Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet.
Ich rufe Tagesordnungspunkt 1 auf: Befragung der Bundesregierung
Meine Damen und Herren, die Themen der Kabinettsitzung, die der Bundesminister für besondere Aufgaben und Chef des Bundeskanzleramtes mitgeteilt hat, sind den Fraktionen bekannt. Die Bundesregierung hat weiter mitgeteilt, daß der Bundesminister des Innern berichtet. Das Wort hat der Bundesminister des Innern.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Frau Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte das Hohe Haus über das informieren, was ich heute im Kabinett erklärt habe.
Ich beabsichtige, dem Kabinett in der nächsten Sitzung am 1. März die 17. und 18. Änderungsverordnung zur Durchführungsverordnung zum Ausländergesetz vorzulegen. Die 17. Änderungsverordnung sieht die Einführung der Sichtvermerkspflicht für 14 afrikanische, asiatische und südamerikanische Staaten vor: Barbados, Birma, Dominikanische Republik, Gabun, Indonesien, Kamerun, Kongo, Philippinen, Ruanda, Südafrika mit Südwestafrika/Namibia, Thailand, Trinidad und Tobago, Uganda und Zentralafrikanische Republik.
Mit dieser Maßnahme soll das zwischen den Schengener Vertragspartnern und zwischen den für Einwanderungsfragen zuständigen Ministern der EG-Staaten bisher vereinbarte Programm zur Harmonisierung der Sichtvermerkspflicht umgesetzt werden.
Die 17. Änderungsverordnung sieht vor allem auch die Aufhebung des sogenannten Zwischenlandungsprivilegs — das ist die Befreiung von der Aufenthaltserlaubnis- und Paßpflicht im Flugdurchgangsverkehr für eine einmalige Zwischenlandung im Bundesgebiet — für türkische Staatsangehörige vor, die kein Visum für einen EG-Staat, für Kanada oder die USA besitzen. Diese Maßnahme ist dringend notwendig. Im vergangenen Jahr sind in Frankfurt 7 423 Türken unter Ausnutzung des Zwischenlandungsprivilegs als Asylbewerber eingereist. Der Türkei haben wir bereits im Dezember 1987 unmißverständlich erklärt,
daß wir zu dieser Maßnahme gezwungen sind, wenn die illegale Zuwanderung auf diesem Weg anhält.
Mit der 18. Änderungsverordnung soll die Sichtvermerkspflicht für Jugoslawien eingeführt werden. Diese Maßnahme ist unumgänglich geworden, weil der Anstieg der Zahl jugoslawischer Asylbewerber ein nicht mehr länger hinnehmbares Ausmaß angenommen hat. Jugoslawen stellten 1988 mit mehr als 20 000 Asylbewerbern nach den Polen mit 29 000 die zweitgrößte Gruppe. Das hat sich im Januar dieses Jahres mit mehr als 2 900 jugoslawischen Asylbewerbern unverändert fortgesetzt.
Für diese Maßnahme ist eine gesonderte Verordnung vorgesehen, weil nach Mitteilung des Auswärtigen Amtes zunächst eine Sichtvermerksvereinbarung mit Jugoslawien gekündigt werden muß. Die Sichtvermerkspflicht kann deshalb nicht vor Ablauf der zweimonatigen Kündigungsfrist in Kraft gesetzt werden.
Außerdem hat mir gestern der jugoslawische Innenminister neue Vorschläge vorgelegt, wie das Problem von dort aus gelöst werden könnte. Ich will nicht von vornherein ausschließen, daß den Jugoslawen das gelingt, aber die bloße Ankündigung solcher Maßnahmen kann uns nicht davon abhalten, jetzt die notwendigen Vorbereitungen für die Einführung der Sichtvermerkspflicht zu treffen, auch um Jugoslawien unmißverständlich zu zeigen, daß wir es ernst meinen.
So weit meine Erklärung.
Danke schön. — Ich bitte, zunächst Fragen zu dem Themenbereich zu stellen, über den soeben berichtet wurde. Als erster hat sich der Herr Abgeordneter Penner gemeldet.
Angesichts der Regsamkeiten des Bundesinnenministers auf dem Gebiet des Ausländerrechts möchte ich ihn fragen, ob die Bundesregierung beabsichtigt, die Genfer Flüchtlingskonvention zu kündigen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Bundesregierung hat keineswegs diese Absicht.
Als nächster hat der Abgeordnete Hirsch das Wort.
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9314 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 127. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. Februar 1989
Herr Minister, wir wollen ja ein Europa nicht mit weniger, sondern mit mehr Freizügigkeit. Können Sie uns denn sagen, in welchen Fällen im Wege der Harmonisierung der Visumvorschriften eine bisher bestehende Visumpflicht aufgehoben worden ist, und können Sie Ihre Bemerkungen über die Aufhebung des Transitprivilegs hinsichtlich der Türken in der Frage ergänzen, ob es andere europäische Länder, vielleicht auch Länder außerhalb der Europäischen Gemeinschaft — ich denke an Österreich — , gibt, die weiterhin das Transitprivileg haben?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Zu diesen Fragen kann ich zum gegenwärtigen Zeitpunkt, zum Zeitpunkt weiterer Verhandlungen auf allen Ebenen — Schengen, EG, Trevi — , noch nicht Stellung nehmen.
Herr Abgeordneter Repnik, bitte.
Herr Bundesminister, ich teile Ihre Auffassung im Hinblick auf die Sorgen, was die Flut der Asylanten anlangt, habe aber eine ganz konkrete Frage im Hinblick auf die Vorhaben, die Sie hier im Zusammenhang mit Jugoslawien vorgetragen haben.
Ich möchte Sie fragen, ob Sie sich Gedanken darüber gemacht haben, ob es andere Möglichkeiten als die Möglichkeit der Visumpflicht für jugoslawische Staatsbürger gibt, und zwar vor dem Hintergrund, daß im Schnitt der letzten Jahre zwischen zwei und drei Millionen jugoslawische Staatsbürger jährlich visumfrei in die Bundesrepublik Deutschland gekommen sind, insbesondere im Zusammenhang mit Familienbesuchen. Es leben über 600 000 jugoslawische Staatsbürger bei uns, die Besuche von zu Hause bekommen. Wenn ich die von Ihnen genannte Zahl richtig im Kopf habe, sind es im letzten Jahr ca. 20 000 Asylsuchende aus Jugoslawien gewesen. Ich habe die große Sorge, daß man mit dieser Einführung der Visumpflicht für Jugoslawen die zwischenstaatlichen Beziehungen, aber auch die zwischenmenschlichen Beziehungen zwischen den jugoslawischen Mitbürgern, die bei uns wohnen, und ihren Familienangehörigen nachdrücklich schädigt. Gibt es nicht andere Möglichkeiten?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Bundesregierung ist keineswegs erfreut darüber, daß sie zu solchen Maßnahmen gezwungen worden ist. Ich darf Ihnen sagen, daß von den rund 20 000 jugoslawischen Asylbewerbern des letzten Jahres 19 — von 20 000! — als politische Flüchtlinge anerkannt worden sind. Das sagt wohl alles.
Ich sagte gerade: Ich will nicht ausschließen, daß den jugoslawischen Behörden eine Drosselung des Zustroms von dort aus gelingt. Aber wir haben ohnehin eine Kündigungsfrist von zwei Monaten. Wir werden also frühestens in drei Monaten feststellen können, wie sich im März, im April und meinetwegen im Mai die Lage darstellt. Sie darf nicht so sein wie im Januar mit 2 900 Asylbewerbern aus Jugoslawien. Dann werden wir immer noch entscheiden können, ob wir die Maßnahme wieder zurücknehmen oder nicht.
Selbstverständlich werden für Familienbesuche und sonstige Besuche jeder Art — mir sind diese deutsch-jugoslawischen Beziehungen sehr wohl bekannt, auch aus eigener Anschauung — jederzeit Dauervisa zu erteilen sein. Es geht nicht um diese Besuche, es geht nicht um diese Einreisen, sondern um unkontrollierte Einreisen, wie sie sich im letzten und zu Beginn dieses Jahres in einem nicht mehr vertretbaren Maße gehäuft haben. Die sollen durch diese Maßnahmen unsererseits und möglicherweise auch durch Maßnahmen der jugoslawischen Regierung unterbunden werden.
Herr Kollege, eine zweite Frage möchte ich jetzt nicht zulassen, weil wir sonst mit der Zeit nicht auskommen.
— Ja, gut.
Das Wort hat der Abgeordnete Emmerlich.
Herr Bundesinnenminister, in dieser Woche hat der Innenausschuß zu Fragen der Flüchtlingspolitik eine umfassende Anhörung durchgeführt. In dieser Anhörung hat der Vertreter der Bayerischen Staatsregierung einen Vorschlag unterbreitet, den Art. 16 des Grundgesetzes so zu ändern, daß der individuelle Rechtsanspruch auf Asyl, also das Grundrecht auf Asyl, beseitigt wird. Haben Sie als CSU-Politiker die Gelegenheit der heutigen Beratung im Kabinett über Asylfragen genutzt, um die Bundesregierung über diesen Tatbestand zu unterrichten und eine Stellungnahme der Bundesregierung gegenüber diesem Ansinnen der Bayerischen Staatsregierung herbeizuführen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine Antwort lautet: Nein. Im übrigen stehe ich hier nicht als CSU-Politiker, sondern als der für die Bundesregierung — und für sonst niemanden — gegenwärtig Antwortende.
Danke schön. — Herr Abgeordneter Gerster.
Herr Bundesminister, können Sie bestätigen, daß das Bestehen einer Visumpflicht freundschaftliche bilaterale Verhältnisse schon deshalb nicht belasten kann, weil eine Visumpflicht für Deutsche in den USA besteht, und können Sie sicherstellen — ist in der Regierung, im Kabinett darüber gesprochen worden? — , daß die Einführung einer Visumpflicht natürlich auch die konsequente Anwendung der Rechtsvorschriften bedeuten muß und daß auf Dauer auch versucht werden muß, zu gewährleisten, daß etwa im Verhältnis zu Polen Visa — ohne die entsprechenden Prüfungen — nicht im Sekundentakt erteilt werden?
Herr Bundesminister.
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Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 127. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. Februar 1989 9315
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Auch über andere Länder als Jugoslawien, z. B. Polen, ist gesprochen worden. Wir haben im letzten Jahr rund 750 000 Touristenvisa für polnische Staatsangehörige erteilt. Auch hier wird angezeigt sein, daß in Zukunft eine restriktivere Praxis Platz greift. Wenn weitere Länder betroffen sein sollten, wird die Bundesregierung von Fall zu Fall entscheiden.
Die Notwendigkeit, Visa zu erteilen — da gebe ich Ihnen, Herr Abgeordneter Gerster, recht — , kann keinesfalls als Ausdruck einer feindseligen Gesinnung angesehen werden. Vielmehr handelt es sich hier allein um eine Abwehrmaßnahme, weil es keine anderen Möglichkeiten mehr gibt, einen ungezügelten Zustrom zu kontrollieren.
Danke. — Herr Abgeordneter Lüder.
Frau Präsidentin, ich glaube, ich darf nur eine Frage stellen. Ist das richtig?
Zunächst einmal, damit alle drankommen.
Dann kann ich zu den Aussiedlern aus Polen, die mit Besuchsvisum kommen, noch keine Frage stellen; das müßte ja noch relativiert werden.
Ich stelle in Ergänzung zu der Frage des Kollegen Dr. Hirsch die Frage, und zwar jetzt nicht betreffend die Planungen, sondern den Ist-Zustand: Wie ist in den Staaten des Schengener Vertrags heute die Situation auf den Flughäfen von Brüssel, Amsterdam, Luxemburg, Paris und auf den Flughäfen der Staaten, die eine erleichterte Einreisemöglichkeit, was uns betrifft, haben, also auf den Flughäfen von Wien und Salzburg, hinsichtlich des Transitprivilegs für Türken?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich habe gerade gesagt, daß nach dem Inkrafttreten der 17. Ausländerverordnung das Zwischenlandungsprivileg für türkische Staatsbürger entfallen wird.
— Selbstverständlich in der Bundesrepublik Deutschland. — Wie sich die Staaten des Schengener Abkommens verhalten werden, darüber wird erst zu verhandeln sein.
Was den Zustrom von jugoslawischen Staatsbürgern in die Bundesrepublik Deutschland betrifft, so muß selbstverständlich erst noch mit der österreichischen Regierung verhandelt werden, damit nicht von dort ungehinderte Durchreisen ohne Visum in die Bundesrepublik Deutschland stattfinden. Also, das sind lauter Sorgen von morgen, die wir aber bewältigen müssen.
Frau Abgeordnete Dr. Vollmer.
Herr Minister, der Abgeordnete Repnik meinte soeben, Ihre Meinung in seiner Frage so zusammenfassen zu können, daß er
sagte, er teile Ihre Angst vor einer Flut von Asylanten.
— Also, „Sorge". — Ich wollte fragen, ob Sie sich darin richtig zusammengefaßt fühlen, ob auch Sie dieses Bild „Flut von Asylanten" besorgt macht, ein Sprachgebrauch, der mit sexualisierten Bildern ganz massive Ängste schüren soll, und meinen Sie nicht, daß Politiker solchen Sprachgebrauch und ein solches Feindbild — ein sehr gefährliches Bild — nicht verwenden sollten, gerade auch angesichts der augenblicklichen Situation, in der es darum geht, mit Strategien gegen rechtsradikales Bewußtsein und gegen die dadurch hervorgerufenen Ängste in der Bevölkerung politisch anzugehen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Frau Abgeordnete, Ihre Ausführungen waren mir zu hoch; ich habe sie nicht ganz verstanden. Auf der anderen Seite möchte ich darauf verzichten, die Bemerkungen des Kollegen Repnik von mir aus zu interpretieren. Ich glaube schon zu wissen, was er gemeint hat.
Danke, Herr Bundesminister, Ihre Antwort war gegeben.
Ich möchte den zweiten Komplex aufrufen — wobei unter den freien Fragen auf den ersten Komplex zurückgekommen werden kann —; denn ich denke, sonst kommen wir in der vorgegebenen Zeit nicht durch: EG-Außenministerrat am 20. Februar 1989 mit den Schwerpunkten Fall Rushdie und Verordnung zur Ausfuhr bestimmter chemischer Produkte, wobei ich bei dem Fall Rushdie darauf verweise, daß er morgen Gegenstand eigener Behandlung ist.
Herr Abgeordneter Hirsch.
Frau Präsidentin, gestatten Sie trotzdem noch eine Frage zu der Visumgeschichte, die ja wirklich viele Menschen berührt?
Dann muß ich sie den anderen auch gestatten; Herr Gerster und Herr Gansel hatten sich noch gemeldet.
Es ist eine ganz einfache Frage.
Gut, dann nehmen wir die drei dazu.
Wenn eine Visumpflicht eingeführt wird, Herr Minister Zimmermann, dann berührt sie ja auch die Menschen, die als politisch Verfolgte den Versuch unternehmen, in die Bundesrepublik zu kommen. Ist sichergestellt, daß jemand, der z. B. in Jugoslawien oder in einem anderen Land in die deutsche Botschaft oder ins Konsulat kommt und dort erklärt, daß er politisch Verfolgter ist oder politische Verfolgung fürchtet, dort ein Visum bekommt?
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9316 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 127. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. Februar 1989
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich gehe doch davon aus, daß sich unser Auswärtiges Amt und der zuständige Bundesminister bisher so verhalten haben und sicher auch in Zukunft dafür sorgen werden, daß das geschehen kann.
Also ja, danke.
Herr Bundesinnenminister, könnten Sie mir bestätigen, daß die Einführung einer Visumpflicht für Jugoslawien mit anderen Maßnahmen, etwa Unterbindung des Transitprivilegs, am letzten Donnerstag abend im Bundeskanzleramt in der Koalition vereinbart wurde? Täusche ich mich in der Annahme, daß sowohl der Kollege Hirsch wie auch ich bei dieser Vereinbarung dabei waren? Würden Sie Ihre Antwort dazu benutzen, auch klarzustellen, daß die Einführung einer Visumpflicht zum Inhalt hat, daß sich nicht politisch Verfolgte zwar der Visumsüberprüfung unterwerfen müssen, daß aber keinesfalls beabsichtigt ist, politisch Verfolgte wirklich davon abzuhalten, in unser Land zu kommen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege, ich kann Ihre Fragen und Feststellungen insgesamt und einzeln für sich betrachtet alle mit ja beantworten.
Sie wollen nicht mehr, Herr Abgeordneter Gansel? — Damit ist der Fragenkomplex abgeschlossen.
Nun kommen wir zum nächsten Komplex, den ich schon aufgerufen habe. Wortmeldungen zu dem Komplex EG-Außenministerrat liegen nicht vor?
— Frau Staatsministerin, kommt ein Bericht? — Mir ist gesagt worden, nein.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Der EG-Außenministerrat hat sich mit zwei für unsere Beratungen hier sicherlich sehr wichtigen Punkten am Montag beschäftigt: zum einen mit der Verabschiedung einer Richtlinie über gemeinsame Bestimmungen zur Exportkontrolle von Chemikalien, die für die Chemiewaffen-Produktion von Bedeutung sein könnten. Es ist eine Liste von weiteren acht Stoffen beschlossen worden, für die Ausfuhrkontrollen in der EG eingeführt werden.
Die besondere Bedeutung dieses Beschlusses liegt zweifellos darin, daß hier zum erstenmal eine gemeinsame Handhabung dieses sicherlich sehr schwierigen Komplexes durch die Europäische Gemeinschaft vereinbart worden ist. Die Außenminister haben keinen Zweifel daran gelassen, daß dies nur ein erster Schritt sein kann und daß in weiteren Verhandlungen auch die Frage der Exportkontrolle von Geräten, Anlagen und Anlagenteilen, die dazu geeignet sein könnten, Chemiewaffen herzustellen, innerhalb der Europäischen Gemeinschaft vereinheitlicht werden müßte.
Der zweite Komplex war die Frage der Reaktion der Europäischen Gemeinschaft auf die unglaubliche Herausforderung, die die Androhung eines Mordes
an einem britisch-iranischen Bürger durch Ayatollah Khomeini beinhaltet. Hier handelt es sich in der Tat um einen Vorgang mit weitreichender Bedeutung, der einen Wendepunkt auch in den internationalen Beziehungen markieren könnte, wenn die Staaten nicht entschlossen auf diese Herausforderungen reagieren.
In dieser Bewertung waren sich alle Außenminister einig. Auf Vorschlag der deutschen Bundesregierung, des deutschen Außenministers haben die Außenminister der Gemeinschaft beschlossen, die Botschafter bzw. Geschäftsträger in Teheran sofort zu Konsultationen zurückzurufen, wobei wir darauf hingewiesen haben, daß unser Geschäftsträger bereits in der letzten Woche zurückgerufen worden ist.
Es ist darüber hinaus beschlossen worden, daß keinerlei hochrangige Besuche in der nächsten Zeit vereinbart oder durchgeführt werden. Dies erschien uns absolut notwendig, um klarzustellen, daß ein solcher Eingriff in die internationalen Beziehungen, eine solche Mißachtung der Grundlagen der Menschenrechte, eine solche Herausforderung des freien Wortes, der freien Meinungsäußerung nicht hingenommen werden können. Die Außenminister waren und sind sich einig, daß hier eine entschlossene Haltung notwendig ist. Sie haben die Maßnahmen, die jetzt beschlossen worden sind, als einen ersten Schritt bezeichnet, was beinhaltet, daß bei angemessener Gelegenheit wieder darauf zurückgekommen werden muß.
Herr Abgeordneter Gansel.
Frau Staatsminister, ich möchte nicht zu der Herausforderung von Völker- und Menschenrecht durch den Mordauftrag Khomeinis fragen, weil sich der Bundestag morgen damit beschäftigt.
Aber zu dem ersten Komplex, zu dem Sie berichtet haben, habe ich eine Frage. Es sind nach Libyen nicht nur Komponenten für eine Giftgasfabrikation geliefert worden, die möglicherweise schon funktionsfähig ist, sondern auch die chemischen Grundstoffe, um Giftgas herzustellen. Die Beschlüsse der Europäischen Gemeinschaft würden daher erst für die Zukunft Wirkung entfalten. Deshalb frage ich Sie: Ist im Ministerrat auch darüber gesprochen und entschieden worden, wie durch die Rückforderung der illegal bezogenen Komponenten und Grundstoffe für die Giftgasfabrikation ein Funktionieren der Fabrikationsanlage unmöglich gemacht werden kann und ob für den Fall, daß sich die Libyer weigern, die illegal bezogenen Komponenten zurückzuerstatten, Sanktionsmaßnahmen geplant sind?
