Protokoll:
11225

insert_drive_file

Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 11

  • date_rangeSitzungsnummer: 225

  • date_rangeDatum: 19. September 1990

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 13:00 Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 15:36 Uhr

  • account_circleMdBs dieser Rede
  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 11/225 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 225. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 19. September 1990 Inhalt: Erweiterung der Tagesordnung 17785 B Absetzung des Punktes 2 f) von der Tagesordnung 17789 B Zusatztagesordnungspunkt 1: Aktuelle Stunde betr. Planung für terroristische Anschläge der RAF und. der Hamburger Hafenstraße auf führende Politiker und Wirtschaftsführer Gerster (Mainz) CDU/CSU 17772 B Paterna SPD 17773 A Dr. Hirsch FDP 17774 B Eich GRÜNE 17774 D, 17780 A Hackmann, Senator der Freien und Hansestadt Hamburg 17775 D Zeitlmann CDU/CSU 17777 C Frau Dr. Sonntag-Wolgast SPD 17778 B Lüder FDP 17779B Spranger, Parl. Staatssekretär BMI 17780 C Duve SPD 17781 C Echternach CDU/CSU 17782 C Wüppesahl fraktionslos 17783 C Dr. Olderog CDU/CSU 17784 C Zusatztagesordnungspunkt 2: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Inkraftsetzung von Vereinbarungen betreffend den befristeten Aufenthalt von Streitkräften der Französischen Republik, der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken, des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland und der Vereinigten Staaten von Amerika in Berlin und von sowjetischen Streitkräften auf dem in Artikel 3 des Einigungsvertrages genannten Gebiet nach Herstellung der Deutschen Einheit (Drucksache 11/7915) 17785 B Tagesordnungspunkt 2: a) Beratung der Beschlußempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) zu dem Vierten Agrarsozialen Ergänzungsgesetz (Drucksachen 11/6469, 11/7064, 11/7233, 11/7502, 11/7844) b) Beratung der Beschlußempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) zu dem Zweiten Gesetz zur Verbesserung des Wahlrechts für die Sozialversicherungswahlen (Drucksachen 11/6337, 11/7222, 11/7503, 11/7845) c) Beratung der Beschlußempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) zu dem Gesetz über die Statistik für das Hochschulwesen (Hochschulstatistikgesetz) (Drucksachen 11/5832, 11/7297, 11/7554, 11/7846) d) Beratung der Beschlußempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) zu dem Dritten Gesetz zur Änderung des Abwasserabgabengesetzes (Drucksachen 11/4942, 11/7231, 11/7505, 11/7847) e) Beratung der Beschlußempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) zu dem Gesetz zur Fortentwicklung der Daten- II Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 225. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 19. September 1990 verarbeitung und des Datenschutzes (Drucksachen 11/4306, 11/7235, 11/7504, 11/7843) f) Beratung der Beschlußempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) zu dem Gesetz über Statistiken im Handwerk (Handwerkstatistikgesetz) (Drucksachen 11/4801, 11/7224, 11/7278, 11/7506, 11/7849) g) Beratung der Beschlußempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) zu dem Gesetz zur Verbesserung der Überwachung des Außenwirtschaftsverkehrs und zum Verbot von Atomwaffen, biologischen und chemischen Waffen (Drucksachen 11/4609, 11/7221, 11/7507, 11/7848) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 3: Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP Fortentwicklung der Datenverarbeitung und des Datenschutzes (Drucksache 11/7921) Dr. Hüsch CDU/CSU 17786B, 17788D, 13389 C, D, 13390 C, D, 17791B Frau Roitzsch (Quickborn) CDU/CSU (zur GO) 17789A Jahn (Marburg) SPD (zur GO) 17789 B Günther CDU/CSU 17790 B Tagesordnungspunkt 1: Fragestunde — Drucksache 11/7879 vom 19. September 1990 — Bekanntgabe der Lagerorte von Atomwaffen; Praxis in den NATO-Mitgliedstaaten MdlAnfr 3 Dr. Kübler SPD Antw PStSekr Wimmer BMVg 17763 B ZusFr Dr. Kübler SPD 17763 B ZusFr Sielaff SPD 17763 C ZusFr Duve SPD 17763 D Verlorengegangene Postsendungen 1988 und 1989 MdlAnfr 4 Frau Würfel FDP Antw PStSekr Rawe BMPT 17764 A ZusFr Frau Würfel FDP 17764 B ZusFr Lüder FDP 17764 C ZusFr Jäger CDU/CSU 17764 D ZusFr Sielaff SPD 17765 A Beibehaltung der Förderung der Stadtsanierung; Zuschüsse an die DDR ohne Erhöhung des Finanzvolumens MdlAnfr 5 Jäger CDU/CSU Antw PStSekr Echternach BMBau 17765 B ZusFr Jäger CDU/CSU 17765 C Ablehnung der Dienstreisen von Personalratsmitgliedern des BML zur Beratung von Beschäftigten in der DDR MdlAnfr 13 Häuser SPD Antw PStSekr Dr. von Geldern BML 17766 A ZusFr Häuser SPD 17766C ZusFr Duve SPD 17766 C ZusFr Sielaff SPD 17766 D Höhere Vergütung bei freiwilliger Verlängerung des Zivildienstes zur Behebung der Engpässe im Pflegedienst MdlAnfr 18 Sielaff SPD Antw PStSekr Pfeifer BMJFFG 17767 A ZusFr Sielaff SPD 17767 B ZusFr Frau Roitzsch (Quickborn) CDU/CSU 17767 D ZusFr Frau Wollny GRÜNE 17767 D Forschungsvorhaben über die Gewaltanwendung gegen ältere Menschen, insbesondere in Pflegeeinrichtungen, analog den Untersuchungen in den USA MdlAnfr 20, 21 Frau Walz FDP Antw PStSekr Pfeifer BMJFFG 13368 B, C Stillegung des Kernkraftwerks Greifswald angesichts der Überschreitung der Strahlengrenzwerte und anderer Sicherheitsmängel MdlAnfr 29, 30 Frau Wollny GRÜNE Antw PStSekr Gröbl BMU 17768 D, 17769 A ZusFr Frau Wollny GRÜNE 17768 D, 17769 B Kündigung des Zusatzabkommens zum deutsch-iranischen Niederlassungsabkommen MdlAnfr 32, 33 Schreiner SPD Antw StMin Frau Dr. Adam-Schwaetzer AA 17769 D, 17770 A ZusFr Schreiner SPD 17770 A Reaktion der chilenischen Regierung und des Staatspräsidenten auf die Äußerungen von General Pinochet über die deutsche Bundeswehr Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 225. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 19. September 1990 III MdlAnfr 34, 35 Duve SPD Antw StMin Frau Dr. Adam-Schwaetzer AA 17770 D, 17771 A ZusFr Duve SPD 17371 A Beurteilung der Massenhinrichtungen in China MdlAnfr 36 Dr. Kühler SPD Antw StMin Frau Dr. Adam-Schwaetzer AA 17771B ZusFr Dr. Kübler SPD 17771 C Nächste Sitzung 17792 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten 17793* A Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Dr. Hüsch (CDU/CSU) zur Abstimmung über die Beschlußempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) zu dem Gesetz zur Verbesserung der Überwachung des Außenwirtschaftsverkehrs und zum Verbot von Atomwaffen, biologischen und chemischen Waffen (Drucksachen 11/4609, 11/7221, 11/7507, 11/7848) — Tagesordnungspunkt 2 g — 17793* B Anlage 3 Sicherstellung der rechtzeitigen Unterrichtung der Beschäftigten in DDR-Ministerien über befristete Ausschreibungen; Weiterführung von DDR-Ministerien bis Ende 1990 MdlAnfr 1 — Drs 11/7879 — Häuser SPD SchrAntw PStSekr Spranger BMI 17794* A Anlage 4 Strafverfolgung der für den Schießbefehl, die menschenrechtswidrigen Strafprozesse und die Zustände in den Haftanstalten Verantwortlichen der SED-Führung MdlAnfr 6 — Drs 11/7879 — Jäger CDU/CSU SchrAntw StS Dr. Kinkel BMJ 17794* B Anlage 5 Veröffentlichung von Vernehmungsprotokollen, insbesondere früherer RAF-Mitglieder MdlAnfr 7, 8 — Drs 11/7879 — Dr. Hirsch FDP SchrAntw StS Dr. Kinkel BMJ 17794* C Anlage 6 Bewertung der Zulassung der Allianz-Beteiligung an der Deutschen Versicherungs AG der DDR durch die Treuhandanstalt; Verbindlichkeiten der DVAG MdlAnfr 9, 10 — Drs 11/7879 — Cronenberg (Arnsberg) FDP SchrAntw PStSekr Carstens BMF 17795* A Anlage 7 Vereinbarkeit der Antwort auf die Frage nach Hilfen für Bauherren von selbstgenutztem Wohneigentum in der DDR mit der Erklärung des DDR-Bauministers über die Bereitstellung von 100 Mio DM als Ausgleich für hohe Zinsbelastungen MdlAnfr 11, 12 — Drs 11/7879 —Müntefering SPD SchrAntw PStSekr Carstens BMF 17795* D Anlage 8 Förderung des Einsatzes von Bioöl aus nachwachsenden Rohstoffen als Schmieröl MdlAnfr 14, 15 — Drs 11/7879 — Kirschner SPD SchrAntw PStSekr Dr. von Geldern BML 17796* B Anlage 9 Lage der bundesdeutschen Imker; Verhinderung der Lieferung von Honig aus der DDR zu Dumping-Preisen MdlAnfr 16 — Drs 11/7879 — Stiegler SPD SchrAntw PStSekr Dr. von Geldern BML 17796* D Anlage 10 Erhebungen zur Sicherung der „Gesundheitsdaten" in der DDR MdlAnfr 17 — Drs 11/7879 — Frau Würfel FDP SchrAntw PStSekr Pfeifer BMJFFG 17797* B Anlage 11 Zahlung von Erziehungsgeld an Aussiedler ohne Vertriebenenausweis nur bis zum Ende des sechsten Lebensmonats des Kindes MdlAnfr 19 — Drs 11/7879 — Lowack CDU/CSU SchrAntw PStSekr Pfeifer BMJFFG 17797* C Anlage 12 Ursachen für Verspätungen bei IntercityZügen in den letzten drei Monaten MdlAnfr 22, 23 — Drs 11/7879 — Richter FDP SchrAntw PStSekr Dr. Schulte BMV 17797* D IV Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 225. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 19. September 1990 Anlage 13 Vorlage des Berichts der Bundesbahn zur Neuordnung des Gepäck- und Expreßgutverkehrs MdlAnfr 24 — Drs 11/7879 — Hinsken CDU/CSU SchrAntw PStSekr Dr. Schulte BMV 17798* B Anlage 14 Revision bestimmter Dioxin-Richtlinien zur Bodensanierung im Katalog des Bundesgesundheits- und Umweltbundesamtes MdlAnfr 25, 26 — Drs 11/7879 — Frau Garbe GRÜNE SchrAntw PStSekr Gröbl BMU 17798* B Anlage 15 Vorlage eines Gesetzentwurfs zum Bodenschutz MdlAnfr 27, 28 — Drs 11/7879 — Dr. Wernitz SPD SchrAntw PStSekr Gröbl BMU 17798* D Anlage 16 Deutschunterricht für die in der DDR stationierten sowjetischen Soldaten aus Mitteln der 12-Milliarden-Finanzhilfe MdlAnfr 31 — Drs 11/7879 — Zierer CDU/CSU SchrAntw StMin Frau Dr. Adam-Schwaetzer AA 17799* B Anlage 17 Stand der Verhandlungen über einen Generalvertrag mit der CSFR; Abschluß von dem deutsch-sowjetischen Vertrag vergleichbaren Abkommen mit Polen und Ungarn MdlAnfr 37 — Drs 11/7879 — Stiegler SPD SchrAntw StMin Frau Dr. Adam-Schwaetzer AA 17799* D Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 225. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 19. September 1990 17763 225. Sitzung Bonn, den 19. September 1990 Beginn: 13.00 Uhr
  • folderAnlagen
    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) Fraktion entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens SPD 19. 09. 90 * Frau Beer GRÜNE 19. 09. 90 Frau Blunck SPD 19. 09. 90 ** Büchner (Speyer) SPD 21. 09. 90 * Clemens CDU/CSU 21.09.90 Dr. Dollinger CDU/CSU 19. 09. 90 Dr. Ehrenberg SPD 19. 09. 90 Frau Eid GRÜNE 19. 09. 90 Engelhard FDP 19.09.90 Frau Faße SPD 19. 09. 90 Francke (Hamburg) CDU/CSU 19. 09. 90 Frau Fuchs (Köln) SPD 19. 09. 90 Dr. Geißler CDU/CSU 19. 09. 90 Dr. Götz CDU/CSU 19. 09. 90 Dr. Jahn (Münster) CDU/CSU 19. 09. 90 Jaunich SPD 19.09.90 Jung (Düsseldorf) SPD 19. 09. 90 Kalisch CDU/CSU 21.09.90 Dr. Klejdzinski SPD 19. 09. 90 ** Kolb CDU/CSU 21.09.90 Dr. Lippelt (Hannover) GRÜNE 19. 09. 90 Meyer SPD 19.09.90 Dr. Müller CDU/CSU 21. 09. 90 * Niegel CDU/CSU 20. 09. 90 ** Paintner FDP 21.09.90 Rappe (Hildesheim) SPD 19. 09. 90 Reddemann CDU/CSU 19.09.90 Schäfer (Mainz) FDP 21. 09. 90 Schäfer (Offenburg) SPD 21. 09. 90 Frau Schmidt (Nürnberg) SPD 19. 09. 90 Schmitz (Baesweiler) CDU/CSU 19. 09. 90 ** Schulze (Berlin) CDU/CSU 21. 09. 90 Dr. Todenhöfer CDU/CSU 19. 09. 90 Frau Trenz GRÜNE 21. 09. 90 Wischnewski SPD 21.09.90 Dr. Wittmann CDU/CSU 19. 09. 90 Zierer CDU/CSU 19. 09. 90 * Dr. Zimmermann CDU/CSU 21. 09. 90 * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Dr. Hüsch (CDU/CSU) zur Abstimmung über die Beschlußempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) zu dem Gesetz zur Verbesserung der Überwachung des Außenwirtschaftsverkehrs und zum Verbot von Atomwaffen, biologischen und chemischen Waffen (Drucksachen 11/4609, 11/7221, 11/7507, 11/7848) - Tagesordnungspunkt 2 g - Anlagen zum Stenographischen Bericht Ich unterstütze die Absicht der Bundesregierung, die Kontrolle der Kriegswaffenexporte wesentlich zu verschärfen und sich dazu neben verwaltungsrechtlicher Maßnahmen auch strafrechtlicher Bestimmungen zu bedienen. Die Fassung des Kriegswaffenkontrollgesetzes, die vom Vermittlungsausschuß vorgeschlagen wird, kann ich indes nicht teilen: 1. Mit dem Gesetz wird erstmalig eine Strafandrohung für fahrlässiges/leichtfertiges Fördern zu einer Haupttat konstituiert. Die Tatbestandsausformung ist sehr weitgehend und unbestimmt. Sie verletzt nach meiner Einschätzung Art. 103 GG. 2. Der Vermittlungsausschuß hat die Strafandrohung für besonders schwere Fälle, die im Bundestagsbeschluß verankert waren, zurückgenommen. Dies halte ich nicht für gerechtfertigt. 3. Der Bundestag hat es unternommen, die erlaubte und deshalb straffreie wissenschaftliche Tätigkeit abzugrenzen von der unerlaubten und deshalb strafbaren Übertragung von Wissen zum Zwecke der Herstellung von ABC-Waffen. Der Vorschlag des Vermittlungsausschusses greift diese Absichten nicht auf. Er schafft deshalb unangebrachte Unklarheiten. 4. Die im Bundestagsbeschluß vorgesehene Absenkung der Mindeststrafe auf ein Jahr diente dazu, bei geringfügigen Tatbeiträgen eine Strafaussetzung zur Bewährung ohne besondere Begründungsnotwendigkeit zu öffnen. Der Beschluß des Vermittlungsausschusses folgt dem nicht. Er schafft damit eine nach meiner Auffassung unangemessene Strafandrohung namentlich gegenüber in abhängiger Position tätigen Mitarbeitern und wird nicht zuletzt zu einer erheblichen Demotivation führen. 5. Auf Grund des Bundestagsbeschlusses wird die Strafandrohung auf alle Deutschen ausgedehnt, gleichgültig, wo sie sich in der Welt aufhalten. Hiergegen bestanden beachtliche Bedenken. Nach dem Verlangen des Bundesrates hat der Vermittlungsausschuß nunmehr darüber hinaus vorgeschlagen, den Zeitpunkt des Inkrafttretens auf den Tag nach der Verkündung des Gesetzes festzustellen. Dies führt zu einer unerträglichen und nicht mehr von der Sachgerechtigkeit und der Angemessenheit der strafrechtlichen Androhung überlagerten Belastung derjenigen Deutschen, die außerhalb des Gebietes der NATO in bislang legaler Weise und z. Zt. im Rahmen von der Bundesregierung abgeschlossener völkerrechtlicher Vereinbarungen in dem umschriebenen sensiblen Bereich tätig sind. Die Fürsorgepflicht wird durch das sofortige Inkrafttreten der Strafandrohung ohne Chance für die betroffenen Deutschen, sich auf die neue Rechtslage einzustellen, schwerwiegend verletzt. Die vorgetragenen Bedenken machen es mir unmöglich, im konkreten Fall bei grundsätzlicher Respektierung der politischen Absichten der Bundesregierung auf diesem Gebiet dem Vermittlungsvorschlag zuzustimmen. Anlage 3 Antwort des Parl. Staatssekretärs Spranger auf die Frage des Abgeordneten Häuser (SPD) (Drucksache 11/7879 Frage 1): Wie ist sichergestellt, daß die Beschäftigten der Spiegelbehörden des Bundes in der DDR rechtzeitig von den zur Zeit laufenden und befristeten Ausschreibungen Kenntnis erlangen, insbesondere wie ist sichergestellt, daß die ehemaligen Mitarbeiter, die vor dem Beitritt aus politischen Gründen aus den Spiegelbehörden entfernt wurden, von diesen Ausschreibungen erfahren, und welche Spiegelbehörden in der DDR der obersten Bundesbehörden und deren Geschäftsbereiche werden bis Ende des Jahres 1990 weitergeführt? Einrichtungen oder Teileinrichtungen der öffentlichen Verwaltung im Beitrittsgebiet, die bis zum Wirksamwerden des Beitritts Aufgaben erfüllt haben, die nach der Kompetenzordnung des Grundgesetzes vom Bund wahrzunehmen sind, unterstehen den obersten Bundesbehörden. So werden alle Ressorts zum 3. Oktober 1990 in Berlin Außenstellen einrichten, bei denen es sich nicht um „Spiegelbehörden" handelt. Die Außenstellen werden sich sowohl mit Abwicklungsaufgaben als auch mit der Fortführung von Fachaufgaben befassen. Es ist davon auszugehen, daß diese Außenstellen auf Grund ihrer Aufgabenstellung auch über das Ende des Jahres 1990 hinaus weiterbestehen werden. In diesen Außenstellen werden sowohl Beschäftigte aus den bisherigen Behörden der DDR als auch von hier entsandte Bundesbedienstete tätig werden. Die Außenstellen werden jeweils einem Staatssekretär unterstellt und von einem geschäftsleitenden Beamten geleitet. Mit dem Beitritt der DDR bestehen grundsätzlich die im dortigen vergleichbaren öffentlichen Dienst vorhandenen Arbeitsverhältnisse fort. Sie werden in übernommenen Einrichtungen im Kompetenzbereich des Bundes zu den bisherigen Bedingungen fortgeführt; in nicht übernommenen Einrichtungen ruhen sie vom Tage des Wirksamwerdens des Beitritts an und enden, wenn kein neues Arbeitsverhältnis begründet wird. Die Hinweise des BMI zu den Übergangsregelungen für Rechtsverhältnisse der Angehörigen des öffentlichen Dienstes im Beitrittsgebiet vom 10. September 1990 (D III 1 — 220 000/43) enthalten keine Regelungen über Ausschreibungen; es ist davon auszugehen, daß Ausschreibungen im Rahmen der Gesetze und der im Bundesbereich üblichen Handhabung unter der Verantwortung der jeweiligen Ressorts erfolgen. Anlage 4 Antwort des Staatssekretärs Dr. Kinkel auf die Frage des Abgeordneten Jäger (CDU/CSU) (Drucksache 11/7879 Frage 6) : Wie lange wird es nach den Erkenntnissen der Bundesregierung noch dauern, bis die für den Schießbefehl, für die menschenrechtswidrigen Strafgesetze und Strafprozesse und für die unmenschlichen Zustände in den Haftanstalten der DDR verantwortlichen ,Schreibtischtäter' der SED-Führung für ihre Verbrechen strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden, und wie ist es nach Auffassung der Bundesregierung zu erklären, daß diese Strafprozesse in der DDR bis heute nicht stattfinden konnten? Der Bundesregierung liegen zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine Erkenntnisse über den Stand der Strafverfahren gegen Mitglieder der früheren SED-Führung im Zusammenhang mit dem Erlaß des Schießbefehls vor, da die Einleitung und Durchführung dieser Verfahren bislang in die Zuständigkeit der Strafverfolgungsbehörden der DDR fällt und nach der Vereinigung den Justizbehörden der Länder obliegen wird. Aus diesem Grunde entzieht es sich auch der Kenntnis der Bundesregierung, ob gegen Mitglieder der früheren Führungsspitze der DDR, die für rechtsstaatswidrige Strafgesetze, Anordnungen, Strafprozesse sowie rechtsstaatswidrige Zustände in den Haftanstalten der DDR verantwortlich sind, Ermittlungsverfahren eingeleitet worden sind. Anlage 5 Antwort des Staatssekretärs Dr. Kinkel auf die Fragen des Abgeordneten Dr. Hirsch (FDP) (Drucksache 11/7879 Fragen 7 und 8) : Hat die Bundesregierung oder eine ihr nachgeordnete Behörde die Vernehmungsprotokolle früherer RAF-Mitglieder veröffentlicht, oder wie erklärt sie sich sonst deren Veröffentlichung in zahlreichen Medien? Hält die Bundesregierung die Herausgabe der Protokolle an private Dritte für normal oder strafbar, und was gedenkt sie gegebenenfalls zu tun, um in Zukunft eine gleichmäßige Veröffentlichung aller polizeilichen oder staatsanwaltschaftlichen Vernehmungsprotokolle bei interessanten Strafverfahren sicherzustellen? Zu Frage 7: Der Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse vor, aus welchen Quellen die angesprochenen Presseorgane ihre Information erhalten haben. Nach den Feststellungen des Generalbundesanwalts wurden insbesondere in Artikeln des Nachrichtenmagazins „Der Spiegel" vom 27. August 1990 und vom 3. September 1990 detailliert Angaben wiedergegeben, die das inhaftierte „RAF"-Mitglied Werner Lotze bei seiner Einvernahme in der Zeit zwischen dem 17. und 20. Juli 1990 gegenüber den vernehmenden Beamten gemacht hat. Die für die genannten Veröffentlichungen in Frage kommenden Vernehmungsprotokolle wurden innerhalb der Bundesanwaltschaft dem Generalbundesanwalt, dem Abteilungsleiter II (Staatsgefährdungsstrafsachen) sowie jedem Ermittlungsreferat der Abteilung II zur Verfügung gestellt. Weitere Ablichtungen erhielten von der Bundesanwaltschaft: — der Sachbearbeiter des Bundeskriminalamtes — teilweise (Vernehmungen vom 17., 18. Juli 1990) der Sachbearbeiter des Landeskriminalamtes Nordrhein-Westfalen — der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshof es — der (damalige) Verteidiger des Beschuldigten Lotze Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 225. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 19. September 1990 17795* — die Landesämter für Verfassungschutz in Baden-Württemberg und Hessen — etwa um den 24. August 1990 das Bundesamt für Verfassungsschutz. An Behörden der DDR, in der die inhaftierten „RAF"-Mitglieder festgenommen worden waren, sind Vernehmungsprotokolle nicht übermittelt worden; es gibt auch keine Erkenntnisse, daß andere Sicherheitsbehörden dies getan hätten. Zu Frage 8: Der Generalbundesanwalt hat auf Grund der Veröffentlichung von Protokollen über die Vernehmung des Beschuldigten Werner Lotze ein Ermittlungsverfahren wegen Verdachts eines Verstoßes gegen § 353b StGB eingeleitet. Diese Bestimmung stellt die Verletzung von Dienstgeheimnissen und die Verletzung von besonderen Geheimhaltungspflichten unter Strafe. Anlage 6 Antwort des Parl. Staatssekretärs Carstens auf die Fragen des Abgeordneten Cronenberg (Arnsberg) (FDP) (Drucksache 11/7879 Fragen 9 und 10): Wie schätzt die Bundesregierung die Möglichkeiten der Treuhandanstalt in Ost-Berlin ein, den in Artikel 26 Abs. 4 des Staatsvertrages mit der DDR über die Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion festgeschriebenen Zielen, wonach das volkseigene Vermögen vorrangig für die Strukturanpassung der Wirtschaft und für die Sanierung des Staatshaushaltes zu nutzen ist, gerecht zu werden, wenn — wie z. B. im Falle der Allianz-Beteiligung an der Deutschen Versicherungs-AG (DVAG) — keine Erlöse erzielt werden? Wann kann die Bundesregierung sich konkret zur Höhe der weiterbestehenden Verbindlichkeiten aus dem staatlichen Versicherungsmonopol der DDR äußern, die von der neu gegründeten DVAG nicht übernommen wurden und die im Rahmen der DNI-Eröffnungsbilanz festzustellen sind? Zu Frage 9: Die von Ihnen erwähnte Aufgabe in Art. 26 Abs. 4 des Staatsvertrages vom 18. Mai dieses Jahres ist der Treuhandanstalt durch das von der Volkskammer erlassene Treuhandgesetz übertragen worden. Zugleich ist durch dieses Gesetz der Auftrag der Treuhandanstalt konkretisiert und erweitert worden. Er umfaßt schwerpunktmäßig die Privatisierung und Verwertung volkseigenen Vermögens nach marktwirtschaftlichen Grundsätzen. Dabei hat die Anstalt die Strukturanpassung der Wirtschaft auf dem Gebiet der heutigen DDR zu fördern, indem sie die Entwicklung sanierungsfähiger Betrieb zu wettbewerbsfähigen Unternehmen und deren Privatisierung voranbringt. Die Volkskammer hat das Treuhandgesetz am 17. Juni dieses Jahres, also vor rd. drei Monaten, verabschiedet. Angesichts des sehr umfangreichen Aufgabenkataloges ist zum jetzigen Zeitpunkt noch keine Aussage über die voraussichtlichen Ergebnisse der Bemühungen der Treuhandanstalt, zur Strukturanpassung der Wirtschaft und zur Sanierung des Staatshaushaltes beizutragen, möglich. — Im Vordergrund muß die Strukturanpassung stehen. Die beste Form der Strukturanpassung sieht die Bundesregierung in einer möglichst schnellen Privatisierung der Unternehmen. Auf diesem Weg wird die Treuhandanstalt auf längere Sicht auch zur Entlastung des Staatshaushaltes beitragen. Wie hoch diese Entlastung sein wird, kann heute noch nicht gesagt werden. Bei dem außerordentlich hohen Privatisierungspotential der Treuhandanstalt kann jedenfalls aus dem Ergebnis nur einer Transaktion, die Sie in Ihrer Frage erwähnen, sicher nicht auf den Umfang künftiger Einnahmen geschlossen werden. Zu Frage 10: Mit dem Einigungsvertrag entsteht die Staatliche Versicherung der DDR in Abwicklung als Rechtsträger der von der DDR im Versicherungsbereich hinterlassenen Verbindlichkeiten. Zu den ersten Aufgaben der Anstalt werden die Sachverhaltsermittlung und die Aufstellung der DM-Eröffnungsbilanz gehören. Die Bundesregierung kann sich zur Höhe der Verbindlichkeiten jeweils nach Maßgabe der bei diesen Arbeiten gewonnenen Erkenntnisse äußern. Ergänzend weise ich darauf hin, daß der Bundesminister der Finanzen die Deutsche Versicherungs-AG gebeten hat, die notwendigen Vorarbeiten sofort aufzunehmen. Eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft ist entsprechend beauftragt. Anlage 7 Antwort des Parl. Staatssekretärs Carstens auf die Fragen des Abgeordneten Müntefering (SPD) (Drucksache 11/7879 Fragen 11 und 12): Wie ist die Beantwortung meiner Frage nach Hilfen für Bauherren von selbstgenutztem Wohneigentum in der DDR (Drucksache 11/7761 S. 13) durch die Bundesregierung mit der Erklärung des DDR-Bauministeriums zu vereinbaren, daß als Ausgleich für hohe Zinsbelastungen der Eigenheimbauer 100 Millionen DM im zweiten Halbjahr 1990 zur Verfügung stehen? Ist die Erklärung des Parlamentarischen Staatssekretärs beim Bundesminister der Finanzen, Carstens, oder die Erklärung des DDR-Bauministers Viehweger (Presseinformation vom 24. August 1990) zutreffend, und wie will die Bundesregierung in dieser Angelegenheit 1991 verfahren? Zu Frage 11: Es ist richtig, daß der Minister für Bauwesen, Städtebau und Wohnungswirtschaft der DDR am 22. August 1990 „Regelungen zur Förderung des Eigenheimbaus im zweiten Halbjahr 1990" erlassen hat, die die Vergabe von 100 Millionen DM im zweiten Halbjahr 1990 vorsehen. Mit Blick hierauf hatte ich in der von Ihnen zitierten Antwort auf Ihre schriftlichen Fragen 237 und 238 für August 1990 ausgeführt: „Hilfsmaßnahmen der DDR-Regierung sind bislang rechtswirksam nicht zustande gekommen. " Diese Aussage ist auch heute noch zutreffend, denn bislang ist nicht geklärt, ob diese Regelungen vom Ministerrat beschlossen wurden und wie sie haushaltsmäßig gedeckt werden können. Zwar sind im Zentralhaushalt der DDR für Ausgaben des 17796* Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 225. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 19. September 1990 Wohnungsbaus und der Wohnungswirtschaft im zweiten Halbjahr 1990 1,2 Milliarden DM veranschlagt. Diese Mittel sind jedoch durch Haushaltsvermerk zweckgebunden für einen nachgewiesenen höheren Finanzbedarf, insbesondere für Preisumstellungen und Strukturveränderungen; sie stehen aber nicht für neue Subventionen zur Verfügung. Sie sind mit einer Sperre belegt, die nur im Einvernehmen mit dem Bundesminister der Finanzen aufgehoben werden soll. Bisher konnte vom Bundesminister der Finanzen nur die Zustimmung zur Entsperrung eines Teilbetrags gegeben werden, zumal für den 3. Nachtragshaushalt 1990 Mehranforderungen für weitere neue Subventionen angemeldet worden sind. Hierüber wird in den nächsten Tagen zwischen den beteiligten Ressorts der Bundesregierung und der Regierung der DDR im Rahmen der Aufstellung des Regierungsentwurfs für den 3. Nachtragshaushalt 1990 verhandelt werden. Diesen Verhandlungen kann ich hier nicht vorgreifen. Zu Frage 12: Wie ich bereits in der Antwort zu Ihrer vorhergehenden Frage darlegte, muß noch über die haushaltsmäßige Deckung für die vom Bauminister der DDR vorgesehenen Maßnahmen entschieden werden. Was das weitere Verfahren der Bundesregierung für 1991 betrifft, wiederhole ich meine schriftliche Antwort vom 29. August 1990. Damals teilte ich Ihnen mit, daß die Bundesregierung prüfen werde, ob gezielte Hilfen notwendig sind. Diese Prüfung erfolgt ebenfalls im Rahmen der Haushaltsverhandlungen, deren Ergebnis ich nicht vorgreifen kann. Anlage 8 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. von Geldern auf die Fragen des Abgeordneten Kirschner (SPD) (Drucksache 11/7879 Fragen 14 und 15): Ist die Bundesregierung bereit, Bioöl aus heimischen Produkten nachwachsender Rohstoffe so zu fördern, daß es verstärkt als Hydraulik- und Schmieröl zum Einsatz kommt? Ist die Bundesregierung bereit, durch Verordnung dafür zu sorgen, daß das umweltfreundliche Bioöl überall dort eingesetzt wird, wo durch den Betrieb von Maschinen konventionelles Öl an Grund und Boden abgegeben wird? Zu Frage 14: Schmierstoffe auf Pflanzenölbasis spielen insgesamt gesehen noch keine große Rolle; sie haben derzeit nur einen Anteil von ca. 1 % am gesamten Schmierstoffverbrauch in der Bundesrepublik (1,1 Mio t). In den letzten Jahren nimmt ihr Einsatz aber zu, insbesondere in den Bereichen „Kettenschmieröle", „Schmierfette" und „Hydraulikflüssigkeiten". Die Bundesregierung begrüßt diese Entwicklung vor allem aus Gründen des Boden- und Gewässerschutzes und wird deshalb auch weiterhin dafür sorgen, daß die Umstellung auf Bioöle erleichtert wird. Ihre derzeitigen Aktivitäten konzentrieren sich u. a. auf: — Vergabe des Umweltzeichens für PflanzenölSchmierstoffe — Förderung eines Forschungsvorhabens zur Entwicklung einer umweltfreundlichen Hydraulikflüssigkeit auf Rapsölbasis — Finanzierung einer Studie über das Marktpotential der Bioöle — Prüfung, in welchen Verwaltungsbereichen des Bundes (z. B. Bundeswehr, Bundesbahn) die Bioschmierstoffe eingesetzt werden können Darüber hinaus hat die Bundesregierung ein Merkblatt zur Altölentsorgung herausgegeben, um die gleichgewichtige Behandlung von Altölen auf Pflanzenölbasis mit solchen auf Mineralölbasis sicherzustellen. Zu Frage 15: Die Bundesregierung plant nicht, die Verwendung von Schmierstoffen auf Pflanzenölbasis in besonders umweltsensiblen Bereichen vorzuschreiben. Ein solches Gebot verstieße gegen das Grundrecht der Berufsfreiheit, weil es zum Schutz der Umwelt nicht zwingend erforderlich ist. Genau so wäre ein Verbot, Mineralöle als Schmiermittel zu verwenden, nicht zulässig. Es wäre aber denkbar, bestimmte Mindestnormen, etwa für die Ungiftigkeit und die biologische Abbaubarkeit von Schmiermitteln, zu erlassen und damit auch der Mineralölindustrie Gelegenheit zur Entwicklung von abbaubaren Schmierstoffen zu geben. Die Entwicklung solcher allgemein akzeptierter Normen bedarf noch intensiver Forschungsarbeit. Anlage 9 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. von Geldern auf die Frage des Abgeordneten Stiegler (SPD) (Drucksache 11/7879 Frage 16): Wie beurteilt die Bundesregierung die Absatzlage der bundesdeutschen Imker, und was wird sie unternehmen, um zu verhindern, daß aus der DDR zu Dumping-Preisen auf den Markt geworfener Honig die Existenz bundesdeutscher, insbesondere auch bayerischer Imker gefährdet? Die derzeitige Situation der bundesdeutschen Imkerei ist gekennzeichnet durch eine sehr hohe diesjährige Ernte bei den hellen Honigsorten (Blütenhonig) und einen — witterungsbedingt — fast völligen Ausfall der Ernte an Waldhonig. Insgesamt wird die Ernte 1990 auf ca. 25 000 t geschätzt. Hinzu kommen beträchtliche Überhangbestände aus der letztjährigen Honigernte, die mit 29 000 t einen bis dahin unbekannten Umfang eingenommen hat. Ursache für die starke Zunahme der letztjährigen Honigernten (Durchschnitt der Jahre 1984 bis 1988: 15 000 t) ist u. a. die starke Ausweitung des Rapsanbaues. Dadurch steigt der Anteil der hellen Honige, die preislich deutlich unter den dunklen Honigsorten gehandelt werden, an der Erzeugung. Die Gesamter- Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 225. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 19. September 1990 17797* löse aus der Honigerzeugung sind dementsprechend rückläufig. Das größere Angebot ist nur zu deutlich niedrigeren Preisen zu vermarkten. So erhält der Erzeuger z. Z. etwa 3,00 DM je kg für hellen Honig und ca. 7,50 DM je kg für Waldhonig; im Vergleich zum Vorjahr bedeutet dies einen Preisrückgang um etwa 1,50 DM bis 2,00 DM je kg. Die Nachfrage nach Honig bewegt sich mit etwa 1,6 kg pro Kopf der Bevölkerung auf einem stabilen Niveau. Honigkäufe westdeutscher Unternehmen in der DDR zu teilweise sehr niedrigen Preisen sind mir bekannt. Andererseits wird in der Bundesrepublik Deutschland erzeugter Honig in der DDR angeboten. Nähere Angaben über die jeweilige Menge liegen mir nicht vor. Ich gehe jedoch davon aus, daß sich partielle Verwerfungen mit fortschreitender Annäherung der Produktionsverhältnisse glätten. Die besonders schwierige Situation der bayerischen Imker, insbesondere bedingt durch ihren marktfernen Standort, ist mir bekannt. Eine Chance der Imker liegt im Direktabsatz. Weitere Anstrengungen auf diesem Gebiet können neue Käuferschichten erschließen. Auch ein deutlicher Hinweis auf die herausragende Qualität des deutschen Honigs sollte bei der Konzeption neuer Verkaufsstrategien nicht fehlen. In Anbetracht der — unabhängig von der Entwicklung in der DDR — angespannten Situation bei der Bienenhaltung und Vermarktung des Honigs haben COPA und COGECA einen Soforthilfeplan zur Erhaltung der Bienenzucht sowie eine Reihe längerfristig wirksamer Maßnahmen zur Förderung des Honigabsatzes auf EG-Ebene gefordert. Bei dem in Kürze in meinem Hause stattfindenden Gespräch mit Vertretern der Honigwirtschaft wird sich die Gelegenheit eines ausführlichen Meinungsaustausches über die Situation der deutschen Imkerei ergeben. Anlage 10 Antwort des Parl. Staatssekretärs Pfeifer auf die Frage der Abgeordneten Frau Würfel (FDP) (Drucksache 11/7879 Frage 17): In welchem Umfang und über welche Institute werden im Auftrag der für Gesundheitsfragen zuständigen Ministerien gegenwärtig und in den nächsten Monaten Erhebungen zur Sicherung der „Gesundheitsdaten" der DDR-Bevölkerung gemacht? Umfassende Erhebungen zur Sicherung der „Gesundheitsdaten" der DDR-Bevölkerung sind von den für Gesundheitsfragen zuständigen Ministerien bisher nicht in Auftrag gegeben worden. Um einen ersten Überblick über die Gesundheitssituation der Bürger der bisherigen DDR zu erhalten, hat das Bundesministerium für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit an das Zentralinstitut für die Kassenärztliche Versorgung in Köln den Auftrag erteilt, in Zusammenarbeit mit dem Zentrum für Epidemiologie und Gesundheitsforschung GmbH in Berlin (Ost) in Ergänzung des Vorhabens „Dringliche Gesundheitsprobleme der Bevölkerung in der Bundesrepublik Deutschland" entsprechende Aussagen über die Verbreitung von Krankheiten in dem Gebiet der heutigen DDR zu erstellen. Dafür sollen jedoch keine neuen Erhebungen vorgenommen werden, sondern auf vorhandene Daten zurückgegriffen werden. Es ist zu erwarten, daß die Ergebnisse dieses Projekts bis Ende des Jahres vorliegen werden. Weiter ist darauf hinzuweisen, daß im Rahmen der sogenannten Bundesstudie des Bundesministeriums für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit zur Erfassung des Mißbrauchsverhaltens, auch Daten in der DDR erhoben werden. Die Bundesstudie erfaßt 15 000 Bürger der DDR in der Altersgruppe 2-39 Jahre. Die Erhebung in der Bundesrepublik führt Infratest durch, die Erhebung in der DDR wird von dem Institut USUMA geleitet. Das USUMA-Institut ist ein neues Institut, das vom Gesundheitsministerium der DDR vorgeschlagen wurde und als äußerst qualifiziert gilt. Die Projektleitung der Gesamtstudie liegt bei dem Institut für Therapieforschung (IfT) München. Anlage 11 Antwort des Parl. Staatssekretärs Pfeifer auf die Frage des Abgeordneten Lowack (CDU/CSU) (Drucksache 11/7879 Frage 19): Trifft es zu, daß Bundeserziehungsgeld und Landeserziehungsgeld Aussiedlern, die noch keinen Vertriebenenausweis erhalten haben, nur bis zum Ende des sechsten Lebensmonats des Kindes bezahlt wird, und wie vereinbart sich eine entsprechende Regelung mit der Tatsache, daß die Ausstellung von Vertriebenenausweisen in der Regel mindestens ein bis eineinhalb Jahre dauert? Aussiedler erhalten Erziehungsgeld über den 6. Lebensmonat ihres Kindes hinaus, wenn sie entweder den Vertriebenenausweis A oder B oder eine Bescheinigung der Vertriebenenbehörde vorlegen, daß der Vertriebenenausweis aller Voraussicht nach in absehbarer Zeit erteilt werden wird. Für den Fall, daß die Erteilung des Vertriebenenausweises längere Zeit dauert, ist also der Bezug von Erziehungsgeld nicht ausgeschlossen. Anlage 12 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Schulte auf die Fragen des Abgeordneten Richter (FDP) (Drucksache 11/7879 Fragen 22 und 23): Wie hoch war der Anteil an verspäteten Intercity-Zügen in den letzten drei Monaten? Wo lagen die Ursachen für die Verspätungen, und auf welche Weise soll Abhilfe geschaffen werden? 17798* Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 225. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 19. September 1990 Zu Frage 22: Rund 35 % der Züge im EC-/IC-Verkehr kamen verspätet im Endbahnhof an. Zu Frage 23: Die Verspätungen im EC-/IC-Verkehr wurden im wesentlichen verursacht durch — eine Vielzahl im Vorgriff auf den Fahrplan 1991 durchgeführter Baumaßnahmen, — Übertragen von Verspätungen — mit hohem Anteil von Zügen aus dem Ausland — auf wartende Anschlußzüge und — eine durch Erdrutsch bedingte Sperrung der Strecke Münster (Westfalen)—Lünen, mit der Folge, daß alle Züge von und nach Hamburg über Hamm umgeleitet werden müssen und dadurch im Durschnitt ca. 4 Minuten verspätet werden. Diese Verspätung überträgt sich ins gesamte IC-Netz. Spätestens mit dem Jahresfahrplan 1991/92 erwartet die Deutsche Bundesbahn eine deutliche Verbesserung der Pünktlichkeit. Bis zu diesem Zeitpunkt wird im Zusammenhang mit der Inbetriebnahme der Neubaustrecken Hannover—Fulda und Mannheim—Stuttgart eine Entspannung des EC-/IC-Fahrplans eintreten, der Umfang der Bauarbeiten wird abnehmen und die Strecke Münster (Westfalen)—Lünen wird dem Betrieb wieder zur Verfügung stehen. Anlage 13 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Schulte auf die Frage des Abgeordneten Hinsken (CDU/CSU) (Drucksache 11/7879 Frage 24): Wann wird der Bericht des Vorstandes der Deutschen Bundesbahn zur Neuordnung des Gepäck- und Expreßgutverkehrs vorliegen, und welche Konsequenzen werden ggf. im Hinblick auf die konkreten Verantwortlichkeiten sowie die geplanten Abhilfemaßnahmen ergriffen? Die Bundesregierung erwartet, daß der angeforderte Bericht unverzüglich eingeht. Erst nach Vorliegen und Prüfung des Berichtes kann entschieden werden, ob und gegebenenfalls welche Konsequenzen im Hinblick auf die konkreten Verantwortlichkeiten und die geplanten Abhilfemaßnahmen gezogen werden. Anlage 14 Antwort des Parl. Staatssekretärs Gröbl auf die Fragen der Abgeordneten Frau Garbe (DIE GRÜNEN) (Drucksache 11/7879 Fragen 25 und 26): Inwieweit trifft es zu, daß die Bundesregierung bestimmte Dioxin-Richtwerte zur Bodensanierung aus dem Maßnahmenkatalog des Bundesgesundheits- und Umweltbundesamtes (Stand: März 1990) revidieren will? Aus welchen Gründen soll insbesondere der Richtwert von 5 ng/kg TE für uneingeschränkte landwirtschaftliche Nutzung gestrichen werden? Zu Frage 25: Es trifft nicht zu, daß die Bundesregierung die Empfehlungen des Bundesgesundheits- und Umweltbundesamtes über Maßnahmen zur Bodensanierung, die sich an bestimmten in Toxizitätseinheiten ausgedrückten Richtwerten für Dioxingehalte in Böden orientieren, revidieren will. Die Umweltministerkonferenz nahm den Bericht über die empfohlenen Maßnahmen, der nach dem Dioxinsymposium in Karlsruhe vom 15. —18. Januar 1990 vom Umweltbundesamt und Bundesgesundheitsamt gemeinsam erstellt wurde, zustimmend zur Kenntnis. Sie hat gleichzeitig eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe „Dioxine" eingesetzt, die u. a. die Aufgabe hat, die Validierung der diesen Richtwerten zugrunde liegenden Ableitungen und die notwendige Konsensbildung zwischen Wissenschaft und Behörden weiter zu verstärken. Für die im Herbst stattfindende nächste Umweltministerkonferenz wird dazu von der Bund-Länder-Arbeitsgruppe „Dioxine'' ein Bericht erwartet. Außerdem beabsichtigen Umweltbundesamt und Bundesgesundheitsamt gemeinsam zu dem Thema „Richt- und Grenzwerte bei Dioxinbelastungen" eine fachöffentliche Anhörung durchzuführen. Zu Frage 26: Eine Streichung ist nicht beabsichtigt. Anlage 15 Antwort des Parl. Staatssekretärs Gröbl auf die Fragen des Abgeordneten Dr. Wernitz (SPD) (Drucksache 11/7879 Fragen 27 und 28): Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus der Tatsache, daß einige Bundesländer Bodenschutzgesetze vorlegen, nachdem der Bund hier bisher untätig geblieben ist, und wie will die Bundesregierung eine bundeseinheitliche Regelung des Bodenschutzes sicherstellen? Wie beurteilt die Bundesregierung die Notwendigkeit, gesetzliche Regelungen zum Bodenschutz insbesondere zur Ausweisung von Bodenbelastungsgebieten, zu Melde- und Auskunftspflichten, zur Abwehr von Gefahren, zur Behebung von Schäden und zur Bodenüberwachung einzuführen, und wann wird sie einen entsprechenden Gesetzentwurf vorlegen? Zu Frage 27: Die Landesregierung Baden-Württemberg hat im Juni 1990 den Anhörungsentwurf eines Landesbodenschutzgesetzes vorgelegt, dessen wesentliche Regelungsinhalte im Rahmen einer Bund/Länderarbeitsgruppe unter Vorsitz des BMU entwickelt worden sind. Eine vergleichbare Initiative ist von Schleswig-Holstein beabsichtigt. Zur Erörterung der mit einer eigenständigen Bodenschutzregelung verbundenen Fragen hat der Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit im Juni 1989 eine Klausurtagung mit Vertretern der Länder und unter rechtswissenschaftlicher Begleitung durchgeführt. Aus der Sicht des Verwaltungsvollzuges ergab sich dabei ein bundeseinheitlicher Regelungsbedarf vorrangig für den Umgang mit flächenhaften Bodenkontaminationen über Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 225. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 19. September 1990 17799* — die Absicherung des Bodens als eigenständiges Schutzgut — eine allgemeine Sorgfaltspflicht im Umgang mit dem Boden — die Ausweisung von Bodenbelastungsgebieten, soweit konkrete Rechtsfolgen wie Nutzungsvorschriften, Sanierungs- oder Überwachungsmaßnahmen damit verbunden werden können — Ermächtigungsnormen für untergesetzliche Regelungen mit dem Ziel der Festlegung bundeseinheitlicher Bodenwerte, von Nutzungsbeschränkungen, der generellen Untersuchung der Bodenqualität sowie spezieller Überwachungsmaßnahmen für belastete Böden. In Abstimmung mit den Ländern hat die Bundesregierung zwei Rechtsgutachten in Auftrag gegeben, mit denen unter anderem die Verteilung der Gesetzgebungskompetenzen auf dem Gebiet des Bodenschutzrechts sowie die Möglichkeiten und Grenzen bundesrechtlicher Ansätze zur Bodensanierung vertieft bearbeitet werden sollen. Die Ergebnisse werden Anfang 1991 vorliegen. Über das weitere Vorgehen wird sodann zu entscheiden sein. Zu Frage 28: Hierzu darf ich auf die in meiner Antwort zur Frage 27 aufgeführten Rechtsgutachten verweisen, die der Bundesregierung zur abschließenden Meinungsbildung dienen werden. Als Bezugspunkte rechtlicher Regelungen im Bodenschutz zeichnen sich jedoch bereits ab: — Der Verankerung des Bodenschutzes als eigenständigem Rechtsgut kann im Rahmen einer bundeseinheitlichen Regelung besonderer Nachdruck verliehen werden. — Eine bundeseinheitliche Regelung vermag für Normsetzung, -interpretation und -anwendung einheitliche Maßstäbe zu schaffen. — Als Regelungsinhalte kommen vor allem — Ziele des Bodenschutzes — Gegenstand des Bodenschutzes — Grundsätze des Bodenschutzes — allgemeine Verhaltenspflichten — Ermächtigung zur Festlegung von Grenzwerten in Betracht. Anlage 16 Antwort der Staatsministerin Frau Dr. Adam-Schwaetzer auf die Frage des Abgeordneten Zierer (CDU/CSU) (Drucksache 11/7879 Frage 31): Ist im Rahmen von Umschulungs- oder sonstigen Maßnahmen die Möglichkeit gegeben, aus Mitteln der 12 Milliarden-Finanzhilfe den sowjetischen Soldaten oder ihren Angehörigen während ihres noch drei bis vier Jahre dauernden Aufenthalts bei uns Sprachunterricht in Deutsch anzubieten? In dem deutsch/sowjetischen Abkommen „über einige überleitende Maßnahmen" (Überleitungsabkommen) werden DM 200 Millionen für Ausbildungs- und Umschulungsmaßnahmen bereitgestellt. Mit diesen Mitteln kann selbstverständlich auch Sprachunterricht in Deutsch während des Aufenthaltes in der DDR finanziert werden, wenn die sowjetische Seite dies wünscht. Die sowjetische Seite drängte in den Vertragsverhandlungen allerdings auf Ausbildungs- und Umschulungsmaßnahmen für die in Reserve entlassene Mitglieder der Streitkräfte auf dem Gebiet der UdSSR. Gleichwohl wurde die Möglichkeit für Umschulungsmaßnahmen auch auf dem Gebiet der DDR offengehalten. Im übrigen sollen die Maßnahmen an bestehende Programme und Projekte der Zusammenarbeit, in erster Linie an das vorgesehene Wohnungsbauprogramm, anknüpfen. Das Überleitungsabkommen trägt diesen Vorstellungen Rechnung. Anlage 17 Antwort der Staatsministerin Frau Dr. Adam-Schwaetzer auf die Frage des Abgeordneten Stiegler (SPD) (Drucksache 11/7879 Frage 37): Wie ist der Stand der Verhandlungen der Bundesregierung über einen Generalvertrag mit der CSFR, und wird die Bundesregierung darauf drängen, daß mit der CSFR, mit Polen und mit Ungarn ein vergleichbarer Vertrag wie der mit der Sowjetunion abgeschlossen wird? Die Bundesregierung ist mit Polen, mit der CSFR und mit Ungarn im Gespräch über die Gestaltung der Beziehungen nach der Veränderung der Lage in Europa und nach Herstellung der deutschen Einheit. Mit Polen ist verabredet, daß in Anknüpfung an die Gemeinsame Erklärung des Bundeskanzlers und Ministerpräsident Mazowieckies vom November 1989 nach Herstellung der deutschen Einheit ein umfassender Vertrag verhandelt werden soll. Ob und in welcher Form mit anderen mitteleuropäischen Staaten besondere Absprachen über die sich intensiv entwickelnden bilateralen Beziehungen notwendig oder nützlich sind, bedarf noch weiterer Überlegungen, und zwar zunächst innerhalb der Bundesregierung. Unser Ziel, und sicher auch das Ziel unserer Partner ist, die bilateralen Beziehungen mit allen mitteleuropäischen Staaten und auf allen Gebieten auszudehnen und zu vertiefen.
Gesamtes Protokol
Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1122500000
Die Sitzung ist eröffnet. Ich rufe Tagesordnungspunkt 1 auf:
Fragestunde
— Drucksache 11/7879 —
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern.
Die Frage 1 des Abgeordneten Häuser wird schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung. Herr Parlamentarischer Staatssekretär Wimmer steht zur Beantwortung zur Verfügung.
Die Frage 2 des Herrn Abgeordneten Diller ist zurückgezogen.
Dann rufe ich die Frage 3 des Herrn Abgeordneten Dr. Kübler auf:
Wird die Bundesregierung im Hinblick auf die neue, friedliche Lage in Europa ihre Praxis aufgeben, Lagerorte von atomaren Waffen nicht bekanntzugeben, und wie ist in dieser Frage die Praxis in den Mitgliedstaaten der NATO?
Bitte, Herr Staatssekretär.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1122500100
Herr Kollege Kübler, die Bundesregierung wird ihre bisherige Praxis nicht aufgeben, die insoweit auch der der anderen NATO-Partner entspricht.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1122500200
Zusatzfrage, Herr Kollege.

