Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet.
Ich rufe Punkt 1 der Tagesordnung auf:
Befragung der Bundesregierung
Meine Damen und Herren, die Themen der Kabinettsitzung, die der Bundesminister für besondere Aufgaben und Chef des Bundeskanzleramtes mitgeteilt hat, sind den Fraktionen bekannt.
Es handelt sich um folgende Themen: Zweiter Bericht der Bundesregierung über „Die Lage der Behinderten und die Entwicklung der Rehabilitation" ; Entwurf einer Rahmen-Abwasserverwaltungsvorschrift; ERP-Wirtschaftsplangesetz 1990; Antwort der Bundesregierung auf die Großen Anfragen der Fraktion DIE GRÜNEN zur Beteiligung von Daimler-Benz an Messerschmitt/Bölkow-Blohm; Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage der Fraktionen der CDU/CSU und FDP „Europäischer Binnenmarkt und Land- und Forstwirtschaft".
Die Bundesregierung hat weiter mitgeteilt, daß der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung berichtet.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das Kabinett hat heute den Bericht zur Lage der Behinderten beraten. Dieser Bericht — es ist der zweite — gibt einen Überblick über alle wesentlichen Aspekte der Lebenssituation unserer behinderten Mitbürger, auch der Leistungen und Hilfen.
Ich denke, eine der wichtigsten Aufgaben ist Integration durch Arbeit. Die Berufsbildungswerke und die Berufsförderungswerke leisten hervorragende Arbeit. Wir möchten den Bericht auch nutzen, den dort Tätigen unseren Respekt zu zollen.
Wie groß der Erfolg ist, mögen Sie aus der Tatsache entnehmen, daß 70 % der Teilnehmer spätestens ein Jahr nach Abschluß der Fördermaßnahme Arbeit gefunden haben. Das ist eine hohe Erfolgsquote, die freilich noch gesteigert werden kann.
Die Zahl der Behinderten, die in Werkstätten für Behinderte arbeiten, ist gestiegen. Wir haben die Behinderten von allen Sparmaßnahmen im Zusammenhang mit dem Arbeitsförderungsgesetz ausgenommen. Wir haben sogar die Zahl der Eintritte in berufsfördernde Maßnahmen seit 1983 um 30 To gesteigert. Wir haben ferner die Ausgaben von 1,8 Milliarden DM auf 2,7 Milliarden DM gesteigert.
Das, Frau Präsidentin, ist sozusagen der positive Teil. Ich möchte allerdings auch noch auf die andere Seite hinweisen. Nach wie vor halte ich es für bedauerlich, daß 70 % der Betriebe ihre Beschäftigungspflicht nicht erfüllen. 30 % beschäftigen überhaupt keine Schwerbehinderten. Ich denke, mit diesem Zustand dürfen wir uns nicht zufriedengeben.
Ich verweise auch darauf, daß die überwiegende Zahl der Länder ihre Beschäftigungspflicht nicht erfüllen. Ich finde, damit gibt der öffentliche Dienst ein schlechtes Beispiel. Der Bund — das will ich hinzufügen — erfüllt seine Beschäftigungspflicht.
Ein zweiter Bereich, den ich in aller Kürze ansprechen möchte, ist der Bereich der Vorsorge, der Frühbehandlung. Ich denke, daß wir hier im Berichtszeitraum ein großes Stück vorwärts gekommen sind. Die Vorsorgeuntersuchungen — gerade auch für Kinder — haben jetzt eine sehr viel höhere Akzeptanz. Ich will darauf hinweisen, daß das Gesundheits-Reformgesetz diese Vorsorgemaßnahmen ausweitet: nicht nur bis zum vierten Lebensjahr des Kindes, sondern bis zum sechsten Lebensjahr. Das GesundheitsReformgesetz sieht gerade für die Pflegebedürftigen verstärkt Hilfen vor. 5 Milliarden DM sind allein für die ambulante Pflege vorgesehen. Das ist soviel, wie bisher im Rahmen der Sozialhilfe für ambulante und stationäre Pflege ausgegeben wurde.
Aufmerksamkeit verdient auch die Umwelt der Behinderten. Es fahren inzwischen 118 Intercityzüge mit rollstuhlgerechten Großraumwagen. An den Autobahnen gibt es verstärkt einen Service, der Behinderten gerecht wird.
Wir legen den Bericht nicht vor, als wären wir am Ziel. Es gilt, Weiteres zu tun. Ich bedanke mich bei allen Mitbürgern, die in der Behindertenarbeit engagiert sind. Es ist eine Aufgabe für uns alle.
Die erste Wortmeldung kommt vom Abgeordneten Dreßler.
Frau Präsidentin, meine Frage teilt sich in zwei Teile, wobei der zweite Teil nur dann
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10002 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 136. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 19. April 1989
Dreßlergestellt wird, wenn der erste Teil unbefriedigend beantwortet ist. Darauf möchte ich hinweisen dürfen.Herr Bundesminister, hat die Bundesregierung diesen Bericht bei ihrer Diskussion auch zum Anlaß genommen, den während der Verhandlungen über die Reform der Alterssicherung mehrfach diskutierten Grundsatz „Rehabilitation vor Rente" erneut zu bekräftigen?
Herr Abgeordneter Dreßler, dieser Grundsatz wird von uns in keiner Weise in Frage gestellt. Ihre Frage gibt mir Anlaß, ihn noch einmal zu bestätigen. Der Bericht folgt ausdrücklich diesem unbestrittenen Grundsatz unserer Behindertenpolitik.
Herr Bundesminister, ich darf jetzt die zweite Frage anschließen: Gilt das auch für Beamte bei Dienstunfähigkeit und für den öffentlichen Dienst?
Das ist kein Grundsatz, der auf bestimmte Personengruppen beschränkt ist. Er gilt immer.
Herr Abgeordneter Fuchtel, bitte.
Herr Minister, manche Behindertenverbände haben die Sorge, daß Leistungen der Bundesanstalt für Arbeit eventuell in Ermessensleistungen umgeformt werden könnten. Wie ist die Haltung der Bundesregierung dazu?
Die Haltung — wir haben sie bereits bei der 8. Novelle klargestellt — ist ganz klar die, daß im Behindertenbereich keine Sparmaßnahmen vorgesehen sind. Ich sagte ja schon, daß wir ganz im Gegenteil die Aufwendungen für Rehabilitation gesteigert haben. Dabei soll es auch bleiben.
Bitte, Frau Limbach.
Herr Minister, Sie haben eben selbst auf die trotz aller Bemühungen nach wie vor schwierige Beschäftigungssituation der Behinderten hingewiesen. Sieht die Bundesregierung die Möglichkeit, dort weitere Maßnahmen zu ergreifen, und, wenn ja, welche?
Wir bleiben auch im Rahmen der Debatte über das Beschäftigungsförderungsgesetz — um einen konkreten Punkt als Beispiel zu nennen — bei dem Angebot, daß bei der Einstellung eines Behinderten als Lehrling eine doppelte Anrechnung erfolgt, weil ich denke, wenn ein behinderter Mitbürger einen Beruf erlernt, ist das ein ganz hervorragender Beitrag zur Integration in die Arbeitswelt. Für mein Verständnis ist das Recht auf Arbeit ein Recht, das jedem im Rahmen seiner Möglichkeiten, Arbeit zu finden, zusteht. Auf diesem Wege wollen wir weitergehen.
Herr Abgeordneter Fuchtel, Sie möchten noch eine Frage nachschieben? — Bitte schön.
Herr Minister, das gesamte Behindertenrecht ist bisher sehr uneinheitlich ausgestaltet, ist geradezu zerfleddert. Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um in diesen Rechtsbereich mehr Struktur hineinzubringen?
Das Bundesarbeitsministerium ist in der Vorarbeit — und wir sind auch schon ein gutes Stück vorwärtsgekommen — , das Behindertenrecht übersichtlicher zu gestalten. Es wäre ein großer Fortschritt, wenn die Übersichtlichkeit — etwa so, wie wir das Krankenversicherungsrecht ins Sozialgesetzbuch gebracht haben — durch eine Kodifikation verstärkt würde. Wir arbeiten an diesem Vorhaben.
Herr Abgeordneter Dreßler, noch eine Zusatzfrage.
Ja, ich habe noch zu einem anderen Komplex dieses Themas eine Frage. Herr Minister, Sie haben erklärt, daß 70 % sozusagen durch Nichterfüllung der Beschäftigungspflicht negativ glänzen. Hat sich denn die Bundesregierung — außer einem Appell oder der Feststellung, daß das, wie wir alle ja wohl denken, ein skandalöses Verhalten ist — auch einmal in Richtung Ausgleichsabgabe Gedanken gemacht? Wie Sie wissen, hat ja der Entschluß der Bundesregierung, bei der letzten Novelle die Ausgleichsabgabe um 50 DM zu erhöhen, augenscheinlich keinerlei Früchte getragen. Denken Sie nicht auch, daß gerade dieses Instrument der Ausgleichsabgabe ein Mittel sein könnte, diesen Skandal zumindest zu mildern?
Herr Dreßler, das halte ich für einen Vorschlag, der nicht nur diskutabel ist. Nur will ich doch darauf hinweisen, daß die Erfahrungen mit dieser Erhöhung, von der Sie sagen, sie sei zu gering, offenbar zeigen, daß Geld allein zu wenig bewegt. Möglicherweise gibt es Arbeitgeber, die glauben, sich mit Geld ihrer Beschäftigungspflicht entziehen zu können. Deshalb halte ich es in dem Bereich für das Wichtigste, daß der öffentliche Dienst mit gutem Beispiel vorangeht. Denn wie will man an Unternehmer Appelle richten, wenn man selber seine Pflicht nicht erfüllt hat? Da haben wir in allen Bereichen, in allen Ländern — Sie, wir — noch große Aufgaben, wenn es darum geht, dieser Vorbildfunktion des öffentlichen Dienstes gerecht zu werden. Dazu brauchen wir eigentlich kein Gesetz, dazu brauchen wir nur politischen Willen. Der ist offenbar nicht überall ausreichend vorhanden.
Frau Abgeordnete Vollmer.
Ich würde ja bei der Gelegenheit gern fragen, wie es mit den anderen Fraktionen und ihrer Beschäftigungspflicht steht. Aber das kann ich Sie ja nicht fragen.Sie argumentieren in einer Richtung, wo man doch konsequent weiter fragen müßte, Herr Minister, ob das Instrument der Ausgleichsabgabe nicht über-
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Frau Dr. Vollmerhaupt ein untaugliches Mittel ist. Das heißt, daß es diese Möglichkeit gar nicht geben dürfte und statt dessen eine Beschäftigungspflicht geben müßte. Haben Sie darüber auch nachgedacht?
Herr Minister.
Frau Abgeordnete, ich meine, wir sollten nicht unterschätzen, daß wir mit dem Geld der Ausgleichsabgabe auch viel Gutes tun können. Dennoch meine auch ich: Man darf die Frage mit Geld nicht für erledigt erklären. Ich finde, das Recht auf Arbeit geht weiter, als nur mit Geld Anreize zu schaffen. Aber die heilsame Funktion dieser Pflichtabgabe besteht zumindest in dem Bereich, wo wir das Geld genommen haben, darin, daß wir Behinderten geholfen haben.
Frau Abgeordnete Limbach.
Herr Minister, in sozialen Entschädigungsgesetzen haben wir es ja auch häufig mit Behinderten zu tun. Deshalb frage ich noch einmal: Wie gedenkt die Bundesregierung, das auch im Bereich der KOV fortzuentwickeln, und wie steht es mit der Zusage, dort strukturelle Verbesserungen einzuführen?
Wir haben ja, Frau Abgeordnete, in dieser Legislaturperiode schon eine Reihe struktureller Verbesserungen durchgesetzt; die letzten sind am 1. Januar 1989 in Kraft getreten. Die Koalitionsfraktionen haben sich darauf verständigt, daß wir noch in dieser Legislaturperiode weitere strukturelle Verbesserungen gesetzlich verankern. Dafür ist ein Rahmen von 100 Millionen DM vorgesehen.
Herr Abgeordneter Niegel.
Herr Bundesminister, können Sie mitteilen, welche Bundesländer die Verpflichtung, Behinderte zu beschäftigen, nicht in vollem Umfange erfüllt haben?
Außer Berlin, Bremen und Saarland alle anderen Bundesländer nicht.
— Alle anderen nicht. Die Verpflichtung erfüllen nur Berlin, Bremen und das Saarland. Alle anderen Bundesländer bleiben unter der gesetzlichen Pflichtquote von 6%. Das, Frau Abgeordnete, wollte ich doch im Zusammenhang mit dem Bericht vortragen; denn ich bin ein Anhänger von freiwilligem Helfen. Aber wer Appelle zu freiwilligem Engagement an andere richtet, der muß selber mit gutem Beispiel vorangehen.
Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen zu Punkt 1. Zu Punkt 2 — RahmenAbwasserverwaltungsvorschrift — hat sich Frau Abgeordnete Garbe gemeldet.
Herr Minister Töpfer, das Abwasserabgabengesetz in der gültigen Form und
auch die Vorlage des Kabinetts für die dritte Novelle lassen erkennen, daß der Versuch gemacht werden soll, den Gewässer- und Umweltschutz in erster Linie über die Verringerung von Schadstoffeinleitungen durch der Produktion nachgeschaltete Reinigungstechniken zu verbessern. Können Sie sich meiner Auffassung anschließen, daß diese Vorgehensweise lediglich eine Verlagerung der Schadstoffe von einem Medium ins andere bewirkt, also von Abwasser in den Klärschlamm? Um die Probleme, die hiermit zusammenhängen, zu lösen, erarbeiten Sie jetzt ja auch eine Novelle.
Meine Frage: Sehen Sie diese Verlagerung auch, und müssen nicht alle Anstrengungen unternommen werden, um diese gefährlichen, krank machenden Stoffe endlich zu verbieten, damit sie gar nicht erst in die Umwelt gelangen können?
Herr Minister Töpfer.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Frau Abgeordnete, wir haben heute im Kabinett nicht die Novelle des Abwasserabgabengesetzes erörtert, sondern wir haben sechs Vorschriften nach § 7 a des Wasserhaushaltsgesetzes verabschiedet, u. a. die außerordentlich wichtige erste Vorschrift für kommunale Kläranlagen. Das geht dann allerdings voll und ganz in die Richtung Ihrer Frage.
Wir haben bei den anderen, für die industriellen Bereiche vorgesehenen Einleitungsvorschriften natürlich nicht nur dort angesetzt, wo wir die Klärtechniken beurteilen, sondern wir sind gezwungen gewesen, in die Produktionsprozesse zurückzugehen, um Abwasser zu vermeiden, das hinterher durch entsprechende Belastung von Klärschlämmen anderwärts nur Probleme schafft. Also, durch die Novellierung des § 7 a des Wasserhaushaltsgesetzes, wo nicht mehr die anerkannten Regeln der Technik, sondern der Stand der Technik verlangt wird, ist es nicht nur ein Blick auf die Klärtechnik, sondern auch ein Blick auf die Produktionsprozesse und die Entstehung von Abwässern und ihre Vermeidung.
Frau Abgeordnete Segall!
Herr Minister Töpfer, könnten Sie uns vielleicht auch schon einmal ungefähre Vorstellungen darlegen, in welchem Umfang sich da nun die Gewässerqualitäten verbessern werden und in welchem Zeitrahmen das geschehen wird?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Planungen über den zeitlichen Ablauf sind wie folgt auch in der Begründung mit angegeben — ich beziehe mich hier auf die erste Vorschrift, also für kommunale Kläranlagen daß sie natürlich jetzt vor 1992, wie zunächst vorgesehen, für die neuen Anlagen und für die Nachrüstung vorhandener Kläranlagen in den entsprechenden Größenordnungen gelten, was sich aus der ii Umsetzung dieser Verwaltungsvorschrift durch die Lander ableitet, Wir gehen davon aus, daß die Länder dazu einige Zeit brauchen werden und daß damit auch die Verzögerung erklärt ist. Die Bundesregie-
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Bundesminister Dr. Töpferrung legt mit dieser Verwaltungsvorschrift den Ländern die rechtliche Möglichkeit vor, daß sie entsprechend auch Nachrüstung bei vorhandenen Anlagen fordern können. In der Begründung schreiben wir, daß wir die Abarbeitung dieser Verwaltungsvorschrift bis 1995 erwarten. Dies würde unter dem Gesichtspunkt der Nährstoffbelastung sicherlich eine deutliche Verbesserung unserer Gewässer bewirken.
Frau Abgeordnete Hartenstein!
Herr Minister, Sie haben selbst gesagt und werden mir auch zustimmen, wenn ich sage, daß natürlich ein Zusammenhang zwischen dem Wasserhaushaltsgesetz und den daraus resultierenden Verwaltungsvorschriften und dem Abwasserabgabengesetz besteht. Die Kommunen leiden zunehmend darunter, daß sie immer weiter steigende Aufwendungen für Kläranlagen brauchen. Wir haben jetzt die gesamte Problematik des Klärschlamms — 50 Millionen Kubikmeter fallen ja in der Bundesrepublik an — , der so schadstoffbelastet ist, daß Sie selbst empfohlen haben, ihn auf ganz bestimmten Flächen nicht mehr aufzubringen.
Meine Frage ist: Haben Sie sich Gedanken gemacht bzw. beabsichtigen Sie, Maßnahmen zu ergreifen, die sowohl die Abfälle als auch die Abwässer entscheidend entlasten? Ganz konkret gefragt: Warum war es bis heute nicht möglich, nachdem das neue Abfallgesetz bereits fast drei Jahre in Kraft ist, vom § 14 Abs. 1 Gebrauch zu machen, der doch die Bundesregierung ermächtigt, bestimmte Schadstoffe, die die Abfälle und auch die Klärschlämme und auch die Abwässer belasten, zu verbieten? Was werden Sie in dieser Hinsicht in naher Zukunft, wie ich hoffe, tun?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Frau Abgeordnete, zunächst einmal möchte ich darauf hinweisen, daß wir, wie angekündigt, mit diesen sechs Verwaltungsvorschriften wesentliche Teile des Zehn-Punkte-Programms zum Schutz der Nordsee erfüllen. Wir haben also jetzt hiermit genau die Hausaufgaben wieder ein Stück abgearbeitet, die wir übernommen haben.
Ich darf das wiederholen, was ich in der Antwort auf die Frage der Frau Abgeordneten Garbe gesagt habe: Hier geht es nicht nur darum, zu fragen, welche Anforderungen an Kläranlagen gestellt werden, sondern hier geht es genauso darum, zu fragen, welche Anforderungen an die Vermeidung von Abwässern im Produktionsprozeß weiter zu stellen sein werden. Dies ist natürlich — ich sage es noch einmal — mit Blick auf die anfallenden Klärschlammengen dringlich notwendig. Denn durch die Einführung von P und N als zu berücksichtigenden Parametern werden wir eine Erhöhung der Klärschlammengen — Fachleute sprechen von bis zu 20 Millionen Kubikmeter pro Jahr — bekommen. Deswegen muß es klares Ziel sein und bleiben, durch die Beeinflussung der Abwasserqualität auch Klärschlämme zu bekommen, die ohne Bedenken in die landwirtschaftliche Nutzung wieder eingebunden werden können. Dies ist Gegenstand der heutigen Entscheidung mit gewesen. Andere Verwaltungsvorschriften werden kommen.
Ganz unstrittig ist auch, daß wir im Zusammenhang mit der neuen gesetzlichen Grundlage des Abfallgesetzes den § 14 ja bisher nicht unbeachtet gelassen haben. Im Gegenteil: Wir haben auf der Grundlage des § 14 etwa die Pflichtpfandregelung für die Plastikflaschen gemacht. Wir haben auf der Grundlage des § 14 die Altölverordnung gemacht. Wir sind gegenwärtig dabei, auf der Grundlage des § 14 die Rücknahmeverpflichtung für chlorierte Kohlenwasserstoffe für Lösungsmittel zu machen; sie wird in Kürze im Kabinett vorliegen. Wir haben auf dieser Grundlage die PCB-Diskussion weitergeführt. Also, es kann nicht die Rede davon sein, daß wir bis zur Stunde den § 14 dieses Gesetzes nicht genutzt hätten. Wir werden ihn konsequent weiter nutzen.
Eine Zusatzfrage?
Ich habe eine Zusatzfrage, möchte mich aber zuerst für die Aufklärung bedanken, wiewohl sie — das darf ich, glaube ich, sagen — für ein Mitglied des Umweltausschusses nicht unbedingt erforderlich war.
Meine Frage ist: Können Sie uns konkret sagen, für welche nicht abbaubaren Schadstoffe in welcher Zeit oder bis zu welcher Frist neue Maßnahmen — zum Teil sind Verbote nötig — geplant sind?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Frau Abgeordnete, ich bin ganz sicher, daß Sie als hochinformiertes Mitglied des Umweltausschusses dieses Hohen Hauses auch diese Antwort kennen.
Aber ich will sie gern wiederholen.
Ich habe soeben darauf hingewiesen, daß wir ganz konkret vorliegen haben und in einer der nächsten Sitzungen des Bundeskabinetts zu beschließen haben, daß wir für chlorierte Kohlenwasserstoffe eine Verordnung zur Rücknahme dieser Stoffe vorlegen, also genauso vorgehen werden, wie wir es beim Altöl getan haben. Das sind genau solche Stoffe, eine ganze Stoffamilie, wie Ihnen sehr gut bekannt ist. Ich halte das für eine ganz wichtige Frage, weil sie in die Abfallbeseitigung auf hoher See hineingeht. Gegenwärtig verbrennen wir auf hoher See, wie Sie wissen, noch in der Größenordnung bis zu 50 000 t gerade solcher Stoffe. Durch diese Rücknahmeverordnung wollen wir diese Menge drastisch zurückführen. Ich bin überzeugt, daß das gelingen wird.
Also ganz konkret: Chlorierte Kohlenwasserstoffe sind in einer der nächsten Kabinettssitzungen als Inhalt einer Verordnung auf dem Tisch.
Danke. Ich bitte um Verständnis, daß ich eine freie Frage dazwischenschiebe, weil Frau Staatsministerin Adam-Schwaetzer in ein paar Minuten zur deutsch-französischen Konsultation weg muß und der Herr Abgeordnete Jahn eine Frage an sie hat.
Hat die Bundesregierung in der heutigen Kabinettssitzung Schritte gegen den Mordauftrag des Herrn Khomeini gegen den Schrift-
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Jahn
steiler Rushdie beraten? Wenn ja: Welche? Wenn nein: Warum nicht?
Frau Staatsminister.
Die Bundesregierung hält sich mit ihrer Politik gegenüber dem Iran, wie es schon in den vergangenen Regierungsbefragungen dargelegt wurde, an die mit den Partnern innerhalb der Europäischen Gemeinschaft vereinbarten Schritte. In diesem Rahmen ist die Entscheidung getroffen worden, daß unser Botschafter bisher nicht an seinen Posten in Teheran zurückkehrt. Von den anderen Partnern hat Frankreich eine gleiche Entscheidung getroffen. Darüber hinaus gilt unverändert, daß keine hochrangigen Besuche zwischen dem Iran und den Staaten der Europäischen Gemeinschaft ausgetauscht werden. Des weiteren bleibt das Kulturabkommen suspendiert.
Ich denke, wir können hier die Bewertung vertreten, daß diese Maßnahmen ihren Eindruck nicht verfehlt haben.
Eine Zusatzfrage.
Das veranlaßt mich zu der Zusatzfrage: Welchen Eindruck, Frau Staatsminister?
Die Situation im Iran ist seit der Morddrohung unverändert. Das läßt sich sicher nicht bestreiten. Das bringt uns zu der Einschätzung, daß wir mit unserer Position, die wir gemeinsam innerhalb der Europäischen Gemeinschaft definiert haben, auf dem richtigen Weg sind. Diesen Weg werden wir weiter beschreiten.
Herr Abgeordneter Gerster, Sie haben noch eine Frage an die Frau Staatsminister.
Frau Staatsminister, teilt die Bundesregierung meine Auffassung, daß ein öffentlicher Aufruf zum Mord durch Iraner in der Bundesrepublik Deutschland eine Ausweisung rechtfertigen würde?
Herr Abgeordneter Gerster, das ist eine Frage, die im Einzelfall entschieden werden muß. Aber generell möchte ich hier schon die Ansicht vertreten, daß ein Aufruf zum Mord ein Verstoß gegen unsere Rechtsordnung ist und jeder bei uns lebende Ausländer an unsere Rechtsordnung gebunden ist und sie beachten muß.
Zusatzfrage.
Kann ich das so verstehen, daß dies eine Ausweisung rechtfertigen würde, wenn es im konkreten Fall festgestellt würde?
Herr Gerster, im konkreten Fall kann ich keine Entscheidung vorgeben, weil es dafür zuständige Gremien in der Bundesrepublik Deutschland gibt. Aber ganz sicher wäre es ein Verstoß gegen unsere Rechtsordnung. Und Verstöße gegen unsere Rechtsordnung führen in der Regel zur Ausweisung.
Herr Abgeordneter Grünbeck, haben Sie noch eine Frage zum Abwasser?
Nein. Zu etwas anderem.
Dann fragt vorher der Abgeordnete Niegel zur ERP.
Kann die Bundesregierung darlegen, ob sie die Anregungen aus den Diskussionen des ERP-Unterausschusses hinsichtlich einer verstärkten Förderung des gewerblichen Mittelstands, insbesondere der Klein- und Mittelbetriebe, auch hinsichtlich der regionalen Wirtschaftspolitik, der Existenzgründung usw. aufgegriffen hat?
