstädte in den USA zu unterbinden — eine Vorstellung, bei der man sich nur an den Kopf fassen kann.Ich meine also, daß gegen den OrgKG-Entwurf eine Reihe von Bedenken besteht.
— Nein. Ich führe die Bedenken aus, und insofern kann ich verstehen, daß die FDP da nicht mitmachen will.
Ermittlungen bei Nichtverdächtigen können nicht unsere Billigung finden. Auch halte ich den Trend der vergangenen Jahre, das Ermittlungsverfahren immer mehr in die Hände der Polizei zu verlagern und den Richtervorbehalt wegfallen zu lassen, für höchst bedenklich. An verschiedenen Stellen des Entwurfs sehen Sie nämlich vor, daß Zwangsmaßnahmen strafprozessualer Art demnächst möglich sind, ohne den Richter zu fragen, und daß darüber allein von der Polizei entschieden werden kann. Das Ermittlungsverfahren ginge nicht nur im Bereich der Schwerkriminalität, sondern bis hinunter in den Bereich der mittleren Kriminalität mehr und mehr in die Hände der Polizei über.
Auch dies kann unsere Billigung in keinem Fall finden.
Sinnvoller wäre es, Strafverfolgungsressourcen vom Konsumenten von Drogen und vom Kleindealer zum Großdealer umzuleiten. Dann muß man sich mit uns allerdings darüber unterhalten, ob man das Oportunitätsprinzip unseres Strafprozeßrechts ausdehnt, wie das die Holländer seit langem machen, und hier der Polizei und der Staatsanwaltschaft bessere, flexiblere Möglichkeiten an die Hand gibt und sie nicht jedem kleinen Fixer und Hascher hinterherhetzt, wie das im Augenblick noch ist.
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Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 231. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Oktober 1990 18377
SingerZusammenfassend: Ich teile sehr viele Bedenken der FDP und anderer gegen den Entwurf des OrgKG, wie er uns vorliegt.Aber das alles hätte uns doch, Herr Hörster, nicht davon abhalten dürfen, die Teile des Gesetzentwurfs, die unstrittig sind — die Geldwäsche, die Gewinnabschöpfung, das Zeugnisverweigerungsrecht für die Suchtberater — hier im Deutschen Bundestag doch abschließend zu behandeln und zu beschließen. Wie wollen Sie denn der deutschen Öffentlichkeit auch in den vor uns liegenden Wochen klarmachen, daß man ein Problem zwar erkannt und sehr dramatisch dargestellt hat, aber in dieser Legislaturperiode nichts, aber auch gar nichts zur Lösung des Problems Drogenkriminalität unternimmt? Sie treten vor Ihre Wähler doch mit leeren Händen. Wir als SPD können immerhin sagen, daß wir Gesetzentwürfe eingebracht haben, daß sie anberaten worden sind, aber wir es den Damen und Herren von CDU und FDP verdanken, daß man sie schlicht und einfach vertagt hat. Wenn die in Gelddingen doch besonders konservative und pingelige Schweiz den Straftatbestand der Geldwäsche einführt, wenn die Bundesrepublik neben Luxemburg jetzt das einzige europäische Land ist, das glaubt, ohne einen solchen Straftatbestand auskommen zu können, dann muß Ihnen das doch zu denken geben. Es ist für den Gesetzgeber doch eine Bankrotterklärung, wenn er hier nichts Gescheites hinbekommen hat.Das OrgKG wird, wie gesagt, der Diskontinuität unterfallen. Man sollte diesen Entwurf gar nicht erst neu einbringen. Man sollte sich zusammensetzen und ein völlig neues Konzept erarbeiten. Man sollte den Gesetzentwurf auf die Drogenkriminalität beschränken und nicht versuchen, die Reichweite auszudehnen und alles mögliche andere, was mit diesem Problem gar nichts unmittelbar zu tun hat, mit hineinzupfuschen, wie man im Rheinland sagt. Also ziehen Sie den Entwurf zurück!
Bremen und Berlin haben dagegen gestimmt. Ich gehe davon aus, daß sich die Länder neu zusammenraufen müssen. Wie gesagt, es war ja wohl auch ein Kompromiß, Herr Schlee, in der Länderkammer. Daß viele Dinge auch bei sozialdemokratischen Ländern, auch beim Innenminister des Landes, aus dem ich komme, keineswegs auf begeisterte Zustimmung gestoßen sind, weiß ich. Aber wir können zu einer rechtsstaatlich unbedenklichen Lösung, die gleichzeitig die wenigen zusätzlichen repressiven Mittel beinhaltet, kommen, ohne daß wir uns deshalb vor der Verfassung zu schämen brauchen.Vielen Dank.
Das Wort hat der Abgeordnete Kleinert.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Wir kennen doch den Sachverhalt. Es gibt hier niemanden, der bestreitet, daß wir es hier mit einem ganz ungewöhnlichen Problem zu tun haben, daß keiner will, daß der
Drogenmißbrauch immer weiter um sich greift, daß keiner will, daß immer größere Kreise von Jugendlichen, schließlich auch noch Kindern, hier in Versuchung geführt werden. Und wir wissen, was für eine Gemeinheit das ist, damit Geld zu verdienen, daß man mit allen möglichen Tricks, die immer raffinierter werden, Leute erst einmal an etwas gewöhnt, um dann hinterher davon leben zu können, wohl wissend, daß die angesprochenen Personenkreise nur durch kriminelle Handlungen in die Lage kommen können, die geforderten Preise zu zahlen. Dieser Sachverhalt ist bekannt.
Sie haben einige der Schwierigkeiten liebenswürdigerweise aufgezeigt, Herr Singer. Daß wir uns so schwertun, hier zu einem Ergebnis zu kommen, das allseits begrüßt wird, liegt daran, daß es so unglaublich kompliziert ist, und nicht daran, daß die böse Koalition die Sache vielleicht verschleppen möchte oder so.
Herr Singer, Sie haben eingangs gesagt, die Koalition kommt mit nichts über. Das Interessante ist: Wenn man Ihnen weiter zugehört hat, konnte man feststellen, daß Sie an nichts, was vorgeschlagen ist, auch nur ein gutes Haar gelassen haben. Wenn Sie auf die Weise an die Sache herangehen — —
Herr Kleinert, lassen Sie eine Zwischenfrage zu?
Ja, wenn ich diesen Satz zu Ende gesprochen haben werde, was bei mir gelegentlich etwas länger dauert, weil ich durchaus voller Hoffnung dem Ende dieses Satzes entgegensehe, obwohl ich zwischendurch Herrn Singer noch sagen möchte — —
Ich bemühe mich weiter: Lassen Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Such zu?
Ich lasse sie zu, wenn ich diesen Satz zu Ende gebracht habe.
Herr Singer, ich möchte nur auf einen kleinen Widerspruch hinweisen. Ich schätze Ihre intellektuelle Redlichkeit. Ich weiß, Sie sehen es dann selber ein. Jetzt kommen nur noch kurze Sätze, die Hoffnung beginnt also.
Ich sehe, daß Sie auch zugeben werden, daß wir uns große Mühe geben, und daß Sie sich selbst schwertun, zu sagen, wozu Sie nun eigentlich zustimmen wollen. Herr Fellner hat Sie zu Recht gefragt, was Sie denn gegen die Ansicht Ihres Parteifreundes Schnoor haben. Herr Schnoor gehört zu denen, die Herr Schlee hier genannt hat, die in der Innenministerkonferenz zugestimmt haben, ganz einmütig.
Ich zweifele daran, daß das immer noch der gleiche Satz ist.
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18378 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 231. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Oktober 1990
Das ist nunmehr richtig, Herr Präsident.
Herr Kollege Kleinert, ich möchte noch einmal auf die armen verführten Kinder zu sprechen kommen, die Sie eben genannt haben. Ist Ihnen bekannt, daß das Einstiegsalter für illegale Drogen jenseits von 17, 18 Jahren liegt, bei harten Drogen noch höher, daß aber bei denjenigen, die mit 17, 18 mit Cannabis anfangen und dann später auch heroinsüchtig geworden sind, mit 13 oder in noch früheren Lebensjahren Tabak die Einstiegsdroge war?
Ich habe längere Zeit geraucht, wie ältere Mitglieder des Hauses wissen, und tue es heute gelegentlich noch. Ich habe in mir aber nie irgendein Verlangen nach den von Ihnen erwähnten Drogen feststellen können, obwohl ich wirklich einen ganz ordentlichen Zigarrenkonsum hatte.
Ich glaube auch, wir machen hier einen Fehler. Ich glaube, Ihre Frage geht in die Richtung, die wir überhaupt nicht gebrauchen können, nämlich sich noch nicht einmal über die Problemstellung einig zu werden und anzuerkennen, daß hier ein sehr gravierendes Problem liegt. Wenn Sie hier mit einer solchen Zwischenfrage kommen, sind doch leise Zweifel angebracht, ob Sie der Meinung sind, daß wir uns überhaupt zu Recht Gedanken machen, ob man Drogenmißbrauch und Handel mit Drogen bekämpfen soll. Der Meinung sind wir allerdings in allen großen Fraktionen des Hauses. Das kann man doch wohl feststellen.
Ich möchte nur auf einige Punkte eingehen; wir haben das Thema ja schon öfter besprochen. Übrigens haben wir es zu Zeiten der sozialliberalen Koalition auch des öfteren besprochen. Wir haben Strafverschärfungen durchgeführt. Wir haben schon mit früheren Reformen zu erreichen versucht, daß Behandlung vor Strafe geht. Wir haben versucht, Ermittlungsmethoden zu verbessern. Wir haben also einiges getan.
Es hat nicht genügt. Aber bevor Sie uns nun oppositionsgerecht nachhaltig nur vorführen und beschimpfen wollen, hätten wir es gern etwas konkreter. Unsere Sorgen liegen in der Abwägung zwischen dem, was hier an zusätzlichen und möglichst wirkungsvollen Maßnahmen für Gerichte, für Staatsanwaltschaften und für Polizei — übrigens präzise in dieser Reihenfolge, damit ich hier nicht mißverstanden werde — vorgesehen werden muß, und dem, was die Rechte des Bürgers erfordern.
Das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung ist durch Art. 13 sichergestellt.
Wir sind nicht bereit, es bei dieser Gelegenheit jeder Versuchung, etwas festzustellen, was dort vielleicht vor sicht geht, zu opfern.
In Grenzfällen mag man dies vielleicht tun. Auch darüber gibt es in unserer Fraktion keine abschließende Meinung, weil es so kompliziert ist. Aber wenn überhaupt an eine solche Maßnahme gedacht wird, dann bitte auf einem Weg, der die jeweils höchstmögliche Verantwortlichkeit der Entscheidungsträger feststellt. Ich möchte nicht, daß dann Minister hinterher von Hut-Nehmen reden, sondern daß sie wissen, daß am Hut der Kopf befestigt ist oder umgekehrt, wie auch immer, und daß dann der Betreffende wirklich geht und nicht nur dauernd von seinem Hut etwas erzählt. Deshalb soll die Verantwortlichkeit der Minister haben. Ich möchte auch nicht, daß der einzelne Amtsrichter entscheidet, der in die Strafanstalt ausgesondert worden ist, um dort seriell Haftbefehle und Abhörgenehmigungen zu unterschreiben, sondern ich möchte, daß auch einmal ein Kollegialgericht entscheidet, weil das bessere Chancen für mehr Verantwortlichkeit, gründlichere Beratung und auch dafür eröffnet, daß Ausnahmen, die wir ja notfalls wohl gestatten müssen, wirklich Ausnahmen bleiben.
Das bayerische Polizeiaufgabengesetz ist uns bei pfleglicher weiterer Diskussion des Themas keine gute Hilfe.
Die Vorlage dieses Entwurfs halte ich dagegen trotz der Diskontinuität durchaus für eine Hilfe. Es ist allerdings sorgfältig zusammengeschrieben worden, was von dieser und jener Seite des Hauses schon längst vorgeschlagen und vorgetragen worden ist. Wir haben dann einen etwas übersichtlicheren Leitfaden für unsere weiteren Gespräche.
Aber wir werden uns weiterhin ganz große Mühe geben mit der Abwägung zwischen den rechtsstaatlichen Ansprüchen jedes Individuums und dem berechtigten Verlangen der Strafverfolgungsbehörden, in ihrem Kampf nicht alleingelassen zu werden.
Man kann doch nicht sagen: Verdeckte Ermittler — das ist nach geltendem Recht doch alles möglich. Ich möchte einmal wissen, was das für ein Recht ist, das da nicht geschrieben ist. Es ist alles möglich? Und wenn man es regelt, geht vielleicht einiges andere nicht mehr, das ebenfalls nicht geregelt ist?
Herr Abgeordneter Kleinert!
Da bin ich der Meinung, daß man den ermittelnden Polizeibeamten eine starke und saubere gesetzliche Lösung an die Hand geben und höherstehende, wenn man so sagen will, wie es in Beamtenkreisen heißt: besser besoldete Spitzenleute in die Verantwortung des einfachen Polizeibeamten in den wenigen Ausnahmefällen einbinden muß.
Herr Kleinert, zwischendurch gestatten Sie noch eine Zwischenfrage?
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Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 231. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Oktober 1990 18379
Das halten wir für fair und notwendig.
Herr Emmerlich, es ist nicht möglich.
Wenn Herr Emmerlich jetzt etwas fragen möchte, bin ich davon sehr angetan; denn sonst würde ich hier sowieso weggeschickt.
Herr Abgeordneter Kleinert, Sie gestatten also eine Zwischenfrage. Herr Abgeordneter Emmerlich, es ist sehr schwer, in den Redefluß des Abgeordneten Kleinert überhaupt hineinzukommen. Wenn er einen Satz erkennbar beendet hat, beginnt schon der nächste. — Bitte schön.
Herr Präsident, die Redegewalt und die Eloquenz des verehrten Herrn Kleinert sind ja allgemein bekannt.
Lieber Herr Kleinert, nachdem Sie für mich sehr allgemeingehaltene Ausführungen zu diesem Gesetzentwurf gemacht haben,
möchte ich Sie etwas ganz Konkretes fragen. Teilen Sie die Auffassung des Kollegen Hirsch, daß wir, wenn dieser Gesetzentwurf Wirklichkeit würde, in einem anderen Staat leben würden, und sind Sie mit dem Kollegen Hirsch der Auffassung, daß dieses Gesetz nur über Ihre Leiche — so hat Herr Hirsch sich, auf seine Person bezogen, ausgedrückt — Wirklichkeit werden könne?
Lieber Herr Emmerlich, in Anbetracht der Tatsache, daß ich nur ein Leben habe, würde ich mit meiner Leiche nicht so leichtfertig argumentieren.
Es hat hier sehr wenige Vorlagen gegeben — wenn, dann sehr einfache und neue — , die später unverändert im Bundesgesetzblatt angekommen sind. Deshalb glaube ich auch, daß wir Mittel und Wege finden werden, uns die Leiche von Herrn Hirsch zu ersparen.
Ich bedanke mich sehr herzlich.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Such.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Hirsch, es ist schade, daß Sie hier heute nicht sprechen. Sie werden sicherlich Ihre Gründe dafür haben, daß Sie Herrn Kleinert vorgeschickt haben, daß er hier heute diesen unsachlichen Beitrag gehalten hat.Am 2. Januar 1976, kurz nach Mitternacht, brachen Verfassungsschutzermittler heimlich in die Wohnung des Atommanagers Traube ein und installierten Wanzen und fotografierten dessen Adreßbuch sowie andere vertrauliche Unterlagen. Was damals bei Bekanntwerden zum Sturz des verantwortlichen FDPMinisters Maihofer führte und als Skandal in „über-verfassungsgesetzlichen Notstand" bezeichnet wurde, soll nach dem Votum der Altparteien künftig legal möglich sein. Nicht nur die Union, sondern auch alle von FDP und SPD geführten Bundesländer außer Bremen wollen die Vergangenheit der DDR zur Zukunft der Bundesrepublik machen. Wahngeburten polizeistaatlichen Denkens sollen auch hier zur Alltagspraxis der Strafverfolgung werden.Wenn die Union diese von ihr beantragte neuerliche Wahlkampfdebatte dazu nutzen will, um in Richtung der Stammtische eine FDP anzuprangern, die sich mit kalkulierter Verspätung zögerlich gibt, dann erinnert dies die Öffentlichkeit zu Recht an die noch weitergehenden Forderungen der CDU, z. B. nach einem Verbrechensfreibrief für verdeckte Polizeiagenten. Davon haben wir eben schon etwas gehört. Das wird der nächste Schritt sein.Allerdings zielt der inszenierte Theaterdonner ins Leere, denn die FDP hat ihre Rolle doch recht gut gespielt. Erster Akt: Herr Engelhard präsentiert den Kern des Regelungspakets unter anderer Überschrift nicht nur einmal, sondern sogar in zwei Auflagen. Ihre Entschuldigung — Herr Hirsch, Sie sprachen von „geistiger Umnachtung" des Justizministers — zielt also nicht.
Zweiter Akt: Auch die FDP Hamburg stimmt dem OrgKG zu.Dritter Akt: feinsinniges Zwischenspiel, vorübergehender Knatsch der Hauptdarsteller mit einem Hauch von Tragik, Herr Hirsch droht mit seiner Leiche, Freitodgefahr ist angesagt.Nach kurzer Pause drohendes Finale im nächsten Jahr mit erfolgreicher Versöhnung und klassischer Einigung. Happyend? Wie kürzlich bei Datenschutz-und Nachrichtendienstgesetzen, Herr Kleinert, wenn Sie davon sprechen, daß man das Gesetz ja letztlich so nicht verabschieden werde?
Das ist für die Bürger und Bürgerinnen dieses Landes sicherlich kein Trost, denn diese würden durch das OrgKG pauschal unter staatlichen Verdachts-und Mißtrauensvorbehalt gestellt. Entgegen seinem Etikettenschwindeltitel richtet sich das Gesetz keineswegs nur an Mafiosi und Drogenhändler. Wie man denen beikommt, nämlich durch Austrocknung ihrer derzeitigen Verdienstquellen, Entkriminalisierung der Drogenkonsumenten und effektive soziale Hilfsangebote, hat meine Fraktion in entsprechenden Anträgen bereits aufgezeigt.Nein, die gravierenden neuen Eingriffsbefugnisse dieses Entwurfs setzen bereits beim konturenlosen Verdacht auf „Straftaten von erheblicher Bedeutung" an — dabei könnte es sich beispielsweise um einen Serienfahrraddieb handeln — und zielen damit bis in die Kleinkriminalität. Wanzen, Peilsender, Richtmikrophone usw. sollen auch gegen Unverdächtige ein-
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18380 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 231. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Oktober 1990
Suchgesetzt werden, wenn nur geargwöhnt wird, daß diese „mit dem Täter in Verbindung stehen oder eine solche Verbindung hergestellt wird".
Herr Abgeordneter Such, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Kleinert?
Sehr gern. Vizepräsident Stücklen: Bitte sehr.
Herr Kollege, ist Ihnen schon aufgefallen, daß Sie diese Seite schon einmal vorgelesen haben?
Ich bin sehr wohl in meinem Konzept und wiederhole mich nicht so häufig, wie Sie das vorhin in Ihrer Rede getan haben. Eine Wiederholung hat es bei mir noch nicht gegeben.
Die Strafprozeßordnung, einst als „Ausführungsgesetz zum Grundgesetz" gerühmt, würde durch solche Maßnahmen zu einem „Einführungsgesetz zur Notstandsverfassung". Insbesondere das Verbot des § 136 a StPO, Bürger über Ermittlungsmaßnahmen zu täuschen, würde durch die vorgesehene Legalisierung der bereits vielfach praktizierten Geheimmaßnahmen vollends zur Farce, etwa durch den Einsatz verdeckter Polizeiermittler bis in die Bagatellbereiche hinein sowie durch das Gebot, Hinweise auf deren Wirken statt in die Verfahrensakten nur in die Handakten der Staatsanwaltschaft aufzunehmen.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie noch eine Zwischenfrage des Abgeordneten Wüppesahl?
Selbstverständlich. Vizepräsident Stücklen: Bitte.
Herr Kollege Such, da der Kollege, der vor mir eine Zwischenfrage gestellt hat, etwas irritiert war, ob Sie die richtige Unterlage dabeihaben: Könnten Sie mir sagen, ob Sie tatsächlich auf der Grundlage eines Gesetzentwurfs in der Bundesrepublik Deutschland im Jahr 1990 sprechen, oder ist es irgendwie eine Science-fiction, die Sie hier mit autoritär-totalitären Strukturen als Grundlage haben? Könnten Sie das deutlich machen?
Ja. — Man könnte sicherlich annehmen, daß das, was hier gesagt wird, bei Orwell erfunden wurde. Aber ich muß sagen: Grundlage ist der Gesetzentwurf des Bundesrates mit dem Titel „Bekämpfung des illegalen Rauschgifthandels und anderer Erscheinungsformen der Organisierten Kriminalität".
Das ist nun Fakt.
Ich setze fort: Wenn Sie daran denken, daß die Fakten demnächst nicht mehr in den Hauptermittlungsakten stehen, dann dürften Richter, Angeklagte und Verteidiger auf dieser Grundlage traditionelle Hauptverhandlung spielen, während die Ermittler in einem parallelen Geheimverfahren unweigerlich zur beliebigen Manipulation von Beweismitteln herausgefordert würden.
„In bis dahin nicht vorstellbarem Maße", so kürzlich ein Urteil des Landgerichts Hamburg, habe das Bundeskriminalamt die der Verhandlung zugrunde liegende Ermittlungsakte gefälscht. Was erfahrene Berufsrichter sich nicht vorstellen konnten, können Sie in diesem Gesetz quasi als Handlungsanweisung schwarz auf weiß nachlesen.
Zur Sicherung verdeckter Ermittler — laut Gesetzesbegründung allein in dieser Kombination effektiv — könnten zudem Wanzen und Richtmikrophone selbst gegen Unverdächtige auch in Wohnungen eingesetzt werden. Art. 13 und der Privatheitsschutz des Grundgesetzes wären damit ausradiert, Herr Kleinert.
Derartige Methoden zerstören in Wirklichkeit, was sie zu schützen vorgeben, nämlich den Rechtsstaat.
Auch darauf beruhen die „schweren Bedenken" der Konferenz der Datenschutzbeauftragten, die scharfen Einwände von Anwaltsvereinen, Richtervereinigungen und Bürgerrechtsorganisationen.
Den Nutzen und die Perspektive eines solchen Gesetzes hat BKA-Chef Zachert am treffendsten formuliert. Ich zitiere ihn: „Die Gegenseite stellt sich darauf ein, und dann brauchen wir halt wieder was Neues." — Und dann kommt der verdeckte Ermittler, der Straftaten begehen darf, wovon Sie heute noch sagen: Das wünschen wir nicht.
Herr Abgeordneter Such, gestatten Sie noch eine Zwischenfrage des Abgeordneten Hirsch?
Ja, selbstverständlich. Vizepräsident Stücklen: Bitte.
Herr Kollege, indem ich Ihnen gern bestätige, daß ich gesagt habe, daß dieser Gesetzentwurf im Zustand geistiger Umnachtung abgefaßt worden sein muß — allerdings nicht vom Bundesjustizminister, der ihn nicht verfaßt hat, wie Sie wissen; —
— nein, das hat er nicht; das ist ein Gesetzentwurf des Bundesrates —, frage ich: Finden Sie nicht, daß es nun angemessen wäre, daß Sie uns einmal darstellen, was Sie denn Ihrerseits vorschlagen, um die Drogenkriminalität, die ja nicht erfunden ist, wirksam zu bekämpfen?
Das würde aber diesen Rahmen sicherlich sprengen. Ich möchte den Präsidenten bitten, mir dann die entsprechende Redezeit zu geben. Dann werde ich das sicherlich sehr ausführlich tun können.Aber einige wesentliche Punkte habe ich bereits genannt. Wenn man Drogenkriminalität wirklich be-
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Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 231. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Oktober 1990 18381
Suchkämpfen will, dann muß man die Drogensucht von der Kriminalität trennen,
und das geschieht nicht. Das würde bedeuten, daß man die Drogensüchtigen entkriminalisiert,
ihnen Hilfe und die Möglichkeit gibt, aus ihrer Verelendung herauszukommen und sich entsprechenden Therapien zu stellen. Weiter würde es bedeuten, daß man ihnen die Möglichkeit gibt, legal, kontrolliert an Suchtmittel, an Drogen zu gelangen.Das wäre ein wesentlicher Schritt, der natürlich von anderen wichtigen Maßnahmen begleitet werden muß. Nur das kann helfen. Alle anderen Mittel, die Sie hier bisher einzusetzen versucht haben — denken Sie an die Kronzeugenregelung im Betäubungsmittelgesetz — , haben keinen Erfolg gehabt, auch wenn Sie hier vorgetragen haben: Das wird uns bei der Bekämpfung der Drogenkriminalität Erfolge bringen. Gerade diese Mittel haben keine Erfolge gebracht,
wie doch die Rauschgifttoten in den letzten Monaten und Jahren gezeigt haben. Auch wurde hier Amerika erwähnt. Gerade in Amerika hat man mit dieser Repression ja ebenfalls keine Erfolge erzielt. Deswegen müssen wir ganz andere Wege gehen. Wir müssen zur Entkriminalisierung der Drogensüchtigen kommen und ihnen Hilfe bieten. Nur das kann der richtige Weg sein. — Ich danke Ihnen, Herr Präsident.Nun noch mein letzter Satz: Die Gegenseite stellt sich darauf ein, hatte ich gesagt. Der nächste Schritt wird also sein zu fordern, wenn das wieder nichts nützt — das ist sicherlich vorauszusehen — , daß man auch Straftaten von den entsprechenden Agenten fordert. Daß es soweit nicht kommt, wie es die Union wünscht, haben allerdings die Wählerinnen und Wähler am 2. Dezember in der Hand, insbesondere die mit einer Stasi-Erfahrung.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Hörster.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe nicht die Absicht, wie mein Vorredner aus diesem Thema ein Wahlkampfthema zu machen,
schon gar nicht im Verhältnis zum Koalitionspartner. Vor allem habe ich nicht die Absicht, es zuzulassen, daß hier aus Anlaß dieses Gesetzentwurfes eine Szene aufgebaut wird, als wollten die Justizminister und die Innenminister der Länder sowie die Landesregierungen im Grunde genommen eine Politik betreiben, die,
wie Sie unterstellt haben, Herr Such, an Stasi-Methoden anschließt.
Ich muß mit aller Deutlichkeit sagen: Der Umstand, daß sich internationale Organisationen wie die UNO nicht nur einmal, sondern mehrfach mit dem Problem der Rauschgiftbekämpfung befaßt haben, und zwar auch unter dem Aspekt der Bekämpfung der kriminellen Organisationen, macht doch deutlich, daß es sich hier nicht um einen Sonderfall der Bundesrepublik Deutschland handelt, sondern um ein weltweites Problem, das im internationalen Bereich angegangen werden muß.
Weil ich schon vermutet habe, wie die Diskussion hier laufen wird, möchte ich mit aller Deutlichkeit das, was der Bundesrat hier vorgeschlagen hat, in den Zusammenhang bringen, in den es gehört, nämlich in den Zusammenhang mit dem nationalen Rauschgiftbekämpfungsplan. Dieser nationale Rauschgiftbekämpfungsplan ist ja auf Grund einer Konferenz der Regierungschefs der Bundesländer mit dem Bundeskanzler im Dezember 1989 entstanden und am 13. Juni 1990 verabschiedet worden. Dieser Plan ist eine Handlungsanleitung für die Verfolgung des Ziels, Rauschgift auf allen Ebenen wirksam zu bekämpfen. Der nationale Rauschgiftbekämpfungsplan ist nicht einfach durch eine gesetzgeberische Maßnahme von heute auf morgen umzusetzen und wirksam zu machen; dies bedarf langer Zeit.
Der größte Teil des nationalen Rauschgiftbekämpfungsplans befaßt sich nämlich mit Fragen der vorbeugenden Aufklärung, mit Fragen der Rehabilitation.
— Ich sage das, was ich für notwendig halte, um den Gesetzentwurf des Bundesrates in den richtigen Rahmen zu stellen.
Herr Abgeordneter Hörster, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Emmerlich?
Aber gerne.
Können Sie mir sagen, welche Maßnahmen des nationalen Rauschgiftbekämpfungsplans, der ja ein Jahr alt ist, in der Zwischenzeit in Kraft getreten sind, insbesondere in den Bereichen von Prävention und Therapie?
