Gesamtes Protokol
Ich eröffne die heutige Sitzung.
Ich rufe Punkt i der Tagesordnung auf: Fragestunde
— Drucksachen 11/933, 942 —
Wir haben Dringlichkeitsfragen der Abgeordneten Dr. Daniels und Weiss (München). Sie richten sich an den Bundesminister des Innern. Zur Beantwortung der Fragen steht uns der Parlamentarische Staatssekretär Spranger zur Verfügung.
Ich rufe die Dringlichkeitsfrage 1 des Abgeordneten Dr. Daniels auf:
Welchen Handlungsbedarf sieht die Bundesregierung angesichts der Behauptungen, daß Polizeibeamte des Bundes und der Länder im Rahmen der Demonstration gegen die Wiederaufarbeitungsanlage Wackersdorf am 10. Oktober 1987 zahlreiche Straftaten begangen haben, und was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um eine Wiederholung derartiger Vorfälle auszuschließen?
Bitte schön, Herr Spranger.
Die Bundesregierung sieht keinen Handlungsbedarf. Vorwürfe gegen die vom Bund zur Verfügung gestellten BGS-Beamten sind nicht bekanntgeworden. Die weiter behaupteten gesetzwidrigen Handlungen sind Gegenstand staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen und entziehen sich damit einer Stellungnahme durch die Bundesregierung.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Daniels.
Ist die Massenverhaftung und präventive Ingewahrsamnahme von Hunderten von Menschen vor und während der Demonstration nach Meinung der Bundesregierung mit dem Grundgesetz vereinbar?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Ich möchte erstens zu Ihren persönlichen Wertungen nicht Stellung nehmen. Zweitens ist die Bundesregierung auch für die Beantwortung dieser Frage, wie ich schon in der ersten Antwort zum Ausdruck brachte, nicht zuständig.
Sie haben eine weitere Zusatzfrage, Herr Dr. Daniels, bitte schön.
Ich möchte meine zweite Zusatzfrage später stellen.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Hüsch.
Herr Staatssekretär, richten sich die von Ihnen angesprochenen Ermittlungen der Staatsanwaltschaft auch gegen die hier in eigener Sache anfragenden Abgeordneten Daniels und Weiss?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Hüsch, wenn ich schon sage, daß ich zu den Ermittlungsverfahren mangels Zuständigkeit keine Stellung beziehen will, dann möchte ich auch zu Ihrer Frage keine Stellungnahme seitens der Bundesregierung abgeben.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Weiss
Herr Staatssekretär, welche Rahmenbedingungen für Polizeieinsätze wollen Sie denn ändern, oder wollen Sie alles so beibehalten wie bisher, d. h. halten Sie es für normal, daß Polizisten mit Polizeiknüppeln auf die Köpfe von Demonstranten so draufschlagen, daß die Knüppel in zwei Stücke fallen? Wollen Sie da wirklich nichts ändern?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Ich sehe zwar keinen Zusammenhang mit der eingangs gestellten Frage,
aber ich könnte Ihnen die Antwort auf die dritte Dringlichkeitsfrage, die von Ihnen kommt und ähnlich formuliert ist, vorweg geben, wenn Sie darauf Wert legen.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Jobst.
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2120 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 32. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Oktober 1987
Herr Staatssekretär, trifft es zu, daß es sich bei den Demonstrationen, die hier angesprochen wurden, um solche gehandelt hat, die von den Gerichten verboten wurden, also um rechtswidrige Aktionen, und trifft es zu, daß sich auch Abgeordnete der GRÜNEN des Deutschen Bundestages an diesen rechtswidrigen Demonstrationen beteiligt haben?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Dr. Jobst, ich möchte Ihnen zu diesen gewalttätigen Aktionen im Zusammenhang mit einer Aktionswoche in Wackersdorf keine näheren Auskünfte erteilen, weil das nicht im Zusammenhang mit der eingangs gestellten Frage steht. Aber wenn ich Pressemeldungen zugrunde lege, dann ist davon auszugehen, daß die Gewalttätigkeiten anläßlich einer durch Verwaltungsgerichte verbotenen Aktion begannen. Im Rahmen dieser Aktion in Wackersdorf sind auch Abgeordnete der GRÜNEN beteiligt gewesen.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Lüder.
Herr Staatssekretär, in Anbetracht dessen, daß wir hier im Deutschen Bundestag fragen und daß der Bundesgrenzschutz eine Bundespolizei ist, möchte ich Sie fragen: Sind Ermittlungen gegen Beamte des Bundesgrenzschutzes bekanntgeworden oder anhängig, weil sie gegen Vorschriften verstoßen hätten?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Lüder, ich sagte schon, daß solche Vorwürfe gegen den Bundesgrenzschutz nicht einmal erhoben worden sind, geschweige denn, daß irgendwelche Ermittlungsverfahren anhängig sind.
Zusatzfrage des Abgeordneten Gerster .
Herr Staatssekretär, können Sie sich erklären und diesem Hohen Haus deutlich machen, warum die Kollegen der GRÜNEN den Polizeibeamten hier zwar rechtswidriges Verhalten in Wackersdorf vorwerfen und sich entsprechend empören, aber keinerlei Fragebedarf haben angesichts der Tatsache, daß heute morgen in West-Berlin auf den Leiter der SEK-Spezialeinheit — die ja gar nicht in Wackersdorf war — ein Bombenattentat verübt worden ist und daß dort Flugblätter gefunden wurden, in denen steht, dies sei „Rache für den Bulleneinsatz in Wackersdorf"?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Gerster, ich kann mir das Verhalten der GRÜNEN nicht erklären.
Zusatzfrage der Abgeordneten Frau Brahmst-Rock.
Herr Staatssekretär, hält es die Bundesregierung für mit dem Abgeordnetenstatus vereinbar, wenn Mitglieder des Bundestages in Sicherheitsgewahrsam genommen werden,
und wie erklärt sie sich die Tatsache, daß zwar Abgeordnete der GRÜNEN in Sicherheitsgewahrsam genommen wurden, daß aber an der gleichen „Straftat" beteiligte Abgeordnete des österreichischen Parlaments unbehelligt geblieben sind, und wie gedenkt sie Verstöße wie Körperverletzung und Freiheitsberaubung zu ahnden?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Ich halte es für eine ausgesprochen elitäre Auffassung von Abgeordneten hier, wenn sie sich irgendwelcher Straftaten schuldig machen, eine Sonderbehandlung gegenüber der Polizei zu verlangen, und ich gehe davon aus, daß die Polizei hier nach dem Motto „gleiches Recht für alle" auch in Wackersdorf ihre Pflicht getan hat.
Zusatzfrage des Abgeordneten Kleinert .
Herr Staatssekretär, wie beurteilen Sie Pressemeldungen und Zeugenaussagen, die übereinstimmend den Schluß nahelegen, daß die Polizeieinsätze, von denen hier die Rede ist und die auch zu Körperverletzungen bei Unbeteiligten geführt haben sollen, in keinerlei unmittelbarem Zusammenhang mit Gewalthandlungen von Demonstranten gestanden haben sollen?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Ich möchte einige Worte von Ihnen aufgreifen, in denen von „keinerlei Zusammenhang" die Rede ist. Ich sehe auch in Ihrer Zusatzfrage keinen Zusammenhang zu der gestellten Eingangsfrage. Herr Präsident, ich möchte mich auch bei der Behandlung weiterer Zusatzfragen streng an das Kriterium des Zusammenhangs zu der jeweils eingangs gestellten Frage halten.
Ich habe diesen Unterschied noch nicht bemerkt, aber Sie sind frei in der Art, wie Sie antworten wollen.
Eine Zusatzfrage hat die Abgeordnete Frau Schilling.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Zu Ihrer Zurechtweisung der GRÜNEN, warum wir zu den Vorgängen von heute nichts fragen ...,
Einen Augenblick, jetzt muß gefragt werden!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
... kann ich nur sagen: Dazu kann man nichts fragen, dazu kann man nur eine Feststellung machen, und zwar die Feststellung, daß die GRÜNEN ein solches Vorgehen ganz gewiß nicht billigen und sich damit auch nicht identifizieren.
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Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 32. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Oktober 1987 2121
Nein, nein, Frau Kollegin Schilling — —
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Nun, er soll auf seine Polemik ja nun auch eine Antwort bekommen.
Augenblick, Frau Schilling, dies ist eine Fragestunde, und Sie müssen eine Frage stellen, tut mir leid.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ja, wenn es wirklich eine Fragestunde wäre, dann bekämen wir auch gescheite Antworten. Bis jetzt finde ich die Antworten ziemlich lächerlich. Aber ich frage trotzdem — —
Augenblick, Frau Kollegin, ich muß Ihnen jetzt das Wort entziehen, tut mir leid.
— Nein, Frau Schilling, ich entziehe Ihnen das Wort! So geht es nicht hier bei uns. Sie dürfen fragen, aber nicht vorher Diskussionsreden halten. Ich muß Ihnen das so sagen.
Das Wort zu einer weiteren Zusatzfrage hat die Abgeordnete Frau Wollny.
— Das Wort hat Frau Wollny. Ich bitte, sich danach zu richten, was der Präsident sagt.
Ist die Bundesregierung der Meinung, daß die Teilnahme an einer nicht genehmigten Demonstration einen Freibrief für die Polizei bedeutet, ungerechtfertigt auf Leute einzuprügeln?
Spranger; Parl. Staatssekretär: Dieser Auffassung ist die Bundesregierung nicht.
Zusatzfrage des Abgeordneten Grünbeck.
Herr Staatssekretär, darf ich Sie fragen, nachdem ich selber zwei-, dreimal in Wakkersdorf war: Besteht die Möglichkeit, daß man einmal die dortigen Film-, Photo- und Presseberichte auswertet und einen Bericht der Bundesregierung entgegennimmt über die Vielfältigkeit und die Art der Verletzungen von Polizeibeamten, die wohl auch auf bestimmte Gewalttaten schließen lassen?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Ich bin Ihnen für diese Anregung dankbar. Der Bundesinnenminister wird sie prüfen und auch mit den übrigen Ressorts ins Gespräch eintreten, um nach Möglichkeit Ihrem Wunsche auch im Interesse des Parlaments zu entsprechen.
Zusatzfrage des Abgeordneten Lutz.
Herr Staatssekretär, würden Sie auch die Verletzungen, die den demonstrierenden Bürgern zugefügt wurden, dem Hause mitteilen?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Ich sagte vorhin schon: Wir wollen nicht mit zweierlei Recht messen. Wenn Sie es entsprechend wünschen und beantragen, wird auch das, soweit der Bund hier zuständig ist, in die entsprechende Berichterstattung aufgenommen.
Zusatzfrage des Abgeordneten Lippelt.
Herr Staatssekretär, würden Sie sich bei der Auflistung dieser Sachen nicht nur auf Polizeiberichte verlassen, sondern auch Berichte von BUND oder anderen Organisationen, die an der Demonstration beteiligt waren, mit berücksichtigen?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Welche Quellen zur Informationsgewinnung im Rahmen einer solchen Berichterstattung zu erschließen sein könnten, wird unter Umständen auch mit den zuständigen Experten auch der verschiedenen Ressorts zu besprechen sein.
Ich rufe die Frage 2 des Abgeordneten Dr. Daniels auf.
— Das kann man nicht machen. Man muß sich dann schon melden, Herr Dr. Daniels.
Sie haben das Recht, noch eine Frage zu stellen. Ich wäre aber dankbar, wenn Sie das auch zu rechten Zeit täten. Bitte schön, Herr Dr. Daniels.
Ist die Bundesregierung der Meinung, daß es sich um einen verbotenen Demonstrationsaufzug handelt, wenn Leute friedlich unorganisiert an den Bauzaun ziehen?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Ich bin gern bereit, Ihnen die Entscheidung des zuständigen Verwaltungsgerichts zu übersenden, das seine Entscheidung klipp und klar begründet hat; wie ich höre, auch der VGH München.
Es ist am besten, Sie bleiben gleich stehen.
Ich rufe nun Ihre Frage 2 der Dringlichen Fragen auf :
Was wird die Bundesregierung tun, um die Feststellung der angeblichen polizeilichen Täter zu ermöglichen?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Spranger, Parl. Staatssekretär: Für die Feststellung etwaiger strafbarer Handlungen sind allein Strafverfolgungsbehörden und Gerichte zuständig.
Zusatzfrage, Herr Dr. Daniels.
Ist der Bundesregierung bekannt, daß Leute über 40 Stunden rein willkürlich in Gewahrsam genommen wurden? Gibt es dafür irgendeine gesetzliche Grundlage?
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2122 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 32. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Oktober 1987
Spranger, Parl. Staatssekretär: Herr Dr. Daniels, ich muß leider als Antwort Ihre Frage wiederholen, um zu begründen, warum ich hier keinen Zusammenhang sehe. Sie fragen: Was wird die Bundesregierung tun, um die Feststellung der angeblichen polizeilichen Täter zu ermöglichen?
Das kann man feststellen.
Sie haben eine weitere Zusatzfrage, Herr Dr. Daniels? —
Dann kommt jetzt zunächst Frau Schilling zu Wort.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Jetzt mache ich es bestimmt richtig.
Meine Frage ist: In Baden-Württemberg hat doch die FDP eine Anfrage an die Landesregierung wegen der Kennzeichnung der Polizei gemacht und hat zur Antwort bekommen, daß die Polizei natürlich dazu verpflichtet sei, ihr Kärtchen — das berühmte Kärtchen, das so wenig Leute kennen — zu zeigen und zu geben.
Wenn ich nun in Wackersdorf stehe und den Polizisten frage .. .
Wissen Sie, der Lernprozeß ist noch nicht abgeschlossen, Frau Schilling. Lassen Sie sich bitte noch einmal unterbrechen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
— jetzt lassen Sie mich doch einmal bitte aussprechen — , wie wollen Sie gewährleisten, daß der Polizist mir dann auch sein Kärtchen gibt? Denn ich frage ja nach dem Kärtchen, weil ich der Meinung bin, daß der Polizist gerade irgendeine Straftat begangen hat und das in diesem Rechtsstaat verfolgt werden muß, wie Sie das umgekehrt ja auch tun. Wie komme ich also an das Kärtchen, und wie gedenken Sie mit dieser Geschichte zu verfahren? Sie klappt offensichtlich nicht.
Frau Schilling, es gehört zu unseren Regeln, daß Sie nun am Mikrophon stehenbleiben, bis die Antwort erfolgt ist.
Spranger, Parl. Staatssekretär: Auch bei Ihrer Fragestellung, wie Sie an die Kärtchen herankommen, sehe ich keinen Zusammenhang zu der eingangs gestellten Frage. Es tut mir wirklich leid.
Herr Staatssekretär, das ist nicht richtig. Die Frage lautet:
Was wird die Bundesregierung tun, um die Feststellung der angeblichen polizeilichen Täter zu ermöglichen?
Da ist ein Zusammenhang gegeben.
Spranger, Parl. Staatssekretär: Herr Präsident, die Aktion in Wackersdorf ist abgeschlossen,
und ich sehe keine Möglichkeit, im nachhinein irgendwelche damals zum Einsatz gekommenen Polizeibeamten mit Kärtchen auszustatten, um ihre Identifizierung zu ermöglichen.
Das ist eine sachliche Antwort, die Sie verantworten.
Jetzt kommt der Abgeordnete Weiss .
Herr Staatssekretär, wie stellen Sie sich eigentlich eine eventuelle Beweisführung gegen Polizeibeamte oder BGS-Beamte vor, wenn immer dann, wenn Leute fotografiert haben, Polizeibeamte unmittelbar entweder auf der Aushändigung des Films oder auf der Vernichtung des Fotos bestehen? Wie soll da eine Ermittlung laufen? Oder kann man nicht sogar sagen, daß das Verlangen nach Vernichtung des Fotomaterials in diesem Falle Strafvereitelung im Amt ist?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Herr Abgeordneter Weiss, ich glaube, die Bundesregierung wäre überfordert, wenn sie den Ermittlungsbehörden bei deren Tätigkeit irgendwelche Beweisregelungen vorschreiben sollte. Das ist Sache der zuständigen Behörden,
aber nicht Angelegenheit der Bundesregierung.
Eine Zusatzfrage der Abgeordneten Frau Wollny.
Wäre es in diesem Zusammenhang nicht sinnvoll, wenn die Bundesregierung zumindest für ihren Bereich, für den BGS, und wenn die Länder für ihre Polizeien so, wie es in anderen Staaten üblich ist, verfügen würden, daß Polizisten Nummern- oder Namensschilder tragen? Das wäre nicht bloß sinnvoll, um eine Strafverfolgung von Polizisten zu erleichtern, sondern auch geeignet, mehr Vertrauen zu schaffen.
Spranger, Parl. Staatssekretär: Das Problem wird immer wieder diskutiert; nur sieht die Bundesregierung gerade im Zusammenhang mit Ausschreitungen, wie wir sie zuletzt in Wackersdorf erlebt haben, das vordringliche Problem nicht in einer Umorganisation im Bereich der Polizei, sondern in der Verhinderung derartiger Kriminalität und in der Festnahme der Täter, die sich in irgendeiner Form Gewalttätigkeiten haben zuschulden kommen lassen.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Lutz.
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Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 32. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Oktober 1987 2123
Herr Staatssekretär, ich verfolge diese Fragestunde mit Bestürzung. Kann es sein, daß Sie, von einer unerträglichen Arroganz beseelt, die Fragen der Abgeordneten beantworten, und halten Sie das für mit der Würde des Hauses vereinbar?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Ich teile Ihre Auffassung nicht, Herr Lutz.
Die nächste Zusatzfrage kommt von dem Abgeordneten Dr. Hirsch.
Herr Staatssekretär, würden Sie mir darin zustimmen, daß die Frage der Kennzeichnung von Polizeibeamten oder ihrer Ausrüstung mit Visitenkarten allein in der Zuständigkeit des jeweiligen Landes liegt, daß die Kennzeichnung von Politessen mit Karten bzw. deren Ausrüstung allein in der Zuständigkeit der jeweiligen Kommunalbehörde liegt und daß die Zuständigkeit der Länder selbst für den Bundesgrenzschutz dann gilt, wenn der Bundesgrenzschutz im Wege der Amtshilfe unter der Verantwortung eines Landesinnenministers und nach den Regeln des dortigen Landespolizeirechts eingesetzt wird? Würden Sie mir darin zustimmen?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Herr Dr. Hirsch, ich stimme Ihnen in vollem Umfange zu.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Lippelt .
Herr Staatssekretär, ist es hier ähnlich gewesen, wie ich es gelegentlich von niedersächsischen Demonstrationen im Raum Gorleben kenne, daß auf der Seite der Polizei zur Beobachtung auch Staatsanwälte zugegen sind, und, vorausgesetzt ja, ist Ihnen schon einmal ein Fall bekanntgeworden, in dem Ermittlungen dann auch gegen Polizisten begonnen worden sind?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Ich bitte sehr um Verständnis; auch das ist ein völlig anderer Sachverhalt, als er in der Frage von Herrn Dr. Daniels angeschnitten wurde.
