Gesamtes Protokol
Ich eröffne die Sitzung.
Meine Damen und Herren, ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf:
Fragestunde
— Drucksache 11/4593 —
Wir kommen zuerst zum Geschäftsbereich des Bundesministers für das Post- und Fernmeldewesen. Herr Parlamentarischer Staatssekretär Rawe steht zur Beantwortung der Fragen zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 1 der Abgeordneten Frau Blunck auf:
Welche Kriterien werden bei der Auswahl und Herausgabe von Sonderwertzeichen der Deutschen Bundespost zugrunde gelegt?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Herr Präsident, wenn die Frau Kollegin Blunck einverstanden ist, würde ich gern beide Fragen im Zusammenhang beantworten.
Sie ist einverstanden. Dann rufe ich auch noch die Frage 2 der Abgeordneten Frau Blunck auf:
Welches sind die Gründe, die den Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen veranlaßt haben, den Wunsch des Ministerpräsidenten des Landes Schleswig-Holstein nach Herausgabe einer Sonderbriefmarke „Helgoland — 100 Jahre deutsch" aus Anlaß der 100jährigen Zugehörigkeit der Insel Helgoland zu Deutschland im Jahre 1990 abschlägig zu bescheiden?
Rawe, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin Blunck, jedermann hat das Recht, dem Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen Themen für Sonderpostwertzeichen vorzuschlagen. Jährlich gehen dem Bundesministerium für das Post- und Fernmeldewesen in der Regel 300 verschiedene Anregungen von oft mehr als 1 000 Einsendern zu. Alle Ausgabewünsche werden in die Programmdiskussion einbezogen. Die Vielzahl an Ausgabewünschen macht es erforderlich, in einem Auswahlverfahren strenge Bewertungskriterien anzuwenden.
Berücksichtigt werden in erster Linie Themen mit folgenden Inhalten: wichtige nationale oder internationale Anlässe von besonderer Bedeutung für die Bundesrepublik, die Mitwirkung der Bundesrepublik
in internationalen, sozialen oder kulturellen Werken oder Institutionen, die Ehrung berühmter in- oder ausländischer Persönlichkeiten aus wichtigen Anlässen, herausragende Jubiläen von Städten, Bauwerken, Organisationen, Ereignisse oder Gedenktage mit nationaler oder internationaler Bedeutung oder aktuelle Anlässe gesellschaftspolitischer Anliegen oder herausragende Veranstaltungen nationaler oder internationaler Art.
Bereits gewürdigte Themen werden grundsätzlich nicht vor Ablauf von 20 Jahren erneut behandelt.
Der Programmbeirat der Deutschen Bundespost hat in seiner Sitzung am 14. und 15. Dezember 1988 das Ausgabeprogramm für 1990 für Sondermarken ohne Zuschlag eingehend erörtert. Dieses Gremium stand vor der schwierigen Aufgabe, aus 286 verschiedenen Anregungen von mehr als 600 Einsendern Themen für nur 17 Sonderpostwertzeichen vorzuschlagen. Der Beirat legte Wert darauf, ein Programm zusammenzustellen, das aktuelle und historische Anlässe aus möglichst vielen Bereichen des politischen, kulturellen, wissenschaftlichen, sozialen und wirtschaftlichen Lebens berücksichtigt. Nach sorgfältiger Abwägung aller wesentlichen Kriterien hat er eine Sondermarke mit dem Thema „Helgoland — 100 Jahre deutsch" nicht zur Annahme empfohlen, weil die Deutsche Bundespost der Insel noch im Jahre 1972, also vor weniger als 20 Jahren, eine Briefmarke gewidmet hat.
Die vom Programmbeirat vorgeschlagene Auswahl war in sich ausgewogen. Deshalb hat der Bundesminister Dr. Schwarz-Schilling dem Votum dieses Gremiums zugestimmt.
Eine Zusatzfrage, Frau Blunck.
Sie haben die Kriterien genannt, Herr Staatssekretär. Aber meinen Sie auf Grund der von Ihnen genannten Kriterien nicht auch, daß die im nächsten Jahr zu feiernde 100jährige Zugehörigkeit der Insel Helgoland angesichts der herausragenden Bedeutung dieses Ereignisses für die deutsche und die europäische Geschichte doch die Würdigung durch eine Sondermarke wert gewesen wäre, zumal wenn man bedenkt, daß die Bundespost beispielsweise die
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10742 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 145. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 31. Mai 1989
Frau Blunck500jährige Kultivierung der Rebsorte „Riesling" für feiernswert hält?Rawe, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin, ich sagte gerade, daß man über die Wertung durchaus unterschiedlicher Meinung sein kann. Ich denke, wir — jedenfalls wir beide — sind über die Wertung dieses Ereignisses nicht unterschiedlicher Auffassung. Aber ich habe Ihnen vorgetragen, was den Programmbeirat veranlaßt hat. Wenn er uns ein so ausgewogenes Programm vorschlägt, dann haben wir in der Regel keinen Grund, davon abzuweichen, und müßten schon schwergewichtige Gründe haben, wenn wir das tun wollten.
Es kommt natürlich darauf an, ob man Riesling mag.
Frau Blunck, eine Zusatzfrage.
Das würde ich nicht so sehen, sondern unabhängig davon, ob man ihn mag oder nicht. Aber das war nicht der Gegenstand meiner nächsten Frage.
Ich habe hier vielmehr die Planung der Sonderpostwertzeichen für das Jahr 1990. Da frage ich mich doch: Könnte es sein, daß die Auswahl der Sonderbriefmarken nach durchaus sehr subjektiven Maßstäben erfolgt und daß dabei Vorlieben der einzelnen Beiratsmitglieder, beispielsweise dann eben doch für bestimmte Traubenarten oder für bestimmte Vereine, eine größere Chance haben, durch ein Sonderwertzeichen gewürdigt zu werden als respektable historische Ereignisse?
Rawe, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin, ich bin ganz sicher, daß alle Vorschläge, die uns gemacht worden sind, subjektiv eine besondere Bewertung verdienen. Aber Sie kennen ja die Zusammensetzung des Beirates. Falls Sie sie nicht kennen, will ich sie Ihnen gerne noch einmal nennen. Es sind drei Mitglieder unseres Hohen Hauses mit von der Partie sowie je ein Vertreter der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland, des Deutschen Presserates, des Bundes Deutscher Philatelisten, des Bundesministers des Innern und der Deutschen Bundespost. Ich denke, diese Aufzählung der Mitglieder des Gremiums macht deutlich, daß dort doch wohl eine ausgewogene Meinung zustande kommt.
Eine weitere Zusatzfrage, Frau Blunck.
Da die Bundesregierung in den vergangenen Wochen bereits häufiger frühere Entscheidungen wieder zurückgenommen hat, möchte ich gerne wissen, ob sie gegebenenfalls dann auch bereit ist, die Ablehnung einer Sonderbriefmarke „Helgoland — 100 Jahre deutsch" noch einmal zu überprüfen, um damit entsprechenden Wünschen der schleswig-holsteinischen Bevölkerung Rechnung zu tragen?
Rawe, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin, Sie sprechen sicherlich ein Anliegen an, das von vielen im Lande Schleswig-Holstein genauso gesehen wird, wie
Sie es gerade vorgetragen haben. Ich will Ihre Anregung gerne aufgreifen, das erneut zu prüfen.
Wir geben 35 Sondermarken aus. Aber es gibt bestimmte Reihen, die laufend kommen — das kennen Sie — , so daß wir nur Themen für 17 Sonderpostwertzeichen aufgreifen können. Ich will gerne prüfen, ob eine Chance besteht. Nur, es wird sehr, sehr schwierig werden. Denn einerseits sind die Kapazitäten ausgelastet, und andererseits wird man dann nolens volens eine andere Marke hinauswerfen müssen, und dann haben wir den gleichen Ärger. Aber ich sage Ihnen gerne zu, es noch einmal zu prüfen.
Vielen Dank.
Sie haben keine weitere Zusatzfrage. Dann kommt Herr Kollege Seidenthal.
Herr Staatssekretär, kann man Ihren Antworten entnehmen, daß ein Rücktausch Sansibars kurz bevorsteht?
Rawe, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, Sie haben bei meinen bisherigen Antworten das Wort Sansibar nicht hören können. Deswegen tut es mir eigentlich ein bißchen leid, daß Sie jetzt diese Relativierung in das Thema hineinbringen. Denn einen Umtausch Sansibars gegen Helgoland hätte ich hier gar nicht so gerne erörtert.
Damit sind wir am Ende dieses Fragenbereichs. Ich danke dem Staatssekretär für die Beantwortung der Fragen.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit auf. Herr Parlamentarischer Staatssekretär Repnik steht uns zur Beantwortung der Fragen zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 3 des Abgeordneten Dr. Mahlo auf:
Ist es Politik der Bundesregierung, ihre entwicklungspolitische Zusammenarbeit mit der Regierung der Union von Birma davon abhängig zu machen, daß diese bei der Wiederherstellung des inneren Friedens und der Durchsetzung der Menschenrechte im Lande deutliche Fortschritte erreicht, und hält die Bundesregierung diese Voraussetzungen heute für gegeben?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Herr Präsident, angesichts der brutalen Verletzung der Menschenrechte bei der Niederwerfung des Volksaufstandes durch das birmanische Militär im August und besonders auch nach dem Militärputsch vom 18. September 1988 hat die Bundesregierung, wie übrigens auch die anderen Mitgliedstaaten der EG sowie die USA und Japan, ihre entwicklungspolitische Zusammenarbeit mit Birma eingefroren. Dies bedeutet insbesondere keine Aufnahme von Verhandlungen über den vom Kabinett im Juni 1988 im Grundsatz beschlossenen Schuldenerlaß und keine neuen Entwicklungshilfezusagen.Anfang Januar 1989 wurde ein Auszahlungsstopp für Leistungen der Kapitalhilfe verfügt, und die laufende technische Hilfe wurde auf ein minimales Über-
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Parl. Staatssekretär Repnikbrückungsprogramm zurückgeführt. Konkret sind noch drei Mitarbeiter der GTZ vor Ort.Vor einer Wiederaufnahme der entwicklungspolitischen Zusammenarbeit erwartet die Bundesregierung eine tatsächliche Verbesserung der Lage in Birma. Diese Voraussetzung ist derzeit noch nicht gegeben.
Eine Zusatzfrage, Herr Dr. Mahlo.
Vielen Dank, Herr Staatssekretär. — Sind meine Informationen richtig, daß Japan seine Entwicklungshilfeleistungen an Birma wieder aufgenommen hat, und ist der Bundesregierung gegebenenfalls bekannt, welche Überlegungen und offenbar andere Beurteilungen der Lage dieser Veränderung zugrunde liegen?
Repnik, Parl. Staatssekretär: Japan hat, wie ich vorhin berichtet habe, genauso wie die Bundesrepublik und die EG-Staaten insgesamt sowie die Vereinigten Staaten von Amerika die entwicklungspolitische Zusammenarbeit eingestellt. Nach sorgfältiger Prüfung hat Japan jetzt — übrigens genauso wie die Asiatische Entwicklungsbank und die Weltbank — einige früher begonnene laufende Projekte wieder aufgenommen, um sie zu Ende zu führen und keine Entwicklungsruinen entstehen zu lassen.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Dr. Mahlo.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, ob die von Ihnen dargestellte Auffassung der Bundesregierung in der EWG geteilt wird, oder ist Ihnen das im Moment nicht geläufig?
Repnik, Parl. Staatssekretär: Nach meinem Kenntnisstand wird sie geteilt.
Vielen Dank; keine weiteren Fragen.
Sie können auch keine weiteren mehr stellen, Herr Dr. Mahlo.
Wir sind am Ende dieses Geschäftsbereichs. Ich danke dem Staatssekretär für die Beantwortung der Fragen.
Den Geschäftsbereich des Bundeskanzlers brauche ich nicht aufzurufen, weil Herr Schulze seine Frage, die Frage 4, schriftlich beantwortet haben möchte. Das gleiche gilt für den Geschäftsbereich des Bundesministers des Auswärtigen, also für die Frage 5 des Abgeordneten Graf von Waldburg-Zeil. — Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz. Die Fragen 6 und 7 des Abgeordneten Dr. Hirsch sind zurückgezogen worden.
Nun rufe ich den Geschäftsbereich des Bundesministers für innerdeutsche Beziehungen auf. Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Hennig zur Verfügung.
Ich rufe Frage 8 des Abgeordneten Wittich auf:
Wie groß ist die Anzahl der Bürgerinnen und Bürger der Bundesrepublik Deutschland, die bis jetzt Entschädigungsanträge gestellt haben für Schäden, die durch den Gebirgsschlag in Merkers/DDR am 13. März 1989 verursacht worden sind?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Herr Kollege Wittich, der Bürgermeister der Gemeinde Philippsthal an der Werra, Herr Schäfer, hat das Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen mit Schreiben vom 4. April 1989 davon unterrichtet, daß der Gebirgsschlag vom 13. März 1989 in der DDR an mehreren Gebäuden in seiner Gemeinde Schäden verursacht habe. Es handelte sich dabei um Gebäuderisse, Beschädigungen von Kaminköpfen u. ä. Gleichzeitig erbat Herr Schäfer Mitteilung, ob und gegebenenfalls wie eine Schadensregulierung erfolgen könne.
Dieses Schreiben ist am 19. April 1989 folgendermaßen beantwortet worden — ich zitiere einen Auszug —:
Grundsätzlich können die durch den Gebirgsschlag vom 13. März 1989 in Philippsthal an Gebäuden entstandenen Schäden aus Bundesmitteln erstattet werden, sofern hierzu die Voraussetzungen gemäß dem zwischen Bund und Zonenrandländern geschlossenen Verwaltungsabkommen vom 7. September 1979 über die Gewährung von Zuwendungen für Sachschäden, für schadensverhütende Maßnahmen sowie zur Instandsetzung und zum Ausbau von Gewässern im Grenzbereich zur DDR vorliegen.
Zuständig für die Prüfung entsprechender Anträge sind die zuständigen Behörden der Zonenrandländer. Ich rege daher an, den betroffenen Bürgern Philippsthals zu empfehlen, baldmöglichst mit detaillierten Erstattungsanträgen an den Landkreis Hersfeld/Rotenburg heranzutreten.
Inzwischen ist mitzuteilen, daß entscheidungsreife Anträge dem Bundesminister für innerdeutsche Beziehungen bisher nicht zugegangen sind.
Im übrigen ist noch darauf hinzuweisen, daß der Bundesregierung Mitteilungen über Schäden in anderen Gemeinden des Zonenrandgebietes, die durch diesen Gebirgsschlag vom 13. März verursacht worden sein könnten, nicht vorliegen.
Eine Zusatzfrage, Herr Wittich.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß inzwischen 20 Bürgerinnen bzw. Bürger der Bundesrepublik beim zuständigen Landratsamt in Bad Hersfeld Anträge auf Entschädigung für Schäden in diesem Zusammenhang angemeldet haben?
Dr. Hennig, Parl. Staatssekretär: Dies war mir nicht bekannt, aber das schließt durchaus nicht aus, daß diese Anträge in dem Sinne, wie ich es eben gesagt habe, geprüft und beschieden werden. Nur sind sie bei uns bisher nicht eingegangen.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Wittich.
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Herr Staatssekretär, in welcher Weise hat die Bundesregierung die zu erwartenden Entschädigungszahlungen in ihren Haushaltsplanungen berücksichtigt?
Dr. Hennig, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Wittich, es sind allgemein Mittel in diesem Plafond, der ja einen allgemeineren Titel für Schadensregulierung, für Gewässerausbau u. ä. umfaßt, enthalten. Da wir davon ausgehen, daß es sich nur urn relativ geringfügige Schäden handeln kann, braucht, glaube ich, an einen Nachtrag oder ähnliches nicht gedacht zu werden. Wir werden das wohl aus den zur Verfügung stehenden Mitteln bedienen können.
Sie wollen eine Zusatzfrage stellen, Herr Hiller? — Bitte schön.
Was gedenkt die Bundesregierung zu unternehmen, um zukünftigen Ereignissen solcher Art entgegenzuwirken?
Dr. Hennig, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Hiller, ich habe heute den Innerdeutschen Ausschuß davon unterrichten können, daß wir das Aidemémoire der DDR, das in diesem Zusammenhang bei uns am 23. März 1989 eingegangen ist, inzwischen sehr detalliert beantwortet haben und in unserer Antwort darauf die Ursachen des Unglücks sehr klar und wissenschaftlich fundiert beschrieben haben, die überhaupt nicht darin liegen, daß ein behaupteter umfassender Kausalzusammenhang mit dem Verpressen auf unserer Seite bestünde. Die Ursachen liegen vielmehr darin, daß die DDR unter Tage einen unsachgemäßen Abbau mit zu geringen Stützpfeilern, die übriggelassen werden, betreibt, weswegen hier erneut auf Abhilfe gedrängt worden ist. Wir hoffen, daß die DDR dem nachkommen wird.
Ich rufe die Frage 9 des Abgeordneten Wittich auf:
Hat die Bundesregierung Initiativen ergriffen, um gemeinsam
mit der DDR eine Schadensregulierung herbeizuführen?
Bitte schön.
Dr. Hennig, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Wittich, da keine Schadensersatzanträge vorliegen, sind bisher gegenüber der DDR keine Initiativen ergriffen worden. Aber wir haben schon am 16. März gegenüber der Regierung der DDR erklärt, daß wir uns vorbehalten müssen, Schadensersatzforderungen für in der Bundesrepublik Deutschland durch den Gebirgsschlag eingetretene Schäden geltend zu machen. Das steht auch erneut in der Antwort auf das Aide-mémoire, so daß die DDR entsprechend vorbereitet ist. Wir müssen jetzt aber abwarten, was an Anträgen bei uns eingeht.
Zusatzfrage, Herr Wittich.
Herr Staatssekretär, da die DDR für den Gebirgsschlag ausschließlich das Absenken der Kalilauge durch die Gruben der Kali- und Salz-AG verantwortlich gemacht hat, frage ich Sie: Welche Ansprüche auf Entschädigung sind seitens der DDR bei der Bundesregierung angemeldet worden?
Dr. Hennig, Parl. Staatssekretär: Es hat hierüber eine vieljährige Auseinandersetzung gegeben. Es hat schon einmal einen Gebirgsschlag auf östlicher Seite gegeben. Es hat Gutachten gegeben, die der DDR auch bekannt sind. Wir haben jetzt noch einmal sehr sorgfältig überprüft, ob es solche Zusammenhänge geben kann. Dabei ist auch eine sogenannte Versenküberwachung erfolgt, d. h. man prüft, in welche Richtung sich die Salzlaugen unterirdisch fortbewegen. Dabei ist eindeutig zutage getreten, daß sie sich in westlicher Richtung und nicht in Richtung Südosten, wie die DDR das behauptet, bewegen, so daß irgendwelche Schadensersatzansprüche ohne jede Fundierung sind.
Sie haben eine weitere Zusatzfrage, Herr Wittich.
Habe ich Sie richtig verstanden, Herr Staatssekretär, daß die Bundesregierung bereit ist, mit Ansprüchen auf Entschädigung in diesem Zusammenhang an die DDR heranzutreten?
Dr. Hennig, Parl. Staatssekretär: Wenn die Ansprüche eindeutig begründet sind, sich nachweisbar auf dieses Schadensereignis zurückführen lassen und den von mir hier skizzierten Maßstäben gerecht werden, werden wir sie an die Regierung der DDR zur Begleichung sicher weiterleiten.
Eine weitere Zusatzfrage. Bitte schön.
Herr Staatssekretär, geht die Regulierung der Schadensersatzansprüche zu Lasten anderer Haushaltstitel bzw. anderer vom Bund geförderter Projekte, wenn sie denn nun erhoben werden?
Dr. Hennig, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Seidenthal, ich habe eben schon darauf hingewiesen, daß es sich uni einen Titel handelt, der schadensverhütenden Maßnahmen gilt, der der Ausgleichung von Sachschäden sowie der Instandsetzung von Grenzgewässern gilt. Dies ist ein relativ umfangreicher Titel. Nach dem, was ich bisher weiß, handelt es sich um relativ geringfügige Schäden. Selbst wenn es in Philippsthal 20 Fälle sein sollten, die alle einer Prüfung standhalten, ist es, glaube ich, nicht sehr bedeutend, da wir aus anderen Gemeinden des hessischen Zonenrandgebiets bisher nichts gehört haben, so daß ich bis zur Stunde vermute, daß sich die Fälle aus diesem Titel ohne Beeinträchtigung anderer Vorhaben bedienen lassen.
Wir sind am Ende dieses Geschäftsbereichs. Ich danke dem Staatssekretär für die Beantwortung der Fragen.Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern auf. Herr Staatssekretär Kroppenstedt steht zur Beantwortung der Fragen zur Verfügung.Ich rufe Frage 28 des Herrn Abgeordneten Steiner auf.
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Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 145. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 31. Mai 1989 10745
Vizepräsident WestphalWann wird die Abstimmung des von der Bund-Länder-Kommission erarbeiteten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung umzugskosten- und reisekostenrechtlicher Vorschriften vom Februar 1988 mit den Bundesressorts abgeschlossen sein?Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident, wenn Herr Abgeordneter Steiner einverstanden ist, möchte ich die beiden Fragen zusammen beantworten.
Er ist einverstanden. Ich rufe auch Frage 29 des Abgeordneten Steiner auf:
Wann gedenkt die Bundesregierung, diesen Gesetzentwurf in die Parlamentarischen Beratungen einzubringen, nachdem nun die Hälfte der Legislaturperiode verstrichen ist und damit die Koalitionsvereinbarung vom März 1987 über die Verabschiedung neuer Leistungsgesetze als erfüllt anzusehen ist?
Bitte schön.
Kroppenstedt, Staatssekretär: Das Abstimmungsverfahren ist auf Referatsebene abgeschlossen. Dabei haben sich allerdings einige schwierige Punkte ergeben, die noch offen sind. Im nächsten Monat finden die Gespräche auf Abteilungsleiterebene statt. Mein Haus wird alles daransetzen, möglichst bald zu einem Einvernehmen der Bundesressorts zu gelangen. Anschließend werden das Beteiligungsverfahren nach §§ 94/98 des Bundesbeamtengesetzes und das Abstimmungsverfahren mit den Bundesländern nach der gemeinsamen Erklärung vom 1. Juli 1977 eingeleitet. Danach wird der BMI den Entwurf der Bundesregierung zur Beschlußfassung vorlegen.
Zusatzfrage, Herr Steiner.
Herr Staatssekretär, wann war absehbar, daß sich hier noch Schwierigkeiten ergeben würden — Sie haben sie hier angedeutet -, und welche Schwierigkeiten sind es denn, die noch ausgeräumt werden müssen?
Kroppenstedt, Staatssekretär: Die Schwierigkeiten haben sich in der Referentenabstimmung ergeben. Schwierigkeiten bestehen einmal wegen der kostenmäßigen Auswirkungen. Sie bestehen wegen der Wünsche des Auswärtigen Amtes nach wesentlicher Erhöhung für Auslandsumzüge und der Frage, in welchem Umfange Pauschalierungen an die Stelle von Einzelabrechnungen gesetzt werden können.
Zusatzfrage.
Ich möchte doch noch einmal nachfragen. Wann haben sich diese Schwierigkeiten ergeben, wann war absehbar, daß man nicht weiterkommen würde?
Kroppenstedt, Staatssekretär: Herr Abgeordneter, es ist nicht so, daß man nicht weiterkommt. Bei einem solchen Abstimmungsprozeß ergeben sich bei jedem Referentenentwurf unterschiedliche Meinungen der Ressorts. Ein großer Teil der Meinungsunterschiede ist ja ausgeräumt. Es sind nur noch einige Punkte offen. Das hat sich im Laufe des vorigen Jahres und Anfang dieses Jahres ergeben.
Sie haben eine weitere Zusatzfrage, bitte schön, Herr Steiner.
Herr Staatssekretär, wie schätzen Sie die Chancen ein, daß sich die Schwierigkeiten, die Sie angedeutet haben, die Sie im einzelnen aber nicht genau genannt haben, beilegen lassen?
Kroppenstedt, Staatssekretär: Ich hoffe, daß das Bundeskabinett im Laufe des Herbstes eine Entscheidung treffen kann und das Gesetzgebungsverfahren dann eingeleitet wird.
Letzte Zusatzfrage.
Ja, ich möchte sie ausnutzen.
Darf ich davon ausgehen, daß dieses Gesetzgebungsverfahren noch in diesem Jahr, d. h. im Jahre 1989, eingeleitet wird?
Kroppenstedt, Staatssekretär: Ja; sonst wäre eine Verabschiedung in dieser Legislaturperiode kaum möglich.
Zusatzfrage des Abgeordneten Klejdzinski.
Herr Staatssekretär, Sie haben angedeutet, daß es unterschiedliche Meinungen gibt, und Sie sagen, daß sie noch abgestimmt werden müssen. Können Sie vielleicht erläutern, wo die gravierenden unterschiedlichen Meinungen sind und wie sie lauten?
Kroppenstedt, Staatssekretär: Einer der Punkte — ich erwähnte es — ist die Forderung des Auswärtigen Amtes, die eine relativ hohe Kostenbelastung mit sich bringt. Ein anderer Punkt ist die Frage des Ersatzes von Einzelabrechnungsverfahren — wie die Ausschüsse das ja gewünscht hatten — durch Pauschalverfahren. Hier gibt es einige Ressorts, die bei der Einzelabrechnung bleiben möchten.
Weiter gibt es wie bei jedem Gesetz, das Kosten verursacht, natürlich das Problem, mit dem Finanzminister zu einer einvernehmlichen Lösung zu kommen.