Herr Kollege Emmerlich, Sie wissen sehr genau, daß der nationale Rauschgiftbekämpfungsplan am 13. Juni 1990 beschlossen worden ist — das andere war nur ein Entwurf — und daß es dazwischen eine Sonderkonferenz der Justizminister, der Innenminister, der Sozialminister, der Kultusminister und der Jugendminister der Länder gegeben hat, um das zwischen den Bundesländern abzustimmen, was an Maßnahmen notwendig ist; denn der nationale
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18382 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 231. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Oktober 1990
HörsterRauschgiftbekämpfungsplan — darüber sind wir uns beide sicherlich einig — kann nur in einer Gemeinschaftsaktion von Bund, Ländern und Gemeinden umgesetzt werden.
— Wenn Sie es in einer Demokratie schaffen, innerhalb eines halben Jahres die vielfältigen Zielsetzungen, die dieser Rauschgiftbekämpfungsplan beinhaltet, umzusetzen, dann ist das eine grandiose Leistung. Es geht meistens in der Demokratie nicht.
Herr Abgeordneter Emmerlich!
Ich möchte darauf verweisen, daß sich dieser nationale Rauschgiftbekämpfungsplan — und solche Erfolge sind eben nicht so furchtbar schnell zu erzielen — auch mit den Fragen beschäftigt, wie man die Ursachen der Sucht bekämpfen kann, wie man Rehabilitationsplätze ausweiten kann und wie man die Rehabilitation verbessern kann. Es ist völlig übersehen worden — das hat auch Herr Such hier sehr deutlich gezeigt — , daß der nationale Rauschgiftbekämpfungsplan erstmalig und dezidiert festhält, daß Abhängige Kranke sind — das ist eine Feststellung, die wir bisher in dieser Art nicht gehabt haben — und daß diese Probleme sehr breit gefächert zu bekämpfen sind, bis hinein in den internationalen Bereich, wo wir die Entwicklungshilfe mit dazu nutzen müssen, auf der Anbieterseite die Angebote zu verringern.
Eines möchte ich sagen — das ist auch der Hintergrund des Gesetzentwurfs des Bundesrates — : Es hat wenig Sinn, mit den bisherigen Gesetzentwürfen, die wir zum erstenmal am 8. Dezember des vergangenen Jahres hier in diesem Hause behandelt haben, mit der Vermögensstrafe, der Geldwäsche, der Einziehung und dem erweiterten Verfall zu operieren, die Tätigkeiten darauf zu beschränken und zu glauben, wir bekämen dadurch ein Konzept im strafrechtlichen Bereich, um die Rauschgiftkriminalität effektiv zu bekämpfen.
Wir haben nur dann eine Chance, bei der Bekämpfung der Rauschgiftkriminalität Erfolge aufzuweisen, wenn wir die Ermittlungsbehörden auch in die Lage versetzen, die Täter zu überführen und die Ermittlungen so beweiskräftig zu machen, daß Verurteilungen erfolgen können. Verschärfungen von Straftatbeständen, die Einführung von neuen Straftatbeständen und vollmundige Erklärungen über die riesigen Gefahren sind nur weiße Salbe, wenn wir nicht dafür sorgen, daß wir an die Straftäter herankommen.
Gerade weil uns ja immer wieder bei solchen Diskussionen der Vorwurf gemacht wird, wir fingen nur die kleinen Dealer auf der Straße,
kämen aber an diejenigen in den mittleren und gehobenen Führungsebenen der organisierten Kriminalität nicht heran,
ist der Entwurf des Bundesrates entstanden. Polizeipraktiker, Staatsanwälte, aber auch Richter sind der Auffassung, daß die mittlere, gehobene und obere Führungsebene der organisierten Kriminalität gefaßt werden muß, und darauf zielt der Bundesratsentwurf ab.
Herr Singer, wir wollen doch eigentlich auch, daß wir dort an die Leute herankommen. Herr Kollege Kleinert hat an Sie völlig zu Recht die Frage gerichtet: Wenn es um den Einsatz verdeckter Ermittler geht, wenn es um die Rasterfahndung geht, wenn es um den Einsatz technischer Mittel geht, was würden Sie denn von seiten der SPD, von seiten der SPD-Bundestagsfraktion, vorschlagen? Ich muß ja noch die feine Unterscheidung zwischen der SPD im Bundesrat und der SPD-Bundestagsfraktion treffen. Welche konkreten Vorschläge würden Sie uns denn unterbreiten, damit wir den Ermittlungsbehörden das Instrumentarium dafür liefern können, auf einer rechtssicheren Grundlage beweiskräftige Tatsachen zu ermitteln?
— Nein.
Bisher haben Sie überhaupt nichts dazu gesagt. Sie haben lediglich einen Tatbestand eingebracht, nämlich den der Geldwäsche.
Das ist der einzige Tatbestand, den Sie uns im gesetzlichen Bereich vorgelegt haben.
Herr Abgeordneter Hörster, gestatten Sie Zwischenfragen von Herrn Such, Herrn Singer und Herrn Wüppesahl? — Bitte.
Herr Kollege, Sie sprechen von der organisierten Kriminalität und von den Großdealern der Drogenmafia. Zu deren Bekämpfung fordern Sie ja neue Mittel und meinen, daß die Mittel, die auch im Gesetzentwurf stehen, wirksam seien.Sind Sie der Auffassung, daß das Bundeskriminalamt oder der Polizist auf der Straße, den Sie ja ebenfalls angesprochen haben, in der Lage gewesen wären, mit diesen gesetzlichen Maßnahmen einen Dealer von der Qualität eines Herrn Noriega — Sie wissen, welche Rolle er in Panama und in den USA gespielt hat — zu Fall zu bringen?
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Die tatsächlichen Entwicklungen, Herr Such, haben ja gezeigt, daß der militärische Einsatz eines ganzen Staates erforderlich war, um diesen Chef einer Rauschgiftorganisation in den Griff zu kriegen.
Ich will in aller Deutlichkeit sagen, daß die internationalen Konferenzen zu der Rauschgiftproblematik genau unter dem Gesichtspunkt stattfinden, daß man befürchtet, demnächst säßen Rauschgiftbosse in der UNO, um das einmal ganz vereinfacht zu sagen, und würden an den internationalen Konferenzen teilnehmen.
So weit darf es bei uns nicht kommen. Deswegen müssen wir rechtzeitig das organisierte Verbrechen, die organisierte Kriminalität bekämpfen, damit eine Unterwanderung und eine Einflußnahme in einem Umfang, wie sie in anderen Staaten gegeben ist, in unserer Gesellschaft überhaupt keine Chance hat.
Das ist der Punkt, um den es geht.
Bitte schön, Herr Abgeordneter Singer.
Herr Hörster, haben Sie vergessen, daß in den Sachverständigenanhörungen vor dem Innen- und dem Rechtsausschuß zwar die Einführung neuer Straftatbestände wie Geldwäsche und die Gewinnabschöpfung für notwendig erklärt worden ist, nicht aber Änderungen des Strafverfahrensrechts, zumal dann, wenn sie gegen die Verfassung verstoßen, für notwendig gehalten worden sind?
Änderungen des Strafverfahrensrechts, die gegen die Verfassung verstoßen, sind nicht nur nicht notwendig, sondern auch nicht erlaubt. Wir wollen sie auch gar nicht.
Änderungen des Strafverfahrensrechts waren nicht Gegenstand der Anhörung. Gegenstand der Anhörung waren vielmehr ausschließlich die vorliegenden Gesetzentwürfe der Bundesregierung zur Vermögensstrafe, zur Einziehung und zum erweiterten Verfall und der Gesetzentwurf zur Geldwäsche, den Sie eingebracht haben. Darauf hat sich die Anhörung begrenzt. Es ist aber von einer ganzen Reihe von Praktikern gesagt worden, daß diese Straftatbestände allein nicht ausreichen. Sie werden mir zum Beispiel hinsichtlich des Bereichs der Vermögensstrafe darin zustimmen, daß es kaum einen Sachverständigen gegeben hat, der diesen konkreten Tatbestand, so wie er konzipiert ist, als effektiv angesehen hat.
— Ich bitte sehr um Nachsicht, aber es ist doch sicherlich eine Errungenschaft in der Demokratie, wenn wir
das überdenken, was wir vorschlagen, sobald wir bes-
sere Argumente geliefert bekommen. Das war doch hier der Fall.
Genau dies hat auch dazu geführt, Herr Kollege Singer, daß wir im Rechtsausschuß bei den Überlegungen zum Gesetzentwurf zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität unter Berücksichtigung der Vorstellungen der Bundesregierung zur Vorlage eines Strafverfahrensänderungsgesetzes und unter Berücksichtigung der Vorstellungen der Datenschutzbeauftragten der Länder und des Bundesdatenschutzbeauftragten gesagt haben, wir müßten uns davor hüten, jetzt schnelle Entscheidungen zu treffen, um den einen oder anderen Fall zu regeln, dabei aber sowohl im strafrechtlichen als auch im strafverfahrensrechtlichen Bereich auf ein Gesamtkonzept zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität zu verzichten. Das wollten wir nicht. Dies hat auch dazu geführt, daß wir im Rechtsausschuß zu keinen abschließenden Regelungen gekommen sind. Von der Sache her halte ich das auch für richtig.
Ich weiß, daß das Bundeskriminalamt enttäuscht ist. Neulich war ja in der „Welt" nachzulesen, daß man sich auf diesem Gebiet im Stich gelassen fühle. Wer aber eine sachgerechte Regelung anstrebt, der muß gerade bei so sensiblen Materien wie Rasterfahndung, verdecktem Ermittler und Einsatz technischer Mittel das Mögliche tun, um auf einer rechtsstaatlich einwandfrei gesicherten Grundlage diese Ermittlungsmethoden zu ermöglichen. Das ist das Ziel meiner Fraktion.
Herr Wüppesahl, bitte.
Herr Kollege Hörster, wenn Sie von beweiskräftigen Tatsachen sprechen, die den Ermittlungsbehörden an die Hand gegeben werden sollen, damit sie in den höheren Gefilden dieser organisierten Kriminalität erfolgreich sein können, subsumieren Sie unter „beweiskräftige Tatsachen" womöglich auch solche Personenbeweise, die einer Befragung durch die Verteidigung im Gerichtssaal nicht mehr zugänglich sind?
Entschuldigung, ich habe den zweiten Teil Ihrer Frage akustisch nicht verstanden.
Ich habe gefragt, ob Sie womöglich unter „beweiskräftige Tatsachen" — dieser Terminus ist ja definiert —
auch solche Personalbeweise subsumieren, die dann im Gericht nicht mehr der direkten Befragung durch die Verteidigung des Beschuldigten oder Angeklagten zugänglich sind? Dies ist nur eine Konkretion der notwendigen Problematisierung beweiskräftiger Tatsachen, die in diesem Gesetzentwurf enthalten sind. Es gibt noch mehr solcher Beispiele. Subsumieren Sie tatsächlich darunter auch solch ein Vorgehen gegenüber der Verteidigung?
Diese Fragestellung bezieht sich ja in erster Linie auf den Zeugenschutz, der im Gesetzentwurf des Bundesrates vorgesehen ist. Es ist nun einmal eine anerkannte Tatsache, daß gerade
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18384 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 231. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Oktober 1990
HörsterZeugen, die aus dem kriminellen Milieu kommen und die möglicherweise eine gewisse Bereitschaft haben, dort auszusteigen, dann, wenn sie — in der Sprache des Milieus formuliert — singen, unter sehr gefährlichen Umständen, wenn überhaupt, weiterleben.Ich halte es für notwendig, dann, wenn es keine anderen Möglichkeiten gibt, Zeugen eine Aussage zu ermöglichen, ohne daß sie sich persönlich gefährdet und in ihrer Existenz bedroht sehen, auch darüber nachzudenken, wie der Zeugenschutz so verbessert werden kann, daß auf der einen Seite ein rechtsstaatliches Verfahren vor Gericht gesichert ist, aber auf der anderen Seite der Zeuge der kriminellen Organisation, gegen die er aussagt, nicht auf dem Silbertablett zur Verfolgung präsentiert wird. Ich bin der Auffassung, darüber muß man nachdenken.
Es gibt schon heute in sehr viel einfacheren Fällen Probleme, Bürger als Zeugen zu gewinnen, weil sie sich Schikanen oder sonstigen Verhaltensweisen anderer Bürger ausgesetzt fühlen.
Geht es aber um kriminelle Organisationen, sind diese Zwänge noch viel stärker. Es geht dann auch um existentielle Fragen. Ich bin der Auffassung, man muß darüber nachdenken. Auch von daher hat der Bundesratsentwurf einen richtigen Ansatz.Ich will nicht behaupten, daß alles und jedes, was dort steht, nach den Maßstäben, die wir unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten anlegen, im Ergebnis so Bestand haben wird. Aber das, was Kollege Kleinert gesagt hat, daß hier systematisch zusammengetragen worden ist, was an Problemen entsteht, wenn man das richtige Ermittlungsinstrumentarium zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität schaffen will, und daß man an Hand dieser Kriterien im einzelnen durchprüfen muß, was unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten zulässig und erlaubt ist, das wird von mir voll geteilt. Das ist richtig.
Ich bin dem Bundesrat dafür dankbar, daß er sich der Mühe unterzogen hat, dies zu machen, und daß bei diesem Gesetzentwurf nicht mit der Brechstange einer Mehrheit gegen die Minderheit gearbeitet worden ist. Der Bundesrat hat sich vielmehr über die Parteigrenzen hinweg unter Beteiligung von CDU, CSU, FDP und SPD bemüht, einen Entwurf zusammenzubringen, der diskussionsfähig ist und der inhaltlich eine ganze Menge Aussagekraft hat. Das halte ich für eine sehr gute Angelegenheit.Ich will für meine Fraktion betonen — da besteht, glaube ich, auch innerhalb der Koalition eine große Einigkeit — , daß wir gleich zu Beginn der nächsten Wahlperiode versuchen werden, ein Konzept in rechtsstaatlich begründeter Weise durchzusetzen, damit die Ermittlungsbehörden die Instrumentarien in die Hand bekommen, um die organisierte Kriminalität effektiv und mit rechtsstaatlichen Mitteln zu bekämpfen.
Das Wort hat der Abgeordnete Friedrich.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte mir im Anschluß an meinen Vorredner die Frage erlauben, ob er den Einsatz der militärischen Macht eines ganzen Staates, der USA, zum Sturz Noriegas etwa auch im Sinne dieses Gesetzes sieht. Aus meiner Sicht ist das nur als Staatsterrorismus zu bezeichnen, nicht anders,
so problematisch man auch immer die Person des damaligen Präsidenten Noriega einschätzen mag.Es ist doch gar keine Frage: Natürlich sehen auch wir Abgeordneten der PDS die großen Gefahren insbesondere der Drogenkriminalität und der Macht der internationalen Syndikate. Wir wissen, daß diese Gefahren vor dem östlichen Landesteil überhaupt nicht haltmachen werden und teilweise auch bereits eingedrungen sind. Weniger der Wegfall der Grenzen als vielmehr die Umbrüche im sozialen und vor allem auch im psychologischen Bereich sind aus meiner Sicht eine der wesentlichen Ursachen für diese bedauerliche Entwicklung. Besonders die Jugend ist gefährdet.In der Frage der Abgeordneten Dr. Fischer vorhin wurde bereits der Kern der Problematik angesprochen, nämlich das Fehlen einer gesellschaftspolitischen Analyse hinsichtlich der wirklich komplexen Ursachen der Rauschgiftkriminalität. Statt dessen wird in dem vorgelegten Entwurf völlig einseitig versucht, dem Problem mit der Strafverfolgung gerecht zu werden.Ich kann mich des Eindrucks einfach nicht erwehren, daß die Bundesländer in den Entwurf all das aufgenommen haben, was sich die Polizei und die Ermittlungsbehörden schon lange gewünscht haben, worauf aber selbst bei der Bekämpfung des Terrorismus aus rechtsstaatlichen Gründen verzichtet werden mußte. Gerade mich als einen Abgeordneten der PDS aus dem Gebiet der ehemaligen DDR, der sich ehrlich bemüht, die Qualität des Rechtsstaates Bundesrepublik zu verinnerlichen und Rechtsstaatlichkeit leben zu lernen, hat der vorgelegte Entwurf des Bundesrats schockiert. Ich muß das so ehrlich sagen. Noch mehr schockiert mich allerdings die im wesentlichen positive Stellungnahme der Bundesregierung dazu; denn damit ist die Gefahr sehr groß, daß das Angedachte auch Wirklichkeit wird.Mit der beabsichtigten — wenn auch mit gewissen Bedingungen versehen — Legalisierung von Lauschangriffen auf persönliche Intimbereiche wie die Wohnung, mit der Möglichkeit des Einsatzes verdeckter Ermittler, mit der Gliederung von Strafprozessen in einen offiziellen Teil und ein Geheimverfahren — angeblich zum Schutz gefährdeter Zeugen — , vor allem aber mit der fast uferlosen Ausdehnung von Raster-
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Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 231. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Oktober 1990 18385
Dr. Friedrich
fahndungen werden aus meiner Sicht anerkannte Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit in eklatanter Weise verletzt.
Ich nenne hier nur solche Grundsätze wie den Schutz des persönlichen Intimbereichs oder das Gebot der Offenheit polizeilichen Handelns.
— Ich sagte ja bereits, daß ich mich bemühe, die Rechtsstaatlichkeit zu lernen. Ich habe mir hier weiß Gott nichts vorzuwerfen.Ich wiederhole: Ich nenne hier nur solche Grundsätze wie den Schutz des persönlichen Intimbereichs, das Gebot der Offenheit polizeilichen Handelns und den Grundsatz, im Zweifel für und nicht gegen den Verdächtigen zu entscheiden und Unbeteiligte ganz aus dem Spiel zu lassen.
Ich befürchte deshalb — —
Herr Abgeordneter Dr. Friedrich, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Jäger?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich beende noch den Satz: Weil die Begriffe „organisierte Kriminalität" wie auch „Straftaten von erheblicher Bedeutung" nur sehr unzureichend definiert sind, befürchte ich, daß kaum ein Mehr an Rechtssicherheit zu erwarten ist. — Bitte!
Bitte, Herr Abgeordneter Jäger!
Herr Kollege, wenn Sie hier im Brustton der Rechtsstaatlichkeit eine angebliche Rechtsstaatswidrigkeit in dem Entwurf des Bundesrates monieren: Spüren Sie denn gar nicht den Hohn, den solche Äußerungen ausgerechnet von einem Vertreter Ihrer Fraktion
für viele Millionen Deutsche in der ehemaligen DDR bedeuten, die von Ihrer Vorgängerpartei jahrelang mit einem Stasi-Spitzelsystem, mit terroristischen Gefängnissen und mit einem drakonischen Strafrecht überzogen worden sind,
bis die Bürger diese Fesseln durch ihren Freiheitswillen gesprengt haben?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Sie müssen wirklich allmählich lernen, daß die PDS nicht die
SED ist und daß die Abgeordneten der PDS im Deutschen Bundestag demokratisch legitimiert sind.
Natürlich erneuern wir uns weiterhin. Wir haben diesen Prozeß noch nicht beendet.
Ich habe hier ehrlich dargelegt, daß wir uns bemühen, das rechtsstaatliche System der Bundesrepublik Deutschland verstehen und leben zu lernen.
— Ich kritisiere nicht ihr System, sondern den vorgelegten Entwurf des Bundesrates. Das ist ein wesentlicher Unterschied.
Ich fahre fort: Andererseits wird die Einsatzschwelle für die genannten Maßnahmen bewußt so niedrig gehalten, daß Kontrollmöglichkeiten gegen den Mißbrauch nur sehr mangelhaft gegeben sind, so daß die Polizei aus meiner Sicht einen ganz erheblichen Ermessensspielraum erhält. Hier ist den Bedenken der Internationalen Liga für Menschenrechte, die eben schwerwiegende Einschränkungen fundamentaler Bürgerrechte befürchtet, nur zuzustimmen.
Ein Beispiel: Wer verhindert, daß Lauschangriffe, der Einsatz verdeckter Ermittler oder Rasterfahndungen sozusagen zur staatlichen Routinemaßnahme werden und sich eben dauerhaft auch gegen Unbeteiligte oder auch gegen politisch Andersdenkende richten?
Jetzt aber das für mich Schwerwiegendste: Es soll jetzt vom rechtsstaatlichen Prinzip des konkreten personenbezogenen Tatverdachts Abschied genommen werden zugunsten eines kaum faßbaren Risikoprinzips wie z. B. bei der Rasterfahndung.
Ich komme noch einmal auf die Vergangenheit zurück. Ich verhehle es nicht: Manches von dem, was in diesem Gesetzentwurf vorgeschlagen wird, erinnert in sehr fataler Weise an das Überwachungsinstrumentarium der Staatssicherheit in der ehemaligen DDR, auch wenn deren Ziele natürlich ganz andere waren.
Herr Abgeordneter, Ihre Redezeit ist abgelaufen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich komme zum Schluß.Die extensive Ausdehnung von strafprozessualen Maßnahmen birgt immer auch die Gefahr in sich, daß sich diese Maßnahmen gegen den politischen Gegner
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18386 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 231. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Oktober 1990
Dr. Friedrich
richten können, daß die Sicherungen gegen diesen Mißbrauch nur unzureichend wirksam sind.
Ich komme hier aus Zeitgründen nicht zu den Vorschlägen für eine möglicherweise komplexere Behandlung des Problems der Drogenkriminalität. Ich schließe ab: Die Abgeordnetengruppe der PDS weist diese Gesetzesinitiative aus inhaltlichen Gründen mit Entschiedenheit zurück.
Herr Abgeordneter, Sie können nicht dem Präsidenten sagen, Sie kämen zum Schluß, und dann kommen Sie nie zum Schluß.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das war mein letzter Satz. Ich danke für die Großzügigkeit.
Nun spricht der Herr Abgeordnete Wüppesahl.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wie im Hause bekannt ist, habe ich bereits eine Reihe differenzierter, fachlich orientierter Reden zu diesem Problemfeld gehalten. Aber man kann sich hier wirklich den Mund fusselig reden. Wir bekommen dennoch vom Bundesrat so einen Gesetzentwurf auf den Tisch, der rechtsstaatlichen Prinzipien wirklich Hohn spricht.
Das, was wir hier vorliegen haben, ist nichts anderes als der Wunschzettel der Ermittlungsorgane zu Weihnachten. Weihnachten ist ja nicht mehr weit entfernt. Nichts anderes als Weihnachtswünsche steht da drin.
Der Büchsenöffner Rauschgift wird benutzt, um in allen möglichen anderen Problembereichen für die Ermittlungsbehörden gleich einige zusätzliche Eingriffsmaßnahmen mit zu kassieren.
Das, was wir hier vorliegen haben, macht Suchet wirklich alle Ehre. Das ist obrigkeitsstaatliche Vorgehensweise. Das ist Absolutismus, den wir längst überwunden geglaubt haben, der seine moderne Fassung in den Diktaturen von Hitler oder Stalin sich widerspiegeln sieht. Das ist das, worüber wir hier diskutieren!
— Ich habe das gelesen.
Sie haben ja auch die Ausführungen der Kollegen vor mir gehört, die sich noch die Mühe gegeben haben, das differenziert und akzentuiert darzustellen. Diese Mühe mache ich mir nicht mehr.
Mit der Behauptung, daß Sie die Rauschgiftkriminalität bekämpfen wollen, treiben Sie gleichzeitig die
Preise auf dem Markt in die Höhe. Mit dieser Vorgehensweise sorgen Sie noch dafür, daß die Profite der Organisationen größer werden. Je stärker Sie die Repression einsetzen, desto höher steigt der Preis. Statt dessen sollten Sie auf der Basis einer wirklich sauberen gesellschaftspolitischen Gesamtanalyse in den Problemfeldern beginnen, in denen es dringend not tut, nämlich vor allem im Gesundheitsbereich. Herr Hirsch fragte, an Herrn Such gerichtet, ob man Konzepte zur Lösung dieser Probleme hätte.
Wir als Oppositionsfraktionen oder als Einzelabgeordnete wie ich müssen hier erst einmal einen Abwehrkampf gegen diesen wirklich wahnwitzigen Gesetzentwurf, der uns hier zugemutet wird, führen. Die Konzepte, die über diesen Abwehrkampf hinausgehen, haben wir in der Tat längst auf den Tisch gelegt. Das, was Sie uns hier wieder anbieten, sind Steinzeitmethoden, das sind James-Bond-Methoden, das ist Wildwestmanier und nichts anderes.
Daß Sie mit der Verdoppelung des Personalbestandes im Bundeskriminalamt von 300 auf mehr als 600 Beamte bis heute nichts erreicht haben, hindert Sie nicht daran, auf diesem Pfad weiter voranzugehen. Die Rechtsgrundsätze „In dubio pro reo ", der Schutz des persönlichen Intimbereichs oder auch das Gebot der Offenheit polizeilichen Handelns gehen bei den Dingen, die in diesem Gesetzentwurf stehen, vollkommen verloren. Insofern habe ich Verständnis dafür, wenn der Kollege Hirsch ankündigt, daß das nur über seine Leiche geht.
Ich kann nur darum bitten, daß dieser Gesetzentwurf abgelehnt wird, auch wenn er durch die Spielregeln vor Ablauf dieser Legislaturperiode ohnehin nicht weiter behandelt werden kann.
Ich bedanke mich.
Ich erteile dem Herrn Bundesminister der Justiz das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die heutige Debatte hat noch einmal deutlich gemacht: Es besteht Übereinstimmung darin, daß gerade zur Bekämpfung des Rauschgifthandels gesetzgeberischer Handlungsbedarf besteht. Über den Umfang der Initiativen in der Sache
gehen die Meinungen auseinander, zum Teil erheblich auseinander.Sichtbaren Ausdruck findet dies bereits in der Vielzahl der Gesetzgebungsvorhaben, die sich neben der hier zu beratenden Bundesratsinitiative mit der Bekämpfung der Rauschgiftkriminalität und der organisierten Kriminalität befassen. Beispielhaft seien hier genannt: die Regierungsentwürfe zur Vermögensstrafe und zum erweiterten Verfall, aber auch die Entwürfe meines Ministeriums zur Änderung und Ergänzung des Strafverfahrensrechts sowie zur Einführung eines neuen Straftatbestandes der Geldwäscherei und der vom Bundesminister des Innern erarbeitete Entwurf eines Gewinnaufspürungsgesetzes. Es sind ja
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Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 231. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Oktober 1990 18387
Bundesminister Engelhardgerade die enormen Gewinne, die den illegalen Drogenhandel zur großen Herausforderung haben werden lassen. Der Zugriff auf das Vermögen der Händler und ihrer Helfer scheint mir daher ein geeigneter Ansatz zur wirksamen Bekämpfung des Rauschgifthandels zu sein.Auch die Zielsetzung des Gesetzentwurfs des Bundesrates geht davon aus, daß Triebfeder für die organisierte Kriminalität das Gewinnstreben ist und daß eine wirksame Bekämpfung daher bei der Abschöpfung der Gewinne anzusetzen hat. Es ist daher ungemein zu bedauern, daß wegen der unterschiedlichen Auffassungen über einen Gesetzgebungsbedarf im Verfahrensrecht auch die in dem Gesetzentwurf vorgeschlagenen Änderungen des Strafgesetzbuches und des Betäubungsmittelgesetzes in dieser Legislaturperiode nicht mehr verabschiedet werden können.Über die Vorschläge zur Einführung der Vermögensstrafe und des erweiterten Verfalls, die auf Gesetzentwürfen meines Hauses beruhen, sind sich der Bundesrat und die Bundesregierung ja einig. Der vorgeschlagenen Verschärfung des Betäubungsmittelstrafrechts hat die Bundesregierung — bis auf eine Ausnahme — im wesentlichen zugestimmt. Auch hinsichtlich der dringend notwendigen Einführung einer Strafvorschrift gegen Geldwäscherei besteht im Grundsatz Einigkeit. Hier dürfen wir nicht die Augen davor verschließen, daß wir auf Grund der Wiener Drogenkonvention von 1988 verpflichtet sind, bestimmte Tathandlungen des Waschens von Gewinnen aus illegalem Betäubungsmittelverkehr unter Strafe zu stellen. Ein neuer Geldwaschtatbestand dient also auch der Umsetzung jener Konvention. Hierfür liegt ein ausgereifter Entwurf meines Hauses vor, der eine sehr gute Grundlage für alle weiteren Diskussionen und für die abschließende Meinungsbildung darstellen kann.Meine Damen und Herren, angesichts dieser weitgehenden Übereinstimmung im Bereich des materiellen Strafrechts sollten wir uns darin einig sein, daß Vorschläge zur Vermögensstrafe, zum erweiterten Verfall, zur Geldwäscherei und zur Verschärfung des Betäubungsmittelstrafrechts zu Beginn der nächsten Legislaturperiode — nicht irgendwann, sondern sofort — sehr zügig beraten und verabschiedet werden müssen.