Das muß ich bestätigen.
Ich habe noch eine Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Hüsch, bitte.
Herr Staatssekretär, sind Sie nicht darüber erschrocken, wie die GRÜNEN hier versuchen, den Polizeibeamten ein rechtswidriges Verhalten zu unterstellen, und gleichzeitig vom Rechtsbruch ihrer Abgeordneten Daniels und Weiss bei dieser Demonstration ablenken wollen?
Dies führt nun auch von der Frage weg. Also kann er dies auch nicht beantworten, wenn er konsequent sein will.
Dann kommt jetzt die Zusatzfrage des Abgeordneten Kleinert .
Herr Staatssekretär, liegen Anhaltspunkte dafür vor, daß in die den Ordnungskräften zur Last gelegten angeblich strafbaren Handlungen im Zusammenhang mit der Demonstration in Wackersdorf auch Angehörige des Bundesgrenzschutzes verwickelt waren, und wenn ja, wie beurteilen Sie das, und in welcher Weise gedenken Sie damit umzugehen, gerade auf dem Hintergrund der nicht bestreitbaren Tatsache, daß die Verantwortung für den Polizeieinsatz beim Land Bayern liegt?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Herr Kleinert, ich darf meine Antwort auf die erste Frage zum zweiten Mal teilweise wiederholen. Ich sagte schon zu Beginn: Vorwürfe gegen die vom Bund zur Verfügung gestellten BGS-Beamten sind nicht bekanntgeworden. Es gibt keine Informationen, daß sie hier in irgendeiner Form an behaupteten strafbaren Handlungen beteiligt waren.
Ich rufe die Dringlichkeitsfrage 3 des Abgeordneten Weiss auf:
Gedenkt die Bundesregierung angesichts der Behauptungen, daß Polizeibeamte im Rahmen der Demonstration gegen die Wiederaufarbeitungsanlage Wackersdorf am 10. Oktober 1987 zahlreiche strafbare Handlungen begangen haben, künftig auch weiterhin den Bundesgrenzschutz für Einsätze am Baugelände der Wiederaufarbeitungsanlage zur Verfügung zu stellen, und was wird die Bundesregierung unternehmen, um sicherzustellen, daß BGS-Beamte nicht in strafbare Handlungen verwickelt werden?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Spranger, Parl. Staatssekretär: Das Bundesgrenzschutzgesetz sieht in § 9 vor, daß Kräfte des Bundesgrenzschutzes auf Anforderung eines Landes zur Unterstützung der Polizei zur Verfügung gestellt werden können. Die Bundesregierung sieht keinen Anlaß, von diesen Rechtsgrundlagen abzugehen. Beamte des Bundesgrenzschutzes sind bei Erfüllung ihrer Aufträge an Gesetz und Recht gebunden.
Eine Zusatzfrage, Herr Weiss.
Herr Staatssekretär, würden Sie es als „an Recht und Gesetz gebunden" bezeichnen, wenn BGS-Beamte Demonstranten verletzen,
ohne daß ein zeitlicher oder räumlicher Zusammenhang mit irgendwelchen Ausschreitungen besteht?Spranger, Parl. Staatssekretär: Ich kann auf diese einzelnen Sachverhalte, wie Sie sie behaupten, deshalb nicht eingehen, weil ich sie nicht kenne und nicht im einzelnen bestätigen kann. Ich weise nochmals
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2124 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 32. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Oktober 1987
Parl. Staatssekretär Sprangerdarauf hin, daß zu all diesen Sachverhalten, soweit hier irgendwelche Straftaten behauptet werden, entsprechende Ermittlungsverfahren der zuständigen Behörden anhängig sind. Diese werden ihre Entscheidungen und Feststellungen treffen, ohne daß die Bundesregierung hier Einfluß nehmen kann oder Einfluß nehmen will.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Weiss.
Herr Staatssekretär, wie bewerten Sie dann beispielsweise die Tatsache, daß auch eine Redakteurin der „Mittelbayerischen Zeitung", die sicher nur zu Dokumentations- und Reporterzwecken vor Ort anwesend war, von Polizeibeamten mit einem Schlagstock niedergeschlagen wurde?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Das ist wiederum ein Sachverhalt, der mit Sicherheit in keinerlei Zusammenhang mit der von Ihnen gestellten Frage steht.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Lippelt .
Herr Staatssekretär, halten Sie es für möglich, daß beim Bundesgrenzschutz auf Grund der Kasernierung ein stärkerer Feindbildaufbau stattgefunden hat als bei Landespolizeieinheiten, und, wenn ja, wie wollen Sie dieser Psychologie entgegenwirken?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Ich halte Ihre Meinung im ersten Teil für falsch mit der Konsequenz, daß wir bezüglich des zweiten Teils keinen Handlungsbedarf haben.
Eine Zusatzfrage der Abgeordneten Teubner.
Hält die Bundesregierung es mit den Grundsätzen von Recht und Gesetz, vor allem mit dem Grundsatz der Menschenwürde für vereinbar, wenn Frauen, die bei einer geschlossenen Veranstaltung vorübergehend festgenommen wurden, gezwungen wurden, bei der körperlichen Durchsuchung, die durch männliche Polizeibeamte vorgenommen wurde, ihren Oberkörper zu entblößen?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Sehen Sie, Sie tragen hier immer Sachverhalte vor, die ich nicht kenne und nicht bestätigen kann.
— Es wird in diesem Zusammenhang sehr viel behauptet. Hier ist keine Zuständigkeit der Bundesregierung gegeben, sondern es ist Sache der damit befaßten Ermittlungsbehörden, solche Behauptungen und solche Sachverhalte zu überprüfen und zu bewerten und dann die ihnen zustehenden Entscheidungen zu treffen.
Zusatzfrage des Abgeordneten Gerster .
Herr Staatssekretär, können Sie sich erklären, warum die GRÜNEN zwar Strafantrag gegen Polizeibeamte stellen, aber nicht als Teilnehmer an dieser verbotenen Demonstration Strafantrag gegen die Chaoten stellen, die ja in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft tätig waren und die unter dem Transparent — ich zitiere wörtlich — „Wir sind die wilden Horden, wir wollen plündern und morden" mit Steinen und anderen Waffen so zugeschlagen haben, daß mindestens über 20 Polizisten ambulant, aber auch im Krankenhaus behandelt werden mußten? Können Sie mir sagen, warum diese Herren, die das gesehen haben, nicht auch gegen die Chaoten Strafantrag gestellt haben?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Gerster, auch das ist mir nicht erklärlich.
Zusatzfrage der Abgeordneten Frau Schilling.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Da der BGS ja dazu da ist, Grenzen zu schützen, wie sein Name schon sagt, möchte ich Sie fragen: Erstens. Welche Grenzen wurden in Bayern geschützt? Zweitens. Sind es nicht Polizei- oder BGS-fremde Aufgaben, mit denen hier der BGS betraut war? Und drittens. Würden Sie nicht mal bei der nächsten Demonstration mit uns, mit mir mitkommen, um sich von der Richtigkeit unserer Argumente zu überzeugen?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Es wäre schon schön, wenn Sie die Gesetzeskenntnis hätten, um zu erkennen, wie unsinnig Ihre Fragestellung und Ihre Verengung des Aufgabengebietes des BGS, wie Sie es genannt haben, sind. Selbstverständlich hat der BGS nach dem Bundesgrenzschutzgesetz und anderen Gesetzen, auch dem Grundgesetz, die Aufgabe, hier in dieser Form den inneren Frieden zu schützen, wie er es auch in Wackersdorf versucht hat.
Zusatzfrage der Abgeorneten Frau Wollny.
— Es liegt in der Freiheit der Bundesregierung, zu antworten.
Frau Wollny ist dran.
Ist der Bundesregierung bekannt, daß Anzeigen gegen Polizeibeamte, selbst wenn sie durch viele Pressedokumentationen belegt sind, im allgemeinen damit enden, daß es heißt: „Der Polizeibeamte war nicht zu ermitteln ", selbst wenn das Gericht sagt, daß die Anklage berechtigt war, und macht Ihnen das nicht verständlich, weshalb wir Fragen, wie sie heute gestellt werden, an die Bundesre-
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 32. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Oktober 1987 2125
Frau Wollnygierung stellen, weil wir sie für verantwortlich halten?
Bleiben Sie bitte am Mikrophon, Frau Kollegin Wollny.
Spranger, Parl. Staatssekretär: Ich sehe zwar keine Verantwortung für die Aktionen, die sich zwischen dem 8. und dem 10. in Wackersdorf abgespielt haben, im Bereich der Bundesregierung, außer der Tatsache, daß sie entsprechend der Gesetzeslage der Anforderung der Bayerischen Staatsregierung entsprochen und einige Abteilungen des BGS zum Schutz der inneren Sicherheit und des Friedens nach Wackersdorf geschickt hat.
Im übrigen habe ich keine Anhaltspunkte, daß Anzeigen gegenüber Polizeibeamten von den Justizbehörden oder sonstigen Ermittlungsbehörden in der Bundesrepublik Deutschland in der Form behandelt werden, wie Sie es angedeutet haben.
Zusatzfrage des Abgeordneten Mechtersheimer.
Herr Staatssekretär, können Sie es völlig ausschließen, daß in Vorbereitung zu solchen Einsätzen der Polizei, bei denen es ja nicht zum ersten Mal zu Übergriffen dieser Art gekommen ist, systematische Vorbereitungen getroffen werden, die die Polizisten teilweise selber als „Wir werden jetzt wieder scharfgemacht für den Einsatz" bezeichnen, und halten Sie so etwas für mit den Prinzipien einer rechtsstaatlichen Polizei vereinbar?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Die Fragestellung „Können Sie ausschließen?" ist immer etwas gefährlich. Denn was kann man überhaupt ausschließen? Nur, eines weiß ich sicher: daß diejenigen, die in Wakkersdorf gewalttätig geworden sind, sich sehr zielstrebig auf diese Aktion vorbereitet und diese Auseinandersetzungen mit der Polizei angestrebt haben.
— Nein, nicht daß ich das wüßte. Ich habe das nun abgeschlossen. Es sind ja wirklich genügend Fragen zu dem Thema gestellt worden.
Ich danke dem Staatssekretär für die Beantwortung der Fragen.
Ich komme nun zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Finanzen.
Die Frage 3 des Abgeordneten Stiegler wird gemäß Nr. 2 Abs. 2 der Richtlinien schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Damit komme ich nunmehr zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft. Zur Beantwortung der Fragen steht der Parlamentarische Staatssekretär Dr. von Wartenberg zur Verfügung.
Die Fragen 4 und 5 des Abgeordneten Dr. Jens sollen auf dessen Wunsch schriftlich beantwortet werden. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich rufe die Frage 6 des Abgeordneten Grünbeck auf:
Wie ist der Einsatz von Arbeitnehmern aus der Deutschen Demokratischen Republik in der Bundesrepublik Deutschland geregelt, und wie hoch ist die Zahl dieser Beschäftigten?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident, Herr Kollege Grünbeck, Arbeitskräfte aus der DDR haben als Deutsche — —
Augenblick bitte, Herr Staatssekretär. — Ich darf die Damen bitten, sich hinzusetzen, wenn sie eine Unterhaltung führen wollen. — Das muß eine sehr intensive Unterhaltung sein. — So, jetzt haben Sie das Wort, Herr Staatssekretär.Dr. von Wartenberg, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Grünbeck, ich darf Ihre Frage namens der Bundesregierung wie folgt beantworten: Arbeitskräfte aus der DDR haben als Deutsche den gleichen Grundrechtsschutz hinsichtlich der Freizügigkeit und der freien Berufswahl wie Arbeitnehmer der Bundesrepu-
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2126 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 32. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Oktober 1987
Parl. Staatssekretär Dr. von Wartenbergblik Deutschland. Sie bedürfen daher keiner Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigung, wenn sie in der Bundesrepublik Deutschland arbeiten wollen. Daher ist die Zahl der in der Bundesrepublik Deutschland tätigen Arbeitnehmer aus der DDR nicht bekannt.Die DDR hat uns Ende September 1987 erklärt, daß sich ihre Bauleistungen im Bundesgebiet zukünftig sehr wahrscheinlich vermindern würden, da sie diese Kapazitäten zunehmend selbst benötige.
Zusatzfrage, Herr Grünbeck.
Herr Staatssekretär, Herr Minister Junker, der gestern bei uns zu Besuch war, hat die Zahl der Bauarbeiter aus der DDR, die in der Bundesrepublik tätig sind, mit etwa 800 angegeben. Von der deutschen Bauindustrie werden immer wieder wesentlich höhere Zahlen genannt. Halten Sie die Zahl 800 für realistisch?
Dr. von Wartenberg, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Grünbeck, wir können über die Zahlen keine genauen Angaben machen. Wir müssen uns auf das verlassen, was die DDR-Behörden uns mitteilen. Umgekehrt haben wir im Rahmen der Meldepflicht eine Übersicht über die Projekte, die in Angriff genommen werden.
Zusatzfrage von Herrn Grünbeck.
Herr Staatssekretär, Herr Minister Junker hat gestern gleichzeitig gesagt, daß in der Regel wesentlich mehr bundesdeutsche Monteure und vergleichbare Facharbeiter in der DDR tätig sind. Wäre es für die Bundesregierung nicht gut — damit in der Öffentlichkeit kein falsches Bild entsteht, zumal ja einige deutsche Bauunternehmer in bestimmten strukturschwachen Regionen über Beschäftigungsmangel klagen — , sich um diese beiderseitigen Zahlen zu bemühen und die Öffentlichkeit zu unterrichten?
Dr. von Wartenberg, Parl. Staatssekretär: Ich danke Ihnen für die Anregung, Herr Kollege Grünbeck. Wir wissen, daß in vielen Bereichen über Bauarbeiter aus der DDR geklagt wird. Umgekehrt haben Sie mit Recht darauf hingewiesen, daß es eine ganze Reihe von bundesdeutschen Bauarbeitern gibt, die in der DDR arbeiten. Es wäre für alle Beteiligten besser, wenn wir hier mit vernünftigen Zahlen Informationsarbeit betreiben könnten.
Damit sind wir am Ende des Geschäftsbereichs des Bundesministers für Wirtschaft. Ich danke dem Staatssekretär für die Beantwortung der Fragen.
Den Geschäftsbereich des Bundesministers für das Post- und Fernmeldewesen brauche ich nicht aufzurufen, weil die Fragen 7 und 8 des Abgeordneten Dr. Hitschler auf dessen Wunsch schriftlich beantwortet werden sollen. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich rufe dann den Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten auf.
Herr Parlamentarischer Staatssekretär Gallus steht uns zur Beantwortung der Fragen zur Verfügung.
Die Fragen 11 und 12 des Abgeordneten Eigen sollen auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet werden. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich rufe die Fragen 13 und 14 auf. — Dr. Abelein ist nicht im Saal. Dann müssen seine beiden Fragen entsprechend der Geschäftsordnung behandelt werden; tut mir leid.
Wir sind am Ende Ihres Geschäftsbereichs, Herr Gallus. Ich danke fürs Anwesendsein. Zu reden hatten Sie ja nichts.
Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung. Der Parlamentarische Staatssekretär Vogt steht zur Beantwortung der Fragen zur Verfügung.
Die Fragen 15 und 16 des Abgeordneten Heyenn sollen auf dessen Wunsch schriftlich beantwortet werden. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Nun kommen die Fragen 17 und 18 des Abgeordneten Dreßler. — Ich sehe gerade, daß Herr Abelein hereinkommt. Herr Abelein, Sie sind eine Minute zu spät. — Herr Dreßler ist nicht im Saal; dann wird auch hier entsprechend der Geschäftsordnung verfahren.
Ich rufe die Frage 19 des Abgeordneten Schreiner auf:
Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus dem Urteil des 7. Senats des Bundesarbeitsgerichtes vom 25. September d. J., wonach bei zeitlich befristeten Arbeitsverträgen im öffentlichen Dienst die Bestimmungen des BAT und nicht diejenigen des sogenannten Beschäftigungsförderungsgesetzes gelten, für ihre Stellenpläne, insbesondere bei der Bundesanstalt für Arbeit?
Bitte schön, Herr Vogt.
Herr Kollege, das Bundesarbeitsgericht als höchste Instanz für die Entscheidung arbeitsgerichtlicher Streitigkeiten hat mit seinem Urteil vom 25. September 1987 eine Rechtsfrage verbindlich entschieden. Diese Entscheidung weicht von den bei der Beratung des Beschäftigungsförderungsgesetzes angenommenen Grundlagen ab. Die beschäftigungspolitische Zielsetzung des § 1 Beschäftigungsförderungsgesetz schließt, wie es auch in der Entscheidung des Deutschen Bundestages bei der Verabschiedung des Gesetzes am 18. April 1985 zum Ausdruck kommt, den öffentlichen Dienst mit ein.Die Bundesregierung prüft gegenwärtig die Frage, welche Konsequenzen aus dem Urteil zu ziehen sind. Bei den Stellenplänen sieht sie grundsätzlich keine Notwendigkeit zu Änderungen. Ob die Zweckbestimmung bei Titeln, die Ermächtigungen zur Beschäftigung von Kräften mit befristetem Arbeitsvertrag vorsehen und die für die Bundesanstalt für Arbeit von besonderer Bedeutung sind, geändert werden muß, ist Gegenstand der Prüfung.Diese Prüfung wird erst nach Vorliegen der schriftlichen Entscheidungsgründe abgeschlossen werden können.
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Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 32. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Oktober 1987 2127
Zusatzfrage, Herr Schreiner.
Herr Staatssekretär, wie hoch ist gegenwärtig der Anteil von zeitlich befristeten Beschäftigungsverhältnissen in den einzelnen Einrichtungen der Bundesanstalt für Arbeit?
Vogt, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, am
15. September 1987 waren in der Bundesanstalt für Arbeit 4 571 Angestellte mit befristetem Arbeitsvertrag nach dem Beschäftigungsförderungsgesetz tätig. Der Anteil der 6 171 befristet beschäftigten Angestellten an der Gesamtzahl der Plankräfte, nämlich 53 217 Beamte und Angestellte, betrug rund 11,6 %.
Weitere Zusatzfrage, Herr Schreiner,
Herr Staatssekretär, können Sie die Auffassung von vielen Kolleginnen und Kollegen, die in den Arbeitsämtern ihren Dienst tun, bestätigen, wonach die Effizienz bei den zeitlich befristeten Beschäftigungsverhältnissen deshalb niedriger ist als bei sogenannten Dauerarbeitsverhältnissen, weil häufig genug nach einer längeren Anlernphase die zeitliche Befristung greift und die Beschäftigung zu Ende geht, so daß von einer echten Beschäftigung gar nicht die Rede sein kann?
Vogt, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, so generell, wie Sie es behaupten, kann ich das nicht bestätigen.