Dr. Klaus Kübler (SPD):
Rede ID: ID1122500300
Herr Staatssekretär, gilt diese Praxis für alle NATO-Länder oder nur für bestimmte?
Wimmer, Parl. Staatssekretär: Im Zuammenhang mit der hier besonders angesprochenen Kategorie nukleare Waffenlager, ja.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1122500400
Zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter.

Dr. Klaus Kübler (SPD):
Rede ID: ID1122500500
Wir wollen nicht das Spiel wie bei den chemischen Waffenlagern wiederholen. Deshalb frage ich Sie, ob Sie nicht doch in absehbarer Zeit
gehalten sein werden, dies ganz normal bekanntzugeben, vielleicht spätestens nach dem 3. Oktober.
Wimmer, Parl. Staatssekretär: Ich kann meiner ersten Antwort nichts hinzufügen, Herr Kollege.

(Frau Schulte [Hameln] [SPD]: Sie haben doch noch eine eigene Meinung?)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1122500600
Herr Abgeordneter Sielaff.

Horst Sielaff (SPD):
Rede ID: ID1122500700
Herr Staatssekretär, ist es richtig, daß den Kongreßabgeordneten in den Vereinigten Staaten im Gegensatz zu den Abgeordneten des Deutschen Bundestages die Orte bekannt sind?

(Frau Schulte [Hameln] [SPD]: Ja, sicher! — Duve [SPD]: Und zwar die Orte in der Bundesrepublik!)

Wimmer, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich kann für den amerikanischen Kongreß dazu keine Aussagen treffen.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1122500800
Da kann man nichts machen.
Herr Abgeordneter Duve, noch eine Zusatzfrage.

Freimut Duve (SPD):
Rede ID: ID1122500900
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bewußt, welche umständlichen Schritte über Karlsruhe das Parlament zur Aufdeckung der Lager in RheinlandPfalz, die sich mit Giftgas gefüllt hatten, hat unternehmen müssen, und könnte man das Verfahren nach Ihrer Meinung nicht etwas abkürzen? Ich denke, daß Karlsruhe heute anders entscheiden würde.
Wimmer, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, wenn wir diesen Tatbestand im Zusammenhang mit den chemischen Waffen, die bisher in Rheinland-Pfalz lagerten, ganz aktuell diskutieren, dann wissen Sie genausogut wie ich, daß wir auf Grund der aktuellen Situation weltweit erhebliche Probleme im Zusammenhang mit den Transporten quer durch die Republik nach Nordenham hatten. Alles das, was sich in diesem Kontext abspielen könnte, ist natürlich auch im Zusammenhang mit den Lagerstätten für nukleare Waffen anzumerken. Deswegen werden Sie verste-



Parl. Staatssekretär Wimmer
hen, daß wir der Sicherheit unseres Landes in diesem Zusammenhang die oberste Priorität einräumen.

(Sielaff [SPD]: Gab es da überhaupt Probleme?)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1122501000
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Post und Telekommunikation. Herr Parlamentarischer Staatssekretär Rawe steht zur Beantwortung zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 4 der Frau Abgeordneten Würfel auf :
Wie viele Postsendungen gingen 1988 und 1989 verloren, und wie viele davon blieben trotz Nachforschungen unauffindbar?
Herr Staatssekretär, Sie haben das Wort.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1122501100
Frau Kollegin Würfel, da absolute Verlustzahlen wenig aussagefähig sind, wird bei der Deutschen Bundespost Postdienst die relative Verlustquote, d. h. das Verhältnis der Zahl der in Verlust geratenen Sendungen zu der der eingelieferten Sendungen, statistisch erfaßt. Sie beträgt für die Jahre 1988 und 1989 ca. — ich bitte um Verständnis, daß ich das etwas umständlich vortragen muß —0,0124 %. Das hießt, bezogen auf 1 Million Postsendungen gehen etwa 12 Sendungen verloren. Fälle von angeblich verlorengegangenen Sendungen, bei denen die Einlieferung und die Auslieferung durch schriftliche Unterlagen nachzuweisen sind, lassen sich darüber hinaus bis zu 78 % aufklären.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1122501200
Zusatzfrage, Frau Abgeordnete.