Ich schließe die Aussprache.
Der Ältestenrat schlägt die Überweisung des Gesetzentwurfs auf Drucksache 11/7663 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vor. Gibt es weitere Vorschläge? — Das ist nicht der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen.
Ich rufe Punkt 12 der Tagesordnung sowie Zusatzpunkt 9 der Tagesordnung auf:
12. Erste Beratung des von den Abgeordneten Stratmann-Mertens, Dr. Daniels , Frau Flinner, Frau Garbe, Hüser, Kleinert (Mar-
burg), Dr. Knabe, Frau Saibold, Frau Vennegerts und der Fraktion DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes für eine ökologisch-soziale Wirtschaft
— Drucksache 11/7607 —
Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:
Ausschuß für Wirtschaft
Finanzausschuß
Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung
Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
ZP9 Beratung des Antrags der Abgeordneten Frau Saibold, Stratmann-Mertens und der Fraktion DIE GRÜNEN/Bündnis 90
Jahresbericht zur Entwicklung der ökologischen und sozialen Folgekosten des Wirtschaftens in der Bundesrepublik Deutschland
— Drucksache 11/8170 —
Überweisungsvorschlag:
Ausschuß für Wirtschaft
Finanzausschuß
Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung
Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Für die gemeinsame Beratung ist ein Runde mit Zehnminutenbeiträgen vorgesehen. Nun meine Frage: Wir sind auf Grund der vielen Zwischenfragen, die im Verlauf der Sitzung gestellt worden sind und die nicht auf die Redezeit angerechnet wurden, sehr in zeitlichen Verzug gekommen. Können wir uns auf eine Kurzrunde einigen?
Mein Vorschlag: Der Redner der Fraktion DIE GRÜNEN/Bündnis 90, der den Entwurf begründet, zehn Minuten und die anderen Redner fünf Minuten. Sind Sie einverstanden?
— Sie sind nicht einverstanden.
— Sie haben überhaupt kein Mitgefühl. Ich habe es versucht.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Stratmann-Mertens.
Liebe Mitbürgerinnen! Liebe Mitbürger! Im Herbst 1966 sah sich die letzte Bundesregierung unter dem Bundeskanzler Erhard mit für sie völlig neuartigen Problemen wirtschaftlicher Rezession und zunehmender Erwerbslosigkeit konfrontiert. Deshalb brachte die Regierung Erhard im September 1966 den „Entwurf eines Gesetzes zur Förderung der Stabilität der Wirtschaft" ein, in dem Instrumente zur Globalsteuerung der Wirtschaft vorgesehen waren und eine verbindliche Zielvorgabe für die wirtschaftliche Entwicklung niedergelegt wurde, das sogenannte magische Viereck. Dieser Gesetzentwurf wurde nach dem Regie-
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18388 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 231. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Oktober 1990
Stratmann-Mertensrungswechsel, dem Sturz von Erhard und der Bildung der großen Koalition, im Mai 1967 verabschiedet. Er ist als das sogenannte Stabilitäts- und Wachstumsgesetz bis heute die rechtsgültige Grundlage für das Regierungshandeln im Bereich der Wirtschaftspolitik.Zwei Ziele aus dem wirtschaftspolitischen Zielkatalog, dem magischen Viereck, sind seit der Regierungswende 1982 im großen und ganzen erreicht, nämlich die Sicherung eines stetigen wirtschaftlichen Wachstums und die Sicherung der Preisniveaustabilität. Zwei andere Ziele aus dem magischen Viereck sind seit 1982 systematisch und in erheblichem Maße verletzt, nämlich das Ziel des außenwirtschaftlichen Gleichgewichts und das Ziel der Vollbeschäftigung. Seit 1982 ist trotz stetigen Wirtschaftswachstums von durchschnittlich 2 % und mehr eine Zunahme der Erwerbslosigkeit zu verzeichnen. Auch das Herbstgutachten der fünf führenden Wirtschaftsforschungsinstitute rechnet für 1991 mit einer Erwerbslosigkeit im Gebiet der ehemaligen BRD von wieder 2 Millionen Erwerbslosen im Jahresdurchschnitt. Für das Gebiet der ehemaligen DDR, die neuen Bundesländer, wird eine Erwerbslosigkeit von 1,7 Millionen offiziell registrierter Erwerbsloser erwartet, dazu noch eine Quote von ca. 2 Millionen Kurzarbeitern und Kurzarbeiterinnen.
— Weil die neu geschaffenen Arbeitsplätze einerseits Teilzeitarbeitsplätze sind und zum anderen nicht verhindern können, daß die Erwerbslosigkeit im Gebiet der ehemaligen Bundesrepublik nach wie vor auf hohem Standard ist und wieder ansteigende Tendenz zeigt und jetzt im vereinten Deutschland enorm ansteigen wird, spreche ich davon nicht.
Es zeigt sich seit 1982 kein ernsthafter Wille der Bundesregierung, das Ziel Vollbeschäftigung zu erreichen.
Die Bundesregierung verhält sich angesichts des gesetzlichen Auftrags aus dem Stabilitäts- und Wachstumsgesetz und angesichts einer millionenfachen Massenerwerbslosigkeit nach der Devise aus der Anarchoszene: legal, illegal, scheißegal.
Zwar ist das Ziel Wachstum erreicht, aber genauso wie es nicht für einen hohen Beschäftigungsstand sorgen kann, hat gerade das Wachstum eine zunehmende und enorme Zerstörung der Umwelt zur Folge. Ich erinnere hier nur an das zunehmende Waldsterben, an die drohende Klimakatastrophe — morgen werden wir uns mit dem Endbericht der Enquete-Kommission Klimaschutz befassen — , an die bundesweite Verseuchung der Böden und an das Umkippen der Nord- und Ostsee. Gerade durch das Wirtschaftswachstum ist ein Anstieg der ökologischen und sozialen Folgekosten zu verzeichnen. Für 1988 werden die ökologischen und sozialen Folgekosten in den Bereichen Umwelt, Gesundheit, Verkehr und Wohnen auf eine Größenordnung von 200 Milliarden DM geschätzt. Das macht ca. 12 % des Bruttosozialprodukts aus.Die Anhörung des Wirtschaftsausschusses im Mai letzten Jahres zu den Themen ökologische und soziale Folgekosten des Wirtschaftswachstums hat gezeigt — die große Mehrheit der anwesenden Sachverständigen stimmte hier überein — , daß das Wirtschaftswachstum kein Indikator mehr für die Wohlfahrt und die Lebensqualität unserer Gesellschaft ist. Aus dem Grunde haben wir GRÜNEN damals gefordert und fordern das auch in dem vorgelegten Gesetzentwurf: Wir müssen uns trennen von der fetischhaften Fixierung auf das Wachstumsziel. Es gibt gerade auch nach der Vereinigung der beiden deutschen Staaten eine merkwürdige Wachstumskoalition. Die reicht von Umweltminister Töpfer bis hin zur PDS. Ich zitiere aus den „Grundpositionen zur Wirtschaftspolitik" der Kommission Wirtschaft beim Parteivorstand der PDS:Sie— die PDS —berücksichtigt, daß ein stabiles effektives Wirtschaftswachstum eine unerläßliche Bedingung ist für den Aufbau einer ökologisch orientierten Marktwirtschaft . . .
— Hört! Hört! — Die Kolleginnen und Kollegen von der PDS wissen vielleicht nicht, daß das Originalton Klaus Töpfer, Bundesumweltminister, ist, der bis heute den Zusammenhang von Wirtschaftswachstum und Umweltzerstörung nicht im entferntesten begriffen hat.Wir GRÜNEN treten für die Streichung des Ziels Wachstum aus dem wirtschaftspolitischen Zielkatalog ein. Wir plädieren für eine Wirtschaftspolitik, die auf selektives Wachstum und selektives Schrumpfen setzt. Die Höhe des Bruttosozialprodukts soll nicht Ziel, sondern lediglich Resultante der gewünschten ökologischen und sozialen Wirtschaftsentwicklung sein.
— Eine selektive Wachstums- und eine selektive Schrumpfungspolitik sind auch der Abschied vom qualitativen Wachstum;
denn wenn Sie sich Gedanken machen, was überhaupt qualitatives Wachstum ist, gibt es nur eine präzise Definition dieses qualitativen Wachstums, und die ist: alternatives quantitatives Wachstum. Auch die Verfechter einer Theorie qualitativen Wachstums bei DGB und SPD sind auf die Steigerung des Bruttosozialprodukts fixiert und leben in dem Wahn, daß das
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Stratmann-MertensBruttosozialprodukt gesteigert werden soll und unterdem Strich dennoch insgesamt umweltfreundlich ist.Wir plädieren für eine Wirtschaftspolitik, die eng mit der Umweltpolitik verzahnt ist, und legen deswegen einen Gesetzentwurf für eine ökologisch-soziale Wirtschaftspolitik vor. Er soll das Stabilitäts- und Wachstumsgesetz ersetzen. Das ist unsere Alternative zum Stabilitäts- und Wachstumsgesetz,
ein neues Grundgesetz für die Wirtschaft.Ich möchte an dieser Stelle ausdrücklich den Wirtschaftsprofessoren Rudolf Hickel und Jan Priewe von der Gruppe „Alternative Wirtschaftspolitik" danken. In Zusammenarbeit mit ihnen ist unser Gesetzentwurf konzipiert und ausgearbeitet worden.Zentrale Bausteine unseres ökologisch-sozialen Grundgesetzes für die Wirtschaft sind:Erster Baustein: Festlegung eines neuen Zielkatalogs, eines magischen Fünfecks für die wirtschaftliche Entwicklung. Diese Ziele sind: erstens ökologisches Gleichgewicht, d. h. Bewahrung und Wiederherstellung der natürlichen Lebensgrundlagen, zweitens Erwerbsarbeit für alle bei gleicher Teilhabe von Männern und Frauen, drittens Preisniveaustabilität, viertens außenwirtschaftliches Gleichgewicht und fünftens gleichmäßigere Einkommens- und Vermögensverteilung.
Zweiter Baustein: Wir wollen zur Durchsetzung des ökologischen Gleichgewichts in der Wirtschaftspolitik eine verbindliche mittelfristig angelegte ökologische Rahmenplanung, in der festgelegt ist, daß und wie die Schadstoffemissionen reduziert werden und auch der Verbrauch von Ressourcen und Natur reduziert wird. So wie die Toronto-Konferenz zum Klimaschutz von allen Staaten, insbesondere den Industriestaaten, gefordert hat, bis 2005 die CO2-Emissionen zu senken, so wollen wir für alle Schadstoffgruppen und alle Naturverbräuche eine mittelfristig angelegte ökologische Rahmenplanung.Dritter Baustein ist ein Jahreswirtschafts- und Jahresumweltbericht. Der jährliche Wirtschaftsbericht muß angereichert werden um einen Sachstandsbericht zur Lage der Umwelt. Zentraler Bestandteil dieses Jahreswirtschafts- und -umweltberichts soll ein Bericht über die ökologischen und sozialen Folgekosten sein, in dem sie nach dem Stand der jeweiligen Methodik auch in Geldgrößen beziffert sind.Wir freuen uns, daß unsere Initiative für einen solchen Folgekostenbericht, die auch heute wieder als Antrag zur Abstimmung vorliegt, zur Anhörung des Wirtschaftsausschusses im letzten Jahr geführt hat. Wir freuen uns um so mehr, als diese Anhörung des Wirtschaftsausschusses dazu geführt hat, daß beim Statistischen Bundesamt seit Mitte letzten Jahres eine umweltökonomische Gesamtrechnung in Arbeit ist, die genau das, was wir seit Jahr und Tag fordern, die Berechnung und die systematische Erfassung aller Umweltschäden, beinhaltet und damit eine ganz wichtige Grundlage für das wirtschafts- und umweltpolitische Handeln darstellt.Wir fordern als vierten Baustein einen jährlichen Armuts- und Reichtumsbericht, um die auseinanderklaffende Schere von Armut und Reichtum in der Bundesrepublik zum Gegenstand der politischen Auseinandersetzung zu machen. Dies wird gerade in den letzten Tagen auch vom DGB und vom Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverband gefordert.Wir unterstützen die Forderungen des Wirtschafts-und Sozialwissenschaftlichen Instituts des DGB, eine Gerechtigkeitsoffensive in den 90er Jahren zu starten, um eine gleichmäßigere Verteilung von Einkommen und Vermögen herzustellen — ich sage: gleichmäßigere Verteilung. Wir sind gegen eine Novellierung auf gleichem und unterstem Niveau. Es ist sinnvoll, auch in den Einkommen eine leistungsorientierte Differenzierung zu haben. Allerdings hat das Auseinanderklaffen der Einkommens- und Vermögensschere in der BRD mit Leistungsorientierung nicht mehr das geringste zu tun.Fünfter Baustein unseres Gesetzentwurfs: Wir fordern einen mittelfristigen Plan zur Überwindung der Erwerbslosigkeit. Dieser Plan soll sehr verbindlich sein. Die Bundesregierung soll angeben, wie sie in einem Zeitraum von etwa fünf Jahren und mit welchen Instrumenten der Arbeitsmarkt-, der Arbeitszeit-und der Wirtschaftspolitik sinnvolle Arbeit für alle Männer und für alle Frauen erreichen will.Mit diesem Gesetzentwurf wollen wir eine neue Grundlage für das wirtschaftspolitische Handeln schaffen. Lassen Sie mich einen letzten Satz sagen: Der Wirtschaftsordnungsrahmen, auf den der Gesetzentwurf gründet, basiert darauf, aß eine effektive Wirtschaft in einer hochindustrialisierten Gesellschaft ohne den Marktmechanismus und ohne Marktsteuerung nicht auskommt. Allerdings ist offenkundig, daß die Marktwirtschaft in der Bundesrepublik allein nicht in der Lage ist, die genannten ökologischen und sozialen Probleme zu lösen.Deswegen sind wir dafür, daß der Markt ohne jeden Dirigismus in die einzelnen Unternehmen hinein durch eine ökologische und soziale Rahmenplanung des Staates und der demokratisch legitimierten Gremien, der Parlamente, ergänzt wird, . . .
Herr Abgeordneter Stratmann.
Ich schließe den Satz mit drei Worten ab:... die indirekten Charakter für die Unternehmen hat und jenseits von staatlichem Dirigismus ist.Ich hoffe, daß wir mit diesem Gesetzentwurf eine breite parlamentarische und öffentliche Debatte über eine ökologische und soziale Wirtschaft auslösen.Ich danke Ihnen.
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18390 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 231. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Oktober 1990
Wenn Sie einmal dafür büßen müssen, daß Sie dem amtierenden Präsidenten nicht immer die volle Wahrheit ankündigen, dann müssen Sie lange büßen, Herr Stratmann-Mertens.
Also, ich möchte alle bitten, auch mit Rücksicht auf die nachfolgenden Tagesordnungspunkte die vorgegebene Redezeit einzuhalten.
Das Wort hat das Herr Abgeordnete Lippold . — Bitte seien Sie beispielhaft.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich finde es eigentlich bedauerlich, Herr Kollege Stratmann, daß, wenn Sie im Ansatz einmal eine relativ gute Idee haben und wenn Sie im Ansatz Lernprozesse vollziehen, das nicht konsequent weitertreiben. Ich freue mich, daß Sie gerade festgestellt haben, daß es ohne Marktsteuerung nicht geht. Das ist für Ihre Partei — ich verfolge die Programme seit Jahrzehnten — wirklich schon ein Lernprozeß. Ich freue mich; das meine ich ganz ehrlich.
Aber trotzdem muß ich manchmal annehmen, daß das eigentlich nur Tarnung ist; denn dann kommen hinterher die Berichte, dann kommen die neuen Gremien, dann kommen die neuen Lenkungsinstitutionen zur Sprache. Dann ist all das, was Sie vorher zur marktwirtschaftlichen Steuerung und zu marktwirtschaftlichen Prozessen gesagt haben, nur noch ganz wenig wert. — Ich sage das einmal so.Der zweite Punkt, der mich ein bißchen irritiert, ist — wir haben gemeinsam darüber viel beraten; wir sind ja bereit, in einigen Punkten nachzudenken, und wir kommen Ihnen da auch entgegen — , daß Sie das Ganze in einen Vorspann, in eine Problemanalyse einbetten, die völlig unzutreffend ist.Wir haben in den elf alten Bundesländern noch nie so viel Beschäftigung gehabt wie heuzutage, und das bei einer Bevölkerung, die gegenüber früher geringer ist. Das sollten Sie einmal sagen, statt hier über die anhaltende Massenerwerbslosigkeit zu reden, die nicht auf die Soziale Marktwirtschaft zurückgeht, sondern allenfalls darauf, daß wir eine Erbauseinandersetzung regeln müssen, die wir nicht zu verantworten haben.
Vierzig Jahre SED/PDS sind nicht vierzig Jahre Soziale Marktwirtschaft. Was von dort auf uns als Hinterlassenschaft zukommt, ist eine völlig andere Problematik, die mit Sozialer Marktwirtschaft überhaupt nichts zu tun hat. Wenn Sie das hier miteinander verquicken, versuchen Sie, einen völlig falschen Eindruck zu erwecken.
Der zweite Punkt ist, daß die wachstumsfixierte Politik im Gegensatz zu dem, was Sie hier dargestellt haben, nicht zu zunehmender Ökologiezerstörung führt — jedenfalls nicht hier.
Auch das können Sie nur sagen, wenn Sie unzulässigerweise vermischen, was wir an Problemen in den fünf neuen Bundesländern qua SED/PDS geerbt haben.In einem Punkt haben Sie wirklich schnell reagiert: Nachdem wir die S02-Belastung runtergefahren haben, haben Sie die Summierung von elf alten und fünf neuen Bundesländern gemacht und gesagt: Jetzt sind wir auf einmal wieder europäisches Hinterland im Umweltschutz. Das aber doch nicht wegen der Marktsteuerung, Herr Stratmann.
— Wissen Sie, was mich bei Ihnen stört? — Es ist ja nicht so, daß Sie das nicht wüßten, sondern Sie sagen das wider besseres Wissen. So dumm sind Sie ja gar nicht. Das ist der Punkt: Sie sagen das wider bessere eigene Erkenntnis. Das muß ich Ihnen vorhalten, und das lasse ich Ihnen, Herr Stratmann, auch nicht durchgehen, damit wir uns da richtig verstehen.Zum Punkt Wirtschaftspolitik im Einklang mit ökologischen Erkentnissen: Machen wir uns doch nichts vor: Das ist das, was wir realisieren, was eine vorsorgeorientierte Umweltschutzpolitik dieser Bundesregierung macht. Ich sage es so, damit Sie das noch einmal hören, weil Sie das sonst nicht akzeptieren.
Wir haben im Rhein über 100 Arten von Kleinlebewesen als Erfolg einer umweltschutzorientierten Gewässerschutzpolitik. Daß wir das in gleichem Maße nicht in der Elbe haben, liegt daran, daß die Oberlieger der Elbe andere als die Oberlieger des Rheins sind. Wenn wir dort eine andere Systemzusammensetzung gehabt hätten, wären wir dort auch schon einen Punkt weiter, Herr Stratmann. Die hatten wir aber nicht. Deshalb müssen wir die Verantwortung genau dahin bringen, wo sie war, Herr Stratmann, und nicht verschweigen, wie Sie das tun.Dann kommen wir natürlich zu einigen Punkten. Ich kann die Verletzung des außenwirtschaftlichen Gleichgewichts beklagen. Daß dies aber natürlich ein Punkt zur Sicherung und Expansion der Beschäftigung ist, Herr Stratmann, weiß natürlich ein gelernter Volkswirt.
— Moment. Dann dürfen Sie aber nicht von Massenerwerbsarbeitslosigkeit sprechen, wenn Sie sagen, daß wir Beschäftigung auf Kosten der Nachbarn realisieren. Für eines müssen Sie sich entscheiden: Entweder Sie wollen mehr Beschäftigung, oder Sie wollen eine andere Politik. Dann müssen Sie das aber ganz klar sagen. Es geht nicht an, daß Sie das nach dem Motto diskutieren: Die werden das schon nicht
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Dr. Lippold
merken. Herr Stratmann, Sie müßten doch wissen, daß wir Ihnen das nicht durchgehen lassen; wir kennen das aus dem Wirtschaftsausschuß. Das können Sie mit Leuten innerhalb Ihrer Gruppierung machen, die die Zusammenhänge nicht kennen oder nicht sehen wollen, aber das machen Sie nicht mit uns. Ich sage ganz deutlich: So läuft dies nicht!
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Stratmann?
Wie üblich: Immer.
Danke schön, Herr Lippold. Nur nebenbei bitte: StratmannMertens.
Ich bin auch nicht immer über Ihre persönlichen Verhältnisse informiert. Nehmen Sie mir das nicht übel!
Daß es eine Spannung zwischen den Zielen der wirtschaftspolitischen Vollbeschäftigung und des außenwirtschaftlichen Gleichgewichts gibt, ist klar. Deswegen spricht man vom „magischen Viereck" oder, was wir fordern, vom „magischen Fünfeck" , das auf das labile und immer wieder herzustellende Gleichgewicht abzielt. Stimmen Sie mir zu, daß die Einführung des Zieles des außenwirtschaftlichen Gleichgewichts gerade unter dem Gesichtspunkt erfolgt ist, die Nationalökonomie so zu gestalten, daß sie mit den Ökonomien unserer Handelspartner verträglich ist, und daß ein dauerhafter struktureller Leistungsbilanzüberschuß praktisch auf den Export der Erwerbslosigkeit in das Gebiet unserer Handelspartner hinausläuft?
Sehr verehrter Herr Stratmann, ich greife das gerne auf, auch wenn mir die Zeit mittlerweile offensichtlich davongelaufen ist.
— Daß er Familie hat, werde ich für die Zukunft lernen. Aber das müßt ihr mir doch jetzt nicht noch einmal sagen.Ich gehe davon aus, daß wir das Problem konsequent an der Wurzel packen. Gestern diskutierte ich mit Ihren Leuten über Tropenwaldzerstörung und über die Schaffung von Arbeitsplätzen in Ländern der Dritten Welt. Dabei sagten die mir immer, dies dürfe man nicht und das dürfe man nicht, weil das dort Eingriffe in Natur und Landschaft seien. Herr Stratmann, wo ist denn da Ihre konsequente Politik, daß die mehr leisten und mehr hierin exportieren können? Dafür tun Sie doch überhaupt nichts. Ganz im Gegenteil: Auf der einen Seite fordern Sie mehr Arbeitsplätze für sie, und wenn wir dabei sind, diese Arbeitsplätze zu realisieren, sagen Sie uns, daß sei eine umweltunverträgliche Politik in den Entwicklungsländern gewesen. Herr Stratmann, Sie müssen sich schon irgendwann einmal entscheiden, was Sie wollen. Es geht nicht, daß Sie auf der einen Seite sagen, das sei zu viel, auf der anderen Seite, bei der nächsten Personengruppe, das sei zu wenig. Auch das lassen wir Ihnen nicht durchgehen, weil das im Grunde eine unehrliche Politik ist, die den Leuten hier das gibt, was Sie dort wollen, während Sie an einem anderen Punkt völlig anders reden.Das ist wie mit Ihrer Umweltschutzdiskussion: Sie wollen auf der einen Seite weniger Schadstoffbelastungen, auf der anderen Seite mehr Kohleeinsatz. Herr Stratmann, das geht nicht. Man kann nicht im Revier mit dem Motto „So hätten wir es hier gerne mit den Arbeitsplätzen" Stimmen fangen wollen und draußen sagen: Wir hätten aber gerne mehr Umweltschutz, und dazu brauchen wir weniger Kohle. — Herr Stratmann, so läuft dies nicht. Jetzt sage ich: Herr Stratmann-Mertens, das werden wir Ihnen auch in Zukunft nachweisen, nur damit wir uns richtig verstehen.
Jetzt kommen wir einmal zu Ihrem Gesetzentwurf: Der Ökologische Rahmenplan sieht die Schrumpfung von besonders umweltschädigenden Produktionsbereichen und die Förderung von Produktionsbereichen vor, die in besonderer Weise dem Schutz der Umwelt dienen. Die Bundesregierung führt im einzelnen aus, mit welchen Maßnahmen diese Ziele erreicht werden sollen. Wie wollen Sie denn an der Konsumentensouveränität vorbei? Wollen Sie sagen: Das wird produziert, dies wird nicht produziert, wieviel wird von dem produziert, was wird von dem anderen produziert? Das können Sie doch gar nicht.
Ich sage das einmal ganz deutlich, weil das mit dem System völlig unvereinbar ist, von dem Sie in diesem schamhaften Verschränkungssatz einführend gesagt haben, daß Sie eigentlich für Marktsteuerung sind.
Wenn Sie für Marktsteuerung sind, dann können Sie das nicht machen. Dann müßten Sie auch einmal ehrlicherweise sagen, wie wir in der EG stehen und daß wir bei unseren Verboten von Schadstoffen, wo es wirklich gefährlich wird — die wir aus Umweltschutzgründen, aus Vorsorgegründen einführen —, in der EG geblockt werden, weil wir eben nicht mehr allein zu entscheiden haben. Auch das verschleiern Sie draußen, und Sie tun so, als sei das alles eine schadhafte Politik der Bundesregierung. Dem ist nicht so.Wenn Sie jetzt zur Sicherung der Erdatmosphäre und zur Abwendung von Klimagefahren einen 15Jahre-Plan wollen, so sage ich Ihnen einmal ganz einfach: Haben Sie eigentlich nicht gelesen, was Ihr Kollege Knabe in der Enquete-Kommission „Vorsorge zum Schutz der Erdatmosphäre" mit uns beraten und einvernehmlich abgestimmt hat? Sie brauchen das hier gar nicht zu fordern. Verwirklichen Sie einmal das, was wir dort gemeinschaftlich erarbeitet haben! Dann brauchen Sie keine neuen Papiere, dann brauchen Sie keine neuen Konstrukte. Dort ist es unter marktwirtschaftlichen und sozialen Gesichtspunkten
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18392 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 231. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Oktober 1990
Dr. Lippold
und unter Berücksichtigung der ökologischen Verträglichkeit gemeinschaftlich diskutiert worden. Aber Sie müssen es lesen, Herr Stratmann, das ist der Punkt. Man muß hier nicht nur schwätzen, man muß auch lesen. Denn es gehört zur Arbeit eines vernünftigen Bundestagsabgeordneten, daß man die Dinge, die in diesem Bereich relevant sind, auch zur Kenntnis nimmt.Das ist ja das Schwierige bei dieser Partei: Die einzigen Ökologen, die Sie haben, schicken Sie auf die Strafbank und bringen Sie nicht mehr in den Bundestag. Die Frau Garbe kommt nicht wieder. Die hat Sachverstand, das stört scheinbar. Der Wilhelm Knabe kommt nicht wieder. Auch der hat Sachverstand, und auch das stört scheinbar.
Ja, ihr Leute, ihr müßt einmal die schicken, die von der Sache etwas verstehen und die das auch umsetzen können, und nicht nur die Stratmann-Versionen, mit denen wir hier nichts anfangen können. Ich sage das einmal so deutlich.
Dann haben Sie in § 17 des Entwurfs, „Beschleunigte Vorbereitung von Investitionsvorhaben" , etwas besonders Schönes. Da führen Sie die selektive Umweltverträglichkeitsprüfung ein, weil Ihre Professoren gar nicht nachvollzogen haben, was wir hier gemeinschaftlich mittlerweile beschlossen haben. Bei Ihnen steht, daß die Leute in den Umweltministerien zunächst prüfen, ob eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt werden soll. Da sollen ein paar Minister prüfen, ob wir dies denn tun. Herr Stratmann, wir sind doch viel weiter. Wir haben das für alles obligatorisch gemacht. Es wird nicht nur gemacht, wenn die Jungs meinen, das sei notwendig, sondern das wird generell gemacht, wenn eingegriffen wird.