Das war's? — Danke schön.Dann rufe ich die Frage 30 des Abgeordneten Heistermann auf:Inwieweit ist die Bundesregierung bereit, die Belange der von Versetzungen besonders betroffenen Soldatenfamilien in dem Gesetzentwurf zur Änderung umzugskostenrechtlicher und reisekostenrechtlicher Vorschriften besser zu berücksichtigen, als es bisher der Fall ist?Kroppenstedt, Staatssekretär: Die Bundesregierung hat schon bisher das Ziel verfolgt, sowohl im Interesse der notwendigen dienstlichen Mobilität als auch aus Gründen der Fürsorgepflicht die Belange der Bediensteten besonders zu berücksichtigen, die häufig umziehen müssen.Zur Verbesserung der sozialen Situation bei Versetzungen sind 1986 folgende Maßnahmen getroffen worden: Einführung einer zweiten Familienheimfahrt pro Monat, Wegfall der bisher geltenden 300-Kilometer-Begrenzung bei Familienheimfahrten, Einführung
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10746 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 145. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 31. Mai 1989
Staatssekretär Kroppenstedteines sogenannten Vorwegumzugs mit Trennungsgeldgewährung, Erhöhung des Trennungsgeldes, Erhöhung der Sätze des umzugsbedingten Nachhilfeunterrichts, Erhöhung der Pauschalvergütung für sonstige Umzugsauslagen, Verbesserung der Schul- und Kinderreisebeihilfen an Bundesbedienstete im Ausland, Verbesserung des Häufigkeitszuschlages.Mit dem Gesetzentwurf, über den wir gerade gesprochen haben, soll die Entwicklung, die sich in den letzten Jahren ergeben hat, berücksichtigt werden. Weiterhin sollen die Wünsche des Innen-, des Haushalts- und des Verteidigungsausschusses des Deutschen Bundestages berücksichtigt werden. Sie gingen dahin, das Umzugskostenrecht zu straffen, auf Detailregelungen zu verzichten und nach Möglichkeit Pauschbeträge festzusetzen.
Herr Heistermann, Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, können Sie mir darstellen, wie häufig ein Soldat umziehen muß, verglichen mit dem auswärtigen Dienst?
Kroppenstedt, Staatssekretär: Die Häufigkeit des Umzugs von Soldaten und Angehörigen des auswärtigen Dienstes würde ich ähnlich hoch veranschlagen, ohne das nun im einzelnen bei den Ressorts zu kennen. Aber der Turnus von etwa drei Jahren ist sowohl im auswärtigen Dienst als auch bei der Bundeswehr sehr häufig anzutreffen.
Weitere Zusatzfrage, Herr Heistermann.
Herr Staatssekretär, darf ich aus der Antwort entnehmen, daß die Bedingungen des auswärtigen Dienstes auf die Bundeswehr angewandt werden sollen? Oder ist das umgekehrt zu sehen, daß also die Bedingungen der Bundeswehr auch für den auswärtigen Dienst angewandt werden sollen?
Kroppenstedt, Staatssekretär: Ich glaube, so eng kann man den Zusammenhang nicht sehen. Der Personenkreis der Angehörigen des öffentlichen Dienstes, der häufig versetzt wird, ist immer besonders belastet. Natürlich kommt bei dem auswärtigen Dienst, bei Versetzungen nach Übersee, in Länder mit besonders schwierigen Bedingungen, noch eine ganze Reihe von Momenten hinzu, die eine besondere Berücksichtigung erfordern.
Dr. Klejdzinski zu einer Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, trifft Ihre Beurteilung der Umzugshäufigkeit von drei und fünf Jahren, auf alle Gehaltsklassen zu — sprich auf alle Stufen —, oder ist es nicht so, daß insbesondere dort zu differenzieren ist, wo es sich um A-Gehälter einerseits der Bundeswehr, andererseits des auswärtigen Dienstes handelt?
Kroppenstedt, Staatssekretär: Sicher mag bei der Bundeswehr dieser Fall auf A-Gehälter in wesentlich größerem Umfang zutreffen. Aber ich glaube, daß im
Auswärtigen Amt auch sehr viele Angehörige der Besoldungsgruppe B betroffen sind.
Eine weitere Zusatzfrage. Herr Steiner, bitte schön.
Herr Staatssekretär, ich habe im Zusammenhang mit Ihren Antworten noch eine Frage. Können Sie mir zustimmen, wenn ich feststelle, daß auf Grund der Häufigkeit der Umzüge — insbesondere bei Soldaten — eine Pauschalierung der Umzugskosten hier angemessen erscheint?
Kroppenstedt, Staatssekretär: Ich möchte sogar noch etwas weiter gehen. Ich meine, bezogen auf die Kompliziertheit des Abrechnungsverfahrens, daß das so zu starken Belastungen auch des Personals führt und so wenig Effektivität mit sich bringt, daß man generell zu einer größeren Pauschalierung kommen müßte.
Ich rufe die Frage 31 des Abgeordneten Heistermann auf:
Wird die Bundesregierung in diesem Gesetzentwurf die Entschließung des Verteidigungsausschusses des Deutschen Bundestages vom 15. Mai 1985 über die Wahlfreiheit zwischen Umzugskostenvergütung und Trennungsgeld übernehmen?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Kroppenstedt, Staatssekretär: Die Vorstellung des Verteidigungsausschusses geht dahin, jedem versetzten Bediensteten ein Wahlrecht zwischen der Erstattung der Kosten, die im Falle eines Umzugs entstünden, und der Zahlung eines Trennungsgeldes bis zur Höhe dieser Kosten einzuräumen.
Zielsetzung des Umzugskostenrechts ist es aber, die Zusammenführung der Familie des Bediensteten zu ermöglichen. Es unterstützt zugleich die mit der Personalmaßnahme der Versetzung verbundene Erwartung des Dienstherrn, daß der versetzte Bedienstete alsbald an den neuen Dienstort umzieht. Die Zahlung von Trennungsgeld ist dagegen nur zur Überbrükkung der Trennung vorgesehen. Eine Wahlmöglichkeit widerspräche den Intentionen des Umzugskostenrechts. Aus diesem Grunde habe ich auch bei den Bundesländern wenig Neigung finden können, diesem Vorschlag zu folgen.
Zusatzfrage, Herr Heistermann.
Herr Staatssekretär, würden Sie mir denn zustimmen, daß ein Umzug von A nach B, der oft nur wenige Kilometer bedeutet — von einer Kaserne zu einer anderen — , auf Grund dieser Regelung mindestens beinhalten müßte, daß auch der Bund einiges an Kosten sparen könnte? Denn der einzelne nimmt doch hier ein Recht in Anspruch — ich sage das jetzt einmal ganz deutlich, Herr Staatssekretär —, bei dem der Bund keinen Schaden hat, sondern im Grunde der gleiche Aufwand nur für einen anderen Zweck verwandt wird.Kroppenstedt, Staatssekretär: Ich glaube, es bleibt trotzdem dabei — man kann es ja nicht nur auf die Fälle beschränken, die Sie eben genannt haben —, daß eine Wahlmöglichkeit der Grundtendenz des Um-
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Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 145. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 31. Mai 1989 10747
Staatssekretär Kroppenstedtzugskostenrechts, die Zusammenführung der Familie zu erleichtern, erschweren würde. Wenn ich aber Ihre Frage so verstehen darf, daß Sie meinen, man sollte doch einmal prüfen, ob es Gründe für Ausnahmefälle gibt — Sie wissen ja, daß es auch heute schon Fälle gibt, in denen bei Vorhandensein einer Wohnung aus besonderen Bedingungen dem Angehörigen des öffentlichen Dienstes ein Umzug nicht zugemutet wird — , wenn Sie meinen, man sollte in dieser Richtung weiter überlegen, dann bin ich gerne bereit, Ihre Anregung aufzunehmen.
Sie haben noch eine weitere Zusatzfrage, Herr Heistermann.
Herr Staatssekretär, könnten Sie mir einmal mitteilen, wie denn mit dem Beschluß des Verteidigungsausschusses vom 15. Mai 1985 innerhalb Ihres Hauses umgegangen worden ist, wo man ja angeregt hat, daß nun umgehend eine solche Wahlmöglichkeit eingeräumt werden sollte? Können Sie die Beratungszeit von vier Jahren dem Hause einmal erklären?
Kroppenstedt, Staatssekretär: Wir haben mit den Ländern sofort die Beratungen über diesen Punkt aufgenommen. Ich habe hier gesagt: Die Länder haben diese Meinung nicht gestützt. Auch wir selbst sind nicht überzeugt, diesem Votum folgen zu sollen. In dem Entwurf, der zur Beratung ansteht, ist ein entsprechender Vorschlag nicht aufgenommen. Ich nehme aber Ihre jetzigen Ausführungen gerne zum Anlaß, zu überlegen, ob eine Erweiterung der Gründe, wo Trennungsgeld trotz Umzugsmöglichkeit gewährt werden kann, gefunden werden kann.
Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Klejdzinski.
Herr Staatssekretär, Sie haben erläutert, wie Sie den Sinn des Bundesumzugskostengesetzes sehen, daß nämlich Familien zusammengeführt werden sollen. Können Sie sich vorstellen, daß gerade dies oft dazu führt, daß Familien nicht zusammengeführt, sondern auseinandergerissen werden, insbesondere dann, wenn die schulischen Verpflichtungen so sind, daß sie einem Umzug entgegenstehen, und daß man die besondere Lage im einzelnen dadurch lindern kann, daß man nämlich Trennungsgeld zahlt, oder, anders ausgedrückt: daß Ihre generalisierende Form des Bundesumzugskostengesetzes nicht die besondere Situation gerade solcher Soldaten berücksichtigt, die vielleicht drei Jahre an irgendeinem Standort sein müssen, weil es die Laufbahn erfordert, und anschließend an den gleichen Standort zurückkehren werden?
Kroppenstedt, Staatssekretär: Schulische Probleme, die durch einen Umzug verursacht werden, haben schon heute nach geltendem Recht dazu geführt, daß die Zahlung des Trennungsgeldes fortgeführt werden kann und ein Umzug nicht verlangt zu werden braucht.
Herr Steiner, Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, sind Ihnen die Besonderheiten des militärischen Dienstes bekannt, die ausschlaggebend dafür waren, daß der Verteidigungsausschuß des Deutschen Bundestages am 15. Mai 1985 empfohlen hat, und zwar dringend empfohlen hat, hier die Wahlfreiheit einzuführen, und dafür eine Begründung — ich meine, eine stichhaltige Begründung — abgegeben hat?
Kroppenstedt, Staatssekretär: Herr Abgeordneter, ich habe mehrfach ausgeführt, daß ich eine allgemeine Wahlfreiheit nicht für angemessen halte, trotz Ihrer Empfehlung, gleichwohl aber die Möglichkeit sehe, Gründe, die Ihrer Empfehlung zugrunde lagen, im Einzelfall zu berücksichtigen.
Da die Frage 32 des Abgeordneten Hinsken schriftlich beantwortet werden soll, sind wir am Ende dieses Geschäftsbereiches. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt. Ich danke dem Staatssekretär für die Beantwortung der Fragen.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr auf. Parlamentarischer Staatssekretär Dr. Schulte steht zur Beantwortung zur Verfügung.
Die Frage 10 des Abgeordneten Börnsen soll schriftlich beantwortet werden. Das gleiche gilt für die Frage 11 von Herrn Dr. Weng. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Dann kommen wir zur Frage 12 der Abgeordneten Frau Bulmahn:
Ist der Bundesregierung bekannt, wie viele Bundesbahnstrekken Lärmwerte von mehr als 55 dB und 45 dB (Nacht) aufweisen, und hat sie eine Prioritätenliste für vorrangig zu sanierende Streckenabschnitte vorgelegt bzw. wird sie dies tun?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Frau Kollegin, es kann davon ausgegangen werden, daß die genannten Mittelungspegel 55 dB(A) am Tage und 45 dB(A) nachts sowohl am Tag als auch in der Nacht, sofern nicht zeitweise Betriebsruhe herrscht, an allen Eisenbahnstrecken erreicht oder überschritten werden. Selbst bei der in Vorbereitung befindlichen Verkehrslärmschutzverordnung wird für den Bau und die wesentliche Änderung an Verkehrswegen von deutlich höheren Grenzwerten ausgegangen. Deshalb sind die hier für die Sanierung genannten Lärmwerte unrealistisch.
Die Deutsche Bundesbahn hatte 1988 eine Liste von besonders dringlichen Lärmschutzmaßnahmen vorgelegt. Wegen der Präzedenzwirkung und fehlender Finanzierungsmittel wird dieses Programm nicht verwirklicht werden können. Hierzu verweise ich auch auf meine Schreiben an Sie, zuletzt vom 10. März 1989, in denen ich ausführlich auch auf die rechtliche Seite dieses Problems eingegangen bin.
Zusatzfrage, Frau Bulmahn.
Herr Staatssekretär, da, wenn ich Ihre Antwort als Grundlage nehme, die Bundesregierung nach allem Anschein nicht bereit ist, Sanierungsmaßnahmen durchzuführen, ist sie dann wenigstens bereit, ein Lärmschutzgesetz vorzulegen, um ein weiteres Auseinanderklaffen der Lärmschutzmaßnah-
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10748 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 145. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 31. Mai 1989
Frau Bulmahnmen beim Neubau von Verkehrswegen und an vorhandenen Verkehrswegen zu vermeiden? Wenn ja, wann ist mit der Einbringung eines derartigen Gesetzentwurfes im Deutschen Bundestag zu rechnen?Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin, es gibt eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts. Auf dieser Grundlage — sie ist in diesem Frühjahr ergangen — wird die Bundesregierung eine Verordnung für den Bau neuer Verkehrswege vorlegen; dazu gehören auch die Schienenwege. Es wird in dieser Regelung allerdings nichts enthalten sein, was die Sanierung von Schienenwegen angeht.
Zusatzfrage, Frau Bulmahn.
Herr Staatssekretär, Sie haben dargestellt, daß es für Maßnahmen, die vorrangig zu behandeln seien, eine Prioritätenliste gibt. War in dieser Prioritätenliste die Güterumgehungsbahn Hannover enthalten?
Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin, dies kann ich Ihnen nicht sagen. Die Bahn hat vorsorglich eine Liste zusammengestellt, hat dies aber nicht weiter betrieben, weil es dafür keine Finanzierung gibt.
Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Knabe.
Herr Staatssekretär, meine Frage zielt darauf, herauszubekommen, welche Lärmwerte Sie noch für zulässig halten, d. h. bei welchen Lärmwerten Sie zu Maßnahmen bei Neu- und Altbahnanlagen schreiten würden.
Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Da die Verordnung, von der ich gesprochen habe, im Augenblick zwischen den Ressorts in der Abstimmung ist, kann ich dazu eine Äußerung noch nicht abgeben. Sie müssen allerdings bitte davon ausgehen, daß eine Sanierung für Schienenwege, also eine Sanierung der Altlasten, nicht stattfinden wird. Es geht hier um schätzungsweise 3 Milliarden DM.
Zusatzfrage, Dr. Klejdzinski.
Herr Staatssekretär, Sie haben die Verordnung für den Neubau von Schienenwegen bejaht. Aber stimmen Sie mir nicht in dem Punkt zu, daß ich durch Neuordnung von Verkehr grundsätzlich einen bestehenden Schienenweg so belasten kann, daß es durchaus angemessen erscheint, in diesem Falle von einem Neubau, zumindest was die Lärmwerte anbetrifft, zu sprechen?
Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Ich will dies, Herr Kollege, nicht in Abrede stellen. Wir müssen allerdings sehen, daß die Deutsche Bundesbahn in erheblicher finanzieller Not ist. Sie sagt ausdrücklich, wenn sie dieses Thema Sanierung von Schienenwegen in puncto Lärm angeht, daß ihr dann das Geld für andere notwendige Investitionen fehlt, die nötig sind, um in der Sanierung weiterzukommen und insbesondere auch im Blick auf den Binnenmarkt in Europa wettbewerbsfähig zu sein.
Herr Heistermann, Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, wären Sie bereit, die von Ihnen zitierte Prioritätenliste der Deutschen Bundesbahn der Fragestellerin zur Verfügung zu stellen?
Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Ich habe diese Liste nicht. Ich müßte mir überlegen, welchen Sinn es machte, eine Liste zu veröffentlichen, die keinen praktischen Nährwert hat. Die Deutsche Bundesbahn hat selber diese Liste nicht weiterverfolgt, weil sie davon ausgeht, daß dies ein Präzedenzfall auch für andere Bereiche sein könnte. Ich habe vorher gesagt, es geht nach Schätzungen der Deutschen Bundesbahn um 3 Milliarden DM an Sanierungen. Ich glaube, wir sollten da nicht einen Einstieg vornehmen, wenn wir wissen: Es macht keinen Sinn, und wir können es nicht finanzieren.
Zusatzfrage, Herr Steiner.
Herr Staatssekretär, sehen Sie eine Möglichkeit, bei den Mitteln, die für Lärmschutzmaßnahmen an Straßen vorgesehen sind, Umschichtungen zugunsten der Bundesbahn vorzunehmen?
Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Nein.
Zusatzfrage, Frau
Wollny.
Wäre es dann in diesem Zusammenhang nicht sinnvoll, wenn die Regierung unserem Antrag nähertreten würde, daß sie wie die Verantwortung für die Straßen auch die Verantwortung für die Schienennetze der Bundesbahn in eigener Regie übernimmt, um dieses Problem zu lösen?
Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin, es gibt einen Kabinettsbeschluß aus diesem Jahr in dieser Richtung. Im einzelnen muß sehr genau geprüft werden, unter welchen Bedingungen der Staat, der Bund, der Steuerzahler einsteigt. Aber wir sind in diese Richtung gegangen.
Ich rufe die Frage 13 der Abgeordneten Frau Bulmahn auf:
Welche technischen und betriebsorganisatorischen Möglichkeiten bestehen nach Auffassung der Bundesregierung zur Lärmsanierung der Güterumgehungsbahn in Hannover, und welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung zur Finanzierung der Sanierungsmaßnahmen?
Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin, als technische Maßnahmen im Sinne Ihrer Frage kommen Lärmschutzwände, Lärmschutzwälle und Lärmschutzfenster in Frage. Mit betriebsorganisatorischen Maßnahmen kann dagegen das Problem nicht gelöst werden. Umleitungen, sofern sie überhaupt möglich sind, verlagerten die Belastungen nur an andere Stellen. Eine Möglichkeit zur Finanzierung der Sanierungsmaßnahmen aus Bundesmitteln — ich verweise auf das, was ich vorher gesagt habe — besteht zur Zeit nicht.
Zusatzfrage, Frau Bulmahn.
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Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 145. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 31. Mai 1989 10749
Herr Staatssekretär, aus welchen Gründen rechtfertigt die Bundesregierung eine Ungleichbehandlung von Anliegerinnen und Anliegern an Straßen und Schienenwegen? Denn entlang von Bundesstraßen ist bereits jetzt, wenn auch in begrenztem Umfang, eine Lärmsanierung an bestehenden Straßen möglich, ohne daß es dort zu wesentlichen Erweiterungen oder Umbauten gekommen ist.
Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin, die jetzige Bundesregierung befindet sich hier in der Tradition. Die alte Bundesregierung hat 1980 ein Verkehrslärmschutzgesetz vorgelegt, wo es die Sanierung von Schienenwegen in bezug auf Lärm ebenfalls nicht gab.
Die zweite Zusatzfrage, Frau Bulmahn.
Ist die Bundesregierung bereit, ihre ablehnende Haltung zur Vornahme von Lärmsanierungsmaßnahmen entlang der Güterumgehungsbahn ganz konkret angesichts der Tatsache noch einmal zu überdenken, daß sich sowohl die Niedersächsische Landesregierung wie auch der Rat der Landeshauptstadt Hannover für solche Maßnahmen ausgesprochen haben?
Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin, es ist sehr leicht, Forderungen auszusprechen und Beschlüsse in Gremien zu fassen, die den Haushalt Dritter berühren. Die Deutsche Bundesbahn müßte dies finanzieren. Sie hat das Geld nicht, wie ich bereits vorhin ausgeführt habe.
Herr Dr. Klejdzinski, Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, stimmen Sie mir zu, daß Lärm im Grundsatz Krankheiten verursachen kann, und stimmen Sie, wenn Sie von den 3 Milliarden DM, die notwendig sind, sprechen, mir zu, daß die 3 Milliarden DM für Lärmschutzmaßnahmen sicher besser und sinnvoller verwendet wären als beispielsweise die 2,5 Milliarden DM für die Anlage in Wackersdorf?
Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich mache Ihnen den Vorschlag, daß Sie dies erst in Ihrer eigenen Fraktion austragen. Mir ist nicht bekannt, daß Ihre Fraktion den Antrag gestellt hätte, 3 Milliarden DM für die Sanierung von Lärm an Schienenwegen auszugeben.
Zusatzfrage des Abgeordneten Heistermann. Bitte schön.
Herr Staatssekretär, gibt es denn auch andere Gründe, die Sie hier nennen könnten, als den Grund, den Sie soeben angeführt haben, daß auch die Vorgängerbundesregierung in diesem Bereich nichts unternommen habe?
Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Wenn wir das Geld dazu hätten, wäre es sicher verlockend, hier zu investieren. Nur müssen Sie sehen, daß bei Schienenwegen in aller Regel ein anderer Zustand als bei Straßen
besteht. Gerade in dem Fall Hannover ist es so, daß diese Bahn zuerst da war und dann die Hauptbesiedlung kam. Es ist also etwas anderes, ob jemand an dem Schienenweg sein Haus baut oder ob das Haus zuerst da ist und dann der Bund oder das Land oder die Gemeinde eine Straße dorthin bauen.
Zusatzfrage des Abgeordneten Urbaniak.
Herr Staatssekretär, kann ich davon ausgehen, daß die Bundesregierung weder den politischen Willen noch die Perspektive hat, mit dem Altlastenproblem an den Schienenwegen, wie sie hier in Rede stehen, überhaupt fertig zu werden?
Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Es gibt noch sehr, sehr viele Probleme, auch im Bereich des Verkehrswesens und der Verkehrspolitik. Ich glaube, wenn wir 3 Milliarden DM verteilen können, müssen wir zuerst versuchen, der Bahn in puncto Investitionen zu helfen, damit sie wettbewerbsfähig ist und ihren Dienst erfüllen kann, ob es um Verkehrssicherheit oder Umweltschutz oder Energieeinsparung geht.
Die Fragen 14 und 15 des Abgeordneten Dr. Olderog sollen schriftlich beantwortet werden. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt. Daher sind wir am Ende der Fragen zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr. Ich danke dem Parlamentarischen Staatssekretär.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit auf. Herr Parlamentarischer Staatssekretär Gröbl steht uns zur Beantwortung zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 16 des Abgeordneten von Schmude auf :
Hat die schleswig-holsteinische Landesregierung der Bundesregierung mitgeteilt, daß auf dem Autobahnparkplatz „Sylsbek" an der A 1 in der Gemeinde Rümpel ca. 4 000 t kresolverseuchter Boden abgelagert sind und gegen den Widerstand der Bürger, der Gemeinde Rumpel und des Kreises Stormarn dort über Monate, gegebenenfalls Jahre, entseucht werden sollen?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Herr Kollege von Schmude, die schleswig-holsteinische Landesregierung hat die Bundesregierung am 5. April 1989 von dem Vorfall, der sich am 24. Januar 1989 ereignete, in Kenntnis gesetzt.Nach Auskunft der schleswig-holsteinischen Landesregierung befinden sich ca. 4 000 t verunreinigtes Erdreich immer noch auf dem Autobahnparkplatz. Über der Abraumhalde befindet sich ein Zelt. Es werden laufend Geruchsmessungen durchgeführt; Geruchsbelästigungen sind nach Aussagen der schleswig-holsteinischen Landesregierung nicht wahrnehmbar.Nach Auskunft der Landesregierung soll das schwach kontaminierte Erdreich in großen Kunststoffsäcken, sogenannten „Big Bags", von jeweils 0,8 m3 Inhalt abgefüllt und zur schleswig-holsteinischen Sonderabfalldeponie Rondeshagen gebracht werden. Die stärker kontaminierten Teile — es handelt sich
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10750 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 145. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 31. Mai 1989
Parl. Staatssekretär Gröblbesonders um Betonrohre und Asphalt — , die zwischen 150 und 2 000 mg Kresol/kg enthalten, sollen in einer Waschanlage auf dem Autobahnparkplatz Sylsbek mit Heißwasser und Natronlauge behandelt werden. Wie lange dies dauern wird, ist der Bundesregierung nicht bekannt.
Zusatzfrage, Herr von Schmude.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Staatssekretär, ist der Bundesregierung bekannt, daß die schleswig-holsteinische Landesregierung nach diesem Unfall am 17. Februar 1989 beabsichtigte, das kontaminierte Material zunächst auf einer Sonderdeponie in Ochtrup zu lagern, dann am 18. März eine Kehrtwendung vollzog, das Material auf eine der Hausmülldeponien in Schleswig-Holstein zu verbringen, am 22. April beabsichtigte, eine Deponierung unter Tage durchzuführen, am 3. Mai 1989 erklärte, innerhalb von 14 Tagen werde das gesamte Material nach Rondeshagen auf die dortige Sondermülldeponie verbracht? Hat sich angesichts dieser offenkundigen Überforderung und Hilflosigkeit der schleswig-holsteinischen Landesregierung der Umweltminister an den Bundesumweltminister gewandt mit der Bitte um Unterstützung?
Gröbl, Parl. Staatssekretär: Der schleswig-holsteinische Umweltminister hat sich in dieser Sache nicht an den Bundesumweltminister gewandt. Vielmehr hat die Landesregierung dem Bundesverkehrsminister die Mitteilung, wie von mir zitiert, gegeben.
Weitere Zusatzfrage, Herr von Schmude?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich habe im Moment keine Zusatzfrage.
Weitere Zusatzfrage, Herr Heyenn.
Herr Staatssekretär, unabhängig von der Frage, welche Schwierigkeiten die schleswigholsteinische Landesregierung bei einem ersten Kresolunfall in der Bundesrepublik mit der Lagerung des verseuchten Erdbodens hat, möchte ich Sie fragen, da die schleswig-holsteinische Landesregierung die Autobahn im Auftrag des Bundes betreut, ob eindeutig klargestellt ist, daß die Bundesregierung die Kosten für die Beseitigung des verseuchten Bodens, die Kosten für die Unterbringung der Burger, die aus ihren Häusern weichen mußten und zur Zeit in Hotels leben, und die Kosten der umliegenden Kommunen, wie z. B. die Kosten der Feuerwehren, die dort eingesetzt waren, bereit ist zu tragen?
Gröbl, Parl. Staatssekretär: Die Verhandlungen, Herr Kollege, zwischen der Landesregierung und dem Bundesverkehrsministerium, der Bundesregierung, laufen. Das Bundesverkehrsministerium wird zumindest für einen erheblichen Teil der Kosten in Vorlage treten.
Zusatzfrage des Abgeordneten Kuhlwein.
Herr Staatssekretär, trifft es zu, daß der Bund nach wie vor Besitzer des kresolverseuchten Bodens ist, und welche Vorschläge hätte denn die Bundesregierung zu machen, wie man mit einem solchen erstmals in der Bundesrepublik eingetretenen Unfall mit Kresol umgehen sollte, um möglichst schadlos und ohne Gefährdung der Bevölkerung zu entsorgen?