Uta Würfel (FDP):
Rede ID: ID1122501300
Da ich mit absoluten Zahlen in der Regel mehr als mit Vergleichen anfangen kann, möchte ich auf die Beantwortung folgender Frage bestehen: Wieviel Pakete hat die Bundespost 1988 und 1989 verloren? Wieviel sind es denn, die verlorengehen, nicht wiederaufgefunden werden können und deren Verlust bei denen, die die Verlustmeldungen abgeben, größtes Entsetzen hervorruft?
Rawe, Parl. Staatssekretär: Ich bitte sehr um Nachsicht, aber die Bundesregierung kann sich natürlich nur auf das verlassen, was das Unternehmen Deutsche Bundespost/Postdienste uns mitgeteilt hat. Sie haben uns leider keine absoluten Zahlen mitteilen können — so deren Angaben. Sie haben hier aber Prozentzahlen genannt.

(Duve [SPD]: Hat nicht jemand einen Taschenrechner dabei?)

— Entschuldigung, ich kann Ihnen nur das mitteilen, was mir mitgeteilt worden ist, Herr Kollege Duve. Ich habe sehr viel Verständnis dafür, daß Ihnen das ebensowenig schmeckt wie mir. Wenn ich aber auf Nachfragen die Antwort bekomme, man habe diese Erfassungen leider nicht mehr vorliegen, dann muß ich das zunächst einmal akzeptieren — ob uns das paßt oder nicht; ich kann das nicht ändern.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1122501400
Weitere Zusatzfrage.

Uta Würfel (FDP):
Rede ID: ID1122501500
Herr Staatssekretär, da ich eine gymnasiale Bildung habe, kann ich durchaus beurteilen, daß ich erst absolute Zahlen brauche, um nachher die Prozentzahlen ausrechnen zu können. Also liegen diese Zahlen vor.
Ich möchte Sie deshalb fragen, ob es möglich ist, mir diese Zahlen in der nächsten Fragestunde zu nennen.
Rawe, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin, ich will es gerne erneut versuchen. Aber Sie können sich vorstellen, daß ich das schon versucht habe; denn dazu braucht man nicht einmal eine gymnasiale Bildung, wie Sie sagen.

(Frau Würfel [FDP] : Okay!)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1122501600
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Lüder.

Wolfgang Lüder (FDP):
Rede ID: ID1122501700
Herr Staatssekretär, wenn Ihnen nur die Prozentzahlen aufgeschrieben worden sind, die sich aber von Hundert errechnen, muß ich Sie fragen: Welche dienstrechtlichen Konsequenzen haben Sie gegenüber dem gezogen, der Ihnen die absolute Zahl nicht gibt, wo doch die Frage — auch wenn Sie Prozente erwähnen — auf absolute Zahlen gerichtet war?
Rawe, Parl. Staatssekretär: Lieber Herr Kollege Lüder, was sollen hier dienstrechtliche Überlegungen? Ich wende mich an das Unternehmen Deutsche Bundespost/Postdienste um Auskunft; diese habe ich Ihnen gerade vorgetragen. Ich habe doch keine dienstrechtlichen Überlegungen anzustellen. Ich bin doch nicht der Dienstherr des Unternehmens Deutsche Bundespost/Postdienste.

Wolfgang Lüder (FDP):
Rede ID: ID1122501800
Herr Staatssekretär, ich dachte nicht daran, daß Sie persönlich sich an die Post wendeten. Ich frage deswegen, ob Sie wenigstens denen gegenüber, die Ihnen die Zahlen unkommentiert weitergegeben haben und die wir bezahlen, die absolute Zahl abgefragt haben.
Rawe, Parl. Staatssekretär: Verehrter Herr Kollege, ich kann Ihre Neugierde verstehen; ich habe sie selber gehabt. Ich habe Ihnen gerade ausdrücklich vorgetragen, daß unsere Beamten bei der Deutschen Bundespost/Postdienste sehr wohl nachgefragt haben, leider aber noch keine konkreteren Auskünfte bekommen haben. Ich kann es nicht ändern.

(Duve [SPD]: Wenn man öffentliche Unternehmen auf den Markt schickt, dann passiert so etwas!)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1122501900
Herr Abgeordneter Jäger aus Wangen.

Claus Jäger (CDU):
Rede ID: ID1122502000
Herr Staatssekretär, liegen Ihnen Unterlagen vor, aus denen sich die Entwicklung der letzten zehn Jahre ergibt, so daß erkennbar ist, ob dieser Prozentsatz, den Sie für die Jahre 1988 und 1989 genannt haben, tendenziell ein Absinken oder ein Ansteigen der Verluste bedeutet?
Rawe, Parl. Staatssekretär: Nein, mir liegen dazu zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine Erkenntnisse vor. Ich bitte, noch einmal zur Kenntnis zu nehmen,



P
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1122502100
Wenn auf eine Million Sendungen — einschließlich der Briefe — zwölf Sendungen verlorengehen und wenn dort, wo nachgeforscht wird, noch 78 To aufgeklärt werden, dann ist die Verlustquote doch nicht so immens, daß man sich hier allzusehr zu erregen hätte.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1122502200
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Sielaff.

Horst Sielaff (SPD):
Rede ID: ID1122502300
Herr Staatssekretär, Sie kennen die absolute Zahl nicht und behaupten jetzt, das alles könne nicht so schlimm sein. Meine Frage: Haben Sie den Eindruck, daß die Bundespost Ihnen gegenüber die absolute Zahl bewußt verschweigt?
Rawe, Parl. Staatssekretär: Nein, den Eindruck habe ich natürlich nicht; sonst hätte ich mich dagegen ganz anders zur Wehr gesetzt.

(Duve [SPD]: Die Zahlen der verlorengegangenen Pakete sind Teil des Statistischen Jahrbuchs!)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1122502400
Danke schön, Herr Staatssekretär. — Das war, wie gesagt, nicht befriedigend beantwortet; aber Sie konnten es nicht besser.
Rawe, Parl. Staatssekretär: Es tut mir so leid. Vizepräsidentin Renger: Offensichtlich.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau. Der Herr Parlamentarische Staatssekretär Echternach steht zur Beantwortung zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 5 des Herrn Abgeordneten Jäger auf:
Wird die Bundesregierung auch 1991 und darüber hinaus mittelfristig die finanzielle Förderung der Stadtsanierung im selben Umfang aufrechterhalten wie 1990, und trifft es zu, daß aus diesen Bundesmitteln im Jahr 1991 auch die neuen Bundesländer der DDR ohne Erweiterung des Finanzvolumens der Förderung bezuschußt werden?
Herr Staatssekretär, bitte.

Jürgen Echternach (CDU):
Rede ID: ID1122502500
Herr Kollege Jäger, die Bundesregierung mißt den Bundesfinanzhilfen für die Städtebauförderung einen hohen politischen Stellenwert bei. In den Jahren 1988 bis 1990 hat der Bund Finanzhilfen in Höhe von jährlich 660 Millionen DM zur Förderung städtebaulicher Sanierungsentwicklungsmaßnahmen nach den Vorschriften des Baugesetzbuchs zur Verfügung gestellt. Hinzutreten die Fördermittel des Strukturhilfegesetzes für städtebauliche Maßnahmen, die im Jahre 1989 einen Betrag von rund 385 Millionen DM erreichten.
Der auch heute noch bestehende Erneuerungsbedarf in den Städten und Dörfern des Bundesgebiets und der außergewöhnliche Nachholbedarf für Maßnahmen der Stadt- und Dorferneuerung in den künftigen Ländern auf dem jetzigen Gebiet der DDR lassen Finanzhilfen des Bundes für die Städtebauförderung auch weiterhin erforderlich erscheinen. Ihre Größenordnung und Ausgestaltung zu dem Rahmen der anstehenden Haushaltsentscheidung für das vereinigte Deutschland ist noch zu klären.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1122502600
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Jäger.

Claus Jäger (CDU):
Rede ID: ID1122502700
Herr Staatssekretär, da ich davon ausgehe, daß die Bundesregierung, wenn sie den Nachholbedarf, wie Sie es hier getan haben, auch künftig für gegeben erachtet, und die Bundesregierung in diesem Fall eigene Vorstellungen hat, möchte ich Sie fragen: Welche Größenordnung werden Sie denn dem Parlament vorschlagen?
Echternach, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Jäger, im Haushaltsentwurf 1991 hatte die Bundesregierung 660 Millionen DM an Bundesfinanzhilfen für die Länder der bisherigen Bundesrepublik vorgesehen. Hinzu kommen die Mittel aus dem Strukturhilfegesetz, von denen ich schon sagte, daß sie im letzten Jahr 385 Millionen DM für städtebauliche Maßnahmen betrugen, und wir haben vorgesehen, die Mittel aus dem Strukturhilfegesetz unverändert auch im nächsten Haushaltsjahr einzuplanen. Der Haushaltsentwurf ist nicht wegen Bedenken in diesem Punkt, sondern wegen der Notwendigkeit zurückgezogen worden, jetzt einen gemeinsamen Haushaltsplan für das vereinigte Deutschland aufzustellen. Ich kann jetzt nicht sagen, wie die Bundesrepublik diesen Haushaltsentwurf endgültig gestalten wird. Die letzte Entscheidung liegt beim Parlament, d. h. beim Parlament des wiedervereinigten Deutschland.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1122502800
Eine Zusatzfrage, bitte.

Claus Jäger (CDU):
Rede ID: ID1122502900
Herr Staatssekretär, da Sie Ihre Vorstellungen über die Größenordnungen im Hinblick auf die Strukturhilfemaßnahmen dargestellt haben, möchte ich Sie fragen, ob die Mittel für die normale Stadtsanierung, die bisher mit jährlich 660 Millionen DM angesetzt waren, ebenfalls den Vorstellungen der Bundesregierung für das nächste Haushaltsjahr entsprechen.
Echternach, Parl. Staatssekretär: Die Bundesregierung hat im Juli in der Tat für das Jahr 1991 660 Millionen DM für die elf Länder des Bundesgebietes, vorgesehen. Ich kann natürlich nicht vorhersagen, was die Bundesregierung für den neuen Haushaltsentwurf beschließen wird, nachdem der alte Haushaltsentwurf zurückgezogen worden ist.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1122503000
Keine weiteren Fragen. Danke schön, Herr Staatssekretär.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz. Die Frage 6 des Abgeordneten Jäger und die Fragen 7 und 8 des Abgeordneten Dr. Hirsch werden auf Wunsch der Fragesteller schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen auf. Herr Parlamentarischer Staatssekretär Carstens steht zur Beantwortung zur Verfügung.
Ich sehe aber, daß der Fragesteller, der Herr Abgeordnete Cronenberg, nicht da ist. Er sitzt im Ausschuß



Vizepräsidentin Renger
Deutsche Einheit. Seine Fragen 9 und 10 sollen schriftlich beantwortet werden. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Auch die Fragen 11 und 12 des Abgeordneten Müntefering werden auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Schönen Dank, daß Sie gekommen sind, Herr Staatssekretär.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. Herr Parlamentarischer Staatssekretär Dr. von Geldern steht zur Beantwortung zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 13 des Abgeordneten Häuser auf:
Warum lehnt es der Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ah, für Personalrats- bzw. Hauptpersonalratsmitglieder seines Geschäftsbereiches Dienstreisen in die DDR zu genehmigen, die die Beratung der Beschäftigten (gemäß BMI Erl. I 4 — 11210032/1 vom 30. Juli 1990) zum Ziel haben?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.

Dr. Wolfgang von Geldern (CDU):
Rede ID: ID1122503100
Herr Kollege Häuser, ein Beamter des BML, der Vorsitzende des Hauptpersonalrats ist, hat auf dem Formblatt für Dienstreiseanträge auf dem Fachabteilungsdienstweg eine Dienstreise beantragt, erstens zur Beratung, zur Vorbereitung und Durchführung der Personalratswahlen in den dem BML spiegelbildlich zuzuordnenden Verwaltungsbereichen der DDR und zweitens zur Leitung eines Personalvertretungsrechtsseminars der Gewerkschaft ÖTV. Diese Dienstreise ist von der Verwaltung des BML aus den folgenden Gründen abgelehnt worden.
Erstens. Die Dienstreise sollte nach uns vorliegenden Kenntnissen zu einer Forschungseinrichtung des Ministeriums für Ernährung, Land- und Forstwirtschaft der DDR und nicht zu einer Verwaltungseinrichtung führen. Im Hinblick auf die angespannte Arbeitssituation im BML wurde dies für nicht erforderlich gehalten, da der Forschungsbereich — im Anschluß an die Übergangsfrist — nach Art. 38 Abs. 2 des Einigungsvertrags als Einrichtung der Länder fortgeführt werden soll und die Auffassung besteht, daß es in diesem Bereich entsprechend der Kompetenzzuordnungen des Grundgesetzes vorrangig Angelegenheit der Länder sein muß, solche Beratungshilfe zu leisten.
Zweitens. Nach dem Dienstreiseantrag war im übrigen geplant, das Personalvertretungsrechtsseminar der ÖTV zu leiten. Es gehört aber nicht zu den Obliegenheiten eines Beamten des BML, ein Gewerkschaftsseminar während der Dienstzeit zu leiten. Entsprechendes gilt für den Vorsitzenden des Hauptpersonalrats, der ja Teil der Verwaltung ist.
Zur Vorbereitung auf die künftigen Aufgaben des örtlichen Personalrats beim BML ist dessen Vorsitzenden am 13. September 1990 im Rahmen einer Dienstreise Gelegenheit gegeben worden, mit Vertretern der Zentralabteilung des Ministeriums an Personalversammlungen der Beschäftigten des Ministeriums für Ernährung, Land- und Forstwirtschaft sowie der
Anstalt für landwirtschaftliche Marktordnung in OstBerlin teilzunehmen.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1122503200
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Häuser.

Gerd Jürgen Häuser (SPD):
Rede ID: ID1122503300
Ist es richtig, daß Sie die Institute und Forschungseinrichtungen nach Art. 38 bis zum 31. Dezember in Verantwortung des BML weiter fortführen?
Dr. von Geldern, Parl. Staatssekretär: Die Einrichtungen im Forschungsbereich sollen nach Art. 38 Abs. 2 des Einigungsvertrags bis zum 31. Dezember 1991 als Einrichtungen der Länder fortbestehen.

(Häuser [SPD]: Da aber keine Länder bestehen, geben Sie mir da recht, daß es notwendig ist, die Kollegen dort durch irgend jemanden zu beraten?)

— Es ist sicher erforderlich, daß sie beraten werden. Die Entstehung der Länder ist ja in vollem Gange.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1122503400
Herr Abgeordneter Duve, eine Zusatzfrage.

Freimut Duve (SPD):
Rede ID: ID1122503500
Herr Staatssekretär, Sie erwähnten die angespannte Arbeitssituation in Ihrem Hause. Wären Sie bereit, mir Auskunft darüber zu geben, wieviel Mitarbeiter — von der Spitze bis zum Sachbearbeiter — und wieviel Schriftstücke entstanden sind, um jenen Personalratsvorsitzenden daran zu hindern, in die DDR zu fahren?
Dr. von Geldern, Parl. Staatssekretär: Ich habe nicht den Eindruck, daß die Frage ernstgemeint war.

(Duve [SPD]: Doch, sie war ganz ernstgemeint! Ganz viele Leute bei Ihnen haben Schriftstücke angefertigt und hatten nichts anderes zu tun, als diese Sache zu bearbeiten! Sonst wäre das doch gar nicht in dieser Weise beantwortet worden!)

— Jedenfalls kann ich darauf jetzt keine Antwort geben.

(Duve [SPD]: Auch interessant!)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1122503600
Gibt es eine weitere Zusatzfrage? — Herr Abgeordneter Sielaff, bitte.

Horst Sielaff (SPD):
Rede ID: ID1122503700
Herr Staatssekretär, können Sie sagen, wieviel andere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus Ihrem Ministerium sich zur Zeit in der DDR befinden, um dort Hilfestellung zu leisten?
Dr. von Geldern, Parl. Staatssekretär: Auch das kann ich, was die genaue Zahl betrifft, nicht aus dem Stegreif beantworten. Ich weiß aber, daß wir nicht nur auf der Ebene des Ministeriums für Ernährung, Land- und Fortwirtschaft in Ost-Berlin, sondern auch schon vorbereitend in den fünf in Entstehung befindlichen Ländern dabei sind, entsprechende Verwaltungshilfe durch Mitarbeiter des BML zu leisten.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1122503800
Keine weiteren Zusatzfragen? — Danke schön, Herr Staatssekretär.



Vizepräsidentin Renger
Die Fragen 14 und 15 des Herrn Abgeordneten Kirschner sollen schriftlich beantwortet werden. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Die Frage 16 des Abgeordneten Stiegler wird auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich danke Ihnen.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit auf. Der Herr Parlamentarische Staatssekretär Pfeifer steht zur Beantwortung zur Verfügung.
Die Frage 17 der Abgeordneten Frau Würfel wird auf Wunsch der Fragestellerin schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 18 des Herrn Abgeordneten Sielaff auf:
Ist die Bundesregierung bereit, angesichts des Pflegenotstandes und der zu erwartenden katastrophalen Engpässe im sozialen Bereich Zivildienstleistenden die gleichen Möglichkeiten wie Bundeswehrangehörigen einzuräumen, so daß die freiwillige Verlängerung des Zivildienstes im Pflegedienst dann auch mit monatlich 1 536 DM vergütet wird?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.

Anton Pfeifer (CDU):
Rede ID: ID1122503900
Frau Präsidentin! Herr Kollege Sielaff, der Zivildienst ist ein Pflichtdienst, der an die Stelle des rechtmäßig verweigerten Wehrdienstes tritt. Im Zivildienst ist daher kein dem Berufs- und Zeitsoldaten vergleichbares Dienstverhältnis, das auch eine Verpflichtung über die gesetzliche Dauer des Grundwehrdienstes hinaus ermöglicht, rechtlich möglich. Der Zivildienst hat allein die Aufgabe, die anerkannten Kriegsdienstverweigerer für die gesetzliche Dauer des Zivildienstes aufzunehmen.
Im Zusammenhang mit der in Vorbereitung befindlichen Verkürzung des Grundwehr- und Zivildienstes auf zwölf bzw. 15 Monate sollen auch alle Zivildienstleistenden, die am 30. September 1990 15 Monate oder länger gedient haben, vorzeitig entlassen werden. Den betroffenen Zivildienstleistenden wird jedoch durch das Gesetz die Möglichkeit eingeräumt, auf Antrag ihre ursprünglich festgesetzte Zivildienstdauer einzuhalten. Dabei handelt es sich aber um Zivildienst im Sinne des Zivildienstgesetzes mit allen Rechten und Pflichten. Somit bleibt für diesen Personenkreis der Schutz durch das Arbeitsplatzschutzgesetz uneingeschränkt erhalten, und auch die Leistungen nach dem Unterhaltssicherungsgesetz werden weiterhin gewährt.
Damit scheiden aber finanzielle Zuwendungen über die gesetzlich vorgesehenen Geld- und Sachbezüge hinaus aus. Die Möglichkeit des Zuendedienens ist ein Ausdruck des Vertrauensschutzes allein gegenüber den Zivildienstleistenden, die sich in ihrer Lebensplanung auf die längere Dienstzeit eingestellt hatten.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1122504000
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Sielaff.

Horst Sielaff (SPD):
Rede ID: ID1122504100
Herr Staatssekretär, wenn ich Sie richtig verstanden habe, befürworten Sie weiterhin eine ungleiche Behandlung — insbesondere eine ungleiche finanzielle Behandlung — von Zivildienstleistenden und Bundeswehrangehörigen, da die Zivildienstleistenden nicht — wie die Bundeswehrangehörigen — die Möglichkeit haben, eine höhere Bezahlung zu erreichen, wenn sie sich freiwillig — und nur darum handelt es sich — für diesen wichtigen Dienst zur Verfügung stellen.
Pfeifer, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Sielaff, ich habe soeben gesagt: Der Zivildienst ist ein Pflichtdienst, der allein die Aufgabe hat, die anerkannten Kriegsdienstverweigerer für die gesetzliche Dauer des Zivildienstes aufzunehmen. Um nun den Vergleich zur Bundeswehr zu ziehen: Der Soldat auf Zeit ist seiner Funktion und seiner Rechtsstellung nach ein Berufssoldat auf Zeit. Im Zivildienst in ähnlicher Weise eine Art „Beruf auf Zeit" zu schaffen, halte ich nicht für einen guten Weg.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1122504200
Zweite Zusatzfrage.

Horst Sielaff (SPD):
Rede ID: ID1122504300
Herr Staatssekretär, würden nicht auch Sie es für eine gute Sache halten, wenn Zivildienstleistende freiwillig bereit wären, ihren Dienst unter den genannten Voraussetzungen fortzusetzen, und wäre das nicht auch eine Hilfe, um dem Pflegenotstand entgegenzuwirken? Welche anderen Möglichkeiten, dem Pflegenotstand, der andernfalls daraus entsteht, entgegenzutreten, sehen Sie denn sonst?
Pfeifer, Parl. Staatssekretär: Ich habe soeben gesagt, daß ich das, was Sie unter dem Gesichtspunkt „Zivildienst auf Zeit" ansprechen, nicht für den richtigen Weg halte, um die Probleme im Pflegebereich Pflegepersonal für pflegebedürftige Mitbürgerinnen und Mitbürger zu lösen. Dies muß in meinen Augen über eine generelle Verbesserung der Arbeitsbedingungen, über eine bessere Attraktivität und über ein besseres Ansehen der sozialen Berufe, vor allem der Pflegeberufe, erreicht werden.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1122504400
Manchmal möchte man von hier aus auch etwas sagen.
Frau Kollegin Roitzsch.

Ingrid Roitzsch (CDU):
Rede ID: ID1122504500
Herr Staatssekretär, könnten Sie sich vorstellen, daß eine ausgebildete Krankenschwester angesichts der Anforderungen, die an das Pflegepersonal gestellt werden, ebenso bezahlt wird wie ein Assistenzarzt?
Pfeifer, Parl. Staatssekretär: Es ist immer schwierig, Vergleiche zu Angehörigen anderer Berufe, also in diesem Fall des ärztlichen Heilberufs, zu ziehen. Aber ich bin in der Tat der Meinung, daß die Attraktivität der Pflegeberufe in der Zukunft erstens von der Attraktivität der Ausbildung und zum zweiten auch von der Bezahlung abhängig sein wird.

(Frau Roitzsch [Quickborn] [CDU/CSU]: Danke!)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1122504600
Eine Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Wollny.

Lieselotte Wollny (DIE GRÜNEN/BÜNDNIS 90):
Rede ID: ID1122504700
Ich teile zwar alle Ihre schönen Wünsche, aber die Erfüllung von Wünschen



Frau Wollny
dauert manchmal ziemlich lange. Das heißt: Was gedenken Sie dann zu tun, bis diese Attraktivität erreicht ist, und könnte man da nicht eine Überbrückungszeit finden, in der man Zivildienstleistenden die Möglichkeit einer freiwilligen und vernünftig bezahlten Längerbeschäftigung einräumen würde?
Pfeifer, Parl. Staatssekretär: Zum letzten Teil der Frage habe ich hier Stellung genommen.
Was den ersten Teil der Frage angeht, möchte ich darauf hinweisen, daß wir dem Parlament auch in dieser Legislaturperiode hinsichtlich eines Teils der Pflegeberufe bis in die jetzige Zeit hinein Vorschläge unterbreitet haben bzw. unterbreiten. Ich erinnere nur an den Gesetzentwurf zur Ausbildung in den Berufen im Bereich der Altenpflege, den die Bundesregierung dem Bundesrat zugeleitet hat.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1122504800
Die Frage 19 des Abgeordneten Lowack wird auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 20 der Abgeordneten Frau Walz auf:
Gibt es in der Bundesrepublik Deutschland Forschungsvorhaben über „Gewalt gegen Ältere", die der Anwendung von Gewalt gegen ältere Menschen sowohl im familiären Pflegebereich als auch in stationären und ambulanten Pflegeeinrichtungen nachgehen?
Bitte sehr, Herr Staatssekretär.
Pfeifer, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin Walz, bisher gibt es in der Bundesrepublik keine systematische, umfassende Forschungsarbeit zum Thema „Gewalt gegen ältere Menschen", die den Anspruch auf Repräsentativität erfüllt und das Dunkelfeld, in dem dieser Bereich nach wie vor liegt, ausreichend erhellt.
Dies gilt sowohl für das umfassendere Gebiet der Gewalt gegen ältere Menschen als auch für die speziellen Bereiche familiärer Gewalt gegen Ältere und Gewalt im familiären, ambulanten und stationären Pflegebereich. Dagegen liegen Einzelfallstudien, punktuelle Mitteilungen und Erhebungen im Sinne von Expertenbefragungen zu Teilbereichen des Forschungsthemas vor.
Auf dieses Forschungsdefizit weist der Vierte Familienbericht hin, ebenso die unabhängige Regierungskommission zur Verhinderung und Bekämpfung von Gewalt in ihrem 1990 vorgelegten Gutachten. Die Bundesregierung plant, Forschungsvorhaben zu diesem wichtigen Bereich voranzutreiben. Die Vorarbeiten hierzu sind im Gange.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1122504900
Eine Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Walz? — Keine.
Ich rufe die Frage 21 der Abgeordneten Frau Walz auf:
Sind der Bundesregierung Untersuchungen über Gewalt gegen alte Menschen aus den Vereinigten Staaten von Amerika bekannt, die vor allem die Zusammenhänge zwischen aktiver/ passiver Gewaltanwendung und der Überforderung des Pflegepersonals offenlegen?
Bitte, Herr Staatssekretär.
Pfeifer, Parl. Staatssekretär: Auch der in Frage 21 angesprochene Forschungsbereich ist erst in den letzten Jahren, vorwiegend in den USA, aber noch nicht sehr umfassend zum Gegenstand wissenschaftlicher Arbeit geworden. Hinweise auf die in der Frage genannten Zusammenhänge sind der Bundesregierung nicht nur aus der amerikanischen Fachliteratur bekannt. Sie sind beispielsweise auch in dem erwähnten Gutachten der Kommission, die ich zu Frage 20 genannt habe, enthalten.
Auf die Fülle der Belastungen für Pflegende, insbesondere auch in der Pflege von älteren Angehörigen, weist der erste Teilbericht der Sachverständigenkommission zur Erstellung des ersten Altenberichts der Bundesregierung darüber hinaus hin.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1122505000
Haben Sie dazu eine Zusatzfrage? — Keine. Schönen Dank, Herr Staatssekretär.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr auf. Die Fragen 22 und 23 des Abgeordneten Richter sowie die Frage 24 des Abgeordneten Hinsken werden auf Wunsch der Fragesteller schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Dann rufe ich den Geschäftsbereich des Bundesministers für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit auf. Herr Parlamentarischer Staatssekretär Gröbl steht zur Beantwortung zur Verfügung.
Die Fragen 25 und 26 der Abgeordneten Frau Garbe und die Fragen 27 und 28 des Abgeordneten Dr. Wernitz werden auf Wunsch der Fragesteller schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich rufe die Frage 29 der Frau Abgeordneten Wollny auf:
Kann die Bundesregierung Aussagen im Bericht der Tagesthemen/ARD vom 13. September 1990 bestätigen, wonach die zulässigen jährlichen Strahlengrenzwerte im AKW Greifswald bei weitem überschritten werden, und hält die Bundesregierung angesichts der im Tagesthemen-Bericht aufgezeigten anderen gravierenden Sicherheitsmängel eine sofortige Stillegung aller Reaktorblöcke in Greifswald für erforderlich?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.

Wolfgang Gröbl (CSU):
Rede ID: ID1122505100
Frau Kollegin, die Bundesregierung kann die von Ihnen zitierte Aussage nicht bestätigen. Auf Grund der Ergebnisse der gemeinsamen Sicherheitsüberprüfungen sind die Blöcke II bis IV des Kernkraftwerks Greifswald bereits seit längerer Zeit abgeschaltet. Block I wird nach anderweitiger Bereitstellung des benötigten Dampfes abgeschaltet.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1122505200
Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Wollny.

Lieselotte Wollny (DIE GRÜNEN/BÜNDNIS 90):
Rede ID: ID1122505300
Bedeuten diese Abschaltungen endgültige oder vorläufige Abschaltungen? Ich erinnere an die Pressekonferenz des Herrn Ministers, der noch immer offenhält, daß sich Leute für Nachrüstungen bereitfinden würden. Meine Frage bezieht sich ja auf eine endgültige Abschaltung.



