Protokoll:
11105

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 11

  • date_rangeSitzungsnummer: 105

  • date_rangeDatum: 9. November 1988

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 13:00 Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 16:29 Uhr

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    Plenarprotokoll 11/105 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 105. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 9. November 1988 Inhalt: Tagesordnungspunkt 8: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Haftung für fehlerhafte Produkte (Produkthaftungsgesetz) (Drucksache 11/2447) Engelhard, Bundesminister BMJ 7236 D Stiegler SPD 7237 B Hörster CDU/CSU 7239 A Dr. Daniels (Regensburg) GRÜNE . . . 7240 A Irmer FDP 7240 D Zusatztagesordnungspunkt 1: Aktuelle Stunde betr. die Förderung der Fusion von Daimler-Benz mit MBB durch die Bundesregierung Roth SPD 7241 D Wissmann CDU/CSU 7242 C Frau Vennegerts GRÜNE 7243 C Dr. Graf Lambsdorff FDP . . . . 7244B, 7252 A Müller (Pleisweiler) SPD 7245 D Dr. Bangemann, Bundesminister BMWi . 7246D, 7248 B Dr. Friedmann CDU/CSU 7247 A Hoss GRÜNE 7247 D Dr. Jens SPD 7249 D Rossmanith CDU/CSU 7251A Dr. Stoltenberg, Bundesminister BMF . 7252 D Frau Matthäus-Maier SPD 7254 B Kittelmann CDU/CSU 7255 B Hinsken CDU/CSU 7256 B Tagesordnungspunkt 1: Fragestunde — Drucksachen 11/3259, 11/3273 vom 4. und 8. November 1988 — Unterbindung militärischer Veranstaltungen, insbesondere des geplanten öffentlichen Gelöbnisses der Bundeswehr in Malsfeld, am 50. Jahrestag der Reichspogromnacht DringlAnfr 08.11.88 Drs 11/3273 Frau Schilling GRÜNE Antw PStSekr Würzbach BMVg 7219B ZusFr Frau Schilling GRÜNE 7219B Mehrzahlungen des Bundes an die gesetzliche Rentenversicherung (GRV) bei gleichbleibendem Anteil des Bundeszuschusses an den Gesamtleistungen der GRV von 1957 bis heute bzw. bei Entwicklung entsprechend dem Anteil der politisch gewollten Fremdleistungen der GRV MdlAnfr 3, 4 04.11.88 Drs 11/3259 Frau Unruh GRÜNE Antw PStSekr Höpfinger BMA . 7220A, 7220 D ZusFr Frau Unruh GRÜNE . . . 7220B, 7220 D Beurteilung der EG-Richtlinien über die Verwendung von gentechnisch veränderten Mikroorganismen MdlAnfr 5, 6 04.11.88 Drs 11/3259 Frau Bulmahn SPD Antw PStSekr Pfeifer BMJFFG 7221B, 7222 A ZusFr Frau Bulmahn SPD . . . . 7221D, 7222B II Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 105. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 9. November 1988 Gemeinsames Vorgehen von Bund und Ländern bei der angestrebten Öffnung der Hochschulen (Abbau des Numerus clausus) MdlAnfr 11, 12 04.11.88 Drs 11/3259 Frau Odendahl SPD Antw BMin Möllemann BMBW . 7222D, 7225C ZusFr Frau Odendahl SPD . . 7223C, 7225D ZusFr Kuhlwein SPD 7223D, 7226A ZusFr Kastning SPD 7224B, 7226 D ZusFr Daweke CDU/CSU . . . 7224C, 7227B ZusFr Weisskirchen (Wiesloch) SPD 7224D, 7226B ZusFr Frau Hillerich GRÜNE . . 7225A, 7227 C ZusFr Schreiner SPD 7225 B ZusFr Urbaniak SPD 7226 C ZusFr Frau Dr. Niehuis SPD 7226 D ZusFr Dr. Böhme (Unna) SPD 7227 B Verstärkte Einbeziehung von Frauen in den Lehrbetrieb an Hochschulen MdlAnfr 13, 14 04.11.88 Drs 11/3259 Dr. Böhme (Unna) SPD Antw BMin Möllemann BMBW . 7227D, 7229B ZusFr Dr. Böhme (Unna) SPD 7229 C ZusFr Frau Odendahl SPD 7228 B ZusFr Kuhlwein SPD 7228 C ZusFr Frau Hillerich GRÜNE 7228 D Einstellung von mehr Lehrpersonal im Rahmen eines Überlastprogramms unter Einbeziehung der Fachhochschulen MdlAnfr 15, 16 04.11.88 Drs 11/3259 Kastning SPD Antw BMin Möllemann BMBW . 7229D, 7230B ZusFr Kastning SPD 7229 D ZusFr Frau Odendahl SPD 7230 A ZusFr Frau Hillerich GRÜNE 7230 B Berücksichtigung geisteswissenschaftlicher und wirtschaftswissenschaftlicher Fächer bei der Mittelvergabe aus einem Überlastprogramm MdlAnfr 17 04.11.88 Drs 11/3259 Frau Dr. Niehuis SPD Antw BMin Möllemann BMBW 7230 C ZusFr Frau Dr. Niehuis SPD 7230 D ZusFr Kastning SPD 7231B Verhinderung einer Überlastung der Hochschulen angesichts zu erwartender hoher Studentenzahlen MdlAnfr 18 04.11.88 Drs 11/3259 Weisskirchen (Wiesloch) SPD Antw BMin Möllemann BMBW 7231 C ZusFr Weisskirchen (Wiesloch) SPD . . 7231D ZusFr Kuhlwein SPD 7232 C ZusFr Frau Hillerich GRÜNE 7232 D Menschenunwürdige Unterbringung von Asylbewerbern in Sammellagern in der Oberpfalz MdlAnfr 22, 23 04.11.88 Drs 11/3259 Dr. Hirsch FDP Antw PStSekr Spranger BMI . . 7233B, 7234 A ZusFr Dr. Hirsch FDP 7233C, 7234 A ZusFr Dr. de With SPD 7233 D ZusFr Wüppesahl fraktionslos 7234 B Begründung des Asylantrags von Boleslav Maikowskis MdlAnfr 24, 25 04.11.88 Drs 11/3259 Dr. Emmerlich SPD Antw PStSekr Spranger BMI . . 7234 C, 7235A ZusFr Dr. Emmerlich SPD . . . . 7234C, 7235A Durchführung von Verkehrsüberwachungsmaßnahmen durch den Grenzschutzeinzeldienst des BGS in Flensburg und Gudow MdlAnfr 26 04.11.88 Drs 11/3259 Wüppesahl fraktionslos Antw PStSekr Spranger BMI 7235 C ZusFr Wüppesahl fraktionslos 7235 D ZusFr Dr. Hirsch FDP 7236 B ZusFr von Schmude CDU/CSU 7236 B Nächste Sitzung 7257 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 7259* A Anlage 2 Planung eines Fusions-Demonstrations-Reaktors DEMO durch das Bundesministerium für Forschung und Technologie noch vor dem Jahr 2000 MdlAnfr 1 04.11.88 Drs 11/3259 Catenhusen SPD SchrAntw PStSekr Dr. Probst BMFT . . . 7259* B Anlage 3 Interventionen für die Freilassung der in Afghanistan festgehaltenen Deutschen seit dem 27. Oktober 1988 MdlAnfr 2 04.11.88 Drs 11/3259 Gansel SPD SchrAntw StMin Frau Dr. Adam-Schwaetzer AA 7259* C Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 105. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 9. November 1988 III Anlage 4 Soziale Vertretbarkeit von Arbeitsverhältnissen mit einer Wochenarbeitszeit von 13 Stunden bei der Bundespost im Rhein-Main-Gebiet MdlAnfr 7, 8 04.11.88 Drs 11/3259 Frau Faße SPD SchrAntw PStSekr Rawe BMP 7259* D Anlage 5 Grundsätze der Bundespost und ihrer Tochterunternehmen bei dem Bezug und der Errichtung von Nebenstellenanlagen im eigenen Betrieb; Fremdvergabe MdlAnfr 9, 10 04.11.88 Drs 11/3259 Pfeffermann CDU/CSU SchrAntw PStSekr Rawe BMP 7260* B Anlage 6 Bedeutung der Beschlüsse und Empfehlungen der Westdeutschen Rektorenkonferenz angesichts der sich ständig verschärfenden Überlastung der Hochschulen MdlAnfr 19 04.11.88 Drs 11/3259 Weisskirchen (Wiesloch) SPD SchrAntw BMin Möllemann BMBW . . . 7260* D Anlage 7 Benachteiligung weiblicher Studienbewerber gegenüber männlichen mit abgeleistetem Wehrdienst; Auswirkungen auf den Frauenanteil im wissenschaftlichen Bereich MdlAnfr 20, 21 04.11.88 Drs 11/3259 Kuhlwein SPD SchrAntw BMin Möllemann BMBW . . . 7261* A Anlage 8 Steuerliche Erfassung der Einnahmen aus Spielautomaten MdlAnfr 27, 28 04.11.88 Drs 11/3259 von Schmude CDU/CSU SchrAntw PStSekr Dr. Häfele BMF . . . 7261* D Anlage 9 Befreiung der öffentlichen Verkehrsunternehmen von der Mineralölsteuer; Änderung des Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes auf Empfehlung des Bundesrates MdlAnfr 29, 30 04.11.88 Drs 11/3259 Hinsken CDU/CSU SchrAntw PStSekr Dr. Häfele BMF . . . 7262* A Anlage 10 Beteiligung Nordrhein-Westfalens und des Saarlandes an den finanziellen Lasten der Kohleförderung; Belastung der Revierländer mit Sonderkosten MdlAnfr 33, 34 04.11.88 Drs 11/3259 Schreiner SPD SchrAntw PStSekr Dr. von Wartenberg BMWi 7262* C Anlage 11 Fortsetzung der Unterstützung für die Förderung niederflüchtiger Kohle MdlAnfr 35 04.11.88 Drs 11/3259 Becker (Nienberge) SPD SchrAntw PStSekr Dr. von Wartenberg BMWi 7263* A Anlage 12 Ankauf deutscher Milch durch niederländische Großmolkereien zu überhöhten Preisen zum Nachteil der deutschen Molkereiwirtschaft MdlAnfr 36 04.11.88 Drs 11/3259 Pfuhl SPD SchrAntw PStSekr Gallus BML 7263* B Anlage 13 Gründe für die Empfehlung des PStSekr Gallus zur Vorratshaltung in Privathaushalten MdlAnfr 37, 38 04.11.88 Drs 11/3259 Dr. Klejdzinski SPD SchrAntw PStSekr Gallus BML 7263* C Anlage 14 Souveränität der Bundesrepublik Deutschland in bezug auf Übertragung deutscher Hoheitsrechte auf US-Militärdienststellen im Krisenfall MdlAnfr 39, 40 04.11.88 Drs 11/3259 Dr. Mechtersheimer GRÜNE SchrAntw PStSekr Würzbach BMVg . . . 7264* A Anlage 15 Entscheidungen der Bundesregierung zur Verhinderung des Verkaufs von TornadoKampfflugzeugen nach Jordanien nach der Fragestunde vom 26. Oktober 1988 MdlAnfr 41 04.11.88 Drs 11/3259 Gansel SPD SchrAntw PStSekr Würzbach BMVg . . . 7264* B IV Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 105. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 9. November 1988 Anlage 16 Beteiligung der Bundesregierung an dem für Atomunfälle erstellten Dokument USCINCEUR CONPLAN 4367-87 der US-Streitkräfte in Europa und rechtliche Qualität dieses Dokuments auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland MdlAnfr 42, 43 04.11.88 Drs 11/3259 Dr. de With SPD SchrAntw PStSekr Würzbach BMVg . . . 7264* C Anlage 17 Deutsch-amerikanische Vereinbarungen im Zusammenhang mit dem für Atomunfälle erstellten Handbuch USCINCEUR CONPLAN 4367-87 und Unterschied zwischen den darin genannten „Disaster response forces" und NEST MdlAnfr 44, 45 04.11.88 Drs 11/3259 Frau Fuchs (Verl) SPD SchrAntw PStSekr Würzbach BMVg . . . 7265* A Anlage 18 Ausrüstung der Eisenbahnwagen mit einem geschlossenen Toilettensystem MdlAnfr 46, 47 04.11.88 Drs 11/3259 Zierer CDU/CSU SchrAntw StSekr Dr. Knittel BMV . . . . 7265* C Anlage 19 Vermarktung des Bundesbahnverbundsystems Fahrrad/Bahn; Stand der Planung und Errichtung der modellhaften Fahrradstation am Hauptbahnhof Bonn MdlAnfr 48 04.11.88 Drs 11/3259 Dr. Daniels (Regensburg) GRÜNE SchrAntw StSekr Dr. Knittel BMV . . . . 7266* A Anlage 20 Realisierung der 4. Elbtunnelröhre und der Umgehung Fuhlsbüttel vor dem Jahr 2000 MdlAnfr 49, 50 04.11.88 Drs 11/3259 Duve SPD SchrAntw StSekr Dr. Knittel BMV . . . . 7266* B Anlage 21 Erhöhung des Wildschutzzauns an der Bundesautobahn Hamburg—Berlin MdlAnfr 51 04.11.88 Drs 11/3259 Wüppesahl fraktionslos SchrAntw StSekr Dr. Knittel BMV . . . . 7266* C Anlage 22 Verhinderung der Angliederung des Bahnhofs Gunzenhausen an den Bahnhof Ansbach MdlAnfr 52, 53 04.11.88 Drs 11/3259 Stiegler SPD SchrAntw StSekr Dr. Knittel BMV . . . . 7266* D Anlage 23 Änderung der 4. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (genehmigungsbedürftige Anlagen) MdlAnfr 54, 55 04.11.88 Drs 11/3259 Reimann SPD SchrAntw PStSekr Grüner BMU 7267* A Anlage 24 Definition der Begriffe „Entsorgung" und „Zwischenlagerung" von Atommüll MdlAnfr 56 04.11.88 Drs 11/3259 Dr. Daniels (Regensburg) GRÜNE SchrAntw PStSekr Grüner BMU 7268* B Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 105. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 9. November 1988 7219 105. Sitzung Bonn, den 9. November 1988 Beginn: 13.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens* * 11. 11. Amling 11. 11. Antretter 10. 11. Böhm (Melsungen)* 11. 11. Dr. Bötsch 11. 11. Bühler (Bruchsal) * 10. 11. Dollinger 11. 11. Dr. Dregger 11. 11. Ebermann 11. 11. Frau Eid 11. 11. Ewen 9. 11. Dr. von Geldern 10. 11. Frau Dr. Hamm-Brücher 11. 11. Dr. Hauff 11. 11. Frau Hoffmann (Soltau) 11. 11. Dr. Klejdzinski* 10. 11. Dr. Kohl 9. 11. Dr. Kreile 9. 11. Leonhart 11. 11. Lohmann (Witten) 9. 11. Frau Luuk* 10. 11. Dr. Müller* * 11. 11. Frau Nickels 11. 11. Niegel* 10. 11. Paintner 11. 11. Frau Rock 11. 11. Frau Saibold 10. 11. Dr. Schmude 11. 11. Schröer (Mülheim) 9. 11. Schütz 9. 11. Frau Dr. Segall 9. 11. Frau Trenz 11. 11. Dr. Waigel 9. 11. Zeitler 9. 11. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates * * für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union Anlage 2 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Probst auf die Frage des Abgeordneten Catenhusen (SPD) (Drucksache 11/3259 Frage 1): Welche Gründe haben die Pressestelle des Bundesministeriums für Forschung und Technologie (BMFT) dazu bewogen, wiederholt (z. B. Pressemitteilung 113/88) davon zu sprechen, das in einer internationalen Planungsgruppe erörterte nächste internationale Projekt der Kernfusion „kann möglicherweise schon ein Demonstrationsreaktor (!) sein", und aus welchen Gründen geht das BMFT damit von der weltweit bestehenden Auffassung ab, daß erst nach dem Jahr 2000 an Planungen für einen Fusions-Demonstrations-Reaktor DEMO zu denken ist? Vertreter der Kernfusionsprogramme der USA, der Sowjetunion, Japans und der Europäischen Gemeinschaft haben sich darauf geeinigt, unter der Schirmherrschaft der IAEO gemeinsame Planungsarbeiten für den nächsten Schritt eines internationalen Fu- Anlagen zum Stenographischen Bericht sionsexperiments vorzuschlagen. Eine Arbeitsgruppe für einen „International Thermonuclear Experimental Reactor" (ITER) hat am 23. April 1988 beim MaxPlanck-Institut für Plasmaphysik in Garching bei München ihre Arbeit aufgenommen. In diesem Projekt sollen bis Ende 1990 Planungsunterlagen für ein nächstes Fusionsexperiment erstellt werden. Wie dieses im einzelnen aussieht, kann heute noch nicht mit Gewißheit gesagt werden. Hierfür kommt aber eine breite Palette möglicher Experimente in Betracht. Nur in diesem Sinn ist der Satz „dies kann möglicherweise schon ein Demonstrationsreaktor sein" zu interpretieren, der in einigen Pressemitteilungen des BMFT enthalten ist. Das Bundesministerium für Forschung und Technologie ist nach wie vor der Auffassung, daß erst nach dem Jahr 2000 ein stromerzeugender Fusionsdemonstrationsreaktor verwirklicht werden kann. Anlage 3 Antwort des Staatsministers Frau Dr. Adam-Schwaetzer auf die Frage des Abgeordneten Gansel (SPD) (Drucksache 11/3259 Frage 2): Was hat die Bundesregierung seit dem 27. Oktober 1988 getan, um die Freilassung der in Afghanistan von der afghanischen Regierung festgehaltenen deutschen Staatsbürger, der Krankenschwester Lea Hackstedt und des Arztes Benno Splieth, zu erreichen? Auf Bitten der Bundesregierung hat der persönliche Beauftragte von VN-Generalsekretär Perez de Cuellar, Benon Sevan, sich am 1. November 1988 in Kabul erneut um die Freilassung von Frau Hackstedt und Herrn Dr. Splieth bemüht. Am 3. November 1988 hat Botschafter Dr. Meyer-Landrut beim 1. stellv. Außenminister Bessmertnych zugunsten der beiden Inhaftierten des Komitees Cap Anamur demarchiert. Der sowjetische Gesprächspartner versicherte, daß wir uns auf eine endgültige Lösung des Falles zubewegten. Am 6. November 1988 fand in Kabul eine vom Pressezentrum des afghanischen Außenministeriums einberufene Pressekonferenz mit Frau Hackstedt und Herrn Dr. Splieth statt. Diese Tatsache und inoffizielle Äußerungen der afghanischen Seite deuteten darauf hin, daß die Entlassung der beiden in Bälde erfolgen würde. Am 7. November 1988 wurde unserem Geschäftsträger vom afghanischen Außenministerium mitgeteilt, daß Frau Hackstedt und Herr Dr. Splieth von GS Najibullah amnestiert worden seien. Die Bundesregierung erwartet ihre Rückkehr in die Bundesrepublik Deutschland in den nächsten Tagen. Anlage 4 Antwort des Parl. Staatssekretärs Rawe auf die Fragen der Abgeordneten Frau Faße (SPD) (Drucksache 11/3259 Fragen 7 und 8) : 7260* Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 105. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 9. November 1988 Hält die Bundesregierung das Anbieten von Arbeitsverhältnissen bei der Deutschen Bundespost mit einer Wochenarbeitszeit von 13 Stunden (Region Rhein/Main) im Schalterdienst unter sozialen Gesichtspunkten für vertretbar? Hält die Bundesregierung es für verantwortbar, daß die Betroffenen nicht unter den Arbeitslosenschutz, nicht unter den Rationalisierungsschutz fallen und sie auch keine Ansprüche auf die Zusatzversorgung bei der Deutschen Bundespost haben? Die betrieblichen Erfordernisse und die von den Postkunden gewünschte Dienstgüte bedingen einen hohen Arbeitsaufwand in oft sehr kurzen Zeiträumen. Für den Personaleinsatz folgt hieraus, daß die Arbeit oft mit vielen Kräften in einem kurzen vorgegebenen Zeitintervall bewältigt werden muß. Unter Berücksichtigung der Verpflichtung der Deutschen Bundespost, die ihr zugewiesenen Aufgaben wirtschaftlich zu erfüllen, muß sich die mit den Arbeitnehmern zu vereinbarende Wochenarbeitszeit (WAZ) nach den betrieblichen Notwendigkeiten richten. Auch für Arbeitnehmer mit einer arbeitsvertraglich geringen Wochenarbeitszeit gelten jedoch die für Angestellte und Arbeiter mit den zuständigen Gewerkschaften geschlossenen Mantel-Tarifverträge. Die Regelungen über die Arbeitslosenversicherung sind nicht postspezifisch; sie richten sich vielmehr nach den allgemeinen gesetzlichen Regelungen, z. B. dem Arbeitsförderungsgesetz. Die mit den Gewerkschaften vereinbarten Regelungen über Rationalisierungsschutz und Zusatzversorgung gelten zwar nur für Arbeitnehmer mit mindestens der Hälfte der WAZ einer vollbeschäftigten Kraft. Die nicht unter den Rationalisierungsschutzvertrag fallenden Kräfte werden jedoch vor unzumutbaren sozialen Härten geschützt. Sie haben z. B. bei rationalisierungsbedingter Kürzung ihrer WAZ oder Herabgruppierung vorrangigen Anspruch auf einen anderen Arbeitsplatz mit gleichwertigen Bedingungen. Bei den mit geringer WAZ beschäftigten Kräften handelt es sich in der Regel um Beschäftigte, die diese Arbeitsverhältnisse gerade wegen der Versicherungsfreiheit wünschen, weil sie z. B. durch ihren Ehepartner Sozialversicherungsschutz genießen. Anlage 5 Antwort des Parl. Staatssekretär Rawe auf die Fragen des Abgeordneten Pfeffermann (CDU/CSU) (Drucksache 11/3259 Fragen 9 und 10): Nach welchen Beschaffungsgrundsätzen werden von der Deutschen Bundespost und ihren Tochterunternehmen zur Verwendung im eigenen Betrieb Nebenstellenanlagen erworben? Welches waren die Gründe dafür, daß der Bezug und die Errichtung von Nebenstellenanlagen bei dem Tochterunternehmen DETECON der Deutschen Bundespost in Fremdvergabe erfolgten? Die Deutsche Bundespost verwendet als dienstliche Telefonanlagen ausschließlich Fabrikate, die sie auch als post- und teilnehmereigene Anlagen ihren Kunden überläßt. Diese Anlagen beschafft die Deutsche Bundespost, ebenso wie alle anderen Güter im Wettbewerb, nach Einkaufsvorschriften, d. h. der Verdingungsordnung für Leistungen, die für alle öffentlichen Auftraggeber gleichermaßen gelten. Die Deutsche Telepost Consulting GmbH, an der die Deutsche Bundespost zu 30 v. H. beteiligt ist, hat für sich vergleichbare Grundsätze aufgestellt, nach denen Lieferungen und Leistungen soweit wie möglich im Wettbewerb einzukaufen sind. Aus den genannten Gründen wurde auch die betroffene Nebenstellenanlage von DETECON ausgeschrieben. Es wurden fünf Angebote, u. a. auch von der Deutschen Bundespost abgegeben. Nach Meinung der DETECON erhielt den Zuschlag das unter Berücksichtigung aller Umstände wirtschaftlichste Angebot. Anlage 6 Antwort des Bundesministers Möllemann auf die Frage des Abgeordneten Weisskirchen (Wiesloch) (SPD) (Drucksache 11/3259 Frage 19): Welche Bedeutung mißt die Bundesregierung der hochschulpolitischen Umsetzung von Beschlüssen und Empfehlungen von Westdeutscher Rektorenkonferenz oder Wissenschaftsrat zu der seit Jahren vorhandenen und sich ständig verschärfenden Überlastung der Hochschulen bei? Die Bundesregierung hält es für ihre Pflicht, sowohl Beschlüsse und Empfehlungen der Westdeutschen Rektorenkonferenz und des Wissenschaftsrats als auch Stellungnahmen und Forschungsergebnisse von anderen Organisationen und wissenschaftlichen Instituten zum Hochschulbereich zu prüfen und bei ihrer politischen Arbeit zu berücksichtigen. Sie hat auch den Stellungnahmen von Wissenschaftsrat und Rektorenkonferenz stets besondere Bedeutung beigemessen, auch wenn sie sich in der Überlastfrage in erster Linie an die Länder richten. Aufgrund des Verwaltungsabkommens von Bund und Ländern zur Errichtung eines Wissenschaftsrates vom 5. September 1957 — zuletzt verlängert am 1. Juli 1985 — haben sich Bund und Länder verpflichtet, die von ihm verabschiedeten Empfehlungen bei der Aufstellung ihrer Haushaltspläne im Rahmen der haushaltsmäßigen Möglichkeiten zu berücksichtigen. Die Bundesregierung berücksichtigt die Empfehlungen des Wissenschaftsrats, soweit sie den Verantwortungsbereich des Bundes betreffen, wie z. B. in der Gemeinschaftsaufgabe Hochschulbau, regelmäßig bei der Aufstellung des Bundeshaushaltsplans. Die Bundesregierung stimmt mit den Feststellungen der Westdeutschen Rektorenkonferenz zur Überlast an den Hochschulen im Grundsatz überein und prüft gegenwärtig die Realisierung eines Überlastprogramms. Allerdings ist sie im Gegensatz zur Westdeutschen Rektorenkonferenz nicht der Auffassung, daß Zulassungsbeschränkungen, u. a. in den Studiengängen Betriebswirtschaftslehre und Informatik, ein geeigneter Weg sind, die Überlastsituation in einzelnen Studiengängen zu lösen. Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 105. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 9. November 1988 7261* Anlage 7 Antwort des Bundesministers Möllemann auf die Fragen des Abgeordneten Kuhlwein (SPD) (Drucksache 11/3259 Fragen 20 und 21): Wie beurteilt die Bundesregierung Zulassungsverfahren in einzelnen Bundesländern, bei denen weibliche Studienbewerber gegenüber jungen Männern, die ihren Zivil- bzw. Wehrdienst abgeleistet haben, benachteiligt werden, und wie will sie eine solche Benachteiligung in Zukunft verhindern? Welche Auswirkungen hat angesichts der Überlast an den Hochschulen die strikte Anwendung von § 34 Hochschulrahmengesetz (HRG) und § 13 Vergabeverordnung auf den späteren Frauenanteil im gesamten wissenschaftlichen Bereich, und über welche Maßnahmen kann die Bundesregierung in diesem Zusammenhang die konsequente Anwendung des § 2 HRG sichern? Zu Frage 20: Ihre Frage geht offensichtlich von den ersten — inzwischen überholten — Zulassungsergebnissen an vier Universitäten in Baden-Württemberg und einzelnen Universitäten in anderen Ländern mit örtlichen Zulassungsbeschränkungen für den Studiengang Rechtswissenschaften aus. Die Studienplätze für diesen Studiengang wurden für die vorangegangenen Semester im Rahmen des bundesweiten Verteilungsverfahrens der ZVS vergeben, d. h. jeder Studienbewerberin und jedem Studienbewerber konnte ein Studienplatz garantiert werden. Nach Herausnahme dieses Studiengangs aus dem zentralen Vergabeverfahren der ZVS wurden wegen örtlicher Übernachfragen an einzelnen Hochschulen örtliche Zulassungsbeschränkungen festgelegt. Im Hinblick auf diese Zulassungsbeschränkungen sind Studienbewerberinnen und Studienbewerber, die zuvor, als der Studiengang noch frei war, wegen eines Dienstes an der Aufnahme eines Studiums gehindert waren — im wesentlichen Männer —, vor den übrigen Bewerberinnen und Bewerbern bevorzugt zugelassen worden. Rechtsgrundlage dafür sind landesrechtliche Vorschriften, die den Grundsatz eines Nachteilsausgleichs für dienstleistende Personengruppen vorsehen, wie ihn § 34 Hochschulrahmengesetz für bundesweite Vergabeverfahren regelt. Bereits in der Fragestunde des Deutschen Bundestages am 27. Oktober 1988 hat die Bundesregierung auf eine entsprechende Frage der Abgeordneten Oesterle-Schwerin eingehend dazu Stellung genommen, auf welche Weise sie im Rahmen ihrer Möglichkeiten Schwierigkeiten, wie sie u. a. an den vier baden-württembergischen Universitäten entstanden sind, verhindern möchte. Die Bundesregierung hat sich bei dieser Gelegenheit noch einmal bereiterklärt, nach Vorlage der endgültigen Zahlen über die Einschreibergebnisse an den betreffenden Universitäten darüber im zuständigen Ausschuß für Bildung und Wissenschaft zu berichten. Bereits jetzt kann nach den uns vorliegenden Informationen festgestellt werden, daß sich die Situation, d. h. der Anteil der zugelassenen Studienbewerberinnen, nach den inzwischen stattgefundenen Nachrückverfahren deutlich günstiger darstellt als nach dem ersten Durchgang der Studienplatzvergabe. Zu Frage 21: Die Anwendung von § 34 HRG bzw. der entsprechenden landesrechtlichen Regelung für das bundesweite Vergabeverfahren in § 13 Vergabeverordnung ZVS hat weder einen Einfluß auf den durchschnittlichen Frauenanteil unter den Studierenden noch unter den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern im Hochschulbereich. Durch diese Vorschriften wird eine Benachteiligung derjenigen Bewerber ausgeglichen, die einen Dienst im Interesse der Öffentlichkeit geleistet haben. Dies gilt auch für Frauen. Wie schon in der Antwort am 27. Oktober 1988 gesagt worden ist, hätten bei einem zentralen Vergabeverfahren Mehrfachbewerbungen an den vier Universitäten ausgeschlossen werden können. Es wären dann von vornherein mehr Frauen zugelassen worden. In § 2 Abs. 2 HRG ist geregelt, daß die Hochschulen bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben auf die Beseitigung der für Wissenschaftlerinnen bestehenden Nachteile hinwirken. Die Bundesregierung sieht keinen Gegensatz zwischen § 34 und § 2 Abs. 2 HRG. Durch § 34 HRG werden nur Nachteile ausgeglichen, die andere als die dort beschriebenen Bewerber nicht haben. Anlage 8 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Häfele auf die Fragen des Abgeordneten von Schmude (CDU/CSU) (Drucksache 11/3259 Fragen 27 und 28): Wie beurteilt die Bundesregierung angesichts der öffentlichen Diskussion um eine Eindämmung der Spielhallenflut die Tatsache, daß Umsätze bzw. Einnahmen von Spielautomaten-Aufstellern praktisch nicht nachprüfbar sind und somit die Gefahr von nicht ordnungsgemäß geleisteten Steuerzahlungen gegeben ist? Sieht die Bundesregierung die Möglichkeit, für Spielautomaten entsprechende Zählgeräte nach Art der Registrierkassen gesetzlich vorzuschreiben? Zu Frage 27: Nach § 10 Abs. 1 Umsatzsteuergesetz ist Bemessungsgrundlage für die Umsatzsteuer bei Geldspielgeräten mit Gewinnmöglichkeit der zum jeweiligen Spiel berechtigende Geldeinsatz abzüglich der darin enthaltenen Umsatzsteuer — gleichgültig, ob der Spieler verliert oder einen Gewinn erzielt. In der Vergangenheit hat die Finanzverwaltung eine Schätzung nur bei Geräten zugelassen, die keine Zähler für die eingeworfenen Geldstücke besitzen (Abschn. 149 Abs. 9 Umsatzsteuer-Richtlinien). Eine Schätzung der steuerlichen Bemessungsgrundlage ist jedoch nur vertretbar, wenn die Bemessungsgrundlage nicht genau ermittelt werden kann. Nach neuesten Erkenntnissen ist der Einbau von Zählwerken bei Neugeräten ohne ins Gewicht fallenden Aufwand möglich. Bei einem Einsatz von Zählwerken kann der Unternehmer den Umsatz genau feststellen. Die Ermittlung der zutreffenden umsatzsteuerlichen Bemessungsgrundlage ist unabhängig von Maßnahmen zur Eindämmung der Spielhallenflut. Wenn 7262* Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 105. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 9. November 1988 dadurch die Spielhallenflut eingedämmt wird, ist dies eine erfreuliche Folgewirkung. Zu Frage 28: Die Bundesregierung prüft zur Zeit, wie die zutreffende umsatzsteuerliche Erfassung der Umsätze aus Geldspielautomaten sichergestellt werden kann. Dabei stellt sich auch die Frage, ob der Einbau von zuverlässigen Zählwerken gesetzlich vorgeschrieben werden soll. Anlage 9 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Häfele auf die Fragen des Abgeordneten Hinsken (CDU/CSU) (Drucksache 11/3259 Fragen 29 und 30): Beabsichtigt die Bundesregierung angesichts der Empfehlung des Bundesrates, die öffentlichen Verkehrsunternehmen von der Mineralölsteuer (Gasöl-Betriebsbeihilfe) zu befreien, um den öffentlichen Personennahverkehr in den Flächenregionen zu stärken? Wie beurteilt die Bundesregierung die Stellungnahme des Bundesrates, die durch das Haushaltsstrukturgesetz 1975 erfolgte Kürzung von 10 v. H. des für die Gemeindeverkehrsfinanzierung zweckgebundenen Anteils am Mineralölsteueraufkommen rückgängig zu machen und im Rahmen des zu ändernden Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes eine Aufstockung des ab 1. Januar 1988 geltenden Plafonds von 2,6 Milliarden DM um den zusätzlich gewonnenen Betrag vorzusehen? Zu Frage 29: Der öffentliche Personennahverkehr ist von der Mineralölsteuererhöhung nicht betroffen, weil die Steuer für Dieselkraftstoff nicht erhöht wird. Seine Stellung wird durch die steuerlichen Maßnahmen, die den Individualverkehr verteuern, verhältnismäßig sogar verbessert. Im übrigen wurde der Abbau der Gasöl-Betriebsbeihilfe durch das Subventionsabbaugesetz 1981 seinerzeit im Zusammenhang mit anderen Abbaumaßnahmen einstimmig vom Deutschen Bundestag beschlossen. Die eingesparten Mittel fließen seither, soweit sie den öffentlichen Personennahverkehr betrafen, einer investiven Verwendung im Rahmen des Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes (GVFG) zu. Die Wiedereinführung der Gasöl-Betriebsbeihilfe könnte nicht auf den öffentlichen Personennahverkehr des Straßenverkehrs beschränkt bleiben, sondern auch die anderen durch das Subventionsabbaugesetz betroffenen Gruppen veranlassen, auf die Wiedereinführung der bei ihnen abgebauten Vergünstigungen zu drängen. Eine solche Entwicklung muß insbesondere aus Haushaltsgründen vermieden werden. Im übrigen würden auch weitere Fortschritte beim Subventionsabbau damit gefährdet. Zu Frage 30: Die Bundesfinanzhilfen nach dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz werden trotz Begrenzung auch in Zukunft auf einem hohen Stand fortgeführt. Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß mit dem kürzlich verabschiedeten Gesetz zur Änderung des Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes auch hinsichtlich des zukünftigen Finanzbedarfs eine angemessene Lösung und ein gerechter Ausgleich der Interessen gefunden wurden, zumal mit der damit eröffneten Möglichkeit der Fahrzeugförderung auch den Belangen der Fläche besser Rechnung getragen werden kann. Die Bundesregierung sieht daher keine Veranlassung, die mit Wirkung vom 1. Januar 1988 in Kraft getretene Neuregelung für das Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz teilweise rückgängig zu machen oder den Plafond zu erhöhen. Anlage 10 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. von Wartenberg auf die Fragen des Abgeordneten Schreiner (SPD) (Drucksache 11/3259 Fragen 33 und 34): In welchem Umfang haben sich die Länder Nordrhein-Westfalen und Saarland bislang an den finanziellen Lasten der Kohleförderung beteiligt? Beabsichtigt die Bundesregierung, die Revierländer über die gegebene Situation hinaus, z. B. durch die Abschaffung des Revierausgleichs, mit zusätzlichen Sonderkosten zu belasten? Zu Frage 33: Traditionell beteiligen sich die beiden Kohleländer in der Regel zu einem Drittel an den Haushaltshilfen des Bundes für die deutsche Steinkohle. Mit dieser Beteiligung tragen die Länder der Tatsache Rechnung, daß die massiven Stützungsmaßnahmen für den Beitrag der Steinkohle zur Energieversorgung auch in beachtlichem Maße der Lösung regionaler und sozialer Fragen in den Bergbauregionen dienen. Das Saarland ist jedoch im Hinblick auf die dort vorliegenden besonderen Verhältnisse von den Leistungen des Drittelanteils bei der Kokskohlenbeihilfe und der Steinkohlenbevorratung freigestellt; der Bund übernimmt insoweit den Anteil. In den Jahren 1983 bis 1987 haben sich das Land Nordrhein-Westfalen in Höhe von rd. 5,7 Milliarden DM und das Saarland mit rd. 160 Millionen DM an den unmittelbaren Haushaltshilfen des Bundes für die Kohle beteiligt. Die Ausgaben des Bundes betrugen für diese Hilfen im gleichen Zeitraum rd. 12,9 Milliarden DM. Zu Frage 34: Nachdem die Verhandlungen mit den Stromversorgungsunternehmen über einen partiellen Verzicht auf Zuschüsse aus dem Verstromungsfonds nicht zu einem Konsens geführt haben, prüft die Bundesregierung alle Möglichkeiten, den Fonds zu stabilisieren. Sie geht nach wie vor davon aus, daß eine Lösung nur dann möglich ist, wenn alle Beteiligten einen Beitrag leisten, hierzu gehört nicht nur ein höherer Kohlepfennig, sondern auch die Entlastung des Fonds von bestimmten Ausgaben. Soweit aus dem Fonds Revierausgleich gezahlt wird, geht es überwiegend um regional- und sozialpo- Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 105. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 9. November 1988 7263* litische Anliegen. Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß hier ein besonderer Beitrag der Revierländer zu der angestrebten Gesamtlösung geboten ist. Die Bundesregierung erwartet andererseits auch die Bereitschaft der revierfernen Länder, einen hohen Kohlepfennig mitzutragen. Anlage 11 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. von Wartenberg auf die Frage des Abgeordneten Becker (Nienberge) (SPD) (Drucksache 11/3259 Frage 35): Wird die Bundesregierung ihre Unterstützung für die Förderung niederflüchtiger Kohle in ihrer bisherigen Form und in gleichem Umfang in Erfüllung des Jahrhundertvertrages und der Kohlevorrangpolitik fortsetzen? Die notwendige Stabilisierung des Verstromungsfonds und die Erfüllung des Jahrhundertvertrages hängen nach Auffassung der Bundesregierung davon ab, daß alle Beteiligten — auch die Bergbauunternehmen — einen Beitrag leisten. Die Bundesregierung strebt an, den Verstromungsfonds von Ausgaben für die niederflüchtige Kohle zu entlasten. Sie geht dabei davon aus, daß die betreffenden Bergbauunternehmen die Elektrizitätsversorgungsunternehmen durch Preisermäßigungen so stellen, daß der Wegfall der Zuschüsse nicht zu Nachteilen führt. Sie prüft, inwieweit mit den betroffenen Bergbauunternehmen im Einzelfall über einen Ausgleich durch Haushaltsmittel verhandelt werden muß. Anlage 12 Antwort des Parl. Staatssekretärs Gallus auf die Frage des Abgeordneten Pfuhl (SPD) (Drucksache 11/3259 Frage 36): Wie beurteilt die Bundesregierung den Ankauf von bundesdeutscher Milch durch holländische Großmolkereien zu überhöhten Preisen, und was gedenkt sie im Interesse der deutschen Molkereiwirtschaft dagegen zu tun? Durch die Garantiemengenregelung ist die Milchanlieferung in der gesamten Europäischen Gemeinschaft rückläufig. Die Molkereien versuchen daher, den Kostendruck wegen unbefriedigender Kapazitätsauslastung und das verringerte Produktionsvolumen durch Milchkäufe auch über die Landesgrenzen hinweg auszugleichen. Im Wettbewerb um den Rohstoff Milch versuchen die niederländischen Verarbeiter durch entsprechende Preisangebote sich zusätzliche Rohstoffmengen zu verschaffen. Angesichts des hohen Entwicklungsstandes der deutschen Molkereitechnologie und eines kaufkräftigen heimischen Marktes liegt eine Erhaltung des Verarbeitungsstandortes Deutschland im vitalen Interesse der deutschen Land- und Milchwirtschaft. Es wäre unerwünscht, wenn wegen kurzfristig erzielbarer höherer Erlöse für Verarbeitungsmilch die deutsche Milchwirtschaft sich aus wichtigen Produktionsbereichen zurückziehen müßte. Um künftig sich im Wettbewerb um Rohstoff- und Marktanteile zu behaupten, müssen die deutschen Molkereiunternehmen ihre Produktivität durch Straffung der Betriebs-, Verarbeitungs- und Vermarktungsstrukturen steigern. Erste Erfolge sind bereits zu verzeichnen. Die Lieferungen von Verarbeitungsmilch in die Niederlande sind im ersten Halbjahr 1988 im Vergleich zum Vorjahr um 28 % von 158 000 t auf 115 000 t gesunken. Deswegen fördert die Bundesregierung gemeinsam mit den Bundesländern auch künftig im Rahmen der „Gemeinschaftsaufgabe zur Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes" mit EG-konformen finanziellen Zuschüssen Initiativen der Molkereiwirtschaft zur Verbesserung der Unternehmensstruktur. Anlage 13 Antwort des Parl. Staatssekretärs Gallus auf die Fragen des Abgeordneten Dr. Klejdzinski (SPD) (Drucksache 11/3259 Fragen 37 und 38): Welche konkreten oder abstrakten Besorgnisse haben den Parlamentarischen Staatssekretär beim Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, Gallus, dazu bewogen, Anfang Oktober in Bonn für eine Neuauflage der sogenannten Aktion Eichhörnchen einzutreten und den deutschen Haushalten in diesem Zusammenhang detaillierte Empfehlungen für die Haltung von Mindestvorräten wie z. B. ein Kilo Vollkornbrot in Spezialfolie, 11/2Liter H-Milch, 10 Liter Mineralwasser, je 1 000 Gramm Fertiggerichte usw. zu geben? Glaubt die Bundesregierung, daß durch die Anpreisung und Ankurbelung privater Vorratshaltung für etwaige „Katastrophen" das Vertrauen der bundesdeutschen Bevölkerung in die Sicherheit z. B. der Atomkraftwerke und Wiederaufarbeitungsanlagen und die Stabilität der äußeren Sicherheit gestärkt wird? Zu Frage 37: Die Bundesregierung gibt seit mehr als 25 Jahren Informationen zur privaten Lebensmittelvorratshaltung heraus. Ein individueller Lebensmittelvorrat im privaten Haushalt gehört zur rationellen Haushaltsführung und soll darüber hinaus in Krisenzeiten Versorgungsstörungen überbrücken helfen. Bei der Aufklärungsaktion des Jahres 1988 handelt es sich nur insofern um eine Neuauflage, als erstmals seit 1962 wieder das Eichhörnchen als Aktionssignet verwendet wird. Die Bundesregierung rät in ihren Empfehlungen, einen Lebensmittelvorrat nach den individuellen Bedürfnissen eines jeweiligen Haushaltes zu halten. Die angegebenen Lebensmittelmengen sollen als Anhalt dienen, welche Mengen üblicherweise in einem bestimmten Zeitraum verzehrt werden. Zu Frage 38: Die Reaktion der Bevölkerung läßt nicht erkennen, daß durch die Aktion zur Vorratshaltung das Vertrauen in die politische Stabilität oder in die Sicherheit von Atomkraftwerken und Wiederaufbereitungsanlagen beeinflußt wird. 7264* Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 105. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 9. November 1988 Anlage 14 Antwort des Parl. Staatssekretärs Würzbach auf die Fragen des Abgeordneten Dr. Mechtersheimer (DIE GRÜNEN) (Drucksache 11/3259 Fragen 39 und 40): Wie beurteilt die Bundesregierung im Hinblick auf die Souveränität der Bundesrepublik Deutschland den Passus der US-Field Manuals 90-10 ,,... Aus amerikanischer Sicht ergeben sich Einschränkungen für den europäischen Kriegsschauplatz, da die Befugnisse zum Beispiel in Deutschland ausschließlich bei territorialen deutschen Militärdienststellen oder zivilen Dienststellen liegen. In der Kampfzone liegt selbstverständlich die Gesamtverantwortung sowie die letztliche Entscheidungsbefugnis beim örtlichen Truppenführer, was in Ermangelung zuständiger Stellen auch der Wohlfahrt der Zivilbevölkerung zuträglich ist.", der aussagt, daß mindestens in dem Raum von ca. 15 Kilometern von der Front Hoheitsrechte gegenüber Bundesbürgern von US-Militärdienststellen wahrgenommen werden? Auf welcher rechtlichen Grundlage und mit welchen Zwangsmitteln dürfen die US-Streitkräfte ihre Maßnahmen zur „Wohlfahrt der Zivilbevölkerung" dann durchsetzen, wenn die betroffenen Bundesbürger ihre Wohlfahrt anders beurteilen und den Gehorsam gegenüber Anordnungen des US-Militärs verweigern? Zu Frage 39: Das US-Field Manual 90-10 ist der Bundesregierung nicht bekannt. Es handelt sich dabei, sofern es im Bereich der US-Streitkräfte gültig sein sollte, um eine US-interne Dienstanweisung. Der Bundesregierung ist infolgedessen auch nicht bekannt, welchen Geltungsbereich die fragliche Anweisung hat und in welchem Zusammenhang die zitierte Passage steht. Rechte und Pflichten der in der Bundesrepublik Deutschland stationierten verbündeten Streitkräfte richten sich im übrigen ausschließlich nach den Bestimmungen des NATO-Truppenstatuts sowie dem hierzu abgeschlossenen Zusatzabkommen. Diese Abkommen verleihen den Stationierungsstreitkräften für den Spannungs- und Verteidigungsfall, in dem sie gemäß Artikel XV NATO-Truppenstatut weiterhin in Kraft bleiben, keine besonderen Rechte. Zu Frage 40: Rechte und Pflichten der in der Bundesrepublik Deutschland stationierten verbündeten Streitkräfte richten sich — wie bereits zu Frage 1 dargelegt — nach den Bestimmungen des NATO-Truppenstatuts sowie dem hierzu abgeschlossenen Zusatzabkommen. Außerhalb der ihnen zur ausschließlichen Benutzung überlassenen Liegenschaften dürfen die US-Streitkräfte insoweit Maßnahmen nur zur Aufrechterhaltung von Disziplin und Ordnung unter den Mitgliedern ihrer eigenen Truppe ergreifen. Gegenüber der Bevölkerung der Bundesrepublik Deutschland stehen ihnen keine selbständigen Eingriffsbefugnisse zu. Weitergehende Befugnisse bestehen nur im Rahmen der „jedermann", also auch den US-Streitkräften im Bundesgebiet, zustehenden Selbsthilferechte. Anlage 15 Antwort des Parl. Staatssekretärs Würzbach auf die Frage des Abgeordneten Gansel (SPD) (Drucksache 11/3259 Frage 41): Welche Entscheidung hat die Bundesregierung zur Verhinderung des Verkaufs von TORNADO-Kampfflugzeugen nach Jordanien seit der Fragestunde des Deutschen Bundestages vom 26. Oktober 1988 getroffen bzw. veranlaßt? Die Bundesregierung hat keine Entscheidung zu einer möglichen Verhinderung getroffen. Auf die am 26. Oktober 1988 ausführlich genannten Abwägungen und Entscheidungen wird verwiesen. Unabhängig davon ist aufgrund von Gesprächen zwischen Mitgliedern der Bundesregierung und der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) eine Kreditvorlage der KfW zugunsten dieses Vorhabens inzwischen zurückgezogen worden. Anlage 16 Antwort des Parl. Staatssekretärs Würzbach auf die Fragen des Abgeordneten Dr. de With (SPD) (Drucksache 11/3259 Fragen 42 und 43): Hat die Bundesregierung an der Aufstellung des auf Atomunfälle bezogenen Dokuments USCINCEUR CONPLAN 4367-87 der US-Streitkräfte in Europa mitgewirkt? Welche rechtliche Qualität hat das Dokument USCINCEUR CONPLAN 4367-87 auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland? Zu Frage 42: Bei dem Eventualfall-Plan (ConPlan) 4367-87 des Oberbefehlshabers der amerikanischen Streitkräfte in Europa, der im übrigen der SPD-Fraktion nach Kenntnis der Bundesregierung bereits seit Ende 1987 vorliegt, handelt es sich um ein nationales Rahmen-Dokument, in dem für die amerikanischen Streitkräfte und Dienststellen im gesamten Kommandobereich USEUCOM (d. h. Territorien einer Vielzahl europäischer Staaten abdeckend) grundsätzliche Verantwortlichkeiten und Regelungen für den Fall eines Zwischenfalls oder Unfalls mit Nuklearwaffen festgelegt werden. Der Plan regelt insbesondere Vorbereitung und Maßnahmen zur Gefahrenabwehr, den Katastrophenschutz und die Sicherstellung amerikanischer Gewahrsamsverantwortung für Nuklearwaffen, soweit die Verantwortlichkeit der amerikanischen Streitkräfte betroffen ist. Das Dokument stellt ausdrücklich die entscheidenden Verantwortlichkeiten der jeweils betroffenen Gastgebernationen heraus und verweist darauf, daß die Zusammenarbeit durch bilaterale Abkommen zwischen den Regierungen zu regeln sei. Die Bundesregierung hat an der Aufstellung dieses nationalen Plans der Oberkommandos der US-Streitkräfte in Europa nicht mitgewirkt. Bilaterale Regierungsabkommen, wie das 1976 von der Vorgängerin der Bundesregierung mit der amerikanischen Regierung geschlossene Abkommen stellen sicher, daß alle Maßnahmen bei einem Zwischenfall oder Unfall mit amerikanischen Nuklearwaffen auf dem Territorium der Bundesrepublik Deutschland und damit auch die Anwendung des ConPlan 4367-87 unter Beachtung deutschen Rechts, unter Wahrung der Verantwortlichkeiten der deutschen Behörden und in enger Abstimmung erfolgen. Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 105. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 9. November 1988 7265* Zu Frage 43: Das Dokument ist eine wesentliche, allgemeine Grundlage für Vorbereitung und Durchführung von Maßnahmen der US-Streitkräfte und -Militärbehörden im Kommandobereich Europa, auch im Falle eines Unfalls oder Zwischenfalls mit amerikanischen Nuklearwaffen auf dem Territorium der Bundesrepublik Deutschland. Es schafft auf amerikanischer Seite die Voraussetzungen für wirksame Maßnahmen in Zusammenarbeit mit der Bundesregierung und zuständigen deutschen Behörden. Bilaterale Abkommen zwischen der amerikanischen und der Bundesregierung regeln die speziellen Verantwortlichkeiten und haben daher Vorrang vor den allgemeinen Regelungen des USCINCEUR ConPlan 4367-87 im Falle der Anwendung auf dem Territorium der Bundesrepublik Deutschland. Anlage 17 Antwort des Parl. Staatssekretärs Würzbach auf die Fragen der Abgeordneten Frau Fuchs (Verl) (SPD) (Drucksache 11/3259 Fragen 44 und 45): Handelt es sich bei den im amerikanischen Handbuch „USCINCEUR CONPLAN 4367 — 87 Response to Nuclear Accidents/ Incidents within the Theatre" genannten „disaster response forces" um eine andere Bezeichnung für die „Nuclear Emergency Search Teams", und wenn nicht, worin liegt der Unterschied zwischen NEST und „disaster response forces"? Ist, und wenn ja, inwieweit, das amerikanische Handbuch „USCINCEUR CONPLAN 4367-87 Response to Nuclear Accidents/Incidents within the Theatre" durch die von Staatssekretär Ost am 28. Oktober 1988 erwähnte Vereinbarung aus dem Jahre 1976 zwischen der amerikanischen Regierung und der Bundesregierung abgedeckt? Zu Frage 44: Eine Aufgabe des US-Department of Energy ist es, ein aus unbewaffneten, zivilen technisch-wissenschaftlichen Spezialisten bestehendes Team, genannt Nuclear Emergency Search Team (NEST) in den USA bereitzuhalten. Dieses Team kann innerhalb kurzer Zeit, weltweit, bei Anforderung durch die Bundesregierung und mit deren Zustimmung daher auch in der Bundesrepublik Deutschland, am Ort eines Zwischenoder Unfalls eingesetzt werden. Die Vereinigten Staaten haben darüber hinaus, im Rahmen ihrer besonderen Verantwortung als Kustodialmacht und Eigentümer von Nuklearwaffen, zusätzliche, umfassende Vorkehrungen für den Fall eines Zwischen- oder Unfalls mit spaltbarem Material oder Nuklearwaffen getroffen. Für solche Vorkehrungen haben verschiedene US-Dienststellen, wie z. B. das Department of Energy, die Defence Nuclear Agency und die US-Streitkräfte selbst bestimmte Verantwortlichkeiten und Kompetenzen zugewiesen erhalten; sie halten für diesen Zweck entsprechende, spezialisierte „disaster response forces" bereit, die bei einem Zwischen- oder Unfall mit spaltbarem Materiel oder Nuklearwaffen tätig werden können. Zu Frage 45: Das Dokument ist eine wesentliche, allgemeine Grundlage für Vorbereitung und Durchführung von Maßnahmen der US-Streitkräfte und -Militärbehörden im Kommandobereich Europa, auch im Falle eines Unfalls oder Zwischenfalls mit amerikanischen Nuklearwaffen auf dem Territorium der Bundesrepublik Deutschland. Es schafft auf amerikanischer Seite die Voraussetzungen für wirksame Maßnahmen in Zusammenarbeit mit der Bundesregierung und zuständigen deutschen Behörden. Bilaterale Abkommen, wie das Abkommen von 1976 zwischen der amerikanischen und der Bundesregierung sollen, wie auch im ConPlan ausgeführt, die speziellen Verantwortlichkeiten regeln und haben daher Vorrang vor den allgemeinen Regelungen des USCINCEUR ConPlan 4367-87 im Falle der Anwendung auf dem Territorium der Bundesrepublik Deutschland. Anlage 18 Antwort des Staatssekretärs Dr. Knittel auf die Fragen des Abgeordneten Zierer (CDU/CSU) (Drucksache 11/3259 Fragen 46 und 47): Wie steht die Bundesregierung zu der Tatsache, daß die Züge der Deutschen Bundesbahn heute noch immer nicht über ein geschlossenes Toilettensystem verfügen und die „Entsorgung" wie anno dazumal auf direktem Wege über die Schiene erfolgt, d. h. der Bürger sich an Bahnübergängen und in Bahnhöfen mit den Hinterlassenschaften der Zugreisenden augenscheinlich konfrontiert sieht? Ist von seiten der Deutschen Bundesbahn (DB) — auch außerhalb der Einführung von Hochgeschwindigkeitszügen — beabsichtigt, die Züge der DB entsprechend den heutigen technischen Möglichkeiten mit einem solchen geschlossenen Toilettensystem nach- und auszurüsten, um eine zeitgemäße Entsorgung zu ermöglichen, und wenn ja, wie lauten die entsprechenden Planungen? Zu Frage 46: Die sogenannten „offenen" Toilettenanlagen in Schienenfahrzeugen sind in der Bundesrepublik Deutschland für die Beseitigung von Fäkalien zugelassen. Nach wissenschaftlichen Erkenntnissen ist das Ableiten von Fäkalien auf Gleisanlagen in seuchenhygienischer und bakteriologischer Hinsicht unbedenklich, zumal es sich um vergleichsweise geringe Mengen handelt. Bei den bisher gefahrenen Geschwindigkeiten ist eine Gefährdung von Reisenden, Streckenanliegern oder Bahnmitarbeitern durch Krankheitserreger aus Zugtoiletten nicht nachzuweisen. Ebenso kann nach Mitteilung des Bundesgesundheitsamtes eine Beeinträchtigung des Grundwassers wegen der mikrobiologisch aktiven Bodendeckschicht im allgemeinen ausgeschlossen werden. Zu Frage 47: Die Deutsche Bundesbahn will neben den — zur Zeit in Bau befindlichen — Hochgeschwindigkeitszügen „IC-Expreß" alle neu zu bauenden Reisezugwagen des Fernverkehrs (Intercity und Interregio) mit geschlossenen Toilettenanlagen ausrüsten. Darüber hinaus erhalten alle für den Verkehr auf den Neubaustrecken druckdicht herzurichtenden Wagen solche Toiletten. 7266* Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 105. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 9. November 1988 Anlage 19 Antwort des Staatssekretärs Dr. Knittel auf die Frage des Abgeordneten Dr. Daniels (Regensburg) (DIE GRÜNEN) (Drucksache 11/3259 Frage 48): Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um die Deutsche Bundesbahn zu einem verbesserten Marketing für das Verbundsystem Fahrrad/Bahn zu veranlassen, und welchen Stand haben Planung und Errichtung der modellhaften Fahrradstation am Hauptbahnhof Bonn erreicht? Die Bundesregierung unterstützt die Benutzung des Fahrrads durch das Radwegeprogramm des Bundes, das den Neu- und Ausbau von Radwegen an Bundesfernstraßen bis 1990 auf rund 11 000 Kilometer mit einem Kostenvolumen von insgesamt 1,1 Milliarden DM vorsieht. Die Deutsche Bundesbahn fördert im Rahmen ihrer Möglichkeiten die Kombination Fahrrad und Bahn. Mit der in den letzten Jahren verstärkten Einrichtung von Fahrradabstellplätzen hat sie insbesondere der zunehmenden Nutzung des Fahrrads als Zubringer im Berufsverkehr Rechnung getragen. Auf der zum Stadtzentrum gelegenen Seite des Hauptbahnhofs Bonn errichtet die Deutsche Bundesbahn zur Zeit eine neue Fahrradabstellanlage mit ca. 230 Stellplätzen. Mit der Fertigstellung wird nach Auffassung der DB zusammen mit der vorhandenen Anlage ein Angebot an Fahrradabstellplätzen zur Verfügung stehen, das erheblich über dem kundenbezogenen Bedarf der Bahn liegt. Anlage 20 Antwort des Staatssekretärs Dr. Knittel auf die Fragen des Abgeordneten Duve (SPD) (Drucksache 11/3259 Fragen 49 und 50): Treffen Presseinformationen zu, denen zufolge weder für die vierte Elbtunnelröhre noch für die Umgehung Fuhlsbüttel die Finanzierung gesichert und mit einer hundertprozentigen Bundesfinanzierung erst nach dem Jahre 2000 zu rechnen sei (vgl. u. a. Hamburger Morgenpost, 21. Oktober 1988)? Welche Chancen sieht der Bundesminister für Verkehr für die Realisierung der beiden Projekte in den nächsten Jahren, also vor dem Jahr 2000, und wie müßte oder könnte die Beteiligung Hamburgs aussehen? Zu Frage 49: Wegen der Finanzierung beider Projekte sind nach einem ersten Gespräch zwischen Bundesminister Dr. Warnke und Senator Wagner am 23. September 1988 weitere Gespräche auf Verwaltungsebene vorgesehen. Zu Frage 50: Die Möglichkeiten einer Realisierung der beiden Projekte in den nächsten Jahren — vor dem Jahre 2000 — einschließlich einer Beteiligung Hamburgs werden zur Zeit geprüft. Anlage 21 Antwort des Staatssekretärs Dr. Knittel auf die Frage des Abgeordneten Wüppesahl (fraktionslos) (Drucksache 11/3259 Frage 51): Welche Hindernisse sieht die Bundesregierung, den rund 40 km langen Wildschutzzaun an der Bundesautobahn Hamburg—Berlin bis an die Grenze zur DDR beidseitig von 120 cm auf 250 cm zu erhöhen, wie es die Fachverbände von Natur- und Umweltschutz sowie des Kraftfahrzeugverkehrs für erforderlich halten, um Mensch und Natur zu schützen? Das Land Schleswig-Holstein hat als Auftragsverwaltung des Bundes und im Zusammenwirken mit der Forstverwaltung an der Bundesautobahn A 24 Hamburg—Berlin auf Bundesgebiet beiderseits der Autobahn folgende Wildschutzzäune errichtet: — 25 km Rehwildschutzzäune mit einer Höhe von 1,50 m bis 1,60 m; — 11,4 km Damwildschutzzäune mit einer Höhe von 2,00 m; — 4,5 km Wildschutzzäune im Bereich des Naturparks Sachsenwald mit einer Höhe von 2,40 m. Ein Teil dieser Zäune ist durch Verstärkung im unteren Bereich schwarzwildsicher gemacht. Diese Anlagen entsprechen den Richtlinien des Bundes und der Länder und haben sich bewährt. Die Bundesregierung sieht deshalb keinen Handlungsbedarf im Sinne Ihrer Frage. Anlage 22 Antwort des Staatssekretärs Dr. Knittel auf die Fragen des Abgeordneten Stiegler (SPD) (Drucksache 11/3259 Fragen 52 und 53) : Wie beurteilt die Bundesregierung die unter Rationalisierungs- und Kostengesichtspunkten von der Bundesbahndirektion Nürnberg beschlossene Angliederung des Bahnhofs Gunzenhausen an den Bahnhof Ansbach, und welche Möglichkeiten sieht sie, der mit dieser Neuorganisation der Deutschen Bundesbahn verbundenen Benachteiligung des in der strukturschwachen Region Westmittelfranken gelegenen Mittelzentrums Gunzenhausen entgegenzuwirken? Ist der Bundesregierung bewußt, daß mit diesem erneuten Abzug eines öffentlichen Dienstleistungsunternehmens — zuvor die Deutsche Bundespost — die Stadt Gunzenhausen Gefahr läuft, ihre nach dem Landesentwicklungsprogramm wichtigen Aufgaben und Funktionen als Mittelzentrum für das gesamte Umland nicht mehr erfüllen zu können, und was wird sie unternehmen, damit die großen Anstrengungen und Investitionen der Stadt für eine langfristige Strukturverbesserung (Ausbau zum Naherholungsgebiet für die Industrieregion Mittelfranken) wegen mangelhaftem Service und fehlender Präsenz von Bahn und Post nicht unwirksam werden? Zu Frage 52: Die rein innerorganisatorische Maßnahme der Deutschen Bundesbahn hat keine Benachteiligung oder Schwächung des Mittelzentrums Gunzenhausen zur Folge. Der Bahnhof Gunzenhausen wird nicht geschlossen. Für die DB-Kunden in dieser Region wird es keine Einschränkung des Dienstleistungsangebotes geben. Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 105. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 9. November 1988 7267* Zu Frage 53: Weder bei der Bahn noch bei der Post kann vom „Abzug eines öffentlichen Dienstleistungsunternehmens" gesprochen werden. Präsenz und Serviceleistungen von Bahn und Post bleiben erhalten. Anlage 23 Antwort des Parl. Staatssekretärs Grüner auf die Fragen des Abgeordneten Reimann (SPD) (Drucksache 11/3259 Fragen 54 und 55): Ist die Bundesregierung bereit, eine Regelung zu schaffen, die den alten Zustand vor der Verabschiedung der Novelle der 4. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Verordnung über genehmigungsbedürftige Anlagen — 4. BImSchV) wiederherstellt und dadurch die Forschung und Technikentwicklung gentechnischer Produkte bis zur Marktreife ohne Öffentlichkeitsbeteiligung zuzulassen? Wie beurteilt die Bundesregierung auf der Grundlage der derzeitigen Regelung (Novelle der 4. Verordnung Bundes-Immissionsschutzgesetz seit 1. September 1988) die Nachteile bezüglich der Wettbewerbssituation der chemischen Industrie, bezüglich der Arbeitsplatzsituation und bezüglich zeitlicher Verzögerungen von bundesdeutscher Forschung und Technik im internationalen Vergleich, und wie beurteilt die Bundesregierung die Gefahr, daß die Forschung auf Grund der jetzigen Regelung aus der Bundesrepublik Deutschland ausgelagert wird? Zu Frage 54: Seit dem 1. September 1988 sind entsprechend der Nummer 4.11 des Anhangs zur Verordnung über genehmigungsbedürftige Anlagen (4. BImSchV) „Anlagen zum Umgang mit a) gentechnisch veränderten Mikroorganismen, b) gentechnisch veränderten Zellkulturen, soweit sie nicht dazu bestimmt sind, zu Pflanzen regeneriert zu werden, c) Bestandteilen oder Stoffwechselprodukten von Mikroorganismen nach a) oder Zellkulturen nach b), soweit sie biologisch aktive, rekombinante Nukleinsäure enthalten, ausgenommen Anlagen, die ausschließlich Forschungszwecken dienen" in einem Verfahren mit Öffentlichkeitsbeteiligung genehmigungsbedürftig. Nach § 1 Abs. 1 Satz 2 der 4. BImSchV gilt dies jedoch nur dann, soweit diese Anlagen gewerblichen Zwecken dienen oder im Rahmen wirtschaftlicher Unternehmungen verwendet werden. Demnach ist z. B. die universitäre Forschung nicht erfaßt. Das Genehmigungserfordernis erstreckt sich auch nicht auf Anlagen innerhalb einer chemischen Fabrik, die ausschließlich Forschungszwecken dienen. § 2 Abs. 3 der 4. BImSchV stellt klar, daß Anlagen, die ausschließlich oder überwiegend der Entwicklung und Erprobung neuer Verfahren, Einsatzstoffe, Brennstoffe oder Erzeugnisse dienen (Versuchsanlagen), für eine bestimmte Zeit (höchstens 3 Jahre) nach dem vereinfachten Verfahren (ohne Öffentlichkeitsbeteiligung) genehmigt werden dürfen. Somit bedürfen nach der 4. BImSchV Anlagen zum Umgang mit gentechnisch veränderten Mikroorganismen vor allem dann der Genehmigung mit Öffentlichkeitsbeteiligung, wenn sie industriell produzieren oder als Versuchsanlagen länger als 3 Jahre betrieben werden sollen. Es ist nicht beabsichtigt, die 4. BImSchV kurzfristig zu ändern. Zur Konkretisierung der Anforderungen an die Genehmigung der Anlagen nach Nr. 4.11 der 4. BImSchV wird die Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrates eine Verwaltungsvorschrift erlassen. Der Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit wird hierzu im Frühjahr 1989 einen ersten Entwurf vorlegen. Diese Verwaltungsvorschrift wird auch die Abgrenzung von Anlagenarten (z. B. Forschungsanlagen, Technikum, Versuchsanlagen) ansprechen und insoweit zum Abbau von Unsicherheiten in der Industrie beitragen. Das Bundeskabinett wird über die Frage einer Gesamtregelung zur Gentechnik bei der Beratung eines vom Bundesministerium für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit vorzulegenden Berichts befinden. In diesem Zusammenhang wird auch geprüft, ob bereits bestehende Regelungen geändert werden müssen. Zu Frage 55: Reine Forschungsanlagen sind auch nach der Novellierung der 4. BImSchV nicht genehmigungsbedürftig. Für genehmigungsbedürftige Anlagen werden die materiellen Anforderungen durch die bereits erwähnte Verwaltungsvorschrift bundeseinheitlich konkretisiert werden. Diese Verwaltungsvorschrift wird sich wesentlich an den Richtlinien des Bundesministeriums für Forschung und Technologie zum Schutz vor Gefahren durch in-vitro neukombinierte Nukleinsäuren orientieren und dabei dem unterschiedlichen Gefährdungsgrad der jeweiligen Anlage Rechnung tragen. Nach Kenntnis der Bundesregierung wird diese Richtlinie von fast allen Chemiefirmen im Wege der freiwilligen Selbstbindung bereits seit Jahren angewandt. Die Bundesregierung geht daher davon aus, daß mit dem Schritt in die Rechtsförmlichkeit Wettbewerbsnachteile nicht verbunden sind. Sie stützt diese Einschätzung auf die Erfahrung, daß sich bisher die hohen Umweltschutzanforderungen in der Bundesrepublik Deutschland wegen des hohen Ansehens, der Qualität der Produkte und der Sicherheit der Anlagen im internationalen Wettbewerb nicht oder nur geringfügig nachteilig ausgewirkt haben. Sie bekräftigt im übrigen ihre Politik, die auf die Durchsetzung hoher Umweltstandards in ganz Europa gerichtet ist. Zur Harmonisierung der Anforderungen auf europäischer Ebene hat die EG-Kommission drei Richtlinienentwürfe zur Gentechnik vorgelegt: — Richtlinie des Rates über die Verwendung von gentechnisch veränderten Mikroorganismen in abgeschlossenen Systemen — Richtlinie des Rates über die absichtliche Freisetzung gentechnisch veränderter Organismen in die Umwelt — Richtlinie des Rates über den Schutz der Arbeitnehmer gegen Gefährdung durch biologische Arbeitsstoffe bei der Arbeit. 7268* Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 105. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 9. November 1988 Die Bundesregierung begrüßt, daß der Rat der EG mit der Beratung der Richtlinien in diesem Regelungsbereich damit begonnen hat, gleiche Sicherheitsstandards und insoweit auch gleiche Wettbewerbsvoraussetzungen in der Gemeinschaft herbeizuführen. Anlage 24 Antwort des Parl. Staatssekretärs Grüner auf die Frage des Abgeordneten Dr. Daniels (Regensburg) (DIE GRÜNEN) (Drucksache 11/3259 Frage 56): Wie definiert die Bundesregierung „Entsorgung" von Atommüll, und stimmt die Bundesregierung der Aussage zu, „daß Zwischenlagerung von Atommüll keine endgültige Lösung des Atommüll-Problems darstellt, so daß Zwischenlagerung nicht als Entsorgung angesehen werden kann"? Wie in dem Entsorgungsbericht der Bundesregierung (BT-Drucksache 11/1632) ausführlich dargestellt, umfaßt das integrierte Entsorgungskonzept folgende Teilschritte: — Wiederaufarbeitung bestrahlter Brennelemente aus Leichtwasserreaktoren und Verwertung der zurückgewonnenen Kernbrennstoffe, — Konditionierung der radioaktiven Abfälle, — Zwischenlagerung in den kerntechnischen Einrichtungen, in externen Lagern oder in Landessammelstellen und — Endlagerung (einschließlich bestrahlter Brennelemente aus Hochtemperaturreaktoren) Danach stellt die Zwischenlagerung radioaktiver Abfälle im Rahmen des integrierten Entsorgungskonzeptes keine abschließende Lösung, sondern nur einen Teilschritt zur geordneten Beseitigung in einem Endlager dar.
Gesamtes Protokol
Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1110500000
Die Sitzung ist eröffnet. Ich rufe Punkt 1 der Tagesordnung auf: Fragestunde
— Drucksachen 11/3259, 11/3273 —
Wir haben am Anfang eine Dringlichkeitsfrage, gerichtet von der Abgeordneten Frau Schilling an den Bundesminister der Verteidigung. Herr Parlamentarischer Staatssekretär Würzbach steht zur Beantwortung der Frage zu unserer Verfügung.
Ich rufe die dringliche Frage der Abgeordneten Frau Schilling auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß in der nordhessischen Gemeinde Maisfeld am 9. November 1988, dem 50. Jahrestag der Reichspogromnacht, ein öffentliches Gelöbnis der Bundeswehr (350 Rekruten des Panzerbataillons der Blücher-Kaserne in Hessisch Lichtenau) stattfinden soll, und wird die Bundesregierung diese Veranstaltung und etwaige weitere ähnliche militärische Veranstaltungen unterbinden?
Bitte schön.