Gröbl, Parl. Staatssekretär: Unabhängig davon, ob der Bund Besitzer des kontaminierten Erdreichs, der Betonrohre oder des Asphalts ist, ist es Tatsache, daß die Länder nach Art. 83 GG das Abfallgesetz des Bundes als eigene Angelegenheit auszuführen haben.
Der Bundesumweitminister ist gerne bereit, auf entsprechende Anfragen des Umweltministers des Landes Schleswig-Holstein in die fachliche Erörterung der Beseitigungsmöglichkeiten einzutreten.
Zusatzfrage der Abgeordneten Frau Blunck.
Ihrer Antwort entnehme ich, daß sich der Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit bisher nicht Gedanken darüber gemacht hat, wie man solchen Verseuchungen begegnen kann. Meine Frage ist daher: Sehen Sie nicht die Notwendigkeit, daß erstens das Abfallgesetz geändert wird, zweitens bei den Gefahrguttransporten anders verfahren wird und drittens die Gefahrguttransporte in einer anderen Form angemeldet und begleitet werden?
Gröbl, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin, wegen der Probleme, die die schleswig-holsteinische Landesregierung ganz offensichtlich mit diesem Vorfall hat,
sollte man nicht gleich nach einer Änderung des Abfallbeseitigungsgesetzes rufen. Die Länder haben eindeutig die Kompetenz, sich solchen Aufgaben zu stellen. Die Bundesländer haben das in der Vergangenheit in aller Regel auch bewältigt. Ich hoffe, daß das auch für Schleswig-Holstein gilt.
Eine Zusatzfrage der Abgeordneten Frau Wollny.
Herr Staatssekretär, ich kann mir vorstellen, daß es für Sie ganz vergnüglich ist, immer wieder auf die schleswig-holsteinische Landesregierung und deren offensichtliche Inkompetenz hinzuweisen. Aber, ich denke, wir haben es in erster Linie mit einer Bundesautobahn zu tun, wir haben es in zweiter Linie mit einem Gefahrguttransport zu tun, der unter die Richtlinien für Gefahrguttransporte fällt, wofür der Bundesverkehrsminister zuständig ist. Dementsprechend sollte man auf diese für Sie sicherlich ganz nützlichen Seitenhiebe verzichten.
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Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 145. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 31. Mai 1989 10751
Frau Kollegin Wollny, Sie müssen spätestens in einer Viertelminute zu einem Fragezeichen kommen.
Entschuldigen Sie bitte.
Meine Frage: Wir haben bisher nur darüber geredet, wohin der Boden verbracht werden soll, der abgefahren werden soll. In welcher Form soll die Natronlauge, die offensichtlich zum Waschen der Erde benutzt werden soll, abtransportiert, entseucht und gegebenenfalls gelagert werden? Ist gewährleistet, daß diese Lauge dann nicht wiederum irgendwo im Boden versickert?
Gröbl, Parl. Staatssekretär: Zunächst, Frau Kollegin, darf ich feststellen, daß ich nicht mit Vergnügen oder mit Freude die Hilflosigkeit in Schleswig-Holstein verfolge
— eben nicht —,
sondern in großer Sorge um die Umwelt und um die betroffenen Menschen an der Lösung dieses Problems Anteil nehme.
Zum zweiten: Auch noch so gute Gesetze sind nicht dagegen gefeit, daß sie übertreten werden. Um einen solchen Vorfall handelt es sich in diesem Bereich ganz eindeutig.
Zum dritten haben Sie mich gefragt, was mit diesem Waschwasser geschieht. Hier kann ich mich nur auf die Angaben der schleswig-holsteinischen Landesregierung beziehen, die ich gerne an Sie weitergebe. Mir wurde mitgeteilt, daß das Waschwasser in Tankwagen, mit Aktivkohle versetzt, zur weiteren Behandlung nach Lübeck in eine Emulsionstrennanlage transportiert werden soll. Vor der Emulsionsspaltung wird die Aktivkohle entfernt. Das ist die Auskunft der schleswig-holsteinischen Landesregierung auf meine Frage, die fast gleichlautend mit der Ihren war.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Hiller.
Herr Staatssekretär, Sie haben davon gesprochen, daß die Bundesregierung bereit sei, in erheblichem Umfang in die Vorlage zu treten. Warum erstattet die Bundesregierung nicht die gesamten Kosten dieser Angelegenheit? Es handelt sich um eine Bundesautobahn. Wenn sie das nicht tut: Können Sie ein bißchen näher spezifizieren, was bei Ihnen in diesem Zusammenhang „in erheblichem Umfang" heißt?
Gröbl, Parl. Staatssekretär: Ich will dem Ergebnis der Verhandlungen zwischen der schleswig-holsteinischen Landesregierung und dem Bundesverkehrsminister hier in keiner Weise vorgreifen. Ich will nur zum Ausdruck bringen, daß sich die Bundesregierung ihrer Verantwortung als Träger der Bundesautobahn bewußt ist.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Urbaniak.
Herr Staatssekretär, da ja eine Konzeption zur Beseitigung bzw. zur Behandlung dieses Bodens vorliegt, frage ich Sie: Wollen Sie als Vertreter der Bundesregierung tatsächlich behaupten, die Landesregierung in Schleswig-Holstein sei in dieser Frage hilflos?
Gröbl, Parl. Staatssekretär: Sie haben sicherlich ebenso wie ich die Aufzählung der verschiedenen Überlegungen, der verschiedenen angekündigten Entscheidungen und Rücknahmen des Kollegen von Schmude gehört. Das alles führt mich zu dieser Feststellung.
Zusatzfrage der Abgeordneten Frau Dr. Sonntag-Wolgast.
Ist die Bundesregierung denn nicht bereit zuzugestehen, daß sie sich qua ihrer Verantwortung für diese Angelegenheit schon jetzt aktiv einschalten müßte, um Schaden abzuwenden, statt mit dem Hinweis auf Probleme der schleswig-holsteinischen Landesregierung und auf noch laufende Verhandlungen erst einmal abzuwarten?
Gröbl, Parl. Staatssekretär: Die Bundesregierung ist stets darauf bedacht, die Kompetenzen der Bundesländer zu respektieren und wird erst dann rechtsaufsichtlich oder fachaufsichtlich eingreifen, wenn erhebliche Mißstände erkennbar sind.
Herr Abgeordneter Dr. Klejdzinski.
Herr Staatssekretär, habe ich Sie richtig verstanden, daß Sie sich in Ihrer Antwort in erster Linie darauf konzentrieren, die Landesregierung in Schleswig-Holstein als hilflos darzustellen, und weniger bereit sind, auf die notwendige Fachkompetenz, die bei Ihnen liegt, einzugehen?
Gröbl, Parl. Staatssekretär: Dies wäre ein Mißverständnis Ihrerseits in bezug auf meine Antwort. Die Verantwortung für die sachliche Bereinigung des Vorfalls liegt ganz klar bei der schleswig-holsteinischen Landesregierung. Dies habe ich zum Ausdruck gebracht.
Herr Andres.
Herr Staatssekretär, wenn Sie einer Landesregierung in einer solchen Angelegenheit Hilflosigkeit unterstellen, sind Sie dann bereit zu konstatieren, daß man der Bundesregierung beispielsweise bei der Beseitigung der Molke ebenfalls Hilflosigkeit unterstellen könnte?
Gröbl, Parl. Staatssekretär: In keiner Weise, Herr Kollege. Sie können sich gerne mit mir zusammen vor Ort davon überzeugen, daß in Lingen die Dekontami-
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10752 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 145. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 31. Mai 1989
Parl. Staatssekretär Gröblnierung des Molkepulvers zügig vorangetrieben wird.
Sie wissen, daß dies ein ausgesprochen schwieriges Unterfangen war, für das es technisch in der Vergangenheit keine Lösung gab.
Im übrigen ist der Zusammenhang zwischen dem in Rede stehenden kresolverseuchten Boden und der dekontaminierten Molke natürlich etwas fragwürdig.
Meine Damen und Herren, es gab acht oder neun Zusatzfragen zu Frage 16.
Ich rufe nun Frage 17 des Abgeordneten von Schmude auf:
Sieht die Bundesregierung eine rechtliche Möglichkeit zum Eingreifen, um zu verhindern, daß die schleswig-holsteinische Landesregierung in derartigen Fällen „Entsorgungsexperimente" durchführt, nur weil aus parteiideologischen Gründen ein Abtransport nach Schönberg/DDR abgelehnt wird?
Diese Frage bietet erneut die Gelegenheit, dieses Thema zu behandeln. — Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Gröbl, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege von Schmude, die Länder führen nach Art. 83 des Grundgesetzes das Abfallgesetz des Bundes als eigene Angelegenheit aus. Die Möglichkeiten der Bundesaufsicht sind in Art. 84 des Grundgesetzes bestimmt. Im konkreten Fall — das habe ich schon ausgeführt — sieht die Bundesregierung keine rechtliche Möglichkeit, um einzugreifen.
Herr von Schmude, Zusatzfrage, bitte schön.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Staatssekretär, sehen Sie eine Möglichkeit, im Hinblick auf künftige Fälle, die uns hoffentlich erspart bleiben, eine Sicherung dahin gehend einzubauen, daß eine Art Meldeverfahren eingeführt wird, wonach derartige Unfälle, die den Bund — zumindest als Kostenträger — direkt berühren, unverzüglich zu melden sind und nicht verschleppt werden dürfen, so daß der Bund lediglich noch zur Begleichung der Kosten herangezogen würde, aber ansonsten keine Möglichkeit hätte, den Problemen begleitend mit Rat und Tat abzuhelfen?
Gröbl, Parl. Staatssekretär: Herr von Schmude, nicht nur das, was Sie in Ihrer Frage zum Ausdruck brachten, sondern auch die Erkenntnisse aus dem sachlichen Verfahren zur Beseitigung werden mit Sicherheit Gegenstand intensiver Gespräche im Länderarbeitskreis Abfall sein. Die Bundesländer und die Bundesregierung werden sich gemeinsam bemühen, Lehren aus diesem Vorfall zu ziehen.
Eine weitere Zusatzfrage von Herrn Hiller.
Herr Staatssekretär, hält es die Bundesregierung für Parteiideologie, wenn das Abfallbeseitigungsgesetz von dem Grundsatz ausgeht, daß kein Müll exportiert werden soll, so wie es der Bundesumweltminister bei verschiedenen Anlässen ja auch gesagt hat?
Gröbl, Parl. Staatssekretär: Sie wissen aus Erfahrung, daß die Bundesregierung Parteiideologie grundsätzlich nicht in Gesetzeswerke und Gesetzesvorhaben einfließen läßt.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Kuhlwein.
Herr Staatssekretär, würden Sie es vorziehen, den kresolverseuchten Boden nach Schönberg in der DDR zu exportieren, oder hielten Sie es nicht auch für besser, nach Möglichkeiten im eigenen Lande zu suchen — notfalls auch als Zwischenlagerung — und etwa die in Schleswig-Holstein gelegene Sondermülldeponie Rondeshagen, die Sie ja vorhin erwähnt haben, in Erwägung zu ziehen?
Gröbl, Parl. Staatssekretär: Da die Bundesregierung für die Beseitigung des kontaminierten Erdreichs fachlich nicht zuständig ist, möchte ich mich, solange der Fall nicht abgeschlossen ist, in diesen Vorgang nicht einmischen.
Zusatzfrage der Abgeordneten Frau Blunck.
Herr Staatssekretär, ich werde Sie nicht danach fragen, welche Ideologie dahintersteckt, den Bürgern in der DDR etwas zuzumuten, was man den eigenen Bürgern nicht zumutet. Ich werde Sie danach fragen, wie Sie die Trinkwassergefährdung beurteilen, die von der Deponie Schönberg ausgeht, auch für die Bürger der Bundesrepublik Deutschland.
Also, der Zusammenhang ist nur wegen der „Ideologie" herstellbar. Ich muß es daher Ihnen überlassen, ob Sie antworten wollen.
Gröbl, Parl. Staatssekretär: Herr Präsident, den Zusammenhang kann ich nicht erkennen.
Entschuldigung. —,,... aus ... Gründen ein Abtransport nach Schönberg/DDR abgelehnt wird?" Also, es ist schon ein
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Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 145. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 31. Mai 1989 10753
Vizepräsident WestphalSachzusammenhang herstellbar. Ich hatte ihn übersehen.
Gröbl, Parl. Staatssekretär: Dann darf ich darum bitten, damit einverstanden zu sein, daß ich die Trinkwassergefährdung, die durch Schönberg im Zusammenhang mit den Abfalltransporten aus der Bundesrepublik — überwiegend aus Hamburg — entsteht,
in einem schriftlichen Bericht darstelle.
Ich glaube auch, daß es vernünftiger ist, das voneinander zu trennen, obwohl ich Verständnis für Reaktionen auf besondere Inhalte von Fragen habe. Ich muß ehrlich sagen: Wenn ich zu entscheiden gehabt hätte, ob die Frage zuzulassen ist, hätte ich den Fragesteller gefragt, ob er den Begriff „parteiideologisch" aus der Frage nicht herausnehmen wolle.
Aber wir haben ihn hier jetzt drin und haben ihn entsprechend behandelt.
Ich habe noch eine Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Knabe.
Herr Staatssekretär, ist der Bundesregierung bekannt, daß in der Bevölkerung der DDR eine sehr große Besorgnis über die von Westdeutschland angelieferten Müllmengen besteht — auch im Fall Schönberg, aber nicht auf Schönberg beschränkt — , die uns daran erinnern sollte, andere Lösungsmöglichkeiten anzustreben?
Gröbl, Parl. Staatssekretär: Nach meiner Kenntnis und auch nach Ihrer Kenntnis wehrt sich jede Bevölkerung, in ihrem unmittelbaren Einzugsbereich Deponien mit Abfall aus anderen Gebieten zu erhalten. Dies gilt für den Bereich Schönberg mit Sicherheit genauso wie für fast alle anderen Deponien und Abfallbeseitigungsanlagen, auch in der Bundesrepublik.
Zusatzfrage des Abgeordneten Heyenn.
Herr Staatssekretär, halten Sie es in Übereinstimmung mit den Bestimmungen des Abfallbeseitigungsgesetzes nicht für eindeutig richtig, daß die schleswig-holsteinische Landesregierung diesen verseuchten Boden nicht nach Schönberg abgibt, sondern bemüht ist, eine Entsorgung im eigenen Land durchzuführen?
Gröbl, Parl. Staatssekretär: Die Bundesregierung wird die Entscheidung der schleswig-holsteinischen Landesregierung, das kontaminierte Erdreich nicht nach Schönberg zu transportieren, mit Sicherheit nicht beanstanden.
Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Klejdzinski.
Herr Staatssekretär, stimmen Sie mir zu, daß ein Experiment naturwissenschaftlich durchaus zulässig und richtig ist und daß ein Entsorgungsexperiment — weil es „Entsorgungsexperiment" genannt wird — durchaus nicht von vornherein verdächtig sein muß?
Gröbl, Parl. Staatssekretär: Dem stimme ich zu.
Damit sind wir am Ende dieser Frage.
Ich komme zur Frage 18:
Teilt die Bundesregierung meine Auffassung, daß das am 8. April 1989 vor der Küste Nordnorwegens gesunkene Atom-U-Boot „Komsomolez" wegen des von diesem Boot ausgehenden radioaktiven Gefährdungspotentials eine Gefährdung für die Umwelt darstellt, deren Folgen niemand vorhersagen kann?
Sie können gleich stehenbleiben, Herr Dr. Klejdzinski. Nun hat ihn die Antwort so befriedigt, daß er sich gesetzt hat. Aber er muß wieder hoch.
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Also, wenn ein U-Boot „Komsomolez" heißt!
Also, bitte schön, Herr Staatssekretär.Gröbl, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, die sowjetische Regierung hat über TASS am 8. April 1989 offiziell mitgeteilt, daß 180 Kilometer südwestlich der Bäreninsel ein atomgetriebenes, mit Kernwaffen bestücktes U-Boot gesunken sei. Eine Explosionsgefahr bestehe nicht; auch drohe keine Gefahr durch Freisetzung radioaktiver Stoffe. Die Internationale Atomenergiebehörde wurde über die sowjetische Botschaft in Wien offiziell unterrichtet mit dem Hinweis, daß diese Unterrichtung nicht im Rahmen des Informationsabkommens von 1986 erfolge, weil eine Gefahr durch Freisetzung von Radioaktivität nicht bestehe.Der Bundesumweltminister hat eine Meldung des Bundesnachrichtendienstes über den Unfall und die Meldung der norwegischen Strahlenschutzbehörde über Probenahmen im Unfallgebiet dem Deutschen Hydrographischen Institut und der Bundesforschungsanstalt für Fischerei zur Information zugeleitet. Nach Auskunft dieser Institute ist eine Gefährdung für die umgebenden Gebiete einschließlich der Fische nicht zu befürchten.Ein Drittes: Der Direktor des norwegischen Strahlenschutzinstituts in Oslo, Herr Dr. Baarli, teilte uns auf Anfrage mit, daß bei den acht Wasserproben aus 43 und aus 1 600 m Tiefe, die unmittelbar nach dem Unfall gemessen wurden, keine Radioaktivität aus dem Boot nachgewiesen werden konnte und daß bei Untersuchungen sowjetischer Stellen ebenfalls nur die normale Umgebungsaktivität gemessen wurde.
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10754 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 145. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 31. Mai 1989
Parl. Staatssekretär GröblDie Bundesregierung schließt sich der Bewertung der deutschen wissenschaftlichen Institute und auch des norwegischen Strahlenschutzinstituts an.
Zusatzfrage, Herr Klejdzinski.
Herr Staatssekretär, ich finde es großartig, daß Sie im Grunde genommen zitieren, was geschehen ist, und dann anschließend sagen, daß Sie sich dem anschließen, insbesondere dem, was ein Institut gesagt hat. Halten Sie es in diesem Fall nicht für erforderlich, daß man sich unabhängig davon, ob ein Gutachter sagt: „Das ist in Ordnung, dort kann nichts austreten" , danach erkundigt, ob auch andere Institute bzw. Wissenschaftler der Meinung sind, daß eine erhebliche Gefährdung der Umwelt gegeben ist, wenn nicht jetzt, dann zumindest morgen?
Gröbl, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Dr. Klejdzinski, die Bundesregierung hat sich ja bei zwei nationalen wissenschaftlichen Instituten erkundigt und darüber hinaus noch das zuständige norwegische Institut befragt. Sie ist der Meinung, daß dies sehr wohl eine gewissenhafte Einholung von Informationen ist.
Sie haben eine weitere Zusatzfrage. Bitte schön, Herr Dr. Klejdzinski.
Herr Staatssekretär, können Sie mir in dem Punkt zustimmen, daß die augenblickliche Analyse eines Unfalls nicht unbedingt gleichzusetzen ist mit dem, was in solch einer Tiefe geschehen kann, wenn nicht von vornherein feststeht, wie hoch der Grad des Leckgeschlagenseins ist bzw. ob bereits Haarrisse vorhanden sind, ob bereits langfristige chemische Prozesse beginnen?
Gröbl, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich kann nur den aktuellen Stand von heute wiedergeben. Selbstverständlich wird die Bundesregierung diesen Vorfall weiterhin interessiert und aufmerksam verfolgen, dies im übrigen auch im Gespräch mit der sowjetischen Regierung.
Ich rufe die Frage 19 des Abgeordneten Dr. Klejdzinski auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung in diesem Zusammenhang ein gemeinsames Vorgehen aller Anrainerstaaten bzw. der Staaten des Europarates mit dem Ziel, die Sowjetunion dazu zu bewegen, das Boot umgehend zu bergen, um eine Verseuchung der Küstengebiete und der Fanggründe der Fischer zu verhindern?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Gröbl, Parl. Staatssekretär: Nach den uns verfügbaren Informationen überprüft die Sowjetunion die Möglichkeit einer Bergung des gesunkenen U-Boots. Unbeschadet der Tatsache, daß nach Aussagen der Bundesforschungsanstalt für Fischerei die Fischereigründe nicht gefährdet sind, würde die Bundesregierung eine Bergung des gesunkenen U-Boots begrüßen, wenn durch entsprechende Sicherheitsmaßnahmen eine Zerstörung des Boots verhindert werden kann.
Zusatzfrage, Herr Klejdzinski.
Herr Staatssekretär, Sie haben jetzt genau das Risiko beschrieben, das ich meine, indem Sie sagten: wenn die Zerstörung des Boots verhindert werden kann. Sie implizieren damit die Möglichkeit, daß gegebenenfalls Radioaktivität austritt bzw. andere Schäden eintreten. Ich frage Sie in dem Zusammenhang, wenn Sie dieses hier so offen zugeben, wieso Sie dann zu solch einer apodiktischen Beantwortung meiner vorhergehenden Frage kommen konnten.
Gröbl, Parl. Staatssekretär: Die Frage 18 wurde von mir in keine Weise apodiktisch beantwortet, sondern nach Überprüfung der uns vorliegenden wissenschaftlichen Informationen.
Sie haben noch eine Zusatzfrage, Herr Klejdzinski.
Herr Staatssekretär, sind Sie mit mir der Meinung, daß es sich in dem Fall durchaus anbieten würde, über nationale Grenzen hinweg nach Möglichkeiten zu suchen, solche gefährlichen Körper oder Zeitbomben, die ticken, auch international mit den technischen Möglichkeiten, die zur Verfügung stehen, anzugehen und, wenn man so will, zu entseuchen und zu entschärfen?
Gröbl, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, das ist gerade der Grund dafür, daß wir uns einmal an die Norweger, die von dem Vorfall stärker als wir betroffen sind, und zum anderen auch an die Sowjetunion wenden und gewandt haben.
Frau Blunck, Sie möchten eine Zusatzfrage stellen? — Bitte schön.
Herr Staatssekretär, können Sie mir sagen, wieweit hier bei der Bergung auch MAR-POL eine Rolle spielen könnte, wieweit das hier greift?
Gröbl, Parl. Staatssekretär: Nach meinem Wissen greift MARPOL für diese Fälle nicht, sondern nur bei atombetriebenen Handelsschiffen.
Die Fragen 20 und 21 der Abgeordneten Frau Teubner sollen auf Wunsch der Fragestellerin schriftlich beantwortet werden. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.Ich rufe die Frage 22 der Abgeordneten Frau Wollny auf:Hat es von seiten der Bundesregierung in letzter Zeit Kontakte mit der SPD gegeben, um sich über ein gemeinsames Vorgehen bezüglich des Endlagers „Schacht Konrad" zu verständigen, und trifft es zu, daß das Endlager nach Auffassung der Bundesregierung nur im Konsens mit der SPD realisiert werden kann?Bitte schön, Herr Staatssekretär.Gröbl, Parl. Staatssekretär: Die Bundesregierung setzt sich nach wie vor dafür ein, daß die Verwirklichung der Endlagerprojekte einschließlich des geplanten Endlagers „Konrad" möglichst von allen Parteien getragen wird. Die Bundesregierung geht davon aus, daß auch die SPD die Endlagerung radioaktiver Abfälle als nationale Verpflichtung ansieht.
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Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 145. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 31. Mai 1989 10755
Parl. Staatssekretär GröblKontakte zur SPD gibt es natürlich ständig, Frau Kollegin. Nur wurde über dieses spezielle Thema nicht eigens verhandelt.
Keine Zusatzfrage.
Dann rufe ich die Frage 23 der Abgeordneten Frau Wollny auf :
Wie stellt sich die Bundesregierung zu den Aussagen des am 17. Mai 1989 von der Vereinigung Cockpit veröffentlichten Rechtsgutachtens zur Strahlenbelastung des fliegenden Personals, und welche Maßnahmen wird die Bundesregierung zur Reduzierung der hohen Strahlenbelastung der Cockpit-Besatzungen ergreifen?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Gröbl, Parl. Staatssekretär: Von der Vereinigung Cockpit e. V. hat der Bundesumweltminister das Rechtsgutachten von Rechtsanwalt Dr. Geulen zur Strahlenbelastung des fliegenden Personals erhalten. Die darin enthaltenen Angaben über die natürliche Strahlenexposition für das fliegende Personal beim Flug in großen Höhen und in Polnähe, bedingt durch die Höhenstrahlung, sind korrekt. Je nach Flughöhe und nach Flugdauer können für das fliegende Personal Strahlenexpositionen bis zu maximal 5 Millisievert pro Jahr auftreten.
Die in dem Rechtsgutachten von Rechtsanwalt Dr. Geulen aufgeführten Angaben zur Strahlenexposition des fliegenden Personals, bedingt durch Transporte von Kernbrennstoffen oder sonstigen radioaktiven Stoffen, stützen sich auf eine Studie, die nach unseren Informationen weder in Fachkreisen bekannt ist noch dem Bundesumweltministerium vorliegt.
Die aus der Studie zitierten Werte stehen jedoch im Widerspruch zu den beim Bundesverkehrsminister, beim Bundesumweltminister, bei der PTB und dem Luftfahrtbundesamt vorliegenden Erfahrungen zur transportbedingten Strahlenexposition beim Lufttransport radioaktiver Stoffe. Durch entsprechende Verpackungsvorschriften, eine Begrenzung der Versandstücke für den Frachtraum und genau festgelegte Stauvorschriften im Frachtraum der Luftfahrzeuge ist gewährleistet, daß die Strahlenexposition des fliegenden Personals so gering wie möglich bleibt. Auf Grund der Transporte radioaktiver Stoffe läßt sich für das fliegende Personal ein jährlicher Mittelwert von 0,1 Millisievert errechnen. In Einzelfällen, wenn unterstellt wird, daß das fliegende Personal ausschließlich Frachtmaschinen mit radioaktiven Stoffen fliegt, könnten Maximalwerte von 0,5 bis 0,7 Millisievert pro Jahr erreicht werden.
Eine Zusatzfrage, Frau Wollny.
Halten Sie es in Anbetracht der ohnehin hohen Belastung durch die natürliche Strahlenexposition, die Sie ja anerkannt haben, überhaupt für gerechtfertigt, in Flugzeugen Nuklearmaterial zu transportieren und dadurch diese Belastung noch zu erhöhen?
Gröbl, Parl. Staatssekretär: Hierbei ist zum einen darauf zu verweisen, daß die Belastung des fliegenden Personals durch die natürliche Belastung im Vergleich zu den Belastungen auf Grund des Transports
von Kernbrennmaterial bzw. von radioaktiven Stoffen um den Faktor 10 höher ist.
Zum zweiten handelt es sich beim Transport solcher Stoffe zu 90 bis 95 % um für die Humanmedizin erforderliche Güter. Da hier ein schneller Antransport erforderlich ist, halte ich das nicht nur für gerechtfertigt, sondern nach wie vor für notwendig.
Eine weitere Zusatzfrage, Frau Wollny?