Gröbl, Parl. Staatssekretär: Ich kann hierzu nur Bundesminister Professor Töpfer zitieren, der in dieser Pressekonferenz, von Ihnen erwähnt, damals ausgeführt hat:
Spekulationen über die Chancen der Verwirklichung der Nachrüstmaßnahmen oder gar über eine Wiederinbetriebnahme haben derzeit keine Grundlage.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1122505400
Zweite Zusatzfrage.

Lieselotte Wollny (DIE GRÜNEN/BÜNDNIS 90):
Rede ID: ID1122505500
Aber es kommt darin „derzeit" vor. Das ist nicht endgültig.
Gröbl, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin, erstens sind wir noch nicht zuständig, und zweitens pflegen wir solche Entscheidungen nach sorgfältiger Überprüfung zu treffen.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1122505600
Ich rufe die Frage 30 der Abgeordneten Frau Wollny auf:
Auf Grundlage welcher Sicherheitsbewertungen und Radioaktivitätsmessungen im AKW Greifswald kommt die Bundesregierung zu der Auffassung, daß nach der Vereinigung Deutschlands am 3. Oktober 1990 die von der EG-Kommission geforderte sofortige Stillegung der DDR-Reaktoren nicht zwingend geboten ist, und hält es die Bundesregierung für möglich, daß die vom Staatlichen Amt für Atomsicherheit und Strahlenschutz gelieferten Radioaktivitätsdaten nicht den Tatsachen entsprechen?
Gröbl, Parl. Staatssekretär: Seit dem 1. Juli 1990 gelten die Strahlenschutzvorschriften der Bundesrepublik Deutschland auch in der DDR. Die Anforderungen sind strenger als die entsprechenden Regelungen nach Euratom-Vertrag. Die Einhaltung der Vorschriften ist Aufgabe des jeweiligen Genehmigungsinhabers. Er unterliegt hierbei der Aufsicht der jeweils zuständigen Behörde, d. h. hier des Staatlichen Amts für Atomsicherheit und Strahlenschutz der DDR (SAAS).
Das SAAS hat festgestellt, daß die in der Bundesrepublik geltenden Grenzwerte für Ableitungen radioaktiver Stoffe eingehalten werden. Der Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse vor, daß diese behördlichen Angaben nicht zutreffen.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1122505700
Zusatzfrage, bitte.

Lieselotte Wollny (DIE GRÜNEN/BÜNDNIS 90):
Rede ID: ID1122505800
Wie halten Sie es denn dann für möglich, daß in der Sendung „Tagesthemen" behauptet wurde, daß bei von den Leuten selbst durchgeführten Messungen eine wesentlich höhere Strahlendosis gefunden wurde? Ich zögere auch sehr, den Angaben, die da gemacht worden sind, Glauben zu schenken, nämlich daß in vier Stunden jemand die Strahlendosis eines strahlenexponierten Arbeiters erhält. Ich bin sehr zögerlich, das zu glauben. Aber sind Sie davon überzeugt, daß die Angaben des SAAS nachprüfbar und glaubwürdig sind?
Gröbl, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin, ich kann nur wiederholen: Wir haben keine Veranlassung, an den Aussagen des SAAS zu zweifeln. Ich kann auch nichts zu den Recherchen sagen, die das Fernsehen hier angestellt hat. Aber ich kann gern aus dem jüngsten Bericht zitieren, den wir vom SAAS dazu erhalten haben.

(Frau Wollny [GRÜNE]: Das können Sie sich sparen! Den kenne ich!)

Das bestätigt inhaltlich diese Aussage.

Lieselotte Wollny (DIE GRÜNEN/BÜNDNIS 90):
Rede ID: ID1122505900
Sie sehen keine Veranlassung, diese Aussagen anzuzweifeln?
Gröbl, Parl. Staatssekretär: So ist es.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1122506000
Aber vielleicht interessiert Sie der Bericht, Frau Kollgin Wollny. Der Herr Staatssekretär ist bereit, Ihnen den Bericht zu geben, wenn ich das richtig gesehen habe.
Danke schön, Herr Staatssekretär.
Wir kommen damit zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers des Auswärtigen. Zur Beantwortung steht Frau Staatsminister Dr. Adam-Schwaetzer zur Verfügung.
Die Frage 31 des Abgeordneten Zierer wird schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 32 des Herrn Abgeordneten Schreiner auf:
Welche Schritte hat die Bundesregierung inzwischen unternommen, um die in der 210. Sitzung des Deutschen Bundestages vom 10. Mai 1990 (vgl. Plenarprotokoll 11/210, S. 16509) in Aussicht gestellte einvernehmliche Aufhebung von Abschnitt II des Zusatzabkommens zum deutsch-iranischen Niederlassungsabkommen zu erreichen?
Bitte, Frau Staatssekretärin.

Dr. Irmgard Adam-Schwaetzer (FDP):
Rede ID: ID1122506100
Herr Abgeordneter, im Anschluß an die Sitzung des Deutschen Bundestages vom 10. Mai 1990 hat das Auswärtige Amt die Botschaft Teheran angewiesen, die iranische Antwort anzumahnen. Am 6. Juni 1990 hat das iranische Außenministerium mit Verbalnote mitgeteilt, daß die iranische Seite den Vorschlag einer einvernehmlichen Aufhebung der Ziffer II des Zusatzprotokolls zum Niederlassungsabkommen ablehnt.
Iran begründete dies damit, daß die Aufhebung des Abschnitts II des deutsch-iranischen Niederlassungsabkommens Iraner, wie Iran es nennt, berechtigen würde, insbesondere ohne Ableistung ihres Wehrdienstes und ohne Genehmigung des Ministerrats die deutsche Staatsangehörigkeit zu erwerben.
Das Auswärtige Amt hat deshalb die Botschaft Teheran gebeten, die iranische Seite darauf hinzuweisen, daß durch die vorgeschlagene Aufhebung das innerstaatliche iranische Recht in keiner Weise berührt würde, und diese um Überprüfung ihrer Haltung zu bitten. Hierzu hat die iranische Seite noch nicht Stellung genommen.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1122506200
Keine Zusatzfrage. Dann rufe ich die Frage 33 des Abgeordneten Schreiner auf:
Wann gedenkt die Bundesregierung die für den Fall einer nicht erreichbaren einvernehmlichen Aufhebung bereits in der Fragestunde vom 10. Mai 1990 signalisierte einseitige Kündigung des genannten Zusatzabkommens auszusprechen?
Frau Staatssekretärin, bitte.



Frau Dr. Adam-Schwaetzer, Staatsminister: Herr Abgeordneter, Ihre Frage ist vorerst nach wie vor hypothetischer Natur. Wie Sie wissen, handelt es sich um eine Frage, die das politische Verhältnis beider Staaten zueinander berührt, das angesichts der gegenwärtigen Lage in der Golfregion besonders sensibel ist. Sie wird im Lichte der noch zu erwartenden iranischen Antwort im Sinne meiner Ausführungen vor diesem Hause am 10. Mai dieses Jahres sorgfältig geprüft werden.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1122506300
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Schreiner.

Ottmar Schreiner (SPD):
Rede ID: ID1122506400
Frau Staatsministerin, ich habe Ihre Ausführungen vom 10. Mai dieses Jahres so empfunden, daß Sie damals gesagt haben — ich darf wörtlich zitieren — , daß die Bundesregierung innerhalb der nächsten Wochen auch die Fragen einer möglichen Kündigung des Zusatzabkommens wieder prüfen wird. Nachdem ich jetzt höre, daß daraus nichts geworden ist, frage ich, welchen Wert die Aussagen von Staatssekretären hier im Parlament haben.
Frau Dr. Adam-Schwaetzer, Staatsminister: Herr Abgeordneter, ich habe in meiner Antwort auf Ihre Frage 33 ja indirekt darauf hingewiesen, daß die Bundesregierung dies nicht nur geprüft hat, sondern daß sie es nach wie vor prüft. Es handelt sich hier wirklich nicht darum, einen Vorgang hinauszuzögern, sondern darum, diesen Vorgang, der — da waren wir uns ja in unserer Beurteilung auch einig — so nicht stehenbleiben kann, zu einem Abschluß zu bringen. In bezug auf die Antwort, die uns die iranische Regierung am 6. Juni mitgeteilt hat, haben sich Rückfragen ergeben. Diese Fragen haben wir gestellt. Die Angelegenheit wird von uns weiter geprüft; darauf habe ich hingewiesen.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1122506500
Keine Zusatzfrage, Herr Schreiner?

Ottmar Schreiner (SPD):
Rede ID: ID1122506600
Doch, ich habe noch eine. — Frau Staatssekretärin, es ist ja ermutigend zu wissen, daß die Bundesregierung unentwegt weiter prüft. Könnte denn das Ergebnis der Prüfung möglicherweise gegen Abschluß der nächsten Legislaturperiode vorliegen und im besonderen Lichte einer Notiz erfolgen, die der „Welt" vom 12. September dieses Jahres zu entnehmen war, wonach Ihr Kollege Schäfer bei der Verabschiedung des iranischen Botschafters hier in Bonn in einer Tischrede die enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit betont habe, die sich auch in schwierigen Zeiten bewährt habe? Könnte diese Formulierung darauf hindeuten, daß der langatmige Prüfungsvorgang, den die Bundesregierung nun unternimmt, mit dem Ergebnis enden wird, daß eine einseitige Kündigung nicht in Betracht gezogen wird?
Frau Dr. Adam-Schwaetzer, Staatsminister: Herr Abgeordneter, ich kann das Ergebnis der Prüfung durch die Bundesregierung nicht vorwegnehmen, möchte aber zwei Dinge dazu sagen.
Erstens. Es kommt uns wirklich darauf an, das Schicksal der betroffenen Menschen zu erleichtern. Ich bitte Sie deshalb, sich auch einmal vor Augen zu
halten, was wir hier im Deutschen Bundestag im Zusammenhang mit der Neuordnung des Ausländerrechts beschlossen haben, die nämlich eine erleichterte Einbürgerung auch unter Aufrechterhaltung von Doppelstaatsangehörigkeit vorsieht. Dieser Regelung haben u. a. die Schwierigkeiten zugrunde gelegen, die wir gerade mit den Bürgern aus dem Staat, der hier in Rede steht, in den vergangenen Jahren gehabt haben. Diese Regelung des Ausländergesetzes besagt zwar nicht, daß sich ein Bürger des Iran nicht nach den Regeln, die dafür aufgestellt sind, um Ausbürgerung bemühen müsse; aber es gibt zusätzliche Möglichkeiten, die Probleme des betroffenen Bevölkerungskreises zu lösen.
Zweitens. Zur Tischrede meines Kollegen Schäfer möchte ich Ihnen folgendes sagen. Gerade im Lichte der jetzigen Situation, die durch den Aggressor Saddam Hussein mit seinem Überfall auf Kuwait hervorgerufen worden ist, wird ja besonders deutlich, wie wichtig es insgesamt für die Durchsetzung der Sicherheitsratsresolutionen in diesem Konflikt ist, mit allen Staaten der Region zusammenzustehen und dem Aggressor Einhalt zu gebieten. Zu diesen Nachbarn in der Region zählt auch der Iran, der sich den Sanktionsmaßnahmen angeschlossen hat. Ich denke, allein diese Vorgänge machen deutlich, wie richtig die Außenpolitik der Bundesregierung in den vergangenen Jahren auch gegenüber dem Staat Iran gewesen ist.

(Schreiner [SPD]: Noch eine Zusatzfrage, Frau Präsidentin!)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1122506700
Es waren zwei Fragen. Damit ist dieser Punkt erledigt. Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen.
Dann rufe ich die Frage 34 des Herrn Abgeordneten Duve auf:
Liegen der Bundesregierung Erkenntnisse darüber vor, inwieweit die chilenische Regierung oder auch andere Verfassungsorgane der Republik Chile auf die herabsetzenden Äußerungen des ehemaligen Diktators und jetzigen Oberbefehlshabers der Armee Chiles, Gustavo Pinochet, reagiert haben?
Bitte, Frau Staatssekretärin.
Frau Dr. Adam-Schwaetzer, Staatsminister: Herr Abgeordneter, die chilenische Regierung hat sowohl durch ihren Botschafter in Bonn als auch durch das chilenische Außenministerium gegenüber unserer Vertretung in Santiago die Ausführungen General Pinochets bedauert und sich von ihnen distanziert. Das chilenische Abgeordnetenhaus hat über diese und andere Äußerungen General Pinochets aus jüngster Zeit in einer Sondersitzung am 12. September 1990 debattiert und in zwei Entschließungsanträgen u. a. das Verhalten Pinochets zurückgewiesen.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1122506800
Eine Zusatzfrage, Herr Duve.

Freimut Duve (SPD):
Rede ID: ID1122506900
Nein.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1122507000
Keine? Duve (SPD): Es sind ja zwei Fragen.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1122507100
Gut, dann rufe ich Frage 35 des Herrn Abgeordneten Duve auf:



Vizepräsidentin Renger
Liegt der Bundesregierung bereits eine Reaktion des Staatspräsidenten von Chile zu den absurden Äußerungen von General Pinochet über die deutsche Bundeswehr vor?
Frau Staatssekretärin.
Frau Dr. Adam-Schwaetzer, Staatsminister: Herr Abgeordneter, eine Reaktion des Staatspräsidenten Aylwin liegt noch nicht vor. Der Staatspräsident hat General Pinochet für den 20. September, also für morgen, zu einer Unterredung einbestellt.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1122507200
Zusatzfrage.

Freimut Duve (SPD):
Rede ID: ID1122507300
Frau Staatsminister, ist es die Absicht der Bundesregierung, in dieser Angelegenheit Chile gegenüber noch einmal im Lichte der nunmehr guten Beziehungen der beiden Staaten tätig zu werden?
Frau Dr. Adam-Schwaetzer, Staatsminister: Herr Abgeordneter, die Bundesregierung ist davon überzeugt, daß die Verfolgung ihrer Interessen auch in dieser Angelegenheit bei der demokratisch gewählten chilenischen Regierung in guten Händen ist.

Freimut Duve (SPD):
Rede ID: ID1122507400
Anlaß für die Äußerung von Pinochet war ja die beabsichtigte Zusammenarbeit von Militärs auf dem Gebiet der Inneren Führung und auf dem Gebiet der anderen, demokratisch kontrollierten Militärverfassung in der Bundesrepublik Deutschland; wird die Bundesregierung an der Absicht, den Bitten der chilenischen Regierung in diesem Zusammenhang zu folgen, festhalten?
Frau Dr. Adam-Schwaetzer, Staatsminister: Mir ist innerhalb der Bundesregierung keine gegenteilige Auffassung bekannt. Ich gehe also davon aus, daß es dabei bleibt.

Freimut Duve (SPD):
Rede ID: ID1122507500
Danke.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1122507600
Eine Zusatzfrage? — Nein.
Frau Staatsminister, ich glaube, ich habe immer „Staatssekretärin" gesagt: Ich bitte um Entschuldigung, wenn das der Fall gewesen sein sollte.
Frau Dr. Adam-Schwaetzer, Staatsminister: Mein Titel ist Staatsministerin, aber das ist kein Problem.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1122507700
Danke schön, daß es kein Problem ist.
Ich rufe die Frage 36 des Herrn Abgeordneten Dr. Kübler auf:
Wie ist die politische Beurteilung der Bundesregierung zu den Massenhinrichtungen in der Volksrepublik China, denen nach Angaben von amnesty international seit Beginn des Jahres mehr als 500 Menschen, unter ihnen auch politische Gefangene, ohne rechtsstaatlichen Prozeß zum Opfer fielen, und welche Folgerungen zieht die Bundesregierung daraus im Hinblick auf die politischen, wirtschaftlichen und entwicklungshilfepolitischen Beziehungen zur Volksrepublik China?
Frau Dr. Adam-Schwaetzer, Staatsminister: Herr Abgeordneter, die Bundesregierung kann aus eigener Kenntnis die von Ihnen genannte Zahl, die von der chinesischen Regierung bestritten wird, nicht bestätigen. Die Bundesregierung ist der Auffassung — mit vielen anderen — , daß die chinesischen Gerichte Todesurteile häufig in Verfahren verhängen, die rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht entsprechen. Die Bundesregierung mißbilligt diese Praxis, die die Menschenrechte nicht achtet.
Die Bundesregierung ist überzeugt, daß es auch im Interesse der chinesischen Bevölkerung liegt, wenn die Volksrepublik China außenpolitisch nicht isoliert wird. Die Wirtschaftsbeziehungen zu China sind in unserem marktwirtschaftlichen System Sache der interessierten deutschen Unternehmen.
Hinsichtlich der Entwicklungspolitik gegenüber China sind für die Bundesregierung die Entschließungen des Deutschen Bundestages vom 15. und vom 23. Juni 1989 maßgebend.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1122507800
Zu einer Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Kübler.

Dr. Klaus Kübler (SPD):
Rede ID: ID1122507900
Frau Staatsministerin, erwägt die Bundesregierung, gegebenenfalls als Signal ein Angebot an die chinesische Regierung zu machen, etwa in der Form, daß politisch zum Tode Verurteilte oder zu langjährigen Haftstrafen Verurteilte Aufnahme in der Bundesrepublik finden könnten?
Frau Dr. Adam-Schwaetzer, Staatsminister: Solche Überlegungen, Herr Abgeordneter, hat die Bundesregierung derzeit nicht. Es ist nach meiner Kenntnis allerdings auch kein Fall bekannt, wo um Aufnahme gebeten worden ist.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1122508000
Eine Zusatzfrage bitte.

Dr. Klaus Kübler (SPD):
Rede ID: ID1122508100
Noch eine Zusatzfrage, Frau Staatsministerin: Erwägt die Bundesregierung, auf EG-Ebene eine Initiative oder eine Demarche gemeinsamer Art gegenüber China zu unternehmen?
Frau Dr. Adam-Schwaetzer, Staatsminister: Ich bin sicher, Herr Abgeordneter, daß das Thema China auf einer der nächsten Tagungen des politischen Kommitees behandelt werden wird, wie das auch immer wieder in den vergangenen Monaten der Fall war. Ich denke, daß auch der Europäische Rat auf einer seiner nächsten Tagungen sich wieder mit diesen Fragen beschäftigen wird. Verletzungen von Menschenrechten sind so schwerwiegende Vorgänge, daß die Europäische Gemeinschaft klar aufgefordert ist, hierzu Stellung zu beziehen.

Dr. Klaus Kübler (SPD):
Rede ID: ID1122508200
Vielen Dank.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1122508300
Die Frage 37 des Abgeordneten Stiegler wird schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich danke Ihnen, Frau Staatsministerin. Damit ist auch die Fragestunde beendet.
Ich wollte gerne gleich in die Aktuelle Stunde eintreten; ich muß aber erst einmal fragen, ob alle in Frage kommenden Redner schon anwesend sind. Sonst warten wir einen Moment.

(Frau Roitzsch [Quickborn] [CDU/CSU]: Die erste Runde können wir schon machen! — Such [GRÜNE]: Noch nicht, ich muß einen Moment telefonieren!)




Vizepräsidentin Renger
— Sie sind noch nicht vollzählig, Herr Such? Wie lange dauert es bitte noch? Können Sie sagen, ein paar Minuten?

(Such [GRÜNE]: Ja, fünf Minuten!)

— Dann müssen wir fünf Minuten warten. Ich warte, bis die Redner eingetroffen sind, weil wir ja die Aktuelle Stunde jetzt vorgezogen haben.

(Gerster [Mainz] [CDU/CSU]: Wegen der Redner der GRÜNEN müssen wir warten!)

— Das ist egal, die haben die gleichen Rechte wie Sie, Herr Kollege.
Ich unterbreche für kurze Zeit.

(Unterbrechung der Sitzung von 13.45 bis 13.47 Uhr)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1122508400
Die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet.
Ich rufe Zusatzpunkt 1 der Tagesordnung auf: Aktuelle Stunde
Planungen für terroristische Anschläge der RAF und der Hamburger Hafenstraße auf führende Politiker und Wirtschaftsführer
Die Fraktion der CDU/CSU hat gemäß unserer Geschäftsordnung eine Aktuelle Stunde zu dem genannten Thema verlangt.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Gerster.

Dr. Johannes Gerster (CDU):
Rede ID: ID1122508500
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die RAF-Funde in der Hamburger Hafenstraße beweisen, was Fachleute schon seit vielen Jahren wissen: Die Hamburger Hafenstraße war und ist ein Terroristennest. Mord und Totschlag stehen bei der RAF, wie wir wissen, weiterhin auf der Tagesordnung. Sie holt zu neuen Anschlägen aus. Von einer Verschärfung der Situation im Bereich der inneren Sicherheit müssen wir ausgehen.
Nicht nur Stadtpläne mit Mordplänen an unserem Bundeskanzler und zahlreichen anderen führenden Repräsentanten unseres Staates wurden dort gefunden; gefunden wurden auch moderne technische Ausstattungen wie z. B. Computer, ein Photolabor, Funkgeräte, Kopiergeräte und anderes.

(Such [GRÜNE]: Was hat denn das mit Terrorismus zu tun?)

In drastischer Weise wurde wieder einmal deutlich, wie eng die Bewohner der Hafenstraße mit den professionell organisierten RAF-Terroristen verbunden sind. Es kann keinen Zweifel daran geben, daß in der Hafenstraße eine der wichtigen Logistik-Zentralen der RAF bestand.
Was wir dort auch heute noch vorfinden, sind die Folgen verfehlter Politik. Jahrelang ist die SPD in Hamburg konsequent vor dem Rechtsbruch zurückgewichen. Diese Politik beschädigt die Erfahrung der auf inneren Frieden ausgerichteten Demokratie, und zwar mit bundesweiten Konsequenzen. Wenn in einem Bundesland immer wieder Terroristen in genau bekannten Häusern Zuflucht finden, dann untergräbt dies das Rechtsbewußtsein der Bürger im gesamten Bundesgebiet. Gewaltbereite Gruppierungen an anderen Orten des Bundesgebietes werden durch die geduldeten rechtsfreien Räume zur Nachahmung eingeladen. Ein Beispiel ist die Düsseldorfer Kiefernstraße.

(Such [GRÜNE]: Rechtsfreie Räume haben wir in der Rüstungsindustrie und der Atomindustrie!)

Die aufgefundenen Papiere über die beabsichtigte Ermordung von Bundeskanzler Kohl sind der traurige vorläufige Endpunkt einer Politik, die über Jahre hinweg die Augen vor den Fakten verschlossen hat. Für das sogenannte Wunder an der Hafenstraße hat sich die SPD seinerzeit feiern lassen, obwohl die Hamburger Fachbeamten schon 1987 vor der Unterzeichnung des Hafenstraßen-Vertrages warnten. Voscherau und von Dohnanyi haben diese Informationen beiseite geschoben und gegenüber der Öffentlichkeit von verirrten Kindern gesprochen.

(Frau Beer [GRÜNE]: Sie machen doch nur Wahlkampf!)

Sehenden Auges hat die SPD die notwendigen Konsequenzen nicht gezogen. Sie sorgte im Gegenteil sogar noch dafür, daß von Dohnanyi kurz nach Vertragsunterzeichnung mit dem Theodor-Heuss-Preis für sein sogenanntes Friedenswerk öffentlich ausgezeichnet wurde.
Die Vorkommnisse in Hamburg zeigen, wohin wir kommen würden, wenn sich die SPD mit diesen Vorstellungen im Bereich der inneren Sicherheit auch an anderer Stelle durchsetzen könnte. Frei nach Goethe könnte man sagen: Der Richter, der nicht strafen kann, wird endlich selber zum Verbrecher. — Jede weitere Duldung der Situation in der Hafenstraße muß wie eine staatliche Subventionierung des Terrorismus wirken. Hier sollte die SPD endlich handeln.
Der jetzt eingeschlagene Weg des Hamburger SPD-Senats zur Lösung der Probleme ist ein Irrweg. Der Versuch, das Problem mit Mitteln des Mietrechts zu lösen, ist das nunmehr letzte Glied in einer Kette zahlreicher Fehlentscheidungen. Damit streut der Hamburger SPD-Senat der Öffentlichkeit Sand in die Augen. Eine rechtskräftige Entscheidung kann im Zweifel erst in einigen Jahren vorliegen. So sicher wie das Amen in der Kirche werden die Entscheidungen der Gerichte von den Hafenstraßen-Vertretern durch alle möglichen Instanzen geleitet werden.
Wer wollte die zwischenzeitlich von dort geplanten Gewalttaten eigentlich verantworten?

(Such [GRÜNE]: Wo sind denn Gewalttaten geplant worden? Sagen Sie es doch!)

— Ich glaube, Herr Such, Sie hätten damit keine Probleme.
Allein eine polizeirechtliche Lösung kann dem Spuk ein Ende bereiten. Im Klartext heißt dies: Die Häuser müssen geräumt werden, als nächstes müssen die baurechtswidrigen und baufälligen Gebäude umgehend von der Erdoberfläche verschwinden. Die Baugesetze enthalten hierzu die nötigen Rechtsgrundlagen. Lieber den Abbruch ohnehin vergam-



Gerster (Mainz)

melter Bausubstanzen als die Duldung von Mordvorbereitungen!
Die CDU/CSU-Fraktion fordert den Hamburger SPD-Senat auf, endlich seine Pflicht zu tun. Dieses Terroristennest muß endlich ausgehoben werden.
Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Such [GRÜNE]: Das war es schon?)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1122508600
Das Wort hat Herr Abgeordneter Paterna.

(Dr. Penner [SPD]: Wo ist denn der Spranger?)


Peter Paterna (SPD):
Rede ID: ID1122508700
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wenn man den Sprecher für innere Sicherheit

(Such [GRÜNE]: Für sogenannte innere Sicherheit!)

der CDU/CSU-Fraktion so hört, dann kann es einem grausen.

(Beifall bei der SPD)

Sie haben keine Ahnung; denn mit den Erkenntnissen der dafür zuständigen Behörden geht Ihre Behauptung, es handele sich um eine Logistikzentrale, nicht überein. Sie wissen, daß die RAF ganz anders arbeitet. Sie wissen genau, daß von dort keine Gewalttaten — jedenfalls im Terrorismusbereich — geplant werden, daß die RAF völlig andere Methoden hat. Mit Ihrer platten Aufforderung, die Hamburger Polizei sollte endlich handeln, werde ich mich inhaltlich noch einmal ein bißchen genauer auseinandersetzen.

(Frau Roitzsch [Quickborn] [CDU/CSU]: Was ist denn daran platt?)

Ich sage Ihnen, Herr Kollege Gerster: Dies ist ein glatter Mißbrauch des Instruments der Aktuellen Stunde.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

An dieser Stunde ist nichts anderes aktuell, als daß Sie gemerkt haben, daß der Wahlkampf beginnt. Denn es handelt sich hier um einen Vorgang, der Mitte Mai in Hamburg stattfand. Das einzige, was vielleicht noch aktuell ist, ist eine „Stern"-Veröffentlichung über Zusammenhänge mit diesem Vorgang, der vier Monate zurückliegt.
Diese Aktuelle Stunde ist deshalb eine besondere Zumutung, weil Sie als innenpolitischer Sprecher wohl am besten über die Beratungslage in diesem Hause Bescheid wissen. Wenn Sie einmal in der Tagesordnung des Innenausschusses von heute nachschauen, dann stellen Sie fest, daß wir 15 Gesetze, 13 Anträge und drei Tätigkeitsberichte des Bundesdatenschutzbeauftragten auf der Tagesordnung haben. Dieses Plenum dann dazu zu mißbrauchen, uns die dringend benötigte Beratungszeit im Innenausschuß für dieses miese Theater zu stehlen, finde ich ausgesprochen peinlich.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Sie glauben doch wohl selbst nicht ernsthaft daran, daß in dieser Debatte irgendeine neue Erkenntnis zutage gefördert werden könnte, die uns in irgendeiner Weise helfen könnte, das schreckliche Terrorismusproblem einer Lösung näherzubringen.

(Frau Hämmerle [SPD]: Sehr richtig!)