Frau Präsidentin! Herr Abgeordneter Niegel, ich kann diese Frage erfreulicherweise mit Ja beantworten. Die Bundesregierung hat heute den Entwurf des ERP-Wirtschaftsplans für 1990 verabschiedet.Wenn Sie es mir gestatten, darf ich Ihnen einige wesentliche Elemente daraus vermitteln.Im Jahr 1990 sollen aus Mitteln des ERP-Sondervermögens rund 4,8 Milliarden DM an zinsgünstigen Darlehen zur Förderung der deutschen Wirtschaft und zur Förderung der Wirtschaft Berlins bereitgestellt werden. Das Volumen neuer Darlehen wird damit um rund 200 Millionen DM höher als im Vorjahr veranschlagt. Ich erinnere mich, daß Sie als Vorsitzender des ERP-Unterausschusses auch diesen Vorschlag gemacht haben.Der überwiegende Teil, nämlich rund 2,6 Milliarden DM, dient der direkten Förderung des Mittelstands und von Existenzgründungen.Der zweitgrößte Posten, nämlich 1,25 Milliarden DM, ist — ich glaube, das ist ein sehr wesentlicher Punkt für die deutsche Volkswirtschaft — für betriebliche Umweltmaßnahmen wie Abfallbeseitigung, Abwasserreinigung und Luftreinhaltung bestimmt.Ergänzend und erweiternd zu diesen — ich möchte sagen — schon klassischen ERP-Umweltschutzprogrammen schlägt die Bundesregierung für 1990 ein neues ERP-Programm vor, das Investitionen mittelständischer Unternehmen zur Energieeinsparung, zur rationellen Energieverwendung bzw. zum Einsatz regenerativer Energien durch zinsgünstige ERP-Darlehen erleichtern soll. Hierfür ist ein zusätzliches Volumen von 200 Millionen DM in den ERP-Wirtschaftsplan eingestellt worden. Die Bundesregierung unterstreicht mit dieser Maßnahme, daß sie an ihrem Ziel der Energieeinsparung nicht nur festhält, sondern diese Politik auch mittelfristig fördert. Auch die Kredite für Umweltschutz- und Energieeinsparungsmaßnahmen dienen, Herr Abgeordneter, wie Sie wissen, der Förderung der Wirtschaft, insbesondere der Förderung des Mittelstands.
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10006 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 136. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 19. April 1989
Parl. Staatssekretär Dr. RiedlAbschließend will ich für Berlin und die Berliner Kollegen hier sagen, daß ein weiterer bedeutender Posten im ERP-Wirtschaftsplan der Berlin-Förderung gewidmet ist. Für 1990 wurde der Betrag im Haushaltsplan auf 775 Millionen DM erhöht. Auch diese Summe dient in erster Linie kleinen und mittleren Unternehmen.Wir werden diesen ERP-Wirtschaftsplan-Entwurf in Kürze dem Deutschen Bundestag und dem Bundesrat zur Beratung und zur Verabschiedung zuleiten.
Noch zu ERP? — Herr Abgeordneter Stahl.
Herr Staatssekretär, ich gehe davon aus, daß bei der Beratung des ERP-Wirtschaftsplans und dessen, was Sie soeben bezüglich der 200 Millionen DM für Energieeinsparung dargestellt haben, gleichzeitig wohl über die auslaufenden Steuervergünstigungen im Bereich der Energiesparmaßnahmen gesprochen wurde. Was wird die Bundesregierung tun? Wird Sie die jetzt auslaufenden Energiesparmaßnahmenbegünstigungen auch im steuerlichen Bereich weiter verlängern? Oder laufen die tatsächlich aus?
Herr Abgeordneter, auf der Tagesordnung des Bundeskabinetts stand die Verabschiedung des ERP-Wirtschaftsplans. Der von Ihnen genannte Punkt stand nicht auf der Tagesordnung. Aber wie Sie ja selber wissen — sonst hätten Sie diese Frage nicht gestellt — , ist dies ein aktueller Punkt der Politik der Bundesregierung, zu dem zu gegebener Zeit im Parlament Rede und Antwort gestanden wird.
Ich kann Ihnen, Herr Abgeordneter, konkrete Beschlüsse des Bundeskabinetts von heute beim besten Willen nicht mitteilen.
Danke. Damit komme ich zu den freien Fragen. Als erste Frau Abgeordnete Matthäus-Maier.
Nach verschiedenen bisherigen Äußerungen des künftigen Finanzministers ist in der Öffentlichkeit die Erwartung entstanden, die Quellensteuer werde abgeschafft. Hat die Bundesregierung heute über eine Abschaffung der Quellensteuer eine Entscheidung getroffen?
Herr Staatssekretär Voss.
Dieser Tagesordnungspunkt war auf der Tagesordnung der heutigen Sitzung des Bundeskabinetts nicht vorhanden, Frau Kollegin, und ergo hat die Bundesregierung dieses Thema in der heutigen Sitzung auch nicht behandelt.
Wann und in welcher Sitzung des Bundeskabinetts wird sie darüber befinden?
Frau Kollegin, das ist eine Frage, deren Beantwortung prophetische Gabe voraussetzt. Ich kann Ihnen allerdings sagen, daß über dieses Thema geredet werden wird und dann, wenn die entsprechenden Vorbereitungen getroffen worden sind, auch das Kabinett, wie das in allen Fällen geschieht, damit befaßt wird.
Frau Abgeordnete Vollmer.
Wir haben jetzt lange keine Befragung gehabt. Meine Frage bezieht sich deswegen auf eine inzwischen stattgefundene Kabinettssitzung, in der auch über den Hungerstreik der RAF-Gefangenen geredet worden ist. Dort hat der Herr Staatssekretär Kinkel, wie man in der Öffentlichkeit gehört hat, berichtet. Man mußte den Eindruck bekommen, daß er von daher also nicht nur einen Länderauftrag zu Gesprächen, sondern sozusagen auch einen Kabinettsauftrag zu Gesprächen hatte. Nun ist mir die Person von Herrn Staatssekretär Kinkel gut bekannt, und wenn man sich in einer Sache bei ihm immer sicher sein kann, dann der, daß er immer ganz genau weiß, was nicht geht. Aus diesem Grunde frage ich: Gehe ich, wenn Herr Kinkel den Vorschlag fünf mal fünf gemacht hat und der Herr Bundeskanzler dazu wohl gesagt hat, das sei ein ganz persönlicher Vorschlag gewesen, richtig in der Annahme, daß dann Herrn Kinkel freigestellt worden ist, Zusammenlegungen für möglich zu halten und die Zahl von sich aus zu bestimmen, daß dies jedenfalls nicht definitiv ausgeschlossen worden ist und er sich durch die Besprechung im Kabinett in dieser Richtung durchaus hat ermutigt fühlen können?
Wer antwortet für die Bundesregierung? — Herr Staatssekretär Jahn.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Frau Kollegin Vollmer, die Justizminister der Länder haben Herrn Staatssekretär Kinkel einen persönlichen Auftrag erteilt, in der von Ihnen angesprochenen Angelegenheit zu koordinieren. Herr Staatssekretär Kinkel hat dann einen persönlichen Vorschlag gemacht, der in der Runde der Justizminister der Länder einen ganzen Tag lang diskutiert worden ist. Wie Sie wissen — das ist auch in der Presse dokumentiert — , haben sich die Länder auf diesen Vorschlag nicht einigen können.
Das war aber nicht die Frage. Ich habe ja nicht nach der Länderbesprechung gefragt — das wäre hier auch nicht unser Thema —, sondern nach der entsprechenden Besprechung im Kabinett. Die Frage war präzise, ob in dieser Kabinettssitzung der Vorschlag, den Herr Kinkel gemacht hat, nicht definitiv ausgeschlossen worden sei.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Es gibt keinen Kabinettsbeschluß dieser Art.
Herr Abgeordneter Grünbeck.
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Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 136. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 19. April 1989 10007
Hat sich das Kabinett heute mit der Fusion Daimler-Benz/MBB beschäftigt, und wenn ja, mit welchem Inhalt, und welche Beschlüsse wurden gefaßt?
Frau Präsidentin! Herr Abgeordneter Grünbeck, das Bundeskabinett hat in seiner heutigen Sitzung die Antwort der Bundesregierung auf die Großen Anfragen der Fraktion DIE GRÜNEN zur Beteiligung von Daimler-Benz an Messerschmitt/BölkowBlohm verabschiedet. Diese Antworten werden dem Parlament in Kürze schriftlich zugeleitet werden.
Ich darf Ihnen schwerpunktartig sagen, daß die Antwort der Bundesregierung Auskunft über das Konzept zur Neustrukturierung der deutschen Luft- und Raumfahrtindustrie sowie die Neuregelung der Airbus-Finanzierung gibt. Als Ziele des Neustrukturierungskonzepts werden zwei Punkte herausgestellt: einmal die Zusammenfassung von industriellen Aktivitäten in der deutschen Luft- und Raumfahrtindustrie, um eine Stärkung der deutschen Position im internationalen Bereich zu erreichen, und zum anderen die Neuregelung der Airbus-Finanzierung zum Zwecke einer schrittweisen Überführung der deutschen Airbus-Beteiligung in die industrielle Verantwortung.
In den Antworten wird auch auf die Folgen des Zusammenschlusses — das ist in etwa das, wonach Sie gefragt haben — eingegangen. Dabei wurde berücksichtigt, daß das Bundeskartellamt noch über die wettbewerbsrechtlichen Aspekte dieses Konzepts entscheiden wird und das wettbewerbsrechtliche Verfahren möglicherweise auch nach der Kartellamtsentscheidung noch nicht abgeschlossen sein wird.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, in der Presse war zu lesen, daß von Daimler-Benz und MBB noch vor der Sommerpause eine Entscheidung zu erwarten ist. Nach dem jetzigen Bericht der Bundesregierung ist es ja so, daß anschließend noch die Monopolkommission mit dem ganzen Problem beschäftigt werden muß. Wäre es nicht falsch, jetzt auf die Monopolkommission durch frühzeitige, fast nach Druck ausschauende Forderungen einzuwirken und den Bundeswirtschaftsminister in Verlegenheit zu bringen, schneller zu entscheiden, statt ausgewogen eine Meinung zu bilden? Ist dann etwa vor Oktober mit einer Entscheidung zu rechnen?
Herr Abgeordneter, ich bedanke mich für diese Frage, weil sie der Bundesregierung ermöglicht, zum wiederholten Male exakt auf die Terminabläufe, die im Bundeskartellgesetz vorgesehen und vorgeschrieben sind, hinzuweisen.
Soweit ich informiert bin, wird sich die jetzt damit befaßte Instanz, nämlich das Bundeskartellamt, innerhalb der ihr gesetzten Frist entscheiden. Es werden — ich habe keine anderen Informationen — die darauffolgenden Fristen voll eingehalten werden. Heute zu dieser Stunde tagt z. B. der Aufsichtsrat von Daimler-Benz. Auch hier werden Entscheidungen zu treffen sein.
Ich habe nicht den Eindruck, daß von irgendeiner Seite Druck ausgeübt wird. Ich verhehle allerdings nicht — da stimme ich Ihnen im Prinzip zu — , daß das Verfahren insgesamt relativ lange dauert und deshalb in der Öffentlichkeit immer wieder bestimmte Verunsicherungen entstehen. Dies ist aber ein Verfahren, daß vom Gesetzgeber so beschlossen worden ist, und dieses Verfahren wird von der Bundesregierung selbstverständlich voll akzeptiert.
Die reguläre Befragungszeit ist abgelaufen. Ich lasse aber noch die beiden Wortmeldungen von Herrn Stahl und Herrn Lippelt zu. Das heißt, in fünf Minuten ist die Befragung beendet.
Zunächst Herr Stahl.
Ich möchte eine Zusatzfrage zu dem stellen, was Herr Staatsminister Riedl soeben gesagt hat. Herr Staatsminister, unabhängig von den jetzt noch zu fällenden Entscheidungen durch das Kartellamt ist doch im besonderen — davon gehe ich aus — auch der Bundeswirtschaftsminister in dieser Sache gefordert. Welche Meinung vertritt der Bundeswirtschaftsminister als Vertreter der Bundesregierung offiziell zu diesem Projekt, das ja sehr umstritten ist?
Zunächst einmal, Herr Abgeordneter, wäre ich Ihnen dankbar, wenn Sie mich nicht mit „Staatsminister" titulieren würden.
Einen solchen Titel zu tragen, habe ich leider nicht die Ehre.
Bleiben wir bei der geläufigen Anrede „Erich Riedl", wenn Sie mir dies gestatten.Für den Bundesminister für Wirtschaft gibt es eine ganz klare Rechtsposition und eine klare politische Position. Es ist die Position, die der Bundesminister für Wirtschaft im Bundeskabinett bei der Verabschiedung dieses Neustrukturierungskonzeptes vertreten hat. Im übrigen gilt für den Bundesminister für Wirtschaft die rechtliche Verpflichtung und das, was aus dem Bundeskartellgesetz für ihn folgt, unabdingbar. Sie brauchen sich um das Rechtliche, das wirtschaftspolitisch Richtige und um das strukturpolitisch Notwendige, was der Bundeswirtschaftsminister hier zu vertreten hat, Herr Abgeordneter, Gott sei Dank keine Sorgen zu machen.
— Selbstverständlich. Diese Meinung hat er immer klar und deutlich vertreten.
— Die Meinung ist die, die im Beschluß des Bundeskabinetts zu dieser Frage unzweideutig zum Aus-
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Parl. Staatssekretär Riedldruck kam. Ich bitte um Nachlesung, Herr Abgeordneter.
Herr Abgeordneter Lippelt!
Im Anschluß an die Frage meiner Kollegin Vollmer möchte ich eine Frage an Herrn Staatssekretär Jahn stellen. Herr Staatssekretär, darf ich Ihre Bemerkung so verstehen, daß, wenn es keinen Kabinettsbeschluß gegeben hat, der Bericht zur Kenntnis genommen worden ist, ohne daß gravierende Bedenken erhoben worden sind oder eine andersartige Weisung erteilt worden ist.
Herr Staatssekretär Jahn,
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege, das Kabinett hat sich selbstverständlich mit der Frage des Hungerstreiks befaßt, und zwar sehr eingehend. Der Herr Bundeskanzler hat sein Wort dafür verpfändet, daß er Druck von außen nicht nachgibt. Er hat sich dafür ausgesprochen, daß nach Recht und Gesetz verfahren wird.
Ich beendet damit die Befragung, meine Damen und Herren.
Ich rufe jetzt den Zusatztagesordnungspunkt 1 auf :
Aktuelle Stunde
Zur gegenwärtigen Lage der deutsch-polnischen Beziehungen
Meine Damen und Herren, die Fraktion DIE GRÜNEN hat gemäß unserer Geschäftsordnung eine Aktuelle Stunde zu dem genannten Thema verlangt.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Lippelt.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ein wenig muß ich ja bedauern, daß sich der Herr Bundeskanzler vertreten läßt. Denn worüber wir jetzt zu sprechen haben, ist das zentrale Thema seiner Politik. So sehr ich Herrn Staatsminister Schäfer schätze: Es ist zu sehr deutlich geworden, daß der Herr Bundeskanzler dies zu seiner eigenen Sache gemacht hat, so daß es besser gewesen wäre, er nähme hier auch selber Stellung.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, am 5. April haben die Verhandlungsführer von Solidarnosc und Regierung in Polen die Verhandlungsergebnisse der Gespräche am runden Tisch unterzeichnet. Dies war eine historische Stunde. Ich denke, wir sollten die Gelegenheit hier benutzen, um den Aktivisten und den Aktivistinnen von Solidarnosc, ihren Unterstützern und Sympathisanten zu diesem großen Erfolg von dieser Stelle aus aufs herzlichste zu gratulieren.
Zur selben Stunde hat der Bundeskanzler, hat diese Bundesregierung damit reagiert, daß sie gegenüber Polen den Vorhang der 50-DM-Pauschale herunterließ. Sie ließ ihn herunter gegenüber einem Polen, das sich zu Europa hin öffnete. Es war ein großer historischer Durchbruch, und hier reagierten wir mit einem neuen Vorhang, wiewohl diese Bundesregierung doch so oft kritisiert hat, daß es Tagegelder, Zwangsumtausch von seiten anderer Länder und der DDR gibt.
Das ist beschämend. Das verstößt eklatant gegen den Geist der KSZE-Vereinbarung. Denn in der KSZE-Vereinbarung, gerade erst Anfang dieses Jahres auf einer Nachfolgekonferenz unterzeichnet, ist ja ganz ausdrücklich darauf hingewiesen, daß die Unterzeichner den Abbau von Zwangsgeldern in Angriff nehmen. Ich bitte, nicht mit der Wortklauberei zu kommen, daß zwischen Zwangsumtausch und Zwangsnachweis ein Unterschied bestehe. Denn wer sich in sein Portemonnaie gucken lassen muß, ob er so viel Geld darin hat — das er übrigens auf dem polnischen schwarzen Markt für ein Halbjahressalär umtauschen muß — , um für eine Woche hierher zu kommen, erfährt eine weit entwürdigendere Behandlung als derjenige deutsche Bundesbürger, der — statt dort billig auf dem Schwarzmarkt — an der Grenze zum offiziellen Kurs tauscht. Jenes ist viel entwürdigender. Wir fordern Sie auf, diesen Kabinettsbeschluß sofort zurückzunehmen.
Nun ist ja das eigentlich Skandalöse, daß dieser Kabinettsbeschluß nur ein Mosaikstein im Bild der seit zwei Jahren zu beobachtenden Funktionalisierung der deutsch-polnischen Beziehungen im innenpolitischen Gezänk zwischen CDU und CSU um die rechte Strategie und Taktik zum Erhalt der rechten Wählerklientel ist. So wie der Bundeskanzler und sein Kabinett hier ein Abschiedsgeschenk an den aus dem Verkehr gezogenen und zum Ressort Verkehr abgeordneten Innenminister machten, so stellte die neue Speerspitze der bayerischen Mentalität im Bundeskabinett, der neue Finanzminister, am vergangenen Sonntag auf der deutschlandpolitischen Tagung der CSU so ganz nebenbei wieder die Anerkennung der Ostgrenzen in Frage. Ich fordere Herrn Waigel, auch wenn er hier nicht sitzt, ebenso auf, ein klares Wort zu dem zu sagen, was Volker Rühe die „Bindewirkung der Ostverträge" genannt hat. Auch dies ist nur das mißtönende Begleitkonzert zu der eigentlich zentralen Frage der deutsch-polnischen Beziehungen, die lautet: Ist diese Bundesregierung, ist dieser Bundeskanzler in der Lage, dem historischen Vorgang, den der Durchbruch Polens in konstitutioneller Form, zu einer neuen Konstitution, darstellt und mit dem es sich wieder Europa öffnet — und dies im 50. Jahre nach dem Überfall Deutschlands auf Polen — , gerecht zu werden? Die Frage ist, ob der Bundeskanzler dem dadurch gerecht wird, daß er den seit zwei Jahren angestrebten sogenannten Durchbruch in den Beziehungen jetzt schafft und seinen eigenen Besuch so früh
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Dr. Lippelt
zustande bekommt, daß auch der Bundespräsident im September noch reisen kann.
Wir alle wissen, daß es dazu einer entscheidenden Neuorientierung der deutsch-polnischen Kreditbeziehungen bedarf. — Ich sehe, ich habe überzogen. Frau Präsidentin, ich melde mich wieder. Ich breche hier erst einmal ab.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Geiger.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es gibt zwar keinen besonders dringlichen Anlaß für diese Aktuelle Stunde, Herr Lippelt; aber ich begrüße es trotzdem, daß wir heute die neuen Entwicklungen in Polen und ihre Bedeutung gerade für das deutsch-polnische Verhältnis genauer beleuchten.
Die CDU und die CSU haben sich für die Aussöhnung mit dem polnischen Volk schon sehr lange eingesetzt, Herr Lippelt, lange bevor es die GRÜNEN gegeben hat. Seit Konrad Adenauer haben die Unionsparteien immer wieder betont, daß sie die Aussöhnung und die Verständigung vor allem mit drei Ländern, mit Frankreich, Israel und Polen, für eines der wichtigsten Ziele der deutschen Außenpolitik halten. Daran hat sich bis heute nichts geändert. Daran ändert sich auch nichts durch die Umtauschmaßnahme, Herr Lippelt; sie war zwingend notwendig, und zwar aus anderen Gründen, die wir alle ganz genau kennen. Wir hoffen, daß durch gezielte gemeinsame deutsch-polnische Maßnahmen davon bald wieder abgesehen werden kann.
Bei der Demokratisierung wurden in Polen tatsächlich erstaunliche Fortschritte erzielt: die Eröffnung eines nationalen Dialogs zwischen Regierung, katholischer Kirche und den Kräften der Opposition. Ein besonderer Erfolg ist darüber hinaus, daß die verbotene Gewerkschaft Solidarität vor zwei Tagen wieder zugelassen wurde. Die Bilanz der Verhandlungen am runden Tisch ist ermutigend. Auf dieser Grundlage könnte das innerlich so zerrissene Land politisch, gesellschaftlich und wirtschaftlich endlich wieder gesunden.
Für uns sind dabei drei Punkte besonders wichtig: Unsere Politik gegenüber Polen war richtig. Gerade die Unionsparteien haben immer wieder klargemacht, daß eine nationale Verständigung ohne Einbeziehung der Gewerkschaft Solidarität nicht möglich ist. Die innerpolnische Einigung eröffnet vielversprechende Chancen für einen Neubeginn auch im deutsch-polnischen Verhältnis. Die Verständigung und Versöhnung mit dem polnischen Volk ist leichter zu erreichen, wenn sich die Warschauer Regierung auf die Unterstützung der Bevölkerung verlassen kann. Auch lassen sich die Maßnahmen zur wirtschaftlichen Gesundung nur dann durchführen, wenn sie die Bevölkerung wirklich mitträgt.
Bei den Verhandlungen mit Polen wird auch erkennbar, daß viel von dem weggeräumt werden kann, was die Fortentwicklung des deutsch-polnischen Verhältnisses lange Zeit blockiert hat, z. B. der Streit über die Ortsbezeichnungen, über das jahrzehntelang geforderte Rechtshilfeabkommen. Auch dem Jugendaustausch, der Eröffnung von Kulturinstituten und der Errichtung historischer Gedenkstätten für den deutschen Widerstand sind wir glücklicherweise bedeutend nähergekommen.
Den Reformkurs nur zu begrüßen würde den Polen in der jetzigen Lage wenig helfen. Wir sind auch zu wirksamer Hilf e bei der wirtschaftlichen Entwicklung bereit.
Diese Hilfe muß allerdings in konkrete Projekte fließen. Sie muß solide kalkuliert und erfolgversprechend sein. Unkonditionierte Kredite, wie sie die SPD-Regierung vergab und die einfach versickert sind, darf es nicht mehr geben.
Zur Aussöhnung und Verständigung mit Polen gehört auch die Auseinandersetzung mit der Geschichte im Geist gegenseitiger Achtung, gegenseitigen Verstehens und gegenseitigen Verzeihens. Deshalb darf das Thema der kulturellen Rechte der Deutschen, die heute in Polen leben, nicht tabu bleiben.
Der Strom der Aussiedler aus Polen wird immer größer. Das wird sich erst ändern, wenn die Deutschen in Polen mehr Rechte bekommen und wenn sie Hoffnung auf eine Verbesserung ihrer wirtschaftlichen Lage haben. Auch die polnische Regierung muß ein Interesse daran haben, die ausreisewilligen Menschen, die zu den Bestausgebildeten und zu den Wagemutigsten gehören, im Land zu behalten, um den Prozeß der wirtschaftlichen und geistigen Ausblutung der Volksrepublik zu stoppen.
Deshalb hoffe ich, daß wir gerade in diesem Sinne zu gemeinsamen Entschließungen und zu gemeinsamen Resultaten kommen.
Ich danke Ihnen.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Ehmke.
Frau Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn ich an die Zeit der Auseinandersetzung um den Warschauer Vertrag zurückdenke, wundere ich mich über das, was die Frau Kollegin Geißler
— Geiger, Entschuldigung; das war als Beförderung gedacht —
eben dazu gesagt hat. Auch nach dem Inkrafttreten der Ostverträge ist der Streit um die Westgrenze Polens und um die Zusammenarbeit mit der polnischen Regierung munter weitergegangen, was natürlich auch an der inneren Entwicklung Polens 1980/81 lag, die in der Verhängung des Kriegsrechts gip-f elte.Die Regierungskoalition hat sich damals mit einigen liberalen Abstrichen der Sanktionspolitik gegen Polen angeschlossen, die aus der Kreuzzugsmentalität der ersten Reagan-Administration entsprang. Wir waren
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Dr. Ehmke
damals der Meinung, daß das weder die polnischen noch die europäischen Probleme lösen würde. Herbert Wehner ist seinerzeit gescholten worden, daß er nach Verhängung des Kriegsrechts überhaupt nach Warschau fuhr. Und Helmut Schmidt ist vorgeworfen worden, General Jaruzelski einen „polnischen Patrioten" genannt zu haben. Aber beide hatten recht. Denn die Frage, vor der Polen damals stand, hieß nicht: Walesa oder Jaruzelski? Sie hieß vielmehr: Jaruzelski oder die Sowjets?Wenn wir heute alle begrüßen, daß sich die Reformkräfte in Regierung und Gesellschaft in Polen endlich an einen Tisch gesetzt haben, dann sollten wir auch auf die Stimmen in beiden Lagern in Warschau hören, die heute fragen, ob Gespräche am runden Tisch nicht auch schon vor acht Jahren möglich gewesen wären. Wir haben damals jedenfalls unbeirrt die Kontakte mit Polen fortgeführt und an der deutsch-polnischen Aussöhnung weitergearbeitet, obwohl es den deutschen Sozialdemokraten nicht an der Wiege gesungen war, eines Tages die Vorhut in einer Politik der Aussöhnung und der guten Nachbarschaft mit unserem großen katholischen Nachbarvolk im Osten zu werden.Wichtig ist: Gerade das polnische Beispiel zeigt, daß die langfristige Perspektive von Willy Brandts Ostpolitik richtig war. Wenn wir ehrlich sind: Niemand im Lande, auch niemand hier im Hause hätte es bei Beginn der Ostpolitik von Willy Brandt für möglich gehalten, daß wir in nur zwanzig Jahren solche Entwicklungen in Osteuropa erleben würden, wie wir sie erlebt haben.Dabei ist im Zusammenhang mit Entspannung und Reform das Beispiel Polens in dreierlei Hinsicht besonders lehrreich. Einmal zeigt es, daß die Entspannungspolitik die Reformkräfte in Osteuropa natürlich nicht geschaffen, sondern nur die Bedingungen für ihre Freisetzung verbessert hat. Zweitens zeigt es, daß die Überzeugung nun auch Gemeingut in Osteuropa wird, daß man die Reformkräfte, die durch die erste Phase der Entspannungspolitik freigesetzt worden sind, in der zweiten Phase voll in den politischen Dialog einbeziehen muß.