Herr Abgeordneter, es ist im Außenministerrat nicht nur darüber gesprochen worden, daß wir alles sowohl bilateral wie auch als Gemeinschaft daransetzen müssen, daß diese Anlage nicht funktionsfähig wird, sondern auch darüber, wie wir das erreichen könnten. Die konkreten Fragen, die Sie hier in den Raum gestellt haben, sind nicht erörtert worden, sondern es wird jetzt darum gehen, durch Gespräche mit Partnern, durch Gespräche mit anderen
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Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 127. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. Februar 1989 9317
Staatsminister Frau Dr. Adam-Schwaetzerbefreundeten Staaten zu versuchen, auf Libyen einzuwirken. Dies ist der Weg, den wir gemeinsam beschreiten wollen.
Frau Abgeordnete Geiger.
Frau Staatsministerin, ich möchte zum zweiten Komplex eine Frage stellen. Die Schritte, die die EG-Außenminister beschlossen haben, finde ich sehr gut, und sie sind sicherlich ein Signal, daß man sich mit der Morddrohung von Khomeini nicht zufriedengeben möchte. Ich finde es auch gut, daß die Bundesregierung das Kulturabkommen ausgesetzt hat. Sie sind zwar heute nicht mehr darauf eingegangen, aber ich nehme an, daß das im Kabinett bestätigt wurde.
Allerdings war die Reaktion von Herrn Khomeini nicht gerade ermutigend. Er hat mit einem Gegenschlag geantwortet. Hat man sich bei der EG darüber unterhalten, was als nächster Schritt geplant ist, wenn die Morddrohung jetzt auch weiterhin nicht zurückgenommen wird und wenn die Menschenrechtsverletzungen in dieser schlimmen Art im Iran anhalten?
Frau Staatsministerin.
Frau Abgeordnete, es sind am Montag noch eine ganze Reihe anderer möglicher Maßnahmen erörtert worden, aber es ist dazu kein Beschluß gefaßt worden. Die Außenminister der Europäischen Gemeinschaft haben sich auf die beiden von mir angesprochenen Maßnahmen geeinigt.
Darüber hinaus ist festzustellen, daß hier in der Bundesrepublik — ich habe dazu auch im Kabinett berichtet, wir haben darüber im Kabinett diskutiert und diese Maßnahmen einhellig für notwendig erachtet — zum einen das deutsch-iranische Kulturabkommen nicht in Kraft tritt. Zum anderen habe ich darüber berichtet, daß der Geschäftsträger der iranischen Botschaft in das Auswärtige Amt einbestellt worden ist und daß ihm u. a. erklärt worden ist, daß die Bundesregierung mit Schärfe die Form, den Stil und den Inhalt des offenen Briefes zurückweist, den der iranische Botschafter Mostafavi an Sie, Frau Abgeordnete, am 15. Februar 1989 geschrieben hat. Wir haben das mit Schärfe zurückgewiesen, und wir verwahren uns gegen derartige Angriffe eines in Bonn akkreditierten Diplomaten gegen ein Mitglied des Deutschen Bundestages. Dies ist etwas, was nicht hingenommen werden kann.
Frau Abgeordnete Garbe, Sie haben das Wort zu einer Frage.
Ich habe eine Frage zu den Chemiewaffen. Ich weiß nicht, wer mir antwortet; ich richte die Frage einmal an Frau Staatsministerin Adam-Schwaetzer.
Es geht darum, daß in der Bundesrepublik auf den Strecken der Bundesbahn ein Totalherbizid eingesetzt wird, wobei auf den Flächen, auf denen dieses angewendet wurde, nichts mehr wächst. Die USA haben solche Herbizide und Defolianten in Vietnam eingesetzt. Meine Frage ist nun: Können nicht Hunderte solcher Chemikalien aus der Bundesrepublik in beliebigen Mengen bezogen und dann irgendwie in C-Waffen verwandelt werden?
Frau Staatsministerin!
Frau Abgeordnete, ich möchte hier nicht dem Kollegen aus dem Verkehrsministerium vorgreifen, der Ihnen sicherlich sagen kann, welche Herbizide die Deutsche Bundesbahn auf ihren Strekken einsetzt.
Ich kann Ihre Frage deshalb nicht konkret beantworten, weil ich nicht weiß, ob das Produkt, auf das Sie sich beziehen und dessen Namen Sie nicht genannt haben, auf der Liste der Stoffe steht, für die Ausfuhrkontrollen vorgeschrieben sind. Sie wissen, daß die Liste der Stoffe, für die eine Ausfuhrgenehmigung beantragt werden muß, im Dezember des letzten Jahres von acht auf neun erweitert worden ist. Wir haben am Montag im Außenministerrat acht weitere Substanzen hinzugefügt.
Ich möchte darüber hinaus anfügen, daß auf Initiative der Bundesregierung die nächste Sitzung der sogenannten Australischen Initiative, die sich ja exakt damit beschäftigt, für welche Substanzen möglichst keine Ausfuhrgenehmigung oder nur eine Ausfuhrgenehmigung unter bestimmten Auflagen erteilt werden darf, vorgezogen wird. Die Kollegen haben in der Europäischen Politischen Zusammenarbeit unser Anliegen unterstützt. Wir haben begründete Erwartungen, daß die nächste Sitzung nicht erst im Herbst, sondern bereits im April stattfindet, so daß dort dann weitere Konsequenzen in bezug auf eine mögliche Ausdehnung der Liste erörtert werden können.
Wir haben jetzt 24 Minuten für die angegebenen Schwerpunkte im Rahmen der Regierungsbefragung gehabt. Ich gebe die Runde frei für weitere Fragen. Herr Abgeordneter Kastning.
Da ich vermuten muß, daß auch in der heutigen Kabinettsitzung wiederum nichts geschehen ist, frage ich die Bundesregierung, wann sie endlich den von Herrn Minister Möllemann für Anfang des Jahres angekündigten Nachtragshaushalt 1989 vorlegen wird, mit dem die Bundesfinanzierung eines Sonderprogramms zur Entlastung der Hochschulen sichergestellt werden soll.
Herr Kollege Möllemann!
Frau Präsidentin! Herr Kollege Kastning, wir haben — weil Sie gerade das Wort „endlich" verwendet haben — schon in der vergangenen Woche die Vereinbarung zwischen Bund und Ländern paraphiert, die nach Art. 91 b zu erzielen war. Diese hat unverändert die Inhalte, die ich Ihnen im Ausschuß
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9318 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 127. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. Februar 1989
Bundesminister Möllemannvorgetragen habe. Sie stieß dort ja auch, wie ich es verstanden habe, auf große Zustimmung. Sie kann am 10. März vom Bundeskanzler und von den Regierungschefs der Länder unterzeichnet werden. Wir werden sofort anschließend, wie ich Ihnen ebenfalls im Ausschuß bereits vorgetragen habe, die haushaltsmäßigen Vorkehrungen treffen.
— Ich sagte ja bereits: direkt danach.
Das bedeutet, daß wir dann anschließend einen Nachtragshaushalt einbringen werden.
Danke. Herr Abgeordneter Börnsen.
Frau Präsidentin! Im Rahmen der freien Fragen habe ich doch noch eine Frage zu den vorangegangen Komplexen, was mir ja auch gestattet ist.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Sie haben deutlich gemacht, daß im Rahmen der Chemiewaffenexporte in einer europäischen Geschlossenheit gehandelt worden ist. Die Bundesregierung hat angekündigt, sich im zweiten Schritt über Anlagen und Anlagenteile, die zur Produktion von Chemiewaffen geeignet sein können, auch auf europäischer Ebene zu einigen. Ich hätte gerne gefragt: Welche konkreten Überlegungen verbergen sich dahinter, auf europäischer Ebene weiter initiativ zu werden?
Frau Staatsminister.
Herr Abgeordneter, wir alle wissen ja, daß es zur Produktion von Chemiewaffen, die bedauerlicherweise nach wie vor nicht weltweit verboten ist — das ist unser erstes Ziel, auf das wir hinarbeiten; auch die Frage der Kontrolle wird sich wesentlich leichter beantworten lassen, wenn wir darüber endlich eine Vereinbarung erzielt haben werden —, nicht nur notwendig ist, Chemikalien zu haben, sondern daß es auch notwendig ist, die entsprechenden Anlagen zu haben. Genauso wie in der Bundesrepublik Deutschland bereits für bestimmte Anlagen und Anlagenteile Ausfuhrgenehmigungen eingeholt werden müssen, denken wir, daß wir uns auf der europäischen Ebene gerade im Hinblick auf den Binnenmarkt ebenfalls einigen müssen, gemeinsame Regeln einzuführen. Wir können das erst tun — so ist nun einmal das Gesetzgebungsverfahren in der Europäischen Gemeinschaft — , wenn die Kommission der Europäischen Gemeinschaft einen entsprechenden Vorschlag vorgelegt hat. Ich bin ganz sicher, daß sich die Kommission zügig mit dieser Frage beschäftigen und in absehbarer Zeit einen entsprechenden Richtlinienvorschlag vorlegen wird, über den wir dann beraten werden.
Frau Abgeordnete Wollny.
Ich wüßte gern, ob sich das Kabinett mit einer weiteren Finanzierung des Hochtemperaturreaktors in Hamm-Uentrop beschäftigt hat und ob die Absicht besteht, sich wegen des Ausfalls von Kapital dort weiter zu beteiligen?
Herr Staatssekretär.
Nach meiner Kenntnis hat sich das Kabinett mit dieser Frage heute nicht befaßt.
Können Sie darauf, wie es mit den Aussichten aussieht, antworten?
Das Kabinett wird sich sicher mit der Frage der Weiterführung der Hochtemperaturreaktorlinie und der Schneller-Brüter-Linie befassen.
Der Abgeordnete Kastning hat noch eine Zusatzfrage.
Herr Minister Möllemann, gilt Ihr Wort vom November vorigen Jahres noch, Sie würden die Finanzierung so rechtzeitig sicherstellen, daß das Programm noch zum nächsten Semester, was heißen muß: Sommersemester 1989, greifen wird? Sie können in Ihrer bekannten zackigen Art mit Ja oder Nein antworten.
Herr Bundesminister.
Ich habe das zuletzt nicht ganz verstanden.
Sie können von mir aus kurz und bündig in Ihrer bekannten zackigen Art mit Ja oder Nein antworten. Dann bin ich zufrieden.
Das wollte ich gern noch einmal hören.
Ja.
Herr Abgeordneter Möller.
Herr Minister Möllemann, darf ich eine Zusatzfrage stellen? Ist bei dem zusätzlichen Hochschulbauprogramm, das Sie angeregt haben, gewährleistet, daß auch der ländliche Raum entsprechend berücksichtigt wird?
Herr Kollege, die Hochschulen werden berücksichtigt. Wo sie stehen, ist unerheblich. Dort soll in den Bereichen Abhilfe geschaffen werden, die eine besondere Überlastquote haben. Wenn das in Hochschulen im ländlichen Raum der Fall ist, werden diese selbstverständlich gleichbehandelt.
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Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 127. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. Februar 1989 9319
Herr Abgeordneter Penner.
Ich komme noch einmal auf die Iranaffäre zurück: Sollte die Bundesregierung nicht eine Flughafensperre gegen den Iran durchsetzen?
Herr Abgeordneter Penner, die Bundesregierung hat erklärt, daß keine Maßnahmen aus der Überlegung ausgeschlossen würden, wenn sich das als notwendig erweist. In der jetzigen Situation ist die Regierung im Iran am Zuge. Wir haben klare Entscheidungen getroffen. Wir haben gesagt, daß es aus unserer Sicht unabdingbar ist, daß diese nicht akzeptable Situation beendet wird. Wir werden uns sicherlich in absehbarer Zeit wieder damit zu befassen haben. Dann werden wir auch über andere Maßnahmen reden und möglicherweise andere Maßnahmen beschließen.
Frau Abgeordnete Hillerich.
Noch einmal zur Hochschulsituation: Herr Minister Möllemann, können Sie uns sicher zusagen, daß sich der Nachtragshaushalt auf die bisher auch angekündigte erste Rate der sieben Raten in Höhen von 150 Millionen DM beziehen wird? Im Bundesfinanzministerium wurde überlegt, den 50%igen Bundesanteil an diesem Hochschulüberlastprogramm statt in sieben in vier Raten à 500 Millionen DM aufzuteilen, wobei die erste dann erst im nächsten Jahr fällig würde. Können Sie eine solche Planung verbindlich für nichtig erklären?
Ich kann nur zu der ersten Frage etwas sagen; das andere war wirklich eine schwer verständliche Spekulationsanhäufung. Wir haben gesagt: Wir bringen einen Nachtragshaushalt ein. Damit wird die für 1989 fällige Summe zur Verfügung gestellt. Alles Weitere wird in den nächsten Jahren in den ordentlichen Haushalten erscheinen.
Ich kündige an, daß wir die Befragung bis 13.45 Uhr verlängern. Dann ist Schluß.
Herr Abgeordneter Fellner.
Frau Präsidentin, ich habe eine Frage im Zusammenhang mit der beabsichtigten Klage des Freistaats Bayern zu den Problemen im Zusammenhang mit § 218. Mir ist in diesem Zusammenhang eine Presseerklärung des Bundesjustizministers bekannt, die mich — gelinde gesagt — etwas überrascht hat, weil in ihr der Eindruck erweckt wird, als wolle man dem Freistaat Bayern das Recht, diese Klage zu erheben, überhaupt beschneiden.
Gibt es dazu inzwischen eine Erklärung, die die Bundesregierung abgeben kann? Hat sie sich darüber unterhalten? Kann sie eine Erklärung abgeben, aus der auch hervorgeht, daß man selbstverständlich nicht das Recht eines Verfassungsorgans in diesem Zusammenhang beschneiden will?
Wer antwortet für die Bundesregierung? — Herr Staatssekretär Pfeifer.
Herr Kollege Fellner, das Kabinett hat sich heute mit dieser Frage befaßt. Die Bundesregierung respektiert die Entscheidung, geltende Regelungen einer verfassungsrechtlichen Überprüfung zuzuführen. Die Bundesregierung hat sich immer für einen besseren Schutz des ungeborenen Lebens eingesetzt, dem auch die von der Bayerischen Staatsregierung angekündigte Initiative dienen soll.
Die Bundesregierung hat sich auch stets mit großem Nachdruck für eine Veränderung des Bewußtseins in der Bevölkerung eingesetzt, und sie möchte durch ein Schwangerenberatungsgesetz einen wirksameren Schutz des ungeborenen Lebens erreichen. Das Beratungsgesetz behält auch nach den Beschlüssen der Bayerischen Staatsregierung seine Bedeutung.
Frau Abgeordnete Schmidt.
Ich habe eine zweiteilige Frage. Ich frage den Bundesinnenminister, ob er die einschlägigen Bestimmungen des § 218, gegen die sich die Klage der Bayerischen Staatsregierung richten soll, für verfassungsgemäß hält.
Ich möchte von der Bundesregierung wissen, wann sie das Schwangerenberatungsgesetz vorlegen wird.
Herr Bundesminister.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich pflege verfassungsgerichtliche Urteile zu akzeptieren und habe zu akzeptieren, wenn eine Körperschaft des öffentlichen Rechts oder ein einzelner oder die Regierung eines deutschen Bundeslandes das Verfassungsgericht anrufen. Meine persönliche Meinung spielt dabei keine Rolle. Die Antwort für die Bundesregierung ist bereits gegeben worden.
Zum Schwangerenberatungsgesetz kann ich Ihnen gegenwärtig keine zeitliche Disposition sagen.
Ich gebe gerade das Wort an Herrn Staatssekretär Pfeifer weiter.
Frau Kollegin Schmidt, der Referentenentwurf liegt vor.
Die Stellungnahmen zum Referentenentwurf sind eingegangen. Die Auswertung der Stellungnahmen findet statt. Sobald die Bundesregierung in den noch offenen Fragen zu einem Konsens gekommen ist, wer-
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9320 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 127. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. Februar 1989
Parl. Staatssekretär Pfeiferden wir dieses Gesetz vorlegen. Auf einen Zeitpunkt möchte ich mich nicht festlegen.
Frau Abgeordnete Vollmer.
Herr Minister Zimmermann, eine wichtige Debatte im Bereich des Innern im letzten Jahr war, daß die durch die bisherige gesetzliche Regelung nicht entschädigten vergessenen Opfer des Nationalsozialismus noch nachträglich eine unbürokratische und schnelle Hilfe bekommen sollten. Darüber waren sich alle Parteien einig. Damals sind 300 Millionen DM veranschlagt worden, von denen im ersten Jahr 50 Millionen DM ausgegeben werden sollten. Gestern nun hat das Finanzministerium in einem Bericht gesagt, daß von diesen geplanten 50 Millionen DM ganze 5,9 Millionen DM ausgegeben wurden.
Haben Sie sich damit beschäftigt, und wären Sie bereit, sich in dieser Frage in einen Streit mit dem Finanzministerium zu begeben, weil es eindeutig den Voten aller Parteien im Innenausschuß und der dort geäußerten Absicht widerspricht, diese 50 Millionen DM den Opfern vorzuenthalten und sozusagen in eine Staatssparkasse zu geben?
Herr Staatssekretär.
Frau Kollegin, es ist nicht Absicht des Bundesfinanzministeriums, den Betroffenen nach den Beschlüssen, die gefaßt worden sind, etwas vorzuenthalten. Aber es ist notwendig, daß die entsprechenden Prüfungen durchgeführt werden. In vielen Fällen sind diese Prüfungen langwierig. Das ist ein Grund dafür, daß der Abfluß der Mittel nicht so schnell erfolgen konnte, wie sich das der eine oder andere vorgestellt und auch gewünscht hat.
Es wird nach wie vor so verfahren, daß die notwendigen Untersuchungen und die notwendigen Entscheidungen so zügig wie nur eben möglich durchgeführt bzw. getroffen werden.
Herr Abgeordneter Jahn.
Können Sie über diese allgemeinen und unverbindlichen Erklärungen hinaus die Frage beantworten, ob sich die Bundesregierung einmal darum kümmern wird, daß das unwürdige Verfahren allmählich in eine Form gebracht wird, die diesem bedrückenden Gegenstand gerecht wird?
Herr Staatssekretär.
Herr Kollege Jahn, ich kann hier nicht von einem unwürdigen Verfahren reden, sondern ich muß die Rechtsvorschriften beachten. Ich bin sicher — das weiß ich aus eigener Erfahrung, weil ich mich mit diesem Bereich häufiger zu beschäftigen habe —, daß die Beamten, die hier zuständig sind, alles in ihrer Macht Stehende tun, um die Verfahren zu beschleunigen.
Wenn Sie Gegenbeweise haben, bitte ich Sie, mir diese an die Hand zu geben. Sie könnten dazu dienen, vielleicht das zu erreichen, was Sie sich vorstellen.
Herr Abgeordneter Hirsch.
Herr Staatssekretär, alle Fraktionen wollten eine unbürokratische, d. h. auch eine schnelle und nicht pingelige Handhabung. Was ich aus dem Unterausschuß, den der Innenausschuß dazu gebildet hat, höre, ist wenig befriedigend, auch was die Auskünfte angeht, die unsere Kollegen dort bekommen.
Sind Sie bereit, in der nächsten Sitzung des Innenausschusses, also heute in 14 Tagen, eingehend und im Detail Bericht zu erstatten, wie sich dieses bedauerliche Ergebnis begründen läßt und wie Sie in Zukunft verfahren wollen?
Herr Kollege Hirsch, unbürokratisches Verfahren kann nicht heißen, daß am Gesetz und an den bestehenden Vorschriften vorbei gehandelt wird. Natürlich sind wir bereit, im Rahmen einer Sitzung, wie Sie sie eben angesprochen haben, die notwendigen Auskünfte zu geben und Ihnen auch im Detail darzulegen, warum es nicht zu den gewünschten schnelleren Abflüssen in diesem Bereich gekommen ist.
Dazu noch einmal Frau Abgeordnete Schmidt.
Herr Staatssekretär, ich gehöre diesem Unterausschuß an. Ich kann nur den Eindruck bestätigen, von dem Herr Hirsch gesprochen hat.
Ich bin der Meinung, daß es auch Sache der Bundesregierung ist, den Intentionen dieses Parlaments nachzukommen. Wenn Rechtsvorschriften ein Hindernis für eine vernünftige, eine würdige Verfahrensweise im Interesse der Opfer sind, dann sollte es daher die Aufgabe der Bundesregierung sein, Vorschläge zu machen, wie diese Rechtsvorschriften, die von Menschen gemacht worden sind, geändert werden können.
Herr Staatssekretär.
Frau Kollegin, die Aufforderung geht an Sie, mir Einzelfälle zu nennen, bei denen Sie den Eindruck haben, daß gegen das verstoßen worden ist, was die Intention dieses Hauses ist. Aber Sie werden vom Bundesfinanzminister und von den zuständigen Beamten nicht verlangen können, daß über Gesetz und über Vorschriften hinweg gehandelt wird, was dann Konsequenzen hat, die in einem Rechtsstaat nicht möglich sind.
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Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 127. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. Februar 1989 9321
Herr Abgeordneter Müntefering.
