Gesamtes Protokol
Meine Damen und Herren, die Sitzung ist eröffnet.
Ich rufe Punkt 1 der Tagesordnung auf: Fragestunde
— Drucksache 10/6593 —
Wir kommen zunächst zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz. Die Fragen 3 und 4 des Abgeordneten Braun werden auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für innerdeutsche Beziehungen. Die Frage 5 des Abgeordneten Voigt und die Frage 6 des Abgeordneten Dr. Abelein werden auf Wunsch der Fragesteller schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Damit kommen wir zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung. Zur Beantwortung der Frage steht Herr Parlamentarischer Staatssekretär Höpfinger zur Verfügung. Es handelt sich um die Frage 7 des Abgeordneten Peter . Der Abgeordnete scheint nicht im Saal zu sein. — Herr Staatssekretär, wir bedanken uns für Ihren guten Willen.
Die Frage 8 des Abgeordneten Voigt aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit wird auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Wir kommen damit zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit. Zur Beantwortung der Fragen steht uns Herr Staatssekretär Dr. Wagner zur Verfügung. Die Frage 71 des Abgeordneten Stiegler wird auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 72 der Abgeordneten Frau Weyel auf:
Hält die Bundesregierung es für erforderlich, die bisher im Rahmen der bestehenden Gesetze erteilten Einleitungsgenehmigungen in Gewässer grundlegend zu überprüfen und zu korrigieren?
Herr Staatssekretär, Sie haben das Wort.
Die Einleitungsgenehmigungen bzw. die Erlaubnisse zum Einleiten von Stoffen in Gewässer werden von den zuständigen Wasserbehörden der Länder erteilt. Die Wasserbehörden der Länder halten sich hierbei im Rahmen der bestehenden Gesetze. Die Bundesregierung geht davon aus, daß notwendige Überprüfungen durch die Länder vorgenommen werden.
Im Zusammenhang mit der 5. Novelle zum Wasserhaushaltsgesetz werden insbesondere im Hinblick auf die Einführung des Standes der Technik bei Abwasser mit gefährlichen Stoffen in den nächsten zwei bis drei Jahren zahlreiche bestehende Abwasserverwaltungsvorschriften verschärft bzw. weitere Abwasserverwaltungsvorschriften neu erarbeitet. Aufgabe der Länder ist es dann sicherzustellen, daß die erforderlichen Maßnahmen ergriffen werden bzw. Einleitungsgenehmigungen entsprechend geändert werden.
Die Bundesregierung geht im übrigen davon aus, daß die anstehende Novellierung des Abwasserabgabengesetzes die Einleiter veranlassen wird, bereits im Vorgriff auf zu erwartende Verschärfungen im Ordnungsrecht ihre Gewässerschutzmaßnahmen zu verbessern.
Zusatzfrage, bitte sehr, Frau Abgeordnete.
Herr Staatssekretär, hat sich die Bundesregierung schon irgendwelche Begründungen vorgestellt für die jetzt fast täglich eintreffenden Meldungen über neue Schadstoffeinleitungen, und teilt sie die Vermutung einiger Leute aus dem Bereich der Chemie, daß hier bewußt Sabotage betrieben wird, oder teilt sie die Vermutung anderer Leute aus dem Bereich der Chemie, daß hier durch verstärkte Messungen an sich genehmigte Einleitungen nun als Schadstoffausstoß festgestellt werden?
19606 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 252. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 3. Dezember 1986
Dr. Wagner, Staatssekretär: Die Bundesregierung nimmt die sich häufenden Vorfälle der letzten Wochen sehr ernst. Dieses kommt u. a. darin zum Ausdruck, daß sich das Bundeskabinett heute vormittag nochmals sehr ausführlich mit den Störfällen, den Vorkommnissen, den Betriebsstörungen beschäftigt hat. Die Bundesregierung stützt sich bei ihren Entscheidungen allerdings nicht auf Vermutungen.
Eine weitere Zusatzfrage. Bitte schön, Frau Abgeordnete.
Damit Sie von diesen Vermutungen loskommen: Hat die Bundesregierung — gegebenenfalls über die Länder — Maßnahmen veranlaßt, um in diesen Fällen die Einleiter unmittelbar und schneller feststellen zu können?
Dr. Wagner, Staatssekretär: Die Bundesregierung hat sich, wie bereits vorhin von mir erwähnt, heute vormittag in der Kabinettssitzung mit dem gesamten Bündel von Maßnahmen befaßt, die zu ergreifen sind. Herr Bundesumweltminister Dr. Wallmann wird morgen hierzu eine Regierungserklärung vor dem Bundestag abgeben.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Wolfram . Bitte sehr, Herr Abgeordneter.
Herr Staatssekretär, hat die Bundesregierung eine Vorstellung, wie groß die Grauzone ist, und hat sie eine Vorstellung, in wie vielen Fällen möglicherweise ohne jedwede Genehmigung eingeleitet wird?
Dr. Wagner, Staatssekretär: Herr Abgeordneter, Sie werden Verständnis dafür haben, daß ich Ihnen jetzt hier keine Zahlen nennen kann. Ich darf auf den Text meiner Antwort auf die Frage hinweisen: Dies alles ist eine Frage, die in die Zuständigkeit der Länder, der Vollzugsbehörden, fällt.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Dann rufe ich Frage 73 der Abgeordneten Frau Weyel auf:
Welche konkreten Maßnahmen plant die Bundesregierung, um die Information der Rheinanlieger, insbesondere über Gefährdungen des Grundwassers und der Trinkwasserversorgung bei Unfällen, zu verbessern und zeitgerechter zu gestalten im Hinblick auf erforderliche Schutzmaßnahmen?
Dr. Wagner, Staatssekretär: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die länderübergreifende Information bei Unfällen ist durch den in der Internationalen Kommission zum Schutz des Rheins gegen Verunreinigung beschlossenen Internationalen Warn- und Alarmplan Rhein geregelt. Es handelt sich dabei um die Zusammenarbeit von acht internationalen Hauptwarnzentralen.
Im Rahmen dieses Alarmplans werden u. a. Informationen über Art, Ort und Zeit des Unfalls sowie über das Ausmaß der Verschmutzung und die Auswirkungen auf die Gewässergüte verlangt und im Regelfall von der für den Unfall zuständigen Haupt-warnzentrale an die übrigen Betroffenen weitergegeben. Dazu gehören auch Informationen über die ökotoxikologischen Eigenschaften der betroffenen Chemikalien. Die Bundesregierung unterstützt die Beschaffung dieser Informationen durch Stoffdaten, die bei Bundesbehörden — z. B. Umweltbundesamt, Bundesgesundheitsamt und Biologische Bundesanstalt — vorliegen. Dieses Informationssystem wird weiter verbessert.
Die ständig besetzten Hauptwarnzentralen prüfen eingehende Meldungen und geben diese unverzüglich an die Stellen weiter, die vom Schadensfall voraussichtlich betroffen sein werden. Dabei sind auch mögliche Gefährdungen des Grundwassers und der Trinkwasserversorgung eingeschlossen.
Dem Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit werden die Meldungen von den Hauptwarnzentralen Basel und Düsseldorf unmittelbar übermittelt.
Die Konferenz der zuständigen Minister der Rheinanliegerstaaten und der EG hat am 12. November 1986 in Zürich aus Anlaß des Schadensfalles bei der Firma Sandoz/Basel beschlossen, den Internationalen Warn- und Alarmplan Rhein auf Verbesserungsmöglichkeiten zu überprüfen.
Nunmehr haben Sie die Möglichkeit, eine Zusatzfrage zu stellen.
Herr Staatssekretär, ich hatte j a nach konkreten Vorschlägen der Bundesregierung gefragt. Liegen der Bundesregierung eigentlich Erfahrungsberichte der betroffenen Rheinanliegergemeinden vor, die deutlich machen, welch ein Durcheinander es im November auf Grund von Meldungen verschiedener Stellen, z. B. von der von Ihnen erwähnten Stelle für die Wasserversorger, vermischt mit Meldungen der Bezirksregierungen und der Landesregierung, gegeben hat, und haben Sie Anhaltspunkte dafür, in welchem Ausmaß Verunsicherungen eingetreten sind?
Dr. Wagner, Staatssekretär: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Abgeordnete, es ist ja in der Öffentlichkeit bekanntgeworden, daß es im Zusammenhang mit dem Sandoz-Unfall eine Alarmierungspanne in der Schweiz gegeben hat.
Erstens. Wenn hier nicht sofort ein tüchtiger Beamter des Bundesumweltministeriums reagiert hätte, dann wäre der Alarm nicht ausreichend früh ausgelöst worden.
Zweitens. Ich hatte bereits dargestellt, daß es im Rahmen der Alarmierungspläne klare Zuständigkeiten, genau festgelegte Anlaufpunkte für Informationen auch für die Rheinanliegerstaaten gibt, die dann ihrerseits die entsprechenden Informationen an die zuständigen Behörden weiterzuleiten haben.
Ich darf auch hier ausdrücklich darauf hinweisen, daß Fragen der Trinkwasserversorgung in ausschließlicher Zuständigkeit der Länder und der Gemeinden liegen.
Eine weitere Zusatzfrage. Bitte sehr, Frau Abgeordnete.
Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 252. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 3. Dezember 1986 19607
Ist es richtig, daß diese Pannen offensichtlich jeweils innerhalb der Länderbehörden stattgefunden haben, und ist es angesichts der Vielzahl von Bundesländern und Staaten, die am Rhein liegen, nicht notwendig, das von Bundesseite her ein wenig aneinander anzupassen?
Dr. Wagner, Staatssekretär: Im Rahmen der Zuständigkeiten der nationalen und auch der internationalen Rheinschutz-Kommission werden die Alarmierungspläne im Hinblick auf ihre Tauglichkeit erneut überprüft. Das ist die ausdrückliche Beschlußlage.
Zusatzfrage des Abgeordneten Ströbele, bitte sehr.
Hält die Bundesregierung die gesetzlichen und anderen Vorschriften, die für den Fall der Brunnenvergiftung erlassen worden sind, für den Fall der vorsätzlichen Einleitung von Gift in den Rhein, für anwendbar?
Dr. Wagner, Staatssekretär: Herr Abgeordneter, ohne daß ich mir Ihre Terminologie zu eigen mache, möchte ich darauf hinweisen, daß, wie bereits vorhin angekündigt, Herr Bundesminister Dr. Wallmann auch zu diesem Themenkomplex morgen eine ausführliche Regierungserklärung abgeben wird.
Zusatzfrage des Abgeordneten Wolfram .
Herr Staatssekretär, ist in Ihrem Hause nach der berechtigten Kritik an den Verzögerungen bei den letzten Vorfällen Vorsorge getroffen worden, daß für den Fall eines neuen Störfalls, der hoffentlich nicht eintritt, sofort und unverzüglich ein Szenarium an Handlungsvorgängen ablaufen kann?
Dr. Wagner, Staatssekretär: Es ist Vorsorge dafür getroffen worden, Herr Abgeordneter, daß insbesondere die Möglichkeiten der Bundesregierung und der einzelnen Bundesanstalten sofort umgehend genutzt werden können. Es besteht insbesondere bei uns die Vorstellung, daß auch die vorhin genannten drei Anstalten, nämlich Umweltbundesamt, Bundesgesundheitsamt und Biologische Bundesanstalt, an die Warnzentralen angeschlossen werden.
Zusatzfrage des Abgeordneten Schwenk.
Herr Staatssekretär, nun sind ja wegen der Vorkommnisse in den Gemeinden und darüber hinaus die Feuerwehren, das Technische Hilfswerk und andere Tag und Nacht im Einsatz gewesen. Das hat ja die Leute nicht nur viel Arbeitszeit und -kraft gekostet, sondern es sind auch Materialkosten entstanden. Wer ersetzt das denn nun den Gemeinden und Gemeindeverbänden?
Dr. Wagner, Staatssekretär: Herr Abgeordneter, dies geschieht nach den landesgesetzlichen Vorschriften, die von Land zu Land unterschiedlich sind.
Herr Abgeordneter, es steht Ihnen nur eine Zusatzfrage zu. Im übrigen ist der direkte Zusammenhang zu der ursprünglichen Frage nur bei großzügiger Auslegung herstellbar.
Weitere Zusatzfragen liegen mir nicht vor. Ich kann also den Geschäftsbereich des Bundesministers für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit abschließen. Herr Staatssekretär, ich bedanke mich.
Meine Damen und Herren, ich habe mich mit dem Parlamentarischen Staatssekretär Höpfinger aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung verständigt, daß die Frage 7 des Abgeordneten Peter nun doch beantwortet wird, weil der Abgeordnete inzwischen im Saal ist. Ich rufe daher die Frage 7 des Abgeordneten Peter auf:
Bei wie vielen Verwaltungsgerichtsverfahren sind zu Fragen der Berufs- und Erwerbsunfähigkeitsrente die einzelnen Landesversicherungsanstalten bzw. die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte seit 1982 in die nächste Instanz gegangen?