Peter Kurt Würzbach (CDU):
Rede ID: ID1110500100
Herr Präsident, Frau Abgeordnete Schilling, der Bundesregierung ist bekannt, daß an diesem Tag sowohl beim Heer wie bei der Marine und bei der Luftwaffe keine ähnlichen Veranstaltungen durchgeführt werden und daß eine ursprünglich für dieses Datum geplante Veranstaltung seit einigen Tagen verschoben wurde.

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1110500200
Sie haben eine Zusatzfrage, bitte schön.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1110500300
Mich interessiert: Warum wurde dieser Termin abgesagt?
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Der Termin wurde abgesagt, weil der Kommandeur in Verbindung und in enger Absprache, die auch vorher erfolgt war, mit dem einladenden Bürgermeister — die Gemeinde hat eine enge patenschaftliche Verbindung zu einer Kompanie dieses Bataillons — zu der Auffassung gekommen ist, daß an diesem Tag mahnende, erinnernde, wachrüttelnde Veranstaltungen zur Erinnerung an die „Reichskristallnacht" nicht durch eine solche Veranstaltung gestört werden sollten, daß es besser sei, wenn die Soldaten an den stattfindenden Erinnerungsveranstaltungen zur „Reichskristallnacht" teilnehmen, und daß man wegen des Besonderen eines öffentlichen Gelöbnisses und der engen Verbundenheit zur Bevölkerung dieses an einem anderen Tag, abgesetzt von diesem Datum, gesondert durchführen sollte.

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1110500400
Sie wollen eine zweite Zusatzfrage stellen? — Bitte schön, Frau Schilling.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1110500500
Ich finde es ja sehr löblich, daß das so passiert ist. Aber wie erklärt sich dann, daß der Kommandeur Helmut Flohr das Datum als mehr als passend bezeichnete und ausführte, an einem solchen Tag müsse den Rekruten die bittere Tradition vor Augen gehalten und klargemacht werden, daß es gelte, solches in Zukunft zu verhindern? Wie erklärt es sich, daß er gerade dieses Datum zum Anlaß nahm, dieses Gelöbnis vorzuführen?
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Mir ist nicht bekannt, ob er bei der Planung und Festlegung und auch bei der Absprache mit dem Bürgermeister bewußt auf dieses Datum gegangen ist. Ich weiß aus meinen Unterlagen, daß auch für das Zurverfügungstehen des Musikkorps, das man für ein öffentliches Gelöbnis braucht, organisatorisch zwei Daten, der 9. oder der 11. November, vorgegeben waren.
Den letzten Teil dessen, was Sie zitiert haben — ob das Zitat stimmt, kann ich hier nicht überprüfen —, kann ich voll unterstreichen: Ich halte es für geboten und richtig, daß ein Vorgesetzter, der für viele wehrpflichtige Soldaten verantwortlich ist, jede Möglichkeit und ganz besonders diese wahrnimmt, um seine Soldaten, mündige Bürger in unserer Demokratie, für deren Schutz sie eintreten, darauf hinzuweisen, daß in unserer Form des Rechtsstaats, in der Demokratie, ein so menschenverachtendes, unwürdiges, unrechtliches Verhalten ausgeschlossen ist, und zwar auch durch die gelebte praktische Ausfüllung dessen, was in der Verfassung theoretisch geschrieben ist. Das ist eine Aufgabe, der er sich auch als Kommandeur zu stellen hat.

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1110500600
Danke schön. Wir sind am Ende der Behandlung dieser Dringlichkeitsfrage. Ich danke dem Staatssekretär für die Beantwortung der Fragen.



Vizepräsident Westphal
Ich brauche die Geschäftsbereiche des Bundesministers für Forschung und Technologie und des Bundesministers des Auswärtigen nicht aufzurufen, weil Frage 1 des Abgeordneten Catenhusen und Frage 2 des Abgeordneten Gansel auf Wunsch der Fragesteller schriftlich beantwortet werden. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich komme zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung. Herr Staatssekretär Höpfinger steht zur Beantwortung der Fragen zur Verfügung.
Ich rufe Frage 3 der Abgeordneten Frau Unruh auf:
Wieviel hätte der Bund bis heute an Mehrzahlungen an die gesetzliche Rentenversicherung leisten müssen, wenn der Anteil des Bundeszuschusses an den Gesamtleistungen der gesetzlichen Rentenversicherung von 1957 bis heute gleichgeblieben wäre?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.

Stefan Höpfinger (CSU):
Rede ID: ID1110500700
Herr Präsident, dürfte ich bitten — wenn die Frau Kollegin einverstanden ist —, beide Fragen gemeinsam zu beantworten.

(Frau Unruh [GRÜNE]: Nein!)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1110500800
Sie möchte es gerne getrennt haben. Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Höpfinger, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin Unruh, zu Ihrer Frage 3: Der Anteil des Bundeszuschusses an den Gesamtausgaben der Rentenversicherung der Arbeiter und der Angestellten betrug im Jahre 1957 27,46 %. Wäre dieser Anteil entgegen der Fortschreibungsregelung, für die sich der Gesetzgeber seinerzeit entschieden hat, immer gleich geblieben, dann wären der Rentenversicherung insgesamt rund 290 Milliarden DM mehr an Bundeszuschüssen zugeflossen.

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1110500900
Zusatzfrage, Frau Unruh.