Ich frage den Bundesbauminister: Sie haben heute im Kabinett offensichtlich über die interessante, aber doch nachrangige Frage der Fehlsubventionen gesprochen. Haben Sie auch über die erstrangige Frage der Wohnungsnot gesprochen? Haben Sie dabei im Kabinett eine Mehrheit gefunden für Ihre Vorschläge, nämlich erstens im sozialen Mietwohnungsbau wieder die Mischfinanzierung einzuführen und dafür eine halbe Milliarde Mark zur Verfügung zu stellen, zweitens die Abschreibungsbedingungen für den frei finanzierten Wohnungsbau zu verbessern und drittens das Wohngeld um 20 % anzuheben?
Herr Bundesminister.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege Müntefering, die Bundesregierung hat sich mit der Stellungnahme zur Einlassung des Bundesrates zur Änderung des Gesetzes zur Erhebung der Fehlbelegungsabgabe befaßt. Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß die Länder die im Rahmen der Fehlbelegungsabgabe aufkommenden Mittel unverzüglich für neue Wohnungsbauinvestitionen verwenden sollten.
Die Bundesregierung wird sich zu gegebener Zeit mit den von Ihnen gestellten Fragen befassen.
Eine letzte Frage, Frau Hartenstein.
Meine Frage richtet sich an den Bundesumweltminister. — Herr Minister Töpfer pflegt in regelmäßigen Abständen sein Bedauern darüber zum Ausdruck zu bringen, daß der Anteil der Katalysator-Fahrzeuge am Pkw-Bestand immer noch zu gering sei und daß dringend etwas geschehen müsse. Wir teilen diese Auffassung.
Nun hat Herr Minister Töpfer am Wochenende öffentlich erklärt, er beabsichtige, ab 1991 die obligatorische Einführung des Katalysators und auch die Einführung des Rußfilters bei Dieselfahrzeugen für Wagen aus deutscher Produktion vorzuschreiben.
Meine Frage ist: Wie konkret sind diese Absichten? Soll das per Verordnung geschehen? Vor allen Dingen: Warum haben Sie Ihre Auffassung geändert? Sie haben bisher immer erklärt, solche nationalen Maßnahmen stünden EG-Bestimmungen entgegen.
Frau Präsidentin! Frau Kollegin Dr. Hartenstein, Bundesminister Professor Töpfer wird diese Auffassung am 14. März mit der Spitze der deutschen Kraftfahrzeugindustrie mit dem Ziel besprechen, eine Selbstverpflichtungserklärung der deutschen Automobilindustrie zu erhalten, Kraftfahrzeuge aus deutscher Produktion für den deutschen Markt nur mehr mit geregelten Drei-Wege-Katalysatoren anzubieten bzw. die Grenzwerte für die Emissionen von Ruß, die von Professor Töpfer für die gesamte EG angestrebt werden, einzuhalten.
Frau Abgeordnete Hartenstein, ich bitte Sie um Verständnis: Die Befragung ist beendet.
Meine Damen und Herren, ich rufe Punkt 2 der Tagesordnung auf:
Fragestunde
— Drucksache 11/4025 —
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für das Post- und Fernmeldewesen auf. Zur Beantwortung der Fragen steht der Parlamentarische Staatssekretär Rawe zur Verfügung.
Ich rufe Frage 1 der Abgeordneten Frau Walz auf:
Inwieweit ist die Deutsche Bundespost in der Lage, privaten Rundfunkveranstaltern mit Aufnahme ihrer Ausstrahlungen die ausgeschriebenen Sendekapazitäten tatsächlich zur Verfügung zu stellen?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Frau Kollegin Walz, Programmausstrahlungen können in der Tat stets nur dann beginnen, wenn die sendetechnischen Einrichtungen betriebsfähig zur Verfügung stehen. Vom Zeitpunkt der verbindlichen Bestellung an wird für die Beschaffung und für den Aufbau von Ton- und Fernsehsendern jeweils nach den örtlichen Gegebenheiten von der Deutschen Bundespost etwa ein Zeitraum von einem halben Jahr bis zu einem Jahr benötigt.
Zusatzfrage, Frau Walz, bitte schön.
In einigen Fällen ist diese Frist schon überschritten. Ich frage Sie deshalb, in welchen Oberpostdirektionen es bisher zu eklatanten Verzögerungen gekommen ist.
Rawe, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin, ich bin gerne bereit, Ihnen diese Frage dann konkret zu beantworten, wenn Sie die Freundlichkeit haben, mir einfach mitzuteilen, wo das passiert ist. Mir ist nämlich ein solcher Fall im gegenwärtigen Zeitpunkt nicht bekannt. Ich werde dem dann selbstverständlich sofort nachgehen.
Sie haben die Möglichkeit zu einer weiteren Zusatzfrage. — Das ist nicht der Fall.Dann kann ich dem Parlamentarischen Staatssekretär für die Beantwortung der Frage danken.Ich brauche den Geschäftsbereich des Bundesministers für Forschung und Technologie nicht aufzurufen, weil die Fragen 2 und 3 der Abgeordneten Frau Bulmahn auf Wunsch der Fragestellerin schriftlich beant-
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9322 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 127. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. Februar 1989
Vizepräsident Westphalwortet werden sollen. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz. Herr Parlamentarischer Staatssekretär Dr. Jahn steht zur Beantwortung der Fragen zur Verfügung.Ich rufe Frage 4 der Abgeordneten Frau Würfel aufTrifft es zu, daß nach § 324 StGB Stadträte, Gemeinderäte und Bürgermeister verurteilt werden können, wenn sie im Jahre 1989 zulassen, daß eine Mittelstadt wie beispielsweise Völklingen/Saarland mit ca. 15 000 Haushalten die Abwässer ungeklärt in den Fluß Saar leitet, und wenn nein, wird die Bundesregierung eine Erweiterung dieser Strafbestimmung vorschlagen, nach der in solchen Fällen eine Strafbarkeit begründet wird?Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Frau Kollegin Würfel, nach § 324 des Strafgesetzbuches kann sich jedermann — ich betone hier: jedermann — wegen Gewässerverunreinigung strafbar machen, der vorsätzlich oder fahrlässig unbefugt ein oberirdisches Gewässer oder das Grundwasser verunreinigt oder in seinen Eigenschaften nachteilig verändert. Damit können auch Bürgermeister und unter Umständen sogar Gemeinde- bzw. Stadträte dem Anwendungsbereich dieser Vorschrift unterfallen. Inwieweit dies im Einzelfall tatsächlich zutrifft, richtet sich nach allgemeinen Grundsätzen über die strafrechtliche Verantwortlichkeit in Verbindung mit Landes- und gemeinderechtlichen Aufgabenzuweisungen und Aufgabenverteilungen. Einer Erweiterung des § 324 des Strafgesetzbuches bedarf es daher nach Auffassung der Bundesregierung nicht.
Was den in Ihrer Frage angesprochenen Sachverhalt anbetrifft, darf ich noch auf folgendes hinweisen. Nach den mir vorliegenden Informationen wurde ein Ermittlungsverfahren eingeleitet, nachdem bekannt wurde, daß für eine von insgesamt mehr als dreißig Abwassereinleitungen der Stadt Völklingen eine Genehmigung infolge Ablaufs der Geltungsdauer nicht mehr bestanden haben soll. Wie viele Haushaltungen ihre Abwässer über diesen Kanal einleiten, ist bisher nicht bekannt.
Bevor ich Ihnen die Möglichkeit zu einer Zusatzfrage gebe, Frau Würfel, wollte ich wenigstens feststellen, daß der Justizminister sicher sagen kann: Auch jede Frau fällt unter den § 324, nicht nur jeder Mann.
Dr. Jahn, Parl. Staatssekretär: Herr Präsident, „jedermann" war klein geschrieben. Aber sie haben völlig recht mit der Ergänzung.
Sehen Sie, das werden wir auch noch ändern müssen; den Eindruck habe ich. Frau Würfel ist jedenfalls dafür. — Bitte schön, Frau Würfel, Zusatzfrage.
Herr Präsident, vielen Dank für die emanzipatorische Schützenhilfe.
Sie wissen nicht, gegen wen das Ermittlungsverfahren gerichtet ist, ob es sich dabei tatsächlich bereits um einen Bürgermeister oder einen Stadtrat handelt? In Ihren Ausführungen heißt es nur: Es ist ein Ermittlungsverfahren eingeleitet.
Dr. Jahn, Parl. Staatssekretär: Ich habe ausgeführt, daß ein Ermittlungsverfahren eingeleitet ist. Darauf hat die Bundesregierung keinen Einfluß. Ich habe weiter ausgeführt, daß grundsätzlich jedermann von dieser Regelung betroffen sein kann. Aber es ist immer eine Prüfung des Einzelfalles möglich. Es ist auch anerkannt, daß sich bestimmte Rechtsnormen, die Sie ansprechen, eher gegen Gemeindeverwaltungsbedienstete richten als gegen die, die in einer Stadt politische Verantwortung tragen. Hier gibt es in der Rechtsprechung und in der Literatur unterschiedliche Auffassungen.
Weitere Zusatzfrage, Frau Würfel.
Es wäre also nach Auffassung des Justizministeriums durchaus möglich, daß nach der geltenden Rechtsprechung bei grober Fahrlässigkeit — nachgewiesenermaßen — Verwaltungsangestellte, unter Umständen aber auch ein Bürgermeister zur Rechenschaft gezogen werden?
Dr. Jahn, Parl. Staatssekretär: Ich habe dargelegt, Frau Kollegin Würfel, daß es in der rechtlichen Bewertung einen Unterschied zwischen den Hauptverwaltungsbeamten einerseits und andererseits denen gibt, die als Gemeinderäte politische Verantwortung tragen. In bezug auf die Verantwortlichkeit des Hauptverwaltungsbeamten neigt die Rechtslehre, die Literatur eher dazu, eine Anspruchsgrundlage zu bejahen, als in bezug auf diejenigen, die lediglich ehrenamtlich die politische Verantwortung tragen. Beides muß aber im Einzelfall geprüft werden.
Ich rufe die Frage 5 der Frau Walz auf:Hält es die Bundesregierung für möglich, daß durch die Lokkerung der Bestimmungen über die Untervermietung von Wohnraum die Wohnungsnot von Studenten und Schülern gemildert wird?Bitte schön, Herr Staatssekretär.Dr. Jahn, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin Walz, die Bundesregierung sieht keine Möglichkeit, wie durch die Lockerung einzelner Bestimmungen über die Wohnraummiete die Wohnungsnot von Studenten und Schülern gemildert werden kann. Das Wohnungsmietrecht sollte nicht zusätzlich dadurch kompliziert werden, daß neben den Unterscheidungen nach verschiedenen Arten von Gebäuden und Wohnraum auch noch Unterschiede nach verschiedenen Personengruppen hineingebracht werden. Von Sonderregelungen, die sich auf Studenten und Schüler beschränken, sollte deshalb abgesehen werden. Solche Regelungen müßten auch zwangsläufig zu Lasten derjenigen Mietergruppen gehen, die bei der Wohnungsnachfrage in Konkurrenz zu Studenten und Schülern stehen, wie Auszubildende, alleinstehende Arbeitnehmer, Asylbewerber.Eher als von Mietrechtsänderungen erwartet die Bundesregierung eine Entspannung der Wohnungslage von Studenten und Schülern durch eine freiwillige verstärkte Bereitschaft der Hauseigentümer und
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Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 127. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. Februar 1989 9323
Parl. Staatssekretär Dr. JahnVermieter, wie sie in der Antwort meines Kollegen Echternach vom 8. Februar auf die schriftliche Anfrage 171 des Abgeordneten Kuhlwein zum Ausdruck gekommen ist.Noch mehr zur Entspannung der Lage kann es beitragen, daß sich der Bund — im Rahmen von Maßnahmen nach dem Strukturhilfegesetz — am Wohnraumbau der Länder für Studenten und Schüler finanziell beteiligen wird.
Zusatzfrage, Frau Walz. Bitte schön.
Ich nehme an, Ihnen ist bekannt, daß sich viele Vermieter scheuen, z. B. Zimmer auf dem Dachboden oder in den Untergeschossen unterzuvermieten, weil sie einfach befürchten, daß sie die Mieter, wenn das Verhältnis nicht klappt, nicht loswerden, und daß auf diese Weise Studenten und Schülern sehr viel Wohnraum vorenthalten wird.
Dr. Jahn, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin Walz, ich kenne die Bestimmungen über die Untervermietung. Sie sind in § 549 des Bürgerlichen Gesetzbuchs dargelegt. Wir sehen keinen Anlaß, diesen Paragraphen zu ändern, weil wir ihn für ausgewogen halten.
Aber ich füge hinzu, daß unabhängig von dieser gesetzlichen Regelung jederzeit die Möglichkeit besteht, daß Vermieter und Mieter eine von der gesetzlichen Regelung abweichende Regelung treffen. Wir ermuntern die Vermieter und Mieter, dies auch im Interesse der Studenten zu tun.
Darf ich nachfragen: Ist die Bundesregierung bereit, diesen Tatbestand zu veröffentlichen? Ich brauche Sie nicht darauf hinzuweisen, daß im Augenblick die Wohnungsnot auch unter Studenten und Schülern sehr groß ist. Vielfach wissen die Vermieter nicht, daß es diese Möglichkeit gibt.
Dr. Jahn, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin Walz, ich teile Ihre Auffassung, daß die Versorgung der Studenten heute schwieriger ist, als sie noch vor einem Jahr war. An dieser Erkenntnis geht die Bundesregierung nicht vorbei. Ihrer Anregung, die Möglichkeit von freiwilligen Vereinbarungen zwischen Vermieter und Mieter zu veröffentlichen, komme ich gerne nach.
Wir sind am Ende dieses Geschäftsbereichs. Ich danke dem Parlamentarischen Staatssekretär für die Beantwortung.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft auf. Herr Parlamentarischer Staatssekretär Dr. von Wartenberg steht für die Beantwortung zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 63 des Abgeordneten Dr. Daniels auf:
Stimmt die Bundesregierung Herrn Schürmann zu, daß es in der Bundesrepublik Deutschland zur Zeit an einer kalkulierbaren Energiepolitik mangele, und wann gedenkt sie den nächsten Energiebericht vorzulegen?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege Daniels, die Bundesregierung hat die Grundsätze ihrer Energiepolitik im Energiebericht vom 24. September 1986 erneut dargelegt. Die klaren Rahmenbedingungen, unter denen die Politik fortgeführt wird, haben mit dazu beigetragen, daß die heutige Energieversorgung gesichert, preisgünstig sowie umweit- und ressourcenschonend ist. Die Bundesregierung wird zu gegebener Zeit über die Vorlage eines neuen Energieberichts entscheiden.
Zusatzfrage, Herr Dr. Daniels.
Angesichts der Probleme, die sich für unsere Energieversorgung ergeben — denken wir nur an die Klimaprobleme — , ist es doch verwunderlich, daß es seit fast zehn oder noch mehr Jahren — ich glaube, 1975 hat es den letzten Energiebericht der Bundesregierung gegeben — für die Bundesregierung keinen Anlaß gibt, diesen Bericht fortzuschreiben oder dem Parlament noch einmal Bericht zu erstatten. Insoweit frage ich ganz konkret: Wann ist mit dem nächsten Energiebericht zu rechnen?
Dr. von Wartenberg, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Daniels, ich glaube, Sie sind einem Irrtum aufgesessen. Der letzte Energiebericht der Bundesregierung stammt vom 24. September 1986. In diesem Energiebericht sind die Grundsätze der Energiepolitik, die heute noch gelten, festgehalten worden.
Sie haben eine weitere Zusatzfrage, Herr Dr. Daniels. Bitte schön.
Die Aussagen, die hier im „Handelsblatt" zitiert wurden, daß es zur Zeit an einer kalkulierbaren Energiepolitik mangele, müßten doch — das „Handelsblatt" ist ja ein Organ, das der Bundesregierung nicht unbedingt fernsteht — jetzt eigentlich auch von Ihrer Seite ernstgenommen werden. Ich frage noch einmal, wie Sie zu dieser Äußerung stehen.Dr. von Wartenberg, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Daniels, Sie beziehen sich auf einen Artikel von dem Journalisten Schürmann im „Handelsblatt", den wir ob seiner Fachkenntnis sehr schätzen. Er hat in seiner griffigen Art die gegenwärtige Diskussion über die Energiepolitik beschrieben. Er nimmt meines Wissens insbesondere auf die Diskussion Bezug, die wir zur Zeit wegen der Sicherung des Verstromungsfonds haben. Er fordert hier eine zusammenfassende Darstellung, die auch die anderen Energiebereiche behandelt.Wir sind zur Zeit in Verhandlungen mit den EVUs, mit der Kohle, mit den Revierländern, um dem Auftrag des Deutschen Bundestages gerecht zu werden, bis Ende März einen Vorschlag zur Sicherung des Verstromungsfonds zu machen. Gegebenenfalls werden wir im Laufe der Verhandlungen selber eine zusammenfassende Darstellung geben.
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9324 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 127. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. Februar 1989
Wir sind am Ende dieses Geschäftsbereichs. Ich danke dem Parlamentarischen Staatssekretär für die Beantwortung.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers des Auswärtigen auf.
Da gibt es zunächst eine ganze Reihe von Wünschen nach schriftlicher Beantwortung: Die Fragen 21 und 22 der Abg. Frau Blunck, die Fragen 23 und 24 des Abg. Duve und die Fragen 26 und 27 des Abg. Lowack sollen auf Wunsch der Fragesteller schriftlich beantwortet werden. Die Anworten werden als Anlagen abgedruckt.
Die Fragen 25 und 61 des Abg. Dr. Soell sind zurückgezogen.
Wir kommen zu der Frage 29 des Abg. Wüppesahl:
Welche Zusammenhänge bestehen zwischen den Tatsachen, daß die Bundesregierung mit ihrer Kritik an dem völkerrechtswidrigen Abschuß zweier libyscher Militärmaschinen durch die USA nach anfänglicher negativer Kritik an den USA seit der weltweit geübten Kritik am politischen und wirtschaftlichen Engagement aus der Bundesrepublik Deutschland an dem libyschen Chemiewerk nicht mehr zu vernehmen ist, und wie gedenkt die Bundesregierung dem entstandenen Eindruck entgegenzuwirken, daß sie, wie in diesem Beispiel, in ihrer unabhängigen Positionsäußerung jederzeit manipulierbar ist?
Bitte schön, Herr Staatsminister.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege, die Bundesregierung hat weder eine Änderung ihrer Haltung vorgenommen noch nach außen einen entsprechenden Eindruck entstehen lassen. Zusammenhänge, wie sie in Ihrer Frage genannt werden, bestehen nicht. Schon die in der Frage unterstellten Tatsachenprämissen treffen nicht zu.
Zusatzfrage, Herr Wüppesahl.
Könnten Sie darüber Ausführungen machen, inwieweit die in der Frage enthaltenen Tatsachenprämissen nicht zutreffen?
Schäfer, Staatsminister: Das ist sehr einfach: Sie haben in Ihrer Frage behauptet, daß wir unsere Haltung im Hinblick auf den Abschuß von zwei libyschen Jägern durch amerikanische Kampfflugzeuge geändert hätten. Wir haben unsere Haltung zu diesem Fall nicht geändert.
Weitere Zusatzfrage, Herr Wüppesahl.
Können Sie mit mir darüber übereinstimmen, daß die Bundesregierung, nachdem dieselbe von der Weltöffentlichkeit an den Pranger gestellt worden ist, vielleicht nicht intern ihre Position zu dem völkerrechtswidrigen Abschuß zweier libyscher Jäger durch die US-Luftwaffe geändert hat, aber nach außen diese vielleicht intern beibehaltene Position im Gegensatz zu dem Zeitpunkt vor dem An-den-Pranger-Stellen der Bundesregierung auf Grund der Mitbeteiligung an der Chemiewaffenfabrik in Libyen nicht mehr hat so deutlich werden lassen?
Schäfer, Staatsminister: Herr Kollege, wir haben, wie Sie zu Recht bemerken, nach außen zu diesem Vorfall ebensowenig eine Stellungnahme abgegeben wie die anderen Staaten in der Europäischen Gemeinschaft. Das ist diskutiert worden; eine Stellungnahme hat es nicht gegeben. Das hing damit zusammen, daß der Verlauf des Vorfalls nicht eindeutig war und nicht eindeutig geklärt werden konnte. Von daher gibt es keine Veränderungen unserer Einstellung. Ein Zusammenhang mit Rabta besteht nicht.
Ich muß noch erwähnen, daß die Fragen 28 und 62 des Abgeordneten Reuter zurückgezogen sind, damit dies klar ins Protokoll kommt.
Die Frage 30 des Abgeordneten Jäger wird auf Grund von Nr. 2 Abs. 2 der Richtlinien schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ebenfalls sollen die Fragen 31 und 32 des Abgeordneten Sellin schriftlich beantwortet werden. Auch diese Antworten werden als Anlage abgedruckt.
Wir kommen nun zur Frage 33 der Abgeordneten Frau Hensel:
Was hat die Bundesregierung unternommen, seitdem sie vom Deutschen Bundestag aufgefordert wurde, einen ständigen Berichterstatter für Menschenrechte bei der deutschen Botschaft in Teheran zu ernennen?