Ich rufe die Frage 20 des Abgeordneten Schreiner auf:
In welcher Weise beabsichtigt die Bundesregierung, die Überwälzung von allgemeinen Verwaltungsaufgaben auf die Bundesanstalt für Arbeit, wie sie durch das zum 1. Januar 1987 rückwirkend in Kraft getretene Soldatenversorgungsänderungsgesetz sowie auch durch entsprechende Regelungen im Entwurf für eine 8. Novelle des Arbeitsförderungsgesetzes wirksam wird, beim Personalhaushalt der Bundesanstalt für Arbeit zu berücksichtigen, zumal seit Jahresbeginn saisonbereinigt sowohl die allgemeine als auch die Behindertenarbeitslosigkeit steigt?
Bitte schön, Herr Vogt.
Vogt, Parl. Staatssekretär: Der Verwaltungsrat der Bundesanstalt für Arbeit wird voraussichtlich am
16. Oktober 1987, also in wenigen Tagen, den Haushaltsplan für das Haushaltsjahr 1988 feststellen. Dabei wird er auch die Einzelheiten für den Personalhaushalt festlegen. Ich halte es für angezeigt, vor der Beschlußfassung des Verwaltungsrates keine Stellung zu Fragen der Haushaltsgestaltung für das kommende Haushaltsjahr zu nehmen.
Im übrigen möchte ich darauf hinweisen, daß die administrative Durchführung der im Entwurf eines Achten Gesetzes zur Änderung des Arbeitsförderungsgesetzes geregelten Maßnahmen bereits seit Jahren rechtmäßig bei der Bundesanstalt für Arbeit liegt und das Änderungsgesetz eine Reihe von Maßnahmen zur Vereinfachung des Arbeitsförderungsrechtes vorsieht.
Zusatzfrage, Herr Schreiner.
Herr Staatssekretär, hat die Bundesregierung einen Überblick, wie hoch die Bearbeitungsrückstände in den einzelnen Arbeitsämtern deshalb sind, weil die Arbeitsämter personell eindeutig unterbesetzt sind?
Vogt, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich möchte darauf hinweisen, daß der Personalbestand der Bundesanstalt für Arbeit in den letzten Jahren angehoben worden ist. Er betrug in der Zeit von August bis Dezember 1985 durchschnittlich 65 957 Beschäftigte, in der Zeit von Januar bis September 1987 durchschnittlich 68 927 Beschäftigte. Der Beschäftigtenstand ist also angehoben worden. In welchen Bereichen Bearbeitungsrückstände vorliegen, kann ich Ihnen jetzt nicht sagen. Ich bin gern bereit, das schriftlich zu beantworten. Vielleicht gibt es sogar die Möglichkeit, dies heute nachmittag bei den Beratungen des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung zu konkretisieren.
Weitere Zusatzfrage, Herr Schreiner.
Herr Staatssekretär, ich bin immer dankbar, wenn Sie eine schriftliche Antwort ankündigen. Deshalb möchte ich als letztes fragen, ob Sie einen Überblick darüber haben, inwieweit die Arbeitsfähigkeit der Vermittlungsabteilungen in den Arbeitsämtern überhaupt noch sichergestellt ist. Ich möchte von Ihnen ganz gern wissen, ob die von Ihnen dargestellte Steigerung des Personalbestands in den letzten Jahren möglicherweise damit zusammenhängt, daß die Arbeitslosenquote in den letzten Jahren teilweise dramatisch gestiegen ist.
Vogt, Parl. Staatssekretär: Nein, das hängt damit nicht zusammen, Herr Kollege. Im übrigen verweise ich darauf, daß gerade die Bundesanstalt für Arbeit einen Kräfteansatz im Vermittlungsbereich vorgenommen hat, daß also die Arbeitsverwaltung gerade in ihrer Vermittlungstätigkeit auf aktuellem Stand ist.
Augenblick. Das ist keine Diskussionsveranstaltung, sondern eine Fragestunde.Wir sind am Ende des Geschäftsbereichs des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung. Vielen Dank, Herr Staatssekretär.Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung. Zur Beantwortung der Fragen steht Herr Parlamentarischer Staatssekretär Würzbach zur Verfügung. Die Fragen 21 und 22 des Abgeordneten Leidinger sind vom Fragesteller zurückgezogen.Die Fragen 23 und 24 des Abgeordneten Jungmann sowie die Fragen 25 und 26 des Abgeordneten Zumkley werden gemäß Nr. 2 Abs. 2 der Richtlinien schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.Die Fragen 27 und 28 des Abgeordneten Nolting werden auf Wunsch des Fragestellers schriftlich be-
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2128 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 32. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Oktober 1987
Vizepräsident Westphalantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.Ich rufe die Frage 31 des Abgeordneten Dr. Klejdzinski auf:Was hat die Bundesregierung veranlaßt, das Übungsgeld der in Goose Bay, Labrador, Shilo, Kanada übenden Soldaten von 21 DM um 5 DM auf 16 DM zu kürzen?Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Herr Kollege Klejdzinski, konkreter Anlaß für die Herabsetzung des Übungsgeldes in Kanada ist die Tatsache, daß dort das Preis- und Währungsverhältnis um rund 35 % zugunsten der D-Mark gesunken ist. Daher haben wir wie alle Regierungen zuvor eine solche Anpassung vornehmen müssen, in diesem Fall nach unten; wäre die Entwicklung andersgerichtet verlaufen, hätten wir eine Anpassung nach oben vornehmen müssen.
Zusatzfrage, Herr Klejdzinski.
Herr Staatssekretär, ich gehe davon aus, daß Sie den Bericht des Wehrbeauftragten gelesen haben. Der Wehrbeauftragte führt, bezogen auf Einsätze im Ausland, im einzelnen aus, daß insbesondere in Goose Bay das Preisverhältnis so ist, daß diese damalige Erhöhung nicht ausreicht, um die Soldaten dementsprechend auszustatten. Haben Sie dieses bei den Überlegungen, die Sie jetzt angestellt haben, zur Kenntnis genommen?
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, das haben wir zur Kenntnis genommen. Sie werden verfolgt haben — ich nenne ein paar Stationen — , daß im Sommer 1984 die Kommission dort war und mit einem ähnlichen Ergebnis zurückkam wie das des Wehrbeauftragten, das Sie eben zitiert haben. Im Januar 1985 kostete ein kanadischer Dollar 2,13 DM. Deshalb haben wir das Übungsgeld auf 16 DM angehoben. Ich erinnere mich an Debatten, in denen dies von allen Seiten, auch von Ihrer Seite, begrüßt wurde.
Wir haben im Januar 1986 eine nochmalige Anhebung vorgenommen, und zwar auf 21 DM. Damals kostete der kanadische Dollar 2,50 DM.
Jetzt, Herr Kollege, ist ein Kursverfall auf 1,40 DM festzustellen. Deshalb war die Kürzung erforderlich. Sie bedeutet keine Schlechterstellung der Soldaten.
Ich füge hier hinzu: Für das Jahr 1987 haben wir — unter den kritischen Blicken des Finanzministers — dies noch nicht in Kraft gesetzt, sondern es tritt erst 1988 in Kraft.
Weitere Zusatzfrage, Herr Dr. Klejdzinski.
Herr Staatssekretär, haben Sie bei Ihren Überlegungen, die währungstechnisch sicherlich richtig sind, auch die örtlichen Preise verglichen?
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Ja.
Zusatzfrage der Abgeordneten Frau Traupe.
Herr Staatssekretär, können Sie uns erklären, warum Sie den Willen des Parlaments, ausgedrückt in den Beschlüssen des Haushaltsausschusses und des Verteidigungsausschusses, für Goose Bay mißachten?
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Das kann ich Ihnen nicht erklären, Frau Kollegin, weil wir das nicht tun.
Na, na, na; ich bitte hier beim Stil zu bleiben.
— Sie wollten hierzu fragen? — Bitte schön, Sie haben das Wort.
Herr Staatssekretär, ich entnehme aus der ersten Antwort, die Sie gegeben haben, die Sentenz „wie alle Regierungen vorher". Könnten Sie vielleicht — mich interessieren insbesondere die 70er Jahre — ein paar Beispiele nennen?
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Dr. Uelhoff, ich habe ein solches Beispiel aus der Zeit der Regierung der SPD. Im September 1981 stand der kanadische Dollar bei 2,05 DM und ging im Januar 1982 auf 1,98 DM herunter. Damals hat die SPD-Regierung das Übungsgeld von 16 DM auf 11 DM gekürzt. Heute steht der Dollar bei 1,40 DM, und wir zahlen 16 DM. Ich betone noch einmal: Er stand höher, und es gab eine Kürzung auf 11 DM. Er steht jetzt weiter unten, bei 1,40 DM, und wir sind noch bei 16 DM.
Jetzt kommen wir zur Frage 32 des Abgeordneten Dr. Klejdzinski:
Hat die Bundesregierung Preisvergleiche für typische Warenkörbe in einzelnen Zonen vorgenommen, in denen deutsche Soldaten in Kanada eingesetzt sind?
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Klejdzinski, die Regierung heute wie auch die Regierungen vorher waren und sind der Auffassung, daß ein Vergleich mit den Warenkörben deshalb untauglich ist, weil der Warenkorbvergleich beispielsweise für Grundnahrungsmittel herangezogen wird, für Energiekosten, für Mieten und ähnliches. Für das Übungsgeld müssen Preise verglichen werden, die im Warenkorb nicht zu finden sind. Denn das Übungsgeld dient dazu, Dinge neben der Grundverpflegung — die wir dort ja anbieten — wie Zeitungen, Zeitschriften, Süßigkeiten, Getränke neben der Nahrung zu beschaffen, so daß sich der Warenkorb hierfür nicht anbietet. In Shilo und Goose Bay ist übrigens gleiches Preisgefüge.
Zusatzfrage, Dr. Klejdzinski.
Herr Staatssekretär, haben Sie einmal geprüft, was ein Bier in Goose Bay/Kanada und was ein Bier beispielsweise in Ottawa kostet?
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Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 32. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Oktober 1987 2129
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Nach den mir zur Verfügung stehenden Unterlagen ist das in etwa gleich.
Sie haben eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, wenn Sie behaupten, „etwa gleich" : Sind Sie mit mir der Meinung, daß das Bier in Goose Bay fast um 50 % teurer ist als in Ottawa, und bezeichnen Sie das als „etwa gleich"?
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Ich kann diese Preisunterschiede, Herr Kollege, aus den Unterlagen und auch aus den Berichten nicht nachvollziehen.
Jetzt kommt Frau Traupe mit einer Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, erklären Sie uns doch bitte, wie die Empfehlung des Haushaltsausschusses und des Verteidigungsausschusses zum Haushalt 1986 — zum Haushalt 1985 einstimmig gefaßt, nachdem der Verteidigungsausschuß und der Haushaltsausschuß in Goose Bay waren — zustande gekommen ist, nachdem diese 16 DM auch nach damaligem Stand nicht ausreichend waren, es inzwischen in Goose Bay eine Inflation gegeben hat und man heute für diese 16 DM nicht einmal einen Telefonanruf nach Deutschland finanzieren kann?
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin, wir haben am 1. Januar 1986 die 16 DM bei einem Dollarkurs von 2,50 auf 21 DM angezogen. Der Dollar ist nun auf 1,40 DM gefallen. Deshalb ist nach all den bestehenden Regeln, die nicht wir neu erfunden haben, sondern die es seit einem Jahrzehnt oder gar länger gibt und die immer angewandt wurden, diese Anpassung mit zeitlicher Verzögerung — über die habe ich eben gesprochen — vorgenommen worden.
Zusatzfrage des Abgeordneten Steiner.
Herr Staatssekretär, sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, daß man hier nicht mit Regeln weiterkommt, sondern nur mit den Fakten?
Die Fakten sind in der Form dargestellt worden, daß die Preise in Goose Bay um einiges höher sind als landesweit in Kanada. Wir haben das vor drei Wochen selbst feststellen können.
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Das wird durch die Ergebnisse der Bereisung der interministeriellen Kommission, Herr Kollege, in dieser Form nicht bestätigt. Klar ist, daß wir uns den Währungsschwankungen, wenn auch mit zeitlicher Verzögerung, so doch immer wieder anzupassen haben. Es gab eine Besserstellung zugunsten der deutschen Soldaten auf Grund der Kursänderung um 35 %. Es ist jetzt eine Senkung um lediglich 24 % vorgenommen worden. Auch das sind die Fakten, Herr Kollege.
Zusatzfrage des Abgeordneten Penner.
Herr Kollege Würzbach, sind Sie denn bereit zu akzeptieren, daß es nach den Feststellungen der hier anwesenden Kollegen aus dem Verteidigungsausschuß zumindest Anhaltspunkte dafür gibt, daß es eine besondere Preiszone in und um Goose Bay gibt und daß sich Ihr Verhalten im Sinne einer Reaktion danach ausrichten müßte?
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich brauche hier nicht zu erläutern, daß der Verteidigungsminister sich über jede Hilfe freut, unseren Soldaten, wo immer möglich, noch ein bißchen mehr als das zu geben, was wir ihnen heute schon geben können. Darüber gibt es, wie ich hoffe, im ganzen Haus überhaupt keinen Dissens. Es muß aber auch klar sein, daß wir, wenn etwas unter bestimmten Bedingungen gegeben wird und sich diese Bedingungen nicht unerheblich ändern, nicht so tun können, als habe sich nichts geändert.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Uelhoff.
Herr Staatssekretär Würzbach, ich habe Ihre Antwort auf die erste, die vorhergehende Frage noch im Ohr. Deshalb meine Zusatzfrage zu dieser Frage: Sind Ihnen vergleichsweise fürsorgliche Bemühungen der sozialdemokratischen Kollegen aus den 70er Jahren bekannt?
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Dieses Übungsgeld, um das es hier geht — ich glaube, daß die Begriffe hier möglicherweise auch nicht ganz sauber voneinander getrennt werden — , ist etwas anderes als die Lebenshaltungskosten mit den üblichen Gebührnissen.
Mir ist nicht bekannt, daß dieses Übungsgeld in der Tat jeweils auf einem solch hohen Niveau angesiedelt wurde und auch auf einem solch hohen Niveau gehalten wurde — das Beispiel, das ich Ihnen vorhin nannte, belegt dieses beweisähnlich —, wie wir das jetzt trotz der nötigen Anpassung getan haben.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Graf.
Herr Staatssekretär, können Sie mir sagen, was die Reise der interministeriellen Kommission nach Goose Bay gekostet hat, und können Sie mir sagen, wie hoch der Betrag ist, den Sie durch die Absenkung von 21 DM auf 16 DM für ein Jahr eingespart haben?
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Ich kann Ihnen beides so nicht sagen.
Wir kommen zur Frage 29 des Abgeordneten Steiner:
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2130 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 32. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Oktober 1987
Vizepräsident WestphalIn welcher Höhe werden den Soldaten in Goose Bay, Labrador, Shilo, Kanada von dem reduzierten Übungsgeld in Höhe von 16 DM weitere Abzüge für die Verpflichtung an der Teilnahme der Truppenverpflegung abgezogen?Bitte sehr, Herr Staatssekretär.Würzbach, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Steiner, der genannte Betrag wird bei allen Soldaten um 5 DM gekürzt. Das heißt, daß dann alle Soldaten — auch die Wehrpflichtigen — 11 DM erhalten.
Eine Zusatzfrage, Herr Steiner.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß die Betreuungseinrichtungen — wir sprechen ja jetzt von Goose Bay — für unsere dort übenden Soldaten unzulänglich sind, daß unsere Soldaten kaum Preisvergünstigungen innerhalb des Geländes in Anspruch nehmen können und sich deshalb das finanzielle Gefälle im Vergleich zu dem bei Soldaten der anderen dort übenden NATO-Staaten noch erhöht?
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, mir ist bekannt, daß wir bei den Übungsplätzen im Ausland — die beiden in Rede stehenden zählen an der Spitze dazu — noch eine Menge tun müssen, um die soziale Betreuung in umfangreicher Form — nicht nur im Vergleich zu anderen Nationen, sondern insgesamt — zu verbessern.
Eine weitere Zusatzfrage des Abgeordneten Steiner.
Herr Staatssekretär, was gedenkt der Bundesminister der Verteidigung konkret zu tun, damit die ohnehin schon hohe soziale Belastung der in Goose Bay übenden Soldaten — Trennung von der Familie, unzulängliche Betreuung und auch Unterbringung — nicht noch durch eine finanzielle Belastung angereichert wird?
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Ich habe eben davon gesprochen, daß wir, was die Finanzen angeht, anpassen. Herr Kollege, das Anpassen gilt aber nach oben wie nach unten. Jetzt sind wir auf Grund der Wechselkurse zu einem Anpassen nach unten gekommen. Ist es erforderlich, es nach oben zu tun, so werden wir das in der gleichen Form tun. Darüber hinaus werden wir eine Reihe von Maßnahmen — nicht alle werden wir allein im Verteidigungsministerium beschließen können — einleiten, um eine soziale Betreuung der Soldaten drüben und auch der Familien hier zu gewährleisten. Ich darf darauf aufmerksam machen, daß wir uns sehr oft treffen, um beispielsweise über die Notwendigkeit zu reden, noch mehr Übungen in das Ausland — auch auf die beiden hier genannten Plätze — zu verlegen. Die Argumentation beißt sich irgendwo, wenn auf der einen Seite gesagt wird, es sollten mehr Übungen in das Ausland verlegt werden, weil sie hier bei uns bestimmte Bürger in bestimmten Bereichen stören, und wenn auf der anderen Seite beklagt wird, daß man zwei- oder dreimal im Jahr für zwei oder drei Wochen drüben Übungen absolvieren muß. Wir müssen beides miteinander in Verbindung bringen. Ich darf herzlich bitten, bei der Lösung beider Probleme, die uns beschäftigen, zu helfen, nicht nur bei der Lösung eines dieser Probleme.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Klejdzinski.
Herr Staatssekretär, Sie haben vorhin davon gesprochen, eine interministerielle Kommission habe diesbezüglich etwas festgestellt. Ich möchte Sie zunächst fragen, ob Sie uns die Studie und damit das Ergebnis zur Verfügung stellen, damit wir an Hand unserer Erfahrungen Vergleiche anstellen können, und möchte Sie in diesem Zusammenhang gleichzeitig bitten, uns Angaben darüber vorzulegen, welche Beträge die anderen dort übenden Soldaten bekommen. Nach den Informationen, die ich habe, muß ich davon ausgehen, daß wir unsere Soldaten am schlechtesten bezahlen, was das Übungsgeld betrifft. Ich weiß, daß die Holländer beispielsweise 21 DM bekommen und der Anteil für die Verpflegung bereits abgezogen ist.
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, der zweite Teil Ihrer Frage ist exakt der Inhalt der nächsten Frage des Kollegen Steiner.
Was den ersten Teil Ihrer Frage angeht, will ich gern veranlassen, daß Sie das Ergebnis der Kommission bekommen.
Zusatzfrage, Frau Traupe.