Gertrud Unruh (GRÜNE):
Rede ID: ID1110501000
Warum wird der Bundeszuschuß zur Rentenversicherung nicht auf die Höhe der tatsächlichen Fremdleistungen von zur Zeit 25 % bis 30 % der Rentenausgaben hochgesetzt?
Höpfinger, Parl. Staatssekretär: Herr Präsident, ich glaube, daß jetzt die Frau Kollegin die zweite Frage selber angesprochen hat.

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1110501100
Da kann ich nichts machen. Sie müssen auf das antworten, was Sie gefragt werden.
Höpfinger, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin, alle bisher in Wissenschaft und Praxis unternommenen — —

(Frau Unruh [GRÜNE]: Ich habe ja noch eine Zusatzfrage zu 1!)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1110501200
Aber er hat auf die erste noch nicht geantwortet.

(Frau Unruh [GRÜNE]: Ach so!)

Herr Höpfinger, zur ersten Frage die erste Zusatzfrage.

(Frau Unruh [GRÜNE]: Ja, eben!)

Höpfinger, Parl. Staatssekretär: Herr Präsident, hier kann ich nur das bringen, was in der Antwort auf die zweite Frage enthalten ist.

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1110501300
Dem steht nichts im Wege, Herr Höpfinger.
Höpfinger, Parl. Staatssekretär: Alle bisher in Wissenschaft und Praxis unternommenen Versuche, zu einer eindeutigen, konsensfähigen Definition des Begriffs „versicherungsfremde Leistungen" der gesetzlichen Rentenversicherung zu kommen, sind gescheitert. Ich weiß, daß mit diesem Begriff sehr oft gearbeitet wird. Aber es läßt sich nur schwer genau definieren, welche Leistungen damit gemeint sind. Da nicht fest umrissen und genau abgegrenzt gesagt werden kann, was versicherungsfremde Leistungen sind, ist es auch nicht möglich, auf Ihre Frage eine exakte Antwort zu geben.

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1110501400
Weitere Zusatzfrage, Frau Unruh.

Gertrud Unruh (GRÜNE):
Rede ID: ID1110501500
Mit welchem Recht, Herr Staatssekretär, müssen nur die Versicherten der Arbeiter- und Angestelltenversicherung und nicht z. B. Beamte durch ihre Beiträge die Lasten finanzieren, die die gesetzliche Rentenversicherung für die Allgemeinheit zu tragen hat?
Höpfinger, Parl. Staatssekretär: Was die Rentenversicherung trägt, sind immer Leistungen an den Personenkreis, der zur gesetzlichen Rentenversicherung gehört. Die Rentenversicherung kommt für den Versichertenkreis auf, der bei ihr versichert ist.

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1110501600
Ich rufe Ihre zweite Frage auf, Frau Unruh, die Frage 4:
Wie hoch würde dieser Betrag sein, wenn sich der Bundeszuschuß entsprechend dem Anteil der politisch gewollten Fremdleistungen der gesetzlichen Rentenversicherung entwickelt hätte?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Höpfinger, Parl. Staatssekretär: Herr Präsident, ich muß hier wiederholen, was ich auf die erste Zusatzfrage der Frau Kollegin bereits gesagt habe: Es gibt keine wissenschaftliche Untersuchung, die eine genaue Definition der versicherungsfremden Leistungen enthält. Darum ist es schwierig, auf diese Frage konsequent zu antworten.

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1110501700
Sie haben zwei Zusatzfragen. Bitte die erste.

Gertrud Unruh (GRÜNE):
Rede ID: ID1110501800
Herr Parlamentarischer Staatssekretär, wer hat beschlossen, daß die Rentenkassen der Arbeiter- und Angestelltenversicherung für Fremdleistungen, für Leistungen, wofür nichts einbezahlt wurde, mit einem volkstümlichen Ausdruck gesagt, „geplündert" werden?
Höpfinger, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin, zunächst einmal möchte ich den Ausdruck „geplündert"



Parl. Staatssekretär Höpfinger
zurückweisen. Was die Rentenversicherung leistet, ist gesetzlich festgelegt. Daß der Bundeszuschuß 1957 an die Lohnentwicklung gekoppelt wurde, war der Beschluß aller Fraktionen im Deutschen Bundestag. Zu dem, was hinter dem Begriff „Fremdleistungen" steckt, würde ich zunächst einmal folgende Maßnahmen zählen: beitragsfreie Zeiten, z. B. Ersatzzeiten oder Ausfallzeiten, dann Leistungen nach dem Fremdrentengesetz oder Leistungen an Hinterbliebene. Denn auch an Hinterbliebene werden Leistungen von der Rentenversicherung bezahlt, die an und für sich nicht durch Beiträge gedeckt sind. Das sind abgeleitete Renten. Auch das wäre streng genommen eine Fremdleistung. Zu nennen wären auch die Rehabilitationsleistungen der Versicherungsträger, die heute an Versicherte gewährt werden, und zwar aus guten Gründen. Denn die Rentenversicherungsträger gehen, wie Sie wissen, von dem Grundsatz aus: Rehabilitation vor Rente. Dieses Ziel verfolgt man mit solchen Maßnahmen. Das sind aber Leistungen, die an und für sich nicht durch Beiträge gedeckt sind.

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1110501900
Sie haben eine weitere Zusatzfrage, bitte schön, Frau Unruh.

Gertrud Unruh (GRÜNE):
Rede ID: ID1110502000
Herr Parlamentarischer Staatssekretär, hätten die Renten aus der Arbeiter- und der Angestelltenversicherung um ca. 25 % abdynamisiert werden müssen, wenn der sogenannte Bundeszuschuß voll vom Steuerhaushalt, also von der Gesamtheit aller Bürger — siehe auch Kriegsfolgeschäden — , in die Arbeiter- und Angestelltenrentenkasse zurückgeflossen wäre?
Höpfinger, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin, die Renten passen sich jährlich an die Einkommensentwicklung in der Bevölkerung an. Sie sind also nicht geschmälert worden. Unabhängig von der jeweiligen Regierung sind die Renten entsprechend der Einkommensentwicklung Jahr für Jahr angepaßt worden. Wie Sie wissen, wird jährlich ein Rentenanpassungsbericht erstattet, und entsprechend diesem Bericht der Bundesregierung wird das Gesetz zur erneuten jährlichen Anpassung vorgelegt.

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1110502100
Wir sind am Ende dieses Geschäftsbereiches. Ich danke dem Staatssekretär für die Beantwortung der Fragen.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit. Der Herr Parlamentarische Staatssekretär Pfeifer steht zur Beantwortung der Fragen zur Verfügung.
Ich rufe Frage 5 der Abgeordneten Frau Bulmahn auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung die Vorschläge der Kommission der Europäischen Gemeinschaften für eine „Richtlinie des Rates über die Verwendung von gentechnisch veränderten Mikroorganismen in abgeschlossenen Systemen und über die absichtliche Freisetzung gentechnisch veränderter Organismen in die Umwelt" [KOM (88) 160 endg. SYN 131 vom 3. Mai 1988]?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.

Anton Pfeifer (CDU):
Rede ID: ID1110502200
Herr Präsident, Frau Kollegin Bulmahn, die Bundesregierung begrüßt grundsätzlich das Bemühen der Europäischen Gemeinschaften, den Umgang mit der Gentechnik auf hohem Schutzniveau zu regeln und damit zugleich für einheitliche Forschungs- und Wettbewerbsbedingungen in Europa zu sorgen. Sie mißt die beiden Richtlinienvorschläge der Europäischen Gemeinschaften an den Empfehlungen der EnqueteKommission „Chancen und Risiken der Gentechnologie" und an den gegenwärtig in der Bundesrepublik Deutschland geltenden Regelungen zur Gentechnik.
Nach den Genrichtlinien bzw. den Vorschriften des Immissionsschutzrechts darf bei uns im geschlossenen System nur gearbeitet werden und dürfen gentechnisch veränderte Mikroorganismen nur freigesetzt werden, wenn eine präventive behördliche Prüfung in einem Genehmigungsverfahren ergeben hat, daß unvertretbare Risiken für Mensch und Umwelt nicht bestehen. Die Richtlinienvorschläge der Europäischen Gemeinschaften sehen dagegen nur Buchführungs-
und Anmeldepflichten vor. Die materiellen Anforderungen sind zudem recht allgemein formuliert, so daß hiernach Unterschiede im praktischen Vollzug durch die einzelnen Mitgliedstaaten nicht auszuschließen wären.
Bei den Beratungen in Brüssel wirkt die Bundesregierung deshalb auf eine Änderung dieser Richtlinienvorschläge nach den Maßstäben unseres Sicherheitsniveaus hin.

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1110502300
Frau Bulmahn, eine Zusatzfrage?

Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1110502400
Ja. — Herr Staatssekretär, wie bewertet die Bundesregierung die Tatsache, daß als Rechtsgrundlage für die genannten Richtlinien Art. 100a des EWG-Vertrages gewählt wurde, der weitergehende nationale Maßnahmen und Bestimmungen nicht zuläßt?
Pfeifer, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin, unser Ziel ist, zum Zwecke der Angleichung der Wettbewerbsbedingungen und natürlich auch zum Schutz der menschlichen Gesundheit und der Umwelt eine Harmonisierung der Vorschriften zur Gentechnik auf einem hohen Sicherheitsniveau herbeizuführen, und zwar einem Sicherheitsniveau, das dann für alle gilt. Ich denke, daß in dieser Frage auch zwischen Regierung und Opposition Einigkeit besteht. Wenn man eine solche Regelung haben möchte, dann empfiehlt sich aber eher die Rechtsgrundlage des Art. 100 a des Vertrages als die Rechtsgrundlage des Art. 130 s, denn mit diesem ließen sich nur Mindeststandards erreichen.

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1110502500
Eine weitere Zusatzfrage, Frau Bulmahn.

Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1110502600
Herr Staatssekretär, wenn diese angestrebte Harmonisierung auf dem von uns gewünschten Standard nicht möglich ist, wird sich dann die Bundesregierung in der Sitzung des Umweltministerrates — am 24. November ist das ja vorgesehen — dafür aussprechen, daß der Art. 130s als Rechtsgrundlage für diese Richtlinien, aber auch als Rechtsgrundlage für weitergehende Maßnahmen zum Schutz von Gesundheit und Umwelt genommen wird?



Pfeifer, Parl. Staatssekretär: Zunächst bleibt abzuwarten, ob es bereits bei der nächsten Sitzung des Umweltministerrates zu einem Beschluß über die Richtlinie kommt.
Ich möchte aber noch einmal sagen: Der für uns entscheidende Gesichtspunkt ist, daß wir einen Sicherheitsstandard auf einem hohen Niveau bekommen, der für alle Mitgliedstaaten der EG gilt, weil diese ganze Entwicklung ja nicht an den Grenzen der Mitgliedstaaten der EG halt macht. Ich bitte Sie, mir nachzusehen, daß ich dieses Ziel jetzt einmal in den Vordergrund stelle. Ich glaube, es wäre nicht richtig, zum jetzigen Zeitpunkt hier in der Öffentlichkeit, da die Verhandlungen im Ministerrat erst noch bevorstehen, bereits über Alternativen zu sprechen.

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1110502700
Ich rufe Frage 6 der Abgeordneten Frau Bulmahn auf:
Ist die Bundesregierung mit mir der Meinung, daß die in diesem Richtlinienvorschlag vorgesehenen Regelungen weitreichende, neue rechtsetzende Entscheidungen beinhalten, so daß dem Deutschen Bundestag und dem Bundesrat Gelegenheit gegeben werden sollte, sich vor Verabschiedung der Richtlinie eine eigene Meinung zu bilden, und wird die Bundesregierung entsprechende Beschlüsse vom Deutschen Bundestag und Bundesrat abwarten und in Brüssel vertreten?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Pfeifer, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin, beide Richtlinienvorschläge zielen auf Rechtsetzungsmaßnahmen auf EG-Ebene, denen in der Tat auch für unsere nationale Rechtsordnung erhebliche Bedeutung zukommen wird, wenn sie verabschiedet werden.
Die Bundesregierung bezieht die Ergebnisse der Beratungen von Bundestag und Bundesrat in ihre Verhandlungsposition in Brüssel ein. Sie sieht beispielsweise im Ergebnis der Beratungen des Bundestagsausschusses für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit über diese Richtlinienvorschläge vom 26. Oktober eine Stärkung ihrer Position. Einen Dissens zwischen bisher in den Ausschüssen und Kommissionen des Bundestages gefaßten Beschlüssen und der Position der Bundesregierung hinsichtlich der Beurteilung der Richtlinienvorschläge zur Gentechnik sehe ich im Augenblick nicht.

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1110502800
Zusatzfrage, Frau Bulmahn.

Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1110502900
Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung der Auffasung, daß eine Umsetzung der Richtlinie in ihrer aktuellen Fassung, insbesondere hinsichtlich der vorgesehenen Anmelde- und Registrierungsverfahren für die Produktion mit gentechnisch veränderten Organismen, mit dem Bundes-Immissionsschutzgesetz, mit der Abwasserherkunftsverordnung und den sonstigen deutschen rechtlichen Regelungen — insbesondere mit Regelungen, die den Bau und den Betrieb industrieller Anlagen betreffen und mit den Richtlinien der Bundesregierung zum Umgang mit in vitro rekombinierten Nukleinsäuren — vereinbar ist?
Pfeifer, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin, es ist in der Tat so, daß die bei uns geltenden Rechtsregelungen — beispielsweise das Immissionsschutzrecht — andere, stringentere Schutzvorkehrungen treffen und
ein anderes, höheres Sicherheitsniveau anstreben als das, was in den Richtlinienvorschlägen der EG-Kommission enthalten ist. Aber exakt aus diesem Grunde wollen wir ja eine Änderung dieser Richtlinienvorschläge im Ministerrat erreichen.

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1110503000
Sie haben noch eine weitere Zusatzfrage, Frau Bulmahn.

Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1110503100
Herr Staatssekretär, stimmt die Bundesregierung mit mir darin überein, daß, sofern die Richtlinie in der vorliegenden Form auf der Grundlage des Art. 100a EWG-Vertrag und unter Zugrundelegung des in der vorliegenden Fassung vorgeschriebenen Anmeldeverfahrens beschlossen würde, das durch das Bundes-Immissionsschutzgesetz vorgeschriebene öffentliche Genehmigungsverfahren wieder außer Kraft gesetzt werden müßte, und wie gedenkt die Bundesregierung dies zu verhindern?
Pfeifer, Parl. Staatssekretär: Ich habe in meiner Antwort auf Ihre erste Frage gesagt: Unser Ziel ist in der Tat eine Änderung des Richtlinienentwurfs dahin, daß ein Genehmigungsverfahren vorgesehen wird und nicht das Anmeldeverfahren oder das Verfahren, das im Augenblick in den Vorschlägen enthalten ist. Ich gehe dann davon aus, daß wir, wenn wir ein Genehmigungsverfahren durchsetzen, in der Ausgestaltung dieses Genehmigungsverfahrens auch hinsichtlich des von Ihnen genannten Punktes frei sind. Das wird dann im Rahmen der nationalen Gesetzgebung zu klären sein.

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1110503200
Damit sind wir am Ende dieses Geschäftsbereichs. Danke schön, Herr Staatssekretär, für die Beantwortung der Fragen.
Ich brauche den Geschäftsbereich des Bundesministers für das Post- und Fernmeldewesen nicht aufzurufen, da die Fragen 7 und 8 der Abgeordneten Frau Faße und die Fragen 9 und 10 des Herrn Abgeordneten Pfeffermann auf Wunsch der Fragesteller schriftlich beantwortet werden sollen. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Bildung und Wissenschaft. Herr Bundesminister Möllemann steht zur Beantwortung der Fragen zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 11 der Abgeordneten Frau Odendahl auf:
Welche Maßnahmen plant die Bundesregierung, um die Öffnung der Hochschulen durch ein gemeinsames Vorgehen von Bund und Ländern im Sinne des sogenannten Öffnungsbeschlusses vom November 1977 zu erhalten?
Bitte schön, Herr Minister.

Jürgen W. Möllemann (FDP):
Rede ID: ID1110503300
Frau Kollegin Odendahl, innerhalb der Bundesregierung werden zur Zeit die Möglichkeiten beraten, mit denen der Bund zur Verbesserung der Situation der Hochschulen in besonders belasteten Fachrichtungen beitragen könnte. Da dieser Beratungs- und Abstimmungsprozeß noch im Gange ist, kann ich Ihnen dazu heute noch keine Einzelheiten mitteilen. Bekannt ist jedoch, daß eine der drei Koalitionsparteien, die FDP, hier ein 2-Milliarden-DM-Pro-



Bundesminister Möllemann
gramm für insgesamt sieben Jahre für richtig und notwendig hält, das von Bund und Ländern gemeinsam getragen werden soll. Diese Vorstellungen sind in die Koalitionsgespräche eingebracht worden und nunmehr auch Gegenstand der laufenden Beratungen.
In diesem Zusammenhang ist hervorzuheben, daß die für die Bewältigung der Lehraufgaben der Hochschulen erforderlichen Mittel auch in Zeiten einer Überlast grundsätzlich von den Ländern aufzubringen sind. Forderungen und Vorwürfe, wie sie in letzter Zeit von verschiedenen Seiten vorgebracht worden sind, warum der Bund erst jetzt und nicht schon viel früher Überlegungen über ein Überlastprogramm angestellt habe, sind angesichts dieser klaren, verfassungsmäßig abgesicherten Sach- und Ausgangslage ungerechtfertigt. Dies gilt um so mehr, wenn gleichzeitig in mehreren Ländern Personalstellen im Hochschulbereich gestrichen werden.
Die Hauptprobleme der Hochschulen liegen nicht im Bereich der verfügbaren Räume oder der Geräteausstattung. Hier hat die Bundesregierung ihre Möglichkeiten zu direkten Hilfen durch die Erhöhung des Haushaltsansatzes für die Gemeinschaftsaufgabe Hochschulbau wahrgenommen; gegenüber der mittelfristigen Finanzplanung sind die Ansätze um eine halbe Milliarde DM gesteigert worden. Auch die Leistung des Bundes in der Forschungsförderung soll durch die Erhöhung der Bundesmittel für die Deutsche Forschungsgemeinschaft um 3,3 % verbessert werden.
Wenn jetzt über Möglichkeiten für ein befristetes Sonderprogramm des Bundes beraten wird, geschieht dies aus der Sorge um die Sicherung der Ausbildungschancen der jungen Generation in wichtigen Studienfächern, z. B. Betriebswirtschaft und Informatik, die zugleich breite Verwendungsmöglichkeiten auf dem Arbeitsmarkt bieten und in einem zusammenwachsenden Europa gebraucht werden. Auch läßt sich das als notwendig erkannte Ziel einer Studienzeitverkürzung nur erreichen, wenn Zulassungsbeschränkungen mit zwangsläufigen Wartezeiten für einen Teil der Studienbewerber vermieden und zugleich die für eine qualifizierte Ausbildung angemessenen Studienbedingungen gesichert werden.
Eine Beteiligung des Bundes an einem befristeten Sonderprogramm, über das jetzt beraten wird, setzt voraus, daß sich die Länder ihrer originären Aufgabe, nämlich eine angemessene Grundausstattung der Hochschulen zu sichern, zunächst stellen, daß sie darüber hinaus bei zusätzlichen Maßnahmen partnerschaftlich, also gleichermaßen engagiert, auch vom Volumen her, mitwirken und daß der Schwerpunkt möglicher Bundesmaßnahmen entsprechend den Zuständigkeiten des Bundes bei der Forschungsförderung liegt, was die Länder in diesem Bereich entlasten und ihnen mittelbar Möglichkeiten von Zusatzlastmaßnahmen in der Lehre verschaffen könnte.

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1110503400
Herr Minister, nach diesem längeren Vortrag hoffe ich darauf, daß die Antworten auf die vielen anderen folgenden Fragen recht kurz gefaßt sein können.
Möllemann, Bundesminister: Herr Präsident, ich hätte vielleicht sagen können, daß das der Versuch war, eine Art gedanklichen Chapeau über die im Zusammenhang stehenden Fragen zu stellen. Ich hätte auch darum bitten können, das im Zusammenhang zu beantworten. Das war im Grunde eine Art Vorspann zu den zwölf Fragen, die jetzt kommen.

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1110503500
So habe ich mir das auch vorgestellt, obwohl ich fürchte, die Kollegen kommen wieder nach der Kabinettsberatung.
Frau Odendahl, die erste Zusatzfrage.

Doris Odendahl (SPD):
Rede ID: ID1110503600
Herr Minister, ich teile durchaus Ihre Vorliebe für Hüte. Nachdem Sie als zuständiger Bundesminister angesichts der Überlastsituation an den Hochschulen selbst Erwartungen geweckt haben, möchte ich Sie fragen, ob Sie im Hinblick auf die Verfassungssituation bei Ihren jetzt noch laufenden Gesprächen schon gewisse Formen der Möglichkeiten der Unterstützung durch den Bund sehen und wie diese gelagert sind.
Möllemann, Bundesminister: Zunächst, Frau Kollegin, kann ich mir eine größere Zahl von Hüten vorstellen, die Ihnen ausgezeichnet zu Gesicht stehen würden.
Zum anderen will ich sagen, daß ich nicht ohne Grund erklärt habe, daß sich die Bundesregierung im Blick auf Details eines solchen Programms noch nicht festgelegt hat. Ich kann sie erst vorstellen, wenn sie festgelegt worden sind. Stünde ich hier jetzt nicht als Mitglied der Bundesregierung, sondern als Freidemokrat und als Funktionsträger in meiner Partei, dann hätte ich Ihnen das vortragen können, was Sie — zutreffend — in den letzten Tagen öffentlich lesen konnten.

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1110503700
Zweite Frage, Frau Odendahl.

Doris Odendahl (SPD):
Rede ID: ID1110503800
Herr Minister, ich hatte Sie auch nicht danach gefragt, was Sie auf dem FDP-Parteitag als mögliche Lösungen vorgetragen haben. Vielmehr interessiert uns als Mitglieder dieses Hauses, was Sie als zuständiger Bundesminister für einen gangbaren Weg hielten.
Möllemann, Bundesminister: Dennoch, die Fragen richten Sie an die Bundesregierung. Der Abstimmungsprozeß in der Bundesregierung ist noch nicht abgeschlossen. Da es mir darum geht, die Maßnahmen, die mir vorschweben und von denen ich sicher bin, daß Sie sie insoweit kennen, zu verwirklichen, muß ich mich selbstverständlich an das Abstimmungsverfahren halten.

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1110503900
Zusatzfrage des Abgeordneten Kuhlwein.

Eckart Kuhlwein (SPD):
Rede ID: ID1110504000
Herr Minister, werden Sie bei Ihren Überlegungen — wobei Sie ja denkbare Maßnahmen prüfen wollen — auch die Möglichkeit prüfen, in Ausfüllung des Art. 91 b des Grundgesetzes — Stichwort „gemeinsame Bildungsplanung und Forschungsförderung" — eine Vereinbarung mit den Ländern dergestalt zu schließen, daß eine zügige Um-



Kuhlwein
Setzung in zusätzliche Lehrangebote in den Mangelfächern möglich wird, ohne daß man den komplizierten Umweg über die Deutsche Forschungsgemeinschaft gehen muß?
Möllemann, Bundesminister: Sicher ist es vernünftig, wenn es zu zusätzlichen Anstrengungen kommt, dort anzusetzen, wo im Augenblick der Hauptengpaß liegt. Er liegt beim Lehrpersonal. Natürlich gibt es auch deswegen überfüllte Hörsäle, weil zu wenige Veranstaltungen angeboten werden und in die zu wenigen Veranstaltungen zu viele Studenten gehen. Das erwähne ich, weil ich nichts davon halte, wenn man jetzt dafür plädiert, die räumlichen Kapazitäten auszuweiten. Man kann sie intensiver nutzen, auch zu sonst vielleicht nicht hochschulüblichen Zeiten, d. h. — um es klar zu sagen — auch am späten Abend und am Wochenende. Es geht nicht anders.
Nur, bei der Frage, wie wir zusätzliche Lehrangebote schaffen können, bin ich bereit, Herr Kollege Kuhlwein, mich alleine an der Frage — neben den rechtlichen Grundlagen natürlich — zu orientieren, was am schnellsten Wirkungen erzielen kann. Deswegen suche ich das Gespräch mit den Ländern, sobald die Bundesregierung ihrerseits Klarheit über die Dimensionen des Programms geschaffen hat, um den möglichst schnell wirksamen Maßnahmenbereich festlegen zu können. Dazu gehören auch Überlegungen derart, wie Sie sie angestellt haben.

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1110504100
Zusatzfrage des Abgeordneten Kastning.

Ernst Kastning (SPD):
Rede ID: ID1110504200
Herr Minister, können wir davon ausgehen, daß Sie Ihre Überlegungen zu einem Überlastprogramm nicht mit Dingen befrachten, die nicht unmittelbar mit der Bewältigung dieser Überlast zu tun haben, um möglichst schnell Hilfe wirksam werden zu lassen?
Möllemann, Bundesminister: Die Frage war nun so — —

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1110504300
Sie können mit einem einfachen Ja antworten.

Ernst Kastning (SPD):
Rede ID: ID1110504400
Stichwort „Kompetenzfragen Bund/Länder" , Stichwort „Studienzeitverkürzung", Stichwort „noch etwas für die Forschung abstauben" — so sage ich es jetzt einmal —, statt sich unmittelbar auf das Überlastprogramm zu konzentrieren.
Möllemann, Bundesminister: Erstens. Sie wissen ja, daß ich Kompetenzfragen zwischen Bund und Ländern von mir aus nie aufwerfe, sondern nur Wert darauf lege, daß die Kompetenzen des Bundes, die unbestreitbar vorhanden sind, nicht angefochten werden.
Zweitens. Niemand wird bestreiten, Herr Kollege Kastning, daß in einem System nach Art kommunizierender Röhren selbstverständlich folgendes gesagt werden muß: Unter anderem deshalb, weil die Hochschulen so voll sind, sind die Studienzeiten so lang. Aber natürlich muß auch gesagt werden: Weil die Studienzeiten so lang sind, sind die Hochschulen so voll. Eine durchschnittliche Verweildauer von 14 Semestern trägt natürlich dazu bei. Insofern ist es nicht richtig, zu sagen, dies habe keine Auswirkungen. Ich lege größten Wert darauf, daß die Bemühungen von KMK und BLK zur Verkürzung der Studienzeiten vorangetrieben werden.
Drittens. Es ist auch nicht möglich — ich denke, ein sorgfältiges Studium auch der verfassungsrechtlichen Möglichkeiten des Bundes gibt wohl nichts anderes her —, zu sagen, eine Verstärkung der Mittel für die Forschung könne nicht auch auf dem Sektor der Lehre Entlastungen bringen. Ich muß mich schon an die verfassungsmäßigen Zuständigkeiten halten. Das ist nun, glaube ich, schon richtig. Deswegen: Wenn es Ihre Besorgnis ist, hier sollte etwas draufgepfropft werden, was bei anderer Gelegenheit nicht transportiert werden kann — um es so auszudrücken —, so muß ich sagen: Dies ist nicht meine Absicht.

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1110504500
Zusatzfrage des Abgeordneten Daweke.

Klaus Daweke (CDU):
Rede ID: ID1110504600
Herr Kollege Möllemann, ich möchte Sie fragen, ob Ihnen die Äußerungen der Landesregierung NRW bekannt sind, die heute morgen der Staatssekretär Konow zu der Frage der Finanzierung gemacht hat und die ganz richtungweisende Bemerkungen enthielten, wie man ein solches Überlastprogramm verfassungsgemäß finanzieren könnte, und die eigentlich darin gipfelten, daß er sagte, möglicherweise sei das Geben von Geld seitens des Bundes verfassungswidrig, aber die Annahme des Geldes sei in jedem Fall verfassungskonform.
Möllemann, Bundesminister: Diese Äußerung ist mir nicht bekannt. Deswegen kann ich sie auch nicht kommentieren.

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1110504700
Zusatzfrage des Abgeordneten Weisskirchen.

Gert Weisskirchen (SPD):
Rede ID: ID1110504800
Herr Minister, wenn es jetzt schon sehr lange gedauert hat, bis Sie Ihre Ankündigung gemacht haben und bis Sie ein konkretes Programm vorstellen: Welche Zeit würden Sie denn jetzt insbesondere denen noch geben, die an den Hochschulen unter der schwierigen Situation leiden, bis Sie ein solches Programm vorlegen?
Möllemann, Bundesminister: Ich will sehen, daß es so schnell wie möglich geht. Es gibt, wie Sie wissen, Termine, die wir im Auge haben müssen. Da ist Anfang Dezember eine Sitzung der Bund-Länder-Kommission. Ebenfalls im Dezember ist eine Konferenz des Bundeskanzlers mit den Ministerpräsidenten der Länder und einigen Fachministern vorgesehen. Dabei soll der Versuch unternommen werden, etwas gegen die Überlast zustande zu bringen, und zwar einvernehmlich.
Herr Weisskirchen, aus der Sicht der Betroffenen ist es sicher unbefriedigend, wenn sie jetzt unter diesen Bedingungen studieren müssen. Aber wir kennen aus unserer nun beiderseits langjährigen Erfahrung im Bundestag auch das Problem, daß, wenn ein wirklich wirksames Programm zwischen Bund und Ländern zustande kommen soll und das auch Geld kosten soll, das eben nicht in ein paar Tagen erreicht werden kann. Das sieht man auch an der Tatsache, daß von



Bundesminister Möllemann
seiten der Länder zwar der Hinweis gegeben worden ist — z. B. in der beachtlich interessanten Form, die gerade vorgetragen wurde — , man sollte von seiten des Bundes etwas tun, aber ein eigenes Programm der Länder mir auch noch nicht bekannt ist.

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1110504900
Zusatzfrage der Abgeordneten Frau Hillerich.

Imma Hillerich (DIE GRÜNEN/BÜNDNIS 90):
Rede ID: ID1110505000
Herr Minister, an den westdeutschen Hochschulen fehlt aktuell Personal für ca. 600 000 Studenten, d. h., es fehlen ca. 40 000 Stellen für wissenschaftliches Personal, wenn man das einmal grob überschlägt. Betrachtet die Bundesregierung angesichts der Größenordnung Ihrer Forderungen, daß Bund und Länder bis zum Jahre 1995 gemeinsam 2 Milliarden DM zusätzlich aufbringen sollen, nicht eher als einen schlechten Witz oder als ein Trostpflaster?
Möllemann, Bundesminister: Natürlich weder das eine noch das andere. Aber ich würde Ihnen in einem Punkt schon recht geben. Ich meine, den Hinweis darauf, daß die Grundausstattung der Hochschulen mit Personal — dafür sind ausschließlich die Länder zuständig — und mit Lehr- und Lernmitteln der großen Zahl von Studierenden derzeit nicht gerecht wird. In der Tat, man kann an die Länder nur appellieren, ihre Aufgaben, die sie haben, die Hochschulen in der Grundausstattung so zu gestalten, daß sie mit der großen Zahl fertig werden können, auch zu erfüllen.

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1110505100
Zusatzfrage des Abgeordneten Schreiner.

Ottmar Schreiner (SPD):
Rede ID: ID1110505200
Herr Minister, wie hoch schätzen Sie denn die Zahl derjenigen Studenten ein, die die Universitäten auf Grund der neuen Regelungen im vorgesehenen Gesundheits-Reformgesetz in den nächsten Jahren nicht besuchen, wonach die Möglichkeit der Inanspruchnahme der gesetzlichen Krankenversicherung für die Studierenden auf eine bestimmte Semesterzahl begrenzt werden soll, die in etlichen Fachbereichen deutlich unter der durchschnittlichen Studiendauer liegt?

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1110505300
Der Zusammenhang zur Hauptfrage ist schwierig zu finden, aber ich überlasse es Ihnen, was Sie machen wollen.
Möllemann, Bundesminister: Herr Präsident, die im Gesundheitsreformgesetz vorgesehene Beschränkung des Rechts der Studierenden, die gesetzliche Krankenversicherung in Anspruch zu nehmen, bezieht sich auf 14 Fachsemester. Ich empfinde es nicht als eine Zumutung, zu erwarten, daß jemand sein Studium nach 14 Fachsemestern abschließt.

(Kuhlwein [SPD]: Der Bundeskanzler hat aber länger studiert!)

Ich glaube, daß die anderen Krankenversicherten das wirklich sehr differenziert sehen.

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1110505400
Ich rufe Frage 12 der Abgeordneten Frau Odendahl auf:

(Maßnahmen zum „Abbau des Numerus clausus '')

Bitte schön, Herr Minister.
Möllemann, Bundesminister: Frau Odendahl, Ihre Frage ist irreführend formuliert — was wahr ist, ist wahr. Überlastmittel im Bundeshaushalt hat es bisher noch nie gegeben. Wie schon erwähnt, hat der Bund durch höhere Mittel für den Hochschulbau und die Deutsche Forschungsgemeinschaft einen ersten Beitrag zur Bewältigung der Überlast geleistet.
Selbstverständlich fühlt sich die Bundesregierung nach wie vor dem Beschluß der Regierungschefs von Bund und Ländern vom 4. November 1977 verpflichtet. Sie hat sich daher in der Vergangenheit nachdrücklich für die Offenhaltung von Studiengängen eingesetzt, die von Zulassungsbeschränkungen bedroht waren.
Auf ihre Initiative hin konnte im Jahre 1985 der Studiengang Informatik offengehalten werden.
Die Aufgabe des Bundes bei der Bewältigung der großen Studentenzahlen bestand in erster Linie darin, gemeinsam mit den Ländern den Hochschulausbau zu finanzieren, um die räumlichen Voraussetzungen für die Ausbildung der stark wachsenden Zahl von Studenten zu schaffen.
Seit 1970 konnte die Zahl der flächenbezogenen Studienplätze um 310 000 auf 780 000 erhöht werden. Dafür wurden insgesamt 42,6 Milliarden DM ausgegeben, wovon der Bund ca. 20 Milliarden DM finanzierte.

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1110505500
Frau Odendahl, bitte schön.

Doris Odendahl (SPD):
Rede ID: ID1110505600
Herr Minister, nachdem Sie meine „irreführende" Frage im Hinblick über Überlastmittel doch so zufriedenstellend beantwortet haben — ich hätte das vielleicht in Anführungszeichen setzen müssen — und Sie vorher schon bei der Beantwortung der Zusatzfragen zur ersten Frage einen gewissen Zeitrahmen vorstellten, darf ich Sie fragen, ob Sie angesichts der Tatsache, daß die Notwendigkeit von Ausgaben in Höhe von 2 Milliarden DM für die Hochschulen im Raum steht, Überlegungen anstellen, auch schon im Haushalt 1989 ausreichende Mittel von seiten des Bundes bereitzustellen.
Möllemann, Bundesminister: Sie legen unbestreitbar den Finger auf den wunden Punkt. Wenn wir uns bei den Beratungen, von denen ich hier sprach, im Rahmen der Bundesregierung schnellstmöglich einigen, was ich hoffe, bleibt nur der Weg eines Änderungsantrags zum Haushalt in der zweiten Lesung. Heute ist die Bereinigungssitzung. Da wird es nicht mehr gehen. Ich hoffe — und werde das, was ich tun kann, tun —, daß wir das erreichen.

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1110505700
Sie haben noch eine weitere Zusatzfrage, Frau Odendahl.

Doris Odendahl (SPD):
Rede ID: ID1110505800
Es besteht natürlich die Frage, inwieweit Sie jetzt das Verfahren hier mit in Frage stellen. Ist es so, daß Sie bei der Bereinigungs-



Frau Odendahl
sitzung nur Mittel anmelden wollen oder auch können, wenn Sie schon eine gewisse Einigung mit den Ländern vorweisen können, oder ist der Gang der Dinge so, daß Sie den Ländern gegenüber sicherstellen können: Wir von seiten der Bundesregierung haben die Möglichkeit, daß . . .?
Möllemann, Bundesminister: Es gibt zwei Kriterien. Ich kann als Bundesminister natürlich in einer Bereinigungssitzung des Haushaltsausschusses Veränderungen nur zu erstreben versuchen, wenn sich die Bundesregierung vorher verständigt hat. Ich habe ja beschrieben, daß das im Moment noch nicht der Fall ist.
Was das Verhältnis zwischen dem Bund und den Ländern angeht, nehme ich an, daß das Parlament hier zu Recht solche Mittel qualifiziert sperren wird, und zwar mit der Maßgabe, daß die Länder ihrerseits ihren Anteil unter bestimmten Konditionen erbringen. Ich denke, das wird so sein.

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1110505900
Herr Kuhlwein, Zusatzfrage; bitte sehr.

Eckart Kuhlwein (SPD):
Rede ID: ID1110506000
Herr Minister, da hier in der Frage auch von der Haltung der Bundesregierung zum Öffnungsbeschluß bzw. zum Offenhalten der Hochschulen die Rede war, frage ich Sie: Teilt die Bundesregierung die Auffassung des Präsidenten der Westdeutschen Rektorenkonferenz, Professor Seidel, man solle nicht über hohe Studentenzahlen klagen, sondern diese hochmotivierten jungen Frauen und Männer seien der größte Reichtum der rohstoffarmen Bundesrepublik, und es gehe nicht zentral um die Situation der Hochschulen, sondern letztlich um die Lage derjenigen, die in wenigen Jahren unser aller Renten verdienen sollen?
Möllemann, Bundesminister: Ich finde, das ist eine ausgesprochen präzise, vernünftige und klare Aussage, der ich mich anschließen kann. Bedauerlicherweise steht Herr Professor Seidel als Präsident der WRK vor der Tatsache, daß zum gleichen Zeitpunkt einige sozialdemokratisch geführte Bundesländer bereits für ein Studienfach den Numerus clausus eingeführt haben, und zwar just für ein solches Studienfach, in dem diese jungen hoffnungsfrohen Menschen Berufsperspektiven gehabt hätten, nämlich im Fach Betriebswirtschaft.

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1110506100
Zusatzfrage des Abgeordneten Weisskirchen.

Gert Weisskirchen (SPD):
Rede ID: ID1110506200
Herr Minister, nachdem Sie eben schon die haushaltsrechtlichen Probleme vom Verfahren her ein bißchen dargestellt haben: Würden Sie nicht die Anregungen aufgreifen können, daß man es, wenn man strikt über § 91 b, also strikt über Mittel, die beispielsweise über die Deutsche Forschungsgemeinschaft oder ähnliche Einrichtungen gehen, nicht schneller schaffen kann, ohne daß man die Probleme jetzt so überfrachtet, daß nachher nur — sagen wir einmal — eine Erinnerung statt eines wirklichen Programms im Haushalt 1989 steht?
Möllemann, Bundesminister: Mit einer Erinnerung ist natürlich niemandem geholfen. Ich bin sicher, daß der Bundeskanzler und die Ministerpräsidenten der Länder am 15. Dezember 1988 auch nicht über Erinnerungen debattieren wollen. Wenn sie dort gemeinsam über Aktionen diskutieren und Entscheidungen programmieren wollen, müssen dafür die materiellen Voraussetzungen gegeben sein.

