Protokoll:
10210

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 10

  • date_rangeSitzungsnummer: 210

  • date_rangeDatum: 17. April 1986

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 09:00 Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 22:01 Uhr

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 10/210 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 210. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 17. April 1986 Inhalt: Abwicklung der Tagesordnung 16084 D Absetzung eines Punktes von der Tagesordnung 16105 B Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung Abschluß der Vereinbarungen über Technologieaustausch und Forschungsbeteiligung bei SDI mit den USA Dr. Bangemann, Bundesminister BMWi . 16051 B Dr. Ehmke (Bonn) SPD . . . . 16055A, 16071C Rühe CDU/CSU 16058 C Frau Borgmann GRÜNE 16063 C Dr.-Ing. Laermann FDP 16065A Dr. Kohl, Bundeskanzler 16067 A Roth SPD 16072 A Klein (München) CDU/CSU 16075 A Lange GRÜNE 16077 A Möllemann, Staatsminister AA 16078 D Bahr SPD 16080 B Dr. Wörner, Bundesminister BMVg . . 16083 C Namentliche Abstimmung 16086 B Ergebnis 16086 B Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Pflichtversicherungsgesetzes — Drucksache 10/5022 — 16085A Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Durchführung der Gemeinsamen Marktorganisationen — Drucksache 10/5236 — 16085A Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr.-Ing. Kansy, Niegel, Dr. Daniels, Dörflinger, Link (Frankfurt), Linsmeier, Magin, Dr. Möller, Pesch, Frau Rönsch, Frau Roitzsch (Quickborn), Ruf, Zierer, Grünbeck, Frau Dr. Segall, Frau Seiler-Albring und der Fraktionen der CDU/CSU und FDP Umwelt und Gewerbe in der Städtebaupolitik — Drucksache 10/4510 — 16085 A Beratung des Antrags der Abgeordneten Büchler (Hof), Rapp (Göppingen), Dr. Hauchler, Amling, Ibrügger, Dr. Klejdzinski, Kretkowski, Lambinus, Frau Matthäus-Maier, Menzel, Dr. Mitzscherling, Oostergetelo, Frau Schmedt (Lengerich), Sieler, Frau Dr. Skarpelis-Sperk, Dr. Soell, Dr. Spöri, Stahl (Kempen), Stiegler, Dr. Wieczorek, Wolfram (Recklinghausen), Dr. Vogel und der Fraktion der SPD Anschlußregelung zum Welttextilabkommen — Drucksache 10/5067 — 16085 B Beratung der Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses zu dem Antrag des Bundesministers der Finanzen II Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 210. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 17. April 1986 Veräußerung der ca. 26,6 ha großen bundeseigenen Liegenschaft in RheinstettenForchheim, Kutschenweg 10, an das Land Baden-Württemberg — Drucksachen 10/4947, 10/5177 — . . . 16085 B Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft zu der Verordnung der Bundesregierung Aufhebbare Verordnung zur Änderung des Deutschen Teil-Zolltarifs (Nr. 2/86 — Zollkontingent 1986 für Bananen) — Drucksachen 10/4627, 10/5115 — . . . 16085 C Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft zu der Verordnung der Bundesregierung Aufhebbare Vierundneunzigste Verordnung zur Änderung der Einfuhrliste — Anlage zum Außenwirtschaftsgesetz —— Drucksachen 10/4628, 10/5116 — . . . 16085 D Beratung der Sammelübersicht 140 des Petitionsausschusses über Anträge zu Petitionen — Drucksache 10/5229 — in Verbindung mit Beratung der Sammelübersicht 141 des Petitionsausschusses über Anträge zu Petitionen — Drucksache 10/5230 — 16086 A Beratung der Beschlußempfehlung des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Neumann (Bramsche), Bernrath, Dr. Diederich (Berlin), Duve, Jahn (Marburg), Klose, Kuhlwein, Lambinus, Purps, Frau Renger, Schanz, Schmidt (München), Dr. Soell, Stiegler, Frau Dr. Timm, Wartenberg (Berlin), Westphal, Frau Zutt, Dr. Vogel und der Fraktion der SPD Die Lage der Juden in der Sowjetunion — Drucksachen 10/4233, 10/5127 — Neumann (Bramsche) SPD 16088A Dr. Hupka CDU/CSU 16089A Fischer (Bad Hersfeld) GRÜNE 16090 C Frau Dr. Hamm-Brücher FDP 16091 B Dr. Stavenhagen, Staatsminister AA . 16092 B Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Tierschutzgesetzes — Drucksache 10/3158 — Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten — Drucksache 10/5259 — Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung — Drucksache 10/5330 — in Verbindung mit Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Frau Schmidt (Nürnberg), Dr. Hauff, Dr. Holtz, Müller (Schweinfurt), Jaunich, Frau Blunck, Bachmaier, Egert, Schmitt (Wiesbaden), Antretter, Frau Dr. Hartenstein, Dr. Hauchler, Oostergetelo, Stiegler, Reuter, Dr. Vogel und der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verringerung der Tierversuche — Drucksache 10/2703 — Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten — Drucksache 10/5259 — Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung — Drucksache 10/5331 — in Verbindung mit Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu dem Antrag der Abgeordneten Frau Dr. Bard und der Fraktion DIE GRÜNEN Tierversuche im wehrmedizinischen Bereich — Drucksachen 10/1307, 10/5259 — in Verbindung mit Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu dem Antrag der Abgeordneten Frau Dr. Vollmer und der Fraktion DIE GRÜNEN Verbot der Käfighaltung von Hühnern — Drucksachen 10/1885, 10/5259 — in Verbindung mit Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu dem Antrag der Fraktion der SPD Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 210. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 17. April 1986 III Tierschutzgerechte Nutztierhaltung — Drucksachen 10/2704, 10/5259 — in Verbindung mit Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zum Antrag der Abgeordneten Frau Dr. Bard und der Fraktion DIE GRÜNEN Importstopp für Froschschenkel — Drucksachen 10/2868, 10/3423 — Kiechle, Bundesminister BML 16106 B Sander SPD 16108 B Michels CDU/CSU 16111A Senfft GRÜNE (zur GO) 16114A Seiters CDU/CSU (zur GO) 16114 B Porzner SPD (zur GO) 16114 C Frau Hönes GRÜNE 16114C Bredehorn FDP 16116 D Werner (Dierstorf) GRÜNE (Erklärung nach § 30 GO) 16118 D Dr. Kübler SPD 16119 B Stutzer CDU/CSU 16120 D Handlos fraktionslos 16124 B Frau Schmidt (Nürnberg) SPD 16125 B Dr. Hirsch FDP 16128 B Frau Dr. Neumeister CDU/CSU 16129 B Namentliche Abstimmungen . . 16131 A, 16132 D, 16135A, 16139B Dr. Enders SPD (Erklärung nach § 31 GO) 16136 D Dr. Müller CDU/CSU (Erklärung nach § 31 GO) 16137 B Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verbesserung der Wehrgerechtigkeit und Verlängerung der Dauer des Grundwehrdienstes — Drucksache 10/4591 — Beschlußempfehlung und Bericht des Verteidigungsausschusses — Drucksache 10/5299 — Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung — Drucksache 10/5338 — Hauser (Esslingen) CDU/CSU 16141 B Jungmann SPD 16143 D Ronneburger FDP 16145 D Lange GRÜNE 16148 B Dr. Wörner, Bundesminister BMVg . . 16150 B Heistermann SPD 16154 B Dr. Wittmann CDU/CSU 16156 D Voigt (Sonthofen) fraktionslos 16158 B Steiner SPD 16159 C Berger CDU/CSU 16161 D Kuhlwein SPD 16163 C Kalisch CDU/CSU 16165 B Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Kriegsdienstverweigerungs-Neuordnungsgesetzes — Drucksache 10/4489 — Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Jugend, Familie und Gesundheit — Drucksache 10/5183 — in Verbindung mit Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Jugend, Familie und Gesundheit zu dem Entschließungsantrag der Abgeordneten Frau Nikkels und der Fraktion DIE GRÜNEN zur Großen Anfrage der Abgeordneten Frau Nickels und der Fraktion DIE GRÜNEN Neuregelung des Rechts der Kriegsdienstverweigerung aus Gewissensgründen (Durchführungsprobleme) — Drucksachen 10/2738, 10/5183 — in Verbindung mit Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Jugend, Familie und Gesundheit zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Schierholz, Lange, Mann, Frau Wagner und der Fraktion DIE GRÜNEN Realisierung des Grundrechts der Gewissensfreiheit gegenüber den Anforderungen der Allgemeinen Wehrpflicht — Drucksachen 10/4294, 10/5183 — . . . 16166 B (Zu Protokoll gegebene Reden siehe Anlage 5) Beratung des Antrags der Fraktion der SPD 25 Jahre Zivildienst — Drucksache 10/5219 — Frau Fuchs (Köln) SPD 16167 B Kroll-Schlüter CDU/CSU 16170 D Rusche GRÜNE 16172 D Eimer (Fürth) FDP 16174A IV Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 210. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 17. April 1986 Frau Dr. Süssmuth, Bundesminister BMJFG 16175A Mischnick FDP (Erklärung nach § 30 GO) 16176 C Frau Fuchs (Köln) SPD (Erklärung nach § 30 GO) 16176 D Breuer CDU/CSU (Erklärung nach § 30 GO) 16177A Fragestunde — Drucksache 10/5309 vom 11. April 1986 — Höhe der Schäden durch Demonstrationen gegen Kernkraftanlagen MdlAnfr 65 11.04.86 Drs 10/5309 Dr. Müller CDU/CSU Antw PStSekr Spranger BMI 16093 C ZusFr Dr. Müller CDU/CSU 16093 D Auswirkung der Demonstrationen gegen Kernkraftanlagen auf den Strompreis MdlAnfr 66 11.04.86 Drs 10/5309 Dr. Müller CDU/CSU Antw PStSekr Spranger BMI 16094 A ZusFr Dr. Müller CDU/CSU 16094 A Auffassung der Bundesregierung zu den Polizeimaßnahmen und dem Einsatz von CS-Gas bei den Demonstrationen in Wakkersdorf MdlAnfr 71, 72 11.04.86 Drs 10/5309 Mann GRÜNE Antw PStSekr Spranger BMI 16094 B ZusFr Mann GRÜNE 16094 C ZusFr Schulte (Menden) GRÜNE . . . 16094 D ZusFr Dr. Müller CDU/CSU 16095 A ZusFr Ströbele GRÜNE 16095 B Vereinbarungen des damaligen CDU-Landesvorsitzenden in Berlin (West), Peter Lorenz, mit der NPD und anderen rechtsradikalen Gruppen MdlAnfr 5 11.04.86 Drs 10/5309 Ströbele GRÜNE Antw StMin Vogel BK 16096 A ZusFr Ströbele GRÜNE 16096A Finanzierung von Reisen des CDU-Politikers Lummer in den Libanon Anfang der 70er Jahre durch Bundesbehörden; Einflußnahme der Behörden auf die Gestaltung der Reise Lummers und des Wuppertaler Geschäftsmannes Putsch in den Libanon im Frühjahr 1983 MdlAnfr 6 11.04.86 Drs 10/5309 Ströbele GRÜNE Antw StMin Vogel BK 16096 B ZusFr Ströbele GRÜNE 16096 D Streichung des deutschen Sprachunterrichts in den Goethe-Instituten Mexiko-Stadt und Guadalajara; Verwendung der freiwerdenden Mittel MdlAnfr 43, 44 11.04.86 Drs 10/5309 Dr. Rose CDU/CSU Antw StMin Möllemann AA 16097 A ZusFr Dr. Rose CDU/CSU 16097 B Aussagen des polnischen Außenministers Orzechowski in Bonn zur Erfüllung menschenrechtlicher Verpflichtungen durch die Volksrepublik Polen MdlAnfr 49 11.04.86 Drs 10/5309 Jäger (Wangen) CDU/CSU Antw StMin Möllemann AA 16098 A ZusFr Jäger (Wangen) CDU/CSU . . . 16098 B ZusFr Dr. Czaja CDU/CSU 16098 D ZusFr Graf Huyn CDU/CSU 16099 A Senkung des Spitzensteuersatzes bei der Einkommensteuer und des Thesaurierungssatzes bei der Körperschaftsteuer MdlAnfr 73 11.04.86 Drs 10/5309 Dr. Spöri SPD Antw PStSekr Dr. Voss BMF 16099 B ZusFr Dr. Spöri SPD 16099 C Kosten einer Linearisierung der Progressionszone des heutigen Tarifs und einer Senkung des Spitzensteuersatzes MdlAnfr 74 11.04.86 Drs 10/5309 Dr. Spöri SPD Antw PStSekr Dr. Voss BMF 16099 D ZusFr Dr. Spöri SPD 16100A ZusFr Jung (Lörrach) CDU/CSU . . . 16100 C ZusFr Jäger (Wangen) CDU/CSU . . . 16100 D Ausrüstung der britischen Streitkräfte in Berlin (West) mit gepanzerten Mannschaftstransportwagen der Firma Thyssen und deren Finanzierung MdlAnfr 75, 76 11.04.86 Drs 10/5309 Senfft GRÜNE Antw PStSekr Dr. Voss BMF 16101 A Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 210. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 17. April 1986 V Bedenken gegen die sogenannte Vermischungsregelung der Futtermittelverordnung angesichts der Pestizid-Rückstände in Futtermitteln MdlAnfr 89 11.04.86 Drs 10/5309 Dr. Weng (Gerlingen) FDP Antw PStSekr Gallus BML 16101 D ZusFr Dr. Weng (Gerlingen) FDP . . . 16102 B ZusFr von Hammerstein CDU/CSU . . 16102 B Ausgleich der den deutschen Bauern durch Aufwertung der D-Mark gegenüber dem französischen Franc entstehenden Nachteile MdlAnfr 90 11.04.86 Drs 10/5309 Jäger (Wangen) CDU/CSU Antw PStSekr Gallus BML 16102 C ZusFr Jäger (Wangen) CDU/CSU . . . 16102 D ZusFr von Hammerstein CDU/CSU . . 16103 B Umfang des bei der BALM eingelagerten Getreides; Verkauf von Überschußgetreide an die Mischfutterindustrie und an bäuerliche Veredelungsbetriebe MdlAnfr 91, 92 11.04.86 Drs 10/5309 Funk CDU/CSU Antw PStSekr Gallus BML 16103 C ZusFr Funk CDU/CSU 16103 C ZusFr von Hammerstein CDU/CSU . . 16104A ZusFr Frau Hürland CDU/CSU 16104A ZusFr Jäger (Wangen) CDU/CSU . . . 16104 D Nächste Sitzung 16177 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten 16178*A Anlage 2 Erklärung des Abg. Dr. Riedl (München) (CDU/CSU) nach § 31 Abs. 1 GO zur Abstimmung über den Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Tierschutzgesetzes (Drucksachen 10/3158, 10/5259, 10/5330) 16178* B Anlage 3 Erklärung des Abg. Gattermann (FDP) nach § 31 Abs. 1 GO zur Abstimmung über den Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Tierschutzgesetzes (Drucksachen 10/3158, 10/5259, 10/5330) . . . 16179*A Anlage 4 Erklärung des Abg. Jäger (Wangen) (CDU/ CSU) nach § 31 Abs. 1 GO zur Abstimmung über den Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Tierschutzgesetzes (Drucksachen 10/3158, 10/5259, 10/5330) 16179* B Anlage 5 Zu Protokoll gegebene Reden zu Punkt 4 der Tagesordnung (Kriegsdienstverweigerungs-Neuordnungsgesetz) (Sauer [Stuttgart] [CDU/CSU], Lambinus [SPD], Lange [GRÜNE], Götzer [CDU/ CSU], Gilges [SPD], Frau Dr. Süssmuth, Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit) 16179* C Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 210. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 17. April 1986 16051 210. Sitzung Bonn, den 17. April 1986 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens * 18. 4. Bamberg 18. 4. Brandt 18. 4. Büchner (Speyer) * 17. 4. Dr. Daniels 17. 4. Dr. Dollinger 18. 4. Duve 18. 4. Egert 17. 4. Frau Eid 18. 4. Ertl 18. 4. Dr. Haack 18. 4. Hauser (Krefeld) 18. 4. Heimann 18. 4. Hoppe 17. 4. Frau Kelly 18. 4. Dr. Köhler 17. 4. Frau Krone-Appuhn 18. 4. Matthöfer 18. 4. Schlaga 18. 4. Schmidt (Hamburg) 18. 4. Dr. Stoltenberg 17.4. Verheugen 18. 4. Frau Wagner 18. 4. Werner (Dierstorf) 18.4. Wieczorek (Duisburg) 17. 4. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Anlage 2 Erklärung des Abg. Dr. Riedl (München) (CDU/CSU) nach § 31 Abs. 1 GO zur Abstimmung über den Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Tierschutzgesetzes (Drucksachen 10/3158, 10/5259, 10/5330): Ich stimme dem Gesetzentwurf in der Beschlußfassung der Drucksache 10/5259 aus folgenden Gründen zu: 1. Erstmals wird Recht für Tiere geschaffen. Erstmals enthält ein deutsches Gesetz „Recht für Tiere", denn es lautet im § 1 des neuen Tierschutzgesetzes: „Zweck dieses Gesetzes ist es, aus der Verantwortung des Menschen für das Tier als Mitgeschöpf dessen Leben und Wohlbefinden zu schützen." 2. Erstmals gibt es tierschutzgerechte Beförderungsvorschriften. 3. Erstmals wird ein Exportverbot für Fleisch von geschächteten Tieren gesetzlich festgelegt. 4. Erstmals werden Tierversuche zur Entwicklung oder Erprobung von Waffen, Munition und dazugehörigem Gerät verboten. 5. Erstmals werden Tierversuche zur Prüfung von Tabakerzeugnissen, Waschmitteln und dekorativer Kosmetika grundsätzlich verboten. Der Bundesminister wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates Ausnahmen zu bestimmen, soweit es erforderlich ist, um konkrete Gesundheitsgefährdungen abzuwehren, und soweit die notwendigen neuen Erkenntnisse nicht auf andere Weise erlangt werden können. 6. Tierversuche müssen künftig exakt begründet werden. Wer Versuche an Wirbeltieren durchführen will, bedarf der Genehmigung des Versuchsvorhabens durch die zuständige Behörde. In dem Antrag ist glaubhaft zu machen, daß die gesetzlichen Voraussetzungen für einen Tierversuch vorliegen; insbesondere ist nachzuweisen, daß bestimmte gesetzliche Voraussetzungen vorliegen. 7. An einem unbetäubten Wirbeltier darf künftig kein Eingriff vorgenommen werden, der zu schweren Verletzungen führt. Des weiteren darf ein Eingriff nur vorgenommen werden, wenn der mit dem Eingriff verbundene Schmerz geringfügiger ist als die mit einer Betäubung verbundene Beeinträchtigung des Befindens des Versuchstieres oder der Zweck des Tierversuchs eine Betäubung ausschließt. 8. Der LD-50-Test wird abgeschafft. Bei Tierversuchen zur Ermittlung der tödlichen Dosis oder tödlichen Konzentration eines Stoffes ist das Tier schmerzlos zu töten, sobald erkennbar ist, daß es infolge der Wirkung des Stoffes stirbt. Die Bundesregierung wird gebeten, innerhalb von drei Monaten eine Übersicht über alle nationalen und internationalen Regelungen, in denen Tierversuche vorgeschrieben und vorgesehen sind, dem Bundestag vorzulegen und Vorschläge zu machen, wie die Zahl der Tierversuche verringert oder auf Tierversuche ganz verzichtet werden kann. Der Bundestag erwartet, daß ihm dabei ein Vorschlag für ein völliges Verbot des LD-50-Tests unterbreitet wird. 9. Erstmals wird ein Tierschutzbeauftragter geschaffen. Führt der Tierschutzbeauftragte selbst ein Versuchsvorhaben durch, so muß für dieses Versuchsvorhaben ein anderer Tierschutzbeauftragter tätig sein. 10. Erstmals wird ein Sachkunde-Nachweis für Tierhändler, Tierzüchter und Schausteller geschaffen. 11. Erstmals wird eine gesetzlich vorgeschriebene Auskunftspflicht geschaffen für Nutztierhaltungen, für Einrichtungen, in denen Tiere geschlachtet werden, sowie für gewerbsmäßige Tierzüchter, Tierhalter und Tierhändler. 12. Die Bundesregierung erstattet dem deutschen Bundestag künftig alle zwei Jahre einen Bericht über den Stand der Entwicklung des Tierschutzes. 13. Erstmals wird eine zentrale Datenbank für Tierversuche errichtet. Dazu fordert der Deutsche Bundestag die Bundesregierung auf, unverzüglich einen Gesetzentwurf über die Errichtung einer zen- Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 210. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 17. April 1986 16179* tralen Datenbank für die Sammlung von Daten über Tierversuche vorzulegen. In diesem Gesetz sind auch die rechtlichen Fragen (Geheimhaltung, Patentrecht, Zweitanmelderproblematik, Entschädigungsfragen) zu regeln. 14. Der Deutsche Bundestag erwartet eine beträchtlich verstärkte Förderung von Alternativmethoden, die die Zahl der Tierversuche beträchtlich vermindern oder sie ganz unnötig machen können. 15. Die Massentierhaltung wird noch tiergerechter. Für das in die Obhut des Menschen gegebene Tier gilt der im Tierschutzgesetz verankerte Grundsatz, daß sein Leben und Wohlbefinden zu schützen ist; das bedeutet für die Praxis der Tierhaltung, daß dem Tier seiner Art und seinen Bedürfnissen entsprechend angemessene Nahrung, Pflege und verhaltensgerechte Unterbringung zu gewähren ist. Anlage 3 Erklärung des Abg. Gattermann (FDP) nach § 31 Abs. 1 GO zur Abstimmung über den Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Tierschutzgesetzes (Drucksachen 10/3158, 10/5259, 10/5330): Ich anerkenne den guten Willen der Bundesregierung und der Fraktion von CDU/CSU und FDP den Schutz des Tieres, die Umstände ihres Lebens und Sterbens zu verbessern. Ich anerkenne, daß dies — auch durch weitere Verbesserungen im Gesetzgebungsverfahren — in gewissem Umfang gelungen ist. Alle Bemühungen, alle Ansätze zur Lösung von Zielkonflikten (Freiheit der Wissenschaft, Notwendigkeiten der Forschung zum Wohle des Menschen, ökonomische, wettbewerbspolitische Ziele) sind aber nach wie vor von der römisch-rechtlichen Vorstellung des Tieres als „res" geprägt. Das führt in der Regel zu Entscheidungen gegen das Tier, die auch durch bürokratische Regelungen und Kommissionsentscheidungen kaum gemildert werden. Die Chance zu einer grundlegenden Novellierung des Tierschutzgesetzes ist auf absehbare Zeit nicht mehr gegeben, wenn diese unzureichende Novelle verabschiedet wird. Deshalb muß ich nein sagen. Anlage 4 Erklärung des Abg. Jäger (Wangen) (CDU/CSU) nach § 31 Abs. 1 GO zur Abstimmung über den Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Tierschutzgesetzes (Drucksachen 10/3158, 10/5259, 10/5330): Trotz erheblicher Bedenken habe ich der Tierschutznovelle zugestimmt. Ich hätte mir gewünscht, daß weitergehende Verbote von Tierversuchen beschlossen worden wären. Da das Gesetz in der Fassung der Ausschußvorlage jedoch gegenüber dem geltenden Recht erhebliche Vorteile für die Tiere bringt, würde eine Ablehnung bedeuten, daß alles beim alten bliebe. Ich habe es deshalb nicht für verantwortbar gehalten, das Gesetz abzulehnen. Anlage 5 Zu Protokoll gegebene Reden zu Punkt 4 der Tagesordnung (Kriegsdienstverweigerungs-Neuordnungsgesetz) *) Sauer (Stuttgart) (CDU/CSU): Bereits in der ersten Lesung haben wir ausführlich dargestellt, warum wir für eine Fortschreibung des Gesetzes sind. Ich will die Kernaussagen nur noch einmal kurz aufzeigen und mich dann mit den angeblichen Kritikpunkten beschäftigen, die von der Opposition wider besseren Wissens vorgebracht werden. Tatsache ist und bleibt, das Gesetz hat sich voll und ganz bewährt. Der Wegfall des mündlichen Prüfungsverfahrens für Ungediente ist ein großer Fortschritt. Der von der SPD uns hinterlassene Antragsstau, der viele tausend Jugendliche teilweise über Jahre hinweg im Ungewissen ließ, ob und wann sie zum Wehrdienst oder Ersatzdienst herangezogen werden, gehört der Vergangenheit an. Im Regelfall weiß ein Dienstpflichtiger nach etwa vier Wochen, ob und wann er zur Ableistung herangezogen wird. Damit hat er wieder Perspektive für seine Berufs- und Lebensplanung. Das Verfahren stellt keinen, der sich ernsthaft bemüht, vor unlösbare Schwierigkeiten. Über 99 % der Antragssteller hatten keine Schwierigkeiten. Die geringe Zahl der abgelehnten Anträge spricht eine deutliche Sprache und läßt nur eine Schlußfolgerung zu: wer bisher abgelehnt wurde, hat entweder abwegige Gründe, oder er hat sich nicht ausreichend um eine Darstellung seiner Gewissensgründe bemüht. Die Anträge werden nicht pauschal abgehandelt, sondern individuell. Bei der Begründung der vorgebrachten Gewissensgründe wird z. B. die Schulbildung extra berücksichtigt. Die Verlängerung des Zivildienstes ist vom Bundesverfassungsgericht ausdrücklich mit dem Grundgesetz für vereinbar erklärt worden. Die Verlängerung konnte und kann auch kein ernsthaft strittiger Punkt sein, denn die Soldaten wurden schon immer zur Wehrübung herangezogen; sie *) Abg. Eimer (Fürth) (FDP), der seine Rede frei halten wollte und daher kein Manuskript hatte, wird den Wortlaut seiner Ausführungen nachträglich schriftlich formulieren. Seine Rede wird dem Stenographischen Bericht über die 211. Sitzung als Anlage angefügt werden. 