Bitte schön, Herr Staatsminister.
Schäfer, Staatsminister: Frau Kollegin, das Auswärtige Amt hat dem ständigen Vertreter des Botschafters an der Botschaft in Teheran die Aufgabe eines ständigen Berichterstatters für Menschenrechte im Iran übertragen.
Zusatzfrage, Frau Hensel.
Heißt das, es ist kein gesonderter Beauftragter der Bundesregierung, der sich gesondert mit den Fragen der Menschenrechtsverletzungen im Iran befaßt, gemäß dem Antrag, der am 9. Dezember hier beschlossen wurde, bestellt worden?
Schäfer, Staatsminister: Ich habe Ihnen gerade gesagt, daß die Bundesregierung, das Auswärtige Amt, ein Mitglied der Botschaft, den Gesandten, beauftragt hat, für die Menschenrechte zuständig zu sein. Eine besondere Beauftragung eines zusätzlichen, außerhalb des diplomatischen Dienstes sich bewegenden Vertreters für Menschenrechte ist beim besten Willen nicht möglich.
Zweite Zusatzfrage, Frau Hensel.
Sind in der deutschen Botschaft in Teheran seit dieser Zeit oder zumindest seit dem letzten Sommer Nachrichten über die Hinrichtung politischer Gefangener bekannt?Schäfer, Staatsminister: Ich glaube, Herr Präsident, der Zusammenhang ist ziemlich weit, aber ich versuche, das zu beantworten: Wir haben bei der deutschen Botschaft in Teheran keine Hinweise von offiziellen
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Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 127. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. Februar 1989 9325
Staatsminister Schäferstaatlichen Stellen bekommen, durch die uns mitgeteilt wurde, daß Hinrichtungen stattfinden. Wir sind — wie Sie alle wissen, denn es ist ja mehrfach im Deutschen Bundestag diskutiert worden — durch Angehörige solcher Opfer informiert worden, denen mitgeteilt wurde, daß ihre Familienangehörigen hingerichtet worden seien.
Herr Dr. Lippelt, wollen Sie hierzu eine Zusatzfrage stellen?
Ja, genau hierzu.
Da es sich ja um eine Reihe von Fragen zu ähnlicher Thematik handelt, wäre ich dankbar, wenn man sich an die Frage hält.
: Herr Präsident, ich habe diese Absicht. — Herr Staatsminister, meinen Sie nicht, daß der im Text klar ausgedrückte Auftrag dieses Hauses, der sich auf einen „ständigen Berichterstatter" bezieht, elegant umgangen wird, wenn man das gewissermaßen als zusätzliches Ressort einem schon dort Befindlichen, in diesem Fall dem Gesandten — also zweifellos hoch angesiedelt — , übergibt? Meinen Sie nicht, daß das ein sehr eleganter Weg um ein schwieriges Problem herum ist?
Schäfer, Parl. Staatsminister: Herr Kollege, davon kann überhaupt keine Rede sein. Es wird allerdings aus der Beantwortung der nächsten Frage von Frau Kollegin Hensel deutlich, daß wir gerne bereit sind, dem Deutschen Bundestag zu antworten. Sie greifen nun dieser Frage vor und bringen mich damit in Schwierigkeiten.
Von einer eleganten Ausrede kann nicht die Rede sein. Wir haben diesen Beauftragten ernannt, der sich übrigens, da er der Geschäftsträger der Deutschen Botschaft ist, zur Zeit hier aufhält, weil er im Zusammenhang mit dem heute bereits erwähnten Vorfall Rushdie abberufen worden ist.
Frau Eid, eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatsminister, können Sie mir sagen, wie die betreffende Person, die an der Deutschen Botschaft in Teheran nun für die „Menschenrechte" verantwortlich ist, im Iran agiert bzw. Informationen erhält, soweit es möglich ist, dies öffentlich zu sagen? Ich weiß, daß dies sehr schwierig ist. Ich würde ganz gerne wissen: Hat er überhaupt eine Chance, an Informationen heranzukommen?
Schäfer, Parl. Staatsminister: Frau Kollegin, Sie hatten in Ihrer Frage gesagt: Für Menschenrechte verantwortlich. Das ist er sicher nicht.
Ich verstehe Sie in dem Sinne, daß er sich bemühen soll, über die Hintergründe von Menschenrechtsverletzungen Informationen zu bekommen. Das ist im Iran natürlich ungemein schwierig — das wissen Sie — , weil der Iran eine Rechtsordnung hat, die mit unserer Rechtsordnung nicht übereinstimmt, er auch
nicht veröffentlicht, wieviele Menschen hingerichtet und in die Gefängnisse gekommen sind, und er mit Sicherheit auch nicht über Folterungen Rechenschaft ablegt. Er muß also den Versuch unternehmen, in Kontakten mit den iranischen Regierungsstellen unsere Besorgnisse immer wieder zum Ausdruck zu bringen, darüber hinaus bemüht sein, alles, was man an Informationen aus anderen Quellen sammeln kann, zusammenzutragen und auf Grund dieser Informationen vorstellig zu werden.
Ich rufe die Frage 34 der Abgeordneten Frau Hensel auf:
Wann gedenkt die Bundesregierung dem Deutschen Bundestag über die Situation der Menschenrechte gemäß dem genannten Antrag zum erstenmal zu berichten?
Bitte schön, Herr Staatsminister.
Schäfer, Parl. Staatsminister: Frau Kollegin, die Bundesregierung ist jederzeit bereit, dem Deutschen Bundestag zur Menschenrechtslage im Iran Bericht zu erstatten. Zu den im Antrag genannten Fragen kann bereits heute folgendes gesagt werden:
Erstens. Die Bundesregierung hat sich gegenüber der iranischen Regierung für die Einreise des Sonderberichterstatters der UN-Menschenrechtskommission in den Iran eingesetzt. Eine vom Iran in dieser Hinsicht gegebene Zusage wurde bisher nicht in die Tat umgesetzt.
Zweitens. Die Bundesregierung wird der in der derzeitigen Sitzung der Menschenrechtskommission zu verabschiedenden Resolution zur Menschenrechtslage im Iran zustimmen.
Drittens. Die Bundesregierung hat sich mehrfach und mit Nachdruck gegenüber der iranischen Regierung für die Achtung der Menschenrechte und die Beendigung der Hinrichtungen eingesetzt. Zuletzt hat sie das am 10. Februar dieses Jahres getan, indem sie den iranischen Botschafter in das Auswärtige Amt einbestellt und ihm ihre Besorgnis wegen der schlimmen Entwicklung im Iran zum Ausdruck gebracht hat. Sie hat ferner unseren Botschafter in Teheran beauftragt, die iranische Regierung erneut nachdrücklich aufzufordern, die Hinrichtungen einzustellen.
Keine Zusatzfrage.Dann rufe ich die Frage 35 der Abgeordneten Frau Eid auf:Was ist der Bundesregierung über die Situation der politischen Gefangenen im Iran bekannt?Bitte schön, Herr Staatsminister.Schäfer, Parl. Staatsminister: Frau Kollegin, die Bundesregierung besitzt über die Lage der Gefangenen im Iran keine eigenen Erkenntnisse. Ich habe das eben schon ausgeführt. Sie hat angesichts zahlreicher übereinstimmender Berichte und Aussagen der iranischen Regierung jedoch keinen Zweifel, daß viele Gefangene aus politischen Gründen einsitzen und daß eine Anzahl von ihnen deswegen hingerichtet wurde.Die Bundesregierung begrüßt die vor kurzem im Iran angekündigte Generalamnestie für politische Gefangene. Sie hofft, daß die Hinrichtungen nunmehr endlich eingestellt werden.
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9326 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 127. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. Februar 1989
Zusatzfrage, Frau Eid.
Eine Amnestie ist sicherlich immer zu begrüßen, nur: Wie sieht die Situation in den Gefängnissen aus? Haben Sie Informationen darüber, daß die Gefängnisse im Prinzip „leer-geschossen" oder „leer-hingerichtet" worden sind, so daß die Amnestie praktisch nur noch ganz wenige Überlebende betrifft?
Schäfer, Parl. Staatssekretär: Diese Information haben wir nicht. Ich halte sie auch so, wie Sie sie eben angedeutet haben, sicher nicht für richtig; denn selbstverständlich befinden sich in den Gefängnissen im Iran immer noch Gefangene — das wissen Sie so gut wie wir, darauf weist auch Amnesty International hin.
Die Generalamnestie — um das auch noch deutlich zu machen — , die am Revolutionsfeiertag verkündet worden ist, bezieht sich ausdrücklich nicht auf 900 Personen, denen — wie die dortige Führung zu sagen pflegt — „Blut an den Händen klebt" und bei denen deshalb immer noch die Befürchtung besteht, daß auch sie hingerichtet werden. Sie wissen, daß wir alles tun, um Informationen zu bekommen, aber daß auch bei Besuchsreisen von Abgeordneten eine Möglichkeit, diese Gefängnisse zu besuchen, nur unter Voraussetzungen bestand, die wir so nicht akzeptieren konnten. Ich erinnere mich an meine eigene Reise mit den Kollegen Gansel und Schwarz, bei der uns angeboten wurde, ein solches Gefängnis zu besuchen, in dem uns ein Jubelchor begeisterter Menschen empfangen hätte. Wir haben das unter diesen Bedingungen abgelehnt, und Ihnen wird es ähnlich ergangen sein.
Zweite Zusatzfrage, bitte schön.
Ich wollte gerade auf die Besuchsmöglichkeit noch einmal zurückkommen. Hat sich denn die Bundesregierung mit entsprechendem Nachdruck dafür eingesetzt, daß internationale Organisationen, also z. B. Vertreter des Roten Kreuzes, in die Gefängnisse hineingehen können?
Schäfer, Staatsminister: Sie wissen, daß wir das immer wieder versucht haben, daß wir selber gefordert haben, die iranische Regierung in vielen Gesprächen aufgefordert haben, auch einen UN-Menschenrechtskommissar in den Iran einreisen zu lassen, dessen Aufgabe natürlich auch darin bestanden hätte, Gefängnisse zu besuchen, und daß das zwar zugesagt wurde, aber bis heute nicht eingehalten worden ist, und daß die Möglichkeiten, die iranische Regierung zu zwingen, sich unseren Vorstellungen zu beugen, sehr gering sind.
Herr Dr. Lippelt, darf ich feststellen, daß das eine Zusatzfrage hierzu ist?
Ja, hierzu durchaus.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Hat er
die Nachricht der „FAZ" vom 30. Januar, also noch nicht so weit zurückliegend, über 75 Hinrichtungen verifizieren können, hat er Ihnen darüber etwas berichtet?
Schäfer, Staatsminister: Diese spezielle Frage, Herr Kollege Lippelt, kann ich nicht beantworten, weil ich mit dem Gesandten nicht unmittelbar nach seiner Abberufung aus Teheran sprechen konnte. Ich werde gerne versuchen, darüber etwas zu erfahren.
Der Abgeordnete Stahl möchte noch eine Zusatzfrage stellen.
Herr Staatsminister, nun ist ja über Hinrichtungen im Iran in der deutschen Presse und von verschiedenen Organisationen, wie z. B. „amnesty" sehr ausführlich berichtet worden. Können Sie dem Hause einmal darstellen, wie hoch nach Meinung und nach Erkenntnissen der Bundesregierung die Zahl der 1988 im Iran Hingerichteten ist, und wie beurteilt die Bundesregierung die Rechtsstaatlichkeit dieses Vorgangs insgesamt?
Schäfer, Staatsminister: Herr Kollege, ich kann Ihnen irgendwelche Zahlen nicht bestätigen, da uns die Informationen und die Möglichkeit der Nachprüfbarkeit solcher Zahlen von der iranischen Regierung nicht gegeben werden. Die Schätzungen der Bundesregierung liegen mit den Schätzungen von amnesty international in etwa parallel, so daß wir annehmen müssen, daß etwa 1 200 Personen umgekommen sind. Aber hier stützen wir uns wieder nur auf Organisationen, die das wiederum aus unmittelbaren Quellen, von Angehörigen, erfahren. Aber wir bekommen von der iranischen Regierung natürlich keinerlei Auskunft, wie viele Menschen hingerichtet worden sind.
— Nun muß ich allerdings, Herr Kollege, darauf hinweisen, daß eine ganze Reihe von Ländern — nicht zuletzt der Iran — mit der Vorstellung, die wir von Rechtsstaatlichkeit haben, bekanntlicherweise nicht übereinstimmen. Sie wissen, daß dort nach der sogenannten iranischen Revolution eine Rechtsverfassung eingeführt worden ist, die sich an Rechtsordnungen orientiert, die gelegentlich als mittelalterlich bezeichnet werden. Wir haben natürlich nicht den Einfluß, die iranische Regierung zu zwingen, ihre Rechtsvorstellungen und ihre Rechtsstaatlichkeit nach unseren Vorstellungen zu regeln, was aber nicht heißt, daß wir nicht immer wieder darauf drängen müssen, daß Menschenrechtsverletzungen, gleichgültig wie sie motiviert werden, entschieden zurückgewiesen und bekämpft werden müssen.
Frau Nickels, zu dieser Frage? — Bitte schön.
Sie haben ja gerade dargestellt, daß Ihre Möglichkeiten, dagegen zu intervenieren, vorwiegend diplomatischer Art sind: energisch darauf hinzuweisen und darauf zu bestehen. Meine Frage ist, wie die Regierung zu wirtschaftlichen Sanktionen bezüglich solcher Ungeheuerlichkeiten steht.
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Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 127. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. Februar 1989 9327
Schäfer, Staatsminister: Frau Kollegin, Sie wissen, daß das Thema der Wirtschaftssanktionen nicht nur im Falle des Iran,
sondern auch bei einer Reihe anderer Länder immer wieder diskutiert worden ist. Es ist Ihnen bei der Regierungsbefragung heute gesagt worden, daß wir gemeinsam mit den Staaten der EG eine ganze Reihe von Maßnahmen getroffen haben, die bis zur Aufhebung des Gebotes des Revolutionsführers, einen Schriftsteller zu ermorden, Gültigkeit haben.
— Ich kann dazu nur sagen, daß wir wirtschaftliche Sanktionen nicht erwogen haben. Wenn wir beim Iran damit beginnen würden, müßten wir dann bei einer ganzen Reihe von Staaten ebenfalls beginnen.
Ich rufe die Frage 36 der Abgeordneten Frau Eid auf:
Was ist der Bundesregierung über die laut dem Bericht der UNO-Menschenrechtskommission zunehmenden Folterungen und Hinrichtungen von Frauen unter den politischen Gefangenen im Iran bekannt?
Bitte schön, Herr Staatsminister.
Schäfer, Staatsminister: Frau Kollegin, über das in der Antwort auf die Frage 35 Enthaltene hinaus ist der Bundesregierung zur Situation der Frauen unter den politischen Gefangenen im Iran nichts bekannt. Die Bundesregierung hat sich auf Grund von Bitten mehrerer Angehöriger über die Botschaft in Teheran bei der iranischen Regierung dafür verwandt, Hinrichtungen, die den genannten Frauen möglicherweise drohen, nicht zu vollziehen.
Eine Zusatzfrage, Frau Eid.
Ich muß zugeben, es erstaunt mich, daß Ihnen nichts bekannt ist. — Wäre die Bundesregierung, wenn sie davon in Kenntnis gesetzt würde, daß Frauen die Gefahr droht, hingerichtet zu werden, und wenn diese Frauen als politische Gefangene entlassen würden, bereit, diese Frauen in die Bundesrepublik einzuladen, um ihnen hier politisches Asyl zu gewähren?
Schäfer, Staatsminister: Frau Kollegin, es fällt mir sehr schwer, Ihnen in einer so schwierigen Frage wie der von Ihnen aufgeworfenen, nämlich der, daß für Frauen andere politische Vorstellungen gelten sollen als für Männer, die vom Tode bedroht werden, jetzt zu sagen: Wir tun mehr dafür. Ich kann nur darauf hinweisen, daß wir uns grundsätzlich — ganz gleich, ob Frau oder Mann — dafür einsetzen müssen, daß weder Hinrichtungen stattfinden noch gefoltert wird, und daß wir selbstverständlich Menschen, die vom iranischen Regime bedroht sind, unter den geltenden Asylbestimmungen, unter den grundrechtlichen Voraussetzungen des Asyls, hier politisches Asyl gewähren müßten.
Eine Zusatzfrage der Abgeordneten Frau Nickels.
Herr Staatssekretär, ich wollte Sie fragen, ob diese bekanntgewordenen besonderen Verfolgungen von Frauen im Iran für Sie ein Grund sein können, darüber nachzudenken, Empfehlungen z. B. der EG nachzukommen, geschlechtsspezifische Verfolgungsgründe für Frauen demnächst mit im Asylverfahren zu verankern.
Schäfer, Staatsminister: Frau Kollegin, ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie mich darüber informieren könnten — das können wir gleich im Anschluß an die Fragestunde tun — , welche Informationen über eine besondere Verfolgung von Frauen im Iran Ihnen zugegangen sind. Es wird sicher im Iran keine Frau deshalb verfolgt, weil sie eine Frau ist, sondern wahrscheinlich aus den gleichen Gründen, wie sie bei Männern vorliegen, nämlich daß sich jemand angeblich gegen die bestehende Ordnung verwandt hat oder sich, wie es dort heißt, blutige Hände gemacht hat. Aber darüber, daß allein die Tatsache, daß jemand eine Frau ist, zu einer Verfolgung führt, liegen uns nun wirklich keine Informationen vor. Es sind ja immer politisch-religiöse Zusammenhänge.
Jetzt kommt Herr Dr. Lippelt mit einer Zusatzfrage.
: Herr Staatsminister, darf ich dann darauf hinweisen, daß das, worauf wir uns hier stützen, im Report der UNO-Menschenrechtskommission nachzulesen ist und daß es kürzlich auch durch unsere Presse gegangen ist. Ich habe hier einen Ausschnitt vom 6. Februar 1989 und frage ganz einfach — —
— Diese Zwischenbemerkung beziehe ich gleich ein. Es geht ja um die Quelle. Herr Staatsminister, würden Sie, wenn ein solcher Hinweis in einer Zeitung wie der „taz" steht, nicht meinen, daß man trotzdem die Quelle, auf die Bezug genommen wird, nämlich den UNO-Report, überprüfen sollte, bevor man in eine solche Fragestunde geht, oder daß man sich zumindest von den Leuten in Ihrem Amt darauf hinweisen lassen sollte?Schäfer, Staatsminister: Herr Kollege Lippelt, ich kann nur das wiederholen, was ich bereits gesagt habe. Verfolgungen im Iran werden nicht geschlechtsspezifisch gerechtfertigt, sondern werden vom dortigen Regime mit angeblichen Verstößen gegen die bestehende islamische Rechtsordnung gerechtfertigt, zum Teil auch mit der Begründung, die betreffenden Personen hätten dem Feind im Golfkrieg, also dem Irak, geholfen. Ähnliches wird im Irak umgekehrt getan.Es werden also Begründungen gegeben, die sicher nicht allein in Zusammenhang damit stehen, daß es sich um Frauen handelt. Die Kollegen aus dem Deutschen Bundestag, die vor drei Jahren im Iran mit dabei waren, und ich selber konnten sich davon überzeugen, daß Frauen im Iran durchaus eine Rolle spielen.
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9328 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 127. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. Februar 1989
Staatsminister SchäferDie Tatsache, daß jemand eine Frau ist, ist also nicht der Grund.Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie mich darüber informieren würden, in welchem Zusammenhang Frauen verfolgt werden; aber die Tatsache, Frau zu sein, allein reicht im Iran sicher nicht dazu aus, verfolgt zu werden.
Zusatzfrage, Frau Hensel.
Ich kann da gleich anschließen. — Sie haben die Frage von Frau Eid soeben dahin gehend beantwortet, daß Menschenrechtsverletzungen, Folterungen, Hinrichtungen an Frauen Ihnen nicht bekannt sind.
— Spezifische. — Deshalb frage ich Sie: Liegt das möglicherweise daran, daß die in der deutschen Botschaft in Teheran noch verbliebenen Mitglieder keinen Auftrag von Ihnen haben, Sie dementsprechend zu informieren, oder aber liegt es daran, daß der deutschen Botschaft in Teheran keine Informationen darüber vorliegen, beispielsweise von „amnesty" oder auch von Familienangehörigen?
Schäfer, Staatsminister: Frau Kollegin, Sie haben mich offensichtlich mißverstanden. Ich habe nicht davon gesprochen, daß uns nicht bekannt ist, daß auch Frauen im Iran politisch verfolgt werden. Ich habe lediglich davon gesprochen, daß Frauen dort nicht auf Grund ihrer geschlechtsspezifischen Merkmale verfolgt werden. Darüber liegen mir keinerlei Informationen vor. Daß Frauen — wie Männer — verfolgt werden, wenn sie gegen die Vorstellungen diese Regimes politisch, religiös in irgendeiner Weise verstoßen, habe ich selbstverständlich nie bestritten.