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1110506300
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Urbaniak.

Hans-Eberhard Urbaniak (SPD):
Rede ID: ID1110506400
Herr Minister, da Sie sagen, die Studenten mit dem Abschluß Betriebswirtschaft hätten eine Berufsperspektive: Können Sie mir sagen, ob die Abgänger der Hochschulen auch alle eine Beschäftigung in ihrem Fach erhalten haben oder wieviel von den Abgängern dieses Faches in den Beruf haben einsteigen können?
Möllemann, Bundesminister: Wenn es Fachgebiete gibt, deren Absolventen auf dem Arbeitsmarkt die geringsten Probleme haben, dann sind es im Augenblick u. a. die Betriebswirte. Die Betriebswirte, z. B. von Fachhochschulen kommend — um nur ein Beispiel zu nehmen —, berichten uns häufig, daß sie schon ein, zwei Semester vor ihrem Examen Vereinbarungen mit ihren Firmen haben, bei denen sie anschließend tätig werden. Es gibt andere Studienfächer, in denen das nicht so aussichtsreich ist.

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1110506500
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Kastning.

Ernst Kastning (SPD):
Rede ID: ID1110506600
Herr Minister, würden Sie mir bitte bestätigen, daß es sich bei den Ländern, die Sie vorhin mit der Einführung des NC nannten, um strukturschwache Länder im Sinne des Gesetzentwurfs der Bundesregierung zur Strukturhilfe vom vorgestrigen Tage handelt?
Möllemann, Bundesminister: Das will ich Ihnen bestätigen. Nur, das ist keine Begründung. Wenn wir das als Argument heranziehen, Herr Kastning, erinnert mich das an Argumente, die ich von meiner AStA-Zeit bis heute immer wieder vorgetragen bekommen habe, die wir zum Teil als Studenten selbst vorgetragen haben, nämlich: Wenn gespart werden muß, wo wird dann zuerst gespart? Im Bildungssektor. Genau das passiert hier.

(Kastning [SPD]: Das hat die Bundesregierung fünf Jahre lang getan!)

— Nein, nein. Herr Kastning, warum denn erkennen bestimmte Länder nicht, daß ihre Strukturschwäche vielleicht auch etwas damit zu tun hat, daß sie zuwenig in die Qualifizierung investiert haben?

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1110506700
Eine Zusatzfrage der Abgeordneten Frau Niehuis.

Dr. Edith Niehuis (SPD):
Rede ID: ID1110506800
Herr Minister, Sie bedauern zu Recht, daß gerade im Fach Betriebswirtschaftslehre nicht genügend Studenten studieren können, und verweisen auf bestimmte Bundesländer, die nicht genügend getan hätten. Ich würde von Ihnen ganz gerne wissen: War es nicht der Senator von Hamburg, der gerade Betriebswirtschaftslehre als NC-Fach vorge-



Frau Dr. Niehuis
schlagen hat? Vielleicht könnten Sie mir auch einmal sagen, welcher Partei der Senator in Hamburg angehört.
Möllemann, Bundesminister: Nicht alle Senatoren in Hamburg gehören einer Partei an,

(Frau Dr. Niehuis [SPD]: Eben!) was ich schon für einen Fortschritt ansehe.


(Heiterkeit bei der FDP und der CDU/CSU)

In diesem speziellen Fall ist es so, daß die Initiative gleichermaßen von drei Bundesländern ausgegangen ist. Das ist die Voraussetzung dafür, daß im Verwaltungsausschuß der ZVS eine entsprechende Regelung getroffen werden kann. Neben Nordrhein-Westfalen gehörte dazu auch Hamburg.
Sie meinen meinen Parteifreund Ingo von Münch,

(Frau Dr. Niehuis [SPD]: Richtig!)

der -in der Tat nach einem entsprechenden Beschluß des Hamburger Senats diesen auszuführen hatte.

(Dr. de With [SPD]: Dem hat er ja wohl zugestimmt!?)

— Ich widerspreche da ja auch gar nicht. In der Tat hat er sich mit seiner Auffassung, den Studiengang offenhalten zu wollen, in Hamburg nicht durchsetzen können.

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1110506900
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Daweke.

Klaus Daweke (CDU):
Rede ID: ID1110507000
Herr Kollege Möllemann, sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, daß in dem von mir vorhin schon zitierten Gespräch zwischen dem Ausschuß für Bildung und Wissenschaft und den Vertretern von NRW und der Landesregierung Rheinland-Pfalz beide Ländervertreter den Anspruch des Bundes anerkannt haben, daß er, wenn er denn schon mitfinanziert, durchaus auch seinen Einfluß bei der Gestaltung eines solchen Programmes geltend machen sollte?
Möllemann, Bundesminister: Das ist, finde ich, wirklich ein dramatischer Fortschritt gegenüber gewissen Äußerungen in der letzten Zeit. Aber im Ernst: Es kann ja wohl auch keiner glauben, daß der Bund, haarscharf an der verfassungsmäßigen Zuständigkeitsgrenze operierend, Aufgaben sozusagen mit abdeckt, die die Länder nicht befriedigend gelöst haben, und das in Gestalt des Zurverfügungstellens von Geld tun soll, ohne inhaltlich Einfluß zu nehmen. Ich kenne in diesem Hause keinen Abgeordneten, der im Ausschuß für Bildung und Wissenschaft oder gar schon einmal in der Regierung tätig gewesen wäre, der das, stünde er in der Verantwortung, akzeptieren würde.

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1110507100
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Böhme (Unna).

Dr. Ulrich Böhme (SPD):
Rede ID: ID1110507200
Herr Minister, können Sie mir bestätigen, daß Nordrhein-Westfalen im Studienfach Betriebswirtschaftslehre die meisten Studienplätze von allen Ländern vorhält, und können Sie mir im Vergleich dazu sagen, wieviel derartige Studienplätze beispielsweise Rheinland-Pfalz zu bieten hat?
Möllemann, Bundesminister: Die Zahlen habe ich jetzt nicht da, aber ich nehme an, daß Nordrhein-Westfalen im Verhältnis zu seiner Größe nicht dramatisch mehr aufzuweisen haben wird als Baden-Württemberg. Ich habe jetzt auch gar keine Lust, Herr Böhme, darüber zu streiten, in welchem Bundesland in welchem Fach derzeit wieviel Studenten immatrikuliert sind; das hat häufig ja auch mit anderen als landespolitischen Gesichtspunkten zu tun.
Aber die Frage ist, ob Nordrhein-Westfalen für diese seine Studenten genug Hochschullehrer zur Verfügung stellt. Das tut es nach meinem Dafürhalten nicht. Die Situation an den nordrhein-westfälischen Hochschulen ist schlecht im Blick auf das Lehrangebot. Gerade in diesen Wochen hat die Landesregierung eine Reihe von Stellenstreichungen vorgenommen. Ich finde das nicht die angemessene Antwort auf die Überlastsituation.

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1110507300
Zusatzfrage der Abgeordneten Frau Hillerich.

Imma Hillerich (DIE GRÜNEN/BÜNDNIS 90):
Rede ID: ID1110507400
Wenn es jetzt schon um den Streit darüber geht, wer schuld am Numerus clausus in Betriebswirtschaft ist — es hat ja die andere Situation gegeben, daß vor allen Dingen an den Universitäten in Baden-Württemberg ein örtlicher Numerus clausus eingeführt wurde — : Wie beurteilen Sie denn dies, Herr Minister, als Maßnahme, auch vor dem Hintergrund ihrer Vorschläge zu den Verteilungsverfahren zwischen den Hochschulen?
Möllemann, Bundesminister: Zunächst zu dem ersten Teil Ihrer Feststellung in der Frage: Die Bundesregierung hat sich gegen die Verhängung des Numerus clausus in der Betriebswirtschaftslehre ausgesprochen; damit das ganz klar ist.
Zweitens. Es gibt Verteilungsverfahen. Der Begriff „harter Numerus clausus" bedeutet doch, daß für die Gesamtzahl der einen Studienplatz anstrebenden Studenten in einem Fachgebiet bundesweit nicht genügend Studienplätze vorhanden sind. Mit Verteilungsverfahren ist aber nicht gemeint, daß jeder an der Hochschule seiner Wahl studieren kann. Dann hätten wir einen Numerus clausus in sehr vielen Fächern.
Ich habe in der letzten Fragestunde deutlich gemacht — damals ging es um die Frage einer Ihrer Kolleginnen aus Ihrer Fraktion —, daß ich von diesen landesspezifischen Regelungen nicht sehr viel halte, sondern daß ich es vorziehen würde, die bundesweiten Verteilungsverfahren dort zu praktizieren, wo wir sie haben müssen.
Ich denke, Sie haben damals ebenfalls gehört, daß ich dargestellt habe, wie ich mir eine Reform des Zulassungsverfahrens insgesamt vorstellen kann.

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1110507500
Ich rufe die Frage 13 des Abgeordneten Dr. Böhme (Unna) auf:
Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, über ein entsprechend zu gestaltendes Förderprogramm verstärkt Frauen in den Lehrbetrieb einzubeziehen und damit schnell dieses Potential zum Abbau der Überlast an den Hochschulen zu nutzen?
Möllemann, Bundesminister: Herr Kollege
Dr. Böhme, in Ihrer Frage wird auch die Auswirkung
eines Förderprogramms für Frauen auf den Abbau



Bundesminister Möllemann
der Überlast angesprochen. Ich gehe aber davon aus, daß Sie nach den Möglichkeiten für ein solches Förderprogramm auch unabhängig von der Überlast fragen, daß Sie dieses als generelles Anliegen betrachten.
Hierzu erinnere ich zunächst an die Beratungen, die 1985 zur Einfügung von § 2 Abs. 2 in das Hochschulrahmengesetz geführt haben. Damals hielt es der Bundestag mit Mehrheit für richtig, lediglich den Grundsatz festzulegen, daß die Hochschulen auf die Beseitigung der für Wissenschaftlerinnen bestehenden Nachteile hinzuwirken haben. Wie das zu geschehen hat, welche Maßnahmen also dafür im einzelnen in Betracht kommen, ist den Ländern und den Hochschulen überlassen worden. Diese können am besten übersehen, was im einzelnen an Instrumenten eingesetzt und welche konkreten Maßnahmen getroffen werden können.
Unabhängig davon hat der Bundesminister für Bildung und Wissenschaft im September 1987 der BundLänder-Kommission vorgeschlagen, den Komplex „Förderung von Frauen im Bereich der Wissenschaft" zu behandeln. Das geschah deswegen, weil ich sah, daß das nicht richtig vorangeht.
Der dort eingesetzte Arbeitskreis soll einen Gesamtüberblick über die in den Ländern und Hochschulen möglichen Maßnahmen erarbeiten. Er soll auch Vorschläge für ein von Bund und Ländern zu finanzierendes Förderprogramm vorlegen, über das dann noch zu entscheiden wäre.
Damit wird auch dem Beschluß des Deutschen Bundestages vom Dezember 1986 Rechnung getragen, mit dem die Bundesregierung aufgefordert worden war, in Abstimmung mit den Ländern ein Förderkonzept auszuarbeiten. Die Beratungen des Arbeitskreises der Bund-Länder-Kommission sind noch nicht abgeschlossen. Ich werde gern darüber berichten — im Ausschuß oder, wenn es gewünscht wird, auch im Plenum — , sobald die Ergebnisse vorliegen.
Die Realisierung des Überlastprogramms unter Beteiligung des Bundes würde — wie bei entsprechenden Programmen der Länder — zusätzliche Möglichkeiten schaffen, auch Professorinnen und wissenschaftliche Mitarbeiterinnen einzustellen. Die Entscheidung über eine solche zusätzliche Einstellung läge dann allerdings erneut bei den Ländern.

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1110507600
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Böhme. — Keine Zusatzfrage.
Zusatzfrage, Frau Odendahl, bitte schön.

Doris Odendahl (SPD):
Rede ID: ID1110507700
Herr Minister, da Sie schon auf die Problematik der Frauen an den Hochschulen eingegangen sind: Halten Sie es angesichts der Benachteiligungen, die jetzt auch wieder durch die Überlastsituation für Frauen entstehen, für möglich und für erstrebenswert, daß wir erneut gewisse soziale Kriterien bei der Vergabe überprüfen?
Möllemann, Bundesminister: Das habe ich nicht verstanden.

Doris Odendahl (SPD):
Rede ID: ID1110507800
Das möchte ich Ihnen sagen. Ich möchte auf die Entwicklung bei NC-Regelungen
in einzelnen Hochschulen in Baden-Württemberg hinweisen, die gegenwärtig dazu führen, daß überhaupt keine Frauen bei den Studienanfängern berücksichtigt werden könnten, weil — zugegebenermaßen auf Grund der vorgegebenen Kriterien — Absolventen der Bundeswehr usw. vorgezogen werden mußten.
Möllemann, Bundesminister: Abgesehen davon, daß ich das in der vorigen Fragestunde hier behandelt habe,

(Frau Odendahl [SPD]: Nicht vollständig!)

muß ich darauf hinweisen, daß dies, Frau Kollegin, just die Fragen sind, die der hinter Ihnen stehende Kollege Kuhlwein für diese Fragestunde eingereicht hat. Wenn Sie einverstanden sind, behandele ich das sogleich im Zusammenhang.

(Zustimmung der Abg. Frau Odendahl [SPD])


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1110507900
Dann kommt das allerdings etwas später.
Möllemann, Bundesminister: Ja.

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1110508000
Sie wollen eine Zusatzfrage stellen? Bitte schön, Herr Kuhlwein.

Eckart Kuhlwein (SPD):
Rede ID: ID1110508100
Herr Minister, werden Sie — ich knüpfe an die Frage 13 an — bei Ihrer Einflußnahme auf ein mit den Ländern zu vereinbarendes Überlastprogramm darauf zielen, daß Frauen mit einem angemessenen Anteil an der zusätzlichen Lehre beteiligt werden?
Möllemann, Bundesminister: Ich glaube, Herr Kollege Kuhlwein, man kann sagen, daß dort, wo gleich qualifizierte Frauen bei Berufungsverfahren für Hochschullehrerstellen oder bei der Einstellung von Assistenten, Oberassistenten und Dozenten zur Verfügung stehen, auch bei den Ländern derzeit die Bereitschaft ausgeprägt ist, sie einzustellen. Ich glaube also nicht, daß ich da sehr drängen muß. Das Problem wird eher sein, ob man gerade in den Fächern, von denen wir hier sprechen, entsprechende Möglichkeiten haben wird.
Nehmen wir als Beispiel Informatik. Hier haben wir das große Problem, daß die wirklich qualifizierten Leute natürlich ausgesprochen gute Angebote aus der Wirtschaft bekommen und daß es nicht ganz leicht ist, sie überhaupt heranzuholen. Deswegen habe ich auch von Möglichkeiten unkonventioneller Lösungen gesprochen, mit Zeitverträgen bzw. Lehraufträgen für Fachleute in der Wirtschaft; denn die werden nicht auf Dauer herausgehen.
Mein Eindruck ist also, daß die Länder bereit sein werden, die Position und die Möglichkeiten von Frauen dabei durchaus angemessen zu würdigen.

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1110508200
Frau Hillerich, Zusatzfrage, bitte schön.

Imma Hillerich (DIE GRÜNEN/BÜNDNIS 90):
Rede ID: ID1110508300
Ich greife die Frage meines Vorredners auf. Wenn es darum geht, daß Wissenschaftlerinnen auch durch dieses Überlastprogramm



Frau Hillerich
bzw. im Rahmen der von Ihnen erwähnten Arbeitsgruppe mehr an Hochschulen arbeiten können, kann es dann zu den unkonventionellen Methoden auch gehören, daß in allen Gremien, in denen über Einstellung, Bewerbung und dergleichen beraten wird, Frauen so beteiligt werden, daß tatsächlich mehr Frauen an Hochschulen auch als Wissenschaftlerinnen tätig werden können und daß dies quasi als Auflage oder Bedingung oder zumindest sehr harte Empfehlung auch von Ihnen geltend gemacht wird?
Möllemann, Bundesminister: Wir haben in unserer demokratischen Hochschulselbstverwaltung kein Verfahren der Besetzung von Gremien, sondern da werden Wahlen durchgeführt. Nehmen wir als Beispiel die Gesamthochschule Duisburg, zu der ich sogleich von hier aus zu einem Besuch fahren werde. Wenn es dort gerade zufällig Wahlen gäbe und der Bundesminister für Bildung und Wissenschaft spräche eine Empfehlung aus, daß man die Kandidatin X zu wählen habe — —

(Amling [SPD]: Das kann denen nur recht sein, wenn Sie das aussprechen!)

Nehmen wir an, ich würde dort empfehlen, die christdemokratisch orientierte Kandidatin X gegen den grün orientierten Kandidaten Y zu wählen. Ich bin nicht so ganz sicher, ob das für die Kandidatin unmittelbar hilfreich wäre.

(Frau Hillerich [GRÜNE]: Sie sollten die Frage richtig beantworten, nicht so hingewischt!)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1110508400
Herr Dr. Böhme (Unna) hat die nächste Frage gestellt, die Frage 14:
Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, durch flankierende Maßnahmen künftig eine Lehrtätigkeit an der Hochschule für mehr Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler attraktiv zu gestalten?
Bitte schön, Herr Minister.
Möllemann, Bundesminister: Herr Kollege Böhme, die Dienstverhältnisse des hauptberuflich an den Hochschulen tätigen wissenschaftlichen Personals sind durch das Hochschulrahmengesetz sowie, soweit es sich um Beamte handelt, durch das Beamten- und das Besoldungsrecht des Bundes geregelt. Die Notwendigkeit, hier für mehr Attraktivität zu sorgen, wird nicht gesehen, abgesehen von der Frage der Besoldung der Professoren an Fachhochschulen — da ist in der Tat ein Regelungsbedarf. Die Regelungen für nebenberuflich an den Hochschulen in der Lehre tätige Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, also insbesondere für Lehrbeauftragte, fallen in den Aufgabenbereich der Länder. Erforderlichenfalls wäre es deshalb deren Sache, für eine größere Attraktivität zu sorgen. Die Länder haben auch für die Beschäftigung zusätzlichen Personals teilweise besondere Regelungen getroffen. Wie ich aus Nordrhein-Westfalen höre, ist dort etwa in dem besonders stark belasteten Fach Betriebswirtschaftslehre eine Beschäftigung der Überlastkräfte nicht gerade zu besonders attraktiven Bedingungen möglich. Es könnte sich deshalb empfehlen, einmal in Düsseldorf nachzufragen, ob hier nicht Möglichkeiten bestehen, für qualifizierte wissenschaftliche Mitarbeiter, die auch in Übungen eingesetzt werden könnten, attraktive Beschäftigungsformen zu finden.

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1110508500
Zusatzfrage, Herr Dr. Böhme.

Dr. Ulrich Böhme (SPD):
Rede ID: ID1110508600
Wie soll denn die Verbesserung für die Lehrenden an den Fachhochschulen aussehen?
Möllemann, Bundesminister: Herr Kollege, Sie wissen, daß es da um die Frage der Anteile von C-2- und C-3-Professuren geht. Es ist kein Geheimnis, daß ich der Auffassung bin, daß der Anteil zugunsten der C3-Professuren verschoben werden sollte. Da die Länder das bezahlen müssen, müssen sie hier mitwirken. Wir können nur diese Empfehlung aussprechen. Bislang gibt es aber auf Grund der angespannten Finanzsituation bei den Ländern keine wirklich nachhaltige Bereitschaft, das auch zu tun.

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1110508700
Keine weitere Zusatzfrage zu dieser Frage.
Dann rufe ich die Frage 15 des Abgeordneten Kastning auf:
Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, im Rahmen eines Überlastprogramms auch Mittel für Einstellung von mehr Lehrpersonal in den betroffenen Fächern zur Verfügung zu stellen?
Bitte schön, Herr Minister.
Möllemann, Bundesminister: Herr Kollege Kastning, wie sich bereits aus den Antworten zu den vorangehenden Fragen ergibt, werden zur Zeit innerhalb der Bundesregierung die Möglichkeiten einer Beteiligung des Bundes an einem gemeinsamen Überlastprogramm von Bund und Ländern geprüft. Eine unmittelbare Förderung von Maßnahmen zur zeitlich befristeten Erweiterung der Ausbildungskapazitäten ist danach nur teilweise möglich.

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1110508800
Zusatzfrage, Herr Kastning.

Ernst Kastning (SPD):
Rede ID: ID1110508900
Ich darf auf einen Punkt zurückkommen, den Herr Kollege Kuhlwein angesprochen hat. Sehen Sie Möglichkeiten, Mittel aus dem Kontingent der DFG durch neue, zusätzliche Leistungen des Bundes frei zu machen und im Zusammenhang mit der mit den Ländern zu schließenden Vereinbarung diesen Schwerpunkt Lehrtätigkeit entsprechend festzuschreiben?
Möllemann, Bundesminister: Das ist sicher eine Möglichkeit.

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1110509000
Sie haben eine weitere Zusatzfrage, Herr Kastning.

Ernst Kastning (SPD):
Rede ID: ID1110509100
Da das, was Sie sagten, etwas unbeteiligt klang, möchte ich wissen, ob dies ernsthaft von Ihnen geprüft wird.
Möllemann, Bundesminister: Ja, sicher. Wenn ich hier verhalten wirke, Herr Kollege Kastning, dann



Bundesminister Möllemann
liegt das daran, daß ich jetzt schon ziemlich lange am Mikrophon stehe und meine Kräfte einteilen muß.

(Kastning [SPD]: Und Sie nach Duisburg müssen! Aber hier diskutieren wir im Parlament, Herr Minister!)

— Nein, nein, ich muß nicht vorzeitig weg. Keine Sorge! Ich bleibe hier bis zur letzten Minute. Mir macht es auch richtig Spaß, aber ich muß meine Kräfte einteilen.

(Rixe [SPD]: Aber, Herr Möllemann! Der Minister schlafft früh ab!)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1110509200
Also, das merken wir. Trotzdem muß es kürzer werden.
Eine Zusatzfrage der Frau Abgeordneten Odendahl.

Doris Odendahl (SPD):
Rede ID: ID1110509300
Herr Minister, halten Sie es in Anbetracht der Problematik — und wenn wir nach den Einschätzungen des Wissenschaftsrats gehen, wird sie uns noch länger beschäftigen — für denkbar, daß Ihre Kräfte so nachlassen, daß Sie das Problem nicht mehr ertragen können?

(Heiterkeit bei der SPD)

Möllemann, Bundesminister: Ich bin Ihnen dankbar für diese Anteilnahme. Aber Sie dürfen davon ausgehen, daß ich deswegen meine Kräfte so einteile, damit sie nicht nachlassen.

(Dr. de With [SPD]: Sie kriegen ein zugelassenes Stärkungsmittel!)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1110509400
Ich rufe jetzt die Frage 16 des Herrn Abgeordneten Kastning auf:
Wie sollen die Fachhochschulen in ein Überlastprogramm einbezogen werden?
Möllemann, Bundesminister: Herr Kollege Kastning, nach Auffassung der Bundesregierung sollten bei Realisierung eines Überlastprogramms des Bundes auch die Fachhochschulen einbezogen werden, zumal diese in verschiedenen Fachbereichen ebenfalls unter starken Überlastbedingungen arbeiten. Allerdings würde auch hier eine Stärkung der Ausbildungskapazitäten durch den Bund nur mittelbar über die Förderung der anwendungsbezogenen Forschung und Entwicklung an Fachhochschulen möglich sein. Aber es würde halt genauso gehen wie bei den übrigen Hochschulen.

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1110509500
Zusatzfrage der Frau Abgeordneten Hillerich. Bitte schön.

Imma Hillerich (DIE GRÜNEN/BÜNDNIS 90):
Rede ID: ID1110509600
Herr Minister, da über die Betroffenheit durch Überlast doch ziemlich unterschiedliche Aussagen existieren — heute morgen wurde von seiten der Vertreter der Länder vor allen Dingen auf BWL hingewiesen; in Hessen gibt es eine breite Streikbewegung an Fachhochschulen — : Kann uns die Bundesregierung Informationen darüber geben, wie sich die Überlastproblematik, aufgeschlüsselt nach Fachbereichen aller Hochschularten und auch regional, darstellen und gewichten läßt?
Möllemann, Bundesminister: Ja, das, denke ich, werden wir zusammen mit den Ländern tun können. Ich biete Ihnen ausdrücklich an, Ihnen das im Ausschuß für Bildung und Wissenschaft zuzuleiten. Das kann ich jetzt nicht aus dem Stand heraus.

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1110509700
Dann rufe ich die Frage 17 der Frau Abgeordneten Dr. Niehuis auf:
Wie wird die Bundesregierung sicherstellen, daß bei der Vergabe der Mittel aus einem Überlastprogramm geisteswissenschaftliche und wirtschaftswissenschaftliche Fächer angemessen und dem Bedarf entsprechend berücksichtigt werden?
Bitte schön, Herr Minister.
Möllemann, Bundesminister: Frau Dr. Niehuis, ein gegebenenfalls vom Bund gemeinsam mit den Ländern finanziertes Überlastprogramm sollte zur Verbesserung der Situation in besonders belasteten Fachrichtungen an Universitäten und Fachhochschulen beitragen. Zu diesen Fächern gehören gegenwärtig insbesondere die Studiengänge Betriebswirtschaft und Informatik an den Universitäten und der Studiengang Wirtschaftswissenschaften an den Fachhochschulen. Ich glaube allerdings, daß ein gemeinsames Programm auch einige weitere aus dieser Übersicht, die von Ihrer Kollegin gerade angesprochen worden war, abzuleitende Fachbereiche einschließen sollte. Dazu gehören gegebenenfalls auch geisteswissenschaftliche Fächer. Natürlich wird man auf der anderen Seite — und in dem Punkt kann ich nicht kritisieren, was in Nordrhein-Westfalen geschieht, an der Stelle nicht — akzeptieren, daß, wenn in bestimmten geisteswissenschaftlichen Fächern oder in einem Fachbereich an einer Hochschule die Studienbeteiligung dramatisch abgenommen hat, man darauf auch die Personalstärke ausrichtet. Das Überlastkriterium gilt unabhängig von der Frage, ob es sich um den naturwissenschaftlich-technischen oder den geisteswissenschaftlichen Bereich handelt. Ich halte eine Zurückstellung der Geisteswissenschaften ganz generell für einen fatalen Trugschluß, dem man anhängen würde, wollte man so vorgehen.

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1110509800
Zusatzfrage, Frau Dr. Niehuis.

Dr. Edith Niehuis (SPD):
Rede ID: ID1110509900
Wie wollen Sie denn sicherstellen, daß diese Fachrichtungen auch beim Überlastprogramm bedacht werden?
Möllemann, Bundesminister: Durch den Konsens, den wir mit den Ländern finden müssen, von dem ich vorhin sprach und der Bedingung dafür ist, daß es zu einem solchen Programm kommt.

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1110510000
Sie haben eine weitere Zusatzfrage, bitte schön.

Dr. Edith Niehuis (SPD):
Rede ID: ID1110510100
Sie haben in der Beantwortung der ersten Frage dieser Serie gesagt, daß Informatik und Betriebswirtschaftslehre insbesondere darum gefördert werden sollten, weil auf dem Arbeitsmarkt ein Bedarf bestehe. Nun haben Sie dankenswerterweise gesagt, daß Sie auch Geisteswissenschaften für einen zu fördernden Fachbereich halten. Heißt das, daß Sie auch meinen, daß auf dem Arbeitsmarkt Bedarf für Geisteswissenschaften vorhanden ist, und daß Sie als öffentliche Hand — dort liegen ja häufig die



Frau Dr. Niehuis
Arbeitsmarktbereiche für Geisteswissenschaftler — dafür Sorge tragen würden, daß diese Arbeitsplätze dann auch da sind?
Möllemann, Bundesminister: Die öffentliche Hand ist nun wirklich mehr als der Bund. Wenn man sich die Gesamtzahl der Beschäftigten im öffentlichen Dienst anschaut, weiß man, daß der Löwenanteil nicht beim Bund liegt. Ich kann hier jetzt aber nicht eine allgemeine Debatte darüber bestreiten, an welcher Stelle, in welchem Dienstbereich der öffentlichen Hände zusätzliche Geisteswissenschaftler eingestellt werden könnten. Ich würde das auch gar nicht auf den öffentlichen Dienst beschränken, Frau Dr. Niehuis. Wir erleben eine Art Renaissance der Bedeutung der Geisteswissenschaften auch im privatwirtschaftlichen Bereich. In der Personalplanungspolitik großer privatwirtschaftlicher Unternehmen, ist es doch eindrucksvoll zu sehen, wie Personalchefs jetzt immer stärker wieder Wert darauf legen, daß geisteswissenschaftliche Qualifikationen bei ihrem Führungspersonal erbracht werden, nicht nur naturwissenschaftlich-technische. Da gibt es ganz interessante Entwicklungen, die wir als Regierung sicher fördern sollten.

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1110510200
Zusatzfrage, Herr Kastning.

Ernst Kastning (SPD):
Rede ID: ID1110510300
Die Großzügigkeit des Herrn Präsidenten voraussetzend . . .

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1110510400
Das ist gefährlich, Herr Kollege.

Ernst Kastning (SPD):
Rede ID: ID1110510500
... und in Erinnerung an das — ich wollte Ihre Aufmerksamkeit auf mich lenken, Herr Präsident — , was Sie vorhin sagten, daß Sie nämlich das Überlastprogramm nicht mit Dingen befrachten würden, die Sie sonst nicht durchbekommen würden, frage ich Sie: Können Sie mir einmal erklären, welchen unmittelbaren Beitrag eine höhere oder bessere Ausstattung der Graduiertenkollegs zum Abbau der Überlast leisten soll?
Möllemann, Bundesminister: Ja, das kann ich. Da muß ich dann schon wieder die Großzügigkeit des Präsidenten, der mich aber schon fest im Blick hat, in Anspruch nehmen. Wenn es darum geht, die Dauer des grundständigen Studiums auf das unabdingbar notwendige Maß zu begrenzen, kann man das vernünftigerweise dadurch erreichen, daß man das, was für ein Aufbaustudium notwendig ist, in einer vernünftig organisierten Form anbietet und damit auch die Trennung zwischen diesen beiden Abschnitten vernünftig sichtbar und plausibel macht. Die Förderung von Graduiertenkollegs wäre also schon insofern logisch.
Darüber hinaus verfolgen wir gleichzeitig ein anderes Ziel. Wir werden nach der jetzigen Entwicklung in etwa acht bis zehn Jahren eine andere Entwicklung haben, die ebenfalls dramatisch ist. Zu diesem Zeitpunkt werden nämlich innerhalb von zehn Jahren fast 50 % aller heutigen Hochschullehrer in den Ruhestand gehen. So ist der Altersaufbau des Lehrkörpers. Wenn wir jetzt nicht rechtzeitig Nachwuchswissenschaftlern die Möglichkeit geben, sich zu qualifizieren, werden wir dann einen großen Einbruch erleben. Auch dazu leisten die Graduiertenkollegs einen Beitrag und auf diese Art und Weise auch dazu, daß dann keine Überlastsituation besteht, weil wir dann genug Professoren haben.

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1110510600
Jetzt kommt die Frage 18 des Abgeordneten Weisskirchen (Wiesloch):
Seit wann liegen Untersuchungen und Informationen über die für dieses Wintersemester zu erwartenden Studentenzahlen vor, und was hat die Bundesregierung in Kenntnis dieser Daten unternommen, um eine sich abzeichnende totale Überlastung der Hochschulen zu verhindern?
Bitte schön, Herr Minister.
Möllemann, Bundesminister: Herr Kollege Weisskirchen, der Bundesminister für Bildung und Wissenschaft hat auf der Grundlage der etwa seit Anfang September bekannten Angaben die möglichen Gesamtzahlen der Studienanfänger im Jahre 1988, d. h. der Studienanfängerzahlen im Sommersemester 1988 und Wintersemester 1988/89, global geschätzt. Grundlage der Schätzung war die Zahl der Studienanfänger und Studenten zum Sommersemester 1988 sowie die Ergebnisse der Abiturientenbefragung 1988 über ihre Studienabsichten. Daten über die Bewerberzahlen zum Wintersemester 1988/89 für die Studiengänge des bundesweiten Vergabeverfahrens der ZVS liegen dem Bundesminister für Bildung und Wissenschaft seit August vor. Vor diesem Zeitpunkt lagen der Bundesregierung weder amtliche noch sonstige Zahlen aus einschlägigen Untersuchungen über die für das Wintersemester 1988/89 zu erwartenden Studentenzahlen vor.
Auf Grund der Daten, die ich beschrieben habe, wurde ein deutlicher Anstieg der Studienanfängerzahlen auf einen neuen Höhepunkt von ca. 250 000 prognostiziert. In dieser Situation hatte ich erwartet, daß die Länder ihre Überlastmaßnahmen entsprechend verstärken würden. Erstaunlicherweise ist es dazu überwiegend nicht gekommen. Und noch mehr: In verschiedenen Ländern wurden gar Stellenstreichungen im Hochschulbereich fortgesetzt. Daraufhin habe ich in der Sitzung der Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung am 26. September den für die Hochschulen zuständigen Ministern oder ihren dort anwesenden Beamten meine Absicht erläutert, dieser gefährlichen Entwicklung entgegenzuwirken und der Bundesregierung vorzuschlagen, gemeinsam mit den Ländern ein zeitlich befristetes Überlastprogramm in Angriff zu nehmen. Die Ländervertreter haben diese Initiative auf Bundesseite mehrheitlich im Grundsatz begrüßt. In der Folgezeit wurden alle für ein Überlastprogramm in Betracht kommenden Maßnahmen u. a. daraufhin geprüft, ob sie auf Grund der verfassungsrechtlichen Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern für eine Bundeshilfe in Betracht zu ziehen sind. Den augenblicklichen Verfahrensstand haben wir jetzt schon des öfteren erörtert.

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1110510700
Herr Weisskirchen, Zusatzfrage.

Gert Weisskirchen (SPD):
Rede ID: ID1110510800
Warum, Herr Minister, hat die Bundesregierung eigentlich nicht auf die Bildungsgesamtpläne und auf die dort schon nieder-



Weisskirchen (Wiesloch)

gelegten Trends zurückgegriffen, die ja deutlich ausweisen, daß in diesem Jahr tatsächlich die Zahlen eingetroffen sind, die vor knapp zehn Jahren angeplant worden sind? In der Zwischenzeit hatte insbesondere die Wende-Regierung auf die Bildungspläne und auf planerische Absichten verzichtet. Liegt da nicht ein Grund, warum Sie jetzt überfallartig davon betroffen sind?
Möllemann, Bundesminister: Von „überfallartig betroffen" kann nun wirklich keine Rede sein. Die Bildungsgesamtpläne, die nicht mehr ganz jüngsten Datums sind, sind natürlich bekannt. Aber es hat zwischenzeitlich, Herr Kollege Weisskirchen, Entwicklungen gegeben, die in diesen Plänen nicht standen und nicht erwartet worden sind. Ich nenne nur einen Punkt, über dessen Ausmaß vermutlich auch Sie ein bißchen überrascht gewesen sind.
Es hat vor etwa vier Jahren einen plötzlichen erheblichen Anstieg von an sich Hochschulzugangsberechtigten gegeben, die gesagt haben: Wir gehen nicht auf die Hochschule. Sie sind in eine Lehre gegangen. Nun kann jetzt natürlich jeder sagen: Ich habe damals schon gewußt, daß sie das gar nicht ernst gemeint haben und daß sie demnächst studieren würden. — Ich habe das nicht gewußt. Wie viele Angehörige eines Jahrgangs, die an sich die Hochschulzugangsberechtigung haben, an eine Hochschule oder in einen Beruf im dualen System gehen oder eine Berufsakademie anstreben, können wir vorher nicht definitiv wissen. Ich sage Ihnen: Wir sind nicht davor geschützt, daß wir im nächsten Jahr wieder andere Zahlen bekommen werden.
Hinzu kommt ein Zweites. Der Anteil an den einzelnen Jahrgängen, der sich für eine weiterführende Schule — ich spreche jetzt vom Gymnasium — entscheidet, ist in den letzten Jahren erheblich gestiegen. Ich halte es für lohnend, darüber zu diskutieren, ob das grundsätzlich ein erfreulicher Trend ist — dazu neige ich — oder ob er sich da oder dort in einer Weise ausprägt, die man nicht für vernünftig ansehen kann. Ich habe per Zufall gestern abend erfahren, daß wir in meiner Heimatstadt Münster im Augenblick eine Quote von 51 % beim Übergang auf das Gymnasium haben. Hier habe ich den stillen Verdacht, daß das nicht ganz vernünftig ist,

(Daweke [CDU/CSU]: Alle hochbegabt!)

daß viele auf Grund von Empfehlungen ihrer Eltern dort hingehen, denen man damit keinen Gefallen tut. Aber unser System ist so, daß wir nur beraten und empfehlen können und die Entscheidung am Ende die Eltern treffen. Ich weiß nicht, wie viele es demnächst sein werden.
Insofern sind alle Bildungsgesamtpläne, die es gegeben hat, mit dem Problem behaftet gewesen, daß in ihnen Prognosen aufgearbeitet wurden, die zum Teil eingetroffen sind, zum Teil auch nicht. Ich habe diese Größenordnung des Problems nicht vorhergesehen, und ich muß unterstellen, auch die Kollegen aus den Ländern haben sie nicht vorhergesehen,

(Daweke [CDU/CSU]: Das haben die heute morgen auch alle bestätigt!)

denn sonst hätten sie doch anders operiert.

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1110510900
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Kuhlwein.