Sie müssen Ihren Gesetzentwurf nicht schlampig machen lassen, sondern ihn in sämtlichen Details konsequent durcharbeiten, damit auch etwas Vernünftiges daraus wird! Es geht doch nicht an, daß die von Ihnen beauftragten Experten dann gar nicht wissen, was wir im Bundestag an ganz konkreten Gesetzen für den Umweltschutz beschließen, und Sie lassen sie da einfach so vor sich hin werkeln. Das können wir Ihnen so nicht abnehmen. Das machen wir auch nicht, Herr Stratmann. Wenn schon, dann wird das sauber gemacht.Herr Haussmann hat ja signalisiert, daß wir in der nächsten Legislaturperiode über einige vernünftige Dinge einmal nachdenken werden. Das tun wir auch, weil wir natürlich sehen wollen, daß Wachstum umweltverträglich ist. Das werden wir auch realisieren. Aber ich sage Ihnen bei Ihrer Wachstumsfeindlichkeit eines: Überlegen Sie doch einmal, wie wir das mittlerweile entkoppelt haben! Wie wollen Sie integrierten Umweltschutz eigentlich realisieren, wenn nicht über neue Produktionsanlagen? Neue Produktionsanlagen bekommen wir nur über Wachstum. Und wie sollen wir die Entwicklung in der DDR erreichen? Sie haben da gerade die PDS zitiert. Wenn diese Jungs endlich einmal einen einzigen vernünftigen Satz sagen, werden sie von Ihnen kritisiert. Bei dem ganzen Schwachsinn, den ich von denen vernehme, sagen Sie kein einziges Wort.
Sagen Sie doch einmal: Wie hätten Sie es denn gern? Wenn da einer etwas sagt, was in der Sache falsch ist, dann sagen Sie gar nichts. Wenn einer endlich einmal einen richtigen Satz sagt,
den er übrigens nicht konsequent zu Ende führt, dann sagen Sie: Das ist falsch.
Herr Stratmann, so geht es nicht. Wir werden das vernünftig machen, weil das einer sorgfältigen Aufarbeitung bedarf. Wir nehmen Ihre Vorlage, so wie wir sie mit Ihnen diskutiert haben, als Anregung, denn für sinnvolle Anregungen sind wir immer dankbar. Aber in dieser Form, Herr Stratmann — nein.
Herr Dr. Sperling, Sie haben das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Da trat einmal ein Kanzler an mit einer Regierungserklärung, die sagte, es ginge um das Bewahren der Schöpfung. Wenn ein dafür vernünftiger Beitrag diesem Hause vorgelegt wird, dann ist Feindbildpflege wichtiger als Auseinandersetzung in der Sache, obwohl es in der Tat um ein Kernstück künftiger Politik geht, denn daß es so weitergemacht werden kann wie bisher, auch unter Ihrer Regierung, Herr Lippold, das glauben Sie selber nicht, selbst wenn Sie sich hier so ereifern. Ich halte Sie für seriöser, als Sie sich eben dargestellt haben.
— Vielen Dank, Frau Roitzsch. Das ist wirklich ein Kompliment; ich bedanke mich bei Ihnen.Die Vorgeschichte dieses Gesetzentwurfs zeigt, daß der Gesetzentwurf selber in Beratungen entstanden ist, an denen teilweise alle Parteien dieses Hauses beteiligt waren. Das, Herr Stratmann, will ich Ihnen mitgeben, da Sie uns auch verlassen und folglich nach dem Urteil von Herrn Lippold, sachverständig sind, auf das Sie allerdings in dem Punkt nicht viel geben werden: Sie werden sehen, daß dieses von Ihnen hier mit Ihren Mitstreitern auf den Weg gebrachte Kind sicher nach einem Gestaltwechsel — es wird auch älter werden, und wir werden darüber nachdenken — in der nächsten Legislaturperiode einiges Leben entfaltet. Ich glaube, sogar sagen zu können, ohne irgend jemand anders aus den regierenden Parteien besonders in Anspruch zu nehmen, daß sich der Bundesrat
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Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 231. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Oktober 1990 18393
Dr. Sperlingmit einem gewissen Vergnügen einem solchen Gesetzentwurf stellen wird, und dann wird, wie die Regierung dort auch immer zusammengesetzt sein wird, die Frage einer ökologischen Gestaltung der Wirtschaftspolitik eine bedeutsamere Rolle spielen, als dies hier heute abend der Fall zu sein scheint.Es wird also ein gemeinsames Nachdenken geben. Ich nenne den Namen von Herrn Biedenkopf, weil ich glaube, daß er als Ministerpräsident in Sachsen nichts von dem verraten wird, was er hier vertreten hat, nicht immer unter Zustimmung, aber doch unter beeindruckter Beobachtung durch seine eigene Partei.Der Gesetzentwurf hat — wie soll das anders sein — Stärken und Schwächen. Sei Kernstück ist für mich der Versuch, Politikberatung und politische Berichterstattung über Problembereiche zu koordinieren und das Auseinanderfallen dieser Beratung und der Berichterstattung, wie wir es heute erleben, zu beenden. Es geht gewissermaßen darum, auf rationale Art und Weise in der Berichterstattung und Politikberatung Zielkonflikte aufzuhellen und deutlich zu machen, daß man in diesen Zielkonflikten die ökologisch vernünftigere Entscheidung treffen muß.Das bedeutet eine Herausforderung an die Wirtschaftswissenschaftler, die uns beraten, eine Herausforderung, die dazu führt, daß wir von Wirtschaftswissenschaftlern in Zukunft erwarten, daß sie auf die natürlichen Grundlagen unseres Lebens in ihrer wissenschaftlichen Arbeit mehr Bedacht haben, nicht nur auf die monetären Bewertungen von Wirtschaftsprozessen, daß auch sie begreifen, daß der Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen Aufgabe der Wirtschaft, des Wirtschaftens, der Wirtschaftsprozesse ist.Die damit verbundenen Zielkonflikte sind uns im Grunde genommen in der letzten Woche nach Vorlage des Herbstgutachtens der fünf Forschungsinstitute wieder einmal deutlich geworden, einschließlich des Eingehens auf diese Berichte durch die Regierung. Denn wieder einmal wurden Wachstumszahlen gefeiert, obwohl uns bei unserer Anhörung jeder aus diesen Forschungsinstituten bestätigt hat, daß Wachstum und Wohlstand leider nichts mehr miteinander zu tun haben.In der Tat — ich wiederhole das, vielleicht überflüssigerweise, auch hier — , bedeuten steigende Trinkwasserpreise Wirtschaftswachstum, aber nicht Wohlstandswachstum, bedeutet viel Stau für Automobilisten Wirtschaftswachstum, aber nicht Wohlstandswachstum, und sind steigende Müllberge Ausdruck von Wirtschaftswachstum, aber nicht Ausdruck von Wohlstandswachstum. Man könnte mit diesen Dingen fortfahren, ganze Listen, die deutlich machen, daß wir Wohlstandsminderung durch Wirtschaftswachstum zugleich mitbekommen und wir deswegen das Bejubeln von Wachstumsziffern sein zu lassen haben, weil sich darin sowohl Wohlstandsminderung als auch Wohlstandsverteidigung als auch in einem begrenzten Umfang Wohlstandsmehrung ausdrücken.Nun glaube ich, Herr Stratmann-Mertens, daß in der Begründung Ihres Gesetzentwurfs die Frage nach dem Wirtschaftswachstum und seiner Begrüßbarkeit differenzierter beantwortet worden ist, als Sie es selber vorgetragen haben, denn in der Begründung steht sogar, daß, wenn es unter Beachtung aller ökologischen Gesichtspunkte zu einem Wachstum kommt, dieses keinesfalls verwerfbar ist. Oder wie eine Formulierung von Kurt Biedenkopf lautete: Wenn Intelligenz wächst, sollte man das nicht als ein böses Wachs-turn bestrafen. Das ist ein Wachstum, das wir uns gern leisten können. Ich will jetzt an keinen besonderen Platz gucken, wenn es ums Intelligenzwachstum geht. Es geht uns alle an.
— Herr Jäger, gucken Sie mal in den Spiegel!
Die Herausforderung an die Wirtschaftswissenschaften ist also etwas, was wir dringend brauchen. Die Zusammenführung von Berichtspflichten ist damit etwas, was wir in der Tat unseren Beratungsinstitutionen, dem Sachverständigenrat, aber auch den Berichtsinstitutionen und Anwortinstitutionen wie der Bundesregierung zumuten sollten. Ich sehe mit Interesse der Tatsache entgegen, daß uns Herr Haussmann in der nächsten Wahlperiode dazu ein Stückweit entgegenkommen will.Der Gesetzentwurf, Herr Stratmann-Mertens, hat sicher auch ein paar Schwächen. Zu denen möchte ich einige kurze Punkte anmerken.Nach meinem Eindruck könnte man den Versuch machen, etwas ehrgeiziger zu sein und die Zielbeschreibung des ökologisch gebundenen Wirtschaftens genauer fassen.Ich gebe dazu eine ganz kurze Anregung. Nach den Sachverständigenanhörungen glaube ich, daß man eine ökologische Beschreibung durchaus in einem Gesetzentwurf formulieren könnte, die darauf hinausläuft, daß wir mit einer Minimierung von Rohstoffeinsatz, einer Maximierung von Wiederverwendung und einem Schadstoffausstoß von Null als drei Zielpunkten einer ökologisch verträglichen Wirtschaftsweise arbeiten sollten. Darüber wird zu beraten sein.Wirtschaften ist Stoffwechsel zwischen menschlichen Gesellschaften — global, regional und lokal — und Natur. Diesen Stoffwechsel so zu verändern, daß wir uns gegenseitig nicht mehr schaden, als es gegenwärtig geschieht, sondern viel weniger, darauf käme es an.Um dafür eine Politikberatung zu bekommen, lohnt es auch, neue Gremien zu erhalten.Daß die Gremien, die Sie vorschlagen, wirklich die Leistungsfähigkeit haben, wage ich zu bezweifeln. Ich habe mich einmal sehr eingehend über die Experimente mit Wirtschafts- und Sozialräten in allen europäischen Ländern, die so etwas versucht haben, informiert. Es sind im Regelfall sehr langweilige, konfliktscheue Gremien dabei herausgekommen. Auch die Teilnahme von Regierungsvertretern hat so etwas nicht zu verhindern vermocht.Mehr setze ich also auf Politikberatung durch Wissenschaftler. Die Antworten der Politiker darauf und
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18394 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 231. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Oktober 1990
Dr. Sperling1 die Gremien, die Sie nennen, stehen nicht unter dem Druck der Öffentlichkeit.Aber das, was wir von Wissenschaftlern verlangen müssen, ist ewas Profanes, das Sie eigentlich fordern und das Herr Lippold gern leugnen möchte, nämlich daß der Preismechanismus der Marktwirtschaft in den Dienst der Bewahrung der Schöpfung genommen wird. Wenn man das tun will, könnte man vielleicht ein paar Instrumente — obwohl Sie Scheu gehabt und in der Begründung motiviert haben — hineinschreiben.Ich halte das Einführen eines Begriffs von Ökosteuer als ein Instrument für durchaus vernünftig, das nicht zum Füllen der Staatskasse, sondern dazu dient, das relative Preissystem so zu ändern, daß davon Abstand genommen wird, durch Millionen von Verbrauchern umweltfeindliche, schädliche Produkte kaufen zu lassen.
Ebenso kann man darin Abgaben nennen; ebenso könnte man das Haftungsrecht und dessen Verschärfung nennen.All dies wird das Kalkulieren der Unternehmer in eine Richtung drängen, in der wir es brauchen, damit der Umwelt nicht weiter Schaden geschieht. Ich glaube, an dieser Stelle wäre ein größerer Ehrgeiz sinnvoll, was den Gesetzentwurf angeht.An den Stellen des Hineindringens all der sozialen Probleme, der Vermögensverteilungsprobleme und der Beschäftigungsprobleme bin ich ein wenig skeptisch, ob wir nicht im ersten Anlauf zugleich eine Überfrachtung bringen.Ich gebe zu: Unser Projekt „Arbeit und Umwelt", das nicht nur ein Beschäftigungsprogramm, sondern ein Programmkonzept für eine künftige Wirtschafts-und Sozialpolitik ist, legt den Gedanken nahe, ob man den Trend zu vermehrter Erwerbslosigkeit durch Unterqualifizierung und Überrationalisierung nicht dadurch brechen könnte, daß man den Lohnnebenkostenanstieg insgesamt bremst. Das wird sicher bei den Kollegen von der FDP auf Zustimmung stoßen. Insofern könnte ich mir durchaus ein Zusammengehen vorstellen.
Aber, ich glaube, die Gremien, die Sie in Ihrem Gesetzentwurf genannt haben, sind möglicherweise etwas zu breit angelegt. Vielleicht sollte man diese Bereiche getrennt halten. Aber ich bin in der Frage offen.Ich glaube, der von den GRÜNEN vorgelegte Gesetzentwurf verdient eine sorgfältigere Beratung, als sie jetzt, am Ende der Wahlperiode, möglich ist. Wir werden die sorgfältige Beratung dieses oder eines ähnlichen Gesetzentwurfs in der nächsten Legislaturperiode bekommen. Ich wünsche mir von Herrn Lippold zu Weihnachten, daß er in Zukunft mit Herrn Stratmann-Mertens glimpflicher umgeht. Das würde der Sache sehr dienlich sein.
Das Wort hat der Abgeordnete Funke.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Gesetzentwurf der GRÜNEN zur Förderung der Umwelt- und sozialverträglichen Entwicklung der Wirtschaft soll das Gesetz zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft aus dem Jahre 1967 ablösen, ein Gesetz, das sich zumindest in den rezessiven Phasen der Wirtschaft durchaus bewährt hat. Dieser Gesetzentwurf ist die Konsequenz daraus, daß der ursprünglich von den GRÜNEN, der SPD und auch Teilen der CDU erfolgte Versuch der Novellierung des Stabilitätsgesetzes durch Aufnahme eines jährlichen Berichts über ökologische Folgekosten, Aufnahme der Umwelt in den Zielkatalog des Stabilitäts- und Wachstumsgesetzes und die Verpflichtung des Sachverständigenrats zur Einbeziehung der Umweltpolitik in das Jahresgutachten sich zu Recht nicht hat durchsetzen können. Der Versuch ist vor einem Jahr praktisch gescheitert.Der Gesetzentwurf der GRÜNEN liest sich — zumindest in der Präambel wenigstens in Teilen — als Bekenntnis zur Marktwirtschaft. Insoweit kann man Ihren Gesetzentwurf begrüßen. Tatsächlich folgen jedoch die Pferdefüße dem lyrischen Bekenntnis zur Marktwirtschaft auf dem Fuße. Die Ziele und Instrumente einschließlich der Institutionen des Stabilitätsund Wachstumsgesetzes werden verändert. Das Ziel, stetiges und angemessenes Wachstum sowie die Verpflichtung der Wirtschaftspolitik auf den Rahmen der marktwirtschaftlichen Ordnung zu sichern, soll nach Ihren Vorstellungen entfallen. Damit rührt der Entwurf an den Grundsätzen unserer freiheitlichen, sozialen, marktwirtschaftlichen Ordnung.
— Lassen Sie mich doch den nächsten Satz sagen, dann werden Sie sehen, auf was ich hinaus will.Dabei verkennen die GRÜNEN, daß nur bei einem stetigen Wachstum die wirtschaftlichen und die finanziellen Rahmenbedingungen gegeben sind, um auch die wünschenswerten umweltpolitischen Maßnahmen umsetzen zu können.
Wenn schon an der marktwirtschaftlichen Ordnung gerüttelt wird, dann natürlich mit den üblichen sozialistischen Marterwerkzeugen, die Sie sich noch nicht haben abgewöhnen können:
mit ständig neuen Berichten, zusätzlichen Kommissionen und vorgegebenen Planungsdaten. So soll die Bundesregierung neben ihrem Jahreswirtschaftsbericht einen Umweltbericht, einen Arbeitsmarktbericht, einen Bericht zu den ökologischen Folgekosten des Wirtschaftens sowie einen Armuts- und Reich-
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Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 231. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Oktober 1990 18395
Funketumsbericht vorlegen. Dazu kommen Subventionsberichte des Bundes und der Länder alle zwei Jahre.
Die Bundesbank wird zusätzlich zur Erreichung der genannten Ziele eingespannt und muß dem Bundestag Rechenschaft ablegen.
Die Unabhängigkeit der Bundesbank ist Ihnen offensichtlich völlig schnurz. Die stellen Sie nämlich zur Disposition. Die mittelfristige Finanzplanung soll ausgebaut werden, mehrjährige Investitionsprogramme von Bund und Ländern sollen aufgelegt und zusätzliche Umweltverträglichkeitsprüfungen vorgenommen werden.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Stratmann?
Ja bitte, natürlich.
Herr Abgeordneter Stratmann.
Herr Kollege Funke, unser Gesetzentwurf betont ausdrücklich — auch noch einmal ausführlich in der Begründung — die notwendige Unabhängigkeit der Bundesbank gegenüber politischen Eingriffen von außen. Was allerdings die Rechenschaftspflichtigkeit der Deutschen Bundesbank gegenüber dem Parlament anbetrifft, die Sie gerade attackiert haben: Ist Ihnen bekannt, daß bei der Diskussion über die Einrichtung einer Europäischen Zentralbank im Rahmen der EG gerade sowohl die EG-Kommission als auch das Europäische Parlament eine solche Rechenschaftspflichtigkeit einer zu schaffenden Europäischen Zentralbank gegenüber dem Europäischen Parlament einfordern?
Das ist mir bekannt, natürlich; denn auch ich lese genauso wie Sie Zeitungen. Mir ist nur sehr, sehr wichtig, daß wir die Unabhängigkeit der Bundesbank, die wir haben und mit der wir seit Jahrzehnten beste Erfahrungen gemacht haben, erhalten und in Zukunft eine solche Unabhängigkeit möglichst auch im europäischen Bereich haben werden. Auch eine europäische Zentralbank sollte gegenüber Regierungen und Parlamenten unabhängig sein.
Ich habe die zahlreichen Planungsmechanismen aufgeführt. Hinzu kommen mittelfristige Arbeitsmarktprojekte und mittelfristige ökologische Rahmenpläne. Aus Vertretern der öffentlichen Hand soll ein Wirtschafts-, Umwelt- und Sozialausschuß gebildet werden, der monatlich zusammentritt. Hinzu kommt die Forderung nach Bildung eines Konjunkturrats.
All das dient doch nicht der Verbesserung der Umwelt, sondern allenfalls der Aufblähung der öffentlichen Verwaltung und hat mit effektiver Verwaltung und Kontrolle durch die Parlamente überhaupt nichts mehr zu tun. Dabei wird völlig vergessen, daß die Soziale Marktwirtschaft ihre Erfolge gerade daraus ableitet, daß der Staat nur dann eingreift, wenn es unbedingt erforderlich ist, und dann auch entsprechende ordnungspolitische Rahmenbedingungen setzt.
Hiermit sind wir in der Vergangenheit gut gefahren. Ich bin daher nicht bereit, hiervon wesentlich abzuweichen. Es besteht überhaupt kein Anlaß, diese Ordnung zu verlassen.
Die GRÜNEN streben letztlich eine Transformation der Sozialen Marktwirtschaft in eine stärker durch Rahmenplanung und Staatsintervention gekennzeichnete gemischte Wirtschaftsordnung an.
Das ist nicht unsere Ordnung, und deswegen werden wir sie auch ablehnen. Das geht weit über eine grundsätzlich mögliche systemkonforme Novellierung des Stabilitäts- und Wachstumsgesetzes hinaus.
Dazu ist im einzelnen folgendes auszuführen:
Erstens. Der im Gesetzentwurf vorgesehene Wegfall der Verpflichtung der Wirtschaftspolitik auf den „Rahmen der marktwirtschaftlichen Ordnung" — so wie es im Stabilitätsgesetz steht — und die verstärkte Einführung staatlicher und gesellschaftlicher Steuerungsmechanismen widersprechen diametral den ordnungspolitischen Grundvorstellungen, die auf Stärkung der Marktkräfte und Abbau staatlicher Regulierungen und Interventionen gerichtet sind.
Zweitens. Die vorgesehene Streichung des Ziels „stetiges und angemessenes Wirtschaftswachstum" resultiert aus der Konstruktion eines Gegensatzes zwischen Wirtschaftswachstum und Verbesserung der Umweltverhältnisse. Dabei wird der enge Zusammenhang zwischen Wachstum und den anderen formulierten Zielen verkannt: Ohne Wirtschaftswachstum sind Erfolge im Umweltschutz ebensowenig zu erwarten wie in der Arbeitsmarkt- und Einkommenspolitik. Nicht umsonst sind wir in der Welt, was Umweltschutzmaßnahmen angeht, führend; denn wir sind eine der reichsten Nationen der Welt.
Drittens. Der Gesetzesvorschlag verfolgt den Gedanken einer koordinierten Rahmenplanung von Bund, Ländern und Gemeinden in einer so intensiven Form, daß daraus Tendenzen in Richtung einer zentralen Planwirtschaft entstehen. Ein wucherndes Berichtswesen, ausufernde Rahmenpläne und überhandnehmende Institutionen hätten zur Folge, daß massive Verletzungen des Subsidiaritätsprinzips und eine Aushöhlung der Autonomie von Ländern und Gemeinden und natürlich auch der Bundesbank mit größter Wahrscheinlichkeit erfolgen würden.
Viertens. Die vorgesehene erhebliche Erweiterung und Intensivierung des konjunkturpolitischen Instrumentariums widersprechen der Erkenntnis, daß der konjunkturpolitischen Feinsteuerung und der daraus abgeleiteten Strategie der mittelfristigen Verstetigung der Wirtschafts- und Finanzpolitik enge Grenzen gesetzt sind. Im übrigen sind in den Instrumenten finanzverfassungsrechtlich problematische Finanzverlagerungen vom Bund auf die Gemeinden angelegt.
18396 Deutscher Bundestag — 11.Wahlperiode — 231. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Oktober 1Q90
Funke
Fünftens. Der geforderte Wirtschafts-, Umwelt- und Sozialausschuß dürfte sich nach kurzer Zeit vor ähnliche Probleme gestellt sehen wie die „Konzertierte Aktion" in den 70er Jahren.
Sechstens. Die Erstellung umfassender Berichte über die ökologischen Folgekosten des Wirtschaftens ist derzeit nicht möglich, weil eine umfassende Einbeziehung der Umweltveränderungen in die volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen bislang an den unlösbaren statistischen und methodischen Problemen scheitert. Das Statistische Bundesamt hat darauf hingewiesen. Es gibt sich große Mühe. Sie kennen das Schreiben vom Herrn Präsidenten Hölder.
Nach allem stellt der Gesetzentwurf keinen Beitrag zur Verbesserung der Umwelt dar. Wir werden ihn daher ablehnen. Ernsthaft glauben ja wohl auch die GRÜNEN nicht, daß dieser Entwurf jemals Gesetz wird; denn sonst hätten sie diesen Gesetzentwurf schon viel früher eingebracht, nicht aber in der vorletzten Sitzungswoche.
Dies ist alles nur Aktionismus.
Danke.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Steinitz.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! In dem vorliegenden Gesetzentwurf werden meiner Meinung nach wichtige Zukunftsprobleme der Menschheit aufgegriffen. Ich hoffe, Herr Stratmann-Mertens wird nicht allzu überrascht sein, wenn ich trotz seiner Kritik sage, daß wir mit dem Anliegen und der Zielsetzung dieses Gesetzentwurfs übereinstimmen. Zu einigen Problemen und speziell auch zu dieser Kritik werde ich dann noch etwas sagen.
Die Dringlichkeit eines grundlegend neuen Herangehens an die Wirtschafts-, Finanz- und Beschäftigungsprobleme wird, glaube ich, immer offensichtlicher. Solche Tatsachen wie die hohe Belastung der Bevölkerung durch gesundheitsschädigende Umweltbelastungen, das Weiterbestehen von Massenarbeitslosigkeit in den alten Bundesländern und das dramatische Anwachsen der Arbeitslosigkeit in den ostdeutschen Ländern, die weltweit drohende Klima-und Ökologiekatastrophe, das wachsende Auseinanderklaffen von arm und reich durch den Verteilungsmechanismus von Einkommen und Vermögen, das Nord-Süd-Gefälle — dieser Konflikt nimmt zu; gerade das letzte Jahrzehnt wird ja allgemein als für die Lösung der Probleme der Entwicklungsländer verloren angesehen — unterstreichen Aktualität und Dringlichkeit neuer Lösungen, neuer Denkansätze und konstruktiver Überlegungen.
Das gilt vor allem für den Grundsatz, daß auf allen Feldern und Ebenen der Wirtschaftspolitik Wachstum, Ökologie und soziale Aufgaben ein einheitliches Ganzes bilden sollten und als solches aufzufassen sind. Das heißt, daß ökologische Notwendigkeiten und soziale Erfordernisse weder gegeneinander ausgespielt noch durch wirtschaftliche Effizienz einseitig dominiert werden dürfen.
Aber hier komme ich zu einem Problem, das, glaube ich, nicht so einfach zu lösen ist: zu dem Konflikt, zu dem widerspruchsvollen Spannungsverhältnis zwischen ökonomischen Entwicklungsprozessen, Wachstum und Ökologie. Natürlich stimmt es einerseits, daß zur Lösung der Umweltprobleme bedeutende materielle und ökonomische Potentiale notwendig sind, die durch ein effizientes Wirtschaften, auch durch Wirtschaftswachstum zu sichern sind. Andererseits — da stimme ich Herrn Stratmann-Mertens voll zu — ist natürlich durch ökonomisches Wachstum die Umweltproblematik nicht zu lösen. Ich stimme auch damit überein, daß der Begriff „qualitatives Wachstum" zwar einige neue Überlegungen und Tendenzen aufgreift, aber noch nicht ausreicht und daß wir weiter in der Richtung nachdenken müssen, wie ein ressourcensparendes, ökologiefreundliches Wachstum bzw. eine entsprechende Entwicklung diesen Anforderungen Rechnung tragen kann.
Aber ich möchte auf einen zweiten Punkt hinweisen; den haben Sie, Herr Stratmann-Mertens, leider nicht berücksichtigt. Man kann den Zusammenhang zwischen Wirtschaftswachstum und ökologischen Erfordernissen doch nicht losgelöst vom Entwicklungsniveau betrachten, das ein Staat, eine Volkswirtschaft erreicht hat.
Nehmen wir die beiden Volkswirtschaften, die jetzt mit riesigen Problemen zusammenwachsen, die auf vielen Gebieten liegen. Eines dieser Probleme betrifft das Sozialprodukt. So problematisch es auch als Bemessungsgrundlage sein mag, gibt es doch eine gewisse Auskunft über den erreichten Entwicklungsstand. Wenn das Sozialprodukt der ehemaligen DDR pro Kopf nur etwa 50 % desjenigen der Bundesrepublik beträgt, so bleibt natürlich die Frage offen, wie eine Angleichung des Entwicklungsniveaus ohne Arbeitslosigkeit und ohne Wirtschaftswachstum erreicht werden soll.
Die Arbeitsproduktivität wird steigen. Das ist eine Voraussetzung für die Einkommenserhöhung. Wenn das Niveau der Arbeitsproduktivität der BRD etwa erreicht würde, gäbe es eigentlich nur zwei Konsequenzen, zum einen weniger Beschäftigung, wenn ich einmal von Verkürzung der Arbeitszeit absehe, oder Konsequenzen für ein entsprechend relativ hohes Wirtschaftswachstum.
Ich bin der Meinung, diese Fragen müssen doch etwas tiefer durchdacht werden, und die widersprüchlichen Beziehungen müssen berücksichtigt werden.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Klejdzinski? — Bitte, Herr Dr. Klejdzinski.
Herr Kollege, Sie haben vom Bruttosozialprodukt der alten DDR gesprochen und bringen es in einen Vergleich zu unserem Bruttosozialprodukt. Darf man Sie denn fragen, ob sich nicht das Bruttosozialprodukt der alten DDR durch die so-
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Dr. Klejdzinskigenannte verdeckte Arbeitslosigkeit in einem hohen Maße aufgebläht hat und dann doch nicht mit unserem Bruttosozialprodukt so vergleichbar ist wie das Bruttosozialprodukt anderer Länder?
Wissen Sie, wir haben schon einige Korrekturen vorgenommen. Das hat doch mit dem jetzigen Problem eigentlich gar nichts zu tun. Wenn das stimmte, was Sie jetzt sagen, wäre das Problem ja nur noch zugespitzter.
Es gab ja Einschätzungen des Bruttosozialprodukts, des ökonomischen Niveaus, die davon ausgingen, daß die DDR etwa 80 % des Niveaus der Bundesrepublik erreicht hat.
— Ich spreche jetzt über offizielle Verlautbarungen in der DDR-Literatur.
Übrigens möchte ich Sie darauf aufmerksam machen, Herr Kollege, daß ich mich vor mehr als fünf Jahren damit in der Literatur kritisch auseinandergesetzt und unter den Bedingungen, die es damals bei Publikationen gab, versucht habe, nachzuweisen, daß der Ausweis des Nationaleinkommens im Widerspruch zu den realen Ergebnissen steht und überbewertet ist und daß andere Kriterien der Bewertung der Leistung einer Volkswirtschaft zugrunde gelegt werden müssen.