16180* Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 210. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 17. April 1986 werden dies in Zukunft vermehrt. Für die Zivildienstleistenden aber war der Dienst nach Ablauf des eigentlichen Zivildienstes endgültig beendet. Eine längst überfällige verbesserte Wehrgerechtigkeit zwischen Ersatzdienstleistenden und Soldaten wurde endlich bewerkstelligt. Qualitativ höhere Anforderungen an die Stellen selbst und die Erschließung neuer Aufgabengebiete z. B. im Umweltschutz verbessern den Stellenwert des Zivildienstes ganz entscheidend. Aus Gründen der Gerechtigkeit war dies dringend notwendig. Spannungen zwischen den Zivildienstleistenden untereinander und gegenüber den Soldaten wurden abgebaut, weil die Stellen im Bereich des Zivildienstes jetzt qualitativ annähernd gleichwertig sind und eine ähnliche Belastung darstellen wie der Dienst der Soldaten. Es gibt letztlich keine Verlegenheitsjobs mehr. Im Gegensatz zur SPD, die immer laut nach Gerechtigkeit schreit, es aber bei leeren Worten beläßt, haben wir gehandelt und somit die jetzt bestehende Wehrgerechtigkeit möglich gemacht. Soweit nochmals die dargelegten Gründe, die eindeutig für eine Fortschreibung des Gesetzes sprechen. Nun aber zu den angeblich neuen Erkenntnissen, die seitens der Opposition gegen das Gesetz vorgebracht werden: Vorneweg zur Presseerklärung der SPD von gestern eine Bemerkung: Sie sprechen von einem Lotteriespiel bei der Gewissensprüfung. Dies ist mir schleierhaft. Lediglich 54 Fälle sind an die Ausschüsse bis jetzt abgegeben worden, bei über 72 000 Anmerkungen. Was hat das mit einer Lotterie zu tun? Erster Kritikpunkt: Reservisten, die als Kriegsdienstverweigerer anerkannt worden sind, haben einen Rest-Zivildienst von fünf Monaten zu leisten. Hier wird von den Sozialdemokraten aus schierem Opportunismus leider eine unsachliche Kritik angeführt, denn die Heranziehung zum Rest-Zivildienst ergibt sich zwingend aus den Bestimmungen des Zivildienstgesetzes. Das Bundesverfassungsgericht hat dies ausdrücklich am 12. Juli 1985 bestätigt. Es ist doch sonnenklar: Ein Rest-Zivildienst muß geleistet werden, um die gewonnene Wehrgerechtigkeit nicht wieder erneut aufs Spiel zu setzen. Wenn Sie von der SPD wirklich an diesem Punkt herummäkeln, zeigt das ein recht sonderbares Verständnis von Gerechtigkeit. Wir hätten dann genau wieder den alten Zustand, bei dem diejenigen, die ihrer staatsbürgerlichen Pflicht nachkommen und Wehrübungen leisten, die Dummen sind und die, welche nach der Ableistung des Grundwehrdienstes verweigert haben, eindeutig bevorzugt werden. Der zweite Kritikpunkt, die angeblich ungeregelte Verwendung der Zivildienstleistenden im Verteidigungsfall ist ebenso billig und unqualifiziert. Da werden irgendwelche Schauermärchen erzählt, Zivildienstleistende müßten im Verteidigungsfall auf einmal Kriegsdienst mit der Waffe leisten. § 79 des Zivildienstgesetzes weist ausdrücklich darauf hin: anerkannte Kriegsdienstverweigerer können zum unbeschränkten Zivildienst herangezogen werden. Kein Wort von Kriegsdienst, kein Wort von einem Einsatz in den Streitkräften. Auch durch ständige Wiederholungen werden solche abenteuerlichen und unseriösen Behauptungen nicht wahr. Es gibt keine Einsatzplanung für Zivildienstleistende im Verteidigungsfall im Bereich der Bundeswehr, und dabei bleibt es. Was Sie machen, ist reine Polemik. Schließlich noch zum dritten sogenannten Kritikpunkt, der Totalverweigerung. Um ein für alle mal klarzustellen: Totalverweigerung ist und bleibt völlig unmoralisch und bar jeglichen Verantwortungsbewußtseins gegenüber der Gesellschaft. Wenn in geradezu haarsträubenden Konstruktionen und in einer verzerrten Wahrnehmung der Wirklichkeit in der Bundesrepublik ein Zusammenhang zwischen Bundeswehr und Zivildienst konstruiert wird und daraus jemand für sich eine Legitimation zur Totalverweigerung ableitet, ist dies moralisch noch lange nicht gerechtfertigt. Ausdrücklich hiervon ausnehmen möchte ich die Zeugen Jehovas, denen im § 15 a des Zivildienstgesetzes auf Grund der besonderen Geschichte dieser religiösen Gemeinschaft ein Ausnahmerecht zugebilligt wird. Aber auch sie akzeptieren ein freiwilliges Arbeitsverhältnis im sozialen Bereich. Schließlich noch ein Wort von der sogenannten Doppelbestrafung im Bereich der Totalverweigerung: Es entspricht unserer Rechtsordnung, wenn ein Straftatbestand auch tatsächlich geahndet wird. Wenn jemand für einen Diebstahl bestraft worden ist, ist dies nicht zugleich ein Freibrief für weitere Diebstähle in der Zukunft, wenn er seine Strafe verbüßt hat. Ebenso verhält es sich bei der sogenannten Totalverweigerung. Wenn jemand jeglichen Dienst verweigert, wird er hierfür bestraft. Dies enthebt ihn aber nicht seiner Verpflichtung, diesen Dienst abzuleisten. Verweigert er also erneut, wird er nur für diese erneute Verweigerung bestraft. Es ist daher sachlich falsch und juristisch nicht haltbar, wenn in diesem Zusammenhang von einer Doppelbestrafung gesprochen wird. Im übrigen bleibt es eine Entscheidung der Gerichte, bei einer erneuten Dienstverweigerung über eine Bestrafung zu entscheiden. Zusammenfassend möchte ich betonen: Die von der Opposition vorgebrachten Gründe gegen das Gesetz sind nichts anderes als fadenscheinige Argumente und Polemik gegen ein Gesetz, das sich wirklich uneingeschränkt bewährt hat. Deshalb kann bei objektiver Betrachtung ohne ideologische Scheuklappen oder Parteibrillen nur eine Zustimmung zu diesem Gesetz erfolgen, das sich in der Praxis in allen Punkten bewährt hat. Lambinus (SPD): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Grundrecht des Art. 4 Abs. 3 des Grundgesetzes stellt in unserer Verfassung eine Besonderheit dar. Der Bürger kann auf Grund dieser Vorschrift staatliche Pflichten ablehnen. Der Grundgesetzgeber hat mit dieser Vorschrift Konsequenzen aus der Zeit des Nationalsozialismus gezogen. Die Behandlung der Kriegsdienstverweigerer zeigt deshalb, inwieweit wir bereit sind, Lehren aus der Vergangenheit zu ziehen. Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 210. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 17. April 1986 16181* Das geltende Recht und die geltende Praxis genügen diesen hohen Anforderungen des Grundrechts nicht. Dies hat das Anhörungsverfahren des zuständigen Bundestags-Ausschusses gezeigt. Gerade die Kirchen haben erhebliche Einwände gegen das Verfahren der Anerkennungs-Ausschüsse vorgetragen. Lassen Sie mich einige Punkte nennen: Die Ausschüsse und Kammern für Kriegsdienstverweigerung sind im Geschäftsbereich des Verteidigungsministers verblieben. Die Behörden des Verteidigungsministeriums beurteilen die Vorsitzenden der Kammern und Ausschüsse. Die Anerkennungspraxis in der Bundesrepublik ist regional sehr unterschiedlich. Die Anerkennungsausschüsse in Bayern erkennen nur ca. 35% der Antragsteller an. Im übrigen Bundesgebiet sind es ca. 55 %, die anerkannt werden. Bayerns Wehrpflichtige sind nicht gewissensloser als andere Wehrpflichtige. Es muß vermutet werden, daß die Ausschüsse in gewisser Weise beeinflußt werden. Dies kann auch in Form eines „vorauseilenden Gehorsams" gegenüber den Behörden des Verteidigungsministeriums geschehen. Hier wird deutlich, daß höchstpersönliche Gewissensentscheidungen nicht überprüfbar sind. Hieraus sind die notwendigen Konsequenzen zu ziehen. Entsprechend den Forderungen der Kirche müssen die Ausschüsse in den Verantwortungsbereich des Familienministers übergehen, der auch für dieses Gesetz zuständig ist. Es muß verhindert werden, daß die Vorsitzenden die Verhandlungen im Stil von sogenannten Gewissensprüfungen führen. Inquisitorische Gewissensüberprüfungen haben entsprechend dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu unterbleiben. Die aufgetretenen Mängel beeinträchtigen nicht nur die Glaubwürdigkeit der betroffenen Verwaltung. Beeinträchtigt wird der hohe moralische Anspruch des Staates und der Verfassung, die Gewissensentscheidung zu schützen. Dies kann Konsequenzen für die Haltung der Betroffenen zum demokratischen Staatswesen haben. Die Bundesregierung sollte deshalb auf die Kirchen hören. Dies ist bisher nicht geschehen. Es ist der Eindruck entstanden, daß der Zivildienst für die Bundesregierung keine Alternative ist, sondern daher nur lästig ist. Dies zeigt auch die befristete Verlängerung des Kriegsdienstverweigerungs-Neuordnungsgesetzes. Art. 4 Abs. 3 des Grundgesetzes verlangt ausdrücklich ein Gesetz über die Kriegsdienstverweigerung. Dies ist dem ganzen Bundestag und auch der Bundesregierung bekannt. Ein sachlicher Grund für die Befristung ist nicht ersichtlich. Jeder Arbeitgeber, der einen befristeten Arbeitsvertrag abschließen will, muß hierfür einen sachlichen Grund vorweisen. Ähnliches muß auch für den Gesetzgeber gelten, der ein befristetes Gesetz erläßt. Der Wehrdienstverweigerer muß die Dauer seines Dienstes kennen, wenn er den Dienst antritt. Dies verlangt der Respekt vor der Gewissensentscheidung des Zivildienstleistenden. Die Koalition will diese Gewißheit am heutigen Tage in Frage stellen. Heute wird die Verlängerung des Wehrdienstes beschlossen. Gleichzeitig wird das Kriegsdienstverweigerungsgesetz befristet. Der einzige Grund für die Befristung ist die Absicht von Teilen der Koalition, in Zukunft die Drittelautomatik eventuell einzuschränken. Es ist unklar, ob der Zivildienst in Zukunft jemals 24 Monate dauern wird. Trotzdem müssen Zivildienstleistende ihren Dienst beginnen, obwohl sie die Dauer nicht kennen. Dies ist unannehmbar. Die Koalition hat diese Lösung nur gewählt, weil sie sich über die Dauer des Zivildienstes nicht einigen konnte. Eine 24monatige Dauer des Zivildienstes ist verfassungsrechtlich problematisch. Die Kirchen haben sich in der Anhörung gegen die Drittelautomatik ausgesprochen. Die Bundesregierung hat vor dem Bundesverfassungsgericht gesagt, die Drittellösung sei gerechtfertigt, weil Wehrpflichtige in Zukunft verstärkt zu Übungen einberufen werden. Jetzt wird der Wehrdienst verlängert. Wehrübungen werden deshalb nicht in dem Umfang durchgeführt werden, wie die Bundesregierung vor dem Bundesverfassungsgericht angegeben hat. Deshalb fehlt jede Rechtfertigung für die Drittelautomatik. Dies weiß auch die Koalition. Trotzdem gibt es Kräfte in der Koalition, die die Drittelautomatik beibehalten wollen. Sie soll als Abschreckung vor der Kriegsdienstverweigerung dienen. Die Koalition hat sich nicht für eine klare Lösung entscheiden können. Ihre Differenzen waren zu groß. Nur deshalb ist die Dauer des Kriegsdienstverweigerungsgesetzes erneut befristet worden. Die Bundesregierung scheut sich vor der fälligen klaren Entscheidung. Nichts gegen die Kunst des Aussitzens von Entscheidungen! Die Bundesregierung hat es auf diesem Gebiet j a zu einer wahren Meisterschaft gebracht. Solche Kunststücke sollten aber zurückstehen, wenn es um die Auswirkungen von Gewissensentscheidungen geht. Der Respekt vor den Gewissensentscheidungen der Zivildienstleistenden gebietet deshalb eine Ablehnung des Regierungsentwurfs und eine Annahme des Entschließungsantrags der SPD. Lange (GRÜNE): Daß die Bundesregierung und die Koalition ihr jungendpolitisch verheerendes Handeln auch beim Recht der Kriegsdienstverweigerung und des Zivildienstes fortsetzen würde, haben wir befürchtet. Die Reihenfolge der Tagesordnung heute macht überdies deutlich, wie von der Mehrheit dieses Hauses mit einem Grundrecht, nämlich dem der Kriegsdienstverweigerung aus Gewissensgründen nach Artikel 4 Abs. 3 Grundgesetz, umgegangen wird. Wenn das Kriegsdienstverweigerungs-Neuordnungsgesetz durch die jetzt zu verabschiedende Gesetzesvorlage in seiner Gültigkeit bis Ende 1990 verlängert wird, dann ausschließlich, weil die Bundesregierung lieber nach dem Motto handelt: „Augen zu und durch", als die realen Probleme bei Kriegsdienstverweigerung und Zivildienst und die massive Kritik aus der Fachöffentlichkeit zur Kenntnis zu nehmen. 16182* Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 210. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 17. April 1986 Verlängert wird heute ein schlichtes Gesetz, das von einem Grundrecht abschrecken soll und — wie es heute wieder klar formuliert hat — es damit aushöhlt. Es ist klar, daß die GRÜNEN solchen Plänen keine Zustimmung geben können. Wir begrüßen es sehr, daß heute am Aktionstag von Zivildienstleistenden Hunderte junger Menschen ihren Protest dagegen zum Ausdruck gebracht haben. Es ist Ihre Politik, die Kriegsdienstverweigerer und Zivildienstleistende dazu treibt, die Arbeit zeitweise niederzulegen, und deswegen solidarisieren wir uns mit solchen Aktionen. Wir machen ein weiteres Mal darauf aufmerksam: Wenn junge Leute diesem Stück Grundrechtsabbau nicht tatenlos zusehen, sondern dagegen aufbegehren, dann folgen sie mit Taten dem Anspruch des Grundgesetzes, nämlich Grundrechte aktiv zu verteidigen! Wir GRÜNEN haben zugleich klare Alternativen zu den Gesetzesplänen der Bundesregierung vorgelegt. 1. Das Prüfungsverfahren für Kriegsdienstverweigerer vor Ausschüssen, Kammern und Verwaltungsgerichten, das nach wie vor auch im Jahre 1985 die Mehrheit der KDV-Verfahren ausmachte, muß vollständig abgeschafft werden! Das Äußerste, wofür wir uns erwärmen könnten, wäre vorläufig ein schriftliches Feststellungsverfahren, bei dem die Beweislast den staatlichen Behörden obliegt. 2. Der „Ersatzdienst" — dies ist die Formulierung des Grundgesetzes, und die Bundesregierung ist eifrig bemüht, ihn als lästige Alternative und gesellschaftlichen Dienst zweiter Klasse auszugestalten —, muß endlich zu einem sozialen Friedensdienst ausgestaltet werden. Die Verlängerung des Zivildienstes um ein Drittel, also demnächst auf 24 Monate, ist eine Abschreckungsmaßnahme gegenüber dem Grundrecht der Kriegsdienstverweigerung, und sie ist nach unserer Auffassung nach wie vor gegen Geist, Buchstaben und Logik der Verfassung — Artikel 12 a Grundgesetz — gerichtet. Wer den Zivildienst und die Dienstleistenden in diesen Tagen feiert, ihm zugleich aber nach Dauer und Ausgestaltung zur lästigen Alternative machen will, der ist im besten Falle ignorant! 3. Die totalen Kriegsdienstverweigerer aus Gewissensgründen, die sowohl Grundwehrdienst wie die zahlreichen Ersatzdienste und insgesamt die allgemeine Wehrpflicht ablehnen und konsequent verweigern, berufen sich auf ein Grundrecht, nämlich das der Gewissensfreiheit. Dieses Grundrecht der Gewissensfreiheit muß vor den Anforderungen der allgemeinen Wehrpflicht rangieren. Was Ihnen Argumente wert sind, zeigte der Verlauf der Anhörung vor dem Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit am 29. Januar. Am 12. Februar fand im Ausschuß die entscheidende, gut zweistündige Debatte statt. Und das ist das Schlimme: Die sehr abgewogenen, fundierten und gründlichen Argumente der Sachverständigen wurden von Koalition und Bundesregierung schlicht ignoriert. Zur Erinnerung: Sämtliche Rechtsanwälte, die Vertreter der KDV-Organisationen, der Kirchen, der Jugendverbände und auch der Freien Wohlfahrtspflege äußerten in der Anhörung Kritik am KDVNG, manche leise und behutsam, andere klar und unüberhörbar und dennoch fundiert. Der einzige Pro-Anwalt außerhalb von Bundeswehr- und Zivildienstverwaltung kam vom Deutschen Bundeswehrverband. Unter diesem Eindruck ist es skandalös, wenn die Bundesregierung sowohl in der Anhörung als auch danach die Frage meines Kollegen Schierholz, welche Konsequenzen sie denn aus dieser massiven Kritik ziehen würden, schlicht und bündig beantwortete: Ja, mit parlamentarischem Stil tut sich diese Bundesregierung schwer! Ich sage das sehr deutlich für meine Fraktion: Betrachtet man ausschließlich das Verfahren vor dem Bundesamt, so wäre dies für sich genommen ein Fortschritt gegenüber der alten Gewissensinquisition. Doch: Nach wie vor müssen Tausende junger Leute diese alte, teilweise verschärfte Gewissensinquisition durchlaufen, die zahlreichen Zivildienstplätze werden aberkannt, die Arbeit von Interessenvertretungs-Organisationen behindert, Doktoranden durch Einberufung zum fünfmonatigem Rest-Zivildienst zum Abbruch der Arbeit an ihrer Dissertation gezwungen, protestierende Zivildienstleistende von Stuttgart nach Bayern versetzt. Wer behauptet, dieses Gesetz habe sich voll und ganz bewährt, der führt Parlament und Öffentlichkeit in die Irre. Deshalb kommt von uns ein klares Nein zur Verlängerung des KDVNG. Nehmen Sie die Anliegen der Betroffenen ernst, stimmen Sie für die Annahme unseres Antrages! Ich will noch hinzufügen, daß wir keine Veranlassung sehen, dem Antrag der Fraktion der SPD zu 25 Jahren Zivildienst zuzustimmen. Keine Frage: den zehntausenden Zivildienstleistenden und Beschäftigungsstellen gebührt Dank; sie aber so abzufeiern, wie die Bundesregierung dies schon getan hat und wie die SPD es mit ihrem Antrag plant, das ist denn doch ein bißchen zu dick aufgetragen. Weswegen wir die Bemühungen der Bundesregierung für unredlich halten, habe ich eben begründet. Wir vergessen aber nicht — und dies tun auch nicht die KDV-Organisationen und die Zivildienstleistenden —, daß es die SPD war, die in ihrer Regierungszeit und durch den von ihr gestellten Bundesbeauftragten für den Zivildienst zahlreiche Verschlechterungen dort selbst eingeleitet hat und durch ihre Verteidigungsminister mit am Prozeß der Demontage des Grundrechts der Kriegsdienstverweigerung aus Gewissensgründen beteiligt war. Aus diesem Grunde werden wir auch ihrem Antrag auf Drucksache 10/ 5219 nicht zustimmen. Götzer (CDU/CSU): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Recht, den Wehrdienst aus Gewissensgründen zu verweigern und die Möglichkeit, einen zivilen Ersatzdienst zu absolvieren, sind Ausdruck des staatlichen Respekts vor der Gewissensentscheidung des Einzelnen. Dieses im Grundgesetz verbürgte Recht zeichnet unsere freiheitliche Grundordnung in besonderem Maße aus. Denn unser Staat stellt in Einzelfällen damit sogar seinen in unserem elementaren Selbstbehauptungswillen begründeten legitimen und unverzichtbaren Anspruch, an der Verteidigung mit der Waffe mitzuwirken, hinter die Gewissensentschei- Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 210. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 17. April 1986 16183* dung des Einzelnen zurück. Es gibt keinen Staat auf der Welt, der sich mehr in der Toleranz gegenüber Wehrdienstverweigerern übt, als der unsrige. Das Bekenntnis dieser Koalition zum Recht der Wehrdienstverweigerung aus Gewissensgründen steht nicht im Widerspruch zu unserer Entschlossenheit, die Verteidigungsbereitschaft unseres Landes zu erhalten und zu stärken. Wir lassen auch keinen Zweifel daran, daß wir hoffen, daß der Anteil der jungen Männer, für die nach ihrem Gewissen nur der Wehrdienst in Frage kommt, nicht ab-, sondern zunehmen wird. Dies ist durchaus auch im Interesse der Wehrdienstverweigerer; denn ihr in der Verfassung garantiertes Recht stünde allenfalls noch auf dem Papier, wenn unser Land nicht mehr frei wäre. Wehrdienstverweigerung ist nur möglich, weil die Mehrzahl der jungen Männer in unserem Land bereit ist, unsere freiheitliche Ordnung und ihre Verfassung, zu der auch Art. 12a Abs. 2 Grundgesetz gehört, unter Einsatz ihres Lebens zu schützen. In der Sowjetunion gibt es kein Recht auf Wehrdienstverweigerung. Nach Art. 62 Abs. 2 der sowjetischen Verfassung ist die Verteidigung „heilige Pflicht" jedes Sowjetbürgers. Nicht immer konnten sich der zivile Ersatzdienst und das Grundrecht auf Wehrdienstverweigerung auf eine gesicherte gesetzliche Grundlage stützen. Die SPD brachte die Zivildienstleistenden durch die Einführung der Möglichkeit der „Verweigerung per Postkarte" in Verruf. Erst die unionsgeführte Bundesregierung leistete mit dem KDVNG das Notwendige, um die Zivildienstleistenden von dem Ruf des Drückebergertums zu befreien. Damit hat sie für das Recht auf Wehrdienstverweigerung mehr getan als alle früheren Regierungen. Die Intentionen des Gesetzgebers bei der Neuregelung des Rechts auf Wehrdienstverweigerung waren vor allem: 1. Verbesserung des Schutzes der Gewissensentscheidung, 2. Einführung eines gerechteren und zügigeren Anerkennungsverfahrens, 3. Vermehrung der zur Verfügung stehenden Stellen, 4. Herstellung der Vergleichbarkeit des Belastungsniveaus der Dienste. Alle diese Ziele wurden erreicht: — Für über 90 % aller Antragsteller gibt es nur noch das schriftliche Verfahren. Bei der geforderten Antragsbegründung wird der unterschiedlichen Schulbildung Rechnung getragen, was bereits zu einem ausgewogeneren Verhältnis zwischen Schülern und in Ausbildung oder Beruf Befindlichen geführt hat. — Die Zahl der Antragsteller betrug 1985 54 000. Damit legt sie zwar über dem Stand von 1984 (43 800), andererseits weit unter dem Ergebnis von 1983 (68 300). Beide Jahre taugen jedoch nicht als Vergleich, da 1983 besonders viele deshalb den Antrag stellten, weil bereits die ab 1984 geltende Neuregelung durch das KDVNG bekannt war und sie noch unter die alte Regelung fallen wollten. Dementsprechend sank die Zahl im darauf folgenden Jahr. Geeignetes Vergleichsjahr ist deshalb das Jahr 1982 (60 000). Gegenüber damals ergibt sich somit in diesem Jahr ein Rückgang der Zahl der Antragsteller um 10%. — Der Prozentsatz der Anerkennungen seit Inkrafttreten des Gesetzes vor zwei Jahren beträgt 96% (61 000). Nur 142, also ganze 0,2 %, wurden abgelehnt, und lediglich 37 Anträge mußten wegen Zweifeln an der Glaubwürdigkeit des Antragstellers an den zuständigen Ausschuß für Kriegsdienstverweigerung abgegeben werden. Diese Zahlen widerlegen eindeutig alle Behauptungen, das KDVNG beeinträchtige das Recht auf Wehrdienstverweigerung. Freilich muß an dieser Stelle auch klar gesagt werden, daß sich die Güte des Gesetzes nicht nach der möglichst hohen Zahl von Antragstellern bzw. Anerkennungen bemißt. — Der Antragsstau, den wir der alten SPD-Praxis zu verdanken hatten, wurde inzwischen abgebaut: Die Zahl der nicht abschließend entschiedenen Anträge sank von 100 000 bei Inkrafttreten des Gesetzes auf jetzt 30 000. — Auch die Bearbeitungsdauer ist erfreulich kurz geworden: Das Bundesamt für den Zivildienst entscheidet heute über einen vollständigen Antrag in der Regel innerhalb eines Monats. — Besonders hervorzuheben ist die Steigerung des Bestands an Dienstplätzen: 1982 waren es 51 000, 1984 60 000, 1985 70 000, und für 1986 sind 80 000 geplant. Damit ist gewährleistet, daß jeder anerkannte Kriegsdienstverweigerer unverzüglich einberufen werden kann. — Auch eine Benachteiligung der Soldaten gegenüber den Zivildienstleistenden hinsichtlich der Belastung im Rahmen ihres Dienstes ist nunmehr ausgeschlossen durch die neue Vorschrift über die Anerkennung von Zivildienstplätzen, nach der eine Beschäftigung dem Wesen des zivilen Ersatzdienstes nicht entspricht, wenn die mit ihr verbundene Anforderung hinter der Anforderung an die Wehrdienstleistenden zurückbleibt. — Ein Kernstück der Neuregelung des Rechts auf Wehrdienstverweigerung war die Verlängerung der Dauer des zivilen Ersatzdienstes um ein Drittel gegenüber dem Wehrdienst. Dies ist im Hinblick auf die zeitlichen Belastungen der Soldaten gerechtfertigt und darüber hinaus geeignet, als Indiz für das Vorliegen einer wirklichen Gewissensentscheidung zu dienen. Das Bundesverfassungsgericht hat diese längere Zivildienstzeit ausdrücklich für verfassungsgemäß erklärt. Auch die beiden abweichend votierenden Richter halten diese Regelung für vernünftig und gerecht. Das Kriegsdienstverweigerungs-Neuordnungsgesetz (KDVNG) hat sich bewährt. Es schützt gerade die echten Wehrdienstverweigerer aus Gewissens- 16184* Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 210. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 17. April 1986 gründen davor, mit Drückebergern in einen Topf geworfen zu werden. Der seinen Dienst leistende, anerkannte Wehrdienstverweigerer hat einen Anspruch darauf, gegen Diskriminierung verteidigt zu werden. Ebenso hat aber auch derjenige, der als Soldat seine Pflicht tut, einen Anspruch, in Schutz genommen zu werden vor der Diffamierung seines Wehrdienstes. Um es klar zu sagen: Wer den Wehrdienst verweigert, besitzt keine „bessere Moral" als der, der zur Verteidigung unseres Vaterlandes bereit ist. Denn nur wer Wehrdienst leistet, trägt aktiv zur Sicherung des Friedens bei. Deshalb gilt, daß der Wehrdienst die Regel und der Ersatzdienst die Ausnahme ist, wobei beide, Soldat und Zivildienstleistender, eine Gewissensentscheidung getroffen haben, die unseren Respekt verdient. GIlges (SPD): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die SPD-Bundestagsfraktion ist weiterhin der festen Überzeugung, daß die Verlängerung des Zivildienstes auf 24 Monate ungerechtfertigt und diskriminierend ist. Diese Auffassung haben auch die Experten anläßlich der Anhörung des Ausschusses für Jugend, Familie und Gesundheit vom 29. Januar 1986 bestätigt. Unsere Kritik an den seit dem 1. Januar 1984 gültigen Regelungen besteht fort: Immer noch müssen sich 15-20 % der Antragsteller der inquisitorischen Prüfung vor den Kammern stellen. Die Behauptung der Bundesregierung, daß die mündliche Gewissensprüfung abgeschafft sei, ist nichts anderes als Propaganda. Wir halten es für eine grobe Ungerechtigkeit, daß Reservisten, die den vollen Grundwehrdienst geleistet haben und dann von der Möglichkeit der Kriegsdienstverweigerung Gebrauch machen wollen, fünf bzw. jetzt sechs Monate nachdienen müssen. Es bestehen auch weiterhin berechtigte Zweifel an der gesetzlichen Automatik, nach der der Zivildienst um ein Drittel länger dauern muß als der Grundwehrdienst. Die SPD-Bundestagsfraktion befürchtet, daß die wiederum vorgesehene zeitliche Begrenzung des Kriegsdienstverweigerungsgesetzes der Bundesregierung die Möglichkeit gibt, die Zeit des Zivildienstes nochmals zu verlängern, wenn die Zahl der Verweigerer steigen sollte. CDU/CSU und FDP sind nicht an einer gerechten Regelung für die im Grundgesetz garantierte Gewissensfreiheit für die Verweigerung des Kriegsdienstes interessiert. Vielmehr wollen die Koalitionsfraktionen ein Abschreckungsgesetz schaffen. Dafür spricht auch die heftige Kritik an den Durchführungsproblemen bei dem jetzigen Zivildienst: Es gibt einen massiven Abbau von Verwaltungsplätzen bei den Zivildiensteinrichtungen. Zivildienstleistende können nicht ihren Dienst bei Organisationen ableisten, bei denen sie bereits ehrenamtlich tätig gewesen sind. Unverständlich ist die Einschränkung der Möglichkeit der Verbände der freien Wohlfahrtspflege in Abstimmung mit dem Zivildienstleistenden, seinen Einsatz festzulegen. Die Ungleichbehandlung von Soldaten und Zivildienstleistenden bei Freistellungen wegen Beginns der Ausbildung oder des Studiums nehmen in letzter Zeit erschreckende Ausmaße an. Es gibt keine Begründung für die Tatsache, daß für das mündliche Prüfungsverfahren immer noch Dienststellen aus dem Bereich des Bundesministers der Verteidigung zuständig sind. Insgesamt muß festgehalten werden, daß sich das neue Kriegsdienstverweigerungsgesetz nicht bewährt hat. Die SPD wird daher, sofern sie in den nächsten Jahren dazu die Möglichkeit hat, alle Prüfungsverfahren abschaffen. Es wird zu einer Gleichbehandlung von Wehr- und Zivildienstleistenden, d. h. zu einer Wehr- und Zivildienstgerechtigkeit kommen müssen. Wir werden die maximale Länge des Zivildienstes aus unserem Vorschlag aus dem Jahre 1982 wieder aufnehmen. Wir werden die Aufhebung der beim Verteidigungsministerium liegenden Verantwortung für das Prüfungsverfahren und ein humane Lösung für die Totalverweigerer fordern. Unter einer SPD-Regierung ab 1987 wird es ein neues, dem Gedanken des Grundrechts auf Gewissensfreiheit entsprechendes Gesetz geben. Frau Dr. Süssmuth, Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sie haben heute über den Entwurf des Fortsetzungsgesetzes zum Kriegsdienstverweigerungs-Neuordnungsgesetz abschließend zu entscheiden. Dabei geht es um die Fortgeltung der Reform der Kriegsdienstverweigerung, die vor über zwei Jahren in Kraft getreten ist, über den 30. Juni dieses Jahres hinaus. Dieses Gesetz hat sich in der Praxis bewährt. Das hat die Bundesregierung in ihrem Erfahrungsbericht, den sie Ende letzten Jahres den gesetzgebenden Körperschaften erstattet hat, im einzelnen nachgewiesen. Das gilt sowohl für das neue Anerkennungsverfahren für Kriegsdienstverweigerer als auch für die Folgen, die sich daraus für den Zivildienst ergaben. Nach dem neuen Verfahren werden alle ungedienten Antragsteller anerkannt, die sich in ihrem Antrag auf einen vom Grundgesetz geschützten Gewissensgrund berufen. Es gibt für diese Antragsteller, die 90 % der Gesamtheit der Antragsteller ausmachen, deshalb keine Ungewißheit mehr, wie ihr Verfahren ausläuft. Es gibt auch kein langes Warten auf die Entscheidung mehr; denn diese wird regelmäßig innerhalb weniger Wochen ausgesprochen. Auch auf die anschließende Einberufung zum Zivildienst braucht der anerkannte Kriegsdienstverweigerer nicht lange zu warten. Er kann den alsbaldigen Zeitpunkt seines Dienstantritts ebenso mitbestimmen wie die Einrichtung, bei der er seinen Dienst leisten will. Die 100 000 unerledigten KDV-Anträge, die diese Regierung im Herbst 1982 vorfand, konnten auf einen normalen Bearbeitungsstand zurückgeführt Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 210. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 17. April 1986 16185* werden. Von den 119 Ausschüssen für Kriegsdienstverweigerung konnten daher bereits Anfang des Jahres 91 aufgelöst werden. Die Zahl der Kammern für Kriegsdienstverweigerung, die über Widersprüche zu entscheiden haben, wird bis Ende dieses Jahres in ähnlichem Umfange reduziert werden. Die aus dem Antragsstau stammenden anerkannten Kriegsdienstverweigerer haben ihren Zivildienst inzwischen zum Teil bereits geleistet, teils leisten sie ihn, teils werden sie ihn in allernächster Zeit antreten. Dadurch wird sich im Jahre 1987 die Jahresdurchschnittszahl der Zivildienstleistenden noch einmal erhöhen, und zwar auf 61 000. Damit wird im Jahre 1987 der Gipfel erreicht und überschritten. Es steht deshalb bereits heute fest, daß das neue Recht mit der Bugwelle der Altanträge fertiggeworden ist, ohne daß zu irgendeinem Zeitpunkt auch nur einem Teil der Dienstpflichtigen ungewünschte Wartezeiten zugemutet werden mußten. Um das zu erreichen, brauchte die Bundesregierung nicht einmal ihre Ansprüche an neue Zivildienstplätze herabzusetzen. Sie konnte sogar aus dem übernommenen Bestand die allzugroße Zahl von Zivildienstplätzen, die — nach früher allgemeiner Auffassung dieses Hohen Hauses — weniger geeignet sind, entscheidend reduzieren. Dieser Erfolg ist offensichtlich. Man möchte meinen, daß es gar keine Möglichkeit gibt, ihn zu bestreiten. Und auch die Opposition tut es j a — wenn man genau hinhört — nicht ernstlich. Und dennoch versagt sie der Reform nach wie vor ihre Zustimmung, bekämpft sie diese Reform sogar erbittert. Es kann hier nicht meine Aufgabe sein, Psychologie und politisches Kalkül dieser Haltung aufzudecken. Ich will vielmehr auf die einzelnen Argumente eingehen, die die Opposition der Reform entgegensetzt. Genau besehen sind dies gar keine Argumente, sondern es ist das Bild einer anderen Reform, einer Reform, die sogar das Postkartengesetz überbieten soll, mit der die frühere Koalition 1978 vor dem Bundesverfassungsgericht gescheitert ist, einer Reform, die bisher noch von keiner Bundesregierung gewollt oder versucht worden ist, einer Reform also, die auch der früheren Koalition unter Führung der SPD fernlag. Die Opposition beanstandet, daß der Antrag auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer begründet werden muß und daß der Staat — sprich Bundesamt für den Zivildienst — diese Begründung liest. Aber nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre 1978 gibt es keine freie Wahl zwischen Wehrdienst und Zivildienst, gilt das Grundrecht aus Art. 4 Abs. 3 des Grundgesetzes nur für Verweigerer aus Gewissensgründen. Ist es da nicht zwingend, daß der Antragsteller diesen Gewissensgrund wenigstens behaupten und darlegen muß und die Verwaltung diese Darlegung auch liest? Die Opposition greift vor allem die Dauer des Zivildienstes an. 20 Monate sei zu lang. Aber die 18 Monate des Postkartengesetzes waren dem Bundesverfassungsgericht 1978 zu kurz, und daran ist das Postkartengesetz gescheitert. Unter 19 Monate glaubte daher die SPD-Fraktion in ihrem Entwurf vom Herbst 1982 auch aus optischen Gründen nicht gehen zu können. Und 20 Monate ist die geringste Dauer, die in den Schubladenentwürfen der früheren Regierungskoalition vorgesehen war. Diesen lag ein gemeinsames Gutachten der beiden Verfassungsressorts, Bundesminister der Justiz und Bundesminister des Innern, zugrunde. Nach diesem war eine kürzere Dauer verfassungsrechtlich nicht zulässig, wenn man ein Anerkennungsverfahren wählen sollte wie das jetzige. Die Opposition fordert weiter, daß das Ausschußverfahren auch für Soldaten und Gediente abgeschafft wird. Sie selbst aber haben in der Zeit Ihrer Regierungsverantwortung dieses Verfahren beibehalten und selbst bei der Postkartenregelung nicht geändert. Wir haben das Ausschußverfahren für Soldaten beibehalten. Organisationsstruktur und Einsatzbereitschaft unserer Bundeswehr erlauben nicht, sich jederzeit einfach schriftlich von den Streitkräften abmelden zu können. Hier hat der Gesetzgeber bei voller Wahrung des Rechts auf Kriegsdienstverweigerung aus Gewissensgründen die in der Verfassung verankerte Grundentscheidung zur militärischen Landesverteidigung in ihren daraus folgenden Notwendigkeiten zu beachten. Und schließlich empört sich die Opposition darüber, daß Gediente, die erst nach Ableistung ihres Grundwehrdienstes anerkannt werden, die Differenz zwischen den beiden Diensten — im allgemeinen also fünf Monate — nachdienen müssen. Dabei weiß sie, daß der Wegfall dieser Verpflichtung diese Wehrpflichtigen gegenüber allen anderen Wehrpflichtigen bevorzugen würde, und zwar auch gegenüber den anderen Reservisten, die mit Wehrübungen und mit der Einberufung im Spannungs- und Verteidigungsfall rechnen müssen. Und sie weiß auch, daß diese Vorschrift nicht erst seit der Reform gilt, daß sie alt ist und daß keiner ihrer eigenen Entwürfe — weder das Postkartengesetz noch der Entwurf der Regierungskoalition aus dem Jahre 1980 — sie in Frage gestellt hat. Meine Damen und Herren Abgeordneten von der Opposition, die vorliegende Reform räumt mit den Grundbeschwernissen der Vergangenheit auf. Sie bewegt sich in dem vom Bundesverfassungsgericht gesteckten Rahmen. Auch bei kritischer Überprüfung gibt es keine Alternative, die den betroffenen Jugendlichen mehr helfen könnte als diese Regelung. Mit Ihrer Position in dieser Debatte wecken Sie Hoffnungen und Erwartungen, von denen Sie genau wissen müßten, daß sie sich in der Praxis niemals realisieren lassen werden. Kehren Sie bitte zu einer ehrlichen Würdigung dieser Problematik zurück. Das Grundrecht auf Kriegsdienstverweigerung aus Gewissensgründen ist zu kostbar, um in der tagespolitischen Auseinandersetzung um kurzfristiger parteipolitischer Ziele willen verschlissen zu werden. Ich danke Ihnen.
Gesamtes Protokol
Dr. Philipp Jenninger (CDU):
Rede ID: ID1021000000
Meine Damen und Herren, die Sitzung ist eröffnet.
Ich rufe Tagesordnungspunkt 2 auf:
Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung
Abschluß der Vereinbarungen über Technologieaustausch und Forschungsbeteiligung bei SDI mit den USA
Hierzu liegen Entschließungsanträge der Fraktion der SPD auf den Drucksachen 10/5321 und 10/5322 sowie ein Entschließungsantrag der Fraktion DIE GRÜNEN auf Drucksache 10/5339 vor.
Meine Damen und Herren, nach einer Vereinbarung im Ältestenrat sind für die Beratung drei Stunden vorgesehen. — Ich sehe keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.
Ich erteile das Wort dem Herrn Bundesminister für Wirtschaft.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1021000100
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bereits im Frühjahr 1985 haben der Bundeskanzler und die Bundesregierung ausführlich zum SDI-Forschungsprogramm Stellung genommen. Sie können diese Äußerungen im „Bulletin" nachlesen. Unverändert steht die Bundesregierung zu diesen Aussagen. Sie wurden im Kabinettsbeschluß vom 18. Dezember 1985 wieder aufgenommen und bekräftigt. Auch dieser Beschluß ist bekannt.
Die Diskussion über die SDI-Forschung muß auf dieser sachlichen Grundlage erfolgen, nicht aber auf der Basis von Spekulationen.
Das Bundeskabinett hat auf der Grundlage der Erklärungen vom 27. März und 18. April 1985 an mich einen klaren Verhandlungsauftrag erteilt, und auf dieser Grundlage haben von Januar bis März 1986 Verhandlungen stattgefunden. Am 27. März 1986 habe ich zwei Vereinbarungen zum Technologieaustausch und zur Forschungsbeteiligung an der Strategischen Verteidigungsinitiative unterzeichnet.
Mein Auftrag war, Rahmenbedingungen für die technologische Zusammenarbeit zwischen Partnern in den USA und deutschen Unternehmern zu verbessern und dabei auch faire Bedingungen für die Beteiligung deutscher Unternehmen und Forschungseinrichtungen an Forschungsaufgaben im Rahmen der SDI-Forschung zu verabreden. Die von mir unterzeichneten Vereinbarungen erfüllen diesen Auftrag.
Ich habe die zuständigen Ausschüsse des Bundestages, soweit sie dies wünschten und soweit dies terminlich schon möglich war, im einzelnen über die Inhalte der Vereinbarungen unterrichtet.
Hierzu möchte ich noch einmal besonders hervorheben: Mit der gemeinsamen Grundsatzvereinbarung sollen der wechselseitige Austausch wissenschaftlicher Forschungsergebnisse und die Zusammenarbeit von Wissenschaft und Wirtschaft in Forschung, Produktion und Vermarktung gefördert werden. Diese Ziele, die mir vom Kabinett mit seinem Beschluß für die Verhandlungen vorgegeben waren, sind von der amerikanischen Regierung voll akzeptiert und in die gemeinsame Grundsatzvereinbarung integriert worden. Wir haben dazu eine Reihe von Grundsätzen bekräftigt, die bereits in bilateralen oder multilateralen Verträgen niedergelegt sind und von denen wir glauben, daß sie auch für die zukünftige Zusammenarbeit in technologisch anspruchsvollen Bereichen von Nutzen sein werden.
Als Grundlage für die Zusammenarbeit bekräftigt die allgemeine Vereinbarung u. a. ausdrücklich den Grundstz der Meistbegünstigung, das Bekenntnis zum freien Wettbewerb und die Nichtdiskriminierung. Es ist vereinbart, daß beide Seiten darauf hinarbeiten, die mit ihrem jeweiligen Außenwirtschaftsrecht verbundenen verwaltungstechnischen Belastungen auf ein Mindestmaß zu beschränken.
Wir sind außerdem übereingekommen, einen Konsultationsmechanismus vorzusehen, der auch für die Lösung von Konflikten herangezogen werden kann. Diese ausdrücklich vereinbarten Konsultationsmöglichkeiten eröffnen die Chance, die Vereinbarung in Zukunft schrittweise durch die praktische Lösung konkret auftretender Probleme weiterzuentwickeln. Wir wollen damit die tägliche Kooperation deutscher Unternehmen mit Partnern in den USA weiter erleichtern und diese Kooperation flan-



