Protokoll:
11096

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 11

  • date_rangeSitzungsnummer: 96

  • date_rangeDatum: 28. September 1988

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 13:00 Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 15:45 Uhr

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 11/96 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 96. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 28. September 1988 Inhalt: Zusatztagesordnungspunkt 1: Aktuelle Stunde betr. rechtliche Situation von Frauen im Zusammenhang mit dem § 218 StGB Frau Krieger GRÜNE 6550A, 6554 A Frau Hasselfeldt CDU/CSU 6550 D Frau Dr. Skarpelis-Sperk SPD 6551 D Frau Würfel FDP 6553 A Werner (Ulm) CDU/CSU 6554 C Dr. de With SPD 6555 B Lüder FDP 6556 B Frau Becker-Inglau SPD 6557 A Geis CDU/CSU 6558A Frau Dr. Süssmuth, Bundesminister BMJFFG 6559 A Frau Schmidt (Nürnberg) SPD 6560 C Frau Fischer CDU/CSU 6561 C Frau Limbach CDU/CSU 6562 B Tagesordnungspunkt 1: Fragestunde — Drucksache 11/2960 vom 23. September 1988 — Senkung des Durchschnittssatzes nach § 13 a EStG zur Gewinnermittlung in der Landwirtschaft MdlAnfr 4 16.09.88 Drs 11/2924 Funk (Gutenzell) CDU/CSU Antw PStSekr Dr. Voss BMF 6533 B ZusFr Funk (Gutenzell) CDU/CSU . . . 6533 B Novellierung der Klärschlammverordnung; künftige Entsorgung der in der Landwirt- schaft nicht mehr ausbringbaren kommunalen Klärschlämme MdlAnfr 13, 14 16.09.88 Drs 11/2924 Frau Wollny GRÜNE Antw PStSekr Gröbl BMU . . . 6534A, 6535 B ZusFr Frau Wollny GRÜNE . . . 6534 A, 6535 C ZusFr Frau Hensel GRÜNE . . . 6534 C, 6536A ZusFr Dr. Lippelt (Hannover) GRÜNE 6534D, 6536 C ZusFr Frau Garbe GRÜNE 6535 A ZusFr Kroll-Schlüter CDU/CSU 6535 D Einführung der Verbandsklage im Rahmen der Novellierung des Bundesnaturschutzgesetzes und Vorlage einer Artenschutzverordnung MdlAnfr 9, 10 16.09.88 Drs 11/2924 Frau Adler SPD Antw PStSekr Gröbl BMU . . 6536D, 6537 C ZusFr Frau Adler SPD 6537A, 6537D ZusFr Dr. Hirsch FDP 6537 B ZusFr Frau Hensel GRÜNE 6537 C ZusFr Frau Wollny GRÜNE 6538 A Verbot der landwirtschaftlichen Ausbringung von Klärschlämmen bzw. routinemäßige Untersuchung der auszubringenden Klärschlämme, insbesondere auf Dioxine und PCPs MdlAnfr 15, 16 16.09.88 Drs 11/2924 Frau Garbe GRÜNE Antw PStSekr Gröbl BMU . . . 6538B, 6539 A ZusFr Frau Garbe GRÜNE . . . 6538C, 6539B ZusFr Frau Hensel GRÜNE 6538 D II Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 96. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 28. September 1988 Konsequenzen aus der festgestellten rechtswidrigen Ableitung radioaktiver Stoffe des Atomkraftwerks Cattenom und angesichts der Stromüberversorgung in Frankreich MdlAnfr 17, 18 16.09.88 Drs 11/2924 Schreiner SPD Antw PStSekr Gröbl BMU . . 6539C, 6540 D ZusFr Schreiner SPD 6539D, 6540 D ZusFr Frau Wollny GRÜNE 6540 B ZusFr Dr. Knabe GRÜNE 6540 C Unterbringung der Unterbringung der Asylbewerber in Einzelwohnungen und Gewährung von Bar- statt Sachleistungen in Schleswig-Holstein MdlAnfr 31, 32 16.09.88 Drs 11/2924 von Schmude CDU/CSU Antw StSekr Kroppenstedt BM 6541D ZusFr von Schmude CDU/CSU 6542 A ZusFr Opel SPD 6542 B ZusFr Dr. Hirsch FDP 6542 C ZusFr Dr. Knabe GRÜNE 6542 D ZusFr Andres SPD 6543A, 6543 C ZusFr Jungmann SPD 6543 A ZusFr Börnsen (Ritterhude) SPD 6543 C ZusFr Frau Hämmerle SPD 6544 A ZusFr Kroll-Schlüter CDU/CSU 6544 A Verbesserung der Führung des Ausländerzentralregisters zur korrekten Erfassung der Asylbewerber; Vorlage eines Gesetzentwurfs MdlAnfr 33, 34 16.09.88 Drs 11/2924 Dr. Hirsch FDP Antw StSekr Kroppenstedt BMI . 6544B, 6544 D ZusFr Dr. Hirsch FDP 6544B, 6545 A ZusFr Becker (Nienberge) SPD 6544 D Ermittlungen wegen der Veröffentlichung interner Briefe der Bundesanwaltschaft an das Justizministerium in der Gnadenangelegenheit Peter-Jürgen Boock und Angelika Speitel MdlAnfr 35, 36 16.09.88 Drs 11/2924 Lüder FDP Antw PStSekr Dr. Jahn BMJ . 6545B, 6545 D ZusFr Lüder FDP 6545B, 6545 D ZusFr Dr. Hirsch FDP 6545 C Zulassung von in den USA als krebserregend verbotenen Herbiziden in der Bundesrepublik Deutschland; Export von im Inland verbotenen chemischen Bekämpfungsmitteln MdlAnfr 40, 41 16.09.88 Drs 11/2924 Kroll-Schlüter CDU/CSU Antw PStSekr Gallus BML . . . 6546A, 6546B ZusFr Kroll-Schlüter CDU/CSU . 6546B, 6547 A ZusFr Opel SPD 6546 C ZusFr Eigen CDU/CSU 6546 D ZusFr Frau Weyel SPD 6546 D ZusFr Andres SPD 6547 B ZusFr Frau Garbe GRÜNE 6547 C ZusFr Dr. Knabe GRÜNE 6547 C Schätzungen über die Getreide- und Rapsernte in der EG; Maßnahmen gegen Manipulationen MdlAnfr 42 16.09.88 Drs 11/2924 Eigen CDU/CSU Antw PStSekr Gallus BML 6547 D ZusFr Eigen CDU/CSU 6548 A Aufnahme von Ackerflächen in den Ausgleich für Landwirte in benachteiligten Gebieten in den einzelnen Bundesländern MdlAnfr 43 16.09.88 Drs 11/2924 Eigen CDU/CSU Antw PStSekr Gallus BML 6548 B ZusFr Eigen CDU/CSU 6548 C Anpassung der Bezirke der Ortskrankenkassen an die Grenzen der Gebietskörperschaften im Rahmen der Strukturreform im Gesundheitswesen, insbesondere der AOK Schwäbisch Gmünd MdlAnfr 48, 49 16.09.88 Drs 11/2924 Antretter SPD Antw PStSekr Höpfinger BMA 6549 A ZusFr Antretter SPD 6549 B Nächste Sitzung 6563 C Berichtigungen 6563 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 6565* A Anlage 2 Anteil der Städte mit erhöhtem Wohnungsbedarf am Wohnungsneubau; Auswirkungen des Rückzugs der Bundesregierung aus der Wohnungsbauförderung auf die räumliche Verteilung der Neubautätigkeit MdlAnfr 1, 2 16.09.88 Drs 11/2924 Dr. Sperling SPD SchrAntw PStSekr Echternach BMBau . . 6565* C Anlage 3 Verstoß gegen die Richtlinie in der Änderung zur Bundesartenschutzverordnung MdlAnfr 8 16.09.88 Drs 11/2924 Frau Blunck SPD SchrAntw PStSekr Gröbl BMU 6565* D Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 96. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 28. September 1988 III Anlage 4 Grundlage für den Referentenentwurf zur Änderung der Bundesartenschutzverordnung über eine Lockerung des Handels mit gefährdeten Wirbeltierarten; bundeseinheitliche Kennzeichnungspflicht für besonders geschützte Wirbeltierarten MdlAnfr 11, 12 16.09.88 Drs 11/2924 Frau Dr. Hartenstein SPD SchrAntw PStSekr Gröbl BMU 6566* A Anlage 5 Anpassung der Vollstreckungsvergütungsverordnung an die allgemeine Lohn- und Preisentwicklung; Nichtzulassung von Kriegsdienstverweigerern zum Bundesgrenzschutz MdlAnfr 29, 30 16.09.88 Drs 11/2924 Wüppesahl fraktionslos SchrAntw StSekr Kroppenstedt BMI . . . 6566* C Anlage 6 Änderung der Regelungen des § 218 StGB vor dem Hintergrund der Memminger Strafverfahren wegen Schwangerschaftsabbrüchen MdlAnfr 37 16.09.88 Drs 11/2924 Frau Schmidt (Nürnberg) SPD SchrAntw PStSekr Dr. Jahn BMJ . . . . 6567* A Anlage 7 Stellungnahme der Bundesregierung zu den Memminger Strafverfahren im Zusammenhang mit den §§ 218 bis 219c StGB MdlAnfr 38, 39 16.09.88 Drs 11/2924 Frau Dr. Wegner SPD SchrAntw PStSekr Dr. Jahn BMJ . . . . 6567* B Anlage 8 Tankstellenstreiks im Raum Freiburg wegen des Verkaufsverbots von Reisebedarfsartikeln außerhalb der üblichen Ladenöffnungszeiten; Erweiterung der Ladenschlußbestimmungen für Tankstellen MdlAnfr 44, 45 16.09.88 Drs 11/2924 Dr. Schroeder (Freiburg) CDU/CSU SchrAntw PStSekr Dr. Höpfinger BMA . . 6567* C Anlage 9 Verzicht auf Überprüfung des Vorliegens der Voraussetzung „nicht rechtswidrig" (§ 200f RVO) bei Schwangerschaftsabbrüchen durch die Krankenkassen; Vereinbarkeit dieses Vorgehens mit den Normen des Grundgesetzes MdlAnfr 46, 47 16.09.88 Drs 11/2924 Jäger CDU/CSU SchrAntw PStSekr Dr. Höpfinger BMA . . 6568* A Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 96. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 28. September 1988 6533 96. Sitzung Bonn, den 28. September 1988 Beginn: 13.00 Uhr
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    Berichtigungen In der 94. Sitzung am Donnerstag, dem 22. September 1988, wurde der Abgeordnete Dr. Kreile zum ordentlichen Mitglied im Vermittlungsausschuß an Stelle des ausgeschiedenen Abgeordneten Sauter (Ichenhausen) bestimmt. Dabei wurde versehentlich eine falsche Ausschußbezeichnung benutzt. Richtig muß es also heißen, daß Abgeordneter Dr. Kreile ordentliches Mitglied im Vermittlungsausschuß ist. 94. Sitzung, Seite 6438 B: Der erste Satz lautet richtig: „Wer also die Klimaproblematik ernst nimmt und sie auf die Debatte über die Atomenergie verdichtet, dem muß ich zum Teil wirklich Ablenkung vorwerfen." Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens * 29. 9. Baum 30. 9. Frau Beer 30. 9. Dr. Biedenkopf 30. 9. Biehle 30. 9. Büchner (Speyer) * 28. 9. Carstensen (Nordstrand) 30. 9. Frau Dr. Däubler-Gmelin 30. 9. Frau Dempwolf 30. 9. Ehrbar 30. 9. Eylmann 30. 9. Feilcke 28. 9. Francke (Hamburg) 30. 9. Funke 28. 9. Dr. Gautier 28. 9. Genscher 30. 9. Glos 30. 9. Dr. Grünewald 28. 9. Dr. Hauff 30. 9. Dr. Hauchler 28. 9. Frau Dr. Hellwig 30. 9. Ibrügger 30. 9. Frau Kelly 30. 9. Kittelmann * 29. 9. Klein (München) 30. 9. Klose 30. 9. Dr. Köhler (Wolfsburg) 30. 9. Dr. Kreile 30. 9. Frau Männle 30. 9. Menzel 30. 9. Müller (Düsseldorf) 30. 9. Frau Odendahl 30. 9. Oesinghaus 30. 9. Frau Olms 28. 9. Frau Pack 30. 9. Porzner 28. 9. Reddemann 29. 9. Reuschenbach 28. 9. Roth (Gießen) 28. 9. Frau Saibold 30. 9. Dr. Soell * 28. 9. Dr. Sperling 30. 9. Spranger 30. 9. Frau Steinhauer 30. 9. Dr. Stoltenberg 29. 9. Tietjen 30. 9. Volmer 28. 9. Westphal 30. 9. Wetzel 30. 9. Dr. Wieczorek 28. 9. Wischnewski 29. 9. Wittich 30. 9. * für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 2 Antwort des Parl. Staatssekretärs Echternach auf die Fragen des Abgeordneten Dr. Sperling (SPD) (Drucksache 11/2960 Fragen 1 und 2): Welchen Anteil am Wohnungsneubau der letzten Jahre hatten die Städte und Regionen, die als Gebiete mit erhöhtem Wohnungsbedarf ausgewiesen sind? Wie beurteilt die Bundesregierung die Auswirkungen ihres Rückzuges aus der Förderung des Baus von Mietwohnungen und der Umgestaltung der steuerlichen Eigentumsförderung auf die räumliche Verteilung der Neubautätigkeit? Zu Frage 1: Als Gebiete mit erhöhtem Wohnungsbedarf im Sinne der §§ 5 a und 16 des Wohnungsbindungsgesetzes sind von den Landesregierungen nicht nur kreisfreie Städte, sondern auch kreisangehörige Städte und Gemeinden ausgewiesen worden. Da die Bautätigkeitsstatistik keine entsprechend tief gegliederten Daten enthält, läßt sich auch der Anteil der Wohnungsfertigstellungen in den genannten Gebieten nicht errechnen. Zu Frage 2: Die räumlich unterschiedliche Neubautätigkeit läßt sich den beiden genannten wohnungspolitischen Entscheidungen nicht verläßlich zuordnen. Anlage 3 Antwort des Parl. Staatssekretärs Gröbl auf die Frage der Abgeordneten Frau Blunck (SPD) (Drucksache 11/2960 Frage 8): Wie beurteilt die Bundesregierung den Vorwurf der Naturschutzverbände, daß der Referentenentwurf zur Änderung der Bundesartenschutzverordnung in mehreren Punkten gegen die EG-Vogelschutzrichtlinie verstößt? Ein solcher Vorwurf, der Referentenentwurf verstoße in einigen Punkten gegen die Vogelschutzrichtlinie, ist nicht berechtigt. Die Bundesregierung wird im übrigen den Entwurf der Änderungsverordnung, bevor er dem Bundesrat vorgelegt wird, der EG-Kommission zur Prüfung zuleiten. Sollten von Kommissionsseite Änderungswünsche geltend gemacht werden, so wird die Bundesregierung diese im weiteren Verfahren gebührend berücksichtigen. Im Rahmen der Anhörung haben die betroffenen Verbände Gelegenheit zur Stellungnahme. Auch der VO-Entwurf ändert das System der bisherigen VO nicht. Bisherige VO wurde von Clinton Davis als vorbildlich bezeichnet. 6566* Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 96. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 28. September 1988 Anlage 4 Antwort des Parl. Staatssekretärs Gröbl auf die Fragen der Abgeordneten Frau Dr. Hartenstein (SPD) (Drucksache 11/2960 Fragen 11 und 12): Auf Grund welcher fachlichen Gutachten sieht sich die Bundesregierung veranlaßt, in dem Referentenentwurf zur Änderung der Bundesartenschutzverordnung die Aufhebung von Verkaufs- und Handelsverboten für gefährdete Wirbeltierarten, die Erleichterung des Handels zwischen zoologischen Einrichtungen mit gefährdeten Arten und die Zulassung des Handels mit zahlreichen besonders geschützten Arten, wie z. B. des Zwergschwans oder der Kolibris, vorzusehen? Welche Meinung vertreten nach Kenntnis der Bundesregierung die Fachreferenten in den Bundesländern zum Fehlen bundeseinheitlich geregelter Kennzeichnungspflichten für besonders geschützte Wirbeltierarten bzw. der vom Aussterben bedrohten Arten sowie zur Änderung der Anzeigepflichten? Zu Frage 11: Die beim Vollzug der Bundesartenschutzverordnung durch Bundes- und Länderbehörden seit Anfang 1987 gewonnenen Erfahrungen lassen es vertretbar erscheinen, die Vermarktungsverbote für gezüchtete Tiere der nicht hochgradig gefährdeten Arten zu Lokkern. Der BMU hat sich dabei des Sachverstands der zuständigen Bundesämter und der Länderbehörden bedient. Es soll zum einen ein Anreiz für die Vermarktung legal gezüchteter Tiere geschaffen werden und zum anderen den nach wie vor hohen Importen lebender Tiere aus Wildfängen insbesondere in den Entwicklungsländern entgegengewirkt werden. Soweit für einige Tier- und Pflanzenarten Einfuhrerleichterungen vorgesehen sind, ist dies auf zwischenzeitliche Erfahrungen der Einfuhrgenehmigungsbehörden der Bundesrepublik zurückzuführen. Diese haben bei der Prüfung von Einfuhrgenehmigungsanträgen in den letzten anderthalb Jahren festgestellt, daß einige ausländische Populationen besonders geschützter Arten nicht oder nicht mehr schutzbedürftig sind im Sinne der Schutzkriterien des BNatSchG. Bei der vorgesehenen neuen Regelung für den Handel zwischen Zoologischen Gärten handelt es sich im wesentlichen um eine Vereinfachung. Der bisher erforderliche bürokratische Aufwand bei der Genehmigung der Anträge auf Ausnahmen von den Verboten des § 12 Abs. 1 Bundesartenschutzverordnung fällt künftig weg. Der von Ihnen aufgeführte Zwergschwan ist in der jetzt gültigen Bundesartenschutzverordnung in Anlage 1 enthalten. In dem von Ihnen zitierten Referentenentwurf ist er in der Anlage 1 mit einem Kreuz in Spalte 2 aufgeführt. Dadurch sind Ausnahmeregelungen möglich; d. h. seine Einfuhr in den Hoheitsbereich der Bundesrepublik Deutschland darf nach geltendem Recht nur zu bestimmten Zwecken, z. B. zu wissenschaftlichen Zwecken genehmigt werden. Künftig soll die Einfuhrgenehmigung ohne Zweckbindung erteilt werden können. Allerdings möchte ich darauf aufmerksam machen, daß die Einfuhrgenehmigung an bestimmte in § 21b des Bundesnaturschutzgesetzes aufgeführte Vorausssetzungen gebunden ist. Und nun zum Kolibri: Der Kolibri ist in dieser Änderungsverordnung aus der Anlage 1 gestrichen, weil die Washingtoner Artenschutzabkommenarten nicht in Anlage 1 aufgeführt werden dürfen. Der Kolibri wird künftig in der Anlage 2 der Artenschutzverordnung zu finden sein. Dies kommt daher, weil der Kolibri in dem Washingtoner Artenschutzabkommen im Anhang 2 enthalten ist. Dies bedeutet zum einen eine fällige Rechtsbereinigung, und zum zweiten auch eine gewisse Erleichterung im Vergleich zur gültigen Verordnung. Allerdings ist die Einordnung in Anlage 2 versehen mit einem Kreuz in Spalte 4 ein stärkerer Schutz für den Kolibri als in dem Washingtoner Artenschutzabkommen vorgesehen. Zu Frage 12: Die Fachleute auf Bundes- und Landesebene sind sich darin einig, daß Kennzeichnungsregelungen zum besseren Vollzug des Artenschutzrechts dringend erforderlich sind. Die Mehrheit der Fachreferenten der Bundesländer ist ferner der Meinung, daß eine Reduzierung der Anzeigepflichten für besonders geschützte Wirbeltierarten notwendig ist. Anlage 5 Antwort des Staatssekretärs Kroppenstedt auf die Fragen des Abgeordneten Wüppesahl (fraktionslos) (Drucksache 11/2960 Fragen 29 und 30): Wie rechtfertigt die Bundesregierung die Tatsache, daß die Vollstreckungsvergütungsverordnung, in der die Vergütung für Beamte im Vollstreckungsdienst geregelt ist, seit 1948 unverändert geblieben ist, dergestalt, daß nach wie vor eine Vergütung in Höhe von 0,50 DM pro erledigte Zahlung oder Pfändung zuzüglich 0,5 v. H. der beigebrachten Geldbeträge gezahlt wird, obwohl die allgemeine Lohn- und Preisentwicklung seit 1948 enorm angestiegen ist und andere Berufsgruppen daran Anteil hatten? Trifft es zu, daß anerkannten Kriegsdienstverweigerern der Zugang zum Bundesgrenzschutz verwehrt wird, und wenn ja, wie ist die genaue Begründung für die Ablehnung? Zu Frage 29: Die Vollstreckungsvergütungsverordnung, in der die Vollstreckungsvergütung erstmals bundeseinheitlich geregelt wird, ist am 8. Juli 1976 (BGBl. I S. 1783) erlassen worden; vorher galten Länderregelungen. Die Vollziehungsbeamten erhalten wie die anderen Beamten feste Bezüge, die laufend an die wirtschaftliche Entwicklung angepaßt werden. Zu dieser allgemeinen Besoldung erhalten sie noch eine Vollstrekkungsvergütung entsprechend den von Ihnen genannten, unverändert gebliebenen Sätzen. Die Länder, in deren Bereich die Vollstreckungsdienste im wesentlichen ressortieren, haben bislang keine Änderung dieser Sätze vorgeschlagen. Dies dürfte darauf zurückzuführen sein, daß die Vollstreckungsvergütung in der Hauptsache aus einer festen prozentualen Beteiligung an den beigebrachten Beträgen besteht und das Volumen dieser Beträge aufgrund der allgemeinen Entwicklungen ständig gewachsen ist. Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 96. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 28. September 1988 6567 * Zu Frage 30: Nein, es trifft nicht zu, daß anerkannten Kriegsdienstverweigerern der Zugang zum Bundesgrenzschutz verwehrt wird. Anlage 6 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Jahn auf die Frage der Abgeordneten Frau Schmidt (Nürnberg) (SPD) (Drucksache 11/2960 Frage 37): Sieht sich die Bundesregierung veranlaßt, vor dem Hintergrund der Memminger Strafverfahren wegen Schwangerschaftsabbrüchen die geltenden § 218-Regelungen inhaltlich oder verfahrensmäßig zu verändern? Nach dem Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland obliegt es allein der rechtsprechenden Gewalt, Gesetze verbindlich auszulegen und im konkreten Einzelfall anzuwenden. Die Gerichte sind unabhängig und nur dem Gesetz unterworfen. Um jeden Anschein einer unzulässigen Einflußnahme auf ein schwebendes Verfahren zu vermeiden, sieht die Bundesregierung davon ab, zu den Memminger Strafverfahren Stellung zu nehmen. Dessen ungeachtet besteht nach Auffassung der Bundesregierung kein Anlaß, die geltenden Strafvorschriften über den Abbruch der Schwangerschaft zu ändern. Anlage 7 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Jahn auf die Fragen der Abgeordneten Frau Dr. Wegner (SPD) (Drucksache 11/2960 Fragen 38 und 39): Wie beurteilt die Bundesregierung die in Memmingen anhängigen bzw. abgeschlossenen Strafverfahren nach den §§ 218 bis 219c StGB gegen Frauen, an denen ein Schwangerschaftsabbruch vorgenommen wurde, in bezug auf das Gesetzgebungsvorhaben eines sogenannten Schwangerenberatungsgesetzes? Inwieweit entsprechen diese Prozesse dem von der Bundesregierung in der Haushaltsdebatte am 9. September 1988 bekräftigten Grundsatz der Bundesministerin für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit „Leben schützen, helfen statt strafen"? Zu Frage 38: Nach dem Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland obliegt es allein der rechtsprechenden Gewalt, Gesetze verbindlich auszulegen und im konkreten Fall anzuwenden. Die Gerichte sind unabhängig und nur dem Gesetz unterworfen. Die Bundesregierung sieht deshalb davon ab, zu den Memminger Verfahren Stellung zu nehmen. Im übrigen sieht die Bundesregierung keinen Zusammenhang zwischen diesen Verfahren und dem Referentenentwurf eines Schwangerenberatungsgesetzes; dieser läßt die Vorschriften über den Schwangerschaftsabbruch im Strafgesetzbuch unberührt. Zu Frage 39: Wie bereits oben ausgeführt, sieht die Bundesregierung davon ab, anhängige Strafverfahren zu beurteilen. Sie weist jedoch nochmals darauf hin, daß die Anwendung der geltenden Gesetze allein der rechtsprechenden Gewalt obliegt. Die Strafverfolgungsbehörden sind nach dem Legalitätsprinzip verpflichtet, wegen aller verfolgbarer Straftaten einzuschreiten. Dem Grundsatz „Leben schützen" werden die geltenden Vorschriften über den Schwangerschaftsabbruch gerecht. Nicht zuletzt soll diesem Ziel auch das Schwangerenberatungsgesetz dienen, das nicht bezweckt, die §§ 218 ff. StGB zu verschärfen, sondern schwangeren Frauen in Not zu helfen. Anlage 8 Antwort des Parl. Staatssekretärs Höpfinger auf die Fragen des Abgeordneten Dr. Schroeder (Freiburg) (CDU/CSU) (Drucksache 11/2960 Fragen 44 und 45): Wie beurteilt die Bundesregierung die jüngsten, zeitlich befristeten Tankstellenstreiks im Raum Freiburg wegen des Verkaufsverbotes von Zubehörartikeln und Lebensmitteln des Reisebedarfs außerhalb der üblichen Ladenöffnungszeiten, und welche Folgerungen zieht sie hieraus insbesondere im Hinblick auf die Entwicklung in der Europäischen Gemeinschaft? Beabsichtigt die Bundesregierung eine Änderung der derzeit einengenden Verkaufsmöglichkeiten für Reisebedarf an den Tankstellen außerhalb der allgemeinen Ladenöffnungszeiten entsprechend den erweiterten Ladenschlußbestimmungen auf Flughäfen und Bahnhöfen? Zur Frage der Ausdehnung des Verkaufs von Zubehörartikeln und Lebensmitteln in Tankstellen während der allgemeinen Ladenschlußzeiten werden zwei sich widersprechende Auffassungen vertreten. Während Inhaber von Tankstellen, z. B. im Raum Freiburg, eine Ausdehnung dieses Verkaufs erstreben, halten Inhaber von Verkaufsstellen und dort Beschäftigte an der gegenwärtig geltenden Regelung des § 6 des Ladenschlußgesetzes fest, nach der in Tankstellen während der allgemeinen Ladenschlußzeiten neben der Abgabe von Ersatzteilen für Kraftfahrzeuge und von Betriebsstoffen nur der Verkauf von Zigaretten und alkoholfreien Getränken in kleineren Mengen als Zubehör zulässig ist. Für die letztere Auffassung sprechen insbesondere Gründe der Wahrung der Wettbewerbsneutralität. Würde eine Ausdehnung des Verkaufs von Waren entsprechend den Wünschen der Tankstelleninhaber zugelassen, bestünde die Gefahr, daß die Verkaufsstellen in der Nähe von Tankstellen erhebliche Wettbewerbsnachteile erleiden. Die Entwicklung in der Europäischen Gemeinschaft zwingt nicht zu einer anderen Beurteilung. Die Bundesregierung beabsichtigt nicht, dem Deutschen Bundestag vorzuschlagen, die Verkaufsmöglichkeiten in Tankstellen entsprechend den erweiterten Ladenschlußbestimmungen auf Flughäfen und Bahnhöfen zu ändern. Anders als Bahn- und Flugreisende, die von festen An- und Abfahrtzeiten abhängig sind, können Autoreisende sich rechtzeitig und flexibel mit den benötigten Waren eindecken und überdies die rund um die Uhr geöffneten Nebenbetriebe 6568* Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 96. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 28. September 1988 (Tankstellen, Raststätten) an Bundesautobahnen aufsuchen. Außerdem ist der Begriff „Autoreisende" im Unterschied zum Begriff „Bahn- und Flugreisende" nicht hinreichend abgrenzbar. Anlage 9 Antwort des Parl. Staatssekretärs Höpfinger auf die Fragen des Abgeordneten Jäger (CDU/CSU) (Drucksache 11/2960 Fragen 46 und 47): Welche Prüfungspflicht obliegt den Krankenkassen der gesetzlichen Krankenversicherung im Hinblick auf das Vorliegen der Voraussetzung einer Leistung nach § 200f RVO, daß es sich nämlich um einen „nicht rechtswidrigen" Schwangerschaftsabbruch handeln muß, und welche Nachweise muß der abrechnende Arzt der Kasse zu diesem Zweck vorlegen? Ist der Verzicht auf eine Überprüfung des Vorliegens der Voraussetzung „nicht rechtswidrig" in § 200 f RVO durch die Krankenkassen, der in der Praxis die Regel geworden ist, mit den Normen des Grundgesetzes zum Schutz des Grundrechts auf Leben vereinbar, die — wie das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 25. Februar 1975 ausführt — dem Staat gebieten, sich schützend und fördernd vor das Leben ungeborener Kinder zu stellen? Die Krankenkassen haben bei einer Leistung nach § 200f RVO wie bei allen übrigen Leistungen zu prüfen, ob deren gesetzliche Voraussetzungen erfüllt sind. Sie gehen davon aus, daß ein nicht rechtswidriger Abbruch der Schwangerschaft nach den Vorschriften der §§ 218 ff Strafgesetzbuch nicht strafbar ist. Diese Auffassung wird von der herrschenden Meinung in der Literatur und auch von der Bundesregierung geteilt. Eine höchstrichterliche Entscheidung zu dieser Rechtsfrage liegt bisher nicht vor. Bei einem ambulant durchgeführten Schwangerschaftsabbruch reichen sowohl der die Indikation stellende als auch der den Abbruch durchführende Arzt ihre jeweiligen Abrechnungsunterlagen bei der zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung ein. Bei einem stationär durchgeführten Schwangerschaftsabbruch erfolgt die Abrechnung über den Pflegesatz des betreffenden Krankenhauses. Die Krankenkassen und die 'Kassenärztlichen Vereinigungen gehen grundsätzlich davon aus, daß die an einem Schwangerschaftsabbruch beteiligten Ärzte die geltenden Strafrechtsnormen einhalten, sich also nicht strafbar gemacht haben. Die Sonstige-Hilfen-Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen, die für den Kassenarzt verbindlich sind, schreiben vor, daß sich der den Schwangerschaftsabbruch vornehmende Arzt die Bescheinigung über das Vorliegen einer anerkannten Indikation von einem anderen Arzt vorlegen lassen muß und er zur Überprüfung dieser Indikationsfeststellung verpflichtet ist. Die Richtlinien regeln weiter, daß ein Schwangerschaftsabbruch nur dann durchgeführt werden darf, wenn die Voraussetzungen des Strafgesetzbuches über einen nicht rechtswidrigen Schwangerschaftsabbruch erfüllt sind. Eine Prüfung wird im Einzelfall vorgenommen, wenn besondere Anhaltspunkte dafür vorliegen, daß die Voraussetzungen für einen nicht rechtswidrigen Schwangerschaftsabbruch im Sinne des § 200f RVO nicht gegeben sind. Im übrigen ist die Prüfung der Strafbarkeit ärztlichen Handelns im Einzelfall nicht Aufgabe der Krankenkassen, sondern der Staatsanwaltschaft. Die Prüfungspraxis der Krankenkassen richtet sich auch im Falle der Leistung bei einem nicht rechtswidrigen Schwangerschaftsabbruch nach geltendem Recht. Von einem generellen Prüfungsverzicht kann bei dieser Leistung nicht gesprochen werden. Allerdings muß berücksichtigt werden, daß sich die Leistungsvoraussetzungen bei einem nicht rechtswidrigen Schwangerschaftsabbruch viel schwieriger überprüfen lassen als etwa bei einer Arbeitsunfähigkeit, weil sie sich weitgehend auf die Bewertung des indizierenden Arztes stützen müssen. Ein Verstoß gegen verfassungsrechtliche Grundsätze und die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist in der Entscheidungspraxis der Kassen nicht zu erkennen.
Gesamtes Protokol
Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1109600000
Meine Damen und Herren, die Sitzung ist eröffnet.
Ich rufe Punkt 1 der Tagesordnung auf: Fragestunde
— Drucksache 11/2960 —
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau. Der Herr Abgeordnete Dr. Sperling hat um schriftliche Beantwortung der Fragen 1 und 2 gebeten. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Damit kann ich den Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen aufrufen. Zur Beantwortung steht uns der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Voss zur Verfügung.
Ich rufe Frage 4 des Abgeordneten Funk (Gutenzell) auf:
Sieht die Bundesregierung auf Grund der schwierigen Einkommenslage in der Landwirtschaft Möglichkeiten, den Durchschnittssatz zur Gewinnermittlung bei der Veranlagung nach § 13a EStG zu senken?
Herr Staatssekretär, Sie haben das Wort.