Drittens zeigt der runde Tisch in Warschau, daß es keinen abrupten Übergang von der alten Ordnung, die noch vom Stalinismus bestimmt war, zu einer neuen Ordnung der Gesellschaftsreform geben kann, sondern daß es sich hier um einen langwierigen Prozeß handelt, der nicht nur voller Chancen, sondern auch voll großer Gefahren ist.
Die Chance des Westens, dabei zu helfen, besteht darin, einmal die äußeren Bedingungen für den Reformprozeß zu stabilisieren und zweitens den Reformprozeß im ganzen zu stützen, statt etwa die Reformkräfte in Regierung und Gesellschaft gegeneinander auszuspielen.Wir Sozialdemokraten haben bis in die letzten Monate hinein den mangelnden Willen oder die mangelnde Fähigkeit der Bundesregierung, im Verhältnis zu Polen endlich vorwärtszukommen, bedauert. Immerhin sind seit dem Besuch des Bundesaußenministers, der im deutsch-polnischen Verhältnis wieder einmal eine neue Seite aufschlagen sollte, anderthalb Jahre ohne jegliche praktische Konsequenzen verflossen. Wir freuen uns darum heute darüber, daß der Bundeskanzler und die Bundesregierung jedenfalls in dieser Frage ihre Politik des Aussitzens, des Auf-dielange-Bank-Schiebens aufgegeben haben. Wir haben den Eindruck, daß in den Verhandlungen, die zwischen Warschau und Bonn jetzt im Gange sind, alle wichtigen Fragen behandelt werden. Wir raten sogar beiden Seiten, das Paket nicht mit Fragen zu überfrachten, die zwar auch in absehbarer Zeit beantwortet werden müssen, die jetzt aber einen zügigen Abschluß der Verhandlungen gefährden könnten.Wir begrüßen es, daß der Bundeskanzler mit dem französischen Staatspräsidenten verabredet hat, daß Deutschland und Frankreich hier zusammenarbeiten wollen.Wir begrüßen die gute Erklärung, die der neue amerikanisch e Präsident in dieser Sache anläßlich der Verkündigung eines amerikanischen Hilfsprogramms abgegeben hat. Wir fragen uns allerdings, warum in der Bundesregierung alles eigentlich immer so unendlich lange dauert, was bei den Amerikanern und Franzosen in wenigen Wochen entschieden werden kann. Das hindert uns jedoch nicht daran, diese gemeinsame neue westliche Anstrengung politisch zu unterstützen.Ich füge eines hinzu: Wir möchten allen Beteiligten Mut machen, es nicht bei halben Schritten bewenden zu lassen, sondern jetzt wirklich einen großen mutigen Schritt nach vorn zu machen. Wir möchten diese neue Zusammenarbeit in Sachen Polen als ein ermutigendes Zeichen für ein neues gemeinsames westliches Engagement zur Überwindung der Teilung unseres Kontinents verstehen dürfen.
Das Wort hat der Abgeordnete Graf Lambsdorff.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Polen hat durch den erfolgreichen Abschluß der Gespräche am runden Tisch und durch die Einigung mit der Opposition einen, vielleicht den entscheidenden Schritt in Richtung auf demokratische und pluralistische Verhältnisse getan. Mir scheint das wahrlich kein Anlaß zu sein, in Soll und Haben aufzurechnen, wer was in den vergangenen Jahren nun richtig oder falsch gemacht hat. Diese Kleinlichkeitskrämerei ist eigentlich nicht am Platze.
Wir begrüßen und unterstützen diese Entwicklung. Die Staaten im Gebiete des Warschauer Paktes, die sich diesem Reformprozeß bisher verweigert haben — hier denke ich natürlich insbesondere an die DDR — , werden sich diesem Trend nach Gewährung umfassender Bürger- und Freiheitsrechte auf Dauer nicht entziehen können. Freiheit ist ansteckend.
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Dr. Graf LambsdorffRechtliche und politische Basis der deutsch-polnischen Beziehungen ist der Vertrag aus dem Jahre 1970. Der Warschauer Vertrag ist Teil der Vertrauensbasis, die Voraussetzung für eine Politik des Dialogs mit Polen ist. Wir respektieren den Wunsch des polnischen Volkes, in dauerhaft gesicherten Grenzen zu leben. Die Bundesrepublik Deutschland erhebt keine Gebietsansprüche gegen irgend jemanden, und wir werden es auch in Zukunft nicht tun.Wir begrüßen nicht nur den Reformprozeß in Polen. Wir werden dazu auch unseren Beitrag leisten, damit dieser Neuanfang erfolgreich wird. Andere westliche Staaten tun dies auch. Der Präsident der USA — das wurde bereits erwähnt — hat in einer seiner ersten außenpolitischen Grundsatzerklärungen umfassende Finanz- und Wirtschaftshilfe in Aussicht gestellt.
Frankreich hat sich in diesem Sinne geäußert. Aber, Herr Ehmke, der amerikanische Präsident hat dies ausdrücklich — das wußten wir alle vorher — von der Frage abhängig gemacht, ob es am runden Tisch Erfolg gebe oder nicht. Am Tage danach hat er seine Erklärung abgegeben. Dies war und ist auch die Position der FDP. Ohne diese Voraussetzung wäre überhaupt nichts zu machen gewesen.Die Volksrepublik Polen braucht Erleichterungen bei der Bedienung ihrer Auslandsschulden. Die Polen brauchen neue Auslandsmittel. Auch hier geht es um, wie es so schön heißt, fresh money. Darüber muß im Rahmen des Pariser Clubs verhandelt werden. Hier muß auch die polnische Seite Verhandlungsbereitschaft und Kompromißbereitschaft im Rahmen ihrer Leistungsmöglichkeiten zeigen.Dieser ökonomische Neuanfang, meine Damen und Herren, wird nur ein Erfolg werden, wenn die notwendigen Reformen auch im Wirtschaftsbereich durchgeführt werden. Die Bereitstellung von ausländischem Kapital ist nur sinnvoll, wenn es für produktive und rentable Vorhaben verwendet wird. Mit planwirtschaftlichen Methoden ist das nicht zu erreichen. Wenn es dazu eines Beweises bedurft hätte: Die bisherige Entwicklung in Polen liefert ihn. Herr Ehmke, wir waren ja zusammen an den Kreditvergaben und am Zureden zur Kredithergabe 1980 beteiligt. Es ist wirklich alles verwirtschaftet worden, und das darf nicht noch einmal passieren.
Das entspricht übrigens auch dem Wunsch der Polen, die mehr als nur Geld wollen. Sie wollen auch unsere Mitwirkung, unsere Beteiligung und unseren Rat. Das ist jetzt nötig.
Dezentralisierung wirtschaftlicher Entscheidungskompetenzen, Preis- und Einkommensreformen, Subventionsabbau sind unerläßlich, um Produktivität und Exportfähigkeit der Wirtschaft Polens zu stärken und das Vertrauen der internationalen Organisationen und der bilateralen Handelspartner zu festigen.Diese Fragen, Frau Hamm-Brücher, werden sicher eine wichtige Rolle spielen, wenn Sie und ich undHerr Beckmann in zwei Wochen gemeinsam die Volksrepublik Polen besuchen.Wir haben Interesse an einer positiven gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Entwicklung in Polen auch wegen der Deutschen, die dort leben. Die Minderheit hat ein Anrecht darauf, ihre sprachliche und kulturelle Identität zu wahren und zu pflegen. Die polnische Regierung hat in den Verhandlungen mit der Bundesregierung Regelungen in Aussicht gestellt, die diesem Anliegen Rechnung tragen: Kulturelle Vereinigungen der Deutschen werden zugelassen, Deutsch wird an den weiterführenden Schulen wieder überall in Polen eingeführt, Kulturabkommen, Ortsnamenfrage ; das ist schon von Frau Geiger erwähnt worden. Die Wahrung der Minderheitenrechte, verbunden mit einer positiven wirtschaftlichen, gesellschaftlichen Entwicklung, wird es dann auch den Deutschen in Polen erleichtern, in ihrer angestammten Heimat zu bleiben.Herr Lippelt, zum Abschluß eine Bemerkung zu der auch von polnischer Seite bedauerten Erschwerung der Einreisebestimmungen. Meiner Partei ist die Zustimmung zu dieser Entscheidung nicht leichtgefallen,
aber angesichts des unbestreitbaren Mißbrauchs des Aufenthalts- und Asylrechts, Herr Voigt, war diese Entscheidung unvermeidbar.
Wir setzen uns mit allem Nachdruck für die Bewahrung des Asylrechts ein, aber man kann ein Recht auch dadurch zerstören lassen, daß man seinen Mißbrauch nicht unterbindet, und dies ist leider in großem Umfang gerade bei Touristen, die aus der Volksrepublik Polen bei uns einreisen, der Fall.
Wir hoffen, daß eine erfolgreiche Reformpolitik in Polen sehr bald eine Lage herbeiführt, in der wir auf solche Maßnahmen wieder verzichten können;
denn, wie gesagt, gerne greifen wir zu solchen Maßnahmen nicht. Sie sind ein notwendiges Übel, und wir können zur Zeit nicht auf sie verzichten. Aber wir sehen der weiteren Entwicklung der deutsch-polnischen Beziehungen, wenn Vernunft, Augenmaß und Toleranz auf beiden Seiten angewandt werden, mit Vertrauen und Zuversicht entgegen und sind bereit, unseren Beitrag dazu zu leisten.
Das Wort hat der Herr Staatsminister Schäfer.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Frau Präsidentin! Herr Kollege Voigt, Sie sollten zunächst
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Staatsminister Schäferetwas weniger aufgeregt sein. Im übrigen nehme ich an, daß das im Zusammenhang damit steht, daß Sie mich heute morgen schon im Auswärtigen Ausschuß so lange geplagt oder ertragen haben.
Meine Damen und Herren, in diesem Jahr, da der Ausbruch des Zweiten Weltkriegs, ausgelöst durch den Überfall Hitlers auf Polen, zum fünfzigstenmal wiederkehrt, eröffnet die dynamische Reformentwicklung in Polen — darauf ist von allen Vorrednern hingewiesen worden — die konkrete Möglichkeit, auch die deutsch-polnischen Beziehungen auf eine neue, in die Zukunft weisende Grundlage zu stellen.Wir haben uns im Dialog mit der polnischen Führung und im Gespräch mit der jetzt anerkannten polnischen Opposition bemüht, Polen zu ermutigen, diesen schwierigen Reformweg einzuschlagen. Auch deshalb waren beim Besuch des Bundesministers des Auswärtigen im Januar 1988 in Warschau beide Seiten übereingekommen, den bilateralen Beziehungen auf dem Fundament des Warschauer Vertrages eine neue Perspektive zu geben und damit auf dem Weg der Aussöhnung zwischen Deutschen und Polen voranzuschreiten.Dieses Ziel hat im Gespräch des Bundesaußenministers mit seinem polnischen Kollegen in Paris im Januar dieses Jahres eine weitere konkrete Ausgestaltung gefunden. Ministerpräsident Rakowski — Herr Ehmke, das haben Sie übersehen, er war inzwischen auch hier — hat diese Zielsetzung bei seinem Besuch im Januar gegenüber dem Bundeskanzler und der Bundesregierung bestätigt.
Die Verhandlungen und Kontakte sind auf den verschiedenen Ebenen und in den verschiedenen Bereichen intensiviert worden. Heute zeichnen sich sehr konkrete Ergebnisse ab. Das gilt auch für solche Bereiche, die im bilateralen Verhältnis lange tabu gewesen sind. Zum Beispiel haben wir bei der Regelung der im deutsch-polnischen Verhältnis offenen Fragen folgende Fortschritte zu verzeichnen: Einmal wird die polnische Seite eine Einigung in Fragen ermöglichen, die sich auf die Lage der Deutschen in Polen beziehen. Des weiteren wird es einen Jugendaustausch sowie die Eröffnung von Kulturinstituten geben. Konsulate werden die Arbeit der Botschaften entlasten, und bei der wissenschaftlich-technischen Zusammenarbeit sowie im Umweltschutz steht der Abschluß von Abkommen bevor.Die sich abzeichnenden Fortschritte stehen im Zusammenhang mit dem Reformprozeß in Polen, der in den Ergebnissen des runden Tisches seinen konkreten Niederschlag gefunden hat und den wir in diesem Hohen Hause alle begrüßen. Diese Reformentwicklung verdient unsere Unterstützung. Wir sind deshalb aufgerufen, zum Erfolg der Reformen in Polen beizutragen; denn dieser Erfolg liegt in unser aller Interesse. Der Weg der Unterstützung führt über eine Hilfestellung für die Bemühungen der polnischen Regierung zur Überwindung der wirtschaftlichen und Verschuldungsprobleme des Landes. Aus eigener Kraft allein wird die Regierung in Warschau, gleichgültig, welche Regierung es sein mag, nicht in der Lage sein, die drängenden Wirtschaftsprobleme zu lösen.Die Bundesregierung hat sich seit langem dafür eingesetzt, Polen bei der Regelung seiner finanziellen Verbindlichkeiten und bei der Erschließung neuer wirtschaftlicher Möglichkeiten in konstruktiver Weise zu unterstützen. Wir begrüßen es, daß wichtige westliche Staaten wie die USA und Frankreich ebenfalls ihre Mitwirkung zugesagt haben; es ist darauf hingewiesen worden. Wo die Bundesregierung in eigener Zuständigkeit handeln kann, wird sie dies tun. Wo die Mitwirkung anderer Länder erforderlich ist — ich denke dabei z. B. auch an die Europäische Gemeinschaft, denn Polen ist sicher auch in der Verantwortung aller europäischen Staaten von großer Bedeutung — , wird sie weiter für Verständnis für die polnische Lage werben.Die Bundesregierung stellt dabei in Rechnung, daß auch die wieder zugelassene Gewerkschaft „ Solidarität" inzwischen an die westlichen Länder appelliert hat, den Erfolg der polnischen Reformen durch geeignete Hilfsmaßnahmen zu sichern. Ziel dieser Maßnahmen muß es sein, Polen die Durchführung eines überzeugenden wirtschaftlichen Reformprogramms zu ermöglichen.Die Bundesregierung wird in Abstimmung mit ihren Verbündeten auf eine umfassende wirtschaftliche und finanzielle Zusammenarbeit mit der Volksrepublik Polen hinwirken. Dies wird auch der historischen und moralischen Dimension des deutsch-polnischen Verhältnisses gerecht. Die Bundesregierung wird die Chance nutzen, in diesem von Erinnerungen geprägten Jahr im deutsch-polnischen Verhältnis den von beiden Seiten gewollten Durchbruch zustande zu bringen und der Versöhnung der Völker den Weg zu ebnen. Damit leisten Deutsche und Polen einen wesentlichen Beitrag auf dem Weg zu einer Überwindung der Teilung Europas.Herr Kollege Lippelt, ich hätte Ihnen gern noch einige Einzelheiten über die inzwischen getroffene Regelung im Hinblick auf die Einreise von Polen gesagt, aber Graf Lambsdorff hat bereits in überzeugender Weise unsere Politik dargestellt, so daß ich im Interesse des zügigen Ablaufs dieser Debatte darauf verzichten kann.Vielen Dank.
Das Wort hat der Abgeordnete Becker .
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich bei der heutigen Aussprache zu diesem Thema noch ein bißchen auf die Vergangenheit eingehen. Nachdem der Vertrag vom 7. Dezember 1970 geschlossen war, gab es ja Aktivitäten, insbesondere bei den Sozialdemokraten, aber auch bei den Freien Demokraten, um diesen Vertrag mit Leben zu erfüllen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das ist sicherlich, in einem späteren
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Becker
Zeitpunkt auch durch die CDU unterstützt, das Ergebnis einer gemeinsamen Anstrengung. Ich könnte Ihnen jetzt vorlesen — ich will darauf verzichten — , was in dem Protokoll über das Forum von Vertretern der Volksrepublik Polen und der Bundesrepublik Deutschland in der Zeit vom 21. bis 24. November 1985 niedergelegt worden ist. In diesem Ergebnisprotokoll heißt es u. a.:Das Forum empfiehlt die Verstärkung von Universitätspartnerschaften, insbesondere die Durchführung gemeinsamer Forschungsprojekte.Das Forum empfiehlt, die Zusammenarbeit bei der Literaturbeschaffung der wissenschaftlichen Bibliotheken zu verstärken.Das Forum empfiehlt die Ausdehnung der Städtepartnerschaften.Das Forum befürwortet die generelle Intensivierung von Partnerschaften zwischen Institutionen beider Länder.Das Forum befürwortet die wechselseitige Einrichtung von Kulturinstituten in mittel- und langfristiger Sicht.Insgesamt sind 20 Punkte aufgeführt. Die haben wir alle seit vielen Jahren gefordert. Die polnische Seite ist jetzt darauf eingegangen. Dies war schon ein gemeinsames Protokoll. Aber nun sind die für die Regierung Verantwortlichen darauf eingegangen. Sie sind uns wirklich sehr weit entgegengekommen nach dem, was man aus dem bisherigen Stand der Verhandlungen weiß.Es wird dem Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge in Zukunft möglich sein, dort Kriegsgräber zu pflegen. Das ist ein Fortschritt, der vor einigen Jahren völlig undenkbar war.
Aber wir haben auch noch etwas zu bringen: Wir haben bei der technisch-wissenschaftlichen Zusammenarbeit, bei der man nach meiner Auffassung in den Verhandlungen noch nicht so weit ist, wie man sein könnte, und in bezug auf die finanzpolitischen Fragen noch eine Bringschuld, verglichen mit dem Entgegenkommen, das bisher von polnischer Seite gezeigt wurde.Ich gestehe Herrn Lambsdorff die Kritik an der damaligen Verwendung der Mittel in Polen völlig zu. Auch ich bin dafür, daß man das projektbezogen macht. Aber auf diesem Gebiet muß noch etwas getan werden. Wir haben die Unterstützung der Kirchen, wir haben die Unterstützung des Deutschen Gewerkschaftsbunds, der sich nach den Ergebnissen vom runden Tisch nachdrücklich dafür eingesetzt hat, wirtschaftlich einen großen Schritt zu tun und nicht kleinmütig zu sein.Ich will zum Schluß nur noch auf eines hinweisen. Wir haben hier in diesem Hause hier vor wenigen Wochen, nämlich am 15. März, ein gemeinsames Dokument verabschiedet. In diesem Dokument heißt es, was die KSZE angeht:Bei Besuchsreisen im Rahmen der menschlichenKontakte ist die Möglichkeit für eine schrittweiseHerabsetzung und schließliche Abschaffung aller Erfordernisse, Landeswährung über die tatsächlichen Ausgaben hinaus zu erwerben, in Erwägung zu ziehen.Nun sollten wir doch bei dem bleiben, was wir vor vier Wochen beschlossen haben, und sollten deswegen diese Maßnahme rückgängig machen!
Die 50 DM lösen das Problem überhaupt nicht. Da muß man sich andere Wege überlegen. Die fangen nämlich bei den Ausländerämtern an.Im übrigen habe ich gerade heute zwei Pässe wiederbekommen. Da hatte ich darum gebeten, daß man von polnischer Seite auf den Umtausch verzichtet, weil es sich um Menschen handelt, die sozial nun nicht besonders gut gestellt sind. Diesen Wunsch habe ich erfüllt bekommen. Warum machen wir es nun genau andersherum? Ich kann das nicht verstehen.
Ich bitte also darum, daß die Bundesregierung über diese Maßnahme noch einmal nachdenkt.Vielen Dank.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Hornhues.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Situation der deutsch-polnischen Beziehungen ist in den letzten Wochen und Monaten mit einer Fülle von Vokabeln belegt worden, die „neue Qualität", „neue Seite", „Durchbruch" und ähnlich lauten. Ich glaube, daß wir tatsächlich in der Situation stehen, zu einer neuen Qualität in den deutsch-polnischen Beziehungen kommen zu können.Heute nachmittag ist von mancher Seite schon einiges dazu gesagt worden, wer daran die größten und die meisten Verdienste hat. Ich will mich auf die Diskussion darüber nicht einlassen, möchte aber auf diejenigen zu sprechen kommen, die meiner Überzeugung nach entscheidend dazu beigetragen haben, daß nun manches möglich wird, auf Menschen, über die noch nicht gesprochen worden ist.Zunächst einmal möchte ich all denen in Polen danken, die dafür eingetreten sind, daß das deutsch-polnische Verhältnis besser geworden ist, was viele kleine Sensibilitäten betrifft, ob es um die Sprache geht, ob es um die Deutschen in Polen oder um die Frage geht, wie welcher Ort heißt. Denjenigen, die für diese Verbesserung eingetreten sind, die sich in Artikeln in Polen dafür stark gemacht haben, die sich — wie etwa Bischof Nossol — dafür verwandt haben, gebührt, glaube ich, ein erhebliches Maß an Dank dafür, daß sich heute manches als möglich zu erweisen scheint, wovon man noch vor kurzem meinte, da gebe es unlösbare Probleme.Genauso möchte ich denjenigen bei uns im Lande, in der Bundesrepublik Deutschland, danken, die in der Zeit nach 1981 durch ihre sehr spontane massenhafte Hilfe, die sie nach Polen haben fließen lassen,
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10014 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 136. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 19. April 1989
Dr. Hornhuesdurch solche Aktionen und vieles andere mehr vieles bereinigt und vieles auf neue Füße gestellt haben, was uns Politikern — seien wir ehrlich — mit Reden und mit Abkommen so einfach wohl kaum gelungen wäre, Deswegen also, meine sehr geehrten Damen und Herren, vorweg mein Dank an diese Menschen in Polen und in Deutschland für das, was sie dafür getan haben, daß wir heute davon sprechen können, daß wir eine neue Qualität der Beziehungen erreichen können und erwarten können, daß der Bundeskanzler bei seinem Besuch dies dann vielleicht auch ein Stück weit notifiziert.Die Entwicklungen in Polen in der jüngsten Zeit, die Entscheidungen am runden Tisch, die Hinwendung zur Reform im ökonomischen Bereich, verdienen, daß man sie nachdrücklich begrüßt. Denn wer kann es nicht begrüßen, wenn mehr Freiheit einzieht, wer kann es nicht begrüßen, wenn der Versuch gemacht wird, ein wirtschaftliches System zu reformieren, das eben in der Art, wie es ist, dazu beigetragen hat, daß viele Menschen in Polen nur noch einen Weg sahen, nämlich ihr eigenes Land zu verlassen?Die Signale, die gerade mit den Entscheidungen am runden Tisch aus Polen zu uns gekommen sind, und die Tatsache, daß der Bundeskanzler, der französische Ministerpräsident und der amerikanische Präsident sagen: „Bei der Situation wollen wir einsteigen, wollen wir nachdrücklich helfen", machen es, so glaube ich, tatsächlich möglich, gemeinsam mit der Volksrepublik Polen und mit den Menschen dort die Entwicklung, bezogen auf wirtschaftlich Vernünftiges und Sinnvolles, nach vorn zu bringen, so daß manches, was uns heute bedrängt und was zu Entscheidungen führt, die hier kritisiert worden sind und über die auch ich mich nicht gerade besonders freue, wieder gegenstandslos wird.Ich denke, wenn es zum einen gelingt, die wirtschaftliche Entwicklung in Polen wieder nach vorn zu bringen, und wenn es zum zweiten gelingt, zu erreichen, daß die Deutschen in der Volksrepublik Polen in ihrer Heimat zu Hause sein können, haben wir wesentliche Probleme gelöst und sind ein entscheidendes Stück weitergekommen, entscheidender vielleicht, als man auf anderem Wege glaubt weiterkommen zu können.Ich will auch meinen persönlichen Dank abstatten gegenüber dem Bundeskanzler, dem Bundesaußenminister, auch dem polnischen Premier Rakowski — gegenüber vielen anderen müßte ich es noch tun — dafür, daß sie nun auch an etlichen Punkten Entscheidungen herbeigeführt haben, die diese Entwicklung mit möglich machen.Ich hoffe sehr stark — und glaube, daß es so sein wird —, daß dieses Jahr 1989 — 50 Jahre nach dem Hitler-Stalin-Pakt und dem Einmarsch in Polen — tatsächlich der Beginn eines neuen Kapitels — oder wie immer man es nennen mag — in den Beziehungen sein kann, so daß wir am Ende des Jahres sagen können: Die Beziehungen zu Polen sind gut. Sie sind in diesem Jahr erheblich besser geworden zum Wohle der Menschen dort und bei uns.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Dr. Hamm-Brücher.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Trotz gelegentlicher kleiner Geplänkel können wir in dieser Aktuellen Stunde eine große Einmütigkeit feststellen. Ich freue mich sehr darüber; denn das war ja nicht immer so in den 20 Jahren, in denen wir hier gemeinsam — oft auch kontrovers — über die Frage der Aussöhnung mit Polen und der Wiederherstellung guter Beziehungen mit Polen debattiert und uns gestritten haben. Ich finde das schön. Wir Liberalen haben auch gar keine Komplexe, heute noch einmal die Glaubwürdigkeit unserer Polen-Politik besonders unter Beweis stellen zu müssen. Sie ist den Protokollen des Deutschen Bundestages und den Annalen des Auswärtigen Amtes leicht zu entnehmen.Ich meine, eine Aktuelle Stunde hat dann einen Sinn, wenn man auch einmal seine eigenen Vorbereitungen beiseite legt und noch einmal auf das eine oder andere eingeht, was von den Vorrednern gesagt worden ist. Da kann ich nur noch einmal unterstreichen, wie wichtig es ist — Herr Becker, Sie haben es gesagt — , sich auch klar darüber zu werden, daß der hoffnungsvolle Neuanfang in Polen immer wieder mit Mühsal und möglicherweise auch mit Schwierigkeiten gepflastert sein wird und daß der lange Atem in diesem Prozeß von uns begleitet und gefördert werden muß. Dem dienen ja unsere vielen Kontakte.Wichtig scheint mir auch zu sein — das an die Adresse des Auswärtigen Amtes und des Bundeskanzleramts —, daß die Vorgespräche, die Verhandlungen zu einem raschen Abschluß kommen und daß sich die Bundesrepublik Deutschland — Herr Genscher hat das gestern im Deutschlandfunk gesagt — in ihrer Bereitschaft, nicht nur die alten Schulden zu tilgen, sondern auch neue Hilfe zu geben, auch offener zeigt. Der neue Finanzminister kann in diesem Zusammenhang seine erste Visitenkarte abgeben.Dann hoffen wir auf die Reisen, Herr Staatsminister. Wir hoffen, daß die Reise des Bundeskanzlers möglichst noch vor der Sommerpause stattfindet und daß wir Abstand davon nehmen, dem Bundespräsidenten irgendwelche Ratschläge zu erteilen, ob und wann er nach Polen reisen soll.