Nein, danke. Es lohnt nicht.
Herr Dr. Daniels, bitte schön.
Herr Staatssekretär, Sie propagieren ja immer dieses 30-MilliremKonzept beim Betrieb von Atomkraftwerken. Jetzt ist hier die Rede davon, daß bei den Besatzungsmitgliedern eine Strahlenbelastung von bis zu 50 Millirem pro Jahr auftreten kann. Sehen Sie nicht allein schon auf Grund dieser Relation, daß man auf der Erde der Bevölkerung nicht mehr als 30 Millirem zumuten möchte, einen Zwang, auch hier Maßnahmen zu ergreifen, um diese Strahlenbelastungen zu senken? Es ist ja nicht nur die natürliche Strahlenbelastung; es geht eine Strahlenbelastung von den entsprechenden technischen Einrichtungen in den Flugzeugen und eben auch von solchen Transporten aus.
Gröbl, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Daniels, wir sind uns sicherlich darüber einig, daß die natürliche Strahlenbelastung den größten Anteil beim fliegenden Personal ausmacht. Es sind etwa 80 % zu 20
im Verhältnis zu der künstlichen Strahlenbelastung.
Änderungsmöglichkeiten technischer Art gäbe es allenfalls durch einen Bleimantel um die Flugzeuge herum. Welche Folgen das hat, wissen Sie als Techniker oder Naturwissenschaftler noch besser als ich. Eine Abschirmung der Flugzeuge gegen diese natürliche Höhenstrahlung ist doch sehr problematisch.
Das fiel auch mir ein. Bloß, Sie haben kein Fragerecht mehr, Herr Dr. Daniels.
Sie wollten eine Zusatzfrage stellen, Herr Brauer? — Bitte schön.
Herr Staatssekretär, können Sie sagen, wie das nukleare Material vom Hahn-MeitnerInstitut aus Berlin transportiert wird? Sie sagten ja eben, daß über 99 % aus der Nuklearmedizin in Flugzeugen transportiert werden.Gröbl, Parl. Staatssekretär: Ich habe gesagt: über 90 %. Ich kann Ihnen im übrigen nicht sagen, auf welchem Weg, mit welchem Mittel, wohin und wie
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10756 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 145. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 31. Mai 1989
Parl. Staatssekretär Gröblschnell von den einzelnen Instituten der Transport erfolgt. Dafür bitte ich wirklich um Verständnis.Brauer [GRÜNE]: 100 % per Flugzeug! —Frau Wollny [GRÜNE]: Ausschließlich perFlugzeug!)
Jetzt kommen wir zur Frage 24 des Abgeordneten Brauer — Sie können gleich stehenbleiben — :
Gehört das Endlager „Schacht Konrad" mit zum Verhandlungspaket der deutsch-französischen Arbeitsgruppe, die über die Kooperation auf dem Gebiet des Kernbrennstoffkreislaufes zwischen Frankreich und der Bundesrepublik Deutschland berät und verhandelt?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Gröbl, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich muß mit Nein beginnen. Es besteht vielmehr Übereinstimmung darüber, daß radioaktive Abfälle in jeweils nationaler Verantwortung endzulagern sind.
Im übrigen sind Endlager in der Bundesrepublik staatliche Einrichtungen, für die auf Grund der Art. 55 und 66 des EG-Vertrages die dort geregelte Freizügigkeit entfällt.
Zusatzfrage, Herr Brauer.
Herr Staatssekretär, damit können Sie definitiv ausschließen, daß der „Schacht Konrad" nicht für Nuklearabfälle aus Frankreich oder aus Europa zur Verfügung steht?
Gröbl, Parl. Staatssekretär: Er steht nicht zur Verfügung für nukleare Abfälle, die aus französischen oder anderen ausländischen Anlagen stammen.
Wenn Sie definitiv ausschließen, daß etwas nicht ist, ist das eine doppelte Verneinung. Diese führt zur Bejahung, Aber, ich glaube, der Staatssekretär hat korrekt geantwortet.
Sie haben noch eine weitere Zusatzfrage, Herr Brauer.
Diese benötige ich nicht.
Frau Wollny möchte eine Zusatzfrage stellen, bitte schön.
Herr Staatssekretär, können Sie uns sagen, für wie lange diese Aussage von Ihnen Gültigkeit haben wird?
Gröbl, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin, wir sind — ich gehe jetzt von meiner Position aus — bis zum Jahr 2000 in der Bundesregierung. Für diese Zeit ist es mindestens gültig.
Herr Abgeordneter Dr. Daniels zu einer Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, glauben Sie, daß Sie diese Aussage auch noch
1992, wenn es den EG-Binnenmarkt geben wird, wiederholen können,
und ist Ihnen nicht bekannt, daß die Franzosen jetzt bei den Verhandlungen über dieses europäische Entsorgungskonzept solche Wünsche oder Vorstellungen geäußert haben?
Gröbl, Parl. Staatssekretär: Sollten Sie 1992 wieder im Bundestag sein, könnten Sie mir diese Frage noch einmal stellen.
Wenn das hier mit den Fragen und den Antworten ein bißchen locker gehandhabt wird, habe ich nichts dagegen.
Ich rufe die Frage 25 des Abgeordneten Brauer auf:
Welche Gründe haben zu einer Verschiebung der Auslegung der Planfeststellungsunterlagen für „Schacht Konrad" geführt, und welche Bedingungen sind von der niedersächsischen Landesregierung für die Fortsetzung des Verfahrens an die Bundesregierung gestellt worden?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Gröbl, Parl. Staatssekretär: Die nach dem Atomgesetz zuständige Physikalisch-Technische Bundesanstalt hat termingerecht auslegungsreife Unterlagen für das Planfeststellungsverfahren „Konrad" an die Planfeststellungsbehörde, den Niedersächsischen Umweltminister, zur Bekanntmachung des Vorhabens übermittelt.
Auf einer Informationsveranstaltung am 19. Mai 1989 in Vechelde wurden vom Niedersächsischen Umweltminister Dr. Werner Remmers drei Bedingungen genannt, unter denen aus niedersächsischer Sicht eine Zustimmung zur Bekanntmachung gegeben werden könnte: keine Europäisierung von „Konrad", d. h. keine Aufnahme von Abfällen ausländischer Herkunft; Sicherstellung einer unabhängigen Produktkontrolle bei der Abfallkonditionierung für „Konrad" im Ausland; Klärung der Ausgleichszahlungen.
Den niedersächsischen Stellen hat die Bundesregierung dargelegt, daß diese Punkte Grundlage ihrer Politik sind. Bundesminister Professor Töpfer hat daher die Niedersächsische Landesregierung gebeten, die Bekanntmachung der Auslegung der Planunterlagen „Konrad" so rasch wie möglich in die Wege zu leiten.
Keine Zusatzfragen? — Dann rufe ich die Frage 26 des Abgeordneten Dr. Daniels auf:Wie viele Personen werden derzeit in kerntechnischen Anlagen nach dem Atomgesetz, dem Handbuch der deutschen Wirtschaft zum Geheimschutz, den Verfassungsschutzgesetzen der Länder oder anderer Rechtsgrundlagen überprüft, und zu wie vielen Ablehnungen von Arbeitnehmern in diesen Betrieben ist es in den letzten zehn Jahren gekommen?Bitte schön, Herr Staatssekretär.Gröbl, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, bei den Überprüfungen von Personen in kerntechnischen Anlagen muß zwischen Sicherheitsüberprüfungen nach dem Atomgesetz zwecks Sabotageschutz und
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Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 145. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 31. Mai 1989 10757
Parl. Staatssekretär GröblÜberprüfungen nach dem Handbuch der deutschen Wirtschaft zum Geheimschutz für die Ermächtigung zum Zugang zu Verschlußsachen unterschieden werden.Sicherheitsüberprüfungen nach dem Atomgesetz werden von den zuständigen atomrechtlichen Genehmigungs- oder Aufsichtsbehörden der Länder durchgeführt. Diese fordern für die zu überprüfenden Personen bei den Sicherheitsbehörden Auskünfte über solche dort gespeicherten Erkenntnisse an, die für den Sabotageschutz relevant sein können. Die Bewertung dieser Erkenntnisse daraufhin, ob sich aus ihnen Sicherheitsbedenken im Hinblick auf nuklearspezifische Sabotagerisiken ergeben können, nimmt ebenfalls die zuständige atomrechtliche Landesbehörde vor. Die von Ihnen erbetenen Zahlenangaben liegen daher nur bei den zuständigen atomrechtlichen Genehmigungs- und Aufsichtsbehörden der Länder vor und müßten für den gegenwärtigen Zeitpunkt dort abgefragt werden. Für eine solche Abfrage würde ein Zeitraum von ca. einem Monat benötigt werden, da die entsprechenden Daten nicht bei allen Landesbehörden in EDV-Anlagen erfaßt sind und daher die Auswertung von Einzelakten erforderlich wäre. Sollten Sie Wert darauf legen, würde ich mich darum bemühen.
Herr Dr. Daniels, eine Zusatzfrage.
Da wir uns derzeit mit der Novellierung des Atomgesetzes befassen, ist eine solche Aussage von großer Bedeutung. Ich frage Sie, ob Sie mir nicht darin zustimmen können, daß dies doch gerade für den Fall, daß sich erweisen würde, daß es bisher auf Grund dieser Vorschriften keine Ablehnung gegeben hat, für diese Debatte über die Änderung des Atomgesetzes sehr relevant werden könnte.
Gröbl, Parl. Staatssekretär: Ich bin sicher, daß das Ergebnis einer solchen Darstellung auch für diese Diskussion interessant ist.
Dann bitte ich Sie darum, das in die Wege zu leiten.
Gröbl, Parl. Staatssekretär: Das mache ich gerne.
Das ist jetzt abgearbeitet. Ich rufe die Frage 27 des Herrn Abgeordneten Dr. Daniels auf:
Was waren die Gründe für diese Ablehnungen, und waren es solche, die nicht den polizeilichen Führungszeugnissen zu entnehmen waren?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Gröbl, Parl. Staatssekretär: Die Gründe für Ablehnungen sind im einzelnen den für die jeweiligen Überprüfungen bzw. Ermächtigungen zuständigen Behörden bekannt. Hierbei handelt es sich in der Regel um Erkenntnisse, die in der jeweiligen Person liegen und die eine Gefährdung der nuklearen Sicherheit der jeweiligen kerntechnischen Anlage bzw. des Geheimschutzes auf Grund vorliegender Erfahrungen oder konkreter Tatsachen besorgen lassen. Die besonderen Umstände des jeweiligen Einzelfalls werden
von der bewertenden bzw. ermächtigenden Behörde berücksichtigt. Vor ablehnenden Entscheidungen wird die betroffene Person über die Gründe für die Ablehnung unterrichtet. Sie erhält auch Gelegenheit zur Stellungnahme und kann gegen die Ablehnung klagen. Dritten dürfen die Gründe jedoch nicht mitgeteilt werden.
Unbeschränkte Bundeszentralregisterauszüge enthalten zu bestimmten Erkenntnissen den Zusatz „Nicht in ein polizeiliches Führungszeugnis aufzunehmen" . Aus diesem Grund können bei Ablehnungen u. a. auch Erkenntnisse von Bedeutung gewesen sein, die nicht den polizeilichen Führungszeugnissen zu entnehmen waren.
Zusatzfrage, Herr Dr. Daniels.
Wenn ich Sie richtig verstanden habe, dann sagen Sie, daß es neben den Erkenntnissen, die möglicherweise einem polizeilichen Führungszeugnis entnommen werden können, noch andere Erkenntnisse gibt. Können Sie eine Aussage darüber machen, wo die herkommen, wie die zustande kommen? Aus welchen Quellen können diese zusätzlichen Erkenntnisse gewonnen werden?
Gröbl, Parl. Staatssekretär: Die Erkenntnisse werden von den Stellen gewonnen, die ich bei der Beantwortung der ersten Frage aufgeführt habe; ich glaube, ich brauche sie jetzt nicht zu wiederholen.
Zum zweiten, Herr Dr. Daniels, darf ich Sie auf die „Bewertungskriterien für die Sicherheitsüberprüfung von Personal in kerntechnischen Anlagen bei der Beförderung und Verwendung von Kernbrennstoffen", im gemeinsamen Ministerialblatt 1988, Nr. 18, Seite 330, hinweisen. Ich kann es Ihnen aber auch geben. Da steht das alles, Herr Daniels.
Sie haben eine weitere Zusatzfrage, Herr Dr. Daniels.
: Ist die Bundesregierung bereit, nach Auswertung der Daten, die Sie mir eben genannt haben, mögliche Erkenntnisse bei der Novellierung des Atomgesetzes in diesem Punkt mit einfließen zu lassen?
Gröbl, Parl. Staatssekretär: Die Bundesregierung ist ständig bereit, neue Erkenntnisse in Verfahren einfließen zu lassen.
Damit sind wir am Ende dieses Geschäftsbereichs. Ich danke dem Staatssekretär für die Beantwortung der Fragen.Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen auf. Herr Parlamentarischer Staatssekretär Dr. Voss steht uns zur Beantwortung der Fragen zur Verfügung.Die Frage 33 des Abgeordneten Dr. Weng soll schriftlich beantwortet werden. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.Wir kommen zur Frage 34 der Abgeordneten Frau Matthäus-Maier:
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10758 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 145. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 31. Mai 1989
Vizepräsident WestphalWarum gibt die Bundesregierung nicht zu, daß nach ihrer Weigerung, europaweit eine Quellenbesteuerung auf Kapitalerträge oder ein Mitteilungsverfahren einzuführen, eine europäische Harmonisierung des Kapitalmarkts von ihr nicht mehr angestrebt wird?Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Die Abschaffung der kleinen Kapitalertragsteuer zum 1. Juli 1989 bedeutet nicht, Frau Kollegin Matthäus-Maier, daß die Bundesregierung auf eine Harmonisierung des europäischen Kapitalmarktes verzichtet. Zwischen einer europaweiten Einführung einer Quellenbesteuerung auf Kapitalerträge und der europäischen Harmonisierung des Kapitalmarktes, z. B. Harmonisierungsbestrebungen beim Banken-, Börsen- und Versicherungswesen, besteht kein Zusammenhang. Die Bundesregierung unterstützt die Maßnahmen der EG zur Harmonisierung des Kapitalmarktes und zur Liberalisierung des Kapitalverkehrs.
Zusatzfrage, Frau
Matthäus-Maier.
Herr Staatssekretär, die EG-Kommission hat im Entwurf einer Richtlinie vorgeschlagen, daß entweder die EG-weite Quellensteuer eingeführt werden soll oder aber ein Mitteilungsverfahren als Voraussetzung für eine Harmonisierung des Kapitalmarkts. Auch Bundeskanzler Kohl hat in der entsprechenden Regierungserklärung vom 27. April diesen Zusammenhang hergestellt, als er sagte, das sei zwingend erforderlich. Wenn Sie die Quellensteuer abschaffen und zugleich das Mitteilungsverfahren ablehnen: In welche Richtung gehen dann Ihre Bemühungen, um diese Voraussetzungen für eine Liberalisierung des Kapitalmarkts zu erfüllen?
Dr. Voss, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin Matthäus-Maier, wir kommen gerade gemeinsam aus dem Hearing des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages. Hier haben wir gehört, was die Deutsche Bundesbank zu dieser Problematik gesagt hat. Sie hat klar zum Ausdruck gebracht, daß sie — ebenso wie die Bundesregierung — keinen Zusammenhang sieht. Ich meine, wir befinden uns hier in einer guten Gesellschaft. Wir sind genau der Meinung, die eben auch von der Bundesbank artikuliert worden ist.
Zusatzfrage, bitte.
Hat die EG-Kommission — die Sitzung des Finanzrats war erst vor kurzem — ihre entsprechenden Bemühungen aufgegeben?
Dr. Voss, Parl. Staatssekretär: Die Kommission war sich wohl wie jeder, Frau Kollegin Matthäus-Maier, darüber im klaren, daß ihre Bemühungen um die Einführung einer Quellensteuer auf EG-Ebene nur dann zum Erfolg führen könnten, wenn dort eine Einstimmigkeit erzielt würde. Jeder weiß, daß es eine Reihe von Staaten gab, die sowohl gegen eine Einführung der Quellensteuer als auch gegen ein Kontrollmitteilungssystem Widerspruch erhoben haben, so daß es zu einer Einmütigkeit nicht kam. Von daher gehe ich davon aus, daß die Kommission die Schwierigkeiten selbst gesehen hat, die hier bestanden.
Zusatzfrage des Abgeordneten Huonker.
Herr Staatssekretär, nachdem der Bundeskanzler, wie Frau Matthäus-Maier schon betont hat, kürzlich in der Regierungserklärung gesagt hat, im Hinblick auf die Harmonisierung des Kapitalmarkts sei eine Harmonisierung der Besteuerung von Kapitalerträgen zwingend notwendig, und die Bundesregierung bis vor dreißig Sekunden immer erklärt hat, sie werde sich wegen der Liberalisierung des Kapitalmarkts um eine Harmonisierung bemühen: Ist Ihre Antwort so zu verstehen, daß jetzt der Staatssekretär die bisherige Meinung von Bundeskanzler und Bundesregierung widerrufen hat, wenn er sagt, es bestehe überhaupt kein Zusammenhang zwischen den beiden Themen?
Dr. Voss, Parl. Staatssekretär: Nein, Herr Kollege, Sie interpretieren mich völlig falsch. Ich habe nur gesagt, daß wir der Meinung sind — das ist, wie ich eben schon ausführen durfte, in dem Hearing klar zum Ausdruck gekommen — , daß zwischen der Harmonisierung der Besteuerung der Kapitalerträge und dem, was an Liberalisierung des Kapitalverkehrs beispielsweise von Frankreich noch getan werden muß, kein Zusammenhang besteht. Ich bin mir darüber im klaren, Herr Kollege Huonker, daß Frankreich den Wert einer Liberalisierung seines Kapitalverkehrs deutlich erkennt und daß es zur Stärkung des Francs auch ohne die Harmonisierung bei der Besteuerung der Kapitalerträge das Notwendige tun wird, um zur Liberalisierung im europäischen Raum zu kommen. Auch andere Beispiele sind hier noch anzuführen, die heute morgen im Hearing von der Bundesbank genannt worden sind.
Frau Matthäus-Maier hat die Frage 35 gestellt:
Warum trifft es nicht zu, daß die europäische gegenseitige Amtshilfe im Bereich der direkten und indirekten Steuern bei der deutschen gesetzlichen Regelung des Bankenerlasses für die Erfassung der Kapitalerträge ins Leere läuft?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Dr. Voss, Parl. Staatssekretär: Die europäische gegenseitige Amtshilfe im Bereich der direkten und indirekten Steuern für die Erfassung der Kapitalerträge setzt dort ein, wo sich der Verdacht auf nichtversteuerte ausländische Kapitaleinkünfte aufdrängt. Die Steuerverwaltungen der Mitgliedstaaten können sich dann Auskünfte im Wege der Amtshilfe erteilen. Die deutsche gesetzliche Regelung des § 30 a der Abgabenordnung, die den Bankenerlaß in Gesetzesrecht umsetzte, steht dem nicht entgegen.
Zusatzfrage, Frau Matthäus-Maier.
Könnten Sie mir schildern, wie ein entsprechendes Ersuchen einer auslän-
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Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 145. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 31. Mai 1989 10759
Frau Matthäus-Maierdischen Behörde aussehen müßte, um die Voraussetzungen, die Sie geschildert haben, zu erfüllen und trotzdem nicht unter den Bankenerlaß zu fallen?Dr. Voss, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin Matthäus-Maier, Sie wissen selbst, daß dieses Verfahren im Moment noch recht bilateral gestaltet ist, daß hier sozusagen auf der Ebene des „do ut des" Auskünfte erteilt werden, daß also noch bestimmte Unterschiede bestehen. Ich kann mir aber schon vorstellen, daß im weiteren die Verfahren vereinheitlicht werden und daß man dann einen Standard entwickelt, nach dem die Auskünfte im Wege der Amtshilfe erteilt werden.
Weitere Zusatzfrage?
Möglicherweise, aber im Moment noch nicht.
Sie wollen zuerst fragen, Herr Huonker? — Bitte schön.
Herr Staatssekretär, können Sie mir zustimmen, daß ein EG-weit harmonisiertes Amtshilfeverfahren nicht weiter gehen wird als das, was innerhalb der Bundesrepublik getan wird und getan werden kann, um die gesetzlich vorgesehene Besteuerung von Kapitalerträgen zu gewährleisten, und können Sie mir weiter zustimmen, daß, wenn es in der Bundesrepublik Deutschland weder ein wie auch immer geartetes Kontrollmitteilungsverfahren noch eine Quellensteuer gibt und der Bankenerlaß im Gesetz ist, der Spielraum, um seitens der Bundesrepublik Deutschland Amtshilfe zu gewähren, sehr eng ist, es sei denn, man würde die Gesetzgebung ändern, über die wir im Augenblick im Bundestag beraten?
Dr. Voss, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Huonker, ich würde Ihnen sehr gerne voll zustimmen. Der Aussage in dieser Frage, die Sie ja stark unterteilt haben, vermag ich aber nicht voll zuzustimmen. Wir beide wissen, daß der Bankenerlaß natürlich gewisse Einschränkungen vorgibt. Wenn es keine Begründung dafür gibt, diese Einschränkungen zu überwinden — das Verdachtsmoment beispielsweise ist einer der wesentlichen Punkte — , dann sind natürlich auch auf europäischer Ebene und im Wege der Amtshilfe keine Möglichkeiten gegeben. Insofern stimme ich Ihnen zu.
Noch eine Zusatzfrage, Frau Matthäus-Maier.
Ist es nicht so, daß in dem eben von Ihnen erwähnten Hearing § 30a der Abgabenordnung als einzigartig bezeichnet wurde, so daß im Rahmen der EG bei einer Verstärkung der gegenseitigen Amtshilfe die Existenz des § 30 a doch gegen eine wirksame Amtshilfe steht?
Dr. Voss, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin Matthäus-Maier, es ist nur selbstverständlich, daß wir die Aussagen der Sachverständigen heute morgen im Hearing natürlich etwas anders werten. Wenn Sie das
eine oder andere, was ausgesagt worden ist, in Ihre Richtung deuten,
dann werden Sie mir zugeben, daß ich dasselbe Recht habe, das zu tun. Auf dieser Basis müssen wir schon versuchen, miteinander auszukommen.
Wir sind am Ende dieses Geschäftsbereichs, weil die Frage 36 des Abgeordneten Stiegler schriftlich beantwortet werden soll. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich danke dem Staatssekretär für die Beantwortung der Fragen.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft auf. Herr Parlamentarischer Staatssekretär Dr. von Wartenberg steht zur Beantwortung zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 37 des Abgeordneten Engelsberger auf:
Wie hoch sind pro kWh die sogenannten sozialen Kosten anzusetzen, die bei der Erzeugung elektrischer Energie aus fossilen Brennstoffen (Steinkohle, Braunkohle und Mineralöl) sowie der Kernenergie anfallen?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident, Herr Kollege Engelsberger, es ist zweifellos richtig, daß die Erzeugung von Strom mit externen Effekten verbunden ist, die in den von Ihnen angesprochenen Bereichen Schäden mitverursachen. Belastbare Schätzungen zur Höhe der von Ihnen angesprochenen sozialen Kosten, die pro Kilowattstunde durch die Stromerzeugung verursacht werden, liegen allerdings nicht vor. Dies liegt zum einen in den außerordentlich komplexen Wirkungszusammenhängen begründet. Beispielsweise gehen die von Ihnen angesprochenen Waldschäden, die Klimaschäden und die Gesundheitsschäden in aller Regel auf vielfältige Ursachenbündel zurück. Emissionen aus Kraftwerken sind hier nur eine Teilursache. Die Wirkungszusammenhänge sind hierbei trotz intensiver Bemühungen erst ansatzweise erforscht, so daß Aussagen hierzu in der Regel Schätzcharakter haben und mit hohen Unsicherheiten behaftet sind. Ich darf hier als aktuellstes Beispiel nur die CO2-Problematik nennen.
Zum anderen entziehen sich viele Wirkungen, selbst wenn sie erkannt sind, einer adäquaten kostenmäßigen Bewertung. Die zum Teil sehr große Bandbreite der in vorliegenden Untersuchungen gemachten Angaben macht dies deutlich. Der hohe Grad an Unsicherheit erfordert letztlich Wahrscheinlichkeitsüberlegungen und Risikoabschätzungen, die notwendigerweise sehr subjektiver Natur sind. Soziale Kosten können zudem grenzüberschreitend entstehen, wie das gerade die CO2-Problematik oder der Kernkraftwerksunfall in Tschernobyl sichtbar gemacht haben.
Zusatzfrage, Herr Engelsberger.
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10760 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 145. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 31. Mai 1989
Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung weiterhin der Auffassung, daß das Verursacherprinzip bei Umweltschäden aufrechtzuerhalten ist und daß dies auch in der Praxis verwirklicht werden sollte? Wäre es dann nicht notwendig, daß die Betreiber von fossilen Kraftwerken mit gewissen Belastungen und die Betreiber von umweltsauberen Kraftwerken mit einem gewissen Bonus ausgestattet werden?
Dr. von Wartenberg, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Engelsberger, wir sind der Auffassung, daß das Verursacherprinzip angestrebt und eingehalten werden muß. Voraussetzung ist, daß man konkrete, abschätzbare und bewertbare Kriterien der Abgrenzung erhält. Ich habe darzustellen versucht, daß gerade in der von Ihnen angesprochenen Frage der sozialen Kosten zum Teil nur Schätzungen möglich sind.
Weitere Zusatzfrage, Herr Engelsberger.
Herr Staatssekretär, ist der Bundesregierung der Bericht des Fraunhofer-Instituts für Systemtechnik und Innovationsforschung bekannt, der im Auftrag der Kommission der Europäischen Gemeinschaft erstellt worden ist? Hier werden die sozialen Kosten des Energieverbrauchs behandelt. Diese werden — ich nehme jetzt die Gesamtkosten, die allein auf Kraftwerke entfallen — mit etwa 15 Milliarden DM im Jahr angegeben. Wäre die Bundesregierung bereit, diese hier einigermaßen fixierten Kosten — die Klimakosten sind noch nicht einbezogen — praktisch den Betreibern von fossilen Kraftwerken aufzuerlegen bzw. den Betreibern, die umweltsaubere Kraftwerke betreiben, einen gewissen Bonus zu erstatten?