Dr. Friedrich Voss (CSU):
Rede ID: ID1109600100
Danke schön, Herr Präsident. — Herr Kollege Funk, die Bundesregierung sieht derzeit keinen Anlaß zur Absenkung der Wertansätze des j 13 a des Einkommensteuergesetzes. Sowohl die mittleren Betriebsgewinne als auch die Höhe der Gewinnerfassung entsprechen weitgehend den Verhältnissen des Jahres 1980, des Zeitpunkts der letztmaligen Anpassung der Wertansätze für die Durchschnittsgewinnermittlung.

Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1109600200
Eine Zusatzfrage? — Bitte sehr, Herr Abgeordneter Funk.

Honor Funk (CDU):
Rede ID: ID1109600300
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß sich insbesondere die Nebenerwerbslandwirte darauf berufen, daß die Ergebnisse der Agrarberichte, die jährlich wiedergegeben werden, eine sinkende Tendenz haben? Ich möchte Sie deshalb fragen: Welche Nachweise müssen diese Landwirte führen, um belegen zu können, daß die Gewinne tatsächlich unter dem festgelegten Durchschnittsniveau liegen?
Dr. Voss, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Funk, die Bundesregierung richtet sich nach umfangreichem statistischen Material, das ihr vorliegt. Danach ist die Ertragslage im Wirtschaftsjahr 1986/87 bei Nebenerwerbsbetrieben im Mittel nur zu 67 bis 83 v. H. der tatsächlichen Gewinne erfaßt worden, so daß keine Notwendigkeit besteht, eine Änderung der bisher für Nebenerwerbsbetriebe geltenden Regelung vorzunehmen.

Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1109600400
Eine zweite Zusatzfrage? — Bitte schön.

Honor Funk (CDU):
Rede ID: ID1109600500
Wohin kann ich einen Nebenerwerbslandwirt verweisen, um das zu ändern, wenn er den Nachweis führen kann, daß dies tatsächlich nicht so ist?
Dr. Voss, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, es steht natürlich jedem Nebenerwerbslandwirt frei, sich beispielsweise an das Bundesfinanzministerium zu wenden und einmal darzulegen, wie er die Situation sieht. Aber ich habe Ihnen ja eben vorgetragen, daß nach dem umfänglichen Material, das der Bundesregierung zur Verfügung steht, zur Zeit keine Notwendigkeit einer Änderung besteht. Ich glaube daher auch nicht, daß ein Nebenerwerbslandwirt in der Lage sein wird, dies irgendwie in Frage zu stellen.

Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1109600600
Weitere Wortmeldungen liegen mir dazu nicht vor. Herr Staatssekretär, wir bedanken uns bei Ihnen und wünschen einen angenehmen Arbeitstag.
Dem Haus teile ich mit, daß der Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft nicht aufgerufen zu werden braucht, da der Herr Abgeordnete Dr. Lammert die Frage 5 zurückgezogen hat.
Das gleiche gilt für den Geschäftsbereich des Bundesministers für Forschung und Technologie, weil der Herr Abgeordnete Stiegler um schriftliche Beantwortung der Frage 6 gebeten hat. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Wir kommen nunmehr zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit. Hier steht uns der Parlamentarische Staatssekretär Gröbl zur Verfügung.



Vizepräsident Cronenberg
Ich möchte das Haus um Zustimmung dazu bitten, daß ich zunächst die Frage 13 der Abgeordneten Frau Wollny aufrufe:
Welche Veränderungen wird die angekündigte Novelle der Klärschlammverordnung insbesondere im Hinblick auf organische Schadstoffe enthalten, und wann wird die Bundesregierung einen Entwurf vorlegen?
Herr Staatssekretär, ich nehme an, daß auch Sie damit einverstanden sind. Denn die Abgeordnete Frau Adler ist noch nicht im Saal; sie konnte nicht ahnen, daß wir mit den übrigen Geschäftsbereichen so schnell fertig sein würden. — Bitte sehr, Herr Staatssekretär.

Wolfgang Gröbl (CSU):
Rede ID: ID1109600700
Herr Präsident! Frau Kollegin! Die Beratungen und Abstimmungen zur Novellierung der Klärschlammverordnung sind noch im Gange. So kann die Frage nach den zu erwartenden Veränderungen im einzelnen derzeit nicht beantwortet werden. Allerdings ist schon jetzt erkennbar, daß der Entwurf eine Regelung zur Beendigung der Klärschlammaufbringung auf Grünland und Feldfutteranbauflächen enthalten wird.
Die Bundesregierung wird den Entwurf einer Novelle zur Klärschlammverordnung in der ersten Jahreshälfte 1989 vorlegen.

Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1109600800
Zusatzfrage, Frau Abgeordnete, bitte sehr.

Lieselotte Wollny (DIE GRÜNEN/BÜNDNIS 90):
Rede ID: ID1109600900
Durch eine Kleine Anfrage der GRÜNEN und durch eine Report-Sendung wurde bekannt, daß Klärschlämme eine Fülle von schwer abbaubaren organischen Schadstoffen in großen Konzentrationen enthalten, z. B. Dioxine, PCBs und andere chlororganische Verbindungen sowie jede Art von Tensiden.
Kann die Bundesregierung eigentlich ausschließen, daß die Waschhilfsstoffe wie Tenside und Percarboxylate — von ihnen sind 95 To der Gesamtproduktion, also 15 000 t, im Klärschlamm wiederzufinden — die Wasserlöslichkeit von Dioxinen, PCBs und anderen chlororganischen Verbindungen heruntersetzen, so daß es nicht zu einer Kontamination von Grundwasser kommt?
Gröbl, Parl. Staatssekretär: Was die Tenside betrifft, so gibt es eine Verordnung, die sicherstellt, daß diese Tenside sehr schnell abgebaut werden.
Der Sinn Ihrer Frage liegt darin — so interpretiere ich ihn — , die Problematik der Dioxinauswaschung durch die Tenside anzusprechen. Nach unserem Wissensstand ist hier die Gefahr einer Auswaschung von Dioxinen im Boden durch Tenside nicht gegeben; Dioxine ihrerseits sind öllöslich.

Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1109601000
Eine weitere Zusatzfrage, bitte schön. — Ich wäre Ihnen dankbar, Frau Abgeordnete, wenn Sie Fragen kurz und präzise stellen würden.

Lieselotte Wollny (DIE GRÜNEN/BÜNDNIS 90):
Rede ID: ID1109601100
Sieht die Bundesregierung aus Vorsorgegründen die Notwendigkeit, sofort, noch vor der Novelle der Klärschlammverordnung, Grenzwerte für organische Stoffe in Klärschlämmen festzusetzen bzw. die landwirtschaftliche Nutzung von Klärschlämmen generell zu verbieten, also nicht nur die Ausbringung auf Grünflächen und auf Feldfutteranbauflächen?
Gröbl, Parl. Staatssekretär: Das Erfordernis der Vorsorge gebietet, daß die Klärschlammausbringung auf Grünland und Feldfutteranbauflächen kurzfristig eingestellt wird.
Die Untersuchungen, die uns vorliegen, sagen aus, daß Pflanzen — etwa Getreide oder Kartoffeln — möglicherweise im Boden vorhandene Dioxine nicht aufnehmen, so daß die Dioxine nicht in den Nahrungsmittelkreislauf gelangen können.
Die Gefährdung ist durch die Anhaftung solcher Stoffe auf Gras, auf Heu, auf Silage oder auf Futtermitteln gegeben, und es besteht die Gefahr, daß über diesen Pfad — Futtermittel, Tier, Mensch — Dioxine wieder in den Kreislauf gelangen.

Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1109601200
Weitere Zusatzfrage, Frau Hensel.

Karitas Dagmar Hensel (DIE GRÜNEN/BÜNDNIS 90):
Rede ID: ID1109601300
: Wenn es die Bundesregierung bis zum Erlaß einer Novelle der Klärschlammverordnung und eventuell auch noch darüber hinaus zulassen will, daß Klärschlämme mit Dioxingehalten in der Größenordnung derjenigen von Filterstäuben aus Müllverbrennungsanlagen auf Ackerböden gebracht werden, wie will sie dann sicherstellen, daß keine Umwidmung von Ackerflächen in Grünland oder Feldfutteranbauflächen stattfindet, was aus den eigenen Empfehlungen heraus kontraproduktiv wäre?
Gröbl, Parl. Staatssekretär: Die jüngste Untersuchung von Professor Hagenmaier hat ergeben, daß die Dioxinkonzentration auch in Böden, die über mehrere Jahre mit stärker belasteten Klärschlämmen belastet wurden, im Boden einen Wert von etwa 0,2 bis 0,3 Nanogramm pro Kilogramm Trockensubstanz Boden erreicht. Deshalb sieht die Bundesregierung kein Erfordernis, eine Umwidmung von Ackerflächen in Grünland aus diesem Grund zu untersagen. Etwas anderes ist es, daß es aus naturschützerischen oder ökologischen Gründen nicht im Interesse der Bundesregierung liegt.

Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1109601400
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Lippelt.

Dr. Helmut Lippelt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1109601500
Herr Staatssekretär, wenn nun landwirtschaftliche Klärschlammnutzung nicht verboten wird, für welche Schadstoffe wird dann die Bundesregierung in der Novelle der Klärschlammverordnung Grenzwerte setzen und regelmäßige Kontrollen vorschreiben?
Gröbl, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, zunächst werden die Grenzwerte, die schon in der jetzigen Klärschlammverordnung enthalten sind, überprüft und auf den Stand gebracht, den uns die Wissenschaft empfiehlt. Das gilt für die Klärschlämme selbst und für die Messungen im Boden.
Ich glaube, Sie wollten noch wissen, wie es mit den organischen Bestandteilen aussieht. Bei den organischen Stoffen sehen wir derzeit das Problem, daß die



Parl. Staatssekretär Gröbl
Prüfung sowohl im Klärschlamm als auch im Boden so aufwendig und kostspielig ist, daß dieses Verfahren derzeit nicht praktikabel erscheint. Das kann sich aber ändern. Deshalb haben wir zu der Vorsorgemaßnahme gegriffen, die Länder zu bitten, die Klärschlammaufbringung auf Grünland und Feldfutteranbauflächen möglichst bald einzustellen.

Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1109601600
Eine Zusatzfrage der Abgeordneten Frau Garbe.

Charlotte Garbe (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1109601700
Herr Staatssekretär, sind Sie nicht darüber informiert, daß das Bundesgesundheitsamt den kurzfristigen Ausstieg aus der Klärschlammnutzung in der Landwirtschaft und nicht nur für Grünland und Feldfutteranbaufläche empfohlen hat und sich auch das Umweltbundesamt dahingehend ausgesprochen hat?
Gröbl, Parl. Staatssekretär: Das Bundesgesundheitsamt in Berlin hat dem Bundesumweltminister die Maßnahme empfohlen, die er vor kurzem in der Pressekonferenz bekanntgegeben hat.

Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1109601800
Es liegen keine weiteren Wünsche nach Zusatzfragen vor.
Ich rufe die Frage 14 der Abgeordneten Frau Wollny auf :
Wie stellt sich die Bundesregierung die kurzfristige Entsorgung der kommunalen Klärschlämme vor, die künftig nicht mehr in der Landwirtschaft genutzt werden können, und inwieweit müssen solche Schlämme, deren Dioxingehalt so hoch ist wie der von Filterstäuben aus der Müllverbrennung, als Sonderabfall betrachtet werden?
Herr Staatssekretär, Sie haben das Wort.
Gröbl, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin, derzeit werden etwa 5 To der kommunalen Klärschlämme — das sind rund 2,5 Millionen Kubikmeter oder umgerechnet 115 000 Tonnen Trockenmasse — auf Grünland und Feldfutteranbauflächen aufgebracht.
Aus den bisherigen Untersuchungsergebnissen läßt sich ein unmittelbarer Handlungsbedarf nicht ableiten. Trotzdem hat der Bundesumweltminister aus Vorsorgegründen — ich habe es schon erwähnt — den Bundesländern gegenüber eine Empfehlung zur teilweisen Einstellung der landwirtschaftlichen Klärschlammverwertung ausgesprochen. Der Bundesumweltminister erwartet, daß die Klärschlammaufbringung auf Grünland und Feldfutteranbauflächen kurzfristig geändert wird. Als Alternativen zur landwirtschaftlichen Klärschlammverwertung kommen die Verbrennung und die Deponierung in Betracht.
Nach den bisherigen Untersuchungsergebnissen liegen die Dioxingehalte von Klärschlämmen insgesamt niedriger als bei Filterstäuben aus Müllverbrennungsanlagen. Darauf weist auch Professor Hagen-maier hin. Klärschlämme sind von daher nicht als Sonderabfall zu betrachten.
Allerdings werden weitere Untersuchungen für erforderlich gehalten, um die Aussagefähigkeit der vorliegenden Daten bundesweit abzusichern. Werden die vorliegenden Analysedaten in Toxizitätsäquivalente umgerechnet, so liegt der Mittelwert aller Meßwerte aus 28 Kläranlagen bei ca. 0,3 Nanogramm Toxizitätsäquivalenten pro Gramm. Demgegenüber be-
wegen sich die Dioxingehalte einiger Filterstäube zwischen 0,7 und 8,2 Nanogramm Toxizitätsäquivalenten pro Gramm.

Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1109601900
Eine Zusatzfrage von Frau Wollny.

Lieselotte Wollny (DIE GRÜNEN/BÜNDNIS 90):
Rede ID: ID1109602000
Meine erste Frage hat sich eigentlich erübrigt, da Sie bereits festgestellt haben, daß es sich nicht um Sondermüll handelt. Dem würde ich allerdings widersprechen.
Welche Konzepte hat das Umweltministerium angesichts der Tatsache entwickelt, daß das Klärschlammaufkommen durch die Maßnahmen der Nährstoffentfernung aus Abwässern noch um 30 ansteigen wird, oder läuft hier eine Umverteilungsaktion nach dem Motto „Raus aus dem Wasser und rauf auf die Felder" ?
Gröbl, Parl. Staatssekretär: Ist das die Frage gewesen?

Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1109602100
Herr Staatssekretär, das Fragezeichen setzen wir gedanklich dahinter. Dann können Sie antworten.
Gröbl, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin, wie Sie wissen, sind für die Klärschlammverbrennung und -beseitigung zunächst die Kommunen bzw. die Klärwerke und darüber hinaus die Bundesländer zuständig. Die Bundesregierung wird sich selbstverständlich im Rahmen der ständigen Konsultation mit den Bundesländern auch über diese Frage unterhalten.
Sie haben allerdings recht: Das Klärschlammaufkommen wird auch durch diese Maßnahmen steigen. Auf die Bundesländer und auf die Kommunen kommt hier eine erhebliche zusätzliche Aufgabe zu.

Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1109602200
Wird eine weitere Zusatzfrage gewünscht, Frau Wollny? — Das ist nicht der Fall. Dann hat der Abgeordnete Kroll-Schlüter die Möglichkeit, eine Zusatzfrage zu stellen.

Hermann Kroll-Schlüter (CDU):
Rede ID: ID1109602300
Herr Staatssekretär, das ist nicht nur eine zusätzliche Aufgabe für die Kommunen, sondern das sind sicherlich auch zusätzliche Kosten. Können Sie sagen, wie hoch diese neuen Kosten für die Kommunen insgesamt sein werden? Können Sie sich vorstellen, daß die Bundesregierung einen Beitrag dazu leistet, gemeinsam mit den Kommunen den Bürgerinnen und Bürgern zu verdeutlichen, daß auch hier der Umweltschutz nicht zum Nulltarif zu haben ist?
Gröbl, Parl. Staatssekretär: In der Tat ist dies ein treffliches Beispiel für die These: Umweltschutz ist nicht zum Nulltarif zu bekommen. Die Frage nach den Kosten, die durch diese Empfehlung der Bundesregierung auf Kommunen und gegebenenfalls auf Länder zusätzlich zukommen, kann ich heute nicht beantworten, weil dies sehr deutlich davon abhängt, welches Verfahren das jeweilige Klärwerk anwendet bzw. welches Verfahren im jeweiligen Bundesland gewählt wird.
Gelingt es, einen großen Teil des betreffenden Klärschlamms — ich habe von 115 000 Tonnen pro Jahr



Parl. Staatssekretär Gröbl
gesprochen — auf Ackerbauflächen umzulenken, werden sich die Kosten sicherlich in engen Grenzen halten. Gelingt dies nicht, muß dafür Deponieraum oder müssen Verbrennungsanlagen in Anspruch genommen werden, so werden sich die Kosten natürlich in einer ganz anderen Größenordnung darstellen.

Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1109602400
Eine Zusatzfrage der Abgeordneten Frau Hensel.

Karitas Dagmar Hensel (DIE GRÜNEN/BÜNDNIS 90):
Rede ID: ID1109602500
Herr Staatssekretär, Umweltminister Töpfer ist in Sachen Klärschlamm erst nach einer Kleinen Anfrage der GRÜNEN und nachdem ihm die „Report"-Redaktion unbequeme Fragen gestellt hatte, tätig geworden. War Umweltminister Töpfer nicht darüber informiert, daß die ersten Untersuchungsergebnisse bereits vor vielen Monaten zeigten, daß Klärschlämme zum Teil derart stark mit Dioxinen belastet sind, daß sie nach der Gefahrstoffverordnung nicht in den Verkehr gebracht werden dürften, oder aus welchem anderen Grund hielt er diese Maßnahme für aufschiebbar?
In diesem Zusammenhang ist natürlich auch die Frage einer möglichen routinemäßigen Schadstoffkontrolle zu sehen.
Gröbl, Parl. Staatssekretär: Zu der Frage, ob Klärschlämme nach der Gefahrstoffverordnung hätten behandelt werden müssen oder ob die Grenzwerte in den Klärschlämmen überschritten worden sind, verweise ich auf die Antwort der Bundesregierung auf Ihre schriftliche Kleine Anfrage. Darin ist das alles enthalten.
Zum zweiten darf ich Sie darauf verweisen, daß das Bundesumweltministerium im Rahmen der Vorsorgepolitik schon vor Jahren einen Auftrag an Herrn Professor Dr. Hanspaul Hagenmaier erteilt hat, um eben die Informationen zu erhalten, auf denen sowohl die „Report"-Sendung als auch wohl Ihre Kleine Anfrage aufbauen.
Sie sehen, dieser Bundesumweltminister und das Bundesumweltministerium lassen sich von niemandem in der Vorsorgepolitik übertreffen.

(Frau Hensel [GRÜNE]: Das war meine Frage! Die Untätigkeit!)


Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1109602600
Die nächste Zusatzfrage möchte die Abgeordnete Frau Garbe stellen.

Charlotte Garbe (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1109602700
Herr Staatssekretär, Sie haben vorhin eine diesbezügliche Pressemitteilung angesprochen, nach der Sie die Empfehlungen des BGA und des UBA befolgt haben. Meine Frage ist nun: Sind Sie bereit, die Stellungnahmen des Bundesumweltamtes und des Bundesgesundheitsamtes hier offenzulegen, damit sich jede Abgeordnete und jeder Abgeordneter selbst ein Bild machen kann?
Gröbl, Parl. Staatssekretär: Ich habe diese Stellungnahmen jetzt nicht im Zitat dabei. Inhaltlich verweise ich auf das, was ich in meiner vorherigen Antwort schon gesagt habe.

Charlotte Garbe (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1109602800
Können Sie uns die zuleiten?
Gröbl, Parl. Staatssekretär: Sicherlich, kein Problem. Wir können uns auch im Ausschuß darüber unterhalten.

(Frau Garbe [GRÜNE]: Ich hätte sie gerne vorliegen!)

— Gerne.

Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1109602900
Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Lippelt.

Dr. Helmut Lippelt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1109603000
Herr Staatssekretär, angesichts der Kosten, die da auf Kommunen zukommen, und angesichts des Umstands, daß die Schadstoffbelastung der Klärschlämme ja nur ein Abbild der Schadstoffbelastung der Abwässer ist, sind
Sie doch gewiß mit mir auch der Meinung, daß es das Billigste ist, möglichst saubere Abwässer zu haben. Jetzt die Frage: Meinen nicht auch Sie, daß längst Zeit gegeben ist, die Anwendung gefährlicher Chemikalien im Haushalts- und Hobbybereich durch Verwendungsverbote nach § 17 des Chemikaliengesetzes und beispielsweise die Anwendung dioxinrelevanter Produktionslinien, z. B. in der Chlorbleiche, zu verbieten, zumal auch da Alternativen längst vorhanden sind?
Gröbl, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, Ihre Feststellung ist richtig. Klärschlamm ist das Spiegelbild der Belastung des Abwassers. Wir teilen Ihre Auffassung, daß es unser Bemühen sein muß, die Einleitung ins Wasser möglichst gering zu halten; das ist auch die Aussage des § 7 a des Wasserhaushaltsgesetzes. Auch die Zielsetzung des Waschmittelgesetzes geht eindeutig in diese Richtung.
Zum letzten Teil Ihrer Frage darf ich auf das Bemühen der Bundesregierung aufmerksam machen, z. B. das von Ihnen erwähnte PCB zu verbieten. Sie wissen, daß wir einen entsprechenden Verordnungsentwurf zur Zeit im Verfahren haben, und Sie wissen auch, daß wir Probleme haben, bei der EG eine Anerkennung des Verordnungsentwurfs zu erhalten. Das Bemühen geht auf das gleiche Ziel hinaus, wie es von Ihnen angesprochen worden ist.

Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1109603100
Danke schön. Weitere Zusatzfragen liegen nicht vor.
Ich möchte das Haus darüber informieren, daß Frage 7 der Abgeordneten Frau Blunck zurückgezogen worden ist und daß Frage 8 der Abgeordneten Frau Blunck auf deren Wunsch schriftlich beantwortet wird. Die Fragen 11 und 12 der Abgeordneten Frau Dr. Hartenstein werden auf deren Wunsch ebenfalls schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.

Brigitte Adler (SPD):
Rede ID: ID1109603200

Sieht die Bundesregierung die Notwendigkeit der Einführung der Verbandsklage für anerkannte Naturschutzverbände, um u. a. rechtswidrige Natur- und Artenschutzverordnungen möglichst frühzeitig korrigieren zu können, und wird sie auch deshalb die Einführung der Verbandsklage im Rahmen der Novellierung des Bundesnaturschutzgesetzes regeln?
Gröbl, Parl. Staatssekretär: Herr Präsident, Frau Kollegin, eine Referentenentwurf für ein Zweites Ge-



Parl. Staatssekretär Gröbl
setz zur Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes wird in Kürze fertiggestellt, er ist noch nicht fertig. Er sieht u. a. die Erweiterung der Mitwirkungsrechte für anerkannte Naturschutzvereine und Naturschutzverbände vor, damit der Sachverstand dieser Organisationen verstärkt in Verwaltungs- und Rechtssetzungsverfahren, die den Naturschutz betreffen oder sich darauf auswirken, eingebracht werden kann. Dies erscheint zur Wahrung der Naturschutzbelange und zur Verminderung des Vollzugsdefizits sinnvoller als die bundesweite Einführung prozessualer Rechtsbehelfe für Verbände. Den Ländern steht es aber frei, für ihren Bereich die Verbandsklage zuzulassen. Von dieser Möglichkeit haben einige Länder auch Gebrauch gemacht; ich nenne hier die Stadtstaaten sowie Hessen und das Saarland.

Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1109603300
Zusatzfrage, bitte sehr, Frau Abgeordnete Adler.

Brigitte Adler (SPD):
Rede ID: ID1109603400
Herr Staatssekretär, könnten Sie etwas genauer sagen, was Sie unter „Mitwirkungsrechte ausweiten" verstehen?
Gröbl, Parl. Staatssekretär: Sie werden Verständnis dafür haben, daß ich im einzelnen noch nicht aus dem Entwurf zitiere. Wir verstehen unter dieser erweiterten Mitwirkung eine Beteiligung bei der Vorbereitung von Verordnungen und anderen, im Range unter dem Gesetz stehenden Rechtsvorschriften.
Wir sind der Meinung, daß Programme und Pläne, die im Sinne des Bundesnaturschutzgesetzes erlassen werden, auch mit den Verbänden vorher zu besprechen sind. Wir sind auch der Meinung, daß bei der Vorbereitung von Plänen im Sinne des § 5 des Raumordnungsgesetzes sowie bei Raumordnungsverfahren eine solche Beteiligung wünschenswert ist.
Dann gibt es noch eine ganze Reihe von Einzelvorhaben, die wir gerne aufführen wollen. Zum Beispiel bei der Einführung eines neuen Nationalparkes oder bei der Linienführung von Wasserstraßen und dergleichen mehr sind wir der Meinung, daß eine solche Mitwirkung sinnvoll, ja, erforderlich ist.
Ich bitte, dies jetzt nicht als abschließende Aufzählung zu betrachten, sondern als eine Aufzählung von Beispielen.

Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1109603500
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Hirsch.

Dr. Burkhard Hirsch (FDP):
Rede ID: ID1109603600
Herr Staatssekretär, sind Sie bereit, den Fachausschuß in absehbarer Zeit noch einmal im einzelnen darüber zu unterrichten, welche — wie wir finden: positiven — Erfahrungen mit der Verbandsklage in den von Ihnen genannten Bundesländern, aber auch z. B. in der Schweiz, in einem ganz ähnlichen Rechtssystem, gemacht worden sind?
Gröbl, Parl. Staatssekretär: Dazu sind wir gerne bereit, Herr Kollege. Ich würde sogar empfehlen, daß wir dafür den zuständigen Kollegen z. B. aus Hessen oder aus einem anderen Bundesland heranziehen, daß wir ihn bitten, uns zu berichten.

(Dr. Hirsch [FDP]: Eine hervorragende Idee!)


Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1109603700
Eine Zusatzfrage der Abgeordneten Frau Hensel.

Karitas Dagmar Hensel (DIE GRÜNEN/BÜNDNIS 90):
Rede ID: ID1109603800
Herr Staatssekretär, warum hat die Bundesregierung bisher noch keine Verordnung zur Kennzeichnungspflicht für Waren, die von unter Artenschutz stehenden Tieren stammen, erlassen, um Vollzugsdefizite im Artenschutz abzubauen, obwohl dies laut Bundesartenschutzverordnung möglich ist und ist solch eine Verordnung geplant?
Gröbl, Parl. Staatssekretär: Gnädige Frau, hier sehe ich überhaupt keinen Zusammenhang zu der Frage nach der Beteiligung von Verbänden. Sie haben wahrscheinlich den Zettel erwischt, der zu der Frage gehört, die schriftlich beantwortet werden soll.

Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1109603900
Herr Staatssekretär, dieser Bewertung ist voll zuzustimmen.
Ich rufe die Frage 10 der Abgeordneten Frau Adler auf:
Sieht die Bundesregierung die Notwendigkeit, durch Neustrukturierung der Regelungen des Artenschutzes über Positivlisten die Vollzugsdefizite im Artenschutz abzubauen, und wird sie in Vorbereitung auf den freien Binnenmarkt 1992 eine für die EG vorbildliche Artenschutz-VO auf der Basis von Positivlisten vorlegen?
Gröbl, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin, die Einführung von Positivlisten, d. h. einer namentlichen Aufführung von Tier- und Pflanzenarten, die für den nationalen und internationalen Handel frei gegeben sind, widerspricht dem System des Washingtoner Artenschutzübereinkommens und den EG-Verordnungen zu diesem Übereinkommen, die beide mit den sogenannten Negativlisten ausgestattet sind. Positivlisten lassen sich auch nicht mit dem der Bundesartenschutzverordnung zu Grunde liegenden Bundesnaturschutzgesetz vereinbaren.
Der Gesetzgeber hat sich bei der Verabschiedung des ersten Gesetzes zur Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes, der sogenannte Artenschutznovelle, im Jahre 1986 gegen das System von Positivlisten entschieden. Die Vorschrift des § 20e des Bundesnaturschutzgesetzes läßt den besonderen Schutz für Tier- und Pflanzenarten nur zu, wenn deren Gefährdung durch den menschlichen Zugriff nachgewiesen ist.

Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1109604000
Zusatzfrage, bitte sehr, Frau Abgeordnete Adler.

Brigitte Adler (SPD):
Rede ID: ID1109604100
Herr Staatssekretär, könnten Sie jetzt aber doch etwas genauer sagen, wie Sie dieses Defizit, das ja augenfällig besteht, abbauen wollen, wenn Sie die Positivlisten ablehnen?
Gröbl, Parl. Staatssekretär: Das Defizit im Vollzug, das zweifellos vorhanden ist, besteht nach unserer Auffassung darin, daß im Vollzug der letzten Bundesartenschutzverordnung zuviel an bürokratischem Aufwand verlangt worden ist. Wir wollen bei der Novellierung dieser Bundesartenschutzverordnung eine Vereinfachung vornehmen und unnötigen bürokratischen Aufwand weglassen.

Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1109604200
Frau Abgeordnete Wollny zu einer Zusatzfrage.




Lieselotte Wollny (DIE GRÜNEN/BÜNDNIS 90):
Rede ID: ID1109604300
Jetzt stelle ich die verfrühte Frage noch einmal.

Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1109604400
Herr Staatssekretär, wenn Sie sie noch im Kopf haben, können wir ja darauf verzichten, und Sie können die Antwort dann gleich geben. Denn es war ja offensichtlich ein Regiefehler, der da passiert ist.
Gröbl, Parl. Staatssekretär: Mir wäre es jetzt doch lieber, wenn Sie die Frage noch einmal stellen würden; denn dann kann ich direkt darauf eingehen.

Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1109604500
Bitte sehr.

Lieselotte Wollny (DIE GRÜNEN/BÜNDNIS 90):
Rede ID: ID1109604600
Warum hat die Bundesregierung bisher noch keine Verordnung zur Kennzeichnungspflicht von Artenschutzwaren erlassen, um Vollzugsdefizite im Artenschutz abzubauen, obwohl es laut Bundesartenschutzverordnung — § 9 Abs. 2 Satz 1 — möglich ist, und ist so eine Verordnung geplant?
Gröbl, Parl. Staatssekretär: Erste Feststellung: In der Tat ist dies ein Defizit, das aufgearbeitet werden muß. Es ist uns, dem Bundesumweltministerium, bisher nicht möglich gewesen, dieses Defizit zu beheben. Wir wissen, daß dies geschehen muß, und werden uns auch bemühen, dies nachzuholen. Nur bitte ich, auch dies im Zusammenhang damit zu sehen — wir haben es ja in den Haushaltsberatungen mit eingebracht —, daß das Bundesumweltministerium, was die Nutzung seiner personellen Kapazitäten angeht, in einem Maße gefordert ist, wie das auf längere Zeit nicht mehr tragbar ist. Deshalb bin ich Ihrer Unterstützung gewiß, wenn wir uns um eine Anhebung der Stellen gerade für den Naturschutzbereich bemühen.

Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1109604700
Danke schön. — Wir kommen jetzt auf den Komplex Klärschlamm zurück, und zwar durch die Beantwortung der Fragen 15 und 16 von Frau Garbe. Das Auseinanderreißen dieses Komplexes ist darauf zurückzuführen, daß ich die Fragen von Frau Adler zurückgestellt hatte. Ich bitte um Verständnis.

Charlotte Garbe (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1109604800

Aus welchem Grunde hat der Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, Dr. Töpfer, den Ländern empfohlen, die Ausbringung von Klärschlämmen auf Grünland und Futterfeldanbauflächen zu untersagen, und warum wurde kein generelles Verbot der landwirtschaftlichen Ausbringung erlassen?
Gröbl, Parl. Staatssekretär: Bei den auf Veranlassung der Bundesregierung durchgeführten Untersuchungen über organische Schadstoffe in Klärschlämmen haben sich vor allem Dioxine Furane (polychlorierte Dibenzodioxine/polychlorierte Dibenzofurane) und polychlorierte Biphenyle (PCBs) als relevant erwiesen. Es ist nicht auszuschließen, daß mit Klärschlamm beaufschlagte — also behaftete — Pflanzen und Bodenteile durch Nutztiere aufgenommen werden und somit ein Übergang von PCB- bzw. PCDD-
und PCDF-Spuren in die Nahrungskette Tier — Mensch erfolgt. Daher hat Bundesumweltminister Professor Dr. Töpfer den Ländern unter Vorsorgegesichtspunkten empfohlen, im Vorgriff auf die Novelle
zur Klärschlammverordnung das Aufbringen von Klärschlämmen auf Grünland und Feldfutteranbauflächen zu untersagen. Die Länder können bereits heute nach § 15 Abs. 5 des Abfallgesetzes im jeweiligen Einzelfall das Aufbringen von Klärschlämmen verbieten oder beschränken, soweit eine Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit zu besorgen ist.
Nach den bisherigen Untersuchungsergebnissen ist eine Aufnahme organischer Schadstoffe durch Pflanzen selbst in der Regel nicht erfolgt. Daher erscheint ein Verbot auch für die Klärschlammausbringung auf Ackerflächen nicht gerechtfertigt.

Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1109604900
Zusatzfrage? — Bitte sehr.

Charlotte Garbe (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1109605000
Herr Staatssekretär, haben Umweltbundesamt und Gesundheitsamt die weitere landwirtschaftliche Nutzung von Klärschlämmen nicht mit der Forderung nach einer routinemäßigen Kontrolle auch organischer Stoffe, insbesondere der Dioxine und PCBs, verknüpft, um zumindest sicherzustellen, daß nur unbelasteter Klärschlamm ausgebracht wird?
Gröbl, Parl. Staatssekretär: Ich habe das bei der Beantwortung früherer Fragen schon dargelegt. Das Bundesgesundheitsamt hat die Empfehlung gegeben, die landwirtschaftliche Verwertung von Klärschlämmen langfristig einzustellen.
Eine Überprüfung von Dioxin-Werten oder PCB-Werten, die sicherlich sinnvoll sein könnte, ist von den Kommunen und auch von den Ländern derzeit nicht zu verlangen, weil das Prüfverfahren zur Zeit noch zu aufwendig und zu teuer ist.

Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1109605100
Weitere Zusatzfrage, bitte schön, Frau Garbe.

Charlotte Garbe (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1109605200
Auf die Sache komme ich nachher noch einmal mit einer zweiten Frage zurück. Ich habe jetzt noch einen anderen Punkt, der auch große Probleme aufwirft. Sieht die Bundesregierung Probleme darin, daß mit organischen Schadstoffen und mit Schwermetallen stark belastete Klärschlämme sogar als Wirtschaftsgut deklariert werden können, wie dies z. B. in Vahlbruch, Landkreis Holz-minden, von seiten der Bezirksregierung in Hannover im Einzugsbereich der Bad Pyrmonter Heilwasserquellen geschehen ist? Welche Schritte wird die Bundesregierung unternehmen, um dieses Schlupfloch des Abfallgesetzes zu stopfen?
Gröbl, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin, Sie werden mir nachsehen, daß mein Informationsstand diese Verfügung einer Bezirksregierung nicht beinhaltet. Ich bitte um Nachsicht. Sollten Sie tatsächlich an einer Beantwortung dieser Frage interessiert sein, bitte ich Sie, sie mir schriftlich zu geben.

Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1109605300
Frau Hensel, nun kommt Ihre Zusatzfrage.

Karitas Dagmar Hensel (DIE GRÜNEN/BÜNDNIS 90):
Rede ID: ID1109605400
Ich hoffe, ich bin jetzt richtig im Text. Herr Staatssekretär, sind Sie bereit, die Stellungnahmen des Umweltbundesamtes und des Bun-



Frau Hensel
desgesundheitsamtes offenzulegen, damit sich jeder Abgeordnete und jede Abgeordnete selbst ein Urteil über diese Situation bilden kann, in welcher Form auch immer?
Gröbl, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin, ich meine, eine ähnlich formulierte Frage hatte schon vorher eine Kollegin von Ihnen verlesen.

(Frau Hensel [GRÜNE]: Habe ich denn heute so ein Pech? Das glaube ich eigentlich nicht!)

— Immer erwischt es Sie.

Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1109605500
Und beantwortet wurde die Frage auch schon. Da hat die Regie wiederum nicht geklappt, Frau Abgeordnete.
Wir kommen zur Beantwortung der Frage 16 der Abgeordneten Frau Garbe:
Wenn die Bundesregierung die landwirtschaftliche Klärschlammverbringung schon nicht generell ausschließen will, zieht sie dann zumindest die Konsequenz, Klärschlämme ab sofort routinemäßig insbesondere auf Dioxine und PCB untersuchen zu lassen, um sicherzustellen, daß nur unbelastete Schlämme ausgebracht werden?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Gröbl, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin, die Bewertung der bisherigen Untersuchungsergebnisse ist noch nicht abgeschlossen. Die ursprüngliche Vorstellung, auch für Dioxine und PCBs Grenzwerte im Klärschlamm festzulegen, ist zunächst aufgegeben worden, weil der dann erforderliche Untersuchungsaufwand derzeit kaum tragbar erscheint. Statt dessen soll das Aufbringungsverbot für Grünland und Feldfutteranbauflächen die Möglichkeit des Übergangs derartiger Schadstoffe in die Nahrungskette verhindern.

Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1109605600
Zusatzfrage.

Charlotte Garbe (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1109605700
Liegen der Bundesregierung neuere Ergebnisse vor, die es erlauben würden, den Kreis der in Frage kommenden, durch Dioxin belasteten Klärschlämme einzuengen, wobei ich, jetzt nicht an PCP denke, worüber man auch noch sprechen könnte?
Gröbl, Parl. Staatssekretär: Zu PCP habe ich mich ja geäußert. Dieser Fall ist völlig klar.

(Frau Garbe [GRÜNE]: Ja, weiter!)

Auch bei der Verbrennung von — jetzt bräuchte ich einen Chemiker zur Hilfestellung — polychlorierten Biphenylen entstehen nach unseren Informationen Dioxine. Das ist der zweite Eintragungspfad, neben der Verwendung von PCPs.

Charlotte Garbe (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1109605800
Dann habe ich nur noch einmal eine Frage zu vorhin. Sie meinen, die regelmäßige Kontrolle des Klärschlamms kann deshalb nicht durchgeführt werden, weil die Analysekosten zu hoch seien?
Gröbl, Parl. Staatssekretär: Ja — und auch deshalb, weil das Analyseverfahren sehr langwierig ist.

(Frau Garbe [GRÜNE]: Langwierig, aber vorhanden!)

— Vorhanden, ja, sonst hätte ja Professor Dr. Hagenmaier seine Analysen nicht machen können.

(Frau Garbe [GRÜNE]: Das ist klar!)

Sie wissen auch, wie aufwendig diese Untersuchung war.

Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1109605900
Weitere Zusatzfragen haben Sie nicht.
Ich rufe die Frage 17 des Abgeordneten Schreiner auf:
Ist die Bundesregierung bereit, bei der französischen Staatsregierung auf eine Stillegung der nunmehr illegal betriebenen Blöcke 1 und 2 des Atomkraftwerkskomplexes Cattenom hinzuwirken, nachdem der Europäische Gerichtshof in Luxemburg die Genehmigung zur Ableitung radioaktiver Stoffe aus den Atomkraftwerken Cattenom für rechtswidrig erklärt hat?
Gröbl, Parl. Staatssekretär: Herr Präsident, Herr Kollege, der Europäische Gerichtshof hat in seiner Entscheidung vom 22. September 1988 zur Auslegung von Art. 37 des Euratom-Vertrages festgestellt, daß die allgemeinen Angaben über geplante radioaktive Ableitungen an die EG-Kommission zu übermitteln sind, bevor diese Ableitungen von den zuständigen Behörden des betreffenden Mitgliedstaates genehmigt worden sind.
Zur Rechtmäßigkeit der Ableitungsgenehmigung hat sich der EuGH nicht geäußert. Ob und gegebenenfalls welche Auswirkungen dieses EuGH-Urteil auf den Betrieb der Blöcke 1 und 2 hat und ob insbesondere die Ableitungsgenehmigung wegen Verstoßes gegen EG-Recht rechtswidrig wäre, ist von der französischen Gerichtsbarkeit im Rahmen des laufenden Verwaltungsstreitverfahrens zu beurteilen, das beim Verwaltungsgericht Straßburg anhängig ist.
Die Bundesregierung beabsichtigt daher nicht, zur Frage des Bestands der Ableitungsgenehmigung und des weiteren Betriebs der Blöcke 1 und 2 im Hinblick auf die Verfahrensfrage der Beteiligung der EG-Kommission Stellung zu nehmen oder bei der französischen Regierung auf eine Stillegung hinzuwirken.

Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1109606000
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Schreiner, bitte.

Ottmar Schreiner (SPD):
Rede ID: ID1109606100
Herr Staatssekretär, erwägt denn die Bundesregierung zumindest, wie dies die luxemburgische Regierung bereits erklärt hat, die französische Staatsregierung aufzufordern, das gesamte Genehmigungsverfahren, das offenkundig unter schweren Mängeln gelitten hat, zu wiederholen, und erwägt die Bundesregierung, ähnlich wie die Staatsregierungen von Portugal und Irland, die sich ja in „besonderer" Nähe zu Cattenom befinden, der Klage nunmehr beizutreten?
Gröbl, Parl. Staatssekretär: Nein, wir erwägen weder der Klage beizutreten noch der französischen Regierung Verfahrensvorschläge zu machen oder Ratschläge zu erteilen, wie sie diesen möglicherweise festzustellenden Mangel beheben solle.

Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1109606200
Zweite Zusatzfrage des Abgeordneten Schreiner.

Ottmar Schreiner (SPD):
Rede ID: ID1109606300
Herr Staatssekretär, wenn es richtig ist, daß der zentrale Widerspruch in dieser Frage



Schreiner
darin besteht, daß auf der einen Seite eine Regierung national das Genehmigungsverfahren organisiert, auf der anderen Seite aber ein solcher Atomkomplex wie Cattenom auch unmittelbar über die Risiken entscheidet, die der ausländischen Grenzbevölkerung zugemutet werden, frage ich Sie, ob dieser Widerspruch von seiten der Bundesregierung dahingehend aufgelöst werden könnte, daß sich die Bundesregierung entschließt, im Bereich der Genehmigungsverfahren zu einem echten Nachbarschaftsrecht zu kommen, das zumindest verhindert, daß ein Land einseitig wesentlich über die Frage entscheidet, welche Risiken in welchem Ausmaß der mitbetroffenen ausländischen Bevölkerung zugemutet werden können?
Gröbl, Parl. Staatssekretär: Der Irrtum in Ihrer Frage liegt meines Erachtens darin, daß sich der Europäische Gerichtshof ausschließlich zum Verfahren, nicht aber zur Sache selber oder gar zu einer Gefährdung geäußert hat. Ich darf Sie daran erinnern, daß die Kommission, verspätet zwar, von der französischen Regierung gefragt wurde und, verspätet zwar, geantwortet hat, daß aber die Stellungnahme der Kommission zu der französischen Anfrage positiv war. Deshalb läßt dieses EuGH-Urteil keinen Rückschluß auf eine Klärung der Sachfragen zu.

(Schreiner [SPD]: Das habe ich nun wirklich nicht gefragt, Herr Präsident)


Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1109606400
Ja, das habe auch ich mir gerade überlegt. Aber ich habe nicht die Möglichkeit, Ihnen noch eine Zusatzfrage zu gewähren. Ihre Geschicklichkeit in der Formulierung wird es Ihnen aber ermöglichen, das gleich zu machen.
Frau Abgeordnete Wollny!

Lieselotte Wollny (DIE GRÜNEN/BÜNDNIS 90):
Rede ID: ID1109606500
Herr Staatssekretär, die Bundesregierung ist in einer Anfrage vor Erteilung der Genehmigungen gefragt worden, ob sie mit der Unterrichtung durch die französische Regierung zufrieden sei, und auf die mangelhafte Unterrichtung hingewiesen worden. Die Bundesregierung hat damals geantwortet, sie fühle sich ausreichend unterrichtet. Es gebe kein Unterrichtungsdefizit. Meine Frage: Hatte die Bundesregierung mehr Kenntnisse als die Europäische Kommission, oder hat sie sich mit geringeren Kenntnissen zufriedengegeben?
Gröbl, Parl. Staatssekretär: Nein. Die Bundesregierung fühlt sich nach wie vor in ausreichender Weise unterrichtet. Dieses Urteil des Europäischen Gerichtshofs, Frau Kollegin, hat sich darauf bezogen, daß eine Anfrage der französischen Regierung an die Kommission nicht, wie in Art. 37 des Euratom-Vertrages vorgeschrieben, ein halbes Jahr vor Genehmigung dieser Ableitung gestellt worden ist, sondern daß diese Frist versäumt wurde. Das ist die Kernaussage dieses EuGH-Urteils.

(Frau Wollny [GRÜNE]: Ob Sie es glauben oder nicht: Das habe ich alles begriffen!)


Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1109606600
Wir haben nicht die Möglichkeit, Frau Abgeordnete Wollny, hier einen längeren Dialog zu eröffnen.

(Frau Wollny [GRÜNE]: Das ist sehr schade; denn das war ja gar keine Antwort auf das, was ich gefragt habe!)

Ich könnte mir vorstellen, daß Ihr Fraktionskollege Dr. Knabe auf diese Frage eingeht.

Dr. Wilhelm Knabe (DIE GRÜNEN/BÜNDNIS 90):
Rede ID: ID1109606700
Herr Staatssekretär, ich will eine andere Frage stellen: Ist die Bundesregierung bereit, Initiativen zu ergreifen, um international und nicht nur bilateral ein verstärktes Mitwirkungsrecht von betroffenen Nationen bei Anlagen zu ermöglichen, die ihre Gesundheit potentiell gefährden, d. h. darauf hinzuwirken, daß international die Möglichkeit eines Einspruchs bei Anlagen, die durch grenzüberschreitende Emissionen eine Gefährdung verursachen können, festgeschrieben wird?
Gröbl, Parl. Staatssekretär: Die Bundesregierung hat in einer Presseerklärung — von Bundesminister Töpfer herausgegeben — dieses Urteil des EuGH unter dem Aspekt, den Sie aufgreifen, ausdrücklich begrüßt. Wir sehen nämlich in diesem Urteil eine Klarstellung nicht nur der Pflichten des Betreiberlandes, sondern auch der Verpflichtung der EG-Kommission, sich rechtzeitig einzuschalten, d. h. auch die Kommission nach § 37 rechtzeitig zu unterrichten. In dieser Kommission nach § 37 sind Vertreter sämtlicher Mitgliedsländer. Aus der Bundesrepublik sind zwei Vertreter in dieser Kommission, einer vom TÜV und einer aus unserem Haus. Somit erhalten die Mitgliedsländer schon über diese Schiene Kenntnis von einem solchen Verfahren.
Wir haben deshalb dieses klarstellende Urteil des EuGH begrüßt und sehen darin einen guten Schritt auf dem Weg, den Sie skizziert haben.

Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1109606800
Ich rufe nunmehr Frage 18 des Abgeordneten Schreiner auf:
Ist die Bundesregierung angesichts jetzt schon vorhandener Stromüberversorgungskapazitäten bereit, auf die französische Staatsregierung mit dem Ziel einzuwirken, auf den Weiterbau der Blöcke 3 und 4 des Atomkraftwerkskomplexes Cattenom zu verzichten?
Herr Staatssekretär.
Gröbl, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich muß mit dem ersten Wort beginnen: nein. Die Beurteilung der Aspekte der Energieversorgung im Zusammenhang mit der Errichtung der Blöcke 3 und 4 des Kernkraftwerkes Cattenom ist ausschließlich Sache der zuständigen französischen Stellen, in die wir uns gar nicht einmischen können und auch nicht einmischen wollen.

(Sehr gut! bei der CDU/CSU)


Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1109606900
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Schreiner.