Das halte ich im Interesse des Ansehens dieses Amtes und dieses Mannes, aber auch im Hinblick auf die außenpolitische Bedeutung solcher Staatsbesuche wirklich für außerordentlich wichtig.Die kulturellen Begleitmaßnahmen sind von größter Bedeutung. Ich erinnere mich, daß ich während meiner Zeit im Auswärtigen Amt über Jahre die mühsamen Kulturgespräche geführt und die erste deutsch-polnische Kulturwoche über Jahre vorbereitet habe. Wenn das nun alles zügiger voranginge, könnte das zur Verständigung zwischen der Jugend der beiden Länder führen, aber auch der Kultur im weiteren Sinne dienen.Ich denke hier an die wunderbaren Übersetzungen, die Karl Dedecius, der Leiter des deutschen PolenInstituts, schon herausgebracht hat, die Begegnung mit der geistigen Entwicklung in Polen. Das ist für uns
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Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 136. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 19. April 1989 10015
Frau Dr. Hamm-Brücherja immer wieder eine große Entdeckung und — ich glaube, auf Gegenseitigkeit — ein weites Feld, auf dem wir diese neuen Beziehungen, diesen neuen Anfang vertiefen können.Ich möchte hoffen, daß auf dem Hintergrund der Entwicklungen in der Sowjetunion und nun auch in Polen die Reformprozesse in allen osteuropäischen Staaten weitere Fortschritte machen. Denn das, meine Damen und Herren, ist ja wohl die wichtigste Voraussetzung für eine weitere friedliche Entwicklung in Europa und vielleicht auch eines Tages zur Verwirklichung dieses schönen Bildes von einem europäischen Haus.Vielen Dank.
Das Wort erteile ich Herrn Abgeordneten Dr. Lippelt. Allerdings darf ich sagen, ich werde prüfen lassen, Herr Kollege Lippelt, ob es möglich ist, daß einer in dieser Debatte zweimal redet. Dies ist eine erstaunliche Sache, denn Sie haben ja dadurch mehr Möglichkeiten als andere Kollegen. Aber bitte, Sie haben jetzt das Wort.
Frau Präsidentin, ich will es nicht diskutieren.
Graf Lambsdorff, die praktischen Schwierigkeiten waren uns doch alle klar. Aber was ich hier gerügt habe, war der Verstoß gegen Ziffer 39 der KSZE-Vereinbarung, die im Januar unterschrieben wurde. Von uns sind hier noch kurz vor der Osterpause Verstöße der Tschechen kritisiert worden, und jetzt machen Sie genau dasselbe. Das ist der Punkt.
Wir können doch Beziehungen zu einem Nachbarn wie Polen nicht auf Schönwetterperioden stellen; wir müsen sie auf die Schwierigkeiten stellen, die entstehen, wenn eine Wirtschaft zusammenbricht. Dann kommt natürlich eine gewisse Wanderarbeiterschaft hier herüber. Das war in der Weimarer Republik so; damit hatte sich Herr Stresemann auseinanderzusetzen. Das sind uralte Geschichten. Sie kippen beim erstenmal um und lassen diesen abenteuerlichen Vorhang herunter.
— Ich habe nur eine Minute. — Die 30 000 kommen trotzdem. Wer wirklich einen Asylantrag stellen will, weiß, wie er herzufinden hat.
Jetzt die andere Sache: Natürlich brauchen wir eine grundlegende Neuordnung der finanziellen Beziehungen; das ist völlig klar. Aber was ist passiert? Bei dem Besuch Rakowskis hier war ganz klar vereinbart: Den Jumbo-Kredit müssen wir irgendwie umstrukturieren, so daß der Kapitaldienst in Zloty im Lande bleibt. Dann kam der Brief von Herrn Streibl. Dann kam Herr Zimmermann dazwischen, so alles nach dem Motto: keine müde Mark den Polen. Dann kam die erste Teltschik-Runde. Dann kam die zweite Teltschik-Runde. Vor der dritten Teltschik-Runde rief der
Bundeskanzler nun seine Minister zusammen, um zu beraten, welche Weisung zu geben sei.
Er hatte nichts zu geben, und deshalb ging es wieder daneben. Jetzt kam die vierte Teltschik-Runde. Wir warten alle darauf, daß der Termin bekanntgegeben wird. In diesem Falle unterstützen wir ja den Bundeskanzler. Es ist einmalig, daß wir GRÜNE ihn unterstützen, damit er auf eine Reise geht. Aber die Bekanntgabe des Termins kommt nicht zustande, statt dessen Nebelwerferei.
Es ist natürlich richtig, daß für die Verhandlungen im Pariser Club nun um die Hilfe Frankreichs und um die Hilfe der USA geworben wird. Aber das sind begleitende, flankierende Maßnahmen. Der zentrale Punkt ist: Was tun wir? An diesem Punkt fehlt bis heute die Antwort der Bundesregierung.
Ich hoffe dringend, daß sie kommt und daß sie in einer Weise kommt, die diese finanziellen Probleme löst, und zwar gründlich löst. Darauf, denke ich, haben die Polen in diesem Moment einen Anspruch.
Das Wort hat der Abgeordnete Kittelmann.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Lippelt, diese Harmonie war Ihnen doch wohl ein bißchen zu langweilig. Da Ihre Fraktion ja heute „mit geballter Kraft" erschienen ist, um diese Aktuelle Stunde zu begleiten, habe ich Verständnis dafür, daß Sie zweimal reden.
— Es ist kein billiges Argument, sondern eine Wertschätzung.Meine Damen und Herren, Frau Hamm-Brücher, im Hinblick auf den Rat an den Bundespräsidenten: Der Bundespräsident wünscht täglich Ratschläge für sein Handeln.
Man kann das nicht nur dann loben, wenn es einem paßt, sondern der Bundespräsident hält einen Meinungsstreit auch bestimmt aus. Dafür haben wir eben einen so guten Bundespräsidenten.Meine Damen und Herren, wer erlebt, wie die Menschen in der Volksrepublik Polen sehnsuchtsvoll darauf warten, daß die deutsch-polnischen Beratungen Erfolge haben, wer erlebt, wie die soziale Not in der Volksrepublik Polen ist, und wer auch in Berlin erlebt, wie dort zigtausend Menschen aus ihrer Not und auch aus Geschäftemacherei — man soll das immer differenziert und nicht pauschal sehen — darum ringen, dort Marktwirtschaft zu haben, wo sie ihren Le-
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10016 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 136. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 19. April 1989
Kittelmannbensstandard etwas verbessern kann, weiß, wie dringend notwendig es ist, daß wir hier helfen.Die Bundesregierung und die CDU/CSU-Fraktion haben in den vergangenen Wochen mehrfach ihre Bereitschaft erklärt, den hoffnungsvollen Prozeß der Demokratisierung in Polen finanziell und durch verstärkte wirtschaftliche Kooperation zu unterstützen. Wir freuen uns auch, daß die bundesdeutsche Industrie ihren aktiven Beitrag zur wirtschaftlichen Gesundung Polens leisten will.Wann immer in Polen im Laufe der letzten Jahre Wirtschaftsreformen verkündet worden sind, stellte sich für uns die Frage: War das denn jetzt der letztlich entscheidende Schritt zur Sanierung einer maroden Wirtschaft, wie sie sich in Polen in den letzten Jahren entwickelt hat? Ich habe mir gegenüber diesen Hoffnungen immer ein Stück Skepsis bewahrt — wie auch viele von Ihnen. Die bisherige Einführung einiger marktwirtschaftlicher Instrumentarien ist zu begrüßen. Das ist aber bisher nur ein Herumreparieren an dem erfolglosen System einer sozialistischen Planwirtschaft. Die Volksrepublik Polen ist einfach aufzufordern, gemeinsam mit den anderen Kräften hier weiter mutige Schritte zu leisten.Der polnischen Regierung sei der Rat gegeben: Ein Oldtimer bleibt auch dann ein Oldtimer, wenn man die Karosserie verändert. Voraussetzung für Wettbewerbsfähigkeit im internationalen Wettbewerb — und dort ist die Grundlage für die Zukunft der polnischen Wirtschaft — ist, daß Motor und Treibstoff stimmen müssen.
Wenn man am runden Tisch die politisch Verantwortlichen hört, stellt man fest, daß sie erkannt haben, daß Erfolg im wirtschaftlichen Bereich vom Pluralismus im politischen Bereich unmittelbar abhängig ist. Um im Bild zu bleiben: Ein marktwirtschaftliches System läuft nur mit der persönlichen Freiheit als Treibstoff, und der Motor ist das unabhängige Unternehmertum.Meine Damen und Herren, wir sind bereit zu helfen. Wir sind bereit, darüber nachzudenken, wie es mit den 40 Milliarden Altschulden ist, wie es mit dem Jumbo-Kredit ist. Wir sind bereit, auch Einfluß auf den Pariser Club zu nehmen, um hier bestimmte Änderungen durchzuführen.
— Schauen Sie sich im Pariser Club die lange Reihe der in Not Geratenen an! Es ist eben nicht nur die Volksrepublik Polen, der wir uns besonders verpflichtet fühlen.
Mittlerweile machen die polnischen Gesamtschulden eben 40 Milliarden Dollar aus. Wir wissen auch, daß die wirtschaftliche Leistungskraft unter dem Niveau des bisherigen Spitzenjahres 1978 liegt.Wir sollten uns aber nicht nur an der Vergangenheit orientieren. Das haben die Diskussionsbeiträge eben bewiesen. In Polen hat sich etwas ereignet, was im Interesse der Demokratie und damit vor allem im Interesse der Menschen in Polen unsere unbedingte Unterstützung verdient. Lech Walesa hat am 6. April im Warschau gesagt, daß Polen Europa einholen müsse. Er sagte wörtlich, Polen habe keine schlechteren Bedingungen, und die Polen seien nicht dümmer als die anderen. Sie seien einfach schlecht regiert worden.
Wir erwidern: Polen ist Teil Europas, und die Polen und die freie Gewerkschaft Solidarnosc haben die Solidarität Europas verdient. Europa endet nicht in Berlin, Europa endet im Osten am Ural. Wir, die Bundesrepublik Deutschland, aber nicht wir allein, sondern, wie es schon angesprochen worden ist, die EG, die westlichen Staaten — sehr zu begrüßen ist vor allen Dingen die Erklärung von Präsident Bush, bisher allerdings auch nur eine Erklärung, in dieser Frage behilflich zu sein; wir werden diese Frage mit Frankreich auch jetzt anläßlich der Konsultationen mit der französischen Regierung besprechen — , dürfen nicht vergessen, daß die Menschen große Hoffnungen haben. Deshalb vielleicht etwas mehr Eile, etwas mehr konstruktive Ideen. Vor allen Dingen dürfen wir Chancen, die sich jetzt eröffnen, nicht vertun, weil das unter Umständen dazu führen würde, daß es wieder Schritte rückwärts gibt. Insofern begrüßt die CDU/ CSU die Bemühungen der Bundesregierung, gemeinsam mit dem Parlament konstruktive Schritte nach vorn zu tun.Vielen Dank.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Wieczorek.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Nachdem in Polen die politischen Reformen auf einen guten Weg gekommen sind, finde ich es erfreulich und richtig, daß jetzt alle westlichen Länder darüber nachdenken, wie man helfen kann. Allerdings gibt es ein paar Roll-back-Vorstellungen, verbunden mit wirtschaftlicher Hilfe. Ich hoffe, daß irrelevant bleibt, was man da manchmal in Nebentönen hört.
Der wichtige Punkt ist der Selbstheilungsprozeß, den Polen selber vornehmen muß. Es sollte bei uns keine Illusion darüber geben, wie schwierig das ist.
Die rapide Änderung der politischen Strukturen einschließlich der Entscheidungsstrukturen der Wirtschaft gibt die Chance für einen Neubeginn und sicher hohe Motivation. Auf der anderen Seite gibt es keine Erfahrung im Umgang mit diesen Strukturen. Man weiß noch nicht genau, wie sie sind. Das heißt, Fehler und Mißerfolge sind unvermeidlich. Das wird zu Enttäuschungen führen. Ich meine, wir sollten sie nicht überbewerten.
Viel gravierender sind die reale wirtschaftliche Struktur in Polen und deren Defizite. Der Investitionsstock einschließlich des Infrastrukturbereichs ist für einen nachhaltigen Aufschwung unzureichend. Die
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Dr. Wieczorek
jahrelange erzwungene und keineswegs nur auf Mißwirtschaft beruhende Investitionsschwäche hat nachhaltige Folgen im Produktionsbereich hinterlassen. Selbst bei bestem Willen, höchsten Fähigkeiten und ausreichenden Finanzmitteln ist eine nachhaltige Verbesserung der volkswirtschaftlichen Leistungskraft nur mittelfristig zu erreichen. Es mag sehr schnell so sein, daß die Lebensdauer der Motivation, die aus der politischen Befreiung kommt, kürzer ist als die Zeit, die selbst die beste Reform wirtschaftlich braucht, um Ergebnisse zu zeitigen.
Einige wichtige Ansätze sind allerdings schon gemacht. Ich halte den freien Umtausch von Zloty in westliche Währungen und umgekehrt für einen ersten wichtigen Schritt zu einer Reform des Währungs- und Geldsystems. Es bleibt aber Fakt, daß bei den großen ungedeckten realwirtschaftlichen Bedürfnissen und den gleichzeitigen großen monetären Überhängen, bei dem verzerrten administrierten Preissystem und einem inflationären freien Preissystem die Herausbildung vernünftiger Relationen zwischen Güterangebot und Preisen, zwischen Realwirtschaft und Geldwirtschaft noch nicht gelungen ist.
Hier kann der Währungsfonds Hilfestellung leisten. Ich glaube aber, wir müssen dazu beitragen, daß der Währungsfonds auf die spezifischen Ausgangspositionen Polens Rücksicht nimmt und nicht nach Schema F seine klassischen Lösungen überstülpt. Das würde zu Mißerfolgen führen.
Ich habe schon gesagt: Es ist eine nationale Aufgabe Polens, seine Reformvorhaben selber durchzuführen. Wir können nur beraten. Wir sollten nicht zu viele Bedingungen stellen.
Eine unabdingbare Voraussetzung aber ist, daß Polen von der Last seiner 39,2 Mrd. US $ Altschulden befreit wird. Hier sind wir als Bundesrepublik besonders gefordert, und zwar nicht nur, weil wir der größte Gläubiger sind. Ich finde es gut, daß Präsident Bush sagt, er will helfen. Wie es konkret aussieht, ist noch ein bißchen vage. Okay. Nur, wir sollten uns darüber im klaren sein, daß wir die Hauptverantwortung, zumindest auch die Hauptlast tragen werden und daß das wohl von allen unseren westlichen Nachbarn erwartet wird. Das heißt, wir müssen konkret darangehen, das Problem zu lösen.
Ich möchte hier ein paar Vorschläge dazu machen. Zum einen geht es um den Pariser Club. Hier sollten wir auf die bestmöglichen Bedingungen drängen, auch wenn das mit 17 Partnern dort manchmal schwierig ist. Noch wichtiger ist, was wir selber autonom entscheiden können.
Dazu möchte ich sechs Punkte nennen.
Da ist erstens die berühmte Jumbo-Anleihe über 1 Milliarde DM. Ich halte den Vorschlag, daraus einen innerpolnischen Entwicklungsfonds auf Zloty-Basis zu machen, für sehr vernünftig. Er könnte ein Beispiel für ähnliche Fälle sein.
— Sehen Sie, Herr Lambsdorff: Wir müssen ja noch
ein paar Unterschiede haben, nicht wahr. Es mag ja
noch das eine oder andere geben. Außerdem kann
sich das ja auch auf andere Kredite nach Polen beziehen. Es muß ja nicht nur ein deutscher sein.
Ich möchte zweitens auf die Weltbank eingehen. Hier gibt es seit dem vorigen Jahr fertige Schubladenprojekte: 300 Millionen US $ jährlich. Ich meine, hier ist zu überlegen, ob wir im Wege von Co-Financing ein bißchen mehr machen können. Gebraucht wird das Geld. Es handelt sich um konkrete Projekte.
Der Hermes-Rahmen — drittens — muß aufgestockt und freigegeben werden, und zwar so, wie es der deutsch-polnische Handel braucht. Was an Restbeständen da war, ist sicher viel zu wenig.
— Ich bin einverstanden. Deswegen habe ich den Pariser Club vorangestellt.
Der vierte Punkt: Deutsche Direktinvestitionen in Polen sollten Förderung finden. Ich finde, das neue MIGA-Instrument sollte dafür genutzt werden. Das wäre eine gute Grundlage für Debt-Equity-Swaps, wie wir sie aus anderen Fällen kennen und an denen unter der Oberfläche großes Interesse besteht — nach außen ist das noch nicht so deutlich geworden —.
Fünftens müssen wir die privaten Banken an ihre Verantwortung erinnern. Die Tatsache, daß sie zu Lasten ihres steuerpflichtigen Gewinns seit Jahren hohe Wertberichtigungen gebildet haben, ist zumindest eine Grundlage für das, was man im englischen als friendly persuasion bezeichnet, um hier mitzuhelfen.
— Das haben wir schon 1980 gemacht. Aber es ist jetzt mal wieder an der Zeit.
Als letztes sind — sechstens — die Möglichkeiten der technischen Hilfe und der Ausbildungshilfe zu verstärken.
Diese Liste ließe sich fortsetzen. Ich habe ein paar erste Ansätze genannt.
Eines möchte ich zum Schluß sagen: Ein Zwangsumtausch für polnische Touristen bei uns zählt für mich nicht zu den sinnvollen wirtschaftlichen Maßnahmen, mit denen wir Polen helfen können.
Danke.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Czaja.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Bei laufenden Verhandlungen kann man Ergebnisse nicht vorwegnehmen. Entscheidend sind verifizierbare Taten im Geben und Nehmen, nicht Versprechungen. Echte Verständigung erfordert Ehrlichkeit miteinander. Eigene berechtigte Interessen sind mit den Interessen der Nachbarn zu verknüpfen.
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Dr. CzajaIm deutsch-polnischen Verhältnis gab es Höhen und Tiefen, Zeiten ergebnisreicher Zusammenarbeit, aber auch Zeiten der Gegensätze und Zeiten des Grauens. Viel Böses gab es, auch Böses auf beiden Seiten. Aber Unterdrückung und Folter eines jeden Menschen ist singulär und nicht gegeneinander aufrechenbar. Man soll nichts vergessen, verschleiern, entstellen, aber man muß eine Überwindung der Gegensätze durch konstruktive Zusammenarbeit suchen. Die eigene Geschichte, sein Volk und sein Vaterland preiszugeben ist unglaubwürdig; aber auch vom Nachbarn darf man nichts Unzumutbares fordern.Weil ich ehrlich sein will, nenne ich als eine Voraussetzung von Fortschritten, daß die Existenz der Deutschen in der Heimat anerkannt wird, daß ihnen ihre Eigenart kulturell, in der Muttersprache, im Verein, im religiösen Leben, auch das Menschenrecht der Ausreisefreiheit mit gültigen Ausreisepapieren und
ebenso die Gleichheit bei Kontakten und Kulturaustausch mit uns, also auch mit den Ostdeutschen verifizierbar gewährleistet wird. Jede Diffamierung der Deutschen, Herr Kollege Voigt, daheim und der Vertreibungsopfer hier, ebenso übersteigerte Geschichtsklitterung müssen unterbleiben, auch die Versuche, bestehende Gewaltverzichtsverträge unzulässig in eine Präjudizierung von Friedensverträgen und Gebietsabtretung umzumodeln.Wir wollen Verständigung von Mensch zu Mensch, von Volk zu Volk. Deshalb müssen wir nach Berücksichtigung der eben genannten Menschenrechte, nach gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Reformen die Kredite und Hilfen wohl zuerst nicht auf ehrgeizige Projekte, wo 4,5 Milliarden DM bereits verloren sind, sondern auf die menschlichen Notstände der Nachbarn besonders konzentrieren. Ich denke an die Katastrophen in den Krankenhäusern, die Not der Alten, der Babys, an die Umweltzerstörung, die Wasserversorgung, das dreißigjährige Warten auf kleine Wohnungen. Hier ist Zusammenarbeit nötig, Kontrollen sind notwendig, daß die Hilfen nicht auf dem graupen Markt versickern! Fachleute des Westens sollten auf Zeit und in Freiheit vor Ort mitwirken, das wirtschaftliche Desaster zu meistern. Wenn die politischen Reformen — sie wurden angesprochen — in Dissensen versacken würden — die Veröffentlichung in der „FAZ" zeigt ja diese Dissense — , wäre dies für uns alle schlimm.Verständigung muß nach vorn schauen. Ich wiederhole, daß sich in einer freiheitlichen gesamteuropäischen Ordnung von Staaten, Völkern und Volksgruppen ein dauerhafter Ausgleich ausgehend vom Recht, anbahnen könnte. Offen muß man über die Bau- und Strukturelemente diskutieren. Im Europa von morgen wird es Staaten geben, auch das ganze Deutschland. Aber für uns ist es auch eine Verpflichtung, die Selbstbestimmung des polnischen Volkes im eigenen Staat zu fördern. Es wird Abgabe von Teilkompetenzen an übergeordnete Gemeinschaften ohne Preisgabe staatlicher Einheit geben, aber es sollte auch eine umfassende Autonomie von Volksgruppen geben, um hüben und drüben ausstehende Grenzregelungen zu entschärfen.Wenige Sätze zum Sozialabkommen. Die früher zerronnenen Milliarden sind nicht zu restituieren. Die schädliche Vermischung unseres Eingliederungsprinzips mit anderen Rentenprinzipien muß beseitigt werden; die deutsche Typisierung des Verfahrens ist von Ungerechtigkeiten gegenüber denen, die hier den Beitrag leisteten, zu befreien. Bei uns gilt seit langem das Beitragsprinzip. Der Hinweis auf die Altersstruktur und die Beiträge der jungen Aussiedler könnte die Neidkomplexe nach Beseitigung von Überzahlungen mildern. Man wird bei den Verhandlungen an den „Schnurbrief" und die Verbindung mit der Offenhalteklausel des Ausreiseprotokolls erinnern müssen.Meine Damen und Herren, so sollten schon die ersten neuen Schritte auf ein ehrliches Geben und Nehmen zielen; das wäre ein großer Fortschritt. Wenn es jedoch nur Versprechungen und dialektische Täuschung gäbe, wäre dies für uns alle schlimm.Ich danke Ihnen.
Das Wort hat der Abgeordnete Voigt.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Kanzler ist heute in Frankreich; er sollte bald auch in Polen sein. Er ist dort heute zu einem deutsch-französischen Gipfeltreffen. Es ist an der Zeit, daß wir fordern, daß regelmäßige deutsch-polnische Gipfeltreffen ebenso zur europäischen Normalität gehören wie deutsch-französische Gipfeltreffen;
denn die deutsch-polnischen Beziehungen sind für uns in der Ostpolitik genauso wichtig wie die deutschfranzösischen Beziehungen in der Westpolitik. 50 Jahre nach dem deutschen Überfall auf Polen muß klar sein, daß politisch gesehen die polnische Westgrenze ebenso endgültig ist, wie die französiche Ostgrenze.