Dr. von Wartenberg, Pari. Staatssekretär: Herr Kollege Engelsberger, gerade die von Ihnen zitierte Studie zeigt die Problematik, die Sie angesprochen haben. Die Studie beruht zum Teil auf Zahlen, die wir heute nicht mehr teilen können, und nimmt Bewertungen vor, die wir heute in diesem Umfang nicht mehr anerkennen. In dieser Studie ist es somit unseres Erachtens keineswegs gelungen, die grundsätzlichen Probleme bei der Ermittlung und der Quantifizierung der sozialen Kosten zufriedenstellend zu lösen. Dennoch versuchen wir, auch durch eigene Untersuchungen — über die Auftragsvergabe wird zur Zeit diskutiert — diesem Problem gerecht zu werden.
Herr Dr. Daniels, Zusatzfrage.
Kann ich Ihre Aussage, Herr Staatssekretär, so interpretieren, daß Sie, obwohl, für jeden sichtbar, mit dem Betrieb von fossilen Kraftwerken oder auch von Atomkraftwerken Belastungen für die Umwelt verbunden sind und dadurch natürlich auch Schäden entstehen, nicht bereit sind, einer Energiequelle, die, wie soeben beschrieben, sauber ist, die also mit solchen Folgen nicht verbunden ist, einen dementsprechenden Bonus zu geben, obwohl auch in dieser Studie eindeutig belegt wird, daß die sogenannten sozialen Kosten erfaßbar sind. Man kann sich ja über die verschiedenen Parameter im einzelnen, bis auf die Stelle hinter dem
Komma, noch streiten. Tatsache ist aber, daß die Kosten in einer Größenordnung liegen, die es sicherlich angezeigt erscheinen läßt, eine Förderung der erneuerbaren Energien in diesem Zusammenhang für richtig zu halten.
Dr. von Wartenberg, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Daniels, ich glaube, es ist Ihnen nicht entgangen, daß die Bundesregierung in großem Umfange gerade regenerative Energien fördert und wir auch die Erforschung der Ursachen- und Wirkungszusammenhänge zwischen Energie und Umwelt vorantreiben. Es sind ja auch einige Gesetzgebungsmaßnahmen vorangetrieben worden: Waldforschung darf ich als ein Stichwort nennen.
Insoweit prüfen wir zur Zeit, ob es möglich ist, durch konkretere Untersuchungen externe Kosten zu ermitteln. Wir glauben aber, daß wir gerade auch im Vergleich zu anderen Industriestaaten in der Respektanz, in der Umsetzbarkeit und in der Einführung selbst bei den regenerativen Energien erheblich weiter sind.
Jetzt kommen wir zur Frage 38 des Kollegen Engelsberger:Ist die Bundesregierung bereit, für die sozialen Kosten, die bei der Stromerzeugung durch den Einsatz regenerativer Energien vermieden werden, den Stromproduzenten einen finanziellen Ausgleich zu gewähren, nachdem keine der heute verfügbaren regenerativen Energien in der Lage ist, auf dem freien Markt bei der Stromerzeugung mit fossilen Brennstoffen (u. a. der hochsubventionierten deutschen Steinkohle, laut Angabe der IG Bergbau für die Jahre 1956 bis 1988 43,4 Mrd. DM) oder der Kernenergie (die laut Angabe der IG Bergbau in den Jahren von 1956 bis 1988 mit insgesamt 61,6 Mrd. DM subventioniert worden ist) in Konkurrenz zu treten?Bitte schön, Herr Staatssekretär.Dr. von Wartenberg, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Engelsberger, die Bundesregierung verfolgt mit ihrer Umweltpolitik den Weg, die von Ihnen angesprochenen sozialen Kosten der Stromerzeugung möglichst gar nicht erst entstehen zu lassen. Diese Politik wird im Bereich der fossilen Stromerzeugung durch hohe Umweltschutzanforderungen und im Bereich der Kernkraftwerke durch höchstmögliche Sicherheitsstandards realisiert. Allein auf Grund der Vorgaben für die Entschwefelung und Entstickung der Kohlekraftwerke wurde die deutsche Elektrizitätswirtschaft zu Investitionen von 23 Milliarden DM veranlaßt. Hinzu kommen erhebliche Aufwendungen für den hohen Sicherheitsstandard der deutschen Kernkraftwerke.Auch im Internationalen Bereich wirkt die Bundesregierung mit Nachdruck auf eine Verbesserung der Umweltstandards für fossile Energieträger und der Sicherheitsstandards für Kernkraftwerke hin.Gleichzeitig unterstützt die Bundesregierung Forschung und Entwicklung bei den erneuerbaren Energien. Sie hat ausreichend Mittel bereitgestellt, um jedes erfolgversprechende Forschungsprogramm fördern zu können: Seit Ende 1974 sind es mehr als 2,2 Milliarden DM. Im internationalen Vergleich nimmt die Bundesrepublik damit — ich habe das soeben schon in einer Zusatzantwort zum Ausdruck gebracht — eine Spitzenposition ein. Sie erreichte z. B. 1988 ein finanzielles Fördervolumen, das in etwa der
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Parl. Staatssekretär Dr. von WartenbergSumme der Förderung aller anderen EG-Staaten entspricht. Sie unterstützt aktiv die Gründung eines Forums für Zukunftsenergien, das sich besonders auch den erneuerbaren Energien zuwenden soll.Die von Ihnen verwendeten Angaben der Industriegewerkschaft Bergbau und Energie über die Subventionen der Kernenergie treffen nicht zu. Tatsächlich liegen die Aufwendungen wesentlich niedriger. Im Hinblick auf Ihre Frage ist jedoch entscheidend, daß nicht der kommerzielle Einsatz der Kernenergie subventioniert wurde, sondern es sich im wesentlichen um Forschungs- und Entwicklungssubventionen gehandelt hat. Bei den von Ihnen angesprochenen Steinkohlensubventionen sind neben dem Sicherheitsbeitrag für die Energieversorgung sozial- und regionalpolitische Gesichtspunkte von Bedeutung.
Zusatzfrage, Herr Engelsberger.
Herr Präsident, das war eine sehr lange Antwort. Daher müßte mir jetzt eine sehr lange Zusatzfrage gestattet werden.
Ich werde das ausgewogen beurteilen.
Ich werde es versuchen; es war nämlich eine umfangreiche Antwort auf meine schriftliche Frage.
Herr Staatssekretär, es ist doch so, daß sich die Bundesregierung zwar bemüht, bei fossilen Kraftwerken durch Entschwefelung und Entstickung eine Verbesserung herbeizuführen, daß sie aber letzten Endes nicht in der Lage ist, im Hinblick auf das CO2, das ja die Klimakatastrophe im nächsten Jahrhundert bei uns herbeiführen wird, irgendeine Verbesserung zu erzielen. Die Toronto-Konferenz hat doch ergeben, daß gerade der Verbrauch fossiler Brennstoffe im nächsten Jahrhundert auf die Hälfte reduziert werden sollte.
Weiterhin ist die Situation auch von der Bundesregierung so dargestellt worden, daß bis zum Jahr 2000 der Einsatz regenerativer Energien um das Vier- bis Fünffache erhöht werden sollte.
Glauben Sie, daß bei den Einspeispreisen, die den Erzeugern von regenerativen Stromerzeugungsanlagen gewährt werden — sie liegen bei etwa 8 bis 10 Pfennig pro kWh — , diese in der Lage sind, eine derartige Steigerung durchzuführen? Meinen Sie nicht, daß es notwendig wäre, die Einspeispreise ganz erheblich zu erhöhen, und daß die Bundesregierung eine Verordnung erlassen sollte, die gerade diesem Zweck dient?
Dr. von Wartenberg, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Engelsberger, da Ihre Frage, die ich gerade beantwortet habe, ebenfalls sehr lang war, fiel auch meine Antwort lang aus. Ich will mich nun bemühen, auf Ihre lange Frage eine kurze Antwort zu geben.
Sie wissen, daß die regenerativen Energien bisher leider nur einen ganz kleinen Teil der Energieversorgung der Bundesrepublik Deutschland leisten können und daß es auch bis zum Jahre 2000 bei vielleicht einer Verdoppelung immer noch ein sehr kleiner Teil
sein wird. Ihnen ist auch bekannt, daß wir die Einspeiseverordnung für die Wasserkraftwerke im letzten Jahr in Zusammenarbeit mit den zuständigen Wirtschaftsverbänden auf Anregung des Bundeswirtschaftsministers geändert haben.
Sie dürfen noch eine, wenn auch kurze Frage stellen.
Ich muß mich immer stark konzentrieren, um die Frage in eine kurze Form zu bringen.
Herr Staatssekretär, wäre die Bundesregierung bereit, eine Verordnung zu erlassen, wonach die Einspeispreise von regenerativ erzeugtem Strom mit einem Bonus versehen werden, der die eingesparten sozialen Kosten zum Ausdruck bringt? Die Studie der Fraunhofer-Gesellschaft nennt einen Preis von etwa 8 bis 10 Pfennig pro Kilowattstunde.
Dr. von Wartenberg, Parl. Staatssekretär: Wenn ich die Frage kurz beantworten muß, würde ich nein sagen. Wenn ich eine Begründung bringe, dann darf ich darauf hinweisen, daß ich Bedenken habe, ob es saubere Kriterien für eine Abschätzung der sozialen Kosten gibt. Weiterhin ist es nicht das Ziel der Bundesregierung, hier über eine Form von neuen Dauersubventionen Markteintrittsmöglichkeiten zu schaffen.
Herr Dr. Daniels .
Wie wir Ihre Ausführungen verstehen, wollen Sie die Einspeis-preise für die erneuerbaren Energien nicht erhöhen. Das heißt, daß nach wie vor eine erhebliche Benachteiligung der meist privaten Stromerzeuger besteht, weil sie derzeit nur 8 bis 10 Pfennig pro Kilowattstunde bekommen.
Angemessen wäre aber — das ist jetzt meine Frage — , daß Sie sich nicht an den reinen Erzeugungskosten orientieren, sondern an den vermiedenen Kosten der EVUs. In diesem Zusammenhang müßte dann der Preis für eine Kilowattstunde eigentlich wesentlich höher liegen. Am einfachsten wäre es, wenn ein Zähler dann einmal vorwärts- und einmal rückwärtsliefe.
Dr. von Wartenberg, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Daniels, ich darf noch einmal darauf hinweisen, daß gerade die Bundesregierung in den letzten Jahren die Einspeiseverordnung insbesondere für Strom aus regenerativen Energiequellen deutlich verbessert hat.
Zusatzfrage der Abgeordneten Frau Walz.
Wäre die Bundesregierung bereit, eine Informations- bzw. Einführungskampagne zu unterstutzen bzw. zu initiieren, um in der Bevölkerung eine höhere Akzeptanz für die Entwicklung und auch die Anwendung von Techniken zur regenerativen Energiegewinnung zu erreichen?
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10762 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 145. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 31. Mai 1989
Dr. von Wartenberg, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin, Ihrer Frage liegt genau das zugrunde, was die Bundesregierung mit der Einrichtung des Forums für erneuerbare Energien und Zukunftsenergien plant. Wir hoffen, daß dort die Fachkräfte der verschiedensten Wirtschaftsverbände und die Bevölkerung selber aufgeklärt werden, wir fachliche und sachliche Untersuchungen bekommen und gerade die Akzeptanz für diesen Energiebereich wächst. Das ist mit das Ziel der Begründung dieses Forums.
Die Fragen 39 und 40 des Abgeordneten Wüppesahl sollen auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet werden. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 41 des Abgeordneten Gansel auf:
Ist für den U-Boot-Bau mit Israel als Endverbleibsland bei der Bundesregierung ein Antrag bzw. eine Voranfrage durch Firmen aus der Bundesrepublik Deutschland gestellt worden, und wirkt die Bundesregierung als Genehmigungsbehörde und Miteigentümerin einer dieser Firmen auf das Israel-Geschäft fördernd oder verhindernd ein?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Dr. von Wartenberg, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Gansel, auf die Frage 41 darf ich antworten: Der Bundesregierung liegt eine Voranfrage für die Herstellung und den Export von U-Booten nach Israel vor. Die Bundesregierung hat hierzu bisher keine Entscheidung getroffen und wirkt auf dieses Geschäft nicht fördernd ein.
Herr Gansel, Zusatzfrage.
Was will die Bundesregierung denn nun? Ist es ihr egal, ob aus der Bundesrepublik Waffen nach Israel und in das Spannungsgebiet des Nahen Ostens geliefert werden, oder überlegt sie noch?
Dr. von Wartenberg, Parl. Staatssekretär: Wenn unsere Entscheidung gefallen wäre, hätte ich sie eben bekanntgegeben. Da wir aber die Entscheidung noch nicht getroffen haben und der Bundessicherheitsrat bisher über die Voranfrage nicht entschieden hat, ist die Meinungsbildung nicht abgeschlossen.
Sie haben eine weitere Zusatzfrage, Herr Gansel.
Hat es im Zusammenhang mit diesem Geschäft — ich beziehe mich sowohl auf Lieferungen an Israel direkt als auch auf Lieferungen auf dem Umweg über die USA — bereits genehmigungspflichtige Exporte gegeben?
Dr. von Wartenberg, Parl. Staatssekretär: Das ist mir nicht bekannt, Herr Kollege Gansel.
— Sehr gern.
Zusatzfrage des Abgeordneten Dreßler.
Trifft es zu, daß die israelische Regierung selbst auch noch keine Entscheidung getroffen hat?
Dr. von Wartenberg, Parl. Staatssekretär: Auch das ist mir nicht bekannt, Herr Kollege.
Ich rufe die Frage 42 des Abgeordneten Gansel auf:
Wie ist der Stand der wegen der möglichen Beteiligung Deutscher an der C-Waffen-Produktion in Libyen laufenden staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen, und wann beabsichtigt die Bundesregierung, ihren Zwischenbericht vom Dezember 1988 bezüglich des Standes der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen wegen der möglichen Beteiligungen Deutscher an der C-Waffen-Produktion im Irak zu ergänzen?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Dr. von Wartenberg, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Gansel, Sie fragen hier nach zwei getrennten Sachverhalten.
Die Bundesregierung hat am 15. Februar 1989 über den Stand der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen über eine Beteiligung Deutscher an der Errichtung einer Kampfstoffproduktionsanlage in Libyen berichtet.
Ich habe über den Bundesminister der Justiz bei den Staatsanwaltschaften erneut den Sachstand angefragt. Danach ergibt sich folgendes.
Das Bundeskriminalamt führt die Ermittlungen federführend für die Staatsanwaltschaft. Zur Zeit wird das bisher erhobene Beweismaterial ausgewertet. Der Auftrag für ein Gutachten steht noch aus. Parallel hierzu wurden u. a. Zeugen vernommen und Bankunterlagen sichergestellt sowie Geschäftsräume der Imhausen-Gruppe durchsucht.
Rechtshilfeersuchen gingen an Belgien und die Schweiz.
Abschließende Erkenntnisse über die Ausfuhr von unter das Außenwirtschaftsgesetz fallenden Gegenständen liegen noch nicht vor.
Dr. Jürgen Hippenstiehl-Imhausen wurde am 10. Mai 1989 in diesem Zusammenhang in Bochum verhaftet. Der Haftbefehl wurde vom Amtsgericht Mannheim aufrechterhalten.
Wegen des Verdachts illegaler Ausfuhren von Ausrüstungsteilen zur Produktion chemischer Kampfstoffe im Irak laufen seit November 1987 Ermittlungsverfahren. Die Bundesregierung hat über den Stand der Ermittlungen mit Schreiben vom 7. Dezember 1988 berichtet. In dem Bericht wurde schon darauf hingewiesen, daß es in dem Verfahren gutachterlicher Beurteilungen u. a. der gelieferten Chemieanlagen bedarf. Inzwischen mußten ergänzende Gutachtenaufträge erteilt werden. Ergebnisse liegen noch nicht vor. Eine Bewertung der Ermittlungen durch die Staatsanwaltschaft wird erst nach Erhalt dieser Gutachten möglich sein.
Zusatzfrage, Herr Gansel.
Herr Staatssekretär, können Sie darüber Auskunft geben, welcher deutsche Geschäftsmann die Quelle für den Bericht des Beamten des Auswärtigen Dienstes aus der Moskauer Botschaft
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Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 145. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 31. Mai 1989 10763
Ganselvom Juli 1985 gewesen ist, der schon damals die Bundesregierung über den Regieplan für die Unterstützung des Baus einer Chemiewaffenfabrik in Libyen durch deutsche Firmen, u. a. durch einen Staatskonzern aus der Bundesrepublik, informiert hat?Dr. von Wartenberg, Parl. Staatssekretär: Der Name des Geschäftsmanns ist mir nicht bekannt, Herr Kollege Gansel.
Sie haben eine weitere Zusatzfrage, Herr Kollege Gansel.
Ist Ihnen bekannt, welche Anstrengungen die Bundesregierung unternommen hat, um diesen Beamten des Auswärtigen Dienstes für Vernehmungen der zuständigen Staatsanwaltschaft verfügbar zu machen?
Dr. von Wartenberg, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Gansel, auch das ist mir als Vertreter des Bundeswirtschaftsministeriums nicht bekannt.
Wir sind damit am Ende dieses Geschäftsbereichs. Ich danke dem Staatssekretär für seine Antworten.
Den Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten brauche ich nicht aufzurufen, weil alle Fragen schriftlich beantwortet werden sollen. Es sind die Fragen 43 und 44 des Abgeordneten Funk , die Fragen 45 und 46 der Abgeordneten Frau Wieczorek-Zeul und die Frage 47 des Abgeordneten Hinsken. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung. Der Parlamentarische Staatssekretär Seehofer steht uns zur Beantwortung zur Verfügung.
Ich rufe Frage 48 des Abgeordneten Dreßler auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß alle Krankenversicherten, die zum 31. Dezember 1988 arbeitslos wurden, erst ab 2. Januar 1989 Leistungen nach dem Arbeitsförderungsgesetz erhalten konnten, weil der 1. Januar 1989 ein Sonntag war, und ist ihr insbesondere bekannt, daß daher für diesen Tag kein Krankenversicherungsschutz bestand?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Herr Präsident, wenn der Kollege Dreßler einverstanden wäre, würde ich wegen des Sachzusammenhangs die Frage 49 gleich mitbeantworten.
Sind Sie einverstanden?
— Dann rufe ich auch die Frage 49 des Abgeordneten Dreßler auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß hierdurch für den betroffenen Personenkreis das Sterbegeld als Leistung der Krankenversicherung in Zukunft wegfällt, weil § 58 SGB V die Leistungsgewährung ausdrücklich an die Krankenversicherungsmitgliedschaft am 1. Januar 1989 bindet, und teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß dies eine grobe soziale Ungerechtigkeit ist?
Bitte schön.
Seehofer, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, der Anspruch auf Sterbegeld hängt nach dem Wortlaut des § 58 des Sozialgesetzbuchs V davon ab, daß der Verstorbene am 1. Januar 1989 und am Todestag in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert war. Dafür reicht neben einer Mitgliedschaft auch eine Familienversicherung aus.
Wer sich, weil der 1. Januar 1989 ein Sonntag war, erst am 2. Januar arbeitslos melden konnte, ist nach § 105 AFG in Verbindung mit § 155 AFG auch am 1. Januar durch den Bezug von Leistungen der Bundesanstalt kraft Gesetzes krankenversichert. Der Anspruch auf Sterbegeld kann also in diesen Fällen nicht wegfallen.
Zusatzfrage, Herr Dreßler.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß § 155 Abs. 1 AFG ausdrücklich bestimmt, daß nur derjenige gegen Krankheit versichert ist, der Arbeitslosengeld, Arbeitslosenhilfe oder Unterhaltsgeld bezieht, und ist Ihnen darüber hinaus bekannt, daß § 114 AFG ausdrücklich bestimmt, daß Arbeitslosengeld nur für sechs Wochentage gewährt wird, also nicht für den Sonntag? Dies ist für den Beginn der Arbeitslosengeldzahlung wichtig. Er kann nie auf einen Sonntag fallen; vielmehr fällt er immer auf einen Werktag. Wie verstehe ich dann Ihre Äußerung zu dem Anspruch auf Sterbegeld, von dem Sie sagen, er bestehe, obwohl er nach dem hier verabschiedeten Gesetz und nach dem Text eben nicht besteht?
Seehofer, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, beide Paragraphen sind mir bekannt. Zu beiden Paragraphen gibt es ein Urteil des Landesozialgerichts Schleswig-Holstein, das besagt, daß es bei § 155 Abs. 1 AFG, der davon spricht, daß derjenige krankenversichert ist, der Arbeitslosengeld, Arbeitslosenhilfe oder Unterhaltsgeld erhält, nicht auf den tatsächlichen Bezug ankommt, sondern darauf, ob der Betreffende an jenem Tag, in unserem Fall am 1. Januar, anspruchsberechtigt war. Anspruchsberechtigt ist er nach § 105 AFG. Dies ist durch dieses Urteil bestätigt.
Das gleiche Urteil bringt zum Ausdruck, daß es auf § 114 AFG, der von der kalenderwerktäglichen Bezahlung des Arbeitslosengeldes spricht, bei der Frage des Krankenversicherungsschutzes nicht ankommt.
Zweite Zusatzfrage, Herr Dreßler.
Herr Staatssekretär, wollen Sie damit sagen, daß die Krankenkassen, die den Anspruch auf Sterbegeld nicht gewähren, damit gesetzwidrig handeln würden?Seehofer, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Dreßler, die Gesetzeslage ist eindeutig, auch der Stichtag 1. Januar 1989 ist sachgerecht. Das Problem liegt nicht in der Formulierung des Gesetzes; das Problem liegt vielmehr in Ihrer Auslegung.
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10764 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 145. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 31. Mai 1989
Weitere Zusatzfrage, Herr Dreßler.
Herr Parlamentarischer Staatssekretär Seehofer, wenn es so ist, wie Sie hier erklären, wie können Sie mir denn dann den Brief des Parlamentarischen Staatssekretärs Höpfinger vom 13. Februar 1989 an den verehrten Kollegen Emmerlich der SPD-Fraktion erklären, in dem er schreibt, daß ein Anspruch auf Sterbegeld bestehe, weil man es so auslegen könne. Wenn das so definitiv ist, warum hat er denn dann nicht geschrieben, daß die Gesetzeslage so ist, wie Sie es hier skizzieren? Warum hat er, faktisch gesehen, dem Kollegen Emmerlich eröffnet, es sei eine Auslegungsfrage, und die Bundesregierung habe sich in Briefen, wie Ihr Kollege Höpfinger ebenfalls mitgeteilt hat, an die Spitzenverbände der Krankenkassen gewandt, um sie darauf hinzuweisen, daß man es auch so praktizieren könne?
Seehofer, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Dreßler, der Inhalt des Briefes von Herrn Staatssekretär Höpfinger ist genauso richtig wie meine Auskunft.
Herr Höpfinger beschäftigt sich mit der allgemeinen Auslegung dieses Stichtags 1. Januar 1989 unter Beiziehung des Gesundheits-Reformgesetzes; denn es gibt ja nicht nur den Stichtagsproblemfall Arbeitslosigkeit, sondern auch andere Problemfälle. Diese allgemeine Auslegung hat Herr Staatssekretär Höpfinger Ihnen seinerzeit mitgeteilt.
Sie haben in Ihrer Frage jetzt den speziellen Fall einer Arbeitslosigkeit ab 31. Dezember 1988 angesprochen. Für diesen speziellen Fall gilt § 155 in Verbindung mit § 105 des Arbeitsförderungsgesetzes. Beide Auskünfte sind richtig.
Sie haben noch eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dreßler.
Herr Kollege Seehofer, wenn beide Auskünfte richtig sind, dann erklären Sie mir und damit auch dem Deutschen Bundestag doch bitte noch einmal, warum sich Ihr Kollege Höpfinger am 13. Februar 1989 auf diese einfache Formel nicht beziehen konnte, sondern auf eineinhalb Seiten sehr umständlich erklärt hat, daß man nun die Spitzenverbände der Krankenkassen informieren wolle, um in Zukunft eine Auslegung im Sinne der Bundesregierung zu erreichen.
Seehofer, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Dreßler, der Kollege Höpfinger wollte für alle möglichen Sachverhalte beim Vollzug dieses Stichtages eine Auskunft geben.
Sie haben — ich wiederhole das — in Ihrer schriftlichen Frage nur nach dem Problemfall Arbeitslosigkeit ab 31. Dezember 1988 gefragt. Deshalb habe ich nicht das GRG, sondern das Arbeitsförderungsgesetz bei der Beantwortung herangezogen.
Nun sind wir aufgeklärt.
Meine Damen und Herren, wir sind am Ende der Zeit, die für die Fragestunde zur Verfügung steht. Ich muß die Fragestunde deshalb schließen.
Ich habe eine Wortmeldung der Abgeordneten Frau Weyel zur Geschäftsordnung. Bitte schön.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Da uns die Antworten, die der Herr Parlamentarische Staatssekretär Seehofer gegeben hat, in keiner Weise zufriedenstellen können, beantrage ich, dieses Problem in einer Aktuellen Stunde weiterzubehandeln.
Meine Damen und Herren, die Fraktion der SPD hat zu der Antwort der Bundesregierung auf Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung eine Aktuelle Stunde verlangt. Das entspricht Nr. 1 b der Richtlinien für die Aktuelle Stunde. Die Aussprache muß nach Nr. 2 a der Richtlinien unmittelbar nach Schluß der Fragestunde durchgeführt werden.
Ich rufe daher auf: Aktuelle Stunde
Haltung der Bundesregierung zu den Auswirkungen des Gesundheits-Reformgesetzes
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Dreßler.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren!
— Wir haben gewußt, wie diese Regierung bei diesen Fragen herumeiert.
Ihre Briefe der Vergangenheit, ihre Interpretationsversuche, ihre Entschuldigungsversuche ließen keine andere Deutung zu. Insoweit war uns klar, daß jetzt eine Aktuelle Stunde folgen würde. Angesichts des schlampig erarbeiteten und mit groben sozialen Ungerechtigkeiten einhergehenden sogenannten Gesundheits-Reformgesetzes ist es für die Fraktion der SPD deshalb zwingend, daß sich der Deutsche Bundestag abermals mit diesem Thema befaßt.
Wer als Parlamentarier seine Pflichten ernst nimmt — und wir tun das —, den kann nicht ungerührt lassen, was sich derzeit im Bereich des Vollzuges der sogenannten Gesundheitsreform der Koalition an Durcheinander, an Rechtsunsicherheit und an Gesetzesverbiegungen abspielt. Das Hin und Her, die Wechselbäder in der Anwendung des Gesetzes, die Beseitigung ursprünglich gewollter, jetzt aber verleugneter sozialer Härten des Gesetzes am Text vorbei — all das schafft einen Zustand, der für die parla-
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Dreßlermentarisch-rechtsstaatliche Demokratie nur mit dem Prädikat unerträglich gekennzeichnet werden kann.