Herr Staatssekretär, Sie haben das Wort.
Herr Kollege Peter, die nach Versicherungszweigen gegliederte Statistik der Sozialgerichtsbarkeit differenziert weder nach dem Gegenstand der Verfahren noch nach einzelnen Landesversicherungsanstalten. Es liegen der Bundesregierung daher auch keine Informationen darüber vor, bei wie vielen Sozialgerichtsverfahren zur Frage der Berufs- und Erwerbsunfähigkeitsrenten Rentenversicherungsträger in die nächste Instanz gegangen sind.
Zusatzfrage, bitte sehr.
Herr Staatssekretär, gesetzt den Fall, daß der begründete Verdacht bestehen könnte, daß sich die Sozialversicherungsanstalten in einzelnen Ländern beim Anrufen der nächsten Instanz bei den Sozialgerichten völlig unterschiedlich verhalten: Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, diesen Sachverhalt aufzuhellen?
Höpfinger, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Peter, ich nehme an, daß Sie auf die steigende Zahl der Sozialgerichtsfälle Bezug nehmen. Die Zahlen sind Ihnen bekannt. Aber dennoch darf ich sagen, daß sich ein Zusammenhang der Verfahren mit dem Gegenstand der Berufsunfähigkeits- und Erwerbsunfähigkeitsrenten nicht genau darstellen läßt. Aber das Ansteigen der Zahl von Sozialgerichtsfällen und von Berufungsverfahren allein kann nicht Grundlage einer Aussage darüber sein, ob nun Versicherungsträger bzw. Versicherte in die nächst höhere Instanz gehen; denn das Gesetz ist seit 1. Januar 1984 in Kraft, und die absoluten Zahlen sehen folgendermaßen aus: bei Berufsunfähigkeit 1984 202 827, 1985 171 321, d. h. also eine Ab-
19608 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 252. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 3. Dezember 1986
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Rede von: Unbekanntinfo_outline
nämlich 1984 2 255 607 Rentenleistungen und 1985 2 314 986, also eine Zunahme um 59 379. Der Gegenstand Berufsunfähigkeitsrente oder Erwerbsunfähigkeitsrente hat also unseres Erachtens nicht dazu beigetragen, die Zahl der Berufungsfälle bei Sozialgerichtsverfahren zu steigern.
Weitere Zusatzfrage des Abgeordneten Peter.
Herr Staatssekretär, sind Sie in der Lage, durch eine Umfrage bei den einzelnen Landessozialgerichten in diesem Zusammenhang über die vorliegenden Statistiken hinaus festzustellen, in wieviel Prozent der Fälle die Landesversicherungsanstalten in die nächste Instanz gegangen sind?
Höpfinger, Parl. Staatssekretär: Kollege Peter, diese Umfrage kann gemacht werden. Auf Grund der Umfrage können Ihnen dann auch die konkreten Zahlen mitgeteilt werden.
Zusatzfrage der Frau Abgeordneten Steinhauer, bitte sehr.
Herr Staatssekretär, wenn ich Sie richtig verstanden habe, haben Sie vorhin gesagt, bei den einzelnen Sozial- und Landessozialgerichten würden keine Statistiken über die Streitgegenstände geführt. Nach meiner Erinnerung werden bei den Arbeitsgerichten viel umfangreichere Statistiken über die Streitgegenstände, je nach dem, ob es sich um Lohnklagen, Leistungsklagen anderer Art, Kündigungsschutzklagen etc. handelt, geführt und diese auch weitergegeben. Würden Sie bereit sein, mal nachzufragen, warum, wenn das zutrifft, was Sie eben gesagt haben, dies nicht auch bei den Sozialgerichten gemacht wird, um eine bessere Übersicht zu haben, um was denn dort gestritten wird?
Höpfinger, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin Steinhauer, dieser Frage kann nachgegangen werden. Sie werden daraufhin auch Antwort bekommen.
Herr Staatssekretär, ich bedanke mich bei Ihnen, daß Sie bereit waren, auch jetzt noch die Fragen zu beantworten. Ich kann damit die Behandlung der Fragen aus diesem Geschäftsbereich abschließen.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern. Zur Beantwortung der Fragen steht uns der Parlamentarische Staatssekretär Spranger zur Verfügung.
Ich rufe zunächst die Frage 9 des Abgeordneten von Schmude auf. — Wenn ich das richtig sehe, ist der Herr Abgeordnete nicht im Saal. Es wird entsprechend der Geschäftsordnung verfahren. Die Frage 10 des Herrn Abgeordneten von Schmude kann ich aus diesem Grunde nicht aufrufen.
Ich rufe dann die Frage 11 des Abgeordneten Ströbele auf:
Gibt es Pläne oder Überlegungen der Bundesregierung oder sind der Bundesregierung solche Überlegungen anderer deutscher oder NATO-Stellen bekannt, wonach die Bundesregierung oder Teile der Bundesregierung im Verteidigungsfall aus dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ausgeflogen werden sollen, etwa in die USA oder dort nach Orlando?
Nein. Derartige Pläne oder Überlegungen bestehen nicht.
Im übrigen sieht die Bundesregierung keine akute Gefahr für eine bewaffnete Auseinandersetzung in Mitteleuropa. Unsere Außen- und Sicherheitspolitik ist ein Garant dafür, daß der Frieden auch zukünftig erhalten bleiben wird. Sollte uns jedoch trotzdem ein anderer Staat angreifen, so würde die Bundesregierung da bleiben, wo eine vom Vertrauen des Volkes getragene Regierung hingehört. Sie würde im Land bleiben.
Bitte sehr, Herr Abgeordneter.
Herr Parlamentarischer Staatssekretär sind der Bundesregierung Einschätzungen von Spezialisten bekannt, wonach der sogenannte Regierungsbunker an der Ahr nicht ausreichende Sicherheit bietet, weil sein Standort bekannt ist, weil der Standort frei zugänglich ist, weil die Planungen für diesen Bunker aus dem Zweiten Weltkrieg stammen, weil die Planungen auf Erfahrungen aus den 60er Jahren beruhen
und weil die Treffsicherheit und die Vernichtungskraft heutiger Waffen größer sind? Sind der Bundesregierung diese Einschätzungen bekannt, und wie steht die Bundesregierung dazu?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Ich weiß nicht, welche Spezialisten Sie jetzt meinen.
Aber daß man zu diesem Thema unterschiedlicher Meinung sein kann, ist sicherlich unbestritten. Die Bundesregierung teilt jedenfalls diese Wertungen, die Sie hier vorgetragen haben, nicht.
Herr Abgeordneter, noch eine Zusatzfrage, bitte sehr.
Herr Parlamentarischer Staatssekretär, ist der Bundesregierung bekannt, daß diese Bedenken sehr detailliert in der 16. Nummer des „Spiegel" 1984 dargelegt
und auch die Spezialisten genannt worden sind, die diese Bedenken haben?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Ich habe hier nicht über irgendwelche Zeitungsartikel Auskunft zu geben, sondern Ihre Frage zu beantworten. Dies ist in angemessener Weise erfolgt.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Rusche.
Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 252. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 3. Dezember 1986 19609
Herr Staatssekretär, Sie sagten, die vom Volk getragene Regierung wird im Lande bleiben. Könnten Sie das konkretisieren? Wird sie in dem angegebenen Bunker bleiben, oder wird sie hier in Bonn zur Verfügung stehen?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Ich glaube, daß ich mir bei der Auskunft, die ich gegeben habe, eine Konkretisierung ersparen kann.
Nun kommen wir zur Beantwortung der Frage 12 des Abgeordneten Ströbele, wenn sie nicht schon beantwortet worden ist.
Wie beurteilt die Bundesregierung entsprechende Presseveröffentlichungen Ende September 1986 ?
Bitte sehr.
Spranger, Parl. Staatssekretär: Herr Präsident, im Grunde trifft es zu, aber ich wiederhole: Entsprechende Presseveröffentlichungen beruhen auf Fehlinformationen.
Herr Ströbele, Sie haben eine Zusatzfrage.
Herr Parlamentarischer Staatssekretär, sind der Bundesregierung Evakuierungspläne für die Bundesregierung bekannt, die entsprechend ähnlichen Plänen der US-Streitkräfte vorsehen, die Bundesregierung im Bunker an der Loire in Frankreich oder in Beja in Portugal unterzubringen?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Sie wiederholen im Grunde in anderer Verkleidung Ihre Eingangsfrage. Ich wiederhole meine Antwort, die da lautet: Nein, derartige Pläne oder Überlegungen bestehen nicht.
Herr Abgeordneter Ströbele, Sie haben noch eine Zusatzfrage. — Sie verzichten? Dann hat der Abgeordnete Dr. Hirsch eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ist der Bundesregierung bekannt, wo sich der Minister Fischer im erweiterten Spannungsfall aufhalten wird?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Herr Abgeordneter Dr. Hirsch, das ist der Bundesregierung nicht bekannt; aber wenn sie Ihre Frage, auch als Anregung, sich danach zu erkundigen, verstehen soll, wird sie dies gerne tun.
Eine weitere Zusatzfrage, bitte sehr.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß sich die GRÜNEN zumindest im Bundestag — ich denke, daß es auch für grüne Minister und grüne Landtagsabgeordnete gilt — an diesen Katastrophenplänen und an diesen Notplänen, sich in irgendwelche Bunker zurückzuziehen, nicht beteiligt haben?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Die Position der GRÜNEN ist mir auch in dieser Frage zu unklar, als daß ich hier Ihre Unterstellung so oder so beantworten könnte.
Dem Abgeordneten Ströbele steht noch eine Zusatzfrage zu. Er ist Fragesteller und hat zwei Zusatzfragen.
Bitte sehr.
Herr Parlamentarischer Staatssekretär, ist Ihnen ein Fall bekannt, daß ein Abgeordneter der GRÜNEN etwa an einer Übung in diesem Bunker, dem sogenannten Regierungsbunker an der Ahr, beteiligt gewesen ist und mitgefahren ist?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Das ist mir nicht bekannt, aber das ist ja durchaus nicht auszuschließen.
Nun liegen keine Zusatzfragen mehr vor, und ich kann die Frage 13 des Abgeordneten Dr. Schwenk aufrufen.
Welche Zuständigkeiten hat die Bundesregierung zum Erlaß von Vorschriften, die Hersteller und Versicherer von Kraftfahrzeugen und Autoradios zu einer besseren Sicherung von Autoradios in Kraftfahrzeugen verpflichten, um der einschlägigen, immer stärker um sich greifenden Kriminalität zu begegnen, und gedenkt die Bundesregierung, von diesen Zuständigkeiten Gebrauch zu machen?
Herr Parlamentarischer Staatssekretär, Sie haben das Wort.
Spranger, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Dr. Schwenk, auf Grund der Gesetzgebungskompetenz des Bundes nach Art. 74 Nr. 11 und Nr. 22 des Grundgesetzes könnten Vorschriften in Betracht kommen, die Hersteller und Versicherer zur Sicherung von Autoradios in Kraftfahrzeugen vor Diebstahl zu verpflichten. Wie bereits in der Antwort vom 30. Oktober 1986 auf die kleine Anfrage der Fraktion der SPD ausgeführt, setzt die Bundesregierung zunächst auf freiwillige Maßnahmen der Kraftfahrzeug- und Autoradioindustrie sowie der Versicherungswirtschaft. Entsprechende Gespräche werden bereits seit einiger Zeit von Vertretern der Polizei von Bund und Ländern mit der Industrie und der Versicherungswirtschaft geführt.
Die führenden Autoradiohersteller haben inzwischen ihre Bereitschaft erklärt, künftig Autoradios mit einer unveränderbaren Kennzeichnung zu versehen. Die Bundesregierung gibt ihrer Hoffnung Ausdruck, daß sich weitere Hersteller anschließen. Die Bundesregierung geht davon aus, daß sich mit Einführung dieser Kennzeichnung die Diebstahlsfälle von Autoradios aus Kraftfahrzeugen verringern werden. Sie behält sich vor, gesetzgeberisch tätig zu werden, falls sich die aufgezeigte Lösung nicht auf freiwilliger Basis durchsetzt.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter, bitte schön.