Ungeachtet der Übereinstimmung mit dem Anliegen und den Zielsetzungen des Gesetzentwurfs ist es unseres Erachtens notwendig, bei der weiteren Arbeit am Gesetz einige Komplexe stärker und differenzierter auszugestalten. Ich möchte auf einige hinweisen.
Das betrifft zum ersten die Maßnahmen und Instrumentarien für eine wirksame Beschäftigungspolitik und für eine sozial gerechtere Einkommens- und Vermögensverteilung. So ist es sicher notwendig, bei den vorgesehenen mehrjährigen Investitionsprogrammen nicht nur die angestrebten Umweltqualitätsziele zu prüfen, wie es im Gesetzentwurf heißt, sondern in diese Prüfung auch Beschäftigungseffekte und Einkommen einzubeziehen.
Zugleich halten wir es für erforderlich — ich glaube, auch da gibt es Übereinstimmung — , daß solche wichtigen Komplexe in die Arbeitsgestaltung und Wirkungen auf die Gleichstellung der Frauen im Arbeitsleben in ein Gesetz, das sich mit ökologischen und sozialen Fragen des Wirtschaftens befaßt, einbezogen werden müssen.
Vielleicht ist es auch richtiger, zu sagen: Es geht um ein neues Konzept, das mehr in Richtung eines ökologisch und sozial bestimmten Entwicklungsprozesses liegt und das nicht als Wachstumskonzept vorwiegend die quantitative Entwicklung sehr stark in den Vordergrund stellt.
Zweitens werden im ökologischen Rahmenplan zwar Maßnahmen der Abfallvermeidung verlangt; das Recycling findet jedoch weder im Gesetzentwurf noch in der Begründung einen Platz. Wir halten es aber für ökonomisch und ökologisch unabdingbar, nach der Priorität der Abfallvermeidung als erster
Aufgabe, aber vor der Deponierung von Abprodukten deren Aufbereitung und Wiederverwendung zu setzen.
Drittens halten wir es für erforderlich, über eine Reihe weiterer volkswirtschaftlicher Prioritäten und Zielsetzungen nachzudenken und sie im Gesetz verbindlicher bzw. konkreter zu verankern.
Welche Komplexe sind bei einer ökologisch-sozial determinierten Entwicklung vor allem wesentlich? Unseres Erachtens geht es primär um alle Fragen, die mit dem Energiekonzept verbunden sind, d. h. um Energieeinsparung, regenerative Energiequellen u. a., und um alle Fragen, die mit dem Transportproblem verbunden sind: eine starke Förderung des öffentlichen Gütertransportverkehrs und eine Verbesserung des Verhältnisses zwischen Straße, Schiene und Schiff sind erforderlich. Diese Komplexe sollten unserer Meinung nach unbedingt in ihren Grundzusammenhängen mit einer ökologisch und sozial bestimmten Wirtschaft verbunden werden.
Einen vierten zu ergänzenden Punkt sehen wir darin, im Zusammenhang mit dem sozialen und ökologischen Umbau der Wirtschaft unerläßliche Maßnahmen für die weitere Landwirtschaftsentwicklung in das Gesetz aufzunehmen. Die jetzige Situation ist bekanntlich gekennzeichnet durch umweltschädigende Intensivierungsprozesse zur Steigerung der pflanzlichen und tierischen Produktion, Flächenstillegung, Produktionsquoten und Nahrungsmittelvernichtung bei gleichzeitigem Hunger in weiten Teilen der Welt. Hierzu bedarf es auch dringend sozialer und ökologischer Veränderungen. Als Stichpunkte seien hier nur ressourcensparende Feldbau- und Tierproduktionssysteme in Verbindung mit ökologiegerechtern Wirtschaften und landschaftspflegerischen Maßnahmen genannt.
Fünftens. Der angestrebte soziale und ökologische Umbau der Wirtschaft kann nicht erfolgen, ohne daß Umwelterziehung und Umweltbildung im gesamten gesellschaftlichen Leben einen höheren Stellenwert bekommen. Gerade die Orientierung auf Energieeinsparung und die Bevorzugung des öffentlichen Personen- und Güterverkehrs sind nicht allein durch ökonomische Instrumentarien im notwendigen Maße zu erreichen, sondern setzen in bedeutendem Maße auch umweltbewußtes Denken und Verhalten voraus. Ich erinnere nur an die nicht nachlassende Auto-Euphorie, wozu es eben dringend in der ganzen Öffentlichkeit Überlegungen bedarf, damit es nicht zu katastrophalen Folgen kommt.
Ausgehend hiervon sind wir der Meinung, daß es notwendig und wichtig ist, die Probleme, die mit diesem Gesetzentwurf verbunden sind, gründlich zu beraten. Wir stimmen der Überweisung des Gesetzentwurfs an die Ausschüsse zu.
Das Wort hat der Parlamentarische Staatssekretär Beckmann.
Verehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen! Meine Herren! Die Zielsetzung
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18398 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 231. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Oktober 1990
Parl. Staatssekretär Beckmanndes Antrags der Fraktionen DIE GRÜNEN/Bündnis 90 ist richtig. Dieses Ziel verfolgt auch die Politik der Bundesregierung. Das Instrument allerdings, der vorgelegte Entwurf eines Gesetzes für eine ökologischsoziale Wirtschaft, ist völlig untauglich und würde eher das Gegenteil bewirken.
Umweltziele, Herr Kollege Stratmann, werden nicht dadurch erreicht, daß wirtschaftliches Wachstum verhindert wird. Der Kollege Dr. Lippold hat das eben sehr überzeugend und zutreffend dargelegt.
Meine Damen und Herren, wir brauchen Wirtschaftswachstum; denn Wirtschaftswachstum bedeutet mehr Beschäftigung, mehr Wohlstand, mehr Mittel zur Lösung struktureller und sozialer Konflikte, schnellere Hilfe beim ökonomischen und ökologischen Aufbau der neuen Bundesländer, überhaupt mehr Möglichkeiten zur Verbesserung der Umweltsituation.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Ich möchte eigentlich meine Gedanken erst einmal darlegen, Frau Präsidentin, denn ich kann mir vorstellen, daß der Kollege Stratmann-Mertens dann keinen Fragebedarf mehr hat.
Hervorragend. Ansonsten kommen Sie dann wieder, Herr Stratmann-Mertens.
Ich denke, diese Politik der Koalition ist überaus erfolgreich gewesen. Sie hat in den vergangenen acht Jahren mehr als zwei Millionen neue Arbeitsplätze geschaffen, und wir haben mit mehr als 28 Millionen unselbständig Beschäftigten mehr als jemals zuvor seit Bestehen der Bundesrepublik in Lohn und Brot. Das alles bei absolut verbesserten Umweltbedingungen.
Meine Damen und Herren, ohne Wirtschaftswachstum sind Erfolge in der Umweltpolitik ebensowenig denkbar wie in der Beschäftigungs- oder Sozialpolitik. Dies zeigt nicht zuletzt ein Blick auf die Situation in Mittel- und Osteuropa und auch in der DrittenWelt.
Je geringer das Wirtschaftswachstum und die Einkommenszuwächse pro Kopf sind, desto geringer ist auch die Bereitschaft, Teile des Einkommens auch für den Schutz der Umwelt auszugeben, desto langsamer setzen sich neue, ressourcenschonende und umweltverträgliche Produkte und Produktionsverfahren durch, und desto weniger ist auch der Staat — das gilt für Bund, Länder und Gemeinden — in der Lage, die nötigen Maßnahmen zum Umweltschutz und für die Umweltvorsorge zu finanzieren.
Ich will in diesem Zusammenhang, liebe Kolleginnen und Kollegen, auch einmal daran erinnern, daß unsere Unternehmen, unsere Steuerzahler und auch diejenigen, die die Stromrechnungen zu bezahlen haben, nämlich alle unsere Bürger, in den vergangenen zehn Jahren weit mehr als 20 Milliarden DM in der Kohleverstromung für den Umweltschutz eingesetzt haben, und zwar zur Rauchgasentschwefelung, zur Entstaubung und zur Entstickung. Das sind die großen umweltpolitischen Erfolge unserer Politik,
die wir durch das Bundes-Immissionsschutzgesetz und die Großfeuerungsanlagen-Verordnung erreicht haben.
In diesem Zusammenhang möchte ich einmal ein Wort an Herrn Steinitz von der Gruppe der PDS richten. Herr Steinitz, ich muß Ihnen ehrlich sagen: Was Sie hier ausgeführt haben, ist in der Tat unverfroren. Sie haben Ihre Firma von „SED" in „PDS" umgegründet und machen uns jetzt umweltpolitische Vorhaltungen.
Sie haben doch den Bürgern der DDR diese unglaublichen Umweltbelastungen hinterlassen: Wismut, Bitterfeld und die Braunkohlegebiete.
Das sind doch die Fragen, die wir jetzt mit den Mitteln der Steuerzahler in Höhe von x Milliarden zu lösen haben, und sie stellen sich hier hin und markieren den Saubermann. Ich halte das wirklich für unverfroren.
Meine Damen und Herren, wir brauchen Wirtschaftswachstum und umweltpolitische Rahmenbedingungen, die dafür sorgen, daß das Wirtschaftswachstum so umweltverträglich wie möglich stattfindet.
Herr Staatssekretär, Herr Stratmann-Mertens meldet sich zu einer Zwischenfrage.
Ich glaube, er wird von dem, was ich noch sage, profitieren können. Vielleicht können wir zum Schluß diskutieren.
Zum Schluß, das mache ich heute abend nicht noch einmal mit.
Ich bleibe dabei, Frau Präsidentin.
Jetzt keine Zwischenfrage.
Dabei, meine Damen und Herren, strebt das Stabilitäts- und Wachstumsgesetz keineswegs ein maximales, sondern ein angemessenes Wachstum an, das natürlich auch unter Berücksichtigung anderer, auch ökologischer Ziele zu bewerten ist. Wirtschaftswachstum braucht keineswegs gleich-
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Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 231. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Oktober 1990 18399
Parl. Staatssekretär Beckmannbedeutend mit mehr Umweltschädigungen sein. Es kann und soll vor allen Dingen — das ist die Philosophie der Bundesregierung — qualitatives Wachstum sein. Das heißt Strukturwandel zugunsten umweltfreundlicher und damit höherwertiger Produkte und Dienste. Daß dies möglich ist, zeigen unsere Erfolge der letzten Jahre.
Wir haben in dieser Zeit in der Umweltpolitik, glaube ich, wirklich Wegweisendes erreicht. In der Luftreinhaltepolitik — das will ich hier ausdrücklich sagen — hat die Bundesregierung in Europa eine Vorreiterrolle übernommen.
Die deutsche Initiative, Herr Stratmann, hat dazu beigetragen, Grenzwerte für schadstoffarme Kraftfahrzeuge auch in der Europäischen Gemeinschaft einzuführen.
Bei Großfeuerungsanlagen haben wir eine drastische Verminderung der Emissionen erreicht. Die Sanierung von Altanlagen wurde beschleunigt. In keinem anderen Land, meine Damen und Herren, der Europäischen Gemeinschaft gibt es heute einen höheren Anteil an Pkw mit Dreiwegekatalysator, einen höheren Verbrauchsanteil an bleifreiem Benzin, mehr Rauchgasentschwefelungsanlagen und Entstickungsanlagen als in der Bundesrepublik Deutschland.
In der Gewässerschutzpolitik haben wir eine Spitzenstellung. Ich finde, wenn man so viele Erfolge hat, dann darf man auch einmal darüber reden.
Meine Damen und Herren, diese umweltpolitischen Erfolge wurden erreicht, nicht obwohl, sondern weil wir gleichzeitig eine erfolgreiche Wirtschaftspolitik für mehr Wachstum und für mehr Strukturwandel gemacht haben. Diese Politik, d. h. Rahmenbedingungen für die Wirtschaft und die Umwelt gleichzeitig zu verbessern, werden wir auch in der Zukunft fortsetzen.Zum Beispiel die Entwürfe zur Verringerung des Verpackungsmülls werden innerhalb der Bundesregierung zur Zeit abgestimmt. Eine Strategie für Klimaschutz wird erarbeitet. Die Konzeption für Bodenschutz ist für die nächste Legislaturperiode angestrebt. Das, meine Damen und Herren, ist unsere Politik für eine umweltverträgliche Wirtschaftsentwicklung.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, damit der Rang der Umweltpolitik deutlich wird, wollen wir den Umweltschutz möglichst bald als Staatsziel im Grundgesetz festschreiben.
Dies ist ein deutlicheres politisches Signal als die Aufnahme in den Zielkatalog eines noch so wichtigen, wie die GRÜNEN es meinen, wirtschaftspolitischen Spezialgesetzes.Mit einer Novellierung des Stabilitäts- und Wachstumsgesetzes
— mit einer Novellierung, Herr Stratmann, dieses Gesetzes — allein wird die Umwelt nicht besser. Das Stabilitätsgesetz ist der Instrumentenkasten für Konjunkturpolitik. Die Bundesregierung ist in den letzten Jahren bewußt von einer Politik der konjunkturellen Feinsteuerung weggegangen und hat auf eine Verstetigung der Wirtschaftspolitik gesetzt. Damit, glaube ich, sind wir gut gefahren.Trotzdem — das will ich zugestehen — müssen wir das konjunkturpolitische Pulver trocken halten. Das heißt, wir brauchen auch die Möglichkeit, in einer Rezession, die irgendwann eintreten kann, auch wenn sie derzeit Gott sei Dank nicht zu sehen ist, schnell konjunkturell wirksame Maßnahmen zu ergreifen.Solche Maßnahmen — ich glaube, da sind wir uns alle einig — müssen auch nach geltendem Recht umweltpolitische Standards erfüllen. Allerdings, Herr Stratmann, der von der Fraktion der GRÜNEN geforderte Wirtschafts-, Umwelt- und Sozialrat mit Initiativrecht ist ein zusätzliches und überflüssiges Gremium, das zudem die Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten bisheriger wichtiger Gremien und Institutionen aushöhlt.Der ökologische Rahmenplan, von dem Sie sprechen, wäre ein Mammutwerk der Wirtschaftsbürokratie, das allen Grundsätzen der Selbstverantwortung der Unternehmen in einer Marktwirtschaft widersprechen würde.
Es ist im übrigen auch nicht einzusehen, warum wir den Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung in einen Rat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen und ökologischen Entwicklung umfunktionieren sollten, weil wir für die Begutachtung der ökologischen Entwicklung ohnehin bereits den Sachverständigenrat für Umeltfragen haben.
Wenn Sie ausdrücklich die Verpflichtung der Wirtschaftspolitik auf den Rahmen der marktwirtschaftlichen Ordnung aus dem Stabilitäts- und Wachstumsgesetz streichen wollen, so beweist das nach unserer Auffassung ein völliges Unverständnis dafür, daß die Soziale Marktwirtschaft diejenige ökonomische Ordnung ist, die einer freiheitlich-demokratisch verfaßten Gesellschaft mit Abstand am besten dient.
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18400 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 231. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Oktober 1990
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Rede von: Unbekanntinfo_outline
Im Interesse der Wirtschaft und der Umwelt wollen wir, die Bundesregierung und die sie tragenden Koalitionsfraktionen, die Politik zur Verbesserung von Rahmenbedingungen für Wirtschaft und Umwelt fortsetzen. Damit erreichen wir beide Ziele besser als mit einem bürokratischen Planungsinstrumentarium, wie es der Gesetzentwurf der GRÜNEN vorsieht.
Vielen Dank.
Meine Damen und Herren, ich schließe die Aussprache.
Der Ältestenrat schlägt Überweisung der Vorlagen auf den Drucksachen 11/7607 und 11/8170 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vor. — Ich sehe keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 13 auf:
Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes
— Drucksache 11/6712 —
Nach einer Vereinbarung im Ältestenrat sind für die Beratung 30 Minuten vorgesehen. — Auch dagegen erhebt sich kein Widerspruch. Es ist so beschlossen.
— Die Vorlage ist vom Bundesrat eingebracht.
— Das obliegt nicht dem Deutschen Bundestag, aber Sie können das gern beanstanden und Ihrer Landesregierung weitersagen.
Meine Damen und Herren, ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Lambinus.
Liebe Frau Präsidentin! Meine Kolleginnen und Kollegen! Wir debattieren heute den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des BundesImmissionsschutzgesetzes, den die Bundesländer im Dezember 1989 einstimmig beschlossen haben und der seit Mitte März dieses Jahres als Drucksache vorliegt.Dabei geht es um gesetzliche Regelungen zum Lärmschutz bei der Nutzung von bestimmten Sportfreianlagen, die nach einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes zur Bezirkssportanlage in Hamburg-Tegelsbarg notwendig wurden.Obwohl nach dem Muster des Tegelsbarg-Urteils inzwischen fast ständig neue Urteile ergehen, in denen die völlige oder teilweise Stillegung von Sportanlagen aus Lärmschutzgründen verlangt wird, hat der Bundestag lange gezögert, diese Initiative des Bundesrats, hinter der besonders die Länder Hamburg, Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz stehen, auf die Tagesordnung zu setzen.Die Bundesratsinitiative beinhaltet zum einen eine deutliche Verbesserung des Beurteilungsmaßstabes für die noch hinzunehmenden Geräusche von Sportanlagen. Statt auf die „erhebliche Belastung der Anlieger" wird auf die gesundheitliche Gefährdung der Nachbarn abgestellt. Sie beinhaltet eine entsprechende Änderung des Zivilrechts und ermöglicht damit den Erlaß von einer Sportstätten sichernden und nicht einer Sportstätten vernichtenden Rechtsverordnung.Wir haben die erste Lesung der Bundesratsinitiative zum gegenwärtigen Zeitpunkt beantragt, weil wir uns zwischenzeitlich mit dem Entwurf einer SportstättenLärmschutzverordnung des Bundesministers für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit konfrontiert sahen, die den für den Sport katastrophalen Zustand noch weiter verschlimmern würde.
— Aber nicht so, Herr Kollege. Das wissen Sie doch ganz genau.Nach den Maßstäben dieses Verordnungsentwurfes wären fast alle wohnnahen Sportstätten bestandsgefährdet. Während der Ruhezeiten, die dieser Entwurf verlangt — morgens und abends und an Sonn- und Feiertagen auch mittags — ergibt sich z. B. die Forderung nach Abstand eines Sportplatzes vom Rande eines reinen Wohngebietes von 400 Metern und vom Rande eines allgemeinen Wohngebietes von 240 Metern. Während der normalen Tageszeiten bleiben nur Entfernungen von mehr als 240 Metern beim reinen Wohngebiet und 140 Metern beim allgemeinen Wohngebiet unbeanstandet. Handelt es sich um Sportarten mit größerer Zuschauerzahl, vergrößern sich diese Werte.Dieser Entwurf, Herr Staatssekretär, ist offensichtlich von Leuten erstellt worden, die dann Zeit haben, Sport zu treiben, wenn normale Menschen dem Broterwerb nachgehen müssen. Aus diesem Grunde ist dieser Verordnungsentwurf von allen Beteiligten, insbesondere von den Sportverbänden, aber auch von den Verbänden des Naturschutzes, scharf kritisiert worden. Auch der Sportausschuß dieses Hauses hat diesen Verordnungsentwurf einhellig — Herr Kollege Brauer, Sie waren nicht da — abgelehnt und ist dem Bundesminister des Innern sehr dankbar dafür, daß er eine sehr herbe Kritik an diesem Verordnungsentwurf geübt hat.Lassen Sie mich die Brisanz dieses Problems an zwei Beispielen aus der jüngsten Zeit deutlich machen. In Berlin hat das dortige Oberverwaltungsgericht die wöchentliche Nutzungszeit der Tempelhofer Sportanlage Rathausstraße um 12 Stunden auf nunmehr nur noch 36 Stunden wöchentlich reduziert. Der Landessportbund Berlin errechnet daraus — wenn dieses Urteil Schule machen würde — einen theoretischen Mehrbedarf von 60 neuen Sportanlagen allein im früheren West-Berlin. Unverständnis bei den betroffenen Sportlern erzeugte das Urteil auch deshalb, weil die Sportanlagen Tempelhofer Rathausstraße bereits seit den 20er Jahren besteht und die Wohnbebauung dort wesentlich jüngeren Datums ist.Gerade das häufig auftretende Problem der heranrückenden Wohnbebauung ist im Verordnungsentwurf des Töpfer-Ministeriums nicht berücksichtigt
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Lambinusworden. Häufig wurden z. B. Tennisanlagen auf der grünen Wiese errichtet. Dann erst rückte die Wohnbebauung nach. Die Grundstücke an der Sportanlage wurden wegen der vorhandenen Lärmeinwirkung mit Preisabschlägen verkauft — und siehe da: kaum eingezogen, kam die Klage.Auch aus der Stadt Aurich erreicht uns der Hilferuf, daß die dortige zentrale Sportstätte praktisch geschlossen werden müßte, weil die Lärmrichtwerte bei rund 20 Spielen im Jahr, d. h. etwa 40 Stunden jährlich, überschritten würden.Sportstätten auf die grüne Wiese zu verlagern ist keine Lösung des Problems. Zusätzlicher Naturverbrauch und vermehrter Individualverkehr wären die Folgen.
Dies lehnen wir aus ökologischen Gründen ab. Aber auch die Kosten der Verlagerung dieser Sportstätten wären einfach nicht aufzubringen.Nach bisherigem Recht sind bereits jetzt ein Drittel aller bestehenden Sportstätten im Ruhrgebiet und in Hamburg gefährdet, in Berlin sogar die Hälfte. Da der vorliegende Verordnungsentwurf aus den bisherigen Richtwerten nun Höchstwerte macht, gäbe es kaum noch wohnnahe Sportstätten, deren Bestand nicht in Gefahr wäre.Wir Sozialdemokraten treten entschieden für den Sportplatz um die Ecke ein, für wohnnahe, ergehbare Sportstätten, die auch denjenigen Sportmöglichkeiten bieten, die wenig mobil und nicht in der Lage sind, regelmäßig weit entfernt liegende Anlagen aufzusuchen. Dies gilt insbesondere für Kinder, Jugendliche, Ältere und Behinderte, aber auch für Menschen mit knappem Zeitbudget, wie dies bei vielen Müttern mit Kindern der Fall ist.Wir wollen städtebauliche Akzente setzen und einen Beitrag gegen die weitere Zersiedelung und gegen die weitere Inanspruchnahme ökologisch oft wertvoller Außenbereichsflächen leisten. Darüber hinaus kann mit einer Bestandsgarantie für wohnnahe Sportanlagen auch einer weiteren Zunahme des Individualverkehrs entgegengewirkt werden.Der Bundesumweltminister, der sich sonst als Freund des Fußballspiels ausgibt — so unlängst beim Parlamentarierspiel Volkskammer gegen Bundestag — wünscht sich offensichtlich Leisetreter auf dem Sportplatz. Wie wäre es eigentlich, Herr Staatssekretär, mit einem Appell, der da lauten könnte: Seid leise Fans, flüstert eure Mannschaft zum Sieg?
Oder stellen Sie sich die Sportler und Sportfans gar so vor, wie sie in einem Herrenbrevier aus dem Jahre 1960 beschrieben sind — ich zitiere — :Bei großen Veranstaltungen pilgern Hunderttausende zu den Sportplätzen und folgen gebannt den einzelnen Spielen. Leidenschaften entzünden sich, und im Nu ist ein Streit mit dem Nebenmann oder gar dem Schiedsrichter im Gange. Hier heißt es für den Herrn Zurückhaltung üben. An solchen Orten muß der Herr sichreserviert verhalten und Ruhe ausstrahlen. Mit einem Wort, er muß über der Situation stehen!So stellt man sich im Hause Töpfer die Sportfans und die Sporttreibenden offensichtlich vor. Man könnte lachen, wenn die Lage für den Sport nicht so ernst wäre.Tieffluglärm mutet man der Bevölkerung weiter zu, aber wenn es um mit Lärm verbundene Begeisterung oder um Lärm auch als Ausdruck der Lebensfreude geht — wo kann man in unserer reglementierten Welt noch stimmlich aus sich herausgehen außer hier an dieser Stelle? — , schlagen Sie, Herr Staatssekretär, und Ihr Minister zu.Da unterscheiden Sie nicht mehr zwischen Maschinen- und Straßenlärm auf der einen Seite und dem Spiel- und Sportlärm auf der anderen Seite; wenn Sie es tun, dann völlig ungenügend. Ich versuche, objektiv zu sein, Herr Staatssekretär.Ich spreche hier auch für die Natur- und Umweltschützer meiner Fraktion. Trotz unseres großen Engagements für den Sport treten wir für einen ausgewogenen Interessenausgleich zwischen Sport und lärmgeplagten Anliegern ein. Wir wissen, daß Lärm nicht nur stört, sondern auch krank machen kann.Lärm droht zu einer Zivilisationskrankheit ersten Ranges zu werden. Wir verstehen deshalb, daß viele Menschen vom Lärm der Straße, vom Fluglärm und vom Lärm am Arbeitsplatz in ihrer Wohnung und auf ihrem Grundstück Ruhe suchen. Aber es darf nicht der Sport sein, dem wir sonst einen hohen sozialen und kulturellen Stellenwert einräumen, auf dessen Rükken dieser Konflikt ausgetragen werden soll.Wir treten für einen ausgewogenen Interessenausgleich zwischen Sport und lärmgeplagten Anliegern ein. Dabei steht für uns aber der Bestandsschutz von Sportanlagen absolut im Vordergrund.
Deshalb fordern wir die Bundesregierung auf, den genannten Verordnungsentwurf mit seinen katastrophalen Folgen für den Breitensport zurückzuziehen, und stehen dem Bundesratsentwurf mit großer Sympathie gegenüber.Recht herzlichen Dank.
Das Wort hat der Abgeordnete Nelle.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich freue mich, feststellen zu können, daß Bundesrat aund Koalitionsfraktionen einvernehmlich das Ziel verfolgen, durch klare und rechtsverbindliche Regelungen zum Lärmschutz die wohnnahen Sport- und Spielanlagen in ihrem Bestand zu sichern. Die Diskussion, um die es dabei geht, ist nicht neu, nur wurden die Wogen, die diese Diskussion schlägt, immer höher. Sie erreichte ihren vorläufigen Höhepunkt mit dem sogenannten Tegelsbarg-Urteil des Bundesverwaltungsgerichts im Januar 1989, das der Kollege Lambinus soeben schon erwähnte. Danach ist ein Großteil der Sportfreianlagen gefährdet oder in ihrer Nutzung eingeschränkt.
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Ich frage einmal bewußt provozierend: Was sind das eigentlich für Menschen, die der Torschrei begeisterter Fußballfreunde oder die lautstarke Freude trainierender Kinder und Jugendlicher mehr stört als der Verkehrslärm?
Was sind das für Menschen, die sich zunächst in der Nähe einer Sportanlage ein kostengünstiges Grundstück kaufen, um anschließend gegen die Ursache des Preisnachlasses zu klagen? Hier stimmen doch die Proportionen nicht mehr.
Entwickeln wir uns immer mehr zu einer Gesellschaft von Egozentrikern, die zwar selbst für alles die Gemeinschaft in Anspruch nehmen wollen, aber nicht bereit sind, in diese zu investieren? Eine solche Gesellschaft wäre arm. Sie beraubt sich eines wesentlichen Elements, das Gemeinwohl heißt.
Der Gesetzentwurf des Bundesrates zeigt, wie sehr doch im politischen Bereich die Diskussion um die Wechselbeziehung von Sport und Umwelt in letzter Zeit versachlicht werden konnte. Der Deutsche Bundestag hat mit seiner Gesetzgebung dazu maßgeblich beigetragen. Im Zusammenhang mit der Beschlußfassung über das Baugesetzbuch hat er festgestellt, daß Sport Teil der kommunalen Kultur ist. Er hat erstmals die Gemeinden veranlaßt, auch Sport- und Spielanlagen konkret in ihre Bauleitplanung aufzunehmen. Hier lag in der Vergangenheit ein eindeutiger Mangel. Dann kam die Baunutzungsverordnung. Sie stellt den Wert von gemeinschaftsfördernden Anlagen für eine Kommune fest und ordnet Sport- und Spielanlagen dazu. Der Sportplatz an der Ecke ist kein Schlagoder Reizwort mehr, sondern wird Wirklichkeit.
Ich meine, das ist gut so.
Wir können nicht die positive Wechselwirkung von Sport und Gesundheit oder Sport und Gemeinschaft beschreiben und dann Sportanlagen für Menschen immer schwerer erreichbar und die Natur immer mehr belastend jwd, am Rande der Gemeinde, einrichten.