Es gibt in diesem Gesetz eine Fülle sozialer Härten, die sich in vielen Einzelschicksalen dokumentieren. Täglich werden es mehr. Wer das Arbeitsministerium auf diesen Sachverhalt hinweist, der erntet — wie zuletzt die SPD-Fraktion — den Kommentar: Das Gesetz ist sozial ausgewogen.Ich frage Sie: Ist es ein Zeichen sozialer Ausgewogenheit Ihres Gesetzes, wenn heute in einer Reihe von Zahnarztpraxen Formulare von Kreditvermittlungsinstituten ausliegen, damit die Patienten ihren Zahnersatz vorfinanzieren können? Ist es ein Zeichen sozialer Ausgewogenheit, wenn Zahnärzte auf Grund Ihres Gesetzes Überlegungen anstellen, den Patientenanteil an den Kosten durch entsprechende — in vielen Fällen dubiose — Beitreibungsinstitutionen einziehen zu lassen?Ist es ein Zeichen sozialer Ausgewogenheit, wenn eine zunehmende Zahl von Familien auf die notwendige kieferorthopädische Zahnregulierung bei ihren Kindern verzichten, weil sie den Patientenanteil bzw. die Vorfinanzierung nicht aufbringen können? Ist es ein Zeichen sozialer Ausgewogenheit, wenn Sie ab 1. Juli dieses Jahres die Krankenversicherungsbeiträge der Rentner erhöhen, gleichzeitig aber den Krankenkassen die Möglichkeit geben, den Gesunden Beiträge zurückzuerstatten?
Nennen Sie es wirklich sozial ausgewogen, wenn Sie Versicherte mit einem Monatseinkommen von 1 260 DM von den Zuzahlungen befreien, Versicherte aber bei einem um 2 DM höheren Einkommen im Zweifelsfall mit mehr als 250 DM zusätzlich belasten?
Ist dies alles sozial ausgewogen? Nein, das ist es nicht.
Es ist unsozial, ungerecht und einem Sozialstaat nicht angemessen, ja, es ist seiner unwürdig.
Woher nimmt die Vorsitzende der CDU-Frauenunion die Erkenntnis, das alles sei ein Schritt zu mehr sozialer Gerechtigkeit? Das bleibt wohl ihr eigenes Geheimnis.Meine Damen und Herren, die Politik der Bundesregierung hat unseren Sozialstaat mit dem Bazillus der Entsolidarisierung infiziert, und diese Infektion breitet sich aus. Ihre sogenannte Gesundheitsreform war dabei der vorläufige traurige Höhepunkt.Jede gesparte Mark komme den Versicherten wieder zugute; so erklärten Sie vollmundig bei jeder Gelegenheit. Das ist eine unglaubliche Verdrehung der Tatsachen.
Etwas ganz anderes ist richtig: Sie kassieren bei den Kranken ab und geben es den Pflegebedürftigen. Eine Gruppe, die in Not ist, muß der anderen Gruppe, die in Not ist, helfen. So sieht es mit Ihrer Sozialpolitik aus.
Jede gesparte Mark komme den Versicherten zugute: Das könnte ja auch heißen: Beitragssatzsenkung. Ja, wo ist die denn, bitte? Der durchschnittliche Beitragssatz in der Krankenversicherung ist vor der Gesundheitsreform wie nach der Gesundheitsreform auf Rekordniveau, nämlich bei 12,9 %.
Mittlerweile feiern Sie ja geradezu die sogenannte Beitragssatzstabilität. Das muß man sich einmal vorstellen: Der Bundesminister feiert in jeder seiner Reden, daß der Beitragssatz in der Krankenversicherung — auf einem absolut negativen Rekordniveau — stabil geblieben ist und daß nicht neue Negativ-Rekorde eingetreten sind.Zu alledem, meine Damen und Herren, erwarten wir heute eine Antwort der Bundesregierung.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Becker.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Diese Aktuelle Stunde dient — wie auch die ungerechtfertigte und in vielen Punkten falsche SPD-Dokumentation vom 19. Mai dieses Jahres — einzig und allein dem Ziel, die Gesundheitsreform als Wahlkampfthema auszuschlachten.
Herr Dreßler hatte schon bei der Verabschiedung des Gesetzes am 25. November des vergangenen Jahres die Parole ausgegeben: „Wir werden keine Ruhe geben. "
Nur, Herr Dreßler, damals wußten Sie noch gar nicht, was überhaupt kommt.
Herr Dreßler und auch meine Damen und Herren der Opposition, die Sie soeben so fröhlich geklatscht haben, die Sache läuft ganz anders, als Sie es damals erwartet haben. Die Hetz- und Verunsicherungskampagne bei der Bevölkerung bricht zusammen.
Versicherte und Patienten merken, daß die von derSPD gezüchteten maßlosen Befürchtungen gar nicht
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Dr. Becker
zutreffen. Sie spüren, daß die notwendigen Belastungen zu verkraften und auch sozial abgefedert sind.Alle, auch Sie, haben erklärt, daß die Reform des Gesundheitswesens und der gesetzlichen Krankenversicherung notwendig war. Sonst wäre die Krankenversicherung bald unfinanzierbar geworden. Ich erinnere Sie an Ihre eigenen Worte. Schon Anfang der 70er Jahre wurde die Kostenexplosion im Gesundheitswesen bekannt. Damals war die SPD an der Regierung. Ihre Kostendämpfungspolitik damals war aber unzureichend. Zu einer umfassenden Reform fehlte Ihnen die Kraft.Wir mußten daher jetzt handeln. In dieser wichtigen Sache konnte nicht gewartet werden, bis vielleicht die Bevölkerung unter dem Druck der ständig steigenden Beiträge lautstark auf der Straße die Reform gefordert hätte.Das Gesundheits-Reformgesetz ist richtig und auch sozial ausgewogen.
Der verdummende SPD-Spruch, das Gesetz trage das Kainsmal sozialer Ungerechtigkeit und Härte, ist völlig unbegründet und reine Wahlkampfpolemik.
Meine Damen und Herren, alle Beteiligten müssen ihren Beitrag zur Stabilisierung der Krankenversicherung leisten.
Ihre Sprüche von einer Umverteilung von unten nach oben treffen nicht zu. Die Lasten sind gerecht verteilt. Die Festbeträge zeigen jetzt auch den Beitrag der Leistungsanbieter; in diesem Jahr zirka 500 Millionen DM. Es gibt durch das Gesetz auch keine Panik, wie auch der Bundesärztekammerpräsident Vilmar auf dem Deutschen Ärztetag in Berlin aussagte.Die Gesundheitsreform hat Erfolg. „Die Reform wirkt", so lautet heute die Überschrift in der uns nicht nahestehenden „Neuen Rhein-Zeitung".
Die Beiträge bleiben seit vier Jahren erstmals stabil bei 12,9 %. Entgegen der Ankündigung vom letzten Herbst sparen Arbeitnehmer und Arbeitgeber damit 4 Milliarden DM an Beiträgen.
Bei Brillengestellen gibt es Preissenkungen um die Hälfte auf den neuen Festbetrag von 20 DM. Bei Arzneimitteln gab es schon Preissenkungen, ehe es Festbeträge gibt. Die Krankenkassen melden heute bereits — Sie brauchen nur die Zeitungen zu lesen — mögliche Beitragssenkungen für das kommende Jahr.
Die Opposition sollte dies zur Kenntnis nehmen. Ihr Reformkonzept hat nicht überzeugt. Es kostet mehr, statt Ersparnisse zu bringen, und wirft durch das Einkaufsmodell und die Positivliste eine ganze Reihe von Leistungserbringern mit vielen Arbeitsplätzen ausdem Markt. Meine Damen und Herren, die weiter vorgetragenen ungerechtfertigten Vorwürfe verunsichern die Patienten nur weiterhin.
Ich kann Sie nur auffordern: Hören Sie damit auf!
Das Wort hat die Abgeordnete Frau Wilms-Kegel.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! 151 Tage nach Inkrafttreten des sogenannten Gesundheits-Reformgesetzes
steht fest: Dies ist ein schlechtes Gesetz.
Die Ungeheuerlichkeiten dieses Gesetzes stinken zum Himmel.
Die Hetze, mit der Sie dieses unsägliche Gesetz durchgepeitscht haben, führt dazu, daß die Sachbearbeiter bei den Krankenkassen hoffnungslos überfordert sind und zum Teil abstruse Auskünfte an Versicherte weitergeben.
So wurde z. B. mitgeteilt, daß ein kaputtes Brillengestell für ein 10jähriges Kind nur dann ersetzt werden darf, wenn es sich hierbei um ein Kassengestell gehandelt hat. Eine völlig abstruse Auskunft!Öfter noch müssen die Krankenkassen den Versicherten jedoch leider wahre Auskünfte über eingeschränkte Leistungen geben.
Behinderte und chronisch Kranke oder Schwangere, die eine Auslandsreise planen, müssen sich jetzt zunächst versichern, mit welchem Land die Bundesrepublik Deutschland ein Sozialversicherungsabkommen abgeschlossen hat.
Gerade für Behinderte kommen viele so wichtige Sportreisen in das Ausland nicht mehr in Frage. Die Benachteiligten unserer Gesellschaft werden damit in ihrem Bewegungskreis deutlich eingeschränkt. Auch Schwangere haben keinerlei Chance mehr, ohne Risiko eine Reise nach Norwegen oder in die USA zu unternehmen.
Wer einen etwas komplizierteren Zahnersatz braucht, sonst aber kerngesund ist, wird allerdings bald besser fahren, wenn er seine notwendige Be-
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Frau Wilms-Kegelhandlung mit einer angenehmen Reise ins ferne und exotische Singapur verbindet.
Wer eine Vorerkrankung hat, wird auch diese Möglichkeit nicht nutzen können, sondern muß hier in der Bundesrepublik tief in die Tasche greifen,
um den notwendigen Zahnersatz zu erhalten.Wenn ein Kind am Wochenende plötzlich mit hohem Fieber oder starken Schmerzen erkrankt, dann müssen gerade im ländlichen Bereich die Eltern für die zum Teil 50 Kilometer weite Taxifahrt zum nächsten diensthabenden Kinderarzt teuer bezahlen.
Und erzählen Sie mir nichts von der Härte- und Überforderungsklausel! In vielen Briefen, die mich erreicht haben, wurde klar belegt, daß das Zuzahlungssoll schon im Januar oder Februar erreicht war und von jetzt ab die Versicherten in Vorleistung treten müssen.Als wir GRÜNEN während der Gesundheits-Reformgesetz-Debatte auf die Gefahren für die besonderen Therapierichtungen, die alternativen und naturheilkundlichen Heilmethoden hinwiesen, haben Sie, meine Damen und Herren von der Regierungskoalition, dies strikt geleugnet. Wir haben aber jetzt bereits die Situation, daß Kostenübernahmen für naturheilkundliche Rehabilitationseinrichtungen von den Krankenkassen mit Hinweis auf das Gesundheits-Reformgesetz abgelehnt werden.Ihre vollmundigen Ankündigungen über die Einspareffekte durch Negativlisten führen dazu, daß nicht nur Hersteller und Anwender, sondern insbesondere Patientinnen und Patienten stark verunsichert sind.Und wo, Herr Blüm, bleibt eigentlich Ihre Negativliste?!
Wollen Sie sicherheitshalber lieber erst einmal die Europawahlen oder die Kommunalwahlen in Nordrhein-Westfalen oder die Kommunalwahlen in Baden-Württemberg abwarten? Vielleicht war Berlin Ihnen eine Lehre.Kein Mensch wird die Auswirkungen dieses Gesetzes je vergessen oder übersehen können. Jeder Apothekenbesuch, jeder Arztbesuch wird zur Geldfrage.
Geben Sie zu, Herr Blüm: Sie haben Angst vor den Reaktionen der Wählerinnen und Wähler. Denn die wissen genau: Dies ist ein schlechtes Gesetz.Danke schön.
Das Wort hat der Abgeordnete Cronenberg.
Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin Weyel, Sie brauchten sich nicht der Mühe zu unterziehen, hier eine Aktuelle Stunde zu beantragen. Es gab eine interfraktionelle Vereinbarung, diese Aktuelle Stunde abzuhalten, weil es ja theoretisch auch möglich gewesen wäre, daß Präsident Westphal den Bereich in der Fragestunde gar nicht hätte aufrufen können.Zunächst möchte ich nicht versäumen, mich bei der SPD sehr herzlich zu bedanken. Ich möchte mich dafür bedanken, daß Sie diese Aktuelle Stunde beantragt haben. Denn ich gehe davon aus, daß das ein ordentliches Timing war, nämlich in Erwartung der folgenden Tickermeldung — ich zitiere — : Die Allgemeinen Ortskrankenkassen gehen nach der Gesundheitsreform davon aus, daß die Beitragssätze bis 1992 stabil bleiben und möglicherweise sogar gesenkt werden können.
Im ersten Quartal 1989 gab die AOK 1,3 % weniger aus, und man erwartet für die folgenden Quartale Rückgänge von 4 bis 5 %. Ich meine, das sollte die Opposition gemeinsam mit uns begrüßen, denn das bedeutet eine Ersparnis für die Beitragszahler.Ich möchte heute an dieser Stelle noch einmal klarstellen: Die Gesundheitsreform war notwendig, und sie ist auch sozial;
denn niemandem wird die notwendige medizinische Versorgung aus Einkommensgründen verweigert. Die Maßnahmen beginnen zu wirken. Weil für die SPD unvorstellbar war und ist, daß man durch sinnvolle Maßnahmen eine ordentliche Versorgung sicherstellen und trotzdem Beitragsstabilität und -senkung erreichen kann, deswegen machen Sie diese Gesundheitsreform madig.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich möchte Sie herzlich bitten: Dabei sollte Ihnen — Frau Wilms-Kegel, das gilt für Sie auch — nicht jedes Mittel recht sein. Mit Verlaub gesagt, ich finde es nicht in Ordnung, Krankheitsschicksale schamlos für Politikkampagnen auszunutzen.
Ich bitte sehr herzlich, nicht so zu verfahren.
Ich leugne nicht, daß es Detailprobleme gibt. Die meisten sind übrigens durch die Selbstverwaltung lösbar und werden auch gelöst.
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Cronenberg
Ich möchte noch einmal wiederholen: Die Reform ist sozial gerecht. Ich empfehle den Kolleginnen und Kollegen, die Härtefall- und Überforderungsklauseln zumindest einmal zu lesen.Es ist noch einmal festzustellen, wie ich das schon wiederholt von dieser Stelle aus getan habe: Die einzigen, die profitieren, sind die Beitragszahler und die Patienten, niemand anders.
— Die Beitragszahler profitieren, Frau Kollegin.Im Ernstfall wird jede notwendige Leistung erbracht und die 600 000 Pflegebedürftigen werden auch von dieser Reform profitieren.
Kein Anbieter — weder Ärzte noch Pharmaindustrie noch sonst jemand — bekommt mehr. Im Gegenteil, sie bekommen weniger.Verehrte Kolleginnen und Kollegen von der SPD, ich wünsche Ihnen zwar nicht, daß Sie in die Regierungsverantwortung kommen. Aber ich bin überzeugt: Sie werden den größten Teil der Maßnahmen nicht ändern, wenn Sie in diese Verlegenheit kommen, und dies aus gutem Grund.
Ich will das einmal am Beispiel der Festbeträge klarmachen. Der Hersteller bestimmt, was produziert wird, und der Hersteller bestimmt auch den Preis. Das gehört zur Marktwirtschaft. Genauso ist es marktwirtschaftlich, daß die Kassen, die die Interessenvertreter der Versicherten sind, bestimmen, in welcher Höhe erstattet wird. Das ist praktizierte Solidarität, die Sie und auch ich für richtig halten.
Die Akzeptanz für das GRG wächst von Tag zu Tag, und die Ergebnisse geben uns recht. Das Ganze erinnert mich an die Diskussionen um die Mehrwertsteuer. Damals waren auch 90 % der Politiker und 90 % der Bevölkerung dagegen, und zwar aus einem Grund: Sie hatten das Prinzip nicht begriffen. Aber mit dem Prozeß des Begreifens ist auch der Grad der Zustimmung gestiegen. Diese Chance hat die Opposition auch heute beim GRG.Verehrte Kolleginnen und Kollegen von der SPD, ich bitte Sie ganz herzlich und sehr ernst: weniger Polemik, mehr Aufklärung, mehr Mitarbeit, vor allen Dingen in der Selbstverwaltung, im Interesse der Patienten, im Interesse der Beitragszahler! Dann tun Sie denjenigen, die es nötig haben, nämlich den Kranken, ebenso einen Gefallen, wie Sie sich selber einen Gefallen tun; Sie gewinnen nämlich Ihre Seriosität in dieser Sache zurück.Herzlichen Dank.
Das Wort hat die Abgeordnete Frau Becker-Inglau.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lieber Herr Cronenberg, Ihre Stabilität der Beitragssätze halte ich für eine Milchmädchenrechnung vor allem dann, wenn ich bedenke, daß sie sicherlich eine Stabilität für die Arbeitgeber darstellt, für die Arbeitnehmer aber schon jetzt nicht, denn die müssen im Jahr, wenn sie erkranken, 2 % dazuzahlen, und 2 % sind schon eine ganze Menge bei dem Gehalt, daß sie bekommen.
Aber nun zu dem, was ich Ihnen gerne sagen möchte. Bereits während der Beratungen des sogenannten Gesundheits-Reformgesetzes Ihrer Koalitionsfraktionen wurde sehr deutlich, daß angesichts des Beratungstempos, das die Koalitionsfraktionen mit ihrer Mehrheit dem Deutschen Bundestag aufgezwungen haben, von einem ordnungsgemäßen parlamentarischen Beratungsgang sicherlich keine Rede sein konnte.
Ich rufe dies in Erinnerung und weise auch noch einmal auf die heftigen Proteste hin, die die SPD-Fraktion diesem Gewaltakt der Fraktionen in der Regierungskoalition entgegengebracht hat. Dieses Verfahren hat dem Versuch einer Verkürzung der Rechte des Deutschen Bundestages sehr nahegestanden.
— Habe ich ja nicht. Aber was ich hier heute erlebe, ist für mich wichtig, und das kritisiere ich.Schon wenige Wochen nach Inkrafttreten dieses Gesetzes war klar, daß durch dieses im Schweinsgalopp durchgepeitschte Beratungsverfahren unausweichlich Fehler deutlich werden mußten.
Mit einer ständig wachsenden Zahl von Interpretationshilfen oder Auslegungshinweisen versucht diese Bundesregierung nun seit Anfang des Jahres, ihren Unsinn auszubügeln, den sie selbst heraufbeschworen hat. Das Erstaunliche daran ist, daß die Auslegungshilfen der Bundesregierung sogar in direktem Widerspruch zum Gesetzestext stehen, den der Deutsche Bundestag in seiner Mehrheit auf Druck der Koalition beschlossen hat.
— Sie kriegen gleich noch ein Beispiel geliefert.
Es ist also auch kein Zufall, daß dieses Verfahren von hochrangigen Richtern als Verfall der Gesetzes-kultur beschrieben wird.
Es ist eine sehr zutreffende Beschreibung. Meine Damen und Herren, mit Ihren Auslegungshilfen wählt diese Regierung den Weg des Aufrufs zum Gesetzesbruch als Notwehr gegen die von ihr selbst fabrizier-
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Frau Becker-Inglauten Unsinnigkeiten, und dies halte ich für unerträglich.
— Das nehme ich schon sehr ernst.Herr Seehofer, lassen Sie mich das nun an dem Beispiel, das Sie vorhin so schön beschrieben haben, noch einmal erläutern. Nach den Bestimmungen des sogenannten Gesundheits-Reformgesetzes erhält nur derjenige ein Sterbegeld, der am 1. Januar 1989 Mitglied der Krankenversicherung war.
All diejenigen, die am 31. Dezember des letzten Jahres ihre Stellung verloren haben und arbeitslos geworden sind, erhielten ihre Leistungen nach dem Arbeitsförderungsgesetz erst ab 2. Januar 1989.
— Natürlich. Das ist doch nicht richtig.
Zur Zeit hat allerdings Frau Becker-Inglau das Wort.
Vielleicht lesen auch Sie das noch einmal nach.
— Ich habe mir das sehr wohl angehört.
Sie waren damit also erst ab 2. Januar 1989 wieder krankenversichert.
Am 1. Januar 1989, dem Stichtag für das Sterbegeld, waren sie somit nicht Mitglied einer Krankenversicherung.
Dies ist kein Einzelfall, sondern es ist das Ergebnis, daß das Sterbegeld hier für viele entfällt. Die Bundesregierung, einschließlich ihres Bundesarbeitsministers, tut heute so, als handele es sich um ein Versehen. Sie versucht, den Eindruck zu erwecken, als sei dies nicht gewollt, und bittet die Krankenkassen, am Gesetzestext vorbei in diesen Fällen auch noch Sterbegeld zu zahlen.
— Was der Herr Seehofer geantwortet hat, ist ja eine feine Sache. Nur, er hat im Bundestagsausschuß für Arbeit und Sozialordnung sehr wohl damals mitformuliert - ich zitiere das — :
Für den, der am 1. Januar 1989 nicht versichert
war, besteht allerdings auch dann kein Anspruch
auf Sterbegeld, wenn er vor und nach diesem Tag längere Zeit der gesetzlichen Krankenversicherung angehört hat.
So ist das nämlich. Sie wollten die Streichung des Sterbegeldes für diejenigen, die am 31. Dezember arbeitslos geworden sind, und Sie stellen sich nun hierhin und wollen dies an diesem Beispiel heilen. Dem kann ich nicht folgen.
— Das ist lediglich ein kleines Beispiel. Ich kann Ihnen nur sagen: Ich halte dieses Beispiel für einen Hohn im Hinblick auf unseren Rechtsstaat.
Deswegen halte ich es für viel wichtiger, daß Sie vernünftige Gesetze machen und daß Sie sozial gerechte Gesetze machen. Dann brauchen Sie sich auch nicht durch Aufforderung zum Rechtsbruch vor den Folgen Ihrer Gesetze davonzustehlen. — Vielen Dank.
Das Wort hat der Abgeordnete Herr Günther.
Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Die Sozialdemokraten erbringen heute mal wieder den Beweis, daß es ihnen bei der Gesundheitsreform nicht darauf ankommt, sich für die Versicherten einzusetzen, sondern daß es ihnen ausschließlich darum geht, die Versicherten in Panik zu versetzen oder es zumindest zu versuchen.
Meine Damen und Herren aus der SPD, das ist Agitation gegen die Versicherten. Ich füge hinzu: SPD in Not, Herr Dreßler.Die SPD hat die von ihr angeführten angeblichen so schlimmen Fälle deshalb auch nicht zur Erledigung und zur Linderung der angeblichen Benachteiligungen der Versicherten vorgelegt; sie hat auch nicht versucht, im Sinne der Sache Klärungen herbeizuführen. Sie hat vielmehr die Versicherten mit ihrem angeblichen Schicksal einfach hängenlassen, sie hat die Fälle aktenkundig gesammelt, und sie versucht nun, in der Öffentlichkeit den Eindruck zu erwecken, als sei das Gesundheits-Reformgesetz versichertenfeindlich.
Wenn es der SPD wirklich um die Versicherten gehen würde, hätte sie andere Möglichkeiten genutzt, ihnen zu helfen. Aber es kann dadurch ja auch der Beweis erbracht sein, daß die aufgezeigten Fälle an den Haaren herbeigezogen sind, meine Damen und Herren.Dazu will ich einige Beispiele aus der sogenannten Dokumentation der SPD zum Gesundheits-Reform-
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10770 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 145. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 31. Mai 1989
Günthergesetz vorführen. Die SPD behauptet, das Gesetz stecke voller Fehler und Ungereimtheiten
— warten Sie ab; nicht zu früh — und sei das Ergebnis von handwerklich schlampiger Arbeit. Sie will das u. a. damit belegen, daß bei den neuen Vorschriften zur Beitragsgerechtigkeit soziale Ungerechtigkeiten eingetreten seien.Ich muß die SPD hier daran erinnern, daß sie beispielsweise den Vorschriften über den Mindestbeitrag, den sie jetzt kritisiert, im federführenden Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung des Deutschen Bundestages zugestimmt hat, meine Damen und Herren.
Heute spricht sie von sozialer Ungerechtigkeit; vor einigen Monaten hat sie dieser angeblichen sozialen Ungerechtigkeit im Ausschuß noch zugestimmt. Was ist das für eine miese Politik, meine Damen und Herren!
Die SPD benutzt auch schamlos Krankheitsschicksale für ihre politische Kampagne gegen das GRG. So wie im vergangenen Jahr mit der Parole „Nach dem 1. Januar darfst du nicht mehr krank werden" in der Bevölkerung Angst verbreitet worden ist, sollen jetzt die sich abzeichnenden Erfolge der Reform zerredet werden. Die heutige Presse bestätigt uns aber — sogar die Ihnen nahestehende, meine Damen und Herren von der SPD — : Ihre vorgelegte Dokumentation dient einzig und allein dem Ziel, die Gesundheitsreform zu verfälschen und im Wahlkampf auszuschlachten.So kritisiert die SPD, daß einer Beamtenfamilie mit vier Kindern infolge der Gesundheitsreform eine jährliche Beitragsmehrbelastung von 3 120 DM entstehe. Die SPD verschweigt den Grund der Beitragsmehrbelastung der Kinder. Denn in einem solchen Fall ist der Vater nicht in der gesetzlichen Krankenversicherung, sondern privat versichert. Wenn er Mitglied der Solidargemeinschaft wäre, wären seine Kinder beitragsfrei mitversichert. Die SPD hat, wie schon gesagt, der Erhöhung der Mindestbeiträge selbst zugestimmt. Sie wußte auch, welcher Personenkreis darunter fällt. Die Aufspaltung des Versicherungsschutzes — Vater oder Eltern privat versichert; Kinder in der gesetzlichen Krankenversicherung — kann nicht der gesetzlichen Krankenversicherung aufgebürdet werden. Sie ist nicht dazu da, solche Versicherungsverhältnisse zu subventionieren, meine Damen und Herren.