Ottmar Schreiner (SPD):
Rede ID: ID1109607000
Herr Staatssekretär, sehen Sie denn Zusammenhänge zwischen der Tatsache, daß vor wenigen Tagen Gespräche im deutschen Bundeswirtschaftsministerium mit den bundesdeutschen Elektrizitätsversorgungsunternehmen insbesondere an der Haltung der Badenwerk AG in Baden-Würt-



Schreiner
temberg geplatzt sind, weil sich das Badenwerk unter Hinweis auf die eigene Situation geweigert hat, einen konstruktiven Beitrag zur Stabilisierung des Jahrhundertvertrages zu leisten, und der Tatsache, daß das Badenwerk — wie Ihnen auch bekannt ist — seit geraumer Zeit an den Blöcken 1 und 2 in Cattenom mit jeweils 5 % Beteiligungsrechten beteiligt ist?
Gröbel, Parl. Staatssekretär: Einen solchen Zusammenhang kann ich nicht feststellen.
Im übrigen, Herr Präsident, hat diese Frage meiner Einschätzung nach mit der ursprünglichen Frage wenig zu tun.

Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1109607100
Auch wenn ich Ihnen eben zustimmen konnte, möchte ich das jetzt nicht so uneingeschränkt bejahen. Aber Ihr Recht, das so zu sehen, will ich Ihnen nicht bestreiten.
Sie haben eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Schreiner.

Ottmar Schreiner (SPD):
Rede ID: ID1109607200
Ich kann durchaus verstehen, Herr Präsident, daß die Bundesregierung keine Zusammenhänge sieht; denn der politische Horizont der Regierung ist bekanntermaßen sehr eng.

(Eigen [CDU/CSU]: Das geht aber zu weit! Das ist eine unzulässige Wertung!)

Aber ich wollte zur zweiten Zusatzfrage kommen. Da Sie eben gesagt haben, Sie hätten keine Möglichkeiten, auf die französische Staatsregierung im Hinblick auf die Blöcke 3 und 4 einzuwirken, frage ich nochmals, ob Sie denn die Möglichkeit sehen, auf bundesdeutsche Elektrizitätsversorgungsunternehmen einzuwirken — gerade auch mit Blick auf die bekannte Situation des Jahrhundertvertrags —, in Zukunft darauf zu verzichten, sich in Form von weiteren Beteiligungen beim französischen Atomstrom einzukaufen. Ich frage Sie, ob die Bundesregierung bereit ist, an der Schaffung eines echten Nachbarschaftsrechts mitzuarbeiten, das in Zukunft verhindert, daß in nationalen Genehmigungsverfahren darüber entschieden wird, welches Risiko auch der ausländischen Bevölkerung zugemutet werden kann.

Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1109607300
Die Frage scheint zu Ende zu sein. Ich möchte die Gelegenheit doch wahrnehmen, Herr Abgeordneter Schreiner, auf unsere Geschäftsordnung hinzuweisen, in der steht: Die Fragen müssen kurz gefaßt sein.
Herr Staatssekretär, dort steht auch, daß kurze Antworten gegeben werden dürfen.
Gröbl, Parl. Staatssekretär: Zur Einschätzung des Risikos gibt es ja die sehr bewährte deutsch-französische Kommission, die sehr häufig tagt und über das Risiko des Betriebs von Kernkraftwerken und überhaupt kerntechnischen Anlagen sehr intensiv berät. Zu dieser Thematik gibt es von seiten der Bundesregierung überhaupt keine Beanstandungen oder Verbesserungsvorschläge.

(Schreiner [SPD]: Das habe ich nun wirklich nicht gefragt!)

— Das war der letzte Teil Ihrer Frage. Der erste Teil
Ihrer Frage bezog sich auf die Möglichkeiten der Bundesregierung, auf EVUs innerhalb der Bundesrepublik einzuwirken, ihren geplanten Bezug französischen Stroms nicht zu verwirklichen. Habe ich das richtig interpretiert? Derartige Einwirkungsmöglichkeiten der Bundesregierung auf die EVUs sehe ich nicht.

Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1109607400
Nachdem der Abgeordnete Dr. Hirsch seine Wortmeldung zurückgezogen hat, liegen keine Wortmeldungen mehr vor. Herr Staatssekretär, ich bedanke mich sehr herzlich bei Ihnen.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern auf. Zur Verfügung steht uns Herr Staatssekretär Kroppenstedt.
Herr Abgeordneter Wüppesahl hat gebeten, seine Fragen 29 und 30 schriftlich zu beantworten. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe Frage 31 des Abgeordneten von Schmude auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß die schleswig-holsteinische Landesregierung die Kreise und kreisfreien Städte angewiesen hat, die Unterbringung der Asylbewerber nicht mehr in der bewährten Form von Gemeinschaftsunterkünften vorzunehmen, sondern statt dessen in Einzelwohnungen und anstelle von Sachleistungen Barleistungen zu gewähren, und wie bewertet die Bundesregierung dieses Vorgehen vor dem Hintergrund steigender Sozialhilfelasten der Länder und Kommunen und den entgegenstehenden Regelungen des Asylverfahrensgesetzes sowie des Bundessozialhilfegesetzes?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1109607500
Herr Präsident, ich bitte um Ihr Einverständnis, die beiden Fragen wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantworten zu dürfen.

Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1109607600
Dieses ist aus Sicht des Präsidenten sinnvoll, aber ich möchte mich bei dem Abgeordneten erkundigen, ob er damit einverstanden ist.

(von Schmude [CDU/CSU]: Einverstanden!)

— Ohne daß Ihr Recht auf Zusatzfragen eingeschränkt wird, gebe ich diesem Begehren gerne statt:
Sieht die Bundesregierung hier einen neuen gewollten Konflikt der schleswig-holsteinischen Landesregierung mit dem Bund analog zu der Auseinandersetzung wegen der Wiederinbetriebnahme des Kernkraftwerks Brokdorf, und was gedenkt sie zu unternehmen, um die schleswig-holsteinische Landesregierung zur Einhaltung der genannten Gesetze zu veranlassen?
Bitte sehr, Herr Staatssekretär.
Kroppenstedt, Staatssekretär: Der Bundesregierung ist folgendes bekannt: Der Minister für Soziales, Gesundheit und Energie des Landes Schleswig-Holstein hat die Kreise und kreisfreien Städte davon unterrichtet, daß er die Erstattung von Sozialhilfekosten ab 1. Oktober 1988 davon abhängig macht, die Asylbewerber verstärkt dezentral unterzubringen und vorhandene Gemeinschaftsunterkünfte ab 1989 nach und nach aufzulösen. Hinsichtlich einzelner Sozialhilfeleistungen sollen Asylbewerber grundsätzlich entsprechend der örtlichen Praxis wie andere Sozialhilfeempfänger behandelt werden.
Gemäß § 23 Abs. 1 Asylverfahrensgesetz sollen Ausländer, die einen Asylantrag gestellt haben, in der Regel in Gemeinschaftsunterkünften untergebracht



Staatssekretär Kroppenstedt
werden. Hierbei sind sowohl das öffentliche Interesse als auch die Belange der Ausländer zu berücksichtigen. Im Ergebnis kann die dezentrale Unterbringung dazu führen, daß sich die Erledigung der Asylverfahren verzögert. Die Bundesregierung sieht deshalb in dem Vorgehen des Landes Schleswig-Holstein keinen konstruktiven Beitrag zur Erreichung des allgemein geforderten und von Bund und Ländern gemeinsam angestrebten asylpolitischen Ziels, die Asylverfahren zu verkürzen.
Nach § 120 Abs. 2 Satz 3 Bundessozialhilfegesetz soll u. a. asylsuchenden Ausländern Sozialhilfe, soweit dies möglich ist, als Sachleistung gewährt werden. Zweck dieser Regelung ist, den wirtschaftlichen Anreiz zum Mißbrauch des Asylrechts einzuschränken. Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß durch eine vorrangige Gewährung von Geld an Stelle von Sachleistungen die Zielsetzung der gesetzlichen Regelung verfehlt würde. Die Bundesregierung sieht aber kaum eine Möglichkeit, dem Vorgehen Schleswig-Holsteins mit rechtlichen Mitteln wirksam zu begegnen. Sie würde es aber begrüßen, wenn das Land auch künftig in wichtigen innenpolitischen Fragen an gemeinsam von Bund und Ländern getragenen Grundsätzen festhalten würde.

Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1109607700
Herr Abgeordneter, Sie haben vier Zusatzfragen, bitte sehr.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1109607800
Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung bereit, Erfahrungen, wie sie jetzt mit dem Land Schleswig-Holstein gemacht werden, bei künftigen Wünschen der Länder zu berücksichtigen, einen Teil der Sozialhilfekosten zu übernehmen?
Kroppenstedt, Staatssekretär: Ich denke, daß die Bundesregierung alle Lebenssachverhalte berücksichtigt, und möchte deswegen Ihre Frage mit Ja beantworten.

(von Schmude [CDU/CSU]: Danke schön!)


Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1109607900
Weitere Zusatzfragen? — Wir fangen an mit Herrn Abgeordneten Opel. Bitte sehr.

Manfred Opel (SPD):
Rede ID: ID1109608000
Herr Staatssekretär, bei mir an der Westküste in Schleswig-Holstein sind mehrere Sammelunterkünfte, und ich habe sehr große Erfahrungen damit. Einzelunterkünfte haben sich als familiengerecht und sozial verträglich bewährt. Würden Sie, Herr Staatssekretär, zustimmen, daß Sammelunterkünfte besondere ethnische Probleme erzeugen können und daß die Familiengerechtigkeit der Einzelunterkünfte diese Regelungen, wie sie das Land Schleswig-Holstein getroffen hat, aus übergeordneten Gesichtspunkten geboten erscheinen läßt?

Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1109608100
Herr Abgeordneter Opel, würden Sie die Güte haben, die Antwort in der gebührenden Form entgegenzunehmen; Sie sind vielleicht noch nicht ganz an die Usancen des Hauses gewöhnt.
Kroppenstedt, Staatssekretär: Die Entscheidung über solche Sachverhalte hängt sicher von den Einzelheiten ab. In der Regelung des Landes SchleswigHolstein sehe ich aber keine Einzelfallbezogenheit, sondern eine generelle Anordnung, und dagegen muß ich mich wenden.

Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1109608200
Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Hirsch.

Dr. Burkhard Hirsch (FDP):
Rede ID: ID1109608300
Herr Präsident, da beide Fragen im Zusammenhang beantwortet wurden, habe ich zu jeder Frage eine Zusatzfrage.

Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1109608400
Dieser Auslegung der Geschäftsordnung ist nicht zu widersprechen.

Dr. Burkhard Hirsch (FDP):
Rede ID: ID1109608500
Dann stelle ich eine Zusatzfrage zu der Frage 31. — Herr Staatssekretär, eingedenk der Tatsache, daß wir die Unterbringung in Sammelunterkünften keinesfalls als bewährt ansehen, sondern in der Durchführung teilweise als ziemlich rücksichtslos und die Gewährung von Sachleistungen an Stelle von Barmitteln teilweise als entwürdigend betrachten, frage ich Sie: Können Sie uns bitte mitteilen, welche Länder — wie z. B. Nordrhein-Westfalen — von diesen beiden Möglichkeiten niemals Gebrauch gemacht haben und welche Bundesländer in der letzten Zeit zur Barleistung zurückgekehrt sind?
Kroppenstedt, Staatssekretär: Ich möchte zunächst der Wertung, die Sie getroffen haben, insofern nicht folgen, als sie ja der Gesetzeslage widerspricht. Der Gesetzeswortlaut enthält ja andere Tendenzen. Ich weiß, daß die Praxis in den Bundesländern unterschiedlich ist. Ich kann Ihnen aber im Augenblick nicht genau sagen, wie die einzelnen Länder verfahren.

Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1109608600
Zweite Zusatzfrage.

Dr. Burkhard Hirsch (FDP):
Rede ID: ID1109608700
Herr Staatssekretär, indem ich Ihre Antwort dahin gehend ergänzen möchte, daß z. B. das Land Berlin und meines Wissens auch Niedersachsen zur Barleistung zurückgekehrt sind — das wird sich aber feststellen lassen —, frage ich Sie: Teilen Sie die der Frage 32 zugrunde liegende Wertung, daß diese von einer ganzen Reihe von Landesregierungen unverändert beibehaltenen oder wieder eingeführten Verhaltensweisen gesetzeswidrig sind?
Kroppenstedt, Staatssekretär: Ich habe mich vorhin bei der Beantwortung der Frage nicht so ausgedrückt, daß es sich hier um ein gesetzeswidriges Verfahren handelt, wohl aber gesagt, daß die Formulierung des Gesetzes immerhin dafür spricht, daß der Gesetzgeber primär ein anderes Verfahren vorgesehen hat.

Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1109608800
Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Knabe.

Dr. Wilhelm Knabe (DIE GRÜNEN/BÜNDNIS 90):
Rede ID: ID1109608900
Ich will mir erlauben, Herr Staatssekretär, die Frage zu stellen, inwieweit die humanitären Belange der Asyl begehrenden Menschen bei der Verpflichtung, sie in Sammelunterkünften unterzubringen und die Entschädigung möglichst in Form von Sachleistungen zu gewähren, berücksichtigt wurden, weil doch gerade diesen Familien, die keine Beschäftigung haben, die in der Bundesrepublik keiner Arbeit nachgehen dürfen, die Möglichkeit



Dr. Knabe
genommen wird, durch Selbstbereitung der Mahlzeiten eine halbwegs sinnvolle Beschäftigung zu finden?
Kroppenstedt, Staatssekretär: Das Leben in Einzelunterkünften und Sammelunterkünften kann in einer humanitär nicht zu beanstandenden Weise gestaltet werden. Dasselbe gilt auch für die Art der Gewährung von Sozialhilfe.

Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1109609000
Herr Abgeordneter Andres.

Dr. h.c. Gerd Andres (SPD):
Rede ID: ID1109609100
Zunächst noch eine Zusatzfrage zu Frage 31. Ist der Bundesregierung bekannt, daß Niedersachsen vor und nach der Neufassung des Asylverfahrensgesetzes in erster Linie die dezentrale Unterbringung von Asylbewerbern praktiziert?
Kroppenstedt, Staatssekretär: Der Bundesregierung ist eine unterschiedliche Praxis in den Ländern bekannt.

Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1109609200
Zweite Zusatzfrage.

(Andres [SPD]: Die möchte ich zurückstellen!)

Der Abgeordnete Jungmann wird dann gebeten, eine Zusatzfrage zu stellen.

Horst Jungmann (SPD):
Rede ID: ID1109609300
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bewußt, daß Sie dem Gesetzgeber gegenüberstehen und daß die Gesetzesauslegung, die Sie auf die Frage des Kollegen Hirsch hin vorgenommen haben, sehr eigenwillig ist — wenn das nicht so wäre, dann könnte es ja keine unterschiedlichen Praktiken in den Ländern geben — , und welche Bedenken hat die Bundesregierung, daß dezentral untergebrachte Asylbewerber Barleistungen wie deutsche Sozialhilfeempfänger entsprechend dem Verfahren in allen Ländern erhalten, und welche Bedenken hat sie, daß die neue Landesregierung den Schwerpunkt in den Gemeinschaftsunterkünften statt auf eine einheitliche Gemeinschaftsverpflegung auf die Gewährung von Tagessätzen legt, um so gruppenspezifische Einkäufe und gruppenspezifisches Kochen zu ermöglichen? Welche Bedenken hat die Bundesregierung in dieser Hinsicht? Das möchte ich einmal wissen.
Kroppenstedt, Staatssekretär: Die Antwort auf diese Frage ist in der Beantwortung der Fragen des Abgeordneten von Schmude enthalten.

Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1109609400
Dem habe ich nichts hinzuzufügen. Ich möchte — auch im Interesse der vielen Kollegen, deren Fragen möglicherweise nicht mehr beantwortet werden können — doch noch einmal bitten, daß die Fragen kurz gefaßt werden und daß auch Wiederholungen vermieden werden.
Herr Abgeordneter Jungmann, Sie haben eine zweite Zusatzfrage.

Horst Jungmann (SPD):
Rede ID: ID1109609500
Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung bereit, den Anträgen des Landes Schleswig-Holstein nachzukommen, in der zentralen Gemeinschaftsunterkunft in Oelixdorf eine ständige Außenstelle des Bundesamtes Zirndorf einzurichten, um
insbesondere für die Bewerber um politisches Asyl — ungefähr 50 % der Asylbewerber in Schleswig-Holstein — eine sofortige Anhörung im Interesse der Beschleunigung des Asylverfahrens zu erreichen?
Kroppenstedt, Staatssekretär: Die Bundesregierung wird diese Frage prüfen, wenn sie an sie herangetragen wird.

(Jungmann [SPD]: Der Antrag liegt Ihnen doch schon lange vor! Sie haben schon lange Zeit gehabt, das zu prüfen!)


Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1109609600
Herr Abgeordneter Andres, Sie haben nun Ihre zweite Zusatzfrage.

Dr. h.c. Gerd Andres (SPD):
Rede ID: ID1109609700
Herr Staatssekretär, sieht die Bundesregierung in der Tatsache, daß das Land Niedersachsen eine dezentrale Unterbringung von Asylbewerbern sowie die Barleistung vorsieht, einen erneuten schweren, gewollten Konflikt der Landesregierung von Niedersachsen dem Bund gegenüber?
Kroppenstedt, Staatssekretär: In diesem Sachverhalt würde ich das nicht primär erblicken, sondern ich glaube, sie legt die Vorschriften etwas anders aus als die Bundesregierung. Zu einer so harten Formulierung würde ich mich hier nicht bereit finden.

Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1109609800
Der Abgeordnete Börnsen (Ritterhude) hat um eine Zusatzfrage gebeten. Bitte schön, Herr Abgeordneter.

Arne Börnsen (SPD):
Rede ID: ID1109609900
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß im Gegensatz zu der Frage des Abgeordneten von Schmude die schleswig-holsteinische Landesregierung die Kreise und die kreisfreien Städte nicht angewiesen hat, sondern ihnen eine Empfehlung gegeben hat — und auch nicht pauschal, sondern ganz gezielt — , vorrangig Familien, alleinstehende Frauen und Asylbewerber, die eine örtliche Einbindung z. B. in Freundeskreisen gefunden haben, dezentral unterzubringen, und würden Sie meine Interpretation teilen, daß dies ein menschlich angemessenes Verfahren ist, welches eine — das ist mir eine sehr wesentliche Feststellung — den Ausnahmemöglichkeiten des Asylverfahrensgesetzes genau adäquate Regelung ist?
Kroppenstedt, Staatssekretär: Nach unseren Informationen ist die Anordnung von Schleswig-Holstein wesentlich allgemeiner und sogar so gestaltet, daß die Erstattung der Sozialhilfekosten von der Befolgung dieser Anregungen abhängig gemacht wird. Das halte ich allerdings für etwas bedenklich.

(Zuruf von der SPD: Sie kennen den Erlaß doch gar nicht! — Börnsen [Ritterhude] [SPD]: Vielleicht sollte auch das einmal gerügt werden! Ich stelle eine Frage, und es wird gar nicht darauf geantwortet!)


Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1109610000
Ich kann nicht bestreiten, daß das eine Antwort ist. Ich bedaure, wenn sie aus Ihrer Sicht und möglicherweise auch aus der Sicht anderer nicht befriedigend ist.
Bitte sehr, Frau Abgeordnete Hämmerle.




Gerlinde Hämmerle (SPD):
Rede ID: ID1109610100
Um Wiederholungen zu vermeiden, Herr Staatssekretär, frage ich Sie jetzt nur: Wie bewertet die Bundesregierung die Tatsache, daß sich die Kosten für Asylbewerber nach den Berechnungen des Landes Schleswig-Holstein bei der Auflösung von nur 5 von 60 Gemeinschaftsunterkünften im Jahre 1990 mittelfristig stark verringern wird und ab 1992 sogar 3 Millionen DM weniger Kostenaufwand entstehen wird? Wie bewerten Sie dieses, und welche Schlüsse würde die Bundesregierung daraus in bezug auf die Unterbringung in Gemeinschaftsunterkünften ziehen?
Kroppenstedt, Staatssekretär: Auch das ist sicher ein Faktor, der in die Entscheidung mit einbezogen werden muß. Ich würde aber die Entscheidung über solche Fragen nicht allein von einem finanziellen Plus oder Minus abhängig machen.

Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1109610200
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Kroll-Schlüter.

Hermann Kroll-Schlüter (CDU):
Rede ID: ID1109610300
Herr Staatssekretär, könnten Sie mir bestätigen, daß es sich bei dezentraler Unterbringung auch um Gemeinschaftsunterkünfte handeln kann?
Kroppenstedt, Staatssekretär: Das kann durchaus der Fall sein.

Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1109610400
Der Abgeordnete Opel hatte noch um eine Zusatzfrage gebeten.

(Opel [SPD]: Hat sich erledigt!) — Das hat sich erledigt.


(Dr. Knabe [GRÜNE]: Es lohnt sich auch nicht! — Becker [Nienberge] [SPD]: Die Regierung antwortet nicht!)

Dann wollen wir die Frage 33 des Abgeordneten Dr. Hirsch aufrufen:
Ist die Bundesregierung der Auffassung, daß zur korrekten Erfassung der Asylbewerber eine Verbesserung der Führung des Ausländerzentralregisters (AZR) erforderlich ist, und seit wann beschäftigt sich die Bundesregierung mit einem hierzu erforderlichen Gesetzentwurf?
Kroppenstedt, Staatssekretär: Herr Abgeordneter, das Ausländerzentralregister dient der Erfassung von Ausländern, die sich nicht nur vorübergehend im Bundesgebiet aufhalten oder die einen sonstigen Bezug zur Bundesrepublik Deutschland haben. Hierzu gehören auch Asylbewerber. Die starke Zunahme der Datenmenge und Besonderheiten der Systematik des jetzigen Registers haben zu Überlegungen und Maßnahmen geführt, wie die Aktualität und Verläßlichkeit der Register auch im Hinblick auf die Erfassung von Asylbewerbern verbessert werden kann. Vorgesehen sind der Erlaß eines Ausländerzentralregistergesetzes und eine weitere Automatisierung der Kommunikationsbeziehungen des Registers.

Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1109610500
Eine Zusatzfrage; bitte sehr, Herr Dr. Hirsch.

Dr. Burkhard Hirsch (FDP):
Rede ID: ID1109610600
Herr Staatssekretär, welche zusätzlichen Aussagen über die Asylbewerber wird denn das von der Bundesregierung beabsichtigte Gesetz bringen?
Kroppenstedt, Staatssekretär: Das Gesetz wird in erster Linie eine klare und konkrete Formulierung der Rechtsgrundlage überhaupt für das Register schaffen. Es wird die Aufgabenstellung genau umreißen. Es wird Ermächtigungen für Vorschriften enthalten. Es wird gegenüber den Datenmengen, die bisher erfaßt werden, zu nur ganz geringen Unterschieden — etwa 5 % — führen.

Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1109610700
Die zweite Zusatzfrage, bitte.

Dr. Burkhard Hirsch (FDP):
Rede ID: ID1109610800
Herr Staatssekretär, sind Sie angesichts der Tatsache, daß ja nicht nur wir, sondern auch Bundesländer seit vielen Jahren darübel klagen, daß die statistischen Grundlagen einfach nicht in Ordnung sind und daß wir uns mit Geisterarmeen herumschlagen, die sich daraus ergeben, daß man zwar die sich meldenden Asylbewerber zählt, aber kein Wort darüber hört, wie viele denn anschließend tatsächlich in der Bundesrepublik bleiben — da gibt es ja eine große Differenz —, nicht der Meinung, daß es nun wirklich dringend ist, mit Hilfe in Gottes Namen auch dieses Gesetzes möglichst bald klare Aussagen zu erhalten?
Kroppenstedt, Staatssekretär: Ich glaube, das ist das Ziel der Maßnahmen, und ich verspreche mir von der stärkeren Automatisierung der Kommunikationswege noch mehr Ergebnisse in Richtung dessen, was Sie wünschen, als von der Änderung der Rechtsgrundlagen.

Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1109610900
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Becker (Nienberge).

Helmuth Becker (SPD):
Rede ID: ID1109611000
Herr Staatssekretär, wir sind uns sicher einig, daß es sich um ein sehr wichtiges Thema handelt. Es sind hier eine ganze Reihe von Fragen gestellt worden, die jedenfalls nach unserer Auffassung nicht ausreichend beantwortet worden sind. Würden Sie so freundlich sein, diese Zusatzfragen noch einmal daraufhin zu überprüfen, ob Sie nicht dem einen oder anderen Fragesteller noch eine schriftliche Ergänzung Ihrer Antwort zukommen lassen?
Kroppenstedt, Staatssekretär: Ich will das gerne prüfen.

Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1109611100
Danke schön. Herr Staatssekretär, um der Korrektheit willen möchte ich feststellen, daß ich den Eindruck habe, daß sich der Wunsch des Abgeordneten Becker auf die Fragen 31 und 32 bezog, nicht auf die Frage 33.
Ich rufe die Frage 34 des Abgeordneten Dr. Hirsch auf:
Wie weit ist die Vorbereitung des Gesetzentwurfs gediehen, und wann gedenkt die Bundesregierung ihn einzubringen?
Kroppenstedt, Staatssekretär: Der Referentenentwurf wird zur Zeit mit den Bundesressorts und den anderen beteiligten Stellen abgestimmt. Es ist vorgesehen, den Gesetzentwurf möglichst frühzeitig, möglichst schnell im Parlament einzubringen, nach dem jetzigen Stand im ersten Quartal 1989.

Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1109611200
Eine Zusatzfrage.




Dr. Burkhard Hirsch (FDP):
Rede ID: ID1109611300
Herr Staatssekretär, angesichts der wirklichen Eilbedürftigkeit und möglicherweise auch Kompliziertheit dieses Gesetzes frage ich Sie: Halten Sie es nicht für angebracht, den Referentenentwurf möglichst bald den Fraktionen zuzuleiten?
Kroppenstedt, Staatssekretär: Der Referentenentwurf wird zur Zeit abgestimmt. Wenn Wünsche bestehen, ihn hier zu sehen, habe ich keine grundsätzlichen Bedenken.

Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1109611400
Die zweite Zusatzfrage, bitte schön.

Dr. Burkhard Hirsch (FDP):
Rede ID: ID1109611500
Sind Sie bereit, hiermit zur Kenntnis zu nehmen, daß solche Wünsche bestehen und daß ich zumindest für meine Fraktion dringend darum bitte, diesen Entwurf so schnell wie möglich zu bekommen?
Kroppenstedt, Staatssekretär: Das nehme ich zur Kenntnis.

Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1109611600
Danke schön, Herr Staatssekretär. Damit sind wir am Ende Ihres Geschäftsbereichs.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz. Hier steht uns der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Jahn zur Verfügung.
Zunächst rufe ich die Frage 35 des Abgeordneten Lüder auf:
Welche Ergebnisse haben die Ermittlungen der Bundesregierung zur Verantwortlichkeit für die Veröffentlichung zweier interner Briefe der Bundesanwaltschaft an das Bundesministerium der Justiz in der Gnadenangelegenheit Peter-Jürgen Boock und Angelika Speitel erbracht?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1109611700
Herr Kollege Lüder, der Bundesminister der Justiz hat unmittelbar nach Bekanntwerden der Veröffentlichungen Verwaltungsermittlungen im Bundesministerium der Justiz und beim Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof eingeleitet. Außerdem hat er wegen des Verdachts der Verletzung des Dienstgeheimnisses Strafanzeige gegen Unbekannt erstattet und die Staatsanwaltschaft ermächtigt, die Tat zu verfolgen. Die Ermittlungen haben bislang noch nicht zu einem bestimmten Ergebnis geführt.

Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1109611800
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Lüder.

Wolfgang Lüder (FDP):
Rede ID: ID1109611900
Herr Staatssekretär, beziehen sich diese Ermittlungen nur auf die Mitarbeiter der Generalbundesanwaltschaft oder auch auf andere Dienststellen, falls denen — was ja verwaltungsmäßig üblich wäre — Kopien der Schreiben zugegangen sind, so daß auch von daher Veröffentlichungen hätten kommen können?
Dr. Jahn, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Lüder, die Ermittlungen erstrecken sich auf die Generalbundesanwaltschaft und auf das Bundesministerium der Justiz. In einem ersten Zuge haben wir eine Befragung sowohl in Karlsruhe als auch hier im Bundesministerium der Justiz durchgeführt. Diese Befragung ist ohne Ergebnis verlaufen.
Wir sind jetzt zu einem zweiten Schritt übergegangen, indem wir dienstliche Erklärungen sowohl von der Bundesanwaltschaft als auch von den Damen und Herren, die im Bundesministerium der Justiz mit der Angelegenheit befaßt waren, einholen.

Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1109612000
Die zweite Zusatzfrage, bitte sehr.

Wolfgang Lüder (FDP):
Rede ID: ID1109612100
Darf ich daraus entnehmen, daß die Briefe, die hier veröffentlicht worden sind, nur zwischen der Dienststelle Generalbundesanwaltschaft und der Dienststelle Bundesministerium der Justiz ausgetauscht worden sind, oder gab es weitere Adressaten?
Dr. Jahn, Parl. Staatssekretär: Ich gehe davon aus, daß Ihre Mutmaßung zutrifft.

Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1109612200
Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Hirsch.

Dr. Burkhard Hirsch (FDP):
Rede ID: ID1109612300
Wenn dem so ist, Herr Staatssekretär, werden die Ermittlungen dann auch auf die Behörden erstreckt, die, wie Sie eben andeuten, möglicherweise ebenfalls Empfänger dieses Briefes geworden sind, also Drittempfänger?
Dr. Jahn, Parl. Staatssekretär: Wir haben eine umfassende Aufklärung in dieser Angelegenheit veranlaßt.

Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1109612400
Ich rufe die Frage 36 des Abgeordneten Lüder auf:
Welche Entscheidung zur Einleitung von Disziplinarermittlungen wurde gegen den oder die die Veröffentlichung pflichtwidrig verursachenden Mitarbeiter getroffen?
Dr. Jahn, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Lüder, da bisher der Verdacht eines Dienstvergehens gegen eine bestimmte Person nicht besteht, konnten disziplinarrechtliche Vorermittlungen nicht eingeleitet werden.

Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1109612500
Zusatzfrage des Abgeordneten Lüder.

Wolfgang Lüder (FDP):
Rede ID: ID1109612600
Herr Staatssekretär, darf ich Ihrer Antwort entnehmen, daß Sie diesen Vorwurf, der hier im Raum steht, jedenfalls für so gewichtig halten, daß disziplinarische Vorermittlungen notwendig wären, sobald Sie einen Beschuldigten wüßten?
Dr. Jahn, Parl. Staatssekretär: Davon können Sie fest ausgehen.

Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1109612700
Weitere Zusatzfrage.

Wolfgang Lüder (FDP):
Rede ID: ID1109612800
Sind Sie in der Lage, zu erklären, daß das Ergebnis der Ermittlungen dem Bundestag bekanntgegeben wird?
Dr. Jahn, Parl. Staatssekretär: Ich gehe davon aus, daß das dann ohnehin zumindest Gegenstand der Fragestunde wird. Ich bitte Sie nur um Verständnis, daß es jetzt noch keine Vorverurteilungen geben kann. Ich werbe für den Satz, daß, wenn man mit der Sache befaßt ist, daraus noch nicht ein Tatverdacht hergeleitet werden kann.




Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1109612900
Die Frage 37 der Abgeordneten Frau Schmidt (Nürnberg) sowie die Fragen 38 und 39 der Abgeordneten Frau Dr. Wegner werden auf Grund von Nr. 2 Abs. 2 der Richtlinien schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Danke schön, Herr Staatssekretär, die Fragen zu Ihrem Geschäftsbereich sind damit am Ende.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten auf. Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Gallus zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 40 des Abgeordneten KrollSchlüter auf:
Warum werden in der Bundesrepublik Deutschland noch Herbizide zugelassen, die in den USA als krebserregend verboten sind?

Georg Gallus (FDP):
Rede ID: ID1109613000
Herr Kollege Kroll-Schlüter, der für die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln zuständigen Biologischen Bundesanstalt für Land- und Forstwirtschaft sind keine Herbizide bekannt, die in der Bundesrepublik Deutschland zugelassen sind, in den USA aber wegen des Verdachts krebserregender Wirkung verboten wurden.

Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1109613100
Zusatzfragen? — Nein. Dann rufe ich die Frage 41 des Abgeordneten KrollSchlüter auf:
Warum werden aus der Bundesrepublik Deutschland chemische Bekämpfungsmittel exportiert, die bei uns selbst nicht mehr zugelassen sind?
Gallus, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, aus der Tatsache, daß in einem Land ein bestimmtes Pflanzenschutzmittel nicht oder nicht mehr zugelassen ist, läßt sich nicht zwangsläufig ableiten, daß mit der Anwendung dieses Mittels Gefahren verbunden sind. Maßgebliche Gründe für das Nichtbestehen einer Zulassung können z. B. rein wirtschaftliche Überlegungen des Antragstellers oder die Tatsache sein, daß das Anwendungsgebiet in der Bundesrepublik Deutschland nicht vorkommt, z. B. Baumwollanbau, Reisanbau, Bananen und desgleichen.

Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1109613200
Zusatzfrage? — Bitte sehr, Herr Abgeordneter Kroll-Schlüter.

Hermann Kroll-Schlüter (CDU):
Rede ID: ID1109613300
Herr Staatssekretär, ich möchte mich zunächst für die klaren Antworten bedanken und möchte die Bitte anfügen, ob nicht dennoch bei den zuständigen Bundesanstalten eine Überprüfung dahin gehend erfolgen könnte, daß das, was Sie zur zweiten Frage gesagt haben, nun grundsätzlich und für alle Bekämpfungsmittel zutrifft. Denn es ist eine öffentliche Frage, die besonders unter jungen Menschen des öfteren diskutiert wird. Je bündiger, je sachkundiger und je sachlicher wir darauf antworten können, um so besser ist es auch für die, die diese Mittel herstellen.
Gallus, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, es geht dabei insbesondere darum, daß die Kennzeichnung von unserer Seite aus entsprechend verbessert wird. Diese Bitte besteht im politischen Raum. Wir sind der Auffassung, daß hier alles getan werden muß. Wenn
ein solches Pflanzenschutzmittel hier produziert wird, muß derjenige, der es empfängt, wissen, um was es sich handelt. Aber die Prüfung muß dann in den Ländern geschehen, wo das Pflanzenschutzmittel tatsächlich gebraucht wird.

Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1109613400
Eine weitere Zusatzfrage hat der Abgeordnete Kroll-Schlüter nicht. Dann rufe ich die Zusatzfrage des Abgeordneten Opel auf.

Manfred Opel (SPD):
Rede ID: ID1109613500
Herr Staatssekretär, können Sie Beispiele für chemische Bekämpfungsmittel nennen, die zwar exportiert werden, bei uns nicht mehr zugelassen werden, die aber nach Meinung der Bundesregierung unbedenklich sind?
Gallus, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich kann Ihnen jetzt aus der Vielzahl der Mittel keine Beispiele nennen. Wir haben eine starke Pflanzenschutzmittelindustrie in der Bundesrepublik Deutschland, und es gibt sicher sehr viele Pflanzenschutzmittel, die wir nicht brauchen; ich denke an Pflanzenschutzmittel für Soja, Baumwolle, Bananen, Zitrusfrüchte. Dafür wird vieles in der Bundesrepublik Deutschland hergestellt. Bei den Herstellern wird es sicher so sein, daß die Kosten der Zulassung bei uns viel höher sind als in anderen Ländern. Zum Teil werden sie wegen der niedrigen Kosten dort angemeldet.

Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1109613600
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Eigen.

Karl Eigen (CDU):
Rede ID: ID1109613700
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, mit welchen Mitteln die Heuschrecken gerade in Nordafrika, z. B. in der Sahel-Zone, bekämpft werden? Diese Mittel werden aus der Bundesrepublik Deutschland sogar im Rahmen von Entwicklungshilfe und Hilfe für notleidende Menschen exportiert, d. h. sie werden in diese Gebiete verschenkt. Kennen Sie die Mittel, die dort angewandt werden, und sind die bei uns erlaubt?
Gallus, Parl. Staatssekretär: Wir müssen eines sehen. Nach dem neuen Pflanzenschutzmittelgesetz hätten wir die Möglichkeit, diese Dinge durch eine Rechtsverordnung zusätzlich zu regeln. Für den Erlaß einer derartigen Rechtsverordnung besteht aber derzeit kein Anlaß. Bei welchen Pflanzenschutzmitteln in der Bundesrepublik Deutschland ein vollständiges oder ein eingeschränktes Anwendungsverbot besteht, ist weltweit notifiziert worden. Eine Ergänzungsmitteilung, bedingt durch die Pflanzenschutzanwendungsverordnung vom 27. Juli 1988, ist in Vorbereitung. Wir glauben, daß durch diese Maßnahmen dem Gesetz bis zum jetzigen Zeitpunkt Genüge getan wird.
In bezug auf Ihre spezielle Frage: Ich weiß nicht, wie das Pflanzenschutzmittel heißt, das verwendet wird, um die Heuschrecken zu bekämpfen. Ich nehme an, daß es da verschiedene Präparate gibt.

Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1109613800
Eine Zusatzfrage der Abgeordneten Frau Weyel.

Gudrun Weyel (SPD):
Rede ID: ID1109613900
Herr Staatssekretär, können Sie Herrn Kroll-Schlüter mitteilen, daß unser Bestreben,



Frau Weyel
für die nur für den Export gedachten Pflanzenschutzmittel ein gleiches Zulassungsverfahren vorzusehen wie für die in Deutschland üblichen, von der CDU/ CSU-Fraktion abgelehnt wurde?

(Eigen [CDU/CSU]: Der Grund sind die Heuschrecken! Das haben Sie doch schon gehört!)

Gallus, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin, ich kann bestätigen, daß von seiten der SPD-Fraktion damals bei der Verabschiedung des Gesetzes ein Verbot der Ausfuhr nicht zugelassener Pflanzenschutzmittel beantragt worden ist.

Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1109614000
Zunächst hat der Abgeordnete Kroll-Schlüter seine zweite Zusatzfrage.
Zweitens, Frau Geschäftsführerin, möchte ich Sie darauf aufmerksam machen, daß Ihnen bekannt sein dürfte, daß die Methode der Dreiecksfrage und -beantwortung in der Geschäftsordnung nicht vorgesehen ist.
Herr Abgeordneter Kroll-Schlüter.

Hermann Kroll-Schlüter (CDU):
Rede ID: ID1109614100
Herr Staatssekretär, könnten Sie hier im Dreieck die Frage beantworten, ob ein solches Verfahren, wie gerade vorgeschlagen, bedeuten würde, daß den Entwicklungsländern wichtige Hilfen nicht zuteil werden könnten?
Gallus, Parl. Staatssekretär: Das stimmt. Vor allen Dingen spielt bei diesen Fragen die Souveränität der einzelnen Länder eine ganz gewaltige Rolle. Ich darf in diesem Zusammenhang darauf hinweisen, daß Pflanzenschutzmittel, die bei uns schon lange nicht mehr hergestellt werden, z. B. DDT, jetzt in anderen Gebieten der Welt hergestellt werden, weil man einfach nicht darauf verzichten kann. Wir haben das eingestellt und auch verboten, und das wird jetzt in Indien und auf den Philippinen hergestellt — das muß man sehen — , weil sonst die Malaria nicht mehr zu bekämpfen ist.

Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1109614200
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Andres.

Dr. h.c. Gerd Andres (SPD):
Rede ID: ID1109614300
Herr Staatssekretär, kann die Bundesregierung über Pestizide und Herbizide Auskunft geben, die hier bei uns hergestellt und dann exportiert werden, deren Ausbringung hier in der Bundesrepublik Deutschland absolut verboten wäre?
Gallus, Parl. Staatssekretär: Natürlich können wir Ihnen das mitteilen. Wir müssen aber erst mal bei den Firmen rückfragen, welche Mittel sie exportieren, die hier in der Bundesrepublik nicht zugelassen sind.

(Andres [SPD]: Das heißt, ich bekomme das, wenn ich die Antwort des Staatssekretärs richtig verstanden habe?)


Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1109614400
Der Staatssekretär hat mehr beantwortet, als Sie gefragt haben. Sie hatten nur gefragt, „ob", und nicht, „welche". Er hat gesagt, er will sogar beantworten, „welche".
Gallus, Parl. Staatssekretär: Vorausgesetzt, Herr Präsident, daß die Firmen bereit sind, dann die entsprechenden Angaben mitzuteilen.

Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1109614500
Auch die Bundesregierung kann in ihrer Weisheit nicht Antworten über Dinge geben, die sie nicht weiß.
Nun hat die Abgeordnete Frau Garbe das Wort.

Charlotte Garbe (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1109614600
Herr Staatssekretär, da ich die Antwort auf die Frage der Kollegin Weyel nicht verstanden habe, frage ich noch einmal: Halten Sie es für richtig, daß hier in der Bundesrepublik diese Stoffe für den Export entwickelt werden, ohne daß sie nach bundesdeutschem Zulassungsrecht beurteilt worden sind?
Gallus, Parl. Staatssekretär: Natürlich! Entscheidend ist, daß wir die Kennzeichnung verbessert haben. Aber es bleibt dabei — Frau Weyel war Berichterstatterin für den Gesetzentwurf — , daß hier ein Antrag im Raume stand, der aber nicht durchgekommen ist, mit dem das Ziel verfolgt wurde, die Ausfuhr dieser Mittel zu verbieten.

(Widerspruch der Abg. Frau Weyel [SPD])


Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1109614700
Das war eine klare Antwort.
Nun kommt die Frage des Abgeordneten Dr. Knabe.

Dr. Wilhelm Knabe (DIE GRÜNEN/BÜNDNIS 90):
Rede ID: ID1109614800
Herr Staatssekretär, können Sie die Größenordnung des Anteils der ins Ausland exportierten Stoffe — Bekämpfungsmittel — angeben, die hier nicht zugelassen sind?
Gallus, Parl. Staatssekretär: Aus dem Kopf nicht.

Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1109614900
Herr Dr. Knabe, er hat doch nun mehrmals gesagt, daß er nicht in der Lage ist, die Produkte zu nennen. Dann kann er doch auch nicht in der Lage sein, die Menge zu nennen. — Das ist eine Verlängerung der Fragestunde in ungeziemender Weise.
Nun rufe ich die Frage 42 des Abgeordneten Eigen auf:
Für wie sicher hält die Bundesregierung die Schätzungen über die Getreide- und Rapsernte in der Europäischen Gemeinschaft, und was gedenkt sie gegen mögliche Manipulationen zu tun?
Gallus, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Eigen, die monatlichen Schätzungen über die Getreide- und Rapsernte in der Europäischen Gemeinschaft beruhen auf einem Modell, in das neben meteorologischen Daten auch Schätzungen von Sachverständigen der einzelnen Mitgliedstaaten einfließen. Im Jahresverlauf nimmt, wie die letzten Jahre zeigten, die Qualität der Schätzungen zu. Die Abweichung vom endgültig ermittelten Ernteergebnis wird dann kleiner. Entscheidend ist die Anfang des Jahres bis zum 1. März von den Mitgliedstaaten für das vorangegangene Jahr abzugebende Erntemeldung, da an diese entsprechende Maßnahmen geknüpft sind. Um zu diesem Zeitpunkt ein abgesichertes Ergebnis der Ernte EG-weit zu erhalten, unterstützt die Bundesregierung die Bemühungen der EG, durch Rechtsvorschriften — z. B. Verordnung über die Statistik der Getreide-



Parl. Staatssekretär Gallus
produktion — hinsichtlich des Meldetermins, der Genauigkeitsanforderungen sowie der Methodik der Ernteermittlungen für alle Mitgliedstaaten rechtsverbindliche Regelungen zu schaffen.

Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1109615000
Gibt es Zusatzfragen? — Bitte sehr, Herr Abgeordneter Eigen.

Karl Eigen (CDU):
Rede ID: ID1109615100
Herr Staatssekretär, sind Sie sicher, daß Manipulationen bei den verschiedenen Erhebungen nicht durchgeführt werden?
Gallus, Parl. Staatssekretär: Ich kann nicht für andere Länder der Europäischen Gemeinschaft eine Sicherheitsgarantie abgeben. Wenn ich mir die Zahlen anschaue, dann kann ich nur sagen, daß wir im Jahre 1985 eine Erntemenge von 160 Millionen Tonnen hatten. Die Schätzungen lagen im September um 0,3 % darüber, im Dezember um 0,5 % darüber und im Februar um 0,5 % darunter. Für 1986 lauten die Zahlen wie folgt: Im Juni plus 4,7 %, im September minus 2,1 % und im Dezember minus 0,6 %. Die größte Schwankung hatten wir im Jahre 1987. Im Juni lagen die Schätzungen noch um 11,6 % darüber. — Das sind die Zahlen für das Getreide.
Insgesamt weichen die Schätzungen von dem festgestellten Ergebnis nur ganz wenig ab. Ich glaube, daß wir heute schon sehr weit gekommen sind.

Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1109615200
Gibt es weitere Zusatzfragen? — Bitte, Herr Abgeordneter Eigen.

Karl Eigen (CDU):
Rede ID: ID1109615300
Herr Staatssekretär, wie verstehen Sie dann die Verhandlungen in Brüssel über die Höhe der Rapsernte, bei denen die Sachverständigen 5,12 Millionen Tonnen festgestellt haben, die Kommission aber 5,5 Millionen Tonnen wollte, damit ihr Wille, die Preise zu senken, durchgesetzt werden konnte, und man sich im Verwaltungsrat auf 5,3 Millionen Tonnen geeinigt hat? Ist das eine Manipulation oder nicht?
Gallus, Parl. Staatssekretär: Ich muß zugeben, daß es sich bei den Zahlen, die ich vorgelesen habe, insbesondere um die Schätzergebnisse beim Getreide handelt. Beim Raps haben wir wesentlich stärkere Schwankungen zu verzeichnen. Im Jahre 1986 betrug die Abweichung beim Raps minus 23,9 % und im Juni 1987 minus 17,1 %. Die Zahlen liegen hier also wesentlich weiter auseinander als beim Getreide, so daß es am Ende darauf ankommt, einen Kompromiß zu finden.

Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1109615400
Ich rufe die Frage 43 des Abgeordneten Eigen auf:
In welchen Ländern der Bundesrepublik Deutschland werden die Möglichkeiten, auch Ackerflächen in den Ausgleich für Landwirte in benachteiligten Gebieten aufzunehmen, wie genutzt?
Gallus, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Eigen, auf der Grundlage der Rahmengrundsätze des Rahmenplans 1988 bis 1991 der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes" werden bis auf Bremen und Schleswig-Holstein alle Länder im Jahre 1988 von der erweiterten Fördermöglichkeit, d. h. von der Ausdehnung der Ausgleichszulage auf Ackerflächen mit Ausnahme von
Wein, Weizen und Intensivkulturen, Gebrauch machen. Entsprechend den sehr unterschiedlichen regionalen Ausgangsbedingungen in den benachteiligten Gebieten wird die Höhe der Ausgleichszulage für Ackerflächen in einigen Ländern differenziert. Grundelemente der Differenzierung sind die Gebietskategorien, wie Berggebiete, Kerngebiete, übrige benachteiligte Gebiete, Steillagengebiete, die betrieblichen landwirtschaftlichen Vergleichszahlen, die durchschnittliche und bereinigte Ertragsmeßzahl und das Standardbetriebseinkommen.
Die Höhe der Ausgleichszulagen im einzelnen steht noch nicht fest. Nach Aufbereitung der Anträge werden die Länder das Antragsvolumen mit den zur Verfugung stehenden Mitteln in Einklang bringen. Sie haben daher in ihren Landesrichtlinien den Betrag überwiegend nicht genau festgelegt. Die Länderrichtlinien sind bei der EG-Kommission notifiziert. Eine positive Entscheidung steht noch aus; sie wird in diesen Tagen erwartet.

Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1109615500
Zusatzfrage des Abgeordneten Eigen, bitte sehr.

Karl Eigen (CDU):
Rede ID: ID1109615600
Herr Staatssekretär, sind Sie mit mir der Meinung, daß es gut wäre, wenn überall, so auch in Schleswig-Holstein, in den Ackerbaugebieten mit schwachen Böden eine Ausgleichszulage gewährt wird, weil gerade die Landwirte, die damals aus der Milcherzeugung ausgeschieden sind und dann im Ferkel-, Sauen- und Schweinebereich investiert haben, in besonderer Not sind, und daher die neue Entwicklung, daß man auch Ackerbauflächen mit hineinnehmen kann, eigentlich sehr zu begrüßen ist?
Gallus, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, es ist immer gut, wenn man von seiten der Länderregierungen den Bauern hilft. Nur kann man von seiten des Bundes bei Rahmenrichtlinien, die gegeben sind, kein einziges Bundesland dazu zwingen.

Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1109615700
Bitte sehr, Ihre zweite Zusatzfrage.

Karl Eigen (CDU):
Rede ID: ID1109615800
Mit dieser Antwort habe ich gerechnet und stelle deswegen die Frage, ob nicht durch die unterschiedlichen Verhaltensweisen der verschiedenen Länder für die betroffenen Landwirte doch möglicherweise eine erhebliche Wettbewerbsverzerrung entstehen kann, da die Ware, die auf diesen Böden erzeugt wird, über die Grenzen der Länder, sogar der EG hinaus, ja frei handelsfähig ist. Sollte man deswegen nicht in solchen Bereichen, wo die Wettbewerbsfähigkeit direkt betroffen ist, über den PLANAK und die Gemeinschaftsaufgabe hinaus sicherstellen, daß gleiche Bedingungen im ganzen Land hergestellt werden?
Gallus, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, wir müssen sehen, daß wir ein föderativer Staat sind. Wenn ich mir das einmal richtig vor Augen halte, so denke ich, die Bundesländer werden sich dagegen wehren, daß sie hier von seiten des Bundes zu einer solchen Einheitlichkeit gezwungen werden. Natürlich legen wir bei den Besprechungen in den Bundesländern größten Wert darauf, keine allzu großen Diskrepanzen ent-



Parl. Staatssekretär Gallus
stehen zu lassen. Manchmal ist es aber so, daß der Wille größer ist als das Können, weil eben die finanziellen Mittel nicht vorhanden sind.

Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1109615900
Danke schön. Dann kann ich diesen Bereich abschließen. Herr Staatssekretär, wir bedanken uns bei Ihnen.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung auf. Zur Beantwortung steht uns der Parlamentarische Staatssekretär Höpfinger zur Verfügung.
Der Abgeordnete Dr. Schröder (Freiburg) hat um schriftliche Beantwortung seiner Fragen 44 und 45 gebeten. Die Fragen 46 und 47 des Abgeordneten Jäger werden auf Grund von Nr. 2 Abs. 2 der Richtlinien für die Fragestunde schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Wir kommen zur Frage 48 des Abgeordneten Antretter:
Wie verhält sich die Bundesregierung gegenüber der Bundesratsinitiative des Landes Niedersachsen, im Zusammenhang mit der geplanten Strukturreform im Gesundheitswesen durch eine entsprechende Fassung des Artikels 1 § 152 und durch Einführung eines Artikels 65 a die Bezirke der Ortskrankenkassen den Grenzen der Gebietskörperschaften anzupassen und somit vorhandene Zweitkassen durch gesetzlichen Zwang in eine andere Kasse einzugliedern, soweit eine freiwillige Vereinigung nicht bis zum 31. Dezember 1989 zustande kommt?
Herr Staatssekretär, Sie haben das Wort.

Stefan Höpfinger (CSU):
Rede ID: ID1109616000
Herr Präsident, dürfte ich Sie und den Fragesteller bitten, daß ich die Fragen 48 und 49 gemeinsam beantworte?

Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1109616100
Selbstverständlich können Sie ihn bitten; er signalisiert auch Zustimmung. Wir können so verfahren. Dann rufe ich auch Frage 49 des Abgeordneten Antretter auf:
Wäre von der Verwirklichung dieses Vorhabens auch die AOK Schwäbisch Gmünd betroffen?
Höpfinger, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Antretter, zu Ihrer Gegenäußerung zum Änderungsvorschlag des Bundesrates, eine Anpassung der Bezirke der Ortskrankenkassen an die Bezirke der Gebietskörperschaften vorzunehmen, hat die Bundesregierung zugesagt, die Anregung zu prüfen. Nach Auffassung der Bundesregierung sollen die Länder wie bereits bei geltendem Recht auch in Zukunft selbst entscheiden, in welchen Fällen eine Anpassung der Bezirke der Ortskrankenkassen an die Bezirke der Gebietskörperschaften erforderlich ist. Eine Entscheidung über den Änderungsvorschlag des Bundesrates kann allein das Parlament treffen. Bei Verwirklichung des Vorschlags des Bundesrates wäre die AOK Schwäbisch Gmünd betroffen.

Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1109616200
Ich nehme an, das provoziert Sie zu einer Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Antretter.

Robert Antretter (SPD):
Rede ID: ID1109616300
Halten Sie es für denkbar, Herr Staatssekretär, daß im Falle der Zustimmung der Bundesregierung zur Niedersachsen-Initiative die Landesregierung Baden-Württemberg in eigener Zuständigkeit am derzeitigen Bestand der Ortskrankenkassen in Baden-Württemberg festhält?
Höpfinger, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Antretter, ich muß hier ganz offen sagen, das gesamte Verfahren der Beratung des Gesundheits-Reformgesetzes liegt nicht mehr bei der Regierung, sondern liegt beim Parlament. Welche Ergebnisse bei einzelnen Paragraphen und Bestimmungen herauskommen, kann ich nur vermuten, aber keine konkreten Aussagen darüber treffen, denn da würde ich dem Parlament vorgreifen.

(Andres [SPD]: Nur Chaos kommt da heraus!)


Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1109616400
Weitere Zusatzfrage.

Robert Antretter (SPD):
Rede ID: ID1109616500
Herr Staatssekretär, ist demzufolge die in der Tagespresse vom 8. September veröffentlichte Aussage der baden-württembergischen Landesregierung in Gestalt ihres Staatssekretärs für das Sozialwesen, Mühlbeyer, falsch, derzufolge das geltende Recht der jeweiligen Landesregierung die Möglichkeit einräumt, durch Rechtsverordnung die Bezirke der Ortskrankenkassen selbst festzulegen, womit, so sagte er, für den Bestand der Ortskrankenkassen in Baden-Württemberg durch das GesundheitsReformgesetz keine Gefahr bestünde?
Höpfinger, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Antretter, ich habe nicht zu werten und nicht anzunehmen, ob die Aussage von diesem oder jenem stimmt oder nicht stimmt. Was Sie jetzt ansprechen, betrifft den § 216 des Gesundheitsreform-Gesetzes. Ich bin überzeugt, daß eine Reihe solcher Fragen gerade hinsichtlich der Organisation der Kassen in der Einzelberatung aufgegriffen werden. Ich bitte aber um Verständnis: Ich kann keine Aussage treffen, wie das Ergebnis solcher Diskussionen aussieht.

Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1109616600
Sie haben noch zwei Zusatzfragen, wenn Sie wollen, bitte schön.

Robert Antretter (SPD):
Rede ID: ID1109616700
Darf ich die Beantwortung meiner zweiten Zusatzfrage, Herr Staatssekretär, so verstehen, daß Sie die Äußerungen des baden-württembergischen Staatssekretärs Mühlbeyer auch nicht bestätigen können, daß der Bestand der Allgemeinen Ortskrankenkassen in Baden-Württemberg gesichert sei?
Höpfinger, Parl. Staatssekretär: Ich kann dazu nur sagen, daß beim Vorschlag des Bundesrates die Bundesregierung keine Prüfung zugesagt hat.

Robert Antretter (SPD):
Rede ID: ID1109616800
Ich bedanke mich.

Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1109616900
Damit sind wir am Ende der Fragestunde. Herr Abgeordneter Jäger, ich bedaure, wir haben die Zeit überschritten, und das Plenum hat sich für den nächsten Tagesordnungspunkt schon gefüllt.



Vizepräsident Cronenberg
Ich rufe den Zusatztagesordnungspunkt 1 auf:
Aktuelle Stunde
Rechtliche Situation von Frauen im Zusammenhang mit dem § 218 StGB
Meine Damen und Herren, die Fraktion DIE GRÜNEN hat gemäß unserer Geschäftsordnung eine Aktuelle Stunde zu diesem Thema verlangt.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat die Abgeordnete Frau Krieger.

Verena Krieger (GRÜNE):
Rede ID: ID1109617000
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In einem Handstreich sind in Memmingen 133 Frauen verurteilt worden. Diese Frauen sind nun vorbestraft, weil sie auf Grund einer Notlage eine ungewollte Schwangerschaft haben abbrechen lassen. Ihnen wurde vorgeworfen, daß sie die Schwangerschaft nicht fortgeführt und das Kind zur Adoption freigegeben haben. Sie wurden also bestraft, weil sie sich nicht als Leihmutter zur Verfügung gestellt haben.
Jetzt steht in Memmingen ein Arzt vor Gericht. Er ist angeklagt, weil er das getan hat, was selbst in Bayern noch bis 1980 legal war: Er hat ambulant abgetrieben. Um ihm ans Zeug zu flicken, müssen die betroffenen Frauen nun als Zeuginnen herhalten. Die Methoden, mit denen Richter und Staatsanwälte dabei vorgehen, erinnern fatal an die Zeit der Hexenverfolgung.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Durch öffentliche Verlesung ihrer Namen werden die Frauen an den Pranger gestellt. Der Fragebogen, der ihnen zugeschickt wurde, erinnert an die hochnotpeinlichen Verhöre während der Inquisition: Von wann bis wann dauerte die Beziehung? Welche Hindernisse standen einem Weiterführen der Beziehung entgegen? Wie ist das Verhältnis zur Mutter usw.? Dieser Fragebogen ist eine unverschämte, neugierige Dreistigkeit gegenüber den betroffenen Frauen.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Es geht aber noch weiter: In Memmingen wurden nicht nur Frauen verurteilt, weil sie einen Instanzenweg nicht eingehalten haben, sondern es wird auch eine ganz neue Praxis etabliert. Dort entscheidet nämlich nicht mehr, wie es § 218 vorsieht, ein Arzt oder eine Ärztin darüber, ob eine Notlage vorliegt, sondern ein Richter. Mich würde einmal interessieren: Ist die Bundesregierung eigentlich der Auffassung, daß die vertrauensvolle Atmosphäre, die sie im Zusammenhang mit der Entscheidung über einen Schwangerschaftsabbruch angeblich doch so sehr wünscht, im Gerichtssaal besonders gut herzustellen ist?

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Frau Süssmuth redet mit Vorliebe von „Hilfe statt Strafe", wenn es um Abtreibung geht.

(Zuruf von der SPD: Wo ist sie jetzt?)

Faktisch geht es aber darum, Frauen einzuschüchtern und zu kriminalisieren. Wie sonst ist es zu verstehen, daß die Bundesregierung in ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage von uns sagt, daß das „Dunkelfeld" von Schwangerschaftsabbrüchen „verkleinert" werden soll. Diese scheinbar harmlose Formulierung bedeutet nichts anderes als Schnüffelei und Strafverfolgung.
Hilfe statt Strafe, das hören wir immer wieder von seiten der Bundesregierung. In Memmingen haben Männer ihren Frauen und Freundinnen geholfen. Sie haben, indem sie sie zum Abbruch begleitet haben, Mitverantwortung für die ungewollte Schwangerschaft übernommen. Das fordert die CDU doch neuerdings in ihren Flugblättern. Was passiert, wenn Männer diese Mitverantwortung übernehmen? In Memmingen werden sie wegen Beihilfe zu illegaler Abtreibung bestraft. Strafe statt Hilfe ist wohl eine präzisere Beschreibung dessen, was da im Augenblick geschieht.

(Beifall bei den GRÜNEN, der SPD sowie der Abg. Frau Würfel [FDP])

Das Sogenannte Dunkelfeld illegaler Abbrüche wird durch eine solche Praxis ganz bestimmt nicht verkleinert. Im Gegenteil: Dadurch wird das sogenannte Dunkelfeld erst richtig geschaffen und vergrößert, indem nämlich legale Schwangerschaftsabbrüche im nachhinein für illegal erklärt werden.

(Frau Unruh [GRÜNE]: Sehr richtig! — Jäger [CDU/CSU]: Grauenvolle Vereinfachung!)

Der Bundesregierung kann eine solche Praxis eigentlich nur gelegen kommen. Schließlich setzt sie ja, wie wir erfahren haben, auf das Prinzip Abschreckung durch Strafrecht. Und etwas Abschreckenderes als dieser Prozeß in Memmingen ist in der Tat kaum noch vorstellbar.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD — Jäger [CDU/CSU]: Doch: Ihre Rede!)

Auch wenn es sich um ein Gerichtsverfahren handelt: Die Bundesregierung trägt mit die Verantwortung für das, was in Bayern geschieht. Seit Jahren betreibt sie eine ungeheuerliche Propaganda, in der Frauen, die abtreiben, wahlweise zu gewissenlosen Mörderinnen oder zu unwissenden, unfähigen Opfern stilisiert werden. Jetzt weigern sich CDU-Abgeordnete auch noch, dem Gesundheitsreformgesetz zuzustimmen, weil darin ein geltender Rechtsanspruch von der RVO übertragen werden soll, der ihnen nicht paßt.
Selbst wenn der sogenannte Kompromiß einer Rumpf-RVO für Abtreibung und Schwangerschaft zustande kommen sollte, hat diese unsägliche Debatte über die Krankenkassenfinanzierung doch schon ein Klima geschaffen, daß auch Schwangerschaftsabbrüche nach der geltenden Notlagenindikation schon als unrechtmäßig erscheinen müssen. Wer seit Jahren ein solches Klima schafft, ermutigt damit — natürlich — auch bayerische Provinzrichter, endlich mal so richtig die Sau rauszulassen.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD) Deswegen ist die Bundesregierung mitverantwortlich für das, was in Memmingen geschieht.


(Beifall bei den GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD — Jäger [CDU/CSU]: Ihre Rede und Ihre Ausdrucksweise passen zusammen!)


Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1109617100
Das Wort hat die Abgeordnete Frau Hasselfeldt.

Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1109617200
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Mittelpunkt dieser Dis-



Frau Hasselfeldt
kussion heute stehen die Lage der Frauen in Konfliktsituationen und unser Umgang mit dem menschlichen Leben. Bei der großen Bedeutung dieser Thematik für uns alle sind Polemik und billige Effekthascherei sicher fehl am Platz.

(Beifall bei der CDU/CSU — Frau Unruh [GRÜNE]: Gerichtsurteil und keine Polemik!)

Und hier ist auch kein Platz für Begriffe wie Hexenverfolgung oder Hexenjagd oder Inquisition, wie sie von der SPD — oder auch soeben von den GRÜNEN — in Verbindung mit den Memminger Prozessen verwandt werden. Meine Damen und Herren, diese Debatte soll uns vielmehr Anlaß sein, über die Abtreibungspraxis und über die Situation der Frauen nachzudenken, aber auch unsere Grundeinstellung zum Schutz des ungeborenen Lebens zu verdeutlichen.
Nun, wie war denn der Sachverhalt in Memmingen? Ein Arzt hat sich dort in mehr als 150 Fällen über geltendes Recht hinweggesetzt.

(Jäger [CDU/CSU]: Sehr richtig!)

Er hat gesetzliche Bestimmungen eindeutig übergangen. Und es ist nur eine logische Konsequenz unseres Rechtsstaates, daß rechtswidriges Verhalten auch verfolgt und bestraft wird.

(Frau Unruh [GRÜNE]: Ja, Sie machen es sich einfach!)

Und: Unser Rechtsstaat gebietet auch — das möchte ich gerade hier in dem Kreis sagen — , daß niemand, auch ein Abgeordneter nicht, in ein schwebendes Verfahren eingreift.

(Beifall bei der CDU/CSU — Widerspruch bei den GRÜNEN)

Alle Abgeordneten täten gut daran, sich einer Bewertung dieses Prozesses zu enthalten. Deshalb ist es mir auch völlig unverständlich, wenn Kollegen aus der SPD und der GRÜNEN so ein normales, demokratisches und rechtsstaatliches Verfahren wie diesen Prozeß mit Ausdrücken wie „Hexenjagd" und ähnlichem diffamieren und sogar zu Demonstrationen aufrufen.

(Zurufe von den GRÜNEN und der SPD — Glocke des Präsidenten)

Die Organe der Strafrechtspflege, meine Damen und Herren, machen hier nichts anderes, als das 1975 von der SPD geschaffene Strafrecht anzuwenden.

(Beifall bei der CDU/CSU — Zuruf von den GRÜNEN: Deswegen muß es auch weg! — Weitere Zurufe von den GRÜNEN)

Lassen Sie mich aber auch einige grundsätzliche Bemerkungen zu diesem Thema machen:

(Frau Unruh [GRÜNE]: Sagen Sie etwas zu Memmingen!)

Der Schutz des menschlichen Lebens — auch des ungeborenen — ist eine ganz zentrale Aufgabe dieses Staates — vom Bundesverfassungsgericht uns nicht nur so aufgetragen, sondern es entspricht unserer ethischen Grundeinstellung zum werdenden Leben. Dies darf kein Lippenbekenntnis sein, sondern hier ist die Politik gefordert. Eine Politik, die dem Recht auf
Leben nicht dient, meine Damen und Herren, ist eine zutiefst miserable Politik.

(Beifall bei der CDU/CSU — Frau Unruh [GRÜNE]: Handelt, wir haben nichts dagegen!)

Im Mittelpunkt all unserer Maßnahmen zum Schutz des Lebens steht die Beratung. Sie soll über zwischenmenschliche, über staatliche, über alle gesellschaftlichen Hilfen umfassend informieren. Und sie soll vor allem die verantwortliche Entscheidung der Mutter zur Fortsetzung der Schwangerschaft erleichtern und auch die Situation der Mutter und des Kindes verbessern.

(Frau Krieger [GRÜNE]: In Memmingen entscheidet der Richter! — Weiterer Zuruf von den GRÜNEN: Zwangsberatung!)

Deshalb werden wir auch an unserem Ziel festhalten, das Bundesberatungsgesetz zu verabschieden.
Wir wissen aber auch, meine Damen und Herren — das wurde gerade in den Memminger Prozessen deutlich — , daß unsere Hilfen für die schwangeren Frauen nicht ausreichen.

(Frau Dr. Skarpelis-Sperk [SPD]: Da haben Sie ausnahmsweise recht!)

Wir werden deshalb mit den Maßnahmen, die wir schon begonnen haben, mit denen wir Zeichen gesetzt haben, nämlich Erziehungsgeld, Erziehungsurlaub, Familienlastenausgleich durch die Steuerreform, Hilfen durch die „Stiftung Mutter und Kind", fortfahren, um den Frauen tatsächlich zu helfen und nicht nur zu reden.

(Frau Unruh [GRÜNE]: Ist doch okay! — Weitere Zurufe von den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, wir wissen aber auch, daß mit Geld allein die Probleme hier nicht gelöst werden können. Viel wichtiger ist das geistige Klima in unserem Lande. Viel wichtiger ist auch unsere persönliche Einstellung zum Leben und zu Kindern. Das erreichen wir nicht mit einem ewigen Gejammere über die Belastung durch Kinder. Ich wünschte mir vielmehr, daß wir alle miteinander öfter betonen würden — auch gerade bei solchen Debatten — , welche Freude und welchen Segen auch Kinder für ihre Eltern darstellen.
Wir wollen eine Tötung menschlichen Lebens verhindern.

(Frau Krieger [GRÜNE]: Aber keine Zwangskinder!)

Wir wollen den betroffenen Frauen durch eine qualifizierte Beratung und durch finanzielle und soziale Unterstützung helfen. Wir wollen eine Gesellschaft, in der Kinder wieder mit offenen Armen aufgenommen werden.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1109617300
Das Wort hat die Abgeordnete Frau Dr. Skarpelis-Sperk.

Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk (SPD):
Rede ID: ID1109617400
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das ungewöhnlich scharfe Vorgehen der bayerischen Justiz in Memmingen



Frau Dr. Skarpelis-Sperk
— angetrieben durch die bayerische Justizministerin Frau Berghofer-Weichner und die Generalstaatsanwaltschaft in München — ist einmalig in der Justizgeschichte der Bundesrepublik Deutschland.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Selbst vor der Reform des § 218 hat es keine derart massenhafte und pedantisch unbarmherzige Kriminalisierung von Frauen gegeben.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Strafe statt Hilfe heißt daß Motto der Staatsanwälte und Richter, nach dem fast täglich — wie am Fließband — Frauen und Männer öffentlich an den Pranger gestellt und verurteilt worden Während in anderen Bundesländern, auch in mehrheitlich konservativ regierten Bundesländern, die Verfahren wegen Geringfügigkeit eingestellt wurden,

(Geis [CDU/CSU]: Hört! Hört! „Wegen Geringfügigkeit" ! )

schlägt die bayerische Justiz unbarmherzig und inquisitorisch zu, als hätten die Frauen mit dem bitteren Konflikt des Abbruchs, mit dem häufigen Alleingelassensein vom Partner, immer in Angst vor Tratsch und hämischem Grinsen, vor sozialer Schande und Distanzierung durch die eigene Familie, nicht schon genug ausgestanden!

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Als Beleg dafür, daß ich nicht übertreibe, will ich Ihnen nur zwei Beispiele aus allerjüngster Zeit für das Klima der Angst und die bittere Ohnmacht der Frauen erzählen.
Fall eins: Er hat sich vorgestern in Memmingen ereignet. Die angeklagte Frau, eine Arbeiterin, wollte den Namen des Erzeugers vor Gericht nicht preisgeben. Durch eine Bemerkung bekommt der Richter mit, daß der Mann noch immer häufig in der Wohnung zu Besuch ist. Der Richter schickt aus dem Gerichtssaal die Kripo zur Wohnung, die Tochter wird überfallartig befragt,

(Frau Krieger [GRÜNE]: Das ist ja ungeheuerlich!)

wie denn der Mann heiße, der da häufig zu Besuch sei, und der Mann wird sofort vorgeladen.

(Zuruf von der SPD: Pfui!)

Damit es auch überall bekannt wird, wird die Nachbarin auch noch gleich vorgeladen,

(Frau Krieger [GRÜNE]: Denunziantentum!)

weil sie ja einige Male so freundlich war, auf die Kinder der Übeltäterin aufzupassen.

(Zurufe von der SPD: Ungeheuerlich! — Frau Süssmuth ist gefordert!)

Fall zwei: Eine nicht mehr ganz junge Arbeiterin, eine Südländerin, die bei der Familie lebt, hatte einen Geliebten. Als sie schwanger wird, verlangt er die Abtreibung und verläßt sie. Hinter dem Rücken ihrer Familie, in der sie als „alte Jungfer" ohnehin keinen leichten Stand hat und die von ihrem unmoralischen Verhältnis auch nichts weiß, treibt sie heimlich ab. Bei der Kripo — natürlich wurde sie ohne Dolmetscher
befragt — gibt sie auf alles und jedes offen Auskunft.
Sie schweigt, nimmt den Strafbefehl an und zahlt, damit um Gottes willen ihre Familie, ihre Mutter, nichts erfährt. Der Ex-Liebhaber ist nicht so geduldig. Nach seiner Verurteilung erscheint er bei ihr und droht ihr, sie vor der Familie und am Arbeitsplatz bloßzustellen, wenn sie nicht seine Strafe wegen Beihilfe auch noch bezahlt. Sie nimmt einen Kredit auf und bezahlt auch noch seine Strafe.
Diese Art des Vorgehens von Polizei und Staatsanwaltschaft, die ausführlich in Funk, Fernsehen und Presse dargestellt wurde, und das unglaubliche unsensible Vorgehen einzelner Gerichte, haben mittlerweile in Memmingen und im Unterallgäu — in meinem Wahlkreis — ein Klima der Angst und der Einschüchterung geschaffen, bei dem sich die betroffenen Frauen verstecken und so viel Angst vor der sozialen Ächtung haben, daß sie selbst dann, wenn sie sich im Recht fühlen, lieber Strafen — für ihre Einkommensverhältnisse hohe Geldstrafen — akzeptieren, um nur endlich aus dem Gerede zu kommen und um ihren neuen Partner, ihre Kinder und ihre Eltern nicht einem unerhörten sozialen Druck auszusetzen.
Am meisten betroffen und auch wehrlosesten sind natürlich nicht gutverdienende Frauen und Akademikerinnen — die waren klüger, die haben nicht in Bayern abgetrieben —,

(Frau Garbe [GRÜNE]: Sehr richtig!)

sondern Arbeiterinnen, vor allem ausländische Arbeiterinnen, Verkäuferinnen, Sekretärinnen, aber auch Frauen mit kleinen, halberwachsenen Kindern, die nicht mehr ein und aus wissen.

(Frau Unruh [GRÜNE]: Auch nicht CDUFrauen!)

Nein, diese Staatsanwälte und Richter inszenieren wirklich Hexenprozesse nach dem Muster der mittelalterlichen Inquisition, nur daß die Folterinstrumente nicht die glühenden Zangen, Daumenschrauben und die Streckbank sind, sondern ein öffentliches Verlesen der Namen aller betroffenen Frauen im Prozeß gegen Dr. Theissen,

(Frau Unruh [GRÜNE]: Der Kerl muß doch weg!)

Befragung über intimste persönliche Dinge, schikanöses und bereitwilliges Akzeptieren jeder Denunziation.

(Jäger [CDU/CSU]: Wann reden Sie denn mal von den 150 Kindern, die zerrissen worden sind?)

— Was mich als Frau daran besonders entsetzt, Herr Kollege, ist, daß hier wieder mal nach längst vergangen geglaubten Mustern mehr als 200 Frauen vor die Schranken des Gerichts gezerrt werden und hinter dessen Schranken ausschließlich Männer sitzen,

(Jäger [CDU/CSU]: Da sind 150 Kinder umgebracht worden! Davon sagen Sie kein Wort!)




Frau Dr. Skarpelis-Sperk
die über Situationen urteilen, in die sie sich kaum einfühlen können und die noch dazu Jahre zurückliegen.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)


Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1109617500
Das Wort hat die Frau Abgeordnete Würfel.

Uta Würfel (FDP):
Rede ID: ID1109617600
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir wollten uns heute hier mit der Rechtslage auseinandersetzen. Das Bundesverfassungsgericht hat 1975 ein eindeutiges Ja zur Notlagenindikation gesagt und die Unbestimmtheit des Notlagenbegriffes gewollt akzeptiert, da sich eine Notlage auf den Einzelfall bezogen jeweils verschieden darstellt. Schon damals wurden vielfältige Überlegungen angestellt, ob es ein Feststellungsverfahren geben kann, das dem Begriff „Notlage" Konturen verleiht. Der Gedanke, daß es ein staatliches Feststellungsverfahren, in dem die Entscheidung der Ärzte zur Notlagenfeststellung durch Gericht überprüft werden könnte, überhaupt geben könnte, wurde verworfen, weil dieses Verfahren für die Frauen als völlig unzumutbar angesehen wurde.

(Beifall bei der FDP, der SPD und den GRÜNEN)

In dieser Einsicht, daß es kein Feststellungsverfahren, keinen objektiven Kriterienkatalog zur Feststellung einer Notlagenindikation geben kann, entschied sich die sozialliberale Koalition zur Fristenlösung. Die Fristenlösung hätte den Vorteil gehabt, daß sich damit das Problem der Stellung einer Notlagenindikation von selbst erledigt hätte. Die Vorgänge in Memmingen heute zeigen deutlich, daß wir damals mit unseren Überlegungen und unserer Beurteilung nicht falsch lagen.

(Beifall bei der FDP, der SPD und den GRÜNEN)

Entgegen der Auffassung des Gesetzgebers, daß sich eine Notlage nicht nach Mark und Pfennig berechnen läßt, verlangen die Memminger Richter in einem skandalösen, ungeheuerlichen Fragebogen, den sie mit einem noch fragwürdigeren Anschreiben an die ehemaligen Patientinnen des Dr. Theissen gesandt haben, Auskunft über die Lebensverhältnisse der Frau zur Zeit ihrer ungewollten Schwangerschaft. Es sind dies die Fragen nach den Einkommens- und Vermögensverhältnissen der Frau, nach ihren Schulden und deren Entstehungsgrund, nach dem Einkommen des Partners und dem Einkommen des Erzeugers, nach dem Einkommen der Eltern und deren Gesundheitszustand — man bedenke! — und nach dem Einkommen der Geschwister des werdenden Lebens. Das heißt, wenn ich mit 19 ein Kind bekommen habe, 44 bin, einen 25jährigen Sohn oder eine 25jährige Tochter habe, muß der bzw. die möglicherweise für die Kosten des Lebens herhalten, das dann entsteht. Es sind zum Teil auch Fragen nach der Privatsphäre, die jedes Maß übersteigen. Da wird z. B. nach der Identität des Erzeugers gefragt, der nicht Partner oder Ehemann ist — unter Angabe der Adresse — , nach der Dauer der Beziehung, nach den Hindernissen gegen eine Festigung dieser Beziehung, nach dem Grad der Kenntnisse des Partners oder der Eltern um die
Schwangerschaft und nach der Einstellung der Frau zu dem zu erwartenden Kind.

(Frau Unruh [GRÜNE]: Die sind doch dienstunfähig, die so was machen!)

In dem Anschreiben zu diesem skandalösen Fragebogen wird beispielsweise suggeriert, daß mit der Beantwortung des Fragebogens ein öffentliches Gerichtsverfahren für die Frau vermieden werden könnte, was dann natürlich nicht der Fall war. Vielmehr führten die Antworten auf dem Fragebogen in den meisten Fällen erst zu einer Vorladung der betreffenden Frau.
Jetzt möchte ich Ihnen den letzten Absatz dieses Anschreibens vortragen; denn er ist so bezeichnend für den Gesamtvorgang. Da heißt es:
Sollten Sie
— also die betroffene schwangere Frau —
aber Wert darauf legen, daß Ihr Fall über den Inhalt des Fragebogens hinaus in der Hauptverhandlung weiter aufgeklärt wird, so bleibt es Ihnen unbenommen, den Ihnen übersandten Fragebogen nicht auszufüllen.

(Frau Unruh [GRÜNE]: Das nennt man Erpressung! — Zuruf von der FDP: Sauerei!)

Ich glaube, wohl jedem denkenden und fühlenden Menschen bleibt bei diesem Zynismus erst einmal die Luft weg, wie man so etwas überhaupt versenden kann!

(Beifall bei der FDP, der SPD und den GRÜNEN)

Jahre nach einer von den Frauen getroffenen Entscheidung maßen sich Richter an, die seelischen Aspekte der Entscheidung der Frauen nicht im mindesten zu berücksichtigen. Es gibt Notlagen von unendlicher Vielfalt, die eben nicht mit Geld zu beheben sind. Die Gesamtsituation ist entscheidend. Die psychosomatischen Ausfallerscheinungen sind nur von einem Arzt zu bewerten und können auch nur von einem Arzt bewertet werden. Sie entziehen sich der Urteilsfähigkeit des Richters. Das ist für mich der angreifbarste Punkt.

(Beifall bei der FDP, der SPD und den GRÜNEN)

Die medizinisch-psychologische Dimension des Konfliktes kann nur von einem Arzt beurteilt werden und keinesfalls von einem Richter. Es ist doch eine Anmaßung ohnegleichen, sich einzubilden, man könnte das. Kein Arzt wird einem Juristen in rechtliche Fragestellungen hineinreden. Aber umgekehrt ist das jetzt in Memmingen der Fall.

(Frau Dr. Skarpelis-Sperk [SPD]: Das ist Memminger Landrecht!)

Statt dessen ist es vom Gesetzgeber ja ganz bewußt in die Verantwortung des indizierenden Arztes gelegt worden, die Frage der Zumutbarkeit bei der Notlagenindikation zu prüfen. Man hat nach ärztlicher Einsicht zu entscheiden.

(Jäger [CDU/CSU]: Wer hat denn das Gesetz gemacht? Wir doch nicht!)




Frau Würfel
Ich glaube, daß die Richter eben nicht die Aufgabe haben und auch meines Erachtens nicht das Recht auf ihrer Seite haben, wenn sie wie in Memmingen die Frage der Zumutbarkeit prüfen, ohne kompetent zu sein, bei ihrer Beurteilung lediglich den Maßstab der finanziellen Verhältnisse anlegen und die Frauen bestrafen, auch wenn sie sich in Bedrängnis befanden — ist ein ganz bestimmter Passus im Recht — und sich vor dem Abbruch beraten ließen. In all diesen Fällen will der Gesetzgeber gar keine Bestrafung. In Memmingen ist das aber jetzt der Fall.

Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1109617700
Frau Abgeordnete, Sie müssen jetzt zum Schluß kommen. Ich bin in der Aktuellen Stunde gehalten, die Zeit sehr genau einzuhalten. Ich habe das sehr großzügig ausgelegt, aber Sie müssen zum Schluß kommen.

Uta Würfel (FDP):
Rede ID: ID1109617800
Ja, das Licht blinkt.
Ich beende meine Ausführungen. Herr Lüder wird dort fortfahren, wo ich aufgehört habe.

(Beifall bei der FDP, der SPD und den GRÜNEN)


Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1109617900
Das Wort hat die Ab geordnete Frau Krieger.