Jetzt kommt Herr Dr. Knabe mit einer Zusatzfrage.
Schäfer, Staatsminister: Das war das, was Sie mit Ihrer Frage eigentlich impliziert haben. Ich habe Ihnen gesagt: Insofern ist auch die Folgerung — ich kann das gern noch fortsetzen — , daß wir nicht informiert werden.
Nein, das fortzusetzen geht nur mit Zustimmung des Präsidenten, Herr Staatsminister.
Schäfer, Staatsminister: Entschuldigung!
Denn ich hatte den Eindruck, Sie haben alles beantwortet, und zwar schon mehrfach, gerade auch das, was Sie gefragt haben, Frau Hensel.
Jetzt kommt Herr Dr. Knabe.
Herr Staatsminister, ist aber nicht doch eine geschlechtsspezifische Verletzung von Menschenrechten gegeben, wenn Frauen im Iran
wegen Ehebruchs gehängt werden, wie die Presseagentur Irna am 1. Februar mitgeteilt hat?
Schäfer, Staatsminister: Herr Kollege, ich kann Ihnen nur wiederholen, was ich vorhin schon gesagt habe: daß Menschen — Frauen wie Männer —, die gegen dort herrschende, von uns nicht zu verantwortende Gesetze verstoßen, im Iran entsprechende Strafen zu gewärtigen haben, mit denen wir natürlich nicht einverstanden sind und gegen die wir uns verwahren. Wenn solche Vorstellungen des sogenannten islamischen Rechts angewandt werden, hat das mit unserer Rechtsordnung natürlich nicht das geringste zu tun. Aber die Frage ist wiederum völlig anders als die vorhin gestellte. Jetzt geht es nämlich schon um ein scheinbares Vergehen, das den Frauen vorgeworden wird. Das ist ein großer Unterschied zu dem, was vorhin gefragt worden ist.
Jetzt kommt die Abgeordnete Frau Wollny zu einer Zusatzfrage.
Ich wüßte gerne, ob Sie sich vorstellen können, daß auch Männer wegen Ehebruchs hingerichtet werden.
Schäfer, Staatsminister: Frau Kollegin, ich glaube nicht, daß ich hier jetzt in eine Auseinandersetzung über Bestimmungen der Scharia eintreten kann. Ich glaube, das war nicht der Sinn dieser Fragestunde. Auch kann ich Ihnen jetzt beim besten Willen kein Kolloquium über die Frage bieten, was nun im iranischen oder islamischen Recht richtig und was falsch ist. Wir haben unsere Rechtsordnung. Wir stimmen mit solchen Vorstellungen nicht überein.
Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Daniels.
Herr Staatsminister, ich möchte schon, daß Sie die Gelegenheit bekommen, hier auch noch auf Einzelfälle einzugehen. Es geht jetzt hier nicht — das Mißverständnis ist ausgeräumt — um geschlechtsspezifische Fragen, sondern es geht darum, daß Frauen, die nach unserem Selbstverständnis keines Vergehens schuldig sind, z. B. dann, wenn sie, wie in der „FAZ" vom 11. Februar berichtet, vor dem Bildschirm des iranischen Fernsehens nicht Selbstkritik üben, zum Tode verurteilt bzw. hingerichtet werden. Es handelt sich hier um die Herausgeberin einer ehemaligen Frauenzeitschrift.Also, es geht immer in diese Thematik hinein: Unterdrückung von Frauen und Maßnahmen, die hier sozusagen als Sühne vorgeschlagen werden. Wenn die nicht eingehalten werden, dann erfolgt sofort die Hinrichtung. Ich glaube schon, daß es sehr sinnvoll wäre, daß die Bundesregierung einmal speziell diesen Fragen der Unterdrückung der Frau auch unter Menschenrechtsaspekten etwas entschiedener nachgeht. Das ist meine Frage, wie Sie dazu stehen.Schäfer, Staatsminister: Herr Kollege, Sie haben soeben völlig zu Recht gesagt: nach unserem Selbstverständnis. Das kann ich nur teilen. Natürlich gibt es hier zwischen unserem Selbstverständnis und dem Selbstverständnis der iranischen Revolution einen ge-
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Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 127. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. Februar 1989 9329
Staatsminister Schäferwaltigen Unterschied. Nur glaube ich, geht es doch darum, daß wir generell, bei Frauen wie Männern, welche Vorwürfe auch immer erhoben werden, zu überprüfen haben, was an diesen Vorwürfen zutrifft. Wir würden natürlich auch in diesem Fall ganz eindeutig sagen: Es handelt sich dabei um Menschenrechtsverletzungen, es sei denn, es werden andere Motive, politische Motive, untergeschoben. Da aber gibt es überhaupt keinen Unterschied.
Jetzt kommt noch Herr Stahl zu einer Zusatzfrage.
Herr Staatsminister, Sie sprachen vorhin von der Rechtsauffassung. Wenn man die Rechtsauffassung in der Bundesrepublik oder innerhalb Europas und das mittelalterliche Recht im Iran miteinander vergleicht, kann man daraus den Schluß ziehen, daß dies ein staatlich sanktionierter Mord an Frauen und Männern ist?
Schäfer, Staatsminister: Herr Kollege, diesen Vergleich können Sie sicher ziehen.
Ich rufe jetzt die Frage 37 des Abgeordneten Dr. Lippelt auf:
— Sie müssen verstehen, daß wir jetzt, glaube ich, sechs Zusatzfragen zu einer Frage hatten. Das kann ausreichen. Es gibt ja immer die Möglichkeit, Zusatzfragen zu stellen.
Ich bleibe dabei, ich rufe jetzt die Frage 37 des Abgeordneten Dr. Lippelt auf:
— Ich gebe mir immer Mühe, jedem die Chance zu geben, seine Fragen möglichst ausführlich stellen zu können. Das haben wir auch getan. Wir haben ja gesehen, daß wir eine Weile bei einer sehr konkreten Frage, die klar war, aneinander vorbeigeredet hatten.
— Also gut, ich mache gern eine Probe aufs Exempel mit, ob wir noch eine neue Frage zu diesem Thema zustande bringen. Bitte schön, Sie haben das Wort zu einer Zusatzfrage.
Ich danke Ihnen, Herr Präsident. Ich bin der Meinung, daß die Geschäftsordnung dies vorschreibt.
Nein, nein. Jetzt unterbreche ich Sie aus ganz anderen Gründen. Darüber weiß ich ein bißchen besser Bescheid. Ich möchte jetzt mit Ihnen aber nicht darüber rechten, sondern Ihnen nur sagen, daß es das Recht des Präsidenten ist, nach einer Weile zu einer nächsten Frage überzugehen, wenn ausreichend gefragt worden ist. Das ist in diesem Fall so gewesen.
Bitte stellen Sie Ihre Frage.
Selbstverständlich, Herr Präsident, dies ist Ihnen unbenommen. Ich danke für die Möglichkeit der Frage und möchte mich kurz fassen.
Werden Sie, Herr Staatsminister, den Fällen Mariam Ferouz und Malekeh Mohamadi nachgehen, und sind Sie bereit, hier im Plenum des Bundestages zu gegebener Zeit darüber zu berichten?
Schäfer, Staatsminister: Herr Kollege, ich habe bereits vorhin auf die Frage, ob die Bundesregierung bereit sei, vor dem Deutschen Bundestag einen Bericht zur menschenrechtlichen Lage zu geben, geantwortet, daß wir dazu bereit sind. Ich habe erste Maßnahmen angekündigt. Wir werden gerne jeden Namen, den Sie uns geben, entsprechend mit einzubeziehen versuchen.
Jetzt kommen wir zur Frage 37 des Abgeordneten Dr. Lippelt :
Ist der Bundesregierung bekannt, daß es seit einigen Monaten im Iran eine Verordnung gibt, auf Grund derer Kinder und Jugendliche unter 16 Jahren nicht mehr ohne Begleitung eines Elternteils ausreisen dürfen?
Bitte schön, Herr Staatsminister.
Schäfer, Staatsminister: Herr Kollege, paßrechtliche Änderungen, die die Ausreise von minderjährigen Iranern betreffen, sind am 9. Oktober 1988 dort in Kraft getreten, und zwar folgende: Für Iraner, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, werden keine eigenen Reisepässe mehr ausgestellt. Diesen bleibt nur die Möglichkeit, sich in den Paß eines der Elternteile eintragen zu lassen und in Begleitung eines Elternteils zu reisen. Auch minderjährigen Iranern, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Änderung bereits im Besitz eines eigenen Reisepasses waren, wird die Ausreise trotz Fortbestehens der Gültigkeit des Passes nur noch in Begleitung eines Elternteils gestattet.
Zusatzfrage, Herr Dr. Lippelt.
Herr Präsident, darf ich die Frage bis zur Beantwortung der nächsten zurückstellen?
Wir können das, glaube ich, machen. Das heißt, wenn Sie beide zusammen vor sich haben, geben wir Ihnen weitere Zusatzfragen.
Ich rufe die Frage 38 des Abgeordneten Dr. Lippelt auf:
Hat die Bundesregierung in schriftlicher oder mündlicher Form der iranischen Regierung nahegelegt, sie ersucht oder sie gebeten, die Ausreise von alleinreisenden Kindern oder Jugendlichen zu erschweren oder zu unterbinden?
Bitte schön.
Schäfer, Staatsminister: Herr Kollege, ich kann Ihre Frage mit einem klaren Nein beantworten.
Jetzt haben Sie eine Zusatzfrage.
Herr Staatsminister, angesichts der Tendenzen in der Bundesregierung, zur Visumspflicht für Jugendliche zu kommen,
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9330 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 127. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. Februar 1989
Dr. Lippelt
möchte ich nachfragen: Darf ich Sie also so verstehen, daß es auch nicht die geringste, sagen wir einmal: Vorabklärung über diplomatische Kanäle bei dem Problem der Abschiebung von Jugendlichen ohne Eltern in der Bundesrepublik, und zwar bei iranischen Jugendlichen, gegeben hat, das ja gelegentlich aufgetreten ist?Schäfer, Staatsminister: Nein. Ich habe das bereits gesagt: Weder in schriftlicher noch in mündlicher Form, wie Sie fragen, haben wir auf die iranische Regierung Einfluß genommen. Es ist eine inneriranische Angelegenheit. Die Bundesregierung sieht auch keine Veranlassung, zu diesen Verfahren Stellung zu nehmen.
Eine zweite Zusatzfrage.
Ich möchte hieran folgende Frage knüpfen; ich gebe zu, sie geht ein klein bißchen weiter. Sie werden wissen, daß die Anerkennungsquote bei iranischen Flüchtlingen von 70 % im Jahre 1985 inzwischen auf 13 % gesunken ist. Sehen Sie angesichts der Probleme im Iran nicht die Notwendigkeit, hier vielleicht zu intervenieren? Sie wissen ja, daß die Auskünfte des Auswärtigen Amtes über die Lage in den entsprechenden Ländern sehr häufig in diese Beurteilungen eingehen.
Ich muß den Staatsminister jedenfalls in die Lage versetzen, zu sagen, er könne es nicht beantworten, weil das über den Zusammenhang mit der Frage wirklich weit hinausgeht. Aber, bitte, das ist Ihre Sache.
Schäfer, Staatsminister: Herr Kollege, ich kann nur, zurückgeführt auf diesen speziellen Fall, sagen, daß in den vergangenen Monaten, bis zum Oktober 1988, bevor die Regelung im Iran in Kraft trat, die ich Ihnen gerade beschrieben habe, monatlich 150 bis 250 iranische Kinder per Flugzeug in die Bundesrepublik eingeflogen sind, ohne einen Zusammenhalt mit ihrer Familie zu haben. Insofern sind wir schon der Auffassung, daß es sicher besser ist, wenn dieser Zustand beendet wird. Aber wir haben ihn nicht beeinflußt.
Eine dritte Zusatzfrage, bitte schön.
Herr Staatsminister, ich bin sehr dankbar für diese Auskunft, denn in der Tat gibt es das Problem der unbegleiteten Kinder nicht nur in der Bundesrepublik. Aber meinen Sie nicht gerade angesichts der Tatsache, daß im Iran Eltern und geradezu ganze Sippen ihre Vermögen verkaufen, um die Kinder aus dieser mörderischen Situation herauszubringen, auch, daß hier eigentlich der unterstützungswürdigste Punkt in der gesamten Problematik überhaupt ist, und würden Sie daraus nicht folgern, daß man, statt der allgemeinen Tendenz zu folgen, das etwas einzuschränken, das hier geradezu etwas ausweiten müßte?
Schäfer, Staatsminister: Herr Kollege, ich hatte darauf hingewiesen, daß nicht wir die iranische Regierung beeinflußt haben, solche Verpflichtungen einzugehen, die im übrigen von sehr vielen europäischen
Staaten schon längst verlangt werden. Spanien und die Bundesrepublik Deutschland sind die beiden einzigen Staaten, die für Kinder unter 16 Jahren keine Visumspflicht haben, so daß das wahrscheinlich im Rahmen der Harmonisierung der EG-Staaten auch geändert werden muß. Aber wir haben keine Veranlassung gesehen, in dieser Frage einzugreifen, wo es um Kinder geht.
Sicher stellt sich die Frage im Zusammenhang mit den hier beschriebenen Vorgängen, inwieweit es sich bei diesen Iranern um Menschen handelt, die anläßlich der neuesten Hinrichtungswelle möglicherweise Angst haben und deshalb in die Bundesrepublik Deutschland oder in andere europäische Länder gehen. Wir haben natürlich mit großer Sorgfalt solche Asylanträge zu prüfen. Aber in der Frage der Kinder konnten und wollten wir nicht beeinflussen, was dort gemacht worden ist, nämlich eine Verpflichtung zur Begleitung durch die Eltern.
Eine letzte Zusatzfrage.
Herr Staatsminister, sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen und danach vielleicht noch einmal zu überdenken, daß ich doch immerhin als Lehrer für Deutsch bei Ausländern mit diesem Problem sehr genau konfrontiert gewesen bin und daß wir deshalb nach meiner Auffassung überhaupt nichts Sinnvolleres tun können, gerade auch im Sinne einer Brücke zu anderen Staaten, als die Generation, die jetzt in dieser Weise malträtiert wird, hier auszubilden und mit dieser Generation auch Brücken in solche Länder zu bauen, daß wir dem an diesem Punkt also ganz gewiß restriktiv und verhalten entgegentreten müssen?
Schäfer, Staatsminister: Herr Kollege, es hat sich mit der Beendigung des Golfkrieges oder zumindest mit der vorläufigen Beendigung — wir hoffen, daß er nicht wieder ausbricht — , mit der Herstellung des Waffenstillstandes gezeigt, daß die Flut der jungen Leute, die aus dem Land heraus wollten, weil sie auch die Sorge hatten, eingezogen zu werden und in diesem blutigen Krieg Opfer zu werden, nachgelassen hat.
Ich glaube, man muß die Zusammenhänge bei diesen Jugendlichen, die in andere Länder ausgeflogen sind, ebenfalls sehen. Dies ist sicher nicht nur durch eine Hinrichtungswelle, sondern auch durch ihre Angst und natürlich auch die ihrer Eltern, daß ihre Kinder in diesem Krieg die Opfer werden, bedingt gewesen. Das hat sich an sich schon gebessert.
Wir sind damit am Ende dieses Geschäftsbereichs. Ich danke dem Staatsminister für die Beantwortung der Fragen.Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung auf. Herr Parlamentarischer Staatssekretär Vogt steht zur Beantwortung der Fragen zur Verfügung.Die Fragen 6 und 7 des Abgeordneten Müller sollen schriftlich beantwortet werden. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
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Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 127. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. Februar 1989 9331
Vizepräsident WestphalWir kommen zur Frage 8 des Abgeordneten Reimann:Wie begründet die Bundesregierung ihr Festhalten an der Gesetzesinitiative zur Einführung eines Dienstleistungsabends, die die Möglichkeit zur Offenhaltung von Verkaufsstellen bis 21 Uhr am Donnerstag vorsieht, angesichts der Ergebnisse eines Gutachtens der Hamburger Hochschule für Wissenschaft, wonach die 2,3 Millionen Beschäftigten im Einzelhandel schon heute — bedingt durch flexible Arbeitszeiten, beispielsweise verkaufsoffene Samstage in der Vorweihnachtszeit, Schlußverkäufe und häufige Überstunden — zu den am meisten belasteten Berufsgruppen gehören?Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Herr Kollege, das von Ihnen angesprochene Gutachten der Hamburger Hochschule für Wirtschaft und Politik ist der Bundesregierung nicht bekannt. Es kann der Bundesregierung deshalb nicht bekannt sein, weil es nach Auskunft der Hochschule bisher nicht veröffentlicht worden ist.
Eine Zusatzfrage, Herr Reimann.
Das würde bedeuten, daß damit die Frage durch die Bundesregierung nicht zu beantworten ist. Aber ich frage jetzt trotzdem nach, Herr Staatssekretär. Es gibt ja eine Menge Veröffentlichungen über das Gutachten. Wird bei der Bundesregierung keine Zeitung gelesen? Kann man sich nicht auf die Fragen einstellen, die in den Medien veröffentlicht sind? Wenn Sie jetzt sagen, Sie wüßten es nicht und könnten deshalb nicht antworten, frage ich konkret: Sind Sie denn in der Lage, auf die Frage, wie sie gestellt ist, zu antworten, ohne daß Sie das Gutachten kennen?
Vogt, Parl. Staatssekretär: Aber Herr Kollege, Sie haben zunächst an Hand von Ergebnissen einer Untersuchung bzw. eines Gutachtens der Hamburger Hochschule für Wirtschaft und Politik danach gefragt. Ich habe Ihnen gesagt, daß dieses Gutachten bisher nicht veröffentlicht worden sei. Zu einem nicht veröffentlichten Gutachten kann die Bundesregierung keine Stellung beziehen.
Ich kann Ihnen nur sagen, Herr Kollege, daß nach Auskunft der Bundesanstalt für Arbeitsschutz die Arbeit im Einzelhandel, verglichen mit anderen Berufen, keine besonders belastende Tätigkeit darstellt.
Herr Reimann, eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, wenn Sie so ahnungslos und so wissenlos sind, dann frage ich mich wirklich: Vor welchem Hintergrund haben Sie denn dann eigentlich das Gesetz vor einigen Wochen eingebracht? Sie müssen doch ein bißchen begründen können, was in dieser Frage von Bedeutung ist.
Vogt, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich nehme an, daß Sie gerade zugehört haben. Nach Auskunft der Bundesanstalt für Arbeitsschutz kann nicht, wie dies in den von Ihnen mitgeteilten Ergebnissen des Gutachtens zum Ausdruck kommt, davon gesprochen werden, daß Arbeit im Einzelhandel, verglichen mit
anderen Berufen, eine besonders belastende Tätigkeit darstellt.
Jetzt kommt zunächst eine Zusatzfrage des Abgeordneten Feilcke.
Herr Staatssekretär, wie begründet die Bundesregierung ihr Festhalten an der Gesetzesinitiative zur Einführung des Dienstleistungsabends anläßlich der Tatsache, daß die unheilige Allianz von Einzelhandelsverbänden und Gewerkschaften im vorhinein alles in ihren Kräften Stehende versucht, diese gute Initiative zum Scheitern zu bringen, sozusagen zu einem Rohrkrepierer zu machen?
Vogt, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, die Bundesregierung hält an diesem Vorhaben fest, weil sie der Auffassung ist, daß sie mit der Einführung eines Dienstleistungsabends den Interessen vieler Bürgerinnen und Bürger Genüge leisten wird.
Frau Steinhauer hat das Wort zu einer Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, nachdem Sie eben die Bundesanstalt für Arbeitsschutz zitiert haben, wären Sie bereit, die Ihnen dort gegebene Auskunft, wonach eine Einzelhandelstätigkeit keine schwere Tätigkeit ist, dem Hause einmal inhaltlich mitzuteilen, und wenn Sie das Gutachten der Hochschule für Wirtschaft in Hamburg nicht kennen — Sie haben ja offensichtlich mit der dortigen Hochschule telefoniert —, wären Sie, nachdem das in den Zeitungen gestanden hat, dann bereit, sich einmal um den Inhalt zu bemühen und uns diesen bekanntzugeben?
Vogt, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin, wir beziehen uns auf Gutachten von Hochschulen dann, wenn sie veröffentlicht sind. Wir werden das Gutachten, wenn es veröffentlicht wird, sorgfältig auswerten.
Im übrigen, Frau Kollegin, habe ich in meiner Antwort nicht gesagt, daß die Tätigkeit im Einzelhandel nicht eine schwere Tätigkeit sei, sondern ich habe berichtet, daß nach Auffassung der Bundesanstalt für Arbeitsschutz nicht davon geprochen werden könne, daß es eine besonders belastende Tätigkeit sei.
Herr Abgeordneter Stahl hat eine Zusatzfrage gewünscht, bitte schön.