Bundesminister Dr. Bangemann
kieren, wo dies den wirtschaftlich Beteiligten notwendig und nützlich erscheint. Die Erfahrungen der Vergangenheit haben gezeigt, daß die Komplexität und Unübersichtlichkeit von Gesetzen und Verwaltungsverfahren einen einsatzfähigen und kurzfristig abrufbaren Konsultationsmechanismus verlangen. Diesen Mechanismus haben wir jetzt geschaffen.
Die allgemeine Grundsatzvereinbarung enthält keine Absprache — ich betone das ausdrücklich, weil das bereits Gegenstand der Diskussion gewesen ist —, über die in der Bundesrepublik geltenden Exportbeschränkungen hinaus zusätzliche Restriktionen vorzusehen. Für die Bundesregierung ist das Außenwirtschaftsgesetz mit seinen Verordnungen der Ort, an dem die Regelungen getroffen werden, die im gemeinsamen Sicherheitsinteresse der Allianz erforderlich sind. Dabei bleibt es.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Die Bundesregierung wird auch in Zukunft keine Außenwirtschaftskontrollen außerhalb dieses rechtlichen Rahmens vereinbaren.
Die zweite Vereinbarung betrifft die Beteiligung deutscher Unternehmen und Forschungseinrichtungen am SDI-Forschungsprogramm. Hier ist besonders wichtig klarzustellen, was die Vereinbarung ist, was sie enthält und was sie nicht ist und was sie nicht enthält. Die Vereinbarung über die Beteiligung deutscher Unternehmen und Forschungseinrichtungen an der SDI-Forschung regelt im wesentlichen Fragen des Verhältnisses zwischen Auftraggebern aus den USA und Auftragnehmern in der Bundesrepublik. Daneben stellt die SDI-Vereinbarung den Informationsaustausch zwischen den Verteidigungsministerien über die Forschungsergebnisse sicher und gewährleistet einen Know-how-Austausch zu den SDI-Technologiebereichen, die für die Verbesserung der konventionellen Verteidigung, insbesondere der Luftverteidigung, nützlich sind.