Wenn Sie unsere Beratungszeit derart mißbrauchen, dann tragen Sie geradezu zur Verniedlichung dieses Problems bei, statt bei der Lösung mitzuhelfen.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Glaubt denn einer von Ihnen ernsthaft, daß es nach einer sofortigen Räumung, die Sie dem Hamburger Innensenator hier anempfehlen, einen Terroristen weniger in der Bundesrepublik geben wird? Glauben Sie, daß es einen einzigen Sympathisanten weniger geben wird nach dieser Räumung? — Im Gegenteil. Es spricht doch sehr viel dafür, daß Sie mit solchen Hauruck-Methoden die Schafe den Böcken zutreiben. Jeder, der um innere Sicherheit besorgt ist — und das nicht nur von sich behauptet — , sollte so etwas vermeiden.
Niemand leugnet doch, meine Damen und Herren von der CDU/CSU, daß von Bewohnern der Hafenstraße Gefahren für Sicherheit und Ordnung ausgehen. Jedenfalls kein Sozialdemokrat leugnet das. Der Hamburger Senat leugnet auch nicht den Verdacht, daß Hafenstraßenbewohner in Kontakt mit der Kommandoebene der RAF sein und an der Vorbereitung von Verbrechen beteiligt sein könnten. Aber es ist eben ein Verdacht, dem nachzugehen Sache des Generalbundesanwalts ist. Es ist Sache der Hamburger Polizei, dem Generalbundesanwalt bei dieser Aufgabe zu helfen, so wie sie das im Mai getan hat und wie es von Ihnen offenbar überhaupt nicht kritisiert worden ist. Ich weiß also gar nicht, was Sie wollen.
Was soll also Ihre Aktuelle Stunde? Wollen Sie kritisch unter die Lupe nehmen — das wäre ja vielleicht ein Thema für den Bundestag, obwohl ich mir nicht so sicher bin, ob sich das für Plenardebatten eignet —, warum denn vier Monate verstrichen sind, um dieses Beweismittel zu sichten und diese Markierungen auf den Stadtplänen zu finden? Über diese vier Monate könnte man ja reden, wenn Sie das für notwendig halten. Ich halte es hier nicht für den geeigneten Ort. Sie könnten auch darüber reden, inwieweit eine solche Indiskretion gegenüber dem „Stern" den Ermittlungsergebnissen förderlich ist. Auch das wäre vielleicht ein ganz interessantes Thema, aber auch darauf haben Sie sich bemerkenswerterweise überhaupt nicht eingelassen.
Wollen Sie dem Bundestag tatsächlich zumuten, eine Entscheidung darüber zu treffen, ob der vom Hamburger Senat eingeschlagene rechtsstaatliche Weg der geeignete ist oder ob hier Polizeirecht anzuwenden sein könnte? Dies ist doch auf Grund der Beratungs- und Faktenkenntnis hier überhaupt nicht zu entscheiden. Das heißt, Sie wollen nichts anderes als Stimmung machen und, so wie Sie es auch getan haben, den Sozialdemokraten einen Bontje ans Hemd kleben,

(Abg. Gerster [Mainz] [CDU/CSU]: Klebt doch schon!)

nach dem Motto, wir seien unfähig oder vielleicht sogar unwillig, für innere Sicherheit zu sorgen.



Paterna
Herr Kollege Gerster, einmal ernsthaft. Sie können doch nicht ohne Räumungstitel 100 Leute aus den Hafenstraße-Häusern werfen, weil 10 von den 100 in Verdacht stehen, mit dem harten Kern in Verbindung zu stehen.

(Dr. Olderog [CDU/CSU]: Es sind viel mehr!)

— Nein. Lesen Sie doch einmal nach, was der Generalbundesanwalt dazu sagt! — Diese 10 können Sie nicht verhaften, ohne daß Sie mit Sicherheit davon ausgehen können, daß der Haftrichter sie nach spätestens 24 Stunden wieder auf freien Fuß setzt.

(Gerster [Mainz] [CDU/CSU]: Woher wissen Sie das denn?)

— Jedenfalls vom Generalbundesanwalt, so wie er sich öffentlich dazu äußert. — Was haben Sie dem Rechtsstaat denn dann für einen Gefallen getan?
Ich schließe und ermuntere im Namen der SPD-Fraktion den Hamburger Senat, Recht und Gesetz mit rechtsstaatlichen Mitteln zu schützen, das in der Tat gescheiterte Wohnmodell Hafenstraße mit Hilfe der dafür zuständigen Gerichte so schnell wie möglich zu beenden und bei der Fahndung nach Terroristen sowie bei der Vereitelung zukünftiger Anschläge den Generalbundesanwalt, wie in der Vergangenheit geschehen, auch in Zukunft nach Kräften zu unterstützen.
Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1122508800
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Hirsch.

(Abg. Dr. Penner [SPD]: Jetzt bin ich aber gespannt, Herr Hirsch!)


Dr. Burkhard Hirsch (FDP):
Rede ID: ID1122508900
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In der vergangenen Woche hat sich der Kollege Lutz blamiert, als er eine Debatte über Stasi-Mitarbeiter des BND ankündigte und es eine Wahlkampfdebatte über Herrn Diestel und Brandenburg wurde. Heute schlägt sozusagen das Imperium zurück, und es wird die altbekannte Hafenstraße hochgezogen.

(Heiterkeit bei der SPD)

Morgen werden wir im „Stern" eine umfangreiche, gut gemachte Reportage mit zahlreichen Informationen lesen, die mit Sicherheit aus dem Bundeskriminalamt stammen. Der Generalbundesanwalt hat am 15. Mai die Verbindung der im Dezember vergangenen Jahres verhafteten Hladki und Beilke und der dann im Mai 1990 verhafteten Gerum und Kammermeier zu elf Personen in der Hafenstraße und die Tatsache dargestellt, daß dort Durchsuchungen vorgenommen worden sind. Wir wissen seit Anfang September öffentlich, daß dabei umfangreiches Kartenmaterial gefunden worden ist, das in der Tat den Schluß zuläßt, daß von denen, die das angelegt haben, systematisch Gelegenheiten für Anschläge gegen eine Reihe von Personen ausgespäht worden sind. Wir wissen nicht, von wann die Karten stammen. Ich weiß es nicht. Ich weiß nicht, wann die Daten aufgebracht
worden sind, aber die Tatsache als solche ist nicht bestreitbar.
Ich frage mich, warum das jetzt hochkommt. Das Bundeskriminalamt muß aufpassen, welche Informationspolitik es betreibt. Bei dem Generalbundesanwalt reicht es mir nicht aus, daß er auf die Strafbarkeit solcher Veröffentlichungen von Vernehmungsprotokollen hinweist. Die Parteien und die Fraktionen müssen aufpassen, ob sie bereit sind, eine gemeinsame Sicherheitspolitik zu betreiben, oder ob bei uns jeder für sich die Gelegenheit nutzt, den anderen damit anzugreifen.
Es gibt Punkte, über die wir reden sollten. Jeder von uns weiß, daß es im Rahmen der Verwaltung intensive Diskussionen über die Frage der Haftbedingungen gibt. Es hat gar keinen Sinn, das zu verdecken. Es gibt darüber intensive und auch unterschiedliche Diskussionen. Es wäre gut, wenn wir uns dazu eine gemeinsame Meinung bildeten, ehe wir damit auf einen öffentlichen Prüfstand gestellt werden.
Zur Hafenstraße: Es hat Bemühungen aller hier im Hause vertretenen Seiten, und zwar von jeweils hervorragenden Persönlichkeiten, gegeben, das — ich sage einmal — Experiment Hafenstraße in geordnete Bahnen zu bringen. Ich bewundere die Geduld, die Toleranz und die Offenheit, mit der das — ich wiederhole — von hervorragenden Vertretern aller Seiten dieses Hauses versucht worden ist.
Aber es wird Zeit, nun klar zu sagen: Es gibt keinen rechtsfreien Raum, auch nicht in der Hafenstraße, kein Staat darf und kann akzeptieren, daß eine Art Gegengesellschaft aufgebaut wird und Straftaten vorbereitet oder gebilligt werden. Jeder Staat muß darauf achten, daß er nicht über die Grenze der Toleranz zur Ohnmacht geschoben wird, und jeder muß wissen, daß die Antreiber solcher Entwicklungen immer einzelne sind, die andere motivieren, mitreißen, animieren und damit zum Scheitern eines vielleicht sonst beherrschbaren Vorganges vorsätzlich, fahrlässig, bewußt oder wie auch immer beitragen.

(Dr. Penner [SPD]: Dieser Grundsatz gilt lükkenlos!)

Ich denke, daß man dem Hamburger Senat sagen muß, daß er in der Tat in unserem gemeinsamen Interesse dafür sorgen muß, daß sich die Verhältnisse in der Hamburger Hafenstraße nun normalisieren. Es ist nicht unsere Aufgabe, dem Land Hamburg zu sagen, welche städtebaulichen, ordnungspolitischen, polizeirechtlichen oder sonstigen Maßnahmen das Land Hamburg ergreifen muß. Aber sie müssen wissen, daß sie mit dem Anschein der Tolerisierung solcher Entwicklungen unserer gemeinsamen Sache, nämlich der Sicherheit und dem demokratischen Bewußtsein in unserem Lande, einen schlechten Dienst erweisen.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1122509000
Das Wort hat der Abgeordnete Eich.

Tay Eich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1122509100
: Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wahlen stehen bevor, nicht nur im Bund und in den Ländern der DDR, sondern auch in den



Eich
Ländern hier und im Mai in Hamburg, wo es die CDU besonders schwer hat. Zum einen ist da die personelle Unprofiliertheit, die dadurch bedingt ist, daß Karrierewünsche von der anderen Volkspartei, die seit 40 Jahren regiert, abgedeckt werden. Zum anderen läßt die Hamburger SPD, die CSU des Nordens, auch wenig Manövrierraum an ihrer rechten Seite. So überlebt die CDU in Hamburg als Zwei-Punkte-Partei: Erstens. Die Lehrer und Schulräte quälen die Schüler mit sozialistischen Experimenten. Zweitens. Mag man der Außendarstellung der CDU folgen, sind das einzige alles überragende Problem in Hamburg die Häuser der Hafenstraße.

(Uldall [CDU/CSU]: Richtig, genau!)

Nun mag man sich fragen, warum eine aktuelle Dringlichkeit für den Deutschen Bundestag besteht, hierüber zu beraten. Aber ich spreche ja gern über Hamburgensien.
Kern des Problems ist, daß die Hafenstraße lukrativer Baugrund für Spekulanten aller Art ist und Anlaß ist, daß man die Häuser nicht abreißen kann, solange sie von den Mietern bewohnt werden.
Der Senat hat nun seiner Klientel versprochen, dieses Problem zu lösen, einer Klientel, der er sehr verbunden ist; denn in Hamburg machen Betroffene Politik. Einer der größten Grundstückspekulanten sitzt im Senat.

(Duve [SPD]: Herr Kollege, sagen Sie mal, wen Sie meinen, der da im Senat sitzen soll! Wen meinen Sie denn?)

— Ich meine Herrn Vogel.

(Frau Dr. Sonntag-Wolgast [SPD]: Sie meinen Herrn Vogel? Das ist der Landesvorsitzende der FDP! — Duve [SPD]: Seit wann ist der denn Senator? — Such [GRÜNE]: Laß dich doch nicht aus dem Konzept bringen! Hören Sie doch erst mal zu!)

Unter Lösung sozialer Konflikte versteht die technokratische Großstadt SPD nur eines: Polizeieinsatz, Räumung, Abriß.
Nun stellt sich aber heraus, daß die Schauergeschichten über die Menschen, die in den störenden Häusern wohnen, zwar von der „Bild-Zeitung" begierig aufgegriffen werden und daß auch andere Blätter der Hamburger Boulevardpresse ihrer journalistischen Sorgfaltspflicht glauben Genüge zu tun, indem sie Polizeiberichte nachdrucken. Aber da, wo diese dann als Kündigungsgründe herhalten sollen, halten sie der gerichtlichen Nachprüfung nicht stand und können in der Regel sogar widerlegt werden.
Es wird knapp; die Wahlen nahen; es müssen härtere Geschütze her: der Terroristenvorwurf. Im deutschen Herbst 1977 wurde er erprobt und damals gegen jeden Ungehorsam und Querdenker gerichtet. Nun wird eine sehr viel kleinere Gruppe ausgegrenzt. Ausgerechnet in der bestüberwachten Meile der Bundesrepublik, der Hafenstraße, soll die RAF ihr Quartier und ihren Planungsstab haben, da, wo regelmäßig Hausbegehungen mit und ohne Polizeibegleitung stattfinden, da, wo sich der Verfassungsschutz zuarbeiten läßt, dort, wo Polizeibeamte in Zivil die Häuser beobachten, wovon seit drei Jahren die „Bild-Zeitung" meldet: Hier wohnt die RAF. Wenn diese Organisation, die den politischen Mord in der Bundesrepublik für das geeignete politische Mittel hält, wirklich so blöde wäre, gäbe es wohl etliche Grabsteine in dieser Republik weniger.
Aber lassen wir doch die Menschen zu Wort kommen, die Objekt dieses fraktionsübergreifenden Hasses sind; denn solange GRÜNE in diesem Parlament vertreten sind, müssen Sie damit rechnen, daß authentische Stellungnahmen von denen eingebracht werden, die Sie mit Ihrer Propagandamaschinerie überrollen wollen, auch wenn wir nicht so analysieren oder formulieren würden. Hier die Presseerklärung der Bewohner und Bewohnerinnen der Hafenstraße:
Wir wissen, daß aus Lügen, vom Staatsschutz lanciert, Urteile gezimmert werden, die jahrelangen Knast unter Isolationshaftbedingungen zur Folge haben. Das ist für uns der Grund, uns dazu zu äußern.
Wer hier lebt, ist nicht RAF, nicht 130, nicht 30, nicht 10. Niemand von uns hat irgend etwas in irgendeinen Stadtplan gemalt, um jemanden — sei es Kohl, Reuter oder sonstwer — in die Luft zu sprengen oder abzuschießen. Wir sind kein Ausspähungsunternehmen für niemanden. Hafenstraße ist Hafenstraße ist Hafenstraße ... Und genau als Hafenstraße wollen sie uns treffen als diejenigen, die es mal geschafft haben, gegen sie zu gewinnen, für jede und jeden sichtbar.
— Das war 1987. (Duve [SPD]: Ist Herr Vogel nun im Senat?)

— Nein, er ist Vorsitzender der FDP in Hamburg. Sie haben ja recht.

(Such [GRÜNE]: Es gibt so viele Vögel in diesem Senat, schräge Vögel und andere!)

In dieser Presseerklärung heißt es weiter:
Dahinter steckt das Kalkül, die Weichen zu stellen für die Anwendung des ganzen Sonderinstrumentariums — ... Staatsschutzsenate der Gerichte, § 129 a als Gesetzesgrundlage, Isolationshaft — : verrechtlicher Ausnahmezustand gegen uns. Damit schaffen sie sich die „rechtsstaatliche Grundlage", uns zu vernichten, was allein über die Anwendung des Mietrechtes mit dem Ziel der Räumung nicht möglich wäre.
Vernichtung meint auch die Erinnerung an das, was wir tatsächlich sind, auszulöschen: eine Geschichte von inzwischen fast zehn Jahren und die gemeinsame Erfahrung von all denen, die an 1987 beteiligt waren . . .
Hafenstraße am 14. 9. 1990
Ich danke Ihnen für Ihre Geduld.

(Beifall bei den GRÜNEN)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1122509200
Das Wort hat der Senator für Inneres der Freien und Hansestadt Hamburg, Herr Hackmann.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1122509300
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Auseinandersetzung mit dem Terrorismus, mit der politisch motivierten



Senator Hackmann (Hamburg)

Gewalt sollte keine parteipolitische Auseinandersetzung sein und nicht zu Wahlkampfzwecken mißbraucht werden.

(Beifall bei der SPD)

Was benötigt wird, ist die Solidarität der Demokraten im Kampf gegen Terrorismus und Gewalt in unserem Lande und die unzweideutige Verurteilung von Terror und Gewalt.

(Gerster [Mainz] [CDU/CSU]: Ja, dann beweisen Sie das einmal in Hamburg!)

— Herr Gerster, ich komme auf Ihren wenig qualifizierten Beitrag noch zurück.

(Dr. Penner [SPD]: Herr Senator, es erübrigt sich, darauf einzugehen!)

Hamburg hat die Auseinandersetzung mit dem Terrorismus und die Verfolgung von Terroristen immer mit Entschiedenheit geführt.

(Gerstern [Mainz] [CDU/CSU]: Na!)

Die Erfolge, die wir in der Vergangenheit bei der Bekämpfung des Terrorismus gehabt haben, waren immer Erfolge der engen Zusammenarbeit der Polizeien der Länder und des Bundes, also auch der Hamburger Polizei. Auch die Durchsuchungsaktion am 15. Mai 1990 in der Hafenstraße, bei der die bekannten Stadtpläne aufgefunden wurden, sind zurückzuführen auf lang anhaltende Ermittlungen der Hamburger Polizei.
Soweit mir bekannt ist, ergeben diese Unterlagen keine Hinweise auf eine neue Strategie der RAF. Die jüngsten Presseberichte sind offenbar eine Vermischung der letzten Bekennung zu erfolgten Anschlägen und des Briefes des Gefangenen Pohl sowie der Funde in der Hafenstraße.
Richtig ist, daß die Hamburger Polizei bereits im Jahre 1988 intensiv ermittelt hat, um mögliche Verbindungen zwischen RAF und Hafenstraße nachzuweisen. Die damaligen Ermittlungen führten zwar zu einer Einleitung eines Ermittlungsverfahrens durch den Generalbundesanwalt, wurden aber Mitte letzten Jahres eingestellt.

(Hört! Hört! bei der SPD)

Wir haben in Hamburg nie verschwiegen, daß Anhänger der Rote Armee Fraktion auch in den Häusern der Hafenstraße ein- und ausgehen. Ich bedanke mich bei Ihnen, Herr Gerster, ausdrücklich, daß Sie mich als Fachbeamten bezeichnet haben; denn ich bin es 1987 gewesen, der den Senat auf die Zusammensetzung und Struktur der Bewohner in der Hafenstraße hingewiesen hat.

(Hört! Hört! bei der SPD — Such [GRÜNE]: Sie müssen einmal erläutern, was „Anhänger" der RAF sind!)

Die Sicherheitsbehörden des Bundes und der Länder gehen davon aus, daß in der Bundesrepublik ca. 250 Personen dem engeren Umfeld der RAF zuzurechnen sind. Von diesen 250 halten oder hielten sich zehn in den Häusern der Hafenstraße auf. Die Sicherheitsbehörden wissen nicht nur, wo sich zehn Personen aufhalten, sondern sie wissen von allen 250, wo sie sich aufhalten: in Hamburg, in Wiesbaden, in
! Stuttgart, in Frankfurt, überall in dieser Republik. Das führt weder in Frankfurt noch in Stuttgart dazu, daß die Wohnungen oder Häuser, in denen diese Personen wohnen, auf Dauer geräumt werden. Es führt auch nicht dazu, daß diese Personen verhaftet werden.

(Dr. Penner [SPD]: Nur in Mainz haben sie sich totgelacht!)

Denn der Rechtsstaat verlangt den Beweis und den Nachweis — das müßten Sie doch ganz genau wissen —,

(Gerster [Mainz] [CDU/CSU]: Es gibt keinen rechtsfreien Raum in Frankfurt und Stuttgart!)

daß über die politische Unterstützung hinaus zumindest die Werbung für eine terroristische Vereinigung betrieben werden muß.

(Gerster [Mainz] [CDU/CSU]: Es gibt in Stuttgart keine Hafenstraße!)

— Aber es gibt das engere Umfeld der RAF. Oder wollen Sie das bestreiten, Herr Gerster? Sie müßten es doch wissen.
Das Ermittlungsverfahren, das zur Durchsuchung am 15. Mai geführt hat, liegt beim Generalbundesanwalt. Er ist Herr des Verfahrens. Es steht mir nicht zu, aus laufenden Ermittlungsverfahren zu berichten. Ich finde es aber außerordentlich bedauerlich, daß Einzelheiten dieses laufenden Verfahrens in den Medien nachzulesen sind. Ich unterstreiche ausdrücklich, was der Abgeordnete Hirsch in diesem Zusammenhang gesagt hat.
Ich will aber nicht verkennen, daß der Vertrag mit den Bewohnern der Hafenstraße, der im November 1987 abgeschlossen worden ist, auch aus meiner Sicht ein Fehler gewesen ist.

(Uldall [CDU/CSU]: Aha!)

Politik wird von Menschen gemacht, Herr Uldall, und Menschen machen Fehler. Also macht auch die Politik Fehler, übrigens über die Parteigrenzen hinweg.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der FDP — Frau Hämmerle [SPD]: Gott sei Dank!)

Der Hamburger Senat hat dennoch die politische Verantwortung für dieses Problem Hafenstraße. Er muß mit diesem noch nicht endgültig behobenen Fehler arbeiten.

(Frau Beer [GRÜNE]: „Noch nicht endgülti'' ?)

— Noch nicht endgültig, genau. — Der Hamburger Senat hat allerdings den Vertrag gekündigt und das Wohnprojekt für beendet erklärt. Aber es muß rechtsstaatlich beendet werden.

(Frau Dr. Sonntag-Wolgast [SPD]: Richtig!)

Genauso, wie es ein Fehler gewesen ist, im November 1987 vor Gewalt zurückzuweichen und zu glauben, der innere Frieden in einer Stadt wie Hamburg könne durch Verträge mit Rechtsbrechern erhalten werden, wäre es ein ebenso schwerer Fehler, wenn der Staat



Senator Hackmann (Hamburg)

und in seinem Namen die Polizei Rechtsbruch durch Rechtsbruch beantwortete.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Mit mir wird es daher eine rechtswidrige Räumung der Hafenstraße nicht geben.
Herr Abgeordneter Hirsch, ich habe ein bißchen das Gefühl gehabt, Sie werfen dem Hamburger Senat vor, er erwecke den Anschein, Gewalt zu tolerieren.

(Gerster [Mainz] [CDU/CSU]: Über lange Jahre!)

Ich weise das mit Entschiedenheit zurück und bitte eindringlich darum, diesen Vorwurf dem Hamburger Senat nicht zu machen.

(Beifall bei der SPD — Gerster [Mainz] [CDU/ CSU]: Über lange Jahre geduldet!)

„Die Hafenstraße", Herr Gerster — Ihr Beitrag hat wirklich bewiesen, daß Sie vom Problem nichts wissen —,

(Frau Dr. Sonntag-Wolgast [SPD]: So ist es! — Such [GRÜNE]: Das war das Platteste, was ich je gehört habe!)

ist nicht die Kommandozentrale der RAF. „Die Hafenstraße" plant auch keine Anschläge. Das tun die RAF, das Kommando und ihre Unterstützer. Die Arbeitsweise dieser terroristischen Vereinigung ist nicht so, wie Sie, weil Sie offensichtlich nur bestimmte Medien lesen, uns glauben machen wollen, sondern diese Leute arbeiten anders. Sie arbeiten in konspirativen Wohnungen und nicht offen für uns erkennbar. Das ist leider Fakt. Denn wenn sie so arbeiteten, wie Sie uns glauben machen wollen, dann wären den Sicherheitsbehörden in der Vergangenheit größere Erfolge vergönnt gewesen.

(Such [GRÜNE]: Dann gäbe es sie schon lange nicht mehr!)

Aber ich verschweige ja nicht, daß die Hafenstraße Symbol geworden ist, auch für die RAF und für politisch motivierte Gewalttäter in Deutschland und in Hamburg.

(Frau Beer [GRÜNE]: Für Boris Becker auch!)

Auch deshalb muß das Projekt beendet werden. Sollte der Generalbundesanwalt oder das BKA aus dem laufenden Verfahren über Sachverhalte verfügen, die mir nicht bekannt sind, die die dauerhafte Räumung — nicht eine Räumung nach Polizeirecht für 24 Stunden, sondern die dauerhafte Räumung — und den anschließenden Abriß rechtlich ermöglichen würden, so wäre ich dankbar, wenn diese Erkenntnisse und Sachverhalte und die juristischen Bewertungen mir übermittelt werden könnten. Wir werden dann nach ihnen handeln. Nach den Interviews des Generalbundesanwaltes und des Präsidenten des BKA sieht es aber nicht danach aus, als gebe es solche Hinweise. Solange das nicht der Fall ist, so lange bleibt allein der schmerzliche Weg — ich bekenne das — über die Zivilgerichte, um dieses den Rechtsfrieden störende Symbol zu beenden. Seien Sie versichert, wir werden den Weg zu Ende gehen; das Projekt wird durch diesen Senat beendet werden.
Ich habe zu Beginn appelliert, den Kampf, die Auseinandersetzung mit dem Terrorismus nicht parteipolitisch zu mißbrauchen. Dieser Versuch ist schon einmal gemacht worden, vor genau zehn Jahren. Es mag vordergründig dazu führen, die eine oder andere Wählerstimme zu bekommen, aber, meine Damen und Herren von der CDU/CSU, es schadet der inneren Sicherheit in unserem Lande.
Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1122509400
Das Wort hat der Abgeordnete Zeitlmann.

Wolfgang Zeitlmann (CSU):
Rede ID: ID1122509500
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren!

(Such [GRÜNE]: Was weiß ein Bayer schon über Hamburg?)

— Kollege Such, ein Zwischenruf, bevor ich überhaupt einen Satz gesagt habe, ist eine Kunst. Ich kann daraus nur schließen: Du hast heute wirklich zu tief in die Flasche geschaut, die ich dir eben verkauft habe.

(Heiterkeit)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir haben eben den Innensenator von Hamburg gehört, der ganz offen zugegeben hat, daß die Vertragsgestaltung für die Hafenstraße ein Fehler war und daß der Senat bemüht ist, diesen Zustand zu beenden. Das habe ich mit Genugtuung zur Kenntnis genommen. Wenn jemand einen rechtswidrigen Zustand über viele Jahre duldet, dann gilt nach unserem Recht immer die Vermutung, daß es ihm um Wesentliches schwerer fällt, diesen Zustand zu beenden. Ich habe also Zweifel, ob dieser Weg, ohne daß Sie Ihr Gesetz über öffentliche Sicherheit ändern, über die rein zivilrechtliche Schiene erfolgreich sein wird.

(Paterna [SPD]: Das Sprengkommando vom Celler Loch bestellen!)

Ich kann nur sagen: Nach einer Veröffentlichung des „Spiegel" aus dem Jahre 1988 haben in der Zeit zwischen November 1987 und Juni 1988 210 Ermittlungsverfahren bezüglich der Bewohner der Hafenstraße stattgefunden. Das ist eine Sache, die zwei Jahre zurückliegt. Es ging um Rechtsverstöße in einem Umfang, der doch ganz bemerkenswert ist. Wenn ich dann in Presseorganen, die uns nicht nahestehen, lese, daß der Senat bis 1988 insgesamt 11,4 Millionen DM aufwenden mußte, um dieses Modell Hafenstraße überhaupt zu halten, dann wird es immer unverständlicher. Nicht mitgerechnet sind über 4 Millionen DM für das Herrichten der Gebäude, die Sie jetzt offensichtlich abreißen wollen.
Wenn hier jetzt Streit über die Quelle der Indiskretion besteht — Herr Kollege Hirsch sagt, er vermute sie beim Generalbundesanwalt oder beim Bundeskriminalamt — , kann man, nachdem der Innensenator gesagt hat, die Ermittlungen, die zu den Durchsuchungen im Mai geführt haben, seien von Ihrer Polizei ausgeführt worden, genausogut vermuten, daß die Indiskretionen aus einer Polizei kommen, die mit Ihrer Amtsführung vielleicht nicht so ganz einverstanden ist.



Zeitlmann
Aber ich möchte sagen: Niemand will hier eine rechtswidrige Beendigung fordern.

(Such [GRÜNE]: Hier wurde doch von „Plattmachern" gesprochen!)

Nur, Sie müssen sich hier gefallen lassen, daß in der Öffentlichkeit Unruhe entsteht, wenn dort Karten gefunden werden, aus denen sich wohl zweifelsfrei die Vermutung ergibt, daß dort Pläne für neue terroristische Anschläge gemacht worden sind,

(Duve [SPD]: Was ist eine „zweifelsfreie Vermutung"?)

und daß man in diesem Hause darüber spricht und, wie ich dazu sage, mit Genugtuung zur Kenntnis nimmt, daß Sie es beenden wollen.
Ich glaube aber, daß Sie nicht die richtigen Mittel einsetzen; denn über die zivilrechtliche Schiene werden Sie wegen Ihrer jahrelangen Duldung des dortigen Zustands schwerlich zum Erfolg kommen. Sie müssen nach meinem Dafürhalten die Sicherheitsregelungen in Ihrem Gesetz verändern, um über diese Normen des öffentlichen Rechts zu einer Beseitigung kommen zu können.

(Dr. Emmerlich [SPD]: Nach bayerischem Vorbild etwa?)

— Warum nicht auch einmal ein bayerisches Vorbild, Herr Kollege Emmerlich? Es kann nicht schaden.

(Dr. Emmerlich [SPD]: Aber nicht auf diesem Gebiet!)

