Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet.
Ich rufe Punkt 1 der Tagesordnung auf:
Befragung der Bundesregierung
Meine Damen und Herren, die Themen der Kabinettssitzung, die der Chef des Bundeskanzleramtes mitgeteilt hat, sind den Fraktionen bekannt. Die Bundesregierung hat weiterhin mitgeteilt, daß der Bundesminister der Finanzen nicht an seiner Absicht festhalten kann, aus der Kabinettssitzung zu berichten, da er durch die Regierungsgespräche mit der Regierung der DDR kurzfristig verhindert ist. Deswegen berichtet einleitend ausnahmsweise der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen, Herr Carstens. Ich denke, Sie sind damit einverstanden.
Bitte schön, Herr Staatssekretär Carstens.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Die Bundesregierung hat am heutigen Morgen den Entwurf des Nachtragshaushalts 1990 auf Vorschlag des Bundesfinanzminsters beschlossen. Wir haben bei dieser Beschlußfassung zu berücksichtigen, daß es trotz der Herausforderungen von besonderem Ausmaß, um die es in diesem Fall geht, unser allererstes Anliegen ist, insbesondere die Solidität und die Stabilität unserer Finanzen auch weiterhin im Auge zu haben. Wir können mit einem gewissen Stolz darauf hinweisen, daß wir zu diesen besonderen Leistungen insbesondere auch deswegen imstande sind, weil es der Bundesregierung gelungen ist, seit 1982 zu einer sehr erfolgreichen Wirtschafts- und Finanzpolitik zu kommen, die Früchte auch auf dem Gebiet der staatlichen Einnahmenpolitik zeitigt.
Bei diesem Nachtragshaushalt, um den es hier geht, handelt es sich vornehmlich um wirtschaftliche und humanitäre Sofortmaßnahmen im Zusammenhang mit den Herausforderungen, die seitens der DDR auf uns zukommen. Alles, was mit einer angestrebten Währungsunion und Wirtschaftsgemeinschaft zu tun haben könnte, hat keine Auswirkungen auf den hier vorgelegten Nachtragshaushalt.Insgesamt kommt es bei diesem Nachtragshaushalt zu Bruttomehrausgaben von 8,1 Milliarden DM, denen aber Einsparungen in Höhe von 1,2 Milliarden DM gegenüberstehen, so daß sich der Ausgaberahmen gegenüber dem Haushalt 1990 um rund 6,9 Milliarden DM ausweitet. Damit erreicht der Gesamthaushalt Ausgabensteigerungen in Höhe von 5,9 %.Hierbei ist folgendes zu berücksichtigen. Das Parlament hat im November 1989 einen Haushalt mit einer Steigerungsrate von 3 % verabschiedet. Zusammen mit den jetzt hinzugekommenen 6,9 Milliarden DM, die ein Plus von rund 2,3 % bedeuten, ergäbe sich eigentlich eine Steigerungsrate von 5,3 %.Da aber zwischenzeitlich der Haushalt 1989 abgeschlossen wurde, das Ergebnis vorliegt und wir überaus erfolgreich waren — die Ausgaben verminderten sich um 1,5 Milliarden DM — , ist die Ausgangsposition eine andere, so daß wir nun eine Steigerungsrate bei den Ausgaben in Höhe von 5,9 % haben, obwohl — ausgehend vom ursprünglichen Haushalt 1990 — nur eine Steigerungsrate von 5,3 % zu verzeichnen gewesen wäre.Die Nettokreditaufnahme, die bislang mit rund 26,9 Milliarden DM ins Auge gefaßt war, beläuft sich nun auf 33,5 Milliarden DM. Mit Blick auf Art. 115 des Grundgesetzes mache ich darauf aufmerksam, daß die investiven Ausgaben über 38 Milliarden DM liegen, so daß Art. 115 des Grundgesetzes in keiner Weise tangiert ist.Ich mache weiter darauf aufmerksam, daß wir, obwohl sich zwischenzeitlich ein höherer Bundesbankgewinn abzeichnet, bei dem Verfahren geblieben sind, auf welches wir uns festgelegt haben, nämlich nur eine mittlere Größe in den Haushalt einzustellen und den darüber hinausschießenden Betrag zum Abbau von Altschulden zu verwenden. Dadurch wird deutlich, daß uns sehr daran liegt, daß die Kontinuität und Stabilität der Staatsfinanzen dauerhaft gewährleistet wird.Diese Beträge resultieren in erster Linie aus den Herausforderungen, die durch die Entwicklungen in der DDR auf uns zukommen; das habe ich eben gesagt. Es lohnt sich, einmal an die Aufteilung der Aus-
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15076 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 196. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Februar 1990
Parl. Staatssekretär Carstensgaben in Ausgabenblöcken heranzugehen, da man dann besser unterscheiden kann, wohin welches Geld fließt.Den ersten Block möchte ich als Leistungen an die DDR bezeichnen. Das sind rund 4 Milliarden DM. Der zweite Block umfaßt Leistungen im Zusammenhang mit der DDR in der Bundesrepublik. Das sind rund 1,8 Milliarden DM. Dann gibt es Leistungen an Mittel-und Osteuropa, hier insbesondere an Rumänien, die Sowjetunion und an Polen. Das ist ein Ausgabevolumen von etwa 300 Millionen DM. Schließlich mußten wir natürlich noch „sonstige Leistungen" mit aufnehmen, z. B. die Ergebnisse der Strukturtarifrunde im öffentlichen Dienst, die für den Bund eine Belastung von etwa 850 Millionen DM ausmacht, und auch schon die vorgesehene achte Wohngeldnovelle, da das Inkrafttreten dieser Wohngeldnovelle bereits für den 1. Oktober 1990 vorgesehen ist.Wir haben im Nachtragshaushalt eine Besonderheit festzustellen, nämlich die, daß wir einen Betrag von 2 Milliarden DM als globale Ausgabereserve eingestellt haben. Wir haben das für sinnvoll erachtet, da doch erhebliche Unwägbarkeiten im Raume stehen, was die Zahl der Aussiedler und Übersiedler und auch ganz konkrete Hilfsmaßnahmen angeht, die wir dann sehr schnell durchführen könnten, ohne sofort wieder einen neuen Nachtragshaushalt erstellen zu müssen.Selbstverständlich ist vorgesehen — das ist ja völlig klar — , daß dieser Betrag gesperrt wird und nur nach Zustimmung durch den Haushaltsausschuß, sozusagen mit dessen Gegenzeichnung, und damit durch das Parlament zur Verfügung gestellt werden kann.
Herr Staatssekretär, kommen Sie zum Schluß?
Ja, ich wollte mit dem letzten Gedanken auch zum Schluß meiner Berichterstattung kommen.
Es ist vorgesehen, die Vorlagen dem Parlament unverzüglich zuzuleiten und am 8. März 1990 die erste Lesung im Bundestag stattfinden zu lassen.
Als erste Fragestellerin Frau Matthäus-Maier.
Herr Staatssekretär, mit den 6,9 Milliarden DM — so die Aussage der Bundesregierung — sollen in erster Linie Sofortmaßnahmen in der DDR unterstützt werden. Wenn man die Liste durchgeht, fällt auf: Die erste Maßnahme — 13,4 Millionen DM — betrifft die Verstärkung der Öffentlichkeitsarbeit des Bundeskanzlers. Das hat offensichtlich nichts mit Hilfen in der DDR zu tun. 850 Millionen DM Tarifergebnis im öffentlichen Dienst begrüßen wir, aber das hilft nicht in der DDR. 2 Milliarden DM für den Reisedevisenfonds dienen dazu, Reisen von DDR-Bürgern in die Bundesrepublik zu unterstützen, helfen aber nicht dem Aufbau in der DDR. 2 Milliarden DM Globaltitel für Sofortmaßnahmen: Die Verwendung ist offen; das Geld kann auch bei uns ausgegeben werden. 1,1 Milliarden DM zur Bewältigung des Übersiedlerstroms: Die sind offensichtlich nicht für Hilfen in der DDR. Es verbleibt 1 Milliarde DM für die Soforthilfen. Das heißt, Sie geben mehr Geld für das Kommen als für das Bleiben aus.
Daher meine Frage: Wie wollen Sie dem offensichtlich begründeten Vorwurf begegnen, daß Sie mit diesem Nachtragsetat einen Etikettenschwindel betreiben, wenn Sie ihn unter die Überschrift stellen: Soforthilfen in der DDR?
Das, was Sie zum Ausdruck bringen, kann ich so nicht stehenlassen. Wir haben als erstes dafür gesorgt — ich meine, auf überzeugende Weise — , daß es über den Reisedevisenfonds zu einem geregelten Hin und Her kommen kann, von der DDR zu uns und umgekehrt.
Dies wurde durch umfangreiche Arbeiten erreicht. Der Zwangsumtausch ist entfallen. Das ist sehr gut geregelt, und ich höre nichts von Komplikationen. Die benötigten Mittel wurden auch in den Nachtragshaushalt eingestellt.
Darüber hinaus wurde in den einzelnen Ministerien sehr schnell reagiert. Ich denke beispielsweise an das Umweltministerium. Herr Töpfer ist schon in der DDR gewesen und hat in Sachen Umweltschutz Verträge unterschrieben.
Die Gelder hierfür sind eingestellt. Das ist nicht nur bei Herrn Töpfer, sondern auch bei verschiedenen anderen Ministerien der Fall.
Schneller kann eine Regierung kaum handeln. Das, was jetzt umsetzbar, was jetzt machbar ist, steht im Nachtragshaushalt. Das weitere müssen wir auf uns zukommen lassen.
Frau Matthäus-Maier, weil es noch mehrere Fragesteller gibt, erteile ich Ihnen später das Wort zu einer Zusatzfrage. — Als nächster Herr Abgeordneter Roth.
Herr Staatssekretär, können Sie dem Haus eine ungefähre Größenordnung für die gegenwärtigen Kosten der deutschen Teilung nennen, soweit sie sich im Bundeshaushalt niederschlagen, und gibt es nach dem gestrigen Gespräch mit Herrn Modrow bereits konkrete Punkte, die aus dem Etatansatz der globalen Mehrausgabe von 2 Milliarden DM finanziert werden sollen?
Herr Staatssekretär.
Wir haben in der Tat einen erheblichen Betrag dieser globalen Reserve für schnell umzusetzende Maßnahmen vorgesehen. Über die Verwendung dieser 2 Milliarden DM werden sehr zügig Gespräche geführt, so daß mit diesem Betrag erfolgreich Einzelmaßnahmen umgesetzt werden können, wie
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Parl. Staatssekretär Carstensdas bei den einzelnen anderen Titeln der Fachminister der Fall ist.
Herr Lüder.
Herr Staatssekretär, ich frage, wieviel von den 1,2 Milliarden DM an Einsparungen, von denen Sie sprachen, auf eingestellte Planungs- oder Neubaumaßnahmen in Bonn auf Grund der politischen Entwicklung entfällt.
In dem genannten Betrag von 1,2 Milliarden DM sind dererlei Einsparungen noch nicht enthalten. Aber da Sie diese Frage gestellt haben, darf ich kurz erläutern, um welche Positionen es sich handelt.
Es ist in erster Linie die Position des Begrüßungsgeldes, das entfällt. Nach der alten Regelung, die bis Ende 1989 galt, gab es ein Begrüßungsgeld, und dafür waren im Haushalt 1990 etwa 600 Millionen DM eingestellt. Das entfällt; dieser Ausgabetitel wird nicht mehr benötigt.