(Dr. Dregger [CDU/CSU]: Sehr gut!)

Die Regierung der Vereinigten Staaten hat in der Vereinbarung ausdrücklich festgestellt, daß sie bei der Forschungszusammenarbeit mit deutschen Partnern ihre Verpflichtung aus dem ABM-Vertrag beachten wird.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Entscheidungen über Entwicklung und Stationierung von strategischen Verteidigungssystemen sind nicht Gegenstand der Vereinbarung und werden auch von amerikanischer Seite nicht vor Beginn des nächsten Jahrzehnts erwartet. Mit der Vereinbarung ist auch keinerlei Vorentscheidung hierzu getroffen worden. Mit anderen Worten: Die von Lord Carrington so genannte Brandmauer zwischen Forschung und Umsetzung der Forschungsergebnisse steht.
Die Forschung im Rahmen des SDI-Programms ist natürlich an Fragen ausgerichtet, die militärischen Charakter tragen. Auch dies möchte ich hier ausdrücklich betonen, weil in der Vergangenheit ein unnützer Streit darüber entstanden ist, ob das nun ziviler oder militärischer Natur ist, was in dieser Vereinbarung geregelt ist. Es ist ganz klar, meine Damen und Herren, die Forschung erfolgt mit einer militärischen Intention, aber diese Forschung beschränkt sich auf die Möglichkeit der theoretischen Erforschung solcher militärischer Intentionen. Sie geht nicht in die Anwendung über; das ist ausdrücklich durch den Hinweis auf den ABM-Vertrag gewährleistet.
Die Forschung selber legt die Anwendungsmöglichkeiten der Forschungsergebnisse jedoch nicht zwingend fest. Es wäre deshalb eine einseitige Betrachtungsweise, grundlegende Forschungsaktivitäten nur deshalb als ausschließlich militärisch zu qualifizieren, weil sie auch militärisch genutzt werden können. Der zivile Charakter der Forschung wird auch dadurch deutlich, daß nach allem, was wir heute absehen können, deutsche Auftragnehmer Forschungsergebnisse einbringen werden, die sie im Rahmen ziviler Projekte bereits entwickelt haben.
Die Bundesregierung mußte in den Vereinbarungen keine Abstriche von der Position machen, die sie in ihren Regierungserklärungen eingenommen hat.

(Beifall bei der FDP)

Dies zeigt sich darin, daß auf die Erklärungen der Bundesregierung vom 27. März und vom 18. April 1985 und auf den Kabinettsbeschluß vom 18. Dezember 1985 ausdrücklich Bezug genommen wird und die USA in der SDI-Vereinbarung die Beachtung des amerikanisch-sowjetischen ABM-Vertrages von 1972 ebenso ausdrücklich bekräftigen.
Im übrigen, meine Damen und Herren — ich bitte das im Hinblick auf die eigenen Interessen der Bundesrepublik zu beachten — sind die strategischen Fragen von SDI von erheblicher sicherheitspolitischer Relevanz für das gesamte Bündnis. Dort wird diese Diskussion geführt. Die entsprechenden Beratungen in WEU und NATO sind intensiv, mit dem Ziel, den Bündniszusammenhang zu wahren und die Interessen der europäischen Sicherheit zu fördern. Wer diese Diskussion im Bündnis verhindern oder durch eine einzelstaatliche Diskussion bei uns ersetzen will, schadet den Interessen der Bundesrepublik Deutschland.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Durch Teilhabe am Informationsaustausch werden Erkenntnisse und Urteilsfähigkeit über die Ergebnisse des Forschungsprogramms verbessert. Das ist für die erwähnte sicherheitspolitische Diskussion im Rahmen der gemeinsamen NATO-Strategie unumgänglich. Bei der Frage nach der Dimension von strategischen Defensivsystemen im Gesamtzusammenhang der Abschreckungsstrategie zur Friedenserhaltung ist dieser Informationsfluß wichtig, um europäische und nationale sicherheitspolitische Zielsetzungen und Forderungen in die Diskussion einzubringen und gegebenenfalls gemeinsam zu verwirklichen.



Bundesminister Dr. Bangemann
Die Vereinbarung sieht keine staatliche Beteiligung vor. Die Bundesregierung unterstützt aber die deutsche Industrie bei der Aufnahme von Kontakten mit der amerikanischen Administration. Das SDI-Abkommen eröffnet daher eine Reihe von Konsultations- und Beratungsmöglichkeiten unter den Beteiligten. So kann die Bundesregierung im Vorfeld möglicher Ausschreibungen und anderer vertragsgestaltender Akte durch Informationen gegenüber der US-Regierung deutlich machen, daß deutsches Know-how in die Forschung eingebracht werden kann. Andererseits kann die Bundesregierung gegenüber den Firmen und Forschungsinstituten durch eine aktive Informationspolitik auch aufzeigen, wo diese Unternehmen ihre Chancen wahrnehmen und nutzen können.
Die Vereinbarung enthält klare Definitionen. Sie eröffnet Konsultationsmöglichkeiten im Einzelfall. Das ist angesichts der komplizierten Substanz verschiedener Rechtssysteme und der unterschiedlichen Usancen in Wirtschaft und Forschung in beiden Ländern notwendig, um eine Benachteiligung deutscher Teilnehmer soweit wie möglich auszuschließen.
Wer bei uns im Bereich der Hochtechnologie forscht und sich im Rahmen seiner unternehmenspolitischen Freiheit für eine Teilnahme am SDI- Forschungsprogramm entscheidet, dem soll die Möglichkeit eröffnet werden, sich ohne wettbewerbsverzerrende Konditionen und ohne Diskriminierung an dieser Forschung zu beteiligen. Das, meine Damen und Herren, ist Aufgabe einer Regierung. Sie muß bei völliger Gestaltungsfreiheit und Wahlfreiheit der Unternehmen dafür sorgen, daß diese ihre eigenen Entscheidungen vor dem Hintergrund fairer Bedingungen treffen können. Das haben wir uneingeschränkt erreicht.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Selbstverständlich sind deutsche Interessenten nach unserem AWG und unabhängig von dieser SDI-Forschungs-Vereinbarung völlig frei, Verträge mit dem US-Auftraggeber zu schließen. Die Vereinbarung setzt also nur einen Rahmen, der den Schutz von Interessen deutscher Beteiligter aus Wirtschaft und Forschung sichert. Dabei geht es vor allen Dingen um folgendes: Schutz der gewerblichen Rechte an Forschungsergebnissen, die vom Auftragnehmer in den Auftrag mit dem Auftraggeber eingebracht werden oder die er auf seine Kosten bei der Ausführung des Auftrags entwickelt, Gleichbehandlung deutscher und amerikanischer Auftragnehmer, insbesondere mit Bezug auf Forschungsergebnisse, die auf Grund eines SDI-Forschungs-Auftrags entwickelt worden sind, volle Unterrichtung der an Aufträgen Interessierten durch die US-Behörden über alle Aspekte, die für die erfolgreiche Beteiligung an Ausschreibungen erforderlich sind, Schutz vor exzessiver Geheimeinstufung, Verpflichtung der US-Regierung, sich im Rahmen des Möglichen für eine zivile Nutzung nicht klassifizierter Forschungsergebnisse einzusetzen.
Meine Damen und Herren, alle diese Ergebnisse — und das sind Ergebnisse, über die ich jetzt hier berichte — entsprechen dem Kabinettsauftrag, mit dem vorgegeben war, die privatrechtliche Position derjenigen deutschen Forschungsinstitute und Unternehmen zu verbessern, die sich am SDI-Forschungsprogramm beteiligen wollten. Ich kann also feststellen, daß das, was wir uns vorgenommen hatten, realisiert werden konnte.
Der Bundeskanzler hat in seiner Erklärung vom 18. April 1985 ausdrücklich darauf hingewiesen und unterstrichen, eine Forschungszusammenarbeit bei SDI müsse faire Partnerschaft und freien Austausch der Erkenntnisse gewährleisten, dürfe keine technologische Einbahnstraße bleiben und müsse, soweit dies möglich sei, ein in sich abgeschlossenes Forschungsgebiet sichern und uns damit auch Einfluß auf das Gesamtprojekt erlauben.
Der Grundsatz fairer Partnerschaft und freien Austausches von Erkenntnissen hat als zentrales Prinzip in die Vereinbarung Eingang gefunden. Die für uns maßgeblichen Forschungen sind an verschiedenen Stellen in konkrete Regelungen und Zusicherungen umgesetzt worden.
Die Forderung nach einer Zusammenarbeit in fairer Partnerschaft hat u. a. in Gleichstellung amerikanischer und deutscher Bewerber bei den Ausschreibungen und bei der Auftragsdurchführung konkreten Niederschlag gefunden.
Die Regelungen hinsichtlich der Nutzungsmöglichkeiten nicht klassifizierter Forschungsergebnisse für zivile Zwecke sind ein Beispiel dafür, daß die Beteiligung am Forschungsprogramm nicht zu einer technologischen Einbahnstraße führt. Hier ist auch hervorzuheben, daß in der Vereinbarung als ein Ziel der Kooperation festgelegt ist, deutsche Firmen und Forschungseinrichtungen entsprechend ihren Kapazitäten zu beteiligen.
Der deutsche Einfluß auf die Gesamtarchitektur des SDI-Programms kann angesichts der Tatsache, daß wir uns bewußt nicht für eine staatliche Beteiligung entschieden haben, naturgemäß nur begrenzt sein. Wenn ich hier einmal darauf aufmerksam machen darf, meine Damen und Herren: Die Kritik sowohl an dem Vorhaben der Regierung wie auch an den Ergebnissen ist sehr zwiespältig, weil dieselben Leute, die am liebsten gar nichts wollten, gleichzeitig beklagen, daß wir keinen Einfluß auf die Gesamtarchitektur hätten. Diese Form von Kritik ist in sich nicht logisch. Und sie zeigt, wie wenig der Gedankengang, die Zielsetzung dessen, was wir uns vorgenommen haben, verstanden worden ist.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Dr. Vogel [SPD]: Haben wir gestern gesehen, was wir für Einfluß haben!)

Da der Kabinettsauftrag lautete, Rahmenbedingungen für deutsche Wirtschaftspartner zu schaffen, hat sich das Bundesministerium für Wirtschaft bei der Ausarbeitung der Verhandlungsziele und begleitend zu den Verhandlungen mit wirtschaftlich Beteiligten beraten. Die Verhandlungsergebnisse werden von den während der Verhandlungsmonate konsultierten Wirtschaftsvertretern als praxisnah und positiv beurteilt.



Bundesminister Dr. Bangemann
Die Vereinbarung über die technologische Zusammenarbeit enthält eine Berlin-Klausel. Damit wird Berlin in diese Vereinbarung einbezogen. Im Zusammenhang mit der Vereinbarung über die Beteiligung deutscher Unternehmen und Forschungseinrichtungen an der Forschung im Rahmen der Strategischen Verteidigungsinitiative sind die technologischen, wissenschaftlichen und industriellen Ressourcen Berlins unter Beachtung seines besonderen Status durch die US-Seite berücksichtigt. Damit hat die Bundesregierung ihre Verpflichtung zur Einbeziehung Berlins in die beiden genannten Vereinbarungen erfüllt.
Die beiden Vereinbarungen sind keine Geheimabkommen, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Dr. Ehmke [Bonn] [SPD]: Ach nein?)

Die zuständigen Bundestagsausschüsse wurden ausführlich unterrichtet.

(Roth [SPD]: Na ja! — Lange [GRÜNE]: Ausführlich?)

— Meine sehr verehrten Damen und Herren der Opposition, ich habe den Ausschüssen für Wirtschaft, Verteidigung und Auswärtiges so lange zur Verfügung gestanden, wie sie das selbst wünschten. Die Unterrichtung ist nicht unterbrochen worden.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Ich habe jede Frage unter Hinweis auf die Ziffern der beiden Vereinbarungen ausführlich beantwortet. Texte der beiden Vereinbarungen liegen bei der Geheimschutzstelle des Bundestages. Jeder Abgeordnete kann sie einsehen. Eine vollständige Unterrichtung ist erfolgt. — Herr Roth, wenn Ihnen das immer noch nicht genügt, dann bin ich bereit, Sie auch privat noch weiter zu informieren.

(Heiterkeit und Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Der amerikanische Wunsch auf vertrauliche Behandlung — das ist der einzige Stein des Anstoßes, der aus der Sicht der Opposition hier verbleiben kann — ist vor dem Hintergrund — —

(Dr. Vogel [SPD]: Überlassen Sie bitte uns, was da verbleibt! Das haben Sie nicht zu bestimmen! Sie schon gar nicht! — Lachen bei der CDU/CSU und der FDP)

— Herr Vogel, ich will Ihnen gerne die Möglichkeit einräumen, auch noch einen zweiten Stein zu finden.

(Dr. Vogel [SPD]: Sehr anmaßend!)

Daran soll es nicht scheitern. Der amerikanische Wunsch auf vertrauliche Behandlung, Herr Fraktionsvorsitzende der SPD,

(Dr. Vogel [SPD]: Geheimhaltung, nicht Vertraulich! Geheimschutzstelle!)

ist vor dem Hintergrund kontinuierlicher Verhandlungen mit mehreren anderen Ländern zu sehen.

(Dr. Vogel [SPD]: Aha! — Dr. Ehmke [Bonn] [SPD]: Europäische Solidarität!)