Insgesamt ist es zutiefst unbefriedigend, daß seit zehn Jahren ein rechtsfreier Raum herrscht und Sie nach so vielen Jahren so tun, als ob das Problem erst seit diesen Tagen bestehe.

(Paterna [SPD]: Was macht der Gauweiler eigentlich im Augenblick?)

Ich finde, Sie hätten längst Zeit gehabt, hier zu handeln, und Sie können nicht jahrelang die Fehler vor sich herschieben.
Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1122509600
Das Wort hat Frau Abgeordnete Dr. Sonntag-Wolgast.

Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast (SPD):
Rede ID: ID1122509700
Herr Zeitlmann, Ihre Ausführungen fand ich im ersten Teil eher kabarettistisch, dann schwer nachvollziehbar. Aber das bleibt Ihr Geheimnis.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es gibt an den Ergebnissen der Durchsuchungsaktionen am 15. Mai in der Hamburger Hafenstraße nichts zu beschönigen. Markierungen auf Stadtplänen und anderes, das alles muß den Verdacht auf terroristische Planungen begründen — aber eben auch nicht mehr. Doch die Ermittlungen sind noch nicht abgeschlossen. Bis dahin darf es keine Entwarnung, aber ebensowenig vorschnelle Schlußfolgerungen geben.
Der Deutsche Bundestag kann nicht Ermittlungsbehörde spielen. Er ist auch nicht dazu da, ein landespolitisches Problem zu lösen. Es muß uns vielmehr die Frage interessieren, wie denn der inneren Sicherheit
am besten gedient wäre; denn innere Sicherheit umfaßt wohl mehr als das Beseitigen von Konfliktherden mittels Polizeieinsatz.

(Beifall bei der SPD)

Die innere Sicherheit schließt den Blick auf die Folgen staatlichen Eingreifens auch für mittelbar und nicht Beteiligte ein.
Es gibt nicht beliebig viele Möglichkeiten bei der Bewältigung des Problems. Es gibt zur Haltung des Hamburger Senats nur eine Alternative — Herr Gerster hat sie genannt — : die sofortige Räumung. Diese ist unter Wahrung der Rechtsstaatlichkeit zum gegenwärtigen — ich betone: gegenwärtigen! — Zeitpunkt nicht möglich.

(Gerster [Mainz] [CDU/CSU]: Die war schon vor fünf Jahren möglich!)

Bei den Bewohnern der Häuser handelt es sich nicht um eine in sich homogene Gruppe, nicht um eine festgefügte, sozusagen auf bestimmte politische Ziele eingeschworene Gemeinschaft.

(Dr. Penner [SPD]: Herr Gerster will eine neue Verwendung der NVA!)

Die Zusammensetzung wechselt.
Um so schwerer ist es — das ist ein wesentlicher Punkt — , einzelnen Menschen individuelle Schuld und Verantwortung zuzurechnen. Danach aber hat jeder Haftrichter zu fragen, wenn ihm Festgenommene vorgeführt werden. Gelingt dieser Nachweis nicht, dann sind die Betroffenen alsbald wieder auf freiem Fuß.

(Gerster [Mainz] [CDU/CSU]: Darum geht es doch gar nicht!)

Polizeibeamte wären mit dieser Aufgabe der Beweisführung und des Nachweises mit hoher Wahrscheinlichkeit überfordert. Daraus ist ihnen auch kein Vorwurf zu machen.

(Gerster [Mainz] [CDU/CSU]: Darum geht es doch gar nicht!)

Zurück zu unserem konkreten Anlaß: Bis zum heutigen Tage ist nicht einmal klar, ob diejenigen, die die Stadtpläne von Ludwigshafen, Stuttgart, Bremen oder München markierten, sich unter den HafenstraßenMietern befinden.
So ist die Situation nun einmal, auch wenn Sie, meine Kollegen aus der CDU/CSU-Fraktion, sich die Welt und die dazugehörenden Feindbilder gern etwas simpler zurechtzimmern. Sie haben bislang auch keine Mühe gescheut, die tatsächlichen Zustände in der Hafenstraße durch Halbwahrheiten und Verzerrungen derart zu vernebeln, daß besonders zur Ferienzeit an sonnigen Wochenenden schaulustige Touristen extra an der Häuserzeile vorbeiflanieren, um diese aus ihrer Sicht exotische Trutzburg des Terrorismus zu begaffen.

(Uldall [CDU/CSU]: So ist Hamburg heruntergekommen!)

Vielen Menschen außerhalb Norddeutschlands, Herr Uldall, ist nicht einmal bekannt, daß der Pachtvertrag seitens der Stadt schon im vergangenen Jahr gekündigt wurde. Die Mieter haben Widerspruch ein-



Frau Dr. Sonntag-Wolgast
gelegt. Das Urteil kommt am 1. Oktober und vermutlich wird die unterlegene Seite in die Berufung gehen. Dieser Zustand dauert also fort.

(Dr. Olderog [CDU/CSU]: Noch ein paar Jahre!)

Daß das Projekt „Alternatives Wohnmodell" gescheitert ist, bezweifelt kaum noch jemand. Ich erinnere aber daran, daß der damals zuständige Bürgermeister von Dohnanyi in einer zugespitzten Lage im November 1987, als gewaltsame Auseinandersetzungen drohten, nach Einschätzung vieler Beobachter mit einem Signal der Friedfertigkeit versucht hat, Schlimmeres zu verhindern.

(Dr. Hirsch [FDP]: Ist denn alles in Ordnung?)

Denn damals wie heute gilt unter Einsichtigen die Überzeugung, daß die militante alternative Szene keinesfalls verschwunden wäre, wenn die HafenstraßenHäuser damals sofort geräumt worden wären, im Gegenteil.

(Dr. Hirsch [FDP]: Ist deswegen alles in Ordnung? — Dr. Olderog [CDU/CSU]: Also lassen sie sie stehen! Warum kündigen Sie denn?)

— Es ist deswegen nicht alles in Ordnung, Herr Hirsch. Die Anliegerschaft könnte aber leicht in andere Gebiete innerhalb und außerhalb der Stadt einsickern. Außerdem wäre die Solidarisierungswelle groß.

(Dr. Olderog [CDU/CSU]: Frau Kollegin, mit welcher Begründung ist denn gekündigt worden?)

Lassen Sie also — das will ich zum Schluß sagen — ab von Sprüchen, die einem unzureichend informierten Publikum einreden, mit dem Motto: Kurzen Prozeß machen! sei das Thema erledigt. Formulierungen wie „Nest des Terrors" oder „Keimzelle der Gewalt" sind mit Angst besetzte Begriffe. Sie leisten der inneren Sicherheit einen schlechten Dienst, wenn Sie so tun, als müsse man nur einen Schlupfwinkel ausräuchern, rigoros und sofort. Vielleicht haben Sie — das mag sein — den Applaus der Stammtische auf Ihrer Seite, aber die Rechtsstaatlichkeit gewiß nicht.

(Beifall bei der SPD — Dr. Hirsch [FDP]: Was wollen Sie denn tun?)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1122509800
Bei 5-Minuten-Reden sollte man nicht allzuoft mit Zwischenrufen kommen. Wenn dreimal dieselben Zwischenrufe gemacht werden, ist das schon störend.
Das Wort hat der Abgeordnete Lüder.

Wolfgang Lüder (FDP):
Rede ID: ID1122509900
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte drei Vorbemerkungen machen.
Erstens. Die beiden kritischen Worte, die zu liberalen Positionen und zu liberalen Persönlichkeiten hier gekommen sind, halte ich für unbegründet. Weder, lieber Herr Kollege Gerster, war es falsch, daß Dohnanyi den Theodor-Heuss-Preis bekommen hat, noch, verehrter Kollege Eich — ich muß das ja sagen, Sie sind ja Anwalt — , war es richtig, Herrn Vogel hier so zu diskriminieren.
Zweitens. Ich habe nicht verstanden, wie diese Formulierung der Aktuellen Stunde auf die Tagesordnung kommen konnte,

(Paterna [SPD]: Das ist mir auch ein Rätsel!)

weil mir der Begriff des Wirtschaftsführers nach dem mir vorliegenden Wirtschaftsrecht nicht geläufig ist und weil eine Straße auch als Sammelbegriff keine terroristischen Anschläge planen kann.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD — Frau Hämmerle [SPD]: Den Titel haben wir nicht gemacht!)

Dieses ist für mich nicht akzeptabel.
Dritte Vorbemerkung: Herr Eich, ich finde es schlimm, wie Sie sich hier mit Themen der Hafenstraße befaßt haben, ohne auch nur ein Wort zu sagen, wenn Sie schon hier von der Hafenstraße sprechen und den Wir-Eindruck signalisieren, was Sie, wenn Sie hier Wir-Assoziationen zur Hafenstraße bringen, tun, um RAF-Verdächtige denen auszuliefern, denen sie ausgeliefert gehören. Dieses durfte so hier nicht kommen. Deswegen begrüße ich sehr, Herr Senator Hackmann, daß Sie deutlich gemacht haben, daß Sie mit dem Experiment Hafenstraße ein Ende machen wollen. Wir sollten den Senat dabei unterstützen.
Lassen Sie mich bitte vier Bemerkungen zu dem Verlauf der Debatte und zu dem sagen, was wir hier besprechen.
Erstens. Ich meine, wir sollten die Chance dieser Debatte nutzen, grundsätzlich die Position des Rechtsstaats in der Bekämpfung terroristischer Gewalt — das muß doch eigentlich das Thema sein, das uns hier befaßt — zu bekräftigen, und dazu gehört, daß unser Staat stets Rechtsstaat war und terroristische Gewalt stets und konsequent bekämpft hat und auch weiterhin konsequent bekämpfen wird. Dazu gehört auch — da habe ich nochmal die Bitte und den Appell an die GRÜNEN —, daß alle in diesem Haus vertretenen politischen Richtungen diese Feststellung konsequenter Bekämpfung terroristischer Gewalt nicht nur verbal unterstreichen, sondern daß auch diejenigen, die als Polizisten und Staatsanwälte sich dieser Aufgabe unterziehen, von uns allen unterstützt werden in ihrer harten Arbeit, dieses durchzusetzen.

(Such [GRÜNE]: Was wollen Sie uns denn damit unterstellen?)

Zweitens. Der Rechtsstaat darf sich auch durch größte Brutalität von Terroristen nicht provozieren lassen, die selbst gesetzten Maßstäben und Grenzen staatlichen Handelns zu verletzen. Die Stärke des Rechtsstaats liegt wesentlich in seiner Kraft, die selbst gesetzten Regeln auch bei gröbster Provokation einzuhalten.
Drittens. Die Bekämpfung der terroristischen Kriminalität darf nicht zu einem parteipolitischen Schaulaufen um die beste Einsatznote mißbraucht werden. Deswegen müssen wir den Versuchungen widerstehen, die hier heute leider sichtbar geworden sind, Glaubenskämpfe darüber auszutragen, welche politi-



Lüder
sehe Konstellation — ob konservativ-liberal in Bonn oder sozial-liberal in Hamburg — die besseren Terrorismusbekämpfer stellt.
Viertens. Terrorismusbekämpfung ist Täterbekämpfung. Der Kampf geht gegen den einzelnen, nicht gegen undifferenzierte Gruppen. Deswegen bedaure ich noch einmal die pauschalierende Thematik dieser Aktuellen Stunde: Die Hamburger Hafenstraße plant terroristische Anschläge? — Nein. Die Hamburger Hafenstraße wird durch unser Strafgesetz nicht erfaßt, wohl aber der einzelne Täter, auch die Gruppe von Tätern. Pauschalierung führt weg vom rechtsstaatlichen Weg der Terrorismusbekämpfung, und auf den sollte diese Debatte wieder zurückführen.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der SPD)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1122510000
Das Wort hat Herr Abgeordneter Eich. Er hat noch zwei Minuten Redezeit.

Tay Eich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1122510100
Ich habe mich hauptsächlich dagegen gerichtet, daß die CDU hier gar nicht den Terrorismus, sondern die Hafenstraße bekämpfen will. Ich bin durch Ihre Reden bestätigt worden.

(Zustimmung des Abg. Wüppesahl [fraktionslos])

Sie haben dadurch, daß Sie sich bemüht haben, eine Identität von RAF und Hafenstraße herzustellen, das Problem nur zu überhöhen versucht. Dem habe ich widersprochen. Ich habe zur Untermauerung dessen aus der Presseerklärung der Bewohner der Hafenstraße zitiert. Daß Ihnen das stinkt, kann ich verstehen. Sie möchten lieber, daß diese Menschen mundtot sind.
Meine Sorge hinsichtlich der CDU ist, daß ihre Propaganda auf fruchtbaren Boden fällt, wie sie ja auch schon Hamburger Fußballrowdies von ihrer Lieblingsbeschäftigung, dem Malträtieren unserer ausländischen Mitbürger, allsamstaglich abbringt und gegen die störenden Häuser sich richten läßt — ein Problem, dem sich dann allsamstaglich die Hamburger Polizei gegenübersieht.
Ich warne Sie, Haß zu säen oder ablehnende Haltung gegenüber Fremden oder Andersdenkenden — seien sie in der Bevölkerung vorhanden, seien sie noch nicht vorhanden — zu schüren und auszunutzen. Sie haben im vergangenen DDR-Wahlkampf davon profitiert, daß Sie in der DDR vorhandene Ressentiments gegen Polen mit Ihrem Grenzdebakel bedient haben.

(Gerster [Mainz] [CDU/CSU]: Das ist unglaublich, was Sie da erzählen! Schlimm!)

Wenn ich jetzt in der letzten Woche erleben muß, wie Sie laut darüber nachdenken, jüdische Menschen an der deutschen Grenze abzuweisen, läßt mich das für den Wahlkampf Schlimmes befürchten.

(Beifall bei den GRÜNEN und des Abg. Wüppesahl [fraktionslos] — Zuruf von der CDU/ CSU: Unverschämtheit!)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1122510200
Das Wort hat der Herr Parlamentarische Staatssekretär Spranger.

Carl-Dieter Spranger (CSU):
Rede ID: ID1122510300
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Bundesminister des Innern, Dr. Schäuble, hat im Rahmen einer Aktuellen Stunde über die Ereignisse am 1. Mai 1989, die sogenannten Kreuzberger Krawalle, hier im Plenum am 10. Mai 1989 unter anderem folgendes gesagt:
Es geht nicht an, wenn rechtsfreie Räume wie etwa in der Hafenstraße in Hamburg über Jahre hinweg geduldet werden. Wer dies tut, untergräbt das Bewußtsein der Bürger von der friedenstiftenden Verbindlichkeit unserer Rechtsordnung.

(Such [GRÜNE]: Sagen Sie das der Rüstungsindustrie!)

Mit dem Ergebnis der Durchsuchungen in der Hamburger Hafenstraße vom Mai dieses Jahres haben diese Worte eine traurige Bestätigung gefunden. Das macht deutlich, was geschieht, wenn und wo rechtsfreie Räume geduldet werden.

Ignaz Kiechle (CSU):
Rede ID: ID1122510400
Die Kommandoebene der RAF ist trotz aller in der Vergangenheit erfolgten Festnahmen, Verurteilungen, Depotfunde, Durchsuchungen und Beschlagnahmen nicht zerschlagen. Sie ist auch weiter willens und in der Lage, schwere Anschläge gegen Repräsentanten unseres Staates und unseres Volkes zu begehen. Die RAF ist nunmehr bemüht, das aufzubauen, was in ihrem abstrusen Jargon eine „starke revolutionäre Bewegung auf möglichst breiter Basis" heißt.
Der offenkundige Bankrott des Sozialismus, den wir seit dem vergangenen Jahr mit angesehen haben, hat die Lage nicht entspannt — im Gegenteil. Er scheint in der Szene zu einer Haltung des „nun erst recht" geführt zu haben, wobei die RAF die in der gesamten linksextremistischen Szene spürbare Ablehnung der Einigung in Freiheit und der Realisierung des europäischen Binnenmarktes für sich ausnutzt.

(Widerspruch bei den GRÜNEN)

Ich sage in aller Deutlichkeit: Es muß vor allem in den nächsten Monaten mit einer Verschärfung der Situation gerechnet werden.

(Duve [SPD]: Das war wieder ein echter Spranger, die Vereinigungsfrage mit der RAF in Zusammenhang zu bringen!)

— Herr Duve, Sie sollten das Thema etwas ernster behandeln und auch dem zuhören, was jetzt kommt, damit Sie für sich und Ihre Partei die richtigen Konsequenzen ziehen können.
Wir werden nicht nur demonstrativ-agitatorische Aktionen zu befürchten haben. Vielmehr sind auch weitere Anschläge und Entführungen zur Erfüllung von Forderungen der inhaftierten Terroristen nicht auszuschließen.

(Frau Schmidt [Hamburg] [GRÜNE]: Das ist doch wohl unverschämt!)

Eine neue Strategiediskussion der Sicherheitsbehörden mit entsprechenden Maßnahmen hat die veränderte terroristische Bedrohung aufgenommen. Ich



Parl. Staatssekretär Spranger
muß aber auch feststellen, daß der freiheitliche Staat jene lückenlose Kontrolle nicht garantieren kann — und auch nicht wollen kann —, deren es bedürfte, um Anschläge von vornherein auszuschließen. Es bedarf der Aufmerksamkeit der Betroffenen, und es bedarf vor allem auch der Unterstützung durch die Bevölkerung bei der Suche nach Terroristen. Die Fahndungserfolge der jüngeren Zeit zeigen, daß es besonders wichtig ist, wenn die Bürger unseres Landes aufmerksam sind und der Polizei verdächtige Wahrnehmungen melden.
Der Terrorismus zielt auf uns alle: auf unsere freiheitliche Ordnung, auf ihre Institutionen und Repräsentanten, auf die Art, wie wir die öffentlichen Dinge zivilisiert miteinander regeln, auf das, was manche „politische Kultur" nennen. Wir alle sind deshalb gefordert, ihm zu begegnen.
Auch wenn der freiheitliche Staat gegen terroristische Bedrohung nicht lückenlos vorgehen kann, so muß er doch unterlassen, was ihr Vorschub leistet. Dies gilt — ich sagte es eingangs — vor allem für rechtsfreie Räume. Der rechtsfreie Raum wird stets ein Raum für Rechtsbrecher werden. Die Geltung des Rechts duldet keine Lücken. Wo diese Lücken entstehen, kommt es leicht zu einer Mißachtung der Rechtsordnung.

(Frau Beer [GRÜNE]: Das erzählen Sie mal dem Bundeskanzler!)

Von dort ist der Weg zum Terror kurz.
Der Hamburger Senat hat davor die Augen verschlossen, verschließen wollen und hat — gegen den ausdrücklichen Rat seiner Fachleute — diesen unseligen Pachtvertrag geschlossen. Es ist anzuerkennen, daß Innensenator Hackmann dies heute hier eingeräumt und die Beendigung dieses schlimmen Projektes angekündigt hat.

(Dr. Olderog [CDU/CSU]: Schon lange kündigen die das ständig an, aber es passiert nichts!)

Aber, Herr Kollege Hackmann, dieses Projekt hätte nie betrieben werden dürfen und hätte schon längst beendet werden müssen.

(Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der FDP — Zumkley [SPD]: Wie denn? Machen Sie mal Vorschläge!)

Wo Recht gebrochen wird, wo die Spielregeln von Demokratie und freiheitlichem Rechtsstaat mißachtet werden,

(Paterna [SPD]: Was ist eigentlich das Aktuelle an Ihrer Rede?)

da ist es die Pflicht des Staates, für die Einhaltung von Recht und Gesetz zu sorgen. — Genau das ist das Aktuelle. Viele hier benötigen offensichtlich Nachhilfeunterricht, Herr Kollege Paterna.

(Widerspruch bei der SPD und den GRÜNEN)

Tut der Staat dies nicht, so verletzt er eine seiner obersten Pflichten: den inneren Frieden zu bewahren. Wo der innere Friede in Gefahr gerät, da genießt der
Schwache keinen Schutz mehr, da gerät die Freiheit in Gefahr.
Das Eintreten für die Freiheit der Bürger, die Wahrung des inneren Friedens, die Abwehr von Gefahren ist Aufgabe aller, die für diesen und in unserem Staat Verantwortung tragen. Unser Grundgesetz verteilt staatliche Gewalt auf viele Träger, um Macht zu begrenzen und Freiheit zu sichern. Doch die Träger staatlicher Gewalt müssen zusammenarbeiten; jeder muß an seinem Platz das Seine tun. Das ist auch das Wesen des kooperativen Föderalismus. Das gilt besonders dort, wo Kriminelle Freiheit, Leib und Leben des einzelnen bedrohen.
Ich appelliere an alle, und ich appelliere auch konkret an den Hamburger Senat,

(Frau Dr. Sonntag-Wolgast [SPD]: Aber auch an sich selber!)

sich seinen Verpflichtungen in diesem Zusammenhang nicht zu entziehen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Zurufe von der SPD und den GRÜNEN)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1122510500
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Duve.

Freimut Duve (SPD):
Rede ID: ID1122510600
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zwei gute Dinge hat diese Aktuelle Stunde wahrscheinlich: Das erste ist, daß Herr Spranger nun wieder einmal etwas zu tun bekommen hat.

(Heiterkeit bei der SPD — Lüder [FDP]: Was soll denn das? — Dr. Olderog [CDU/CSU]: Ein sehr sachlicher Beitrag! — Uldall [CDU/ CSU]: Das ist ein guter Einstieg!)

Das zweite ist, daß diese Debatte auch der deutschen Öffentlichkeit zeigt, mit welcher relativen Gelassenheit — wenn ich die Eingangsbemerkungen des innenpolitischen Sprechers der Union ausnehme — wir heute, verglichen mit den 70er Jahren, über das Thema Terrorismus auch dann reden können, wenn eine Fraktion es ausschließlich aus ganz durchsichtigen Gründen hier ins Plenum bringt.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Wüppesahl [fraktionslos])

Es war eine gelassene Diskussion. Der Versuch, hier durch ganz ungesunde Beiträge, Herr Gerster, „gesundes Volksempfinden" wachzurufen,

(Uldall [CDU/CSU]: Ein sehr böses Wort!) ist nicht gelungen. Er ist mißlungen!


(Gerster [Mainz] [CDU/CSU]: Ich habe nur die Wahrheit gesagt!)

In diesem Zusammenhang hören wir dann auch Zurufe des verehrten Kollegen Uldall, Zurufe wie „So heruntergekommen ist Hamburg!". — Das ist der Kollege, der überall immer von dem „boomenden Hamburg" spricht und natürlich sagt, wie gut es uns heute geht. — Aber ungeachtet dessen wird deutlich, daß die Hamburger inzwischen selber mit Gelassenheit mit diesem Problem umgehen können. Aber — das



Duve
will ich überhaupt nicht verschweigen — es ist ein sehr, sehr ernstes Thema.

(Dr. Olderog [CDU/CSU]: Aha!)

Es betrifft alle großen Städte. Wir können all die Menschen, die in unser Leben nicht völlig integrierbar sind, nicht mehr so ohne weiteres so behandeln und so unterbringen, wie wir es gerne gewollt hätten. Insofern habe ich damals, als ich empfahl, diese Verträge so zu machen, selber einen Fehler gemacht.

(Dr. Olderog [CDU/CSU]: Aha! Einen sehr gravierenden Fehler, totale Verschätzung! — Uldall [CDU/CSU]: Das sollte Sie zu größerer Bescheidenheit führen! — Dr. Olderog [CDU/CSU]: Ja, wer so geirrt hat, sollte bescheiden auftreten!)

Das will ich hier ganz offen auch als Abgeordneter sagen. Aber die Versuche, dies ohne rechtsstaatliche Mittel zu Ende zu bringen, sind ganz falsch.

(Gerster [Mainz] [CDU/CSU]: Das verlangt doch niemand!)

Sie würden jene gefährliche Sympathieszene, die es eine Zeitlang in der ganzen Bundesrepublik gegeben hat, wieder wachrufen.

(Gerster [Mainz] [CDU/CSU]: Das verlangt niemand!)

Dieses Projekt in Hamburg war nie ein Modell, weil es sich nie eine innere Verfassung gegeben hat. Das war der Fehler. Wir haben nie eine innere Verfassung verlangt. Es sind vielmehr einzelne Mietverträge abgeschlossen worden.

(Dr. Olderog [CDU/CSU]: Das ist eine tolle Definition! — Uldall [CDU/CSU]: Ein Skandal ist das!)

Heute gibt es gegen die Beendigung des Ganzen auf rechtsstaatlichem Wege, die der Senat ja mehrfach angekündigt hat, in der Stadt keinen Widerstand mehr. Wir alle sind gemeinsam der Meinung: Es muß zu einem Ende gefunden werden, weil sich die positiven Kräfte, die es am Anfang da auch gegeben hat, einfach überhaupt nicht mehr durchsetzen können. Deshalb wäre es ganz gut, wenn die GAL-Fraktion in Hamburg oder auch die GRÜNEN einmal eine wirklich eigene Haltung zu dem Vorgang entwickeln würden. Ich glaube nicht, daß es anders geht, als es der Senat tut, nämlich zu sagen: streng rechtsstaatlich. So kann es und so muß es beendet werden.

(Dr. Olderog [CDU/CSU]: Das ist doch nicht rechtsstaatlich, wenn Sie sich auf ein Zivilverfahren einlassen!)

Eines will ich gerne noch sagen: Wie staatliche Instanzen mit den Informationen darüber, wo sich Täter oder Sympathisanten befinden, eigentlich umgehen, das haben wir ja bei der Diskussion erlebt, als wir hören mußten, was alles BKA und BND — möglicherweise auch das Innenministerium — darüber wußten, wo sich in der DDR Täter befanden. Da ist überhaupt nichts passiert! Man wußte das, und man hat das völlig beiseite gelassen.

(Dr. Olderog [CDU/CSU]: Wir hatten nicht so gute Beziehungen zur SED wie Sie!)

Das heißt, wenn man jetzt einen Stadtplan findet und überhaupt keine zurechenbare Person hat, dann schreien Sie Zeter und Mordio.
Ich denke, wir sollten die Gelassenheit von heute nachmittag beibehalten.

(Sehr richtig! bei der SPD)

Wir werden sie in der nächsten Zeit bei vielen Themen, wo es leicht, aber gefährlich wäre, gesundes Volksempfinden zu mobilisieren, gemeinsam brauchen. Ich plädiere an uns alle, an alle Fraktionen, daß wir dann auch bei ganz anderen Themen so miteinander umgehen, wenn ich an all das denke, was in der DDR und sonstwo auf uns zukommt. Lassen wir uns durch solche etwas komischen Versuche wie diese Aktuelle Stunde heute also nicht erschüttern!

(Beifall bei der SPD — Gerster [Mainz] [CDU/ CSU]: Das war ein Eiertanz! — Dr. Penner [SPD]: Ganz hervorragend! Besser kann man es nicht machen!)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1122510700
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Echternach.

(Paterna [SPD]: Er löst das Problem jetzt baurechtlich!)


Jürgen Echternach (CDU):
Rede ID: ID1122510800
Frau Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn der Hafenstraße-Skandal der letzten acht Jahre überhaupt noch eine Steigerung zuläßt, dann wird diese durch die jüngsten Ermittlungen der Bundeskriminalamtes deutlich. Schon vor Jahren sprach der höchste Richter in Hamburg von rechtsfreien Zuständen in der Hafenstraße. Jetzt kommt heraus, daß in diesen Häusern Mordanschläge auf den Bundeskanzler, den Bundesjustizminister, den Bundesfinanzminister und auch führende Leute unserer Wirtschaft kalt geplant und vorbereitet wurden.

(Duve [SPD]: Herr Kollege, woher wissen Sie das? — Paterna [SPD]: Sie können ja noch nicht einmal verfassungskonform wählen!)

Der für die öffentliche Sicherheit zuständige Senat in Hamburg erklärt lakonisch, daß er auch jetzt nicht daran denke, diese Häuser räumen zu lassen. Er zieht sich vielmehr weiter auf seine Rolle als Hauseigentümer zurück und versucht seine Rechte über das Mietrecht wahrzunehmen, wie es seit so vielen Jahren und immer in demselben Bemühen geschieht, nämlich Zeit und noch einmal Zeit zu gewinnen, um auf keinen Fall die linke Szene zu verärgern;

(Carstensen [Nordstand] [CDU/CSU]: Das ist ein Skandal!)

denn das könnte ja Wählerstimmen kosten.

(Carstensen [Nordstrand] [CDU/CSU]: Die gehen sowieso alle zur PDS!)

Dabei weiß der Senat, daß sich die RAF in der Hafenstraße festgesetzt hat. Das weiß der Senat nicht erst seit einigen Wochen; das weiß er seit fünf Jahren.

(Such [GRÜNE]: Welche Beweise haben Sie denn dafür?)