19610 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 252. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 3. Dezember 1986
Herr Staatssekretär, verwundert es Sie nicht auch, daß die Bundesregierung immer noch auf Hoffnungen setzt, daß die Hersteller nun etwas tun werden und sich insbesondere einmal einigen werden, nachdem die Diebstahlskriminalität bezüglich der Autoradios schon seit langer Zeit besteht und inzwischen erschrekkende Ausmaße angenommen hat, u. a. auch deshalb, weil zahlreiche arbeitslose Jugendliche nunmehr, weil sie auch nicht mehr wissen, wie sie zu Geld kommen sollen, auf diesen Weg geführt werden, u. a, durch internationale Händlerbanden? Sind Sie nicht mit mir der Meinung, daß es Zeit würde, dagegen nun seitens der Bundesregierung tatsächlich auch einmal etwas zu tun und nicht nur die Zukunft abzuwarten?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Herr Dr. Schwenk, ich weise nochmals darauf hin, daß hier auch über die technischen Möglichkeiten intensive Gespräche mit den Sicherheitsbehörden, der Polizei, der Versicherungswirtschaft und den Herstellern solcher Autoradios geführt werden, die nach Einschätzung der Bundesregierung auch konkrete Möglichkeiten eröffnen. Wir sind der Ansicht, daß Ihrem Anliegen bei einer Umsetzung dieser Möglichkeiten entsprochen werden kann.
Weitere Zusatzfrage, bitte sehr.
Können Sie einen Zeithorizont geben, wie lange die Bundesregierung noch zuwarten will?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Ich kann hier keine Zeitvorstellung übermitteln. Daß auch uns das Problem auf den Nägeln brennt, ist klar. Wir hoffen, daß sich die Betreffenden so bald wie möglich konkret einigen. Ich sagte schon und darf das nochmals wiederholen, daß wir uns vorbehalten, gesetzgeberisch tätig zu werden, falls sich die aufgezeigte Lösung nicht auf freiwilliger Basis durchsetzt, und zwar nicht in langer Zeit, sondern in absehbarer, relativ kurzer Frist.
Danke schön.
Ich rufe dann die Frage 14 der Abgeordneten Frau Steinhauer auf:
Stimmt die Bundesregierung der in der Haushaltsdebatte am 27. November 1986 geäußerten Meinung zu, der Versorgungsstaat lähme die menschliche Eigeninitiative in bezug auf die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes und ihrer Versorgung?
Herr Staatssekretär, Sie haben das Wort.
Spranger, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin Steinhauer, die Bundesregierung kann weder der Haushaltsdebatte vom 27. November 1986 entnehmen, daß die von Ihnen zitierte Meinung in den Zusammenhang mit der Alterssicherung der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes gebracht worden ist, noch ist die Bundesregierung der Auffassung, daß diese Alterssicherung zur Gewährleistung eines angemessenen Lebensstandards nach einem erfüllten Arbeitsleben die menschliche Eigeninitiative in irgendeiner Weise lähmt.
Zusatzfrage, bitte sehr, Frau Abgeordnete.
Herr Staatssekretär, ich gehe davon aus, daß Sie sicherlich, wenn sonst nicht, dann auf Grund meiner Frage, das Protokoll vom 27. November gelesen haben, wo u. a. ein Abgeordneter der Koalition gesagt hat, daß „während Ihrer" — an uns gerichtet — „Regierungszeit ein Versorgungsstaat aufgebaut" war und daß noch bedenklicher die Lähmung der menschlichen Eigeninitiative war. Wenn dies nicht auf Versorgung im Alter zutrifft, wo soll dies irgendwie zutreffen, daß die menschliche Eigeninitiative durch Versorgung gelähmt wird?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Ich glaube nicht, daß Sie den Begriff des Versorgungsstaates, wie er hier von dem Kollegen Strube definiert worden ist, vom Inhalt her auf das Versorgungssystem des öffentlichen Dienstes übertragen können.
Eine weitere Zusatzfrage, Frau Abgeordnete.
Darf ich dann noch einmal nachfragen: Das lähmt also nach Auffassung der Bundesregierung nur anderswo die Eigeninitiative?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Das ist die Frage, was Sie unter einem Versorgungsstaat verstehen.
Wie ihn der Kollege Strube definiert hat, das ist seine Definition. Es gibt sicherlich auch andere Definitionen. Aber daß das nicht mit der Versorgung im öffentlichen Dienst identisch ist, ist sicherlich auch bei der Definition von Herrn Strube zu erkennen.
Zusatzfrage des Abgeordneten Niegel.
Herr Staatssekretär, könnte es so sein, daß Herr Kollege Strube seinerzeit gemeint hat, daß sich während der 13 Jahre der SPD/ FDP-Koalition ein versorgungsstaatliches Denken und eine Praxis eingeführt haben, die die Faulen belohnt und die Fleißigen bestraft hat?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Ich sehe mich in der Schwierigkeit, der Interpretation der Intentionen des Herrn Strube, die der Herr Kollege Niegel vorgenommen hat, in irgendeiner Form zuzustimmen oder hier Differenzierungen vorzunehmen. Ich möchte meinen, Herr Kollege Niegel, es ist nicht auszuschließen, daß Herr Kollege Strube das so gemeint hat, wie Sie es vorgetragen haben.
Im übrigen will ich mal darüber nachdenken, ob das nicht eine versteckte Dreiecksfrage war, Herr Abgeordneter Niegel.
So, nun hat die Abgeordnete Frau Weyel eine Zusatzfrage.
Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 252. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 3. Dezember 1986 19611
Herr Staatssekretär, kann die Bundesregierung vielleicht an einem Beispiel erläutern, was sie damit meint, wenn sie die Annahme des Abgeordneten Niegel übernimmt, daß die Faulen belohnt und die Fleißigen bestraft wurden'?
Das ist nun endgültig eine Dreiecksfrage. Das kann ich nun wirklich nicht mehr mitmachen. Bei aller Großzügigkeit, Herr Staatssekretär, Sie sind nicht gezwungen, diese Frage zu beantworten. — Zusatzfragen liegen nicht mehr vor.
Wir kommen nun zur Beantwortung der Frage 15 der Abgeordneten Frau Steinhauer.
Ist davon auszugehen, daß die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes wegen ihrer Versorgung in ihrer Eigeninitiative gelähmt sind, und wie wäre dies mit einem leistungsfähigen öffentlichen Dienst in Übereinstimmung zu bringen?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin Steinhauer, davon ist nicht auszugehen.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, könnten Sie sich auch vorstellen, daß die Versorgung im öffentlichen Dienst die Leistungsfähigkeit sogar anregt?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Ja, ich hoffe das doch!
Weitere Zusatzfrage.
Kann ich denn davon ausgehen, daß Versorgung auch ein Stück Freiheit ist und damit die Lebensfreude und die Eigeninitiative sogar stärkt?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Ich kann dem durchaus zustimmen.
Der Herr Abgeordnete Peter nimmt dies zur Veranlassung, noch eine Zusatzfrage zu stellen.
Herr Kollege Spranger, nachdem Sie dem im Blick auf das Versorgungssystem des öffentlichen Dienstes zustimmen, frage ich Sie: Gehe ich recht in der Annahme, daß Sie das bei anderen Altersversorgungssystemen ebenfalls nicht ausschließen?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Ich möchte klarstellen, daß die Frage der Versorgung im öffentlichen Dienst nicht identisch ist mit der Problematik, die von dem Kollegen Strube unter dem Stichwort „Versorgungsstaat" behandelt worden ist. Irgendwelche Schlußfolgerungen aus Vorzügen der Versorgung des öffentlichen Dienstes auf einen Vorzug des Versorgungsstaates wären unzulässig.
Die Abgeordnete Frau Weyel möchte eine Zusatzfrage stellen.
Herr Staatssekretär, könnte es sein, daß nicht die Angehörigen des öffentlichen Dienstes, sondern die Sozialhilfeempfänger mit den Leuten gemeint waren, die vom Versorgungsstaat falsch behandelt werden?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin Weyel, es steht mir nicht zu, die Intentionen des Abgeordneten Strube bei seinen Ausführungen am 27. November zu interpretieren oder zu rekonstruieren. Nach den wörtlichen Aussagen jedenfalls ist diese Intention nicht dargelegt worden.
Danke schön, Herr Staatssekretär. Damit ist Ihr Bereich abgeschlossen.
Ich rufe nun den Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen auf. Zur Beantwortung der Fragen steht uns der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Voss zur Verfügung.
Die Frage 16 des Abgeordneten Pfuhl wird auf dessen Wunsch schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Wir kommen nun gleich zu der Frage 17 des Abgeordneten Niegel:
Wie ist der Standpunkt der Bundesregierung bei den Absichten der Kommission der EG, das Sozialprodukt als Bemessungsgrundlage für die EG-Beiträge der Mitgliedstaaten zu nehmen?
Herr Staatssekretär, Sie haben das Wort.
Herr Kollege Niegel, nach den Beschlüssen des Europäischen Rates von Fontainebleau ist die EG-Kommission gehalten, „ein Jahr bevor der neue EG-Eigenmittelplafond erreicht wird, dem Rat einen Bericht mit einer Übersicht mit folgenden Angaben vorzulegen: Ergebnisse der Haushaltsdisziplin, Finanzbedarf der Gemeinschaft, Aufteilung der Haushaltslasten auf die Mitgliedstaaten unter Berücksichtigung ihres relativen Wohlstandes und die daraus zu ziehenden Folgerungen in bezug auf die Anwendung der Haushaltskorrekturen."
Soweit der Bundesregierung bekannt, wird die EG-Kommission diesen Bericht gegen Jahresende vorlegen. Gegenwärtig ist noch nicht abzusehen, ob und in welchem Maße sich die EG-Kommission in ihrem Bericht einzelne in der Presse zitierte Überlegungen über die künftige Finanzierung der Gemeinschaft zu eigen macht.
Die Bundesregierung wird ihre Vorstellungen zu den dann vorliegenden Vorschlägen zur Lösung der kurz- und mittelfristigen Fragen im Zusammenhang mit der EG-Finanzierung entwickeln und konkretisieren.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Niegel, bitte.
Herr Staatssekretär, wie würde sich denn, wenn man diese Kriterien zugrunde legt, die Finanzierung im Verhältnis zu der bisherigen Finanzierung in die Wirklichkeit umsetzen lassen? Kommt hier eine höhere Belastung auf
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Niegel
die Bundesrepublik Deutschland zu, oder verringert sich ihr Beitrag?
Dr. Voss, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Niegel, das ist im Moment hypothetisch. Aber ich kann so viel sagen, daß bei dieser von Ihnen angesprochenen Bemessungsgrundlage, die auch in der Presse wiedergegeben worden ist, ein hoher Milliardenbetrag zusätzlich von der Bundesrepublik Deutschland aufzubringen wäre.
Weitere Zusatzfrage, bitte.
Wie wird sich die Bundesregierung verhalten? Wird sie so etwas akzeptieren oder wird sie sagen, so etwas komme für die Bundesregierung nicht in Frage?
Dr. Voss, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Niegel, Sie werden verstehen, daß ich einer Entscheidung der Bundesregierung in dieser wichtigen Frage nicht vorgreifen kann. Aber Sie wissen, daß die Bundesregierung schon aus Gründen der nationalen Konsolidierung auf die Haushaltsdisziplin im EG-Bereich immer sehr großen Wert gelegt hat. Das wird sie auch in Zukunft tun.
Das veranlaßt den Abgeordneten Eigen zu einer Zwischenfrage.
Herr Staatssekretär, wie wird sich denn die Bundesregierung in Zukunft verhalten, wenn sich jetzt herausstellt, daß bei dieser Form der Finanzbeteiligung der Länder an den Kosten der EG z. B. neben der Bundesrepublik Deutschland — was von der Wirtschaftskraft her noch zu verstehen wäre — auch Portugal als zweiter Nettozahler erscheint? Könnte das denn wohl im Sinne des EG-Vertrages sein?
Dr. Voss, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Eigen, Sie werden verstehen, daß die Bundesregierung an erster Stelle die Finanzprobleme und Finanzinteressen der Bundesrepublik Deutschland zu sehen hat. Es ist klar, daß darüber hinaus natürlich die von Ihnen angesprochene Frage im europäischen Rahmen eine Rolle spielen wird.
Zusatzfragen werden nicht gewünscht.
Die Frage 18 des Abgeordneten Stiegler und die Frage 19 des Abgeordneten Dr. Kübler werden auf deren Wunsch schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich rufe die Frage 20 des Abgeordneten Collet auf:
Woher nehmen nacheinander Bundesminister Genscher —1. Oktober 1986 —, Staatsminister Vogel — 5. November 1986
— und Bundesminister Dr. Bangemann — 8. November 1986
— die Zuversicht, wenn sie zu den angegebenen Daten in Pressemeldungen erklären bzw. erklären lassen, daß sich die Arbeitnehmer bei den Stationierungsstreitkräften in Rheinland-Pfalz, aber auch in anderen Bundesländern, um ihre Arbeitsplätze keine Sorgen machen müssen, wenn sie als Mitglieder der Bundesregierung an anderer Stelle selbst ein-
räumen, daß die Amerikaner derzeit durch eine Studie überprüfen lassen, welche Dienstleistungen an private Kontraktfirmen vergeben werden sollen?