Es ist selbstverständlich, daß ein Land, das gleichzeitig mit mehreren anderen Vertragspartnern verhandelt, ein Interesse daran hat, daß das Ergebnis der Verhandlungen mit einzelnen Partnern vertraulich behandelt wird. Im übrigen ist auch das Abkommen mit Großbritannien vertraulich behandelt worden. Wie Sie wissen, ist auch das britische Parlament mündlich unterrichtet worden. Wir sind aus diesen Gründen mit der amerikanischen Regierung übereingekommen, die Texte nicht zu veröffentlichen, und dazu stehen wir.

(Lange [GRÜNE]: Wie lange denn?)

Der Abschluß der Vereinbarungen ist ein wichtiger Schritt zur Verbreiterung der Basis für die industrielle und Forschungszusammenarbeit mit den USA. Sie setzen einen Rahmen und eröffnen zugleich Perspektiven, die zu nutzen Sache deutscher Interessenten ist. Es ist nicht Aufgabe der Bundesregierung, um Ausfüllung der Vereinbarungen zu werben; sie wird aber die Interessenten in geeigneter Form und in der gebotenen Detailliertheit über die Inhalte unterrichten.
Lassen Sie mich zum Schluß noch auf die Behauptung eingehen, die Vereinbarungen seien zustimmungsbedürftig; auch das wurde behauptet. Die Vereinbarung über eine Beteiligung an der SDI-Forschung und die gemeinsame Grundsatzvereinbarung zum Technologieaustausch bedürfen nach Ansicht der Bundesregierung nicht der Zustimmung des Bundestages. Sie sind keine politischen Verträge im Sinne des Art. 59 Abs. 2 Satz 1 Grundgesetz. Sie regeln nicht die politischen Beziehungen der Bundesrepublik im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Es werden keine Fragen behandelt, die Bestand oder Stellung der Bundesrepublik betreffen. Die Vereinbarungen beziehen sich auch nicht auf Gegenstände der Bundesgesetzgebung. Insbesondere ist zur Vollziehung der beiden Vereinbarungen kein Bundesgesetz erforderlich.

(Zuruf von der SPD: Sie haben ja auch keine Bedeutung! — Gegenruf des Abg. Klein [München] [CDU/CSU]: Warum regen Sie sich dann auf?)

Zum Abschluß möchte ich nochmals deutlich herausstellen: Die Unterzeichnung der SDI-Forschungsvereinbarung stellt keine Änderung der von der Bundesregierung konsequent verfolgten Politik dar, zu den Bemühungen um Rüstungskontrolle und Abrüstung zwischen West und Ost aktiv beizutragen. Es gilt weiterhin, was der Bundeskanzler am 18. April 1985 sagte: Unser Ziel ist es,
Frieden zu schaffen mit immer weniger Waffen und mehr Stabilität in den Beziehungen zwischen Ost und West herzustellen ... Es ist Richtschnur unserer Politik, auch gegenüber dem Projekt der amerikanischen Strategischen Verteidigungsinitiative.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Zuruf von den GRÜNEN: Immer mehr Waffen!)

„Es ist nach Auffassung der Bundesregierung", wie der Bundeskanzler am gleichen Tag ebenfalls



Bundesminister Dr. Bangemann
formulierte, weiterhin „unerläßlich, daß vor Entscheidungen, die über die Forschung hinausgehen, kooperative Lösungen gesucht werden". — Unsere Hoffnung, meine Damen und Herren,

(Mann [GRÜNE]: Immer nur Hoffnung!)

richtet sich weiterhin auf eine Verwirklichung der gemeinsamen amerikanisch-sowjetischen Erklärung vom 8. Januar 1985 in Genf, der zufolge beide Seiten Verhandlungen anstreben, deren Ziel es sein soll, wirksame Vereinbarungen auszuarbeiten, die darauf gerichtet sind, ein Wettrüsten im Weltraum zu verhindern und das auf Erden zu beenden.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Zuruf von den GRÜNEN: Heuchler seid ihr alle!)


Dr. Philipp Jenninger (CDU):
Rede ID: ID1021000200
Ich eröffne die Aussprache.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Ehmke.

Dr. Horst Ehmke (SPD):
Rede ID: ID1021000300
Obwohl ich heute morgen verschlafen habe und daher besonders friedlich gestimmt bin, muß ich Ihnen sagen, Herr Kollege Bangemann: Ihre Rede war so belanglos wie die beiden Abkommen, die Sie abgeschlossen haben.

(Beifall bei der SPD — Zuruf von der CDU/ CSU: Dann hätten Sie ja weiterschlafen können! — Weitere Zurufe von der CDU/ CSU)

Es ist nicht eines der Probleme gelöst worden, die das SDI-Programm und unsere Teilhabe daran aufwerfen. Einige Probleme sind vernebelt, andere neu geschaffen worden. Die eigentlichen Probleme haben Sie sowieso ausgeklammert, und über die zweitrangigen Probleme führen wir weiter eine Scheindebatte.
Darum hat es auch eine gewisse Logik, daß Sie diese Ergebnisse eines ja eher sterilen Diskussionsprozesses als geheim erklärt haben. Sie können sich damit nicht sehen lassen. Und wenn Sie nun so großzügig sagen, daß Sie gestern, einen Tag vor unserer heutigen Debatte, nicht nur die Ausschüsse unterrichtet haben, sondern daß man sogar ein Exemplar der Abkommen in der Geheimschutzstelle einsehen kann, dann ist uns natürlich aufgefallen, Herr Kollege Bangemann: Die beiden Briefe, die Sie in den Ausschüssen als die entscheidenden Dokumente Ihres Wirkens bezeichnet haben, liegen nicht auf der Geheimschutzstelle. Wir nehmen an, die liegen darum nicht da, weil sich inzwischen herumgesprochen hat, daß sich der Inhalt dieser Briefe gar nicht deckt.
Im übrigen ist es j a so: Die Abgeordneten, die sich dort nun, ich will nicht sagen, sachverständig machen, sondern dort hereinblicken, ob das alles stimmt, was wir schon wissen, verpflichten sich damit gleichzeitig, den Bürgerinnen und Bürgern nun auch ihrerseits den sogenannten Inhalt vorzuenthalten. Ich darf Ihnen sagen: Wir werden uns diesem Verfahren nicht unterwerfen. Wir bestehen weiter auf der Offenlegung der vollen Texte der Abkommen,

(Beifall bei der SPD) samt der dazugehörigen Briefwechsel.

Wie grotesk diese Ihr schlechtes Gewissen zeigende Geheimhaltung ist, zeigt sich schon daran, daß diese Abkommen, die doch angeblich dem Schutz deutscher Unternehmen dienen, auch für diese Unternehmen selbst geheim sind.

(Heiterkeit bei der SPD und den GRÜNEN)

Den Prozeß, in dem die Bundesregierung und die Koalition das SDI-Projekt behandelt haben, kann man eigentlich nur als kollektiven Black-out bezeichnen.

(Beifall bei der SPD)

Die eigentlichen Probleme sind ausgeklammert worden, und die Erörterung der zweitrangigen Probleme war von einem großen, bunten Durcheinander von Äußerungen bestimmt: Kanzleramt gegen Auswärtiges Amt, Union gegen FDP, CSU gegen CDU und dann noch die diversen Flügel der CDU gegeneinander. Gelöst wurde dabei nichts. Lassen Sie uns doch darum heute morgen noch einmal — wir haben Ihnen ja frühzeitig dieses Ergebnis vorausgesagt — die Probleme durchgehen, die das SDI-Projekt aufwirft!
Am Anfang stand das Ziel des Präsidenten der Vereinigten Staaten — übrigens mit keinem der westeuropäischen Verbündeten auch nur mit einem Wort vorher erörtert —, Amerika mit einem Weltraumschutzschild zu versehen, der sowjetische Raketen abfangen kann, offensive durch defensive und nukleare durch konventionelle Waffen zu ersetzen.
An die Möglichkeit eines undurchdringlichen, auch die Zivilbevölkerung schützenden Weltraumschildes glaubt heute außer Präsident Reagan niemand mehr — wie die Amerikaner heute spöttisch hinzufügen: mit der möglichen Ausnahme der Sowjets. Das SDI-Programm der Amerikaner ist inzwischen auf die Verbesserung der sogenannten point defence, daß heißt, der Verteidigung von Punktzielen — Kommandostrukturen, Silos etc. — zwar nicht beschränkt, aber „konzentriert" worden.
Ebenso ist klar, daß offensive nicht durch defensive Waffen ersetzt werden, sondern daß der Wettlauf zwischen offensiven und defensiven Waffen in vollem Gange ist. Und wir sehen mit Interesse, daß der Kollege Wörner bemüht ist, diesen Wettlauf unter dem Namen EVI auch nach Europa zu tragen. Wir finden das wirklich eine kulante Regierung. Über die Frage ist weder militärisch noch politisch noch finanziell im Kabinett gesprochen oder entschieden worden. Aber Herr Wörner verkündet das so, als ob das deutsche Politik sei.
Wie weit das alles von dem weg ist, was ursprünglich einmal gesagt worden ist, sehen Sie aber insbesondere bei der Frage des Ersetzens nuklearer durch konventionelle Waffen. Davon ist überhaupt keine Rede mehr. Im Gegenteil, die Vereinigten



Dr. Ehmke (Bonn)

Staaten begründen ihre Ablehnung des sehr vernünftigen Atomtestvorschlages von Generalsekretär Gorbatschow mit der Notwendigkeit einer weiteren Atomtestserie, und die Notwendigkeit dieser Atomtestserie begründen sie inzwischen mit SDI. Da die Bundesregierung auch in dieser Frage mit der Reagan-Administration mitläuft, kann ich nur sagen: Da lobe ich mir das amerikanische Repräsentantenhaus, das gegen die amerikanische Administration mit fast Zweidrittelmehrheit gerade noch einmal einen Atomteststopp gefordert hat.
Wenn Sie heute, verehrter Herr Kollege Klein, die „International Herald Tribune" aufschlagen, finden Sie dort einen großen Artikel, in dem die Besorgnis amerikanischer Wissenschaftler, Politiker und Industrieller geäußert wird, daß der Plan, Nuklearreaktoren für dieses Waffensystem in den Weltraum zu bringen, Gefahren aufwirft, die man überhaupt nicht übersehen kann.

(Zuruf des Abg. Klein [München] [CDU/ CSU])

Wir sind also, von dem angeblichen Ziel des Ersetzens nuklearer durch konventionelle Waffen abgehend, dabei, Nuklearwaffen und nukleare Einrichtungen in den Weltraum zu bringen. Das Wettrüsten ist, wie von uns und anderen vorausgesagt, in vollem Gang. Die Bundesrepublik verdrängt, so wie es Herr Bangemann eben gemacht hat, das Problem. Darin ist sie ja groß. Sie verletzt damit aber Sicherheitsinteressen unseres Volkes.
Dieses neue Wettrüsten gefährdet — auch das ist vorausgesagt worden, aber bei der Bundesregierung auf taube oder tumbe Ohren gestoßen — die Abrüstungsverhandlungen in Genf. Ihnen ist so bekannt wie uns, daß in dem zentralen Bereich — Weltraumrüstung einerseits, interkontinentale Angriffswaffen andererseits — überhaupt nichts läuft. Und da auch über keine Lösung verhandelt wird, den ABM-Vertrag entweder gemeinsam zu interpretieren oder gemeinsam zu ergänzen, läuft die stille Demontage des ABM-Vertrags weiter. Und die Bundesregierung beteiligt sich an diesem Prozeß der Demontage dieses wichtigsten Rüstungskontrollabkommens, das es gibt, indem sie — und das ist der eigentliche Kern dieser beiden Abkommen — —

(Klein [München] [CDU/CSU]: Jedes Wort unwahr! — Zuruf des Abg. Graf Huyn [CDU/CSU])

dieses Weltraumrüstungsprojekt von Herrn Reagan politisch unterstützt.

(Beifall bei der SPD — Klein [München] [CDU/CSU]: Jedes Wort falsch!)

Ich sage Ihnen, verehrter Herr Kollege Klein, der Sie langsam aufwachen: Wenn Sie dieses Zeug von dem Herrn Kollegen Wörner mit EVI weitermachen, dann werden Sie sich in noch direkterer Weise an der Demontage des ABM-Vertrags beteiligen. Angesichts der Leichtfertigkeit, mit der Sie das behandeln, muß ich sagen: Diese Regierung ist zur
Förderung der Rüstungskontrollverhandlungen in Genf offenbar unfähig, wenn nicht sogar unwillig.

(Beifall bei der SPD — Klein [München] [CDU/CSU]: Im Gegensatz zu euch, was?)

Trotz einer frühzeitigen, gründlichen und außerordentlich offenen Warnung des konservativen britischen Außenministers Howe hat eine Erörterung der mit dem SDI-Projekt für Westeuropa verbundenen strategischen Fragen überhaupt nicht stattgefunden. Sie haben sich darum gedrückt oder sich tumb gestellt — mit einer lobenswerten Ausnahme, die aber nicht im politischen Bereich lag. Diese Ausnahme ist der Generalinspekteur der Bundeswehr. Ich möchte darum Ihnen, Herr Generalinspekteur, heute noch einmal den Respekt meiner Fraktion ausdrücken, der sich auch auf die Fragen erstreckt, in denen wir in der Sache unterschiedlicher Meinung sind.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Aber sonst: Aus Ihren Kreisen hat sich keiner ernsthaft mit den durch SDI aufgeworfenen Problemen beschäftigt.

(Klein [München] [CDU/CSU]: Beleidigen Sie den General nicht!)

Wäre denn eine Verwirklichung der SDI, und sei es auch nur in Form eines verbesserten Schutzes von Punktzielen gegen Interkontinentalraketen, wirklich ein strategischer Fortschritt für Westeuropa? Oder ist es nicht wahr, daß es für das Sicherheitsproblem im gespaltenen Europa nur eine politische und keine technische Lösung geben kann, nämlich die Ablösung einer Strategie der Abschreckung durch Androhung gegenseitiger Vernichtung durch eine Strategie der Sicherheitspartnerschaft, der gemeinsamen Sicherheit? Dafür aber tut diese Bundesregierung nichts.
Würde denn nicht auch ein nur begrenzt wirksames SDI-Programm, das mit einiger zeitlicher Verzögerung dann auch der Sowjetunion zur Verfügung stände, aus Europa eine Zone minderer Sicherheit machen? Und ist es nicht wahr, daß Wörners EVI-Träume an diesem Problem nicht das geringste ändern?
Die Frage, was ein über die Welt gestülpter amerikanischer SDI-Weltraumhelm eigentlich für die Mitwirkung der Westeuropäer im Atlantischen Bündnis bedeuten würde, haben Sie vorsichtshalber gar nicht zu denken gewagt. Aber viel Mut zu eigenständigem Denken wird man von einem Bundeskanzler und einem Außenminister auch nicht erwarten können, die, wie wir gerade gestern wieder erlebt haben, sich mit der Reagan-Administration selbst dann noch solidarisieren, wenn sie vorher von derselben Administration wie dumme Jungen behandelt worden sind.

(Beifall bei der SPD)

Allen diesen Gefahren, Sorgen, Fragen ist die Bundesregierung ausgewichen. Sie hat sich damit einmal mehr als unfähig erwiesen, deutsche und westeuropäische Interessen wahrzunehmen.



Dr. Ehmke (Bonn)

Den handwerklichen Dilettantismus bei der Behandlung des SDI-Projektes wird der Kollege Bahr noch ausführlich darlegen.

(Klein [München] [CDU/CSU]: Der hat ja auch so fabelhafte Verträge ausgehandelt!)

Ich möchte fragen, was Grundlage dieses außenpolitischen Dilettantismus ist. Ich glaube, Grundlage ist das Politikverständnis eines Bundeskanzlers,

(Klein [München] [CDU/CSU]: Das müssen Sie nur glauben!)

der den Zusammenhalt seiner Koalitionsmehrheit als solcher, nicht aber die Lösung oder Milderung der die Menschen bei uns zu Hause, in Europa und in der Welt bedrückenden Probleme für die eigentliche Aufgabe der Politik hält.

(Beifall bei der SPD)

Er verfügt über einen Mehrheitsinstinkt, aber über keine politische Perspektive und über weite Strekken noch nicht einmal über politische Sachkenntnis.

(Dr. Voigt [Northeim] [CDU/CSU]: Unglaubliche Arroganz! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

Man kann ja die SDI-Groteske dieser Regierung nur verstehen, verehrte Kollegen, wenn man nicht vergißt, daß statt des Willens zu einer ernsthaften Sachbehandlung — auch mit der Opposition — am Anfang ein Geschäft der Koalition gestanden hat. Die FDP erhielt, unterstützt vom Wirtschaftsrat der Union, die Änderung des § 116 AFG

(Widerspruch bei der FDP und der CDU/ CSU)

— das war sogar in der „FAZ" zu lesen, verehrte Kollegen —, Herr Kohl und natürlich erst recht Herr Strauß erhielten dafür SDI, und Herr Kohl und Herr Bangemann waren dann die ehrlichen Makler dieses Opportunismus.

(Zuruf von der FDP: Was ist mit Herrn Koschnick?)