Wir haben dann eine Einsparung bei der Rückführung von Deutschen zugunsten der Übersiedler; das sind weitere rund 300 Millionen DM. Weiterhin gibt es Einsparungen bei den besonderen Hilfsmaßnahmen gesamtdeutschen Charakters. Ich will es einmal anders bezeichnen — dann wissen Sie besser, worum es geht — : Das ist der sogenannte Häftlingsfreikauftitel. Auch hierfür sind Ausgaben nicht mehr notwendig, so daß auch dieses Geld für andere Dinge vorgesehen werden kann.
Herr Wieczorek.
Herr Staatssekretär, Ihr Minister wird heute in der Presse mit einem Gesamtvolumen der Hilfe für die DDR in Höhe von 30 Milliarden DM zitiert. Auf eine Frage meines Kollegen im Dezember an Sie, wie hoch Sie die direkte Hilfe für die DDR aus dem Bundeshaushalt 1990 beziffern, haben Sie gesagt, daß es etwa 970 Millionen DM sind. Mit den hier jetzt unstrittigen 1,1 Milliarden DM, die meine Kollegin, Frau Matthäus-Maier, herausgearbeitet hat, ergeben sich rund 2,1 Milliarden DM. Können Sie mir diese Differenz näher erläutern?
Herr Staatssekretär.
Ich bin gern bereit, Herr Kollege Wieczorek — Sie sind Obmann der SPD im Haushaltsausschuß — , Ihnen dazu sogar eine schriftliche Vorlage zu machen. Es ist völlig klar, daß jetzt in dieser Runde keine Auflistung darüber erfolgen kann, welche Summen insgesamt zusammenkommen, wenn man alle Leistungen,
was z. B. die Einnahmeverzichte oder auch die Ausgabenseite angeht, zusammenzieht. Das will ich Ihnen
gern schriftlich darstellen. Ich bin jetzt nicht imstande,
Ihnen das im einzelnen zu erläutern. Das haben Sie bei Ihrer Fragestellung wahrscheinlich auch so angenommen.
Einverstanden?
— Erst ist Herr Schulze an der Reihe.
Herr Staatssekretär, ich habe eine Frage zum ERP-Vermögen. Es soll eine Aufstockung dieses Vermögens erfolgen. Hier habe ich die ganz besondere Frage, ob sich die Bundesregierung der von den Unternehmerverbänden und auch von der sonstigen Wirtschaft gegebenen Anregung anschließt, bei der Förderung von Existenzgründungen wie auch von Existenzsicherungen in der DDR auch die freiberuflich Tätigen, wie Ärzte, Architekten usw., einzuschließen.
Ein weiteres Thema habe ich aus der Presse entnommen — ich wollte nur noch einmal die Bestätigung der Regierung hören — : Trifft es zu, daß die Staatsbank der DDR die Rückzahlung der ERP-Kredite und die Zahlung der Zinsen von zur Zeit 6,5 % in DM garantieren will?
Wer antwortet? — Herr Staatssekretär Beckmann.
Herr Kollege Schulze, hinsichtlich der Vergabe von ERP-Mitteln zur Existenzgründung in der DDR ist eine Ausweitung auch auf freiberufliche Antragsteller vorgesehen.
Was den Rücktransfer der Kredite betrifft, ist es richtig, was Sie gelesen haben. Die Staatsbank der DDR garantiert den Rücktransfer in DM zum Kurse von 2,4.
Frau Matthäus-Maier.
Herr Staatssekretär Carstens, wollen Sie uns ernsthaft glauben machen, daß Sie auf die Frage des Kollegen Wieczorek, wie sich die 30 Milliarden DM zusammensetzen, die gestern Herr Waigel als Hilfe für die DDR genannt hat, als Staatssekretär im Finanzministerium aus dem Stand heraus mündlich nicht eine einzige Position nennen können — es müssen ja nicht die gesamten 30 Milliarden sein — oder nennen wollen?
— Er kann nicht.
Herr Staatssekretär.
Verehrte Kollegin, mit solchen Behauptungen sollte man vorsichtig sein. Das möchte ich sehr empfehlen. Ich habe mir gerade sagen lassen, daß die Zahl 30 Milliarden nicht in dem Zusammenhang ge-
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Parl. Staatssekretär Carstensnannt wurde, wie Kollege Wieczorek es hier zum Ausdruck gebracht hat.
Diese Zahl soll, wie ich mir habe sagen lassen, vielmehr die Leistungen umfassen, die insgesamt vom Bund in Richtung Berlin, in Richtung Zonenrand und was Übersiedler und Aussiedler angeht, erbracht werden.
Falls diese Zahl in diesem Zusammenhang genannt worden sein sollte, dann möchte ich doch den Fragesteller bitten, sich bezüglich solcher Zahlen in Zukunft vorher besser zu vergewissern, um was es geht, denn dann kann ich auch konkret antworten.
— Ich habe zum Ausdruck gebracht, daß es sich nicht um Leistungen handeln soll, die wir für die DDR erbringen — so war die Fragestellung des Kollegen Wieczorek, wenn ich es richtig verstanden habe —, sondern es handelt sich um eine andere Zusammensetzung, die ich eben mit dem Ziel der Richtigstellung genannt habe.
Als nächster noch einmal Herr Roth .
Herr Staatssekretär, auf welche Weise hat die Bundesregierung sichergestellt, daß die Inanspruchnahme der Mittel aus dem Reisedevisenfonds nicht mißbräuchlich erfolgt, und entsprechen die getroffenen Vereinbarungen den Anforderungen des Rechnungshof es?
Herr Abgeordneter Roth, Gott sei Dank ist es uns seinerzeit gelungen, diese Vereinbarungen in die treuhänderische Verantwortung der Bundesbank zu legen, die dann auch unter Einschaltung des Bundesrechnungshofs zu Vereinbarungen mit der DDR gekommen ist. Wir haben in den letzten Tagen vernehmen können, daß es zu einer vertraglichen Vereinbarung darüber gekommen ist, wie der Bundesrechnungshof bei der Überprüfung dieser einzelnen Vorgänge eingeschaltet wird. Dadurch wird gewährleistet, daß die Dinge ordnungsgemäß abgewikkelt werden können.
Ich darf Ihre Frage zum Anlaß nehmen — das paßt ganz gut in den Gesamtzusammenhang — , noch einmal daran zu erinnern, daß die Gegeneinnahmen aus dem Reisedevisenfonds, die ja in Mark erbracht werden — etwa 9 Milliarden DM — , auch z. B. für Infrastrukturmaßnahmen zur Verfügung stehen, und zwar innerhalb der DDR: Straßenbaumaßnahmen, Wohnungsbaumaßnahmen, was ja auch noch unter unserer Regie in Abstimmung mit der DDR angelegt werden wird.
Herr Brück.
Herr Parlamentarischer Staatssekretär, wollen Sie denn tatsächlich den Stand der Parlamentarischen Staatssekretäre dadurch blamieren, daß Sie hier vorgeben, Einzelheiten nicht zu kennen, oder ist es in der Tat nicht so, daß Sie deshalb keine Einzelheiten nennen können, weil es sie nicht gibt?
Herr Kollege, ich verstehe ja, daß es hin und wieder rhetorische Wiederholungsfragen gibt. Aber ich habe doch soeben zum Ausdruck gebracht, daß die Fragestellung des Kollegen Wieczorek offensichtlich beinhaltete, daß unser Minister gesagt haben soll, diese 30 Milliarden DM flössen in Richtung DDR
— als Gesamtleistung.
— Ich höre jetzt, daß sich diese Zahlenreihe anders zusammensetzen soll. Wenn es hier also um ein Mißverständnis geht, dann sollte hier nicht noch einmal behauptet werden, man kenne keine Einzelheiten. Das klären wir dann besser im zuständigen Ausschuß. Dies ist überhaupt kein Problem. Das können wir an Hand von Papieren tun.
Das mag ja sein. Man kann das vielleicht noch näher erläutern.
Diese Zahlen bringen einen Teil dessen zum Ausdruck, was die deutsche Teilung uns schon per heute
— aus dem Bundeshaushalt — kostet.
Aber das ist nun kein Geld, das in die DDR fließt.
Wenn man diesen Zusammenhang sieht, klärt sich manches auf.
Als nächste hat Frau Vennegerts das Wort.
Herr Staatssekretär, dazu sage ich lieber nichts, sonst geht mein Adrenalinspiegel hoch.
Aber eine andere Sache, die mich furchtbar ärgert: Ihr Haus war bis gestern abend nicht in der Lage, mir zu sagen, wieviel in diesem Bereich jetzt für politische Stiftungen und auch für die Parteien vorgesehen ist, und zwar im Hinblick auf den DDR-Wahlkampf — siehe „Spiegel" vor ungefähr zwei Wochen. Wieviel Mittel sind dafür wo und unter welchem Titel eingestellt worden? Wie erklären Sie sich, daß Ihr Haus gestern abend nicht in der Lage war, mir das mitzuteilen?
Herr Staatssekretär.
Frau Abgeordnete Vennegerts, ein Beamter eines Hauses kann ja gar keine Zahlen mitteilen, bevor es nicht zu einer Beschlußfassung im Kabi-
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Parl. Staatssekretär Carstensnett gekommen ist. Es ist doch völlig verständlich, daß zunächst einmal die Kabinettsentscheidung zustande kommen mußte. Wir werden die gesamten Papiere sofort, unverzüglich dem Deutschen Bundestag zuleiten. Wir werden heute nachmittag ja im Ausschuß zusammensein. Dort werde ich gern bereit sein, mit Ihnen gemeinsam die Titel durchzugehen und festzustellen, welche Beträge beispielsweise für Stiftungen vorgesehen sind.
Als nächster Herr Rose.
Obwohl wir offiziell noch nichts vom Nachtragshaushalt wissen, spüre ich, daß es darin auch Gelder für Rumänien gibt, z. B. für eine Hilfe für die Stromversorgung, aber auch für Hilfen humanitärer Art.
Wegen eines aktuellen Bezugs möchte ich fragen, ob im Rahmen dieser humanitären Hilfe auch die Bahnexpreßsendungen weiterhin bezuschußt werden.
Herr Staatssekretär.
Da hätte mein lieber Freund und Kollege Dr. Rose auch etwas Einfacheres fragen können.
In dem dritten Ausgabenblock, den ich vorhin genannt habe, sind in der Tat Mittel vorgesehen für Hilfsleistungen in die Sowjetunion, auch eine Soforthilfe für Rumänien, ebenso Hilfen zugunsten der polnischen Landwirtschaft, dann aber auch Hilfsleistungen an Deutsche in den Aussiedlungsgebieten und hier insbesondere in Rumänien. Ich kann Ihnen nun auf Anhieb nicht sagen — mir ist auch aus der zweiten Reihe nichts zugeflüstert worden — , ob das, was Sie angesprochen haben, in den vorgesehenen Titeln enthalten ist, aber das werden wir gleich sehr schnell feststellen können.
Herr Wieczorek.
Herr Staatssekretär, ich bewundere Ihr Detailwissen, was Rumänien angeht. Ich will auch nicht Einzelheiten bezüglich der 30 Milliarden DM im Dialog mit Ihnen herauskitzeln. Das können wir schriftlich und im Ausschuß tun. Aber würden Sie mir bitte sagen, wie Sie die 7 Milliarden DM des Nachtragshaushalts eigentlich finanzieren wollen? Dazu haben Sie bisher noch nichts gesagt.
Herr Parlamentarischer Staatssekretär.
Herr Kollege Wieczorek, ich will Ihnen gern sagen, wie wir das finanzieren wollen. Ich habe das auch schon gesagt. Ich habe zum Ausdruck gebracht, daß wir den Bundesbankgewinn, obwohl wir es tun könnten, nicht verändern wollen — wegen der Kontinuität unserer finanzpolitischen Aussagen, der
Stabilität unserer Politik und der Glaubwürdigkeit —, so daß wir bei den Mehrausgaben, die 8,1 Milliarden DM ausmachen, 1,2 Milliarden DM gegenrechnen können. Ich habe eben die Einzelpositionen genannt, wo Ausgaben entfallen. Diese 6,9 Milliarden DM, die als Ausgabenanstieg letztlich übrigbleiben, werden durch eine Aufstockung der vorgesehenen Nettoneuverschuldung finanziert.