Sport- und Spielanlagen gehören zur Infrastruktur einer Gemeinde. Das haben inzwischen auch die Naturfreunde erkannt und unterstützen den Sport. Hier hat der Gesetzgeber konstruktiv gehandelt, hat ausgleichend gewirkt.
Jetzt geht es aber in der Tat um die Sicherung der bestehenden Sport- und Spielanlagen, und zwar nicht etwa, weil es sich um Milliardeninvestitionen der Gemeinden und Länder handelt, oder etwa, weil Sport polemisch einmal zum „Hätschelkind der Kommunalpolitik" erklärt wurde, sondern weil sie dort errichtet wurden, wo sie nachgefragt werden: in der Nähe der Menschen, günstig erreichbar für Kinder, Jugendliche und zunehmend auch für ältere Menschen.
Zugegeben: Es sind zum einen baurechtliche Planungsfehler, die diese Anlagen gefährden. Zum anderen sind es fehlende handhabbare Bewertungen der vom Sport ausgehenden und mit seiner Ausübung verbundenen Geräusche. Diese Fehler müssen korrigiert werden. Die als Hilfsmittel herausgegebenen Hinweise des Länderausschusses Immissionsschutz bewirken eine Verschlimmbesserung.
Im Grundsatz besteht nun, wie ich bereits sagte, hier ein breiter Konsens von Bundesrat, Bundesregierung, Koalitionsfraktionen und der SPD-Opposition, bei Wahrung der berechtigten Belange von Sport und Umweltschutz endlich Rechtssicherheit zu schaffen. Die GRÜNEN lasse ich einmal außen vor. Sie würden den Sport am liebsten wohl auf den Mond verbannen.
Wenn also über das Ob Konsens besteht, dann müßte diese doch auch beim Wie erreichbar sein. Und darum geht es jetzt. Denn Bundesregierung und Koalitionsfraktionen verfolgen das Ziel, diesen Bestandsschutz durch eine Rechtsverordnung nach § 23 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu erreichen,
wogegen die Länder dazu eine Gesetzesänderung für notwendig halten. Wir fühlen uns durch den Präsidenten des Bundesverwaltungsgerichts und die Mitglieder des zuständigen Senats in unserer Auffassung gestützt. Ich gestehe, der im Bundesumweltministerium erarbeitete erste Entwurf für die Rechtsverordnung entsprach ganz und gar nicht unserer politischen Vorstellung.
Statt mehr Schutz bewirkte er mehr Gefahr für die Anlagen. Das haben denn auch der Bundesinnenminister als Sportminister und die Sportministerkonferenz der Länder unabhängig voneinander übereinstimmend festgestellt. Zum gleichen Ergebnis kam auch die Anhörung am 24. und 25. September. Daher ist der Bundesumweltminister gut beraten, wenn er diesen Entwurf jetzt überarbeitet. Dabei erinnere ich daran, daß sowohl der Rechts- wie auch der Sportausschuß in ihrer seinerzeitigen Stellungnahme zur Änderung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes festgehalten haben, daß sie Wert darauf legen, daß diese Rechtsverordnung vor Inkraftsetzung mit ihnen beraten wird.
Wir stimmen der Überweisung des Gesetzentwurfs zu. Dann haben wir Gelegenheit, das Anliegen gleich zu Beginn der nächsten, der 12. Wahlperiode wieder aufzugreifen und dann möglichst bald zu lösen.
Das Wort hat der Abgeordnete Brauer.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zwei Themen aus dem Bereich Umwelt und Naturschutz haben den Sportausschuß in der letzten Legislaturperiode
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Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 231. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Oktober 1990 18403
Brauerbeschäftigt: die Befahrensregelung für die Segler und Kanuten im schleswig-holsteinischen und niedersächsischen Wattenmeer und der Sportlärm. Ich möchte aufzeigen, mit welchen Methoden die Sportfunktionäre und die Sportabgeordneten von allen anderen Parteien Kompromisse zwischen Sport und Umwelt blockiert haben und wie sie maßlos versuchen, Privilegien durchzusetzen.Zur Befahrensregelung im Nationalpark: Als äußerstes Entgegenkommen des Naturschutzes wurden die Nationalparks in drei Zonen aufgeteilt. Selbst in der Zone absoluter Ruhe sollten die Wassersportler nahezu alle Wasserstraßen und einige Ankerplätze zur Verfügung gestellt bekommen. 90 % aller Fahrten würden dadurch möglich. Das Umweltministerium, das Verkehrsministerium, die Landesregierungen von Niedersachsen und von Schleswig-Holstein hatten sich zu dieser Kompromißregelung durchgerungen. Jedoch die Mitglieder des Verkehrsausschusses und natürlich des Sportausschusses blockierten und forderten freie Fahrt. Bis heute, nach dreieinhalb Jahren, gibt es keine Befahrensregelung, und die Segler können munter weiter durch die Zone strengsten Schutzes schippern.Am Beispiel des Sportlärms zeigt sich noch deutlicher, welchen Einfluß der Sport auf die Politik hat: Seit Jahren werden Sportanlagen, von denen Lärm ausgeht, an Wohngebiete herangebaut oder umgekehrt.
— „Oder umgekehrt" . Beides ist der Fall.
Die Lärmschutzbestimmungen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes werden einfach ignoriert. Normalerweise akzeptieren die Nachbarn Trötenlärm, Lautsprecheranlagen, das Knallen von Tennisbällen sogar zur Mittagszeit. In einigen Fällen klagten jedoch die Nachbarn ihre Rechte ein und erwirkten zeitliche Begrenzungen und Auflagen, sogar Stillegung, für die Sportanlagenbetreiber. Diese sogenannten Tennis-Urteile und das Tegelsbarger Urteil werden nun von den Sportfunktionären zum Anlaß genommen, eine Kampagne unter dem Motto „Tausende von Sportanlagen sollen geschlossen werden" zu starten.Ziel der Kampagne ist:Erstens. Der unrechtmäßige Zustand soll nachträglich legalisiert werden; Stichwort: Bestandsschutz.Zweitens. Durch eine rechtliche Regelung soll der Sport privilegiert werden; Stichwort: Sportlärmverordnung.Nun ist es sehr aufschlußreich, wie das Umweltministerium und die Bundesregierung auf diesen Druck reagieren; denn immerhin berufen sich die Sportfunktionäre auf 20 Millionen Mitglieder und damit Wählerstimmen.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Lambinus?
Im Moment nicht. Ich habe eine lange Rede, Herr Lambinus, und ich kann nicht schnell reden, weil ich fürchterlich erkältet bin.Zunächst sah das Umweltministerium keinen Regelungsbedarf, da die gesetzlichen Bestimmungen ausreichen. Die wenigen Nachbarschaftsklagen gaben ihm recht.
— Gemessen an den Zahlen anderer Klagen im Nachbarschaftsrecht ganz normale Zahlen.
Diese Auffassung mußte durch den Druck aus dem Sport aufgegeben werden. Das Umweltministerium befürwortete daraufhin eine allgemeine Verwaltungsvorschrift. Die Gerichte hätten damit einen angemessenen Interpretationsspielraum für die Auslegung von Richtwerten und somit für einzelfallbezogene Entscheidungen. Ein Ausgleich von Nachbarschaftsschutz und Sportbetrieb wäre möglich.Den Sportabgeordneten reichte dies nicht aus. Sie setzten aufs Ganze. Eine Rechtsverordnung mit sportfreundlichen Grenzwerten sollte es sein.
Das Umweltministerium mußte daraufhin einen Entwurf erarbeiten. Das Ergebnis: Lärmgrenzwerte an der oberen Grenze des immissionsschutzrechtlich Machbaren, jedoch nicht die erhoffte Privilegierung. Mit ihrer Forderung nach Grenzwerten hatten sich die Sportabgeordneten selbst ins Knie geschossen.Der Sportausschuß forderte daraufhin das Umweltministerium auf, die vorher noch so vehement geforderte Rechtsverordnung zurückzuziehen.
Nun wird heute abend eine Bundesratsinitiative eingebracht, die keine Chance auf Verabschiedung in dieser Legislaturperiode mehr hat, sich aber gut im Wahlkampf benutzen läßt. Der Sport soll von dem zentralen § 22 Abs. 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes freigestellt werden.
Danach haben Nachbarn Einwirkungen zu dulden.
Als Gegenleistung können sie vom Betreiber Geld verlangen.
Ja, ja, Herr Lambinus, „money makes the world go round" usw.Diese Privilegierung der Betreiber von Sportanlagen birgt die Gefahr, daß andere, z. B. die Industrie, vergleichbare Bedingungen in einem so zentralen Bereich des Bundes-Immissionsschutzgesetzes verlangen könnten.
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18404 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 231. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Oktober 1990
Brauer— Hören Sie nachher dem BMU zu. — Damit wird die Schutzfunktion des Bundes-Immissionsgesetzes grundlegend in Frage gestellt.
Wir unterstützen ausnahmsweise die Argumentation des Umweltministeriums bei der Abwehr so dreister Forderungen der Sportpolitiker quer durch alle Fraktionen. In beiden Fällen wird deutlich, was Sie mit einem fairen Ausgleich der Interessen von Sport und Umwelt meinen: den faulen Kompromiß zu Lasten der Anwohner und der Natur.
Jetzt hat das Wort der Herr Abgeordnete Baum.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Bundesrat will auf gesetzgeberischem Wege zu einer Lösung der hier angeschnittenen Fragen kommen. Es besteht ein schwieriger Konflikt zwischen den Umwelt- und den Sportinteressen. Wir haben diese Fragen im Sportausschuß und auch im Umweltausschuß wiederholt behandelt. Ich gehöre beiden Ausschüssen an und weiß, welches Spannungsverhältnis hier besteht.
Wir sind der Auffassung, daß es einer gesetzlichen Regelung nicht bedarf, sondern daß wir auf untergesetzlichem Wege, also auf dem Verordnungswege, vorgehen können.
Der vorgeschlagene § 25 a des Bundes-Immissionsschutzgesetzes wäre ein Fremdkörper in der gesamten Systematik des Bundes-Immissionsschutzrechtes. Zwar soll die Sportanlage nach dem Gesetzesvorschlag des Bundesrates so betrieben werden, daß die Gesundheit der Anwohner nicht gefährdet wird
und Belästigungen der Nachbarschaft durch vermeidbaren Lärm unterbleiben, aber — das ist das Entscheidende — vom anspruchsvollen und gleichmäßig geltenden Pflichtmaßstab „Stand der Technik" — das ist ein Prinzip, das im Immissionsschutzrecht gilt — würde die Sportanlage freigestellt. Das wäre eine gefährliche Präzedenzentscheidung für Forderungen anderer Gruppen.
Statt der vom Bundesrat vorgeschlagenen Regelungen bedarf es einer differenzierteren Regelung, um die im Einzelfall sehr schwierig zu lösenden Konflikte wirklich zu bewältigen.
Wir halten den vom Bundesumweltminister vorgelegten Entwurf einer Verordnung für erheblich überarbeitungsbedürftig, auch wenn er entgegen den Behauptungen der Kollegen der SPD-Fraktion sicherlich nicht den Bestand fast aller wohnortnahen Sportstätten gefährdet.
Wichtige Punkte, die geändert bzw. aufgenommen werden müssen, sind nach unserer Meinung:
Erstens. Es ist ein vernünftiger Bestandsschutz für vorhandene Sportstätten im Wohnfeld notwendig. Die bisherige Regelung greift zu kurz.
Zweitens. Noch nicht im Verordnungsentwurf berücksichtigt sind die Fälle, in denen die Sportstätten zuerst da waren und erst später die Wohnbebauung herangerückt ist. Wir haben das ja gehört. Es sollte eine Regelung in die Verordnung aufgenommen werden, die berücksichtigt, daß diejenigen, die sich später im Umfeld des Sportgeländes niedergelassen haben, von vornherein mit gewissen Sportgeräuschen rechnen mußten und sich jetzt nicht darauf berufen können, daß sie vom Sport überrascht worden seien.
Drittens. Der Verordnungsentwurf sieht Grenzwerte vor, die keinesfalls überschritten werden dürfen. Der VDI-Richtlinienentwurf sah Richtwerte vor. Dabei sollte es bleiben.
Viertens. Notwendig ist eine flexiblere Gestaltung der Ruhezeiten, um den unterschiedlichen Anforderungen und Gewohnheiten in den einzelnen Sportarten sowie den unterschiedlichen Jahreszeiten Rechnung zu tragen.
Fünftens. Die Anzahl der Tage mit seltenen Ereignissen sollte erhöht werden.
Sechstens. Ein besonders wichtiger Punkt ist schließlich die Behandlung der Sportstätten in den neuen Bundesländern. Da Schallschutzmaßnahmen in der DDR bisher überhaupt noch nicht durchgeführt worden sind, würde die neue Verordnung nahezu das Aus für den Sport in den neuen Bundesländern bedeuten. Das bitte ich zu beachten. In diesem Zusammenhang müssen mehrjährige Übergangsfristen vorgesehen werden. Die Lage ist dort einfach ganz anders als bei uns.
Nach Auffassung der FDP muß der Sport weiterhin in der Nähe von Wohngebieten möglich sein. Wir brauchen den Sportplatz um die Ecke. Wir meinen, daß Sport in der Natur möglich sein muß. Wir wollen nicht, daß die Sportstätten mit neuem Naturverbrauch und langen Fahrzeiten verbunden sind. Sport für alle muß möglich sein. Dies schließt ein, daß die notwendigen technischen und sonstigen Maßnahmen ergriffen werden, um die Sportgeräusche auch für Anwohner erträglich zu machen.
Die Konfliktlösung wird immer sehr schwierig sein. Der Gesetzgeber kann sie erleichtern. Wir meinen: Er muß sie erleichtern, und zwar durch eine vernünftige Verordnung.
Im Einzelfall wird es dann immer die Konfliktlösung vor dem Gericht geben.
Mit der jetzigen Lage können wir uns nicht zufriedengeben. Sie dient weder der Umwelt noch dem Sport.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Dr. Fischer.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Sie werden mir verzeihen, daß ich nicht so ganz verstehen kann, wo hier die Proportionen gesetzt werden. Ich
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Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 231. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Oktober 1990 18405
Frau Dr. Fischerkomme aus Nordhausen; dort ist ein Hubschrauberplatz. Dort flogen die Hubschrauber konstant über Kindereinrichtungen hinweg. Die ganze Bevölkerung hat sich über diesen Zustand furchtbar aufgeregt. Am Runden Tisch ist z. B. beschlossen worden, das Gebiet als Gewerbegebiet vorzusehen. Am 3. Oktober war der Bundesgrenzschutz da, und die Hubschrauber flogen wieder. Ich möchte dies an den Anfang setzen. Ich sehe natürlich die ganze Problematik ein. Aber man möge bitte auch verstehen, daß es mir hier ein bißchen um Proportionen geht.Der vorliegende Gesetzentwurf beinhaltet gesetzliche Regelungen zum Lärmschutz bei der Nutzung von bestimmten Sportanlagen. Hiermit sollen Besonderheiten berücksichtigt werden, die sich aus der Durchführung von öffentlichen Sportveranstaltungen in Form des Gebrauchs von Sportpistolen, Megaphonen — ich übertreibe bewußt — , des Torschreies von Zuschauern sowie sonstiger stimmlicher oder anderer Äußerungen von Zuschauern ergeben. Die PDS teilt den Standpunkt der Bundesregierung, eine Regelung nach § 23 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu realisieren.
— Bundesrat, Entschuldigung! Aber die Bundesregierung hat sich dazu durchaus geäußert.Doch denken wir, daß das vorliegende Gesetz im ganzen in wesentlichen Punkten verbesserungswürdig ist. Natürlich muß der Sport weiterhin möglich bleiben — er darf nicht verhindert werden — , ohne allerdings ökologische Schäden zu verursachen.In der ehemaligen DDR wurden Umweltdaten als geheime Verschlußsache behandelt. Das betraf die Emissionswerte, aber in besonderem Maße die Immissionswerte von Staub, Schwefeldioxid und anderen Schadstoffen, ganz zu schweigen von Lärm und Radioaktivität. Besonders durch eine verfehlte Energiepolitik wurde die Umwelt auf dem Gebiet der ehemaligen DDR erheblich beeinträchtigt.Die Information zur Analyse der Umweltbedingungen in der ehemaligen DDR, die im Februar 1990 am Runden Tisch beraten wurde, gibt Auskunft über die Emissionswerte für die einzelnen Schadstoffe. Davon ausgehend, wurden Angaben zu Immissionswerten für Schwerpunktterritorien gemacht, was im übrigen auch für uns Ärzte sehr wichtig war.Notwendig sind moderne, automatisch arbeitende Meßstationen, die lückenlos und für die Bevölkerung nachvollziehbar den aktuellen Stand der Schadstoffbelastung — und auch die Lärmbelastung — ausweisen, woraus sich Maßnahmen für den vorbeugenden Schutz der Bevölkerung ableiten lassen. Ich möchte nochmals betonen: Dazu gehört auch der Lärm.Zu fordern ist für uns eine Offenlegung der Immissionswerte — natürlich auch derjenigen der Gewerbebetriebe — und der Emissionswerte sowie ein Akteneinsichtsrecht. Die breite Öffentlichkeit muß informiert sein, ohne daß eine Panikstimmung entsteht.Die weitere Bearbeitung des Gesetzentwurf es bleibt wohl einem neuen Parlament überlassen. Dann sollte eine Überarbeitung des gesamten Gesetzentwurfes vorgenommen werden unter sinnvollem Einschluß der Punkte, die vom Bundesrat angesprochen worden sind.Ich bedanke mich.
Das Wort hat der Abgeordnete Wüppesahl.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im Hinblick auf den geplanten, weitergespannten Rahmen des gebietsbezogenen Immissionsschutzes und die zukünftig stärker in den Vordergrund rückende Bedeutung nicht genehmigungsbedürftiger Anlagen, die ausschließlich oder vorwiegend dazu bestimmt sind, in der Nachbarschaft von Wohngebieten den Bedarf an Sportstätten für den Hochschul-, Schul-, Vereins- und Freizeitsport zu decken, ist es nun unbedingt erforderlich, eine stärkere Angleichung an das Recht der genehmigungsbedürftigen Anlagen zu schaffen. Die in § 22 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes bisher geregelten Pflichten der Betreiber nicht genehmigungsbedürftiger Anlagen bleiben hinter den Pflichten der Betreiber genehmigungsbedürftiger Anlagen erheblich zurück.
Die Vorschriften über die regionalen Anlagen werden allgemein als nicht geglückt angesehen und stehen häufig im Mittelpunkt von Auseinandersetzungen auf den verschiedensten Ebenen, im besonderen der juristischen, in Staat und Gesellschaft. So dürfen gemäß § 25 Abs. 2 des BImSchG schädliche Umwelteinwirkungen hervorgerufen werden, soweit nicht das Leben oder die Gesundheit von Menschen oder bedeutende Sachwerte gefährdet werden. Infolgedessen sind auch erhebliche Belästigungen erlaubt.
Wäre rechtzeitig erkannt worden, welche Auswirkungen sich aus der Immissionsschutzgesetzgebung im allgemeinen und aus § 22 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes im besonderen für bestimmte Sportstätten mit regionaler Funktion ergeben, hätte der Gesetzgeber das Problem der Altanlagen mit einer Übergangslösung entschärfen können. Für eine entsprechende Regelung ist es jedoch noch nicht zu spät.
Um zur Entschärfung des Konflikts zwischen Sport und Umwelt durch Regelungen beizutragen, die eine angemessene Nutzung der in der Nachbarschaft von Wohnungen betriebenen Sportstätten für den Schul-und Breitensport ermöglichen, ist der Bund als Gesetzgeber gefordert, da in zunehmendem Maße auch Gerichte in diesen erst in den letzten Jahren deutlich hervorgetretenen Spannungsfeld zwischen Sport und Ur welt Entscheidungen treffen müssen, ohne hierfür auf Rechtsvorschriften zurückgreifen zu können, die den von beiden Seiten in Anspruch genommenen Grundrechten angemessen Rechnung tragen.
Aus dem Grundgesetz, insbesondere aus dem Gleichheitssatz, kann keine überzeugende Begründung für die mancherorts vertretene These hergeleitet werden, daß Lärm gleich Lärm sei. Jeder Art von Lärm muß in gleicher Weise entgegengetreten werden, und deshalb darf auch Sportlärm nicht privilegiert werden. Die Festschreibung von Höchstwerten der Geräusch-
18406 Deutscher Bundestag — 11.Wahlperiode — 231. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Oktober 1990
Wüppesahl
emission aus Sportstätten ist unbedingt erforderlich.
Wie immer ist die Frage: Werden solche Höchstwerte eingehalten, oder wird je nach Bedarf die Höchstgrenze nach oben verschoben, wie das in der Geschichte des bundesdeutschen Umweltschutzes schon oft der Fall war?
Herr Kollege Lambinus, ich habe nicht das Problem wie Sie, als Sprecher einer sogenannten Volkspartei den hier erlebten Eiertanz praktizieren zu müssen. Ich habe mich klar für eine Version entschieden, und da habe ich auch Verständnis für Ihren Zwischenruf.
Ich danke für die Aufmerksamkeit.
Das Wort hat der Herr Parlamentarische Staatssekretär Gröbl.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sportler und Nachbarn von Sportstätten wollen ebenso wie die Kommunen Rechtssicherheit hinsichtlich der Nutzungsmöglichkeiten von Sportstätten. Der politische Wille der Koalition ist es — ebenso wie es der Bundesrat will — , diese durch das TegelsbargUrteil verlorene Rechtssicherheit wiederherzustellen.
Die vom Bundesrat vorgeschlagene Änderung des BImSchG, das erst kürzlich novelliert und modernisiert worden ist, wäre allerdings nicht der richtige Weg. Folge wäre nicht nur ein Bruch in der Gesetzessystematik; die einseitige Bevorzugung einer Emittentengruppe im Gesetz würde zudem vergleichbare Forderungen anderer Gruppen nach sich ziehen.
— Sie kommen schon noch dran, Herr Lambinus. — Der Deutsche Bundestag hat daher einen anderen Weg gewiesen. In seinem Beschluß vom 15. März 1990 hat er den Bundesumweltminister aufgefordert,
... auf der Grundlage des § 23 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes baldmöglichst eine Rechtsverordnung über Anforderungen an Sportstätten im Hinblick auf die von diesen Anlagen ausgehenden Geräuschemissionen zu erarbeiten.
Wir haben deshalb in unserem Haus den Entwurf einer Sportanlagen-Lärmschutzverordnung erstellt.
Jetzt, Herr Lambinus, muß ich in aller Deutlichkeit Ihre unqualifizierten Anmerkungen über meine Mitarbeiter zurückweisen. Diese Mitarbeiter sind weder sportfeindlich
noch haben sie die Möglichkeit, während der Arbeitszeit Tennis zu spielen.
Auf Grund Ihres Engagements, ihrer Motivation arbeiten meine Mitarbeiter weit über das normale Maß hinaus. Das sei einmal in aller Deutlichkeit festgestellt.
Ziel dieses Verordnungsentwurfs ist es, einen Ausgleich der kollidierenden Interessen der Nachbarschaft, die wir auch nach dem Tegelsbarg-Urteil berücksichtigen müssen, und der Nutzer von Sportanlagen zu schaffen.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Lambinus?
Bitte schön.
Herr Lambinus.
Herr Staatssekretär, nachdem Sie jetzt doch über Ihren Verordnungsentwurf reden, darf ich Sie fragen, wie Sie die fundamentale Kritik des Innenministers an diesem Verordnungsentwurf bewerten, und würden Sie zur Kenntnis nehmen, daß ich in meiner Rede sagte, daß die Mitarbeiter Ihres Hauses oder die Verfasser dieses Entwurfs scheinbar Zeit hätten, dann Sport zu treiben, wenn andere dem Broterwerb nachgehen? „Scheinbar" habe ich gesagt.
Zur ersten Frage darf ich Ihnen mitteilen, daß wir in der üblichen Kollegialität zwischen Bundesinnenministerium und Bundesumweltministerium diese Fragen besprochen und, wie sie feststellen können, gelöst haben.
— Ja, natürlich.
Zum zweiten sollten Sie derartige Unterstellungen auch wenn sie in das Wörtchen „scheinbar" verpackt sind, in Zukunft unterlassen.
Dann entstehen keine solchen Mißverständnisse. Anderenfalls, Herr Lambinus, müssen Sie sich eine Kritik oder eine Zurückweisung Ihrer Kritik auch bieten lassen.
— Da brauchen wir nicht das Produkt einer Gesamtschule, um hier für deutsche Sprache einzutreten.
Dieser Verordnungsentwurf zielt des weiteren darauf ab, klarzustellen, daß Sportgeräusche nicht wie
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Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 231. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Oktober 1990 18407
Parl. Staatssekretär GröblIndustrie- oder Autolärm zu werten sind, des weiteren Emissionswerte festzusetzen, das Verfahren der Ermittlung von Geräuschemissionen zu regeln, Maßnahmen zum Schutz vor Lärm beispielhaft aufzuführen, die Voraussetzungen zu regeln, unter denen die Behörden Ausnahmen von den Anforderungen der Verordnung zulassen können.Der Verordnungsentwurf stützt sich dabei vor allem auf Regelwerke, die sich den Ausgleich von Sportinteressen und Nachbarschaftsinteressen zum Ziel gesetzt haben, u. a. auch den Entwurf einer entsprechenden VDI-Richtlinie. In diesem Konfliktfeld zwischen Sport und Lärmschutz kann es nicht ausbleiben, daß der vorgesehene Entwurf nicht ungeteilte Zustimmung findet. Dies hat auch die Anhörung deutlich gemacht.
Die Vertreter des Lärmschutzes wollten weitergehende Beschränkungen für die Nutzung von Sportanlagen, die Vertreter des Sports hielten die Regelungen für zu streng. Wir arbeiten daran, den Verordnungsentwurf weiter zu verbessern.
Unter anderem haben wir dabei den Bestandsschutz bei Altanlagen im Auge.
Eines möchte ich allerdings auch deutlich machen: Kommunale Planungsfehler, die häufig auch den Bestandsschutz gefährden, können durch eine Rechtsverordnung des Bundes nicht geheilt werden.Der Idee des Herrn Baum, eine Sonderregelung für die fünf neuen Länder zu überdenken, werden wir durchaus nachgehen.Abschließend lassen Sie mich noch auf folgendes hinweisen. Auch der Gesetzentwurf des Bundesrates sieht eine Rechtsverordnung über die Festlegung von Emissionswerten sowie über das Ermittlungs- und Bewertungsverfahren vor. Die Diskussionen um die Höhe der Emissionswerte, um die Ausnahmeregelungen für Altanlagen und für Turniere werden bei Verordnungen auf der Grundlage des vom Bundesrat vorgeschlagenen § 25 a genauso stattfinden wie bei solchen, die auf der Grundlage des von uns herangezogenen § 23 erarbeitet werden. Somit sind wir mit unserer Arbeit schon zwei Runden weiter als die Initiatoren der Gesetzesinitiative.Vielen Dank.
Ich schließe die Aussprache.
Der Ältestenrat schlägt vor, die Überweisung des Gesetzentwurfs vorzunehmen, wie in der Tagesordnung aufgeführt. Sind Sie damit einverstanden? — Kein Widerspruch.
Ich rufe Tagesordnungspunkt 14 auf:
Beratung der Großen Anfrage der Abgeordneten Reimann, Adler, Andres, Bachmaier, Bernrath, Blunck, Dr. Böhme , Büchner
, Dr. von Bülow, Conradi, Dreßler, Egert, Fischer (Homburg), Ganseforth, Gansel, Haack (Extertal), Dr. Hartenstein, Hasenfratz, Dr. Hauff, Heyenn, Ibrügger, Jung (Düsseldorf), Kiehm, Kirschner, Dr. Klejdzinski, Lennartz, Dr. Martiny, Menzel, Meyer, Müller (Düsseldorf), Müller (Pleisweiler), Peter (Kassel), Purps, Rappe (Hildesheim), Reuter, Schäfer (Offenburg), Schanz, Dr. Scheer, Dr. Schöfberger, Schreiner, Schütz, Dr. Sperling, Stahl (Kempen), Steinhauer, Stiegler, Urbaniak, Vosen, Walthemathe, Weiermann, Weiler, Dr. Wernitz, Weyel von der Wiesche, Wittich, Dr. Vogel und der Fraktion der SPD
Arbeitsschutz
— Drucksachen 11/4923, 11/6599 —
Im Ältestenrat ist eine Redezeit von einer Stunde verabredet worden. Kann man das nicht ein bißchen kürzen?