Herr Staatssekretär, bezieht sich das Gutachten dieser Hochschule in Hamburg auf die Schwere der Arbeit, oder bezieht es sich auf die Belastung z. B. der Arbeitnehmer im Einzelhandel, wenn sie Wechselschicht, Abendarbeitszeit und laufenden Wechsel des Arbeitsanfangs haben? Dies ist doch auch eine schwere Belastung des Arbeitnehmers. Es ist u. U. keine schwere Arbeit, aber es ist doch eine schwere Belastung der Arbeitnehmer. Verniedlichen Sie diese Problematik hier im Deutschen Bundestag nicht zu Unrecht?
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9332 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 127. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. Februar 1989
Vogt, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich habe mich nicht auf das Gutachten der Hamburger Hochschule für Wirtschaft und Politik bezogen, wie Sie das in Ihrer Frage gerade unterstellt haben. Ich kann mich auf dieses Gutachen auch nicht beziehen, weil es bisher nicht veröffentlich worden ist. Ich habe mich auf Aussagen der Bundesanstalt für Arbeitsschutz bezogen.
Frau Würfel möchte noch eine Zusatzfrage stellen.
Herr Staatssekretär, würden Sie mir zustimmen, daß es einen etwas unzulässigen Eindruck vermittelt, zu sagen, Kassiererinnen schöben bis zu 250 kg Waren an der Kasse vorbei, wenn es sich im Einzelfall vielleicht allerhöchstens um 1 kg, dann wieder um 1 kg und dann um 20 oder 30 g handelt, die an der Kasse vorbeigeschoben werden? Ist es nicht ziemlich unzulässig, hier auf 250 kg abzuheben, so, als würden die tatsächlich schwerste Gewichte vorbeischieben müssen?
Vogt, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin, Sie beziehen sich schon auf die nächste Frage des Kollegen Reimann. Deshalb würde ich gern erst diese Frage von ihm beantworten, bevor ich auf Ihre Zusatzfrage zurückkomme.
Dann ist aber die Frage, ob ich sie noch einmal zulassen werde.
Vogt, Parl. Staatssekretär: Das ist Ihrem Großmut überlassen.
Bitte schön, Herr Antretter.
Herr Staatssekretär, teilen Sie die Meinung der Bundesanstalt für Arbeitsschutz, daß es sich bei den im Einzelhandel Tätigen auf Grund ihrer Arbeitskriterien, Arbeitszeit und Arbeit an der Kasse um keine besonders belastende Arbeit handelt?
Vogt, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich bitte, die Antwort der Bundesregierung nun wirklich so zu nehmen, wie ich sie gegeben habe, und sie nicht wie in der Frage umzuinterpretieren.
Ich habe gesagt — und ich wiederhole das noch einmal — : Nach Auskunft der Bundesanstalt für Arbeitsschutz kann nicht, wie dies in den von Ihnen, Herr Reimann, mitgeteilten Ergebnissen des Gutachtens zum Ausdruck kommt, davon gesprochen werden, daß Arbeit im Einzelhandel verglichen mit Arbeit in anderen Berufen eine besonders belastende Tätigkeit darstelle.
Ich rufe die Frage 9 des Abgeordneten Reimann auf:
Wie beabsichtigt die Bundesregierung insbesondere die Belastung der weiblichen Beschäftigten im Einzelhandel, die hei regelmäßiger Samstagsarbeit zu den am schlechtesten bezahlten Arbeitnehmern in der Bundesrepublik Deutschland gehören, trotz der Einführung eines Dienstleistungsabends zu verringern, angesichts der Ergebnisse des obengenannten Gutachtens, wonach beispielsweise Kassiererinnen schon heute stündlich zwischen 90 und 120 Kilogramm, in Spitzenzeiten an Samstagen sogar bis zu 250 Kilogramm Waren an der Kasse vorbeischieben müssen?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Vogt, Parl. Staatssekretär: Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß die Arbeitsbelastungen der im Einzelhandel beschäftigten Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen durch die einmalige Abendöffnung nicht erhöht wird; denn die bisher zulässige Gesamtöffnungszeit in der Woche von 641/2 Stunden, bei einem langen Samstag in der Woche von 681/2 Stunden, darf durch die Abendöffnung nicht überschritten werden. Selbstverständlich müssen auch die geltenden gesetzlichen und tarifvertraglichen Arbeits- und Ruhezeiten sowie Ruhepausen eingehalten werden. Seit Anfang 1986 gilt im Einzelhandel eine tarifliche Regelarbeitszeit von 38 1/2 Stunden pro Woche. Durch die seit längerem im Einzelhandel praktizierten ,,rollierenden Systeme einer Fünftagewoche" ist zudem gewährleistet, daß nicht jeder Arbeitnehmer an jedem Dienstleistungsabend zum Einsatz kommen wird.
Die Bezahlung der Beschäftigten im Einzelhandel ist angesichts der Tarifautonomie in der Bundesrepublik Deutschland in erster Linie eine Angelegenheit der Tarifvertragsparteien, nicht des Gesetzgebers.
Zur Belastung der Beschäftigten im Einzelhandel an den Kassenarbeitsplätzen hat die Bundesregierung bzw. die Bundesanstalt für Arbeitsschutz eine Reihe von Forschungsvorhaben durchgeführt und, soweit die Forschungsergebnisse verwertbar waren, durch Veröffentlichungen bekanntgemacht.
Diese Belastungen werden ebenso wie die in Ihrer ersten Frage angesprochenen Belastungen durch die Einführung eines Dienstleistungsabends nicht erhöht. Die Bundesregierung sieht daher keine Veranlassung, ihren Gesetzentwurf zu ändern.
Zusatzfrage, Herr Reimann.
Zunächst gestatte ich mir die Zusatzfrage, ob der Herr Staatssekretär für die Bundesregierung den Ausdruck des Herrn Abgeordneten, daß es sich beim Einzelhandel und den Gewerkschaften um eine „unheilige Allianz" handelt, übernimmt.
Vogt, Parl. Staatssekretär: Herr Präsident, ich weiß nicht, ob eine solche Dreiecksfrage den Spielregeln der Fragestunde entspricht. Aber ich glaube schon, sagen zu können, daß die Gewerkschaften und die Einzelhandelsverbände aus ihrer Sicht versuchen, Interessen zu vertreten. Aber diese Interessen müssen deshalb nicht Leitlinie für die Politik der Bundesregierung sein.
Da ich auch daran interessiert war, Aufklärung zu erhalten, habe ich es zugelassen, obgleich ich nicht meinte, daß es hierher gehört. Erstens haben wir keine Dreiecksfragen — deshalb ist es richtig, daß Sie sich dagegen gewehrt ha-
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Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 127. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. Februar 1989 9333
Vizepräsident Westphalben, Herr Staatssekretär — , und zweitens gibt es eigentlich auch nur sachliche Fragen und sachliche Zusatzfragen und keine mit Polemik versehenen Fragen. Aber es passiert halt.Herr Reimann, Sie haben eine weitere Zusatzfrage.
Es hat mich zwar eine Frage gekostet, aber das war es mir wert. Ich frage die Bundesregierung, ob sie bereit ist, in ihrem Gesetz gegebenenfalls zu berücksichtigen, daß alleinerziehende Frauen bei der Arbeitszeit von den Regelungen des langen Abends ausgenommen werden. Wir wissen ja, welchen Belastungen diese Frauen, die ihre Kinder erziehen, unterworfen sind.
Vogt, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, Sie wissen, daß der Gesetzentwurf der Bundesregierung dem Deutschen Bundestag vorliegt. Sie werden, so nehme ich an, am 8. März an der Anhörung des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung zum Dienstleistungsabend teilnehmen. Ich gehe davon aus, daß Sie diese Anhörung sorgfältig auswerten werden.
Es steht dann im Ermessen des Deutschen Bundestags, zum Gesetzentwurf der Bundesregierung Änderungsüberlegungen einzubringen. Die Bundesregierung ist ständig bereit, wenn entsprechende Wünsche an sie herangetragen werden, Formulierungshilfe zu leisten.
Herr Feilcke ist der nächste Fragesteller.
Herr Staatssekretär, sind Sie in der Lage und bereit, uns mitzuteilen, in welcher Größenordnung sich Männer und Frauen in der Bundesrepublik Deutschland zu belastenden Zeiten am Arbeitsplatz befinden, also etwa zwischen 19 und 21 Uhr, an Sonnabenden oder gar an Sonntagen? Ich frage das wegen der vom Kollegen Reimann angesprochenen besonderen Belastung im Einzelhandel.
Vogt, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, es gibt diese Zahlen. Ich habe sie im Augenblick nicht zur Hand. Ich bin gern bereit, Ihnen dies schriftlich mitzuteilen.
Eine Zusatzfrage der Abgeordneten Frau Steinhauer.
Herr Staatssekretär, Sie haben eben verneint, daß der Dienstleistungsabend eine zusätzliche Belastung wäre. Meinen Sie nicht, daß die Arbeitszeitsituation im Einzelhandel — freier Samstag für viele andere, aber Samstagsarbeit im Einzelhandel, ferner teilweise Arbeit bis abends — durch einen Dienstleistungsabend noch weiter verschlechtert würde? Meinen Sie nicht, daß es eine Belastung ist, wenn viele Beschäftigte nicht mehr wissen, wie sie nach einem solchen etwaigen Dienstleistungsabend nach Hause kommen sollen, da keine Nahverkehrsverbindungen bestehen?
Vogt, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin, ich darf noch einmal wiederholen und bitte Sie, dies entsprechend zur Kenntnis zu nehmen, daß nach dem Gesetzentwurf der Bundesregierung über die Einführung des Dienstleistungsabends die zulässige Gesamtöffnungszeit in der Woche nicht erhöht wird und daß im übrigen die tarifvertraglichen Vereinbarungen und die sonstigen gesetzlichen Bestimmungen über Ruhepausen und Ruhezeiten gelten.
Ich gehe davon aus, Frau Kollegin, daß auch der öffentliche Personennahverkehr sich an die Bedingungen eines Dienstleistungsabends anpassen wird.
Jetzt Frau Würfel zu einer Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, da Alleinerziehende nicht gleich Alleinerziehende sind und, wie Sie eben sagten, die Gesamtöffnungszeiten gleichbleiben werden, können Sie sich sicher vorstellen, daß es sehr viele Alleinerziehende gibt — dieser Status setzt ja voraus, daß ein Kind da ist — , die sich gerade darauf freuen, am Abend Dienst tun zu können, wenn ihr Kind im Bett und gut versorgt ist, und daß auf der anderen Seite gerade Alleinerziehende, wenn sie nicht im Einzelhandel beschäftigt sind, sich darauf freuen, an einem Abend in der Woche in aller Ruhe ihre Besorgungen erledigen zu können, und zwar nicht während der Arbeitszeit, sondern nach der Arbeitszeit.
Vogt, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin, ich kann ihnen bestätigen: Auch ich gehe davon aus, daß der Dienstleistungsabend den Interessen und den Bedürfnissen sehr vieler Bürger entgegenkommen wird. Das ist ja gerade der Grund, warum die Bundesregierung den Gesetzentwurf über die Einführung eines Dienstleistungsabends vorgelegt hat.
Ich rufe die Frage 10 der Abgeordneten Frau Steinhauer auf:Ist der Bundesregierung eine Auswirkung des GesundheitsReformgesetzes bekannt, wonach Rentner und Rentnerinnen als Heimbewohner, wenn die Kosten wegen einer nicht ausreichenden Rente von der Sozialhilfe getragen werden und lediglich ein Taschengeld zur Bestreitung persönlicher Bedürfnisse gezahlt wird, von den Zuzahlungen befreit sind, während ein Selbstzahler, dem nach Begleichung der Kosten der Heimunterbringung ein gleiches Taschengeld zur Verfügung steht, die Zuzahlungen, weil die Rente über 1 260 DM liegt, in voller Höhe zu leisten hat, und was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um solche durch das Gesetz verursachten Folgen auszuschließen?Bitte schön, Herr Staatssekretär.Vogt, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin, die Härtefallregelung in § 61 Abs. 2 Nr. 3 Sozialgesetzbuch V schreibt vor, daß Versicherte, deren Kosten der Unterbringung in einem Heim von einem Träger der Sozialhilfe getragen werden, als unzumutbar belastet anzusehen und deshalb von den meisten Zuzahlungen befreit sind. Bezieht ein Versicherter eine Rente, mit der gerade die Kosten der Unterbringung abgedeckt werden, so daß der Sozialhilfeträger diese Kosten nicht mehr bezahlen muß, und erhält der Versicherte einen
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9334 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 127. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. Februar 1989
Parl. Staatssekretär VogtBarbetrag zur persönlichen Verfügung nach § 21 Abs. 3 des Bundessozialhilfegesetzes, ist er ebenfalls von den Zuzahlungen befreit, weil es sich bei dieser Leistung um eine laufende Hilfe zum Lebensunterhalt handelt.Bezieht ein Versicherter eine Rente in einer Höhe, die den Unterbringungskosten und dem Barbetrag entspricht, halte ich es für vertretbar, wenn die Härtefallregelung des § 61 Abs. 2 Nr. 3 Sozialgesetzbuch V entsprechend angewendet wird. Das ist auch die Auffassung der Spitzenverbände der Krankenkassen.Wer diese Grenze überschreitet, fällt unter die Überforderungsklausel nach § 62 des genannten Sozialgesetzbuches. Es handelt sich hier um ein Problem, das bei jeder Regelung auftaucht, bei der Rechtsfolgen an die Überschreitung bestimmter Grenzbeträge geknüpft sind.
Eine Zusatzfrage, Frau Steinhauer.
Herr Staatssekretär, ich habe sehr aufmerksam zugehört, insbesondere auch angesichts Ihrer Briefe, die Sie ja auch in anderen Fragen an die Spitzenverbände gerichtet haben und die immer die Formulierung enthalten: „Ich halte es für vertretbar." Das schafft ja keine Rechtssicherheit. Sind Sie bereit, hier und in anderen Fällen, in denen Sie diese Briefe geschrieben haben, nun Klarheit zu schaffen? Wie soll es sonst angesichts der bestehenden Unklarheit weitergehen? Hier und in anderen Fällen, überall besteht weiterhin Unklarheit.
Vogt, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin, die Auffassung, die ich vertrete, wird auch von den Spitzenverbänden der Krankenkassen geteilt, d. h. die Spitzenverbände der Krankenkassen werden dafür Sorge tragen, daß ihre Auffassung, die sie haben, von ihren Kassen auch in die Praxis umgesetzt wird, so daß es zu einer einheitlichen Anwendung des entsprechenden Paragraphen kommen wird.
Eine weitere Zusatzfrage, Frau Steinhauer.
Herr Staatssekretär, offensichtlich beruhen Ihre Aussagen nur auf der grauen Theorie. Selbst hinsichtlich der Frage der Krankengeldweiterzahlung herrscht heute draußen noch keine Klarheit wegen Ihrer Formulierung „Ich halte es für vertretbar". Sind Sie nicht der Auffassung, daß diese mit der heißen Nadel gestrickte Vorschrift dringend reparaturbedürftig ist, um Klarheit zu schaffen, wenn Sie schon nicht Verbesserungen schaffen wollen? Sie wissen doch auch, daß die Krankenkassen nicht an Weisungen ihrer Spitzenverbände gebunden sind.
Vogt, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin, wir halten es nicht für erforderlich, diesen Paragraphen des Gesundheits-Reformgesetzes zu ändern. Wir halten es überhaupt nicht für sinnvoll und notwendig, das Gesetz zu ändern. Es kommt darauf an, daß es in Abstimmung zwischen den Spitzenverbänden und dem Bundesarbeitsminister zu einer einheitlichen Anwendung des Gesetzes kommt.
Wir haben zu dieser einheitlichen Anwendung des Gesetzes schon wesentliche Schritte nach vorn getan, gerade auch in der Frage, die Sie angesprochen haben.
Damit sind wir am Ende dieses Geschäftsbereichs, weil die Frage 11 des Abgeordneten Stiegler auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet wird. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt. Ich danke dem Staatssekretär.
Ich rufe nun den Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr auf. Herr Parlamentarischer Staatssekretär Dr. Schulte steht uns zur Beantwortung der Fragen zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 12 des Abgeordneten Sielaff auf. — Er ist nicht im Saal. Dann wird seine Frage entsprechend der Geschäftsordnung behandelt.
Die Fragen 13 des Abgeordneten Stiegler sowie 14 und 15 des Abgeordneten Pauli sollen auf Wunsch der Fragesteller schriftlich beantwortet werden. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich rufe die Frage 16 des Abgeordneten Antretter auf:
Sind Informationen zutreffend, denen zufolge die Deutsche Bundesbahn auf der Einrichtung einer Spielhalle im Gebäude des Bahnhofs Aalen beharrt, obgleich der Bundesminister für Verkehr bereits vor Jahresfrist die Einrichtung derartiger Spielhallen in Bahnhofsgebäuden an anderer Stelle unterbunden hat?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege Antretter, die Deutsche Bundesbahn hat von Anfang an in enger Zusammenarbeit mit der Stadt Aalen mögliche Gestaltungsalternativen im Empfangsgebäude des Bahnhofs Aalen geprüft. Das Gesamtkonzept wurde von der Stadt am 7. September 1988 gebilligt.
Die Zustimmung der Stadt Aalen war die Voraussetzung für den Abschluß eines langjährigen Pachtvertrages für ein Billard-Café mit Spielhalle. Der Pachtvertrag wurde am 29. September bzw. 3. Oktober 1988 abgeschlossen und stand unter dem Vorbehalt der gewerberechtlichen Genehmigung durch die Stadt Aalen.
Der Bundesminister für Verkehr hat den Vorstand der Deutschen Bundesbahn mit Schreiben vom 19. November 1988 aufgefordert, sich künftig nicht mehr am Wettbewerb um die Einrichtung von Spielhallen zu beteiligen. Zu diesem Zeitpunkt waren die rechtlichen Verpflichtungen der Deutschen Bundesbahn mit Zustimmung der Stadt Aalen bereits eingegangen.
Zusatzfrage, Herr Antretter.
Stimmen Sie mit mir in der Beurteilung überein, Herr Staatssekretär, daß die Stadt Aalen gar keine andere Möglichkeit hatte, da die Deutsche
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Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 127. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. Februar 1989 9335
AntretterBundesbahn nach den gesetzlichen Bestimmungen keinerlei baurechtliche Genehmigungen braucht, weil sie auf die Erteilung der Genehmigung für eine Spielhalle nach § 33 f Gewerbeordnung einen Rechtsanspruch besitzt?Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, nach meiner Kenntnis hat die Stadt Aalen am 20. Januar 1989 — also in diesem Jahr — die Konzession erteilt. Nach § 33i Abs. 2 Nr. 3 Gewerbeordnung kann eine Konzession verweigert werden. Mir wurden heute morgen noch Fälle genannt, in denen dies seitens einer Stadt geschehen ist.
Sie haben eine weitere Zusatzfrage, Herr Antretter.
Stimmen Sie nicht mit mir darin überein, Herr Staatssekretär, daß die Stadt — von der Möglichkeit der Handhabung der Vergnügungsteuer einmal abgesehen — angesichts der bestehenden Gesetzeslage überhaupt keine Möglichkeit hat, die Einrichtung derartiger Spielhallen zu unterbinden?
Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich wiederhole zunächst meine erste Antwort: Das Gesamtkonzept wurde von der Stadt am 7. September 1988 gebilligt. Das heißt doch wohl, daß hier ein aktives Handeln seitens der Stadt vorlag.
Sie erwecken eher den Eindruck, als hätte irgend jemand der Stadt diese Spielhalle oder dieses BillardCafé aufs Auge gedrückt.
Zusatzfrage des Abgeordneten Abelein.
Darf ich — nur zu meiner Information und im Hinblick darauf, ob ich eine oder zwei Fragen stellen darf — hier fragen: Werden jetzt beide Fragen zusammenhängend beantwortet? — Nur eine.
Dann lautet meine Frage so: Kann die Bundesregierung noch einmal bestätigen, daß der Vertrag zwischen der Bundesbahn und einem Pächter ohne das Einverständnis der Stadt Aalen — selbst unter Vorbehalt der Konzession durch die Stadt — nicht abgeschlossen worden wäre und daß irgendein erpresserischer Druck von seiten der Bundesbahn auf die Stadt Aalen, eine solche Zustimmung zu erteilen, nicht ausgeübt wurde?
Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, mir ist kein Fall bekannt, in dem die Bundesbahn erpresserisch gehandelt hätte.
Im übrigen sage ich jetzt noch einmal: Die Stadt Aalen hat das Gesamtkonzept bereits im September gebilligt.
Ich rufe Frage 17 des Abgeordneten Antretter auf:
Was wird die Bundesregierung gegebenenfalls unternehmen, um die Deutsche Bundesbahn von ihren Plänen in Aalen und entsprechenden Plänen auch für andere Bahnhöfe abzubringen?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Antretter, die Bundesregierung geht davon aus, daß die Einrichtung der Spielhalle im Bahnhof Aalen rechtmäßig ist und von den politischen Repräsentanten der Stadt Aalen politisch gewollt ist.