— Ja. Wenn der Sachstand heute so ist, dann sagen wir das natürlich auch; das ist doch völlig klar.
Es könnte sein — das will ich jetzt gar nicht ankündigen, nicht avisieren — , daß die wirtschaftliche Entwicklung, auch was die Steuereinnahmen angeht, besser verläuft, als bisher angenommen. Das würde dann die jetzt vorgesehene Höhe der Neuverschuldung verringern. Aber wir leben nicht von ungelegten Eiern. Wir gehen von dem aus, was ist, tragen das klar und deutlich vor und sind uns sicher, daß unsere Finanz- und Haushaltspolitik trotz dieses Nachtragshaushalts sehr stabil ist und daß sich die Zahlen sehen lassen können.
Ich schließe diesen Fragenkreis vorläufig ab, komme aber gleich noch einmal, wenn wir die Zeit haben, darauf zurück.
Aus den anderen Themenbereichen ist das Thema der Gleichbehandlung von Frauen und Männern am Arbeitsplatz ausgewählt worden.
Die Frau Abgeordnete Steinhauer hat dazu eine Frage.
Ich frage die Bundesregierung: Trifft es zu, daß dieser heute im Kabinett beratene, vom Bundesarbeitsministerium erarbeitete Entwurf hinter der Rechtsprechung z. B. beim Schadenersatz zur Gleichbehandlung von Frauen und Männern am Arbeitsplatz zurückbleibt?
Herr Parlamentarischer Staatssekretär Seehofer.
Frau Kollegin, dieser Gesetzentwurf ist u. a. auch deshalb beschlossen worden, weil es zu diesem Fragenkomplex eine sehr unterschiedliche Rechtsprechung gibt. Es gibt Urteile von Arbeitsgerichten, die keinen Schadenersatz im Falle der Diskriminierung vorsahen. Es gab Urteile, die Schadenersatz bis zu sechs Monatsverdiensten vorsahen. Es gibt seit 1989 ein Urteil des Bundesarbeitsgerichtes, das im Regelfall von einem Monatsverdienst ausgeht, aber gleichzeitig zum Ausdruck bringt: In der Güterabwägung des Einzelfalles könnte dieser Regelschadenersatz auch unter- oder überschritten werden. Deshalb war es höchste Zeit, hier ein Stück mehr Rechtssicherheit zu schaffen.
Frau Steinhauer.
Zusatzfrage: Was haben Sie denn nun hereingebracht — ich habe das nur als Beispiel genannt —, was die Gleichbehandlung verbessert?
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Wir haben es genau geregelt: Für den Fall, daß die Diskriminierung für die Nichteinstellung ursächlich war, bis zu vier Monatsverdienste Schadenersatz für den immateriellen und materiellen Schaden, für den Fall, daß sie nicht ursächlich war, drei Monatsverdienste. Wir haben eine Obergrenze für den Fall vorgesehen, daß mehrere Bewerber diskriminiert wurden. Schließlich gibt es noch die Umwandlung von Soll-Vorschriften in MußVorschriften, soweit sie bisherige Gebote beinhaltet haben.
Frau Oesterle-Schwerin.
Sind die Arbeitnehmerrechte von Wehrübenden oder Wehrpflichtigen in den Augen der Bundesregierung wichtiger als die Arbeitnehmerinnenrechte von erwerbstätigen Frauen? Wenn nein, warum hat sich die Bundesregierung in ihrer Novelle zum EG-Anpassungsgesetz nicht dazu durchringen können, beim Arbeitgeber die Beweislast dafür anzusiedeln, daß er nicht diskriminiert hat, also analog zu § 2 des Arbeitsplatzschutzgesetzes zu verfahren, wonach der Arbeitgeber beweisen muß, daß er nicht wegen der Wehrpflicht jemanden diskriminiert?
Herr Staatssekretär.
Ich kann einen Zusammenhang zwischen der Wehrpflicht oder dem Zivildienst und diesem Gesetz nicht erkennen. Wir regeln hier isoliert Sanktionen wegen des Verstoßes gegen das Diskriminierungsverbot bezüglich der Geschlechter. Dies allein ist der Tatbestand, der hier geregelt wird. Einen Zusammenhang mit den von Ihnen angeführten Tatbeständen kann ich nicht sehen. Wir machen hier auch keinen Unterschied.
Zusatzfrage.
Meine Frage betraf die Umkehr der Beweislast? Meine Zusatzfrage lautet: Wie steht denn die Bundesregierung heute zu der von der damaligen Bundesministerin Frau Süssmuth am 30. Juli 1987 geäußerten Absicht, das Bundesministerium für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit werde sich für die Umkehr der Beweislast und für das Verbot der mittelbaren Diskriminierung einsetzen?
Herr Staatssekretär.
Frau Präsidentin, die letzte Frage würden vielleicht besser Sie beantworten. — Der Ansatz war die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes zu diesem Fragenkomplex. Diese Rechtsprechung ging dahin: Wenn sich ein Mitgliedsland der Europäischen Gemeinschaft für die Entschädigungslösung entscheidet, muß es den Schadensersatz auch definieren.
Wir haben uns seit 1980 — das fiel in die Zeit der Vorgängerregierung — für die Entschädigungslösung
entschieden. Wir führen jetzt eine Konkretisierung des Schadensersatzes mit diesem Gesetz herbei. Wir führen gewissermaßen nur die Philosophie fort, die schon von der Vorgängerregierung vertreten wurde, und konkretisieren sie.
Danke. Frau Schmidt.
Herr Staatssekretär, ich stelle fest, daß das federführende Ministerium in dieser Frage offensichtlich nicht sehr weit in Details drin ist und nicht sehr große Kenntnisse hat und das mitbeteiligte Ministerium, welches das auch immer sein mag, zu diesem Sachverhalt offensichtlich schweigt. Deshalb darf ich die Frage von Frau Kollegin Oesterle-Schwerin noch einmal aufgreifen und auch in Frage stellen, ob Ihre Bemerkung richtig ist, daß der Anlaß war, die unterschiedliche Rechtsprechung zu beseitigen. Anlaß für die Novellierung dieses Gesetzes ist die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes von 1984, die uns damals — wir haben sechs Jährchen dazu gebraucht — aufgefordert hat, umgehend den Richtlinien der Europäischen Gemeinschaft widersprechende Regelungen in unseren Gesetzesvorhaben zu beseitigen. Das bedeutet, daß wir in diesem Gesetzesvorhaben auch etwas zur Frage der Beweislastumkehr sagen müssen, daß Schadensersatz in angemessener Höhe zu leisten ist — ich habe Sie hoffentlich nicht richtig verstanden, daß Sie hinter der bisherigen Rechtsprechung zurückbleiben — und daß zudem Sanktionen gegen diejenigen vorhanden sein müssen, die gegen dieses Gesetz verstoßen. Ich darf Sie vom federführenden Ministerium, das offensichtlich das mitbeteiligte Ministerium nicht ausreichend einbezogen hat, fragen, was Sie in diesen drei Punkten in diesem Gesetzesvorhaben erreicht haben.
Frau Kollegin, ich wiederhole : Unter Ihrer Regierungsverantwortung wurde 1980 diese EG-Richtlinie im Bürgerlichen Gesetzbuch mit einem Diskriminierungsverbot umgesetzt. Unter Ihrer Regierungsverantwortung wurde ein Schadensersatz für den entstandenen Vertrauensschaden vorgesehen. Die Anwendung dieser Vorschriften hat in der Praxis zu sehr unterschiedlichen Urteilen geführt. Deshalb erfolgt jetzt eine Klarstellung, um Rechtseinheit in der Frage herzustellen, bis zu welcher Größenordnung Schadensersatz für den materiellen Schaden und für den immateriellen Schaden, also für die Verletzung des Persönlichkeitsrechts, im Falle der Diskriminierung bei Einstellung und Beförderung gewährt werden muß. Das heißt, es gibt eine Fortentwicklung des bestehenden Rechts seit 1980 und eine konkrete Umsetzung der EG-Richtlinie.Zu dieser konkreten Umsetzung der EG-Richtlinie gibt es ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes, das besagt:
Wenn sich ein Mitgliedsland für die Entschädigungslösung entscheidet — und dafür haben Sie sich genauso wie diese Regierung entschieden —, muß es die Höhe des Schadensersatzes so festlegen, daß er eine
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Parl. Staatssekretär Seehof erechte Sanktion ist, nicht nur eine Erstattung der Portokosten bei der Bewerbung.
Ich stelle fest, daß 35 Minuten um sind. Ich verlängere um fünf Minuten, um die Fragestellerinnen Frau Hamm-Brücher und Frau Teubner noch zum Zuge kommen zu lassen. — Bitte!
Wir werden ja über dieses Gesetz noch zu beraten haben, und hier werden die Frauen aus allen Fraktionen doch noch einmal genauer nachfragen müssen. Ich möchte aber jetzt schon die für Frauenfragen zuständige Ministerin fragen, ob sie sich als hierfür verantwortliche Ministerin denn eigentlich mit dieser jetzigen Lösung einverstanden erklären kann.
Frau Ministerin Lehr, bitte.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Frau Abgeordnete, die jetzige Form ist mit meinem Ministerium abgesprochen worden. Es gab sehr viele Gebiete, auf denen man nachgeben mußte. Insofern müssen wir uns im Moment einverstanden erklären.
Frau Teubner, bitte.
Die sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz gilt ja unstreitig als ein Eingriff in das Persönlichkeitsrecht der Arbeitnehmerin. Dieser Tatbestand kommt in dem Gesetzentwurf nicht vor. Das fällt auf. Ich hätte gerne eine Begründung dafür.
Wer antwortet? — Herr Staatssekretär!
Ich kann mich jetzt nur dem Vorwurf aussetzen, etwas zu wiederholen, was bereits gesagt wurde. Grundlage sind erstens die Umsetzung der EG-Richtlinie und zweitens die nicht einheitliche Rechtsprechung seit 1980, keine anderen Gesichtspunkte. Das war für die Koalition und für die Bundesregierung das Thema.
Zusatzfrage, Frau Schmidt.
Frau Ministerin Lehr, haben Sie sich denn durchsetzen können? Gibt es in diesem Gesetzentwurf eine Beweislastumkehr?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Hinsichtlich der geschlechtsneutralen Stellenausschreibung ist nun die Umwandlung von Soll-Vorschriften in Muß-Vorschriften festgelegt. Das betrachten wir als ein Indiz für die Beweislast.
Frau Steinhauer als letzte Fragestellerin.
— Darf ich um parlamentarisches Verhalten bitten!
Dazu kein Kommentar! — Ich möchte klar fragen: Sind die bisherigen Antworten so zu verstehen, daß sich an der Beweislast nichts ändert?
Herr Staatssekretär!
Frau Präsidentin, wir leben leider mit dem Problem, daß mir am Anfang keine Gelegenheit gegeben wurde, die wesentlichen Punkte des Gesetzentwurfs darzustellen.
Wenn das anders gewesen wäre, würde sich diese Frage nicht stellen. Ich weiß nicht, ob es erlaubt ist, diese Stichpunkte jetzt darzustellen.
Die Fragestellung lautete, ob die Umkehr der Beweislast im Gesetz nicht vorgesehen ist.
Das ist nicht Gegenstand dieses Gesetzes.
Keine weiteren Fragestellungen; damit beende ich die Regierungsbefragung und danke den Regierungsvertretern.