50 Jahre nach dem deutschen Überfall auf Polen muß auch klar sein, daß es nicht im deutschem Interesse liegt, ein schwaches Polen zu haben, sondern daß es im deutschen und europäischen Interesse liegt, ein starkes Polen zu haben. Deshalb dürfen wir die gegenwärtige politische und wirtschaftliche Schwäche in Polen nicht ausnutzen. Das liegt nicht im polnischen Interesse, das liegt nicht im deutschen Interesse, das liegt nicht im europäischen Interesse. Wir müssen vielmehr ohne die Asymmetrie in der wirtschaftlichen Entwicklung zwischen beiden Staaten zu mißbrauchen, zu einer Stärkung der inneren Entwicklung in Polen beitragen.Zwei Aspekte möchte ich noch neu in diese Debatte einbringen.Erstens. Die Entwicklung in Polen zeigt: Es gibt heute keinen Ostblock mehr. Gesellschaftspolitisch ist der Antagonismus der beiden Systeme, der in der
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Voigt
Nachkriegszeit entstand, dabei, jetzt durch einen Pluralismus der Systeme schrittweise überwunden zu werden. Die Demokratisierung in Polen, die Lage der Menschenrechte in Polen, die Pressefreiheit in Polen, das Entstehen neuer Parteien, das Entstehen und das Absichern von Rechtsstaatlichkeit führen zu einem neuen Typus von System. In bezug auf die menschenrechtliche Lage ist die Situation in Polen heute besser als bei unserem Bündnispartner Türkei. Aus diesem Grunde ist es nur ehrlich, zu sagen, daß jemand aus Polen, der bei uns Asyl beantragt, deshalb keinen Anspruch auf Asyl mehr hat, weil von der Lage des Landes her in der Regel ein solcher Antragsgrund nicht mehr vorliegen kann.Der zweite Punkt, den ich noch erwähnen möchte, ist die Bedeutung Polens für Europa. Polen hat eine zentrale Rolle nicht nur für unsere Ostpolitik; Polen hat wirtschaftlich, sicherheitspolitisch und kulturell eine zentrale Rolle für Europa insgesamt. Es hat eine positive Rolle im KSZE-Prozeß gespielt, auch in der Vorbereitung der Konferenz in Wien. Die JaruzelskiZone unter Einschluß von Ungarn und Dänemark ist für die Wiener Verhandlungen besser als das, was wir innerhalb des westlichen Kompromisses als zentrale Zone ohne Ungarn und Dänemark haben zugestehen müssen.Das heißt, auch Polen hat unsere Interessen in seinen Vorschlägen mitberücksichtigt. Wir sollten bei unseren Vorschlägen und unserem Verhalten auch polnische Interessen mitberücksichtigen. Dazu gehört, daß wir dafür eintreten, daß die Europäische Gemeinschaft ihre Politik gegenüber Polen konstruktiv weiterentwickelt. Es muß zu einer dynamischen Weiterentwicklung der Beziehungen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und Polen kommen.Der Europarat muß offenstehen nicht nur für die Zusammenarbeit mit der Volksrepublik Polen, sondern auch für die Assoziation mit der Volksrepublik Polen. Es müssen Vertreter Polens an den Ausschüssen des Europarates teilnehmen können.
— Ja, die Satzung des Europarates soll geändert werden, damit sich Staaten Osteuropas assoziieren können. Ich bin für die Änderung der Satzung des Europarates; das sage ich ganz eindeutig.Ich sage darüber hinaus: Auch Programme wie das Eureka-Programm, das Erasmus-Programm, Investitionen wie die der European Space Agency müssen daraufhin überprüft werden, ob osteuropäische Staaten nicht an ihnen mitwirken können. Wer die Spaltung Europas überwinden will, der darf in einer Zeit, in der sich Osteuropa Westeuropa zuwendet, Westeuropa nicht gegenüber Osteuropa abschotten.
Und das eigentlich Schlimme an der gegenwärtigen Abgabenregelung hinsichtlich polnischer Einreisewünsche ist, daß es ein Signal ist, daß wir in dem Zeitpunkt, in dem Polen die Reisefreiheit herstellt, nichtmehr darauf vorbereitet sind, daß die Forderungen, die wir früher in bezug auf Reisefreiheit an es gestellt haben, erfüllt werden.Europa soll ein Gesamteuropa werden. Wer die Reisefreiheit in Europa einschränkt, der kann nicht ernst genommen werden damit, daß er ein Gesamteuropa will. Ein Gesamteuropa kann nicht unter Bedingungen geschaffen werden, wie sie nur den Deutschen in den Kram passen, sondern nur zu solchen, die allen Völkern gleichermaßen in den Kram passen.Vielen Dank.
Das Wort hat der Abgeordnete Lummer.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Voigt, ein bißchen hatte ich den Eindruck, daß Sie sehr zum Fenster hinaus geredet haben. Ich wußte nämlich manchmal nicht, wer der Adressat ist.
Wo gibt's denn diejenigen, die sich abschotten wollen?
Es gibt allenfalls diejenigen — genau wie Sie früher, als es gelegentlich um die Türkei ging —, die sich fragen: Bringt ein Land die demokratischen Voraussetzungen mit, um in Europa wirksam, erfolgreich mitarbeiten zu können?
Und diese Fragen, mit Verlaub gesagt, müssen wir, bezogen auf osteuropäische Länder, auch heute noch stellen.
Meine Damen und Herren, wenn man in der Politik irgendwo Interessenidentität ausmachen kann, dann ist es leichter, Politik zu machen. Ich glaube, bezogen auf Polen — auch nach dem Verlauf der Diskussion — können wir sagen, daß es unser Interesse ist — zweifellos auch das polnische — , daß es diesem Lande und den Menschen, die darin wohnen, gutgeht. Ich weiß nicht, ob das, Herr Voigt, identisch ist mit dem, was Sie als „starkes Polen" bezeichnet haben. Ich möchte, daß es den Leuten und dem Lande gutgeht. Und ich möchte, daß es ihnen gutgeht um ihrer selbst willen, aber auch deshalb, damit die Leute aus Polen nicht alle weglaufen wollen.
Das ist auch mein Interesse dabei.
Wenn das aber so ist, dann muß man sich die Frage stellen: Wie macht man das eigentlich? Und dabei haben wir doch gemerkt: Das, was Ende der 70er,
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LummerAnfang der 80er Jahre gemacht worden ist, war offenbar nicht wirksam. Es war falsch, wie hier einvernehmlich unterstrichen worden ist. Die Gelder sind in ein Faß ohne Boden gefallen. Und es ist offenbar das gemeinsame Interesse Polens und der Bundesrepublik Deutschland, daß nicht fürderhin Geld in ein Faß ohne Boden geschmissen wird, sondern daß dieses Geld als Hilfe zur Selbsthilfe wirkt.
— Ja, nu seien's a bisserl geduldig. Mein lieber Herr Lippelt, Sie sind ja so wahnsinnig ungeduldig. —Die Frage ist: Wann ist es denn möglich, diese Erfolge in Polen zu erreichen, daß das Geld als Hilfe zur Selbsthilfe wirkt? Dazu ist festzustellen: Es müssen in Polen bestimmte — nicht Bedingungen, die wir zu fordern hätten —
Voraussetzungen dafür geschaffen werden. Ich glaube, es gibt eine unmittelbare Ursache, die im Laufe der letzten Jahrzehnte deutlich geworden ist, die auch der Anlaß für die Veränderungen in Osteuropa gewesen ist: die Tatsache, daß sich auf der einen Seite die Europäische Gemeinschaft als eine ungeheuer ökonomische Attraktion erwiesen hat und daß auf der anderen Seite der Kommunismus nicht in der Lage ist, die ökonomischen Probleme in seinem Bereich zu lösen. Er hat abgewirtschaftet, und zwar mehr oder weniger total.
Dadurch kommt es zu Kräften, die auf Veränderungen drängen. Und wir müssen uns fragen: Was sind die Voraussetzungen für erfolgreiche Zusammenarbeit, Geldvergabe etc.? Das sind dann wohl, wie die Polen selber begreifen — Herr Walesa hat das mehrfach gesagt — , Veränderungen des Systems in einem demokratischen Sinne, in Richtung auf Demokratie. Ein Mindestmaß an Freiheit ist auch Voraussetzung für den ökonomischen Erfolg.
So, wann haben die Polen das denn gemacht? Das ist doch gerade das Ergebnis der letzten Woche. Da können Sie doch der Bundesregierung nicht Ungeduld oder Langatmigkeit vorwerfen! Nein, dort hat man Mühe gehabt, die Voraussetzungen zu schaffen.
Dies ist das eine.Und dabei erlaube ich mir nun noch eine Randbemerkung. Wir haben ja jetzt mit großem Vergnügen gehört, daß die Sozialdemokraten diese Entwicklung in Polen, auch die Reformkräfte, sehr stark unterstützen und begrüßen. — Ich kann mich sehr wohl daran erinnern, daß sich ein Teil dieser Reformkräfte — nicht nur in Polen, sondern auch in der Tschechoslowakei — über mangelnde Unterstützung von seiten der Sozialdemokraten beklagt hat. —
Warum meine Damen und Herren? Natürlich haben wir alle ein Interesse daran, daß die Stabilität in diesen Ländern erhalten bleibt und nicht Revolutionen zustande kommen. Aber wir möchten auch die notwendige Bewegung haben, die Voraussetzung für den ökonomischen und politischen Erfolg ist. Damit hat es nun seit einiger Zeit angefangen, und von daher ist für den Westen natürlich eine wichtige Voraussetzung gegeben, zu helfen. Das, meine ich, wollen und sollten wir auch alle gemeinsam tun.
— Ich freue mich, Herr Koschnick, daß Sie trotzdem in der Lage sind zu lächeln; das finde ich wunderbar.Meine Damen und Herren, es ist jetzt alles das, was hier gesagt worden ist, zu prüfen. Es ist richtig gewesen, daß dieses im Vorfeld der Reise des Bundeskanzlers geprüft wurde. Ich denke, daß die Voraussetzungen für einen solchen Besuch nun im wesentlichen gegeben sind. Aber in dem Sinne eines vernünftigen do ut des sollen wir dabei geduldig sein, viele Einzelfragen zu prüfen, die im Laufe der Debatte, nicht zuletzt auch von Herrn Dr. Czaja, angesprochen worden sind. Die Polen haben ihre Interessen, wir haben unsere.
Ich denke, daß wir in der Lage sein werden, zu einem erfolgreichen Ergebnis im Sinne beider Seiten zu kommen.Bezogen auf das, was Herr Wieczorek gesagt hat, sage ich jedenfalls: Die Gefährdungen, die in diesem Prozeß noch kommen werden, werden groß sein; denn es stellt sich die Frage, ob die Durststrecke, die man durchschreiten muß, ehe wirklich der ökonomische Erfolg eintritt, dort ohne unangenehme Veränderungen durchgehalten werden kann. Da werden auch wir Geduld haben müssen, und wir bringen sie ganz zweifellos auf. Aber die Unsicherheiten sind schlechterdings vorhanden. Insofern müssen wir zum Teil das Notwendige tun, zum anderen Teil jedoch darauf vertrauen, daß die Polen und andere dazu in der Lage sind. Der Rubikon des Erfolges ist sicherlich erst dann überschritten, wenn eine Preisreform, eine wesentliche Preisreform stattfindet — vielleicht frei — und wenn ein wirkliches Stück freier Wirtschaft vorhanden ist.
Dies wünschen wir uns alle. Dann, meine ich, muß natürlich auch die Europäische Gemeinschaft für die osteuropäischen Länder offen sein, die in dieser Weise, sich demokratischen Entwicklungen zu öffnen, bereit sind. Da darf dann keine Abschottung mehr erfolgen. Aber eine Conditio für die Kooperation mit dem freien, erfolgreichen Europa, weil es frei ist, ist die Bereitschaft, in der politischen und gesellschaftlichen Struktur das notwendige Maß an Freiheit zu praktizieren. Darauf hoffen wir, und wenn es da ist, wird niemand mehr bereit und willens sein, osteuro-
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Lummerpäische Länder an dieser Gemeinschaft mit den westlichen europäischen Ländern zu hindern.
Meine Damen und Herren, die Aktuelle Stunde ist damit beendet.
Ich rufe Punkt 2 der Tagesordnung auf: Fragestunde
— Drucksache 11/4351 —
Wir kommen zuerst zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit. Der Herr Parlamentarische Staatssekretär Pfeifer steht zur Beantwortung zur Verfügung.
Die Frage 1 des Abgeordneten Kuhlwein wird schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 2 des Herrn Abgeordneten Jäger auf:
Ist die in Frankreich hergestellte Abtreibungspille RU 486 Mifepriston in der Bundesrepublik Deutschland nach § 219e StGB verboten, und wie wird die Bundesregierung sicherstellen, daß die in Frankreich bereits hergestellten rund sieben Kubikmeter dieses Präparats, die nach wissenschaftlichen Aussagen für die Tötung von mindestens sechs Millionen ungeborener Kinder ausreichen, in der Bundesrepublik Deutschland nicht vertrieben und in den Verkehr gebracht werden?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Frau Präsidentin! Herr Kollege Jäger! Nach den §§ 219c und 219d des Strafgesetzbuches macht sich strafbar, wer in der Absicht, rechtswidrige Taten nach § 218 des Strafgesetzbuches zu fördern, Mittel oder Gegenstände, die zum Schwangerschaftsabbruch geeignet sind, in den Verkehr bringt. Mittel, die lediglich eine nidationshemmende Wirkung haben, fallen nicht unter § 219c des Strafgesetzbuches.
Nach den vorliegenden medizinischen Erkenntnissen ist das Präparat RU 486 geeignet, sowohl nidationshemmend zu wirken als auch eine Abtreibung zu bewirken. Deshalb ist es als ein zum Schwangerschaftsabbruch taugliches Tatobjekt im Sinne von § 219c Abs. 1 des Strafgesetzbuches anzusehen. Das In-den-Verkehr-Bringen ist nach dieser Vorschrift strafbar, wenn es in der Absicht erfolgt, rechtswidrige Taten nach § 218 des Strafgesetzbuches zu fördern. Das Mittel darf in der Bundesrepublik Deutschland aber schon deshalb nicht in den Verkehr gebracht werden, weil es hier nicht zugelassen ist.
Die für das Präparat RU 486 verantwortliche Firma hat im übrigen gegenüber der für die klinische Prüfung zuständigen Überwachungsbehörde erklärt, daß klinische Prüfungen mit dem genannten Präparat in der Bundesrepublik Deutschland weder vorgenommen wurden noch vorgenommen werden und daß eine solche Prüfung auch nicht beabsichtigt sei.
Diese Erklärung wurde auch für das pharmazeutische Unternehmen abgegeben, das organisatorisch mit der hier zur Diskussion stehenden ausländischen Firma in Verbindung steht. Ein Zulassungsantrag für dieses Präparat liegt dem Bundesgesundheitsamt nicht vor. Damit ist gewährleistet, daß das Präparat in
der Bundesrepublik Deutschland legal nicht vertrieben und nicht in den Verkehr gebracht wird.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Jäger .
Herr Staatssekretär, kann die Bundesregierung bestätigen, daß auch das Inkrafttreten des Europäischen Binnenmarktes am 31. Dezember 1992 an der territorialen Erstreckung der Zulassung bzw. Nichtzulassung und an der Zulassungspraxis nichts ändern wird, was dieses Mittel betrifft?
Pfeifer, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Jäger, wir haben hinsichtlich der Situation der Zulassung im beabsichtigten Europäischen Binnenmarkt derzeit keine Regelung. Ich möchte dazu aber folgendes sagen.
Die Bundesregierung strebt für den Europäischen Binnenmarkt grundsätzlich die gegenseitige Anerkennung zugelassener Medikamente an. Bei gravierenden Vorbehalten soll ein Ausschuß auf europäischer Ebene angerufen werden können, der dann eine Entscheidung trifft. Wie Sie wissen, besteht nach Art. 36 des EWG-Vertrages die grundsätzliche Möglichkeit zur Ablehnung einer Anerkennung aus Gründen der Wahrung der öffentlichen Sittlichkeit oder des Schutzes der Gesundheit und des Lebens von Menschen. Das wird für die Position der Bundesregierung entscheidend sein.
Zweite Zusatzfrage, bitte schön.
Herr Staatssekretär, wie sieht es mit der Frage aus, ob eventuelle Generika oder andere ähnliche Präparate bei uns in der Bundesrepublik Deutschland in den Verkehr gebracht oder vertrieben werden dürfen?
Pfeifer, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Jäger, es ist so, daß ein Generikum ebenso der Zulassung bedarf wie das Originalpräparat. Ich denke, daraus ergibt sich die Antwort auf die von Ihnen gestellte konkrete Frage.
Ich danke Ihnen schön, Herr Staatssekretär.Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für das Post- und Fernmeldewesen auf. Frage 3 des Abgeordneten Stiegler wird schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau auf. Die Fragen 4 und 5 des Abgeordneten Dr. Sperling werden auf dessen Wunsch schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.Ich rufe dann den Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen auf. Herr Parlamentarischer Staatssekretär Dr. Voss steht zur Beantwortung zur Verfügung.Ich rufe die Frage 6 des Herrn Abgeordneten Dr. Weng auf:
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Vizepräsidentin RengerSieht die Bundesregierung Möglichkeiten, über die Branntwein-Monopol-Verwaltung darauf hinzuwirken, daß zur Verringerung der Müllmenge Brennspiritus künftig wieder in Mehrweg-Glasflaschen und nicht in Plastikflaschen auf den Markt kommt?Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Danke schön, Frau Präsidentin.
Herr Kollege Weng, bis 1969 hat die Bundesmonopolverwaltung Brennspiritus in einer Mehrwegflasche angeboten. 1970 stellte sie den Vertrieb auf Einwegglasflaschen um. Ab November 1980 wurde auch Privatfirmen der Vertrieb von Brennspiritus ermöglicht, die bereits 1981 mit einer vom Handel stark nachgefragten Einwegkunststoffflasche auf den Markt kamen. Die Bundesmonopolverwaltung zog Anfang 1982 nach und verwendete Flaschen aus Polyethylen, die ohne umweltschädliche Rückstände entsorgt werden können.
Für das gegenwärtige Vertriebssystem sprechen folgende Gründe. Die Rechtfertigung für ein weitgespanntes Mehrwegvertriebssystem hängt maßgeblich von der Häufigkeit der Verwendung der Flaschen ab. Diese ist beim Brennspiritus angesichts des niedrigen Pro-Kopf -Verbrauchs von ca. 0,16 Flaschen pro Jahr sehr gering. Hinzu kommen auch Sicherheitserwägungen. Weil Glasflaschen nicht bruchsicher sind, hat die Verordnung über brennbare Flüssigkeiten die Lagerhaltung von Brennspiritus in Glasflaschen stark eingeschränkt. Umfragen haben ergeben, daß der Handel bei einer Umstellung im Bereich der Bundesmonopolverwaltung, die heute nur noch einen Marktanteil von 30 % hält, in großem Umfang zu den von den privaten Anbietern vertriebenen Einwegflaschen aus Kunststoff übergehen würde.
In Berlin sind die Verhältnisse allerdings anders. Im Bereich der dortigen Monopolverwaltung wird seit 1982 Brennspiritus in Glasmehrwegflaschen angeboten. Das war möglich, weil der mit der Umstellung verbundene Aufwand vertretbar war und die Einzelhändler dort wegen des kleinen Vertriebsgebietes unmittelbar beliefert und damals auch entsprechend für dieses System gewonnen werden konnten. Die Absatzentwicklung in Berlin ist inzwischen allerdings deutlich rückläufig.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Weng.
Herr Staatssekretär, glauben Sie nicht, daß möglicherweise ein Umdenken der Bevölkerung in Fragen bestimmter Gefäßverwendungen Auswirkungen auf die Umwelt haben könnte, wenn man — auch im Sinne des Anbieters — in der jetzigen Situation neue Signale setzt, indem man z. B. auf bestimmten Märkten, auf denen eine bessere Umsetzung möglich erscheint, dieses und auf anderen Märkten jenes anbietet und hier einfach eine gewisse Vorreiterrolle zu spielen versucht?
Dr. Voss, Parl. Staatssekretär: Ich gebe Ihnen recht, Herr Kollege, daß ein Umdenken notwendig ist. Das geschieht ja auch in großem Maße. Ich bin aber andererseits der Meinung, daß der Ansatz bei der Bundesmonopolverwaltung zum einen wegen der geringen
Umschlaghäufigkeit der Flaschen und zum anderen wegen des rückläufigen Anteils der Bundesmonopolverwaltung an sich verfehlt ist, denn man muß ja auch die Umstellungskosten ins Kalkül ziehen; und diese sind nicht unerheblich.
Sie haben noch eine Frage, Herr Kollege Weng.
Ich weiß, Frau Präsidentin, aber ich muß jetzt erst einmal über alle Antworten nachdenken.
Das ist hervorragend, ausgezeichnet.
Zusatzfrage, Frau Ganseforth.
Soviel ich weiß, hat nach dem Abfallbeseitigungsgesetz die Vermeidung von Müll erste Priorität; zweite Priorität hat das Recycling, die Wiederverwendung; erst an dritter Stelle steht die Ablagerung. Selbst wenn Sie sagen, daß Polyäthylen nicht schädlich sei, was ich für eine kühne Behauptung halte, so muß ich doch die Frage stellen: Sind die ersten beiden Prioritäten nicht maßgebend?
Dr. Voss, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin, die Behauptung mag kühn sein, sie ist dennoch richtig.
Ad zwei muß ich bei Brennspiritus darauf achten, daß ich auch die Verordnungen über die Brennverhinderung hier nicht außer acht lasse. Aus diesen Gründen ist die Einlassung, die ich gerade vorgenommen habe, nach unserer Ansicht die richtige.
Frage 7 des Herrn Abgeordneten Stiegler soll auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet werden. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Damit sind wir am Ende Ihres Geschäftsbereichs. Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers des Auswärtigen auf.
Die Fragen 8 und 9 des Herrn Abgeordneten Schreiner sowie 10 und 11 des Herrn Abgeordneten Werner sollen auf Wunsch der Fragesteller schriftlich beantwortet werden. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern auf. Der Parlamentarische Staatssekretär Spranger steht zur Beantwortung der Fragen zur Verfügung.
Ich rufe Frage 12 des Herrn Abgeordneten Lüder auf :
Wie beurteilt die Bundesregierung die Einschränkung des Wahrheitsgehalts in ihrer Antwort auf meine Anfrage, wonach es durch die Anhörung durch drei Sicherheitsdienste keine Verfahrensverzögerung bei Asylverfahren gibt, angesichts der Tatsache, daß z. B. in der Nebenstelle Braunschweig des Bundesamtes über den Asylantrag von z. B. polnischen Staatsangehörigen nicht entschieden werden kann, weil dort kein befragungsberechtigter Angehöriger der Geheimdienste tätig ist?
Bitte, Herr Staatssekretär.
Herr Kollege Lüder, die Bundesregierung
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Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 136. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 19. April 1989 10023
Parl. Staatssekretär Sprangerbleibt bei ihrer Aussage, wonach Anhaltspunkte für eine Verzögerung bei der Durchführung von Asylverfahren infolge der Befragung von Asylbewerbern durch die drei genannten Nachrichtendienste nicht vorliegen. Wenn z. B. in der Außenstelle Braunschweig befragungsberechtigte Angehörige der genannten Nachrichtendienste eingesetzt werden, so daß die Asylbegehren polnischer Antragsteller dort abschließend behandelt werden könnten, würde sich gleichwohl eine Verkürzung der Asylverfahren nicht ergeben. In den Außenstellen werden grundsätzlich nur Asylbewerber aus Hauptherkunftsländern ohne Anerkennungstendenz und ohne sonstige Problematiken entschieden.Dem stark angestiegenen Zugang polnischer Asylbewerber und der Forderung nach einer zügigen Entscheidung wird durch ein konzentriertes Verfahren vor dem Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge Rechnung getragen. Es sind mittlerweile drei Entscheidungsbereiche mit bereits jetzt über 40 Einzelentscheidern gebildet worden. Hierdurch wird zumindest ebenso rasch über polnische Asylbewerber entschieden, als wenn die Entscheidung über polnische Asylbewerber in die Außenstellen verlagert werden würde.
Zusatzfrage, Abgeordneter Lüder.
Herr Staatssekretär, ist es richtig, daß die Asylbewerber aus Polen überwiegend in Braunschweig ankommen, dort aufgenommen werden und erst dann wegen der Befragung durch die drei Dienste weiter nach Zirndorf gebracht werden müssen, und — ich glaube, ich habe noch eine Unterfrage offen — wie lange ist der Zeitraum zwischen der Ankunft in Braunschweig und der Entscheidung in Zirndorf auf Grund dieses verlängerten Weges?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Lüder, ich bitte um Verständnis, daß ich Ihre Frage, inwieweit die Polen überwiegend in Braunschweig ankommen, jetzt aus dem Stegreif ebensowenig wie die Frage beantworten kann, wie lange das dauert. Ich bin gern bereit, den Versuch einer weiteren genauen Prüfung Ihrer Frage vorzunehmen und Ihnen dann nach Möglichkeit genauere Auskünfte zu übermitteln.
Sie haben noch eine zweite Frage.
Herr Staatssekretär, könnten Sie sich vorstellen, daß der Weg von Braunschweig nach Zirndorf für Menschen und Akten gegenüber der sofortigen Entscheidung bei der Ankunft in Braunschweig und der Zurückweisung nur wenige Meter bis Helmstedt eine Verzögerung bedeutet?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Ich glaube, daß die Konzentration in Zirndorf, die ich Ihnen geschildert habe, zu einer Beschleunigung führt, die erheblich gewichtiger ist und damit eine größere Zeiteinsparung bedeutet, als wenn man dezentralisiert verfährt, wie Sie es hier angedeutet haben.
Eine Zusatzfrage, Herr Dr. Hirsch.
Herr Staatssekretär, Sie wissen doch, daß ablehnende Entscheidungen des Bundesamtes eine persönliche Anhörung voraussetzen, so daß diese Menschen dann tatsächlich im Zusammenhang mit der Befragung nach Zirndorf bzw. Nürnberg fahren müssen. Können Sie wirklich ernsthaft bestreiten, daß dadurch eine Verzögerung entsteht, daß die Entscheidungen voraussetzen, daß die Menschen nach Zirndorf gebracht werden müssen, um dort einvernommen zu werden?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Bei der Zahl der Asylbewerber aus Polen und anderen Ländern würde eine Behandlung all dieser Asylbewerbungen in Außenstellen geradezu zu einer Aufteilung des Zirndorfer Amtes führen. Bisher sind Überlegungen, das Amt Zirndorf von der Kapazität her mit einer Reihe von Außenstellen gleichzusetzen, noch nicht vorgetragen worden. Man ist vielmehr bisher immer von der Zentrale beziehungsweise der Hauptbehörde Zirndorf mit den entsprechenden Kapazitäten ausgegangen.