Senator Hackmann hat soeben selbst eingeräumt, daß er dies dem Senat schon vor dreieinhalb Jahren



Echternach
mitgeteilt hat. Er hat dem Senat sogar noch mehr mitgeteilt, nämlich daß die RAF-Leute die Hausbewohner dort für ihre eigenen Ziele einspannen, daß sie dort Nachwuchs anwerben und daß die Häuser der Hafenstraße Sammelplatz und Treffpunkt für die militanten „autonomen Kräfte" in Hamburg und weit darüber hinaus, die von der Hafenstraße aus ihre Gewalttaten planen, sind. Sie, Herr Hackmann, und Herr Pawelczyk haben das im Senat vor dreieinhalb Jahren zu Protokoll gegeben.
Die Antwort waren ein halbes Jahr später Mietverträge, mit denen diese Bewohner der Hafenstraße noch belohnt wurden, zu Mietkonditionen, von denen normale Mieter nur träumen können, als wenn man mit notorischen Rechtsbrechern ernsthafte Verträge abschließen könnte.
Inzwischen redet auch der Senat vom Scheitern des Projekts Hafenstraße. Aber den starken Worten folgen keine Taten. Der Senat lamentiert nur, handelt aber nicht.

(Frau Beer [GRÜNE]: Was war das denn im Mai?)

Statt dessen flüchtet der Senat in lange Prozeßketten um Mietrechtsverträge, um Räumungsklagen, weil angeblich die öffentliche Sicherheit und Ordnung nicht gefährdet sei und daher nicht polizeilich geräumt werden könne. Eben hat Herr Hackmann es noch einmal gesagt.
Schon lose Dachziegel gefährden die öffentliche Sicherheit und Ordnung, jede Straftat stört die öffentliche Sicherheit und Ordnung; und eine Kette schwerster Verbrechen und geplanter Mordanschläge sollen keine Störung und Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung sein? Das kann ja wohl ernsthaft nicht so sein!

(Zurufe von der SPD)

Nein, in Wahrheit ist die Räumung der Hafenstraße kein rechtliches Problem, sondern allein ein politisches Problem.

(Gerster [Mainz] [CDU/CSU]: So ist es!)

Weil Teile der linken Szene in Hamburg mit der Hafenstraße sympathisieren

(Frau Beer [GRÜNE]: Ich auch!)

und weil der linke Flügel in der SPD die Räumung der Hafenstraße nicht will, sucht der Senat eben ständig nach Ausflüchten.

(Dr. Hirsch [FDP] : Sie können doch nicht wegen eines Dachziegels ein ganzes Haus räumen! Das ist doch Schwachsinn!)

Ich frage: Wie lange will der Senat die Geduld der Bürger noch strapazieren? Wie lange will er das Rechtsbewußtsein der rechtstreuen Bürger noch verletzen, die kein Verständnis dafür haben, wenn sie selbst wegen einer Verkehrsübertretung zur Verantwortung gezogen werden, während hier schwerste Straftaten praktisch nicht verfolgt werden?
Wie lange will der Senat dulden, daß die Häuser in der Hafenstraße einer Mörderbande als logistische Basis dienen und daß dort weitere Mordpläne geschmiedet werden können? Wie lange will er dulden,
daß sich die RAF — wie jüngst nach dem Mordanschlag auf Staatssekretär Neusel — öffentlich rühmen kann, die Häuser an der Hafenstraße stünden dafür, daß es möglich sei, gegen den Machtapparat eigene Ziele durchzusetzen?
Wann endlich wird der Senat begreifen, daß das Zurückweichen des Rechtsstaates vor Gewalt und Terror nichts mit Liberalität zu tun hat — denn Freiheit kann es nur auf dem Boden des Rechts geben —,

(Paterna [SPD]: Eben das ist ja das Problem, Sir!)

sondern nur mit politischer Verantwortungslosigkeit, die weitere Gewalt provoziert? Wann endlich wird der Senat seine Pflicht tun?

(Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der FDP — Paterna [SPD]: Und sowas wird an deutschen Universitäten promoviert!)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1122510900
Das Wort hat der Abgeordnete Wüppesahl.

(Dr. Penner [SPD]: Frau Präsidentin, ist der jetzt PDS oder noch grün?)


Thomas Wüppesahl (GRÜNE):
Rede ID: ID1122511000
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Echternach, aber auch Herr Spranger: Wir haben hier keine Bürgerschaftsdebatte, sondern sollten uns bemühen, bei den Debattenbeiträgen das Niveau des Deutschen Bundestages zu erreichen.

(Lachen bei der CDU/CSU und der SPD)

Wenn von Ihnen beiden hier öffentlich die Aufforderung zum Rechtsbruch an den Hamburger Senat erfolgt, dann kann das ja wohl nicht das ideale Vorbild für die Hafenstraße oder für sonst jemanden in der Bundesrepublik Deutschland sein.
Wir streiten über einen Punkt, der aus einer Durchsuchung im Mai resultiert. Diese Durchsuchung ist inzwischen auch von der Boulevardpresse in Hamburg als Flop erster Größenordnung bezeichnet worden; denn das angeblich so fieberhaft gesuchte Terroristenpaar, das seit Monaten nach der Erstürmung einer Kate im schleswig-holsteinischen Lasbek untergetaucht sein soll, saß während dieser Hafenstraßenrazzia bei den Eltern in Bad Pyrmont gemütlich beim Kaffee.
Auch die angeblichen RAF-Dokumentensammlungen, die aufgefunden werden sollten, entpuppten sich nachträglich nur noch als Gefangenen-Infos, Zeitungsausschnitte und Flugblätter.
Auf dieser Basis — das betrifft genau die Durchsuchung, über deren Folgen wie heute hier streiten — sind dann Informationen in die Öffentlichkeit lanciert worden. Diese in die Öffentlichkeit lancierten Informationen stammen zuallererst aus dem „Stern". Geschrieben wurde der Artikel von Herrn Osterkorn, einem Polizeireporter aus Hamburg, früher beim „Hamburger Abendblatt", der sehr gute Kontakte vor allen Dingen in rechte Bereiche des Polizeispektrums hat.

(Frau Beer [GRÜNE]: Das ist der Rechtsstaat!)

Bundestag Deutscher Bundestag - Wahlperiode - 225. Sitzung, Bonn, Mittwoch, den 19. September 1990
Wüppesahl
Darüber, daß wir über solche Erscheinungsformen dann auch noch im Bundestag debattieren müssen, haben sich bereits andere Kollegen ausgelassen. Ich bedaure das außerordentlich.

(Gerster [Mainz] [CDU/CSU]: Dann halten Sie doch den Mund!)

Aber folgende rechtspolitischen Gesichtspunkte möchte ich durch das Zitat meines Sprecherkollegen bei den „Kritischen Polizistinnen und Polizisten", Herrn Manfred Mahr, ins Gedächtnis rufen.

(Such [GRÜNE]: Der ist jetzt auch bei der PDS!)

Er schrieb, Innensenator Hackmann habe im „Hamburger Abendblatt" gesagt, die Wahrscheinlichkeit, die beiden Gesuchten zu finden, sei nicht sehr groß, und die Wahrscheinlichkeit, daß man brisante Unterlagen findet, sei auch gering gewesen. Dann liegt natürlich die Schlußfolgerung auf der Hand, daß wieder einmal der § 129a als Ausforschungstatbestand benutzt wurde, um, wie auch vom Sprecher der Bundesanwaltschaft selbst eingeräumt wurde, tief in die Struktur der Bewohner einzudringen. Man wußte im Vorwege, daß man nichts Substantielles würde finden können; denn — das hat der Kollege Eich deutlich gemacht — so blöd ist kaum jemand in diesem Lande, wenn er permanent durch das Brennglas betrachtet wird.
Sie, Herr Hackmann, der bedauerlicherweise ab 3. Dezember wieder mein Dienstvorgesetzter sein könnte, bringen sich und die ganz SPD in eine hochnotpeinliche Situation, wenn Sie hier ständig konzedieren, daß die Entscheidung vom November 1987 ein Fehler gewesen sei. Das war die Entscheidung von Herrn von Dohnanyi, die er nach Telefonaten mit dem Bundespräsidenten und in Absprache mit anderen Kräften in der Bundesrepublik getroffen hat, eine Entscheidung, die als vorbildlich bezeichnet wurde und für die Auszeichnungen erfolgt sind.
Angesichts dessen stellt sich die SPD heute hin und fällt diesen Personen aus ihren eigenen Reihen,

(Zurufe von der SPD)

die wirklich einmal zur Befriedung und zur Lösung eines Problems vorgegangen sind, in den Rücken!

(Beifall bei den GRÜNEN) Ihre Ausführungen waren hochnotpeinlich.

Letzter Satz, Frau Präsidentin: Wenn hier vom rechtsfreien Raum in der Hafenstraße gesprochen wird, dann ist das natürlich absurd. Dieser Raum steht unter permanenter Beobachtung. Rechtsfreie Räume gibt es in diesem Land nur zwei: Das sind die Gefängnisanstalten, in denen fast alles möglich ist, und das sind unsere Nachrichtendienste. Auch dieses Beispiel zeigt wieder einmal, wie die Nachrichtendienste Politik zu machen versuchen.

(Beifall bei den GRÜNEN — Gerster [Mainz] [CDU/CSU]: Wir reden vom hirnfreien Wüppesahl!)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1122511100
Das Wort hat Herr Kollege Olderog.

Dr. Rolf Olderog (CDU):
Rede ID: ID1122511200
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Paterna, Herr Kollege Duve, Gelassenheit ist gut. Nur eines sollten wir nach dem Mord an Alfred Herrhausen und nach dem Attentat auf Herrn Staatssekretär Neusel jetzt wirklich nicht tun: die Gefahr, die von der RAF ausgeht, insbesondere die, die in der Hafenstraße festgestellt worden ist, bagatellisieren.

(Frau Beer [GRÜNE]: Was ist denn festgestellt worden?)

Ich habe mich noch einmal vergewissert und Sicherheitsexperten gefragt, ob das ernst zu nehmen sei, ob das nur eine Gedankenspielerei, eine nicht unmittelbar tatbezogene Vorüberlegung, ein theoretisches Planspiel gewesen sei oder ob es sich bereits um eine konkrete Vorbereitungshandlung gehandelt habe. Die Antwort der Sicherheitsexperten: Jawohl, wir gehen nach allen vorliegenden Erkenntnissen davon aus, daß dies ganz konkrete Planungen für Mordanschläge gegen den Bundeskanzler, gegen eine Reihe von Bundesministern und andere gewesen sind, also blutiger Ernst, meine Damen und Herren.

(Paterna [SPD]: Wer war denn das? Mal raus mit der Sprache!)

Ich stimme dem zu, was auch der Kollege Echternach gesagt hat: Wenn man sich dies über die Jahre hinweg einmal ansieht — seit 1985 weiß man, daß die RAF irgendwo mit drinsteckt —,

(Such [GRÜNE]: Irgendwo! Ja, irgendwo!)

so ist dies der bedrückende Höhepunkt einer Chronik der Gewalt.
Ich finde es wirklich bemerkenswert und schon erstaunlich, wie der Hamburger Senat auf diese Vorgänge reagiert. Die Antwort des Rechtsstaates auf Straftat und kriminelle Gewalt ist der konsequente Einsatz hoheitlicher Mittel. Im Klartext bedeutet das die längst überfällige Räumung des Hafenstraßenkomplexes, dieser kriminellen Brutstätte. Warum, Herr Senator, haben Sie denn gekündigt? Sie haben mit der Begründung gekündigt, daß von diesem Komplex Straftaten ausgehen. Genau das wäre auch die Voraussetzung eines polizeilichen Einsatzes.

(Zurufe von der SPD und den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, während gegen jeden Verkehrstäter unnachsichtig mit hoheitlichen Befugnissen vorgegangen wird,

(Conradi [SPD]: Ja, das haben wir gesehen, da gibt es tolle Urteile!)

bietet der Hamburger Senat diesen Rechtsbrechern großzügige Verträge an, beginnt durch seine Beauftragten mit diesen Leuten, deren Drahtzieher längst vor ein Strafgericht gehörten, Verhandlungen, schließt Verträge wie mit Geschäftspartnern im Wirtschaftsleben ab und tut dabei so, als müßte man diesen Leuten besonders großzügig entgegenkommen. Ich kann das nicht anders verstehen: Das ist die partielle Kapitulation des Rechtsstaates in Hamburg.

(Beifall bei der CDU/CSU — Widerspruch bei der SPD)




Dr. Olderog
Meine Damen und Herren, wir wissen doch auch,

(Gansel [SPD]: Geh doch auf Tauchstation, Junge!)

daß in den Dokumenten der RAF dieses Beispiel Hafenstraße als Beweis dafür angeführt wird, daß der Kampf gegen diesen Rechtsstaat eben doch nicht aussichtlos ist und daß man nur konsequent vorgehen müsse — wie in der Hafenstraße.
Für mich als Nichthamburger stellt sich auch die Frage: Wie kann eigentlich die SPD den Bürgerinnen und Bürgern in Hamburg erklären, daß sie als Steuerzahler dafür Kosten in einer Größenordnung von 20 oder 25 Millionen DM tragen müssen?

(Frau Beer [GRÜNE]: Ich lade Sie mal ein!)

Wir beklagen ja manchmal die hohe Zahl von Straftaten und Verbrechen — 4,4 oder 4,5 Millionen Straftaten oder Verbrechen haben wir in der Bundesrepublik Deutschland — , und ich frage Sie deshalb: Was bedeutet dieses jetzt über viele Jahre anhaltende Beispiel Hafenstraße als negatives Symbol für unseren Rechtsstaat, für unser Rechtsbewußtsein?
Ich fordere den Hamburger Senat auf, ich fordere insbesondere Sie, Herr Senator, als Innensenator auf, von Ihren hoheitlichen Befugnissen pflichtgemäß Gebrauch zu machen, insbesondere von § 3 SOG, und dieses kriminelle Nest unverzüglich zu räumen.

(Beifall bei der CDU/CSU — Paterna [SPD]: Wir machen gelegentlich auch von § 51 Gebrauch! — Dr. Bötsch [CDU/CSU]: Die Opposition muß zurücktreten!)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1122511300
Meine Damen und Herren, damit ist die Aktuelle Stunde beendet.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung soll die verbundene Tagesordnung erweitert werden. Die Punkte sind in der Ihnen vorliegenden Liste der Zusatzpunkte aufgeführt:
2. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Inkraftsetzung von Vereinbarungen betreffend den befristeten Aufenthalt von Streitkräften der Französischen Republik, der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken, des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland und der Vereinigten Staaten von Amerika in Berlin und von sowjetischen Streitkräften auf dem in Artikel 3 des Einigungsvertrages genannten Gebiet nach Herstellung der Deutschen Einheit - Drucksache 11/7915 -
3. Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP: Fortentwicklung der Datenverarbeitung und des Datenschutzes — Drucksache 11/7921 —
Zugleich soll bei Zusatzpunkt 2 von der Frist für den Beginn der Beratung abgewichen werden. Ist das Haus damit einverstanden? — Das Haus ist damit einverstanden; es gibt keinen Widerspruch.
Meine Damen und Herren, ich rufe Zusatztagesordnungspunkt 2 auf:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Inkraftsetzung von Vereinbarungen betreffend den befristeten Aufenthalt von Streitkräften der Französischen Republik, der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken,
des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland und der Vereinigten Staaten von Amerika in Berlin und von sowjetischen Streitkräften auf dem in Artikel 3 des Einigungsvertrages genannten Gebiet nach Herstellung der Deutschen Einheit
— Drucksache 11/7915 —
Überweisungsvorschlag:
Ausschuß Deutsche Einheit (federführend) Auswärtiger Ausschuß
Innenausschuß
Rechtsausschuß
Verteidigungsausschuß
Eine Aussprache ist nicht vorgesehen. Interfraktionell ist vereinbart worden, diesen Gesetzentwurf an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse zu überweisen. Gibt es dagegen Widerspruch? — Das ist nicht der Fall. Dann ist dies so beschlossen.
Ich rufe Punkt 2 der Tagesordnung und Zusatztagesordnungspunkt 3 auf:
2. a) Beratung der Beschlußempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) zu dem Vierten Agrarsozialen Ergänzungsgesetz (4. ASEG)
— Drucksachen 11/6469, 11/7064, 11/7233, 11/7502, 11/7844 —
Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Hüsch
b) Beratung der Beschlußempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) zu dem Zweiten Gesetz zur Verbesserung des Wahlrechts für die Sozialversicherungswahlen
— Drucksachen 11/6337, 11/7222, 11/7503, 11/7845 —
Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Hüsch
c) Beratung der Beschlußempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) zu dem Gesetz über die Statistik für das Hochschulwesen (Hochschulstatistikgesetz — HStatG)
— Drucksachen 11/5832, 11/7297, 11/7554, 11/7846 —
Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Hüsch
d) Beratung der Beschlußempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) zu dem Dritten Gesetz zur Änderung des Abwasserabgabengesetzes
— Drucksachen 11/4942, 11/7231, 11/7505, 11/7847 —
Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Hüsch



Vizepräsidentin Renger
e) Beratung der Beschlußempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) zu dem Gesetz zur Fortentwicklung der Datenverarbeitung und des Datenschutzes
— Drucksachen 11/4306, 11/7235, 11/7504, 11/7843 —
Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Hüsch
f) Beratung der Beschlußempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) zu dem Gesetz über Statistiken im Handwerk (Handwerkstatistikgesetz — HwStatG)
— Drucksachen 11/4801, 11/7224, 11/7278, 11/7506, 11/7849 —
Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Hüsch
g) Beratung der Beschlußempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) zu dem Gesetz zur Verbesserung der Überwachung des Außenwirtschaftsverkehrs und zum Verbot von Atomwaffen, biologischen und chemischen Waffen
— Drucksachen 11/4609, 11/7221, 11/7507, 11/7848 —
Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Hüsch
ZP3 Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/ CSU, SPD und FDP
Fortentwicklung der Datenverarbeitung und des Datenschutzes
— Drucksache 11/7921 —
Bevor wir zur Abstimmung kommen erteile ich dem Berichterstatter, Herrn Dr. Hüsch, das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Dr. Heinz Günther Hüsch (CDU):
Rede ID: ID1122511400
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich erstatte den Bericht des Vermittlungsausschusses zunächst zum Gesetzentwurf zur Fortentwicklung der Datenverarbeitung und des Datenschutzes. Der Bericht wird leider etwas ausführlicher sein müssen, weil die Motive für die Vorschläge des Vermittlungsausschusses nunmehr auch protokollgerecht dargestellt werden müssen. Bekanntlich sind die Verhandlungen des Vermittlungsausschusses vertraulich, so daß aus diesen Verhandlungen die wichtigsten Gesichtspunkte für den Beschluß nicht deutlich gemacht werden können, es sei denn, sie würden hier vorgetragen.
Der Vermittlungsausschuß hat über das Anrufungsbegehren des Bundesrates zum Gesetzentwurf zur Fortentwicklung der Datenverarbeitung und des Datenschutzes am 12. September 1990 beraten. Der Beschluß des Vermittlungsausschusses ergibt sich aus der Ihnen vorliegenden Drucksache 11/7843.
Zu Ziff. 1 der Drucksache betreffend § 1 Bundesdatenschutzgesetz. Hier war der Vermittlungsausschuß der Ansicht, bei der Regelung der Zulässigkeit der Erhebung personenbezogener Daten könne der private Bereich nicht völlig ausgeklammert werden. Dies lege auch die Datenschutzkonvention des Europarates nahe, die den Gesetzgeber verpflichte, Grundsätze für die Erhebung auch für den nichtöffentlichen Bereich vorzusehen. Der Vermittlungsausschuß hielt es deshalb für sinnvoll, dazu eine Norm in das Bundesdatenschutzgesetz aufzunehmen, obwohl sich die gleichen Grundsätze bereits aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch ableiten ließen. Dies erforderte in § 1 des Bundesdatenschutzgesetzes die vorgeschlagene Ausdehnung des Anwendungsbereichs des Gesetzes.
Korrespondierend dazu schlägt der Vermittlungsausschuß eine Erweiterung des § 28 Abs. 1 Bundesdatenschutzgesetz vor. Sie besteht in der Regelung, daß Daten nach Treu und Glauben und rechtmäßig erhoben werden müssen. Der Vermittlungsausschuß war dabei der Ansicht, es sei sinnvoll, hier den einschlägigen Wortlaut der Datenschutzkonvention des Europarates in das Gesetz zu übernehmen.
Weiterhin hat es der Vermittlungsausschuß bei § 1 Bundesdatenschutzgesetz nicht für angemessen gehalten, interne Daten der Behörden, aus denen nicht übermittelt wird, fast völlig von der gesetzlichen Regelung freizustellen. Er hat sich dabei von der Erwägung leiten lassen, daß künftig alle Akten der Behörden den Datenschutzgesetzen unterliegen, und es deshalb geboten sei, interne Dateien ebenfalls nach den für Akten geltenden Vorschriften zu behandeln.
Außerdem hat der Vermittlungsausschuß in § 1 Bundesdatenschutzgesetz die Klarstellung für erforderlich gehalten, daß auch im förmlichen Verwaltungsverfahren personenbezogene Daten nach den Vorschriften des Gesetzes zu behandeln sind und daß das Verwaltungsverfahrensgesetz deshalb insoweit zurücktreten muß.
Der Vorschlag des Vermittlungsausschusses zu § 24 Bundesdatenschutzgesetz — Sie ersehen das aus Ziffer 4 der Vorlage — betrifft die Kompetenzen des Bundesbeauftragten für den Datenschutz. Den Einschub „unbeschadet der ihnen bei der Erfüllung ihrer Aufgaben obliegenden fachlichen Beurteilung und Verantwortlichkeit" hat der Vermittlungsausschuß für überflüssig gehalten. Es sei auch ohne diesen Einschub klar, daß sich die Kontrollkompetenz des Bundesbeauftragten lediglich auf Gegenstände des Datenschutzrechts und nicht auf Fragen der fachlichen Aufgabenerfüllung beziehen könne.
Auch den Zusatz, die Kontrolle von Akten durch den Bundesbeauftragten sei auf den Einzelfall beschränkt, hat der Ausschuß für entbehrlich gehalten. Er ist dabei von der Erwägung ausgegangen, daß der Bundesbeauftragte für seine Kontrolle von Akten stets eines besonderen Anlasses bedürfe. Ein solcher Anlaß sei aber in der Regel auf einen konkreten Einzelfall bezogen.
Ferner hat es der Vermittlungsausschuß nicht für angebracht gehalten, der Kontrollkompetenz des



Dr. Hüsch
Bundesbeauftragten hinsichtlich der Daten, die dem Steuergeheimnis unterliegen, ein Widerspruchsrecht des Betroffenen entgegenzusetzen. In einem Besteuerungsvorgang könnten Daten eines größeren Personenkreises zusammenkommen. Dann sei es nicht hinnehmbar, daß der Widerspruch einer einzigen dieser Personen die Datenschutzkontrolle auch hinsichtlich aller anderen Beteiligten unterbinden könne. Insofern unterscheide sich der Komplex Steuergeheimnis im Sachverhalt von den übrigen im Gesetz angesprochenen Geheimnissen, hinsichtlich derer es beim Widerspruchsrecht bleiben solle.
Für den nichtöffentlichen Bereich hat der Vermittlungsausschuß außer zu der bereits eingangs angesprochenen Datenerhebung einige weitere Vorschläge unterbreitet:
Zu § 28 Abs. 4 und zu § 29 Abs. 3 Bundesdatenschutzgesetz — Sie ersehen das aus den Ziff. 6 d und 7 b der Ihnen vorliegenden Drucksache — hat er eine Verschärfung der Zweckbindung beim Empfänger übermittelter Daten vorgeschlagen, um den berechtigten Belangen der Betroffenen besser Rechnung zu tragen.
Zu den Strafvorschriften in § 43 Bundesdatenschutzgesetz hat der Vermittlungsausschuß neben redaktionellen Klarstellungen vorgeschlagen, auch denjenigen mit Strafe zu bedrohen, der die Zweckbindung von Daten, die einem Berufs- oder besonderen Amtsgeheimnis unterliegen, mißachtet.
Ferner empfiehlt der Vermittlungsausschuß, den Gesetzesbeschluß des Deutschen Bundestages vom 31. Mai 1990 in Art. 2 (Bundesverfassungsschutzgesetz), Art. 3 (Gesetz über den Militärischen Abschirmdienst) und Art. 4 (Gesetz über den Bundesnachrichtendienst) zu ändern.
Was das Bundesverfassungsschutzgesetz anbelangt, so liegen den Vorschlägen des Vermittlungsausschusses folgende Erwägungen zugrunde:
Der Vermittlungsausschuß ist der Auffassung, daß Ehegatten, Verlobte oder Personen, die — von der Überprüfung betroffen — in eheähnlicher Gemeinschaft leben, in eine Sicherheitsüberprüfung nur mit ihrer Zustimmung einbezogen werden dürfen. Eine solche Einschränkung erschien dem Vermittlungsausschuß im Interesse des Persönlichkeitschutzes dieses Personenkreises geboten.
Bei den Aufgaben der Verfassungsschutzbehörden hat der Vermittlungsausschuß im Interesse einer möglichst klaren Definition des Aufgabenbereiches umfassendere und eingehendere Begriffsbestimmungen für erforderlich gehalten, als sie noch im Gesetzesbeschluß des Bundestages vorgesehen waren. Soweit die Verfassungsschutzbehörden die Aufgaben haben, Informationen über Bestrebungen zu sammeln und auszuwerten, die gegen den Bestand des Bundes oder eines Landes gerichtet sind, sollen unter solchen Bestrebungen politisch bestimmte, ziel- und zweckgerichtete Verhaltensweisen in einem oder für einen Personenzusammenschluß verstanden werden, der darauf gerichtet ist, die Freiheit des Bundes oder eines Landes von fremder Herrschaft aufzugeben, ihre staatliche Einheit zu beseitigen oder ein zu ihnen gehörendes Gebiet abzutrennen. Bestrebungen gegen die Sicherheit des Bundes oder eines Landes fallen dann in den Aufgabenbereich der Verfassungsschutzbehörden, wenn es sich um politisch bestimmte, ziel- und zweckgerichtete Verhaltensweisen in einem oder für einen Personenzusammenschluß handelt, der darauf gerichtet ist, den Bund, Länder oder deren Einrichtungen in ihrer Funktionsfähigkeit erheblich zu beeinträchtigen.
Unter Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne dieser Aufgabennormen sollen politisch bestimmte, ziel- und zweckgerichtete Verhaltensweisen in einem oder für einen Personenzusammenschluß verstanden werden, der darauf gerichtet ist, einen der ausdrücklich im einzelnen aufgeführten, die freiheitliche demokratische Grundordnung ausmachenden Verfassungsgrundsätze zu beseitigen oder außer Geltung zu setzen.
Ich bitte alle Damen und Herren für dieses ausführliche Juristendeutsch um Verständnis.
Der Vermittlungsausschuß empfiehlt dabei — und auch dies dient dazu, den Aufgabenbereich der Verfassungsschutzbehörden möglichst eingehend gesetzlich zu umschreiben — , ausdrücklich klarzustellen, daß im Sinne dieser Aufgabennormen für einen Personenzusammenschluß nur der handelt, der diesen Zusammenschluß in seinen Bestrebungen nachdrücklich unterstützt. Voraussetzung für das Sammeln und Auswerten von Informationen über solche Bestrebungen soll das Vorliegen tatsächlicher Anhaltspunkte sein.
Der Vermittlungsausschuß empfiehlt darüber hinaus, im Gesetzestext ausdrücklich klarzustellen, daß Verhaltensweisen von Einzelpersonen, welche nicht in einem oder für einen Personenzusammenschluß handeln, Bestrebungen im Sinne dieses Gesetzes nur dann sind, wenn sie auf Anwendung von Gewalt gerichtet oder auf Grund ihrer Wirkungsweise geeignet sind, ein Schutzgut des Bundesverfassungsschutzgesetzes erheblich zu beschädigen.
Die Umschreibung dessen, was im Sinne dieser Vorschriften zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung zählt, folgt der gefestigten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes, die im wesentlichen auf die Verbotsurteile betreffend die Sozialistische Reichspartei und die Kommunistische Partei Deutschlands zurückgeht. Die wesentlichen Verfassungsgrundsätze, die die freiheitliche demokratische Grundordnung ausmachen, werden dort ausdrücklich aufgezählt.
Der Vermittlungsausschuß empfiehlt in Ziffer 10 ferner, eine besondere Vorschrift über die Abgrenzung der Zuständigkeiten der Verfassungsschutzbehörden in das Gesetz aufzunehmen. Ziel ist dabei, entsprechend der Kompetenzverteilung des Grundgesetzes im Bereich des Verfassungsschutzes deutlich zu machen, wann die Landesbehörden tätig zu werden haben und wann das Bundesamt für Verfassungsschutz in einem Lande Informationen im Sinne des § 3 zu sammeln hat.
Nach Art. 2 § 9 Abs. 2 des Gesetzesbeschlusses des Deutschen Bundestages sind in Dateien gespeicherte



Dr. Hüsch
Daten über Minderjährige nach zwei Jahren auf die Erforderlichkeit der Speicherung zu überprüfen und grundsätzlich spätestens nach fünf Jahren zu löschen.