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Reimann.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn wir heute die Antwort der Bundesregierung zum Thema Arbeitsschutz diskutieren, gestehe ich eine gewisse persönliche Berührtheit. Ich habe lange genug in der Industrie gearbeitet und habe oft genug erlebt, daß Arbeitskollegen Opfer der Arbeitswelt geworden sind. Insofern bewegt mich das.Nun zur Antwort der Regierung. Gleich auf der ersten Seite weist die Bundesregierung mit einem gewissen Stolz auf das hohe Ansehen hin, daß das deutsche Arbeitsschutzsystem im Ausland genießt. Für Herrn Blüm ist das ein Zeichen dafür, daß der Arbeitsschutz in der Bundesrepublik grundsätzlich in Ordnung ist und daß seine Regelungen im wesentlichen den Ansprüchen der Nutznießer entsprechen. Entschieden verwahrt sich Herr Blüm daher gegen eine „ausufernde Kritik" — so wörtlich in der Antwort — an dem System als Ganzem, die er meiner Fraktion vorwirft. Wenn ich mir allerdings die Vielzahl der Zumutungen, Mängel und Lücken im deutschen Arbeitsschutz vor Augen führe, stellt sich mir zwangsläufig die Frage, ob die Kritik meiner Fraktion nicht berechtigt ist.
Auch wenn der deutsche Arbeitsschutz im Ausland ein hohes Ansehen genießen soll, ist für mich der Maßstab allein das Wohl der arbeitenden Menschen hier bei uns.Deshalb möche ich einige grundsätzliche Defizite in Erinnerung rufen.Erstens. Daß die Regelungen des Arbeitsschutzes Mängel aufweisen gibt die Bundesregierung in ihrer Antwort indirekt zu, da sie die Bekämpfung arbeitsbedingter Gesundheitsgefährdungen als eine wichtige Aufgabe darstellt, die bisher im Rahmen des Arbeitsschutzes noch nicht in Angriff genommen wurde. Diese Lücke betrifft aber eine Reihe von Krankheiten,18408 Deutscher Bundestag — 11 Wahlperiode — . Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Oktober r 1990Reimanndie das heutige Krankheitspanorama in der modernen Industriegesellschaft, also auch der unsrigen, beherrschen, z. B. Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Erkrankungen des Stütz- und Bewegungsapparats, Magen-und Darmerkrankungen sowie psychosomatische und psychische Erkrankungen.Bei der Entstehung dieser Geißeln der Industrieländer spielen — in dieser Einschätzung stimmt die Bundesregierung mit uns überein — Arbeitsbelastungen im Rahmen einer umfassenden multifaktorellen Ursache-Wirkung-Beziehung eine erhebliche Rolle. Diese Art der Krankheiten, für die mehrere Faktoren ausschlaggebend sind und die immer häufiger auftreten, wird von der Arbeitsschutzforschung recht stiefmütterlich behandelt. Für den Fall, daß eine solche Erkrankung doch als arbeitsbedingt eingestuft wird, was leider selten genug der Fall ist, liegt es zum großen Teil im Ermessen des beauftragten Gutachters, wie der Kranke letzten Endes eingestuft wird. Das heißt, bis zu einem wirksamen Gesundheitsschutz ist auf dem Gebiet multifaktorell bedingter Erkrankungen auch in der Bundesrepublik noch ein weiter Weg zurückzulegen.
Zweitens. Nach dem geltenden Berufskrankheitenrecht und den sich daran anschließenden Anerkennungs- und Entschädigungsverfahren wurden bisher im wesentlichen nur solche Krankheiten als Berufskrankheiten anerkannt und eingestuft, die auf einen einzigen Faktor als Ursache zurückzuführen sind. Solange diese klassische Sicht der Berufskrankheiten fortbesteht, muß damit gerechnet werden, daß in absehbarer Zukunft ein großer Teil der durch Arbeitsbedingungen zumindest mitverursachten Erkrankungen weder als berufsbedingt entschädigt noch durch effiziente Präventionsmaßnahmen bekämpft werden, was die Bundesregierung fälschlicherweise in ihrer Antwort behauptet.Drittens. Aber auch bei den Krankheiten, denen eindeutige physikalische und chemische Eigenschaften zugrunde liegen und die z. T. als Berufskrankheiten akzeptiert sind, liegt eine erhebliche Dunkelziffer vor. 1987 wurden zwar 47 265 Berufskrankheiten angezeigt, jedoch nur 3 760 erstmals entschädigt. Besonders hoch ist die Dunkelziffer bei der Schadstoffbelastung durch organische Schadstoffe — z. B. Lösungsmittel — , Schwermetalle und Allergien hervorrufende sonstige Stoffe. Die Zahl der jährlich angezeigten Krankheiten liegt also weit über der Zahl der Fälle, für die erstmals Entschädigungen durch die Berufsgenossenschaften gewährt wurden.Auch wenn Vergleiche mit anderen Ländern immer mit einer gewissen Vorsicht zu genießen sind, erspare ich mir nicht den Hinweis auf amerikanische Forschungsergebnisse, da sie auch in der Bundesrepublik für die Betroffenen positive Auswirkungen haben könnten.
Legt man einen ähnlich strengen Maßstab wie die Amerikaner bei den Berechnungen an, so muß man davon ausgehen, daß in den alten Ländern der Bundesrepublik — die neuen Länder sind in diese Berechnungen noch nicht eingegangen — bis zu 80 % derLungenkrebsfälle bei Männern, das sind rund 16 000 pro Jahr, durch krebserzeugende Arbeitsstoffe mindestens mitverursacht wurden.
Im Laufe der letzten zehn Jahre wurden im Jahresdurchschnitt jedoch lediglich 170 Personen entschädigt. Das muß man sich einmal vorstellen!
Diese relativ geringe Zahl ist kein Beleg dafür, daß bei uns weniger Schadstoffe in die Lungen von betroffenen Arbeitnehmern gelangen — anders als in Amerika — , sondern bei uns sind viel weniger Schadstoffe in die Kategorie der krebserregenden Stoffe eingestuft.Viertens. Ein weiteres Zeichen für die Defizite im Arbeitsschutz ist auch die ständig steigende Zahl von Rentenneuzugängen infolge von Berufs- und Erwerbsunfähigkeit. Ursachen für diese häufige Frühinvalidität sind vor allem chronische Krankheiten. Mehr als ein Drittel betrifft Herz- und Kreislauferkrankungen, rheumatische und psychische Krankheiten sowie Erkrankungen der Atemwege und Erkrankungen durch Krebs. Jedoch wird im allgemeinen keine dieser Krankheiten als berufs- oder arbeitsbedingte Erkrankung anerkannt, da sie von mehreren Faktoren verursacht worden ist. Nur: Sollten Sie deshalb auch weniger Anlaß zu Arbeitsschutzmaßnahmen geben? Nein; denn die Folgen dieser Schädigungen tragen nicht wie bisher die Verursacher, sondern die Renten-und Krankenversicherung und damit die Solidargemeinschaften. Ich meine, das gehört in der Bundesrepublik dringlichst geändert.
Fünftens. Ein ganz großer Nachteil unseres Arbeitsschutzsystems ist, daß es den technisch-wissenschaftlichen Entwicklungen und damit den ständig neu hinzukommenden Gesundheitsgefahren hinterherhinkt. Das von Ihnen als so zufriedenstellend gerühmte Arbeitsschutzsystem reagiert zu langsam auf die vielfältigen Schadstoffe, die in den unterschiedlichsten Kombinationen in den Betrieben auf die Beschäftigten einwirken.Weitgehend ausgeklammert bleiben die Auswirkungen einseitiger körperlicher Belastungen, die psychische und soziale Überforderung samt ihrer gesundheitlichen Folgen. Dies scheint offensichtlich nach Ansicht der Bundesregierung ganz in Ordnung zu sein; denn sie versucht, den Schwarzen Peter den Erkrankten selber zuzuschieben. Wenn Betroffene an Lungenkrebs oder Herzinfarkt erkranken oder sich vergiften, so liegt dies nach Meinung der Bundesregierung zunächst und vor allem an ihrem falschen Lebensstil und der Nichteinhaltung persönlicher Schutzvorschriften.
Ich muß gestehen: Ich empfinde dies als menschenverachtend.
Ich möchte schon sagen, daß das einer der wesentlichen Gründe für die Änderungen des Systems ist.
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Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 231. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Oktober 1990 18409
ReimannWenn bisher nur ein geringer Teil der Krankheiten, die berufs- und arbeitsbedingt sind, anerkannt und entschädigt werden bzw. präventive Maßnahmen eingeleitet werden, dann liegt das häufig auch an den sehr langen Zeiträumen zwischen der Aufnahme der Schadstoffe und dem Ausbruch der eigentlichen Krankheit, da zum Teil wegen der Latenzzeit bis zu 50 Jahre dazwischenliegen. Wer kann sich schon nach 50 Jahren an die jeweiligen Belastungen erinnern oder kann sie gar noch nachweisen? Deshalb ist es dringlichst geboten, eine Dokumentations- und Deklarationspflicht für die Zusammensetzung der Arbeitsstoffe im Rahmen des Gesundheits- und Arbeitsschutzes einzuführen.Meine Damen und meine Herren, das sind nur wenige Kritikpunkte, die ich hier anführen möchte. Die Beantwortung der Großen Anfrage beweist aber auch, daß die Bundesregierung die Bedeutung der Belastungen im Arbeitsleben weit geringer einschätzt, als die Wissenschaftler dies auf Grund ihrer wissenschaftlichen Forschungsergebnisse tun und dies im übrigen auch die Regierungen anderer Länder machen. Sie hält es nicht für nötig, daß die Hersteller von Gefahrstoffen zur Deklaration der Zusammensetzung der Substanzen verpflichtet werden und daß auf Bundesebene eine Datenbank über die Gefahrstoffe eingerichtet wird, um schnelle und zuverlässige Informationen erhalten zu können.
Sie hält es weiterhin nicht für nötig, daß die von ihr selbst genannten ca. 6 000 wirklich bedenklichen sogenannten Altstoffe — unter den 100 000 solcher Stoffe — schneller auf ihre Gefährlichkeit hin abgeschätzt werden, daß das Zusammenwirken verschiedener gesundheitsbelastender Faktoren berücksichtigt und überprüft wird und gesundheitsschädigende Einflüsse auf die Beschäftigten regelmäßig dokumentiert werden, um eventuelle Langzeitfolgen besser nachweisen zu können zugunsten des betroffenen Menschen.Die Antwort der Bundesregierung läßt immer wieder erkennen, daß sie die Gesundheitsbelastungen am Arbeitsplatz, die zu arbeitsbedingten Erkrankungen führen, in ihrer quantitativen und qualitativen Bedeutung nicht wahrnehmen will
oder gar verniedlicht
oder sogar — das ist noch viel schlimmer — völlig abstreitet. Studienergebnisse werden trotz methodischer Korrektheit häufig nicht akzeptiert oder können von Tieren nicht auf Menschen übertragen werden. Oder: Ergebnisse, die einen Zusammenhang zwischen bestimmten Belastungen und Gesundheitsschäden nachweisen, sind nicht „allgemein bekannt" z. B. Krebs infolge von Holzstaub.Krebserregende Stoffe werden bei uns lediglich mit einem „eingeschränkten Anwendungsverbot" versehen. Die Bundesregierung mutet den Beschäftigten damit gesundheitliche Gefährdungen zu, die im Grunde genommen nicht nötig wären.Ein gravierender Schwachpunkt unseres Arbeitsschutzes ist — den Sie selbst als solchen anerkennen bzw. neu erkennen —, daß die Personaldecke der Gewerbeaufsicht nicht ausreicht, um die Einhaltung der Bestimmungen durch die Arbeitgeber zu überprüfen. Sie setzen darauf, daß das so ist. Aber, meine Damen und meine Herren von der Regierung, glauben Sie denn allen Ernstes, daß Unternehmen, deren wichtigstes Ziel die Gewinnmaximierung ist, alle Verordnungen und Auflagen zum Schutz ihrer Belegschaft in ausreichendem Maße freiwillig befolgen oder im Arbeitsprozeß beachten, besonders dann, wenn sie keine Furcht vor Entdeckung und damit auch vor Sanktionen haben müssen?Alles das zeigt mir erneut, daß Arbeitsschutz in der Bundesrepublik nicht den Stellenwert hat, den Arbeitsschutz haben müßte.
Hinzu kommt, daß die Bundesregierung den Arbeitsschutz durch Kompetenzzersplitterung immer undurchschaubarer macht. Ein Beispiel: Aufgabe der gesetzlichen Krankenversicherung nach dem Gesundheits-Reformgesetz ist es, sich um die Ermittlung und die Vorbeugung arbeitsbedingter Erkrankungen zu kümmern. Die Bundesregierung selber zögert jedoch, Gesundheitsbelastungen am Arbeitsplatz überhaupt wahrzunehmen, so z. B. in der Gummiindustrie. Die zuständigen Behörden warten mit ihrem Eingreifen immer erst einmal ab, bis Gutachten, noch ein Gutachten und weitere Gutachten vorliegen, um eventuell etwas zu tun.Sie zögert weiter damit, Zusammenhängen durch schnellere Aufnahme in die Berufskrankheitenliste Rechnung zu tragen. Das wäre erforderlich, damit sich nicht das gleiche wie beim Asbest wiederholt. Sie zögert damit, die Grenzwerte zu senken, Gefahrstoffe als bedenklich einzustufen, Anwendungsverbote und -beschränkungen zu erteilen und die Durchsetzung und Überwachung von Schutzmaßnahmen strenger zu verfolgen.Wirtschaftliche Interessen — das wird an einigen Stellen in der Antwort explizit geäußert — bestimmen letztendlich die Ausgestaltung und Konkretisierung des Arbeitsschutzes in der Bundesrepublik. Und das ist nicht gut.Es ist so, daß in unserem Staat Schutzmaßnahmen oft nur eingeleitet werden, wenn sie wirtschaftlich zumutbar sind. Das ist übrigens auch in den Übergangsregelungen für die ehemalige DDR festzustellen. Wie heißt es so schön? „Zusätzliche Maßnahmen können von den Behörden angeordnet werden, wenn die Gefahren für Leben und Gesundheit vermeidbar sind. " Das muß man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen.Arbeitnehmer werden so in den Betrieben oft infolge der Mängel und Gegensätze im System vermeidbaren Gesundheitsgefahren ausgesetzt. Die erpresserische Drohung von Arbeitgebern mit dem Abbau von Arbeitsplätzen läßt die Regierung letztendlich immer wieder kuschen.
18410 Deutscher Bundestag — 11.Wahlperiode — 231. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Oktober 1990ReimannAbschließend möchte ich sagen: Angesichts der Gesundheitsgefahren in der Arbeitswelt erscheint unser — von Ihnen als vorbildlich bezeichnetes — Arbeitsschutzsystem mangelhaft und defizitär, da es keine ausreichenden Schutzmaßnahmen gegen die heutigen Gefährdungen kennt, die nicht mehr wie früher durch körperliche Schwerstarbeit hervorgerufen werden, sondern durch eine unübersehbare Fülle von Schadstoffen, einseitige körperliche Beanspruchung und psychosoziale Probleme wie Monotonie, Überforderung und viele andere Faktoren mehr.Ein Letztes: In der Antwort der Bundesregierung heißt es auf Seite 2, daß es bisher noch keiner Partei gelungen sei, ein einheitliches zusammenfassendes Arbeitsschutzgesetz zu schaffen. Wir Sozialdemokraten — ich meine damit meine Fraktion — haben bereits am Dienstag in unseren zuständigen Gremien, vorrangig in unserer Arbeitsgruppe und in unserem Arbeitskreis, über einen Entwurf eines Arbeitsschutzgesetzes diskutiert. Wir werden ihn bald der Offent. lichkeit vorstellen und hoffen, damit einen wesentlichen Beitrag zu leisten, um den Arbeitnehmern in der Bundesrepublik in Sachen Arbeitsschutz und Gesundheitsschutz zu ihrem Recht zu verhelfen.Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Schemken.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage der SPD-Fraktion zum Thema Arbeitsschutz ist unter dem Gesichtspunkt der deutschen Einheit zu sehen. Das bedeutet, daß die staatlichen Vorschriften und Standards der ehemaligen DDR weitgehend durch die bundesdeutschen staatlichen Vorschriften und Regeln für die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer abgelöst worden sind. Nun gilt das bundesdeutsche Arbeitsschutzrecht in Gesamtdeutschland. Danach haben alle Arbeitnehmer in Deutschland Anspruch auf Arbeitsschutz.
Arbeitsschutz ist für uns ein wichtiger Bestandteil der Humanität am Arbeitsplatz. Das betrifft einmal den technischen Arbeitsschutz, zu dem die Regelungen der Sicherheit, der Umgang mit gefährlichen Stoffen und die Ausstattung von Arbeitsstätten zählen. Der Arbeitsplatz von heute ist ein hohes soziales Gut, aber auch der Ort, an dem der Anspruch auf die Würde des Menschen mit verwirklicht werden muß.
Zusätzlich regelt der soziale Arbeitsschutz in den Gesetzen und Rechtsverordnungen die gesetzlich zulässige Arbeitszeit, den erhöhten Schutz für Behinderte und deren Anspruch auf die Teilhabe der Technik an der Arbeit — es ist ein wichtiger Gesichtspunkt, den Behinderten den Zugang zur Arbeitswelt zu eröffnen und damit ein Stück Würde zukommem zu lassen — sowie die Zulässigkeit von Sonn- und Feiertagsarbeit, die sich nach unserem Verständnis z. B. auch an der Sinnerfüllung des Sonntags zu orientieren hat.
Für das Gebiet der bisherigen DDR gibt es im Hinblick auf die Gewährleistung des Arbeitsschutzes Überleitungsregelungen, von denen ich einige nenne. Ab 1. Januar 1991 werden mit Inkrafttreten der Vorschriften über die Prävention der gesetzlichen Unfallversicherung auch die Unfallverhütungsvorschriften für die Länder Thüringen, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und ganz Berlin verbindlich. Die sofortige praktische Anwendung dieses Rechts wird sicherlich mit Schwierigkeiten und Anpassungsphasen verbunden sein. Dies ist nicht zu verhindern; schließlich waren die unterschiedlichen Wirtschaftssysteme unseres ehemals geteilten Landes auch mit unterschiedlichen Arbeitsrhythmen und sozialen Dimensionen verbunden.
Bei der Umstellung sollten daher bestehende Anlagen nicht blockiert werden; dies ist wichtig. Jedoch muß sichergestellt sein, daß die Belange des Arbeitsschutzes bei der anstehenden Umstrukturierung der Betriebe gewahrt bleiben und herbeigeführt werden. Dabei sollten aber, wie gesagt, Anlagen nicht blok-kiert werden. Es wäre ein verheerender Vorgang, wenn in der Abwägung zwischen Arbeit als sozialem Gut und Arbeitsschutz in der Perfektion unserer Gesetzgebung ein Widerspruch entstünde und wir damit mehr Arbeitslosigkeit schaffen würden.
— Das ist verständlich.
Herr Reimann, Sie haben zuletzt die Arbeitslosigkeit
Da kann ich Ihnen nur folgen. Wir müssen hier gut abwägen, was man vorrangig miteinander tun soll. Das eine schließt das andere nicht aus. Technologie läßt sich eben nur bei Wachstum einführen.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Reimann? — Bitte.
Herr Kollege Schemken, könnten Sie mir einmal sagen, was Arbeitsschutz und Gesundheitsschutz mit der Arbeitslosigkeit zu tun haben?
Es hat insofern etwas miteinander zu tun, daß es, wenn ich die Gesetze, die Rahmenbedingungen und die Bestimmungen — es geht bis zum Umweltschutz in den Ländern der DDR, die ich soeben nannte — sofort vollziehe, zu Stillegungen von ganzen Branchen kommt; das wissen Sie sehr wohl. Ich bin sehr oft dort und weiß, worüber ich rede. Dies kann man nicht auf einmal tun. Man muß es sozial abfedern. Diese soziale Abfederung kann nicht nur durch die Versorgung der Arbeitslosen geschehen, sondern wir müssen auch versuchen, möglichst viele Personen in Arbeit zu halten. Ich habe aber ausdrücklich gesagt, daß die Belange des Arbeitsschutzes nicht darunter leiden dürfen.
Sie sagen das, obwohl Sie wissen, daß die Sterblichkeitsrate der Arbeitnehmer in der ehemaligen DDR wesentlich höher ist als bei uns?
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Richtig ist, daß in der ehemaligen DDR der Rentner zwei Jahre eher stirbt; dies können Sie an den Statistiken nachvollziehen. Dazu gehören Übergangsregelungen.
Erstens. Sonn- und Feiertagsarbeit ist in der Bundesrepublik kraft Gesetzes bis auf Ausnahmen grundsätzlich verboten. Dieses Verbot gilt dann ab 1993 auch in der ehemaligen DDR. Bis dahin bleiben die alten Regelungen bestehen. Ich betone noch einmal unsere Maxime: Der Sonntag muß uns heilig bleiben.
Zweitens. Das Nachtback- und Ausfahrverbot gilt in der ehemaligen DDR ebenfalls ab 1993. Das ist eine Ausnahme in der anderen Richtung.
Drittens. Eine weitere Ausnahme gibt es für Frauen bei der Überleitung der Arbeitszeitverordnung. Nachtarbeit und Arbeit auf Baustellen bleiben vorübergehend erlaubt. Auch dies ist, Herr Reimann, wieder ein Gesichtspunkt im Kontext dessen, was ich soeben sagte, daß man nämlich natürlich bestehende Arbeitsverhältnisse nicht nur dieser Veränderung wegen, wenn wir sie schnell einführen, unterbrechen sollte.
Viertens. Der DDR-Hausarbeitstag bleibt noch bis zum 31. Dezember 1991 erhalten.
Die Institutionen werden sich mit der allmählichen Durchsetzung des bundesdeutschen Arbeitsschutzrechts befassen müssen. Im Zuge der Übernahme bundesdeutschen Rechts müssen insbesondere auch die Selbstverwaltungseinrichtungen in den fünf neuen Bundesländern aufgebaut werden.
Die Organisationen des Arbeitsschutzes müssen gewährleisten, daß die Kontrolle des Arbeitsschutzes in den Betrieben auch tatsächlich wahrgenommen wird. Da bin ich mit Ihnen einig, Herr Reimann. Dies gilt auch für die bisherige Bundesrepublik. Warum nicht? Warum soll man das nicht auch hier bekennen? Nicht überall wird nach den Vorgaben gehandelt.
Zur Kontrolle des Arbeitsschutzes gehört unter anderem die Einrichtung von Gewerbeaufsichtsbehörden, von gewerblichen, aber auch landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften sowie von Trägern der Unfallversicherung. Mit dem Tätigwerden dieser Organisationen werden die technische Aufsicht, aber insbesondere auch die Selbstverwaltungen von Arbeitnehmern und Arbeitgebern aufgebaut werden müssen. Es ist wichtig, daß hier die Mitwirkung sichergestellt wird.
Das ehemalige Zentralinstitut für Arbeitsschutz in Dresden wird in die Bundesanstalt für Arbeitsschutz Dortmund eingegliedert, und das Zentralinstitut für Arbeitsmedizin wird als eigenständiges Institut in den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung übernommen. Die Aufgaben und Funktionen dieser beiden auch international angesehenen Einrichtungen — ich sage das ganz bewußt — im Bereich der Arbeitssicherheit und Arbeitsmedizin bleiben erhalten. Warum soll man nicht auch voneinander lernen?
Zu bedenken ist allerdings — das möchte ich dann abschließend sagen — , daß sich ein über 40 Jahre eingefahrenes Arbeitsschutzsystem nicht ohne weiteres von heute auf morgen durch Austausch von Rechtsgrundlagen, durch Dezentralisierung und Demokratisierung umstellen läßt. Die Unternehmen, die Verantwortlichen für den Arbeitsschutz in den Betrieben, die Arbeitnehmer und die Aufsichtsbeamten brauchen einige Zeit, um im neuen Rechtsrahmen handeln zu können.
Mitbestimmung und Mitverantwortung nach den neuen staatlichen und berufsgenossenschaftlichen Vorschriften des Arbeitsschutzes müssen erst einmal mit ihrer Philosophie übergebracht werden. Zwar ist im formellen Sinn im Arbeitsschutzbereich die Einheit herbeigeführt, aber für den praktischen Vollzug der Einheit — da wollen wir doch ehrlich sein — bedarf es auf diesem Gebiet noch Zeit und Geduld.
Es gilt hier insbesondere — dafür darf ich werben —, wirksame Regelungen im Sinne der Arbeitnehmer und ihrer Arbeitsplätze sowie der technologischen Entwicklung zu erreichen. Dazu ist unsere Hilfe auch gefragt. Es geht dabei auch um das gegenseitige Helfen. Helfen wir den Menschen in den neuen Ländern beim Aufbau einer humanen Arbeitswelt. Auch für uns sollte diese humane Arbeitswelt Maßstab sein.
Das Wort hat der Abgeordnete Hoss.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach der Durchsicht der Antworten der Bundesregierung auf die Große Anfrage der SPD zum Thema Arbeitsschutz möchte ich zunächst eine Vorbemerkung machen. Ich denke, wir müssen unterscheiden. Es gibt zum einen den präventiven traditionellen Arbeitsschutz, wie wir ihn seit langem kennen, daß also für Schutzeinrichtungen zu sorgen ist und daß man nicht unter Lasten arbeiten und stehen soll. Dieser Bereich ist sicher in unseren Betrieben und in der Wirtschaft weit entwickelt.Das Problem besteht zum anderen wohl darin, daß wir eine neue Stufe des Arbeitsschutzes sehen müssen, die folgendermaßen gekennzeichnet ist: Zuerst müssen die Menschen durch die neuen Stoffe und Gefahrstoffe, mit denen wir konfrontiert werden, Krebs bekommen oder an Krebs gestorben sein, bevor krebserregende Stoffe als solche eingestuft und ihre Verwendung einschränkenden Bedingungen unterworfen werden.Das ist in der Regel so, und das gilt auch für andere moderne Krankheiten wie Magen- und Darmerkrankungen, Herzleiden, Augenleiden und — durch das Ozon — Atemwegserkrankungen. Diese Krankheiten häufen sich erschreckend, werden aber erst bekämpft, wenn durch eine entsprechend hohe Zahl von Fällen die Verursacher einwandfrei nachgewiesen werden.Innerhalb der EG sind ca. 100 000 Gefahrstoffe erfaßt, wovon nach Angaben der Bundesregierung 4 000 bis 6 000 Stoffe intensiver Laboruntersuchungen bedürfen. Diese Bearbeitung wird zwei bis drei Jahrzehnte benötigen, vorausgesetzt, es werden genügend Mittel und Personal zur Verfügung gestellt.Bis sich der Gesetzgeber der gewonnenen Erkenntnisse annimmt, bis er gegen den Widerstand der Inter-
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Hossessengruppen der Industrie Konsequenzen zieht und bis sich die Bestimmungen in der Praxis durchsetzen, vergehen erneut Jahre, wenn nicht Jahrzehnte, worauf ja schon hingewiesen worden ist.Das heißt, die Sorge um die Gesundheit der Arbeitnehmer hinkt der Entwicklung von immer neuen Gefahrstoffen hoffnungslos hinterher. Der präventive Ansatz des Arbeitsschutzes, den auch die Bundesregierung bejaht, bleibt auf dem Papier, wenn nicht außerordentliche Anstrengungen unternommen werden. Während die Menschen in unserer Gesellschaft immer neuen und zum Teil unbekannten Gesundheitsrisiken ausgesetzt werden, sonnt sich die Bundesregierung im internationalen Lob, der dem deutschen Arbeitsschutz gezollt wird.Für mich ist selbstverständlich, daß ein Land, das führend sein will und führend ist in der Erforschung und im Einsatz neuer Techniken, auch führend sein muß in der Bekämpfung der Gefahren, die hier entstehen. Daher wirken einige Antworten der Bundesregierung auf die Große Anfrage auf mich wie eine Verharmlosung dieser für viele Menschen tragischen Probleme.So behauptet zum Beispiel die IG Metall in einer Untersuchung, daß 60 % der Arbeitnehmer Umgang mit krebserregenden Substanzen haben. Die Bundesregierung macht sich demgegenüber eine Untersuchung der Berufsgenossenschaften zu eigen, in der von nur 6,8 To die Rede ist. Man kann Zahlen bis zu einem gewissen Grad — das wissen wir alle — manipulieren, aber bei solchen Unterschieden müßte man doch genauer nachfragen und sich nicht einfach mit der guten Botschaft und mit der genehmen Zahl zufriedengeben.Andere Beispiele dieser Verharmlosungstendenz ergeben sich aus den Einstufungen krebserregender Stoffe und bei der Anerkennung bzw. Nichtanerkennung von Berufskrankheiten. Es hat viel zu lange gedauert, bis Asbest in die Gruppe A der Gefahrstoffverordnung übernommen wurde. Für die meisten gefährlichen Materialien, z. B. für verschiedene Holzstaubarten, passiert das erst, wenn die Wirkung genau nachgewiesen werden kann, während begründete Verdachtsmomente für ein faktisches Anwendungsverbot nicht ausreichen.Wissenschaftler, Politiker und Kassen warten da gerne auf Kosten der kranken Menschen. Wer die Antworten der Bundesregierung auf die Anfragen der SPD wie auch auf die Großen Anfragen der GRÜNEN, z. B. zu den mutagenen Stoffen, genau gelesen hat, findet genug detaillierte Beispiele für diese traurige Praxis.Auch wenn die Bundesregierung meint, „allgemein gehaltene Forderungskataloge sind wenig hilfreich", möchte ich doch eine grundsätzliche Forderung stellen. Die ganze Logik des bestehenden Arbeitsschutzes muß zugunsten der gefährdeten Menschen umgekehrt werden.