Herr Staatssekretär, Sie haben das Wort.
Dr. Voss, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Collet, die Bundesregierung hat sich bei ihren Äußerungen zu Überlegungen der US-Stationierungsstreitkräfte, für Versorgungsleistungen private Unternehmen zu beauftragen, auf die Mitteilung des US-Hauptquartiers in Heidelberg gestützt.
Das Hauptquartier hat wiederholt versichert, daß Entscheidungen noch nicht getroffen und eventuelle Auswirkungen auf die Beschäftigten noch nicht zu übersehen seien. Mit Entlassungen in größerem Umfang sei aber keinesfalls zu rechnen, zumal es bei Privatisierungen in der Vergangenheit in den meisten Fällen gelungen ist, die hiervon betroffenen Arbeitnehmer anderweitig weiterzubeschäftigen.
Soweit ich sehe, enthalten die Äußerungen von Mitgliedern der Bundesregierung keine anderen Wertungen, Herr Kollege.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Collet.
Herr Staatssekretär, haben Sie mit mir den Eindruck, daß man bei den Besuchen der Regierungsmitglieder im Bereich der Westpfalz dort mit „weißer Salbe" operiert und sich nur auf eine Äußerung des US-Hauptquartiers in Heidelberg — ich weiß nicht, von wem — beruft, während parallel dazu die entsprechenden Maßnahmen bereits in die Wege geleitet werden?
Dr. Voss, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Collet, ich habe nicht den Eindruck, den Sie hier gerade schildern, denn wir stehen mit dem US-Hauptquartier in ständigem Kontakt. Das deckt genau das, was ich in meiner Antwort soeben wiedergegeben habe.
Weitere Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, sind Ihnen in den Fällen, in denen private Kontraktfirmen an Stelle der direkt beschäftigten Arbeitnehmer angeheuert wurden, die Auswirkungen hinsichtlich der Sicherheit und der sozialen Bedingungen bekannt, die dann nachher gelten?
Dr. Voss, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, mir ist bekannt, daß es auf Grund der Bemühungen, die in solchen Fällen jeweils angestellt wurden, zu einem Ergebnis gekommen ist, das im großen und ganzen als befriedigend anzusehen ist.
Herr Abgeordneter Stahl .
Herr Staatssekretär, kann ich Ihrer Antwort entnehmen, daß die großen Sorgen und auch die artikulierten Proteste der Gewerkschaften und Arbeitnehmer in diesem Bereich nun vollkommen ohne Hintergrund sind?
Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 252. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 3. Dezember 1986 19613
Dr. Voss, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, daß es bei den hier in Rede stehenden Fällen und Problemen natürlich Schwierigkeiten gibt, wird von niemandem bestritten. Die Bundesregierung hat aber bisher das Ihrige getan und wird es auch in Zukunft tun, um die Probleme so gering wie möglich zu halten und den hier betroffenen Arbeitnehmern das zukommen zu lassen, was möglich ist, damit sie nicht in irgendwelche Schwierigkeiten geraten.
Ich rufe die Frage 21 des Abgeordneten Collet auf, die auch noch einmal auf diesen Fragenkomplex eingeht:
Warum ist die Bundesregierung nicht bereit, für diese deutschen Arbeitnehmer eine Fürsorgepflicht hinsichtlich ihrer Arbeitsplätze zu übernehmen, obwohl diese in den meisten Fällen schon seit vielen Jahren im gleichen Verteidigungsbündnis — also im deutschen öffentlichen Interesse — tätig sind wie die Zivilbeschäftigten der Bundeswehr?
Bitte sehr.
Dr. Voss, Parl. Staatssekretär: Nach den tariflichen Bestimmungen haben die Arbeitnehmer bei den Stationierungsstreitkräften im Falle des Arbeitsplatzverlustes infolge von Privatisierungen oder Rationalisierungen einen Anspruch auf Unterbringung auf einem anderen freien Arbeitsplatz. Sofern eine Unterbringung nicht möglich ist, wird, nach Alter und Beschäftigungszeit gestaffelt, eine Abfindung gezahlt.
Diese Regelung entspricht im wesentlichen den Schutzbestimmungen, die es in der gewerblichen Wirtschaft gibt.
Darüber hinaus hat die Bundesregierung schon 1971 einen Tarifvertrag zur sozialen Sicherung der Arbeitnehmer bei den Stationierungsstreitkräften abgeschlossen, der im Falle von Entlassungen infolge der Auflösung oder Verlegung von Dienststellen aus militärischen Gründen finanzielle Hilfen zur Einkommenssicherung, unter Umständen bis zum Rentenalter, gewährt, und zwar aus Mitteln des Bundes. Außerdem sollen Arbeitnehmer, die aus diesen Gründen entlassen werden, bei der Einstellung in den deutschen öffentlichen Dienst bevorzugt berücksichtigt werden.
Soweit es in ihren Kräften steht, wirkt die Bundesregierung bei den Stationierungsstreitkräften auf eine Willensbildung hin, die den Interessen der deutschen Beschäftigten dient bzw. sie angemessen berücksichtigt.
Zusatzfrage, bitte sehr.
Nach all dem, was Sie ausgeführt haben, muß ich zunächst zweifeln, ob Sie die gleiche Drucksache haben wie ich, Herr Staatssekretär. Denn ich muß nun die Frage, die hier gedruckt steht, noch einmal wörtlich stellen: Warum ist die Bundesregierung nicht bereit, für diese deutschen Arbeitnehmer eine Fürsorgepflicht hinsichtlich ihrer Arbeitsplätze zu übernehmen, obwohl diese — in den meisten Fällen schon seit Jahren — im gleichen Verteidigungsbündnis — das wollen wir doch alle, dieser Bundestag und die Bundesregierung, die GRÜNEN ausgenommen — und damit im deutschen öffentlichen Interesse, wenn auch nicht im öffentlichen Dienst, wie die Zivilbeschäftigten der Bundeswehr tätig sind? Das war die Frage; Sie haben sie nicht beantwortet.
Dr. Voss, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, das ist nach den gesetzlichen Bestimmungen des NATO-Truppenstatutes und der Zusatzbestimmungen nicht möglich. Eine Gleichstellung dieser Arbeitnehmer mit Arbeitnehmern des öffentlichen Dienstes ist damit nicht möglich.
Weitere Zusatzfrage.
Auch das habe ich nicht gefragt. Ich habe nicht nach der Gleichstellung mit dem öffentlichen Dienst und danach gefragt, ob Sie die Fürsorgepflicht ähnlich wie für die im öffentlichen Dienst Tätigen übernehmen wollen, nachdem Sie sicher mit mir nicht bestreiten wollen, daß diese Beschäftigten im deutschen öffentlichen Interesse, als im gleichen Bündnis, im Interesse unseres Landes tätig sind.
Dr. Voss, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich habe Ihnen eben die sozialen Absicherungsmöglichkeiten geschildert, die seit 1971 bestehen. Darüber hinauszugehen ist aus verschiedenen Gründen nicht möglich.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Stahl.
Herr Staatssekretär, nun haben wir Ihre Ausführungen bezüglich der sehr guten Absicherung — so habe ich Sie verstanden — der Arbeitnehmer in diesem Bereich gehört. Darf ich Sie fragen, wie hoch die Zahl der bisherigen Fälle, die aus dieser außerordentlich guten Absicherung bedient wurden, insgesamt seit Inkrafttreten dieser Vereinbarung ist.
Dr. Voss, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, das ist eine Frage, die ich Ihnen jetzt zahlenmäßig nicht beantworten kann. Ich kann Ihnen die Antwort gerne nachreichen; das werden wir feststellen.
Weitere Zusatzfrage.
Herr Parlamentarischer Staatssekretär, wenn Sie erklären, Sie hätten keine Möglichkeit, die Fürsorgepflicht für Deutsche, die bei Streitkräften der Partnerstaaten beschäftigt sind, auszuüben, dann frage ich Sie: Wer soll denn dann deren Interessen vertreten?
Dr. Voss, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, Sie haben meine Antwort falsch interpretiert. Ich habe gesagt: Über das hinaus, was es seit dem Jahre 1971 gibt, sind weitere Absicherungen aus verschiedenen Gründen nicht möglich. Zu einem Punkt habe ich eben auf die Frage des Herrn Kollegen Collet hier näher etwas ausgeführt.
Herr Abgeordneter Menzel, eine Zusatzfrage.
19614 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 252. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 3. Dezember 1986
Herr Staatssekretär, wären Sie in der Lage, die verschiedenen Gründe anzugeben, die Sie daran hindern, die bei den ausländischen Streitkräften Beschäftigten mit den bei deutschen Dienststellen im öffentlichen Dienst Beschäftigten gleichzustellen? Wären Sie in der Lage, diese Gründe zu nennen?
Dr. Voss, Parl. Staatssekretär: Ja, ich kann Ihnen die Gründe nennen: Es ist das NATO-Truppenstatut, es sind die Zusatzvereinbarungen zum NATOTruppenstatut.
es sind die Unvergleichbarkeiten, die zwischen diesen Arbeitnehmern und dem öffentlichen Dienst bestehen und einige Gründe mehr, Herr Kollege. Das sind die wichtigsten Gründe.
Weitere Zusatzfragen liegen nicht vor. Herr Parlamentarischer Staatssekretär Dr. Voss, ich bedanke mich bei Ihnen und schließe diesen Geschäftsbereich.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft auf. Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Sprung zur Verfügung.
Die Fragen 22 und 23 können nicht beantwortet werden, da der Abgeordnete Tischer nicht im Saal ist.
Wie schätzt die Bundesregierung die kurz- bzw. mittelfristige Preisentwicklung auf dem Weltkohlemarkt ein, und welche Konsequenzen ergeben sich daraus für den deutschen Steinkohlenbergbau?
Herr Staatssekretär Dr. Sprung, Sie haben das Wort.
Herr Kollege Wolfram, der Weltkohlemarkt ist gegenwärtig ein ausgeprägter Käufermarkt mit entsprechend hartem Preiswettbewerb. Diese Situation wird zusätzlich durch den Ölpreisrückgang verschärft, auf den insbesondere die Kesselkohleanbieter preisanpassend reagiert haben. Auf dem deutschen Markt wirkten sich der Wettbewerb zwischen den Kohleanbietern, der Ölpreisrückgang und der gesunkene Dollarkurs kumulierend preissenkend auf den Wettbewerbspreis aus. Aus heutiger Sicht ist kurzfristig eine wesentliche Änderung nicht abzusehen. Ob diese Preisentwicklung mittelfristig von Dauer sein wird, läßt sich nicht abschätzen. Dies gilt insbesondere wegen der Unsicherheitsfaktoren Dollarkurs und Ölpreisentwicklung. Die Preisentwicklung auf dem Weltkohlemarkt hat für den deutschen Steinkohlebergbau in seinen Hauptabsatzbereichen Elektrizitätswirtschaft und Stahlindustrie keine unmittelbaren Auswirkungen. Hüttenvertrag und Jahrhundertvertrag und deren finanzielle Flankierung durch die öffentliche Hand gewährleisten grundsätzlich die Absatzposition der heimischen Kohle. Im Wärmemarkt unterliegt die heimische Kohle allerdings auf
Grund der generell gesunkenen Energiepreise einem verstärkten Wettbewerb.
Zusatzfrage, bitte schön.
Herr Parlamentarischer Staatssekretär Dr. Sprung, könnten Sie im Namen der Bundesregierung meine Erwartung bestätigen, daß zwei Ölkrisen und die Erfahrungen, die wir damit gemacht haben, uns zwingen müßten, einen ausreichenden Sockel heimischer Steinkohlekapazität zur Sicherung der zukünftigen Versorgung zu erhalten?
Dr. Sprung, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Wolfram, genauso verfährt die Bundesregierung. Ich habe auf die Maßnahmen hingewiesen, die deshalb ergriffen werden.
Weitere Zusatzfrage.
Ich darf also davon ausgehen, daß Sie sagen: Das, was jetzt Förderkapazität ist, bleibt nach unserem gemeinsamen Ziel erhalten. Ich schließe daran die Frage an: Gibt die Bundesregierung zu, daß die finanziellen Folgen zweier Ölkrisen unsere Volkswirtschaft ein Vielfaches dessen gekostet haben, was dem Bergbau an Hilfen gewährt wird?