Eckart Kuhlwein (SPD):
Rede ID: ID1110511000
Herr Minister, bei aller Unzuverlässigkeit von Prognosen: Muß es einen nicht stutzig machen, daß das, was in den 70er Jahren einmal als Zielplanung für den Ausbau der Hochschulen formuliert worden war, nämlich 850 000 Studienplätze, nun schon seit über zehn Jahren ständig übertroffen wird, so daß die Überlast schon beinahe zur Normallast geworden ist, und ist die Bundesregierung bereit, einmal die Initiative zu ergreifen, um diese Zielplanung für die Normallast zu überprüfen, nachdem wir wissen, daß die Studentenzahlen ohnehin bis 1995 noch sehr viel höher sein werden?
Möllemann, Bundesminister: Im Grunde reden wir darüber die ganze Zeit, nämlich darüber, daß wir ja wohl nicht akzeptieren können, daß bis 1995 eine solche Überlast de facto als Normallast angesehen wird. Dabei bliebe es ja, würden wir nichts tun.
Nun weiß man aber, daß danach mit wirklich hoher Wahrscheinlichkeit ein Abschwung der Zahlen kommen wird. Daher kann man nicht außer Betracht lassen, daß wir dann wahrscheinlich in eine Größenordnung kommen werden, für die die Hochschulen an sich angelegt sind. Deswegen appelliere ich ja auch gleichzeitig an die Länder, nun nicht dauernd mit der Schere im Kopf so zu argumentieren, als hätte man diese Situation schon, bzw. für diesen Zeitraum nicht so zu planen, als brauchte man dann weniger, als heute vorhanden ist. Die Planstellen, die heute vorhanden sind, sind an sich auf die 850 000 Studienplätze nach Flächenrichtwerten angelegt. Wer jetzt für die nächsten Jahre kw-Vermerke anbringt, sorgt in diesem Bereich also für nichts anderes, als daß dann erneut eine Überlastsituation gegeben sein wird. Ich bin sehr froh, wenn diejenigen, die das Thema im Auge haben, auf die Verantwortlichen einwirken, damit das vermieden wird.

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1110511100
Eine Zusatzfrage, Frau Hillerich.

Imma Hillerich (DIE GRÜNEN/BÜNDNIS 90):
Rede ID: ID1110511200
Im Zusammenhang damit, daß die Überlast zur Normallast geworden ist, scheint ja auch zu stehen, daß für die Betreuungsrelationen und die Ausstattungen der Hochschulen eine Kapazitätsverordnung geschaffen wurde, die eigentlich für die Ausbildung und die Betreuung der Studierenden recht schlechte Relationen festlegt. Es gibt demgegenüber ja schon bessere Empfehlungen des Wissenschaftsrates. Kann es denn sein, Herr Minister, daß im Rahmen des Überlastprogramms und der Vereinbarungen mit den Ländern auch auf dieser Ebene Vereinbarungen getroffen werden, um die Ausstattungssituation und die Betreuungsrelationen an den Hochschulen zu verändern?
Möllemann, Bundesminister: Nun, die Kapazitätsverordnungen liegen in der Zuständigkeit der Länder, und ich fürchte, wenn ich hier jetzt noch ankündigen würde, daß das bei dieser Gelegenheit auch gleich noch mit abgehandelt werden muß, käme es zu keiner Einigung.
Ich sage es noch einmal: Daß in wichtigen Studienbereichen eine krasse Diskrepanz zwischen der Aus-



Bundesminister Möllemann
stattung und der Zahl der Studierenden besteht, ist offenkundig. Mein Appell geht erneut an die für die Grundausstattung der Hochschulen zuständigen Länder, das zu ändern.

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1110511300
Herr Minister, da der Kollege Weisskirchen mir gesagt hat, er müsse zu einer Veranstaltung außerhalb des Hauses, sind Sie sicher damit einverstanden, daß seine Frage 19 schriftlich beantwortet wird. Das gleiche gilt für die Fragen 20 und 21 des Abgeordneten Kuhlwein. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.

(Kuhlwein [SPD]: Wegen der Belastung, Herr Minister!)

Möllemann, Bundesminister: Wenn ich das gewußt hätte, hätte ich meine Kräfte nicht so einteilen müssen.

(Heiterkeit)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1110511400
Er wollte Sie wohl auf die Probe stellen. — Er ist auch nicht nur deswegen zum Verzicht bereit, weil er nicht länger hier sein kann, sondern auch deshalb, weil er meint, wir sollten noch einem weiteren Vertreter eines Ministers die Chance geben, sich zu äußern.
Deswegen danke ich Ihnen, Herr Minister, für die Beantwortung der Fragen und rufe nunmehr den Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern auf. Der Herr Parlamentarische Staatssekretär Spranger steht zur Beantwortung der Fragen zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 22 des Abgeordneten Dr. Hirsch auf:
Ist es zutreffend, daß Asylbewerber in der Oberpfalz in menschenunwürdiger Weise in Sammellagern untergebracht sind und 4 Quadratmeter pro Person als ausreichend gehalten werden?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.

Carl-Dieter Spranger (CSU):
Rede ID: ID1110511500
Herr Kollege Dr. Hirsch, die Unterbringung der Asylbewerber ist Angelegenheit der Bundesländer. Die Bundesregierung hat deshalb keinen unmittelbaren Einblick in die Verhältnisse vor Ort. Sie ist insoweit auf die Angaben der Länder im Einzelfall angewiesen.
Zu der von Ihnen sehr allgemein angesprochenen Situation in der Oberpfalz hat mir das insoweit zuständige Bayerische Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung mitgeteilt, daß die Gemeinschaftsunterkünfte für Asylbewerber als Obdachlosenunterkünfte im Sinne des Gestzes zur Beseitigung von Wohnungsmißständen vom 24. Juli 1974 gelten. Dieses Gesetz schreibt Mindestwohnflächen nicht vor.
Im übrigen ist bei der als notwendig anzuerkennenden Mindestwohnfläche auch darauf abzustellen, ob es sich bei den unterzubringenden Personen um Alleinstehende, alleinstehende Frauen, Familien, Familien mit Kindern, Jugendliche usw. handelt und welche Gemeinschaftsflächen in den Unterkünften zur Verfügung stehen. Eine Wohnfläche von 4 m2 pro Person ohne Berücksichtigung von Nebenflächen, Gemeinschaftsflächen oder Gemeinschaftsräumen kann im Hinblick auf die Bestimmungen des Gesetzes zur
Beseitigung von Wohnungsmißständen insbesondere dann als menschenwürdig angesehen werden, wenn die Asylbewerber alleinstehend oder kinderlos sind.

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1110511600
Zusatzfrage, Herr Dr. Hirsch.

Dr. Burkhard Hirsch (FDP):
Rede ID: ID1110511700
Herr Staatssekretär, ist Ihnen der Bericht von Terre des hommes über eine Anhörung im bayerischen Landtag bekannt, wo dargestellt wurde, daß man dort, was z. B. die Wohnverhältnisse angeht, für eine mehrköpfige Familie 4 m2 pro Person für ausreichend hält, daß man z. B. in einem Sammellager in der Oberpfalz eine achtköpfige Familie mit sieben Bundeswehrbetten und fünf Spinden untergebracht hat? Finden Sie nicht — unabhängig davon, was immer in den dargestellten Richtlinien stehen mag —, daß das so eigentlich nicht geht?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Dr. Hirsch, mir ist der Bericht nicht bekannt. Ich kann nur zu der sehr allgemeinen Frage Stellung nehmen, die Sie aufgeworfen haben. Ich kann das Problem auf Grund der Tatsache, daß mir der Bericht nicht bekannt ist, heute nicht örtlich fixieren. Ich bin gerne bereit, mir diesen Bericht einmal kommen zu lassen und die Situation dann an Hand dieses Berichts erneut zu überprüfen.

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1110511800
Zusatzfrage.

Dr. Burkhard Hirsch (FDP):
Rede ID: ID1110511900
Herr Staatssekretär, kann ich Ihrer Antwort entnehmen, daß die Bundesregierung — entgegen Ihrer zuerst gegebenen Mitteilung, daß die Bundesregierung gar nicht zuständig sei — , wenn sie auf Grund des Berichts zu dem Eindruck kommen müssen, daß die Unterbringung dort wirklich katastrophal ist, Verbindung mit der Bayerischen Staatsregierung mit dem Ziel der Besserung dieser Verhältnisse aufnehmen würde?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Über die Zuständigkeitsfrage sind wir uns einig. Die Bundesregierung hat keine Möglichkeit, Einfluß auf die Gestaltung der Unterbringung bei den Ländern zu nehmen, auch bei anderen Bundesländern nicht, und die Bundesländer — alle Bundesländer — würden sich das sicherlich auch verbitten. Aber aus der Erfahrung mit den Bundesländern insgesamt bei der Bewältigung der Asylbewerber-Problematik gehe ich davon aus, daß auch Bayern — wie die anderen Bundesländer — gesprächsbereit ist, wenn es darum geht, Situationen zu verbessern, die verbesserungsbedürftig sind.

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1110512000
Eine Zusatzfrage, Herr Dr. de With.

Dr. Hans de With (SPD):
Rede ID: ID1110512100
Herr Staatssekretär, sind Sie nicht der Meinung, daß die Bundesregierung jenseits jeden Kompetenzgerangels dann ihr Wort erheben muß, wenn offenkundig ist, daß dort menschenunwürdige Zustände herrschen und daß Alarm geschlagen werden muß?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Dr. de With, nach dem jetzigen Sachstand diskutieren wir abstrakte Probleme, weil die Bayerische Staatsregie-



Parl. Staatssekretär Spranger
rung, das Sozialministerium, uns hat mitteilen lassen, daß sie nach Überprüfung dieser Frage keinen Anlaß hat, hier etwas zu verändern, weil es nach Auffassung der Bayerischen Staatsregierung keine menschenunwürdigen Umstände und Zustände gibt.

(Dr. de With [SPD]: Ich habe eine exakte Frage gestellt!)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1110512200
Ich rufe die Frage 23 des Herrn Abgeordneten Dr. Hirsch auf:
Ist es zutreffend, daß in diesen Lagern auch die sanitären Verhältnisse nicht nur unzureichend, sondern menschenunwürdig sind?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Spranger, Parl. Staatssekretär: Herr Dr. Hirsch, die Bundesregierung hat keine Hinweise auf unzureichende, menschenunwürdige sanitäre Einrichtungen in Gemeinschaftsunterkünften der Oberpfalz. Sie ist aber gerne bereit, die zuständigen bayerischen Behörden mit dieser Frage zu befassen, wenn konkrete Fälle an sie herangetragen werden.

(Dr. de With [SPD]: Jetzt beantwortet er meine Frage!)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1110512300
Zusatzfrage, Herr Dr. Hirsch.

Dr. Burkhard Hirsch (FDP):
Rede ID: ID1110512400
Herr Staatssekretär, indem ich mich wieder auf die Anhörung im bayerischen Landtag beziehe, aus der sich nach dem Bericht von Terre des hommes ergibt, daß sich in oberpfälzer Lagern z. B. 100 Personen sechs Toiletten teilen müssen, daß sich sieben Familien eine Dusche mit zwei Toiletten im selben Raum teilen müssen, daß es einen Waschtag pro Woche gibt und daß es warmes Wasser nur zu bestimmten Zeiten gibt, frage ich Sie: Sind Sie nicht der Meinung, daß diese konkreten Tatbestände auch unter Würdigung bayerischer Verhältnisse nicht als angemessen gelten können?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Es gibt mit Sicherheit keine Sonderkonditionen für Asylbewerber im Freistaat Bayern oder auch in anderen Bundesländern. Ich kann jetzt nicht davon ausgehen, daß die Fakten, die Sie aus einem Bericht zitieren, der Wirklichkeit entsprechen, weil die Einlassung des Bayerischen Staatsministeriums, die mir zugänglich gemacht worden ist, dies nicht bestätigt. Ich bin gern bereit — ich wiederhole das — , an Hand dieses Berichtes die Situation zwar nicht überprüfen zu lassen — das wäre zuviel — , aber eine entsprechende Stellungnahme der zuständigen Behörden einzuholen.

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1110512500
Herr Hirsch, Sie haben noch eine weitere Zusatzfrage.

Dr. Burkhard Hirsch (FDP):
Rede ID: ID1110512600
Ich möchte keine weitere Frage stellen, aber sagen, daß ich darauf zurückkomme.

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1110512700
Herr Wüppesahl, eine Zusatzfrage.

Thomas Wüppesahl (GRÜNE):
Rede ID: ID1110512800
Herr Staatssekretär, unter der Annahme, daß Sie nicht davon ausgehen, daß der Kollege Hirsch unkorrekte Tatsachenbehauptungen, auch wenn dies in Berichtsform zitiert worden ist,
hier in die Debatte geworfen hat, wäre ich Ihnen doch dankbar, wenn Sie uns die Freude machen würden und uns die Antwort auf die Frage des Kollegen Hirsch, wie Sie die Tatsachen, wenn sie der Wahrheit entsprechen, bewerten würden und zu welchen Maßnahmen sich die Bundesregierung dann veranlaßt sehen würde, zu Ohren kommen lassen könnten.
Spranger, Parl. Staatssekretär: Der Kollege Dr. Hirsch hat keine Behauptungen aufgestellt, die ich zu bewerten habe, sondern er hat einen Bericht zitiert, den ich erst verifizieren muß, um dann bewerten zu können. Abstrakte Bewertungen bitte ich mir nicht zuzumuten.

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1110512900
Ich rufe die Frage 24 des Abgeordneten Dr. Emmerlich auf:
Womit ist der im Oktober 1987 gestellte Asylantrag des aus den Vereinigten Staaten von Amerika in die Bundesrepublik Deutschland eingereisten Boleslav Maikowskis begründet worden?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Spranger, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Dr. Emmerlich, die Bundesregierung sieht aus Gründen des Persönlichkeits- und Datenschutzes davon ab, Einzelheiten über ein laufendes Asylverfahren mitzuteilen.

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1110513000
Eine Zusatzfrage, Herr Dr. Emmerlich.

Dr. Alfred Emmerlich (SPD):
Rede ID: ID1110513100
Herr Staatssekretär, können Sie die Rechtsvorschriften angeben, aus denen sich ergibt, daß Sie die von mir gestellte Frage aus rechtlichen Gründen nicht zu beantworten in der Lage sind?
Spranger, Parl. Staatssekretär: In § 12 Abs. 5 des Asylverfahrensgesetzes steht ausdrücklich, daß die Anhörung nicht öffentlich ist, daß Asylgründe damit nicht öffentlich darstellbar sind, weil sie vertraulich zu behandeln sind. Das entspricht im übrigen den Grundsätzen des UNHCR vom Jahre 1977 und entsprechenden Beschlüssen des Ministerrates des Europarates vom Jahre 1981.

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1110513200
Eine Zusatzfrage, Herr Dr. Emmerlich.

Dr. Alfred Emmerlich (SPD):
Rede ID: ID1110513300
Herr Staatssekretär, darf ich davon ausgehen, daß Sie mir diese Frage, die ich in meinem Schreiben vom 1. November 1988 an Sie gerichtet habe, wenigstens außerhalb der Fragestunde beantworten?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Ich kenne jetzt nicht die genaue Formulierung Ihrer früheren Anfrage, aber ich kann nur sagen: Ich kann Ihnen auch persönlich oder schriftlich nichts über die Gründe des Asylantrags mitteilen, weil auch das ein Bruch der Vertraulichkeit wäre, die gesetzlich festgeschrieben ist.

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1110513400
Dann rufe ich die Frage 25 des Abgeordneten Dr. Emmerlich auf:
Warum ist der Asylantrag nicht unverzüglich abschlägig beschieden worden?



Spranger, Parl. Staatssekretär: Über einen Asylantrag, d. h. darüber, ob ein Ausländer Schutz vor politischer Verfolgung im Sinne des Art. 16 Abs. 2 Satz 2 des Grundgesetzes beanspruchen kann, entscheidet ein insoweit weisungsungebundener Bediensteter des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge. Der Bundesregierung ist eine Einflußnahme auf diese Entscheidungen verwehrt.

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1110513500
Eine Zusatzfrage, Herr Dr. Emmerlich.

Dr. Alfred Emmerlich (SPD):
Rede ID: ID1110513600
Herr Staatssekretär, meine Frage zielte nicht darauf ab, die Bundesregierung zu einer Einflußnahme auf die konkrete Entscheidung in dem genannten Fall aufzufordern, sondern darauf, daß die Bundesregierung von ihrer Möglichkeit Gebrauch macht und ihrer, wie ich meine, bestehenden Verpflichtung Rechnung trägt, auf eine zügige Abwicklung von Asylverfahren Einfluß zu nehmen. Ich erinnere mich sehr gut, daß die Bundesregierung bei Änderung des Asylverfahrensgesetzes als Ziel für eine Verfahrensdauer im Normalfall drei Monate in Zirndorf angenommen und angegeben hat und daß dieser Asylantrag jetzt schon mehr als ein Jahr in Zirndorf schwebt.
Spranger, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Dr. Emmerlich, Sie wissen, daß der auch in diesem Jahr anhaltende starke Zustrom von Asylbewerbern trotz der vielfachen Personalvermehrungen in den letzten Jahren in Zirndorf weiterhin zu langen Bearbeitungsfristen geführt hat, die zum Teil über ein Jahr betragen. Das heißt, die Bearbeitung dieses Asylantrages in dieser Länge entspricht der Situation in Zirndorf. Der Bundesinnenminister hat angesichts der Bestimmungen keine Möglichkeit, sozusagen selektiv das eine Verfahren schneller und das andere in der üblichen Weise entscheiden zu lassen.

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1110513700
Eine Zusatzfrage.

Dr. Alfred Emmerlich (SPD):
Rede ID: ID1110513800
Wenn die Situation hinsichtlich der Zahl der vorliegenden Anträge in Zirndorf so ist, wie Sie sie beschreiben — ich will das zunächst als wahr unterstellen — , besteht dann nicht um so mehr Veranlassung, herauszufinden, wie diese Situation verändert werden kann, damit wir auf eine angemessene Dauer der Verfahren in Zirndorf zusteuern?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Das ist eine gute Überlegung. Wir schöpfen jede Möglichkeit, auch hier im Deutschen Bundestag, aus, zu verfahrensbeschleunigenden Maßnahmen zu kommen. Ich hoffe, daß beispielsweise die Gesetzesvorlage, die hier morgen diskutiert wird, auch die Zustimmung Ihrer Fraktion findet.

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1110513900
Ich rufe die Frage 26 des Abgeordneten Wüppesahl auf:
Trifft es zu, daß der Grenzschutzeinzeldienst des Bundesgrenzschutzes in Flensburg und Gudow unter anderem auf den sogenannten Amtsplätzen des Zolls an den jeweiligen Grenzübergängen nach Dänemark bzw. in die DDR Verkehrsüberwachungsmaßnahmen u. a. mit Kontrollgruppen versieht, ohne daft er dazu eine gesetzliche Ermächtigung hat bzw. im Rahmen des Artikels 35 GG angefordert ist, und wie wird dieser Sachverhalt von der Bundesregierung gesehen und bewertet?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Spranger, Parl. Staatssekretär: Der Bundesgrenzschutz führt im Rahmen der grenzpolizeilichen Kontrolle Verkehrsüberprüfungen in eigener Zuständigkeit durch.
Ausdrückliche einschlägige Aufgabenzuweisungen ergeben sich — ich muß jetzt leider eine Reihe von Bestimmungen nennen — aus § 1 Nr. 3 Buchstabe h des Bundesgrenzschutzgesetzes in Verbindung mit § 103 a des Güterkraftverkehrsgesetzes vom 6. August 1975, zuletzt geändert durch Gesetz vom 9. Juli 1979, aus § 1 Nr. 3 Buchstabe i des Bundesgrenzschutzgesetzes in Verbindung mit Art. 3 des Gesetzes zu dem Europäischen Übereinkommen über die internationale Beförderung gefährlicher Güter auf der Straße vom 18. August 1969 sowie aus § 1 Nr. 3 Buchstabe j des Bundesgrenzschutzgesetzes in Verbindung mit § 5 des Fahrpersonalgesetzes vom 27. Oktober 1976.
Soweit diese Spezialvorschriften nicht eingreifen, folgt die Zuständigkeit des Bundesgrenzschutzes, die Einhaltung der straßenverkehrsrechtlichen Bestimmungen zu überwachen und insbesondere Verkehrskontrollen nach § 36 Abs. 5 der Straßenverkehrsordnung durchzuführen, aus § 1 Nr. 1, § 2 Nr. 2 des Bundesgrenzschutzgesetzes. Die öffentliche Sicherheit und Ordnung im Bundesgebiet, die Schutzobjekt der grenzpolizeilichen Kontrolle gemäß § 2 Nr. 2 des Bundesgrenzschutzgesetzes ist, umfaßt die Sicherheit und Ordnung des Verkehrs.

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1110514000
Zusatzfrage, Herr Wüppesahl.

Thomas Wüppesahl (GRÜNE):
Rede ID: ID1110514100
Das war ein sehr schöner Paragraphensalat, den wir als Antwort bekommen haben. Ich kenne die meisten Paragraphen.
Sind Sie der Auffassung, daß auch nur ein einziger von Ihnen genannter Ermächtigungsgrund in dieser speziellen Situation, also für die Durchführung von Verkehrsüberwachungsmaßnahmen des BGS in Gudow und Flensburg, an den Grenzübergangsstellen als Ermächtigungsgrundlage ausreichen kann?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Zunächst verstehe ich Ihre Bemerkung zum Paragraphensalat überhaupt nicht. Sie haben in Ihrer Frage unterstellt, daß der Bundesgrenzschutz hier praktisch ohne Gesetzesgrundlage tätig ist. Sie müßten es an sich begrüßen, daß der Bundesgrenzschutz auf Grund umfassender gesetzlicher Grundlagen tätig wird und seinen Verpflichtungen auf Grund dieser Gesetze nachkommt.

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1110514200
Sie haben eine weitere Zusatzfrage, Herr Wüppesahl.

Thomas Wüppesahl (GRÜNE):
Rede ID: ID1110514300
Dann mache ich es etwas plausibler. Weshalb wird der eigentlich zuständigen Autobahndienststelle in diesem Grenzbezirk die Durchführung genau dieser Verkehrsüberwachungsmaßnahmen, die zur Zeit vom BGS zumindest am Grenzübergang Gudow vorgenommen werden — wie es in Flensburg ist, weiß ich nicht en detail — , nicht gestattet?



Wüppesahl
Im übrigen möchte ich noch den Hinweis geben, daß ich den Paragraphensalat nicht in Frageform erwähnt habe. Ich hätte mir vielmehr gewünscht, daß die Bundesregierung eine Antwort so formuliert, daß — natürlich unter Hinzuziehung von Paragraphen — eine umfassende wörtliche Darstellung dessen, wie sie diese Problemsituation einschätzt, uns zu Gemüte geführt worden wäre.

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1110514400
Habe ich es richtig verstanden, daß Sie die Frage jetzt wiederholt haben?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Ich habe nicht verstanden, was gefragt worden ist.

Thomas Wüppesahl (GRÜNE):
Rede ID: ID1110514500
Der erste Teil meiner zweiten Zusatzfrage ist eigentlich nur die Zusatzfrage als solche, wie Sie uns die Diskrepanz klären können, daß der eigentlich zuständigen Autobahndienststelle der Polizei genau diese Verkehrsüberwachungsmaßnahmen vom Zoll ausdrücklich nicht gestattet werden, wohl aber dem BGS.
Spranger, Parl. Staatssekretär: Ich kann das, was Sie hier in Frageform behaupten, nicht bestätigen. Ich kann nur darauf hinweisen, daß der Bundesgrenzschutz exakt nach Rechtsgrundlagen, die ich zitiert habe, tätig wird. Sein Tätigwerden entspricht auch den Normen, die ich zitiert habe.

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1110514600
Ich habe noch zwei Zusatzfragen vorliegen. Ich hoffe, wir bekommen sie in der nächsten Minute noch hin. — Herr Dr. Hirsch.

Dr. Burkhard Hirsch (FDP):
Rede ID: ID1110514700
Herr Staatssekretär, ich gestehe, daß ich Ihre Antwort einfach nicht verstanden habe. Wären Sie in der Lage, das, was Sie als Antwort verlesen haben, einmal in freier Rede so zu wiederholen, daß man es versteht?

(Zustimmung des Abg. Wüppesahl [fraktionslos])

Spranger, Parl. Staatssekretär: Herr Dr. Hirsch, das ist sehr schwierig, weil das hier sehr ausführliche Bestimmungen sind, die beispielsweise in § 1 des Bundesgrenzschutzgesetzes im einzelnen aufgeführt sind. Die Einzelbestimmungen füllen eine Fülle von Seiten, die vorzulesen sicherlich den Rahmen der Fragestunde weit sprengen würde.

(Wüppesahl [fraktionslos]: Haben Sie die überhaupt selbst begriffen?)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1110514800
Zusatzfrage des Abgeordneten von Schmude.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1110514900
Herr Staatssekretär, können Sie bestätigen, daß es gerade im Bereich des Grenzübergangs Gudow und zum Teil auch weiter südlich eine Vielzahl von Fällen gibt, wo Fahrzeuge insbesondere aus Ostblockländern wegen abgefahrener Reifen, Achsbrüchen oder anderer schwerster Mängel eine Gefahr für die Sicherheit in der Bundesrepublik Deutschland darstellen, und daß der Bundesgrenzschutz hier eine besondere Aufgabe hat, Gefahrenabwehr an der Grenze zu betreiben?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Ich kann Ihnen bestätigen, daß die Mängel, die Sie zitiert haben, tatsächlich in ganz enormem Maße auch die Angehörigen des Bundesgrenzschutzes fordern.

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1110515000
Wir sind damit am Ende der Fragestunde. Ich danke dem Staatssekretär für die Beantwortung der Fragen * ).
Ich rufe Punkt 8 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Haftung für fehlerhafte Produkte (Produkthaftungsgesetz — ProdHaftG)

— Drucksache 11/2447 —
Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:
Rechtsausschuß (federführend)

Ausschuß für Wirtschaft
Ausschuß für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit
Meine Damen und Herren, nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Beratung 30 Minuten vorgesehen. Gibt es dazu andere Meinungen? —Das ist nicht der Fall. Dann ist das so beschlossen.
Ich gebe dem Herrn Minister das Wort zu der Einführung des Gesetzes.

Hans A. Engelhard (FDP):
Rede ID: ID1110515100
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit diesem Entwurf setzen wir die entsprechende Richtlinie der Europäischen Gemeinschaft in unser Recht um. Im Kern geht es darum, in einer Zeit, in der wir alle Konsumenten einer großen Fülle von Produkten sind, auch in unserem Recht die Verschuldenshaftung zu einer Gefährdungshaftung zu erweitern.

(Dr. Daniels [Regensburg] [GRÜNE]: Viel zu spät!)

Ersatzansprüche der Verbraucher werden damit leichter durchsetzbar sein, ohne daß sich das Haftungsrisiko des Produzenten nennenswert erhöht. Schon bisher hat die Rechtsprechung ja in der Regel dem Hersteller die Beweislast für fehlendes Verschulden auferlegt. Diese Beweislastumkehr wirkt sich in der Praxis schon jetzt wie eine verschuldensunabhängige Haftung aus. Aber Änderungen werden sich deshalb in den Fällen ergeben, in denen dem Hersteller der allerdings schwierige Beweis, ihn treffe kein Verschulden, gelungen wäre.
Neben dem Hersteller soll künftig — dies ist ein sehr wichtiger Punkt — auch der Importeur haften, der Waren von außerhalb der Europäischen Gemeinschaft einführt. Dies dient zunächst dem Schutz des Verbrauchers, dem es oft unüberwindliche Schwierigkeiten bereitet, einen außerhalb der Europäischen Gemeinschaft ansässigen Produzenten in Anspruch zu nehmen. Die Regelung wirkt aber auch wettbewerbsentzerrend. Vor allem bei Importen aus sogenannten Billigländern wird das erhöhte Haftungsrisiko des Importeurs dessen wirtschaftliche Vorteile ganz erheblich reduzieren.
*) Die Fragen 31 und 32 des Abgeordneten Urbaniak wurden vom Fragesteller zurückgezogen. Die nicht erledigten Fragen wurden schriftlich beantwortet und sind als Anlagen abgedruckt.



Bundesminister Engelhard
Im übrigen haben wir von dem Gestaltungsspielraum der Richtlinie Gebrauch gemacht. Auch künftig wird es deshalb im Produkthaftungsrecht keine Haftung für Entwicklungsfehler geben. Sie wirken sich in der Praxis nur im pharmazeutischen Bereich spürbar aus. Aber dort sind sie ja durch das deutsche Arzneimittelrecht bereits in befriedigender Weise geregelt.
Die Haftungshöchstgrenze von 160 Millionen DM wird den Haftenden vor unbeschränkter Haftung schützen und ihm die Versicherung des Haftungsrisikos ermöglichen. Gleichzeitig entspricht die Haftungsbeschränkung deutscher Rechtstradition bei der Gefährdungshaftung. Angesichts der Höhe der Haftungsbegrenzung ist kein Fall praktisch denkbar, in dem dem Geschädigten nicht ausreichender Schadenersatz gewährt werden kann.
Ein Schmerzensgeld ist in dem Gesetzentwurf nicht vorgesehen; denn ein solches wird nach deutschen Rechtsgrundsätzen bei der Gefährdungshaftung nicht gewährt. Aber mit allem Nachdruck, um Mißverständnisse auszuschließen, sage ich hier: Der Geschädigte kann natürlich auch in Zukunft wie schon bisher bei Verschulden ein Schmerzensgeld nach den Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuches geltend machen.
Nicht einbezogen haben wir in diesen Entwurf die Erzeuger landwirtschaftlicher Urprodukte, weil sie vor der ersten Verarbeitung dieser Produkte nur bedingt auf das Produkt Einfluß nehmen können. Hier werden die Verbraucher dadurch ausreichend geschützt, daß diese Produkte im bearbeiteten Zustand der Haftung unterliegen. Auch die Haltung der übrigen Mitgliedstaaten der EG stimmt hiermit überein.
Meine Damen und Herren, insgesamt wird sich der Verbraucherschutz durch das Produkthaftungsgesetz verbessern. Dies wird weder ein schlagartig erhöhtes Risiko der betroffenen Unternehmen noch wesentlich höhere Kosten in Form von Versicherungsprämien, die ja dann ohnehin wieder auf die Verbraucher abgewälzt würden, mit sich bringen. Unser Produkthaftungsgesetz wird vielmehr zu angemessenen Ergebnissen führen, mit denen Verbraucher und Produzenten gut fahren werden.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1110515200
Das Wort hat der Abgeordnete Stiegler.

Ludwig Stiegler (SPD):
Rede ID: ID1110515300
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit diesem Gesetzentwurf ist eine lange Vorarbeitszeit abgeschlossen worden. Ich glaube, wir sollten an dieser Stelle auch einmal wieder an diejenigen denken, die schon seit Jahrzehnten an dem Thema Produkthaftung gearbeitet haben. Ich möchte von unserer Seite vor allem Herrn Professor Taschner nach Brüssel einen herzlichen Dank senden,

(Beifall des Abg. Kleinert [Hannover] [FDP])

aber auch unsere Kolleginnen Herta Däubler-Gmelin
und Dr. Anke Martiny nicht vergessen, die schon in
der sozialliberalen Koalition — der Beifall war völlig
berechtigt, Herr Kleinert — die Vorarbeiten mit vorangetrieben haben.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Der Herr Minister hat deshalb zu Recht einen gewissen Fortschritt für die Verbraucher dargestellt; diesen bejahen wir. Aber wir sehen auch die Lücken, über die wir im Unterausschuß Produkthaftung, im Rechtsausschuß und auch mit den sachverständigen Kreisen noch einmal intensiv reden wollen.
Wir haben zunächst, was die Produkte betrifft, die Ausnahme für die landwirtschaftlichen Produkte. Diese Ausnahme scheint uns nicht gerechtfertigt zu sein, und wir sind uns auch nicht sicher, ob sie für die betroffenen Landwirte nicht ein Danaergeschenk sein wird; denn die Ernährungsindustrie, die die Vorprodukte verarbeitet, wird sich über Anbauverträge entsprechend absichern. Da ist eine gesetzliche Absicherung für die betroffenen Landwirte möglicherweise interessengerechter, weil sie bei den Anbauverträgen in aller Regel auf der schwächeren Seite sitzen. Wir sollten darüber im Ausschuß noch einmal gründlich reden.
Zum Zweiten, was den Fehlerbereich anbetrifft: Der Ausschluß der Entwicklungsrisiken ist von der europäischen Richtlinie her nicht geboten. Wir können den Ausnahmebereich machen, müssen aber nicht. Andere Länder kennen die Haftung für Entwicklungsrisiken.
Gerade aus Ihrem Argument, Herr Minister, daß im Bereich der pharmazeutischen Industrie das Entwicklungsrisiko abgesichert ist — Sie selber sagen, damit habe man die Masse der Fälle geregelt — , ohne daß die pharmazeutische Industrie daran zugrunde gegangen wäre, kann man a maiori ad minus schließen, daß auch die übrige Wirtschaft sehr wohl mit dem Entwicklungsrisiko leben kann. In einer Zeit, in der die industrielle Betätigung immer mehr Akzeptanzschwellen zu überwinden hat, sollten wir gründlich darüber reden, ob es gerade jetzt sinnvoll erscheint, das Entwicklungsrisiko auf den Endverbraucher zu wälzen — darum geht es — , während die Hersteller und die Importeure mit relativ geringen Versicherungssummen — Sie haben ja selber das Problem bagatellisiert — in der Lage wären, dem Endverbraucher den entsprechenden Schutz zu geben. Auch darüber sollten wir miteinander reden.
Die dritte Lücke — Sie haben es angesprochen — betrifft das Schmerzensgeld. Sie haben recht, wenn Sie sagen: Bisher kennt die Gefährdungshaftung kein Schmerzensgeld. Aber wer die Rechtswissenschaft, wer die dogmatische Diskussion verfolgt, der sieht, daß zunehmend ein Bedarf bejaht wird, auch im Bereich der Gefährdungshaftung Schmerzensgeldtatbestände zu schaffen; schon deshalb, um diese Zweispurigkeit etwas einzuengen.
Sie haben selbst darauf hingewiesen, daß im Bereich der verschuldensabhängigen Haftung das Schmerzensgeld gewährt wird. Also wird jeder Verbraucher gezwungen sein, zwei Anspruchsgrundlagen aufzubauen, nämlich den Gefährdungstatbestand und die verschuldensabhängige Haftung, und wird natürlich in dem zweiten Bereich sein Recht suchen.



Stiegler
Das trägt nicht gerade zur Vereinfachung des Rechtsschutzes bei.
Wenn wir sozusagen den Trend zur Entlastung der Gerichte weiterverfolgen sollten, sollten wir wirklich an Hand der Aufarbeitung der wissenschaftlichen Literatur prüfen, ob wir nicht dazu übergehen sollten, hier erstmalig auch einen Schmerzensgeldanspruch zu gewähren.

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1110515400
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Kleinert (Hannover)? — Bitte schön, Herr Kleinert.

Detlef Kleinert (FDP):
Rede ID: ID1110515500
Herr Stiegler, ist es nicht so, daß Schmerzensgeld als Ausgleich für eine erlittene Pein nach unserem Rechtsgefühl, wie es in Jahrhunderten — um nicht zu sagen: in Jahrtausenden — gewachsen ist, davon abhängt, ob diese Pein verschuldet zugefügt worden ist, und ist neumodische Diskussion, auf die Sie Bezug nehmen, nicht darauf zurückzuführen, daß wir einen Trend haben, Geld zu nehmen, Ersatzansprüche zu stellen, woher sie auch immer kommen und wie sie auch immer begründet werden können?

Ludwig Stiegler (SPD):
Rede ID: ID1110515600
Herr Kollege Kleinert, Sie haben von der rechtsdogmatischen Entwicklung her recht. Nur, der Justizminister hat eben selbst deutlich gemacht, daß unser geltendes verschuldensabhängiges Recht faktisch schon über die Beweisregelung zur Gefährdungshaftung geführt hat. Dem Verbraucher den Unterschied begreiflich zu machen, daß er in dem einen Fall auf einem komplizierten dogmatischen Umweg Schmerzensgeld bekommt und im anderen Falle nicht, wird uns nicht gelingen.
Ich glaube, es kommt noch ein Weiteres hinzu. Wir haben es in der Rechtsgeschichte bisher sehr stark mit Einzelproduktentwicklungen zu tun gehabt und haben die individuelle Zurechnung für eine vorwerfbare Handlung mit Schmerzensgeld abgegolten. Aber in der modernen Gesellschaft ist die Entwicklung von Massenprodukten, die sozusagen alle Verbraucher tangiert, der individuellen Verantwortung völlig entglitten und darum mit der Gefährdungshaftung sozusagen aufzufangen. Der gesellschaftliche Tatbestand hat sich also gewandelt. Dem sollte auch unser Recht folgen.
Ich komme noch einmal darauf zurück. Der Minister sagt selber: Wir haben praktisch Gefährdungshaftung im Gewande der schuldrechtlichen Haftung. Warum sind wir nicht konsequent und vollenden das dann auch wirklich rechtsdogmatisch und gehen den Schritt weiter?
Ein weiterer Punkt betrifft den Höchstbetrag. Der Minister hat mit Recht darauf hingewiesen, daß der Höchstbetrag kaum erreicht werden wird. Dann frage ich aber: Warum brauchen wir den Höchstbetrag? Warum erwecken wir den Eindruck, als ob wir hier kürzen wollten?
Diese Bereiche wollen wir im Rechtsausschuß gründlich erörtern. Unsere Fraktion weiß genauso, daß man die Wirtschaft nicht überfordern kann, und wir wollen sie auch nicht überfordern. Wir wissen aber genauso, daß die deutsche Wirtschaft, exportorientiert
wie sie ist, mit dem wesentlich schärferen amerikanischen Produkthaftungsrecht zurechtkommt. Da stellt sich wie bei anderen Dingen die Frage: Wieso geht es in Amerika, ohne daß die Wirtschaft untergeht und ohne daß die Exporterfolge ausbleiben, aber bei uns geht es nicht? Das müssen wir mit den Vertretern der Wirtschaft sehr gründlich erörtern.
Wir müssen auch Rechtsvergleiche anstellen, was andere europäische Staaten machen. Wir wollen keine Sonderbelastungen. Aber ich glaube, es steht den deutschen Produkten gut an, wenn ein gutes Verbraucherschutzrecht hinter ihnen steht. Das wird ein deutlicher Qualitätsausweis sein.
Deshalb sagen wir: Wir wollen das mit den Sachverständigen gründlich in einer Anhörung im Rechtsausschuß erörtern, und wir wollen in der bewährten Dialogfähigkeit, Herr Kleinert, die wir entwickelt haben, diese Probleme angehen.
Ich möchte noch einen dritten Bereich ansprechen, den wir in dieser Debatte möglicherweise nicht werden lösen können, der zumindest weiter bedacht werden muß; das betrifft die Überschneidungen zwischen Produkthaftung und Umwelthaftung.
Unsere Umweltpolitiker haben mit einer gewissen Berechtigung gebeten, daß man den Umweltausschuß mitbeteiligt, damit diese Frage mit erörtert werden kann. Ich glaube zwar nicht, daß wir im Zuge der Umsetzung, bei der wir schon jetzt in Zeitverzug sind, dazu kommen. Die Aufarbeitung dieser Fragen wird uns aber durchaus weiterführen.
Wir legen Wert darauf, daß diese Fragen der Abgrenzung zwischen Produkthaftung und der Folgehaftung im Abfallbereich und im Entsorgungsbereich erörtert werden, und sei es auch nur zu Abgrenzungszwecken. Ich beantrage deshalb, daß der Umweltausschuß und der Agrarausschuß mitberatend eingeschaltet werden. Wir reden ja auch über die landwirtschaftlichen Produkte. Auch hier sollen die Betroffenen Gelegenheit haben, sich zu ihren Belangen und ihren Anliegen äußern zu können.
Meine Damen und Herren, wir haben es hier wieder einmal mit der Umsetzung einer europäischen Richtlinie zu tun, die wir nicht mehr entscheidend gestalten können. Aber im Gegensatz zu anderen Fällen haben wir hier die Möglichkeit, es besser zu machen, als es die Bundesregierung gemacht hat. Die europäische Richtlinie gibt uns kein Zwangskorsett; die Bundesregierung hat praktisch den Mindeststandard ohne jede Ausstattung als Produkthaftungsgesetz vorgelegt. Alle Optionen zugunsten der Verbraucher sind nicht wahrgenommen worden.
Wir wollen mit Ihnen gründlich darüber reden, ob man das Gesetz nicht anreichern kann, und zwar im Interesse der Verbraucher, aber auch im wohlverstandenen Interesse der Wirtschaft, die auch damit Reklame machen kann, daß ihre Produkte eine entsprechende Absicherung im Haftungsbereich hinter sich haben.
Ich sage noch einmal zum Thema Entwicklungsrisiko: Wir haben die Akzeptanzdiskussion in der Bevölkerung, und wir müssen uns mit der Frage auseinandersetzen, ob es wirklich akzeptabel ist, daß die



Stiegler
Entwicklungsrisiken auf die Verbraucher überwälzt werden. Wenn wir eine Regelung finden, ohne daß die Wirtschaft überfordert wird — dazu gibt es ja Vorschläge — , dann sollten wir dieses wegnehmen, um damit ein Stück mehr Akzeptanz in Richtung Industriegesellschaft zu erhalten und, wenn es sein muß, neu zu entwickeln.
Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1110515700
Ich würde Sie nicht gern entlassen, Herr Kollege Stiegler, ohne daß Sie mir erklärt haben, was „a priori ad minus" heißt.