Das beginnt mit dem in Frage 1 angeschnittenen Problem der Verpflichtung der Hersteller von Gefahrstoffen zur Auskunft und geht weiter z. B. bis zur inFrage 17 angesprochenen Wirksamkeit von Unfallverhütungsvorschriften bei chemischen Reinigungen.Es genügt nicht, daß Hersteller zur Auskunft verpflichtet sind, wenn bei Arbeitgebern oder Arbeitnehmern Ungewißheiten über mögliche Gefährdungen entstehen. Man muß wirklich präventiv vorgehen und bei der Produktion möglicher Schadstoffe sowie bei der Zubereitung von Stoffgemischen von vornherein zwingend untersuchen, welche Risiken diese Stoffe darstellen und ob ihre Verwendung wirtschaftlich sinnvoll und ökologisch und gesundheitsmäßig vertretbar ist.Nur so entgehen wir der Gefahr, daß auch unsere Gesundheit auf die wachsenden Müllhalden unserer Gesellschaft geworfen wird. Das ist ein ganz wesentlicher Punkt, auch wenn eine Verlangsamung des Forschungs- und Produktionsprozesses und der Einführung von Stoffen in die Produktion zu verzeichnen wäre.Ich sehe, daß meine Redezeit zu Ende ist. Ich möchte abschließend sagen: Ich habe nach der Durchsicht und der Lektüre der Antworten der Bundesregierung nicht den Eindruck, daß die Bundesregierung bereit ist, in diesem Sinne zu handeln. Vielmehr gibt sie eher den Interessen der Industrie nach. Ich glaube, daß es richtig ist, ein neues Arbeitsschutzgesetz, wie es in Bearbeitung ist, vorzulegen. In der nächsten Legislaturperiode wird man sich damit intensiv zu befassen haben.
Das Wort hat der Abgeordnete Heinrich.
Herr Präsident! Meine Kolleginnen und Kollegen! In der politischen Auseinandersetzung der letzten Jahre hat der Arbeitsschutz eigentlich nur gelegentlich — ich erwähne nur das Wort Asbest — Schlagzeilen gemacht. Dies mag zum einen daran liegen, daß wir über einen sehr qualifizierten, hochwertigen Arbeitsschutz verfügen, um den uns sehr viele beneiden, und zum anderen daran, daß viele Regelungen nur die Spezialisten verstehen, nur für Spezialisten verständlich sind.Selbstverständlich ist und bleibt der Arbeitsschutz in der gesamten Bundesrepublik — dies gilt erst recht nach der Vereinigung — ein essentielles Thema für die arbeitende Bevölkerung, für die Betriebe und natürlich auch für uns im Plenum. Wer wie wir den Arbeitsschutz ernst nimmt, dem ist es ein Anliegen, zunächst all jenen zu danken, die sich in den Betrieben — seien es nun Betriebsärzte, Fachkräfte für Arbeitssicherheit, Betriebsräte, Mitarbeiter oder Inhaber — für die Verbesserung des Arbeitsschutzes eingesetzt haben und weiterhin einsetzen werden.
Danken möchte ich auch den Mitarbeitern der staatlichen Aufsichtsbehörden und denen der Berufsgenossenschaften, ohne deren verantwortungsbewußte Arbeit in der Praxis vieles von dem, was in den
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Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 231. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Oktober 1990 18413
Heinrichletzten Jahren erreicht worden ist, nicht oder nicht so schnell hätte realisiert werden können.Die Bundesrepublik Deutschland verfügt über ein hochentwickeltes System des Arbeitsschutzes, dessen vorrangiges Ziel es ist, berufsbedingte Verletzungen und Erkrankungen so weit wie möglich zu verhindern. Diesen hohen Standard nicht nur im bisherigen Bundesgebiet, sondern auch in den neuen Bundesländern durchzusetzen ist die eine wichtige Zukunftsaufgabe.Die andere Zukunftsaufgabe ist, auch in der Europäischen Gemeinschaft für einen möglichst qualifizierten Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer zu sorgen. Insofern sind die Anstrengungen, die im Rahmen der Europäischen Gemeinschaft gemacht wurden und werden, grundsätzlich zu begrüßen, wenn auch die Verabschiedung der sogenannten Maschinenrichtlinie durch den Ministerrat gegen das bundesdeutsche Votum nicht unproblematisch ist. Wir erwarten hier allerdings in diesem Zusammenhang, daß rasch die erforderlichen europäischen Normen geschaffen werden, damit der Gesundheitsschutz von Arbeitnehmern und Verbrauchern auch weiterhin auf hohem Niveau gewährleitstet bleibt.In den neuen fünf Bundesländern wird künftig grundsätzlich bundesdeutscher Arbeitsschutz gelten, wenn auch die Übergangszeit sicherlich nicht ohne Schwierigkeiten vor sich gehen wird. Dabei wird es darauf ankommen, daß Arbeitsschutz nicht — wie in der Vergangenheit — nur auf dem Papier steht, sondern praktiziert wird und nicht zu Lasten der Belegschaften umgangen wird. Insofern besteht in den neuen Bundesländern ein nicht unerheblicher Nachholbedarf, was auch die Organisation des Arbeitsschutzes anbetrifft.Nach dein Einigungsvertrag steht wegen der Notwendigkeit der Umsetzung zahlreicher EG-Richtlinien in deutsches Recht und der Anpassungsprobleme auf Grund der Vereinigung eine Neuregelung an, bei der aber auch darauf zu achten ist, daß freiberufliche Sachverständige weiter und in möglichst verstärktem Umfang tätig werden können und daß möglichst auch die Zuständigkeiten der Berufsgenossenschaften nicht geschmälert werden; denn gerade die praxisnahen Regelungen der Berufsgenossenschaften haben sich bewährt und sind besser als zuviel staatliche Reglementierung.Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang noch einen Blick auf den Unfallverhütungsbericht werfen. Vorausschicken möchte ich, daß jeder Arbeitsunfall einer und jede Berufskrankheit eine zuviel ist. Deshalb ist es erfreulich, daß die Zahl der Arbeitsunfälle, insbesondere der schweren und tödlichen, im Vergleich von 1985 zu 1989 um 16 % und die Zahl der Wegeunfälle im gleichen Zeitraum um 11 % zurückgegangen sind.Auch wenn 1989 die Unfallhäufigkeit je 1 000 Beschäftigte unter der des Jahres 1985 lag, so sind jedoch 1,6 Millionen Arbeitsunfälle immer noch zuviel — diese Zahl muß man eben hier auch nennen — und ein Ansporn für weitere Anstrengungen, diese Zahl zu senken. Das sollte von hier aus auch ausgehen.Problematisch ist jedoch der Anstieg der Berufskrankheiten mit ca. 55 000 Anzeigen allein im Jahre 1989. Die Gründe dafür mögen in den verbesserten Erkennungsmöglichkeiten, in einem gewachsenen Problembewußtsein, aber auch in den Spätfolgen unachtsamen Umgangs mit gefährlichen Stoffen liegen.Im Rahmen der Berufskrankheitenverfahren gilt es — dies wird von den Berufsgenossenschaften genauso gesehen — , die Feststellungsverfahren im Interesse der Betroffenen deutlich zu verkürzen. Da diese Krankheiten vielfach durch lange Latenzzeiten zwischen den schädigenden Einwirkungen und dem Beginn der Erkrankung gekennzeichnet sind, ist der Nachweis in vielen Fällen für den Versicherten nicht einfach. Allerdings sollte man sich davor hüten, auf Grund dieser Beschwerden einer generellen Umkehr der Beweislast das Wort zu reden.Wichtig und notwendig ist, daß im Bereich des Arbeitsschutzes alle Beteiligten — die Fachkräfte für Arbeitssicherheit, die Betriebsärzte sowie die Betriebsleitungen und Betriebsräte — der Prävention verstärkte Aufmerksamkeit widmen und Gefährdungsund Belastungsfaktoren in technischer, chemischer, physischer oder psychischer Hinsicht abgebaut werden.
— Herr Kollege Heyenn, der Zwischenruf kam am f al-schen Punkt. Ich darf Sie darauf hinweisen.Einem Arbeitsschutz auf hohem Niveau ohne zuviel Bürokratie kommt für die Humanität im Arbeitsleben besondere Bedeutung zu. Daran mitzuwirken sollte unser aller Anliegen sein.Ich bedanke mich.
Das Wort hat die Abgeordnete Frau Dr. Enkelmann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich könnte mir durchaus vorstellen, daß wir uns in diesem kleinen Kreis an einen runden Tisch setzen und über Arbeitsschutz diskutieren, und zwar sicherlich in sehr sachlicher Art und Weise.
Die Abgeordneten der PDS unterstützen die in der Anfrage deutlich gewordenen Bemühungen um weitergehende gesetzgeberische Initiativen zum Ausbau des Arbeitsschutzes bzw. zur Verbesserung des Arbeitsschutzrechts. Wir befürworten nachdrücklich den umfassenden Ansatz für Arbeitsschutz, der als fundamentale Voraussetzung für den Schutz der gesamten Bevölkerung vor gesundheitlichen Risiken in der allgemeinen Umwelt verstanden wird.
Eine neuzufassende Arbeitsschutzgesetzgebungsollte aber meines Erachtens vereinheitlicht werden,um diesem Ansatz tatsächlich Rechnung tragen zu
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18414 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 231. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Oktober 1990
Frau Dr. Enkelmannkönnen. Unabdingbar ist, daß eine humane Gestaltung der Arbeitsbedingungen die konkrete Mitwirkung des Arbeitnehmers, der Betriebs- bzw. Personalräte und der Gewerkschaften erfordert.Ein wichtiger Schwerpunkt der Ausgestaltung des Arbeitsschutzes muß der arbeitsmedizinische Bereich sein. Das belegen einige Fakten aus der Pressemitteilung des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung vom 18. Oktober 1990 zum Unfallverhütungsbericht. Hier wird unter anderem ausgeführt. daß die Berufskrankheiten kontinuierlich steigen, daß es in der BRD mehr als 18 000 Fälle von schweren Hautkrankheiten und mehr als 10 000 Fälle von Lärmschwerhörigkeit gibt. 1989 starben mehr als 1 000 Bürger der Bundesrepublik, bei denen eine Berufskrankheit Todesursache bzw. Mitursache war. Von asbestbedingten Krebserkrankungen war hier schon die Rede. Es geht also nicht um irgendwelche prozentualen Anteile, sondern es geht um die tatsächlich Betroffenen.Ich möchte hier auf zwei weitere Momente aufmerksam machen und unterstütze auch die Überlegungen des Abgeordneten Reimann. Es ist ein unhaltbarer Zustand, daß in bezug auf die Anerkennung einer Berufskrankheit die Beweislast in hohem Maße beim Arbeitnehmer liegt, d. h. er muß nachweisen, daß er arbeitsbedingt krank ist. Unvertretbar ist aber vor allem, daß die Feststellung einer Berufskrankheit zumeist von den Firmen nahestehenden Ärzten erfolgt, deren Objektivität wohl stark anzuzweifeln ist. Der Einsatz unabhängiger Gutachter erscheint daher dringend geboten.Zweifelsohne hätte im arbeitsmedizinischen Bereich die Möglichkeit bestanden, positive Erfahrungen aus der ehemaligen DDR aufzunehmen. Von daher darf die Antwort der Bundesregierung auf die zur Debatte stehende Anfrage vom März 1990 sozusagen als von der Geschichte überholt betrachtet werden.Der sogenannte Einigungsvertrag schreibt unter anderem im Kapitel VII Art. 30 fest,den öffentlich-rechtlichen Arbeitsschutz in Übereinstimmung mit dem Recht der Europäischen Gemeinschaften und dem damit konformen Teil des Arbeitsschutzrechts ... zeitgemäß neu zu regeln.Für eine solche zeitgemäße Regelung hat sich der DGB bereits im August 1990 ausgesprochen. Ziel sei — so der DGB — der Abbau schwerwiegender Defizite bei den staatlichen Arbeitsschutzeinrichtungen der Bundesrepublik. Es stellt wohl tatsächlich einen eklatanten Mißstand dar, wenn bei der Bundesanstalt für Arbeitsschutz in Dortmund nur ein Arbeitsmediziner tätig ist.Völlig unverständlich ist mir, daß es bisher keine Verständigung über eine weitere Profilierung des Zentralinstituts für Arbeitsmedizin in Berlin gibt. Es zählt neben anderen Einrichtungen — so in Mailand und Moskau — zu den erfahrensten auf der Welt. Es ist als solches international anerkannt. Die Entscheidung des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung, die Leitung einem Physiker zu übertragen, kann wohl kaum als Profilierung bezeichnet werden und deutet eher darauf hin, daß es in der Bedeutungslosigkeit verschwinden soll.Einfach nicht zu begreifen ist, daß die Klinik und Poliklinik für Berufskrankheiten, die an das Institut angegliedert war und eine effektive Forschung auf dem Gebiet der Arbeitsmedizin erst ermöglicht hat, durch das Ministerium inzwischen abgekoppelt wurde. Hier besteht meines Erachtens dringender Handlungsbedarf. Ich fordere deshalb Herrn Blüm auf — vielleicht können Sie ihm das weitervermitteln —, sich umgehend mit der Klärung des letztgenannten Problems zu befassen.Ich möchte noch eine Bemerkung außerhalb dieses Themas machen. Vielleicht können Sie meine Bemerkung Herrn Lippold weiterleiten. Ich finde es schlimm, wenn sich Leute wie er mit Arroganz und Überheblichkeit über die ehemalige DDR auslassen, ohne überhaupt die Befindlichkeit von Ex-DDR-Bürgern zu kennen.
Das Wort hat der Abgeordnete Wüppesahl. Ich möchte deutlich machen, daß ich ihm drei Minuten Redezeit zugestanden habe. Das ist heute seine vierte Rede, und er hat für den nächsten Tagesordnungspunkt auch noch einen Beitrag angemeldet.
Die Großzügigkeit des Präsidenten ist nicht zu übertreffen. Allen anderen Kollegen gegenüber ist das eigentlich nicht berechtigt.
Herr Wüppesahl, Sie haben das Wort.
Das, was mir konzediert wird, ist verfassungsrechtliche Grundlage meiner Arbeit und keine Gnade.Der Arbeitsschutz in der Bundesrepublik ist vollkommen unzureichend. Das haben auch die Vorredner deutlich gemacht. Die Unzulänglichkeit beginnt mit mangelnden oder mangelhaften präventiven Maßnahmen, setzt sich fort in mangelhafter Kontrolle bestehender Arbeitsschutzvorschriften und endet im Kampf einzelner Arbeitnehmerinnen oder Arbeitnehmer vor Gerichten und Gutachtern um Anerkennung ihrer körperlichen Gebrechen als das, was sie meistens sind, nämlich Berufskrankheiten.Die Erstellung einzelner Schutzvorschriften für den Umgang mit bestimmten Stoffen oder technischen Geräten lahmt hoffnungslos hinter der wissenschaftlich-technischen Entwicklung her. Eines der aufsehenerregenden Beispiele ist das der Benzol-Chemie. Tausende von Menschen arbeiten unwissentlich und somit unvorsichtig mit hochgradig karzinogenen Substanzen, his Ende der 60er Jahre, nachdem es also für viele Menschen zu spät war, festgestellt wurde, daß Benzole krebserregend sind.
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WüppesahlÄhnlich wie in der gesamten Umweltpolitik muß hier ein radikales Umdenken vom „erst einmal anwenden und dann prüfen", wobei Menschen dann zu willfährigen Versuchskaninchen — jedenfalls objektiv — degradiert werden — zum „erst prüfen und dann einsetzen" stattfinden. Arbeitsschutz bedeutet Prävention und nicht — wie es in Wirklichkeit der Fall ist — Schadensbegrenzung.In meinem Heimatwahlkreis befindet sich ein metallverarbeitender Betrieb, von dem ich weiß, daß dort Menschen auf fußbreiten Mauern zwischen mannshoch gefüllten Säurebecken balancieren. Nur die Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes kann die dort arbeitenden Menschen dazu erpressen, unter diesen lebensgefährlichen Bedingungen zu arbeiten und den Mund zu halten. Genauso mangelt es dort, obwohl Kräne ständig in Betrieb sind und Säuredämpfe durch die Hallen wabern, an Helmen und Atemschutzmasken. Ab und zu kommt ein Sachbearbeiter von der Gewerbeaufsicht vorbei, der dann meist nur das Verwaltungsgebäude aufsucht. Sollte er sich dennoch einmal in die Produktionshalle verirren, dann finden sich dort wie ein Wunder Schutzhelme und Atemmasken.Das ist nur ein Beispiel von vielen dafür, wie wenig effektiv die Konrolle der Arbeitsschutzvorschriften seitens der Gewerbeaufsicht ist, zumal durch so manch persönliches und vertrauliches Gespräch mit dem Firmenchef beim Kaffee oder mehr die Beobachtungsgabe so manchen Mitarbeiters der Gewerbeaufsicht Trübungen annimmt. Dies liegt nicht an der Vorliebe des einen oder anderen Mitarbeiters der Gewerbeaufsicht für Kaffee und intime Plauschereien mit den Kapitänen der Wirtschaft. Das Versagen der Gewerbeaufsicht liegt vielmehr in ihrer Struktur als selbsternannter Anwalt wirtschaftlicher Interessen gegenüber staatlichen Organen, also in ihrer unausgesprochenen Affinität und Abhängigkeit von der Wirtschaft.Die Gewerbeaufsicht, die ansonsten nicht viel mit Medizin zu tun hat, ist der Aufgabe eine effektiven Kontrolle der Einhaltung von Arbeitsschutzvorschriften nicht gewachsen. Diese Kompetenz liegt viel eher bei den kommunalen und regionalen Gesundheitsämtern, die über medizinisch gebildetes Fachpersonal und entsprechende Einrichtungen, Untersuchungen vorzunehmen, verfügen.Die Bundesregierung sollte sich endlich mit den Gewerkschaften, mit Arbeitsmedizinern und den Gesundheitsämtern zusammensetzen, um einen präventiven Arbeitsschutz zu erarbeiten, der nicht mehr hoffnungslos der gerade neuen Entwicklung hinterherrennt.Ich danke für die Aufmerksamkeit und freue mich auf das nächste Gespräch mit Ihnen.
Herr Parlamentarischer Staatssekretär Seehofer aus dem Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung hat das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich denke, wir haben imArbeitsschutz zur Zeit insbesondere drei große Aufgaben:Erstens geht es um die Einführung des bundesdeutschen Arbeitsschutzrechts in den neuen Bundesländern. Der Einigungsvertrag hat die Voraussetzungen dafür geschaffen. Unsere Rechtsvorschriften und die sie ausfüllenden technischen Regeln für die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer werden übernommen. Übergangsregelungen werden dabei helfen, bei bestehenden Anlagen und Arbeitsstätten eine schrittweise Anpassung an das vorgeschriebene Niveau zu erreichen.Zweitens geht es um die Vorbereitungen zur Erfüllung des Auftrags an den gesamtdeutschen Gesetzgeber, wie er in Art. 30 Abs. 1 des Einigungsvertrages festgelegt ist. Dort heißt es — ich zitiere — :Es ist Aufgabe des gesamtdeutschen Gesetzgebers, ... den öffentlich-rechtlichen Arbeitsschutz in Übereinstimmung mit dem Recht der Europäischen Gemeinschaften und dem damit konformen Teil des Arbeitsschutzrechts der Deutschen Demokratischen Republik zeitgemäß neu zu regeln.Zum dritten — dies ist wohl selbstverständlich — geht es darum, kontinuierlich auch weitere Anstrengungen zu unternehmen, um den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer zu verbessern. Ich möchte hier für die Bundesregierung drei Bereiche besonders herausstellen:Erstens die Bemühungen für eine verbesserte Anwendung des Arbeitssicherheitsgesetzes. Sie sind darauf gerichtet, vor allem die Unternehmer in Kleinbetrieben künftig besser über den Arbeits- und Gesundheitsschutz im Betrieb zu informieren, zu motivieren und ihnen in Bedarfsfällen sachverständige Beratung zu ermöglichen. Herr Kollege Reimann, ich meine, es ist vor allem auch ein Vollzugsdefizit, das wir in der Bundesrepublik Deutschland haben.
Wir sollten auf diesem Gebiet nicht unbedingt in jedem Fall den Gegensatz zwischen wirtschaftlichen und Arbeitsschutzinteressen herstellen. Man könnte bei der Wirtschaft durchaus dafür werben, daß dort das Interesse für den Arbeitsschutz besonders hoch sein müßte, unter dem Gesichtspunkt, daß ein optimaler Arbeitsschutz z. B. dazu führen kann, die Fehlzeiten zu reduzieren und die tariflich vereinbarten Gefahrenzulagen zurückzuführen.Zweitens die flankierende Unterstützung der Arbeitsschutzaufgaben durch das Forschungsprogramm Arbeit und Technik. Mit ihm werden vom Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung zwei zentrale Zielsetzungen verfolgt. Einmal wird durch Forschung und Entwicklung von Verfahren für den Arbeitsschutz die Erfüllung der rechtlichen Anforderungen des Arbeitsschutzes in den Betrieben unterstützt. Darüber hinaus hilft Forschung, neu auftretende Belastungen und Gefährdungen festzustellen und den Arbeitsschutz auch inhaltlich weiterzuentwickeln. Bei der Lösung solcher Aufgaben wurde der Bundesarbeitsminister bisher durch die Bundesanstalt für Arbeitsschutz in Dortmund unterstützt. Durch
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18416 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 231. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Oktober 1990
Parl. Staatssekretär Seehof erFortführung des Berliner Zentralinstituts für Arbeitsmedizin und die Eingliederung des ehemaligen Zentralinstituts für Arbeitsschutz in Dresden in die Bundesanstalt für Arbeitsschutz wird die Unterstützungskapazität besonders in der Arbeitsmedizin erheblich gestärkt.Drittens die Gefahrstoffverordnung, die Regelungen zur Vermeidung von Gesundheitsgefahren für Arbeitnehmer durch gefährliche Stoffe enthält. Sie wird unter Federführung des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung kontinuierlich weiterentwikkelt. Diese Verordnung hat 1986 die Arbeitsstoffverordnung abgelöst und hat sich in ihrer Konzeption grundsätzlich bewährt. Die Gefahrstoffverordnung ist zu einem Markenzeichen des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung und des gesamten Arbeitsschutzes geworden.In den Antworten auf die über 150 Fragen der Großen Anfrage Arbeitsschutz konnte die Bundesregierung darstellen, daß die Regelungen der Gefahrstoffverordnung einen Schutz der Arbeitnehmer vor gefährlichen Stoffen auf hohem Niveau sicherstellt.
Allerdings mußte in den Antworten auch festgestellt werden, daß an einigen Arbeitsplätzen die Arbeitnehmer noch nicht ausreichend geschützt sind.
Ursache für diese Mißstände sind aber weniger unzureichende Regelungen der Gefahrstoffverordnung, sondern entweder ein Mangel in der Umsetzung der staatlichen Vorschriften oder neue Erkenntnisse über die Gesundheitsgefahren von Arbeitsstoffen, die bislang als unbedenklich angesehen wurden.Hier ist auch der Ausschuß für Gefahrstoffe zu erwähnen, der in zahlreichen technischen Regeln die Vorschriften der Gefahrstoffverordnung präzisiert und Hilfestellung für die Praxis liefert. Die Zusammensetzung dieses Ausschusses mit Wissenschaftlern, Ländervertretern und den Sozialpartnern ermöglicht eine breite gesellschaftliche Akzeptanz, die das vom Bundesarbeitsminister entwickelte Gefahrstoffrecht auszeichnet.So war es möglich, meine Damen und Herren, durch gemeinsame Anstrengungen auf das stark krebserzeugende Asbest weitestgehend zu verzichten. Asbest darf zukünftig nur noch für eine Übergangsfrist und nur für bestimmte Erzeugnisse verwendet werden.
Diesen Erfolg für den Arbeitsschutz müssen wir jetzt auf europäischer Ebene verteidigen. Deshalb erwähne ich dieses Beispiel hier.Vor dem Hintergrund der unstrittigen Gesundheitsgefahren durch Asbest
und der vielfältigen Substitutionsmöglichkeiten sinddie soeben vorgelegten Entwürfe der EG-Richtlinienzu Asbest für uns absolut unzureichend. Gleiches giltfür die Einstufung von krebserzeugenden Stoffen auf EG-Ebene. Das zur Zeit beim Europäischen Gerichtshof gegen die Bundesrepublik Deutschland anhängige Verfahren über unsere nationale Einstufung von Stoffen als krebserzeugend muß aus unserer Sicht erfolgreich durchgestanden werden, um den national erreichten Gesundheitsschutz für Arbeitnehmer auch künftig zu erhalten.
Denn grundsätzlich gilt: Die Harmonisierung der nationalen Vorschriften zur Schaffung eines europäischen Binnenmarktes darf nicht dazu führen, unsere nationalen hohen Sicherheitsstandards zu verlieren. Er ist vielmehr in die gemeinschaftlichen Regelungen einzubringen. Auch europaweit darf es im Arbeitsschutz keinen Stillstand geben.Ich danke Ihnen.
Meine Damen und Herren, ich schließe die Aussprache.Jetzt rufe ich Tagesordnungspunkt 15 auf:a) Beratung der Großen Anfrage der Abgeordneten Frau Garbe, Frau Hensel, Frau Teubner, Frau Dr. Vollmer und der Fraktion DIE GRÜNENGefährdung von Mensch und Umwelt durch kontaminierte Standorte der chemischen Rüstungsproduktion
— Drucksachen 11/4261, 11/6972 —b) Beratung der Großen Anfrage der Abgeordneten Stahl , Dr. Hartenstein, Bachmaier, Bernrath, Blunck, Conrad, Conradi, Daubertshäuser, Fischer (Homburg), Dr. Hauchler, Dr. Hauff, Jansen, Dr. Jens, Kiehm, Dr. Klejdzinski, Koltzsch, Lennartz, Dr. Martiny, Menzel, Müller (Düsseldorf), Müller (Schweinfurt), Rappe (Hildesheim), Reimann, Reschke, Reuter, Roth, Schäfer (Offenburg), Schanz, Dr. Schöfberger, Schütz, Singer, Waltemathe, Weiermann, Ibrügger, Dr. Vogel und der Fraktion der SPDAltlasten— Drucksachen 11/2725, 11/4104, 11/4716 —c) Beratung der Unterrichtung durch die BundesregierungSondergutachten „Altlasten" des Rates von Sachverständigen für Umweltfragen— Drucksache 11/6191 —Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Ausschuß für WirtschaftAusschuß für Arbeit und SozialordnungAusschuß für Raumordnung, Bauwesen und StädtebauWir hatten eine gemeinsame Beratung in einer Zehnminutenrunde vereinbart. Aber nachdem wir gerade eine Arbeitsschutz-Debatte hinter uns haben und der Arbeitsschutz wohl auch für Abgeordnete gilt,
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 231. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Oktober 1990 18417
Vizepräsident Westphalhabe ich gehört, daß der Wunsch geäußert worden ist, die Reden zu Protokoll zu geben.Dies ist eine Abweichung von unserer Geschäftsordnung. Kann ich feststellen, daß alle damit einverstanden sind? — Dies stelle ich fest.
Dann ist das so beschlossen.*)') Anlage 2Der Ältestenrat schlägt die Überweisung der Vorlage auf Drucksache 11/6191 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vor. Gibt es dazu anderweitige Vorschläge? — Das ist nicht der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen.Damit sind wir am Schluß unserer heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Bundestages auf morgen, Freitag, den 26. Oktober 1990, 9 Uhr ein.Die Sitzung ist geschlossen.