Die einzige Sachlogik, die ich dabei entdecken kann, ist, daß derjenige, der mit einer willkürlichen Änderung des § 116 AFG den inneren Frieden gefährdet, dann auch auf dem Gebiet des äußeren Friedens etwas Negatives tut.

(Zustimmung bei der SPD)

Ein Gefühl dafür, daß eine solche Kungelei nicht nur der Sache unangemessen, sondern auch würdelos ist, ist in der Koalition offenbar nicht vorhanden.

(Zustimmung bei der SPD)

Nun mögen die sogenannten Realpolitiker, die „harten Männer" des „politischen Geschäfts" in Ihren Reihen, dies alles für besonders smart und ausgekocht halten, aber so etwas geht natürlich nicht ohne politische Pannen ab. Der Bundeskanzler verkündet zunächst eine große Reihe von Vorbehalten gegenüber einer deutschen SDI-Beteiligung und läßt dann ein Abkommen unterschreiben, ohne daß auch nur ein Bruchteil dieser Vorbehalte erfüllt worden ist. Weil man gegenüber der eigenen Bevölkerung und in Richtung Osten nicht so martialisch, rüstungsfreudig erscheinen will, macht man aus einem zentralen militärstrategischen Projekt flugs ein ziviles Programm. Man läßt sogar einen harmlosen Wirtschaftsminister über diese Abkommen verhandeln,

(Beifall des Abg. Mann [GRÜNE])

aber den eigentlichen strategischen Durchbruch in den Verhandlungen erreicht dann der Herr Bundeskanzler auf einem Truppenübungsplatz zusammen mit dem amerikanischen Verteidigungsminister und Herrn Strauß. Beide — Herrn Strauß muß ich hier loben, denn im Gegensatz zu Herrn Kohl und zu Herrn Genscher ist er in dem, was er über SDI sagt, wenigstens ehrlich —, werden nicht müde,

(Beifall bei der SPD)

nun immer wieder zu betonen, daß es um militärische Abkommen und um die Unterstützung eines amerikanischen militärischen Programms geht.
Meine Damen und Herren, es ist doch so: Die FDP, Herr Kollege Mischnick, hat dabei nicht nur eine besonders unerfreuliche, sondern auch eine besonders unaufrichtige Rolle gespielt.

(Zuruf von der FDP: Das nehmen Sie zurück!)

Sie haben sich selbst in den Netzen der zivilen Camouflage Ihrer Zustimmung zum amerikanischen Rüstungsprogramm verfangen.

(Beifall bei der SPD)

Um dann — ähnlich wie beim § 116 AFG — die ganze Sache möglichst rechtzeitig vor der Wahl vergessen zu machen,

(Mischnick [FDP]: Das ist genauso falsch wie das, was Sie vorhin gesagt haben!)

haben Sie so schnell verhandelt, Herr Mischnick, daß Sie sich dabei selbst unter Zeitdruck gesetzt haben.
Herr Mischnick, da Sie nun so fröhlich sind: Die sachlichen Kosten einer solchen Kungelei sind ungeheuer hoch. Die Ausflucht der Bundesregierung für ihr Mitlaufen in Sachen SDI — Herr Bangemann hat gesagt, das sei alles nur ein Forschungsprogramm, natürlich mit einem militärischen Ziel, aber sonst von der Hose bis zur Weste zivil — ist z. B. nicht wahr, Herr Kollege Bangemann. Das Problem ist vielmehr: Es gibt kein Forschungsprogramm an sich, sondern dies ist der Forschungsteil eines Rüstungsprogramms. Was Ihr Mitmachen bedeutet, schmerzlich bedeutet, sehen Sie am besten daran, daß diese Bundesregierung wegen der Atomtests, die für das SDI-Projekt notwendig sind, nun in Sachen Atomtests zu unserem großen Bedauern eine Haltung aufgegeben hat, die seit 1957 die gemeinsame Haltung aller Bundesregierungen und aller Bundestage gewesen ist.

(Klein [München] [CDU/CSU]: Das müssen Sie belegen! — Dr. Dregger [CDU/CSU]: Dr. Ehmke Das glauben Sie ja nicht einmal selbst! — Graf Huyn [CDU/CSU]: Da ist eine Legende!)




Bei allem Vergnügen an Koalitionsgymnastik sage ich Ihnen: Für unser Volk ist dieser Preis für Ihre Koalitionskungelei zu hoch.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN)

Auch im Forschungsbereich, Herr Kollege Bangemann, ist im übrigen natürlich alles das eingetreten, was wir gesagt haben. Wir haben Ihnen gesagt: Sie glauben doch nicht im Ernst — wenn ich diese Abkommen sehe, wird mir ja schwarz vor Augen —

(Zuruf von der CDU/CSU: Ich denke, Sie kennen sie nicht!)

— Aber sie sind ja geheim. Ein Glück, daß sie geheim sind, nicht wahr?

(Zurufe von der CDU/CSU)

— Bei Bangemann wird mir sowieso schwarz vor Augen. Das ist korrekt.
Wir haben Ihnen von vornherein gesagt: Sie werden doch nicht ausgerechnet im Zusammenhang mit diesem Lieblingsrüstungsprojekt von Herrn Reagan etwas daran ändern können, daß die amerikanische Administration — was Sie, Herr Bangemann, in Moskau beklagt, in Washington aber offenbar vergessen haben — in zunehmendem Maße den Technologietransfer und auch den wissenschaftlichen Austausch behindert. Wie man hört und den Gazetten entnehmen kann, ist Ihr Kollege Riesenhuber — von mir besonders respektiert — ja noch nicht einmal in der Lage, unsere Bedingungen bei einem zivilen Projekt, dem Columbus-Projekt, durchzusetzen. Und Sie kommen her und wollen uns erzählen, Sie hätten irgend etwas an der Lage, wie sie früher bestand, geändert. Kein Gesetz, keine Verordnung, keine Praxis wird geändert werden.
Da Sie nicht bange sind, Herr Bangemann, haben Sie stolz gesagt, die deutschen Unternehmen, die sich beteiligten, würden genauso behandelt wie amerikanische Firmen. Da kann ich nur sagen: Herzlichen Glückwunsch zur Eingemeindung. Ich hoffe, daß sich die deutschen Firmen, die sich noch beteiligen wollen, vorher sehr genau unterrichten, welchen Regeln, welchen Prozeduren und welchen Praktiken sie sich damit unterwerfen.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN)

Daß diese Unterschrift unter eine Good-will-Erklärung — mehr ist das Abkommen nicht; ohne Bedeutung im Hinblick auf die bestehenden Gesetze
— nicht gerade eine Unterstützung des europäischen Eureka-Programms ist, liegt auf der Hand. Ich sehe mit Interesse, daß Japan jetzt mit einem zivilen Forschungsprogramm vormacht, wie eine Politik der Selbstbehauptung auf technologischem Gebiet eigentlich aussehen müßte. Alle diese Fragen wird mein Kollege Roth noch erörtern. Daß der Traum mancher deutscher Unternehmer vom SDI-
Sterntalersegen ein eitler Traum war, weiß die
deutsche Wirtschaft inzwischen selbst. Wir hören nun mit Interesse — nicht in öffentlichen, aber in Privatgesprächen —, welche Meinung inzwischen auch die deutsche Wirtschaft über Ihre außenpolitischen Künste hat.

(Klein [München] [CDU/CSU]: Ihr wolltet ja nicht einmal Sterntalerpfennige!)

Ich will zum Schluß noch einmal folgendes festhalten: Der im Prozeß und im Ergebnis skurrile Diskussionsgang in Ihrer Koalition über SDI ist nicht etwa die Folge eines Betriebsunfalls. Er ist die geradezu exemplarische Folge eines Verständnisses von Politik, das im Kern nicht regierungsfähig ist.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN)


Dr. Philipp Jenninger (CDU):
Rede ID: ID1021000400
Das Wort hat Herr Abgeordneter Rühe.

Volker Rühe (CDU):
Rede ID: ID1021000500
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Ehmke, ich finde, die SPD sollte sich einmal entscheiden: Sind das gefährliche Verträge oder sind das belanglose Verträge, wie Sie eben gesagt haben?

(Dr. Ehmke [Bonn] [SPD]: Das schließt einander nicht aus!)

Sie können ja nicht von beidem ausgehen. Sie können nicht zusammen mit den Ostermarschierern losgehen und sagen, diese Verträge bedrohten den Frieden, und dann im Bundestag sagen, das seien ganz belanglose Verträge.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Im übrigen: Sie haben ja gute Beziehungen zur KPdSU und zur Sowjetunion. Vielleicht lassen Sie dort einmal Ihre Meinung durchblicken, daß es sich um belanglose Verträge handele.

(Dr. Ehmke [Bonn] [SPD]: Sehr peinlich! Herr Rühe übt sich in Dregger-Sprüchen! Etwas ganz Neues!)

Die Sozialdemokraten, die Opposition nehmen das Angebot auf Information nicht voll an, das die Regierung gemacht hat.

(Frau Fuchs [Verl] [SPD]: Jetzt mal feste drauf!)

Diese Information sollte in den Ausschüssen, aber auch in einer speziellen Form durch die Regierung erfolgen. Ich muß sagen: Ich habe volles Verständnis dafür; denn es läßt sich natürlich viel unbefangener reden, wenn man nicht weiß, worüber man redet.

(Dr. Ehmke [Bonn] [SPD]: Wir kommen noch zu den Abkommen!)

Aber es ist natürlich keine verantwortungsvolle Opposition; denn wenn man sich informieren läßt und genau weiß, was in den Verträgen steht, kann man selbstverständlich nicht mehr so hemmungslos polemisieren, wie Sie das gemacht haben. Sie haben sich dafür entschieden, frei zu polemisieren. Das ist Ihre Entscheidung. Aber diese Entscheidung bedeu-



Rühe
tet auch, daß Sie nicht Ihre volle Verantwortung als Opposition übernehmen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Aber jetzt komme ich zu einem sehr ernsthaften Thema, das mich bewegt. Das ist die Frage: Wie nehmen wir deutsche Interessen wahr?

Dr. Philipp Jenninger (CDU):
Rede ID: ID1021000600
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Voigt?

Volker Rühe (CDU):
Rede ID: ID1021000700
Bitte schön.

Karsten D. Voigt (SPD):
Rede ID: ID1021000800
Herr Kollege Rühe, stimmt es, daß Sie gestern in der Informationssitzung des Auswärtigen Ausschusses und des Verteidigungsausschusses überhaupt nicht anwesend waren?

Volker Rühe (CDU):
Rede ID: ID1021000900
Herr Kollege Voigt, ich war bei den französischen Streitkräften in Baden-Baden; aber Sie können von einem ausgehen: Ich würde hier nie reden, wenn ich mich nicht genau über den Inhalt dieses Vertrages informiert hätte.

(Zurufe von der SPD)

Wie nehmen wir deutsche Interessen wahr, auch gegenüber unserem wichtigsten Bündnispartner, den Vereinigten Staaten? Herr Ehmke, in Ihrer Rede hat es wieder von Formulierungen wie diesen gewimmelt: dumme Jungen, Mitläufer, Unterwerfung, Eingemeindung. Ich möchte hier die deutsche Öffentlichkeit auf einen Vorgang hinweisen, den ich für schwerwiegend halte. Der Kollege Bahr hat vor wenigen Tagen im Hessischen Rundfunk im Frankfurter Gespräch auf die Frage, ob es zwischen Regierung und Opposition noch einen Konsens in der Außenpolitik gebe, u. a. geantwortet: Die Kernfrage, über die zwischen Regierung und Opposition gestritten werde, sei: Müssen wir Speichellecker sein, oder können wir als zuverlässige Verbündete auch einmal nein sagen, weil vitale deutsche Interessen berührt werden? —

(Dr. Ehmke [Bonn] [SPD]: Sehr gut! — Beifall bei der SPD und den GRÜNEN — Klein [München] [CDU/CSU]: Das ist unglaublich!)

Ich sage Ihnen, dies ist nicht die Sprache von Demokraten, sondern von Radikalen, von Rechtsradikalen und von Linksradikalen.

(Beifall bei der CDU/CSU — Zurufe von der SPD — Lachen und Zurufe von den GRÜNEN)

Ich fordere Sie auf, dieses schlimme, vergiftende Wort zurückzunehmen.

(Zurufe von der SPD)


Dr. Philipp Jenninger (CDU):
Rede ID: ID1021001000
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Bahr?

Volker Rühe (CDU):
Rede ID: ID1021001100
Bitte schön.

(Zurufe von der SPD)


Dr. Philipp Jenninger (CDU):
Rede ID: ID1021001200
Meine Damen und Herren, das Wort hat der Abgeordnete Bahr.

Prof. Egon Bahr (SPD):
Rede ID: ID1021001300
Herr Kollege Rühe, sind Sie bereit zu akzeptieren, daß mir das Wort Speichellecker in Erinnerung an die Ausdrucksweise gekommen ist, die am selben Morgen oder am Tage vorher der Kollege Schäfer benutzt hat?

Volker Rühe (CDU):
Rede ID: ID1021001400
Ich kenne keine Äußerung von Herrn Schäfer in dieser Richtung.

(Bahr [SPD]: Dann bitte ich, sich damit vertraut zu machen!)

Ich kann nur sagen, die Kollegen des Deutschen Bundestages sollten sich angesichts der deutschen Geschichte, angesichts mancher Debatten,

(Zurufe von der SPD)

die es in früheren deutschen Parlamenten gegeben hat, einig sein, daß dies nicht die Sprache von Demokraten ist, sondern die Sprache von Nichtdemokraten.

(Beifall bei der CDU/CSU — Zuruf des Abg. Dr. Ehmke [Bonn] [SPD])

Ich kann Ihnen sagen, ich habe von anderer Seite Briefe bekommen, in denen gesagt wurde, ich sei der Speichellecker Moskaus. Ich warne Sie davor, mit solchen Vokabeln hier zu arbeiten und die Bemühungen derjenigen zu diskreditieren, die sich um ein gutes Verhältnis zu unserem wichtigsten Bündnispartner Amerika bemühen.

(Beifall bei der CDU/CSU — Stahl [Kempen] [SPD]: Nun sagen Sie einmal etwas zur Sache! — Weitere Zurufe von der SPD und den GRÜNEN)

Und jetzt zur Wahrnehmung der deutschen Interessen. Herr Bahr und Herr Ehmke, die Sozialdemokraten können Moskau nicht daran hindern, Forschung für Abwehrsysteme, j a sogar Entwicklungen und Stationierungen vorzunehmen. Ich füge in Klammern hinzu: Sie versuchen es nicht einmal, Moskau daran zu hindern. Aber selbst wenn sie es versuchen würden und wir alle es versuchen würden, wir könnten es nicht verhindern. Deswegen frage ich Sie — und auf diese Frage habe ich bis heute keine Antwort bekommen —: Ist es verantwortliche Politik, wenn die deutsche Bundesregierung Moskau an solchen Forschungen nicht hindern kann, daß man den Versuch macht — wie die Sozialdemokraten —, durch eine Aufwiegelung der öffentlichen Meinung unseren Bündnispartner Amerika zu behindern, die entsprechenden Forschungen vorzunehmen? Das ist nicht die Wahrnehmung deutscher Interessen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Zurufe von der SPD)


Dr. Philipp Jenninger (CDU):
Rede ID: ID1021001500
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Ehmke?

Volker Rühe (CDU):
Rede ID: ID1021001600
Bitte schön.

Dr. Horst Ehmke (SPD):
Rede ID: ID1021001700
Herr Kollege Rühe, warum behaupten Sie so etwas wider besseres Wis-



Dr. Ehmke (Bonn)

sen? Sie wissen, daß wir mehrfach im Bundestag dargelegt haben, daß wir das Forschungsprogramm der Amerikaner überhaupt nicht kritisieren, aber wohl die Teilnahme der Bundesrepublik an diesem Programm kritisieren. Das wissen Sie. Das ist oft hier dargelegt worden.

(Zurufe von der CDU/CSU) Das ist oft hier dargelegt worden.


Dr. Philipp Jenninger (CDU):
Rede ID: ID1021001800
Herr Abgeordneter Ehmke, bitte stellen Sie eine Frage, keinen Redebeitrag!

Volker Rühe (CDU):
Rede ID: ID1021001900
Ich glaube, Herr Kollege, da kennen Sie Ihre eigenen Äußerungen nicht mehr. Das Entscheidende ist doch wohl immer noch das amerikanische Forschungsprogramm. Ich möchte von verantwortlicher SPD-Seite, von Herrn Vogel oder auch von Herrn Rau — er hat im übrigen mit Reagan gesprochen, hat SDI überhaupt nicht erwähnt, er hat nur gelächelt, und Sie riskieren hier eine große Lippe im Bundestag; das ist die doppelte Strategie der SPD — schon etwas über ihre Haltung wissen.