Keine weitere Zusatzfrage.
Frage 13 des Herrn Abgeordneten Lüder:
Welche Maßnahmen hat die Bundesregierung unternommen, um auf den amerikanischen Geheimdienst, den Bundesnachrichtendienst und das Bundesamt für Verfassungsschutz einzuwirken, daß diese Dienststellen, wenn sie schon Asylbewerberbefragungen für notwendig halten, nicht verfahrensbehindernd wirken?
Herr Staatssekretär!
Spranger, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Lüder, für ein entsprechendes Einwirken der Bundesregierung auf diese Dienste besteht bisher keine Veranlassung. Anhaltspunkte für eine Verzögerung bei der Durchführung von Asylverfahren infolge der Befragung von Asylbewerbern durch die genannten Nachrichtendienste liegen nicht vor.
Eine Zusatzfrage von Herrn Lüder.
Herr Staatssekretär, wann wird die Bundesregierung, nachdem die Anfrage am 28. März eingereicht worden ist, in der Lage sein, zu sagen — möglicherweise schriftlich, wie Sie es bei meiner ersten Frage in Aussicht gestellt hatten — , wieviel Bewerber nach Braunschweig kommen und wie lange es dauert, bis Akten und Menschen in Braunschweig sind?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Lüder, wenn Sie auch diese Frage schon am 28. März gestellt hätten, wäre ich in der Lage gewesen, das heute zu beantworten. Da Sie das erst jetzt tun, kann ich Ihnen nur zusichern, daß das so schnell wie möglich geschieht. Sie wissen, daß so etwas in aller Regel innerhalb von vierzehn Tagen zu erledigen ist.
Zweite Zusatzfrage.
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10024 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 136. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 19. April 1989
Herr Staatssekretär, darf ich aus dieser Antwort entnehmen, daß Sie die Auswertung der Anhörung des Innenausschusses hinsichtlich der Beschleunigungsvorschläge, die dort gekommen sind, nur punktuell auf Anfragen von Abgeordneten des Deutschen Bundestages vornehmen wollen?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Diese Schlußfolgerung können Sie nicht ziehen.
Zusatzfrage von Herrn Gansel.
Ist es möglich, daß Asylbewerber, die vor ihrer Einreise in die Bundesrepublik in ihren Herkunftsländern keiner politischen Verfolgung ausgesetzt waren, dadurch, daß sie vor westlichen Geheimdiensten Aussagen machen — machen müssen —, asylberechtigt werden, weil sie, nachdem sie nunmehr verbotenerweise mit westlichen Geheimdiensten Kontakt gehabt haben, in ihren Ländern, wenn ihr Antrag abgelehnt werden würde, mit Maßnahmen der politischen Verfolgung zu rechnen hätten?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Ein solcher Fall ist mir nicht bekannt. Ich kann eine sehr komplizierte Frage dieser Art aus dem Stegreif natürlich nicht beantworten. Ich werde nachprüfen lassen, ob uns ein solcher Fall überhaupt schon bekannt geworden ist.
Zusatzfrage, Herr
Dr. Hirsch.
Herr Staatssekretär, halten Sie es für denkbar, daß sich ein polnischer Asylbewerber in der Absicht, Wohlverhalten zu zeigen, auf eine Vernehmung vor einem ausländischen Geheimdienst einläßt, obwohl er sich dadurch nach polnischem Recht unter Umständen strafbar macht?
Halten Sie es für angemessen, daß ein ausländischer Nachrichtendienst auf deutschem Boden in dieser Weise tätig wird? Oder haben Sie vielleicht Fälle, daß auch der Bundesnachrichtendienst im Ausland unmittelbar solche Befragungen vornimmt?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Über die Rechtsgrundlagen haben wir uns hier in der Fragestunde schon unterhalten. Der von Ihnen geschilderte Fall ist nach meiner jetzigen Einschätzung denkbar. Welche Konsequenzen daraus zu ziehen sein werden, wird zu überlegen sein.
Ich rufe die Frage 14 des Herrn Abgeordneten Dr. Hirsch auf:
Welche Folgerungen zieht die Bundesregierung aus der Tatsache, daß in der Anhörung des Innenausschusses des Deutschen Bundestages tatsächliche Verfahrensmängel bekanntgeworden sind, die zu einer erheblichen Verzögerung der verwaltungsmäßigen Erledigung anhängiger Asylverfahren geführt haben?
Bitte, Herr Staatssekretär.
Spranger, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Dr. Hirsch, in der Anhörung des Innenausschusses des Deutschen Bundestages hat vor allem ein Sachverständiger auf Verfahrensmängel hingewiesen. Dem ist von anderen Sachverständigen zum Teil bereits in der Anhörung widersprochen worden.
Diese behaupteten Verfahrensmängel liegen nicht im Zuständigkeitsbereich des Bundesministers des Innern, sondern — wenn sie zutreffen sollten — im Zuständigkeitsbereich der Länder.
Der Bundesminister des Innern hat mit den Ländern bereits Kontakt aufgenommen mit dem Ziel, mögliche Verfahrensmängel umgehend abzustellen.
Wie eine Überprüfung ergeben hat, sind im Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge Verfahrensmängel nicht festgestellt worden. Dies gilt auch für die in der Anhörung erwähnte Zustellung der Bescheide. Anerkennungsbescheide werden dem betreffenden Antragsteller bzw. dessen Bevollmächtigten vom Bundesamt unverzüglich zugestellt; Ablehnungsbescheide müssen dagegen gemäß § 12 Abs. 7 des Asylverfahrensgesetzes der Ausländerbehörde zur Zustellung zugeleitet werden. Diese trifft dann gemäß § 28 Abs. 1 des Asylverfahrensgesetzes selbst eine ausländerbehördliche Entscheidung über den Aufenthalt und stellt auch beide Bescheide gemeinsam zu.
Zusatzfrage von Dr. Hirsch.
Herr Staatssekretär, es sind uns doch in der Anhörung Fälle vorgelegt worden, bei denen zwischen der Ausfertigung der ablehnenden Entscheidung und der Zustellung an den Asylbewerber fünf Monate lagen. Sind Sie wirklich der Meinung, daß sich die Bundesregierung in solchen Fällen hinter die Zuständigkeit verschanzen kann, nach dem berühmten Art. 1 des deutschen Verwaltungsrechts: „Großer Gott, warum ausgerechnet ich?"? Meinen Sie nicht, daß Sie etwas tun müssen?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Herr Dr. Hirsch, ich habe in meiner Antwort bereits zum Ausdruck gebracht, daß wegen der Sachverständigenäußerungen Verbindung mit den Ländern aufgenommen worden ist, um eventuellen Verfahrensmängeln oder Verzögerungen nachzugehen.
Nur: Wir können den Ländern natürlich keine Anweisungen geben. Vom BMI ist die Auswertung der Anhörung bereits auf den Weg gebracht worden.
Herr Staatssekretär, können Sie uns mitteilen, wie dieser Kontakt aufgenommen worden ist? Haben Sie telefoniert? Haben Sie einen Brief geschrieben? Oder halten Sie es vielleicht für besser, einen gemeinsamen Beauftragten zu benennen, der sich dieser Fälle einmal annimmt?Spranger, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Dr. Hirsch, es gibt eine Reihe von Arbeitsgruppen, auch — wie Sie wissen — entsprechende Arbeitsgruppen der Länder im Bereich der Innen- und Rechtspolitik, die sich auch mit diesem Thema beschäftigen. In diesen Gremien ist der Innenminister ebenfalls und
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Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 136. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 19. April 1989 10025
Parl. Staatssekretär Sprangerkann seine Überlegungen mit einbringen. Das geschieht.
Zusatzfrage, Herr Lüder.
Herr Staatssekretär, wenn Sie den Weg der routinemäßigen Arbeitsgruppe wählen: Haben Sie der Arbeitsgruppe eine Frist gesetzt, bis zu der sie zu Ergebnissen kommen soll, die Wege zur Beseitigung der in der Anhörung deutlich gewordenen Mängel aufzeigen?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Es ist eine Arbeitsgruppe von Bund und Ländern. Da ist das Verhältnis 1 11. Ich glaube nicht, daß sich die anderen elf Fristen vom BMI setzen lassen, der, wie ich sagte, an sich in diesem Bereich gar nicht originär zuständig ist.
Aber Sie können davon ausgehen, daß das Problem und die in der Anhörung festgestellten Defizite zügig abgearbeitet werden.
Ich rufe die Frage 15 des Herrn Abgeordneten Dr. Hirsch auf:
Was hat die Bundesregierung bisher getan, um zu einer inhaltlichen Harmonisierung der Asylrechte der Mitglieder der Europäischen Gemeinschaft oder wenigstens der Unterzeichnerstaaten des Schengener Abkommens zu kommen?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Die Bundesregierung ist sich mit den Vertragsstaaten von Schengen und den EG-Mitgliedstaaten in dem Ziel einig, in Fortführung der gemeinsamen humanitären Tradition politisch Verfolgten einen angemessenen Schutz zu gewähren, wie ihn die Genfer Flüchtlingskonvention vom 28. Juli 1951 und das Protokoll von New York vom 31. Januar 1967 vorsehen. Die Bundesregierung hält es aber wie ihre Vertragspartner für erforderlich, alle Anstrengungen zu unternehmen, um einem Mißbrauch des Asylrechts wirksamer zu begegnen. Hierzu gehört auch das Bestreben, in enger Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten auf eine Annäherung ihrer Asylpolitik hinzuwirken.
Im Hinblick auf den beabsichtigten Wegfall der Binnengrenzkontrollen, der Bewegungen innerhalb des jeweiligen Vertragsraumes praktisch ohne Kontrolle zuläßt, ist zunächst wesentlicher Inhalt der bisherigen Bestrebungen die Schaffung eines Zuständigkeitssystems für die Durchführung von Asylverfahren, um jedes Asylbegehren, das in ihrem Gebiet gestellt wird, von einem der Staaten behandeln zu lassen, aber andererseits Mehrfachanträge der gleichen Person in verschiedenen Staaten auszuschließen.
Die Vertragsstaaten sind sich darin einig, daß dies nur ein erster Schritt zu einer Harmonisierung ihrer Asylpolitik und ihres Asylrechts und Asylverfahrensrechts ist. Allerdings haben die bisherigen Verhandlungen gezeigt, daß es illusorisch wäre, eine abgestimmte europäische Flüchtlingspolitik auf der Basis der dem Grundgesetz zugrunde liegenden Konzeption eines unbeschränkten individuellen Asylanspruchs mit weitreichenden aufenthaltsrechtlichen und verfahrensrechtlichen Vorwirkungen erreichen zu wollen. Ein deutscher Vorschlag in dieser Richtung hätte heute noch weit weniger eine Chance, sich durchzusetzen, als im Jahre 1977, in dem die Bundesrepublik Deutschland auf der Staatenkonferenz in
Genf mit einem ähnlichen Vorstoß selbst bei den EG-Staaten scheiterte.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Hirsch.
Herr Staatssekretär, kann ich Ihrer Antwort also entnehmen, daß sich der Innenminister bisher nur um ein System bemüht hat, das dazu führt, daß die nach jeweiligem ausländischen Recht getroffene Asylentscheidung in der Bundesrepublik anerkannt wird, daß er sich aber nicht um eine inhaltliche Harmonisierung des Asylrechts bemüht hat?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Das können Sie meiner Antwort nicht entnehmen. Ich habe nur den Punkt genannt, in dem schon gewisse Übereinstimmungen erzielt worden sind. In bezug auf die materielle und die formelle Gestaltung des Asylrechts hingegen sind die Vorstellungen leider sehr weit voneinander entfernt.
Die zweite Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, wenn sich Ihr Haus um eine materielle Harmonisierung des Asylrechts bemüht hat, wie ist es dann möglich, daß Ihr Haus nicht einmal in der Lage war, uns eine Übersicht über die verschiedenen geltenden europäischen Asylrechte zu geben, sondern mir auf eine entsprechende Frage nur die Gesetzestexte — im wesentlichen in Originalsprache — zugeleitet hat?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Ich weiß nicht, inwieweit das BMI hier nicht in der Lage war, Ihnen eine Zusammenstellung zu übermitteln. Ich bin gerne bereit, noch den Versuch einer Ergänzung der Lieferungen zu machen, die Sie ohnehin schon bekommen haben.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Lüder.
Herr Staatssekretär, da eine Harmonisierung des Asylrechts durch die Parlamente gehen müßte, habe ich die Frage, ob Sie bereit wären, die Initiative gegenüber den Regierungen anderer europäischer Staaten, von der Sie eben sprachen, auch dem Parlament zugänglich zu machen, damit wir — eventuell mit solidarischer Unterstützung der Europa-Abgeordneten, die ja im Vetter-Report sehr Grundsätzliches über die Asylgrundrechte gesagt haben — europäisch und international aktiv unterstützend tätig werden können.Spranger, Parl. Staatssekretär: Von den grundsätzlichen Übereinstimmungen bis zu einer detaillierten Gesetzesregelung ist es, wie Sie ja auf Grund vielfältiger europäischer Erfahrungen sicherlich wissen, noch ein langer Weg. Sobald dieser Weg zurückgelegt ist, werden natürlich fristgerecht und rechtzeitig die zuständigen deutschen Gremien mit dem Problem befaßt werden.
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10026 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 136. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 19. April 1989
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Dr. Weng.
Herr Staatssekretär, sind Sie bezüglich des zuletzt Gesagten nicht mit mir der Auffassung, daß eine Parlamentsdebatte und eine Einbeziehung europäischer Abgeordneter in die dann öffentliche Diskussion im Sinne unserer Vorstellungen förderlich sein und die Dinge vorantreiben könnte?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Das ist sicherlich eine gute Überlegung, wobei man wissen muß, daß die Unterschiede zwischen den Auffassungen, die europäische Parlamentarier zu diesem Thema entwikkeln, und denen ihrer Regierungen nicht ganz unbeträchtlich sind.
Danke sehr, Herr Staatssekretär.
Die Fragen 16 und 17 werden auf Wunsch der Fragestellerin, der Abgeordneten Frau Dr. Hamm-Brücher, schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft. Zur Beantwortung steht Herr Parlamentarischer Staatssekretär Dr. Riedl zur Verfügung.
Ich rufe Frage 18 des Abgeordneten Gansel auf:
Wann ist der Antrag der Staatsanwaltschaft Kiel auf Erteilung einer Verfolgungsermächtigung nach § 353 b Strafgesetzbuch im Zusammenhang mit dem Verkauf von U-Boot-Bauplänen an Südafrika durch die Firmen IKL und HDW bei der Bundesregierung eingegangen, und wann gedenkt die Bundesregierung darüber zu entscheiden?
Bitte schön, Herr Staatssekretär, Sie haben das Wort.
Frau Präsidentin! Herr Abgeordneter! Der Leitende Oberstaatsanwalt bei dem Landgericht in Kiel hat mit Schreiben vom 15. März 1989 die Bundesregierung um eine Entscheidung gebeten, ob wegen des Verdachts, daß Verantwortliche der Howaldtswerke-Deutsche Werft AG und des Ingenieurkontors Lübeck ungenehmigte Konstruktionspläne für den Bau von U-Booten an die Republik Südafrika veräußert haben, eine Ermächtigung nach § 353 b Abs. 4 des Strafgesetzbuches erteilt werden soll. Dieses Schreiben ist über den Generalstaatsanwalt in Schleswig durch den Justizminister des Landes Schleswig-Holstein am 28. März 1989 dem Bundesminister der Justiz zugeleitet worden und bei diesem am 30. März 1989 eingegangen.
Der Bundesminister der Justiz hat das Schreiben an den Bundesminister für Wirtschaft weitergeleitet, bei dem es am 4. April 1989 eingegangen ist. Der Bundesminister für Wirtschaft ist für die Entscheidung über die Erteilung der Ermächtigung zuständig; denn in dem Ermittlungsverfahren geht es um die Frage, ob Personen Tatsachen, zu deren Geheimhaltung sie von dem Bundesminister für Wirtschaft unter Hinweis auf die Strafbarkeit der Verletzung der Geheimhaltungspflicht förmlich verpflichtet worden waren, einem anderen zugänglich gemacht haben.
Der Bundesminister für Wirtschaft wird über die Erteilung der Ermächtigung zur Strafverfolgung nach Abstimmung mit den anderen beteiligten Bundesressorts entscheiden. Ich kann Ihnen im Augenblick noch nicht sagen, wann dieser Abstimmungsprozeß beendet sein wird. Der Bundesminister für Wirtschaft wird sich aber sehr um eine beschleunigte Entscheidung bemühen.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Gansel.
Herr Staatssekretär, welche weiteren Ressorts werden an der Entscheidung beteiligt?
Dr. Riedl, Parl. Staatssekretär: Herr Abgeordneter, es sind dies der Chef des Bundeskanzleramtes, das Auswärtige Amt, der Bundesminister der Verteidigung, der Bundesminister der Finanzen und natürlich der Bundesminister der Justiz.
Das sind fünf Ministerien. Dr. Riedl, Parl. Staatssekretär: Richtig.
Trifft es zu, daß mit einer Entscheidung, wenn alle Ressorts drei oder vier Wochen brauchen, nicht vor Herbst gerechnet werden könnte?
Dr. Riedl, Parl. Staatssekretär: So sehr freue ich mich auf den Herbst auch wieder nicht, daß wir so lange mit dieser Entscheidung warten. Herr Abgeordneter, ich habe Ihnen ja gesagt, daß sich das Bundesministerium für Wirtschaft bemüht, die Sache so schnell wie möglich zur Abwicklung zu bringen. Hexen kann natürlich keiner. Sie wissen: Wenn fünf Häuser beteiligt sind, dann dauert es eine gewisse Zeit. Aber es wird ein vertretbarer Zeitrahmen sein. Ich werde diese Bitte auch noch einmal an die anderen Häuser herantragen.
— Das ist schwer. Wissen Sie, wenn ich jetzt vier Wochen sage und es fünf sind, dann sagen Sie zu mir: Der Riedl hat phantasiert. Sage ich vier und es sind drei, dann halten Sie mich für einen falschen Propheten.
Deswegen gebe ich Herrn Bohl jetzt das Wort. Das war nämlich schon die dritte Frage.
Dr. Riedl, Parl. Staatssekretär: Da ich das Interesse des Herrn Abgeordneten Gansel mit dem Interesse der Bundesregierung identifiziere, können Sie davon ausgehen: so schnell wie möglich.
Herr Abgeordneter Bohl, bitte schön.
Herr Staatssekretär, angesichts der Tatsache, daß das Geheimschutzabkommen mit Indien in erster Linie im Interesse der deutschen Firma abgeschlossen wurde, angesichts der Tatsache, daß der örtlich und sachlich zuständige Staatsanwalt einen Anfangsverdacht in dieser Angelegenheit ver-
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Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 136. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 19. April 1989 10027
Bohlneint, angesichts der Tatsache, daß ein Ermittlungsverfahren laufende Vertragsverhandlungen mit Firmen in anderen NATO-Ländern auf das schwerste belasten würde, und angesichts der Tatsache, daß die Strafverfolgung Unschuldiger auch die Bundesregierung schadensersatzpflichtig machen würde, frage ich, ob die Bundesregierung bereit ist, zur Kenntnis zu nehmen, daß ich persönlich für die Erteilung einer Verfolgungsermächtigung keinerlei Verständnis hätte.
Dr. Riedl, Parl. Staatssekretär: Herr Abgeordneter, nach dem Studium der Unterlagen, die mir vorliegen, kann ich Ihren Feststellungen nicht widersprechen.Ich will noch einmal aus einem Schriftstück zitieren, das ich dabei habe. Die Staatsanwaltschaft beim Landgericht in Kiel war nämlich zunächst der Auffassung, daß ein solcher Verdacht, wie er jetzt erhoben wird, nicht begründet ist. Nach der Regierungsneubildung in Schleswig-Holstein hat der inzwischen neuernannte Generalstaatsanwalt die Staatsanwaltschaft angewiesen, die Ermittlungen wieder aufzunehmen. Hier gibt es offensichtlich politische Vorgänge, die einer besonderen Bewertung zu unterliegen haben.
Ich will im Hinblick auf Ihre Äußerungen noch einmal unterstreichen, daß ich das nicht bestreiten möchte, was Sie gesagt haben. Ich bin allerdings nicht in der Lage, Herr Abgeordneter, den Ermittlungen, die die Bundesregierung jetzt anstellt, vorzugreifen. Aber es ist in der Tat schon ein interessanter politischer Vorgang, der sich hier abspielt.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Müller .
Herr Staatssekretär, müssen wir nach der Frage meines Kollegen und nach Ihrer Antwort davon ausgehen, daß man dann, wenn eine Untersuchung die Bundesregierung selbst belasten würde, zögerlich vorgehen und die Staatsanwaltschaft nicht tätig werden lassen will?
Dr. Riedl, Parl. Staatssekretär: Herr Abgeordneter, davon können Sie natürlich nicht ausgehen. Ich wäre Ihnen schon sehr dankbar — ich sage es einmal sehr höflich — , wenn Sie solche Unterstellungen gegenüber der Bundesregierung doch freundlicherweise unterlassen würden.
Dann rufe ich die Frage 19 des Herrn Abgeordneten Müller auf:
Wann hat der Bundesnachrichtendienst die Bundesregierung über den militärischen Zweck der Raketenproduktion von Condor II in Ägypten und über die Anstrengungen des Irak, Raketentechnologie aus der Bundesrepublik Deutschland zu bekommen, informiert?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Dr. Riedl, Parl. Staatssekretär: Frau Präsidentin! Herr Abgeordneter Müller! Unter der Bezeichnung Condor II wird ein Projekt Argentiniens zur Entwicklung einer Mittelstreckenrakete verstanden. Über dieses Projekt sowie über mögliche Verbindungen dieses Projekts mit einem angeblich gleichgerichteten ägyptischen Programm liegen der Bundesregierung seit Mitte der achtziger Jahre Hinweise vor, die auf den militärischen Charakter des argentinischen Projekts hindeuten.
Hinsichtlich des Irak verdichten sich ab 1987 Hinweise auf ein militärisches Raketenforschungs- und Entwicklungsprojekt. Die Bundesregierung hat daraufhin die Erteilung von Ausfuhrgenehmigungen für dieses Projekt eingestellt.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Müller.
Sind die USA oder Israel wegen dieser Raketenentwicklung vorstellig geworden, gegebenenfalls wann und wie?
Dr. Riedl, Parl. Staatssekretär: Herr Abgeordneter, darüber ist mir nichts bekannt. Ich schließe allerdings nicht aus — das ist selbstverständlich — , daß es auf informellem Weg derartige Kontakte gegeben hat. Ich werde das gerne nochmals nachprüfen. Aber offizielle Kontaktaufnahmen sind mir nicht bekannt. Ich kann Ihnen deshalb auch die zweite Teilfrage nicht beantworten.
Eine weitere Zusatzfrage.
Hatten Sie persönlich oder andere CSU-Politiker, wie z. B. der Schatzmeister der Hanns-Seidel-Stiftung, möglicherweise vorher schon sehr konkrete Hinweise darauf, was da geplant ist, eben nicht nur an nichtmilitärischer Nutzung, sondern auch an militärischer Nutzung?
Dr. Riedl, Parl. Staatssekretär: Ich persönlich habe davon keine Ahnung. Da ich aber zufällig auch Schatzmeister der Hanns-Seidel-Stiftung bin, was Sie gar nicht wußten — Sie haben offensichtlich einen ganz anderen in Verdacht — , kann ich Ihnen auch für den Schatzmeister der Hanns-Seidel-Stiftung, soweit er Erich Riedl heißt, diese Frage klar mit Nein beantworten.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Gansel.
Wann hat die Bundesregierung die Genehmigung für diese Raketenentwicklungsprojekte a) in den Irak und b) nach Argentinien widerrufen?
Dr. Riedl, Parl. Staatssekretär: Da haben Sie mich jetzt auf dem falschen Fuß erwischt, Herr Abgeordneter. Das müßte ich nachschauen. Ich kann Ihnen das Datum aus dem Kopf nicht sagen. Sie bekommen es aber noch heute — wir machen es ja immer so —, d. h. so schnell wie möglich, von mir übermittelt. Ich sage Ihnen das zu.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter von Bülow.
Metadaten/Kopzeile:
10028 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 136. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 19. April 1989
Herr Staatssekretär, können Sie als Vertreter der Bundesregierung ausschließen, daß entsprechende Briefe und Kontaktaufnahmen mit dem Kanzleramt stattgefunden haben, von denen Sie im Augenblick nichts wissen?
Dr. Riedl, Parl, Staatssekretär: Ich kann noch einmal wiederholen, daß ich davon nichts weiß. Ich habe auch keine Anhaltspunkte. Aber was soll man im Leben eigentlich ausschließen? Wissen Sie, ausschließen kann ich gar nichts. Es kann theoretisch solche Briefe geben. Ich weiß es nicht. Aber ich gehe davon aus, daß es sie nicht gibt.
Ich rufe die Frage 20 des Herrn Abgeordneten Müller auf:
Welche Geschäftsverbindungen zur Lieferung und zum Export von Waffen, Technologie, Blaupausen gibt es zwischen MBB bzw. Tochterunternehmen von MBB und der Firma Consent, und bestehen solche Beziehungen heute noch fort?
Dr. Riedl, Parl. Staatssekretär: Herr Abgeordneter Müller, die Bundesregierung hat keine Möglichkeit und sieht es auch nicht als ihre Aufgabe an, über die Geschäftsbeziehungen zweier privater Firmen Auskunft zu geben. Eine derartige Frage kann, wie Sie mir zugeben werden, nur von den betreffenden Firmen selbst beantwortet werden.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Müller.