Meine Damen und Herren, ich rufe Punkt 2 der Tagesordnung auf:Fragestunde — Drucksache 11/6412 —Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr auf.Frage 1 des Herrn Abgeordneten Wüppesahl und Frage 2 des Herrn Abgeordneten Lowack sollen auf Wunsch der Fragesteller schriftlich beantwortet werden. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.Ich komme sodann zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Forschung und Technologie. Der Herr Parlamentarische Staatssekretär Dr. Probst steht zur Beantwortung der Fragen zur Verfügung.Ich rufe Frage 3 des Herrn Abgeordneten Dr. Daniels auf. — Dr. Daniels ist nicht im Raum. Die Fragen 3 und 4 des Herrn Abgeordneten Dr. Daniels (Regensburg) werden nicht beantwortet. — Herr Probst, herzlichen Dank, daß Sie gekommen sind. Wir konnten Ihnen das leider nicht vorher sagen.Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz auf. Herr Parlamentarischer Staatssekretär
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15082 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 196. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Februar 1990
Vizepräsidentin RengerDr. Jahn steht zur Beantwortung der Frage zur Verfügung.Ich rufe Frage 5 des Abgeordneten Conradi auf:Teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß spezielle Regelungen für den gewerblichen Mieterschutz erforderlich sind, um die Gefahr der Verdrängung alteingesessener Geschäfte, zum Beispiel durch Spielhallen und Sex-Shops, zu vermindern, wenn ja, an welche Maßnahmen denkt die Bundesregierung?Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege Conradi, die Tatsache, daß alteingesessene Geschäfte immer wieder durch wirtschaftlich stärkere Konkurrenten von ihren Standorten in den Innenstädten verdrängt werden, hält auch die Bundesregierung für eine bedauerliche Entwicklung. Diese Entwicklung beruht aber, wie sich auch bei den Anhörungen in den zuständigen Bundestagsausschüssen zur Spielhallenproblematik gezeigt hat, nicht primär auf Ursachen, die in den Bereich des gewerblichen Mieterschutzes fallen. Die Bundesregierung sieht deshalb in den von Ihnen angesprochenen speziellen Regelungen für den gewerblichen Mieterschutz kein geeignetes Mittel, um dieses Problem zu lösen.
Davon unberührt bleibt die Prüfung der Frage, ob die mietrechtlichen Rahmenbedingungen — vor allem die Dauer der Kündigungsfrist bei Gewerberaummietern — noch den Anforderungen moderner, kapitalintensiver Betriebe entsprechen.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter.
Herr Staatssekretär, wenn die Bundesregierung erkennt, daß hier ein Problem besteht, dergestalt, daß mittelständische kleine Unternehmen im Einzelhandel durch Sex-Shops, Video-Shops und solcherlei neue Geschäfte vertrieben werden, warum ist die Bundesregierung dann nicht bereit, diese Frage jetzt zu prüfen und dem Hause Vorschläge zu machen, wie man den Mieterschutz für solche Unternehmer ausdehnen kann?
Dr. Jahn, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Conradi, ich habe gerade gesagt, daß der gewerbliche Mieterschutz für die von Ihnen bedauerten Tatbestände nicht kausal ist. Wir sind einmal der Frage nachgegangen, woran es denn liegt, daß diese Entwicklung eingetreten ist. Ich darf Ihnen mitteilen: Ein nicht geringer Anteil der Geschäfte, die nach und nach aus dem Bild unserer Städte verschwinden, gibt den Geschäftsbetrieb wegen mangelnder Rentabilität auf, andere aus Altersgründen, wieder andere wegen wirtschaftlich stärkerer Konkurrenten, und in wieder anderen Fällen werden die Geschäftsinhaber Opfer eines Strukturwandels oder können sich wegen gestiegener Umweltschutzanforderungen an bestimmten Standorten nicht mehr halten.
Zweite Zusatzfrage. Bitte, Herr Kollege.
Mit Ausnahme des Alters der Geschäftsinhaber, was sicher durch mietrechtliche Regelungen nicht zu verändern ist, sind alle anderen Tatbestände, die Sie, Herr Staatssekretär, genannt haben, Tatbestände wirtschaftlicher Art, nämlich mangelnde Rentabilität, Strukturwandel oder das Vorhandensein ertragsstärkerer Unternehmen. Letztere sind genau die Unternehmen, die eine höhere Miete zu zahlen bereit sind, und die Frage ist: Warum schützt die Bundesregierung Geschäftsinhaber nicht vor der Verdrängung, so wie wir ja auch Wohnungsinhaber vor der Verdrängung schützen? Warum sieht die Bundesregierung hier nicht die Notwendigkeit, das gewerbliche Mietrecht so auszugestalten, daß diese städtebaulich, aber auch sozial und, wenn ich an den kleineren Koalitionspartner denke — aber der nimmt das Thema offenbar nicht sehr ernst — , möchte ich fast sagen: auch wirtschaftspolitisch unerfreuliche Entwicklung hier gestoppt wird?
Dr. Jahn, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Conradi, das, was Sie hier beklagen, ist ja nicht neu. Wir haben in der Fragestunde vor einem und zwei Jahren dieselbe Thematik behandelt. Bei dieser Gelegenheit hat Ihnen die Bundesregierung gesagt, daß wir das Institut für Stadtforschung und Strukturpolitik in Berlin beauftragen wollen, ein Gutachten zu erstellen. Das Institut hat dieses Gutachten inzwischen vorgelegt. Darin heißt es — ich ziehe eine Schlußfolgerung daraus — , daß die gegenwärtige Geschäftsraummietpraxis keine drängenden Hinweise und Gründe dafür liefert, die geltende gesetzliche Kündigungsfrist generell zu verlängern. Über das weitere Vorgehen auf Grund des jetzt vorliegenden Gutachtens kann ich nähere Auskünfte erst dann geben, wenn es voll ausgewertet und das Auswertungsergebnis analysiert worden ist.
Keine Zusatzfragen. Schönen Dank, Herr Staatssekretär.
Ich rufe jetzt den Geschäftsbereich des Bundesministers für innerdeutsche Beziehungen auf. Der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Hennig steht zur Beantwortung zur Verfügung.
Frage 6 des Herrn Abgeordneten Seidenthal:
Hat die Bundesregierung, insbesondere das Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen, seit dem 9. November 1989 Kontakt zu den Zonenrandländern gehabt, um festzustellen, wie sich die Veränderungen in Deutschland auf das Zonenrandgebiet finanziell auswirken?
Bitte, Herr Staatssekretär.
Herr Kollege Seidenthal, die Auswirkungen der veränderten deutschlandpolitischen Lage seit dem November 1989 auf das Zonenrandgebiet waren in der Tat Gegenstand von Erörterungen der für die kulturelle und soziale Zonenrandförderung zuständigen Ressorts des Bundes und der Zonenrandländer. Dabei wurde insbesondere geprüft, ob und gegebenenfalls wie das Förderungsinstrumentarium der kulturellen und sozialen Zonenrandförderung den veränderten Bedürfnissen der Gemeinden, Kreise und gemeinnützigen Träger im Zonenrandgebiet angepaßt werden sollte und welche Prioritäten bei der Förderung künftig gegebenenfalls zu setzen sind.
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Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 196. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Februar 1990 15083
Parl. Staatssekretär Dr. HennigBund und Länder stimmten darin überein, daß die Förderung künftig auch die Nachfrage von Besuchern und Übersiedlern nach zusätzlichen sozialen und kulturellen Einrichtungen im Zonenrandgebiet und einer ihrer Leistungsfähigkeit angemessenen Gestaltung des Nutzungsentgelts beachten muß.Die wirtschaftliche Zonenrandförderung wurde unter den in Ihrer Frage genannten Aspekten mit den Regionalreferenten der Zonenrandländer und mit dem Zonenrandausschuß der Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände sowie den sonstigen Arbeitsgemeinschaften des Zonenrandgebietes erörtert. Es wurde einvernehmlich festgestellt, Herr Kollege Seidenthal, daß die ungeschmälerte Fortführung der Zonenrandförderung notwendig ist, solange nicht freier wirtschaftlicher Austausch über die bisherige Grenze zur DDR sichergestellt ist, bis die zu erwartenden Anpassungsschwierigkeiten infolge des unmittelbaren Aufeinandertreffens zweier unterschiedlicher Wirtschafts- und Gesellschaftssysteme überwunden sind.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Seidenthal.
Herr Staatssekretär, hatten Sie über die Beteiligung der Länder hinaus auch unmittelbaren Kontakt zu den Kommunen und den Maßnahmeträgern?
Dr. Hennig, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Seidenthal, wie ich eben ausgeführt habe, zu den Spitzenverbänden und — ich bin sicher — auch zu einzelnen Kommunen, die dabei in besonderer Weise betroffen sind, wie das ständig in der Kontaktpflege sichergestellt ist. Ich bin allerdings im Moment überfragt, Ihnen zu sagen, ob das in der Zeit flächendekkend geschehen konnte. Ich vermute, daß das nicht unbedingt der Fall sein konnte.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, welche zusätzlichen finanziellen Möglichkeiten gibt es in diesem Zusammenhang, insbesondere um solche kulturellen und sozialen Vorhaben durchzuführen, die gemeinsam von Institutionen in der DDR und der Bundesrepublik organisiert werden können?
Dr. Hennig, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Hiller, wir haben diesen Gesamtkomplex bereits im Unterausschuß Zonenrandförderung miteinander besprochen. Ich habe dort die bestehenden Möglichkeiten sorgfältig skizziert und aneinandergereiht. Wir müssen jetzt ebenso sorgfältig miteinander besprechen, ob es im Rahmen der Mittel des Nachtragshaushalts, die heute hier dargestellt worden sind, also aus den Verstärkungsmitteln von 2 Milliarden DM elastische Möglichkeiten dieser Art für die Zukunft gibt.
Das ist aber erstens mit den betroffenen Zonenrandländern und zweitens mit den zuständigen Stellen in der DDR zu besprechen. Drittens waren wir uns wohl bei den Beratungen einig, daß wir am Gesetz selbst zur Zeit nichts ändern sollten.
Zusatzfrage, Herr Dr. Rose.
Herr Staatssekretär, darf ich von Ihnen erfahren, ob Sie beim Zonenrand nicht nur an die innerdeutsche Grenze und das Gebiet dort denken, sondern auch nicht vergessen, daß es in diesem Zusammenhang auch noch das Thema bayerisches Grenzland zur Tschechoslowakei gibt, daß Sie also dieses Thema nicht ausklammern dürfen?
Dr. Hennig, Parl. Staatssekretär: Selbstverständlich, Herr Kollege Rose. Die Probleme stellen sich allerdings insofern ein Stückchen anders, als im Falle der Tschechoslowakei sichere andere Förderungsinstrumentarien relevant werden würden.
Ich rufe Frage 7 des Herrn Abgeordneten Seidenthal auf:
Welchen Bedarf an Bundesmitteln haben die Zonenrandländer insbesondere im Rahmen der Bereiche Kultur und Soziales nachgewiesen, und sind gegebenenfalls zu seiner Deckung Mittel aus dem Nachtragshaushalt 1990 vorgesehen?
Bitte, Herr Staatssekretär.
Dr. Hennig, Parl. Staatssekretär: Die finanziellen Auswirkungen in den Bereichen Kultur und Soziales sind mit etwa 92 Millionen DM beziffert worden. Die Länder haben den Bund aufgefordert, diesen Betrag zusätzlich zu den im Haushalt 1990 ausgewiesenen Mitteln von 130 Millionen DM im Wege des Nachtragshaushaltes 1990 zur Verfügung zu stellen. Ob und inwieweit ergänzende Mittel seitens der Zonenrandländer zur Verfügung stünden, konnte dabei nicht abschließend geklärt werden. Es bleibt den anstehenden Entscheidungen zum Nachtragshaushalt 1990 überlassen, ob und inwieweit den in dem Entwurf des Nachtragshaushalts 1990 bislang nicht erfüllten Anforderungen der Länder Rechnung getragen werden kann.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Seidenthal.