Dr. Sprung, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Wolfram, ich wiederhole einen Satz aus meiner Antwort: Hüttenvertrag und Jahrhundertvertrag und deren finanzielle Flankierung durch die öffentliche Hand gewährleisten grundsätzlich die Absatzposition der heimischen Kohle.
Zusatzfrage des Abgeordneten Menzel.
Ich wiederhole die Frage, die Kollege Wolfram gestellt hat. Ist die Bundesregierung der Ansicht, daß, um Energieversorgungssicherheit zu erhalten, die Förderung im Steinkohlebergbau mindestens im jetzigen Umfang unbedingt erhalten werden muß?
Dr. Sprung, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Menzel, ich habe die Antwort auf die Frage erteilt, wie die Bundesregierung die Situation sieht. Die beiden Verträge, die ich genannt habe, leisten einen Beitrag dazu, daß die Absatzposition der heimischen Kohle grundsätzlich gewährleistet ist.
Zusatzfrage des Abgeordneten Stahl .
Herr Staatssekretär, Sie sprachen in Ihrer Antwort auf die Frage des Kollegen Wolfram von einem notwendigen Sockel der Eigenversorgung der heimischen Wirtschaft im Energiebereich mit Steinkohle. Können Sie diesen Sockel, den Sie als notwendig bezeichnet haben, vor I dem Deutschen Bundestag in Tonnen beziffern?
Deutscher Bundestag — 10. ahlperiode — 252. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 3. Dezember 1986 19615
Dr. Sprung, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Stahl, aus dem Jahrhundertvertrag ergibt sich, um welche Menge es sich handelt. Die Mengenregelung ist Ihnen bekannt. Aus dem Hüttenvertrag ergibt sich ebenfalls ein gewisses Absatzvolumen; auch dies ist Ihnen bekannt. Das sind die Zahlen, die wir Ihnen nennen können. Im übrigen gibt es eine Entwicklung am Markt. Es gibt eine Entwicklung auch in der Stahlindustrie. Diese Entwicklungen haben natürlich Rückwirkungen auf den Absatz der Kohle. Dies steht wohl außer Zweifel.
Zusatzfrage des Abgeordneten Beckmann.
Herr Staatssekretär, teilen Sie meine Auffassung, daß die Aufwendungen, die die Bundesregierung in Höhe von 17,5 Milliarden DM für die deutsche Steinkohle im Zeitraum von 1983 bis 1986 gemacht hat, ein klarer Ausweis ihrer positiven Haltung zur deutschen Steinkohle sind und daß gleichzeitig die Haushaltsansätze 1987, insbesondere die Erhöhung der Kokskohlenbeihilfe um 900 Millionen DM, sowie die Aussagen des Bundeskanzlers kürzlich in Haltern in Westfalen klar und eindeutig darlegen, daß die Haltung der Bundesregierung zur deutschen Steinkohle nach wie vor unverändert ist?
Dr. Sprung, Parl. Staatssekretär: Ich teile diese Auffassung nicht nur, sondern ich unterstreiche sie nachdrücklich. Der Bundeskanzler und der Bundeswirtschaftsminister haben in den letzten Wochen mehrfach deutlich gemacht, daß alles für die deutsche Steinkohle getan wird, was nur getan werden kann. Die finanziellen Leistungen für die deutsche Steinkohle werden im nächsten Jahr höher sein, als sie je gewesen sind. Die Steigerungsraten, Herr Wolfram, sind Ihnen bekannt.
Herr Abgeordneter Stahl, Sie haben nicht das Wort.
Dr. Sprung, Parl. Staatssekretär: Herr Wolfram, Sie kennen die Zahlen. Die Kokskohlenbeihilfe wird im nächsten Jahr um 900 Millionen DM steigen, nämlich von 1,4 auf 2,3 Milliarden DM. Das ist eine Aufstockung gegenüber 1983 auf das Vierfache. Die Ausgaben des Verstromungsfonds werden bei etwa 3 Milliarden DM liegen, d. h. gegenüber 1983 eine Steigerung von 43 % erreichen. Ich darf auf die nationale Kohlereserve hinweisen, die für zwei Jahre weiterhin beim Bund verbleiben wird
und dann zu Preisen zurückgenommen wird, die ebenfalls eine entscheidende Entlastung der Kohleunternehmen zur Folge haben werden.
Ich meine, diese Zahlen zeigen, was die Bundesregierung für die Kohle tut.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Schreiner.
Herr Staatssekretär, teilen Sie die Auffassung des Sprechers der CSU-Landesgruppe im Deutschen Bundestag, Herrn Dr. Waigel, der vor einigen Wochen anläßlich einer Wahlveranstaltung in Dillingen gesagt hat, die Förderung der deutschen Steinkohle sei in absehbarer Zeit auf 70 Millionen Jahrestonnen abzusenken?
Dr. Sprung, Parl. Staatssektretär: Ich kenne die Äußerung von Herrn Waigel nicht.
— Ich habe auf diese Frage — nicht Ihnen, aber den anderen Fragestellern — bereits eine Antwort gegeben.
Herr Abgeordneter Reuschenbach, eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, sehen Sie es auch so, daß die Rückführung des Kokskohlenexports in andere EG-Länder, worauf die Bundesregierung in den letzten zwei Jahren ganz stark hingewiesen hat, schon die ersten dramatischen Auswirkungen durch die Stillegung von drei Kokereien mit sich gebracht hat?
Dr. Sprung, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Reuschenbach, diese Stillegungen sind mir nicht bekannt.
— Ich kann nicht alle Zeitungen, die im Bundesgebiet erscheinen, lesen.
Sicherlich gibt es dafür möglicherweise auch andere Gründe. Ich kann jetzt nicht beurteilen, welche Gründe dafür ausschlaggebend gewesen sind, daß diese drei Kokereien ihre Tätigkeit einstellen mußten.
Es steht Ihnen frei, dazu eine neue Frage einzureichen, Herr Abgeordneter.
Nun hat der Herr Abgeordnete Müller die Möglichkeit zu einer Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, wie beurteilen Sie die ständig wiederholte Behauptung der saarländischen Landesregierung, insbesondere des Ministerpräsidenten, die nach meiner
19616 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 252. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 3. Dezember 1986
Müller
Meinung absolut falsch ist, daß der Energiebericht dieser Bundesregierung so zu interpretieren sei, daß er die Aufforderung zu Grubenschließungen beinhalte?
Dr. Sprung, Parl. Staatssekretär: Davon kann nicht die Rede sein. Der Energiebericht enthält solche Aussagen nicht, auch nicht im Ansatz, auch nicht als Schlußfolgerung aus den Aussagen, die im Energiebericht gemacht werden.
Nun noch eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Roth.
Herr Staatssekretär, unabhängig von der Kenntnis der Aussagen von unserem Kollegen Dr. Waigel: Würden Sie eine Absenkung auf 70 Millionen Jahrestonnen für einen Bruch mit der bisherigen Kohlepolitik aller Bundesregierungen halten?
Dr. Sprung Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Roth, die Kohlepolitik der Bundesregierung ist im Energiebericht sehr ausführlich beschrieben worden. Daraus — ich wiederhole es — kann nicht der Schluß gezogen werden, daß sich gewisse Mengenveränderungen in der Produktion ergeben.
Herr Abgeordneter Roth, Sie mögen das so bewerten. Ihre Frage geht weit über das hinaus, was in der Frage 25 des Abgeordneten Wolfram gefragt worden ist. Nur mit Rücksicht darauf, daß die anschließenden Fragen den gleichen Sachverhalt betreffen, habe ich mir erlaubt, nicht einzugreifen. Ich erlaube mir nun die Frage, Herr Abgeordneter Wolfram, nachdem ich den Eindruck habe, daß Ihre Frage 25 schon beantwortet ist, ob sie auf der Beantwortung bestehen.
Ich bestehe auf Beantwortung.
Dann rufe ich die Frage 25 des Herrn Abgeordneten Wolfram auf:
Teilt die Bundesregierung die Auffassung der Fraktion der SPD, daß auf Grund der erheblichen Risiken auf den Weltenergiemärkten die nationale Energieversorgung nur dann zu sichern ist, wenn die bisherige Kohlevorrangpolitik mit allen Instrumenten konsequent fortgeführt wird?
Bitte sehr, Herr Staatssekretär.
Dr. Sprung, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Wolfram, die gesamte Energiepolitik der Bundesregierung ist auf die Sicherung der Energieversorgung der Bundesrepublik Deutschland gerichtet. Ihre Kohlepolitik ist ein wichtiger Teil dieser Politik. Aber nur in Verbindung mit der Einsparpolitik und der optimalen Nutzung aller anderen Energieträger einschließlich der Kernenergie kann die Versorgungssicherheit erreicht werden. Die Bundesregierung hat in der abgelaufenen Legislaturperiode die zur Erreichung der Ziele ihrer Kohlepolitik notwendigen Instrumente eingesetzt, z. B. durch die Zusage einer finanziellen Flankierung des Hüttenvertrages bis zum Jahr 2000. Sie hat in ihrem Energiebericht vom 24. September 1986 unzweideutig erklärt, daß sie diese Kohlepolitik im Interesse der Versorgungssicherheit und der in den Steinkohlerevieren arbeitenden Menschen fortsetzen wird.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, unabhängig davon, daß Ihre pauschalen Aussagen nicht stimmen — Sie wissen, Sie streichen die Investitionshilfe und die Innovationsbeihilfe — —
— Reden Sie doch keinen solchen Unsinn, verehrter Herr Kollege. Sie wissen, daß die Faktoren von uns gar nicht zu beeinflussen sind, sondern daß das vom Weltmarktenergiepreis und vom Dollarkurs abhängt.
Ich darf die Abgeordneten darauf aufmerksam machen, daß wir keine Diskussion untereinander, sondern eine Fragestunde haben. — Bitte sehr.
Ich komme mit dem Fragezeichen noch rechtzeitig, Herr Präsident.
Unabhängig davon, daß das, was Sie sagen, nicht stimmt, und unabhängig davon, daß wir erwarten dürfen, daß die Fragestunde zur Klärung offener Fragen beiträgt, frage ich Sie: Warum spricht die Bundesregierung in dem von Ihnen so viel zitierten Energiebericht nicht mehr von einer Kohlevorrangpolitik, und ist sie bereit, die laufenden Anpassungsmaßnahmen — die ja noch bis 1988 gehen — mit ihren Auswirkungen damit zu beenden, oder plant sie schon die nächsten Stillegungsschritte?
Dr. Sprung, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Wolfram, es kommt sicherlich nicht auf den Begriff an, der verwandt wird, nicht auf die Worte, sondern auf den Inhalt, auf das, was inhaltlich ausgesagt wird, auf die Maßnahmen, die ergriffen werden. Ich habe die Maßnahmen genannt. Ich habe darauf hingewiesen, daß die Zahlungen für die Kohle im nächsten Jahr zunehmen und nicht abnehmen werden. Ich glaube, darin schlägt sich nieder, daß die Bundesregierung den bisherigen Kurs in der Kohlepolitik beibehalten und daran nichts ändern wird.
Weitere Zusatzfrage des Abgeordneten Wolfram.
Herr Parlamentarischer Staatssekretär, Sie müßten eigentlich bestätigen, daß Sie den gemeinsamen Kurs längst verlassen haben. Aber ich frage Sie jetzt noch einmal
Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 252. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 3. Dezember 1986 19617
Wolfram
konkret: Wenn wir an der Kohlevorrangpolitik festhalten — dieses Wort haben Sie wieder nicht in den Mund genommen —, sind Sie dann bereit, die Ihnen bekannten Forderungen der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion zu unterstützen, um dem heimischen Bergbau die Chance zu geben, in einer zugegebenermaßen schwierigen Zeit über die Runden zu kommen, um für den Fall einer nächsten Krise seinen Beitrag zu einer optimalen Versorgungssicherheit erfüllen zu können?
Dr. Sprung, Parl. Staatsekretär: Herr Wolfram, daß die Bundesregierung Maßnahmen ergriffen hat,
daß sie Leistungen für die Kohle erbringt, ist Garantie dafür, daß die Versorgungssicherheit der Bundesrepublik Deutschland, was die Kohle anlangt, auch für die Zukunft gegeben ist. Dieses Thema haben Sie angesprochen. Das ist das Ziel, das Sie genannt haben. Dieses Ziel wird erreicht werden.
Zusatzfrage des Abgeordneten Menzel.
Herr Staatssekretär, da Sie sich bei Ihrer Auskunft bewußt oder unbewußt nicht klar ausdrücken, darf ich Sie fragen: Wie ist die Formulierung im Energiebericht, daß die Förderung auf die kostengünstigsten Anlagen zu konzentrieren ist, zu deuten? Was steht dahinter?
Dr. Sprung, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Menzel, auch Sie wissen, daß es beispielsweise Gruben gibt, die auslaufen.