Im übrigen verweise ich auf das erwähnte Ersuchen des Bundesministers für Verkehr mit Schreiben vom 19. November 1988 an den Vorstand der Deutschen Bundesbahn, sich nicht mehr um neue Pachtverträge mit Spielhallenbetreibern zu bemühen.
Zusatzfrage, Herr Antretter.
Darf ich die Beantwortung meiner Frage so verstehen, Herr Staatssekretär, daß die Bundesregierung bereit sein wird, künftig alles zu unternehmen, um derartige Spielhallen zumindest an öffentlichen Gebäuden nicht entstehen zu lassen und die gesetzlichen Voraussetzungen dafür zu schaffen — an der Seite der sozialdemokratischen Opposition, von der die entsprechenden Initiativen eingebracht werden — , daß auch im privaten Bereich diese unzuträglichen Freizeitbeschäftigungen und Freizeitangebote nicht ausufern?
Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, es gibt in diesem Haus Initiativen zu diesem Thema. Es gab auch am 29. September im Verkehrsausschuß eine Debatte über dieses Thema. Am 19. November hat der Bundesminister für Verkehr an den Vorstand der Deutschen Bundesbahn geschrieben, wie vorher erläutert.
Weitere Zusatzfrage, Herr Antretter.
Herr Staatssekretär, als letzte Frage, die mir zur Verfügung steht: Ist es zutreffend, daß die Bundesbahn erklärt hat, die seit Jahren überfällige Sanierung der Bahnhofsfassade in Aalen werde von der Einrichtung dieser Spielhalle abhängig gemacht, und teilen Sie meine Beurteilung, daß es sich dabei um ein Vorgehen handelt, das der Reputation der Bundesbahn über den betroffenen Ort hinaus schaden wird?
Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Erstens gehe ich davon aus, daß sich die Deutsche Bundesbahn an diesen Brief des Bundesministers für Verkehr halten wird. In diesem Brief ist die Wertung klar, was der Bundesminister für Verkehr von solchen Einrichtungen bei der Deutschen Bundesbahn — sie gehört ja dem Bund — hält.
Ich kann allerdings nicht bestätigen — so etwas ist mir nicht bekannt — , daß die Deutsche Bundesbahn gesagt hätte: Das, was wir an dem Bahnhof machen, hängt davon ab, daß eine Spielhalle hineinkommt. Ich bin davon jedenfalls nicht unterrichtet worden. Meine Unterlagen enthalten das nicht. Mir ist allerdings bekannt, daß ein Gesamtkonzept für den ganzen Bahnhof erarbeitet wurde und daß die Stadt Aalen — das sage ich jetzt zum vierten Mal — am 7. September dieses Gesamtkonzept gebilligt hat.
Jetzt kommt Herr Professor Abelein zu einer Zusatzfrage dran.
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9336 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 127. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. Februar 1989
Ist der Bundesregierung bekannt, daß die Bundesbahn zwar im Rahmen eines Gesamtkonzepts bei diesem Fragekomplex gehandelt hat, aber ein ausdrückliches Quidproquo — hier Sanierung der Bahnhofsfassade, als Gegenleistung Spielhalle — nicht gemacht hat und daß die Stadt Aalen jederzeit nach § 33 i Abs. 2 Nr. 3 der Gewerbeordnung die Möglichkeit gehabt hätte, den Betrieb des Gewerbes, der hier zur Debatte steht, wegen einer Gefährdung der Jugend zu unterbinden, was im übrigen auch der Meinung der Bundesbahn entspricht, und daß die Bundesbahn bei einer Ablehnung der Stadt Aalen erklärtermaßen ein Rechtsmittel nicht eingelegt hätte und daß die benachbarte Stadt Heidenheim eine Spielhalle schlicht dadurch unterbunden hat, daß sie im Gegensatz zur Stadt Aalen von § 33 i Abs. 2 der Gewerbeordnung Gebrauch gemacht und die Konzession untersagt hat?
Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Abelein, aus meinen Unterlagen, die von der Deutschen Bundesbahn geliefert wurden, ergibt sich, daß mit der Stadt Aalen über verschiedene Vorhaben im Bahnhofsgebäude verhandelt wurde und daß auf Grund der Gespräche und Verhandlungen mit der Stadt Aalen das mehrfach erwähnte Gesamtkonzept erstellt wurde.
Zu der Frage der Konzession verweise ich noch einmal auf meine Aussage von vorhin: Eine Automatik gibt es nicht, daß, wenn ein Antrag gestellt wird, die Konzession zu erteilen wäre. Welchen Sinn hätte dann die Konzession überhaupt noch?
Das war's. Denn wir haben bei diesem Geschäftsbereich keine weiteren Fragen. Ich danke dem Staatssekretär für die Beantwortung.
Ich rufe nun den Geschäftsbereich des Bundesministers für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit auf. Herr Parlamentarischer Staatssekretär Grüner steht zur Beantwortung der Fragen zur Verfügung.
Wir kommen zur Frage 18 der Abgeordneten Frau Würfel:
Welche Städte im Saarland leiten ihre Abwässer ebenfalls ungeklärt in Flüsse, und welche Auswirkungen hat dies auf die Wasserqualität von Mosel und Rhein?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Frau Kollegin, nach Auskunft des saarländischen Ministers für Umwelt ist aus den Kommunen insgesamt Abwasser mit rund 1,4 Millionen Einwohnerwerten zu entsorgen. Von diesen 1,4 Millionen Einwohnerwerten sind ca. 38,4 % an Kläranlagen, die Anforderungen nach § 7 a Wasserhaushaltsgesetz entsprechen, angeschlossen. 29 % werden nur unzureichend behandelt, und ca. 32,6 % oder 456 000 Einwohnerwerte sind nicht an öffentliche Abwasserbehandlungsanlagen angeschlossen. Insgesamt sind damit ca. 40 Kommunen nicht oder nur zum Teil an öffentliche Abwasserbehandlungsanlagen angeschlossen. Eine vom Saarland erstellte Liste stelle ich gerne zur Verfügung.
Die unzureichende Abwasserbehandlung des häuslichen und gewerblichen Abwassers trägt mit zu der vor allem im Frühjahr besonders kritischen Sauerstoffsituation von Saar und Mosel bei. Würde im
Saarland das gesamte Abwasser zumindest nach den Anforderungen des § 7 a des Wasserhaushaltsgesetzes behandelt, würde die Gefahr von Sauerstoffmangelsituationen deutlich verringert werden.
Zusatzfrage, Frau Würfel.
Herr Staatssekretär, gilt diese erstaunlich hohe Zahl, daß fast ein Drittel des Saarlandes sich in die Saar und andere Flüsse entsorgt — ich möchte einen umgangssprachlichen anderen Ausdruck dafür nicht verwenden —, nur für das Saarland, oder haben Sie Erkenntnisse, daß es in anderen Bundesländern ebenso erstaunlich aussieht, was die Entsorgung angeht?
Grüner, Parl. Staatssekretär: Ich kann, Frau Kollegin, nur sagen, daß das eine weit überdurchschnittliche Unterausstattung des Saarlands, gemessen am Bundesdurchschnitt, darstellt, ohne daß ich einen Vergleich mit anderen Ländern habe.
Sie haben keine weitere Zusatzfrage? — Aber Herr Dr. Knabe.
Herr Staatssekretär, wie sieht die Lage im Vergleich in Nordrhein-Westfalen aus? Können Sie sagen, in wieviel Kommunen dort eine Direkteinleitung in den Vorfluter stattfindet?
Grüner, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, nein, ich bin nicht in der Lage, nun Ländervergleiche anzustellen. Ich bin aber gern bereit, Ihnen, wenn es in der Zusammenarbeit mit dem Land Nordrhein-Westfalen möglich ist, eine zusätzliche Information zuzuleiten.
Ich kann die Frage 19 des Abgeordneten Dr. Knabe aufrufen — jetzt sind Sie dran — :Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, Landesregierungen zur Einhaltung der wasserrechtlichen Einleitungsbescheide durch die ihnen nachgeordneten Stellen anzuhalten, wenn diese wie im Falle Bayer-Uerdingen seit 1980 nicht erteilt sind?Bitte schön, Herr Staatssekretär.Grüner, Parl. Staatssekretär: Herr Dr. Knabe, die Bundesländer sind allein — so ist es gemäß Grundgesetz festgelegt — für den Vollzug der Wassergesetze und damit für den Gewässerschutz zuständig. Eine unmittelbare Einflußnahme auf konkrete und von den Ländern kraft Gesetzes zu erfüllende Aufgaben ist seitens des Bundes deshalb nicht möglich. Die Länder sind gehalten, sich im Rahmen der bundesgesetzlichen Regelungen, insbesondere des Wasserhaushaltsgesetzes, zu bewegen.Die Einleitung von Abwasser in Gewässer darf nach den wasserrechtlichen Vorschriften nur erlaubt werden, wenn ihre Menge und Schädlichkeit mindestens so gering gehalten werden, wie dies bei Anwendung von Behandlungs- und Vermeidungsmaßnahmen nach den allgemeinen Regeln der Technik möglich ist.
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Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 127. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. Februar 1989 9337
Parl. Staatssekretär GrünerNach Auskunft des Landes Nordrhein-Westfalen ist der Erlaubnisbescheid für die Einleitungen des Bayer-Werkes in Uerdingen am 31. Dezember 1980 abgelaufen.Nach einem Antrag der Bayer AG vom 18. Dezember 1980 auf Neuzulassung der Gewässerbenutzung nach § 7 a des Wasserhaushaltsgesetzes und Zulassung vorzeitigen Beginns nach § 9 a des Wasserhaushaltsgesetzes wurde die weitere Gewässerbenutzung mit Bescheid vom 29. Dezember 1980 nach § 9 a Wasserhaushaltsgesetz erlaubt. Dieser Bescheid ist befristet bis zur Entscheidung über den Antrag auf Neuzulassung der Gewässerbenutzung nach § 7 a Wasserhaushaltsgesetz.Die Erlaubnis nach § 9 a Wasserhaushaltsgesetz enthält schon alle Begrenzungen nach gültigen Verwaltungsvorschriften, so daß sachlich — das ist hier das Entscheidende — keinerlei Unterschied gegenüber einem normalen Erlaubnisbescheid besteht, also ein vollkommen ordnungsgemäßer Zustand gegeben ist.Im Augenblick werden die Werksanlagen bereits unter Berücksichtigung der zu erwartenden Anforderungen nach dem Stand der Technik überprüft, so daß kurzfristig eine Anpassung des wasserrechtlichen Erlaubnisbescheids erfolgen kann.
Herr Dr. Knabe.
Ich habe zwei Zusatzfragen. Die eine betrifft die Möglichkeit des Bundes, Aktionen einzuleiten, wenn ein Land hier die Kooperation verweigert, d. h. wenn es dem Gesetz nicht folgt, wann ein Land wider das Wasserhaushaltsgesetz keine wasserrechtlichen Erlaubnisse erteilt. Können Sie dann zum Gericht gehen, werden Sie dann zum Gericht gehen, was werden Sie dann unternehmen? Haben Sie einen direkten Zugriff wie etwa der Minister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit im Falle von Atomanlagen?
Grüner, Parl. Staatssekretär: Nein, ich habe einleitend schon erwähnt, daß wir hier keine unmittelbare Einflußnahme haben. Ich kann mir einen solchen Vorgang allerdings auch nicht vorstellen, zumal natürlich diejenigen, die von einem solchen Wasserbescheid negativ betroffen wären, sich etwa gegenüber einem säumigen Land auf die geltenden Gesetze berufen könnten.
Zweite Zusatzfrage, bitte schön.
Die zweite Frage betrifft die Differenzen zwischen den Bescheiden nach § 9 a und § 7 a des Wasserhaushaltsgesetzes. Nach meiner Kenntnis sind in der jetzigen Lage keine Eintragungen in das Wasserbuch erfolgt, und die Stadt hat keine Bescheide über die zugelassenen Einleitungen erhalten. Das wäre doch ein ganz wesentlicher Unterschied.
Die Bundesregierung wird gefragt, was sie dagegen zu tun gedenkt, einen solchen Schwebezustand neun Jahre lang am Leben zu erhalten.
Grüner, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, es ist kein Schwebezustand, sondern es ist der Tatbestand, daß nach den modernsten Erkenntnissen die Einleitung dort überprüft wird und daß offensichtlich die Genehmigungsbehörde auch neuere Erkenntnisse und Einsichten abwarten will, um die Sicherheit zu haben, ihren endgültigen Erlaubnisbescheid nach dem neuesten Stand der Technik vorzunehmen.
Das heißt, das Gesamtergebnis stellt sich so dar, daß hier mit großer Sorgfalt modernste technische Anforderungen gestellt werden sollen, um den endgültigen Erlaubnisbescheid nach dem derzeitigen technischen Stand zu ermöglichen. Dabei spielt die Frage eine wichtige Rolle, welche gefährlichen Stoffe nach § 7 a des Wasserhaushaltsgesetzes dort berücksichtigt werden können. Es ist richtig, daß diese Verwaltungsvorschrift, die wir gemeinsam mit den Ländern, unter Hinzuziehung des Sachverstandes der Länder, bearbeiten, im Endergebnis noch nicht vorliegt. Dabei sind aber die Länder nicht etwa gehindert, die heute vorhandenen Kenntnisse und Erkenntnisse unabhängig von der Verabschiedung des § 7 a des Wasserhaushaltsgesetzes in dieser speziellen Form schon anzuwenden — das ist ja auch Ausfluß dieser sehr intensiven Verhandlungen über gefährliche Stoffe — , immer wieder auch auf die Gewässerqualität der Vorfluter bezogen.
Das heißt, es gibt durchaus auch eine individuelle Betrachtungsweise: Eine Einleitung bestimmter Art an einem Vorfluter muß nicht gleich bewertet werden wie an einem anderen Vorfluter. Es gibt also eine Ermessensentscheidung in erheblichem Umfange im Blick auf die konkrete Situation, die die Landesbehörde hier im Werk Uerdingen offensichtlich voll ausnutzen möchte.
Jetzt kommen wir zur Frage 20 des Abgeordneten Dr. Knabe. Wir wollen einmal sehen, ob wir das schneller schaffen.Welche Kriterien für § 7 a Wasserhaushaltsgesetz fehlen, auf Grund deren die Landesregierung Nordrhein-Westfalen noch keine vollständigen wasserrechtlichen Erlaubnisbescheide ausfertigen kann?Bitte schön, Herr Staatssekretär.Grüner, Parl. Staatssekretär: Da die in den Verwaltungsvorschriften festgelegten Anforderungen an das Einleiten von Abwasser in Gewässer gemäß § 7a Abs. 1 des Wasserhaushaltsgesetzes bundeseinheitliche Mindestanforderungen darstellen, können die zuständigen Wasserbehörden im Einzelfall bereits heute weitergehende Anforderungen entsprechend den wasserwirtschaftlichen Erfordernissen, also auch solche, die dem Stand der Technik und nicht nur den anerkannten Regeln der Technik entsprechen, in die wasserrechtliche Erlaubnis einstellen.Die Ergebnisse der Beratungen in den Arbeitsgruppen zu den Verwaltungsvorschriften nach § 7 a des Wasserhaushaltsgesetzes stellen wichtige Grundlagen auch für die fachliche Absicherung von Einzelfallentscheidungen nach dem Stand der Technik dar. Da alle Länder bei den Beratungen zu den allgemeinen Abwasserverwaltungsvorschriften beteiligt sind und so über die zu erwartenden Anforderungen ständig auf dem laufenden gehalten werden, können im wasserrechtlichen Vollzug diese Erkenntnisse bereits ge-
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Parl. Staatssekretär Grünernutzt werden. Einige Länder verfahren bereits danach.
Herr Dr. Knabe, bitte schön.
Meine schriftlich eingereichte Frage lautete ja: Welche Kriterien fehlen bei den bisherigen Regelungen? Mir hat der nordrhein-westfälische Minister für Umwelt, Raumordnung und Landwirtschaft über die GRÜNEN in Krefeld mitgeteilt, daß es daran liege, daß der Bund keine Vorgaben gemacht habe, daß er diese technischen Anforderungen bisher nicht definiert habe. Ich habe einfach die Frage: Bei welchen Kriterien fehlen diese Angaben?
Grüner, Parl. Staatssekretär: Mir ist eine solche Haltung des Landes Nordrhein-Westfalen nicht bekannt. Ich habe Ihnen die klare Antwort gegeben, daß § 7 a WHG nicht verabschiedet worden ist, daß die Länder aber in vollem Umfang informiert sind und daß — was in Ihrer Frage als Besorgnis herausklang — etwa die nicht ordnungsgemäße Einleitung keinerlei Grundlage in den tatsächlichen Verhältnissen findet, sondern daß im Gegenteil die Vorsorge getroffen ist, um auch künftig noch festzulegende Anforderungen, auf die man sich zwischen Bund und Ländern verständigen kann, zu berücksichtigen — unbeschadet der Tatsache, daß die Einleitungsbehörde auf Grund ihres Kenntnisstandes durch die Beratung auch selbständig handeln und über das hinausgehen kann, was als Mindestanforderungen im § 7 a WHG und in den dazu ergehenden Verwaltungsvorschriften festgelegt werden wird.
Darf ich gleichzeitig, Herr Kollege, darum bitten, diese Antwort nun auch als eine Erfüllung meiner Zusage von der Regierungsbefragung zu betrachten? Sie sind ja das letzte Mal auf diese Frage eingegangen, und ich habe Ihnen eine Auskunft zugesagt.
Das wird mit Ja beantwortet. Sie haben trotzdem noch eine Zusatzfrage.
Ich hätte doch noch eine zweite Frage. Ich bedanke mich — wenn ich das sagen darf — für diese Auskünfte. Nur: Gibt es wirklich keine Schadstoffe, die in Gewässer eingeleitet werden können, für die solche Vorgaben des Bundes noch ausstehen?
Grüner, Parl. Staatssekretär: Es ist richtig, daß es keine Verabschiedung dieser Verwaltungsvorschrift gibt und damit die Mindestanforderungen bezüglich gefährlicher Stoffe nicht festgelegt sind.
Ich halte es aber für völlig ausgeschlossen, daß es irgendeinen gefährlichen Stoff gibt, den die Landesbehörde aus den sehr intensiven Diskussionen nicht kennt. Es ist ein Unterschied, ob ich gefährliche Stoffe kenne oder ob ich mich darauf verständige, daß ich sie mit bestimmten qualifizierenden Anforderungen in eine Verwaltungsvorschrift aufnehme. Ich kann mir das nicht vorstellen. Wenn es aber solche Informationen gäbe, würden wir dieser Frage nachgehen.
Damit sind wir am Ende dieses Geschäftsbereichs. Ich danke dem Staatssekretär für die Beantwortung der Fragen.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern auf. Herr Parlamentarischer Staatssekretär Spranger steht zur Beantwortung der Fragen zur Verfügung.
Die Fragen 39 und 40 des Abgeordneten Dr. Emmerlich werden auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Wir kommen zur Frage 41 der Abgeordneten Frau Nickels:
Treffen Presseberichte vom 15. Februar 1989 zu, wonach der Übung WINTEX/CIMEX das Scheitern nicht nur von Gorbatschows Friedensinitiativen, sondern auch seiner Person zugrunde liegt?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Die von Ihnen gestellte Frage betrifft Einzelheiten des Szenarios, welche der von der NATO vorgegebenen Geheimhaltung unterliegen und daher hier nicht erörtert werden können.
Im übrigen weist die Bundesregierung darauf hin, daß das Szenario, welches der NATO-Stabsrahmenübung WINTEX/CIMEX 1989 zugrunde liegt, frei erfunden und fiktiv ist. Es dient ausschließlich dazu, die Übenden an die von ihnen zu bewältigenden Übungsaufgaben heranzuführen.
Zusatzfrage, Frau Nikkels.
Herr Staatssekretär, Sie sagten, daß diese Sachen frei erfunden seien. Trotzdem wird diesen frei erfundenen Szenarien ja wohl eine gewisse politische Logik innewohnen. Darum stelle ich die Zusatzfrage, ob die Bundesregierung angesichts dieser Presseberichte, die wir ja auch schon vor der letzten WINTEX/CIMEX-Übung hatten — damals soll ja ein Videofilm zur Vorbereitung von WINTEX/CIMEX 1987 erstellt worden sein, wo ebenfalls Gorbatschow mehrfach in der Pose des Aggressors gezeigt worden sein soll, was dann nach Protesten geschnitten und korrigiert worden sein soll — , angesichts dieser Vorgeschichte und auch der jetzt wieder ruchbar gewordenen Szenarien unseren Eindruck teilt, daß die Bundeswehr schon seit einiger Zeit bemüht ist, ihr Bild von der UdSSR und von der Bedrohungslage der NATO-Sicherheitspolitik unterzuordnen und anzupassen, obwohl doch eigentlich genau umgekehrt zu Zeiten einer gewandelten Bedrohung die Sicherheitspolitik auch in dieser Manöverlage zu überdenken und anzupassen wäre.