Herr Staatssekretär, kann ich Ihrer Antwort entnehmen, daß Sie in den Verhandlungen mit dem Finanzminister gescheitert sind? Denn es ist ja eigentlich nichts darüber zu erfahren, ob die 92 Millionen DM nun wirklich in den Nachtragshaushalt eingebaut werden.
Dr. Hennig, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Seidenthal, Sie wissen genauso gut wie ich, daß nach der Gesetzeslage Komplementärmittel der Bundesländer zwingend erforderlich sind. Wenn bisher nicht geklärt werden konnte, ob und in welchem Umfang solche Komplementärmittel zusätzlich zur Verfügung stehen können, dann ist das Ergebnis, glaube ich, klar, und dann müssen wir jetzt im Zuge der Beratungen in den zuständigen Ausschüssen und dann im Plenum des Deutschen Bundestages versuchen, bis dahin diese Klärungen länderseitig erfolgen zu lassen und anschließend die angemessenen Konsequenzen auch bezüglich des Bundesgesetzgebers daraus zu ziehen.
Eine zweite Zusatzfrage, Herr Kollege.
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15084 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 196. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Februar 1990
Herr Staatssekretär, Sie stimmen mir aber zu: Wenn die Anforderung da ist, gehen wir beide davon aus, daß die Länder auch die Mittel zur Verfügung stellen.
Jetzt meine zweite Frage: Wie verteilt sich der Bedarf auf die einzelnen Gebiete? Können Sie darüber Aussagen treffen, oder wäre es möglich, es zumindest schriftlich zu bekommen?
Dr. Hennig, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Seidenthal, ich habe hier eine umfangreiche Ausarbeitung dazu und stelle sie Ihnen gerne unmittelbar anschließend zur Verfügung.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Hiller.
Herr Staatssekretär, wann rechnen Sie damit, daß die Länder ihren Antragstau insoweit bearbeiten, daß sie Ihnen mitteilen, welcher zusätzliche Bedarf für diese Maßnahmen existieren wird, und werden Sie sich dann dafür einsetzen, daß dieser Mittelansatz verdoppelt wird?
Dr. Hennig, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Hiller, den zusätzlichen Bedarf habe ich ja hier genau beziffert. Es geht jetzt aber darum, daß nicht nur zusätzlicher Bedarf vorhanden ist, sondern auch zusätzliche Komplementärmittel eingestellt werden. Dies ist bis zur Stunde nicht geklärt.
Im übrigen sind wir uns, glaube ich, über die Parteien und Fraktionen im Zonenrandausschuß darüber einig, daß wir nach Möglichkeit diese Mittel verstärken wollen.
Eine Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Blunck.
Herr Staatssekretär, habe ich Sie richtig verstanden: Die Bundesregierung stellt keine zusätzlichen Mittel zur Verfügung, sondern sie macht dieses Schwarze-Peter-Spiel weiter, indem sie sagt: Wir stellen zwar nichts zur Verfügung, aber die Länder sollen doch bitte etwas zahlen?
Dr. Hennig, Parl. Staatssekretär: Nein, Frau Kollegin Blunck, da haben Sie mich völlig mißverstanden. Ich bin nicht sicher, ob das an meiner undeutlichen Ausdrucksweise oder an der Aufnahme durch Sie liegt.
Aber ich will gerne wiederholen, daß wir nur in dem Umfang handeln können, in dem den Gesetzesanforderungen Genüge getan wird. Dazu gehört, daß sich hier beide Seiten komplementär bewegen. Der Bund wird dies gerne prüfen, sobald die Bundesländer hier das ihrige getan haben. Wir setzen uns dann gemeinsam dafür ein.
Keine weitere Zusatzfrage. Danke, Herr Staatssekretär.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern auf. Herr Parlamentarischer Staatssekretär
Spranger steht zur Beantwortung der Fragen zur Verfügung.
Die Frage 8 des Abgeordneten Austermann wird auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 9 des Herrn Abgeordneten von Schmude auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, wie viele Asylbewerber sich in den letzten fünf Jahren jährlich gemeldet haben, und wie viele von diesen als Asylanten anerkannt worden sind?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Herr Kollege von Schmude, im Zeitraum vom 1. Januar 1985 bis zum 31. Dezember 1989 haben insgesamt 455 255 Ausländer Asyl in der Bundesrepublik Deutschland beantragt.
Ich bitte um Nachsicht, wenn ich jetzt eine Reihe von Zahlen nennen muß. Sie bekommen das dann ja auch schriftlich im Protokoll.
Im Jahre 1985 waren es 73 832 Personen, 1986 99 650 Personen, 1987 57 379 Personen, 1988 103 076 Personen und 1989 121 318 Personen. Vom 1. Januar 1990 bis zum 10. Februar 1990 haben 17 864 Ausländer einen Asylantrag gestellt.
In den Jahren 1985 bis 1989 hat das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge insgesamt 41 920 Ausländer als Asylberechtigte anerkannt, und zwar 11 224 Personen im Jahre 1985, 8 853 Personen im Jahre 1986, 8 231 Personen im Jahre 1987, 7 621 Personen im Jahre 1988 und 5 991 Personen im Jahre 1989. Im Januar 1990 sind 437 Ausländer als Asylberechtigte anerkannt worden.
Diese Angaben beruhen auf der Geschäftsstatistik des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge. Eine Verlaufsstatistik, die Aufschluß darüber geben könnte, wie viele Antragsteller eines bestimmten Zeitraumes anerkannt worden sind, wird nicht geführt.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter von Schmude.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich stelle die Zusatzfrage im Zusammenhang mit meiner zweiten Frage; ich habe ja noch eine.
Dann rufe ich jetzt die Frage 10 des Abgeordneten von Schmude auf:Ist der Bundesregierung weiter bekannt, wie hoch die Zahl der abgeschobenen Asylbewerber und die der abgelehnten, aber geduldeten Asylbewerber für denselben Zeitraum ist?Herr Staatssekretär.Spranger, Parl. Staatssekretär: Die Ausländerbehörden der Länder, die hierfür zuständig sind, führen Aufzeichnungen über den Zugang und den Verbleib ehemaliger Asylbewerber erst seit dem 1. Januar 1987. Danach sind im Jahre 1987 2 417 Ausländer, im Jahre 1988 2 793 Ausländer und im ersten Halbjahr 1989 1 386 Ausländer abgeschoben worden, deren Asylantrag bestands- bzw. rechtskräftig abgelehnt worden ist.
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Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 196. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Februar 1990 15085
Parl. Staatssekretär SprangerIm Jahre 1987 haben 10 361 Ausländer, im Jahre 1988 17 701 Ausländer und im ersten Halbjahr 1989 9 141 Ausländer, deren Asylantrag abgelehnt worden ist, eine Duldung erhalten; für das zweite Halbjahr 1989 liegen die Angaben noch nicht vor.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter von Schmude.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Staatssekretär, wie schätzt die Bundesregierung die Aussichten ein, daß die abgelehnten, aber geduldeten Asylbewerber in ihre Heimatländer zurückgeschickt werden können?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege von Schmude, angesichts der Fülle von Einzelfällen, die hier ja jeweils zu entscheiden sind, und angesichts der Fülle verschiedener Behörden, die in verschiedenen Ländern für diese Entscheidungen zuständig sind, läßt sich eine allgemeine Bewertung Ihrer Frage, glaube ich, überhaupt nicht vornehmen.
Zweite Zusatzfrage, bitte.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Staatssekretär, ist der Bundesregierung wenigstens in etwa bekannt, auf welche Summe sich die Kosten der öffentlichen Hand pro Jahr für die abgelehnten, aber geduldeten Asylbewerber belaufen?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Auch das ist eine Frage, die im wesentlichen im Zusammenhang mit den bei den Ländern und bei den Kommunen entstehenden Kosten zu beantworten wäre. Es gibt da überschlägige Schätzungen, auch aus den vergangenen Jahren. Ich bin gern bereit, zu versuchen, Ihre Frage, die ja über das Thema weit hinausreicht, in Abstimmung mit den Ländern noch näher abzuklären und Ihnen das dann zu übermitteln.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Conradi.
Herr Staatssekretär, Sie haben die Zahlen ja sehr ausführlich vorgetragen. Ich glaube, es waren im Vierjahreszeitraum rd. 450 000. Das habe ich richtig gehört, ja?
Spranger, Parl. Staatssekretär: 455 000 in fünf Jahren.
Können Sie uns sagen, wie viele davon aus Ostblockländern kommen, in denen eine politische Verfolgung tatsächlich gar nicht mehr stattfindet?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Conradi, auch hier hat sich die Entwicklung in den letzten fünf Jahren natürlich außerordentlich verändert. Zwar kommen insbesondere — wie früher — nach wie vor Asylbewerber aus Polen, aber die Anerkennungsquoten sind natürlich rapide heruntergegangen.
Wenn Sie einen Überblick über die Verteilung der letzten fünf Jahre haben wollen, bin ich gern bereit, Ihnen das zu übermitteln.
Zweite Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, teilen Sie angesichts der Tatsache, daß etwa, wenn ich die Zahlen richtig im Kopf habe, 40 % der Asylbewerber aus Ostblockstaaten kommen, möglicherweise sogar mehr, meine Auffassung, daß die Abschiebung abgelehnter Asylbewerber in Ostblockstaaten, in denen faktisch überhaupt keine politische Verfolgung mehr stattfindet, durchaus angebracht wäre und schneller erfolgen könnte als bisher?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Also, die 40 % stimmen natürlich für die Jahre 1989 und 1990 nicht mehr.
Was die Verteilung der Asylbewerber im Januar anlangt, haben wir unter den 13 256 2 581 aus der Türkei, 2 300 aus Jugoslawien, 1 900 aus Vietnam — das ist dieser Schub aus der DDR — , 1 100 aus Polen, 900 aus dem Libanon und 464 aus dem Iran. Das sind also die maßgeblichen Länder. Wir müssen jeden Einzelfall prüfen. Inwieweit das bestehende Rechtsverfahren bei der Behauptung eines Antragstellers, Anlaß für ihn, in die Bundesrepublik Deutschland zu kommen, seien politische Verfolgungen, Pauschalierungen verfassungsrechtlich überhaupt zulassen würde, möchte ich bloß als Frage in den Raum stellen.
Die Frage 11 des Abgeordneten Stiegler wird schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 12 des Herrn Abgeordneten Dr. Emmerlich auf:
Nachdem die Bundesregierung auf meine mündliche Frage 52 in der Sitzungswoche vom 6. bis 9. Februar 1990 schriftlich geantwortet hat, das Bundeskriminalamt habe keine Vereinbarungen mit Privatpersonen abgeschlossen, in denen diesen die Durchführung von Ermittlungstätigkeiten bei der Strafverfolgung übertragen worden sei, frage ich, will die Bundesregierung bestreiten, daß niedersächsische Polizeibehörden dem Privatdetektiv Mauss, der ihnen vom Bundeskriminalamt zu diesem Zwecke empfohlen worden war, mit vorheriger oder nachheriger Kenntnis und/oder Billigung des BKA Ermittlungsaufträge zur Strafverfolgung erteilt haben?
Bitte sehr, Herr Staatssekretär.