Herr Staatssekretär, würden Sie dem Kollegen von der Union mitteilen, seit wann in Goose Bay geübt wird und seit wann Sie die Mitverantwortung für das Haus tragen?
Dreiecksfragen sind interessant, aber hier nicht üblich.
— Wir halten hier schon unsere Regeln ein.
Jetzt rufe ich die Frage 30 des Abgeordneten Steiner auf:
Sind der Bundesregierung Leistungen anderer NATO-Staaten für ihre Soldaten, die auch in Goose Bay üben, bekannt, und wie hoch sind diese?
Bitte schön.
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Steiner, das eine oder andere, nach dem eben der Kollege Klejdzinski fragte, ist uns bekannt. Ich selber habe auf Grund Ihrer Frage — das wissen Sie — energisch in den zuständigen Abteilungen nachgefragt: Gebt mir Beispiele, schön aufgelistet, über die Dienstgrade, über die Jahre hinweg, wo ich das sehen kann. Wie faßt ihr das an? — Solche detaillierten Angaben liegen uns nicht vor. Auf meine Frage: Warum nicht? wurde mir geantwortet, daß wir in Deutschland auf Grund unseres Haushaltsrechts eine völlig andere Systematik hätten, so daß eine Vergleichbarkeit hier sachlich nicht gegeben ist.
Zusatzfrage, Herr Steiner.
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Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 32. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Oktober 1987 2131
Herr Staatssekretär, können Sie mir dann wenigstens dahin gehend zustimmen, daß
und wir haben es ja festgestellt — unsere übenden Soldaten in Goose Bay gegenüber den dort übenden Soldaten anderer Nationen wesentlich schlechter gestellt sind und die Besserstellung der Soldaten anderer Nationen ja wohl nicht darauf zurückzuführen ist, daß man ihnen Geld nachwirft?
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, dies kann ich so nicht unterschreiben, weil viele andere Dinge unseren Soldaten unentgeltlich gegeben werden, die bei einigen Armeen den Soldaten so nicht gegeben werden, so daß Sie den Vergleich: Was bekommst du und du und du von der und der und der Nation für einen Tag auf dem Platz? so nicht angestellt werden kann. Da müssen dann alle Dinge miteinander verglichen und gewichtet werden.
Sie haben eine weitere Zusatzfrage, Herr Steiner.
Herr Staatssekretär, sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, daß diese wesentliche Schlechterstellung unserer Soldaten durch den Abzug von 5 DM zu einem Motivationsverlust in erheblicher Größenordnung beitragen könnte?
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Nein, Herr Kollege. Die 5 DM werden bei den Wehrpflichtigen wie bei den Berufs- und Zeitsoldaten für die Verpflegung abgezogen. Bei dem einen werden sie automatisch abgezogen, und der andere kann sagen: Zahlt mir die ganzen 16 DM aus, und später zahle ich von meinem Gehalt, dem Auslandstagegeld oder sonst welchen Mitteln den Betrag zurück. — Das ist eine unterschiedliche Systematik. Jeder Soldat — und nicht nur jeder Soldat — , im Ausland wie im Inland, weiß, daß er für die Verpflegung, die er bekommt, einen bestimmten Betrag zu bezahlen hat. Das sind hier wie drüben 5 DM.
Zusatzfrage des Abgeordneten Klejdzinski.
Herr Staatssekretär, halten Sie es den Soldaten gegenüber vertretbar, sie für täglich 11 DM dort hinzuschicken, um das Ausmaß an Tiefflügen hier zu vermindern?
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, diese Rechnung ist keine richtige. Ich bitte Sie, sie auch nicht aufzumachen, weil sie irreführt und womöglich das an Motivationsnachlaß bewirkt, was, wie ich hoffe, auch Sie nicht wollen.
Der Soldat im Ausland bekommt andere Bezüge. Neben den Dingen, die nur für nicht Übende im Reisekostenrecht geregelt werden, gibt es für Übende ein Übungsgeld. Dieses Übungsgeld ist, wie ich es vorhin erklärte, dafür da, um sich neben den anderen Dingen noch Zusätzliches für den persönlichen Bedarf zu beschaffen. Dieses Übungsgeld ist, wenn ich mich recht erinnere, auf Grund einer über die Fraktionsgrenzen hinausgehenden Aktion für Goose Bay und Shilo wegen der extremen Situation und schwieriger Bedingungen, was die Betreuung angeht, angehoben worden.
Zusatzfrage, Frau Traupe.
Herr Staatssekretär, erklären Sie doch den hier Anwesenden, wieviel Auslandstagegeld ein dort übender Soldat, ob er Wehrpflichtiger oder Offizier am Flugzeugknüppel ist, pro Tag neben dem Übungsgeld bekommt.
Würzbach, Parl. Staatssekretär: An Übungsgeld bekommt er 11 DM. Mit den Daten des Reisekostenrechts für andere Soldaten habe ich mich auf Grund der konkret von Ihnen gestellten Fragen, die ich hier zu beantworten habe, nicht befaßt. Das müßte nachgetragen werden.
Wir sind am Ende dieses Fragenbereichs. Ich danke dem Herrn Staatssekretär für die Beantwortung der Fragen.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit auf. Der Parlamentarische Staatssekretär Pfeifer steht zur Beantwortung der Fragen zur Verfügung.
Die Frage 33 des Abgeordneten Kroll-Schlüter soll auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet werden. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 34 der Abgeordneten Frau Würfel auf:
Welche Haltung nimmt die Bundesregierung im Rahmen der Maßnahmen zur Verhinderung der weiteren Ausbreitung von AIDS zu dem autologen Bluttransfusionskonzept ein?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Frau Kollegin Würfel, die Bundesregierung prüft alle Möglichkeiten, das Risiko einer HIV-Infektion durch Bluttransfusionen von derzeit 1 : 500 000 bis 1 : 3 000 000 weiter zu senken.
Das autologe Bluttransfusionskonzept ist nur im Einzelfall und nur sehr begrenzt anwendbar, vornehmlich dann, wenn es sich um geplante, vorhersehbare Operationen mit hohem Blutverlust handelt, etwa bei Herzoperationen oder bei orthopädischen Eingriffen. In diesen Fällen ist eine autologe Bluttransfusion zu befürworten.
Eine Zusatzfrage, Frau Würfel, bitte.
Sehen Sie unter diesen Umständen im Hinblick auf die Gefährdung durch AIDS eine Fördermöglichkeit dieses Eigenbluttransfusionssystems?
Pfeifer, Parl. Staatssekretär: In dem von mir beschriebenen Umfange, also beispielsweise bei der Behandlung im Rahmen eines Operationsprogrammes, ist eine solche Förderung in der Tat möglich.
Keine weitere Zusatzfrage.
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2132 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 32. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Oktober 1987
Vizepräsident WestphalDann rufe ich die Frage 35 der Abgeordneten Frau Würfel auf:Welche Auffassung vertritt die Bundesregierung hinsichtlich der Verwendung überschüssiger autologer Blutkonserven für dritte Patienten unter dem Gesichtspunkt ihrer begrenzten Haltbarkeit und der Berücksichtigung gesetzlicher Vorschriften?Bitte schön, Herr Staatssekretär.Pfeifer, Parl. Staatssekretär: Das Gewinnen von Blut und Blutbestandteilen ist ein Herstellen von Arzneimitteln im Sinne des § 4 Abs. 14 des Arzneimittelgesetzes und nur dann von einer Herstellungserlaubnis nach § 13 Abs. 1 des Arzneimittelgesetzes freigestellt, wenn die Person, die das Arzneimittel herstellt, es auch anwendet.Wenn also die Blutkonserven hergestellt werden, um sie gegebenenfalls später einer anderen Verwendung zuzuführen, liegt eine erlaubnispflichtige Arzneimittelherstellung vor. Da es sich bei Spendern autologer Blutkonserven in der Regel um Patienten handelt, soll nach der in Vorbereitung befindlichen Neufassung der Richtlinien zur Blutgruppenbestimmung und Bluttransfusion eine Verwendung für andere Patienten ausgeschlossen werden. Eigenblutkonserven, die nicht benötigt werden, sollen hiernach vernichtet werden.
Keine Zusatzfragen. Wir sind am Ende des Geschäftsbereichs.
Ich danke dem Staatssekretär für die Beantwortung der Fragen.
Ich rufe nun den Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr auf. Der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Schulte steht uns zur Beantwortung der Fragen zur Verfügung.
Die Frage 36 des Abgeordneten Weiss ist vom Fragesteller zurückgezogen worden.
Ich rufe die Frage 37 des Abgeordneten Weiss auf:
Kann die Bundesregierung bestätigen, daß die zweite Phase der Flugsicherungssimulation in Bretigny/Frankreich, mit dem das sogenannte Sobernheimer Modell in der Flugsicherung erprobt werden sollte, das die Einführung der Vorherrschaft der Militärs im Luftraum vorsieht, längst abgeschlossen ist, und warum liegt der Abschlußbericht noch nicht vor bzw. warum ist dieser bislang nicht veröffentlicht?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege, der Ergebnisbericht der Agentur EUROCONTROL über die zweite Realzeitsimulation zur praktischen Erprobung aller drei Elemente des zwischen den Bundesministern für Verkehr und Verteidigung verabredeten neuen zivil-militärischen Flugsicherungs-Betriebskonzepts liegt seit wenigen Tagen vor. Die Verteilung dieses umfangreichen und in englischer Sprache abgefaßten Berichts an die Steuerungsgruppe für den Feldversuch in der Regionalstelle Düsseldorf wird vorbereitet.
Die Auswertung der bereits von April bis Juni 1986 im Versuchszentrum Bretigny durchgeführten Simulation hat wegen des besonderen Umfanges und der Komplexität des Projekts sowie wegen der starken allgemeinen Auslastung der Simulationskapazität des Zentrums sehr viel länger gedauert als ursprünglich erwartet.
Der Verkehrsausschuß des Deutschen Bundestages wird in dem zum 1. Dezember 1987 angeforderten Bericht über die Simulationsergebnisse unterrichtet werden.
Im übrigen teile ich Ihre Wertung zur Rolle der militärischen Flugsicherung, wie in Ihrer Frage angedeutet, nicht.
Herr Weiss, eine Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, wie bewerten Sie dann die Tatsache, daß das Sobernheimer Flugsicherungskonzept am Flughafen Düsseldorf bereits am 6. März 1987 durch Befehl eingeführt worden ist — es ist allerdings zwei Tage später wieder zurückgenommen worden — , obwohl zu dem Zeitpunkt die Ergebnisse der Feldversuche offensichtlich noch nicht vorgelegen haben?
Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, das lag am konkreten Versuch. Was Sie jetzt erfragen, geht generell in die Richtung, ob diese zivil-militärische Zusammenarbeit sinnvoll ist oder nicht. Ich schlage vor, daß wir dies alles im Ausschuß behandeln; gegebenenfalls können wir das im Plenum fortsetzen. Das, was Sie gerade erfragt haben, geht jedoch weit über Ihre ursprüngliche Frage hinaus. Ich bitte um Verständnis.
Sie haben noch eine weitere Frage, Herr Weiss.
Bis wann wird denn dieser Bericht auf unserem Schreibtisch liegen, Herr Staatssekretär?
Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Ich habe gerade gesagt, daß der Bericht zum 1. Dezember 1987 angefordert ist. Ich hoffe, daß wir den Termin einhalten können.
— Ich kann es Ihnen im Moment nicht sagen, denn die Sache ist noch nicht ausgewertet.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Lutz, bitte schön.
Herr Staatssekretär, ich habe gerade Ihre Antwort gehört, die Sie vorgelesen haben. Wäre es möglich, daß Sie dem Hause innerhalb von 14 Tagen eine Antwort zu diesem Problem geben, die das Haus verstehen kann?
Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Das ist durchaus denkbar, Herr Kollege.
Ich rufe Frage 38 des Abgeordneten Pauli auf:
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Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 32. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Oktober 1987 2133
Vizepräsident WestphalIst die Bundesregierung bereit, angesichts des zunehmenden Straßenverkehrs und sich in letzter Zeit häufender LKW-Unfälle, insbesondere bei Gefahrguttransporten, Maßnahmen mit dem Ziel zu ergreifen, daß Tempo 80 für LKW durch grundsätzlich regelmäßige Tachoscheibenkontrollen bei manipulationssicheren Fahrtenschreibern tatsächlich eingehalten wird?Bitte schön, Herr Staatssekretär.Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, auch die Bundesregierung ist der Auffassung, daß die Einhaltung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von Lkw ständig kontrolliert werden muß. Zuständig dafür sind allerdings die Länder.Daneben werden die von Lkw gefahrenen Geschwindigkeiten bei Straßen- und Betriebskontrollen von der Bundesanstalt für den Güterfernverkehr sowie von den Gewerbeaufsichtsämtern und den Polizeien der Länder an Hand der Schaublätter der Fahrtenschreiber überprüft.Die Hersteller haben inzwischen Fahrtenschreiber — EG-Kontrollgeräte — entwickelt, die Manipulationen insbesondere der Schaublätter erheblich erschweren, so daß sich Überschreitungen der zulässigen Höchstgeschwindigkeit zweifelsfrei erfassen lassen.
Zusatzfrage, Herr Pauli.
Ich möchte Sie fragen, wie die Bundesregierung den Vorschlag der Gewerkschaft der Polizei beurteilt, die Fahrtenschreiber an der Grenze kontrollieren zu lassen.
Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, Sie wissen, daß die Bundesregierung dafür nicht verantwortlich ist. Wir bemühen uns aber, die Kontrollen in Zusammenarbeit mit den Ländern zu verbessern; dazu hat es bereits Konferenzen gegeben. Im November wird eine weitere Tagung des Gefahrgutbeirates stattfinden. Auf dieser Tagung werden wir ganz konkrete Vorschläge vorlegen. Es werden Vorschläge sein, zu denen Sie als Mitglied des Verkehrsausschusses ebenfalls Stellung nehmen können.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Pauli.
Herr Staatssekretär, es ist sicherlich . auch der Bundesregierung bekannt — das entnehme ich Ihren zuletzt gemachten Ausführungen — , daß sich die Lkw-Fahrer andererseits — ich wäre dankbar, wenn das mit einbezogen würde — über CB-Funk gegenseitig auf die polizeilichen Kontrollstellen aufmerksam machen und so die Wirksamkeit der Kontrollstellen beeinträchtigen. Sieht die Bundesregierung Möglichkeiten, andere, d. h. wirksamere Kontrollen zu schaffen, und ist sie bereit, diese Kontrollmöglichkeiten zur Verbesserung der Verkehrssicherheit auf unseren Straßen sofort zu verwirklichen?
Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, der Einsatz technischer Mittel wird Teil des Gesamtpakets sein, das wir vorlegen werden.
Ich rufe Frage 39 des Abgeordneten Pauli auf:
Ist die Bundesregierung bereit, § 7 der Gefahrgutverordnung Straße dahingehend zu ändern, daß alle Transportgüter, von denen unmittelbar Gefahren für Mensch und Umwelt ausgehen, grundsätzlich nur noch mit der Deutschen Bundesbahn oder auf der Wasserstraße befördert werden dürfen?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, bestimmte, extrem gefährliche Güter dürfen nach § 7 der Gefahrgutverordnung Straßen von bestimmten Mengen an auf der Straße nur mit schriftlicher Erlaubnis der zuständigen Straßenverkehrsbehörde befördert werden. Die Erlaubnis darf nicht erteilt werden, wenn Absender und Empfänger einen Gleis- oder Hafenanschluß besitzen.
Durch die voraussichtlich am 1. Januar 1988 in Kraft tretende 1. Straßen-Gefahrgutänderungsverordnung werden 40 weitere extrem gefährliche Stoffe dem § 7 der Gefahrgutverordnung Straße unterworfen. Außerdem sollen solche Stoffe verstärkt auf den kombinierten Verkehr verwiesen werden.
Darüber hinaus wird untersucht, ob die Beförderung entzündbarer Flüssigkeiten mit einem Flammpunkt unter 21° C — z. B. Benzin — im Straßengüterfernverkehr nur dann zugelassen werden soll, wenn beim Absender und Empfänger kein Gleis- oder Hafenanschluß vorhanden ist.
Der Gefahrgut-Verkehrsbeirat hält es allerdings für notwendig, zunächst die tatsächlichen Verkehrsströme statistisch zu erfassen. Auf der Grundlage dieser Verkehrsstromanalysen soll auf der nächsten Sitzung des Beirats am 26. November 1987 die Frage der Verlagerung derartiger Transporte möglichst abschließend behandelt werden. Hingegen scheidet die Verlagerung des Verteilerverkehrs im Nahbereich von der Straße auf die Schiene oder die Binnenschifffahrt aus.
Keine Zusatzfragen.Da die beiden weiteren Fragen 40 und 41 des Abgeordneten Hinsken schriftlich beantwortet werden sollen — die Antworten werden als Anlagen abgedruckt — , rufe ich die Frage 42 des Abgeordneten Dr. Uelhoff auf:Da ein rechtskräftiger Planfeststellungsbeschluß für die Verbesserung der derzeit absolut unzulänglichen, überregionalen Verkehrsanbindung der Südwestpfalz an den Rheingraben und nach Süddeutschland erst in ein paar Jahren zu erwarten ist, frage ich die Bundesregierung, welche Chancen sie sieht, kurzfristig zusätzlich die B 10 und die B 270 (zwischen Pirmasens und Kaiserslautern) dreispurig auszubauen?Bitte schön, Herr Staatssekretär.Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, der Deutsche Bundestag hat mit dem Beschluß zum Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen festgelegt, daß an Stelle der früher vorgesehenen Autobahnplanung durch den Pfälzer Wald nunmehr in einem Nordkorridor die B 10 zwischen Pirmasens und Landau und in einem Südkorridor die B 427 zwischen Pirmasens und Kandel verkehrsgerecht und ohne Ortsdurchfahrten ausgebaut werden sollen.Alle Vorhaben werden derzeit unabhängig von ihrer Bedarfsplaneinstufung vorrangig geplant, Maß-
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2134 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 32. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Oktober 1987
Parl. Staatssekretär Dr. Schultenahmen im Zuge der B10 sind zum Teil bereits im Bau.Gleichzeitig laufen zur Zeit für die Autobahn A 62 zwischen Pirmasens und Landstuhl, also bis zur A 6, die Bauarbeiten. Mit der Fertigstellung wird 1990 gerechnet.Unabhängig von der im Bedarfsplan festgelegten Konzeption ist die Bundesregierung aber auch der Auffassung, daß möglichst kurzfristige Verbesserungen des Verkehrsablaufs auf der B 10 und der B 270 realisiert werden sollten. Im Einvernehmen mit der Auftragsverwaltung werden daher zur Zeit abschnittsweise weitere Zusatzfahrstreifen im Zuge der B 10 zwischen Pirmasens und Wilgartswiesen und der B 270 zwischen Pirmasens und Kaiserslautern geplant.
Zusatzfrage, Herr Dr. Uelhoff.