(Stiegler [SPD]: A maiori ad minus! Vom Größeren zum Kleineren!)

— Danke schön. Hier lernt man immer dazu; gerade dann, wenn man in Latein eine Fünf gehabt hat.
Herr Hörster ist der nächste.

Joachim Hörster (CDU):
Rede ID: ID1110515800
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Schon im Vorfeld der Beratungen zu dem Entwurf des Produkthaftungsgesetzes ist es zu sehr unterschiedlichen Auffassungen gekommen. Die einen haben die Auffassung vertreten — insbesondere das Handwerk und die Landwirtschaft — , daß dieses Produkthaftungsgesetz nicht eingrenzbare Haftungsrisiken verursache; die anderen, die Verbraucherverbände, haben angemerkt, daß der Gesetzentwurf die nach der EG-Richtlinie möglichen Optionen nicht in vollem Umfang ausschöpfe.

(Dr. Daniels [Regensburg] [GRÜNE]: Sehr richtig!)

Beide Positionen übersehen aber, daß wir heute schon durch richterliche Rechtsfortbildung, also durch die Rechtsprechung zur Produzentenhaftung, einen sehr weit reichenden Verbraucherschutz erreicht haben. Der Bundesgerichtshof hat durch seine letzten Entscheidungen, zum Beispiel im Honda-Fall und im Limonadenflaschen-Fall, nicht nur die Sorgfaltspflichten der Produzenten gegenüber dem Verbraucher erheblich ausgeweitet, sondern sogar die Vermutung zugelassen, daß der Schaden durch ein fehlerhaftes Produkt verursacht sei. Im Ergebnis führt dies praktisch dazu, daß für die Inanspruchnahme des Produzenten dem Grund nach kaum noch ein Unterschied zwischen der Verschuldenshaftung und der Gefährdungshaftung festzustellen ist.
Darüber hinaus kennt die deutsche Rechtsprechung anders als der Entwurf des Produkthaftungsgesetzes keine Haftungsobergrenze von 160 Millionen DM, auch keinen Selbstbehalt des Verbrauchers in Höhe von 1 125 DM. Des weiteren billigt die deutsche Rechtsprechung dem Verbraucher ein Schmerzensgeld zu.
Damit die Erwartungen nicht in die falsche Richtung gehen, sage ich ganz nachdrücklich: Es ist im Interesse des Verbrauchers gut, daß das in Deutschland praktizierte Recht der Produzentenhaftung durch das neue Produkthaftungsgesetz nicht abgelöst, sondern nur ergänzt wird.
Um das an einem aktuell diskutierten praktischen Beispiel deutlich zu machen: Wer Hormonkälber oder
sonstige landwirtschaftliche Produkte, die beim Verbraucher Gesundheitsschäden hervorrufen können, in den Verkehr bringt, haftet schon nach heutigem Recht für den verursachten Schaden, und zwar unbegrenzt.
In Deutschland wird das Produkthaftungsgesetz nach meiner Einschätzung in einem wesentlichen Punkt eine entscheidende Verbesserung des Verbraucherschutzes bringen: Dem geschädigten Verbraucher gegenüber haftet künftig nicht nur derjenige, der das fehlerhafte Produkt hergestellt hat, sondern auch derjenige, der das Produkt als Importeur oder Händler aus Drittländern in den Bereich der Gemeinschaft eingeführt hat. Das ist besonders deswegen wichtig, weil die Verbraucher künftig, wenn sie einen Schaden geltend machen, nicht mehr darauf verwiesen werden, eventuell in den USA oder in Fernost zu klagen. Sie können sich an jemanden halten, der sich im Geltungsbereich der Europäischen Gemeinschaft befindet, nämlich an den Importeur oder den Händler. Ich meine, das ist ein Fortschritt auch unter dem Gesichtspunkt der Wettbewerbsverzerrung. Denn es haftet nicht mehr nur der inländische Produzent, sondern auch der Importeur wird mit einem Haftungsrisiko belastet.
Aber gerade unter diesem Gesichtspunkt melde ich Zweifel an, ob der Haftungsausschluß für die landwirtschaftlichen Naturprodukte und jagdliche Erzeugnisse so, wie er im Gesetzentwurf vorgesehen ist, richtig durchdacht ist. Dieser Haftungsausschluß könnte nämlich die Wirkung haben, daß Importeure von landwirtschaftlichen Naturprodukten oder jagdlichen Erzeugnissen aus Drittländern gegenüber den deutschen Landwirten begünstigt werden. Während nämlich der deutsche Landwirt seine Erzeugnisse nach den im internationalen Vergleich durchaus strengen deutschen Vorschriften gewinnen muß und infolgedessen das praktische Risiko einer Haftung ausgesprochen gering ist, werden die unter weniger strengen Vorschriften in Drittländern erzeugten landwirtschaftlichen Naturprodukte von einer Haftung freigezeichnet, weil man den Importeur nicht belangen kann, wenn es bei diesem Haftungsausschluß bleibt.
Ich meine, das kann weder im Interesse des Verbrauchers noch im Interesse der deutschen Landwirtschaft sein. Ich finde, daß diese Position überdacht werden muß, und bin deshalb dem Kollegen Stiegler für den Vorschlag sehr dankbar, den Agrarausschuß und auch den Umweltausschuß in die Beratungen einzubeziehen, damit wir mit den Kollegen, insbesondere aus dem Bereich der Landwirtschaft, diesen Sachverhalt gründlich erörtern können.
Ansonsten erscheint der Gesetzentwurf auch im Rahmen dessen, was der Wortlaut der EG-Richtlinie zuläßt, ausgewogen. Ich bin sicher, daß nach Abschluß der Beratung ein Gesetz verabschiedet wird, das den Schutz der Verbraucher ausdehnt und — darauf lege ich Wert — eine gute Ergänzung des bisherigen deutschen Rechts der Produzentenhaftung ist.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1110515900
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Daniels (Regensburg).




Dr. Wolfgang Daniels (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1110516000
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn wir hier über die Produzentenhaftung und nicht etwa über Produkthaftung — denn Produkte können nicht haften — diskutieren, so stellt sich zunächst einmal die Frage, wie dieses Instrument in ein Verbraucher/innen-Schutzkonzept eingebettet ist. Nach unseren Vorstellungen heißt Verbraucherschutz, daß einzelne Verbraucher und Verbraucherinnen durch ein Bündel von Maßnahmen vor Schäden bewahrt werden sollen, die aus der Unübersichtlichkeit des Marktes, aus Täuschungsmethoden von Anbietern und aus Nebenwirkungen des Konsums resultieren. Mit anderen Worten: Verbraucher sollen vor den negativen Auswirkungen marktwirtschaftlicher Machtstrukturen geschützt werden.
Legt man diese Maßstäbe an diese Gesetzesinitiative an, läßt sich feststellen, daß es nicht um eine Stärkung der Verbraucherinteressen ging, sondern daß es der Bundesregierung in erster Linie um die Frage geht, wie die unternehmerischen Pfründe weiter gesichert werden können.

(Beckmann [FDP]: Das stimmt doch gar nicht!)

Halten wir uns die Fälle der Holzschutzmittelgeschädigten vor Augen, die in der Vergangenheit eines der prägnantesten Beispiele der Produzentenhaftung bildeten, und fragen wir, ob die Geschädigten wenigstens nach dem vorliegenden Gesetzentwurf ihre Schadenersatzansprüche durchsetzen könnten. Um die Antwort vorwegzunehmen: Sie werden ihre Schäden auch nach diesem Gesetz nicht geltend machen können. Die Verbraucher müssen auch weiterhin den vollen Kausalitätsnachweis erbringen, daß ihre Gesundheitsschäden durch Holzschutzmittel verursacht wurden. Und gerade dieser Kausalitätsnachweis konnte in der Vergangenheit von den Geschädigten oftmals nicht geführt werden, weil z. B. Dioxine oder Dibenzofurane auch in anderen chemischen Produkten enthalten sind.
Zwar legt die EG-Richtlinie eindeutig die Beweisverteilung zu Lasten der Produktgeschädigten fest, jedoch trifft die Richtlinie keine Regelung hinsichtlich des Beweismaßes. Hier hätte die Bundesregierung die Möglichkeit gehabt, durch generelle Beweismaßreduzierungen erhebliche Beweiserleichterungen für die Produktgeschädigten festzuschreiben.
Selbst wenn der Kausalitätsnachweis geführt werden kann, können sich die Hersteller dieser Produkte darauf berufen, daß die Schäden auf Entwicklungsfehlern beruhen, wenn der Hersteller beweist, daß zum Zeitpunkt der Schädigung keine Anhaltspunkte vorgelegen haben, die auf die Gefährlichkeit der Produkte hingewiesen hätten, haftet er nicht. Da die Wirtschaft das Informationsmonopol über ihre Produktentwicklungen hat, wird es ihr ein Leichtes sein, diesen Nachweis zu führen. Die Geschädigten müssen dann ihrerseits wieder Sachverständige suchen, die vielleicht am anderen Ende der Welt Forschungsergebnisse veröffentlicht haben, die bereits beim Inverkehrbringen der Produkte auf die Gefährlichkeit hingewiesen haben.
Die Bundesregierung hat es auch versäumt, was nach der EG-Richtlinie sogar möglich gewesen wäre,
Entwicklungsrisiken in die Haftung einzubeziehen. Man muß sich vor Augen führen, was diese Haftungsfreizeichnung für Entwicklungsfehler eigentlich bedeutet: Industrielle Hersteller können wahllos ihre Produkte auf den Markt bringen und weiterhin an der Bevölkerung austesten, ohne daß sie für die Gefährlichkeit ihrer Produkte in Regreß genommen werden könnten.
Ein weiterer Hauptkritikpunkt an dem Regierungsentwurf ist die Festschreibung einer Haftungshöchstgrenze, wie eben schon vom Kollegen Stiegler erwähnt. Wie schnell diese Haftungshöchstgrenze überschritten werden kann, zeigen die in der Vergangenheit bekanntgewordenen Zuckertee-Fälle. Hier erlitten Kinder durch gezuckerten Tee schwere Zahnschädigungen. Nach Schätzungen gibt es derzeit allein in der Bundesrepublik und in West-Berlin ca. 100 000 erkrankte Kinder. Gutachten der Vergangenheit haben ergeben, daß die bloßen zahnärztlichen Behandlungskosten pro Kind zwischen 10 000 und 30 000 DM liegen. Rechnet man das hoch, ergibt sich im günstigsten Fall eine Summe von 1 Milliarde DM.
Will man einen umfassenden Verbraucher/innenschutz, muß gewährleistet sein, daß die Geschädigten auch vollen Schadenersatz erhalten und nicht mit einer Quote abgespeist werden.

(Beckmann [FDP]: Haben Sie die Seite nicht schon mal vorgelesen?)

Auch hier bestand für die Bundesregierung die Option, auf eine Haftungshöchstgrenze zu verzichten.
Diese Zuckertee-Fälle haben auch gezeigt, wie wichtig es ist, bei Produktschäden Schmerzensgeldansprüche zu gewähren. Bei diesen Zuckertee-Fällen bilden die reinen Zahnerkrankungen nur ein Schadensbild. Neben den Zahnerkrankungen litten die geschädigten Kinder jahrelang unter unsagbaren Dauerschmerzen und trugen schwere psychische Schäden davon. Auch hier hätte für die Bundesregierung die Möglichkeit bestanden, über die EG-Richtlinien hinaus Schmerzensgeld bei den Produktschädigungen zu gewährleisten.
Die Festschreibung der Haftungshöchstgrenzen, der Ausschluß der Haftung bei Entwicklungsgefahren und von Schmerzensgeld und fehlende Beweiserleichterungen sind nach unserer Auffassung die Hauptkritikpunkte an diesem Gesetzentwurf und ein Beleg dafür, daß sich die Bundesregierung zum Sachwalter wirtschaftlicher Interessen macht. Neben diesen erwähnten Punkten gibt es eine Fülle weiterer Kritikpunkte, die dann noch im Ausschuß behandelt werden. Ich kündige auch an, daß die GRÜNEN zu diesem Thema noch einmal einen eigenen Antrag einbringen werden.
Danke schön.

(Beifall bei den GRÜNEN)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1110516100
Das Wort hat der Abgeordnete Irmer.

Ulrich Irmer (FDP):
Rede ID: ID1110516200
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich treffe mit dieser Gesetzesvorlage ein altes liebgewordenes Baby wieder, ich war nämlich mit der Sache vor neun Jahren schon im Europäischen Parla-



Irmer
ment befaßt. Wir haben damals genau für die beiden Punkte gekämpft, die hier jetzt von der Opposition kritisiert werden. Wir haben uns nämlich dafür eingesetzt, daß Entwicklungsrisiken ausgeschlossen werden und daß kein Schmerzensgeld gezahlt wird. Was damals richtig war, ist heute nicht minder richtig. Ich will das kurz begründen.
Man kann es natürlich so machen wie die GRÜNEN, daß man eine wesentliche Verbesserung des Verbraucherschutzes, die wir hier haben, nur noch bejammert. Sie jammern ja selbst dann, wenn man Ihnen die tollsten Sachen bietet.

(Beifall des Abg. Kleinert [Hannover] [FDP] — Frau Garbe [GRÜNE]: Gibt es keine Dioxingeschädigten?)

Dann sagen Sie, das sei alles fürchterlich. Mir sind ja fast die Tränen gekommen bei Ihren Ausführungen. Sie wollen den Bürger von der Wiege bis zur Bahre in Watte packen und ihm Ansprüche geben, die er nicht beweisen muß.

(Frau Garbe [GRÜNE]: Ein FDP-Trauma!)

Sie wollen von vornherein sagen können: Da soll erst einmal der Hersteller beweisen, daß er es nicht war. Sie kehren damit nicht nur unser ganzes Rechtssystem um, wenn Sie es so machen, sondern Sie leisten auch dem Verbraucher einen Bärendienst. Denn wenn Sie Entwicklungsrisiken einbeziehen, d. h. einen Hersteller für einen Schaden haften lassen, der bei Herstellung des Produkts überhaupt noch nicht absehbar war, den nicht nur dieser Hersteller nicht kennen konnte, sondern den kein Mensch auf der Welt, kein Wissenschaftler erkennen konnte, dann führen Sie hier einen Haftungstatbestand ein, der wirklich abenteuerlich ist.

(Beifall bei der FDP)

Das muß doch auch in den Preis eingehen. Es muß für die Hersteller kalkulierbar bleiben. Wenn wir solche Haftungstatbestände einführen, geht das in den Preis ein. Das schadet dann erst den Verbrauchern, weil die Verbraucher sich ein solches Produkt dann nicht mehr leisten können.
Das Hauptargument gegen die Entwicklungsrisiken im Haftungsrecht: Dies wäre innovationsfeindlich. Sie würden dadurch verhindern, daß sich überhaupt noch jemand hinsetzt und forscht und entwikkelt und sagt, wir bemühen uns darum, daß neue Produkte eingeführt werden. Das ist also Unsinn.
Jetzt zum Schmerzensgeld. Herr Kollege Stiegler, ich bin da mit Ihnen nicht einverstanden. Schauen Sie doch in die USA. Wenn wir das Schmerzensgeld hier einführen, haben wir das Risiko vor uns, daß dies in der Rechtsprechung ähnlich ausufert, wie es in den USA der Fall ist. Dort haben wir doch Riesenprobleme. Man macht sich in den USA jetzt Gedanken darüber, wie man die exzessive, die ausufernde Rechtsprechung zu diesen Produkthaftungsschäden reduzieren kann, damit das Risiko für die Hersteller kalkulierbar bleibt.
Es ist ein guter Gedanke, die beiden Ausschüsse, die Sie erwähnt haben, zu den Beratungen hinzuziehen. Weiterhin ist es ein guter Gedanke, noch einmal darüber nachzudenken, wie es mit den landwirtschaftlichen Naturprodukten ist. Ich glaube nämlich, daß man hier möglicherweise nicht genug bedacht hat, daß man den Landwirten in Deutschland gar nicht hilft, daß man aber praktisch den Importeuren einen Freibrief erteilt und damit genau das Gegenteil von dem erreicht, was man wollte. Darüber werden wir uns im Ausschuß sicher noch unterhalten müssen.
Meine Damen und Herren, um die Zeit nicht zu überziehen, möchte ich eine abschließende Bemerkung machen. Mir tut eines leid, Herr Justizminister, nämlich, daß man nicht den Versuch gemacht hat, diese Neuregelungen in das BGB hineinzupacken. Ich finde es sehr bedauerlich, auch für die Übersichtlichkeit unserer Rechtsordnung, daß man immer neue Spezialgesetze schafft. Das ist selbst für Anwälte schwierig, aber der Durchschnittsbürger weiß dann gar nicht mehr, wo er nachschauen soll. Ich plädiere hier ganz generell und nachhaltig dafür, derartige Verbesserungen am Gesetz in Zukunft ins BGB hineinzunehmen.
Im übrigen freuen wir uns darüber, daß der Gesetzentwurf jetzt vorliegt. Wir halten ihn, abgesehen von diesen kleinen Punkten, für außerordentlich gelungen. Der Verbraucher wird wesentlich bessergestellt. Die Wirtschaft wird nicht mit unkalkulierbaren zusätzlichen Risiken befrachtet.
Herzlichen Dank.

(Beifall bei FDP und der CDU/CSU)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1110516300
Meine Damen und Herren, ich schließe die Aussprache. Interfraktionell wird vorgeschlagen, den Gesetzentwurf der Bundesregierung an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse zu überweisen. Außerdem soll der Gesetzentwurf zur Mitberatung an den Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit überwiesen werden. Gibt es dazu anderweitige Vorschläge?

(Stiegler [SPD]: Und Landwirtschaft! — Frau Garbe [GRÜNE]: Und Landwirtschaft!)

— Gibt es da Einigkeit unter allen: auch Landwirtschaft? Der steht nicht in der Tagesordnung. — Einverständnis von allen Seiten. Es wird also auch die Überweisung zur Mitberatung an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten vorgeschlagen. Es gibt keine anderen, darüber hinausgehenden Vorschläge mehr? — Dann sind die Überweisungen so beschlossen.
Ich rufe nun den Zusatzpunkt 1 der Tagesordnung auf :
Aktuelle Stunde
Die Förderung der Fusion von Daimler-Benz
mit MBB durch die Bundesregierung
Die Fraktion der SPD hat gemäß unserer Geschäftsordnung eine aktuelle Stunde zu diesem Thema verlangt. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Roth.

Wolfgang Roth (SPD):
Rede ID: ID1110516400
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Heute ist ein schwarzer Tag für die Wirtschaftsordnung der Bundesrepublik Deutschland.

(Oh-Rufe von der CDU/CSU — Seiters [CDU/CSU]: Besser schwarz als rot!)




Roth
Mit staatlicher Hilfe wird die größte Unternehmensfusion in der Bundesrepublik seit dem Zweiten Weltkrieg zwischen Daimler-Benz und MBB beschlossen.
Wir haben diese Aktuelle Stunde beantragt, um vor der deutschen Öffentlichkeit festzuhalten, was diese Entscheidung für uns bedeuten wird. Hauptinitiator dieser Mammutfusion ist die Bundesregierung und, so unglaublich es auch klingen mag, der für die Wahrung des Wettbewerbs zuständige Bundeswirtschaftsminister. Ohne gigantische Finanzhilfen gäbe es diese Fusion nicht. Ohne die Sondergenehmigung des Bundeswirtschaftsministers wäre diese Fusion unmöglich. Das ist ein Verstoß gegen den Sinn und den Geist des Kartellgesetzes,

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

des Kartellgesetzes, das man oft als Grundgesetz der Wirtschaftsordnung der Bundesrepublik Deutschland bezeichnet hat.
Mit den heutigen Entscheidungen geht ein Stück Nachkriegsgeschichte zu Ende. Zum erstenmal wird in der Bundesrepublik Deutschland ein marktbeherrschender Rüstungskonzern geschaffen, der einen bestimmenden Einfluß auf die Politik haben wird. Dieser Konzern kontrolliert letztlich alle bedeutenden Rüstungsprojekte in den 90er Jahren und darüber hinaus alle Projekte der Raumfahrt und der zivilen Luftfahrt. Dabei sind das Projekte, die jeweils nur dadurch stattfinden, daß öffentliche Finanzhilfe in Milliardenhöhe gezahlt wird.

(Beckmann [FDP]: So ähnlich wie bei der Neuen Heimat!)

Es kommt damit zu einer völligen Verschmelzung der Interessen eines Unternehmens und der Interessen des Staates. Es ist eine pure Illusion, zu glauben, daß die Subventionszusage, die heute für Airbus im Raum steht, das letzte Wort sein wird. Wenn beispielsweise der Dollarkurs weiter sinken sollte, wird Daimler Nachforderungen stellen und mit dem Ausstieg drohen. Der Staat selbst hat sich erpreßbar gemacht.
Es kommt ein Weiteres hinzu. Mit dieser Entscheidung geben Sie den Startschuß für einen Handelskonflikt mit den USA. Es ist sicher, daß die Protektionisten in den USA diese Entscheidung für ihre ureigensten Zwecke mißbrauchen werden.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN)

Der Bundeswirtschaftsminister hat bereits angekündigt, daß er eine Sondererlaubnis für diese Fusion geben wird. Diese Mißachtung der Bundesregierung gegenüber dem gesetzlichen Auftrag der Monopolkommission und des Kartellamts ist bisher ohne Beispiel. Sie ist gegen die Idee des Wettbewerbs. Was sagt eigentlich der Nachfolger von Herrn Bangemann, Herr Haussmann, der sich immer als Mittelstandspolitiker bezeichnen läßt, zu dieser Entscheidung seines Vorgängers?

(Kittelmann [CDU/CSU]: Sagen Sie endlich die Alternative!)

Meine Damen und Herren, ich zitiere aus dem „Handelsblatt" vom 2. November 1988:
Was sollen wir eigentlich mittelständischen und anderen exportierenden Unternehmen erzählen, wenn in dieser Form der Staat für das Wechselkursrisiko eines Unternehmens eintritt? Daß sich dies nicht mit unserem Verständnis von Wirtschaftspolitik, von Ordnungspolitik, von Subventionspolitik vereinbaren läßt, das weiß ja jeder.
Graf Lambsdorff, dieses Zitat stammt von Ihnen, von vor einer Woche. Es demonstriert nicht nur, wie Ihre Glaubwürdigkeit in nur wenigen Tagen zerstört wurde. Das ist sicherlich schlimm für Sie. Aber das ist Ihr Problem, nicht unseres. Ihr Gesinnungswandel demonstriert schon heute, wie erpreßbar die Bundesregierung und das Parlament durch die Fehlentscheidung von Bangemann geworden ist.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1110516500
Das Wort hat der Abgeordnete Wissmann.

Matthias Wissmann (CDU):
Rede ID: ID1110516600
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist ganz klar, daß die Entscheidung für eine Fusion dieser Größenordnung keinem Wirtschaftspolitiker leichtfallen kann. Wer als Marktwirtschaftler trotz verständlicher Bedenken diese Konzeption unterstützt, kann das nur nach einer sehr sorgfältigen und schwierigen ordnungspolitischen Güterabwägung tun:

(Zuruf von der SPD: Und nach Verbiegung des Rückgrats!)

auf der einen Seite die unzweifelhafte Problematik einer Konzentration dieser Größenordnung, die Fortführung von staatlichen Subventionen; auf der anderen Seite die Chance, durch eine industrielle Führung und professionelles Management Rationalisierungserfolge zu erzielen und damit die mittel- und langfristigen Subventionsrisiken des Staates zu begrenzen, auf der anderen Seite auch die verbindlich erklärte Absicht des Bundes, Ende der 90er Jahre die staatliche Beteiligung an der Airbus-Gesellschaft zu beenden, damit ein Mehr an Privatwirtschaft und ein schrittweiser Abbau staatlicher Interventionen erfolgen kann.

(Zuruf von der SPD: Wer garantiert Ihnen das denn?)

Meine Damen und Herren, diese Güterabwägung kann man sich nicht so leichtmachen, wie es eben der Fall gewesen ist, zumal doch niemand bestreiten kann, daß im Jahre 1982 die SPD-geführte Bundesregierung unter Helmut Schmidt, wie es in Zeitungsberichten aus dieser Zeit jederzeit nachgelesen werden kann, selbst — ich zitiere wörtlich — einer verstärkten industriellen Führung im Airbus-Programm vergeblich nachgegangen ist.

(Kittelmann [CDU/CSU]: Wer war das?)

Damals fiel als Name des Wunschpartners Siemens. Herr Kollege Roth, ich habe damals weder Sie noch Herrn Vogel noch irgend jemanden sonst gehört, der ähnliche Bedenken, wie sie hier heute vorgetragen werden, erhoben hätte.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Widerspruch bei der SPD)




Wissmann
Herr Kollege Roth, wenn von Subventionen die Rede ist, sage ich Ihnen: Natürlich fällt uns jede dieser Entscheidungen sehr, sehr schwer. In unserer Fraktion gab es ernsthafte Diskussionen über dieses Thema. Warum sollte ich das bestreiten? Aber wir reden von einem bisher erfolgten Bewilligungsvolumen von Subventionen von 10,7 Milliarden DM. Von diesen insgesamt 10,7 Milliarden DM zeichnet die derzeitige Bundesregierung für 5,6 Milliarden DM verantwortlich. Die SPD-geführten Bundesregierungen Brandt und Schmidt zeichnen für 5,1 Milliarden DM verantwortlich. Meine Damen und Herren, tun wir hier doch nicht so, als sei sozusagen jetzt erst eine Auseinandersetzung zwischen unseren Parteien über Subventionen entstanden! Bekennen Sie sich zu Ihrer Verantwortung, und erwecken Sie jetzt nicht den falschen Eindruck, als hätte die SPD plötzlich die Marktwirtschaft für sich entdeckt!

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Müller [Pleisweiler] [SPD]: Herr Wissmann, in der Opposition haben Sie damals geschlafen!)

Meine Damen und Herren, wenn — auch aus Ihren Reihen — von einer europäischen Lösung gesprochen wird, möchte ich auf folgendes hinweisen. Eine europäische Lösung würde dieselben kritischen Konzentrationsfragen aufwerfen. Man kann nicht in Deutschland gegen Fusionen sein und dann nach einer großen Luft- und Raumfahrtlösung in Europa rufen. Entweder das eine und auch das andere verneinen oder aber eine konsequente Antwort geben!

(Zurufe von der SPD: Völlig falsch! — Das ist doch etwas ganz anderes! — Wer ruft denn danach?)

Ein letzter Punkt: Es ist natürlich nicht zu bestreiten, daß eine Zusammenarbeit dieser Größenordnung auch für die Beschaffungsseite, also für die Bundeswehr, Probleme aufweist und die Gefahr in sich birgt, daß Gewichte geschaffen werden, die Schwierigkeiten auslösen. Deswegen muß es, so finde ich, eine gemeinsame Absicht aller politischen Kräfte sein, gerade jetzt dafür zu sorgen, daß weitere Schritte unternommen werden, um den internationalen Wettbewerb auf den Beschaffungsmärkten zu verstärken oder, anders ausgedrückt, die nationalen Beschaffungsmärkte für Verteidigungsmaterial zu öffnen, damit mehr internationaler Wettbewerb stattfindet und keine einseitigen nationalen Abhängigkeiten entstehen können.
Meine Damen und Herren, wenn wir angesichts der Bedeutung des neu gebildeten Unternehmens für die Beschaffungsaufträge der Bundeswehr eine Konsequenz ziehen müssen, dann die, eher noch mehr dafür zu sorgen, daß der Wettbewerb auf internationaler Ebene gestärkt wird, damit durch Wettbewerb Kostenkontrolle möglich wird und keine einseitigen Abhängigkeiten entstehen können.
Meine Damen und Herren, machen Sie es sich nicht so einfach. Bekennen Sie sich zu Ihrer Verantwortung, und reden Sie differenzierter! Es ist ja nicht verwunderlich, daß der SPD-Senat in Bremen vor wenigen Tagen das Konzept unterstützt hat, während Herr
Roth hier im Bundestag marktwirtschaftliche Reden hält.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Zuruf von der SPD: Sprüche, nichts als Sprüche!)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1110516700
Das Wort hat die Abgeordnete Frau Vennegerts.

Christa Vennegerts (DIE GRÜNEN/BÜNDNIS 90):
Rede ID: ID1110516800
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Wissmann, auch wenn Sie sich noch so viel Mühe gegeben haben: Sie haben weder als Marktwirtschaftler noch als politischer Mensch überzeugt, der in Zeiten lebt, in denen er eigentlich merken müßte, daß hier Abrüstung und nicht Aufrüstung betrieben wird.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Sie haben nur für die Aufrüstung gesprochen.
43 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs entsteht mit aktiver Unterstützung der Bundesregierung Europas größter Rüstungskonzern. — Herr Riedl, Sie brauchen gar nicht den Kopf zu schütteln, das stimmt. — Wenn bereits in der jetzigen Situation der Wirtschaftsriese Daimler-Benz die Bundesregierung erpressen kann, welche Milliardenbeträge die Steuerzahler für die Risiken der Airbus-Entwicklung und -Vermarktung zu berappen haben, dann frage ich mich, um wieviel größer wird die Erpreßbarkeit von Regierungen nach der Fusion der Giganten Daimler und MBB sein? Angesichts der leidvollen geschichtlichen Erfahrungen mit dem verhängisvollen Einfluß der Rüstungsindustrie auf die Politik stellt die Entscheidung der Bundesregierung eine erhebliche Gefahr für Friedens- und Abrüstungspolitik dar. Sollte Europas größter Rüstungskonzern geschaffen sein, hat er bei Rüstungsaufträgen der Bundesregierung eine Monopolstellung. Mehr als 60 % aller Beschaffungsaufträge würden dann an die Daimler-Familie gehen. Ich bin gespannt, was Kollege Friedmann hier heute dazu sagen wird. Er ist ja wohl in der Zwischenzeit, wie man hört, vom Saulus zum Paulus bekehrt worden.
Kurz vor dem Kabinettsbeschluß vergoß der FDP-Vorsitzende Graf Lambsdorff noch einige marktwirtschaftliche Krokodilstränen, bevor er einmal wieder umfiel. Das sind wir ja gewohnt.
Ich finde es ungeheuerlich, daß trotz der schon gravierenden Bedenken der Monopolkommission und des Kartellamts gegen diesen gigantischen Konzentrationsprozeß die Bundesregierung an ihren Plänen festhält. Auch wegen der absehbaren verheerenden Auswirkungen auf kleine und mittlere Unternehmen lehnen wir diese Fusion ab.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Ökonomische Dominanz bedeutet immer auch politische Macht. Kommunal- und Länderparlamente werden neben der Bundesregierung von diesem Konzern erpreßbar.



Frau Vennegerts
Ich kann nur feststellen, daß die Bundesregierung mit dieser Entscheidung ganz eindeutig eine verhängnisvolle Industriepolitik betreibt.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Die Regierungskoalition — vor allen Dingen die FDP, die sonst vehement die reine Lehre der Marktwirtschaft beschwört und von Deregulierung und Privatisierung spricht — , macht in Wahrheit das Gegenteil. Als es in Rheinhausen um Tausende von Arbeitsplätzen ging, waren Subventionen vom Übel, während hier Milliardenbeträge ohne Not in den Rachen eines florierenden Großkonzerns geworfen werden.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Die Marktwirtschaft — ja, da gucke ich Sie gerne an — wird mit dieser Dauersubvention ad absurdum geführt.
Die MBB/Daimler-Fusion wird von der Bundesregierung als ein Stück Privatisierung verkauft. Tatsache jedoch ist: Privatisiert werden nur die Entscheidungskompetenzen und Einflußmöglichkeiten zugunsten von Daimler-Benz und zu Lasten der öffentlichen Anteilseigner. Privatisiert werden auch die Gewinne, während die riesigen Verlustbereiche aus Steuermitteln bezahlt werden sollen. Aus Steuermitteln wurden bisher ja schon ca. 11 Milliarden DM zugesagt bzw. schon ausgegeben.
Die Bundesregierung behauptet immer, es hätte keine Alternativen gegeben. Weit gefehlt, behaupten wir. Dafür, daß dieser enorme Zeitdruck entstanden ist, tragen die FDP-Politiker Bangemann und Riedl die Verantwortung.

(Frau Roitzsch [Quickborn] [CDU/CSU]: Er ist CSU! — Weitere Zurufe von der CDU/ CSU)

— CSU, aber er gehört ideologisch zu euch. Ihr wollt ihn gar nicht haben, ich merke es schon.

(Hinsken [CDU/CSU]: Ich lasse nicht zu, daß dieser Kollege die Partei wechselt! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU und der FDP)

— Ja, ja, ich merke das schon.
Es stellt sich die Frage, wie dieser Moloch je von zukünftigen Regierungen an die Kette gelegt werden kann. Die Folgen dieser Fusion laufen allen Initiativen entgegen, die eine demokratische Kontrolle wirtschaftlicher Macht und den notwendigen ökologischen Umbau der Industriegesellschaft fordern. Ich denke, Sie werden Ihre Entscheidung eines Tages noch bereuen müssen.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1110516900
Das Wort hat der Abgeordnete Graf Lambsdorff.

Dr. Graf Otto Lambsdorff (FDP):
Rede ID: ID1110517000
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Das Projekt „Airbus" wurde in der Großen Koalition geboren, und
es wurde in jeder anschließenden Legislaturperiode Schritt um Schritt erweitert und vergrößert.

(Müller [Pleisweiler] [SPD]: Wer war 1972 Wirtschaftsminister?)

Das Stichwort hieß jedesmal: Es muß eine Familie von Flugzeugen geben, um den Amerikanern auf dem Weltmarkt entgegentreten zu können.

(Roth [SPD]: Sie waren in der inneren Emigration?!)

Niemals ist der Airbus bisher ohne Subventionen produziert worden. Deshalb wundert es uns, daß die sozialdemokratische Opposition die Subventionsveranstaltung Airbus derart pauschal verurteilt hat, wie wir das auch jetzt gehört haben.
Die Finanzierung über die sogenannten Serienbürgschaften, die sozialliberale Regierungen ebenso wie christlich-liberale Regierungen vorgenommen haben, sind mehr und mehr fragwürdig geworden. Es war zu erkennen, daß diese Bürgschaften in Wahrheit Barzuschüsse waren.

(Müller [Pleisweiler] [SPD]: Sie haben das ständig ausgeweitet!)

Warum haben wir, warum haben auch die Freien Demokraten diese Subventionsveranstaltung über die Jahre mitgetragen? Die Begründung gilt bei Ihnen doch so wie bei uns auch heute noch: Wir sind der Überzeugung, daß Europa eine zivile Luftfahrtindustrie braucht, daß die damit verbundenen Arbeitsplätze und die damit verbundene Technologie wichtig sind und daß die darin zum Ausdruck kommende industrielle Kooperation zwischen europäischen Ländern von Bedeutung ist.

(Müller [Pleisweiler] [SPD]: Koste es, was es wolle!)

Wenn Sozialdemokraten heute die Art der Finanzierung des Vorhabens kritisieren, so kommen Sie bitte hier herauf, meine Damen und Herren, und sagen Sie: Wir wollen den Airbus nicht mehr, stellt diese Produktion ein!