In diesen Fällen gibt es nun wirklich keine Möglichkeit, die Tätigkeit solcher Gruben fortzusetzen. Auch das ist sicherlich darunter zu verstehen.
Zusatzfrage des Abgeordneten Stahl.
Herr Staatssekretär, ist die von dem Kollegen Schreiner genannte Zahl von Herrn Waigel,
einem exponierten Vertreter der derzeitigen Regierungskoalition, nämlich einen neuen Plafond von etwa 70 Millionen Jahrestonnen bei Steinkohle zu schaffen, im Kabinett oder im Umfeld des Kabinetts dieser Bundesregierung schon einmal angesprochen bzw. besprochen oder zumindest bewußt spekulativ in die Öffentlichkeit gegeben worden?
Dr. Sprung, Parl. Staatssekretär: Ich halte es für ausgeschlossen, daß solch eine Zahl genannt worden ist.
Zusatzfrage des Abgeordneten Beckmann.
Herr Staatssekretär, halten Sie die seitens der SPD bekanntgewordenen Pläne, insbesondere die von der Hamburger SPD vorgesehene Verstromung von Importkohle nach Abschalten von Kernkraftwerken,
und auch das, was Herr Hauff auf dem Parteitag der SPD in Nürnberg über die zusätzliche Verwendung von Importkohle gesagt hat, für einen Beitrag zur nationalen Energieversorgung mit Hilfe der heimischen Steinkohle?
Dr. Sprung, Parl. Staatssekretär: Wenn es zu einem Ersatz heimischer Steinkohle führen würde, wäre das sicherlich nicht vereinbar.
Zusatzfrage des Abgeordneten Müller.
Herr Staatssekretär, teilen die Bundesregierung und die sie tragenden Parteien — wozu auch der Abgeordnete Waigel gehört, der im übrigen die Aussage, die hier in den Raum gebracht wird, so nicht getan hat — —
— Da ich bei der Pressekonferenz dabei war, auf die hier abgehoben ist, kann ich diese Aussage machen. Teilen Sie meine Auffassung, Herr Staatssekretär, daß diese Kohlevorrangpolitik, so wie sie bisher betrieben worden ist und wie sie auch weiterhin von der Bundesregierung beabsichtigt ist, doch stark gefährdet ist durch den Tatbestand, daß die SPD und die SPD-geführten Bundesländer dabei sind, den Konsens, der zu dieser Kohlevorrangpolitik geführt hat, aufzugeben?
Dr. Sprung, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Müller, wir würden es für außerordentlich wünschenswert halten, wenn wir zu einem Konsens in der Energiepolitik zurückkehren könnten.
Zusatzfrage des Abgeordneten Schreiner.
19618 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 252. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 3. Dezember 1986
Herr Staatssekretär, da Sie eben noch auf eine entsprechende Frage gesagt hatten, die Bemerkung im Energiebericht der Bundesregierung, wonach die Förderung auf die kostengünstigen Zechen zu konzentrieren sei, sei auch so zu verstehen, daß auslaufende Gruben nicht gehalten werden sollten: Was bedeutet in diesem Zusammenhang das „auch", und können Sie hier kategorisch ausschließen, daß die Bundesregierung aus rein finanziellen Erwägungen daran denkt, Gruben zu schließen?
Dr. Sprung, Parl. Staatssekretär: Das letztere ist sicherlich richtig, was Sie gesagt haben. Aus solchen Erwägungen allein würde dies ganz gewiß nicht passieren.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe die Frage 26 des Abgeordneten Menzel auf:
Hält die Bundesregierung die Verdrängung der Braunkohle aus der Stromerzeugung angesichts der Tatsache für vertretbar, daß Strom aus Braunkohle eindeutig billiger ist, als Strom aus — zumal neuen — Kernkraftwerken?
Dr. Sprung, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Menzel, die Bundesregierung ist nicht der Auffassung, daß der Rückgang der Stromerzeugung aus Braunkohle in diesem und im vergangenen Jahr als Verdrängung der Braunkohle aus der Stromerzeugung gewertet werden kann. Die Menge der verstromten Braunkohle unterlag auch in früheren Jahren Schwankungen. Weder ist Braunkohleförderkapazität zurückgenommen worden, noch hat das Elektrizitätsversorgungsunternehmen, von dem hier die Rede ist, nämlich RWE, Braunkohlekraftwerkskapazitäten durch Kernkraftwerkskapazitäten ersetzt. Der Rückgang der Braunkohleverstromung beruht nach den der Bundesregierung vorliegenden Informationen vor allem auf einem Rückgang der Gesamtstromabgabe des RWE in der Größenordnung von über 5%, für die neben der allgemeinen Abschwächung des Stromverbrauchs eine höhere Stromerzeugung bei Kunden und Weiterverteilern des RWE im Gefolge des Verfalls der Ölpreise ursächlich ist. Eine Rolle gespielt haben ferner die zeitlichen Begrenzungen des Einsatzes auf Grund der Großfeuerungsanlagen-Verordnung für die Braunkohlekraftwerke, die wegen ihres Alters nicht mit Rauchgasreinigungsanlagen nachgerüstet werden, und die Mindererzeugung auf Grund der Montagearbeiten an den Rauchgasentschwefelungsanlagen bzw. des auslaufenden Versuchsprogramms zur Verringerung von Stickoxidemissionen.
Die Anpassung der Stromerzeugung an den geringeren Bedarf war im übrigen nicht auf die Braunkohle beschränkt. Vielmehr wurde auch der Einsatz der Kernkraftwerke zurückgenommen. Für beide Stromerzeugungsarten sind die anfallenden Kosten etwa gleich hoch. Ausgenommen von einer Anpassung wurde allerdings die Verstromung aus heimischer Steinkohle wegen der insoweit bestehenden Verpflichtung aus dem Jahrhundertvertrag. Ich glaube, dieser letzte Satz ist wichtig, auch im
Hinblick auf die Diskussion, die wir gerade geführt haben. Er macht deutlich, daß wir an der bisherigen Politik festhalten.
Zusatzfrage, bitte sehr.
Herr Staatssekretär, da Sie soeben auf den Rückgang des Stromabsatzes hingewiesen haben und vorhin gesagt haben, daß zur Energiepolitik der Bundesregierung auch die optimale Nutzung der Kernkraft gehört, frage ich Sie: Welche Kapazitäten sollen denn durch die Kernkraftwerke, die im Bau sind und wohl noch ans Netz gehen sollen, ersetzt werden?
Dr. Sprung, Parl. Staatssekretär: Ich habe darauf hingewiesen, Herr Kollege, daß RWE auch deshalb diesen Rückgang im Stromabsatz gehabt hat, weil einige Braunkohlekraftwerke wegen ihres Alters aus der Produktion ausscheiden werden, ausscheiden deshalb, weil sie nicht nachgerüstet werden können. Das bedeutet, daß automatisch ihre Produktion zurückgefahren werden muß, weil sie in der Stromerzeugung künftig beschränkt sein werden. Das ist sicherlich ein Bereich, in dem die noch auf den Markt kommenden Strommengen ihren Absatz finden könnten.
Ihre zweite Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, da sich die installierte Leistung sowohl bei der Braunkohle als auch bei der Steinkohle — aber wir reden ja jetzt von der Braunkohle — nicht wesentlich verändert hat und der Stromzuwachs nicht so groß sein wird — das kann man ja mit Sicherheit prognostizieren —, daß die Kraftwerkskapazitäten, die im Bau sind, zusätzlich erforderlich sind, stellt sich doch die Frage: Wie soll die Kernkraft optimal genutzt werden, und zu wessen Lasten soll das gehen? Die Steinkohle können wir ausnehmen; deren Beschäftigung wird nicht größer und nicht kleiner werden.
Dr. Sprung, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Menzel, auch Sie wissen, daß die Zahl der Kernkraftwerke, die noch ans Netz gehen werden, außerordentlich klein ist. Ich habe die genaue Zahl jetzt nicht hier; ich weiß nicht, wieviel es noch sind. Auf jeden Fall sind es nur noch ganz wenige. — Das war der erste Aspekt.
Der zweite Aspekt: RWE hat die Absicht, Braunkohlekraftwerke mit einer Kapazität von insgesamt 2 200 Megawatt stillzulegen. Sicherlich wird dafür ein Ersatz ins Auge gefaßt werden, wie auch immer er aussehen wird und wer auch immer ihn erbringen wird. Auf jeden Fall werden sich hier — es wird nicht auf dieses eine Unternehmen beschränkt sein — Lücken im Markt ergeben.
Der dritte Aspekt: Auch der Verbrauch wird in den nächsten Jahren ganz gewiß — wenn auch nicht in dem Umfang früherer Jahre — zunehmen.
Es ist also durchaus noch die Möglichkeit gegeben, Strom am Markt unterzubringen.
Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 252. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 3. Dezember 1986 19619
Zusatzfrage des Abgeordneten Wolfram.
Herr Staatssekretär, ich darf j a wohl davon ausgehen, daß Ihnen nicht das RWE die Antwort aufgeschrieben hat. Sie sprechen immer vom RWE. Es gibt j a auch Braunkohlenstrom aus anderen Unternehmen.
Unabhängig von der Tatsache, daß auch Sie nicht bestreiten können, daß die Kernenergie inzwischen die Braunkohle von Platz eins in der Grundlast verdrängt hat, frage ich Sie: Was gedenken Sie zu tun, um die gegenüber der Kernenergie billigere Braunkohle wieder auf Platz eins zu bringen, und was gedenken Sie vorsorglich zu tun, um zu verhindern, daß Überkapazitäten an Kernkraft demnächst sogar die Steinkohle in der Mittellast bedrängen werden?
Dr. Sprung, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Wolfram, ich darf Sie darauf hinweisen, daß Investitionsentscheidungen Entscheidungen sind, die die Unternehmer treffen, nicht die Bundesregierung.
Zusatzfrage des Abgeordneten Roth.
Herr Staatssekretär, würden Sie uns mitteilen — das ist der zweite Teil der Ursprungsfrage —, wie die Kostensituation pro Kilowattstunden bei Braunkohlekraftwerken in der Grundlast und bei Atomkraftwerken in der Grundlast ist? Meine Frage bezieht sich auf neue Kraftwerke. Würden Sie mir zugeben, daß die Kilowattstunde aus dem Atomkraftwerk Mülheim-Kärlich über 20 Pf kostet?
Dr. Sprung, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Roth, für die am Netz befindlichen Kernkraftwerke gilt das, was ich gesagt habe. Ich bin nicht in der Lage, Ihnen jetzt etwas über den Preisvergleich zwischen neuen Kernkraftwerken und Braunkohlekraftwerken zu sagen.
Zusatzfrage des Abgeordneten Stahl.
Herr Staatssekretär, nun macht j a der Kohle- und der Kokskohleexport in die Mitgliedstaaten der EG etwa 9 Millionen t jährlich aus, wenn ich die Zahl richtig im Kopf habe. Das entspricht etwa — — Entschuldigung, da habe ich mich in der Frage vertan.
Herr Abgeordneter, ich habe das Gefühl, daß Sie in die falsche Frage hineingerutscht sind.
Dann kann ich dem Abgeordneten Schreiner zu einer Zusatzfrage — ich hoffe: zur Frage 26 — das Wort geben.
Natürlich zu der Frage.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Gibt es umgekehrt bei der Bundesregierung Überlegungen für den Fall, daß Ihre Vermutungen nicht Wirklichkeit werden, es also tatsächlich zu einer Konkurrenzsituation kommt, wenn die Marktlücken, die Sie vermuten, möglicherweise nicht in dem Umfang auftreten, wie Sie denken?
Dr. Sprung, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich darf noch einmal darauf aufmerksam machen, daß Entscheidungen über Investitionen, auch über den Bau von Kraftwerken — welcher Art auch immer —, von Unternehmen getroffen werden. Die Unternehmen sehen sich den Markt an, und die Unternehmen entscheiden, wie und wo, in welcher Form, in welchem Umfang sie investieren und nicht die Bundesregierung.
Herr Abgeordneter Schreiner, ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie sich noch einmal in Ruhe die Frage 26 durchlesen würden. Sie hätten Ihre Zusatzfrage besser unter der folgenden Frage untergebracht.
Herr Abgeordneter Müller.
Herr Staatssekretär, stimmen die Informationen, nach denen die Zuwachsraten des Stromverbrauchs bei der derzeitigen Wachstumslage der deutschen Wirtschaft, die ja dank der Politik dieser Regierung wahrscheinlich auch in den nächsten Jahren so weitergeführt werden wird, derzeit einen jährlichen Neubedarf von etwa 1000 MW beinhalten?