Herr Staatssekretär Schulte, können Sie einen Überblick über die Kosten der von Ihnen soeben genannten Maßnahmen geben und — wie ich hoffe — auch versichern, daß diese zusätzlichen Baumaßnahmen an der B 10 und B 270 nicht an weiteren Kosten scheitern?
Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, wir sind gemeinsam Sachwalter der Gelder der Steuerzahler. Ich sehe aber im Augenblick in diesem Bereich keine finanziellen Probleme, die über das Übliche hinausgehen. Was die geschätzten Kosten für die Strecke zwischen Pirmasens und Landau bzw. Kandel angeht, sind noch Straßenbauvorhaben mit einem Gesamtbetrag von ca. 800 Millionen DM vorgesehen.
Ich rufe jetzt die Frage 43 auf :
Wann sind nach Meinung der Bundesregierung die technischen Voraussetzungen und wann die rechtlichen Voraussetzungen (Planfeststellung) für diese zusätzlichen Baumaßnahmen abgeschlossen?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, auch für den Bau von Zusatzfahrstreifen sind Planfeststellungsverfahren durchzuführen. Entsprechende Planungsaufträge, die in der Regel auch landespflegerische Untersuchungen erfordern, sind bereits vergeben. Nach Fertigstellung der notwendigen Entwurfunterlagen — voraussichtlich im kommenden Jahr —werden anschließend die ersten Planfeststellungsverfahren eingeleitet werden können.
Keine Zusatzfragen.
Dann sind wir am Ende dieses Geschäftsbereiches. Ich danke dem Staatssekretär für die Beantwortung der Fragen.
Den Geschäftsbereich des Bundesministers für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit brauche ich nicht aufzurufen, weil die Fragen 44 und 45 des Abgeordneten Dr. Daniels vom Fragesteller zurückgezogen wurden und die Frage 46 des Abgeordneten Stiegler schriftlich beantwortet werden soll. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Das gleiche gilt für den Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern, weil die Fragen 47 und 48 des Abgeordneten Wüppesahl wegen Nr. 2 Abs. 2 der Richtlinien schriftlich beantwortet werden und die Fragen 49 und 50 des Abgeordneten Becker auf Wunsch des Fragestellers ebenfalls schriftlich beantwortet werden. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Damit sind wir am Ende der heutigen Fragestunde. Das kommt vor Ablauf der geplanten Zeit selten vor.
Es liegt aber noch der Wunsch des Abgeordneten Weiss nach einer Erklärung nach § 32 der Geschäftsordnung, also Erklärung außerhalb der Tagesordnung, vor. Bitte schön.
Ich möchte angesichts der Tatsache, daß mir in der Fragestunde unterstellt worden ist, ich hätte zusammen mit meinem Kollegen Dr. Daniels gewaltsame Rechtsbrüche im Rahmen der Demonstration gegen die Wiederaufbereitungsanlage Wackersdorf am 10. Oktober 1987 begangen, diese Vorwürfe auf das Entschiedenste zurückweisen. Ich möchte ausdrücklich betonen, daß wir uns nur an gewaltfreien Aktionen beteiligt haben, die ich nach wie vor für legitim halte, um deutlich zu machen, daß wir das Projekt WAA ablehnen.
An gewalttätigen Auseinandersetzungen haben wir uns nicht beteiligt und werden wir uns auch nicht beteiligen.
Mit gewalttätigen Handlungen, mit menschenverletzenden Handlungen, also solchen Handlungen, derentwegen die Staatsanwaltschaft Amberg gegen Polizeibeamte ermittelt und wie sie Gegenstand der Fragestunde waren, haben wir nichts zu tun.
Ich unterbreche die Sitzung bis 14.30 Uhr. Wir beginnen dann mit der Aktuellen Stunde.
Ich wäre den Geschäftsführern dankbar, wenn sie das mit den Rednern rechtzeitig vorbereiten würden.
Die Sitzung ist unterbrochen.
Ich eröffne die unterbrochene Sitzung wieder und rufe den Zusatztagesordnungspunkt 1 auf:
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Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 32. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Oktober 1987 2135
Vizepräsident WestphalAktuelle StundeJüngste Terrorismusdiskussion in der Bundesrepublik Deutschland.Meine Damen und Herren, die Fraktion der CDU/ CSU hat gemäß Anlage 5 Nr. 1 Buchstabe c unserer Geschäftsordnung diese Aktuelle Stunde zu dem genannten Thema beantragt.Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Miltner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn in der Bundesrepublik Deutschland eine im Parlament vertretene Partei durch ihre Sprecherin im Bundesvorstand erklären läßt — ich zitiere —Dieser Staat brauchte und braucht wieder fast nichts so sehnsüchtig wie den „Tenor", den Schrecken —
so ist dies der ungeheuerliche Versuch der Rechtfertigung von Mord und anderen Kapitalverbrechen.
Zum erstenmal in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland macht sich eine Partei offen zur Sprecherin von Kapitalverbrechern.
Wer im Hinblick auf die brutale, menschenverachtende Ermordung Unschuldiger lediglich von einem falschen politischen Weg redet, wer andererseits sagt, dieser freiheitlich-demokratische Rechtsstaat brauche den Terror, der sagt nichts anderes als im Grunde: Ihr Terroristen habt ja recht.
Wenn Staat und Gesellschaft auf Grund der klaren Mehrheitsentscheidungen der Bürger nicht anders zu verändern sind, so muß man ihn halt kaputtbomben; das ist doch die Konsequenz aus dieser Aussage.
Die heutige Debatte ist notwendig. Die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes müssen wissen, wer hinter dieser angeblich menschenfreundlichen Partei der GRÜNEN steckt. Ich zitiere die „Kölnische Rundschau" vom 8. Oktober 1987:Wer Gewalt gegen eine freiheitliche, demokratische Gesellschaft rechtfertigt, die von der überwältigenden Mehrheit der Menschen in diesem Lande getragen wird,
wer Gewalt zum legitimen Mittel politischer Opposition erklärt, unterscheidet sich wenig bis garnicht von denen, die vor 60 Jahren die Beseitigung der ersten deutschen Demokratie und die NS-Gewaltherrschaft vorbereitet haben . . .
Wie lange lassen sich die Einsichtigen und Anständigen in der grünen Partei solch hirnlosen Wahnwitz noch gefallen.— Ende des Zitats.
Niemand in der Bundesrepublik Deutschland soll sich herausreden können, er habe nicht gewußt, wer sich in der Gestalt der GRÜNEN zur Wahl stellt.
Jeder bisher gutgläubige und engagierte Umweltschützer muß wissen, woran er sich beteiligt, wenn er die Partei der GRÜNEN unterstützt.
Die Entgleisungen von Frau Ditfurth sind keine Einzeltat. Im übrigen darf ich feststellen, daß im Pressedienst der GRÜNEN ausdrücklich hervorgehoben worden ist, daß sich der Bundeshauptausschuß und der Bundesvorstand von den Äußerungen von Frau Ditfurth nicht distanziert haben.
— Na, dann kommen Sie doch her, und sagen Sie etwas anderes als das, was Sie im Pressedienst ausdrücklich erklärt haben!
— Nein, ich kann schon lesen. Ich kann es Ihnen zitieren.Die GRÜNE Abgeordnete Frau Vollmer spricht in einem Thesenpapier vom 13. Oktober im Hinblick auf die Morde der RAF-Bande im Jahre 1977 und die rechtsstaatliche Aburteilung der Täter verharmlosend vom „deutschen Herbst" und bezeichnet ihn als einen „Testfall für die Bewährung der demokratischen Widerstandskraft
und der Konfliktfähigkeit der bundesrepublikanischen Gesellschaft, der im wesentlichen nicht bestanden worden ist".Dieser Zynismus wird auf die Spitze getrieben, wenn Frau Vollmer im gleichen Papier die Rekrutierung einer zweiten und dritten Generation von RAF-Mitgliedern auf die Haftbedingungen der ersten Generation zurückführt.
Wer so redet wie Frau Ditfurth und Frau Vollmer, der bereitet in Wahrheit den geistigen Nährboden für immer neue Terroristen vor.
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2136 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 32. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Oktober 1987
Dr. MiltnerDie demokratischen staatstragenden Parteien sind aufgerufen, allen Bürgern dieses Landes klarzumachen, daß es nicht den geringsten Anlaß gibt, diesen freiheitlichsten Staat, den es je auf deutschem Boden gegeben hat, zu bekämpfen, sondern daß alle Bürger aufgerufen sind, ihn gegen menschenverachtende Ideologien und Terrorismus zu verteidigen.
Jedermann und jede gesellschaftliche Gruppe und jede Partei haben das Recht bei uns,
mit friedlichen Mitteln auf eine Änderung von Staat und Gesellschaft hinzuwirken.
Wer Veränderungen will, muß dies mit demokratischen Mitteln zu erreichen suchen.
Er muß sich dem Bürger stellen und um die Mehrheiten werben.Als demokratische Politiker, die auf das Grundgesetz verpflichtet sind, haben wir den freiheitlich-demokratischen Rechtsstaat gegen die terroristische Herausforderung und ihre geistige Unterstützung entschlossen zu verteidigen.
Wir, die Union, .. .
Herr Abgeordneter!
... werden diese Aufgabe auch in der Zukunft — vielleicht auch gegen Ihren Widerstand — wahrnehmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Nöbel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mord bleibt Mord, ob terroristischer oder Mord aus anderen Motiven.Dennoch, wie unser Bundespräsident sagte — Herr Baum hat es ebenfalls schon zitiert —:
Wichtiger als die Lehre vom Tätertyp ist die Einmaligkeit jeder Person. Jede, auch die, deren Taten die Gesellschaft besonders zu fürchten hat, hat die Chance auf neue Einsicht und den Anspruch auf unsere Aufmerksamkeit und unsere Hilfe.
Das gilt im übrigen auch für terroristische Straftäter. Nichts anderes hat auch unser Fraktionsvorsitzender und Parteivorsitzender Hans-Jochen Vogel gestern gemeint.Aber die Behauptung der Sprecherin im Bundesvorstand der GRÜNEN „Dieser Staat brauchte und braucht wieder fast nichts so sehnsüchtig wie den Terror" ist Ausdruck einer entsetzlichen geistigen und politischen Verwirrung.
Was muß denn im Kopf dieser Dame und ihrer Anhänger vorgehen, um zu einer so absurden Analyse und Schlußfolgerung zu kommen? Es ist fast wortwörtlich die Sprache der Terroristen von damals.
Wir Sozialdemokraten empfinden Abscheu, Abscheu deshalb, weil diese Dame behauptet, die politisch Verantwortlichen in Bund und Ländern hätten in der Vergangenheit wie in der Gegenwart die Opfer unmenschlicher Terroranschläge in Kauf genommen, um von der „eigenen", wie sie sagt, „tagtäglichen Gewalt abzulenken". Die SPD hat nie einen Zweifel daran gelassen und in den 13 Jahren ihrer Regierungsverantwortung in Bonn und darüber hinaus bis auf den heutigen Tag in vielen Bundesländern bewiesen, daß sie die Herausforderung des Terrorismus mit allen rechtsstaatlichen Mitteln abwehren wird. Die SPD hat dafür gesorgt, daß unsere Rechtsordnung an die Bedürfnisse angepaßt wurde. Wir waren und sind der Auffassung, daß alle gesetzlichen Möglichkeiten voll angewendet werden müssen. Wir haben aber auch der Gefahr widerstanden, den Terrorismus durch ein Übermaß an Aktivitäten und Aktionismus bekämpfen zu wollen.
Wir Abgeordneten sind Treuhänder der Bundesrepublik Deutschland.Die Fraktion DIE GRÜNEN wäre verpflichtet, sich in ihrer Gesamtheit von der Aufforderung ihrer Bundessprecherin und deren Billigung durch Bundeshauptausschuß und Bundesvorstand der GRÜNEN hier zu distanzieren.
Dieses Haus darf nie ein Tummelplatz werden, auf dem die einen für und die anderen wider das Grundgesetz spielen. Wir sind die Legislative; was auch bedeutet, Gesetzlosigkeit zu verhindern; was mit Sicherheit verbietet, Gesetzlosigkeit auch noch zu fördern.In was für einem Zustand muß sich die Partei der GRÜNEN befinden, wenn ihre Sprecherin im Bundesvorstand entschuldigende, beinahe verständnisvolle Worte für die Terroristen und ihre Helfershelfer findet, aber kein einziges Wort des Gedenkens und der Trauer für die vielen unschuldigen Opfer!
Die terroristischen Gewalttäter von damals und heute sind durch die Gerichte zur Rechenschaft gezogen worden. Wenn sie überhaupt noch etwas zu erwarten haben, könnten dies höchstens Gnade und Vergebung sein.Freiheit braucht ihr Recht und ihre Fähigkeit, sich gegen die durchzusetzen, die für sich die schranken-
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Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 32. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Oktober 1987 2137
Dr. Nöbellose Freiheit fordern, sie den anderen aber streitig machen. Das demokratische Recht fordert die Humanisierung der Politik, das Faustrecht der Gewalt zerschlägt unser Staatswesen. Ich sage: Wäre der Tenorismus — Terrorismus in seiner vielfältigen Erscheinung — tot, in Deutschland und in der ganzen Welt, so hätte die Freiheit, die doch unser hohes Gut und großes Ziel ist, ein für allemal gewonnen.
Das Wort hat der Abgeordnete Baum.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es wäre mir eigentlich lieber gewesen, wenn zunächst ein Vertreter oder eine Vertreterin Ihrer Fraktion gesprochen hätte.
Denn ich möchte jetzt gern etwas dazu hören.
Sie sind ja schließlich der Adressat dieser Aktuellen Stunde.
Auch für mich möchte ich mit allem Nachdruck sagen: Wir reden hier über schwere Rechtsbrüche. Terrorismus heißt Mord. Für solche Rechtsbrüche gibt es überhaupt keine Rechtfertigung, hat es nie eine Rechtfertigung gegeben. Für so etwas ist keine politische Rechtfertigung denkbar. Diese schweren Straftaten müssen geahndet werden. Wir haben allen Anlaß, uns heute an einem Jahrestag, zehn Jahre nach schweren Taten, an die Opfer zu erinnern.Also, diese unsäglichen Äußerungen Ihrer Sprecherin müssen Sie hier — dazu kann ich Sie nur dringend auffordern — kommentieren, Sie müssen dazu Stellung nehmen. Es ist eine Perversion des Gewaltbegriffs:
Frau Ditfurth verniedlicht, verharmlost die Gewalt, fern jeglicher Rechtsstaatlichkeit, und versucht, eine Amnestieforderung, also im Grunde eine Nichtausgrenzung von Terroristen, die ihre Strafe verbüßt haben und einsichtig sind, mit der Forderung nach neuen Rechtsbrüchen zu verbinden. Das ist wirklich eine unsägliche Perversion. Wie sollen wir denn zum Rechtsfrieden in dieser Gesellschaft kommen? Ich strebe ihn ja auch gegenüber denen an, die gefehlt haben. Ich möchte, daß der Staat seine Hand zur Aussöhnung reicht. Aber das kann ich doch nicht auf der Grundlage der Rechtfertigung dieser Taten oder gar auf der Grundlage der Aufforderung zu neuen Taten machen.
Der Terrorismus ist doch keineswegs bekämpft. Gewalt in dieser Gesellschaft ist ein Phänomen, mit dem wir uns alle auseinandersetzen müssen. Wir müssen uns mit den Ursachen der Gewalt argumentativ auseinandersetzen. Wir bemühen uns darum, viele in dieser Gesellschaft bemühen sich darum. Und dies wird durch solche wirklich unsäglichen Äußerungen verschüttet.Sie haben den Bundespräsidenten zitiert. Wir sind in einer Debatte: Amnestie oder Gnade. Ich habe mich immer dafür eingesetzt, daß wir Menschen, die gefehlt haben, die einsichtig sind, die ihre Strafe verbüßt haben, nicht ausgrenzen. Ich habe mich immer dafür eingesetzt, daß wir den Dialog führen. Ich finde es bewundernswert, wie die Brüder von Braunmühl an die Mörder ihres Bruders geschrieben haben, weil sie sie argumentativ stellen wollen,
weil sie sich mit Polizei und Justiz nicht zufriedengeben. Dies alles ist ein viel zu ernsthafter, schwieriger Prozeß, als daß wir ihn hier durch solche Äußerungen stören lassen können.Wirklich: Sie klinken sich aus einem demokratischen Grundkonsens aus, wenn Sie als GRÜNE hier nun nicht sagen, daß das auf keinen Fall Ihre Meinung sein kann.Der Terrorismus ist kein abgeschlossenes Phänomen. Es kann keine Amnestie geben. Der Rechtsfrieden wird durch eine Amnestie nicht hergestellt. Ich meine, wir sollten die Position auch anderer, die einmal bei einer anderen Amnestie eine sehr klare Meinung gehabt haben, hier jetzt nicht vergessen. Wir können hier nicht pauschal eine Amnestie gegenüber Terroristen aussprechen. Aber wir können von den Gnadenmöglichkeiten Gebrauch machen: Strafaussetzung zur Bewährung, Erleichterung von Haftbedingungen. Das sollten wir auch tun. Hier folge ich dem Bundespräsidenten, und ich erwarte das auch von den Landesjustizverwaltungen, und zwar unter den Voraussetzungen, die hier genannt worden sind.Wir müssen versuchen, auch diesen Menschen den Weg in die Gesellschaft zurückzuweisen. Der Fall Jüntschke, der Fall Boock ist erwähnt worden. Alles dies ist wichtig, ist wichtig für die einzelnen Personen, die betroffen sind, ist aber auch wichtig für die Terrorismusbekämpfung. Wir können ja kein Interesse daran haben, daß der Terrorismus neue Sympathisanten rekrutiert.
Also, dies ist nur auf der Grundlage möglich, daß wir in diesem Hause einen demokratischen Grundkonsens über Gewalt und Recht behalten. Bitte, klinken Sie sich daraus nicht aus! Frau Ditfurth hat sich aus diesem Konsens verabschiedet.
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2138 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 32. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Oktober 1987
Das Wort hat die Abgeordnete Frau Nickels.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren von der Koalition! Ihr Feldgeschrei, meine Damen und Herren von den Koalitionsfraktionen, kennen wir schon. Das klingt uns in den Ohren, seitdem es DIE GRÜNEN gibt. Noch mehr klingt es auch mir in den Ohren; ich war Parlamentarische Geschäftsführerin in der Zeit von 1984 bis 1985. Diese ehrabschneidende und verfälschende Art und Weise, sich über DIE GRÜNEN auszulassen, kennen wir sattsam und zur Genüge.
Es geht Ihnen nicht darum, sich ernstlich um die GRÜNEN oder um die Demokratie zu sorgen, Sie wollen damit etwas ganz anderes erreichen: Sie wollen damit erreichen, DIE GRÜNEN aus diesem Parlament herauszukatapultieren. Sie wollen das, weil wir Ihnen lästig sind; denn wir stellen hier im Parlament die bohrenden Fragen, wir setzen die abgesetzten Themen auf die Tagesordnung, wir leuchten die dunklen Ekken dieser Demokratie aus
und wir putzen die alten Utopien dieses Grundgesetzes wieder blank.