Da es sich hier ja um sensible Geschäfte dreht und außerdem die Bundesregierung durch Subvention verschiedener Unternehmen, die davon betroffen sind, und durch Rüstungsaufträge direkt damit verbunden ist, ist die Frage schon erlaubt, ob Sie, Herr Staatssekretär, vielleicht davon wissen, daß ehemalige Mitarbeiter von MBB bei Consent arbeiten oder gearbeitet haben und daß Consent z. B. auch ein Büro im Bereich MBB unterhalten hat bzw. unterhält.
Dr. Riedl, Parl. Staatssekretär: Herr Abgeordneter, ich bin in diesem Fall genau wie Sie auf Pressemitteilungen angewiesen. Das, was ich in der Presse gelesen habe, habe ich zur Kenntnis genommen. Ich kann es Ihnen allerdings inhaltlich nicht bestätigen. Es ist auch nicht Aufgabe der Bundesregierung, solchen Meldungen en détail nachzugehen. Dafür gibt es in Deutschland Staatsanwaltschaften. Die Bundesregierung ist auch darüber unterrichtet, daß z. B. die Staatsanwaltschaft Bielefeld gegen die Firma GildemeisterProjecta GmbH ermittelt. Ergebnisse dieser Ermittlungen sind der Bundesregierung aber leider bisher nicht bekannt.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter
Herr Staatssekretär, auch als Koordinator für die deutsche Luft- und Raumfahrtindustrie und als jemand, der die Fusion von Daimler-Benz und MBB betreibt, hat Sie nicht interessiert, daß ein Unternehmen, das in diese Fusion eintreten soll, in solche möglicherweise nicht rechtmäßigen Geschäfte verwickelt ist?
Dr. Riedl, Parl. Staatssekretär: Das interessiert mich natürlich. Vom Bekanntwerden dieser Gesichtspunkte an hat es mich natürlich sehr interessiert. Mich interessiert vor allen Dingen, was bei den staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren herauskommt. Es gibt keinen Zweifel, Herr Abgeordneter, daß mich das interessiert.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Gansel.
Ist Ihnen als Vertreter des Bundeswirtschaftsministeriums, das nach dem Gesetz für die Einhaltung des Kriegswaffenkontrollgesetzes verantwortlich ist, bekannt, daß nach eben diesem Kriegswaffenkontrollgesetz Unternehmen, die, wie das Gesetz sagt, die erforderliche Zuverlässigkeit nicht haben, keine Kriegswaffen herstellen dürfen, und würden Sie einem Unternehmen die nach dem Gesetz verlangte Zuverlässigkeit zubilligen, wenn dieses gegen die politischen Erklärungen der Bundesregierung und gegen vertragliche Vereinbarungen der Bundesregierung mit anderen Regierungen über das Verbot der Weitergabe von Raketentechnologie in einem Spannungsgebiet des Nahen Ostens sich an der Entwicklung und Produktion einer Mittelstreckenrakete beteiligte, die für Israel eine tödliche Bedrohung darstellte?
Dr. Riedl, Parl. Staatssekretär: Herr Abgeordneter, wenn sich dieser von Ihnen dargestellte theoretische Fall nachweislich als solcher ergäbe, würde die Bundesregierung — und das gilt natürlich auch für mich als Koordinator — selbstverständlich die im Gesetz vorgeschriebenen Konsequenzen zu ziehen haben.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter von Bülow.
Herr Staatssekretär, entspricht es der Regierungskunst dieser Regierung, daß sie wie schon bei der Libyen-Affäre zunächst aus der Presse und aus anderen Quellen entnimmt, daß sich bestimmte Ereignisse abzeichnen, und dann auf gerichtsverwertbare Beweise wartet, um vor aller Welt darzutun, daß sie ihre gesetzlichen Aufgaben erfüllt?
Dr. Riedl, Parl. Staatssekretär: Herr Abgeordneter, die Bundesregierung hält sich an Recht und Gesetz. Aber die Bundesregierung — das habe ich in dieser Fragestunde schon öfter gesagt — kann nicht hinter jeden deutschen Geschäftsmann, Physiker, Chemiker und Techniker einen Kriminalbeamten, einen Polizeibeamten stellen. Das ist doch selbstverständlich.
Wenn der Bundesregierung Fakten und Tatsachen, vor allen Dingen, was besonders erfreulich wäre, nachweisbare Fakten und Tatsachen, zur Kenntnis gelangen, dann wird die Bundesregierung in der Zukunft so wie auch in der Vergangenheit nach Gesetz und Recht handeln und vorgehen.
Ich rufe die Frage 21 des Herrn Abgeordneten Dr. von Bülow auf — es wiederholt sich alles ein bißchen —:
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Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 136. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 19. April 1989 10029
Vizepräsidentin RengerErmittelt die Staatsanwaltschaft wegen der Beteiligung deutscher Firmen an der Entwicklung und dem Bau der Rakete Condor II in Ägypten auch gegen die Firma MBB oder MBB-Tochterfirmen, und welches ist gegebenenfalls der Stand der Ermittlungen?Dr. Riedl, Parl. Staatssekretär: Danke schön, Frau Präsidentin. Herr Abgeordneter Dr. von Bülow, das von der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht München II geführte Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Beteiligung deutscher Firmen an der Entwicklung und dem Bau der Rakete Condor II richtet sich derzeit nicht gegen Verantwortliche der Firma MBB oder gegen Verantwortliche von MBB-Tochterfirmen. Die Staatsanwaltschaft wertet zur Zeit umfangreiche Unterlagen aus, die ihr von MBB und von MBB-Tochterfirmen zur Verfügung gestellt wurden.Nach eigenen Angaben hat sich die Firma MBB, nachdem ihr die militärische Zielrichtung des Projekts Condor II bekannt wurde, aus dem Projekt zurückgezogen.
Zusatzfrage, Herr Dr. von Bülow? — Keine Zusatzfrage.
Dr. Riedl, Parl. Staatssekretär: Herr Abgeordneter Gansel, ich habe Ihnen ja gesagt, ich kann es nicht mit Datum und Stunde sagen. Laut eigenen Angaben hat sich die Firma MBB, nachdem ihr die militärische Zielrichtung bekannt geworden war, zurückgezogen. Ich werde danach nachfragen, Herr Abgeordneter. Sie bekommen auch das von mir schnellstmöglich nachgeliefert.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter
Herr Staatssekretär, hat MBB oder das Tochterunternehmen MBB-Transtechnica Gefechtsköpfe oder Blaupausen für Raketengefechtsköpfe nach Ägypten geliefert, die für Kurz- und Mittelstreckenraketen geeignet sind? Wissen Sie das zufällig?
Dr. Riedl, Parl. Staatssekretär: Ob das der Fall ist, wird von der Staatsanwaltschaft sicher zur Zeit geprüft. Ich weiß es nicht. Ich weiß es auch nicht zufällig.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Gansel.
Erinnern Sie sich, Herr Staatssekretär, daß ich Sie bereits im vorigen Jahr in einer Fragestunde nach Ihren Kenntnissen über die Tätigkeit von etwa 40 Raketenspezialisten der Firma Euro Missile — Mutter: MBB — im Irak während des iranisch-irakischen Raketenkriegs gefragt habe und daß Sie auf meine Frage nach dem Einsatz dieser Experten bei der irakischen Raketenherstellung geantwortet haben, deutsche Techniker könnten reisen, wohin sie wollten, und das sei für Sie kein Thema; und würden Sie diese Antwort heute so wiederholen; oder hat es inzwischen einen Lernprozeß in der Bundesregierung gegeben?
Dr. Riedl, Parl. Staatssekretär: Herr Abgeordneter, ich kann mich sowohl an die Frage als auch an die von mir gegebene Antwort erinnern. Aber ich bleibe bei der Antwort, die ich damals gegeben habe. Ich habe sie heute vor wenigen Minuten sinngemäß wiederholt: Techniker jedweder Provenienz können ins Ausland reisen, wie sie wollen. Ich habe auch damals gesagt: Wir können nicht überall einen Polizisten dahinterstellen.
Wenn uns allerdings — das ist der Punkt, um den es in allen diesen Fällen geht — verwertbare Tatsachen, Nachrichten und Hinweise auf strafbare Handlungen von im Ausland tätigen Deutschen zugehen, werden die zuständigen deutschen Behörden handeln. Das sind insbesondere die Staatsanwaltschaften und die Polizeibehörden an den Grenzen. Sie bedürfen z. B. eines Haftbefehls, wenn konkrete Fälle eintreten.
Aber ich muß Ihnen auch zu dem von Ihnen zitierten Fall noch einmal ganz klar sagen: Hinweise gab es für mich in diesem Fall damals nicht. Auch in den jetzigen Fällen tappen wir im Prinzip im dunkeln und können uns in aller Regel nur auf das konzentrieren, was in der Presse steht.
Ich rufe die Frage 22 des Herrn Abgeordneten Dr. von Bülow auf:
Liegen Erkenntnisse darüber vor, daß deutsche Firmen nicht nur am Aufbau von Forschungs- und Entwicklungseinrichtungen im Irak, sondern auch am Aufbau von Produktionsstätten für Raketen und an der Lieferung von dafür geeigneten Apparaten/ Maschinen beteiligt waren bzw. sind?
Dr. Riedl, Parl. Staatssekretär: Herr Abgeordneter, der Bundesregierung liegen Hinweise vor, die auf eine Beteiligung deutscher Firmen an der Errichtung einer Forschungs- und Entwicklungsanlage für militärische Zwecke und auch für Raketentechnologie hindeuten. Nach den Erkenntnissen der Bundesregierung ist nicht auszuschließen, daß in diesem Forschungs- und Entwicklungszentrum auch eine begrenzte Produktionskapazität für Panzer und BodenLuft-Raketen geschaffen wird.
Zusatzfrage, Herr Dr. von Bülow? — Herr Gansel.
Herr Staatssekretär, auf eine Kleine Anfrage der GRÜNEN hat die Bundesregierung im vorigen Jahr erklärt, sie werde mit dem Vorstand der MBB Gespräche darüber führen, wie der Transfer von Raketentechnologie eingeschränkt werden könnte. Welche Gespräche sind mit welchem Ergebnis mit diesem Unternehmen bislang geführt worden?
Dr. Riedl, Parl. Staatssekretär: Herr Abgeordneter, es hat solche Gespräche gegeben; das möchte ich Ihnen hier versichern. Über die Inhalte im einzelnen — es gibt hier Aktenvermerke im Haus — kann ich Sie im Augenblick leider nicht informieren, weil ich an diesen Gesprächen nicht beteiligt war. Ich werde mich einmal bemühen, im Bundeswirtschaftsministerium festzustellen, ob Ihnen unter Wahrung gesetzlicher Vorschriften über die Inhalte dieser Gespräche, vielleicht auch vertraulich, Auskunft gegeben werden kann.
Danke schön, Herr Staatssekretär.
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10030 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 136. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 19. April 1989
Vizepräsidentin RengerIch rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten auf. Herr Parlamentarischer Staatssekretär Gallus steht zur Verfügung.Ich rufe Frage 23 des Herrn Abgeordneten Dr. Weng auf:Gibt es in der Bundesrepublik Deutschland Produkte, in denen Walfleisch verarbeitet ist, z. B. aus Island oder Japan, und was gedenkt die Bundesregierung gegebenenfalls zu unternehmen, um durch Nichtzulassung solcher Produkte internationale Abkommen zum Schutz der Wale auszufüllen?Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Frau Präsident! Herr Kollege Weng, auf Grund des Bundesnaturschutzgesetzes in der Neufassung vom 12. März 1987, § 20 g Abs. 2, in Verbindung mit der EG-Verordnung 3626/87 zur Durchführung des Washingtoner Artenschutzübereinkommens ist es in der Bundesrepublik Deutschland verboten, Walteile oder Walerzeugnisse zu verkaufen, zum Verkauf vorrätig zu halten, anzubieten oder zu befördern.
Dementsprechend ist nach Angaben des Statistischen Bundesamtes während des Jahres 1988 kein Walfleisch in die Bundesrepublik Deutschland eingeführt oder hier verarbeitet worden.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Weng.
Herr Staatssekretär, ist auch in jedem Fall gewährleistet, daß nicht aus anderen Ländern der EG möglicherweise irgendwelche Fertigprodukte, die Importen aus Drittländern, die Walfang betreiben, entspringen, bei uns eingeführt werden könnten?
Gallus, Parl. Staatssekretär: Uns ist nicht bekannt, daß etwas, soweit es so bezeichnet wäre, daß es Walfleisch ist oder Walfleisch beinhaltet, in der Bundesrepublik vertrieben wird. Es ist allerdings sehr schwer, mit dieser Zollstelle klarzukommen, weil hier ein Sammelbegriff vorherrscht: Produkte aus Blut und Fleisch von anderen Tieren. Unter dieser Bezeichnung wird es hier geführt. Wenn keine Bezeichnung darauf ist, daß Walfleisch darin ist, könnte es durchaus sein, daß in solch einem Produkt auch Walfleisch ist. Das können wir natürlich nicht überprüfen.
Zweite Zusatzfrage.
Ist die Bundesregierung denn bereit, Herr Staatssekretär, diplomatisch an die Länder heranzutreten, die das Washingtoner Artenschutzabkommen in dem genannten Teil ersichtlich sehr weitherzig, wenn nicht gar mißbräuchlich auslegen, um hier zu einer Einstellung des Walfangs zu kommen?
Gallus, Parl. Staatssekretär: Die Bundesregierung, Herr Kollege, hat von Anfang an auf Seiten derer gestanden, die gefordert haben, jeden Walfang zu verbieten. Es gibt nur noch drei Länder, die zu wissenschaftlichen Zwecken Walfang vornehmen können; das sind Island, Norwegen und Japan. Dabei ist es so, daß „wissenschaftlicher Zweck" eben bedeutet, daß der Magen der Tiere und bei weiblichen Tieren die Gebärmutter untersucht wird. Alles andere kann kommerziell verwertet werden.
Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär. Damit ist Ihr Bereich beendet, denn die Fragen 24 und 25 des Abgeordneten Eigen werden schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung auf. Der Herr Parlamentarische Staatssekretär Höpfinger steht zur Beantwortung zur Verfügung.
Ich rufe Frage 26 des Herrn Abgeordneten Fuchtel auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung Bemühungen, beispielsweise im Rahmen von Kooperationsabkommen zwischen Industrie- und Handelskammern in der Bundesrepublik Deutschland und in Frankreich, gemeinsam zweisprachige Umschulungsmaßnahmen für arbeitslose Akademiker und arbeitslose Praktiker zum „Fachkaufmann für Außenwirtschaft" mit Ausbildungsblocks in beiden Ländern durchzuführen?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Frau Präsidentin, Kollege Fuchtel, darf ich bitten, daß ich beide Fragen gemeinsam beantworten kann?
Bitte sehr. Dann rufe ich auch Frage 27 des Herrn Abgeordneten Fuchtel auf:Inwieweit stehen zur Förderung solcher Projekte nach dem Arbeitsförderungsgesetz Bestimmungen entgegen, und was will sie unternehmen, um sicherzustellen, daß künftig eine Förderung solcher Maßnahmen aus dem Europäischen Sozialfonds möglich wird?Höpfinger, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Fuchtel, die Bundesregierung begrüßt die Bemühungen privatrechtlicher Institutionen zur Durchführung gemeinsamer Weiterbildungsmaßnahmen der Arbeitnehmer aus den EG-Staaten. Gerade im Hinblick auf den zu erwartenden Binnenmarkt hält sie Maßnahmen dieser Art für nützlich, sofern es sich um Berufsbereiche handelt, die grenzüberschreitend ausgeübt werden. Hierbei muß allerdings beachtet werden, daß im Hinblick auf die im Bildungsbereich tätigen mehreren tausend Bildungsträger allein in der Bundesrepublik bestimmte fachliche und finanzielle Grenzen unvermeidlich sind.Zu Ihrer zweiten Frage darf ich folgendes bemerken. Gemäß § 34 Abs. 1 des Arbeitsförderungsgesetzes wird nur die Teilnahme an Bildungsmaßnahmen gefördert, die im Geltungsbereich des Arbeitsförderungsgesetzes durchgeführt werden. Eine Maßnahme verliert jedoch dann nicht den Charakter eines inländischen Bildungsangebotes, wenn es aus sachlichen Gründen erforderlich ist, daß einzelne Lehrgangsteile im Ausland stattfinden und die einzelnen Lehrveranstaltungen im Ausland mit den übrigen Lehrgangsteilen eine einheitliche Maßnahme bilden, sie in einem engen zeitlichen, inhaltlichen und organisatorischen Zusammenhang mit dieser ablaufen, es sich um integrierte unselbständige Teile des im einzelnen vorgeschriebenen Lehrgangs handelt und der Träger seinen Sitz im Inland hat und die wesentlichen Lehrveranstaltungen im Inland stattfinden. Insoweit werden
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Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 136. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 19. April 1989 10031
Parl. Staatssekretär Höpfingerschon heute auch für im Ausland stattfindende Maßnahmeteile Unterhaltsgeld gezahlt und Maßnahmekosten erstattet. Das geltende Recht ermöglicht allerdings noch nicht die Förderung solcher Maßnahmen, die etwa je zur Hälfte in der Bundesrepublik und in einem anderen EG-Land durchgeführt werden.Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften hat am 15. Februar 1989 Richtlinien für die Beteiligung des Europäischen Sozialfonds zur Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit und zur Eingliederung von Jugendlichen in das Arbeitsleben erlassen. Nach diesen Leitlinien erhalten u. a. Maßnahmen Förderpriorität, die gemeinsam von Trägern mehrerer Mitgliedstaaten oder auf Gemeinschaftsebene durchgeführt werden und einen Austausch von Ausbildungsprogrammen, Lehrkräften und Lehrgangsteilnehmern umfassen. Dabei ist die Förderung arbeitsloser Akademiker möglich. Die Bundesregierung wird prüfen, mit welchen nationalen Mitteln derartige Maßnahmen mitfinanziert werden können.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Fuchtel.
Herr Staatssekretär, weiß die Bundesregierung, daß für das in Frage stehende Projekt der Industrie- und Handelskammer Pforzheim bereits bei der Ankündigung eine große Zahl von Interessenten vorhanden war, so daß mehrere parallele Maßnahmen hätten durchgeführt werden können, und daß durch die Rechtslage dies alles nicht möglich ist?
Höpfinger, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Fuchtel, das ist sehr wohl bekannt. Wie ich aber vorhin ausgeführt habe, ist es entscheidend, zu welchen Teilen diese Maßnahmen in der Bundesrepublik Deutschland oder in anderen EG-Ländern durchgeführt werden sollen. Selbstverständlich wird die Bundesregierung auch diese Frage prüfen.
Zusatzfrage.
Ist der Bundesregierung bekannt, daß durch den Verzicht auf 50 % der Umschulungskosten aus dem Europäischen Sozialfonds die alternativ rein deutsche Maßnahme zu 100 % aus eigenen Mitteln und damit allein zu Lasten des deutschen Beitragszahlers finanziert werden muß?
Höpfinger, Parl. Staatssekretär: Zunächst geht es darum, Herr Kollege Fuchtel, daß wir uns an die Richtlinien und an die Bestimmungen, die das Arbeitsförderungsgesetz vorgibt, halten. Es ist selbstverständlich, daß, wenn neue Situationen auftreten, dann auch solche Fragen überprüft werden müssen.
Weitere Zusatzfrage.
Ist der Bundesregierung bekannt, daß durch dieses Verhalten und Ausscheiden der deutschen Seite auch die französische Maßnahme nicht in dieser Weise durchgeführt werden kann?
Höpfinger, Parl. Staatssekretär: Ich darf noch einmal darauf hinweisen: Das ist sehr wohl bekannt. Dann aber geht es darum, die Bestimmungen im Arbeitsförderungsgesetz entsprechend zu ändern.
Meine letzte Frage: Können Sie dann wenigstens noch erläutern, warum die Bundesregierung so restriktiv handelt?
Höpfinger, Parl. Staatssekretär: Es ist auch auf Mißbrauchstatbestände hinzuweisen. Von dieser Vorsichtshaltung her muß man natürlich sagen: Es ist sehr wohl zu überlegen, ob das Arbeitsförderungsgesetz in dem Maße geändert wird, daß dann auch Maßnahmen in anderen Ländern gefördert werden, ohne daß entsprechende Kontrollmaßnahmen da sind, um festzustellen, um welche Bildungsmaßnahmen es sich handelt.
Ich rufe die Frage 28 des Herrn Abgeordneten Dreßler auf:Hat die Bundesregierung die Absicht, dem Deutschen Bundestag eine Gesetzesänderung vorzuschlagen, um befristete Arbeitsverträge ohne sachlichen Grund nach dem sogenannten Beschäftigungsförderungsgesetz über das Jahr 1989 hinaus massenweise weiter zuzulassen, obwohl durch diese Regelung selbst der besondere Kündigungsschutz der Schwangeren, Behinderten und Wehrdienstleistenden unterlaufen wird und nachgewiesenermaßen keine zusätzliche Beschäftigung erreicht wurde?Bitte schön, Herr Staatssekretär.Höpfinger, Parl. Staatssekretär: Frau Präsidentin, Herr Kollege Dreßler, die Willensbildung der Bundesregierung hierzu steht kurz vor dem Abschluß. Ihre Entscheidung wird von den Ergebnissen der von ihr in Auftrag gegebenen Untersuchung über die Auswirkungen des Beschäftigungsförderungsgesetzes abhängig sein. Der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung erwartet den Abschlußbericht in den nächsten Tagen.Die bisher vorliegenden vorläufigen Ergebnisse der Untersuchung durch das Wissenschaftszentrum Berlin und Infratest München zeigen aber bereits, daß die Ihrer Frage zugrunde liegenden Aussagen nicht stimmen.Die Regelungen des Beschäftigungsförderungsgesetzes über die befristeten Arbeitsverträge haben sich im wesentlichen bewährt. Bis heute ist es zu rund 150 000 zusätzlichen Dauerarbeitsverträgen auf der Grundlage des Beschäftigungsförderungsgesetzes gekommen; die Übernahmequote bei den befristeten Arbeitsverträgen nach dem Beschäftigungsförderungsgesetz beträgt 56 %. Demgemäß sieht die Mehrzahl der Arbeitnehmer in den befristeten Arbeitsverträgen den Einstieg in eine unbefristete Beschäftigung.Die vorläufigen Untersuchungsergebnisse entkräften auch weitgehend die Annahme, befristete Arbeitsverträge würden von den Arbeitgebern zur Umgehung des besonderen Kündigungsschutzes für werdende und junge Mütter, Schwerbehinderte und Wehrpflichtige genutzt.Der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung wird die Ergebnisse der Untersuchung in den nächsten Tagen veröffentlichen.
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10032 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 136. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 19. April 1989
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dreßler.
Herr Staatssekretär, wie bewerten Sie im Lichte der mir gerade gegebenen Antwort den Sachverhalt, daß eine Umfrage der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände in 2 264 Unternehmen mit 1,7 Millionen Beschäftigten in 16 Wirtschaftszweigen ergeben hat, daß die Hälfte aller Einstellungen, knapp 50 % , befristet vorgenommen wurde, und glaubt die Regierung wirklich, die industriegesellschaftliche Wirklichkeit dieses Landes richtig wiederzugeben, wenn man bei 50 % aller Einstellungen in Unternehmungen nicht weiß, ob es sich um eine Dauerbeschäftigung handelt oder nicht?
Höpfinger, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Dreßler, ich möchte noch einmal auf das Ergebnis unserer Untersuchung hinweisen, an der zwei Institute beteiligt waren. Ich darf jetzt noch einmal sagen, zu welchen Ergebnissen diese Untersuchung — dabei handelt es sich um vorläufige Ergebnisse — gekommen ist.
Da ist zunächst einmal zu nennen: Die Betriebe haben das Beschäftigungsförderungsgesetz 1985 in verantwortungsvoller Weise angenommen. Das ist die eine Aussage.
Zweitens. Die befristeten Verträge nach dem Beschäftigungsförderungsgesetz 1985 haben sich als Einstieg in ein Dauerarbeitsverhältnis bewährt.
Drittens. Es sind Beschäftigungszuwächse erzielt worden.
Viertens. Das Gesetz hat sich nicht nachteilig auf die Arbeitsbedingungen der Arbeitnehmer ausgewirkt.
Herr Kollege Dreßler, ich muß von den Ergebnissen ausgehen, die die Untersuchungen erbracht haben. Ich nehme an, die sind wissenschaftlich fundiert, also so, daß man sich auf die Aussagen auch stützen kann.
Weitere Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, die Zeit läßt ja nicht zu, daß ich jetzt längere Ausführungen mache. Darum darf ich an Hand eines allerdings exemplarischen Beispiels, das der Bundesregierung bekannt ist, fragen: Da Sie wissen — wie ich es weiß — , daß die Firma Neff in Baden-Württemberg — und das ist exemplarisch; ich will das noch einmal unterstreichen — im vergangenen Jahr 14 schwangere Arbeitnehmerinnen nach Ablauf des Zeitvertrages aus diesen Gründen nicht in ein festes Arbeitsverhältnis übernommen hat, wie kommen Sie dazu, eine solche Untersuchung, deren Zwischenergebnis Sie gerade mitteilten, völlig kritiklos, gemessen an der gesellschaftlichen Wirklichkeit, die Ihnen auch bekannt ist, als Grundlage für weitere gesetzliche Maßnahmen zu nehmen?
Höpfinger, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Dreßler, ich habe vorhin schon erwähnt: Es handelt sich um eine vorläufige Aussage, bis der Bericht endgültig
zusammengestellt ist. Wir glauben, daß er in den nächsten Tagen übergeben werden kann.