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Roth [SPD]: Das sagen Sie mal Ihren Gesinnungsfreunden! — Zurufe von der CDU/ CSU)

Das wäre die ehrliche Position. Wenn Sie sich dazu nicht entschließen, dann sagen Sie uns, warum Sie früher nicht anders verfahren sind, als es die Bundesregierung heute tut!
Das Übel bei der Airbus-Produktion war von Anfang an — Herr Wissmann hat recht —

(Roth [SPD]: Was ist zwischen Montag und Samstag passiert?)

das Fehlen einer klaren industriellen Führung. In einem meiner ersten Gespräche nach Eintritt in die Bundesregierung im Jahre 1977 habe ich mich mit dem damaligen Bundeskanzler Helmut Schmidt und Vertretern der industriellen Aktionäre von MBB um ein solches Konzept bemüht, ohne Erfolg. Auch jetzt hat der Bundeswirtschaftsminister es nicht erreicht, daß



Dr. Graf Lambsdorff
sich die vorhandenen Aktionäre zur Übernahme der industriellen Führung entschlossen hätten.

(Roth [SPD]: Zum erstenmal ist der Bund dabei!)

Eines hat er aber erreicht, er hat industrielle Führung hergebracht. Der Einstieg von Daimler-Benz und die Option von Daimler-Benz auf die Mehrheit der Anteile bei MBB ist eine Antwort auf diese Frage, die seit über zehn Jahren nicht gelöst werden konnte. Er hat es nicht erreicht, daß die Subventionen in kurzer Zeit wesentlich zurückgeführt werden. Wer hat das eigentlich erwartet?
Auch in der kritischen Diskussion der letzten Woche hat die FDP niemals behauptet, daß das Bemühen, zu einem in der Zukunft liegenden Zeitpunkt die Subventionen endlich zu beenden, nur deshalb kritikwürdig sei, weil bis dahin weitergezahlt werden müsse. Wie soll denn ohne Subventionen bei der gegebenen Marktlage ein europäisches ziviles Flugzeug gebaut werden?
Hätte man die Subventionszusagen an den Erwerber Daimler-Benz niedriger halten können? Die Frage stellt sich, aber letztlich ist eine solche Frage Beckmesserei. Wer das nicht selbst verhandelt hat, der kann es schwer beurteilen. Eines ist der Bundesregierung zuzugestehen: Ohne wirkliche Alternative ist man immer in einer schwierigen Verhandlungsposition. Das hat der Vorstand von Daimler-Benz ausgenutzt. Ich kritisiere ihn nicht dafür; er hat die Interessen der Aktionäre seines Unternehmens wahrzunehmen.
Der große Preis, der für diese Lösung gezahlt wird, ist die Fusion; sie ist ordnungspolitisch mehr als bedenklich. Daß das größte deutsche Unternehmen, dessen Mehrheitsaktionär die größte deutsche Bank ist, seinen Einflußbereich weiter ausdehnen kann, paßt in das Bild einer marktwirtschaftlichen Ordnung schwer oder gar nicht hinein. Die Verengung der Märkte auf dem Rüstungssektor ist bedenklich, die Äußerungen des Bundesverteidigungsministers hierzu sind verwunderlich.
Größe an sich ist kein wettbewerbspolitischer Faktor; dieser Satz bleibt gültig. Aber wenn Größenkategorien erreicht werden, die für die Volkswirtschaft wirtschaftlich und politisch Machtzusammenballung entstehen lassen, wie es hier der Fall ist, so ist die Geburtshelferrolle des Staates fragwürdig. Bezogen auf den Umsatzanteil am Bruttosozialprodukt gibt es in den Vereinigten Staaten kein einziges Unternehmen, das die Größe des jetzt zustande kommenden Konzerns in der Bundesrepublik hätte.

(Becker [Nienberge] [SPD]: Aber was war zwischen Freitag und Montag?)

Die FDP bestreitet nicht, daß unsere Zustimmung zu dieser Transaktion gegen unsere eigenen ordnungspolitischen Grundsätze verstößt. Die meisten hier im Haus kennen mich lange genug, und auch die deutsche Öffentlichkeit weiß es: Es ist mir mehr als schwergefallen, dieser Entscheidung zuzustimmen, Sie deckt sich nicht mit dem Bild und mit der Zielsetzung, die ich von einer marktwirtschaftlichen Ordnung in der Bundesrepublik habe. Wir haben Ergänzungen und Klarstellungen erreicht; es sind inhaltliche Verbesserungen. Ich komme in meinem zweiten Redebeitrag darauf zurück.
Der Haushaltsausschuß wird einen Sperrvermerk anbringen, der mit unserer Zustimmung erst auf gehoben wird, wenn die in diesen Ergänzungen enthaltenen Forderungen erfüllt sind. Wir werden sehr penibel darauf achten, daß sie korrekt erfüllt werden.

(Frau Vennegerts [GRÜNE]: Das sind Peanuts ! )

Ich räume ein: Angesichts des Gesamtumfangs des Projekts war das nicht mehr sehr viel. Aber die Gegenfrage lautete: Können wir das Ganze scheitern lassen? Ich habe mir das, meine Damen und Herren, sehr lange und sehr sorgfältig überlegt und auf meine persönlichen Belange wenig Rücksicht genommen; denn das Presseecho, das nach unserer Entscheidung entstand, war ja wohl vorherzusehen. So töricht bin ich nicht!
Dennoch habe ich den Gremien der FDP den jetzt zustandegekommenen Vorschlag gemacht. Ich trage also die Verantwortung dafür, natürlich zusammen mit meiner Partei und letztlich der Bundesregierung, die unsere Anregung übernommen hat.
Wir hätten sonst nur drei Möglichkeiten gehabt: erstens: das Airbus-Engagement aufzugeben — ich sehe niemanden, der das ernsthaft will —, zweitens: weiter Subventionen in der bisherigen Form zu zahlen — will das die Opposition? — und drittens: Wir haben hoffentlich die Möglichkeit, zu einer europäischen Lösung der Luft- und Raumfahrt zu kommen.

(Müller [Pleisweiler] [SPD]: Es geht doch auch um den Umfang und darum, ob man Einfluß hat!)

Das halten wir für wünschenswert. Hier, Herr Wissmann, sind wir anderer Meinung als Sie.

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1110517100
Herr Abgeordneter, ich muß Sie leider bitten, zum Schluß zu kommen.

Dr. Graf Otto Lambsdorff (FDP):
Rede ID: ID1110517200
Die Größe eines europäischen Konzerns, der in verschiedenen Ländern arbeitet, stört viel weniger als diese Größe innerhalb unserer nationalen Grenzen. Es muß zu einer europäischen Lösung kommen. Wir fordern die Bundesregierung auf, dies politisch zu unterstützen und zu fördern.
Mein letzter Satz: Gelingt das, so wäre auch die wettbewerbsrechtliche und wettbewerbliche Größenordnung innerhalb unserer eigenen Grenzen auf ein besser erträgliches Maß zurückgeführt.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Frau Vennegerts [GRÜNE]: Wo gibt es denn dann noch Wettbewerb?)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1110517300
Ich bin soeben für unsere Verfahrensweise sehr großzügig gewesen.
Das Wort hat der Abgeordnete Müller (Pleisweiler).

Albrecht Müller (SPD):
Rede ID: ID1110517400
Herr Präsident! Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen! Zwischen Frei-



Müller (Pleisweiler)

tag und heute muß enorm viel passiert sein. Da wird der Held, der sich noch einmal gegen die Entwicklung stellt, zum Papiertiger. Er darf hier gleich zweimal reden,

(Beifall bei der SPD)

während die Kritiker in den eigenen Reihen offenbar nicht mehr reden dürfen.

(Rixe [SPD]: So ist es!)

Das ist besonders bedauerlich, Herr Graf Lambsdorff, weil im Wirtschaftsausschuß dreimal Gelegenheit bestand, die Bedenken gegen dieses Projekt anzumelden.

(Rixe [SPD]: Er war nie da!)

Bei allen drei Veranstaltungen dieser Art war Herr Graf Lambsdorff nicht da.

(Rixe [SPD]: Wie immer!)

Dies muß man wissen, wenn man das Theater der letzten Tage richtig einordnen will.
Herr Graf Lambsdorff und die anderen Kollegen sind leider allesamt für das mitverantwortlich, was jetzt dem Deutschen Bundestag angetan wird; denn die Haushaltshoheit dieses Parlaments wird in der Frage einer Milliarden-Subvention bis zum Jahre 2000 ausgehöhlt, ja, weggenommen.
Bisher mußten die Subventionen für den Airbus von der Luft- und Raumfahrtlobby jährlich immer neu erstritten werden. Dem Parlament war wenigstens noch der Funke eines Mitspracherechts eingeräumt. Es konnte gegen eine unbedachte Ausweitung dieses Projektes angehen; es konnte hinterfragen, es hätte auch nein sagen können.
In Zukunft werden die Opfer der Steuerzahler für die Airbus-Subventionen bis zum Jahre 2000 einer Automatik unterworfen. Die Zahlungen erfolgen auf Grund von Vereinbarungen zwischen der Bundesregierung und dem Daimler-Benz-Konzern und MBB. Das ist im Grunde das Ende der Haushaltshoheit des Parlaments in dieser Frage. Das ist die eigentliche Begründung für diesen Vorgang; das ist der Zweck der Operation.
Dieser schlimme Eingriff in unsere Haushaltshoheit betrifft wahrscheinlich nicht nur den Airbus. Der Vorstandsvorsitzende der Daimler-Benz AG wurde in einem Interview am 17. Juni danach gefragt, welche Konzessionen er aus Bonn außer dem Airbus noch erwarte. Er hat damals zwei weitere Voraussetzungen genannt: erstens die Entscheidung zugunsten der bemannten Weltraumfahrt, insbesondere der Projekte Columbus und Hermes, und zweitens die Entscheidungen für den Panzerabwehrhubschrauber und für den Jäger 90.
Der Text des Interviews läßt erkennen, daß der Vorstandsvorsitzende von Daimler-Benz damals davon ausging, die Entscheidungen für diese Projekte seien klar und unwiderruflich getroffen. Die Rechtslage ist nicht so. Deshalb haben wir die Vertreter der Bundesregierung im Wirtschaftsausschuß nach Nebenabreden gefragt; die Vertreter — Herr Riedl — haben verneint. Das ist uns wichtig; denn der Jäger 90 ist ein
Projekt, für das es keine verteidigungspolitische und militärtechnische Begründung gibt.
Deshalb stellen wir hier fest, daß jede künftige Bundesregierung durch offene oder versteckte Vereinbarungen mit Daimler-Benz oder mit MBB nicht in ihrer Freiheit eingeschränkt ist, das Projekt Jäger 90 einzustellen. Bei Hermes und Columbus hat sich der Bund bisher nur auf die Finanzierung der dreijährigen Vorentwicklungsphase festgelegt; dann wird neu entschieden. Wir stellen auch hier fest, daß die Freiheit künftiger Bundesregierungen, diese Projekte einzustellen, durch Abreden und Nebenabreden im Zusammenhang mit der Übernahme MBBs durch Daimler-Benz nicht beschränkt wird. Wir erwarten hier den Widerspruch der Bundesregierung, wenn das nicht zutrifft.
Wir leben heute in der dringenden Notwendigkeit, alle Kräfte der Menschheit auf den Kampf gegen Hunger und den Kampf gegen die Zerstörung unserer natürlichen Umwelt, der Wälder und der Erdatmosphäre zu konzentrieren. Wir leben im Zwang, Geld beim Wahnsinn Rüstung einzusparen, und wir haben die große Chance dazu. Genau in diesem Moment steigt das große deutsche Unternehmen Daimler-Benz noch weiter in Rüstung und Raumfahrt ein und setzt ganz gegen die weltweite Notwendigkeit auf vermehrte Verschwendung in Rüstung und Raumfahrt. Mit dem Gesamtbetriebsratsvorsitzenden von Daimler-Benz halten wir das für eine fatale Fehlentwicklung. Wir stellen fest, daß die Bundesregierung dazu die Hand reicht und dies überhaupt erst möglich macht.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1110517500
Es hat sich der Bundesminister für Wirtschaft zu Wort gemeldet. Er hat das Recht dazu, aber er erschwert mir als Präsidenten die Aufgabe nach § 28 der Geschäftsordnung, Rede und Gegenrede in richtiger und sinnvoller Reihenfolge zu meistern. Ich hätte das vorher besser gefunden. Aber Sie haben das Recht zu sprechen. Bitte schön, Herr Minister.

(Beckmann [FDP]: Steht im Grundgesetz!)


Dr. Martin Bangemann (FDP):
Rede ID: ID1110517600
Herr Präsident, es tut mir sehr leid. Ich dachte — —

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1110517700
Ich hatte einen Vorschlag gemacht, wie wir es anders machen können, aber Sie haben das Recht.

Dr. Martin Bangemann (FDP):
Rede ID: ID1110517800
Der Vorschlag ist mir nicht übermittelt worden. Herr Präsident, ich bin gern bereit, Ihrem Vorschlag zu folgen.

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1110517900
Mein Vorschlag war, daß Sie sich an das Ende dieser Runde hängen — wenn Sie einverstanden sind.

Dr. Martin Bangemann (FDP):
Rede ID: ID1110518000
Selbstverständlich! Darf ich nur noch zur Aufklärung sagen: Erstens kannte ich Ihren Vorschlag nicht; zweitens habe ich gedacht, ich würde noch einem Kollegen der SPD die Gelegenheit geben, etwas zu sa-



Bundesminister Dr. Bangemann
gen, und mich danach melden, weil davon auszugehen ist, daß ich eine andere Meinung habe. Aber wenn Sie auf Ihrem Vorschlag bestehen, rede ich gern am Ende der zweiten Runde. Das ist für mich kein Problem.

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1110518100
Herr Minister, da ich nicht mehr Mitglieder einer Fraktion aufrufen kann, als die, die das Recht haben zu reden, ist es sinnvoller, es so zu machen, wie ich es vorschlage. Ich würde gerne bei meinem Vorschlag bleiben, wenn Sie einverstanden sind.
Dann hat jetzt der Abgeordnete Friedmann das Wort. Ich glaube, es ist eine sinnvolle Reihenfolge. Sie wissen, welche Fraktionen in unserem Verfahren wie viele Redner haben, und ich muß das ein bißchen ordentlich verteilen. Das ist schon schwierig genug.
Bitte schön, Herr Dr. Friedmann.

Prof. Dr. Bernhard Friedmann (CDU):
Rede ID: ID1110518200
Herr Präsident! Meine Damen und meine Herren! Die Beteiligung von Daimler-Benz an MBB ist ein Vorgang, der zunächst einmal die Industrie betrifft. Dennoch fühlen auch wir uns in der Politik davon betroffen. Deshalb muß dieser Vorgang kritisch ausgeleuchtet werden.
Ziel des Vorgangs ist es ja, die Zukunft des Airbus zu sichern. Der Airbus ist ein leistungsfähiges Flugzeug, das einen Markt erworben hat, aber vor allem wegen der Risiken, die im Dollarkurs stecken, bis heute nicht wirtschaftlich erfolgreich abschließt.

(Müller [Pleisweiler] [SPD]: Das haben doch andere Unternehmen auch! Die haben genau die gleichen Risiken!)

Der kritische Punkt, den man ausleuchten muß, ist die Ausgliederung des Airbus-Geschäfts, bevor sich Daimler-Benz beteiligt. Für uns in der Koalition war bei der Vergabe des Jägers 90 damals ein Kriterium, durch die Vergabe zur Kostensenkung bei MBB beizutragen, die auch dem Airbus zugute kommen sollte. Jetzt, wo der Airbus ausgegliedert wird, erscheinen dort die Verluste, während die gewinnbringenden Teile des militärischen Flugzeugbaus im MBB-Konzern und damit auch im erweiterten Daimler-BenzKonzern bleiben. Dies kann man sicherlich kritisch anmerken.
Vor diesem Hintergrund habe ich mich mit dem Vorstandsvorsitzenden von Daimler-Benz getroffen. Mir schien es wichtig, hier nicht nur zu reden, sondern auch zu handeln. Wir haben bei unserem Gespräch konkrete Ergebnisse verabredet. Im ersten Punkt sind wir so verblieben: Daimler-Benz ist bereit, die Synergieeffekte, die sich im ganzen Flugzeugbau ergeben, auch dem zivilen Airbus zugute kommen zu lassen. Das heißt, dieses zivile Flugzeug wird so behandelt, als wäre es nicht ausgegliedert worden, so daß die Vorteile beispielsweise der Kostendegression auch dem zivilen Flugzeug zugute kommen. Ich halte dies für ein ganz wesentliches Ergebnis.
Zweitens. Die Verträge sind so angelegt, daß sie eigentlich keinen Anreiz bieten, die eigenen Aktivitäten in einen europäischen Konzern einzubringen. Aber genau dies ist notwendig. Daimler-Benz verpflichtet sich, alle Flugzeugaktivitäten in einen europäischen Konzern einzubringen. Genau dies müssen
wir ja tun, wenn wir in Konkurrenz zu den Amerikanern bestehen wollen. Wenn man beispielsweise alle deutschen, französischen und englischen Flugzeugaktivitäten zusammenfaßt, dann erst erreicht man einen Konzern in der Größenordnung von Boeing.
Ein dritter Punkt erscheint mir wichtig. Natürlich entsteht jetzt ein Konzern, der beispielsweise 60 % der militärischen Anschaffungen der Bundeswehr steuert.

(Zuruf von der SPD: 80 %)

Das kann einem ordnungspolitisch ja nicht gleichgültig sein.

(Zuruf von der FDP: Weiß Gott!)

Wir sind übereingekommen, daß Kriterien entwickelt werden, nach denen alle Unternehmen, die in diesem Konzern zusammengefaßt werden, als Konkurrenten gegenüber der öffentlichen Hand auftreten. Ich weiß, das wird nicht unproblematisch. Der Wirtschaftsminister hat bereits zugesagt, den Verteidigungsminister zu beraten, wie man hier vorgehen kann.

(Lachen bei der SPD)

Nur, meine Damen und Herren, wenn Sie hier lachen: Es stellt sich immer wieder die Frage: Was haben Sie Besseres? Wir im Haushaltsausschuß werden deshalb die 4,3 Milliarden DM Verpflichtungsermächtigungen, die bei dieser Lösung benötigt werden, qualifiziert sperren. Wir werden sie nur stückweise freigeben, nachdem wir jedesmal geprüft haben, ob die Vorgaben, die Bestandteil des Vertragswerks werden müssen, auch erfüllt sind.
Wenn Sie, Frau Vennegerts, sagen, aus dem Saulus sei ein Paulus geworden, dann darf ich sagen: Saulus war der Schlechtere und Paulus der Bessere.
Schönen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Lachen bei der SPD)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1110518300
Das Wort hat der Abgeordnete Hoss.

Willi Hoss (DIE GRÜNEN/BÜNDNIS 90):
Rede ID: ID1110518400
Kolleginnen und Kollegen! Bei der Beurteilung dieser Frage kommt es darauf an, ob man davon ausgeht, daß man sich von den Interessen der Banker und Industriellen leiten und treiben läßt, oder ob man versucht, Wirtschaft und Gesellschaft politisch zu gestalten.
Sie wissen, daß ich im Stammwerk Untertürkheim als Angehöriger der Daimler-Benz AG 25 Jahre lang die Entwicklung des Konzerns verfolgt und auch an dieser Entwicklung teilgenommen habe. Was jetzt mit der Unternehmenstransaktion Daimler-Benz — MBB vor sicht geht, stellt eine in der Nachkriegsgeschichte beispiellose Machtzusammenballung dar. Es ist eine Zäsur.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Durch diese Konzentration kommt es zu der in der Bundesrepublik bisher nicht vorhandenen Möglichkeit, auf Grund ökonomischer Macht politische Interessen durchzusetzen und Pressionen zu betreiben. Das betrifft Fragen der Rüstungsaufträge, der Marktwirtschaft und auch des Arbeitsmarktes.



Hoss
Ich habe lange überlegt, ob es angebracht ist, einen Vergleich zur chemischen Industrie herzustellen, die in den zwanziger Jahren durch die Fusion zum IG Farben-Konzern mit seinem späteren verhängnisvollen Einfluß auf die Politik führte. Es ist erlaubt, diesen Vergleich herzustellen.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Unsere leidvolle Geschichte, an die wir gerade in diesen Tagen wieder erinnert werden, gestattet es uns nicht, über die Erfahrung hinwegzugehen, daß der IG Farben-Konzern nach dem Krieg entflochten worden ist.
Es darf auch nicht vergessen werden, daß bis heute, wo von Milliarden Subventionen für Daimler-Benz die Rede ist, die Löhne der Zwangsarbeiter der Daimlerschen Rüstungspolitik des letzten Krieges noch nicht bezahlt sind bzw. die Angehörigen nicht entschädigt sind.

(Kittelmann [CDU/CSU]: Das ist ein nicht statthafter, unerhörter Vergleich!)

— Dieser Vergleich ist statthaft.
Über all dies kann auch nicht der mit beredten Worten die Vorzüge der Fusion darstellende und sicher persönlich nicht unsympatische Edzard Reuter hinwegtäuschen. Es gehört zur Tragik der SPD, daß wieder einmal eines ihrer Mitglieder die Drecksarbeit für das große Finanz- und Industriekapital macht; das muß hier einmal gesagt werden.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die Hilfe der Bundesregierung für diese Fusion ist ein Keulenschlag für alle Menschen, die in dieser Zeit davon ausgehen, daß Abrüstung gefragt ist und daß von unserer Seite aus Abrüstungsvorschläge und Abrüstungsaktionen betrieben werden. Die Gründung dieses größten Rüstungskonzerns nicht nur der Bundesrepublik, sondern Europas ist das genaue Gegenteil. Die Bürger werden sich davon ein Bild machen.

(Beifall bei den GRÜNEN)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1110518500
Das Wort hat der Bundesminister für Wirtschaft.

Dr. Martin Bangemann (FDP):
Rede ID: ID1110518600
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn man den Beschluß der Bundesregierung objektiv würdigen will, ist es, glaube ich, unerläßlich, sich einmal die Ausgangslage vor Augen zu halten. Wir haben heute mit MBB ein Unternehmen, daß zu 52 % im Besitz der öffentlichen Hand in Gestalt der Länder Bayern, Bremen und Hamburg ist. Wir haben ein Unternehmen, das auch heute, wie die Zahlen ja ausweisen, in erheblichem Ausmaß öffentliche Gelder erhält, und zwar für folgende Teile der wirtschaftlichen Tätigkeit: für die Forschung und Entwicklung, für die Serienfertigung und für die Vermarktung. Wir haben ein Unternehmen, das in seiner Unternehmensstruktur sehr zersplittert arbeiten muß und das deswegen auch nicht zu vernünftigen Kosten kommen kann. Es erwirtschaftet im Prinzip aus seiner wirtschaftlichen Tätigkeit nicht das, was es braucht, um die Kosten zu decken. Deswegen war bisher jedenfalls eine allgemein vertretene Meinung die, daß man das ändern müsse. Man muß das verbessern.
Ich bin davon ausgegangen, daß man das durch eine industrielle Führung verbessern kann,

(Zuruf von der SPD: Die gibt es doch jetzt schon!)

die sicherstellt, daß betriebswirtschaftliche Grundsätze stärker durchgesetzt werden und die vor allen Dingen durch Kapitalzufuhr die Beteiligung der öffentlichen Hand reduziert. Das sind die beiden Gesichtspunkte, die am Anfang der Bemühungen standen.
Selbstverständlich habe ich im Kreis der beteiligten privaten Unternehmen nach Unternehmen — einzeln oder gemeinsam — gesucht, die dazu bereit wären. Von den beteiligten Gesellschaftern — ich glaube, man verletzt keine Geheimhaltungspflichten, weil das ja jeder weiß — hat auch eine so große Firma wie Siemens keine Bereitschaft gezeigt, dieses Risiko zu übernehmen.

(Müller [Pleisweiler] [SPD]: Durchaus vernünftig!)

Deswegen haben ich auch andere große Firmen, die in der Lage wären, das zu tun, gefragt, ob sie dazu bereit wären. Auch sie waren nicht bereit. Der einzige, der diese Bereitschaft gezeigt hat, ist Daimler Benz.
Es ist ganz klar, daß eine Firma, die ein solches Risiko übernehmen will, sowohl vom Management als auch von ihrer Kapitalstruktur her eine gewisse Größe haben muß. Um nur einmal die Dimensionen auf diesem Markt ein wenig zu illustrieren, darf ich einige Zahlen verlesen. In den USA gibt es 1,2 Millionen Beschäftigte in der Luft- und Raumfahrt, in der Bundesrepublik 88 000.

(Hört! Hört! bei der CDU/CSU — Frau Garbe [GRÜNE]: Na und? — Roth [SPD]: In wie vielen Unternehmen?)

— Aber, lieber Herr Roth, das wissen Sie doch auch. In den USA gibt es im wesentlichen zwei große Unternehmen: Boeing und McDonnell Douglas. Auch bei uns gibt es im wesentlichen zwei Unternehmen, wenn man das so nennen kann: MBB und Dornier. Das sind die Strukturen. Insofern ändert sich das Größenverhältnis überhaupt nicht.

(Roth [SPD]: Und die fassen Sie jetzt in einem Unternehmen zusammen! — Weitere Zurufe von der SPD)

Das heißt, wenn man die Dinge auch wettbewerbs-
und ordnungspolitisch beurteilen will, muß man sich auf einen Markt beziehen. Ich bestreite entschieden, daß hier Grundsätze unseres Wettbewerbsrechts und des Kartellrechts verletzt worden sind;

(Frau Vennegerts [GRÜNE]: Warten Sie Herrn Kartte ab!)

denn unser Kartellrecht geht davon aus, daß die schiere, einfache Größe ohne jede Bedeutung ist. Sie wird wettbewerbs- und ordnungspolitisch nur dann von Bedeutung, wenn diese Größe auf einem relevanten Markt zu Wettbewerbsverfälschungen führt.

(Zustimmung bei der CDU/CSU)

Meine Damen und Herren, darüber soll sich niemand täuschen: Der Verkauf von solchen zivilen Flug-



Bundesminister Dr. Bangemann
zeugen dieser Größenordnung ist weder ein nationaler Markt noch ein europäischer Markt. Vielmehr ist das ein internationaler Markt, auf dem die beiden Riesen Boeing und McDonnel Douglas etwa 80 % unter sich ausmachen. 20 % entfallen auf den Airbus. Wer auf diesem Markt als Wettbewerber auftreten will, braucht eine gewisse Größe, vor allen Dingen ein gewisses Kapital, um sich durchzusetzen. Deswegen ist diese Lösung nicht etwa eine Verminderung von Wettbewerb, sondern sie ist die Voraussetzung dafür, daß auf diesem Markt Wettbewerb überhaupt stattfinden kann.

(Widerspruch bei der SPD)

Wer das bestreitet, soll sich doch einmal ansehen, wo Boeing ein Monopol hat, nämlich beim Flugzeug 747. Wie sieht die Situation dort aus? Das faktische Monopol bei diesem Flugzeug führt dazu, daß pro Stück nach Steuern 35 Millionen Dollar verdient werden. Wer das will, wer das als Wettbewerb bezeichnet, bei dem Kunden etwas gewinnen, den verstehe ich überhaupt nicht.

(Roth [SPD]: Wir sind doch für den Airbus!)

— Herr Roth, wenn Sie für den Airbus sind, dann brauchen Sie Ihr normales Maß an Unlogik, um solche Reden zu halten, wie Sie sie hier gehalten haben.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Roth [SPD]: Was soll denn die Fusion? Das ist Ihr Geheimnis, warum die Fusion sinnvoll ist!)

— Herr Präsident, nachdem Sie mir die Erlaubnis gegeben haben, hier zu sprechen, würden Sie vielleicht auf die Fraktionen einwirken, daß ich auch tatsächlich sprechen darf?

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1110518700
Ich bitte sehr darum, den Minister aussprechen zu lassen.

Dr. Martin Bangemann (FDP):
Rede ID: ID1110518800
Das wäre sehr nett. Vielen Dank.
Meine Damen und Herren, auch folgendes muß gesagt werden: Die 52 % Anteil der öffentlichen Hand werden durch die Beteiligung von Daimler-Benz sowohl bei der Mutter als auch bei der zukünftigen Tochter auf unter 50 % zurückgeführt. Hierin steckt in der Tat ein Rückzug des Staates aus einer Industrie und aus der wirtschaftlichen Verantwortung, den wir wollen und den man in der Tat als Privatisierung bezeichnen muß.

(Frau Vennegerts [GRÜNE]: Auf der Entscheidungsebene, nicht bei der Bezahlung! — Sellin [GRÜNE]: Subventionen!)

— Zu den Subventionen, verehrter Herr Kollege, nehmen Sie doch endlich einmal zur Kenntnis, daß wir außerhalb der Entwicklung und Forschung, wo international überall ein Zuschuß gegeben wird, die Zuschüsse zur Serienfertigung der neuen Modelle beenden.

(Sellin [GRÜNE]: Wann denn? Im Jahre 2000?)

— Die Modelle 330 und 340 werden ja noch gar nicht in Serie produziert. Da gibt es keine Zuschüsse mehr für die Serie.
Man muß berücksichtigen, daß wir das Wechselkursrisiko heute zu 100 % übernehmen. Es wird immer so getan, als sei das, was ich vorschlage, eine schlechtere Lösung. Kein Mensch regt sich darüber auf, daß der Bund heute 100 % dieses Wechselkursrisikos trägt.

(Frau Vennegerts [GRÜNE]: Darüber haben wir uns immer aufgeregt! Das stimmt doch gar nicht!)

— Das stimmt, natürlich! Deswegen ist die Rückführung dieses Wechselkursrisikos über 75 % und 50 % auf 0 im Jahre 2000 eine Verlagerung des Risikos auf diejenigen, die wirtschaften werden, die, wie wir überzeugt sind, auch gut wirtschaften werden.
Das, was ich in den letzten Tagen von dem amerikanischen Handelsbeauftragten Yeutter gehört habe, trifft auch nicht zu. Ich habe mit ihm vor etwa einem Jahr in London eine schriftliche Vereinbarung über die Beteiligung der öffentlichen Hand an der Entwicklung und dem Bau von privaten Flugzeugen getroffen. In einer Privatisierungsklausel haben wir vereinbart, daß Kapitalzuführungen, die der Privatisierung dienen, nicht beanstandet werden. Es gibt also von amerikanischer Seite keinen Grund, dies zu kritisieren.

(Frau Matthäus-Maier [SPD]: Aber das Wechselkursrisiko!)

— Frau Matthäus-Maier, vielleicht nehmen Sie es zur Kenntnis: Das Wechselkursrisiko wird heute zu 100 % abgedeckt.

(Frau Matthäus-Maier [SPD]: Das ist mir bekannt!)

— Wenn Ihnen das bekannt ist, dann werden Sie mir sicher zugeben, daß 75 % weniger sind als 100 %, daß 50 % auch weniger sind, und 0 % ist noch weniger.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Frau Matthäus-Maier [SPD]: Aber wir hören nie auf!)

Es kann auch keine Rede davon sein, daß hier eine Sozialisierung der Verluste und eine Übernahme von Risiken gegeben ist. Das Gegenteil ist der Fall: Wir werden durch die Kapitalzuführung durch Daimler-Benz zum erstenmal die Übernahme des Risikos durch einen Privaten haben.

(Kittelmann [CDU/CSU]: So ist es!)

Die Alternative, meine Damen und Herren, wäre, das vorhandene System fortzuführen — das kann niemand wollen — oder den Airbus einzustellen. Wer den Mut dazu hat, mag das tun. Das wäre aber ein trauriger Mut, denn in diesem Airbus steckt ein Stück zukünftige industrielle Entwicklung und zukünftige Technologie. Wer das nicht will, der muß den jetzigen Zustand verbessern.
Das tut die Bundesregierung, und wir tun das guten Gewissens.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1110518900
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Jens.

Prof. Dr. Uwe Jens (SPD):
Rede ID: ID1110519000
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich will sagen, daß ich es als



Dr. Jens
positiv empfinde, daß der Bundesminister für Wirtschaft auf sein Rederecht zugunsten des Parlaments verzichtet hat. Ich fand es allerdings sehr negativ, welche Pirouetten in der Argumentation gedreht wurden. Die FDP hat sich ja wirklich in kürzester Frist zweimal um sich selbst gedreht. Wir werden dafür sorgen, daß das nicht in Vergessenheit gerät.

(Beifall bei der SPD)

Wir reden hier auch nicht über den Airbus. Wir sind für den Airbus; das haben wir immer wieder gesagt. Wir reden hier über die Mammutfusion zwischen Daimler-Benz und Messerschmitt-Bölkow-Blohm. Dadurch wird in der Bundesrepublik ein Rüstungsmonopol geschaffen, vor dem, wie ich meine, gerade Liberale Angst haben sollten.

(Beifall bei der SPD — Hinsken [CDU/CSU]: Das stimmt doch gar nicht!)

Es stimmt doch überhaupt nicht, wenn immer wieder gesagt wird, es gebe zu dieser Entwicklung keine Alternative. Wenn es nach mir ginge — vielleicht wären Sie auf meiner Linie, Graf Lambsdorff — , hätte ich zuerst das ganze Management oder zumindest einige Managementleute bei MBB hinausgeschmissen. Die gehören schon lange gefeuert,

(Kittelmann [CDU/CSU]: Das geht doch gar nicht, Herr Kollege!)

weil sie uns wiederholt etwas erzählt haben, was nicht eingetroffen ist.

(Dr. Graf Lambsdorff [FDP]: Das löst aber doch das Problem nicht!)

Ich sage Ihnen auch dies: Wir alle sind doch immer der Meinung, Subventionen sind in bestimmten Fällen unumgänglich. Aber sie müssen endlich zeitlich limitiert und degressiv gestaltet werden, damit einmal mit der ewigen Subventionierung der Großindustrie Schluß ist.

(Beifall bei der SPD — Kittelmann [CDU/ CSU]: Das geschieht doch hier!)

Es gäbe, wie der Kollege Friedmann gesagt hat, durchaus eine europäische Lösung, an der nicht Daimler-Benz beteiligt sein muß.

(Hinsken [CDU/CSU]: Wie war das denn zu Zeiten von Helmut Schmidt?)

Das wäre eine wesentlich bessere Lösung als das, was jetzt hier angestrebt wird.

(Wissmann [CDU/CSU]: Wie ist das mit dem Ruhrgebiet?)

Schließlich: Dieses vergoldete Paket, das DaimlerBenz jetzt ausgehandelt hat, sollten Sie vielleicht auch einmal anderen Unternehmen anbieten. Möglicherweise finden sich Franzosen oder Engländer, die in diese Verträge gern einsteigen. Ich könnte mir das sehr gut vorstellen.

(Wissmann [CDU/CSU]: Das ist dann keine Konzentration?)

Dies ist eine schlimme ordnungspolitische Fehlentscheidung, wie ich meine. Es wird ein Monopol in der Rüstungsindustrie geschaffen. Ich verstehe überhaupt nicht, daß ein liberaler Wirtschaftsminister wie Bangemann so etwas mitmacht. Er müßte eigentlich vor Scham im Boden versinken.

(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Frau Garbe [GRÜNE])

Ich meine, entweder hat er aus der Vergangenheit überhaupt nichts gelernt, oder er gehört zu den Wieder-Gestrigen.

(Hinsken [CDU/CSU]: Was ist das?)

Hier wird ganz bewußt das geltende Wettbewerbsrecht aus den Angeln gehoben. Auch der Bundeswirtschaftsminister Bangemann weiß, daß hier gegen das Wettbewerbsrecht verstoßen wird, weil eine monopolistische Situation im Rüstungssektor geschaffen wird. Ich kann mir durchaus denken, daß die im Kartellamt verzweifeln müssen. Auch die Kollegen in der Monopolkommission müssen sagen: Was hat es eigentlich für einen Zweck, darüber nachzudenken, wenn man ganz genau weiß: Hinterher erteilt der neue Wirtschaftsminister wieder eine Ausnahmegenehmigung.

(Frau Matthäus-Maier [SPD]: Wo ist er eigentlich? — Roth [SPD]: Er begrüßt gerade Mittelständler!)

Da hat der Professor Immenga doch recht, wenn er jetzt schon über Rücktritt nachdenkt. Der neue Wirtschaftsminister Haussmann wäre gut beraten, wenn er sich diesen Fusionsfall ganz genau angucken und überlegen würde, ob er nicht doch nein sagen soll zu diesem ordnungspolitischen Sündenfall ersten Ranges.

(Beifall bei der SPD — Beckmann [FDP]: Er wird pflichtgemäß entscheiden!)

Aus meiner Sicht — das will ich schnell anfügen — ist es eine kräftige Fehlentscheidung. Ja, ich würde sagen: Die Bundesregierung muß an psychologischer Verwirrung leiden, wenn sie etwa glaubt, vom Jahr 2000 an zahlt sie keine Subventionen mehr an diesen Mammutkonzern Daimler-Benz/MBB.

(Frau Vennegerts [GRÜNE]: Blauäugig!)

Dieser Konzern hat jetzt ganz eklatant die privatwirtschaftlichen Interessen vertreten. Ich werfe ihm das überhaupt nicht vor. Das müssen die machen.

(Wissmann [CDU/CSU]: Was macht denn der Bremer Senat?)

Aber das werden sie im Jahr 2000 genauso machen.

(Hinsken [CDU/CSU]: Der rechnet also mit uns bis zum Jahre 2000!)

Dann werden Sie zusätzliche, neue, andere Subventionen zahlen müssen, wenn Sie einen solchen Konzern zulassen.

(Wissmann [CDU/CSU]: Was sagt der Bremer Senat dazu?)

Was hier passiert, werden wir den kleinen und mittleren Unternehmen immer wieder vortragen. Hier wird das Wechselkursrisiko in Höhe von 4,3 Milliarden bis zum Jahr 2000 übernommen. Welches kleine oder mittlere Unternehmen, das im Export tätig ist, hat diese Chance? Aber bei Mercedes Benz, bei Daimler soll das passieren. Da werden Gelder in Milliarden-



Dr. Jens
höhe für Forschungsaufgaben, für den Jäger 90 zur Verfügung gestellt. Siemens steht schon wieder vor der Tür und möchte die Mikroelektronik gefördert haben. Gleichzeitig werden die Hilfen für Existenzgründungen, für die Lohnkostenzuschüsse, für die Beratung von kleinen und mittleren Unternehmen gekürzt.

(Hinsken [CDU/CSU]: Nein, das stimmt nicht!)

Das ist doch eine ordnungspolitisch falsche Weichenstellung. Denken Sie darüber einmal nach! Es wird dringend Zeit, daß das Ruder herumgerissen wird.
Schönen Dank.

(Beifall bei der SPD)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1110519100
Das Wort hat der Abgeordnete Rossmanith.