Ihnen paßt das nicht; wir sind Ihnen lästig. Um uns hier herauszukriegen, um Ihre Ruhe wiederzubekommen, sind Ihnen sehr viele Mittel recht.
Ich erinnere an Ihren Wahlkampf, den Sie in Schleswig-Holstein getrieben haben. Ich will Ihnen sagen: Der Schuh, den Sie uns anziehen wollen, paßt uns nicht.
Die GRÜNEN sind die erste, die allererste Partei in der Bundesrepublik Deutschland, für die Gewaltfreiheit eines ihrer Grundprinzipien ist.
Jutta Ditfurth, die eine unserer Sprecherinnen ist, hat gestern in der Fraktionssitzung gesagt — da sind wir uns als GRÜNE alle einig — , daß selbstverständliche Grundlage für alle GRÜNEN ist, daß Anschläge und Morde von uns zutiefst geächtet werden.
Als zweites will ich Ihnen sagen, daß wir GRÜNEN die erste Partei in diesem Land sind mit einem wirklich antimilitaristischen, gewaltfreien Ansatz.
Damit sind wir eine direkte Antwort auf den Irrweg des Terrorismus, der glaubte, mit Gewalt eine bessere Gesellschaft erzwingen zu können.
Trotz aller Torheiten und Dummheiten, die es auch bei uns GRÜNEN gibt — Sie, meine Damen und Herren, haben keinen Grund zur Häme; gucken Sie sich das Desaster in Schleswig-Holstein an, das gibt es auch bei Ihnen — , macht die Tatsache, daß wir als GRÜNE die direkte Antwort auf solch einen Irrweg sind, die Ermutigung und die Hoffnung aus, die immer noch von uns ausgeht: Die Tatsache nämlich, daß es die GRÜNEN hier gibt, ist ein lebendiger Beweis dafür, daß es möglich ist, positiv aus der Geschichte zu lernen.
Ich frage mich natürlich, warum Ihre Fraktion ausgerechnet nach einer Fraktionssitzung der GRÜNEN, deren Anlaß die schlimmen Ereignisse vor zehn Jahren waren, dieses Thema auf die Tagesordnung gesetzt hat. Die Ereignisse von damals wirken bis heute fort, auch die Trauer um die Ermordung von HannsMartin Schleyer und seiner Begleiter Heinz Marcisz, Reinhard Brändle, Roland Pieler und Helmut Ulmer. Aber auch die Trauer über den Tod von Gudrun Ensslin, Andreas Bader und Jan-Carl Raspe. Ohne ein Jota von deren unbestreitbarer persönlicher Verantwortung für ihr Handeln wegnehmen zu wollen: Sie wurden nicht als Terroristen geboren, sie waren keine Monster, sondern denkende und fühlende menschliche Wesen.
Wir haben diese Fraktionssitzung veranstaltet, um uns den bohrenden Fragen zu stellen und um genau hinzusehen, wie so etwas Schreckliches passieren konnte. Die Fraktionssitzung hatte auch zum Inhalt, Lehren aus der Geschichte zu ziehen, um etwas nach vorne zu wenden.
— Hören Sie mit Ihrem Feldgeschrei auf; das ist überholt. Wann wollen Sie endlich damit aufhören und anfangen, eine Debatte zu führen, die wirklich Not wenden würde — im buchstäblichen Sinne des Wortes? Wollen Sie das weiter von Ihrer Seite aus Herrn Rommel und unserem Präsidenten, Herrn von Weizsäcker, überlassen? Aus der Verantwortung, die Sie hier als große Volkspartei haben, kann und wird Sie niemand entlassen. Fangen Sie endlich mit einer der Schwere dieser Frage angemessenen Debatte an!
Das Wort hat die Abgeordnete Frau Limbach.
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Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 32. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Oktober 1987 2139
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es sind in der Tat unverantwortliche Äußerungen der Vorstandssprecherin der GRÜNEN gefallen. Sie sind vom Bundesausschuß ihrer Partei laut ihres eigenen Presseberichtes vom 12. Oktober — Frau Moßmann hat das bekanntgegeben — nicht zurückgewiesen worden. Ich bin tief enttäuscht, daß auch hier die Sprecherin der GRÜNEN sich von diesen Äußerungen nicht distanziert hat.
Dies ist jetzt die Gelegenheit, einmal zu fragen, gegen wen sich denn der Terrorismus und seine Anhängerschaft wenden, gegen wen sie sich richten. Zunächst einmal gegen Menschen, weil sie vor Geiselnahme und Mord nicht zurückschrecken. Aber sie richten sich auch gegen unseren Staat. Da darf man einmal fragen: Wie sieht denn unser Staat aus?
Wir haben mit dem Grundgesetz der Bundesrepublik eine Verfassung, die die Grundrechte sowie den demokratischen und sozialen Rechtsstaat sichert und die die Gesetzgebung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung an die Verfassung bzw. an die Gesetze bindet. Wir wissen auch, daß diese Grundentscheidung unveränderbar ist. Man muß sich doch fragen: Gegen wen richtet sich der Terrorismus? Gegen die Sicherung und Wahrung der Menschenwürde, gegen Gleichheit vor dem Gesetz, gegen Glaubens- und Gewissensfreiheit? Um aktuell zu werden: gegen Versammlungsfreiheit, allerdings friedlich und ohne Waffen, wie es im Grundgesetz steht? Gegen 40 Jahre friedenserhaltender Politik, gegen unsere Bemühungen um die Verfestigung und den Ausbau des Sozialstaats?
Wogegen denn? Gegen die Bürger dieses Staates, die in diesem Staat leben und arbeiten wollen. Natürlich bedeutet das Grundgesetz nicht, daß wir nun plötzlich vollkommene Menschen geworden wären, daß es kein Unrecht, keine Unzulänglichkeiten, keine Fehler und Dummheiten mehr gäbe. Aber wir haben eben Instrumente, die es uns ermöglichen, gegen Unrecht, für Veränderungen, gegen Irrtum und für Verbesserungen einzutreten — ohne Gewalt. Es bedarf nicht der Gewalt.
Wir können zum Bewahren des als gut Erkannten, zum Weiterentwickeln des Unvollkommenen und zum Ändern des Fehlerhaften in gegenseitiger Achtung und Toleranz uns der dafür vorhandenen Regeln des Zusammenlebens bedienen. Wer diese Regeln verletzt, verletzt den Rechtsfrieden, und das ist zutiefst unmenschlich und einer entwickelten Gesellschaft unwürdig.
Natürlich gibt es unterschiedliche politische Meinungen, unterschiedliche Lösungsvorschläge. Darum muß auch gestritten werden. Aber entschieden wird in unserer Demokratie — und das ist auch nötig, weil es eine repräsentative Demokratie sein muß und eine direkte Demokratie allein schon wegen der Zahl nicht zustande kommt — per Mehrheit, und zwar mit einer Mehrheit, die zunächst in Wahlen und dann im Parlament gefunden wird.
Dieser Mehrheit muß sich die Minderheit aber auch beugen. Sie muß sich hier beugen, um den Rechtsfrieden zu sichern. Es gehört eben zu den demokratischen Tugenden, zu ertragen, daß man in der Minderheit ist, auch dann, wenn man vielleicht selbst meint, man habe recht. Es gehört vielleicht zu den demokratischen Tugenden, mit allen Überzeugungskräften dafür zu werben, daß die eigene Meinung mehrheitsfähig wird.
So kann es eben kein Widerstandsrecht gegen demokratisch zustande gekommene Entscheidungen geben. Ein solcher Anspruch von selbsternannten Eliten von Besserwissern vergewaltigt die Mehrheit, schränkt den Gestaltungsraum der Politik ein und zerstört die friedensliftende Kraft des Gesetzes.
Meine Damen und Herren, wir wollen und wir werden Konflikte friedlich austragen. Wir suchen die Auseinandersetzung um den besten Weg, aber mit der Kraft der Argumente und der Kraft der Überzeugung und nicht mit Gewalt. Für Terrorismus ist in unserer Gesellschaft kein Platz.
Das Wort hat der Abgeordnete Duve.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich mit einer Passage aus dem schon zitierten Brief der Brüder von Gerold von Braunmühl anfangen:Ihr setzt die mörderische Tradition derer fort, die sich für Auserwählte der Wahrheit halten, in deren Namen sie die schlimmsten Verbrechen begehen. Ihr seid auf dem schlechtesten Weg . . . Einer menschenwürdigen Welt werdet Ihr uns mit Euren Morden kein Stück näherbringen.Meine Damen und Herren, von 1933 bis 1945 sind die Deutschen in ihrer Mehrheit den Befehlen einer kriminellen und terroristischen Vereinigung gefolgt, die sich des Staates bemächtigt hatte. Millionen von Menschen waren Mitglieder oder Unterstutzer dieser kriminellen Vereinigung namens NSDAP. Uns wird von führender Unionsseite manchmal gesagt, das Ende der Scham über diese terroristische Vereinigung sei angebrochen. Ich teile diese Meinung nicht: die Scham dauert an.
Nach 1945 haben kaum je ehemalige Mitglieder der NSDAP genaue und präzise Eingeständnisse der Schuld oder der Mitwirkung abgegeben. Im Gegenteil. Meine Generation ist Zeuge einer beschämenden Periode des Versteckspielens der heuchelnden Entschuldung gewesen.
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2140 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 32. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Oktober 1987
DuveAus dem Kreis der RAF-Täter liegt schon heute mehr selbstkritische und sich selbst bezichtigende Literatur vor als aus dem Millionenheer der ehemaligen NSDAP-Angehörigen.
Ohne diesen Hintergrund ist die RAF-Diskussion nicht zu verstehen. Und vor diesem Hintergrund muß ich Frau Ditfurth fragen: Ist denn die Scham über heimtückische, gestapohafte Genickschußmorde der RAF schon zu Ende? Was an von Braunmühl, an Bekkurts, an Dr. Zimmermann begangen wurde, das war nicht nur sinnlos, es war auch heimtückische Brutalität.
Der Familie von Braunmühl sind wir alle verpflichtet. Sie hat als erste das Signal zum Dialog gegeben. Sie hat in Offenen Briefen versucht zu verstehen, was die Täter treibt, wer die Täter sind. Viele Antworten auf ihren Offenen Brief in der TAZ waren beschämend, kalt, selbstgerecht und zynisch. Zwischen der übersteigerten Selbstgerechtigkeit der Weltretter und auch häufig von Moralisten und dem Zynismus des Menschenverächters ist häufig nur ein sehr, sehr schmaler Graben. Unsere Welt mit ihren globalen Bedrohungen bietet ein ganzes Arsenal von wohlfeilen Argumenten, um aus dem selbsternannten Moralisten den unbarmherzigen Zyniker zu machen.Ich bin für jede rechtspolitisch mögliche Form der Strafaussetzung oder der Amnestie. Denn das ist doch das Ungereimte an der Position des Generalbundesanwalts und vieler Politiker, auch vieler Kollegen: Während peinlich darauf gedrungen wurde, auch keine Sekunde dem Täter politische Motive zuzubilligen, wurde im Strafmaß, in der Form des Vollzugs und in der allgemeinen öffentlichen Diskussion das Staatspolitikum Terrorismus Tag für Tag, Urteil für Urteil beschrieen.
Ich bin Klaus Bölling für sein ausführliches, sehr nachdenkliches und jedes Wort wägende Interview in der „Tageszeitung" sehr dankbar.
Es wäre gut, Herr Miltner, wenn auch Sie jedes Wort hier heute nachmittag gewogen hätten.
Wenn wir auf diesem Niveau mit den Kollegen von den Christdemokraten, mit den Liberalen über diese Frage diskutieren, dann wäre die Chance einer solchen Diskussion hier heute nachmittag nicht vertan.
Zehn Jahre danach müssen wir einen neuen Anfang machen. Die Familie Braunmühl, Martin Walser, Heinrich Albertz, Heinrich Böll, viele haben den Weg zu diesem Dialog gewiesen. Es ist an uns, ihn zu gehen.Ich danke für die Aufmerksamkeit.
Das Wort hat der Abgeordnete Kalisch.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das einzige in Ihrer Rede, Frau Nickels, dem ich voll zustimmen konnte, war die Passage: Es gibt keinen Grund zur Häme. Das finde ich auch. Es gibt nur Grund zu großer Sorge, wenn die Entwicklung so weitergeht.Die ungeheuerlichen, entlarvenden Äußerungen der Vorstandssprecherin der GRÜNEN, Jutta Ditfurth, muß auch ich aufs schärfste verurteilen. Daß die GRÜNEN aus solchen Äußerungen die Konsequenzen ziehen und sich eindeutig distanzieren, ist wohl nicht zu erwarten. Sie haben in Ihrer Rede einen Beweis dafür abgelegt: Sie haben sich nicht distanziert.Was man in den letzten Wochen zum Thema Terrorismus seitens der GRÜNEN zu hören oder zu lesen bekommen hat, läßt die Äußerung Ihrer Fraktionssprecherin Ditfurth als einen Höhepunkt erscheinen. Tatsächlich ist das aber keine isolierte Meinungsäußerung, sondern basiert auf der vom überwiegenden Teil der GRÜNEN getragenen Grundhaltung zum Terrorismus und zum Umgang mit rechtskräftig verurteilten Terroristen. Mehr und mehr wird deutlich, daß z. B. der Umweltschutz, mit dem Sie einmal angetreten sind, u. a. nur ein Vorwand für eine zielgerichtete politische Ideologie ist,
eine Ideologie, mit der Sie die Entmachtung des Staates anstreben.
Das tritt bei der Haltung Ihrer Partei zum Terrorismus jederzeit ganz deutlich zutage. Da ist beispielsweise nicht nur auf die Briefe der Vorstandssprecherin der GRÜNEN, Antje Vollmer, an verurteilte RAF-Häftlinge vom Januar 1985 hinzuweisen,
sondern auch auf die gestern in der Fraktionssitzung erhobenen Forderungen nach Verzicht auf öffentliche Distanzierungserklärungen verurteilter RAF-Mitglieder und nach Haftentlassung zum frühestmöglichen Zeitpunkt derjenigen, die sich vom Konzept des bewaffneten Kampfes distanziert haben.
Die Terroraktion gegen die Lufthansa-Maschine, die Ermordung des Flugkapitäns Schumann sowie die Ermordung Dr. Schleyers und seiner drei Begleiter als „deutschen Herbst" zu bezeichnen — das wurde schon gesagt — und dazu noch zu heroisieren — , dies zeigt ganz eindeutig, in welche Richtung die führenden Vertreter dieser Fraktion gehen.
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Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 32. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Oktober 1987 2141
KalischBei Erfüllung dieser und weiterer Forderungen würde den RAF-Mitgliedern und anderen politischen Gewalttätern eine Sonderstellung gegenüber anderen Straftätern in unserem Land eingeräumt werden. Warum — das frage ich Sie — sollen sich Justizminister und Generalbundesanwalt ausgerechnet mit politischen Mördern und mit Erpressern und mit Räubern zu einem Dialog treffen?Meine Damen und Herren, was damit bezweckt werden soll, ist ganz offensichtlich. Es soll das Bild in der Öffentlichkeit entstehen, daß der Staat und die Terroristen gleichermaßen die Gewalttaten der letzten 18 Jahre verschuldet haben.
Dieses Bild wird noch zusätzlich — das muß ich bedauern — von Herrn Rechtsanwalt Dr. Vogel, dem ehemaligen Justizminister, mit ähnlichen Konturen versehen.
Die Gefahr terroristischer Anschläge ist nach wie vor keineswegs gebannt — das wissen Sie sehr gut —; im Gegenteil.
— Lassen Sie mich doch ausreden! Sie haben doch auch geredet.
Es sprechen mehrere Anzeichen dafür, daß die RAF und andere Terrororganisationen sich auf neue Aktionen vorbereiten. Die zunehmende Internationalisierung ihrer Ausbildung und Querverbindungen machen ihre rechtzeitige Erkennbarkeit noch schwerer als bisher.Meine Damen und Herren, um so notwendiger ist es, den Anfängen zu wehren. Ich fordere Sie noch einmal auf: Distanzieren Sie sich von der Gewalt! Dann haben wir solche Diskussionen hier im Hause nicht mehr.
Herr Abgeordneter Lutz, „Sie sind auch ein Brandstifter" ist ein Ausdruck, den ich rügen muß. Ich rufe Sie zur Ordnung.
Der nächste Redner ist der Abgeordnete Wartenberg.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Nickels hat gesagt, daß es in diesem Bundestag eine Debatte über die letzten zehn Jahre geben muß, in der aufgearbeitet werden muß, was in dieser Gesellschaft passiert ist. Ich glaube, gerade der letzte Beitrag wurde nicht dem Anspruch gerecht, den man an eine Debatte stellen muß, die versucht, schwierige gesellschaftliche Probleme zu lösen und für die Zukunft vielleicht Schlimmeres zu verhindern.
— Der Gesellschaft einseitig die Schuld zuzuweisen ist bestimmt zu simpel. Menschen haben konkrete Verfehlungen schlimmster Art begangen. Wir als politische Vertreter dieser Gesellschaft sind verpflichtet, darüber nachzudenken, wie wir mit diesen entsetzlichen Ereignissen umgehen und welche politischen Konsequenzen wir daraus ziehen.
Das ist ein ganz wichtiger Punkt.
Wenn wir die Debatte über die Gewalt und über den Terrorismus in unserer Gesellschaft so dringend führen müssen, sollten wir — und das ist wirklich auch an die Fraktion DIE GRÜNEN gerichtet — darüber nachdenken, daß Frau Ditfurth eben nicht nur als irgendeine exzentrische höhere Tochter Äußerungen dazu gemacht hat, sondern als eine Sprecherin der GRÜNEN.
— Ja, gut, das sage auch ich ja gerade.Das ist natürlich ein Problem. Das wissen Sie. — Das Problem, das dabei für mich entsteht, liegt nicht so sehr in Einzelheiten der Bewertung, die ich für fatal halte, die teilweise Sprachregelungen aufnimmt, die von Terroristen selber stammen, sondern darin, daß der Gewaltbegriff, der dort verwandt wird, dazu führt, daß wir zu einer sprachlichen Aufrüstung der Debatte kommen.
Das Problem ist doch, daß Frau Ditfurth im Grunde auch ihren eigenen Anspruch konterkariert, nämlich den, vernünftig zu debattieren, Lehren zu ziehen und für die Zukunft Änderungen zu erreichen.
Ich will es an einem Beispiel sagen: Alle Defizite dieser Gesellschaft werden bei Frau Ditfurth, aber auch bei vielen anderen aus dieser Ecke, pauschal zur strukturellen Gewalt erklärt.Diese Reduzierung führt dazu, daß man nicht mehr unter dem Zwang steht, gesellschaftliche Defizite konkret benennen zu müssen, um dann politische Konzeptionen zu entwickeln und gewaltfrei durchzusetzen.