Die SPD will der Öffentlichkeit weismachen — und die Presse druckt so etwas zumindest teilweise ungeprüft ab — , daß der Anspruch auf Sterbegeld bei den Versicherten, die zum 31. Dezember 1988 aus ihrem Betrieb entlassen worden sind und erst ab 2. Januar 1989 Leistungen der Bundesanstalt für Arbeit erhalten, nicht mehr vorhanden ist. Diesen Fall haben wir hier eben schon behandelt. Dies ist ebenso falsch wie ein erneuter Beweis dafür, daß die Sozialdemokraten die Menschen in Panik versetzen wollen — im übrigen ein Wesensmerkmal sozialdemokratischer Politik.Richtig ist: Wer sich erst am 2. Januar 1989 arbeitslos gemeldet hat, war bereits am 1. Januar 1989 in der gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversichert. Das ergibt sich eindeutig aus § 105 in Verbindung mit § 155 des Arbeitsförderungsgesetzes. Die Grundlagen dafür bekommen Sie aus einem Urteil, das ergangen ist, von mir gern gleich überreicht. Im übrigen hätten Sie alle Ihre Schwarzmaler-Fälle mit 23 Pfennig Telefongebühren bei uns klären können; Sie hätten uns nur anzurufen brauchen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die aufgezeigten Fälle — aus Zeitgründen konnte ich ja nur zwei wesentliche nennen — beweisen eindeutig, daß die SPD es nur darauf anlegt, Panik zu machen. Ich sage von dieser Stelle aus noch einmal, daß ich mich sehr darüber freue, daß auch diejenigen, die gegen das Gesundheits-Reformgesetz waren, jetzt nach und nach merken, daß es eine gute, handhabbare Sache ist, und daß sie jetzt auch mit uns zusammenarbeiten.Ich sage aber auch deutlich: Wenn es einzelne Leute gibt, z. B. Apotheker, die heute den Kunden und Versicherten weismachen wollen, daß Generica, Nachahmerpräparate, schlechter sind als Originalpräparate, werden wir dieser bösen Heuchelei mit geeigneten Mitteln begegnen.
Leider stellen wir heute fest, daß sich die Sozialdemokraten in diese Reihe weiter einreihen, daß sie sich nicht bemühen, der Sache auf den Grund zu gehen, sondern gierig nach angeblichen ungerechten und unsozialen Fällen greifen und damit versuchen, Politik zu machen. Wie der Kollege Cronenberg bedanke ich mich deshalb bei der SPD dafür, daß wir Gelegenheit hatten, wenigstens etwas richtigzustellen. Beantragen Sie noch mehr Aktuelle Stunden; dann kommen wir auf die anderen Fälle noch zurück.Vielen Dank.
Das Wort hat die Abgeordnete Frau Wilms-Kegel.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! 151 Tage nach Inkrafttreten des sogenannten Gesundheits-Reformgesetzes steht fest: Dies ist ein schlechtes Gesetz.
— Das kann man gar nicht oft genug sagen!
In meinem ersten Beitrag bin ich auf die Verlierer eingegangen. Ich will hier nicht Einzelfälle aufzählen, aber noch heute erreichen mich täglich zahlreiche Zuschriften von Menschen, die ihr persönliches Schicksal schildern und damit die Tragik des Betroffenseins durch das Gesundheits-Reformgesetz verdeutlichen.Ich möchte aber nicht versäumen, darauf hinzuweisen, daß dieses Gesetz natürlich auch Gewinner hat. Banken und Versicherungen, Finanzierungsinstitute
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Frau Wilms-Kegelfür Zahnersatz, Krankenversicherungen für Auslandsreisen blühen auf; private Zusatzversicherungen für besondere Therapieformen, für Arzneimittel, für Heilmittel und Krankenhausaufenthalte sowie Sterbegeldversicherungen haben Hochkonjunktur. Schämen Sie sich nicht, daß heute schon mit Sonderangeboten für Beerdigungen geworben wird?
Privatkrankenversicherungen kommen mit Basistarifen neu auf den Markt,
und die im sogenannten Gesundheitsreformgesetz eingebaute Datensammelleidenschaft führt zu steigenden Umsätzen im Computerbereich in Arztpraxen. Sonst habe ich noch niemanden gesehen, der von Ihrem Gesundheitsruingesetz Nutzen hat.
Dieses von Ungeheuerlichkeiten und Skandalen durchsetzte Gesetz ist für alle Versicherten, für die gesamte Bevölkerung eine Heimsuchung, eine wahre Plage.
Herr Blüm, dies ist ein schlechtes Gesetz. Nehmen Sie es zurück, bevor es Ihnen das Genick bricht!
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Thomae.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das Lügengebäude der SPD stürzt zusammen, und darum werden Sie nervös.
Es ist erschreckend, mit welcher Sorglosigkeit Sie hingegangen sind und die Bürger über dieses Gesundheitsreformgesetz informiert haben.
Sie propagieren die Totalversorgung vom Heftpflaster bis zu den Herzoperationen. Das ist unverantwortlich gegenüber den Patienten.
Und Sie wußten dies! Sie wußten, daß eine Totalversorgung auf Grund der demographischen Entwicklung nicht zu finanzieren ist, es sei denn, Sie nehmen in Kauf, daß im Ernstfall, wenn medizinische Hochleistung wirklich notwendig ist, nur noch medizinische Durchschnittsleistung zur Verfügung steht, weil dieknappen Mittel für Bagatellsachen ausgegeben werden.Sie reden sehr viel von Solidarität und Gerechtigkeit. Zu meinem Verständnis von sozialer Gerechtigkeit gehört auch, daß die Pflichtgemeinschaft vor Ausbeutung geschützt wird.
Sie erwecken den Eindruck, als seien wir eine Nation von sozial Bedürftigen. Wer bei uns besonderer Hilfe bedarf, wird geschützt, denn es gibt die Überforderungsklausel und die Härteklausel.
Wenn für Sie aber sozial ungerecht ist, daß jahrelang die vollzahlenden Pflichtmitglieder zur Subventionierung der Mindestbeiträge für freiwillige Mitglieder herangezogen wurden, dann ist das ein Gerechtigkeitsverständnis, dem ich nicht folgen kann.
Ich bin mir sicher, daß die geplagten Beitragszahler, die zusammen mit den Arbeitgebern monatlich mehr als 600 DM für die gesetzliche Krankenversicherung ausgeben müssen, ebenfalls kein Verständnis für Ihre Position haben. Die Beitragszahler aber wissen, daß sinkende Beiträge für sie mehr Lohn bedeutet, mehr Lohn bedeutet mehr Eigenverantwortung und mehr Eigenvorsorge.
Das wollen wir.Das, was Sie während der Beratungen des GRG veranstaltet haben und heute immer noch an Verleumdungskampagnen veranstalten,
macht nur deutlich, daß Sie nicht in der Lage wären, die gesetzliche Krankenversicherung auf Dauer leistungsfähig und finanzierbar zu halten.
Weil Sie wissen, daß Sie mit Ihrer populistischen Beglückungspolitik, die es jedem und allen recht machen will, das Geld nicht zusammenhalten, treten Sie die Flucht in eine Zuteilungsmedizin an.
Vornehm nennen Sie solche Politik — Ihre Politik —„Gesundheitskonferenzen". Aber Gesundheitsfunktionäre, Gesundheitsbeiräte sollen den Bedarf an Ärzten, an Apothekern, Masseuren und Krankengymnasten exakt planen und festlegen.
Stimmen der ermittelte Bedarf und der tatsächliche Bedarf nicht überein, kommt es zu Versorgungseng-
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Dr. Thomaepässen für die Patienten, natürlich Wartelisten, Warteschlangen und entsprechenden unwürdigen Behandlungen. Das Erstaunliche ist: Im Ostblock geht man von diesem System ab, und Sie wollen uns vormachen, daß ein solches System für uns die ideale Lösung wäre. Ich kann nur sagen: Nein, danke.Es gibt gegenwärtig keinen Bedarf für eine Korrektur. Die Problemfälle, die aufgezeigt wurden, wurden durch die Bundesregierung aufgegriffen und werden durch die Selbstverwaltung gelöst. Es gibt vielmehr, meine Damen und Herren, einen starken Aufklärungsbedarf für die Ideen der SPD, damit die Bürger endlich kapieren, was es bedeutet, eine Zuteilungsmedizin aufzubauen.
Wir wollen mehr Freiheit. Wir wollen mehr Wahlmöglichkeiten. Auch Sie sprechen von Wahlmöglichkeiten, aber nur auf dem Papier; denn gleichzeitig propagieren Sie einen kassenartenübergreifenden Finanzausgleich, und kassenartenübergreifender Finanzausgleich mündet in einer Einheitsversicherung. Damit ist die Wahlfreiheit zerstört.Wir werden Ihren Vorstellungen nicht folgen. Wir werden die nächsten Schritte sorgfältig, vernünftig planen
und sind sicher, daß wir die Organisationsstruktur und die Krankenhausstruktur vernünftig vollziehen.Vielen Dank.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete von der Wiesche.
Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zu den vom Bundesarbeitsminister besonders gefeierten Teilen des sogenannten Gesundheits-Reformgesetzes gehört der Themenkomplex der Festbeträge. Er sagt, dies sei das Herzstück des Gesetzes. Und nun, meine Damen und Herren, feiert der Herr Bundesarbeitsminister, daß sich die Krankenversicherung bei zehn Wirkstoffen auf Festbeträge geeinigt hat.
Meinen Sie nicht, daß Sie etwas zu früh feiern, Herr Bundesarbeitsminister?
In meiner Roten Liste der Arzneimittel werden nicht weniger als 2 000 Wirkstoffe aufgeführt. Sicherlich werden nicht alle festbetragsfähig sein. Aber bei den ersten zehn von fast 2 000 feiern Sie schon und meinen, Ihr Festbetragskonzept gehe auf.
Ich möchte schon, daß noch irgend jemand etwas verstehen kann.
Nein, Herr Bundesarbeitsminister, das Konzept geht erst auf und entscheidet sich erst am Ende des gesamten Versuchs und nicht bereits an dessen Anfang. Es heißt also erst einmal: feste daran arbeiten und dann Feste feiern.
Ob das Festbetragskonzept eine Versorgung der Versicherten mit preiswerten und sicheren Arzneimitteln gewährleistet, wird sich ebenfalls erst am Ende zeigen. Denn das wissen Sie so gut wie wir: Für jedes Arzneimittel, für das kein Festbetrag festgesetzt ist, ist ab 1. Januar 1992 eine 15%ige Selbstbeteiligung, höchstens 15 DM pro Medikament fällig.
Dies ist die Stunde der Wahrheit. Was nützen mir Festbeträge für ca. 40 Arzneimittel, wenn die restlichen ca. 180 000 mit 15 % Selbstbeteiligung belegt sind?
Es ist doch nicht so, daß nur wir Sozialdemokraten die Briefe der Fachleute erhalten, in denen steht, die Festbetragskonzeption in den Stufen 2 und 3, also für die wirkstoffähnlichen Präparate und für die Präparate mit ähnlichen Wirkprinzipien, sei in der Praxis undurchführbar. Diese Briefe kriegen Sie doch auch. Wenn sie undurchführbar ist, Herr Bundesarbeitsminister, dann haben die Versicherten dafür 15 % Selbstbeteiligung zu leisten.
Warum verschweigen Sie denn das?
Sicherlich werden die ersten zehn Wirkstoffe sehr umsatzträchtig sein. Sie umfassen einen Medikamentenumsatz von rund 2 Milliarden DM im Jahr. In der „Sozialpolitischen Umschau" Ihres Presse- und Informationsamtes Nr. 188 vom 16. Mai dieses Jahres steht, daß Sie bei diesen zehn Wirkstoffgruppen durch die Festbeträge rund 140 Millionen DM — nicht 500 Millionen DM — jährlich einsparen.
Aber Ihr Ziel bei dem Festbetragskonzept, meine Damen und Herren, war mit über 1,5 Milliarden DM angegeben. Ich kann Ihnen verraten, wie Sie Ihr Einsparziel von 1,5 Milliarden DM im Arzneimittelbereich erreichen wollen: nicht durch Festbeträge, sondern Sie werden an der Selbstbeteiligungsschraube drehen. 15 % heißt das Motto ab 1. Januar 1992.
Meine Damen und Herren, ich will Ihnen gern noch ein anderes Beispiel anführen, wo Sie zu früh gefeiert haben. Dieses Beispiel hat mit Zahnersatz zu tun. Es kam eben in einem der Beiträge schon einmal zum Tragen. Im Gesetz haben Sie ausdrücklich festgehalten, für Zahnersatz gelte das Kostenerstattungsprinzip, gelte also die Regelung, daß der Patient die gesamten Kosten vorzuleisten hat. Sie haben sich schnell hinter der Selbstverwaltung versteckt, als die Prozesse zu zahlreich wurden. Die Kassen haben dann auch etwas vereinbart. Aber man muß dabei sehen, daß sich die Zahnärzte daran nicht halten. Denn die
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von der WiescheZahnärzte berufen sich auf das Gesetz, und sie sagen klar: Die Rechnung geht an den Patienten. So sieht das also aus.Sie fordern jetzt von den Zahnärzten, daß sie sich an Ihr unsoziales Gesetz halten und dazu auf Kulanz wirken. Sie meinen, die Zahnärzte sollten sich nun versicherungsfreundlich darstellen. Ich frage Sie: Was ist das für eine Sozialpolitik, die auf Kulanz setzt, wo Rechtsansprüche, wo Rechtssicherheit erforderlich wäre? Ich muß feststellen: Ihre eigene Übeltäterkeit holt Sie mittlerweile ein, meine Damen und Herren.
Ich verspreche Ihnen, in Sachen Gesundheitsreform und all seiner Boshaftigkeiten: Die SPD wird in dieser Frage keine Ruhe geben.
Das Wort hat der Minister für Arbeit und Sozialordnung, Herr Dr. Blüm.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte meinen Beitrag erstens mit einem Dank und zweitens mit einer Bitte beginnen. Der Dank geht an die SPD, da sie heute diese Aktuelle Stunde beantragt hat. Dies gibt uns die Gelegenheit, unsere Erfolge darzustellen. Die Bitte lautet, daß sie doch diese Übung wöchentlich wiederholen soll,
denn besser kann diese Aktuelle Stunde ja gar nicht liegen. Gestern kam die Meldung von der AOK, von den Krankenkassen, entgegen Ihrer Panikmache: Beiträge sind stabil und sinken. Eine größere Vorlage hätten Sie uns gar nicht liefern können: Ich brauche nur noch den Fuß hinzuhalten; der Ball ist von alleine gekommen und im Tor.Lieber Kollege von der Wiesche, die Arbeitsteilung machen wir natürlich nicht: Ich soll erst in drei Jahren feiern, aber Sie kritisieren bereits, bevor die Gesundheitsreform überhaupt in Kraft getreten ist.
Die Gesundheitsreform war notwendig, und was notwendig ist, muß gemacht werden, auch wenn es im Augenblick keinen Beifall findet. Wohin eine Politik führt, die aus leisetreterischer Feigheit, aus ängstlicher Popularitätshascherei Schwierigkeiten aus dem Wege geht, Probleme nicht anpackt, das haben Sie doch vorgeführt. In Ihrer Zeit — allein von 1970 bis 1976 — sind die Beiträge von 8,2 % auf 11,2 % gestiegen. Diese Reform, das bekenne ich freimütig, hat einen Fehler: Sie kommt 15 Jahre zu spät. Ich mache die unerledigten Hausaufgaben der SPD.
Das ist der Fehler. Sie hätte 15 Jahre früher kommen sollen.
Ich gebe zu: Unsere Reform ist schneller erfolgreich, — —
— Ich habe schon ein paarmal bemerkt, daß ich wie ein Naturheilmittel auf die SPD wirke. Ich bin ein Naturheilmittel ohne Krankenschein: Ihr Blutkreislauf kommt immer ohne jeden Festbetrag in Bewegung.Also, ich wiederhole ganz langsam: Die Beiträge sind stabil.
Die Einsparungen werden sich noch erhöhen. 60 Krankenkassen haben bereits die Beiträge gesenkt. Dies sind übrigens keine Beiträge für Millionäre, sondern für Millionen von Arbeitern, die ihre Groschen sauer verdient haben. Für die sparen wir. Wir sparen doch nicht für Herrn Flick, sondern für die Arbeitnehmer. Die Ortskrankenkassen rechnen mit stabilen Beiträgen bis 1992 — im ersten Quartal dieses Jahres gab es bereits Ersparnisse. Um das ganz klarzumachen: Ersparnisse erstes Quartal 1989 im Vergleich zum ersten Quartal 1988; da gab es den Blüm-Bauch noch gar nicht.Betriebskrankenkassen: Ausgabensenkung 3 % Alles gespart! Doch nicht für mich, doch nicht für den Staat, sondern für die Beitragszahler, für die Arbeiter, für die Arbeitnehmer, für Millionen von Handwerksmeistern. Und das Gesundheitssystem funktioniert noch immer auf hohem Niveau.Noch einmal ganz langsam: Ich frage Sie wirklich — Sie Herr Kollege Egert, sind ja der nächste — —
— Ich weiß nicht, ob Sie heute den Ring kampflos frei lassen. Beantworten Sie doch einmal die Frage: Stimmt es, was Sie in Tausenden von Plakaten an die Wände gehängt haben: „Ab 1. Januar dürfen Sie nicht mehr krank werden"? Können Sie das wirklich verantworten? Das hat Ihre Partei geklebt. Herr Kollege Egert, sagen Sie bitte von diesem Pult, ob Sie diese Parole, diese Unverschämtheit, diese Angstmacherei aufrechterhalten. Mit der Angst um Krankheit und Tod haben Sie billige Politik gemacht. Da schäme ich mich für Sie mit.
Alles — ich sage es noch einmal — , was wir sparen, kommt den Beteiligten zugute, entweder in Form von Beitragssenkungen oder in Form von Leistungen, die es bisher nicht gab.Zu den Pflegebedürftigen. 5 Milliarden DM bringen wir für die Pflegebedürftigen zustande. Das ist fast so viel, wie die ganze Sozialhilfe bisher für die stationäre und ambulante Versorgung zur Verfügung gestellt hat — darüber haben Sie jahrelang geredet —, 5 Milliarden DM für diejenigen, die der Hilfe mehr bedürfen als alle Schreihälse zusammen. Für sie haben wir Politik gemacht.
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Bundesminister Dr. BlümIch gebe zu: Sie haben nicht protestiert. Eine Mutter, die ihr schwerbehindertes Kind pflegt, hat keine Zeit gehabt, auf dem Marktplatz zu erscheinen. Wir machen aber nicht nur Politik für die, die protestieren, wir machen auch Politik für die, die Hilfe brauchen. Das ist unsere Sozialpolitik.
Ohne unsere Reform hätten die Arbeitnehmer in diesem Jahr 13,4, im nächsten 13,8 und im übernächsten Jahr 14,2 % bezahlt. Das wäre gewesen, wenn wir nichts gemacht hätten.Die Arzneimittelpreise purzeln. Die Reform ist schneller erfolgreich, als ich geglaubt habe. Es ist gesagt worden, die Pharmaindustrie werde keinen Beitrag leisten. Bis zu 30 % Preissenkungen auf dem Arzneimittelmarkt sind festzustellen.
— Das werden wir sehen; das ist beschlossen und verkündet. Ich kann Ihnen die Firmen nennen: die Firmen Thomae in Biberach, Schwabe in Karlsruhe und Grünenthal — bis zu 30 % Preissenkungen, der eine 10 %, der andere 20 %. Wann gab es das schon einmal?
— Kollege von der Wiesche, das ist wieder eine Verwechslung: Die 150 Millionen DM, die Sie da für den Festbetrag angegeben haben, sind die Ersparnis der Patienten. Sie müssen bei Medikamenten mit Festbeträgen nichts mehr zuzahlen; das sind die 3 DM Rezeptblattgebühr, die jetzt wegfallen. Sie müssen also schon ein bißchen sortieren, wenn Argumente vorgetragen werden.Das Sparpotential ist viel größer, z. B. bei Brillengestellen. Brillengestelle, die früher 40 DM und mehr kosteten, kosten plötzlich 20 DM, weil wir soviel bezahlen. Die ersten Urlaube für Pflegepersonen sind genehmigt. Endlich haben leidgeprüfte Mütter und Väter Gelegenheit, einmal auszuspannen, Urlaub zu machen und nicht rund um die Uhr ihren Dienst zu versehen. Das schafft mir die Beruhigung, daß unsere Reform richtig war.Die Härteklausel schont sozial Schwache und schützt vor Überforderung. Höchstens 2 % des Lohnes Zuzahlung. Rechnen Sie jetzt einmal, meine Damen und Herren: Wäre die Reform nicht gekommen, dann hätten sie nicht 2 % zuzahlen müssen, sondern demnächst 3 % mehr Beitrag gezahlt.
Ich füge hinzu: Eine solche Überforderungsklausel gab es in der ganzen Krankenversicherung noch nicht. 2 % Überforderungsklausel schützt die chronisch Kranken mehr, als sie bisher in der Krankenversicherung geschützt worden sind.Lassen Sie mich noch eines zu der sogenannten Dokumentation der SPD sagen. Da scheint der Schaum vom Mund vor die Augen gerutscht zu sein. Die Angabe über die 170 Arbeitnehmer aus Osnabrück, die angeblich kein Sterbegeld mehr erhalten,ist falsch. Ich wiederhole: falsch; das ist 170mal gelogen in Ihrer Dokumentation.
— Das ist Ihre Fallschilderung.Bei einem Rentner mit 1 800 DM monatlicher Rente seien Fahrtkosten zur Nierendialyse in Höhe von 828 DM nicht übernommen worden — so die SPD. Wenn er bei 1 800 DM 2 % zuzahlen muß, dann — das rechnen Sie einmal aus — kann das höchstens, alles in allem 432 DM ausmachen. Wenn ich im zweiten Schuljahr so falsch gerechnet hätte, hätte ich eine Fünf bekommen und wäre sitzengeblieben. Das gönne ich auch Ihnen. Da kann ich nur sagen: Sitzenbleiben!
— Verehrte Frau Blunck, ich darf noch einmal wiederholen, damit sich Ihre Aufregung legt:
Bei 1 800 DM kann er keine 828 DM gezahlt haben, weil nach meiner Mengenlehre 2 % von 1 800 DM nicht 800 DM sind. Es ist nicht zu fassen: Sie können nicht rechnen. Adam Riese war noch nie Ihr Fraktionskollege; das ist bekannt.
Auch Abführmittel bei schwerer Behinderung, nicht bei geringfügiger Gesundheitsbeeinträchtigung, sind solch ein Fall. Der Patient bekommt sein Abführmittel von der Krankenkasse; Ihr Fall ist falsch. Wie kann man denn so viele Fehler machen?Ich fasse zusammen: Die Gesundheitsreform ist notwendig, sie ist richtig, sie ist sozial. Wenn ich Ihre Dokumentation lese, dann fällt mir in Abwandlung eines Spruches nur ein: Die SPD ist zu vielem zu gebrauchen, aber zu nichts fähig. Das kann ich sagen: Zu einer Dokumentation sind Sie wirklich nicht fähig.Ich lade alle ein, diese Diskussion Woche für Woche zu wiederholen,
weil hier in der Tat ein Wust von Verdrehungen vorliegt. Nie gab es ein Gesetz, gegen das so viele Lügen, Unwahrheiten und Verdrehungen vorgebracht wurden. Ich setze auf die Zeit, ich setze auf die Wahrheit, und deshalb setze ich auf die Zustimmung der Bürger.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Egert.
Wissen Sie, mir ist das Thema zu ernst, als daß ich hier Fußballergebnisse austauschen wollte. Ob es 5 : 0 steht, wird sich entscheiden, ob Sie glaub-
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Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 145. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 31. Mai 1989 10775
Egertwürdig sind gegenüber denjenigen, die von Ihrem unsozialen Gesetz betroffen sind.
Herr Minister Blüm, ich hätte es begrüßt, wenn Sie sich den Vergleich mit dem Schaum, der bei der Dokumentation der SPD angeblich vor die Augen gerutscht ist, erspart hätten. Denn man ist versucht, zu sagen: Das, was Sie gemacht haben, waren Schaumschlägereien. Ich will aber auf diesem Niveau nicht weiter diskutieren, weil das zu nichts führt.Wir haben, als wir über dieses Gesetz diskutiert haben, deutlich gemacht, daß es sich um ein unsoziales Gesetzgebungswerk handelt. Dies ist heute so wahr, wie es damals wahr war, als wir es noch nicht beschlossen hatten.
Ich will Ihnen das vorrechnen. Sie setzen auf Gewöhnung und Abstumpfung. Sie glauben, Sie können Beifall bei denen bekommen, die nicht Betroffene dieses Gesetzes sind. Das mag verfangen; aber wir werden Ihnen diese einfache Rechnung durchkreuzen, indem wir Ihnen diejenigen in den Hals zurückstecken, die die Betroffenen sind,
die als kranke Menschen aus ihren Portemonnaies 14 Milliarden DM zusätzlich als Beitrag zahlen müssen, damit es nicht zu einer Strukturreform im Gesundheitswesen kommen muß. Hier werden neue Finanzierungsspielräume eröffnet, damit sich im System nichts ändern muß. Es wird einseitig aus den Portemonnaies, den Geldbeuteln der Krankenversicherten das Geld herausgeholt. Auch dies gilt noch.In diesem Zusammenhang eine Bemerkung: Irgend jemand hat die Tickermeldung aufgenommen und hat davon gesprochen: Die AOK sagt, sie werde die Beiträge vielleicht sogar senken können. — Ja, zu wessen Lasten können Beiträge gesenkt werden? Zu Lasten derer, die Kranke in diesem System sind. Mich verwundern Vertreter einer Vertreterversammlung— das sage ich von hier, von diesem Podium im Bundestag — , die dies als Erfolg feiern. Ich werde mir erlauben, meine Freunde in den Gewerkschaften zu fragen, wie sie mit diesen Vertretern fertig werden wollen, die dergestalt buchhalterisch die Probleme der kranken Menschen in dieser Gesellschaft angehen wollen.
Das ist kein Erfolg, sondern dort wird ein Offenbarungseid geleistet, weil man nämlich diejenigen, die die Profiteure in diesem Gesundheitssystem sind, nicht zur Kasse gebeten hat.Selbstbeteiligung, habe ich gesagt, ist ein zusätzlicher Spielraum dafür, daß sich in diesem System nichts ändern muß. Dies gilt fort.Härte- und Überforderungsklausel sind doch nur— zugegeben — intelligente Kaschierungsformeln für diesen Raubzug durch die Geldbeutel der Versicherten. Eine Härtefallklausel braucht nicht, wer keineHärtefalle schafft. Wer keine Selbstbeteiligung einführt, braucht keine Überforderungsklausel.