Spranger, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Dr. Emmerlich, es entspricht ständiger Praxis der Bundesregierung, sich zu Vorgängen im alleinigen Zuständigkeits- und Verantwortungsbereich der Länder nicht zu äußern. Dem Bundeskriminalamt ist nicht bekannt, ob niedersächsische Polizeibehörden dem Privatdetektiv Mauss Ermittlungsaufträge zur Strafverfolgung erteilt haben.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Emmerlich.
Mir liegt, Herr Staatssekretär, die Dienstanweisung des Bundeskriminalamts über die Zusammenarbeit mit Informanten und V-Personen vor. Wollen Sie bestreiten, daß sich aus dem Wortlaut dieser Dienstanweisung ergibt, daß das Bundeskriminalamt Privatpersonen in der Vergangenheit, in der Gegenwart und auch in der Zukunft eingeschaltet hat bzw. einschalten wird, um Strafverfolgungsmaßnahmen durchzuführen, also um Ermittlungstätigkeit im
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15086 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 196. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Februar 1990
Dr. EmmerlichZusammenhang mit der Strafverfolgung ausführen zu lassen?Spranger, Parl. Staatssekretär: Lieber Herr Kollege Dr. Emmerlich, in Ihrer Frage in dieser Woche nehmen Sie Bezug auf die schriftlich beantwortete frühere mündliche Anfrage von Ihnen in der letzten Sitzungswoche. In dieser schriftlichen Antwort auf Ihre damalige Fragestellung ist ausdrücklich beschrieben worden, was die Tätigkeit eines V-Mannes ist. Ich nehme Bezug auf diese Antwort.
Aus dieser Antwort ergibt sich auch, daß das rechtmäßig und zulässig war, was in diesem Zusammenhang in bezug auf das BKA geschehen ist.
Zweite Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, meine heutige Frage bezieht sich auf eine falsche Antwort, die Sie mir schriftlich auf meine Frage erteilt haben, ob das BKA Privatpersonen mit Ermittlungstätigkeiten im Zusammenhang mit der Strafverfolgung beauftrage. Diese Frage habe ich gestellt, und diese Frage ist die Ausgangsfrage. Jetzt hatte ich erneut gefragt, ob die Antwort auf diese Frage richtig ist. Lassen Sie mich das also zunächst richtigstellen.
Lassen Sie mich aber dann eine zweite Zusatzfrage stellen: Wollen Sie bestreiten, daß das Bundeskriminalamt nach einem mir vorliegenden, von Ihnen unterzeichneten Schreiben in den Jahren 1968 bis 1979 in 82 Ermittlungsverfahren den Privatdetektiv Mauss mit der Durchführung von Ermittlungen beauftragt hat?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Ich kann jetzt die Zahl nicht nennen.
— Das mag ja alles sein. Das, was da drinsteht, ist dann auch zutreffend.
Ich gehe noch einmal auf Ihre erste Zusatzfrage ein. In bezug auf Ihre Frage damals, was Ermittlungstätigkeiten bei der Strafverfolgung anbelangt, habe ich Ihnen übermittelt, daß das Bundeskriminalamt keine Vereinbarungen mit Privatpersonen geschlossen hat, in denen diesen die Durchführung von Ermittlungstätigkeiten bei der Strafverfolgung und Gefahrenabwehr übertragen worden ist. Soweit im Rahmen von Ermittlungsverfahren im Einzelfall sogenannte V-Personen eingesetzt werden, führen diese keine hoheitlichen Tätigkeiten aus. Ich habe in der zweiten Antwort auf Ihre zweite Frage noch im einzelnen beschrieben, unter welchen Voraussetzungen der Einsatz von V-Personen nicht nur zulässig, sondern rechtlich einwandfrei auch von den Ländern und von den Gerichten anerkannt ist. In dieser Art hat sich die Zusammenarbeit des BKA mit Herrn Mauss bewegt, was Sie, lieber Kollege Dr. Emmerlich, im Grunde auch sehr gut wissen.
Ich rufe jetzt die Frage 13 des Herrn Abgeordneten Dr. Emmerlich auf:
Will die Bundesregierung bestreiten, daß Mauss polizeiliche Ermittlungen zur Strafverfolgung durchgeführt, auf sie Einfluß genommen, sie teils sogar gesteuert hat und dabei Ermittlungshandlungen mit Hilfe und unter Mitwirkung von Polizeibeamten vorgenommen hat, die der Polizei nach geltendem Recht aus rechtsstaatlichen Gründen verboten sind?
Herr Staatssekretär.
Spranger, Parl. Staatssekretär: Wie Ihnen bekannt ist, wurde Herr Mauss vom Bundeskriminalamt seinerzeit als V-Mann eingesetzt. V-Mann ist — wie es auch in einem Beschluß der Ständigen Konferenz der Innenminister/-senatoren der Länder vom 17. Oktober 1985 festgehalten ist — eine Person, die, ohne einer Strafverfolgungsbehörde anzugehören, bereit ist, diese bei der Aufklärung von Straftaten auf längere Zeit vertraulich zu unterstützen, und deren Identität grundsätzlich geheimgehalten wird. Nur in diesem Sinne war Herr Mauss für das Bundeskriminalamt tätig. Ich habe das vorhin schon zum Ausdruck gebracht. Für das Bundeskriminalamt hat Mauss keine Ermittlungsaufträge zur Strafverfolgung übernommen. Er hat die Ermittlungen des Bundeskriminalamtes nicht gesteuert, nicht auf sie Einfluß genommen und keine Ermittlungshandlungen vorgenommen, die dem Bundeskriminalamt nach geltendem Recht verboten waren.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Emmerlich.
Mir liegen drei Vereinbarungen zwischen dem Bundeskriminalamt und dem Ehepaar Mauss über die Mitarbeit bei der Strafverfolgung vor. Aus diesen Vereinbarungen ergibt sich — ich frage Sie, ob Sie das bestreiten wollen —, daß das Ehepaar Mauss in allen Ermittlungsverfahren, in denen es tätig war, gleichgültig, ob diese beim Bundeskriminalamt oder bei Landespolizeibehörden liefen, eine Berichtspflicht gegenüber dem Bundeskriminalamt hatte. Wollen Sie leugnen, daß die rechtswidrigen Ermittlungsmaßnahmen, die Mauss durchgeführt hat, Ihnen in diesen Berichten geschildert worden sind?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Ich leugne überhaupt nichts, Kollege Dr. Emmerlich. In der Sache hat die Bundesregierung ständig und offen hier informiert, wahrheitsgemäß die einzelnen Dinge dargestellt und die Fragen beantwortet. Sie haben vorhin den Brief erwähnt, den ich Ihnen zugänglich gemacht habe. In diesem Brief sind drei Fälle im einzelnen aufgeführt. Ich weiß nicht, ob Sie auf diese Bezug nehmen. Es sind 3 von insgesamt 82 Verfahren. Hier ist Herr Mauss in der Form tätig geworden, wie es die Vereinbarungen vorgesehen haben, die zulässig sind.
Zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Emmerlich.
Ist dem Bundeskriminalamt durch Berichte des Ehepaars Mauss bekanntgeworden, daß das Ehepaar Mauss im Falle des Juweliers Düe in rechtswidriger Weise Abhöraktionen mit Hilfe niedersächsischer Polizeibeamter im Ausland durch-
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Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 196. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Februar 1990 15087
Dr. Emmerlichgeführt hat und daß das Ehepaar Mauss eine Person, die in Deutschland lebt, deshalb veranlaßt hat, einen Brandanschlag auf ein griechisches Schiff in Griechenland durchzuführen, um unter dem Druck der Haft in Griechenland ein Geständnis herbeizuführen?Spranger, Parl. Staatssekretär: Ich bitte, davon abzusehen, auch in Frageform dem BKA in diesem Zusammenhang in irgendeiner Form ein rechtswidriges Handeln zu unterstellen.
Ich bin gern bereit, soweit das BKA von dieser niedersächsischen Problematik überhaupt berührt ist — ich habe in der ersten Antwort schon darauf hingewiesen, daß die Bundesregierung nicht zuständig ist, was Niedersachsen anbelangt — , Ihre Frage nochmals überprüfen zu lassen und Ihnen eine Antwort zugänglich zu machen.
Frau Abgeordnete Blunck, eine Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, sagen Sie eigentlich den Parlamentariern hier bewußt die Unwahrheit, oder sagen Sie aus Unkenntnis die Unwahrheit?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Weder sehe ich einen Zusammenhang zu den bisherigen Fragen und Antworten,
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15088 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 196. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Februar 1990
Rede von: Unbekanntinfo_outline
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Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 196. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Februar 1990 15089
— Entschuldigung, nun warten Sie doch einmal in aller Ruhe ab.
Zu der Zeit hat der Bundesminister für Post und Telekommunikation noch als Vorstand eines Unternehmensbereichs gehandelt, indem er das verfügt hat. Jetzt hat er eine andere Zuständigkeit. Seit dem 1. Januar 1990 sind, wie Sie wissen, die Unternehmensvorstände tätig.
Das war nicht meine Frage. Das ist mir alles bekannt. Meine Frage ist, ob eine solche zweifellos als politisch zu bezeichnende Vorgabe für die selbständigen Unternehmen gilt oder nicht.
Rawe, Parl. Staatssekretär: Ich habe Ihnen vorhin gesagt: Eine solche Zielvorgabe wird es künftig seitens des Bundesministers nicht geben können, weil die Einzelentscheidungen vom Bundesminister nicht vorgegeben werden. Wenn eine solche Verfügung draußen ist, wie Sie sagen, kann ich nur sagen: Sie paßt in diese Zeit nicht hinein. Ich bin gerne bereit, der Sache noch einmal nachzugehen und notfalls auch Sorge dafür zu tragen, daß die Unternehmen sie entsprechend korrigieren.
Ich darf dann zu meiner zweiten Zusatzfrage kommen: Würden Sie also sagen, daß an diesem Punkt § 25 des Gesetzes, den Sie eben selbst zitiert haben, nicht greift?
Rawe, Parl. Staatssekretär: Das würde ich von dem Einzelfall abhängig machen. In diesem Fall würde ich sagen, daß die Vorschrift greifen muß; denn es ist ja eine Zielvorgabe, daß wir die Menschen unterbringen wollen.
Teilen Sie meine Auffassung, Herr Staatssekretär, daß zu den politischen Vorgaben nach § 25 des Gesetzes auch die Beachtung des Personalvertretungsgesetzes gehört?
Rawe, Parl. Staatssekretär: Das braucht keine politische Zielvorgabe zu sein, weil es Gesetz ist, und nach dem Gesetz müssen sich alle bei uns im Lande richten.
Wenn also im Bereich des selbständigen Unternehmensbereichs Telekom nachweislich gegen Bestimmungen des Personalvertretungsgesetzes verstoßen wird, bedeutet das, daß Sie eingreifen müßten?
Rawe, Parl. Staatssekretär: Das würde es in der Tat bedeuten. Nur, wissen Sie, wir haben so clevere Personalräte; da brauchte ich mir keine Sorgen zu machen, das tun sie von selbst.
Die Zahl meiner Zusatzfragen ist erschöpft, Frau Präsidentin. — Ich hätte gerne noch gefragt, ob Sie, Herr Staatssekretär, dem Fall einmal nachgehen könnten.
Rawe, Parl. Staatssekretär: Das sichere ich Ihnen gerne zu, Herr Kollege Toetemeyer, schon wegen unserer sonstigen guten Zusammenarbeit. Wir können uns aber nachher gerne noch darüber unterhalten.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe die Frage 26 des Herrn Abgeordneten Dr. Rose auf:
Beabsichtigt die Bundesregierung, nicht bloß den privaten Betrieb moderner Informationsgeräte wie z. B. AIRCONTROL M 6 strafbar zu machen, sondern auch bereits den Vertrieb?