Dr. Sprung, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Müller, diese Zahl ist mir nicht gegenwärtig. Ich will sie gern überprüfen lassen, und ich gebe Ihnen dann eine Antwort auf Ihre Frage.
Ich rufe nunmehr die Frage 27 des Abgeordneten Menzel auf:
Mit welchen Auswirkungen für Ausbildungs- und Arbeitsplätze im Bergbau, in der Bergbauzulieferindustrie und bei den Bergbauspezialgesellschaften rechnet die Bundesregierung, wenn sie — wie angekündigt — die Kohlen- und Koksexporte in die EG-Mitgliedstaaten ab 1991 nicht mehr unterstützt?
Dr. Sprung, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Menzel, bereits in der Kohlerunde 1983 ist festgehalten worden, daß Haushaltsmittel für die Subventionierung von Exportlieferungen längerfristig nicht zur Verfügung stehen, da diese Lieferungen keinen Beitrag zur Sicherung der Energieversorgung darstellen. Im Zusammenhang mit der Anschlußregelung zum Hüttenvertrag ist der Zeitraum, in dem dieses Ziel verwirklicht werden soll, im Einvernehmen mit der Kohle konkretisiert worden.
Allen Beteiligten ist bewußt, daß dieses Ziel eine Anpassung der betroffenen Unternehmen auf den geringeren Absatz erfordert. Um diese Anpassung so sozialverträglich wie möglich zu gestalten, sind zur Erreichung des Ziels sehr lange Fristen gesetzt worden. Die Auswirkungen der Entscheidung auf
19620 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 252. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 3. Dezember 1986
Parl. Staatssekretär Dr. Sprung
Ausbildungsplätze und Arbeitsplätze im Bergbau, in der Bergbauzulieferindustrie und bei den Bergbau-Spezialgesellschaften wird wesentlich von dem Vorgehen der Unternehmen, aber auch der sonstigen Absatzentwicklung in der ersten Hälfte der 90er Jahre und der gesamtwirtschaftlichen Situation der deutschen Wirtschaft in den fraglichen Jahren bestimmt. Konkretere Angaben sind aus diesen Gründen gegenwärtig nicht möglich.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, damit wir über dasselbe reden: Davon ausgehend, daß die Förderung auf Grund des Ausfalls des Exports in EG-Länder um 9 Millionen t zurückgehen wird, wovon nach derzeitigem Stand direkt 20 000 Beschäftigte und indirekt noch einmal 20 000 Beschäftigte in einer eng begrenzten Region betroffen sein werden, stelle ich die Frage: Gedenkt die Bundesregierung Überlegungen anzustellen, ob die abgesprochene Regelung so aufrechterhalten werden soll oder ob der Rückgang der Förderung durch andere absatzfördernde Maßnahmen ausgeschlossen werden kann?
Dr. Sprung, Parl. Staatssekretär: Ich habe darauf hingewiesen, Herr Kollege, daß bereits in der Kohlerunde 1983 über diese Notwendigkeit gesprochen worden ist und daß man sich auch darüber unterhalten hat, wie sich dieser Prozeß vollziehen kann, wie er sich vollziehen muß.
Ich wiederhole es noch einmal: Die Konsequenzen, die Auswirkungen, die das auf die Ausbildungs- und Arbeitsplätze haben wird, sind heute noch nicht absehbar. Das habe ich soeben vorgetragen.
Da man davon ausgehen kann, daß im Bergbau wie in der gesamten anderen Industrie weiter technische Möglichkeiten zur Rationalisierung genutzt werden, können die Konsequenzen ja nur gravierender sein als die von mir genannten, nämlich daß sich sowohl die Zahl der direkt Betroffenen als auch die Zahl der indirekt Betroffenen in der Größenordnung von 20 000 bewegen wird. Deswegen verstehe ich Ihre Antwort nicht, man könne die Auswirkungen noch nicht übersehen.
Dr. Sprung, Parl. Staatssekretär: Das kann man in der Tat noch nicht, weil es ja nicht nur darauf ankommt, was sich in diesem speziellen Bereich abspielt, sondern auch darauf, was darüber hinaus geschieht. Davon ist auch abhängig, in welchem Umfange neue Investitionen möglich werden. Die allgemeine wirtschaftliche Lage wird ebenfalls darüber mitentscheiden oder wird mitbestimmend sein, wie die Auswirkungen endgültig und definitiv sein werden.
Zusatzfrage des Abgeordneten Wolfram.
Herr Parlamentarischer Staatssekretär, bei allem Verständnis dafür, daß Sie die Zahl der Arbeitsplätze, die gefährdet sind, hier nicht noch einmal zu Protokoll geben wollen, werden Sie doch wohl nicht bestreiten, daß mit einer weiteren Kapazitätsvernichtung von rund 10 Millionen t 20 000 Arbeitsplätze direkt und weitere 20 000 indirekt betroffen sind. Wenn Sie wirklich ernsthaft an dieser Absicht festhalten, was ich für wahnwitzig halte, dann frage ich Sie: Wie wollen Sie dem Saarland, dem Aachener Revier und dem Ruhrgebiet helfen, daß dort in der gleichen Zeit angemessene Ersatzarbeitsplätze geschaffen werden können?
Dr. Sprung, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Wolfram, noch einmal: Es ist heute nicht möglich, schon zu sagen, wie die Auswirkungen endgültig sein werden.
Zusatzfrage des Abgeordneten Reuschenbach.
Herr Staatssekretär, wie können Sie sagen, daß die Auswirkungen nicht abzusehen seien, wo — das dürfen Sie mir wirklich glauben; ein Blick in die heutige Presse oder eine Nachfrage bei der Ruhrkohle-AG würde das bestätigen — schon jetzt, also noch relativ weit vor dem Jahr 1991, die ersten Kokereien geschlossen werden und wo zu erkennen ist, daß in der deutschen Stahlwirtschaft jedenfalls nicht mehr Koks als heute gebraucht wird, zumal Sie ja für Plafondierung der Hilfen für Kokskohle beim Einsatz in der Stahlindustrie sind? Wie können Sie also sagen, daß die Auswirkungen nicht abzusehen seien, wo eine Produktion von 8 bis 9 Millionen t Koks drei bis vier Schachtanlagen ausmacht?
Dr. Sprung, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Reuschenbach, Sie können heute Tendenzen erkennen, Sie können aber nicht sagen, was exakt passieren wird.
Zusatzfrage des Abgeordneten Stahl.
Herr Staatssekretär, nun sagten Sie, daß die 9 Millionen t jährlich, über die wir derzeitig nachdenken, keinen wesentlichen Anteil für die Energieversorgung der Bundesrepublik — so habe ich Sie verstanden — darstellen. Heißt das, daß, wenn die 9 Millionen t innerhalb der EG nicht mehr abgenommen werden, damit zu rechnen ist, daß die 20 000 Arbeitsplätze im Bergbau dann tatsächlich entfallen werden?
Dr. Sprung, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Stahl, ich habe darauf hingewiesen, daß die Sicherheit der Versorgung der Bundesrepublik nicht direkt und unmittelbar mit dem Export verbunden ist. Ich habe ferner darauf hingewiesen, daß dieses Thema bereits Thema der Kohlerunde 1983 war und daß man sich darüber verständigt hat, wie man dieses Problem lösen will.
Im übrigen ist darauf hingewiesen worden, daß diese Maßnahme sozialverträglich sein muß und
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Parl. Staatssekretär Dr. Sprung
daß die Beschäftigungswirkungen in die Überlegungen mit einzubeziehen sind.
Zusatzfrage des Abgeordneten Schreiner.
Herr Staatssekretär, da Sie soeben ausführten, die Auswirkungen seien für die Bundesregierung nicht absehbar: Sind Sie nicht mit mir der Auffassung, daß es gerade angesichts der dramatischen Arbeitsmarktsituation in den Montanrevieren nahezu abenteuerlich wäre, wenn die Bundesregierung Maßnahmen ankündigte, ohne sich im vorhinein Gedanken über die denkbaren Auswirkungen — im besonderen auf die Arbeitsplatzsituation — zu machen, und können Sie mir folgen, wenn ich denke, daß das Nachdenken über die Auswirkungen, bezogen auf den Arbeitsmarkt, angesichts der bestehenden Situation geradezu eine zwingende, um in der Sprache des Bundeskanzlers zu reden, Hausaufgabe der Bundesregierung sei?
Dr. Sprung, Parl. Staatssekretär: Ich möchte noch einmal darauf hinweisen, daß in der Kohlerunde 1983 Gespräche über diese Entwicklung zwischen allen Beteiligten geführt worden sind
und daß damals darüber ein Einvernehmen erzielt worden ist, wie dieses Problem behandelt werden sollte, welche Maßnahmen ergriffen werden sollten, um das Ganze so abzuwickeln, um den Prozeß so zu vollziehen, daß er sozialverträglich ist und die beschäftigungspolitischen Aspekte dabei eine Berücksichtigung erfahren.
Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Jens.
Herr Staatssekretär, im Energiebericht, den die Bundesregierung vorgelegt hat, heißt es, daß günstige Zechen erhalten bleiben sollen. Staatssekretär Grüner hat vor wenigen Wochen bei einer Bergfahrt festgestellt, daß diese Zeche nicht geschlossen werden soll. Könnten Sie mir freundlicherweise sagen, welche Zechen dann im Saarland, im Aachener Raum oder im Ruhrgebiet geschlossen werden sollen?
Dr. Sprung, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Jens, ich habe zu der Frage, die Sie eben gestellt haben, vorhin schon einmal etwas gesagt. Soweit es sich um Herrn Grüner handelt, kann ich nicht sagen, was er damit gemeint hat. Ich müßte ihn erst befragen.
Zusatzfrage des Abgeordneten Roth.
Herr Staatssekretär, Sie haben gerade gesagt, daß diese Reduzierungen nur dann stattfinden sollten, wenn sie sozial- und regionalpolitisch verträglich seien oder gemacht werden könnten. Warum findet sich der Satz, den Sie jetzt hier im Plenum ausgesprochen haben, nicht im Energiebericht wieder, obgleich er vorher in allen Fortschreibungen wörtlich so gestanden hat, wie Sie ihn erneut zitiert haben; denn im Energiebericht ist er von der Bundesregierung offenbar nicht mehr akzeptiert worden?
Dr. Sprung, Parl. Staatssekretär: Herr Roth, das heißt j a nicht, daß das nicht weiterhin gilt.
Frau Abgeordnete Steinhauer, Sie hatten schon eine Zusatzfrage zu dieser Frage stellen können, und ich kann Ihnen keine weitere gewähren. Aber das Thema wird ja fortgesetzt bei der Beantwortung der nächsten Frage.
Ich rufe die Frage 28 des Abgeordneten Stahl auf:
Teilt die Bundesregierung unsere Auffassung, daß die kritische Situation im Finanzierungssystem des Verstromungsfonds — auf die im Energiebericht unter Tz. 60 hingewiesen wird — gar nicht aufgetreten wäre, wenn die Bundesregierung im Mai d. J. bei der Neufestlegung des sogenannten Kohlepfennigs den damals schon absehbaren höheren Finanzbedarf hinreichend berücksichtigt hätte?
Dr. Sprung, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Stahl, die Bundesregierung teilt Ihre Auffassung nicht, weil der Ölpreiseinbruch und die Dollarkursentwicklung der Sommermonate 1986 in dieser Form nicht vorhersehbar waren. Bei der Heraufsetzung der Ausgleichsabgabe auf 4,5% im Mai dieses Jahres wurde die Olpreisentwicklung der ersten Monate dieses Jahres, über die Daten verfügbar waren, berücksichtigt. Außer diesen konkreten Daten standen für eine Abschätzung der weiteren Ölpreisentwicklung keine verläßlichen Anhaltspunkte zur Verfügung. Im übrigen bemühte sich die OPEC schon damals um eine Stabilisierung des Kartells und seiner Preise. Eine auf spekulative Basis abstellende Überbelastung des Stromverbrauchers durch einen zu hohen Abgabesatz sollte auf jeden Fall vermieden werden.
Der Verstromungsbeirat, der den Bundesminister für Wirtschaft nach dem Dritten Verstromungsgesetz bei der Festsetzung des Abgabesatzes berät, hat sich im Mai mit großer Mehrheit für eine maßvolle Erhöhung des Abgabesatzes ausgesprochen.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ist es richtig, daß, wenn diese 4,5 % überschritten werden — und das ist ja wohl in dieser Situation der Fall —, der Bundeswirtschaftsminister im Parlament eine Novellierung des Gesetzes vorschlagen muß und
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Stahl
daß dies der eigentliche Grund war, der deutschen Öffentlichkeit nicht die Wahrheit sagen zu wollen, daß man diese Novellierung jetzt vor Auslaufen der Legislaturperiode nicht in Angriff genommen hat?