(Sehr gut! bei der SPD)

Der Vermittlungsausschuß empfiehlt, diese Vorschrift im Interesse des Schutzes der Minderjährigen und des Schutzes davor, daß Jugendsünden über längere Zeit gespeichert werden, ohne daß im Sinne der Aufgabenerfüllung des Bundesamtes für Verfassungsschutz dieses notwendig wäre, auch auf Daten zu erstrecken, die in zu ihrer Person geführten Akten enthalten sind.

(Zustimmung bei der SPD)

Der Vermittlungsausschuß empfiehlt in Ziffer 15 und 20 seiner Beschlußempfehlung auch im übrigen weitergehende ausdrückliche Regelungen für die Überprüfung, ob gespeicherte personenbezogene Daten zu berichtigen oder zu löschen sind.
In Ziffer 17 der Beschlußempfehlung schlägt der Vermittlungsausschuß vor, im Interesse desjenigen, der vom Bundesamt für Verfassungsschutz Auskunft über zu seiner Person gespeicherte Daten begehrt, die Erteilung bzw. die Ablehnung der Auskunft enger zu regeln, als das der Gesetzesbeschluß des Bundestages tat. So soll die Ablehnung einer Auskunft dem Behördenleiter oder einem von ihm besonders beauftragten Mitarbeiter vorbehalten bleiben. Die Ablehnung der Auskunfterteilung soll keiner Begründung bedürfen, soweit dadurch der Zweck der Auskunftsverweigerung gefährdet würde. Außerdem schlägt der Vermittlungsausschuß vor, daß die Gründe der Auskunftsverweigerung aktenkundig zu machen sind.
Nach dem Gesetzesbeschluß darf das Bundesamt für Verfassungsschutz unter bestimmten eng umschriebenen Voraussetzungen amtliche Register einsehen, wenn das zur Erfüllung seiner Aufgaben notwendig ist. Der Vermittlungsausschuß schlägt im Hinblick darauf, daß durch die Einsicht in amtliche Register schutzwürdige Belange Dritter beeinträchtigt werden könnten, vor, diese Voraussetzungen noch enger zu fassen als im Gesetzesbeschluß. Die Einsicht in amtliche Register soll danach nur noch für die Spionageabwehr, die Beobachtung von Bestrebungen im Geltungsbereich des Bundesverfassungsschutzgesetzes, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik gefährden, und bei der Beobachtung terroristischer Bestrebungen in Betracht kommen.
Die Übermittlung von Daten vom Bundesamt für Verfassungsschutz an Dienststellen der Stationierungsstreitkräfte soll nur in Betracht kommen, soweit die Bundesrepublik Deutschland dazu im Rahmen der einschlägigen völkerrechtlichen Abkommen verpflichtet ist.
In Ziffer 21 schlägt der Vermittlungsausschuß vor, die Bestimmung im Gesetzesbeschluß, nach welcher ausnahmsweise die Einrichtung eines automatisierten Abrufverfahrens, d. h. eines automatisierten Verfahrens für Übermittlungen von personenbezogenen Daten, zulässig sein sollte, zu streichen; On-line-Anschluß sei kein taugliches Mittel zur Gefahrenabwehr. Um zu verhindern, daß sozusagen durch die Hintertür solche Anschlüsse auf der Grundlage des § 10 des Bundesdatenschutzgesetzes eingerichtet werden, wird diese Vorschrift in Ziffer 22 ausdrücklich für unanwendbar erklärt.
Weitere Vorschläge des Vermittlungsausschusses zum Bundesverfassungsschutzgesetz enthalten Änderungsempfehlungen, die aus den eben dargestellten Änderungsvorschlägen folgen.
Im Bereich des Gesetzes über den Militärischen Abschirmdienst schlägt der Vermittlungsausschuß zu § 1 MADG vor, sich konkret auf die Beschreibung der vom Militärischen Abschirmdienst zu erfüllenden Aufgaben zu konzentrieren. Im übrigen beschränken sich die Änderungsempfehlungen des Vermittlungsausschusses zum MAD-Gesetz auf Anpassungen an die Vorschläge, die der Vermittlungsausschuß, wie dargestellt, zum Bundesverfassungsschutzgesetz macht. Das bezieht sich besonders auf die Mitwirkung an der Sicherheitsüberprüfung und auf die Überprüfung der Daten über Minderjährige, die in Dateien oder zur Person der Minderjährigen geführten Akten gespeichert sind. Die Befugnis des Militärischen Abschirmdienstes, amtliche Register einzusehen, soll gegenüber dem Gesetzesbeschluß des Deutschen Bundestages in gleicher Weise eingeschränkt werden wie die des Bundesamtes für Verfassungsschutz.
Die Vorschläge des Vermittlungsausschusses zum Gesetz über den Bundesnachrichtendienst beschränken sich auf Folgeänderungen zu den Änderungsempfehlungen des Vermittlungsausschusses zum Bundesverfassungsschutzgesetz.
Schließlich hat der Vermittlungsausschuß die Einfügung eines Art. 5 zur Änderung des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch vorgeschlagen. Dies findet sich in Ziffer 36. Der Vorschlag dient der Berichtigung eines Redaktionsversehens.
Gemäß § 10 Abs. 3 Satz 1 seiner Geschäftsordnung, Frau Präsidentin, hat der Vermittlungsausschuß beschlossen, daß im Deutschen Bundestag über die Änderungsvorschläge gemeinsam abzustimmen ist.
Ich bitte Sie, den Änderungsvorschlägen des Vermittlungsausschusses zu folgen, und mache gleichzeitig darauf aufmerksam, daß ein von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP eingebrachter Entschließungsantrag dem Hause zur Abstimmung vorliegt.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1122511500
Herr Berichterstatter Dr. Hüsch, wir können jetzt der Reihe nach abstimmen. Zum Tagesordnungspunkt 2 b hat sich noch der Herr Kollege Günther zu Wort gemeldet. Ferner gibt es noch den Antrag, den Tagesordnungspunkt 2 f abzusetzen.

Dr. Heinz Günther Hüsch (CDU):
Rede ID: ID1122511600
Frau Präsidentin, ich widerspreche Ihnen nicht, sondern ich möchte Ihnen nur eine kleine Hilfestellung leisten. Zunächst wird lediglich über das Paket der Empfehlungen zum Bundesdatenschutzgesetz abgestimmt, das alierdings 37 Elemente enthält. Das ist eine einheitliche Abstimmung. Dann käme wohl, wenn die Fraktionsgeschäftsführer



Dr. Hüsch
dem zustimmen, die Abstimmung über den Entschließungsantrag.

(Bernrath [SPD]: Ohne Aussprache!) Vizepräsidentin Renger: Einverstanden.

Meine Damen und Herren, wir stimmen jetzt zuerst über den Tagesordnungspunkt 2 e ab. Das ist das Datenverarbeitungsgesetz. Wie Sie wissen, hat der Vermittlungsausschuß beschlossen, daß über die Änderungsvorschläge gemeinsam abzustimmen ist. Wer stimmt für die Beschlußempfehlung des Vermittlungsausschusses auf Drucksache 11/7843? — Die Gegenprobe! — Enthaltungen? — Gegen die Stimmen der GRÜNEN ist der Vorschlag des Vermittlungsausschusses angenommen.
Meine Damen und Herren, es folgt die Abstimmung über den Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, der SPD und der FDP auf Drucksache 11/7921. Wer stimmt diesem Antrag zu? — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei Ablehnung der GRÜNEN ist dieser Antrag angenommen.
Meine Damen und Herren, Frau Kollegin Roitzsch hat sich zur Geschäftsordnung zu Wort gemeldet.

(Jahn [Marburg] [SPD]: Dann melde auch ich mich mal!)


Ingrid Roitzsch (CDU):
Rede ID: ID1122511700
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich bitte, den Punkt 2 f heute abzusetzen, da in der Fraktion der CDU/CSU noch Beratungsbedarf besteht.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1122511800
Das Wort hat der Abgeordnete Jahn.

Gerhard Jahn (SPD):
Rede ID: ID1122511900
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Diesem Antrag widerspreche ich nachdrücklich. Es gibt überhaupt keinen vernünftigen Grund dafür, diesen Tagesordnungspunkt abzusetzen. Sie haben einen sehr guten Vermittlungsvorschlag des Vermittlungsausschusses. Sie haben zwar noch keine Einigung mit der FDP erzielt; aber das ist ja nun kein Grund, hier eine Sache abzusetzen.
Übermorgen wird sich der Bundesrat damit befassen. Das Gesetz muß in Kraft gesetzt werden, wenn es seine Funktion erfüllen soll. Nun seien Sie nicht so unfreundlich zu den Handwerkern, und lassen Sie uns einmal über den vernünftigen Vorschlag des Vermittlungsausschusses abstimmen.

(Beifall bei der SPD)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1122512000
Meine Damen und Herren, wird noch einmal das Wort zur Geschäftsordnung gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Dann lasse ich über den Antrag, den Tagesordnungspunkt 2 f — Handwerkstatistikgesetz — abzusetzen, abstimmen. Wer stimmt für diesen Antrag? — Wer stimmt dagegen? — Enthaltungen? Meine Damen und Herren, der Antrag ist angenommen; der Tagesordnungspunkt ist abgesetzt.
Wir kommen jetzt zum Tagesordnungspunkt 2 a: Viertes Agrarsoziales Ergänzungsgesetz. Dazu Herr Abgeordneter Dr. Hüsch als Berichterstatter.

Dr. Heinz Günther Hüsch (CDU):
Rede ID: ID1122512100
Frau Präsidentin! Der Vermittlungsausschuß hat sich bei der Beschlußempfehlung gemäß Drucksache 11/7844 von folgenden Erwägungen leiten lassen:
In den Beratungen des Deutschen Bundestages wurde die Auffassung vertreten, daß eine Gesamtreform des agrarsozialen Sicherungssystems unter Einschluß der Verbesserung der agrarsozialen Sicherung der Bäuerinnen notwendig sei.
Schon vorher hatte der Bundesrat in seiner Stellungnahme zum Regierungsentwurf des Vierten Agrarsozialen Ergänzungsgesetzes sein Bedauern darüber zum Ausdruck gebracht, daß die Reform des agrarsozialen Sicherungssystems, die eigentlich in der 11. Legislaturperiode hätte verwirklicht werden sollen, nicht zustande gekommen ist.
Mit seinem Vorschlag bringt der Vermittlungsausschuß zum Ausdruck, daß es sich bei dem Vierten Agrarsozialen Ergänzungsgesetz nur um eine Übergangsregelung bis zu der allseits als notwendig angesehenen Gesamtreform handeln soll.
Aus diesem Grunde schlägt er vor, die Geltungsdauer des Gesetzes zu begrenzen. Angesichts der Probleme, die durch eine umfassende Reform des agrarsozialen Sicherungssystems gelöst werden müssen, hält er es für ausreichend, wenn die Geltungsdauer der Art. 1 und 2 dieses Gesetzes auf vier Jahre begrenzt wird. Dies liegt Ihnen zur Beschlußfassung vor.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1122512200
Danke schön, Herr Berichterstatter.
Ich lasse jetzt abstimmen über die Beschlußempfehlung des Vermittlungsausschusses zum Vierten Agrarsozialen Ergänzungsgesetz. Wer stimmt für die Beschlußempfehlung des Vermittlungsausschusses auf Drucksache 11/7844 mit den empfohlenen Änderungen? — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei Gegenstimmen der GRÜNEN ist das angenommen.
Wir kommen jetzt zu Tagesordnungspunkt 2 b: Zweites Gesetz zur Verbesserung des Wahlrechts für die Sozialversicherungswahlen. Zur Berichterstattung hat Herr Abgeordneter Hüsch das Wort.

Dr. Heinz Günther Hüsch (CDU):
Rede ID: ID1122512300
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Vermittlungsausschuß hat sich bei seiner Beschlußempfehlung auf Drucksache 11/7845 von folgenden Erwägungen leiten lassen. Nachdem der Gesetzgeber auf die deutsche Staatsangehörigkeit für das aktive Wahlrecht seit der Wiederherstellung der Selbstverwaltung unter der Geltung des Grundgesetzes verzichtet hat, sieht der Vermittlungsausschuß keinen Grund mehr, sie für das passive Wahlrecht bei den Sozialversicherungsträgern als gesetzliche Voraussetzung beizubehalten. Maßgebend war hierbei auch, daß in anderen Bereichen, insbesondere bei den kassenärztlichen Vereinigungen, den Personalvertretungen und Betriebsräten sowie bei den Betriebskrankenkassen, die Ausländer ebenfalls sowohl das aktive als auch das passive Wahlrecht haben. Bei dieser Lage erschien dem Vermittlungsausschuß die Einschränkung des passiven



Dr. Hüsch
Wahlrechtes zu Lasten der ausländischen Versicherten und Arbeitgeber nicht mehr vertretbar.

(Sehr gut! bei der SPD)

Der Vermittlungsausschuß hat ferner berücksichtigt, daß ausländische Mitbürger die Pflichten dieses Systems in gleicher Weise wie die deutschen Mitbürger und Arbeitskollegen tragen müssen. Von den Entscheidungen der Selbstverwaltungsgremien sind sie ebenso wie die deutschen Versicherten und Arbeitgeber betroffen. Ihre Beitragsleistung trägt zur Stabilität dieser Systeme bei.
Schließlich ist der Vermittlungsausschuß der Auffassung, daß der Einführung des passiven Wahlrechtes für Ausländer in der Sozialversicherung verfassungsrechtlich nichts entgegensteht. Eben deshalb hat der Gesetzgeber derartige Bedenken auch für das aktive Wahlrecht in der Sozialversicherung nicht gesehen. Nach Auffassung des Vermittlungsausschusses ist das deshalb berechtigt, weil die Selbstverwaltungen der Sozialversicherungsträger streng von den kommunalen Selbstverwaltungen zu trennen sind. Bei den Kommunalvertretungen geht es um „das Volk", wie in Art. 28 Abs. 1 des Grundgesetzes ausgeführt ist. Hier aber geht es um „Mitglieder" und um deren Rechte und Pflichten.
Namens des Vermittlungsausschusses bitte ich Sie pflichtgemäß, der Beschlußempfehlung zu folgen.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1122512400
Danke schön, Herr Berichterstatter.
Das Wort zu einer Erklärung hat Herr Abgeordneter Günther.

Horst Günther (CDU):
Rede ID: ID1122512500
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Für die CDU/CSU-Bundestagsfraktion erkläre ich, daß wir die Beschlußempfehlung des Vermittlungsausschusses ablehnen.

(Hört! Hört! bei der SPD)

Wir können dem passiven Wahlrecht für alle Ausländer, zudem ohne jede Bedingung, nicht zustimmen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Aus diesem Grunde hätten wir uns eine Lösung vorstellen können, das passive Wahlrecht auf EG-Basis einzuführen und dabei auf die sonst im EG-Raum übliche Gegenseitigkeit zu verzichten. Im Interesse einer Einigung im Vermittlungsausschuß wäre uns das aber die Sache wert gewesen. Leider hat sich dafür keine Mehrheit gefunden.

(Bernrath [SPD]: Gott sei Dank!)

Die Alternative, die Wählbarkeit für alle Ausländer zu den Gremien der Selbstverwaltungen der Sozialversicherungsträger, war für uns nicht tragbar.
Wir bedauern, daß gerade in der heutigen Zeit die Vorleistung im EG-Raum nicht erbracht werden kann, was angesichts der positiven Haltung der EG-Kommission in Sachen deutsche Einheit sicher mehr als eine gute Geste unsererseits gewesen wäre. Die Maximalforderung ist aber von uns nicht zu akzeptieren. Deshalb lehnen wir den Vorschlag des Vermittlungsausschusses ab.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1122512600
Wir kommen zur Abstimmung über die Beschlußempfehlung des Vermittlungsausschusses zu dem Zweiten Gesetz zur Verbesserung des Wahlrechts für die Sozialversicherungswahlen. Wer stimmt für die Beschlußempfehlung des Vermittlungsausschusses auf Drucksache 11/7845 mit den empfohlenen Änderungen? — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei Enthaltung der GRÜNEN ist die Beschlußempfehlung des Vermittlungsaussschusses abgelehnt.

(Jahn [Marburg] [SPD]: Dann ist das Gesetz kaputt!)

— Dann geht es halt noch einmal von vorne los.
Meine Damen und Herren, wir kommen zu Punkt 2 c der Tagesordnung: Hochschulstatistikgesetz. Herr Berichterstatter Dr. Hüsch, bitte.

Dr. Heinz Günther Hüsch (CDU):
Rede ID: ID1122512700
Frau Präsidentin! Der Beschluß des Bundestages verletzte die bundesstaatliche Ordnung. Den Bundesländern steht der Vorrang in der statistischen Erhebung zu. Der Vermittlungsausschuß will die verfassungsmäßige Lage wiederherstellen. Ich empfehle Ihnen die Annahme.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1122512800
Ich lasse über die Beschlußempfehlung des Vermittlungsausschusses zum Entwurf eines Hochschulstatistikgesetzes abstimmen. Wer stimmt für die Beschlußempfehlung des Vermittlungsausschusses auf Drucksache 11/7846 mit den empfohlenen Änderungen? — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei einer Gegenstimme und bei Enthaltung der GRÜNEN ist die Beschlußempfehlung des Vermittlungsausschusses angenommen.
Zu Punkt 2 d der Tagesordnung, dem Dritten Gesetz zur Änderung des Abwasserabgabengesetzes, hat Herr Dr. Hüsch als Berichterstatter das Wort.

Dr. Heinz Günther Hüsch (CDU):
Rede ID: ID1122512900
Frau Präsidentin! Der Vermittlungsausschuß ließ sich bei seinen Vorschlägen gemäß Drucksache 11/7847 von folgenden Erwägungen leiten.
Erstens: zu der Beschlußempfehlung Nr. 1 betreffend Art. 1 Nr. 3 a, § 9 Abs. 4. Mit dieser Empfehlung schlägt der Vermittlungsausschuß eine hinter den Steigerungssätzen im Anrufungsbegehren des Bundesrates zurückbleibende, teilweise mit dem Gesetzesbeschluß des Deutschen Bundestages übereinstimmende, diese aber bis 1999 fortschreibende progressive Staffelung der Abgabesätze pro Schadeinheit vor. Mit diesen niedrigeren Sätzen soll eine unverhältnismäßig hohe Belastung der Abgabepflichtigen vermieden werden. Dabei wurde ferner berücksichtigt, daß durch die gleichzeitige Erhöhung der Abwasserabgabesätze und die Erweiterung der relevanten Schadstoffe um Phosphor und Stickstoff in der Anlage A zu § 3 des Gesetzes eine erhebliche Kumulierung der Belastung der Abgabepflichtigen eintritt, die je nach Art der Abwassereinleitung zu einer Steigerung bis zum 25fachen der derzeitigen Belastung reichen würde. Um die Kumulierungswirkung nicht übermäßig werden zu lassen, hat der Vermittlungsausschuß ferner davon abgesehen, die Schwellenwerte für Phosphor und Stickstoff gegenüber dem Gesetzesbeschluß des Bundestages abzusenken. Hierfür war außerdem maßgebend, daß sich der Gesetzgeber



Dr. Hüsch
mit der Frage einer weiteren Novellierung des Abwasserabgabengesetzes ohnehin noch einmal befassen muß, wenn die Ergebnisse der Erfolgskontrolle auf Grund der Entschließung des Deutschen Bundestages vom 31. Mai 1990 vorliegen. Der Vermittlungsausschuß hält es für geboten, daß auf die genannte Entschließung auch bei dieser Gelegenheit noch einmal eindringlich hingewiesen wird, was ich hiermit auftragsgemäß tue.
Zweitens: zu der Beschlußempfehlung Nr. 2, Art. 1 Nr. 5, § 13. Mit dieser Empfehlung wendet sich der Vermittlungsausschuß gegen die in dem Gesetzesbeschluß des Deutschen Bundestages vorgesehene erhebliche Verschärfung der Zweckbindung für die Verwendung des Aufkommens der Abwasserabgabe. Statt dessen schlägt er die Beibehaltung des geltenden Rechtszustandes vor. Dieser ist dadurch gekennzeichnet, daß die Zweckbindung erheblich zurückhaltender ausgestaltet ist und damit — in Übereinstimmung mit tragenden Grundsätzen unserer Verfassungsstruktur — den Ländern den Spielraum beläßt, der auf Grund ihrer unterschiedlichen Strukturen angezeigt ist. Allerdings muß vor Augen bleiben, daß die Abwasserabgabe eine Zweckabgabe ist, die nicht in die allgemeine Finanzausstattung der Länder hineingehört.
Gemäß § 10 Abs. 3 Satz 1 seiner Geschäftsordnung hat der Vermittlungsausschuß beschlossen, daß im Deutschen Bundestag über die beiden Änderungsvorschläge gemeinsam abzustimmen ist. Ich bitte Sie, meine Damen und Herren, den Vorschlägen zu folgen.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1122513000
Danke, Herr Berichterstatter.
Wir kommen jetzt entsprechend dem Vorschlag des Berichterstatters zur gemeinsamen Abstimmung. Wer stimmt für die Beschlußempfehlung des Vermittlungsausschusses auf Drucksache 11/7847? — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei Gegenstimmen der GRÜNEN ist der Beschlußempfehlung des Vermittlungsausschusses entsprochen worden. Die Beschlußempfehlung ist angenommen worden.
Meine Damen und Herren, ich komme jetzt zu Tagesordnungspunkt 2 g: Gesetz zur Verbesserung der Überwachung des Außenwirtschaftsverkehrs und zum Verbot von Atomwaffen, biologischen und chemischen Waffen. Bitte schön, Herr Kollege.

Dr. Heinz Günther Hüsch (CDU):
Rede ID: ID1122513100
Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Der Vermittlungsausschuß hat das Anrufungsbegehren des Bundesrates zu dem Gesetz zur Verbesserung der Überwachung des Außenwirtschaftsverkehrs und zum Verbot von Atomwaffen, biologischen und chemischen Waffen am 12. September 1990 ausführlich beraten. Der Beschluß des Vermittlungsausschusses ergibt sich aus der Ihnen vorliegenden Drucksache 11/7848.
Bei seinen Vorschlägen zu diesem Gesetz, die weitgehend mit dem Entwurf der Bundesregierung übereinstimmen, hat sich der Vermittlungsausschuß sowohl von strafrechtlich-fachlichen, andererseits aber stärker noch von allgemeinpolitischen Erwägungen leiten lassen.
Zu den Vorschlägen unter den Ziffern 1 und 2 der Ihnen vorliegenden Beschlußempfehlung ist folgendes zu bemerken:
Gegen eine Mindeststrafe von einem Jahr Freiheitsstrafe, auf die der Gesetzesbeschluß die Strafandrohung in § 19 Abs. 2 und in § 20 Abs. 1 des Kriegswaffenkontrollgesetzes zurückgeführt hatte — hierbei handelt es sich um gewerbsmäßiges oder bandenmäßiges Handeln bei der Entwicklung, dem Handeltreiben, der Ein- und Ausfuhr mit und von Atomwaffen und um das Entwickeln, Handeltreiben usw. von und mit biologischen und chemischen Waffen —, spricht nach der Ansicht des Vermittlungsausschusses der hohe Unrechtsgehalt solcher Taten. Die Öffentlichkeit im In- und Ausland reagiere gegenüber solchen Taten gerade auf Grund der Ereignisse der letzten Zeit besonders sensibel, und es erscheine angemessen, dem durch ein deutliches Wort des Gesetzgebers, in dem er seine Bewertung dieses hohen Unrechtsgehaltes zum Ausdruck bringt, Rechnung zu tragen. Insbesondere sollten sich die Strafandrohungen für die hier in Rede stehenden Taten im Mindest- und Höchstmaß von denen des § 16 Abs. 1 und 2 des Kriegswaffenkontrollgesetzes des geltenden Rechtes nach oben hin unterscheiden, die für sonstige Kriegswaffen gelten.
Durch die vorgeschlagene Androhung einer Mindeststrafe von zwei Jahren — bei einer Höchststrafe von 15 Jahren — wird andererseits die besonders hohe Strafdrohung, die im § 19 Abs. 2 a und in § 20 Abs. 1 a des Gesetzesbeschlusses vorgesehen ist, entbehrlich. Diese Strafdrohung betrifft den Fall, daß die ABC-Waffe, an deren Entwicklung usw. der Täter beteiligt war, zum Einsatz kommt und daß der Täter bei der Tat von diesem Einsatz gewußt hat. Die Entbehrlichkeit wird um so deutlicher, wenn man bedenkt, daß sich die in den zitierten Absätzen genannten subjektiven Voraussetzungen nach Meinung des Vermittlungsausschusses in der Praxis kaum jemals feststellen lassen würden. Der Vorschlag sieht deshalb vor, diese Regelungen zu streichen, was eine Herabsetzung des höchstangedrohten Strafmaßes bedeutete. Die in § 19 Abs. 4 und in § 20 Abs. 3 des Gesetzesbeschlusses enthaltene sogenannte Wissenschaftsklausel stieß auf das Bedenken, daß hierdurch die strafrechtliche Verantwortlichkeit, die — allerdings nur bei leichtfertigem Handeln — auch den in der Anwendungsforschung tätigen Wissenschaftler treffen müsse, wenn er die oben erwähnten besonders verwerflichen Straftaten objektiv fördert, zu sehr zurückgenommen würde. Zudem sei der Weg, auf dem dies geschehen solle, nicht unbedenklich, da hierdurch eine objektiv erheblich fördernde Handlung durch eine gesetzliche Fiktion — ausgedrückt durch das Wort „gilt" — in ihr Gegenteil, nämlich in eine unerhebliche Förderung, verkehrt werde. Eine Einschränkung der Wissenschaftsfreiheit, insbesondere der Grundlagenforschung, sei mit dem Wegfall der sogenannten Wissenschaftsklausel nach Meinung des Vermittlungsausschusses nicht verbunden.
Die Ziffer 3 der Beschlußempfehlung hat gesetzestechnisch bedingte Folgeänderungen zum Gegenstand.



Dr. Hüsch
Die unter Ziffer 4 vorgeschlagene Fassung der Inkrafttretensvorschrift soll ein möglichst baldiges Greifen des Gesetzes sicherstellen, nämlich am Tage nach der Verkündung, nicht zuletzt unter dem Eindruck der zu der Notwendigkeit gerade der neuen Strafvorschriften des Kriegswaffenkontrollgesetzes geführten öffentlichen Diskussion.
Außer den genannten für die Beschlußempfehlung des Vermittlungsausschusses maßgebenden Erwägungen spielte auch die allgemeinpolitische Bewertung eine Rolle, daß alles vermieden werden sollte, was dem zügigen Abschluß eines Gesetzgebungsverfahrens jetzt im Wege stehen könnte, bei dem die Weltöffentlichkeit auf einen deutschen Beitrag zur Verhinderung von Ereignissen wartet, die wir in diesen Wochen mit Bestürzung ansehen müssen.
Gemäß § 10 Satz 3 Satz 1 seiner Geschäftsordnung hat der Vermittlungsausschuß beschlossen, daß im Deutschen Bundestag über alle vorgeschlagenen Änderungen gemeinsam abzustimmen ist.
Pflichtgemäß empfehle ich Ihnen die Annahme dieses Vorschlages und überreiche der Präsidentin meine eigene Erklärung nach § 31 der Geschäftsordnung. *)

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Dr. Penner [SPD]: Eine völlig korrekte Berichterstattung!)

*) Anlage 2

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1122513200
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Wir verfahren nach dem Vorschlag des Herrn Berichterstatters und stimmen über die Änderungsvorschläge gemeinsam ab. Wer stimmt für die Beschlußempfehlung des Vermittlungsausschusses auf Drucksache 11/7848? — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Gegen die Stimmen der GRÜNEN, des Abgeordneten Dr. Hüsch und der Abgeordneten Frau Dr. Wisniewski ist diese Beschlußempfehlung angenommen.

(Gerster [Mainz] [CDU/CSU]: Das begründet den geschichtlichen Rang des Vorsitzenden des Vermittlungsausschusses!)

Ich darf Ihnen die erfreuliche Mitteilung machen, daß wir am Ende der Tagesordnung angelangt sind.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 20. September 1990, 9 Uhr ein.
Die Sitzung ist geschlossen.