Rawe, Parl. Staatssekretär: Frau Präsidentin, ich würde auch in diesem Fall die nächste Frage gerne mit beantworten.
Einverstanden, Herr Rose? — Okay, dann rufe ich auch die Frage 27 auf:
Denkt die Bundesregierung zur Vermeidung von Straftaten unbescholtener Bürger an ein Werbungsverbot für diese Geräte in öffentlich zugänglichen Medien?
Rawe, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Dr. Rose, die Bundesregierung hat zur Zeit keine konkreten Absichten, den Vertrieb von Funkempfängern zu verbieten, deren Betrieb in der Bundesrepublik Deutschland verboten ist. Die Bundesregierung denkt auch nicht an ein Verbot der Werbung für diese Geräte. Auf das Verbot des Betriebs solcher Geräte wird in der Werbung ausdrücklich hingewiesen, so daß die Bürger durchaus selber in der Lage sind, eine Straftat durch unzulässiges Betreiben eines solchen Geräts zu vermeiden.
Zusatzfrage, Herr Dr. Rose.
Herr Staatssekretär, halten Sie es nicht trotzdem für moralisch nicht vertretbar oder vielleicht sogar für sadistisch, wenn man jemandem eine Ware hinhält und ihn dann, wenn er zugreift, bestraft?
Rawe, Parl. Staatssekretär: Nein, denn es wird, wie gesagt, in der Werbung für diese Waren und auch bei deren Verkauf deutlich darauf hingewiesen, daß man sie hier nicht in Betrieb nehmen darf. Trotzdem wollen manchmal Käufer ein solches Gerät erwerben, weil sie wissen, daß sie verwendet werden können, sobald sie außerhalb des Hoheitsbereichs der Bundesrepublik Deutschland sind, z. B. auf See. Ich denke beispielsweise an die Nordsee; dort werden sie gerne verwendet.
Ich will Ihnen gerne noch sagen, daß zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht endgültig zu beschreiben ist, wie man sich in der EG verhalten wird. Einzelne Länder in der EG vertreten zu diesem ganzen Fragenkomplex eine unterschiedliche Auffassung. Ich
15090 Deutscher Bundestag — i 1. Wahlperiode — 196. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Februar 1990
Parl. Staatssekretär Rawe
gehe davon aus, daß es langfristig gesehen hierzu eine einheitliche EG-Richtlinie gibt.
Eine Zusatzfrage.
Können Sie schon absehen, in welche Richtung diese Einigung gehen wird?
Rawe, Parl. Staatssekretär: Nein, das kann ich leider nicht.
Sie wissen, es ist so ungemein schwer, die unterschiedlichen Ländermeinungen in der EG abzuklären. Das vorauszusehen verlangt prophetische Fähigkeiten, die mir leider nicht gegeben sind.
Weitere Zusatzfrage.
Können Sie in dem vorliegenden Fall, wo es sich um Aircontrol M 6 handelt, ausschließen, daß es eine bewußte Falle ist, weil der Betreffende, der es gutgläubig erworben hat, und zwar auf Grund eines Inserats in einer öffentlich zugänglichen Rundfunk- und Fernsehzeitung, plötzlich im Fahndungsraster der Terroristenfahndung aufgetaucht ist?
Rawe, Parl. Staatssekretär: Ich kenne diesen Fall nicht. Nur, wenn er seine Gutgläubigkeit nachweisen kann, kann ich mir nicht vorstellen, daß er dann bestraft wird.
— Das ist völlig korrekt. Ich sage ja: Wenn er gutgläubig ist, gehe ich davon aus, daß er auch nicht bestraft wird.
Ein komplizierter Fall; ich sehe das schon. — Bitte schön, Herr Dr. Rose.
Die Frage war allerdings ein bißchen anders gestellt, nämlich ob Sie ausschließen können, daß es eine bewußte Falle war.
Rawe, Parl. Staatssekretär: Das kann ich natürlich nicht ausschließen; denn dann müßte ich in jedem Einzelfall dahinter sein.
Danke schön, Herr Staatssekretär, wir haben alle Fragen beantwortet.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau auf. Herr Parlamentarischer Staatssekretär Echternach steht zur Beantwortung zur Verfügung.
Die Fragen 28 und 29 des Abgeordneten Dr. Sperling werden schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.
Wir kommen zur Frage 30 des Herrn Abgeordneten Conradi:
Wie ist der Stand der Umsetzung des Beschlusses des Deutschen Bundestages vom 20. April 1989, durch planungsrechtliche und steuerrechtliche Maßnahmen zum Schutze städtebaulicher Entwicklung und abhängiger Geldspieler beizutragen?
Herr Echternach, bitte.
Frau Präsidentin! Herr Kollege Conradi! Die Antwort lautet: Mit dem Inkrafttreten der novellierten Baunutzungsverordnung am 27. Januar 1990 wurde der bauplanungsrechtliche Teil des Beschlusses des Deutschen Bundestages vom 20. April 1989 erfüllt. Mit der Neuregelung des Rechts der Vergnügungsstätten, zu denen auch Spielhallen gehören, stehen den Gemeinden nunmehr umfassende Steuerungsmöglichkeiten zur Verfügung. Die Zulässigkeit von Vergnügungsstätten in den Baugebieten wurde neu und einschränkend geregelt.
Im Zusammenhang mit dem steuerrechtlichen Teil des Bundestagsbeschlusses hat der Bundeswirtschaftsminister dem Bundesrat Anfang Januar 1990 die 2. Verordnung zur Änderung der Spielverordnung zur Zustimmung zugeleitet. Darin wird klargestellt, daß entsprechend der Umsatzsteuersystematik der Spieler mit der Umsatzsteuer belastet wird.
Inzwischen haben sich die Hersteller im Rahmen der freiwilligen selbstbeschränkenden Vereinbarung, die Ihnen seit dem 15. Januar 1990 als Bundestagsdrucksache vorliegen, zum Einbau manipulationssicherer Zählwerke verpflichtet. Für die neuen Geräte, die über Zählwerke verfügen, wird eine Schätzung der Besteuerungsgrundlage für die Umsatzsteuer rechtlich nicht mehr erforderlich sein. Für Altgeräte wird eine Übergangsregelung durch Verwaltungsregelung getroffen. Sie wird eine stufenweise Anhebung des Vervielfältigers vorsehen, deren Ausmaß vom Bundesminister der Finanzen mit den Ländern abgestimmt wird.
Zusatzfrage?
Zu einer Zusatzfrage Herr Reschke.
In Abschnitt IV seines Beschlusses hat der Deutsche Bundestag einige Empfehlungen ausgesprochen. Wie weit ist denn da die Umsetzung?
Echternach, Parl. Staatssekretär: Können Sie mir sagen, was für Empfehlungen es inhaltlich sind, weil ich die Empfehlungen hier nicht vorliegen habe?
Die Empfehlung lautet, Forschungsaufträge zu folgenden Themen zu vergeben:1. Ursachen des pathologischen Glücksspiels und Möglichkeiten seiner Prävention und Therapie,2. Verbreitung pathologischen Glücksspiels und Verteilung auf Altersgruppen und soziale Schichten,3. Bestandsaufnahme der Beratung und therapeutischen Versorgung, Entwicklung eines Beratungskonzepts, Rückfallhäufigkeit.4. Umfeldkriminalität,
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Reschke5. Möglichkeiten der definitorischen Abgrenzung von Glücks- und Unterhaltungsspielen mit Gewinnmöglichkeit an Hand empirisch gewonnener struktureller Merkmale.Echternach, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Reschke, dies alles betrifft nicht die Zuständigkeit meines Hauses.
Aber es sind für die Fragestunde heute eine Fülle von Fragen — 10 bis 15 Fragen — zu diesem Gesamtkomplex angemeldet. Ich gehe davon aus, daß Sie Ihre Frage dann auch an die zuständigen Häuser richten können.
Sie haben keine zweite Zusatzfrage. Außerdem hat in diesem Fall der Herr Staatssekretär recht. Es ist ein anderes Ministerium.
— Wir wollen jetzt keine Diskussion darüber führen. Der Staatssekretär hat selber gemeint, daß ein anderes Ministerium zuständig ist.
Frau Weyel hat eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär. können Sie mir ganz konkret Auskunft darüber geben, wie man in einer Innenstadt im Kernbereich die Zulassung von Spielhallen verhindern kann?
Echternach, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin, wenn es sich um den Kernbereich im bauplanungsrechtlichen Sinne handelt, dann gelten Vergnügungsstätten wie Spielhallen dort als grundsätzlich zulässig. Wenn sie massiert auftreten, kann dies wegen der Massierung, die mit städtebaulich negativen Auswirkungen verbunden sein könnte, einen Verstoß gegen städtebauliche Grundsätze darstellen, so daß die Gemeinde dagegen vorgehen kann. Außerdem kann sie mit einem gesonderten Bebauungsplan weitergehende Beschränkungen natürlich immer vornehmen. Solche Maßnahmen können auch schon durch Veränderungssperren wirksam gesichert werden.
Danke schön, Herr Staatssekretär.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen auf. Der Parlamentarische Staatssekretär Carstens steht zur Beantwortung zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 46 des Herrn Abgeordneten Dr. de With auf:
Wird es u. a. auch zu einem Truppenabzug im US-Standort Bamberg kommen, und wird sich die Bundesregierung dabei für Hilfsmaßnahmen zugunsten der betroffenen Arbeitnehmer einsetzen?*)
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
*) Siehe Frage 74
Herr Kollege Dr. de With, auf welche Standorte im Bundesgebiet sich die von Präsident Bush vorgeschlagene Vereinbarung über Truppenreduzierung in Europa auswirken wird, läßt sich in der gegenwärtigen Verhandlungsphase noch nicht abschätzen. Damit ist auch keine Aussage möglich, ob und gegebenenfalls in welcher Weise der Standort Bamberg betroffen sein könnte.
Allgemein — ich sage noch einmal: allgemein — gilt aber, daß die Bundesregierung schon 1971 den Tarifvertrag zur sozialen Sicherung der örtlichen Arbeitnehmer der Stationierungsstreitkräfte abgeschlossen hat. Danach werden die örtlichen Arbeitnehmer im Falle der Beendigung ihrer Arbeitsverhältnisse wegen Verminderung der Truppenstärke bei der Einstellung in den deutschen öffentlichen Dienst bevorzugt berücksichtigt. Daneben erhalten langjährig beschäftigte ältere Arbeitnehmer eine Überbrükkungshilfe zu den Leistungen der Bundesanstalt für Arbeit im Falle der Arbeitslosigkeit oder zu einem geringen Verdienst in einer anderweitigen Beschäftigung.
Die Frage nach Hilfsmaßnahmen für die örtlichen Arbeitnehmer der US-Streitkräfte in Bamberg stellt sich, wie anfangs gesagt, im gegenwärtigen Zeitpunkt für die Bundesregierung nicht.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. de With.
Herr Staatssekretär, kann die Bundesregierung sich vorstellen, daß es hier nicht nur darum geht, betroffenen Arbeitnehmern eine Möglichkeit zu geben, aus dieser Situation möglichst heil herauszukommen, sondern daß ein Truppenabzug — und ich will den, damit es hier klar ist — generelle Auswirkungen hat, z. B. auf ganze Liegenschaften, auf eine Region, und daß durch den Kaufkraftverlust wesentliche Nachteile entstehen können, die dann wettgemacht werden sollten? Gibt es hierzu Vorstellungen, wie dies jedenfalls zum Teil abgemildert werden könnte?
Carstens, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege de With, wie man diese Frage im Einzelfall regeln könnte, liegt sicherlich auch in der Zuständigkeit des Bundesverteidigungsministeriums. Aber ich möchte es doch unterlassen, hier auf hypothetische Fragestellungen schon konkrete Auskünfte zu geben.