Kurt J. Rossmanith (CSU):
Rede ID: ID1110519200
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lieber Kollege Jens, einen positiven Aspekt hatte Ihre Rede zweifellos: Sie haben hier im Bundestag Ihre Zuversicht zum Ausdruck gebracht, daß wir im Jahr 2000 immer noch die Regierungsverantwortung tragen werden.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Lachen bei der SPD)

Das wird sicher der Fall sein.

(Roth [SPD]: Nein!)

Denn es geht ohne Frage — da habe ich Sie nicht begreifen können — bei dieser Entscheidung um die Zukunft des Airbus, um die Zukunft von Hochtechnologie und letztendlich um die Zukunft von 40 000 unmittelbar betroffenen Arbeitsplätzen.
Mit dieser geplanten Beteiligung der Daimler-Benz AG an MBB und der damit ermöglichten Neuordnung der deutschen Airbus-Aktivitäten besteht die realistische Chance, das Airbus-Programm längerfristig in die volle industrielle Eigenverantwortung zu stellen. Und wir haben uns — das haben auch schon meine Vorredner gesagt — die Sache nicht leicht gemacht. Wir haben die kritische Diskussion in der Öffentlichkeit längst beherrscht, bevor Sie von der Opposition sich überhaupt einmal bequemt haben, dazu irgendwelche Aussagen zu machen.

(Frau Vennegerts [GRÜNE]: Letztes Jahr im Haushaltsausschuß habe ich schon etwas dazu gesagt!)

Natürlich muß man sehen, daß bei einer jetzt vorgesehenen Beteiligung von 30 % von Daimler-Benz an MBB der öffentliche Anteil bei MBB zunächst von 51 % auf 36 % fällt. Sicherlich hat das auch sehr positive Auswirkungen auf die Effizienz der deutschen Luft- und Raumfahrtindustrie. Ich glaube, auch das ist ein Punkt, der diese finanziellen Anstrengungen rechtfertigt; denn man kann doch nicht auf halbem Weg stehenbleiben. Wir haben doch seit 1969 — und Sie wissen, daß Sie von 1969 bis 1982 in der Regierungsverantwortung standen — annähernd 11 Milliarden DM an Subventionen in diesen Bereich gesteckt.

(Hinsken [CDU/CSU]: Hört! Hört! Haben die alles vergessen!)

Jeder weiß, daß ein Festhalten an der bisherigen Regelung ein wesentlich höheres Risiko beinhalten würde.

(Frau Vennegerts [GRÜNE]: Stimmt nicht!)

Bundesminister Bangemann hat schon darauf hingewiesen: Wir würden 100 % des Risikos tragen, während wir jetzt eine Lösung finden, bei der wir zunächst 75, dann 50 % und dann kein Risiko auch im Wechselkursbereich mehr tragen. Die Industrie übernimmt doch gerade im Rahmen des vorgesehenen Konzepts über eine neue Tochtergesellschaft von MBB für den zivilen Flugzeugbau die volle Verantwortung für alle künftigen unternehmerischen und betriebswirtschaftlichen Risiken. Was uns, wie gesagt, verbleibt, ist das Wechselkursrisiko.

(Rixe [SPD]: Das ist alles!?)

Aber auch hier ist ganz klar festgehalten worden, wann wir aus diesem Risiko aussteigen. Und dieses Wechselkursrisiko ist begrenzt worden bis maximal 1,60 DM pro Dollar.

(Frau Vennegerts [GRÜNE]: Was ist bei 1,50 DM?)

Deshalb sind natürlich die Lasten, die in Zukunft auf den Bund zukommen werden, auch berechenbar. Daher werden wir morgen im Haushaltsausschuß diese Entscheidung fällen, mit der Klarheit beim Airbus bis zum Jahre 2000 geschaffen wird.

(Wissmann [CDU/CSU]: Sehr wahr!)

Ich will Ihnen noch einmal sagen, was denn die Alternative wäre: Wenn wir das bisherige System mit einem hundertprozentigen Risiko auf seiten des Bundes beibehielten, Herr Roth, das wissen Sie, wäre das Programm A 330/340 auch in der Serie durch den Bund zu finanzieren. Bundesminister Bangemann hat es gesagt: Allein das würde einen Betrag von rund 2 Milliarden DM erfordern. Auch jährliche Unterdekkungen wären seitens des Bundes mitzutragen. Daneben bedeutete das auch die volle Übernahme des Wechselkursrisikos. Darauf bin ich bereits eingegangen.
Ich glaube, meine sehr verehrten Damen und Herren, daß wir uns hier einig sind, daß keiner von uns einen Ausstieg aus diesem Airbus-Programm wollen kann, vielleicht mit Ausnahme der GRÜNEN, die selbst im Airbus ein Rüstungsinstrument sehen.

(Hinsken [CDU/CSU]: Aber gern damit fliegen!)

Abgesehen vom Verlust der hohen Investitionen, die wir bisher geleistet haben, den Abbruchkosten und dem Problem des Ausstiegs aus einer Hochtechnologie der Zukunft würde das den unmittelbaren Verlust von 40 000 Arbeitsplätzen bedeuten, von mittelbar betroffenen Arbeitsplätzen ganz zu schweigen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)





Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1110519300
Das Wort hat der Abgeordnete Graf Lambsdorff.

Dr. Graf Otto Lambsdorff (FDP):
Rede ID: ID1110519400
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Herr Müller, nur zu Ihrer Beruhigung: Die Fraktion hat mich gestern einstimmig gebeten, hier zweimal zu reden;

(Rixe [SPD]: Sollte man hier abschaffen!)

denn ich bin derjenige, auf den sich die Kritik richtet
— und das mit Recht — , und dieser Kritik stelle ich mich.
Herr Jens, wir sind gar nicht weit auseinander, daß eine europäische Lösung durchaus vorzuziehen wäre. Eine europäische Luft- und Raumfahrtindustrie ist am Ende auch das einzige, was den Amerikanern überhaupt Wettbewerb liefern kann.

(Zuruf des Abg. Müller [Pleisweiler] [SPD])

Erstens müssen Sie dazu die Bereitschaft z. B. von Aerospace und Aerospatiale finden, zweitens brauchen Sie — und das ist wichtig — ein europäisches Gesellschaftsrecht, daß wir bis heute nicht haben. Ich bin ein Anhänger grenzüberschreitender industrieller Kooperation in Europa. Dann hat es ein großes Unternehmen mit mehreren nationalen Regierungen zu tun und nicht nur mit einer. Dieses ist unter Wettbewerbs- und politischen Gesichtspunkten durchaus ein Vorteil.
Meine Damen und Herren, was ich an Kritik erfahren habe, geht zum Teil auf das Strickmuster Koalition/Opposition zurück. Das gehört sich so.

(Roth [SPD]: Nicht verharmlosen!)

— Ich habe gesagt: zum Teil; wenn Sie doch einmal bis zum Ende zuhören wollten, Herr Roth.
Ein anderer Teil ist ernst zu nehmen. Es ist gefragt worden, ob denn wirklich Verbesserungen erreicht worden seien mit den Änderungen, die wir vorgeschlagen haben und die die Bundesregierung übernommen hat. Da geht es um das Verfahren und das feste Datum der Rücknahme der 20prozentigen Beteiligung der MW. Wir halten das für eine Klarstellung im Sinne einer Verbesserung oder für eine Verbesserung im Sinne einer Klarstellung. Da geht es um die Beendigung der Risiken unter einem Wechselkurs von DM 1,60. Wir halten das für ein wichtiges zusätzliches Element. Da geht es um die Frage: zivile Fertigung und daraus keine Gewinne, sondern Verluste, nichtzivile Fertigung und daraus Gewinne — und dies säuberlich getrennt. Wenn Sie nicht von Sozialisieren und Privatisieren reden wollen, dann heißt daß: die Guten ins Kröpfchen und die Schlechten ins Töpfchen.
Herr Friedmann, es ist sehr verdienstvoll, daß Sie sich die Mühe machen, mit dem Vorstandsvorsitzenden Reuter zu reden. Da kann man übrigens sehen, meine Damen und Herren, wenn das Parlament keine Zuständigkeiten hat, dann nimmt man sich welche. Das geht dann auch. Aber sagen Sie Herrn Reuter: Wenn er glaubt, mit den Synergiegewinnen und deren Verrechnung unserer Forderung gerecht zu werden, hat er sich getäuscht. Dies reicht nicht, und dafür gibt es mit der FDP die Aufhebung des Sperrvermerks
unter keinen Umständen, um das ganz klar zu sagen.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren, wenn Sie meinen, dies alles habe nichts bewirkt, dann erlauben Sie mir einmal zu zitieren. Der heutige „Platow-Brief" schreibt:
Denn was FDP-Chef Graf Lambsdorff an Klarstellung im Bonner Airbus-Konzept verlangt hat, schmeckt nun wiederum Daimler nicht. Der Konzern kann sich nicht damit einverstanden erklären und auch gar nicht seinen Anteilseignern gegenüber verantworten, sämtliche Währungsrisiken unterhalb einer Dollarbasis von 1,60 DM zu tragen.
Eine ähnliche Bemerkung findet sich zur Übernahme des KfW-Anteils. So ganz ohne scheint es denn doch nicht gewesen zu sein, was wir dort erreicht haben. Wir werden die Entwicklung mit Interesse, mit größter Aufmerksamkeit und mit größter Sorgfalt verfolgen.
Meine Damen und Herren, zwei Bemerkungen halte ich für wichtig. Habe ich mich bei meiner Kritik in der vorigen Woche zu weit aus dem Fenster gelehnt? Die Antwort kann berechtigterweise ja heißen. Aber wenn man nicht wirklich Forderungen anmeldet, bringt man nachher nicht wenigstens ein Stück der Forderungen durch. Aber darüber kann man streiten.

(Müller [Pleisweiler] [SPD]: Sie haben gar nichts erreicht!)

— Herr Müller, das haben wir eben besprochen. Das kann Ihre Meinung sein; es ist offensichtlich nicht die Meinung anderer Beobachter.
Die letzte, die wichtigste und für mich schwerwiegendste Kritik ist die: Du hast dich überhaupt viel zu spät gemeldet, du hättest dich vor einem Jahr melden sollen. — Dies habe ich nicht getan, meine Damen und Herren, um es ganz offen zu sagen — ich habe es vielen Fragestellern in den letzten zwei Jahren gesagt —, weil ich mir vorgenommen hatte, nach Ausscheiden aus dem Amt des Bundeswirtschaftsministers — ein Enddatum war für mich die Wahl zum Parteivorsitzenden — meinem Nachfolger nicht durch öffentliche Erklärungen in seine Amtsgeschäfte hineinzufuhrwerken. Daran habe ich mich gehalten.

(Müller [Pleisweiler] [SPD]: Im Wirtschaftsausschuß, habe ich gesagt!)

— Wirtschaftsausschuß bedeutet doch dasselbe. Das ist doch nicht unter Ausschluß der Öffentlichkeit.
Das kann kritisch angemerkt werden. Ich halte diese Entscheidung aber nach wie vor aus Gründen, die in anderen Bereichen liegen, für richtig und für vertretbar und glaube, daß sie nicht falsch war.

(Beifall bei der FDP)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1110519500
Das Wort hat der Bundesminister der Finanzen.

Dr. Gerhard Stoltenberg (CDU):
Rede ID: ID1110519600
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der bisherigen Diskussion ist schon an die Anfänge des Airbus-



Bundesminister Dr. Stoltenberg
Programms erinnert worden. Darüber wurde 1969, vor 19 Jahren, politisch entschieden, immer wieder auch in Beschlüssen der Bundesregierungen in der Folgezeit. Man kann heute sagen, der Airbus ist technologisch ein großer Erfolg geworden. Die Absatzzahlen sind eindrucksvoll, vor allem auch im Anstieg der letzten Jahre. Aber im Grunde, Herr Kollege Roth, ist ja seit den 70er Jahren — nicht erst seit 1982 — ein grundlegender Fehler in der Konstruktion mit negativen Auswirkungen unübersehbar geworden. Das federführende Unternehmen mit einem bedeutenden technologischen Leistungsstand hat ohne angemessene Kapitalausstattung ein derartig gewaltiges, durch die Erweiterung der Familie expandierendes Programm mit weltweiter Konkurrenz in europäischer Kooperation in Angriff genommen. Es hat bis heute nicht das Vermögen — in doppeltem Sinne — , eine angemessene wirtschaftliche und finanzielle Risikovorsorge vorzunehmen. Das ist ja bekannt. Ich spreche hier keine Geheimnisse aus.
Ich will dem vielfach kritisierten Bundeswirtschaftsminister als sein Kollege ausdrücklich bescheinigen, daß er der erste ist — seit Mitte der 70er Jahre — , der eine große und, wie ich glaube, im Ergebnis auch erfolgreiche Anstrengung unternommen hat, dies zu ändern.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Das muß man hier hervorheben. Denn die Folge dieses Konstruktionsfehlers, auch seit fünfzehn Jahren — es hat ja vielfältige Beratungen in der Regierungszeit des Bundeskanzlers Helmut Schmidt darüber gegeben — , ist,

(Dr. Wieczorek [SPD]: Wer war denn da Wirtschaftsminister?)

daß wir viel zu hohe und weiter ansteigende Subventionen für den Bund zu verbuchen haben, die mir seit 1983 erhebliche Kopfschmerzen bereiten, wie auch schon meinen sozialdemokratischen Amtsvorgängern.
Weil hier — zu Recht — über Ordnungspolitik geredet wird, will ich eines hinzufügen. Der jetzige Zustand ist ordnungspolitisch vollkommen unbefriedigend. Wir haben nämlich die Situation, daß der Bund auf Grund der fehlenden Kapitalausstattung der Firma, die ja drei Bundesländer als Gesellschafter hat — sie hat trotzdem oder vielleicht gerade deswegen keine angemessene Kapitalausstattung — , das wirtschaftliche Risiko trägt, aber in Wahrheit die entsprechenden gestaltenden Entscheidungsmöglichkeiten überhaupt nicht besitzt. Auch das habe ich in den letzten Jahren erlebt. Ich weiß, wovon ich rede. Meine Vorgänger haben das auch erlebt. Deswegen ist eine Reform dringend notwendig.
Ich möchte deshalb das nachhaltige Interesse der Bundesregierung und auch mein Interesse als Bundesfinanzminister hervorheben, zu einer neuen starken Industriestruktur zu kommen. Ich glaube, daß die hier unter Verhandlungsführung des Bundeswirtschaftsministers erzielten Ergebnisse insgesamt positiv zu bewerten sind, obwohl man sich in dem einen
oder anderen Punkt sicher eine bessere Ausgestaltung hätte vorstellen können.

(Müller [Pleisweiler] [SPD]: Über den Tisch gezogen!)

— Davon kann überhaupt keine Rede sein, Herr Kollege. Das ist überhaupt nicht ernst zu nehmen.
Positiv ist erstens, daß es nach den getroffenen Vereinbarungen zu einer hohen Kapitalausstattung der Tochter kommen wird, die die Federführung für das Airbus-Programm übernimmt: rund 1,5 Milliarden DM. Das ist ein Vielfaches verglichen mit dem Gesamtunternehmen heute, das ja nicht allein für Airbus zuständig ist.
Zweitens. Positiv ist, daß, beginnend mit kurzfristigen Veränderungen, schrittweise in den nächsten zehn Jahren die Risiken auf die Industrie übertragen werden, die nach der problematischen Konstruktion, die wir seit den 70er Jahren haben, fast ganz alleine der Bund trägt.
Das dritte, was ich als positiv bewerte, ist: Der Anteil der öffentlichen Hände geht in Verbindung mit der Neuregelung zurück, die über die Beteiligung der Kreditanstalt für Wiederaufbau getroffen ist. Ich habe vor den Klarstellungen, die Kollege Lambsdorff für die FDP hervorgehoben hat, Wert darauf gelegt, und nach meiner Überzeugung ist dies auch vor den Klarstellungen in den Verhandlungen erreicht worden: Die Beteiligung der Kreditanstalt ist befristet. Andernfalls hätte ich keiner Kabinettsvorlage zugestimmt. Die Eckwerte, die auf Gesprächen beruhen, sehen vor,

(Roth [SPD]: Warum ist sie dann nötig? Das ist doch unlogisch!)

daß es ein uneingeschränktes Recht der Kreditanstalt gibt, spätestens 1999 die Anteile an Daimler-Benz bzw. MBB zu übertragen. — Ja, Herr Kollege Roth,

(Roth [SPD]: Die paar hundert Millionen hätten Sie auch noch ausgeben können!)

es ist ja nicht nur auf der einen Seite ein schwieriger Entscheidungsprozeß. Das gilt auch für andere,

(Roth [SPD]: Zum erstenmal ist der Bund kapitalmäßig beteiligt! Voll drin!)

die heute nicht zu Wort kommen, die heute nicht vertreten sind.
Im Ergebnis kommen wir zu einer Absenkung der Beteiligung der öffentlichen Hände durch die drastische Verringerung.

(Roth [SPD]: Jetzt reden Sie nicht darum herum! Der Bund ist zum erstenmal drin!)

Die Kreditanstalt, überwiegend im Bundeseigentum, beteiligt sich längstens bis zu zehn Jahren.

(Sellin [GRÜNE]: Schreiben Sie die Beteiligungen ab?)

Dies scheint mir im Rahmen des Gesamtkonzepts vertretbar zu sein.
Meine Damen und Herren, ich will hier einen weiteren Punkt ansprechen, der in der Debatte bisher nicht erwähnt wurde, was ja aber vielleicht noch kommt. Presseberichte, nach denen es eine generelle Ausstiegsklausel für Daimler-Benz mit der Konse-



Bundesminister Dr. Stoltenberg
quenz neuer Verpflichtungen für den Bund gibt, sind unzutreffend. Ich will hier das unterstreichen, was der Kollege Martin Bangemann auch vor der Presse gesagt hat: Es gibt die Absicht, bestimmte Punkte in einem Briefwechsel festzuhalten, Punkte, die Teil der Kabinettsvorlage sind und die in den Ausschüssen auch noch einmal sehr ausführlich erläutert werden können. Der vorgesehene Text rechtfertigt es nicht, den Eindruck zu erwecken, als ob das Unternehmen eine Möglichkeit bekäme, unter Berufung auf diesen Briefwechsel erneut finanzielle Forderungen an den Bund zu stellen.

(Frau Matthäus-Maier [SPD]: Wo ist der Text?)

— Der Text ist, wenn ich es richtig sehe, in einer Reihe von Zeitungen veröffentlicht worden, und wir können ihn gern auch noch im einzelnen im Haushaltsausschuß erörtern. Er ist auch ein Annex zur Kabinettsvorlage gewesen. Nein, das Ergebnis der Verhandlungen soll und muß sein, daß nach der Übergangszeit das volle unternehmerische Risiko ab dem Jahr 2000 auf das neugeordnete Unternehmen übergeht.
Über die Frage, welche Rolle der Bund hat, kann man diskutieren. Nach meiner Auffassung wird sich der Bund — ohne daß ich damit künftigen Bundesregierungen vorgreifen wollte — weiterhin international für vernünftige Rahmenbedingungen für die deutsche und europäische Luftfahrtindustrie einsetzen. Es ist vorstellbar, daß man auch in Zukunft Exportbürgschaften gibt. Es wird dann zu prüfen sein, ob — je nach der Praxis anderer Länder — Entwicklungskostenzuschüsse angemessen sind oder nicht. Darüber haben spätere Regierungen und Parlamente zu entscheiden. Aber ansonsten ist die Verantwortung eindeutig an die Industrie zu übergeben.
Was als gravierendes Problem bleibt, ist in der Tat die Wettbewerbsdiskussion. Dazu will ich in aller Kürze folgendes sagen. Wir sollten diese Diskussion stärker unter den Vorzeichen des europäischen Binnenmarktes sehen. Wenn die Grundsatzentscheidung der Staats- und Regierungschefs, wie ich erwarte, bis 1993 vollzogen wird — und ich begrüße, daß sich ja auch die Sozialdemokratie gerade in den letzten Tagen entschieden dafür ausgesprochen hat —, werden wir eine vollkommen andere Wettbewerbssituation in Europa haben. Es ist unsere Aufgabe, dann — unter den Vorzeichen des Binnenmarktes — dafür zu sorgen, daß die befürchteten Folgen eines auf nationaler Ebene in gewissen Bereichen vorstellbaren Übergewichts eines Anbieters nicht eintreten, indem wir Wettbewerb in allen hier angesprochenen Bereichen außerhalb des Airbus-Bereichs in Europa und, wo nötig, über Europa hinaus herstellen.
Schönen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1110519700
Das Wort hat die Abgeordnete Frau Matthäus-Maier.

Ingrid Matthäus-Maier (SPD):
Rede ID: ID1110519800
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Über diese Fusion von Daimler und MBB kann eigentlich keiner glücklich sein, der Steuerzahler nicht, denn er muß in Milliardenhöhe zahlen, die Arbeitnehmer bei Daimler nicht, denn sie
sind gegen die Fusion, der Finanzminister nicht, denn er macht Milliardensubventionen locker, die Bundesregierung nicht, denn ihr sorgfältig gepflegtes marktwirtschaftliches Image ist nun endgültig dahin,

(Kittelmann [CDU/CSU]: Etwas übertrieben!)

Otto Graf Lambsdorff nicht, denn er hat sich furchtbar blamiert. Otto Graf Lambsdorff, wenn Sie es mir erlauben: Ich glaube — sozusagen von Frau zu Frau gesagt — , das hätte Frau Adam-Schwaetzer besser gemacht.

(Beifall bei der SPD — Beckmann [FDP]: Ganz billig!)

Eigentlich haben nur zwei Grund, sich zu freuen, nämlich Daimler-Benz und die Deutsche Bank. Das beweist auch dem letzten Zweifler, wessen Interessen die Bundesregierung in dieser Sache sehr eindeutig vertritt, nämlich die Interessen eines Großkonzerns und einer Großbank.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, das ist nicht das erste Mal. Sonntags hören wir in Reden von CDU, CSU und FDP von Marktwirtschaft, Wettbewerb und Mittelstand, und montags stellt sich heraus: Diese Bundesregierung ist eine Großbetriebsveranstaltung; sie ist nicht bereit, die steuerfreie Investitionsrücklage, die das Handwerk haben will, hier abzusegnen, aber 4,3 Milliarden zur Abdeckung eines Wechselkursrisikos — im schlechtesten Falle — sind vorhanden. Ich kann Ihnen nur sagen: Der Mittelständler, der meint, durch Sie würden seine Interessen vertreten, hat nun wirklich Tinte gesoffen.

(Beifall bei der SPD)

Und dann sagen Sie, das sei gut für den Steuerzahler, denn mit der Gewährung von Subventionen habe es ein Ende.

(Wissmann [CDU/CSU]: Was sagt denn die Bremer SPD?)

Zum ersten: Bisher gibt es keine vertraglichen Vereinbarungen, wonach Subventionen zu zahlen sind. Es werden in der Tat Subventionen gezahlt, Herr Stoltenberg. Aber Sie vereinbaren es jetzt vertraglich.
Ich nenne nur eine Zahl. 1982 gingen in den Bereich Airbus 356 Millionen DM an Subventionen; 1989 werden es 1,357 Milliarden DM sein. Das heißt: Pro Arbeitsplatz wurden 1982 am Ende der alten Koalition 19 000 DM an Subventionen gezahlt; heute sind es pro Arbeitsplatz 65 000 DM. Es gibt überhaupt keine Sicherheit, daß diese Subventionitis ein Ende hat, denn dann könnte man ja noch darüber reden.

(Wissmann [CDU/CSU]: Die Wechselkurse sind ja von uns beeinflußt!)

Aber nach den Erfahrungen mit Großprojekten wie Schneller Brüter, Tornado, Jäger 90 ist vielmehr zu befürchten, daß der Steuerzahler auch nach dem Jahr 2000 mitfinanzieren muß. Denn was machen wir denn — wer auch immer die Regierung stellt und hier die Opposition im Bundestag ist — , wenn dann ein solcher Mammutkonzern auf die Regierung zukommt und sagt: Ihr müßt weiter mit das Risiko übernehmen;



Frau Matthäus-Maier
sonst sind Tausende von Arbeitsplätzen in Gefahr? — Das ist die entscheidende Frage, die Sie bis heute nicht beantwortet haben.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Herr Stoltenberg, Sie sind angetreten, die Subventionen herunterzufahren, diese Fusion nicht zu unterstützen. Wir sind für einen europäischen zivilen Luftfahrtkonzern, aber nicht für das, was sich hier heute abspielt. Sie sind angetreten, Subventionen abzubauen, Herr Stoltenberg. Jahr für Jahr haben die Haushaltsberatungen gezeigt, daß das Gegenteil der Fall ist, und dieses Beispiel zeigt erneut: Sie werden als d e r Subventionsminister in die Geschichte dieser Republik eingehen.

(Zustimmung bei der SPD)

Ich fasse die Kritik der SPD in vier Punkten zusammen.
Erstens. Die von der Bundesregierung unterstützte Fusion von Daimler und MBB ist ein schwerwiegender Verstoß gegen alle Regeln von Markt und Wettbewerb. Sonntags reden Sie von Mittelstand, tatsächlich aber unterstützen Sie Großindustrie und Großbanken.
Zweitens. Die mit dem neuen Riesenkonzern verbundene Zusammenballung wirtschaftlicher Macht beinhaltet erhebliche gesellschaftspolitische Gefahren. Regierung und Parlament werden erpreßbar.
Drittens. Rüstungsproduktion wird in diesem Lande in Zukunft noch teurer als bisher.
Viertens. Die Fusion ist ein Geschäft zu Lasten des Steuerzahlers. Die Bundesregierung hat weniger Subventionen versprochen. Sie wird als die Subventionsregierung in die Geschichte eingehen.
Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1110519900
Das Wort hat der Abgeordnete Kittelmann.

Peter Kittelmann (CDU):
Rede ID: ID1110520000
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich mit dem Versuch beginnen, die Glaubwürdigkeit der Aussagen der Sozialdemokraten wiederherzustellen.

(Dr. Jens [SPD]: Für die Drecksarbeit sind Sie zuständig!)

— Herr Jens, Sie haben so liebenswürdig gesagt — ich zitiere wörtlich — : Es wird dringend Zeit, daß wir das Ruder wieder herumreißen. — Frau Matthäus-Maier hat nur zwei Personen genannt, die diesen Zusammenschluß hier angeblich begrüßen.
Ich beginne mit einem Zitat:
Die Wettbewerbsstruktur der Luft- und Raumfahrt hat eine europäische bzw. weltweite Dimension und erfordert Unternehmensgrößen mit einem hinreichenden Potential an Kapital und Know-how. Vier Jahre vor Schaffung des europäischen Binnenmarkts müssen bei der Beurteilung von Marktanteilen und Konkurrenzsituationen nationale durch europäische Kriterien abgelöst werden. Die deutsche Luft- und Raumfahrtindustrie muß sich auf den kommenden europäischen Binnenmarkt und in diesem Industriebereich besonders heftigen Wettbewerb Europas mit den USA einstellen. Unter den angeführten Rahmenbedingungen des kommenden europäischen Binnenmarkts nimmt ein auch bei MBB beteiligter DB-Konzern keine marktbeherrschende Stellung ein.
Es handelt sich um einen einstimmigen Beschluß des Bremer SPD-Senats vom 31. Oktober 1988.

(Müller [Pleisweiler] [SPD]: Für die sind wir nicht verantwortlich!)

— Natürlich, Sie teilen die Verantwortung auf. Nur, Sie müssen dabei bitte feststellen, daß Sie hier nicht glaubwürdig sind, wenn einer Ihrer maßgebendsten sozialistischen Landesverbände hier genau das Gegenteil beschließt. Das ist nicht wichtig für Sie, aber das ist wichtig für draußen, damit man einmal merkt, wie Sie hin und her diskutieren.

(Zustimmung bei der CDU/CSU)

Meine Damen und Herren, wir gehen noch einmal mit wenigen Punkten auf das ein, was für uns wichtig ist. Bei dem hier zur Diskussion stehenden Programm geht es erstens um den langfristigen Abbau von Subventionen, zweitens um eine gezielte Privatisierung, drittens um Stärkung der Forschungs- und Entwicklungstätigkeit und viertens — darauf hat vor allen Dingen Herr Bundesminister Stoltenberg zuletzt noch hingewiesen — um internationale Wettbewerbsfähigkeit. Das alles zeigt, daß es hier im Grunde genommen um ein Programm geht, das unseren marktwirtschaftlichen Weg trotz aller ordnungspolitischen Bedenken fortzusetzen versucht und so langfristig eine vollständige Reprivatisierung anpeilt. Wer sich jetzt dieses Programm anschaut, weiß auch, daß es zunächst um ein erstes Kennenlernen geht. Auch Herr Friedmann hat ausführlich dargestellt, welche Möglichkeiten sich der Haushaltsausschuß vorbehält, dieses Programm zu begleiten.
Mit einer Verbindung von Daimler-Benz und MBB bietet sich jetzt die Chance, die Effizienz der deutschen Luft- und Raumfahrtindustrie europa- und weltmarktmäßig zu stärken. Es ist auch deshalb wichtig, daß so gehandelt wurde, weil auch Sie, meine Damen und Herren von der Sozialdemokratischen Partei, noch nicht einmal im Ansatz eine Alternative vorgeführt haben. Sie sind alternativlos, Sie stellen sich immer neben sich selbst, denn Sie haben den Stein ins Wasser geworfen, mit dem diese Regierung jetzt fertig werden muß, Sie haben die Wellen erst erzeugt.

(Zurufe von der SPD)

Daimler-Benz hat hier eine Verantwortung übernommen, der das Unternehmen gerecht werden muß und die der Staat begleiten wird. Die Politik darf nicht immer auf die Bringschuld der Wirtschaft bei ihrem Engagement im internationalen Wettbewerb pochen. Wir müssen auch selbst die notwendigen, wenn auch manchmal schmerzhaften Weichenstellungen vornehmen. Größere Märkte fordern auch größere Anstrengungen, dies insbesondere dann, wenn ansonsten eine Monopolisierung droht, die den übrigen



Kittelmann
Handelspartnern letztlich nur schaden kann. Die Risikoverlagerung auf private Unternehmen ist ein eindeutiges Ja zur Marktwirtschaft und ein eindeutiges Ja zu einem freien und liberalen Welthandel.
Die Verknüpfung von MBB und Daimler-Benz ist im Grunde genommen auch ein Versuch, langfristig handelspolitische Divergenzen auszuräumen, wie wir sie augenblicklich mit den USA haben, denen die staatliche Förderung des Airbus ein Dorn im Auge ist. Das nunmehr vorliegende Programm wird dazu dienen, die staatliche Förderung langfristig zu reduzieren und damit zugleich die handelspolitischen Bedenken unserer Partner abzubauen.
Meine Damen und Herren, ich darf zusammenfassen. Wir fördern nicht die nationale Konzentration, sondern diese wird jetzt erst noch wettbewerbsrechtlich geprüft werden. Wir fördern lediglich einen sinnvollen weltweiten Wettbewerb in dem eng umgrenzten Bereich der Luft- und Raumfahrtindustrie. Ansonsten droht uns ein kaum aufholbarer Rückstand, der unser Ziel einer echten europäischen Kooperation als Illusion erscheinen lassen würde.

(Müller [Pleisweiler] [SPD]: Wer hat Ihnen denn das aufgeschrieben?)

— Nun lassen Sie doch diese Albernheiten!
Die MBB- und Daimler-Benz- „Hochzeit", sofern sie stattfinden wird, soll letztlich zum Ausstieg aus einer Subventionslawine führen und verkörpert damit den Versuch, zu marktwirtschaftlichen Prinzipien zurückzukehren. Dieses ist ein Langzeitversuch. Es ist aber die einzige Alternative, und die CDU/CSU hat deshalb bei allen Bedenken, die hier von unseren Kollegen vorher geäußert worden sind, keine andere Möglichkeit gesehen. Im Interesse des Erhalts der Arbeitsplätze, im Interesse der weiteren Möglichkeiten der europäischen Industrie in einem Bereich, wo wir sonst als alleinige Wettbewerber die USA haben, wollen wir zu einer Kooperation finden und im wesentlichen der Regierung und uns selbst den Mut machen, dieses politisch auch durchzustehen.
Schönen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1110520100
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Hinsken.

Ernst Hinsken (CSU):
Rede ID: ID1110520200
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Kollege Roth hat vorhin von einem schwarzen Tag gesprochen. Ich meine, es ist wahrlich ein schwarzer Tag, aber für die SPD-Fraktion. Es ist ein beschämendes Zeugnis, das Sie heute ablegen: Da stellen Sie den Antrag auf eine Aktuelle Stunde über dieses für Sie wichtige Thema, und dann sind Sie nicht einmal mit Fußballmannschaftsstärke vertreten! So weit sind wir schon.

(Beifall bei der CDU/CSU — Frau Vennegerts [GRÜNE]: Bei Ihnen sind es auch nicht viel mehr!)

Zweitens. Kollege Dr. Jens hat darauf hingewiesen, daß sich die FDP — so sagte er — von gestern auf heute gedreht hätte. Ich meine, hier feststellen zu müssen, daß nicht die FDP, sondern gerade Sie von
der SPD mit zweierlei Zungen sprechen. Wenn Sie von einem schwarzen Tag reden, Herr Roth, dann wäre es gut, einmal dezidiert nachzulesen, was gerade die Bürgermeister von Hamburg und Bremen zu diesem Thema gesagt haben. Sie vertreten die Meinung, daß diese Entscheidung vor dem bereits mehrmals erwähnten Hintergrund die einzig vernünftige und richtige ist, daß es nur die Alternative gibt: Entweder bezahlt der Staat direkt weiter, oder es gibt die Fusionierung mit diesem Konzern.
Machen wir uns doch alle mitsammen nichts vor: Wenn hier von Rüstungskonzernen gesprochen wird, so muß darauf verwiesen werden, daß gerade in Großbritannien, in Frankreich oder auch in den USA viele Konzerne sehr viel größer sind als speziell dieses Mammutunternehmen hier, das Sie als Rüstungskonzern bezeichnen. So sind z. B. die britische Aerospace oder die französische Aerospatiale doppelt und dreifach so groß, von den Amerikanern ganz zu schweigen. Boeing ist zwölfmal so groß und McDonaldDouglas ist siebenmal so groß.
Als kürzlich ein englischer Automobilkonzern von British Aerospace übernommen wurde, fand dies in England einhellige Zustimmung. Dies sollte der Opposition, Ihnen, meinen Damen und Herren, und auch den Gewerkschaften zu denken geben. Dort haben die Gewerkschaften mit an einem Strang gezogen, weil es ihnen darum ging, Arbeitsplätze zu sichern und eventuell weitere Arbeitsplätze zu schaffen.
Vergessen wir doch eines nicht: Gerade hier ist festzustellen, daß durch die Produktion des Airbus in der Bundesrepublik Deutschland 20 000 Arbeitsplätze vorgehalten werden. Stellen Sie sich vor, diese 20 000 Arbeitsplätze könnten nicht besetzt werden, und die Arbeitnehmer wären arbeitslos. Das würde jährlich 500 Millionen DM kosten.

(Frau Vennegerts [GRÜNE]: Subventionieren Sie dafür den Mittelstand, und schaffen Sie Arbeitsplätze!)

Also lassen Sie bitte die Tassen im Schrank und gehen Sie so vor, daß Sie das einmal im einzelnen berechnen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich möchte an dieser Stelle darauf hinweisen, daß diese Arbeitsplätze gerade in strukturschwachen Bereichen und Regionen vorgehalten werden. Ich denke hier an Bremen:

(Kittelmann [CDU/CSU]: Aberdie Sozis denken nicht an Bremen!)

14,8 % Arbeitslose. Bei MBB gibt es 5 600 Beschäftigte. Stellen Sie sich vor, diese wären arbeitslos. Dann würde die Arbeitslosigkeit in Bremen auf über 20 steigen. Das kann eine konservative Regierung nicht verantworten,

(Beifall bei der CDU/CSU)

und wir werden deshalb Maßnahmen ergreifen, damit die Arbeitsplätze dort weiterhin erhalten bleiben.
Was ich für besonders wichtig und wissenswert halte, ist die Tatsache, daß von den 20 000 Arbeits-



Hinsken
plätzen allein 10 000 in über 100 mittelständischen Betrieben vorhanden sind,

(Frau Vennegerts [GRÜNE]: Arme Abhängige sind das!)

die über die ganze Bundesrepublik Deutschland verteilt sind und Mitarbeiter beschäftigen können, weil sie zuliefern dürfen.

(Kittelmann [CDU/CSU]: Sehr gut!)

Meine Damen und Herren, ich meine, gerade aus regionalpolitischer Sicht ist es wichtig, an diesem Projekt festzuhalten und darüber hinaus die Fusionierung vor dem Hintergrund dessen, was das Vernünftigste ist, durchzuführen.
Ich stelle als letztes folgendes fest: Es sitzt hier der Koordinator der Bundesregierung für das Luft- und Raumfahrtwesen, Herr Dr. Riedl.

(Frau Vennegerts [GRÜNE]: Warum sitzt er denn hier?)

Herr Dr. Riedl, Sie haben in einer Presseerklärung jüngst gesagt, daß der Airbus ein so großer Renner ist, daß bei Lieferungen teilweise Wartezeiten von vier bis fünf Jahren entstehen und daß man daran denken sollte, ja daran denken müßte, unter Umständen ein
weiteres Fertigungswerk zu errichten. Sollte das der Fall sein, dann bitte ich die Bundesregierung, die laut Dr. Jens über das Jahr 2000 hinaus im Amt ist, dafür zu sorgen, daß dieses Fertigungswerk bei uns in der Bundesrepublik Deutschland entsteht.

(Kittelmann [CDU/CSU]: Wir bieten Berlin an!)

Wir können diese Arbeitsplätze dringend brauchen. Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1110520300
Meine Damen und Herren, die Aktuelle Stunde ist beendet. Wir sind damit am Schluß unserer heutigen Tagesordnung.
Der Deutsche Bundestag tritt zum Gedenken an die 50. Wiederkehr des Jahrestags der Pogrome des nationalsozialistischen Regimes gegen die jüdische Bevölkerung in Deutschland am 9./10. November 1938 morgen um 11 Uhr zusammen.
Die nächste Sitzung des Deutschen Bundestags berufe ich auf morgen, Donnerstag, den 10. November 1988, 14 Uhr ein.
Die Sitzung ist geschlossen.