Ich bin überzeugt: In diesem Bericht werden sowohl die positiven Aussagen, die ich genannt habe, als sicher auch negative Auswirkungen nachzulesen sein. Der Bericht wird dem Parlament zur Verfügung gestellt. Ich bin überzeugt, daß wir sehr bald Gelegenheit haben werden, sowohl über den Bericht als auch über die weitere Behandlung des Beschäftigungsförderungsgesetzes im Parlament zu diskutieren und zu entscheiden.
Ich will damit zum Ausdruck bringen: Ich habe die positiven Dinge des Berichtes genannt. Natürlich wird es auch negative Dinge geben, die wir im Parlament ebenfalls anzusprechen haben.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Grünbeck.
Herr Staatssekretär, teilen Sie meine Auffassung, daß die Umfrage der Arbeitgeber den Trend genau bestätigt, daß diese Zeitverträge ihre Berechtigung dadurch erworben haben, daß man durch strukturelle Veränderungen der Arbeitswelt in sich die höhere Qualifikation des Arbeitnehmers nicht ausschließen kann, und daß es besser ist, wenn bei Zweifel des Arbeitgebers auf Zeitvertrag eingestellt wird, als gar nicht eingestellt wird, weil die Belege für die Qualifikation des Arbeitnehmers für den entsprechenden freien Arbeitsplatz nicht eindeutig zu erbringen sind?
Höpfinger, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Grünbeck, als das Gesetz behandelt wurde, gingen wir von der Grundüberlegung aus: Befristet in Arbeit ist besser als unbefristet arbeitslos. Nachdem wir nun feststellen, daß das Gesetz seine positive Wirkung gehabt hat, wird man natürlich auch die negativen Dinge, die aufgetreten sind, ansprechen müssen. Ich bin sicher, die Bundesregierung wird alles tun, um die positive Entwicklung des Gesetzes zu fördern und um die negativ bekanntgewordenen Tatsachen einzustellen, sie zu hindern und abzuschaffen.
Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär. Ich glaube, das war die letzte Fragestunde.
Höpfinger, Parl. Staatssekretär: Das war die letzte Fragestunde, Frau Präsidentin; so ist es.
— Danke schön.
Ich denke, es war ein Vergnügen, mit Ihnen zusammenzuarbeiten. Danke.Die Fragen 29 und 30 des Abgeordneten Reimann sowie die Fragen 31 und 32 des Abgeordneten Kirschner werden schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung auf. Herr Parlamentarischer Staatssekretär Wimmer steht zur Beantwortung zur Verfügung.Die Frage 33 des Abgeordneten Weisskirchen , die Frage 34 der Abgeordneten Frau
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Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 136. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 19. April 1989 10033
Vizepräsidentin RengerOdendahl sowie die Fragen 35 und 36 der Abgeordneten Frau Dr. Wegner werden schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.Ich rufe die Frage 37 des Herrn Abgeordneten Grünbeck auf:Hat die Bundesregierung die Vorgänge bezüglich ,,Tiefflugübungen über dem Kernkraftwerk Gundremmingen" am Freitag, dem 17. Februar 1989, überprüft, und zu welchem Ergebnis ist sie dabei gekommen?Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege Grünbeck, die Antwort auf Ihre erste Frage lautet wie folgt: Die unmittelbar nach Bekanntwerden des Vorfalls beim Kernkraftwerk Gundremmingen eingeleiteten Ermittlungen haben bestätigt, daß ein Militärflugzeug am Freitag, dem 17. Februar 1989, den auf 1,5 km festgelegten Mindestabstand zu diesem Kernkraftwerk nicht eingehalten hat. Die Auswertung der inzwischen vorliegenden Photographien hat gleichzeitig ergeben, daß die in der Presse veröffentlichten Zeugenaussagen unrichtig waren. So hat sich das beobachtende zivile Luftfahrzeug in 4,5 km Entfernung zum Kernkraftwerk befunden und nicht, wie dargestellt, in 2 km Entfernung. Die Flughöhe des fraglichen Militärflugzeugs betrug etwa 500 m und nicht etwa 180 bis 200 m. Der Abstand dieses Militärflugzeugs zum Kernkraftwerk betrug 700 statt, wie angegeben, 200 m.
Obwohl damit die für den allgemeinen Luftverkehr — zivil — verbindlichen Abstände gewahrt blieben, liegt ein Verstoß gegen militärische Flugregeln vor. Die beteiligte alliierte Besatzung wurde ermittelt und die rechtliche Würdigung des Vorfalls durch die zuständigen Behörden aufgenommen.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Grünbeck, bitte.
Herr Staatssekretär, wenn über einem Kernkraftwerk, dessen Bestand die Bevölkerung in der Umgebung toleriert, ja, sogar akzeptiert, ständig neue Tiefflüge — und zwar wider die gesetzlichen Regeln — durchgeführt werden, wäre es dann nicht Zeit, wenn man die militärischen Einheiten und die Flieger selber ermittelt hat, entsprechende disziplinarische Strafen zu verhängen?
Wimmer, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Grünbeck, das ist in der Tat der Fall. Wenn die Ermittlungen hier zu einem entsprechenden Ergebnis gekommen sind — Sie wissen, daß wir die entsprechenden Flugzeugbesatzungen dann auch in Erfahrung bringen — , ist es sowohl bei der deutschen als auch bei den alliierten Luftwaffen Tradition — es ist übrigens eine gesetzliche Verpflichtung — , daß diese entsprechenden Besatzungen dann auch zur Rechenschaft gezogen werden. Das hat in der Vergangenheit im äußersten Fall bereits dazu geführt, daß Besatzungen ihre Lizenz verloren haben.
Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß über dem Kernkraftwerk Gundremmingen
allein 1988 168 Flugtage veranstaltet wurden, und ist nicht auch die Summe aller Flugtage für die Bevölkerung dort in der Nähe eines Kernkraftwerks eine unzumutbare Belästigung?
Wimmer, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Grünbeck, der Bundesminister der Verteidigung hat zuletzt im Dezember des vergangenen Jahres noch einmal die Sicherheitsabstände für Kernkraftwerke erweitert, und zwar über das Maß hinaus, das auch für zivile Flugzeuge gilt. Wir gehen davon aus, daß sich die Piloten, die das in ihren Flughandbüchern notifiziert haben, an das halten, was an Vorschriften eingeführt worden ist, um einen gewissen, über das zivile Maß hinausgehenden Mindestabstand zu den Kernkraftwerken zu halten.
Wir haben in der überwiegenden Zahl der Vorfälle immer wieder den nachdrücklichen Hinweis bekommen, daß die Piloten diese Sicherheitsabstände einhalten. Für den Fall, daß das nicht geschieht, ahnden wir es, wenn es uns bekannt wird. Wir haben zahlreiche Überprüfungen durch Skyguard-Geräte und andere Möglichkeiten vorgenommen. Wir mußten davon ausgehen, daß es im statistischen Mittel nur in rund 1 % aller Fälle, wo geflogen wird, zu Verstößen kommt. Das ist eine Rate, die wir intensiv zu verringern suchen. Deswegen haben wir im Rahmen unserer Überlegungen alles getan, um die Überprüfungsmöglichkeiten zu intensivieren, und als weiteres Ergebnis dieser Überlegungen die Sicherheitsabstände zu den Kernkraftwerken — anders als im zivilen Bereich — verändert.
Ich rufe die Frage 38 des Abgeordneten Grünbeck auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß die Übungen „Anflug auf Gundremmingen" fortgesetzt werden ?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Wimmer, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Grünbeck, angebliche weitere Vorfälle der geschilderten Art sind der Bundesregierung nicht bekannt.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, würden Sie mir abnehmen, daß ich persönlicher Zeuge bei den „weiteren Vorfällen" war und daß man das als Beleg dafür anführen kann, daß selbst Ahndungen und Verwarnungen an das Personal einfach ignoriert werden und wenige Tage nach dem offiziell bekannten Vorfall ein neuer Anflug auf Gundremmingen stattgefunden hat?Wimmer, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Grünbeck, Sie gehen in Ihrer Frage von einem speziellen Datum aus. Es handelt sich danach um einen Vorfall, der sich angeblich am 3. März 1989 gegen 15 Uhr ereignet hat. Davon ist der Bundesregierung nichts bekannt. Ich will aber Ihre Frage gerne zum Anlaß nehmen, wenn Sie uns gegenüber einen entsprechenden Wunsch äußern, in geeigneter Weise über das bisher bereits stattgefundene Maß hinaus erneut eine intensive Überprüfung in diesem betroffenen Gebiet einzuleiten. Ich glaube, daß das auch die adäquate Maßnahme ist. Denn persönliches Beurteilungsvermögen
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10034 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 136. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 19. April 1989
Parl. Staatssekretär Wimmerim Zusammenhang mit solchen Dingen ist eine äußerst schwierige Problematik. Ich glaube, daß wir beide einvernehmlich davon ausgehen können, daß wir uns durch eine geeignete Überprüfung davon in Kenntnis setzen, ob es im Bereich Gundremmingen zu einer unvertretbaren Häufung von Fehleinschätzungen durch Piloten kommt, die nicht toleriert werden könnten.
Zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter.
Herr Staatssekretär, wären Sie bereit, mich bei Ihren weiteren Ermittlungen über den Vorfall vom 3. März um 15 Uhr als persönlichen Zeugen einzuladen, damit ich diesen Herrschaften sagen kann, daß ich selbst in Gundremmingen war?
Wimmer Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Grünbeck, wir sind sehr gern damit einverstanden, daß ein Abgeordneter des Deutschen Bundestages, wenn er sich so um diese Probleme kümmert, als sachverständiger Zeuge, soweit das möglich ist, zur Verfügung steht.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Weng.
Herr Staatssekretär, ist es angesichts der genannten wohl recht häufigen Vorfälle dieser Art nicht sinnvoll, wenn das Verteidigungsministerium in dem genannten Bereich über eine längere Zeit eines der Skyguard-Überwachungsgeräte hinstellt, damit den Piloten auf den umliegenden Fliegerhorsten der Appetit auf solche Anflüge für diesen Bereich vergeht?
Wimmer, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Dr. Weng, exakt das war Gegenstand meines Vorschlags gerade an den Kollegen Grünbeck: daß man sich in Anbetracht der von ihm geschilderten Vorfälle bemühen sollte, geeignete Überprüfungsmaßnahmen in Gundremmingen gegebenenfalls erneut zu installieren. Das Skyguard-Gerät ist eine dieser Möglichkeiten.
Ich darf allerdings aus unserer Sicht der Dinge darauf aufmerksam machen, daß eine Verstoßrate von rund 1 % aller Flugbewegungen in der Bundesrepublik Deutschland, soweit sie kontrolliert werden können — es handelt sich um Verstöße, um ein Fehlverhalten — , eigentlich beispielhaft ist, wenn ich mir andere in diesem Land ansehe, die auch gehalten sind, Gesetze oder Verordnungen einzuhalten. Deswegen glaube ich, daß aus einem solchen Umstand nicht geschlossen werden kann, daß sich Piloten der deutschen Luftwaffe oder Piloten der alliierten Luftwaffen in der Bundesrepublik Deutschland a priori nicht so verhalten, wie es die Gesetze oder Verordnungen fordern.
Es handelt sich offensichtlich um niederländische Piloten, die den ersten zu beurteilenden Fall herbeigeführt haben. Ich glaube auch sagen zu können, daß sich die Abweichungsrate der alliierten Piloten im wesentlichen nicht von der Abweichungsrate der deutschen Piloten unterscheidet. Wir haben die hinlängliche Erfahrung gemacht, daß gerade die Einrichtung des Skyguard-Geräts und die entsprechenden Überprüfungsmöglichkeiten ein zusätzlicher Nachweis dafür gewesen sind, daß sich unsere Piloten a priori eigentlich sehr korrekt verhalten. Das erwarten wir auch von ihnen.
Ich rufe Frage 39 des Herrn Abgeordneten Gansel auf :
Hat Bundesverteidigungsminister Dr. Scholz bei seinem Besuch in Israel der israelischen Regierung Zusagen für eine militärische Zusammenarbeit mit der Bundesrepublik Deutschland in Aussicht gestellt, und ist die Bundesregierung bereit, die Erklärung des Bundesministers der Verteidigung während seines Israel-Besuchs zu bestätigen, sie werde gegen deutsche Firmen, die an einem illegalen Export von Raketentechnik an arabische Länder beteiligt sind, „Sanktionen verhängen"?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Wimmer, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Gansel, zum ersten Teil der Frage, die militärische Zusammenarbeit betreffend, kann ich Ihnen folgendes zur Antwort geben: Kontakte zwischen den israelischen Streitkräften und der Bundeswehr hat es im Laufe der letzten Jahrzehnte immer wieder gegeben. Sie waren unterschiedlich intensiv, aber stets freundschaftlich, offen und von gegenseitigem Informationsaustausch geprägt. Die positiven Erfahrungen aus dieser Zusammenarbeit und das Interesse, ausgewogene und gute Beziehungen zu den Staaten im Nahen Osten sicherzustellen, bestärken die Bundesregierung in der Absicht, diese militärische Zusammenarbeit mit Israel fortzuführen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Bundesregierung hat nach den Vorgängen um Rabta wiederholt unterstrichen, daß sie in Fragen des illegalen Exports von Waffen und Waffentechnologien besonders strikt ist. Sie hat inzwischen Gesetzesvorlagen u. a. zur Verschärfung des Kriegswaffenkontrollgesetzes vorgelegt und wird gegen Firmen und Personen, denen die verantwortliche Teilnahme an solchen illegalen Geschäften nachgewiesen wird, alle zur Verfügung stehenden strafrechtlichen Bestimmungen konsequent anwenden.
Zusatzfrage, Abgeordneter Gansel.
Hat es im Zusammenhang mit dem Besuch des noch amtierenden Bundesverteidigungsministers in Israel Gespräche oder Vereinbarungen über die Lieferung von U-Booten aus deutscher Produktion über die USA nach Israel gegeben?
Wimmer, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Gansel, ich will dieser Frage gerne in besonderer Weise nachgehen und Ihnen für den Fall, daß dazu Gespräche geführt worden sind, im Rahmen des mir Möglichen auch in geeigneter Weise die entsprechenden Ergebnisse mitteilen, für den Fall, sie liegen vor.
Zweite Zusatzfrage.
Hat es in diesem Zusammenhang bislang Genehmigungen der Bundesregierung nach dem Außenwirtschaftsgesetz oder nach dem Kriegswaffenkontrollgesetz gegeben?
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 136. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 19. April 1989 10035
Wimmer, Parl. Staatssekretär: Wie Sie wissen, Herr Kollege Gansel, sind wir als Bundesministerium der Verteidigung für derartige Genehmigungen nicht zuständig. Auch dazu kann ich Ihnen aus meiner Sicht der Dinge nur sagen: Ich bin gern bereit, Ihnen im Rahmen unserer Informationspflicht die entsprechenden Informationen zukommen zu lassen.
Danke sehr, Herr Staatssekretär.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr auf. Der Herr Parlamentarische Staatssekretär Dr. Schulte steht zur Beantwortung der Fragen zur Verfügung.
Ich rufe Frage 40 des Herrn Abgeordneten Austermann auf. — Herr Austermann ist nicht anwesend. Die Frage wird nicht beantwortet.
Die Fragen 41 und 42 der Abgeordneten Frau Walz sind zurückgezogen worden.
Ich rufe die Frage 43 der Abgeordneten Frau Ganseforth auf:
Hält die Bundesregierung es für gerechtfertigt, daß der Bundesbahn-Nahverkehr nur zu 60 vom Bund finanziert wird und die Restfinanzierung einschließlich späterer Folgekosten von Land und Kommunen getragen werden muß, während der Bundesfernstraßenbau, der in den Großstadtregionen zu 90% von Kraftfahrzeugen im Nah- und Regionalverkehr benutzt wird, einschließlich Folgekosten zu 100 % vom Bund getragen wird?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Frau Kollegin, die Finanzierung entspricht den verfassungsmäßigen Zuständigkeiten. Der öffentliche Personennahverkehr ist nach dem Grundgesetz in erster Linie Aufgabe der Länder und Gemeinden und fällt damit auch in deren Finanzverantwortung. Daneben besteht eine Verantwortung des Bundes für die Bundeseisenbahnen.
Der Bund trägt zusätzlich im Rahmen des Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes 60 % der zuwendungsfähigen Investitionskosten und erwartet von den Ländern und Gemeinden eine entsprechende Gegenfinanzierung. Dabei ist sicherzustellen, daß dem Bund und der Deutschen Bundesbahn keine Folgekosten entstehen. Für die Bundesfernstraßen trägt grundsätzlich der Bund die Straßenbaulast. Für Ortsdurchfahrten im Zuge von Bundesstraßen in Gemeinden mit mehr als 80 000 Einwohnern liegt die Baulast bei der Gemeinde.
Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Ganseforth.
Herr Staatssekretär, angesichts der Tatsache, daß ich die Fragen, die ich heute gestellt habe, schon einmal gestellt habe und hoffte, heute eine Antwort zu bekommen — die Antworten, die Sie mir damals gegeben haben, haben Sie heute wiederholt, und sie beantworten meine Frage gar nicht — , muß ich die Frage jetzt noch einmal mündlich nachschieben: Hält die Bundesregierung das, was Sie soeben vorgetragen haben, für gerechtfertigt?
Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Ja, Frau Kollegin. Das zum ersten.
Zum zweiten: Gehen Sie bitte davon aus, daß die Bundesregierung in so kurzer Zeit ihre Meinung nicht ändert.
Ich habe noch eine Zusatzfrage. Halten Sie es, wenn Sie, wie es in Ihrer Antwort zum Ausdruck kam, der Meinung sind, daß sich — bezogen auf den Nahverkehr — die Kommunen und das Land an der Finanzierung des schienengebundenen Nahverkehrs beteiligen müssen, nicht für gerechtfertigt, daß die Kommunen an der Abstimmung der Fahrpläne beteiligt werden und daß zwischen dem Vorschlag der Bahn betreffend Fahrplangestaltung und Drucklegung der Fahrpläne ausreichend Zeit zur Verfügung steht, so daß sich die kommunalen Körperschaften dazu äußern können? Die Tatsache, daß der genannte Zeitraum zu kurz ist mit der Folge, daß eine Beteiligung der Kommunen nicht möglich war, hat im Raum Hannover zu großem Unmut geführt.
Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Ich gehe davon aus, daß diejenigen, die dem Verkehrsmarkt am nächsten sind, beziehungsweise diejenigen, die am nächsten beim Verkehrsnutzer Verantwortung tragen, gehört werden sollten; ich gehe also davon aus, daß die Kommunen beteiligt werden. Mir ist auch bekannt, daß fast überall Kommunen, Wirtschaftsverbände, Gewerkschaften gehört werden. Mich würde es wundern, wenn dies in Ihrem Wahlkreis oder Interessengebiet nicht ausreichend der Fall wäre. Würde sich aus Ihrer Erfahrung etwas anderes ergeben, bitte ich Sie, mir dies mitzuteilen.
Im übrigen muß ich sagen: Nahverkehr ist nun wirklich etwas, wo zunächst einmal die Gemeinden oder die Kreise oder die Länder gefordert sind; der Bund ist hier als allerletzter gefragt. Wir haben im Grunde genommen eine Verantwortung für den Nahverkehr nur über das Grundgesetz mit der Deutschen Bundesbahn.
Ich rufe die Frage 44 von Frau Ganseforth auf:Wie gedenkt die Bundesregierung, auch angesichts des hohen Anteils, den das Auto zum Treibhauseffekt beiträgt, das aufgelaufene Defizit des Schienenausbaus im Nahverkehr im Verhältnis zum im allgemeinen hervorragend ausgebauten Hochleistungsschnellstraßennetz in den Großstadtregionen zu beseitigen?Herr Staatssekretär!Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin, der Bund hat seit Bestehen der Nahverkehrsförderung für den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs rund 23 Milliarden DM im Rahmen des Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes aufgewendet, und er hat damit ein Investitionsvolumen von rund 43 Milliarden DM gefördert. Etwa 90 % davon entfielen auf Schienenwege. Im Vergleich dazu wurden 21 Milliarden DM für den kommunalen Straßenbau bereitgestellt. Der Bund ist bereit, auch künftig den Ausbau des Schienenpersonennahverkehrs nach dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz zu fördern.Der Ausbau der dem weiträumigen überörtlichen Verkehr dienenden Bundesfernstraßen entspricht dem Bedarf, den der Deutsche Bundestag im Bundesfernstraßengesetz festgelegt hat.
Metadaten/Kopzeile:
10036 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 136. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 19. April 1989
Zusatzfrage, Frau Ganseforth.
Auch hierzu muß ich sagen, daß ich diese Antwort schon einmal schriftlich bekommen habe; es ist aber nicht eine Antwort auf meine Frage. Wenn eine Schülerin oder ein Schüler eine Frage so beantworten würde, würden sie eine fünf bekommen: Thema verfehlt.
Deswegen wiederhole ich jetzt meine Frage: Wie gedenkt die Bundesregierung die Differenz zwischen dem schienengebundenen Nahverkehr und dem Individualverkehr, die in der Vergangenheit aufgelaufen ist, auszugleichen? Ich möchte dabei darauf hinweisen, daß ich in der Frage nachgewiesen habe, daß auch das Hochleistungsschnellstraßennetz in den Ballungszentren zu 90 % für den Nahverkehr verwendet wird, also nicht dem Fernverkehr dient. Wie gedenkt die Bundesregierung das auszugleichen?
Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin, wenn Sie konkreten Anlaß haben, erst schriftlich Fragen zu stellen und dann damit in die Fragestunde zu kommen, dann bin ich zusammen mit meinen Mitarbeitern gerne zu einem ausführlichen Gespräch mit Ihnen, mit Ihren Mitarbeitern, mit kommunalpolitisch Verantwortlichen bereit.
Ich glaube, daß der Bund — und jetzt komme ich zum Generellen — seiner Verantwortung gerecht geworden ist. Wir zahlen Jahr für Jahr im Rahmen des Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes zweieinhalb Milliarden DM. Nach der Aufgabenverteilung und der Verteilung der Verantwortlichkeiten nach dem Grundgesetz ist der Bund hierfür zunächst einmal gar nicht verantwortlich. Sie fragen also nach etwas, was die Länder oder Kreise oder Gemeinden zunächst einmal machen müßten, der Bund aber trotzdem bezahlt. Der Autofahrer kriegt es dann bei jedem Tanken erst einmal abgenommen; das ist der Urgrund. Darüber hinaus ist darauf hinzuweisen, daß wir bei der Deutschen Bundesbahn Rekordinvestitionen haben. Ich glaube also, daß das, was Sie in Ihrer Fragestellung ansprechen, von der ganzen Tendenz her nicht richtig ist.
Letzte Zusatzfrage.
Dann möchte ich Sie fragen, wie es möglich ist, daß der Wirtschaftsminister von Niedersachsen, Walter Hirche, CDU, mir Mitte letzten Jahres geschrieben hat:
Das Land erwartet darüber hinaus, daß von der Deutschen Bundesbahn moderne und attraktive Fahrzeuge zur Verbesserung der Verkehrsbedingungen und zur rationelleren Betriebsführung eingesetzt werden. Im Wirtschaftsplan der Deutschen Bundesbahn sind derzeit jedoch keine Mittel für die Beschaffung zusätzlicher neuer Fahrzeuge für den Schienenpersonennahverkehr eingestellt.
Wenn auf allen Ebenen im regionalen Bereich und bis
zur Landesebene Klagen über mangelnde Investitionen der Deutschen Bundesbahn kommen, wie verträgt sich das mit den Äußerungen, die Sie eben gemacht haben?
Ein kleiner Hinweis: Ich glaube, der Kollege Wirtschaftsminister in Hannover ist von der FDP.
Richtig.
Herr Staatssekretär, bitte.
Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Wir geben Investitionsmittel an die Deutsche Bundesbahn. Damit werden Schienenwege finanziert, damit werden auch Fahrzeuge finanziert. Ich glaube nicht, daß wir die Möglichkeit haben, diese Investitionen gewaltig zu steigern. Wir sind hier an einer Grenze angelangt. Es muß darauf ankommen, daß die Deutsche Bundesbahn in der Zusammenarbeit mit den Bundesländern Schritt für Schritt vorgeht. Sie hat Rahmenvereinbarungen mit fast allen Bundesländern abgeschlossen. Es muß dafür gesorgt werden, daß z. B. neue Triebfahrzeuge im Nahverkehr — beispielsweise auch auf dem flachen Land — finanziert werden können.
Hier gibt es konkrete Abmachungen. Der Bund ist bereit, weiterhin Finanzhilfe zu leisten. Dies weist die mittelfristige Finanzplanung aus. Dies ist auch die Verkehrspolitik der Bundesregierung.
Wenn Sie einen konkreten Anlaß haben, auf eine Mangelerscheinung hinzuweisen, dann bitte ich Sie, mir dies konkret mitzuteilen. Ich gehe der Sache dann nach.
Ich danke Ihnen schön, Herr Staatssekretär.
Die Fragen 45 und 46 des Abgeordneten Pfuhl werden auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit — die Fragen 47 und 48 des Abgeordneten Dr. Daniels sowie die Frage 49 des Abgeordneten Stratmann — werden auf Grund von Nr. 2 Abs. 1 der Richtlinien schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Die Frage 50 des Abgeordneten Stratmann wird nicht beantwortet, weil er abwesend ist.
Die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Bildung und Wissenschaft werden auf Wunsch der Fragesteller schriftlich beantwortet. Es handelt sich um die Fragen 51 des Abgeordneten Rixe, 52 des Abgeordneten Kastning und 53 und 54 der Abgeordneten Frau Hillerich. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Damit sind wir am Ende der Fragestunde. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 20. April 1989, 9 Uhr ein.
Die Sitzung ist geschlossen.