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2142 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 32. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Oktober 1987
Wartenberg
Das ist das große Problem dieser Begriffswahl.Noch etwas anderes: Diese Begriffswahl, diese Ausweitung des Gewaltbegriffes, führt natürlich dazu, daß die Gegenseite, die konservative Seite, es so unendlich leicht hat, jede Auseinandersetzung mit den Defiziten in aggressiver Form ihrerseits als Gewalt gegen den Staat zu definieren und jegliche gesetzliche Repression dagegen damit zu legitimieren. Das ist das wirklich große Problem.Ich bitte alle, alle, über folgendes nachzudenken: Wer eine Debatte fordert, die die Gewalt in unserer Gesellschaft überwinden will, um diese Gesellschaft friedlich zu gestalten, der muß auch seine eigene Sprache, seine eigenen Diskussionsbeiträge so führen, daß es die Gegenseite nicht so leicht hat, auch wieder aufzurüsten.
Das ist die Dramatik.
Ich muß noch einmal sagen: Man wird ganz deprimiert, wenn man erlebt, wie diese Gewaltdebatte innerhalb unserer Gesellschaft geführt wird.
— Frau Nickels, das ist doch wohl ein ernstes Problem. Ich weiß, daß auch bei Ihnen diese Diskussion geführt wird. Sie wissen doch genau, daß bestimmte Diskussionsbeiträge, die, wie durch Frau Ditfurth ausgedrückt, aus dieser Ecke kommen, das Problem nicht leichter machen, sondern die Polarisierung wieder stärken.
Wir haben eine Chance. Es ist schon darauf hingewiesen worden — ich nenne das ergreifende Schreiben der Familie von Braunmühl, aber auch viele andere Anzeichen — , daß wir Chancen haben, eine Sprache zu finden, um den Versuch einer gewaltfreien Diskussion über diese Ereignisse hinzubekommen, um damit vielleicht auch Maßstäbe für die Zukunft zu setzen. Ich glaube, diese Chance ist da. Aber vertun Sie sie bitte nicht selber! Versuchen Sie zu verhindern, daß diese Chance vertan wird!Vielen Dank.
Das Wort hat der Abgeordnete Kleinert .
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Heute morgen ist der frühere Kollege im Bundestag und der frühere Reichstagsabgeordnete Josef Felder durch den Bundesverband der Freien Berufe wegen seines Kampfes für die Freiheit zur Zeit der Weimarer Republik, zur Zeit der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft und der Zeit danach geehrt worden.
Der Kollege Felder, heute 87 Jahre alt, hat den Anwesenden bei dieser Gelegenheit über eine Stunde lang in sehr eindrucksvoller Weise seine Erinnerungen an wesentliche Ereignisse der Weimarer Zeit und des damaligen Kampfes der Sozialdemokratie dargestellt.
Für den Heutigen hat sich daraus — gerade am heutigen Tage war mir das sehr wichtig — ganz plastisch ergeben, daß diese Geschichte in all den Details, die der Kollege heute morgen erzählt hat, die Geschichte von Verharmlosung der Gewalt auf der einen Seite, von Hervorhebung fremder Gewalt auf der anderen Seite, vom Versagen der zur Aufrechterhaltung der Ordnung berufenen Behörden — zum Teil aus üblen parteipolitischen Rücksichtnahmen auf verschiedensten Seiten — und schließlich auch vom Versagen der Justiz gewesen ist. Und das nicht einmal, sondern immer wieder in einer Folge von Ereignissen, von Gewalttaten, von Mord, Totschlag, Erpressung, Aufstand, anschließenden Amnestien, anschließenden Beschwichtigungsversuchen und Schönrednerei jeweils durch wenn nicht den eigenen Anhang, so doch durch die den eigenen Gedanken nahestehenden Politiker.Das Ende dieser Zustände ist bekannt. Deshalb haben sich die Leute, die wie Herr Felder das Dritte Reich unter schwersten Umständen überlebt haben, nach dem Kriege zusammengefunden. Da hat es über gewisse Grundfragen des Neubeginns der deutschen Demokratie gar keine Auseinandersetzungen zwischen den Fraktionen gegeben: daß Recht und Rechtlichkeit nach den Erfahrungen der Vergangenheit viel mehr und viel penibler gewahrt werden müßten, als das früher der Fall war, weil das die Grundlage bildet für die eigentliche politische Auseinandersetzung, die Klärung unterschiedlicher Gedanken und die Frage, wie sich die besseren Gedanken möglichst durchsetzen können.Dieser Konsens ist seit einer Reihe von Jahren nachhaltig gestört. Vielmehr befinden wir uns nunmehr in einem Dissens, und zwar im Vorfeld. Unsere Grundgesetzväter sind nicht von einer rein formalen Auffassung von Recht und Rechtlichkeit ausgegangen, sondern sie haben natürlich alles, was zur Rechtskultur gehört, nicht nur mit in ihre Überlegungen, die Gesetzgebung, sondern auch mit in ihre möglichst beispielhafte persönliche Haltung aufgenommen.Für diejenigen, die sich näher damit befaßt haben, steht fest, daß wir es ganz unverkennbar mit einem Rückfall in Stil und Art der Weimarer Zeit zu tun haben. Ein sehr übles, klassisches Beispiel ist der Brief mit der „klammheimlichen Freude", der von Leuten unterschrieben worden ist, die sich heute noch schämen sollten. Wer hergeht und so hart am Rande des Gesetzes Dinge tut, die vielleicht noch nicht strafbar sind, die aber zu einer nachhaltigen Verschlechterung unserer Rechtskultur beitragen, wer irgendwo die Möglichkeit offenläßt, Gewalt eben doch anzuwenden, und wer haufenweise Entschuldigungen zusammenkarrt mit diesem verquasten Begriff der gesellschaftlichen Gewalt oder gesellschaftlichen Willkür, um Gewalt zu rechtfertigen, der legt die Axt an die Wurzel dieser Kultur.
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Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 32. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Oktober 1987 2143
Kleinert
Es geht hier nicht nur um Äußerungen von Frau Ditfurth. Wenn Sie sich den Pressedienst der GRÜNEN, herausgegeben vom Bundesvorstand, — —
— Herr Maihofer wie andere Liberale haben zu Zeiten, in denen sie sich entweder gar nicht oder vielleicht auch etwas zweifelhaft politisch betätigt haben,
durchaus versucht, auf dem schmalen Weg zu gehen, hier nicht in eine Überreaktion des Staates zu verf allen und damit weitere Reaktionen schädlichster Art hervorzurufen. Vielmehr haben sie versucht, das Recht des einzelnen, auch des Straftäters, soweit wie möglich zu achten. Ich erinnere an das Gespräch von Herrn Baum mit Herrn Mahler und andere Dinge. Ich erinnere an unseren Kampf für die Verhinderung der Verteidigerüberwachung.
Herr Abgeordneter, Sie müssen zum Schluß kommen.
Ich erinnere an den zusammen mit der CDU/CSU durchgesetzten Vertrauensanwalt. Wir haben versucht, auf diesem schmalen Weg zu bleiben. Sie, meine Damen und Herren von den GRÜNEN, haben mit der Erklärung von Frau Vollmer versucht, Ihre Verdienste herauszustellen, . . .
Herr Abgeordneter, es tut mir leid, Sie müssen jetzt das Rednerpult verlassen.
. . . statt die Basis dafür zu schaffen, daß Ihre Verdienste zur Sprache kommen können, nämlich daß Sie sich eindeutig von Gewalt distanzieren. Das ist heute nicht geschehen, was wir sehr bedauern.
Das Wort hat der Abgeordnete Weiss .
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Worum geht es Ihnen von der CDU/CSU im Zusammenhang mit dieser Terrorismus-Debatte? Es geht Ihnen doch nicht darum, hier irgend etwas aufzudecken. Die von Ihnen im Rahmen der Terrorismus-Gesetzgebung geschaffenen Gesetze dienen doch längst nicht mehr allein der Terrorismus-Bekämpfung, sondern der Diskriminierung sozialer Bewegungen.
Wenn im Vorfeld jener Aktionstage von Wackersdorf Vertreter des bayerischen Landeskriminalamts und der CSU nicht mehr zwischen WAA-Gegnern und der RAF differenzieren können, wenn das alles gleichgesetzt wird, wenn hier Unterschiede verwischt werden, dann sieht man doch, daß Sie schlicht und einfach Ihre
Politik machen wollen, und zwar auch mit der Debatte heute.
Ich distanziere mich von bestimmten polizeilichen Methoden.
Ich distanziere mich davon, daß Menschen einfach niedergeknüppelt werden.
Ich will damit nicht etwa die Steinewerfer rechtfertigen. Wir GRÜNEN kennen den Unterschied; wir können unterscheiden zwischen Gewalt und Gewaltfreiheit.
Aber Sie müssen es auch einmal lernen. Sie müssen in dem Zusammenhang einmal sagen: Bei dem, was am letzten Wochenende passiert ist, kommen wir nicht mit. Wir distanzieren uns davon.
Wenn Sie hier irgendwelche Forderungen nach Distanzierung aufstellen, sage ich Ihnen: Solange Sie diese Distanzierung nicht ausgesprochen haben,
wirken Sie absolut unglaubwürdig und entlarven die von Ihnen geforderte Aktuelle Stunde als pure show.
Das Wort hat der Abgeordnete Zeitlmann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wer die Diskussionen und die Veröffentlichungen in den Medien zum Thema Terrorismus insbesondere des Jahres 1977 in den letzten Wochen und Monaten sorgfältig verfolgt hat, der stellt zum Teil eine Umkehrung von Tatsachen und eine unfaßbare babylonische Sprachverwirrung fest, die aber sicherlich von vielen mit klarer politischer Absicht betrieben wird. In manchen Veröffentlichungen, die sich mit den grausamen Terroranschlägen des Jahres 1977 befassen, wird nur noch geprüft, wer auf staatlicher Seite welche Konsequenz gefordert oder was nicht ganz richtig gemacht haben könnte. Es wird kaum mehr ein Wort über die vielen Opfer und das unsägliche Leid ihrer Angehörigen gefunden.Wenn nun heute von Vertretern der GRÜNEN eine Amnestie für Tenoristen und Geiselmörder gefordert wird, und wenn dies mit Gerechtigkeit begründet wird, wenn von gleicher Seite behauptet wird, unser Staat brauche den Terror, dann muß dies alle Vertreter demokratischer Parteien veranlassen, auf solche
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2144 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 32. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Oktober 1987
Zeitlmannunverantwortlichen Entgleisungen eine klare Antwort zu geben.
Solange Vertreter der GRÜNEN davon sprechen, die verurteilten Terroristen würden gefoltert, machen sich die GRÜNEN mitschuldig an eventuellen neuen verbrecherischen Mordanschlägen.
Wir können eine Auseinandersetzung zum Thema Terrorismus nur erfolgreich bestehen, wenn wir alle deutlich sagen, daß dieser Staat den Terror eben nicht braucht, daß dieser Staat der rechtsstaatlichste und freiheitlichste in der Geschichte unseres Volkes ist und daß es überhaupt keine Rechtfertigung für terroristische Angriffe gibt.
Es wäre auch völlig verfehlt, wenn hier von politischen Gruppen oder Parteien Diskussionszirkel oder Podiumsdiskussionen mit inhaftierten Terroristen gefordert oder gar begonnen würden, da damit nicht nur der Eindruck erweckt würde, es gebe Verbrecher mit besonderer Bedeutung, sondern weil auch das Wesen des Strafvollzugs völlig ins Gegenteil verkehrt würde. Unser Recht kennt bei solchen Gewaltverbrechen keine Amnestie,
— passen Sie auf! — , sondern lediglich bei deutlicher Besserung und Reue im Einzelfall eine nüchterne Prüfung über einen eventuellen, gnadenweisen Straferlaß.
Es gibt überhaupt keine Veranlassung, bei den Verbrechen ein Zweiklassensystem einzuführen und von den bisherigen Regelungen des Gnadenrechts abzuweichen.
In unserem Volk würde doch niemand Verständnis für eine Besserstellung der terroristischen Straftäter aufbringen.
Solange die GRÜNEN Gewalt nicht konsequent ablehnen, sondern von Fall zu Fall als legitimes Mittel der Politik ansehen, solange Vertreter der GRÜNEN Verstöße gegen Gesetze befürworten,
solange von seiten der GRÜNEN Terroristen mit Sympathie begegnet wird,
wird es auch keine einheitliche gemeinsame Auseinandersetzung aller politisch Verantwortlichen mitdem Terrorismus geben. Es geht hier nicht darum, mit den einzelnen Mitgliedern der terroristischen Banden Dialoge zu führen, sondern es geht darum, unserem Volk, insbesondere der Jugend, in diesem Land klar und deutlich unseren freiheitlich-demokratischen Rechtsstaat aufzuzeigen und sie mit den Spielregeln unserer Staatsform vertraut zu machen.
— Herr Schily, passen Sie auf. Es geht doch nicht darum, daß wir Verrückte durch Zureden überzeugen, sondern es geht darum, daß wir mit den Gesunden so deutlich reden, daß diese nicht in Versuchung kommen, mit den Verrückten zu sympathisieren.Danke schön.
Herr Stratmann, das Wort „Dreckschleuder" muß ich rügen. Ich erteile Ihnen einen Ordnungsruf.
Als nächster Redner kommt der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesministerium des Innern, Herr Spranger.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Äußerungen von Frau Ditfurth sind gekennzeichnet durch ein zerrüttetes Rechtsbewußtsein, einen ausgeprägten Realitätsverlust und einen geradezu pathologischen Haß auf unseren Staat.
Wer so spricht, macht sich Sprache und Gedankengut terroristischer Gewalttäter zu eigen und bestärkt diese in ihrem verbrecherischen Tun.
Ich halte es für emprörend, daß Frau Nickels auch nicht mit einem einzigen Satz sich von diesen Äußerungen distanziert hat. Ich hatte auch wenig Hoffnung nach den Reden von Herrn Wüppesahl und Frau Schmidt-Bott im April dieses Jahres hier im Hause.Auf der gleichen Linie liegt auch der verbale Radikalismus, mit dem Mandatsträger der GRÜNEN notwendiges polizeiliches Einschreiten wie auch zuletzt in Wackersdorf — wir haben es heute in der Fragestunde ja schon behandelt — kommentiert haben. Nach den vorliegenden Pressemeldungen wurde von Terrorgruppen der Polizei gesprochen, die den Rechtsstaat niedergeknüppelt hätten. Es wurde behauptet, daß bei Polizeibeamten der Wille zum bewußten und gewollten Totschlag eventuell vorgelegen hätte. Polizeikräfte wurden als vollmaskierte, anonyme und kriminelle Polizeisondereinheiten bezeichnet.
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Parl. Staatssekretär SprangerHerr Weiss, bevor ich mich von der Polizei distanziere, hätte ich gewünscht, daß Sie sich von solchen Aussagen diestanzieren.
Eine solche maßlose Verunglimpfung des Staates hat Methode.
Ihre Folgen sind uns nicht nur aus der Vergangenheit bekannt, sondern heute leider überall sichtbar. Mit der haltlosen Behauptung, staatliche Stellen übten Terror aus, wird Gewalt provoziert und legitimiert. Auch heute wieder ist diese heuchelnde Doppelstrategie auch in der Rede von Frau Nickels deutlich geworden: Hier von Gewaltfreiheit reden und draußen alles tun, um Gewalt zu provozieren und bei der Organisierung von Gewalt mitzumachen.
Lassen Sie mich aber auch ein Wort zu den von den GRÜNEN initiierten, nach meiner Auffassung völlig verfehlten Amnestiediskussionen sagen. Mit dieser Diskussion wird vorgetäuscht, daß bei der sogenannten Roten Armee Fraktion und bei anderen Terrorgruppen ein Prozeß der Besinnung in Gang gekommen seiden es gelte, nun durch eine großzügige staatliche Geste zu fördern. Ein solcher Ansatzpunkt ist auch nicht andeutungsweise erkennbar.
Es gibt keinerlei Anhaltspunkte dafür, daß die untergetauchten Bandenmitglieder der Rote Armee Fraktion und ihr engeres gewaltorientiertes Umfeld bereit wären, künftig von schweren Gewaltakten Abstand zu nehmen.
Von „revolutionären Zellen" wurden in diesem Jahr bisher bereits mehr Anschläge verübt als im gesamten letzten Jahr. Wie die Anschläge auf den Leiter der Berliner Ausländerbehörde im vergangenen Jahr und der kürzliche Anschlag auf den Vorsitzenden Richter des Asylsenats beim Bundesverwaltungsgericht zeigen, werden zunehmend und gezielt auch gegen Personen gerichtete Attentate durchgeführt.
Die Statistik des Bundeskriminalamtes verzeichnet in diesem Jahr bereits rund 250 Brandanschläge, fast 50 Sprengstoffanschläge, rund 60 gefährliche Eingriffe in den Bahnverkehr und rund 80 Anschläge auf Einrichtungen von Energieunternehmen.
Diese unvermindert andauernde Gewalttätigkeit schafft keine Bedingungen, unter denen eine solche Diskussion überhaupt geführt werden kann.Meine Damen und Herren, für Terroristen, die sich ernsthaft von ihrem gewalttätigen Tun lösen wollen, gibt es bereits eine Fülle gesetzlicher Bestimmungen mit einer Reihe von Möglichkeiten dazu. Ich erinnere an die §§ 129a, 153 e, 116 der Strafprozeßordnung und 46 des Strafgesetzbuches mit ihren Möglichkeiten. Wir bereiten zur Zeit eine Kronzeugenregelung vor, die auch bei begangenen schwersten Straftaten
wenn nicht Straffreiheit, so doch eine gravierende Strafmilderung vorsieht. Es fehlt also nicht an Angeboten des Staates an terroristische Straftäter; es fehlt bisher an deren Bereitschaft, darauf einzugehen. Ich muß die GRÜNEN auch fragen, warum sie eigentlich den Opfern des Terrorismus und ihren Angehörigen nicht denselben Stellenwert zumessen wie den Terroristen.
Meine Damen und Herren, die Erfahrungen der Vergangenheit haben gezeigt, daß ein großer Teil der wegen terroristischer Straftaten Verurteilten nach Haftentlassung weiterhin terroristischen Zielsetzungen und Ideologen verfolgt hat. Eine Amnestie inhaftierter terroristischer Gewalttäter würde daher letzten Endes nur zu einer Verstärkung des aktiven terroristischen Potentials führen.
Die Bundesregierung wird deshalb die Maßnahmen der Terrorismusbekämpfung gemeinsam mit den Bundesländern konsequent fortführen und fortentwickeln.