Verena Krieger (GRÜNE):
Rede ID: ID1109618000
Frau Würfel, jetzt stellt sich nur die Frage: Warum stimmt die FDP denn jetzt diesem Krankenkassenkompromiß zu, warum stimmt die FDP dem Beratungsgesetz zu?

(Beifall bei den GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Darauf haben Sie leider nicht geantwortet. Aber das muß in diesem Kontext auch diskutiert werden.

(Zuruf von der SPD: So ist es!)

Auch zu Frau Süssmuth möchte ich etwas sagen, die dazu ja bisher gar nicht deutlich Stellung genommen hat. Vor der Wahl — daran kann ich mich gut erinnern — hat sie noch laut und deutlich versprochen, daß am § 218 nichts verändert wird. Praktisch stellen wir fest, daß das ein Thema ist, das gar nicht in ihrem Kompetenzbereich liegt. Mit scheint das eine gute Arbeitsteilung zu sein: Die Ministerin spricht viel von Hilfe, von Beratung und von den Sorgen und Nöten der betroffenen Frauen, und das Justizministerium ist dann zuständig fürs Grobe, wenn es nämlich um die Strafverfolgung geht. Wenn es ernst wird, scheint Frau Süssmuth in der Versenkung verschwunden zu sein.
Da werden in Bayern reihenweise die Frauen abgeurteilt, da wird die Notlagenindikation so lange umdefiniert, bis von der Frau faktisch nichts mehr übrigbleibt, da spielen sich die Richter als moralische Oberinstanz auf und nehmen sich das Recht heraus, über das Leben von Frauen zu entscheiden, und die Frauenministerin hält sich raus.
Hinzu kommt: Memmingen bleibt ja kein Einzelfall. In Rheinland-Pfalz ist die Zahl der polizeilich registrierten Fälle nach § 218 von 10 im Jahr 1987 auf 215 allein im ersten Halbjahr 1988 gestiegen. Das ist eine Steigerungsrate von 2 150 %. Memmingen bleibt also kein Einzelfall. Wenn das Schule macht, wird das fürchterliche Folgen für die Frauen in der Bundesrepublik haben. Deswegen ist das Verfahren in Memmingen so eine ernsthafte Angelegenheit für uns Frauen. Deswegen wächst auch der Widerstand gegen diesen Prozeß der Kriminalisierung von Frauen zur Zeit täglich.
Es geht für uns Frauen in dieser Frage um verdammt viel. Deswegen darf Memmingen nicht überall sein.

(Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und bei Abgeordneten der FDP)


Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1109618100
Das Wort hat der Abgeordnete Werner (Ulm).

Herbert Werner (CDU):
Rede ID: ID1109618200
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Worum geht es hier eigentlich? Es geht zunächst einmal darum, daß nicht die Bundesregierung zuständig ist für das Auf-den-Weg-Bringen von Maßnahmen seitens der Staatsanwaltschaften und für Urteile von Gerichten, die im Einklang mit einem Gesetz handeln, das im übrigen nicht unter unserer Verantwortung, sondern 1976 entstanden ist. Dies möchte ich vor allen Dingen an die Adresse der Kollegen und Kolleginnen der SPD sagen!

(Frau Krieger [GRÜNE]: Deswegen muß der 218 weg!)

Was nun dazu zu sagen ist, gibt, wie ich glaube, umfassend der Satz des Verfassungsgerichts wieder: „Die Schutzpflicht des Staates verbietet nicht nur unmittelbare staatliche Eingriffe in das sich entwikkelnde Leben, sondern gebietet dem Staat auch, sich schützend und fördernd vor dieses Leben zu stellen. "
Meine Damen und Herren, wir haben im Falle Memmingen in über 150 Fällen gesehen, wie Leben vernichtet wurde, wie in über 150 Fällen der Betroffene überhaupt nicht zu Wort gekommen ist — konnte er auch gar nicht. Deswegen ist es eine Verkürzung der ganzen Diskussion und der Blickweise, hier nur das Einzelschicksal der Frau, so beklagenswert es im Einzelfall auch sein mag — wir machen es da uns nicht leicht —, im Mittelpunkt der Erörterung zu sehen.

(Lachen und Zurufe von den GRÜNEN)

Das Verfassungsgericht hat ja dem Schutz des ungeborenen Kindes

(Frau Unruh [GRÜNE]: Hören Sie auf! Gehen Sie nach Hause und machen Sie Kinder!)

geradezu eine Vorrangstellung eingeräumt und erst dann in seinem Urteil ausgeführt im Hinblick darauf, was strafrechtlich machbar, vertretbar ist.

(Zurufe von der SPD: Positivist!)

Deswegen, meine Damen und Herren, muß hier einfach darauf hingewiesen werden, daß diese Staatsanwälte und auch die Gerichte zunächst einmal ihrer Pflicht nachgekommen sind,

(Widerspruch bei den GRÜNEN)




Werner (Ulm)

sich grundsätzlich schützend vor das Recht auf Leben zu stellen!

(Zuruf von den GRÜNEN: Nein! — Frau Weyel [SPD]: Aber nicht öffentlich die Frauen bloßzustellen!)

Ein zweites, meine Damen und Herren: Wir haben es hier mit einem Fall zu tun, in dem der handelnde Arzt vor der Fernsehkamera zugegeben hat, im Wissen darum gehandelt zu haben, daß er gegen geltendes Recht verstößt. Dies sollten Sie doch auch zur Kenntnis nehmen und nicht einfach zur Seite schieben. Sie wissen doch ganz genau, wie der Ablauf eigentlich sein müßte: Beratung, Indikationsstellung, Abbruch. Dies verlangt ein hohes Maß an Verantwortung seitens der Frau, aber auch seitens des Arztes. Ich meine, wir sollten gerade aus den Memminger Vorgängen endlich die Konsequenz ziehen, die wir allerdings schon 1975 und 1976 hier aufgezeigt haben, daß wir nämlich endlich zur Kenntnis nehmen müssen, in welch hohem Maß der einzelne Arzt dann überfordert ist, wenn es darum geht, konkret-inhaltlich eine Indikation zu bestimmen.

(Lachen bei den GRÜNEN)

In all diesen Fällen, die in Memmingen zur Diskussion stehen, ergeben sich je nach unterschiedlicher Auffassung der Rechtslage unterschiedliche Folgerungen; für die einen wurde zu viel, für andere zu wenig gehandelt. Ich finde, wir sollten es uns auch nicht so einfach machen, jetzt das Ganze in einen parteipolitichen Hickhack hineinzuziehen

(Frau Schmidt [Nürnberg] [SPD]: Wer tut das denn?)

und dies auch noch mit einer Frage zu verbinden, die wir in den Reihen der Koalition streitig, aber in freundschaftlichem Streit miteinander diskutieren.

(Frau Schmidt [Nürnberg] [SPD]: Davon haben die Frauen was!)

Ich glaube, es ist ganz wichtig, daß wir uns hier aller Selbstgerechtigkeit und Selbstgefälligkeit nicht nur gegenüber den betroffenen Frauen, sondern auch gegenüber den betroffenen — ich gehe davon aus, sie sind betroffen — Anwälten und Richtern enthalten. In der Art und Weise, wie Sie bisher diese Diskussion geführt haben, kommen mir Zweifel, ob Sie es tatsächlich mit dem Anliegen des umfassenden Schutzes auch des ungeborenen Lebens ernst meinen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU/CSU — Frau Unruh [GRÜNE]: Natürlich, genauso ernst wie Sie!)


Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1109618300
Das Wort hat der Abgeordnete de With.

Dr. Hans de With (SPD):
Rede ID: ID1109618400
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich einen Blick zurückwerfen. Vor der Reform wurde die Rate der legalen und illegalen Abbrüche auf rund 250 000, 260 000 geschätzt; so Friedrich Graf von Westphalen, kein Sozialdemokrat. Die Schätzung der katholischen Bischöfe lag höher. Vor der Reform gab es pro Jahr rund 100 tote Frauen infolge eines verbotenen Eingriffes, und vor der Reform gab es so gut wie keine Beratung, keine Aufklärung und auch relativ wenig Unterstützung für die in Not Geratenen. Die Reformbewegung hat hier einen großen Fortschritt gebracht, den wir nicht zerreden sollten. Jetzt ist mit Sicherheit — entgegen allen Unkenrufen — die Rate der Aborte sicher nicht höher geworden;

(Jäger [CDU/CSU]: Erheblich höher! — Frau Würfel [FDP]: Geht zurück!)

ich glaube eher, es sind weniger. Ich will nicht rechten über die Zahlen, die wir haben, aber niemand wird an der Seriosität des Max-Planck-Instituts zweifeln. Wenn man dort fragt, dann liegen die Deutschen im Schnitt bei vorsichtigen Schätzungen pro tausend der Bevölkerung im Verhältnis zu vergleichbaren Ländern im unteren Spektrum.
Es gibt keine toten Frauen mehr infolge eines verbotenen Eingriffs. Es gibt mehr Hilfe, mehr Organisation, und wir wissen auch sehr viel mehr. Ich meine, es geht darum, diesen Weg der Reform weiterzuführen, ihn fortzuführen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP und der GRÜNEN)

Deswegen hilft es nicht — der hier steht, hat maßgebend an der Fristenregelung mitgewirkt —,

(Jäger [CDU/CSU]: Die verfassungswidrig ist!)

einerseits zu sagen, § 218 gehört abgeschafft, und andererseits geht es genauso wenig an, wenn hinten herum der Versuch unternommen wird, das Rad der Reformgeschichte zurückzudrehen.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN)

Und es wird zurückgedreht, wenn der Versuch unternommen wird, die Indikationenregelung oder aber die Notlagenindikation verfassungsrechtlich immer und immer wieder in Frage zu stellen, wenn der Versuch unternommen wird, die Übernahme der Kosten auf Krankenschein für die Notlagenindikation herauszuschießen.
Hier sage ich zu den Führenden in der CDU/CSU: Jede Fraktion hat — das ist in der Geschichte des Parlamentarismus nun einmal so — Leute, die zu etwas extremeren Handlungen neigen, und es geht darum, diese zu zügeln. Hier lassen Sie Ihre Hardliner gewähren mit der Folge, daß eine Klimaverschlechterung entsteht, bei der Furchtbares geschieht.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN)

Sie wissen, ich war Staatsanwalt und Richter, und mir steht es aus diesem Grund nicht zu, schon jetzt endgültige Wertungen zum Verfahren in Memmingen zu treffen. Aber es muß erlaubt sein — einige Verfahren sind bereits rechtskräftig — , wenn eine Richtung eingeschlagen wird, die wir alle nicht vertreten können, dazu auch einiges deutlich zu sagen, und ich nehme hier kein Blatt vor den Mund.
Dieser ganze Bundestag hat vor nicht allzu langer Zeit einmütig einem Gesetz zugestimmt, bei dem es strafrechtlich um den Schutz des, vornehmlich: der



Dr. de With
Betroffenen ging. Das war das sogenannte Opferschutzgesetz. Ich habe hier von allen Seiten sehr vorsichtige und behutsame Töne gehört. Was in Memmingen geschieht, ist keineswegs im Geiste des Opferschutzgesetzes.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP und der GRÜNEN)

Schon jetzt — dies sage ich mit aller Deutlichkeit — steht, jedenfalls für mich, fest: Dieser Prozeß in Memmingen wird keine abschreckende Wirkung mit dem Ziel haben, weniger Abbrüche zu erreichen. Er hat auf ganz andere Art abschreckende Wirkung.

(Frau Unruh [GRÜNE]: Genau! Tote Frauen!)

Ich sage ein weiteres: Er hinterläßt jetzt schon Menschen, die tief in ihrer Fraulichkeit verletzt sind und die an diesem Staat zweifeln.
Ich schließe mit einem, wie ich meine, sehr ernst gemeinten Hinweis ab, der an jeden gerichtet ist, der in diesem Staat Verantwortung trägt: Gefragt ist nicht kühle und blanke Legalität, gefragt ist Vorsicht und auch ein Stück Demut, denn pure Legalität wird allzu leicht illegitim und schlägt die Gesetzlichkeit.
Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP und der GRÜNEN)


Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1109618500
Das Wort hat der Abgeordnete Lüder.

Wolfgang Lüder (FDP):
Rede ID: ID1109618600
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das, was in Memmingen geschehen ist, geschieht und — wir müssen dies befürchten — auch weiterhin geschehen wird, wird uns unter verschiedenen Aspekten in diesem Hause noch weiter beschäftigen müssen.
Ich will mich hier im Gegensatz zu der ersten Rednerin der GRÜNEN nicht zum Verteidiger von Herrn Theissen aufschwingen. Das, was er getan hat, scheint strafrechtlich relevant zu sein; ich bin ganz vorsichtig. Ich bin hier aber nicht der Verteidiger. Nur, für uns — so glaube ich — stellt sich die Frage — dieser werden wir im Innenausschuß einmal nachgehen müssen — , ob es eigentlich Rechtens ist, daß, wenn jemand verdächtigt wird, Steuerhinterziehung begangen zu haben und dann eine Datei beschlagnahmt wird, da das Schweigerecht des Mediziners endet, und ob man allein wegen der Verdächtigung eine Datei beschlagnahmen kann und dann alle Patienten erst einmal vor den Kadi und in ein Ermittlungsverfahren ziehen kann.

(Beifall bei der FDP, der SPD, den GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Ein zweiter Punkt — das sage ich zu den Kollegen der CDU/CSU — : Wir machen hier keinen Eingriff in ein schwebendes Verfahren; aber das, was unstreitig feststeht, das ist einfach zu schlimm. Es gibt einen Grundsatz in diesem Staat, daß man nicht Strafwürdiges dadurch bekämpfen darf, daß man rechtswidrig vorgeht.
Wenn man den Fragebogen sieht — ich habe es nicht geglaubt; ich habe der Mitarbeiterin von Frau
Würfel heute morgen gesagt, daß ich es schriftlich sehen muß; ich habe es nicht geglaubt — und feststellt, daß da keine Belehrung über ein Aussageverweigerungsrecht, ein Grundessential des Rechtsstaates, enthalten ist,

(Beifall bei der FDP, der SPD und den GRÜNEN)

wenn man sieht, daß in diesem Fragebogen nach dem Zustand der Ehe, nach dem Verhältnis der erwachsenen Schwangeren zu ihren Eltern und nach dem Herkommen des Geldes für eine möglicherweise legale Abtreibung gefragt wird, und wenn dies alles ein deutscher Richter geschrieben hat, dann finde ich: Die Kollegen in Mainz beim Deutschen Juristentag sollten
sich überlegen, ob sie dies nicht noch aktuell aufgreifen. Wir jedenfalls werden uns mit der Frage noch befassen müssen.

(Beifall bei der FDP, der SPD und den GRÜNEN)

Da ich nur noch zwei Minuten habe, will ich zwei Konsequenzen aufzeigen, die sich für mich schon heute aus diesem Vorgang ergeben. Frau Kollegin Krieger, Sie haben die Haltung meiner Fraktion etwas vorschnell prognostiziert. So wird es nicht sein.
Erstens. Wir werden bei den Erörterungen zum Beratungsgesetz die schmerzlichen Erfahrungen aus Memmingen mit berücksichtigen. Wir wissen jetzt, wozu Juristen- und Verwaltungshirne fähig sind. Dies muß Eingang finden in die Beratungen.

(Beifall bei der FDP, der SPD und den GRÜNEN)

Wir müssen deswegen festlegen, a) daß bundeseinheitlich, ohne Ausrutscher in Bayern, beraten wird, wenn es denn ein Beratungsgesetz gibt, und b) daß die ambulante Abtreibung auch in allen deutschen Landen zulässig sein muß.

(Beifall bei der FDP, der SPD und den GRÜNEN)

Zweitens. Es ist davon gesprochen worden, die Abtreibung auf Krankenschein, wie das in einer mir nicht ganz passenden Sprache gesagt wird, nicht in das Gesundheitsreformgesetz zu übernehmen. Aber auch den Frauen, die glauben, abtreiben zu müssen, oder dies tatsächlich müssen, bei denen jedenfalls eine Indikation festgestellt wird, muß die Abtreibung von den Krankenkassen bezahlt werden. Wir werden nicht zulassen, daß hier ein möglicherweise zweifelhaftes Gesetz bestehen bleibt, sondern wir werden darauf drängen, daß wir, wenn es schon nicht in das Gesundheitsreformgesetz wortwörtlich aufgenommen wird, eine Anleihe im Grundgesetz machen. Im Grundgesetz hat man z. B. die Religionsvorschriften der Weimarer Reichsverfassung ausdrücklich übernommen. Sie dürfen nur mit der für eine Grundgesetzänderung erforderlichen Mehrheit geändert werden. Wir können gerne alte Bestimmungen formal übernehmen. Dann braucht niemand neu zu buchstabieren, was bisher geltendes Gesetz ist. Aber wir sind sicher, daß man nicht so in einem Nebensatz eine Änderung erreichen kann, die wir vermeiden wollen. Wir wollen die bisherige Rechtslage konstant festschreiben. Frau Adam-Schwaetzer hat das heute mor-



Lüder
gen im Westdeutschen Rundfunk sehr deutlich gesagt, und ich unterstreiche das mit Nachdruck.

(Zuruf von der SPD: Das müßt ihr dann aber auch machen! — Frau Unruh [GRÜNE]: Ja, wie schön wäre es, wenn man euch glauben könnte!)

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der SPD)


Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1109618700
Das Wort hat die Abgeordnete Frau Becker-Inglau.

Ingrid Becker-Inglau (SPD):
Rede ID: ID1109618800
Herr Präsident! Meine Herren! Meine Damen! Der Erfindungsreichtum der CDU/CSU, die Rechte der Frauen, eine Schwangerschaft zu unterbrechen, auszuhöhlen, ist wirklich grenzenlos. Ich will nur einige Stationen nennen:
1983 gelingt es nach einem Urteil des Sozialgerichts Dortmund nicht, die Kosten für einen Schwangerschaftsabbruch aus dem Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen herauszunehmen. Der Angriff auf die Rechte der Frauen wird abgewehrt.
1988 stellt das Bundesverfassungsgericht erneut fest, daß es verfassungskonform ist, die Leistungen für den Abbruch einer Schwangerschaft aus den Mitteln der gesetzlichen Krankenversicherung zu bezahlen.

(Jäger [CDU/CSU]: Was Sie hier sagen, ist nachweislich falsch!)

Der Angriff auf die Rechte der Frauen wird abermals abgewehrt.
Nun glauben Sie, erneut eine Möglichkeit entdeckt zu haben, einen Einbruch in die Rechte der Frauen zu wagen. Dazu ist Ihnen, meine Damen und Herren von der CDU/CSU, kein Mittel — in diesem Fall das Gesundheitsreformgesetz — zu schade.

(Jäger [CDU/CSU]: Das Urteil erst lesen und dann darüber reden! — Frau Unruh [GRÜNE]: Männer sollten ruhig sein!)

Pikanterweise nutzen Sie Ihre Ideologie zum § 218 zugleich als Druckmittel gegen die von Arbeitsminister Blüm geplante sogenannte Gesundheitsreform, die ja in Wahrheit keine ist. Ich verstehe ja, daß Sie nach einem Weg gesucht haben, diese sogenannte Reform zu Fall zu bringen, aber Sie machen hier einmal mehr deutlich, daß Sie nicht in der Lage sind, geltendes Recht von einer gesetzlichen Regelung in eine andere zu übernehmen, hier von der RVO in das GRG.
In diesem Punkte bin ich natürlich auch darüber erschüttert, daß die FDP dieses Spiel mitmacht. Ich denke, Sie sollten die Worte von heute in Taten umsetzen!

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Ich denke auch, daß es wichtig wäre, daß die Kollegen von der CDU/CSU-Fraktion endlich zur Kenntnis nehmen, daß auch die soziale Notlagenindikation seit 1976 verfassungskonform ist. Nehmen Sie doch bitte auch endlich zur Kenntnis, daß soziale Notlagen nicht nur materiellen Charakter haben. Wenn das so wäre, hätte Ihre Ministerin, Frau Süssmuth, bei den familienpolitischen Vorstellungen, die sie uns immer deutlich machen will, doch längst gesetzliche Regelungen gefunden, den Frauen alle notwendigen Hilfen zuteil werden zu lassen.

(Frau Krieger [GRÜNE]: Da wäre ich mir nicht so sicher!)

Aber ich unterstelle, Sie haben genau erkannt, daß es nicht nur auf materielle Hilfen ankommt. Das Beispiel liefern Sie selbst mit Ihrem Zufalls- oder Glücksspielprogramm „Stiftung Mutter und Kind", mit dem Sie nach dem Prinzip verfahren „Wer zuerst kommt, mahlt zuerst" oder besser „Krieg dein Kind im Frühjahr, dann ist auch noch Geld da".

(Jäger [CDU/CSU]: Das ist eine diffamierende Behauptung!)

Wäre es Ihnen mit den materiellen Hilfen ernst, hätten Sie dieses Programm bereits auf eine gesetzliche Grundlage mit Rechtsanspruch für die Frauen gestellt.

(Beifall bei der SPD, den GRÜNEN und bei Abgeordneten der FDP)

Ich unterstelle weiter, daß Sie die Urteilsbegründung des Bundesverfassungsgerichts auch in diesem Punkt kennen. Ich zitiere:
Das Lebensrecht des Ungeborenen kann zu einer Belastung der Frau führen, die wesentlich über das normalerweise mit einer Schwangerschaft verbundene Maß hinausgeht. Es ergibt sich hier die Frage der Zumutbarkeit, mit anderen Worten die Frage, ob der Staat auch in solchen Fällen mit den Mitteln des Strafrechts die Austragung der Schwangerschaft erzwingen darf. Achtung vor dem ungeborenen Leben und das Recht der Frau, nicht über das zumutbare Maß hinaus zur Aufopferung eigener Lebenswerte im Interesse der Respektierung dieses Rechtsgutes gezwungen zu werden, treffen aufeinander. In einer solchen Konfliktlage, die im allgemeinen auch keine eindeutige moralische Beurteilung zuläßt und in der die Entscheidung zum Abbruch einer Schwangerschaft den Rang einer achtenswerten Gewissensentscheidung haben kann, ist der Gesetzgeber zu besonderer Zurückhaltung verpflichtet.
Und Sie, meine Damen und Herren von der CDU/ CSU, wollen als Ausweg aus dieser sozialen Notlage von den Frauen erzwingen, das Ungeborene auszutragen und das ungewollte Kind zur Adoption freizugeben. Dies, meine Damen und Herren, ist Stimmungsmache und Umkehr des vom Bundesverfassungsgericht gewollten Rechts der Frauen. Denn Adoption ist nicht zwingend zumutbar.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN — Jäger [CDU/CSU]: Aber Tötung offenbar wohl! Das ist ja schrecklich!)

Das ist also eine Notlage, die nicht durch materielle Hilfen gelöst werden kann.
Ich will nicht, daß Frauen zur Abtreibung gezwungen werden. Ich will aber auch nicht, daß Frauen zur Geburt gezwungen werden.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)




Frau Becker-Inglau
Begründen möchte ich das mit einem Zitat von Elisabeth Dessai:
Wer das Mutterglück preist, kann nicht gleichzeitig auf Zwangsgeburten setzen, es sei denn, er wollte sich selbst als Lügner entlarven. Was beglückend und erstrebenswert ist, braucht nicht erzwungen zu werden.
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)


Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1109618900
Das Wort hat der Abgeordnete Geis.

Norbert Geis (CSU):
Rede ID: ID1109619000
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe den Eindruck, daß es bei der Diskussion um den Memminger Prozeß nicht wirklich um die Art und Weise der Ermittlung des Tatbestandes geht, sondern daß das, was Sie hier leisten, letztendlich ein Angriff auf den Schutz des ungeborenen Lebens ist.
Ich kann mir nicht vorstellen — ich bin lange genug in der juristischen Praxis tätig —, daß Sie nicht wissen, daß in vielen anderen Fällen, wo es um weit geringere Rechtsgüter und um weit geringere Strafrechtsnormen und Ordnungswidrigkeitennormen geht, ganz erhebliche Ermittlungen angestellt werden, die sehr, sehr tief ins Privatleben des einzelnen gehen. Kein Mensch hat sich je dagegen gewandt. Denken Sie nur einmal daran, welche Ermittlungen angestellt werden, wenn es um das Steuerstrafrecht und das Bagatellsteuerstrafrecht geht.

(Lachen bei Abgeordneten der SPD und den GRÜNEN)

— Sie lachen nur, weil Sie die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft in diesem Bereich nicht kennen.

(Frau Becker-Inglau [SPD]: Memmingen ist ein Beispiel!)

Kein Mensch wehrt sich dagegen. Deswegen meine ich, sollten wir mit größter Zurückhaltung die Staatsanwälte beurteilen, die in Memmingen ermittelt haben. Ohne genaue Kenntnisse der Umstände sollten wir da sehr vorsichtig sein.

(Frau Unruh [GRÜNE]: Was sagen Sie denn zum Fragebogen?)

Aber es geht Ihnen nicht um die Ermittlungen. Es geht Ihnen um den Angriff auf den § 218a,

(Zuruf von der SPD: Das ist doch nicht wahr!)

den nicht wir geschaffen haben, sondern den die SPD selber geschaffen hat. Darum geht es Ihnen.

(Zuruf von der SPD: Was ist der Anlaß für diese Aktuelle Stunde?)

— In dieser Aktuellen Stunde sollte es eigentlich um die Rechte der Frauen gehen. Aber Sie sollten sich ein wenig auch einmal darüber Gedanken machen, worum es in Wirklichkeit geht: Es geht nämlich um
das Lebensrecht der Kinder; darum geht es in Wirklichkeit.

(Frau Nickels [GRÜNE]: Darum haben sich die Frauen schon immer gekümmert, weit mehr als die Männer! Unverschämt!)

Wir müssen immer wieder bedenken, daß es bei dieser ganzen Diskussion, bei dieser ganzen Auseinandersetzung letztendlich um Tod geht, um den Tod noch nicht geborener Kinder geht.

(Frau Becker-Inglau [SPD]: Das ist Ihre Ideologie, Herr Geis, daß ungeborenes Leben schon Kinder sind!)

Sie dürfen nicht meinen, daß es uns, die wir uns gegen die Finanzierung der Abtreibung wenden, um die Beschneidung der Rechte der Frauen geht. Vielmehr geht es uns um das Recht des noch nicht geborenen Kindes. Es geht uns um die Tatsache, daß jährlich 250 000 Kinder in der Bundesrepublik Deutschland legal abgetrieben werden, und das im Namen der sozialen Indikation.
Ihnen, meine Damen und Herren von der SPD, möchte ich einmal ins Gedächtnis zurückholen, was Adolf Arndt — Ihr großer Jurist, hochgeachtet — zur sozialen Indikation gesagt hat: Das ist nichts anderes als die Bankrotterklärung des Staates, und zwar deshalb, weil der Staat die Frau letztendlich vor die Alternative stellt, zu töten.

(Frau Unruh [GRÜNE]: Jetzt schmeißen sie wieder alles durcheinander!)