Dr. Sprung, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Stahl, dies ist nicht richtig.
Aber im übrigen darf ich darauf hinweisen, daß die Hilfen, die damit für die Kohle gewährt werden, doch für die Bundesregierung, meine ich, eine positive Seite gehabt hätten. Das hat die Diskussion jetzt gezeigt. Gleichwohl, diese Hilfen werden im nächsten Jahr angepaßt werden müssen. Das ist heute bereits erkennbar.
Weitere Zusatzfrage, bitte schön.
In dem Zusammenhang, Herr Staatssekretär, darf ich Sie dann fragen: Natürlich hat dies positive Auswirkungen. Aber der Bundesfinanzminister spricht immer davon, daß Kredite nicht aufgenommen werden sollen, weil die Zinsen dann letztendlich auch vom Verbraucher bezahlt werden müßten. Ist es unter diesem Gesichtspunkt nicht dringend geboten, eine Novellierung des Gesetzes, bezogen auf diesen Punkt 4,5 %, vorzunehmen, um die Wahrheit und Klarheit der künftigen Politik der Bundesregierung zu gewährleisten?
Dr. Sprung, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Stahl, Sie wissen, daß der Finanzminister davon nicht berührt ist.
Zusatzfrage des Abgeordneten Wolfram.
Herr Parlamentarischer Staatssekretär, wann wird denn die Bundesregierung mit dem Vorschlag auf Anpassung der Ausgleichsabgabe und in welcher Höhe überkommen, wann wird sie den geplünderten Kreditrahmen wieder auffüllen, und wann wird sie der Elektrizitätswirtschaft, die ja bislang nur 60 % ihrer Ansprüche bedient bekommen hat, die restlichen 40 % auszahlen?
Dr. Sprung, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Wolfram, ich glaube, ich kann auf das verweisen, was der Bundeskanzler dazu gesagt hat.
Ich könnte mir denken, daß Sie an dem Abend der letzten Woche in der Landesvertretung NordrheinWestfalen dabei gewesen sind. Da heißt es:
... daß der nach dem Verstromungsgesetz von allen Verbrauchern aufzubringende Kohlepfennig, der in diesem Jahr bereits auf 4,5 % angehoben worden war, erneut erhöht werden muß. Wie hoch diese Korrektur ausfallen muß, hängt nicht zuletzt von der Entwicklung in den kommenden Wochen und Monaten ab. Wir werden deshalb im Frühjahr die notwendigen Entscheidungen treffen und damit die sichere Grundlage für die weitere Erfüllung des Jahrhundertvertrages schaffen. Dort wird dann auch darüber zu entscheiden sein, wie bezüglich des Kreditrahmens verfahren wird.
— Auch das wird geschehen. Es wird dann ein Weg gefunden werden, das, was an Überhängen da ist, abzuwickeln.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Menzel.
Herr Staatssekretär, können Sie bestätigen, daß die Kasse beim Bundesamt für gewerbliche Wirtschaft, die ja diesen Ausgleich zahlt, auf Grund der derzeitigen Situation monatlich ein Minus von 150 Millionen DM macht,
und können Sie die Frage beantworten, ob denn der Kreditrahmen, der gesetzlich eingeräumt ist, ausgeschöpft ist
und wie Sie die Finanzierung so lange aufrechterhalten wollen, bis die Regierung meint, daß eine Entscheidungsnotwendigkeit besteht?
Dr. Sprung, Parl. Staatssekretär: Ich kenne diese Zahl, die Sie genannt haben, nicht. Der Kreditrahmen wird sicherlich ausgeschöpft werden. Das ergibt sich aus der Entwicklung und aus dem, was ich gesagt habe. Noch einmal: Es wird unmittelbar nach dem
Neuzusammentritt des Parlamentes darüber entschieden.
Dann haben wir auch, was entscheidend und wichtig ist, verläßlichere Daten, als wir sie im Augenblick haben.
Dann wird auch die OPEC-Runde, die Dezemberrunde vorüber sein. Dann wird darüber entschieden werden, wie die Probleme und die Punkte, die Sie angesprochen haben, gelöst werden.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Beckmann.
Herr Staatssekretär, können Sie bestätigen, daß die maßvolle Erhöhung des Koh-
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Beckmann
lepfennigs durch den Bundeswirtschaftsminister auf 4,5% im Einvernehmen mit den Unternehmen des deutschen Steinkohlebergbaus, dem Lande Nordrhein-Westfalen und der Verstromungswirtschaft erfolgt ist?
Dr. Sprung, Parl. Staatssekretär: Ich kann dies bestätigen, Herr Beckmann. Ich habe darauf hingewiesen, daß wir außerdem einen Verstromungsbeirat haben, den wir damit zu befassen haben. Das ist geschehen. Der Verstromungsbeirat war mit dem Bundeswirtschaftsministerium der Meinung, daß diese Anhebung um 4,5% eine maßvolle Anhebung sei.
und unter den Bedingungen und den damals verfügbaren Daten eine richtige Entscheidung gewesen sei
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Reuschenbach.
Herr Staatssekretär, ist es nicht so, daß ganz unabhängig davon, ob Beiräte oder sonstige Interessierte und Beteiligte eine Maßnahme billigen, das Recht zu wahren ist und daß die Bundesregierung nach dem Gesetz verpflichtet ist, nicht Monate später oder ein Jahr später, sondern unverzüglich dafür zu sorgen, daß in dem Fonds so viel enthalten ist, wie an Ausgaben — wiederum hergeleitet vom Gesetz — geleistet werden muß?
Dr. Sprung, Parl. Staatssekretär: Herr Reuschenbach, Sie haben ja diese Frage gestellt. Darauf wird noch zu antworten sein. Es ist so verfahren worden. Wir haben uns im Mai mit dem Problem zu befassen gehabt. Es ist eine Entscheidung getroffen worden — noch einmal: auf der Basis der damals verfügbaren Daten.
Was jetzt geschehen muß, ist sicherlich eine Anhebung dieses Satzes. Dazu ist das Parlament einzuschalten.
Das wird im nächsten Frühjahr geschehen.
Nun rufe ich die Frage 29 des Abgeordneten Stahl auf. Ich nehme an, das wird dann auch die letzte Frage der heutigen Fragestunde sein.
Wie hoch beziffert die Bundesregierung den Fehlbetrag der Ausgleichsabgabe für 1986 und 1987, der aus der zu geringen Anhebung im Mai d. J. entstanden ist, und welches Niveau ergibt sich aus einer korrekten Berechnung?
Dr. Sprung, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Stahl, der Fehlbetrag der Ausgleichsabgabe nach dem Dritten Verstromungsgesetz für 1986 wird voraussichtlich über einer Milliarde DM liegen. Eine exakte Berechnung ist zur Zeit nicht möglich, da die Preise für schweres Heizöl für das letzte Quartal 1986 noch nicht vorliegen. Für 1987 können keine konkreten Angaben gemacht werden. Die Entwicklung der Ölpreise 1987 läßt sich, wie die Erfahrungen zeigen, nicht verläßlich prognostizieren. Nach Einschätzung der Bundesregierung wird sie sehr wesentlich von der konkreten Angebots- und Nachfragesituation in den kommenden Wintermonaten und dem Ausgang der OPEC-Konferenz im Dezember 1986 bestimmt werden.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Stahl.
Herr Staatssekretär, sind in dem Minus von über einer Milliarde DM in diesem Fonds im Jahre 1986 auch schon die Verpflichtungen und der bisher ausgeschöpfte Kreditrahmen enthalten, oder wird das noch hinzugerechnet?
Dr. Sprung, Parl. Staatssekretär: Bei dieser Milliarde, Herr Stahl, handelt es sich um jenen Betrag, der nach den entsprechenden Vereinbarungen auf der Basis der Regelungen, die getroffen worden sind, zu zahlen ist.
Eine Zusatzfrage?
Herr Staatssekretär, wie belaufen sich denn nach dem Minus von über einer Milliarde DM, die j a nun heute doch sehr gut zu übersehen ist
— für 1986, sage ich ausdrücklich —, die Zahlen für 1987 im Haushalt, und wie lauten die Minusschätzungen, für 1987? Ist es nach dem Gesetz nicht so, daß die Bundesregierung verpflichtet ist, wenn derartige Entwicklungen voraussehbar sind, das Gesetz auch tatsächlich abzuändern, damit ein derart großes Minus und weitere Verpflichtungen nebenher überhaupt nicht auflaufen?
Dr. Sprung, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Stahl, Sie haben wiederum vom Haushalt gesprochen. Der Bundeshaushalt hat damit nichts zu tun;
das ist das erste, was ich feststellen möchte.
Das zweite: Sie können nicht vorausschätzen, wie sich die Entwicklung im nächsten Jahr vollziehen wird. Sie wissen nicht, wie die Ölpreisentwicklung aussehen wird. Wir werden in diesem Monat eine weitere OPEC-Konferenz haben. Was daraus folgen wird, kann man heute beim besten Willen noch nicht sagen. Wir können uns langsam an den Wert
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Parl. Staatssekretär Dr. Sprung
von 1986 herantasten; aber auch dieser Wert liegt noch nicht fest. Wir haben nur eine ungefähre Größenordnung im Griff, mehr nicht.
Zusatzfrage des Abgeordneten Wolfram.
Herr Parlamentarischer Staatssekretär, bei aller Liebenswürdigkeit in der Art, wie Sie unsere für Sie zugegebenermaßen unbequemen Fragen beantworten, frage ich Sie: Sind Sie nicht auch der Meinung, daß man eigentlich eine Aktuelle Stunde anschließen müßte, was wir aber mit Rücksicht auf die allgemeine Lage nicht tun werden? Wollen Sie mir bestätigen, daß aus der Art, wie Sie Entscheidungen verdrängen und verschieben, die Sorge berechtigt ist, daß die Bundesregierung möglicherweise einer Schwächung des Kohleverstromungsvertrages Vorschub leistet?
Sie wissen, daß es genug Gegner des Vertrages gibt. Bestärken Sie nicht die Sorgen der Bergleute im Saarland, im Aachener Revier und im Ruhrrevier, ob Sie es ernst meinen, die Verstromung als einen der Eckpfeiler in der Kohlevorrangpolitik zu erhalten?
Dr. Sprung, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Wolfram, zunächst zur Aktuellen Stunde: Es würde in der Aktuellen Stunde nicht mehr gesagt werden können als das, was ich jetzt hier vortrage,
weil es beim besten Willen nicht möglich ist, andere Angaben zu machen. Sie können nicht exakt in die Zukunft hineinsehen, Sie können die Zukunft zahlenmäßig nicht so fixieren,
wie Sie das hier für möglich halten. Sie selbst haben die Erfahrung in den Jahren machen müssen, in denen Sie in der Regierungsverantwortung waren. Dies zum ersten.
Zum zweiten, Herr Kollege Wolfram: Es ist j a klar und eindeutig vom Bundeskanzler zum Ausdruck gebracht worden, wie verfahren wird. Ich habe Ihnen eben einen entsprechenden Passus aus seiner Rede vorgelesen. Ich meine, es ist nicht der geringste Anlaß vorhanden, etwa daran zu zweifeln, daß den Verpflichtungen nicht entsprochen wird, die die Bundesregierung gegenüber der Kohle hat.
Als letzte Frage lasse ich nun die Frage des Abgeordneten Menzel zu.
Herr Staatssekretär, haben Sie wenigstens Verständnis für die Unruhe bei den im Bergbau Beschäftigten in den Regionen von Saar, Aachen und der Ruhr,
die sich noch dadurch verstärkt,
daß Sie sich heute geweigert haben, auf viele Fragen eine klare Antwort zu geben?
Dr. Sprung, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Menzel, sehr viel Verständnis hat die Bundesregierung dafür, das ist gar keine Frage, daß die Lage der Kohle angesichts der allgemeinen Entwicklung auf dem Energiemarkt, dem Weltkohlemarkt usw. schwierig ist. Aber die Bundesregierung hat sehr deutlich zum Ausdruck gebracht — der Bundeskanzler hat das getan, der Wirtschaftsminister hat das getan —, daß alles geschieht, um diesen Sorgen Rechnung zu tragen. Die Erhöhung der finanziellen Leistungen, die ich erwähnt habe, die anderen Maßnahmen, die ergriffen werden, dies alles ist, meine ich, Ausdruck dafür, daß die Bundesregierung diese Sorgen ernst nimmt und alles tut, um ihnen zu begegnen.
Die Fragestunde ist beendet. Herr Staatssekretär, ich möchte mich bei Ihnen bedanken.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages für Donnerstag, den 4. Dezember, 8 Uhr ein.
Ich schließe die heutige Sitzung.