Dies gilt gleichermaßen für die operativen Maßnahmen der Sicherheitsbehörden, die Zusammenarbeit zwischen den Sicherheitsbehörden der Bundesrepublik und des Auslands, den weiteren Ausbau der Sicherheitsbehörden, die Komplettierung des gesetzlichen Instrumentariums und die politische Auseinandersetzung mit dem Terrorismus. Hierzu bitten wir alle, die ernsthaft um die Eindämmung des Tenorismus bemüht sind, um entsprechende Unterstützung.
Das Wort hat die Abgeordnete Frau Dr. Däubler-Gmelin.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir reden heute in erster Linie über Äußerungen von Frau Ditfurth, und ich sage: Das sind schlimme Äußerungen, dumme Äußerungen. Ich bin der Auffassung, Sie, die GRÜNEN,
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2146 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 32. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Oktober 1987
Frau Dr. Däubler-Gmelinhätten sich davon distanzieren sollen. Das wäre am Platze gewesen.
Ich glaube auch nicht, daß die Methode, Distanzierungen — und seien sie noch so berechtigt und verständlich — erst von anderen zu verlangen, hier zieht, und zwar einfach deshalb nicht, weil der Balken im Auge des anderen noch nie das Brett vor dem eigenen Kopf beseitigt hat.Dennoch lasse ich mich auch von niveaulosen Reden, die in diesem Hause leider Gottes gehalten werden, nicht von der Überzeugung abbringen, daß wir in der Ablehnung des Terrorismus in diesem Hause viel einiger sind, als es in dieser Diskussion heute scheinen mochte. Ich lasse mich davon nicht abbringen, und ich glaube, wir sind es den Opfern und ihren Familien auch schuldig, daß diese heuchlerischen und scheinheiligen Spiegelfechtereien, die hier teilweise veranstaltet wurden, nicht mehr fortgesetzt werden.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich deshalb zweierlei sagen: Erstens. Das Gewaltmonopol des Staates gehört, wenn es nach Gesetz und Verfassung ausgeübt wird, zu den unverzichtbaren Teilen unserer Rechtskultur. Ich glaube, daran besteht kein Zweifel.
Die bayerischen Sonderwege sind hier genauso problematisch wie andere Entscheidungen, die wir abstellen müssen.Zweitens. Terrorismus, auch politisch motivierter Terrorismus, war nie ein Helfer, sondern immer ein Feind fortschrittlicher Reformpolitik,
in unserer Geschichte, vor zehn Jahren und auch heute, und deswegen versteht sich unsere ablehnende Haltung zum Terrorismus heute wie damals von selbst. Heute, meine Damen und Herren, hat dieses Haus zweierlei Aufgaben. Wir haben einmal die Aufgabe, zu bewerten, was damals in jenem deutschen Herbst vor zehn Jahren gemacht wurde, und zu fragen, ob das alles richtig war.Ich will hier Worte von Martin Walser aufgreifen, der gestern gesagt hat: Wir müssen den Terroristen im Strafvollzug Lerngelegenheit geben, aber wir müssen diese Lerngelegenheit auch für die damals und heute staatlich Handelnden verlangen. Ich sage Ihnen, Martin Walser ernst zu nehmen, gebietet sich um so mehr, als er heute wie damals zu denjenigen gehörte, die sich ernsthaft mit dem Terrorismus und seinen Ursachen auseinandersetzte, zur Besonnenheit mahnte und vor Überreaktionen warnte.
— Herr Fellner, ich meine in diesem Zusammenhang: Sie sollten angesichts Ihrer Äußerungen zu anderen Problemen wirklich einmal schweigen.
Das Fazit, meine Damen und Herren, das Dr. Vogel gestern für die SPD-Fraktion gezogen hat, war richtig: Die sozialliberale Koalition hat damals im großen und ganzen richtig gehandelt. Sie hat damals allerdings auch Gesetze erlassen, die wir heute wohl nicht mehr erlassen würden.
— Lieber Herr Kleinert, an diesen Einwurf sind wir gewöhnt, ohne daß er durch Wiederholung richtiger wird.
Aber ich darf Sie beim Wort nehmen. Gerade jetzt wollen Sie in Absprache mit Ihrem Koalitionspartner erneut eine Runde von Gesetzesänderungen, vorgeblich Sicherheitsgesetze zur Terrorismusbekämpfung, einleiten. Hören Sie auf damit, dann werden Sie die Lehren aus der Zeit von vor zehn Jahren beherzigen,
aber nicht mit bloßen Behauptungen, die Sie nicht einhalten.Meine Damen und Herren, die politische Auseinandersetzung, die wir vor zehn Jahren geführt haben, muß heute sogar erweitert fortgeführt werden, nicht nur die mit dummen oder falschen Feststellungen oder mit „Meskalero " -Autoren — Herr Kleinert, da gebe ich Ihnen recht — , auf Grund derer sich die Leute heute schämen sollten, sondern auch die, die mit denen, die sich heute eben nicht schämen, daß sie damals mit ihrer politischen und publizistischen Macht einen Heinrich Böll, Thaddäus Troll und eine Luise Rinser in einer Art und Weise an den Pranger gestellt haben, die uns in diesem Hause heute noch mit Scham erfüllen sollte.
Meine Damen und Herren, ich habe den festen Willen, hier vier Dinge vorzutragen, von denen ich glaube, daß sie heute wichtig sind.Erstens sollten wir nicht nur darüber reden, daß die Opfer und ihre Familien unserer Fürsorge bedürfen, sondern es wird Zeit, daß wir uns aktiver um diese Familien kümmern.Zweitens. Reformpolitik darf nicht vernachlässigt werden und politische Auseinandersetzung muß sorgfältig und fair geführt werden. Auch dann haben wir mehr Chancen, gegen den Terrorismus zu gewinnen.
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Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 32. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Oktober 1987 2147
Frau Dr. Däubler-GmelinDrittens. Gesetzeshysterie und übersteigerter Aktivismus, Herr Kleinert, darf es nicht geben.
Darauf werden wir Sie festlegen.Viertens. Den Tätern im Strafvollzug müssen wir eine Chance geben.Wenn Herr Bangemanns Worte vor dem FDP-Parteitag, man lasse sich von Stammtischstimmung nicht beeinflussen, irgendwo ihre Berechtigung haben, dann hier. Da ist natürlich weder das Urteil des OLG Koblenz in Sachen Jünschke noch die kritischen Äußerungen des Herrn Generalbundesanwalts zu den Brüdern Braunmühl hilfreich.
Ich habe den Eindruck: Wenn wir im Bundestag gemeinsam etwas mehr täten und jene Rhetoriker mit Schaum vor dem Mund mehr zurückhalten würden, dann würden wir in der Tat für den vielbeschworenen Konsens der Demokraten erheblich mehr erreichen.Danke schön.
Das Wort hat der Abgeordnete Marschewski.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Eine Zusammenfassung dieser Diskussion ist schwer. Es waren keine Reinigung und keine Zurücknahme da.
Auf offiziellem Vorstandspapier der GRÜNEN bleibt es abgedruckt, seine Erfinderin bleibt Vorstandssprecherin der GRÜNEN: „Dieser Staat brauchte und braucht wieder fast nichts so sehnsüchtig wie den Terror, den Schrecken. " Dies wurde im Namen der GRÜNEN geschrieben — unwiderruflich, ohne irgendwelche parteilichen Konsequenzen, auch nicht, Frau Nikkels, nach dieser Diskussion.Meine Wertung zum Abschluß wird der Erinnerung folgen müssen. „Deutschland im Herbst der Jahrestage" schreibt die „Süddeutsche Zeitung". So war es. Am vergangenen Wochenende jährte sich der Tag, an dem Gerold von Braunmühl erschossen wurde. Eine Gedenktafel im Straßenpflaster zeugt von dem Mord. Genau zehn Jahre zurück liegt der Tag, an dem das Drama um die Entführung Hanns-Martin Schleyers begann. Am 5. September 1977 wurde sein Auto durch einen auf die Straße geschobenen Kinderwagen gestoppt. Schleyers Fahrer und drei Personen wurden erschossen, er selbst wurde entführt. Nach über einem Monat des, wie er es selber nannte, Dahinvegetierens in ständiger Ungewißheit wird er am 9. Oktober 1977 ermordet. Und die menschenverachtende Erklärung der Verbrecher hierzu: „Wir haben nach 43 Tagen Hanns-Martin Schleyers klägliche und korrupte Existenz beendet. "Und ähnlich starben sie alle: Buback, Drenckmann, Ponto, Zimmermann. Oder Jürgen Schumann, der Flugkapitän der „Landshut", ermordet in Gegenwart von 82 Passagieren, vor Frauen und Kindern, selber tagelang mit dem Tod bedroht. Seine Leiche warfen die Terroristen auf die Rollbahn von Mogadischu. Mord, Verbrechen, Terror. Aber nach Frau Ditfurth brauchte dieses Land diesen Terror, brauchen wir wieder fast nichts so sehnsüchtig wie den Schrecken. Und alle — so die Sprecherin der GRÜNEN — , die den bewaffneten Kampf gegen diesen Staat praktizieren bis hin zum Geiselmord, erführen staatliche Rache statt Recht.Nein, dieser Staat ist kein Staat der Rache. Er ist ein Rechtsstaat. Dies gilt für das Kontaktsperregesetz, von der Menschenrechtskommission in Straßburg gebilligt. Dies gilt für die Gesetze zur Bekämpfung des Terrorismus. Dies gilt für die geplante Kronzeugenregelung.
— Dies gilt für die geplante Kronzeugenregelung.Die Ausführungen Frau Ditfurths bleiben wirre Sätze, sind gefährliche Sätze, Sätze, die den Mord und den Terror nicht nur verharmlosen, sondern, wie es die „Neue Rhein-Zeitung" zu Recht meint,
auch decken.Und hier werden nicht nur Ursache und Wirkung vertauscht. Hier wird makaber verdreht. Nein, meine Damen und Herren, nicht die Terroristen sind die Opfer, sondern die Terroristen sind die Verbrecher. Und verbrecherisch ist auch ihr weiteres Ziel. Denn diese Mordanschläge und Entführungen richten sich auch gegen unsere freiheitliche Ordnung im ganzen, richten sich gegen jede menschliche Gemeinschaft überhaupt.Und deswegen sind sie, Herr Kollege Duve, zu Recht verurteilt, gerecht verurteilt nach Gesetz und Recht dieses freiheitlichen Rechtsstaats. Und dieser freiheitliche Rechtsstaat, der freieste Rechtsstaat, den Deutschland je hatte, mit der modernsten rechtsstaatlichen Verfassung, die es hier je gab, dieser Rechtsstaat braucht keinen bewaffneten Kampf, den Frau Ditfurth offensichtlich sehnsüchtig herbeiruft.
— Das ist eine auch nach Ihrer Meinung abstruse Forderung. Zu Ihnen: vielleicht die Folge, meine Damen und Herren der GRÜNEN, eine Kette:
Wer hat denn vom sozialen Widerstand gesprochen? Wer denn von gezielter Sabotage? Wer denn von Gewalt gegen Sachen? Und dies nennen Sie, Frau Kollegin Nickels, Gewaltfreiheit.
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2148 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 32. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Oktober 1987
Marschewski— Wir wollen, meine Damen und Herren, Herr Kollege Duve, einen anderen Staat.
— Hören Sie mal zu! Wir wollen einen anderen Staat. Wir wollen nicht nur einen Staat — Herr Penner, ich habe Ihr Zitat mit Beachtung gelesen — , der sich mit der Rolle des Vergeltens und des Rächens begnügt, sondern auch einen, der nach den Ursachen der Gewalt fragt. Und aus diesem Grund setzen wir ja die genannte Kommission ein, die jetzt endlich diese Ursachenforschung betreibt.
Einen Staat wollen wir haben, der von der Würde des Menschen ausgeht und der die Menschen vor der Willkür schützt.
— Wer aber — hören Sie bitte zu, meine Kollegen von der SPD — den Schrecken, den Terror will oder ihn rechtfertigt, der tritt aus dieser humanen Geschichte heraus.
„Wer an die Stelle des demokratischen Rechts das Faustrecht der Gewalt setzt,
der erlebt eine Ausweglosigkeit, in der vermeintliche Macht bis in Selbstzerstörung umschlagen kann."
— Was soll das? — So Bundeskanzler Schmidt am 20. Oktober 1977.
Ich danke Ihnen.
Meine Damen und Herren! Die Aktuelle Stunde ist beendet.
Aber ich habe noch eine Wortmeldung von Frau Dr. Vollmer, die nach § 30 unserer Geschäftsordnung eine persönliche Erklärung abgeben möchte.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist vorhin in der Debatte von Herrn Miltner gesagt worden, ich hätte gestern in unsere Fraktionssitzung ein Thesenpapier vorgelegt, in dem ich, so sagte er wörtlich, „die Morde der RAF-Bande ... verharmlosend ,Deutschen Herbst." dargestellt und ihn als Testfall für die demokratische Widerstandskraft und die Konfliktfähigkeit der bundesrepublikanischen Gesellschaft bezeichnet hätte, der im wesentlichen nicht bestanden worden sei. Diese Behauptung ist schon rein vom Wortsinn her ein absoluter Unsinn, weil der „Deutsche Herbst" nicht die Morde der RAF-Bande bezeichnet, sondern der „Deutsche Herbst" ist nach einem Film, den es darüber gegeben hat, ein Begriff dafür, wie der bundesrepublikanische Staat, die damals verantwortlich Regierenden und die bundesrepublikanische Gesellschaft insgesamt auf die damalige Zuspitzung, die Morde, die Entführung, reagiert haben.Und bei dieser Frage „Wie hat die bundesrepublikanische Gesellschaft insgesamt reagiert?" wundere ich mich immer noch über diesen abgrundtiefen Brustton von Überzeugung, den Sie heute hier in der Debatte haben, den Sie auch damals schon gehabt haben und den ich schon damals nicht leiden konnte. Denn dieser abgrundtiefe Brustton von Überzeugung, zu meinen, daß Sie die Wahrheit gepachtet hätten, ist nicht durch das Ergebnis belegt worden, das Sie anstreben, nämlich den Terrorismus zu beseitigen.Wie — und das ist die entscheidende Frage — kann man denn den Terrorismus beenden, wenn man davon ausgeht, daß er eigentlich aus einer Phase kommt, die längst überholt ist? Wie kann man den beenden? Und da sage ich: Das Ergebnis Ihrer Politik — trotz großer Fahndungserfolge, trotz massiver Ausweitung von Sicherheitsgesetzen — hat das nicht zustande gebracht. Und deswegen paßt dieser Brustton der Überzeugung nicht.Ich stelle — und das sage ich zu dem zweiten Punkt, in dem mir vorgeworfen worden ist, ich hätte dieselbe Position wie Frau Ditfurth, das, was ich dazu gesagt hätte, sei von Zynismus gekennzeichnet, ich gedächte der Opfer nicht — einen ziemlichen Unterschied fest zwischen dem, wie Sie hier reden, und dem, wie die Angehörigen der Opfer reden. Ich habe gestern abend eine Sendung über Mogadischu gehört, und ich habe viel mit den Brüdern von Braunmühl und der Familie von Braunmühl gesprochen. Das ist eine ganz andere Art von Nachdenklichkeit.
Die wollen nämlich wirklich, daß das aufhört, und die wollen wissen, warum es dazu gekommen ist.Genau um diese Frage gehen auch der Streit und die Auseinandersetzung mit Frau Ditfurth, nämlich: Wie kommt man dahin, daß das aufhört? Und da sage ich: Ähnlich wie ich Ihren Brustton der Überzeugung für wenig hilfreich halte, halte ich auch einen linken Protagonistenton, wie er in den 70er Jahren üblich war, in dieser Debatte für wenig hilfreich.
Ich begrüße außerordentlich, daß Jutta Ditfurth gestern klargestellt hat, daß es bei niemandem, der in der grünen Partei ist, einen Widerspruch gibt, wenn wir sagen, daß wir Gewalt, Terror und Mord ablehnen.Ich halte den Satz von Jutta Ditfurth, daß dieser Staat den Terror sehnsüchtig braucht, für falsch.
Dieser Satz ist schon deswegen falsch, weil ich ein anderes Staatsverständnis habe. Der Staat ist nämlich nichts von den Individuen Abgehobenes, ein kollektives Gesamtböses, sondern der Staat sind wir. Und wir brauchen den Terror eben nicht. Und das genau ist die
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Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 32. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Oktober 1987 2149
Frau Dr. VollmerLehre vom „Deutschen Herbst" : daß wir nämlich nicht verstanden haben, diese demokratische, gewaltfreie, liberale Öffentlichkeit herzustellen,
die genügend in der Lage gewesen wäre, sowohl den Weg in den Terrorismus als auch die Übergriffe zu verhindern, die von den damals Regierenden aus Anlaß der Terrorismusbekämpfung gegen demokratische Errungenschaften vorgenommen worden sind.Wenn wir diese Debatte wirklich führen wollen, dann möchte ich Sie doch bitten: Nehmen Sie sich doch einmal . . .
Frau Dr. Vollmer, ich bitte um Aufmerksamkeit.
Ich bin sofort zu Ende. — ... die Nachdenklichkeit der Angehörigen der Opfer zum Vorbild und überlegen Sie einmal, warum die gestern — zuhörend — bei uns in der Fraktionssitzung gewesen sind.
Meine Damen und Herren, ich möchte meinerseits nur sagen: Sie sehen, wie schwierig es ist, zwischen dem zu unterscheiden, was persönliche Erklärung oder auch Beitrag zur Geschäftsordnung ist — das hatten wir kürzlich — , und dem, was schon Debattenbeitrag ist. Wir haben alle zugehört und suchen den Punkt. Sie sehen, dies ist immer schwierig.
Herr Dr. Miltner wird uns vormachen, wie man's richtig macht.
Bitte, Herr Dr. Miltner, Sie haben das Wort zur direkten Erwiderung nach § 30 der Geschäftsordnung.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin von Frau Vollmer noch einmal persönlich angesprochen worden. Frau Vollmer, Sie haben in Ihrem Thesenpapier vom „Deutschen Herbst" und von den politischen Verantwortlichen, die damals entschieden haben, gesprochen. Ich möchte gerade für unsere Kollegen aus der SPD noch einmal zitieren, was in diesem Thesenpapier steht:
Aus heutiger Sicht haben die damals politisch Verantwortlichen, insbesondere der große Krisenstab unter Helmut Schmidt, die tatsächliche Bedrohung überschätzt. Diese Zuspitzung der Bedrohungslage ist nur zu erklären durch die Besetzung der damaligen Auseinandersetzung mit Bildern, Denkmustern und Phantasien aus der nationalsozialistischen Vergangenheit.
Im übrigen haben Sie den Versuch gemacht, den Umstand, daß es eine zweite und dritte Generation der RAF-Mitglieder gegeben hat, auf die Haftbedingungen zurückzuführen. Frau Vollmer, auch Sie liegen damit genau auf der Linie Ihrer Kollegin Frau Ditfurth.
Vielen Dank.
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen für die heutige Sitzung nicht mehr vor.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 15. Oktober 1987, 9 Uhr ein.
Die Sitzung ist geschlossen.