Das ist letztendlich eine Bankrotterklärung.
Wir als Sozialstaat müßten alles tun, um der Frau zu helfen, das Kind annehmen zu können,

(Frau Nickels [GRÜNE]: Warum tun Sie das denn nicht?)

auch so zu helfen, daß wir ihr die Adoption ermöglichen. Auch da sollten wir etwas freier urteilen und diese Möglichkeit etwas freier in Erwägung ziehen.
Noch ein Wort zu Ihnen und zur Frage des § 200 f der Reichsversicherungsordnung. Ich wiederhole: Es ging uns nicht um die Beschneidung — —

(Frau Unruh [GRÜNE]: Das ist schmutzig, sowas! Wir sind keine Leihmütter auf Staatszwang!)

— Vielleicht können Sie mich mal ausreden lassen.

(Frau Unruh [GRÜNE]: Nein!)


Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1109619100
Frau Abgeordnete Unruh, der Gegenstand, der sicher sehr heikel ist, gebietet eine gewisse Zurückhaltung auch in den Zwischenrufen. Ich wäre dankbar, wenn Sie das respektieren würden.

Norbert Geis (CSU):
Rede ID: ID1109619200
Weder 1983 noch 1988 hat das Bundesverfassungsgericht ein Urteil darüber gesprochen, ob die Abtreibungsfinanzierung gemäß § 200 f der Reichsversicherungsordnung verfassungskonform ist. Das war nie Thema des Urteils des Bundesverfassungsgerichts.

(Jäger [Wangen] [CDU/CSU]: Sehr richtig!)




Geis
Lesen Sie bitte die Urteile nach, um bei der Wahrheit zu bleiben!
Ich sage es noch einmal: Wir sind politisch klug genug, um zu wissen, daß wir mit der FDP zusammen keine Änderung der Reichsversicherungsordnung herbeiführen. Aber ich bitte Sie, zu verstehen, daß wir, die wir anerkanntermaßen und auch öffentlich erklärtermaßen gegen diese Regelung sind, jetzt nicht im Wege des Gesundheitsreformgesetzes diese §§ 200f und 200 g der Reichsversicherungsordnung durch die Annahme des Strukturgesetzes auch noch sanktionieren wollen.

(Dr. de With [SPD]: Das ist eine Klimaverschlechterung!)

Ich bitte Sie, Respekt davor zu haben, und ich glaube, das können wir auch zusammen mit Ihnen erreichen.
Danke schön.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1109619300
Das Wort hat der Bundesminister für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit, Frau Süssmuth.

(Frau Schmidt [Nürnberg] [SPD]: Das ist die Bundesministerin!)

— Frau Ministerin, Sie haben das Wort.

Dr. Rita Süssmuth (CDU):
Rede ID: ID1109619400
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Memmingen ist ein bedrückender Zustand. Ich denke, es steht mir nicht an — ich werde es auch nicht tun — , in ein schwebendes Verfahren einzugreifen.

(Frau Unruh [GRÜNE]: So einfach!)

Aber es zeigt zugleich, wie wenig wir bis heute in der Lage sind, dieses Problem zu lösen. Memmingen mag für den einen heißen: Der Rechtsstaat funktioniert. Nur, das Problem ist damit nicht gelöst.
Ich kann hier nicht Stellung nehmen, ohne mich in die Lage der Frauen zu versetzen, aus deren Sicht es immer zugleich um beides geht, um ihre eigene Situation und die Situation des Kindes. Ich bitte uns alle darum, nicht ständig die einen gegen die anderen auszuspielen, sondern beide gemeinsam zu sehen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Aus der Sicht beider geht es darum, daß wir auch dort, wo der Rechtsstaat tätig werden muß, sensibel und menschlich Recht durchsetzen.
Ich frage, ob unsere Strafprozeßordnung eine Abwicklung erforderlich macht, wie sie in Memmingen zutage tritt.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)

Nicht im Augenblick, aber wenn dieses Verfahren abgeschlossen ist, sind für mich an die Strafprozeßordnung eine Menge Fragen — möglicherweise mit entsprechendem Regelungsbedarf — zu richten.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP — Frau Dr. Skarpelis-Sperk [SPD]: 127 Verfahren sind schon abgeschlossen!)

— Trotzdem läuft das Verfahren noch. Später allerdings bedürfen die Fragen, die heute aufgeworfen worden sind — sowohl die Frage nach dem Öffentlichmachen wie die Frage der Fragebogen — , einer Prüfung.

(Zuruf von der SPD: Sie bedürfen Ihres energischen Protests, nicht nur der Prüfung!)

— Entschuldigen Sie, es gilt, daß ich mich in ein laufendes Verfahren nicht einzumischen habe. Das nimmt nichts von meiner Bedrückung und auch nichts von meiner Einschätzung, daß Dinge, die wir so abhandeln, dem Schutz des ungeborenen menschlichen Lebens aus meiner Sicht nicht weiterhelfen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich gehe davon aus, daß die Reaktionen der Frauen bitterer werden. Nicht Angst führt zum Leben, sondern die Liebe zum Leben wird uns weiterbringen, und deswegen bleibe ich dabei. Ich propagiere nicht nur, wie Sie behaupten, Helfen statt Strafen, sondern dies ist zutiefst meine Überzeugung. Gerade der aktuelle Fall zeigt, wie wichtig es ist, daß nicht nur einige wenige, sondern alle Frauen und Männer hier im Parlament gleichermaßen für Situationen kämpfen, in denen Leben seelisch und materiell angenommen werden kann; denn beides gehört zusammen. Davon sind wir aber noch weit entfernt: Täglich erreichen mich Briefe — ich greife nur einen Bereich heraus — des Inhalts, daß in ländlichen Räumen ein drittes und ein viertes Kind angenommen wird, obwohl die wirtschaftliche Lage mehr als unzureichend ist.

(Zuruf von der CDU/CSU: Sehr gut!)

Ich hoffe auf all diejenigen, die sich für den Schutz des ungeborenen Lebens einsetzen, und ich rechne auf unsere Abgeordneten, daß sie mich nicht allein lassen, wenn es um familienpolitische Leistungen geht,

(Beifall bei der CDU/CSU)

sei es im Rentenrecht oder im Familienlastenausgleich.

(Zurufe von der SPD und den GRÜNEN)

— Mir können Sie den Vorwurf nicht machen, daß ich mich in diesem Bereich nicht mit allem Engagement einsetze und auch Unterstützung — wie es gerade im Rentenrecht deutlich geworden ist — dabei erfahre.

(Frau Unruh [GRÜNE]: Ein schönes Feigenblatt für eine solche Fraktion! — Weitere Zurufe von der SPD und den GRÜNEN)

— Es geht hier nicht um „Feigenblätter", sondern auch für Ihre Person um ein gemeinsames Engagement in den gleich wichtigen Bereichen Schutz des ungeborenen wie des geborenen Lebens.

(Frau Krieger [GRÜNE]: Mit dem Strafrecht!)

In diesem Zusammenhang möchte ich einen weiteren Punkt ansprechen. Es wird erklärt, mit der Freistellung bei der Adoption sei dieses Problem zu lösen. Ich mache uns alle noch einmal darauf aufmerksam, daß eine Adoption, wo immer sie von Frauen als Ultima ratio akzeptiert wird und notwendig ist, ein sehr



Bundesminister Frau Dr. Süssmuth
schmerzvoller Prozeß ist. Diskriminieren wir Frauen nicht, die dies so entscheiden!

(Jäger [CDU/CSU]: Sehr gut!)

Aber gehen wir auch nicht davon aus, daß dies der Regelfall sein kann! Wir sind gerade dabei, auch bei der Leihmutterschaft und bei der heterologen Insemination, die Dinge kreuz und quer durcheinanderzuwerfen und zu sagen: Wir wollen das alles, weil man es nicht verbieten kann und schließlich gibt es doch noch die Adoption.
Ich möchte jeder Mutter und jedem Kind wünschen, daß sie miteinander leben können und daß nur in den Fällen, in denen dies nicht abwendbar ist, eine Adoption vorgenommen wird. Ich bleibe strikt dabei, daß auch nach der Geburt der Frau die Entscheidung über die Adoption offenstehen muß.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Das geht zwar leicht über die Lippen. Aber mir scheint es notwendig zu sein, daß diejenigen, die hier so vehement um Lösungen ringen, sich fragen müssen: Was läuft eigentlich dabei in den Frauen ab? Ich habe unlängst erlebt, daß die einen unglücklich waren nach einer Frühgeburt, die anderen, weil sie einen Abbruch hinter sich hatten. Bevor wir den ersten Stein werfen, sollten wir also überlegen, wie kompliziert die Lebenslagen sind und wie schwierig es ist zu urteilen. Ich gestehe jedem zu, der in sehr schwieriger Lage urteilen muß, daß er umfangreiche Recherchen anstellt. Aber ich wünschte, daß er dafür nicht im innersten Bereich der Menschen herumschnüffeln muß. Es ist für mich ein Unterschied, ob wir Steuertatsachen ermitteln oder in diesem Bereich menschlichen Lebens in die Intimität gehen müssen.

(Beifall bei allen Fraktionen)

Es wird uns im letzten auch verwehrt sein, hier Antworten zu erhalten. Insofern fand ich sehr wichtig, was Herr de With zur Demut gesagt hat, zu dem, was wir nicht ermitteln können.
Deswegen bleibt für mich auch die notwendige Forderung, daß wir Frauen in schwerer Notlage von der Hilfe der Krankenkassenfinanzierung nicht ausschließen. Die bestehenden Rechtsgrundlagen müssen geltendes Recht bleiben. Insofern antworte ich noch einmal: Die geltende Rechtslage — so habe ich gesagt — wird nicht verändert.

(Frau Schmitt-Bott [GRÜNE]: Das ist auch nicht nötig!)

Es bleibt dabei, daß gerade die jüngsten Vorgänge mir noch einmal zeigen: Wir lösen dieses Problem, sei es in Memmingen, sei es in Kiel oder in Lübeck, nicht durch Strafe, sondern wir müssen uns mit sehr viel mehr Tatkraft andere Wege einfallen lassen. Deswegen ist „helfen statt strafen" der richtige Grundsatz. Ich hoffe, wir wenden den Grundsatz auch an. — Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Frau Krieger [GRÜNE]: Das war eine Ablenkungsrede!)


Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1109619500
Das Wort hat die Abgeordnete Frau Schmidt (Nürnberg).

Renate Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1109619600
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Herren und Damen! Ich bin dankbar dafür, daß wir diese Aktuelle Stunde heute haben, weil ich das erste Mal seit langer Zeit eine Chance sehe, daß wir von der vergangenen unerträglichen Diskussion wegkommen können. Ich nenne die Diskussion, die jetzt seit mehr als einem Jahr zu der Frage von Schwangerschaftskonflikten stattgefunden hat, deshalb unerträglich, weil sie im wesentlichen
— Herr Geis, erlauben Sie mir das — kleinkariert, borniert und unsensibel für die tatsächliche Situation von Müttern, Kindern und Familien war und ist.

(Reimann [SPD]: So ist das! — Jäger [CDU/ CSU]: Wann sprechen Sie einmal von Kindern? Davon höre ich nichts!)

— Ich bitte Sie, Herr Kollege Jäger, jetzt hören Sie doch bitte einmal auf! Dieses Thema verträgt diese blöden Zwischenrufe nicht.

(Geis [CDU/CSU]: Sie machen Polemik! Nichts anderes!)

— Nein, Herr Geis.

(Geis [CDU/CSU]: Doch, reine Polemik!) Es geht mir hier um etwas.


(Zuruf von der SPD: Hören Sie die Wahrheit doch einmal an!)

Ich nenne diese Diskussion unerträglich, weil persönliche Moralvorstellungen

(Geis [CDU/CSU]: Ihre Polemik ist unerträglich! — Frau Unruh [GRÜNE]: Nehmen Sie Ihre Ministerin einmal ernst!)

und ethische Überzeugungen, die ich respektiere

(Geis [CDU/CSU]: Das sagen Sie!)

und teilweise sogar teile, weil für mich bestimmte Dinge ebenfalls nicht in Frage kommen — aber nur für mich persönlich und ich maße mir nicht an, sie anderen zu oktroyieren —,

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN — Geis [CDU/CSU]: Dann reden Sie nicht von einer Gewissensentscheidung! Das ist Ablenkung!)

Herr Geis, mit einem kleinkrämerischen Feilschen wie z. B. der Diskussion über die Finanzierung von Schwangerschaftsabbrüchen nach der RVO in den Schmutz gezogen werden. Herr Geis und die anderen Kollegen, hier wird doch Gewissen for show betrieben,

(Jäger [CDU/CSU]: Das ist eine unglaubliche Diffamierung, die Sie betreiben! — Geis [CDU/CSU]: Sie machen reine Polemik, Frau Schmidt!)

hier wird doch in Wirklichkeit überhaupt nichts verändert, und es wird hier gleichzeitig nicht für Überzeugungen gekämpft, sondern Frauen werden unter Druck gesetzt, und Ärzte werden genötigt.
Ich nenne diese Diskussion unerträglich, weil sie das Klima für Memmingen und Nürnberg und anderswo schafft und weil sie Rechtsunsicherheit bei allen Beteiligten schafft. Ich nenne diese Diskussion unerträglich, weil sie die tatsächliche Art von Schwangerschaftskonflikten nicht zur Kenntnis nimmt und sie



Frau Schmidt (Nürnberg)

einerseits auf die Vorstellung reduziert, es ginge den Müttern um irgendeine ominöse Selbstverwirklichung, und andererseits darauf, es ginge nur um materielle Hilfen. Frau Süssmuth, ich möchte Sie heute nicht so verstanden haben, daß es nur um materielle Hilfen geht.
Sie, die Minderheit in diesem Parlament, sind einfach nicht bereit, zur Kenntnis zu nehmen, daß es sich bei diesem Konflikt um vielschichtige Probleme handelt, z. B. um Ängste, die durch den Staat überhaupt nicht regelbar sind, z. B. um Angste, verlassen zu werden, Liebe zu verlieren, Ängste, nicht stark genug zu sein, als ältere Frau ein weiteres Kind aufzuziehen — das hat mit materiellen Dingen überhaupt nichts zu tun —, um die begründete Furcht, alles, was eine Frau bisher in ihre Berufsausbildung investiert hat, unwiederbringlich zu verlieren und als Perspektive für sich und ihr Kind lebenslange Sozialhilfe zu sehen.
Wir haben im Zusammenhang mit der Diskussion um das Schwangerenberatungsgesetz, von der ich mir wünschen würde, daß sie jetzt auch endlich einmal beendet wird, mehr als 250 Beraterinnen aus unterschiedlichen Bundesländern und unterschiedlichen Trägerorganisationen befragt. Wir werden Ihnen diese Dokumentation zur Verfügung stellen. Ich zitiere aus den uns zugegangenen Zuschriften. Da wird zum Schwangerenberatungsgesetz gesagt:
Es ist der Versuch einer gesetzlich verordneten Beeinflussung der Schwangeren. Sie führt nach unserer langjährigen Erfahrung nur dazu, daß die Frau bei ihrer vorgefaßten Entscheidung bleibt und sich in dem Beratungsgespräch nicht öffnet. Schwangere Frauen brauchen nicht Entmündigung, Disziplinierung und Einengung der Entscheidungsfindung, sondern Stärkung ihrer Psyche, menschliches Verständnis und Unterstützung dabei, eine Entscheidung zu treffen, zu der sie jetzt und in Zukunft stehen können.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Hier von außen reglementierend einzugreifen ist der Versuch, eine Verantwortung zu übernehmen, die letztlich nur die Schwangere selbst tragen kann. Daher ist der beste Schutz des ungeborenen Lebens die Stärke der Psyche der Schwangeren.
Wir fordern Sie daher auf, das Schwangerenberatungsgesetz wenn irgend möglich zu den Akten zu legen; Memmingen sollte dafür Anlaß sein.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Wir fordern Sie auf, die Diskussion über die Finanzierung der Notlagenindikation abzubrechen. Wir fordern Sie auf, mit uns gemeinsam Hilfen mit Rechtsanspruch und keine kurzfristigen Geldbeträge für Mütter, Kinder und Familien zu schaffen, wie wir sie bereits vorgeschlagen haben. Wir fordern Sie auf, endlich ein umfassendes Aufklärungskonzept vorzulegen, um ungewollte Schwangerschaften zu verhindern.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Wir fordern Sie auf, mit uns darüber nachzudenken,
wie Frauen in Konfliktsituationen entkriminalisiert
werden können, wie also mit der Forderung Hilfe statt
Strafe — die in diesem Haus einmal Konsens gewesen ist, bei allen Unterschieden — endlich Ernst gemacht werden kann; denn nur so ist Leben wirksam zu schützen, das Leben von Frauen, Müttern, von geborenen und ungeborenen Kindern.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)


Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1109619700
Das Wort hat die Abgeordnete Frau Fischer.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1109619800
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Eines, Frau Schmidt: Bei allen gemeinsamen Sorgen kann ich nicht akzeptieren, daß Sie die ernsten Bedenken meiner Kollegen als „Gewissen for Show" klassifizieren.

(Frau Schmidt [Nürnberg] [SPD]: Das, was Sie jetzt getan haben!)

Bei all dem, was wir sonst auch mit Ihnen an Gemeinsamkeiten haben, meine ich: dies sollten wir im Umgang miteinander nicht tun.
Ich bin sehr dankbar für das, was Frau Süssmuth gesagt hat; denn die Frage der funktionierenden Rechtsordnung ist das eine. In dem Memminger Verfahren — zunächst wegen Steuerhinterziehung — ergab sich das Ermittlungsverfahren gemäß § 218. Da ist zur rechtlichen Seite vieles festzustellen.

(Frau Schmidt [Nürnberg] [SPD]: Ergab sich?)

— Das ist so. — Ich meine, der Schutz menschlichen Lebens ist die alles überragende Aufgabe. Die Verpflichtung des Staates, das sich entwickelnde Leben in Schutz zu nehmen, besteht auch gegenüber der Mutter. Daran kann kein Zweifel bestehen.
Daß es sich hier um ein laufendes Verfahren handelt, in das wir nicht eingreifen sollten, müßte allgemeine Übereinstimmung sein. Bei diesem Verfahren sollte man nur mit äußerster Zurückhaltung Werturteile abgeben, zumal der Inhalt, die Aussagen der Zeugen und der Betroffenen in ihrer Gänze eigentlich nicht bekannt sind. Ich habe nicht allzu gute Erfahrungen gemacht, wenn ich mich allein auf Medienberichte verlassen habe, weil es sich vielfach um angebliche Aussagen und Bekundungen von Betroffenen gehandelt hat und auch nur Teilaspekte wiedergegeben wurden.

(Frau Krieger [GRÜNE]: Fahren Sie doch einmal hin!)

— Sie können sicher sein, daß ich das tun werde.

(Frau Dr. Skarpelis-Sperk [SPD]: Sehr gut, ich begleite Sie gerne! Machen wir einen Termin aus!)

— Ich kann das auch alleine. — Nicht zuletzt auf Grund von Veröffentlichungen habe ich den Eindruck, daß eine Form von Hysterie geschürt wird, die dem Anliegen der Frauen nicht dient.

(Frau Garbe [GRÜNE]: Du liebe Zeit! — Beifall des Abg. Jäger [CDU/CSU])




Frau Fischer
Ich kann nur sagen: Ich bin ganz sicher, daß wir das, was Frau Süssmuth angekündigt hat, nach dem Verfahren hier gemeinsam besprechen werden.

(Frau Krieger [GRÜNE]: Da bin ein einmal gespannt!)

Auch ich bin nicht der Meinung, daß der Fragebogen — so er denn so ist, wie er geschildert worden ist — auch nur andeutungsweise der Schwere einer solchen Entscheidung und der Notwendigkeit der Prüfung gerecht werden kann. Es geht darum, daß die Notlagen- oder soziale Indikation auf der Erwägung beruht, „daß auch die allgemeine soziale Lage der Schwangeren und ihrer Familie Konflikte von solcher Schwere erzeugen kann, daß von der Schwangeren über ein bestimmtes Maß hinaus Opfer zugunsten des ungeborenen Lebens mit den Mitteln des Strafrechts nicht erzwungen werden können" . Ich weiß nicht, ob man im nachhinein die Frage, ob eine Notlage vorgelegen hat, mit einem derartigen Fragebogen wird beantworten können. Da habe auch ich meine Bedenken. Ich glaube auch nicht, daß die Intimsphäre der betroffenen Frauen und Familien in einem so kleinen Umfeld gewahrt werden kann.
Wir dürfen aber nie vergessen, daß es sich hier auch um die Frage handelt, wie wir ganz allgemein mit dem Schutz des Lebens, des geborenen wie des ungeborenen, umgehen. Es ist die Frage der Kinder genauso anzusprechen wie die Frage, wie die Frauen hier behandelt worden sind. Ich habe den nicht unbegründeten Verdacht, daß dort eine ganze Menge an Einschüchterung geschehen ist, weil Frauen diese Form von Erfahrung — auch im Umgang mit Gerichten niemals vorher gemacht haben.
Ich meine schon, wir sollten uns dort, wo Unrecht praktiziert worden ist, darum kümmern, daß der Schutz des Rechtes — in diesem Fall zum Schutz des Schwächsten — unser Hauptanliegen ist. Aber ich bin auch der Meinung: So wie Herr de With und auch Herr Kollege Lüder die Dinge angesprochen haben, werden sie uns im Laufe der kommenden Wochen und Monate sicherlich noch beschäftigen, vor allen Dingen nach Beendigung des Verfahrens.
Danke schön.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1109619900
Das Wort hat die Abgeordnete Frau Limbach.

Editha Limbach (CDU):
Rede ID: ID1109620000
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Thema, das uns heute beschäftigt, sollte an allererster Stelle eigentlich Anlaß dazu sein, Polemik, Zurufe, die nicht angemessen sind, und riskante Formulierungen zu unterlassen. Auf der einen Seite geht es darum, daß Mütter nach wie vor glauben, Kinder nicht gebären zu können, und deshalb, so sage ich mal, Kinder aus Verzweiflung, wie ich das sehe, töten, weil sie zu diesem Leben nicht ja sagen können. Andererseits geht es darum — und auch das ist ein hohes Rechtsgut — , den Rechtsstaat auch Rechtsstaat sein zu lassen. Da sind eben Formulierungen wie „Handstreich" im Zusammenhang mit dem Strafprozeß und der Strafprozeßordnung, meine ich, nicht angebracht.
Es ist hier vorhin einmal davon gesprochen worden, was für ein Klima geschaffen wird.

(Zuruf von den GRÜNEN)

— Ja, was für ein Klima geschaffen wird. — Ein Klima schafft man aber sicher nicht dadurch, daß — wie das in einem Zuruf zum Ausdruck kam — darzutun versucht wird, Frauen seien gegen Frauen,

(Frau Krieger [GRÜNE]: Natürlich!)

wenn es Frauen gibt, die sich für den Schutz des ungeborenen Lebens in gleicher Weise wie für den Schutz des geborenen Lebens verwenden, wenn es Frauen gibt, die hier stehen und für eine Politik eintreten, die sowohl den Schutz des ungeborenen Lebens verfolgt als aber auch versucht, die Bedingungen zu schaffen, die der Staat für die Fähigkeit von Frauen schaffen kann, zu dem Kind ja zu sagen.

(Frau Unruh [GRÜNE]: Dann wären Sie in Memmingen und würden nicht nur Sprüche klopfen!)

— Frau Unruh, wenn ich daran denke, wie empfindlich Sie reagieren, wenn im Ausschuß einmal einer der Kollegen zu einem anderen Kollegen eine kleine Zwischenbemerkung macht, dann weiß ich nicht, ob es angemessen ist, daß Sie in dieser Debatte hier ständig Zurufe machen, die mit der Sache vielfach nichts zu tun haben.

(Zustimmung bei der CDU/CSU — Frau Unruh [GRÜNE]: Das hat mit Memmingen zu tun! — Weitere Zurufe von den GRÜNEN)

Das, was in Memmingen vor sich geht, sieht man hier ja mehr von außen, aus der Zeitung. Ich hatte keine Gelegenheit, diesen Fragebogen zu lesen, von dem ich, wenn ich meinen Kollegen glaube — und das tue ich natürlich — , meine, daß er erst gar nicht hätte verschickt werden dürfen, wenn nicht einmal eine Rechtsbehelfsbelehrung oder ein Hinweis auf ein Zeugnisverweigerungsrecht enthalten ist. Wenn dem so ist, dann finde ich das sehr bedrückend.
Ich meine, auch diejenigen, die die Frage der Abtreibung anders bewerten als viele von uns und z. B. auch ich persönlich, sollten respektieren, wenn hier gesagt wird, daß auch uns manches an diesem Verfahren sehr bedrückt und auch überprüfenswert erscheint. Nur, daraus zu schließen, es sei — erstens — die CDU/CSU, die dafür verantwortlich ist, falls da etwas geschehen ist, was nicht geschehen durfte, und es sei — zweitens — gar unsere Absicht gewesen, Frauen z. B. mit intimen Daten an die Öffentlichkeit zu zerren,

(Frau Unruh [GRÜNE]: Wer sagt das?)

finde ich eine solche Unterstellung, daß ich das zurückweisen muß.

(Frau Schmidt [Nürnberg] [SPD]: Welcher Partei gehört denn der Justizminister in Bayern an?)




Frau Limbach
— Ach, Frau Schmidt, Sie kennen doch unser Rechtssystem besser, als daß Sie solche Zurufe machen dürften.

(Frau Dr. Skarpelis-Sperk [SPD]: Was hat die denn geäußert, die Frau Berghofer-Weichner?)

Es gibt eben kein Recht auf Schwangerschaftsabbruch, wie hier vorhin — ich glaube, von Frau Becker-Inglau — gesagt wurde. Sie haben dazu noch Schwangerschaftsunterbrechung gesagt. Das geht ja leider nicht;

(Frau Schmidt-Bott [GRÜNE]: Mein Gott, es geht um Memmingen!)

denn wenn man die Schwangerschaft unterbricht, ist sie abgebrochen. Vielmehr geht es darum, daß Frauen unter bestimmten Indikationen, die in unserer Gesellschaft leider immer noch vorkommen, straffrei bleiben, wenn sie abtreiben, und auch Ärzte straffrei bleiben, wenn sie sich entsprechend an die Bestimmungen halten.
Der eigentliche Grund für Memmingen liegt in einer Rechtsverletzung. Was sich dann darüber und darum herum entwickelt hat, gefällt mir in vielem
nicht. Allerdings gefällt mir auch vieles nicht, was dann auf seiten der Protestler geschehen ist. Statt solche Kriegsschauplätze aufzusuchen sollten wir uns lieber, meine ich, in dem Bemühen zusammentun, so viel Klima wie möglich und auch so viele rechtliche Bestimmungen wie möglich zu schaffen, um gemeinsam zu erreichen, daß Frauen optimistisch sein und zu einem Leben ja sagen können, das entsteht, das in ihnen wächst. Damit haben wir dann den besten Schutz für das ungeborene Leben.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1109620100
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
Wir sind damit am Ende der Aktuellen Stunde und auch am Schluß unserer heutigen Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 29. September 1988, 9 Uhr ein.
Die Sitzung ist geschlossen.