Spranger, Parl. Staatssekretär: Erstens sind mir solche Presseberichte, wie Sie sie zitieren, nicht bekannt, und zweitens ist es nicht erst bei dieser WINTEX/ CIMEX-Übung, sondern auch bei früheren Übungen der Fall, daß natürlich auch die ganze außenpolitische Entwicklung bei den von der NATO festzulegenden und festgelegten Übungslagen berücksichtigt wird.
Weitere Zusatzfrage, Frau Nickels?
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Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 127. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. Februar 1989 9339
Herr Staatssekretär, ich kann mir schon fast denken, wie die Antwort ausfällt; aber als Parlamentarierin habe ich keine andere Möglichkeit, wenn ich etwas in der Zeitung lese, als Sie zu fragen. Darum stelle ich die zweite Zusatzfrage: Wenn diese Presseberichte zutreffen — falls Sie sie nicht kennen sollten, kann ich sie Ihnen auch gerne einmal hinüberreichen —, wonach der in der Beschreibung der Übungsausgangslage ursprünglich vorgesehene Sturz Gorbatschows durch Stalinisten und Falken kurzfristig gestrichen worden sein soll, aus welchen Erwägungen, auf wessen Veranlassungen ist dies dann geschehen?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Ich kann nur wiederholen: Erstens sind mir solche Pressemeldungen nicht bekannt, und zweitens ist mir auch der von Ihnen unterstellte Sachverhalt nicht bekannt.
Dann eine Zusatzfrage des Abgeordneten Wüppesahl.
Ist der nach den Presseberichten bekanntgewordene Sturz als Übungsvoraussetzung für WINTEX/CIMEX 1989, der von Ihnen auch jetzt nicht dementiert worden ist, außerdem die logische Voraussetzung und Anlaß für das geplante Übungsvorhaben gewesen, erstmals während der jetzigen Übung nicht nur NATO-seitig, einmalig und „erfolgreich" per Atomwaffeneinsatz zu eskalieren, sondern auch einen atomaren Folgeeinsatz gegen den offenbar nicht zurückweichenden orange Agressor zu üben, und wann, wo auf deutschem Gebiet und mit wieviel Opfern sind diese Folgeeinsätze vorgesehen?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Ich kann nur wieder sagen, ich bin weder in der Lage, noch bin ich Willens, über irgendwelche Phantasien, die Sie hier vortragen, zu diskutieren oder Wertungen abzugeben. Ebenso ist auch das, was Sie im Anschluß formuliert haben, nicht Grundlage irgendwelcher Übungsvorstellungen.
Herr Staatssekretär, Sie würden es sicher auch nicht gern sehen, wenn jemand von der Regierung seine Antwort mit „Phantasien" bezeichnet bekommt. Ich wäre dankbar, wenn Sie Ihre Antwort ein bißchen versachlichen.
Spranger, Parl. Staatssekretär: Herr Präsident, wenn Sie gestatten: Ich habe wiederholt zum Ausdruck gebracht, daß hier irgendwelche Fakten unterstellt werden und dann zum Ausdruck gebracht wird, daß man, da ich sie nicht ausdrücklich dementiere, davon ausgehe, daß sie zuträfen.
Dies ist der sachliche Teil. Der andere Teil waren die „Phantasien" , und das fand ich nicht angebracht, weil Sie das als Regierungsmitglied auf sich bezogen auch nicht gern hören würden. Das ist eine Frage des Stils, würde ich sagen.
Jetzt kommt Herr Dr. Knabe.
Drücken wir es ganz phantasielos als „Übungsannahmen" aus. Können diese Annahmen des WINTEX/CIMEX-Manövers dazu beigetragen haben, daß sich bestimmte NATO-Staaten an diesen Übungen nicht beteiligen? Welche beteiligen sich nicht am militärischen und welche nicht am zivilen Ablauf?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Nach meiner Information beteiligen sich alle NATO-Staaten an dieser Übung. Es ist allerdings Tatsache, daß sich einzelne Bundesländer der Bundesrepublik Deutschland nicht mit dem Engagement an der Übung beteiligen, wie es wünschenswert wäre und in den vergangenen Jahren üblich war.
Jetzt kommt Frau Hillerich mit einer Zusatzfrage.
In der Manöverplanung wird angenommen, daß Gorbatschow ausgeschaltet werden soll, und immerhin ist Gorbatschow eine Person, mit der gewichtige Abrüstungsinitiativen gerade im Bereich chemischer Waffen verknüpft sind. Ist dies nach der inneren Logik Vorbedingung für die weitere Annahme innerhalb der Manöverplanung eines massiven russischen Chemiewaffeneinsatzes gewesen, und, wenn es so ist, wo, wann und mit welchen Folgen wird dieser von den Übungsplanern erwartet und eingespielt?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Ich kann nur zum drittenmal wiederholen, daß Sie hier mit Unterstellungen arbeiten, von denen mir überhaupt nichts bekannt ist.
Dann rufe ich Frage 42 der Abgeordneten Frau Nickels auf:
Trifft es zu, daß die Bundesregierung und/oder ein einzelnes Bundesministerium auf einzelne Bundesländer dahin gehend eingewirkt haben oder einwirken, daß diese ihre Beteiligung an WINTEX/CIMEX intensivieren?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Die Antwort ist: ja. Bundesminister Dr. Zimmermann hat am 14. Februar 1989 in einem Schreiben an die Innenminister und -senatoren der Länder nachdrücklich darauf hingewiesen, daß sich eine größtmögliche Notfallvorsorge für alle Bürger nur durch ein gemeinsames Handeln von Bund, Ländern und Gemeinden verwirklichen lasse. Er halte deshalb das gemeinsame Üben der Zusammenarbeit für unverzichtbar. Der Minister hat die Innenminister und -senatoren der Länder gebeten, sich im Interesse des Schutzes der Bevölkerung unseres Landes für eine umfassende und engagierte Beteiligung der Behörden der Länder einzusetzen.
Zusatzfrage, Frau Nickels.
Herr Staatssekretär, ich möchte Sie fragen, ob die Regierung die Auffassung von zwei Bundesländern teilt. Zunächst zu BadenWürttemberg. Das Innenministerium von BadenWürttemberg hat am 14. Februar 1989 wohl auf An-
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9340 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 127. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. Februar 1989
Frau Nickelsfrage erklärt, die Bundesländer seien im Rahmen der Bundesauftragsverwaltung sowie nach dem Grundsatz der Bundestreue zur Beteiligung an WINTEX/ CIMEX verpflichtet. Auch Ministerpräsident Engholm von Schleswig-Holstein hat wohl Anfang Oktober letzten Jahres erklärt, eine gänzliche Nichtbeteiligung sei wegen bundesrechtlicher Auflagen nicht möglich. Das ist die eine Auffassung. Oder teilen Sie von seiten der Regierung die andere, die das Bundeskanzleramt gegenüber dem Gemeinsamen Ausschuß vom 22. Juli 1988 geltend gemacht hat, wonach keinerlei derartige Verpflichtung bestehe und die obersten Bundes- und Landesbehörden vielmehr gemäß Nr. 14 Abs. 1 der WINTEX/CIMEX-Richtlinien des Bundes frei über Art, Umfang und Dauer ihrer Beteiligung sowie den nachgeordneten Verwaltungen, Kommunen usw. entscheiden können?Spranger, Parl. Staatssekretär: Ich kann die letztere Stelle, die Sie zitieren, jetzt nicht bestätigen. Das muß man überprüfen. Sicher ist aber, daß die Bundesrepublik Deutschland im Rahmen der NATO verpflichtet ist, an dieser sinnvollen und notwendigen Übung teilzunehmen, und daß auch die Bundesländer, wenn auch unterschiedlich und auf verschiedener Ebene, an dieser Übung teilnehmen.
Eine Zusatzfrage, Frau Nickels.
Herr Staatssekretär, es ist ja wohl zutreffend, daß das Bundeskabinett am 23. November 1987 beschlossen hat, die Länder um eine Beteiligung an WINTEX/CIMEX 1989 mit obersten Landesbehörden, ausgewählten nachgeordneten Bereichen, Kreisen und Gemeinden zu bitten; das entnehme ich auch dem, was Sie jetzt gesagt haben. Dann frage ich Sie: In welchem Umfang haben die Bundesländer Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg dieser Bitte entsprochen, bzw. mit welchen Regierungspräsidien, Kreisen und Gemeinden werden sie sich beteiligen?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Es ist zutreffend — das hatte auch ich vorhin schon gesagt — , daß sich die Bundesländer unterschiedlich beteiligen. Das ist vor wenigen Wochen auch sehr intensiv, aufgeschlüsselt nach der Beteiligung der Ministerien, der Kreise und der Gemeinden, im Innenausschuß vorgetragen worden. Ich bin gerne bereit, Ihnen diese differenzizerte Aufstellung zugänglich zu machen.
Ich sollte vielleicht aber doch, was den Sinn und Zweck dieser Übung und die Notwendigkeit der Beteiligung der Bundesländer in möglichst breitem Umfang anlangt, aus dem Brief des Innenministers vom 14. Februar an die Innenminister der Länder zitieren, wo er darstellt, daß die WINTEX/CIMEX-Übungen vor allem Verfahrensübungen sind, in denen im zivilen Bereich Verfahren und Pläne im Vorfeld einer Auseinandersetzung erprobt, überprüft und eingeübt werden sollten. Weiter heißt es:
Im außenpolitischen und militärischen Bereich treten Verfahren und Pläne auch nach Eintritt einer bewaffneten Auseinandersetzung hinzu. Die im zivilen Bereich geübten Abläufe können in Krisenfällen aller Art von Nutzen sein. Fragen der
Aufrechterhaltung der Regierungs- und Verwaltungstätigkeit, des Schutzes der Bevölkerung, der Versorgung und der Unterstützung der Einsatzkräfte sind nicht an eine bestimmte einzige Situation gebunden, sondern stellen sich — wenn auch mit unterschiedlicher Gewichtung — in jedem Notfall. Deshalb kommt der im Rahmen der Vorbereitung der übenden Behörden vorzunehmenden Überprüfung der eigenen Planung eine hohe Bedeutung zu. Auch die Einübung des Personals in der Anwendung der Planungen, in Krisensituationen stets unter Zeitdruck und anderen Erschwernissen, ist zur lagegerechten Erfüllung eigener Aufgaben geboten.
Dieses Schreiben macht deutlich, wie wichtig die Beteiligung auf breiter Basis bei dieser WINTEX/CIMEX-Übung im Interesse vor allem auch der Bevölkerung und der Zivil- und Katastrophenschutzeinheiten ist.
Herr Wüppesahl möchte eine Zusatzfrage stellen.
Nun ja, immer mehr Bundesländer kommen ja zu einer anderen Einsicht. — Hat Hessen auf die Bitte des Bundeskabinetts hin eine Beteiligung auf Landesebene mit einer Rahmenleitungsgruppe oder wie bisher mit Ansprechzellen — vergleichbar der Praxis in Bremen, im Saarland und in Schleswig-Holstein — vorgesehen?
Einen Augenblick! Ich kann nicht erkennen, ob es einen Zusammenhang gibt.
Spranger, Parl. Staatssekretär: Herr Präsident, ich muß sagen, die zwei Ausgangsfragen sind sicherlich nicht dazu geeignet, daß wir jetzt in Einzelheiten einsteigen.
Der Kern ist ganz einfach: Ist die Aufforderung des Bundeskabinetts, die ja Gegenstand der Ausgangsfrage war, für Hessen der Anlaß gewesen, sich mit einer Rahmenleitungsgruppe oder wie bisher mit Ansprechzellen an der Übung zu beteiligen?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Ich kann Ihnen die Überlegungen und die Haltung Hessens jetzt nicht im einzelnen interpretieren. Ich bin gern bereit, Ihnen das ergänzend mitzuteilen.
Herr Dr. Knabe zu einer Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, hat die Bundesregierung bei ihrem Ansprechen der Bundesländer zusätzlich zu dem, was Sie uns vorgelesen haben, den Ländern irgendwelche Vorteile oder Nachteile angekündigt, die ihnen aus einer Nichtbeteiligung oder einer Beteiligung an dem Manöver erwachsen?Spranger, Parl. Staatssekretär: Nein, die Bundesregierung hat keinem Land Nachteile angekündigt. Wir haben aber dargelegt, warum es für die Länder und
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Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 127. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. Februar 1989 9341
Parl. Staatssekretär Sprangervor allem für die Bevölkerung in den Ländern von Vorteil ist, wenn sie sich an dieser Übung beteiligen, wie es ja seit vielen Jahren — bisher einvernehmlich — der Fall war.
Frau Hillerich, eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, wie beurteilt die Bundesregierung vor dem Hintergrund der zum Teil verringerten Beteiligung an WINTEX/ CIMEX 1989 die Neigung mancher SPD-regierten Bundesländer, aber auch verantwortlicher CDU/CSU-Politiker, die dahin geht, die Übung WINTEX/CIMEX entgegen der eindeutig militärisch geprägten Übungsvorgabe neuerdings als eine Art großer, bundesweiter Katastrophenschutzübung mit Friedensnutzen darzustellen?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Es ist zweifelsohne so — das kommt in dem Brief des Innenministers ja auch zum Ausdruck — , daß auch der Bereich des Katastrophenschutzes hier gefordert ist und bei dieser Übung mitbeteiligt ist. Wir gehen ja von einem einheitlichen Hilfeleistungssystem von Bund und Landern aus. Und diese Übung bietet eine große Möglichkeit, alle Bereiche des Zivilschutzes und des Katastrophenschutzes zu üben.
Ich rufe die Frage 43 des Abgeordneten Jäger auf:
Welche Demonstrationen oder sonstigen Proteste in der Bundesrepublik Deutschland sind der Bundesregierung bekanntgeworden, die sich dagegen gerichtet haben, daß kürzlich das sowjetische Kernkraftwerk Tschernobyl wieder mit voller Leistung in Betrieb genommen wurde, ohne daß zuvor Containments oder vergleichbare Sicherungsanlagen eingerichtet worden waren?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Spranger, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Jäger, nach den der Bundesregierung vorliegenden Informationen aus den Bundesländern hat es keine Demonstrationen der angesprochenen Art gegeben.
Zusatzfrage, Herr Jäger.
Herr Staatssekretär, wie beurteilt die Bundesregierung diesen Vorgang angesichts der doch sonst außerordentlich empfindlichen und hochsensiblen Haltung vieler, die gegen Kernkraftwerke und gegen den Ausbau von Kernkraftwerken demonstrieren, und angesichts dieses nun wirklich gefährlichen Vorgangs in der Sowjetunion auf Grund der nicht vorhandenen Sicherungsanlagen des Kernkraftwerks von Tschernobyl?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Ich möchte mir eine Wertung ersparen. Aber ich muß feststellen, daß die Gruppen, die sonst gegen die friedliche Nutzung der Kernenergie in der Bundesrepublik Deutschland demonstrieren, bei diesem Ereignis nicht demonstriert haben.
Weitere Zusatzfrage, Herr Jäger.
Herr Staatssekretär, teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß eine ernste Besorgnis vor den Folgen von Kernkraftwerken eigentlich dort zu Demonstrationen führen müßte, wo die wirklichen Gefahren zu sehen sind? Und das ist von allen europäischen Kernkraftwerken derzeit wohl am allermeisten in dem einzigen, das überhaupt in den letzten Jahren große und schwere Schäden in Europa ausgelöst hat.
Spranger, Parl. Staatssekretär: Es ist sicherlich so, daß die möglichen Gefahren, die im Zusammenhang mit der friedlichen Nutzung der Kernenergie vermutet oder befürchtet werden, nicht nach ideologischen Gesichtspunkten unterschiedlich bewertet werden sollten.
Herr Wüppesahl hat eine Zusatzfrage dazu.
Kann sich die Bundesregierung erklären — und mit einer solchen Darstellung dann auch uns die Erläuterung zur Kenntnis bringen — , wieso es ihr, als der Bundesregierung, entgangen ist, daß praktisch auf jeder Demonstration der Anti-AKW-Bewegung und in jedem Protestschreiben, daß auf solchen Veranstaltungen oder auch auf irgendwelchen Abenden vor Bürgerinitiativen oder sonstwo verabschiedet worden ist, seit dem Unfall in Tschernobyl im April 1986 gegen dieses Atomkraftwerk ständig Position bezogen worden ist?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Herr Wüppesahl, das ist eine andere Dimension, als der Herr Kollege Jäger sie angeschnitten hat, der nämlich ausdrücklich nach speziellen Demonstrationen aus diesem von ihm genannten Anlaß gefragt hat. Und da fanden nach Auskünften der Bundesländer keine Demonstrationen statt.
Eine Zusatzfrage, Herr Dr. Knabe.
Herr Staatssekretär, aber ist es nicht so, daß eine Demonstration immer den konkreten Anlaß vor Augen braucht — ob das Gorleben, ob das Brokdorf, ob das Wackersdorf war — , weil die Gefahr des Objekts aus dem eigenen Land das Entscheidende ist, was die emotionale Bewegung einfach hervorruft, so daß man die Strapazen einer solchen Demonstration auf sich nimmt? Denn das sind erhebliche.
Spranger, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Knabe, das steht allerdings im Widerspruch zu der Tatsache, daß wir hier angesichts von Reaktorunfällen in den USA sehr lebhafte Demonstrationsaktionen hatten,
während das hinsichtlich Tschernobyl in der genannten Art, wie Herr Kollege Jäger sie hier in Frageform zur Debatte gestellt hat, nicht der Fall war.
Die Frage 44 des Abgeordneten Dr. Daniels soll auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet werden. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
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9342 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 127. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. Februar 1989
Vizepräsident WestphalIch rufe noch die Frage 45 des Abgeordneten Wüppesahl auf — zu mehr kommen wir heute wohl nicht — :Trifft die unter anderem von höheren Polizeibediensteten gemachte Behauptung zu, daß die Bundesarbeitsgemeinschaft kritischer Polizistinnen und Polizisten Gegenstand der Beobachtung des Bundesamtes für Verfassungsschutz bzw. von Landesämtern ist bzw. einzelne Mitglieder — es handelt sich bei allen Mitgliedern/innen um im Polizeidienst aktiv tätige Mitbürger/innen — Gegenstand der Beobachtung von Verfassungsschutzämtern sind, und aus welchen Gesichtspunkten geschieht diese Beobachtung?Spranger, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Wüppesahl, die von Ihnen genannte Arbeitsgemeinschaft ist nicht Beobachtungsobjekt des Bundesamtes für Verfassungsschutz. Insofern wurden und werden deren Mitglieder vom Bundesamt für Verfassungsschutz nicht beobachtet.Soweit auch nach der Tätigkeit der Landesämter für Verfassungsschutz gefragt wird, weise ich darauf hin, daß es ständiger Praxis der Bundesregierung entspricht, zu landesinternen Vorgängen nicht öffentlich Stellung zu nehmen.
Zusatzfrage, Herr Wüppesahl.
Herr Staatssekretär, können Sie damit auch ausschließen, daß in den Informationssystemen, die auf Bundesebene von den Nachrichtendiensten bereitgehalten und die von allen Ländern gespeist werden, auch in dem beim BfV in Köln, solche Vorgehensweisen von Landesämtern für Verfassungsschutz, zu denen Sie im Augenblick sagen, daß Sie darüber keine konkrete Aussage machen können — wir haben es im wesentlichen mit dem Bereich der Landeszuständigkeit zu tun — , gegenüber der Bundesarbeitsgemeinschaft kritischer Polizistinnen und Polizisten aufgenommen werden?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Sie verflechten in Ihrer Zusatzfrage beide Bereiche, Bund und Land. Ich möchte deshalb noch einmal betonen, daß ich in bezug auf das Amt, für das der Innenminister Verantwortung trägt, den ersten Teil meiner Antwort auf Ihre erste Frage wiederholen kann, daß nämlich diese Arbeitsgemeinschaft nicht Beobachtungsobjekt des Bundesamtes für Verfassungsschutz ist. Was die Länder anlangt, muß ich so verfahren, wie die Bundesregierung bei Fragen nach der Verantwortung der Länder hier üblicherweise verfährt.
Letzte Zusatzfrage, Herr Wüppesahl.
Könnte die Bundesregierung dies dennoch, so wie sie es auch bei anderen Fragegegenständen tut, bei den Ländern abfragen und mir das zur Kenntnis bringen?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Ich sehe hier, Herr Wüppesahl, keine Veranlassung. Diese Verantwortung liegt bei den Ländern, und der Bund sollte sie nicht in irgendeiner Weise zu Auskünften kombinieren.
Da die Fragen 46 und 47 des Abgeordneten Stahl und die Frage 48 des Abgeordneten Häfner schriftlich beantwortet werden sollen, sind wir am Ende dieses Fragenbereichs. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt. Wir sind wegen des Zeitablaufs aber auch am Ende der Fragestunde. Es tut mir leid, wir haben den Fragenbereich des Bundesministers der Finanzen nicht mehr aufrufen können.
Meine Damen und Herren, wir sind am Schluß unserer heutigen Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, 23. Februar 1989, 9 Uhr ein.
Die Sitzung ist geschlossen.