Wir haben zum Ausdruck gebracht, was im Falle des Falles passiert; aber ich habe hinzugefügt, daß sich diese Frage im Moment nicht stelle. Auch kann ich auf konkrete Fragen nur konkret antworten.
Weitere Zusatzfrage, Abgeordneter de With.
Trifft es zu, daß noch in diesem Jahr 15 000 amerikanische Soldaten abgezogen werden und dies in erster Linie in der sogenannten zweiten Linie erfolgt?Carstens, Parl. Staatssekretär: Wenn ich es richtig weiß, Herr Kollege de With, haben Sie noch eine Frage zum Bereich des Verteidigungsministers ge-
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Parl. Staatssekretär Carstensstellt. Ich möchte Sie herzlich bitten, diese Frage dort zu stellen, weil ich sie in meinem Zuständigkeitsbereich nicht beantworten kann.
Danke sehr!
Die Frage 47 des Herrn Abgeordneten Stiegler und die Frage 48 des Herrn Abgeordneten Austermann werden auf Wunsch der Fragesteller schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich rufe die Frage 49 des Herrn Abgeordneten Dr. Müller auf:
Welche Haltung nimmt die Bundesregierung zur geplanten Tabaksteuerharmonisierung für Pfeifen- und Schnupftabak, die zu einer Tabaksteuererhöhung bei Pfeifentabak um 82 % und bei Schnupftabak um 7 000 % führt, innerhalb der Europäischen Gemeinschaft ein?
Bitte sehr, Herr Staatssekretär.
Carstens, Parl. Staatssekretär: Gestatten Sie, daß ich die beiden Fragen wegen des inhaltlichen Sachzusammenhangs zusammenfassend beantworte?
Dann rufe ich zugleich die Frage 50 auf:
Ist die Bundesregierung der Meinung, daß eine Steuerharmonisierung für Schnupftabak auch dann erfolgen soll, wenn er fast nur in Großbritannien und der Bundesrepublik Deutschland als den Hauptverbrauchsländern eine Rolle spielt?
Carstens, Parl. Staatssekretär: Die Bundesregierung setzt sich für eine differenzierte Definition des Rauchtabaks in Feinschnitt und Pfeifentabak mit einer deutlich geringeren Steuerbelastung des Pfeifentabaks ein. Grund hierfür ist, daß der Pfeifentabak anders als der Feinschnitt nicht als Ersatz zur Zigarette verwandt werden kann.
Die Bundesregierung verneint einen Harmonisierungsbedarf bei Schnupftabak wegen der eng begrenzten regionalen Bedeutung und wird diesen Standpunkt, Herr Kollege Müller, auf europäischer Ebene vertreten.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Dr. Müller.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Staatssekretär, haben Verhandlungen der Bundesregierung mit der Kommission Aussichten, daß die Kommission eventuell Ihren Vorschlag gar nicht zur Abstimmung bringt?
Carstens, Parl. Staatssekretär: Die ersten Gespräche auf der Arbeitsebene haben uns gezeigt, daß wir durchaus gute Chancen sehen, mit unserem Standpunkt durchzukommen.
Zweite Zusatzfrage.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Staatssekretär, die Bundesregierung teilt also offensichtlich meine Meinung, daß für ein Produkt, das praktisch nur in zwei Ländern der EG eine Rolle spielt, wo die Hauptproduktion in einem Regierungsbezirk Bayerns, nämlich in Niederbayern, für die ganze EG stattfindet, kein Handlungsbedarf auf EG-weiter Ebene vorhanden ist?
Carstens, Parl. Staatssekretär: Herr Abgeordneter Dr. Müller, die Bundesregierung teilt Ihre Meinung.
Zu einer Zusatzfrage Frau Abgeordnete Blunck.
Herr Staatssekretär, macht die Bundesregierung hier diesen Unterschied zwischen Pfeifentabak und Schnupftabak, obwohl der Pfeifentabak erhebliche gesundheitliche Auswirkungen hat? Ich denke, daß gerade die Bundesregierung
im Rahmen der Gesundheitsvorsorge für die Verbraucher und Verbraucherinnen hier wirklich etwas tun müßte und durchaus eine Steuererhöhung um 82 % zulassen müßte?
Carstens, Parl. Staatssekretär: Alles, was im Bereich der Gesundheitsvorsorge getan werden sollte, sollte auch die Regierung ins Auge fassen. Aber bei dieser Problematik stehen die Punkte, die Herr Kollege Dr. Müller von sich aus angesprochen hat, im Vordergrund, und wir teilen seine Meinung.
Keine weitere Zusatzfrage.
Die Fragen 51 und 52 des Herrn Abgeordneten Uldall werden wie in der Geschäftsordnung vorgesehen behandelt, da der Fragesteller nicht anwesend ist.
Die Frage 53 des Herrn Abgeordneten Wüppesahl wird auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ebenfalls werden die Fragen 54 und 55 des Herrn Abgeordneten Poß auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.
Sodann rufe ich die Frage 56 des Herrn Abgeordneten Reschke auf:
Wird die Bundesregierung die Veranlassung geben, die Steuerausfälle erneut zu überprüfen, bei denen die Aufsteller die Bemessungsgrundlage gemäß Abschnitt 149 Abs. 9 UStR schätzten, obwohl Zählwerke vorhanden waren?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Carstens, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Reschke, die Bundesregierung hält es nicht für erforderlich, bei den zuständigen obersten Finanzbehörden der Länder darauf hinzuweisen, daß die Höhe der vom Bundesrechnungshof geschätzten Steuerausfälle überprüft wird.
Eine Zusatzfrage.
Wahrscheinlich haben Sie das nicht kapiert. Die Leute müssen ja meinen, ich hätte einen Nagel im Kopf. Frau Präsidentin, entschuldigen Sie, daß ich hier eine Vorbemerkung mache.Ich habe die Frage 59 zuerst gestellt und die Frage 56 als zweites, und die sind im Zusammenhang zu sehen. Insofern habe ich die Frage, ob es richtig ist, daß die Umsatzsteuerreferenten zusammengesessen haben und für den 1. Januar 1990 ausnahmslos einen neu en, bundeseinheitlich niedrigeren Steuersatz, ei-
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Reschkenen bundeseinheitlich niedrigeren Multiplikator beschlossen haben als Ersatz für die Richtlinie, die ich in der Frage 56 angesprochen habe.Übrigens liegt mir eine Mitteilung vor, die OFD Frankfurt habe eine entsprechende Grundanweisung schon erlassen.
Jetzt bin ich hier ein bißchen durcheinander, ob teilweise von der Frage 59 etwas eingeflossen ist.
Carstens, Parl. Staatssekretär: Frau Präsidentin, es ist manchmal schwierig, wenn verschiedene Fragen zu einem Themenkomplex gestellt sind und sich das auf die Häuser unterschiedlich aufteilt.
Auf die konkrete Frage habe ich so konkret geantwortet, wie ich es getan habe, und das war auch korrekt und in Ordnung. Daß die Referenten zusammengesessen haben, stimmt. Eben hat schon der Kollege Echternach, der zwischenzeitlich nicht mehr hier ist und der auch eine Frage von Ihnen zu beantworten hatte, konkretisiert, auf welche Regelung man sich verständigt hat.
— Ich bin gern bereit, auf Ihre Fragen zu antworten, und ich biete sogar an, das mit Ihnen noch so weit zu klären, daß wir eine umfassende schriftliche Antwort geben. Denn wenn ich Ihnen jetzt dazu zwei Sätze sage, daß wir eine Überprüfung nicht für notwendig erachten und daß es eine Regelung gibt, dann hilft Ihnen das nicht weiter.
Ich will Ihnen gern verbindlich erklären, daß wir gleich abstimmen, auf welche Art und Weise ich Ihre Frage schriftlich beantworten kann, damit Sie das dann auch auf Papier haben und gegebenenfalls auch noch rückfragen können.
Ich bin gern bereit, Ihnen zu helfen, möchte aber zunächst meine zweite Zusatzfrage stellen.
— Ich bin gern bereit, Ihnen jetzt in Ihren Beantwortungsnöten aus der Klemme zu helfen, und sicherlich kann dann die umfassende schriftliche Antwort weiterhelfen.
Ich möchte in dem Zusammenhang gern wissen, inwieweit die Bundesregierung weiterhin bereit ist, Steuerhinterziehung, vom Bundesrechnungshof festgestellt, in den letzten Jahren in einer Größenordnung von einer Milliarde DM und 1987 allein 300 Millionen DM, zuzulassen, indem sie nicht klar anweist, daß erstens der Faktor zur umsatzsteuerlichen Bemessungsgrundlage erhöht werden muß und zweitens daß nach dem Beschluß des Deutschen Bundestages vom 20. April 1989 zur Zeit noch weiterhin Geräte aufgestellt werden, die angeblich keine umsatzsteuerliche Erfassung haben. Das Materialprüfungsamt Braunschweig behauptet allerdings etwas anderes.
Carstens, Parl. Staatssekretär: Wir haben eine Regelung für Neugeräte, die mit den neuzeitlichen Zählgeräten ausgestattet sind. Für Geräte, die nicht mit diesen neuzeitlichen Zählmöglichkeiten ausgestattet sind, haben wir eine Regelung mit einer Übergangszeit von bis zu vier Jahren vor. In Übergangszeiten kann es immer einmal zu Komplikationen führen; das ist völlig klar. Wenn man jemandem konkret vorwerfen und nachweisen kann, daß er betrogen hat, wird man der Sache sicherlich nachgehen können. Ansonsten aber hat jeder, der mit Geräten arbeitet, für die eine Übergangsfrist genehmigt ist, das Recht, sich darauf zu berufen, daß das, was ihm einmal zugesagt wurde, für die Zeit, für die das zugesagt wurde, eingehalten wird.
Frau Blunck, eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, habe ich es richtig verstanden, daß es sich hier um Steuerhinterziehung in Höhe von einer Milliarde DM handelt, daß die Bundesregierung keinerlei Veranlassung sieht, Steuerausfälle erneut zu prüfen, und ist es richtig, daß Sie Übergangszeiten festgelegt haben? Aber wo haben Sie diese Übergangszeiten festgelegt, und wann sind sie festgelegt worden?
Carstens, Parl. Staatssekretär: Wir haben bei dieser Zusammenkunft der Umsatzsteuerreferatsleiter in der Zeit vom 11. bis zum 13. April 1989 diese Fragen erörtert. Man muß natürlich vorsichtig sein, wenn man jemandem pauschal vorwirft, er habe Steuern hinterzogen. Das ist eine pauschale Feststellung über die in der Gesamtheit möglichen Steuerhinterziehungen, um die es gehen könnte, ohne irgend jemanden konkret und direkt — ich sage mal — am Kanthaken zu haben und ihm nachweisen zu können: Du hast hier diese und jene Steuerhinterziehung vollzogen.
— Selbstverständlich, das will ich Ihnen gerne zusagen. Da geht es gar nicht um Geheimnisse. Das wird in der ganzen Bundesrepublik Deutschland praktiziert. Ich schicke es Ihnen beiden gerne zu.
Ich danke Ihnen schön, Herr Staatssekretär.
Wir hätten zwar noch eine Minute Zeit, aber das Bundesministerium für Wirtschaft ist nicht vertreten.
— Herr Seehofer ist zwar noch da, aber es hat, glaube ich, doch keinen Sinn mehr.
— Wir haben jetzt nur noch eine halbe Minute. Es hat keinen Sinn mehr, eine weitere Frage aufzurufen.
Meine Damen und Herren, damit ist die Fragestunde beendet.
Die nächste Sitzung berufe ich auf morgen, den 15. Februar 1990, 9 Uhr ein.