Dies sind nun einmal die Wahrheiten. Wir lassen das so nicht durchgehen, Herr Minister, und deswegen sehe ich mit Interesse, daß wir wöchentlich das wiederholen, was in dieser Sache zu sagen ist.Ich denke, das ist ganz erfolgreich gewesen. Es muß doch einen Grund für die Aufgeregtheit auf Ihrer Seite in dieser Diskussion gegeben haben. Es muß doch ein, vielleicht der Wahrheit näheres Empfinden der Wählerinnen und Wähler gegeben haben, das sich in Wahlentscheidungen seit dem Inkrafttreten des Gesundheits-Reformgesetzes ausgedrückt hat. Jedenfalls weiß ich aus der lokalen Berliner Erfahrung: Ein Element für die erfolgreiche Wahl in Berlin war z. B. dieser Minister mit seiner so gelobten Gesundheitsreform.Nun komme ich zu Ihnen, Herr Kollege Günther: Sie haben gesagt, wir suchten gierig nach Ungereimtheiten in diesem Gesetz. Nein, Herr Günther, wir suchen nicht gierig nach Ungereimtheiten. Wir sorgen uns, daß Menschen von einem schlampig zustandegekommenen Gesetzgebungswerk betroffen sind.
Wir wissen alle miteinander, daß wir in dieser Arbeitshetze viele Fehler gemacht haben — viele!Dieses werfe ich jetzt gar nicht vor, sondern ich sage: Jetzt müssen wir das nacharbeiten. Nacharbeiten heißt z. B. folgendes. Wollten wir denn wirklich, daß die Bezieherinnen von Erziehungsgeld — das kann man für sich sehen, wie man will — mit der Mindestbeitragsregelung — darum geht es z. B. —
hinsichtlich des Erziehungsgeldes künftig in der Krankenversicherung, wenn sie studieren —
— Nein, das ist nicht falsch, das ist richtig. Die Fälle liegen mir doch als Petitionen auf dem Tisch. Und Ihre Regierungsvertreter sagen, daß es so gemacht werden soll.— Nein!
— Sie wissen nicht, was Sie sagen, wenn Sie sagen, daß es falsch ist.
Zweiter Punkt. Wir haben beim Mindestbeitrag versucht, alle diejenigen, die BAföG-Empfänger sind, in der Krankenversicherung so zu stellen, daß sie bei einer oberen Grenze hinsichtlich der studentischen Krankenversicherung eingereiht werden. Wir haben in letzter Minute dies noch nachgearbeitet. Aber wir haben viele Fälle nicht gesehen, die jetzt ebenfalls Betroffene dieser Regelung sind,
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Egertz. B. die Schüler an nicht anerkannten — —
— Entschuldigung! Herr Seehofer, ich belege Ihnen das. Ich verwahre mich dagegen, daß Sie wider besseres Wissen
diesen unverschämten Zwischenruf machen. Sie lügen. Sie lügen!
Also das geht nun nicht! Also, Herr Egert, da muß ich Ihnen einen Ordnungsruf erteilen.
Ein Sachverständiger Ihres Ministeriums hat diesem Petenten das so mitgeteilt, ausweislich des Kopfbogens des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung. Und dies liegt mir alles vor.
Deswegen: Erzählen Sie nicht so einen Unfug, dies sei falsch. Sie dürfen darauf vertrauen, daß ich hier nicht Fälle zitiere, die ich nicht auch belegen kann. Dies sind Ungereimtheiten.
Herr Abgeordneter Egert, Sie haben um eine Minute überzogen.
Wir greifen sie im Interesse der Betroffenen auf; nicht, weil wir gierig auf Ungereimtheiten sind.
Wir werden Ihnen all diese Fehler geduldig immer wieder aufs Butterbrot schmieren — im Interesse der Betroffenen, nicht im Interesse der SPD. Es ist doch völlig uninteressant für die SPD, in solchen Kleinigkeiten zu wühlen.
Ich hoffe nicht, daß das Gesundheits-Reformgesetz zusätzlich ein Beitrag dafür sein wird, daß wir die politische Verantwortung 1990 dafür übernehmen.
Danke.
Das Wort hat der Abgeordnete — —
— Ich habe den Ordnungsruf hier erteilt.
Herr Egert, solange Sie das nicht zurücknehmen, steht das hier im Raum. Ich habe das sofort gesagt.
— Also ich muß jetzt schon sagen: Dann müssen Sie das danach klären. Denn jetzt möchte ich die Aktuelle Stunde zu Ende führen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Scheu.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Vielleicht war es ein Symptom, Herr Kollege Egert, daß Ihnen am Ende die Stimme ausgegangen ist. Vielleicht geht es bei Ihrer Diskussion um die Gesundheitsreform ähnlich.Mit halben Wahrheiten und ganzen Unrichtigkeiten versucht die Opposition, die wachsende Einsicht aufzuhalten, daß die Gesundheitsreform eine gute Antwort auf die Herausforderungen ist, vor denen das Gesundheitssystem heute steht und in Zukunft stehen wird.Ein herausragendes Beispiel dafür ist die neuartige Absicherung des Risikos der Schwerpflegebedürftigkeit. Viele, vor allem viele ältere Mitbürger, bedrückt das mit der allgemein zunehmenden Lebenserwartung künftig noch stark steigende Risiko, nach einem arbeitsreichen Leben und nach jahrzehntelanger Zahlung von Beiträgen zur Sozialversicherung dennoch im Alter bei Pflegebedürftigkeit ohne Schutz allein dazustehen.Die SPD hat als Regierungspartei das Problem der Absicherung des Pflegefallrisikos hin- und hergewendet; zustande gebracht hat sie effektiv nichts. Die Sozialdemokratie ist zwar — da bin ich anderer Meinung als der Bundesarbeitsminister — zu jeder Sozialdemagogie fähig — das muß Ihnen der „Neid" nun wirklich lassen —; zu echter Sozialreform aber hatte und hätte sie nicht die Kraft.Die Koalition dagegen hat eine große Anstrengung auf dem Pflegefeld unternommen, was den Bürgern voll zugute kommen wird. Nicht nur, daß die GKV seit Jahresanfang häusliche Pflege bei Verhinderung der Pflegeperson gewährleistet und daß diese ab 1991 als Dauerleistung erbracht wird. Im übrigen wird diese neue Hilfe auch voll angenommen: So sind bei den AOKen Köln und Bonn bisher schon fast 400 Anträge eingegangen.Darüber hinaus wird auch die Rentenreform dieses Problem aufgreifen, indem ab 1992 freiwillige Beiträge von ehrenamtlichen Pflegepersonen auf Antrag Pflichtbeiträgen gleichgestellt werden und es dann außerdem „Pflegeberücksichtigungszeiten" im Rahmen der Gesamtleistungsbewertung geben wird.Sozialpolitik muß wieder zusammendenken, was in Wirklichkeit zusammengehört. Das Ziel der Beitragssatzstabilität — das jedem Arbeitnehmer und Rentner unmittelbar zugute kommt — bedeutet nicht den Verzicht auf gesundheitspolitische Gestaltung.Mit der Unterstützung der häuslichen Pflege Schwerpflegebedürftiger — derzeit schon rund 600 000 Mitbürger — durch Fachkräfte oder durch Angehörige oder auch im Wege der Nachbarschaftshilfe wird das von Ihnen so geschmähte GRG zum
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ScheuMeilenstein der Antwort auf eine neue soziale Frage.Unsere Gesellschaft muß in Zukunft wieder verstärkt menschliche Ressourcen zur Bewältigung von Pflegenotwendigkeiten aktivieren. GRG und RRG zusammen werden z. B. vielen Frauen, die nach der Phase der Kindererziehung wieder einen sozialen Auftrag erfüllen möchten, erstmals eine attraktive Alternative bieten, Angehörige, Bekannte oder auch pflegebedürftige Nachbarn zu betreuen.Dieser Schritt in eine neue, menschliche Solidarität ist es wert, die Grenzen der Kollektivversicherung in vergleichsweise weniger wichtigen Bereichen neu zu bestimmen, um jene enormen Mittel, rund 5,1 Milliarden DM jährlich, zu ermöglichen, die ihre Finanzierung kosten wird. Die Mehraufwendungen, die das Gesetz für die Versicherten mit sich bringt, werden unmittelbar der neuen Aufgabe „Pflege" zugewendet.Bezeichnenderweise erwähnt die „Dokumentation" der SPD diesen gewichtigen Vorteil mit keinem Wort, obwohl zumindest in drei der aufgeführten Fälle die häusliche Pflegehilfe gerade für chronisch Kranke und Hochbetagte von größter Bedeutung sein kann, wenn sie zum Pflegefall werden sollten.Der Geldwert der nach dem Gesundheits-Reformgesetz möglichen Sachleistung kann sich auf bis zu 10 110 DM im Jahr belaufen. Der Versicherte kann— einschließlich der Pflege während einer Verhinderung der Pflegeperson — ein kalenderjährliches „Guthaben" von bis zu 377 Pflegeeinsätzen haben.Was diese Anwartschaft wert ist, zeigt ein Vergleich mit dem Rentenrecht oder mit den in den privaten Krankenversicherungen möglichen Pflegetagegeldversicherungen. Um eine solche Leistung als Rente zu erwerben, hätte ein Durchschnittsverdiener immerhin fast 25 Jahre Beiträge in die Rentenversicherung einzuzahlen. In der PKV bieten insgesamt 16 Kassen Tagegeldversicherungen an. Im rechnerischen Mittel müßten für ein Pflegetagegeld von 27,70 DM, wie es dem GRG entspricht, mit dem Eintrittsalter 45 jährlich Beiträge von 324 DM für Frauen und 271 DM für Männer entrichtet werden. Ein 60jähriger Eintretender hätte im Durchschnitt immerhin rund 670 DM als Frau bzw. 570 DM als Mann aufzubringen, um sich einen Pflegeschutz zu sichern, wie ihn die Gesundheitsreform für die Sozialversicherten neu bringt. Daran— rechnen war noch nie Ihre Stärke — erkennt man am klarsten den Wert und den Sinn und Zweck des Gesundheits-Reformgesetzes.Die Sozialversicherung auf das Jahr 2000 vorzubereiten erfordert mehr Ernst und eine andere Sachgerechtigkeit, als die Opposition sie hier heute leider vorgeführt hat.Herzlichen Dank.
Das Wort hat die Abgeordnete Frau Limbach.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wenn man die Debatte um die Gesundheitsreform verfolgt, und zwar nicht nurheute, dann meine ich, daß es sehr stark auffällt, wie sehr mit Fehlinformationen, Halbwahrheiten, Unterstellungen, Polemik und Angstmache hantiert wird.
Deshalb begrüße ich die Gelegenheit, hier auch noch einmal auf die wichtigsten Punkte sachlich hinweisen zu können.
— Herr Dreßler, das ist doch schon wieder das, was ich gerade — wie ich finde: zutreffend — mit Polemik bezeichnet habe. Ihnen fällt an sachlicher Kritik nichts ein. Sie legen eine Dokumentation vor, die in jedem einzelnen Punkt widerlegt werden kann. Dann fallen Ihnen nur noch das Schlagwort „abkassieren" und das Wort „Angstmache" ein.Herr Egert hat eben ein bißchen ärgerlich reagiert, als der Minister Blüm noch einmal die Plakate „ab 1. Januar dürfen Sie nicht mehr krank werden" erwähnt hat. Nun darf ich Ihnen sagen: Ihre Genossen haben die Flugblätter noch am letzten Samstag verteilt, jedenfalls in meinem Wahlbezirk.
— Das Problem ist, daß die Falschheit dieses Plakates und der Flugblätter längst für die Versicherten deutlich geworden ist. Sie sollten sich schämen, erneut zu versuchen, Angst zu verbreiten.
Genauso unzutreffend ist der Vorwurf: Schweinsgalopp und Hetze. Hetze, das will ich sagen, trifft auf manche der Dinge zu, die im Zusammenhang mit dem Gesundheits-Reformgesetz geäußert worden sind, aber nicht auf unsere Beratung. Wir hatten, wenn ich das richtig in Erinnerung habe, 27 Beratungstage; wir hatten sieben ganztägige Anhörungen. Ich finde, daß das eine außerordentlich sorgfältige Beratung des Gesetzentwurfs war.Ich bin 1987 neu in den Bundestag gewählt worden. Als ich gebeten wurde, mich um dieses Aufgabengebiet mit zu kümmern, fand ich erst einmal mehrere Regale voll Material vor, welches für diese Reform schon vorgearbeitet war, was ich dann durcharbeiten mußte. Ich gebe ehrlich zu: Alles konnte ich gar nicht durcharbeiten; es war viel zuviel.
— Nein, das waren die Papiere, die vorher da waren. Was die Beratungspapiere angeht, Herr Heyenn, weiß ich nicht, wie das bei Ihrer Fraktion war. In unserer Fraktion jedenfalls haben wir alle unsere Schularbeiten gemacht. Deshalb ist das Gesetz ja auch so gut geworden.
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Frau LimbachIch halte es für unbestreitbar, daß die Reform notwendig war. Das wird ja auch von Ihnen, denke ich, nicht bestritten.
Daß Sie möglicherweise andere Lösungen vorgezogen hätten, ist Ihr gutes Recht. Aber das gibt Ihnen nicht das Recht, gefundene Lösungen auch in den Punkten zu diffamieren, wo Sie sich bloß ärgern, daß es klappt.
— Ich will Ihnen sagen, was klappt. Ich will Ihnen vor allen Dingen sagen, was sozial gerecht ist. Sozial gerecht ist z. B., die Beitragszahler nicht mit mehr Beiträgen zu belasten, als für die Solidargemeinschaft erforderlich ist. Wir haben heute Gott sei Dank Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die selbständiger und eigenverantwortlicher als früher handeln können,
weil sie sich selbst eine Position erstritten haben, die es ihnen ermöglicht, Kleinigkeiten selbst zu tragen. Neue Herausforderungen hingegen können sie nicht selbst tragen; siehe Pflege.
Ich halte es für zumutbar, daß die Solidargemeinschaft sagt: Wir bezahlen nicht für Bagatellen.
Ich halte es für äußerst erfreulich, daß die Solidargemeinschaft sagen kann: Aber bei solch schwerwiegenden Problemen wie bei der Pflege zahlen wir.
Sie haben sich ja nur geärgert, daß die Presse heute voll ist von Schlagzeilen wie ,,Blüm-Reform hat Erfolg", „Die Reform wirkt", „Stabile Beiträge nach Blüm-Reform", „AOK-Beiträge bleiben stabil". Heute schließlich ist in der „FAZ" zu lesen: „Stabile Beitragssätze bis 1992". Das hat Sie geärgert, weil das genau das bestätigt, was wir vorausgesagt haben, daß das nämlich eintreten wird.
Es ist auch sozial gerecht, wenn Geringerverdienende anders behandelt werden als Besserverdienende. Das ist nämlich eigentlich die Gerechtigkeit: daß man Ungleiches auch ungleich behandelt; denn wer weniger verdient, braucht mehr Hilfe als derjenige, der viel verdient. Deshalb ist es auch gerecht, daß die Härteklausel dafür sorgt, daß Geringverdienende außer im Krankenhaus überhaupt nichts zuzahlen und daß diejenigen, die normal verdienen, höchstens 2 % zahlen. Derjenige, der mehr verdient, zahlt bis zu 4 %; denn er zahlt ja auch nur einen Beitrag bis zur Beitragsbemessungsgrenze, nicht aber entsprechend seinem vollen Verdienst.Wir können uns jedenfalls getrost dem Urteil der Beitragszahler stellen. Sie werden nämlich nach Tatsachen und nicht nach Polemik, nach Zahlen und nicht nach Hetze urteilen. In diesem Urteil werden wir gut dastehen; denn eine notwendige, eine gerechte und erfolgreiche Reform wie die Gesundheitsreform hat ihre Überzeugungskraft in sich selbst. Die Bürgerinnen und Bürger werden das erkennen.
Das Wort hat der Abgeordnete Kolb.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Haltet den Dieb — so würde ich die von Ihnen beantragte Aktuelle Stunde bezeichnen, und zwar deswegen, weil ich mich erinnern kann, wie Sie hier erklärt haben, Beitragssätze von 16 % und mehr seien unerträglich, es müßte etwas getan werden.Ein Zweites, auch wenn es Geschichte ist: Wir hatten 1970 einen Beitragssatz von 8,5 %. Er ist dann eben in Richtung 13 und 14 % marschiert. Es gab eine Zeit, wo die AOK Dortmund auch schon bei 16 % war.Da gab es einen Minister Ehrenberg, der einmal gesagt hat: Wenn man mehr Ärzte produziert, dann kommt die Dachdeckerphilosophie zum Tragen, d. h. je mehr Dachdecker vorhanden sind, desto niedriger wird der Preis. Das war ein entscheidender Irrtum im gesamten Gesundheitswesen. Wir haben nämlich festgestellt, daß das System bei einer solchen Art, wo nämlich jeder der Beteiligten versucht, Vorteile aus der Sache zu ziehen, nicht funktionieren kann.Sie haben das ja erkannt, meine Damen und Herren von der SPD. Sie haben gefragt: Was kann ich tun? Dann haben Sie gesagt, wir sollten die Beitragsbemessungsgrenzen verschwinden lassen und die Versicherungspflicht für alle einführen. Dann könnten wir das System mit den höheren Beiträgen derjenigen sanieren, die mehr verdienen. Nur, dem widerspricht ja die Lebenserkenntnis, daß ich, wenn ich irgendwo etwas bezahle — vor allem, wenn ich viel bezahlen muß —, das nicht ohne Gegenleistung tue. Eines der Probleme der Krankenversicherung, das wir bis jetzt auch noch nicht gelöst haben, besteht doch darin, daß diejenigen, die hohe Beiträge zahlen, glauben, sie hätten einen Anspruch darauf, wieder viel zurückzubekommen.Meine sehr verehrten Damen und Herren, seien Sie versichert: Das Thema Gesundheit wird uns auch in den 90er Jahren weiterhin beschäftigen.Nun geht es um die Philosophie. Es geht entweder um die Philosophie der SPD — wir zwingen alle in die Solidargemeinschaft — oder um die Philosophie dieser Regierungskoalition, die gesagt hat: Wir wollen diejenigen, die mehr Geld haben, ein bißchen an den eigenen Kosten beteiligen, um sie dazu zu bringen, sich vernünftig zu verhalten.Herr Kollege Eugen von der Wiesche, Sie haben gesagt: Dann kommen 1992 die 15 %. Einverstanden. Aber eben auch nur bis zu 2 % der eigenen Leistung bis zur Einkommensgrenze von 54 000 DM oder, wenn man mehr verdient, 4 %. Alles, was darüber hin-
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Kolbausgeht, bekommt er ersetzt. Ich halte es schon für wichtig, daß heute jemand fragt, was ein Medikament kostet, und nicht unbedingt nach dem Motto lebt: Wenn es die anderen bezahlen, dann kann es nicht teuer genug sein.Meine Damen und Herren, es ist schon interessant, wenn auf der einen Seite einer Vollkasko-Mentalität das Wort geredet wird, während auf der anderen Seite gleichzeitig von Solidarität gesprochen wird. Dies werden wir nicht hintereinander kriegen.Walter Krämer schrieb in einem Artikel im „Rheinischen Merkur" vom 5. Mai unter der Überschrift „Nur in einem Punkt sind sich alle einig" :Hinter dem Banner eines angeblich gefährdeten Patientenwohls marschieren heute zahnärztliche Großverdiener mit Gewerkschaftsfunktionären, konservative Klinikdirektoren mit grünen Weltverbesserern Hand in Hand, eine Superkoalition der Heuchelei und Unvernunft.Dieser Artikel schließt:Wenn wir also fragen: „Wem schadet das Gesundheits-Reformgesetz?", so fällt die Antwort leicht: denen, die am lautesten schreien. Allen in den Medien gerade kolportierten Anekdoten über vernachlässigte oder malträtierte Patienten zum Trotz sind das nicht die Patienten und Beitragszahler, also die Konsumenten, sondern die Produzenten und Verteiler von Gesundheitsgütern . . .
Er erinnert daran, daß in Sachen Sterbegeld die ersten Proteste gerade von Bestattungsunternehmen kamen.Der Artikel schließt mit den Worten:Diese Große Koalition der Leistungsanbieter und -verteiler, die schon Ende der 50er Jahre die Blank'sche Reform zu Fall gebracht hatte, hat nun in Norbert Blüm einen Gegner anderen Formats. Als Beitragszahler können wir nur hoffen, daß diese unsere einzige Lobby sich nicht unterkriegen läßt.Dem ist nichts hinzuzufügen.Herzlichen Dank.
Zu einer persönlichen Erklärung nach § 30 der Geschäftsordnung hat Herr Seehofer das Wort.
Herr Kollege Egert, ich habe mich noch einmal gemeldet, weil ich Ihren sozialpolitischen Sachverstand sehr schätze und weil mir in diesem Zusammenhang sehr an einer guten Zusammenarbeit in unseren jeweiligen Positionen mit Ihnen liegt und weil diese Erklärung vielleicht geeignet sein könnte, daß Sie Ihre Wertung bezüglich meiner Person noch einmal überdenken.
Ich hatte einen ersten Zwischenruf zu Ihrem Beitrag über die freiwillig Versicherten und zum Mindestbeitrag gemacht. Sie haben richtig festgestellt: Wir ha-
ben in der Endphase der Beratung im Ausschuß nach der Regelung betreffend die Studenten noch die Bestimmungen über die Absolventen des zweiten Bildungsweges eingefügt. Jetzt besteht noch das Problem der Fachschüler, also der Menschen, die sich in einem vergleichbaren Ausbildungsgang wie Studenten befinden. Diese fallen als freiwillig Versicherte unter § 240 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuches.
Jetzt geht es darum, ob die Erhöhung des Mindestbeitrages in § 240 Abs. 4 des Sozialgesetzbuches, der ja von durchschnittlich 63 DM auf 126 DM verdoppelt wurde, unterschritten werden kann. Ich verweise Sie auf § 240 Abs. 1, wo die Frage der Beitragsbemessungsgrundlage der Satzungsautonomie der Kassen übertragen wird. Der Gesetzgeber hat hinzugefügt, daß bei der Klassifizierung der Bemessungsgrundlage auf die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Beitragspflichtigen abzustellen ist.
Die Koalition als auch das Ministerium sind zu der Auffassung gelangt, daß in diesen besonders gelagerten Fällen, die mit dem Fall des Studenten mit dem ermäßigten Beitragssatz vergleichbar sind, eine Unterschreitung des Mindestbeitrages nach § 240 Abs. 4 möglich ist. Deshalb mein Zuruf.
Ich habe gestern von einer Aufsichtsbehörde aus dem Freistaat Bayern ein Schreiben bekommen, wonach sie diese Rechtsauffassung, die sie zunächst nicht geteilt hatte, zwischenzeitlich auch teilt. — Das war mein erster Zuruf mit der Bemerkung: „Das ist falsch! "
Mein zweiter Zuruf bezog sich auf Ihre Ausführungen, die mit dem Erziehungsgeld begannen. Da haben Sie mir gegenüber den Eindruck erweckt, als würden Sie eine Verbindung herstellen wollen, daß das Erziehungsgeld, das bisher beitragsfrei war, künftig beitragspflichtig sei.
Ich stelle hierzu fest, daß das Erziehungsgeld auch künftig beitragsfrei ist, daß der Tatbestand der Erziehung auch künftig eine beitragsfreie Versicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung auslöst.
Ebenfalls zu einer persönlichen Erklärung nach § 30 erteile ich Herrn Abgeordneten Egert das Wort.
Herr Parlamentarischer Staatssekretär, am Beginn Ihrer Tätigkeit habe ich Ihnen gesagt, daß ich die freundschaftliche Zusammenarbeit, die ich mit Ihrem Vorgänger hatte, auch mit Ihnen fortsetzen will — bei allen Meinungsunterschieden in der Sache.
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EgertWenn ich vorhin gesagt habe: „Sie lügen! ", dann will ich diesen Vorwurf nach dieser Interpretation gern zurücknehmen.
— Vorsicht mit dem Klatschen; sonst haben wir nachher wieder ein Problem. — Aber ich stelle fest, daß einer der Petenten, der betroffen ist, von der AOK Berlin den Widerspruchsbescheid bekommen hat — —
— Ja, ich sage es nur. Ich lege nämlich auch Wert darauf, deutlich zu machen, daß ich hier nicht den Inhalt von Plakaten vortrage, sondern Dinge, von denen ich etwas weiß und verstehe. Und ich lasse mir ungern sagen: Das ist falsch. Das hat meine Erregung ausgelöst.Jetzt zu dem anderen Punkt. Was Sie zum Erziehungsgeld gesagt haben, ist faktisch richtig. Es ist aber dann nicht richtig, wenn jemand studiert und dieses als einzige Einkunft hat. Dann gibt es eine Minderung durch die Krankenversicherungsregelungen. Dies wollte ich deutlich machen. Dies ist auch eine Ungerechtigkeit, die nicht aufgefangen wird, weil sie im BAföG nicht aufgefangen ist, im Erziehungsgeld nicht vorgesehen war. Insofern haben Sie recht. Aber auch ich habe recht, daß die Leichen hier am Rande dieses Gesetzes liegen.Ich habe in dem Zusammenhang von Ungereimtheiten gesprochen und denke, daß es einem Sozialstaat gut ansteht, diese Einzelfälle zusammenzunehmen und zu gucken, daß die Absicht des Gesetzgebers nicht ins Gegenteil verkehrt wird.Ich will noch eine Bemerkung zu etwas machen, was mich in diesem Zusammenhang zusätzlich erbost hat. Wenn das BMA den Willen des Gesetzgebers in der Frage ergründet, welche Ausnahmen wir vorsehen wollten und welche nicht, dann bin ich als Parlamentarier sehr unangenehm berührt, wenn ein Beamter des BMA das macht. Und die Absichten aus dem Gesetzgebungsverfahren gingen, was die Ausnahmen für Studenten und für einen weiteren besonderen Personenkreis angeht, den wir ausgenommen haben, genau in die andere Richtung. Also, der Wille des Gesetzgebers, wenn er denn ergründet wird, sollte dann auch vom Gesetzgeber und nicht von einem Ministerialbeamten ausgedeutet werden.Ich bedanke mich, daß Sie auch mich angehört haben.
Meine Damen und Herren, die Aktuelle Stunde ist beendet.
Die nächste Plenarsitzung berufe ich auf Donnerstag, den 1. Juni 1989, 9 Uhr ein.
Die Sitzung ist geschlossen.