(Beifall bei der CDU/CSU — Dr. Vogel [SPD]: Was wissen Sie denn! — Weitere Zurufe von der SPD)

Nun zur Frage der Wahrnehmung deutscher Interessen. Ich glaube, es ist doch für jedermann folgendes nachvollziehbar; dazu braucht man nicht zur Geheimschutzstelle des Deutschen Bundestages zu gehen, wozu ja unsere Mitbürger keine Gelegenheit haben. Jeder kann doch folgenden Gedanken nachvollziehen, Herr Ehmke: Wie hat man mehr Einfluß, mit Vertrag oder ohne Vertrag? Selbst wenn man in einem Vertrag nicht alles erreicht, ist doch für jedermann nachvollziehbar, daß wir mit einem Vertrag mehr Einfluß auf die amerikanischen Forschungen und auf die amerikanische Politik haben als ohne Vertrag. Wer wie Sie gegen einen Vertrag ist, nimmt also die deutschen Interessen gegenüber unserem amerikanischen Verbündeten nicht wahr.

(Lange [GRÜNE]: Mit einem Vertrag hat man aber auch mehr Verantwortung! — Weitere Zurufe von der SPD und den GRÜNEN)

Ich muß sagen, wer sich wie die Sozialdemokratie — Herr Ehmke, Herr Rau, Herr Vogel und Herr Brandt — in diesen und anderen Allianzfragen immer mehr zum außenpolitischen Eckensteher im Atlantischen Bündnis entwickelt

(Zustimmung bei der CDU/CSU — Dr. Vogel [SPD]: Das müssen nach dem gestrigen Tage gerade Sie sagen! Sie isolieren sich!)

und wer dies übereifrig mit einer Sonderweg-Mentalität, was die Verhandlungen mit der SED über Sicherheitspolitik angeht, kombiniert, der hat jedes Recht verloren, uns zu unterstellen, wir würden die
deutschen Interessen nicht ausreichend wahrnehmen.

(Beifall bei der CDU/CSU — Dr. Vogel [SPD]: Jetzt ist Rühe beim „Stahlhelm"!)

Das Thema „Atomteststopp" nehme ich gerne auf, weil Sie es angesprochen haben. Sie hatten ja offensichtlich nicht ausreichend Gelegenheit, noch zusätzlich Kritik an diesen Vereinbarungen zu üben. Wir sind folgender Auffassung: Die Sowjetunion sollte sich zu Verhandlungen über eine parallele Entwicklung von Abrüstung und Atomteststopps bereit erklären.

Dr. Philipp Jenninger (CDU):
Rede ID: ID1021002000
Herr Abgeordneter Rühe, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Mann?

Volker Rühe (CDU):
Rede ID: ID1021002100
Nein, ich glaube, ich war bei den Zwischenfragen schon sehr großzügig.

(Mann [GRÜNE]: Bei uns noch nicht!)

Es ist für jedermann deutlich geworden, daß ich jeden echten Diskussionsbeitrag gern aufnehme.
Eines ist doch klar: Es verschwindet keine einzige Atomwaffe von dieser Welt, wenn es nur einen Teststopp oder eine Begrenzung der Tests gibt.

(Lange [GRÜNE]: Das haben Sie vor ein paar Jahren aber nicht gesagt! Das ist eine völlig neue Version!)

Es muß also jetzt in Gesprächen mit der Sowjetunion geklärt werden, wie und mit welchen Zwischenschritten eine parallele Entwicklung sowohl zu einer vollständigen und nachprüfbaren Beseitigung aller Atomwaffen als auch zu einem umfassenden und überprüfbaren Atomteststopp erfolgen kann und sollte.

(Frau Fuchs [Verl] [SPD]: Die Vorschläge liegen doch vor!)

Auf dem Wege dorthin könnten in der Frage des Atomteststopps Zwischenschritte unternommen werden, über die der Bundeskanzler auf seiner Pressekonferenz ja auch im einzelnen informiert hat.

(Lange [GRÜNE]: „Alles oder nichts"-Politik! — Voigt [Frankfurt] [SPD]: Das ist Verschleierung von Aufrüstung durch Abrüstungsvorschläge!)

Lassen Sie mich jetzt aus der Sicht der Mehrheitsfraktion, der größten Regierungsfraktion dieses Hauses, noch etwas zu den Verträgen sagen. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion begrüßt diese Verträge und beglückwünscht den Bundeskanzler und die gesamte Bundesregierung zum erfolgreichen Abschluß der Verhandlungen mit der amerikanischen Regierung,

(Frau Fuchs [Verl] [SPD]: Das ist ein trauriges Kapitel!)

und zwar was beide Elemente angeht,

(Zuruf von den GRÜNEN: Wir kondolieren!)




Rühe
die Vereinbarung zum Technologietransfer und die SDI-Rahmenvereinbarung.

(Vogel [München] [GRÜNE]: Die Leute kennen die Verträge doch gar nicht!)

Das sind zwei gute Vereinbarungen; sie wahren die Interessen unseres Landes und verbessern die Chancen deutscher Firmen und Forschungsinstitute für die wissenschaftliche und technologische Zusammenarbeit mit amerikanischen Einrichtungen.

(Lange [GRÜNE]: Das ist allerdings ein entscheidender Punkt!)

Bei beiden Vereinbarungen handelt es sich nicht um Geheimabkommen — sonst würden wir heute darüber gar nicht reden; dann wüßten wir gar nichts davon —, sondern um Texte, die nicht im Wortlaut veröffentlicht werden.
Ich brauche darauf nicht mehr im einzelnen einzugehen, weil der Bundeswirtschaftsminister die einzelnen Elemente hier schon dargestellt hat. Lassen Sie mich aber zu der SDI-Rahmenvereinbarung noch einmal feststellen, daß dadurch die interessierten deutschen Firmen und Forschungsinstitute eine bessere Grundlage für ihre Mitarbeit an dem SDI-Forschungsprogramm und für ihre Zusammenarbeit mit amerikanischen Einrichtungen erhalten, als es ohne eine solche Vereinbarung möglich wäre. Insbesondere im Sinne eines echten Wettbewerbs können sich jetzt die interessierten deutschen Firmen und Forschungsinstitute zu gleichen Bedingungen wie amerikanische Auftragnehmer um Kontrakte bewerben und diese durchführen.
Nun hat es eine Diskussion darüber gegeben, ob es sich bei den deutsch-amerikanischen SDI-Vereinbarungen um ein Wirtschaftsabkommen oder um ein Militärabkommen handelt. Richtig ist: Die SDI-Vereinbarung ist kein Militärabkommen;

(Dr. Vogel [SPD]: Darum hat Weinberger sie unterzeichnet!)

sie ist vielmehr eine Rahmenvereinbarung, in der die grundsätzlichen Regelungen für die wissenschaftlich-technologische Beteiligung deutscher Firmen und Forschungsinstitute an dem SDI-Forschungsprogramm festgelegt sind. Es geht hier also darum, die Kooperationsmöglichkeiten der deutschen Wirtschaft zu verbessern und abzusichern.
Richtig ist aber auch, daß es sich bei der SDI-Forschung um ein sicherheitspolitisches Vorhaben handelt. Dazu enthält die Vereinbarung auch drei Elemente, wovon Sie sich überzeugen könnten, wenn Sie bereit wären, sich über den Inhalt dieser Vereinbarung zu informieren. Erstens verweist sie auf den Beschluß des Bundessicherheitsrats vom 27. März 1985, auf die Regierungserklärung des Bundeskanzlers vom 18. April letzten Jahres und auf den Kabinettsbeschluß vom 18. Dezember 1985; zweitens enthält sie einen Hinweis auf die Verpflichtungen aus dem ABM-Vertrag; drittens enthält sie eine Vereinbarung, nach der zwischen beiden Seiten ein Informationsaustausch über beiderseits abgestimmte Bereiche der SDI-Forschung durchgeführt werden soll, die auch Fragen der Verbesserung der konventionellen Verteidigung betreffen.

(Lange [GRÜNE]: Sie brechen die Vertraulichkeit!)

Insofern kann man sagen — ich habe mir erlaubt, das so zu sagen —, daß die SDI-Vereinbarung fest auf zwei Beinen steht, auf dem Bein der Akquisitionshilfe und auf dem sicherheitspolitischen Bein. Das ist eine klare Grundlage.
Ich möchte mich jetzt den Zukunftsperspektiven zuwenden. Die Vereinbarung nimmt, wie gesagt, ausdrücklich Bezug auf die grundlegende Regierungserklärung von vor einem Jahr. Dort hatte die gesamte Bundesregierung ihre klare Unterstützung für die im Rahmen des ABM-Vertrages laufenden SDI-Forschungen gegeben. Der Bundeskanzler erklärte damals für die gesamte Bundesregierung — und deswegen kann ich nicht begreifen, daß manche immer noch den Versuch unternehmen, dem Bundesaußenminister zu unterstellen, er würde diese Erklärung, die damals mit ihm abgesprochen worden ist, nicht voll mittragen —: Das amerikanische Forschungsprogramm ist gerechtfertigt, politisch notwendig und liegt im Sicherheitsinteresse des Westens insgesamt. — Das ist die Grundlage unserer Politik.
Herr Kollege Ehmke, nach dem etwas verwirrenden Einwand, den Sie vorhin gemacht haben, daß Sie nicht mehr gegen SDI-Forschung seien, was für mich etwas Neues ist, sondern nur gegen die deutsche Beteiligung, möchte ich Sie gerne fragen, ob Sie dann vielleicht bereit sind, im Deutschen Bundestag diesen Satz zu unterstützen. Wir warten alle mit großer Spannung darauf, ob der Kollege Bahr diesen Satz, der die Grundlage der Politik der Bundesregierung bildet, hier unterstützt. Dann könnten Sie wirklich mit Recht erklären, daß Sie die amerikanische SDI-Forschung unterstützen.

(Dr. Ehmke [Bonn] [SPD]: Ach, Rühe!) — Ach, Ehmke.


(Dr. Ehmke [Bonn] [SPD]: Du machst mich ja schwach heute morgen!)

Diesen sicherheitspolitischen Aussagen aus der Regierungserklärung vom 18. April 1985 wird durch die deutsch-amerikanische SDI-Vereinbarung weder etwas hinzugefügt noch wird etwas davon weggenommen. Das entscheidende Kriterium der Bewertung der Strategischen Verteidigungsinitiative, so sagte der Bundeskanzler, ist die Frage: Kann diese Initiative den Frieden in Freiheit für uns sicherer machen? Darauf müssen sich jetzt unsere Überlegungen für die Zukunft konzentrieren. Nach wie vor gilt der Grundsatz, daß die Forschungen beider Seiten für moderne Raketenabwehrsysteme nur in dem durch den ABM-Vertrag zugelassenen Rahmen stattfinden dürfen.

(Lange [GRÜNE]: Enge oder weite Auslegung?)

Eine automatische Folge von Forschung, Entwicklung und Stationierung bei den strategischen Defensivsystemen darf es nicht geben. — So der Bundeskanzler damals, und auch das ist durch den Hin-



Rühe
weis auf diese Erklärung in diesen Vertrag mit eingegangen. Darüber sind sich die deutsche und die amerikanische Seite einig, wie die SDI-Rahmenvereinbarung zeigt. Wo immer der Verdacht einer Vertragsverletzung besteht wie beispielsweise durch das sowjetische Radar in Krasnojarsk, sollte er möglichst bald zufriedenstellend ausgeräumt werden. Auch sollten die unterschiedlichen Auffassungen über die Frage, wo die vom Vertrag her erlaubten Forschungen enden und die verbotenen Entwicklungen beginnen, ohne Vorbedingungen am Genfer Verhandlungstisch ausgeräumt werden. Alle über die nach dem ABM-Vertrag erlaubten Forschungen hinausgehenden Entscheidungen werden erst auf der Grundlage gesicherter Forschungsergebnisse getroffen werden können. Sie werden von daher ein Gegenstand von Konsultationen im Bündnis und von Verhandlungen mit der Sowjetunion sein müssen. In diesen Verhandlungen, so heißt es in der Regierungserklärung, sollten „kooperative Lösungen gesucht werden, die gewährleisten, daß die strategische Stabilität erhalten und nach Möglichkeit verbessert wird, die nuklearen Offensivwaffenpotentiale drastisch reduziert werden und das Verhältnis von Offensiv- zu Defensivsystemen einvernehmlich definiert wird, um ein Höchstmaß an Stabilität auf kleinstmöglichem Rüstungsniveau zu gewährleisten".
Für moderne Raketenabwehrsysteme bedeutete dies, daß drastische Reduzierungen bei den nuklearen Offensivwaffen Notwendigkeit und Umfang erforderlicher Defensivsysteme beeinflussen könnten und von daher Reduzierungen und Abrüstung Vorrang haben. Gegen Raketen, die nachweislich, überprüfbar abgerüstet sind, braucht sich bekanntlich niemand zu verteidigen.
Von beiden Seiten liegen bei den Genfer Abrüstungsverhandlungen Vorschläge für drastische Abrüstungsschritte bei den nuklearen Offensivwaffen vor. Ich appelliere an die Sowjetunion — ich hoffe, ich finde die Unterstützung der Opposition bei diesem Appell —, der Abrüstung Vorrang zu geben und am Verhandlungstisch den Worten endlich Taten folgen zu lassen. Dann werden sich andere Entscheidungen in einem ganz anderen Licht darstellen. Die Abrüstung hat Vorrang. Dazu habe ich heute morgen von Ihnen, Herr Kollege, auch zu wenig gehört.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Zurufe von der SPD und den GRÜNEN)

Die Sowjetunion hat sich dazu bereiterklärt eine Abrüstungsvereinbarung bei den Mittelstreckensystemen getrennt vom Verhandlungsstand in den beiden anderen Bereichen, über die in Genf verhandelt wird, zu treffen.
In diesem Zusammenhang kann ich nur sagen: Die Sowjetunion hat Sie längst überholt. Sie haben immer noch erklärt, SDI behindere den Abrüstungserfolg bei Mittelstreckenverhandlungen. Heute sagt Herr Gorbatschow: Wir sind zu einem Verhandlungsergebnis bei den Mittelstreckensystemen auch ohne eine Lösung bei SDI bereit. Es ist wie bei der Nachrüstungsdebatte im Jahr 1983: Die Sowjetunion hat Sie inzwischen längst überholt, was die Bereitschaft zu Abrüstungsvereinbarungen angeht.

(Dr. Ehmke [Bonn] [SPD]: Ist ja toll!)

Das zeigt, welch erstarrte und veraltete Politik Sie hier verfolgen, Herr Kollege Ehmke.

(Beifall bei der CDU/CSU — Lange [GRÜNE]: Von welchem Planeten kommen Sie eigentlich?)

Man wird dennoch davon ausgehen dürfen, daß es Abrüstungsschritte bei den strategischen Systemen nur dann geben wird — davon wird man ausgehen müssen —, wenn auch bei den Verhandlungen über Raketenabwehrsysteme Fortschritte erzielt wurden. Dennoch darf im Zusammenhang mit der Abrüstung bei den Offensivsystemen keine Zeit verloren werden. Es könnte schon in den nächsten Jahren eine Vereinbarung über die Abrüstung bei den strategischen Systemen ausgehandelt werden, deren Inkraftsetzung von den Ergebnissen bei den Verhandlungen über das Problem von Raketenabwehrsystemen abhängig gemacht werden könnte.
Ein weiterer wesentlicher Aspekt unserer Überlegungen wird er sein müssen, welche möglichen politisch-strategischen Auswirkungen moderne Raketenabwehrsysteme auf die Strategie des Bündnisses, vor allem aber für die Sicherheit der Westeuropäer haben. Deshalb gilt nach wie vor der ebenfalls in der Regierungserklärung vom 18. April festgeschriebene Grundsatz, daß es im Bündnis keine Zonen unterschiedlicher Sicherheit geben darf. Das ist verantwortliche Wahrnehmung deutscher und westeuropäischer Sicherheitsinteressen.
Hier stellt sich beispielsweise die Frage einer erweiterten Luftverteidigung gegen die wachsende Bedrohung Westeuropas durch konventionelle sowjetische Raketensysteme. Wenn es — wie bisher unbestritten; ich nehme an, auch bei den Sozialdemokraten — legitim ist, sich gegen Flugzeuge, also gegen bemannte Flugkörper, durch Luftabwehrsysteme zu verteidigen, dann stellt sich die Frage, warum eine solche Verteidigung dann nicht auch gegen unbemannte Flugkörper möglich sein sollte, solange dies technisch und finanziell machbar ist. Dafür sollten jetzt die entsprechenden Studien erstellt werden.
Durch die politische Unterstützung des SDI-Forschungsprogramms, wie sie die Bundesregierung vor einem Jahr gegeben und jetzt noch einmal bestätigt hat, ist ein besserer Einfluß auf die amerikanische Regierung zur Berücksichtigung deutscher und europäischer Sicherheitsinteressen möglich als durch die Verweigerungshaltung, wie sie die SPD eingenommen hat und bis zum heutigen Tage einnimmt. Ich glaube, auch dazu braucht man die Geheimschutzstelle des Deutschen Bundestags nicht aufzusuchen; das kann jeder unserer Mitbürger nachvollziehen. Wer sich in die Ecke stellt, sich ins Abseits begibt und sagt „Da spiele ich nicht mit!",



Rühe
der hat natürlich überhaupt keinen Einfluß auf das, was gespielt wird.

(Dr. Ehmke [Bonn] [SPD]: Mitgefangen, mitgehangen!)

Das kann jeder nachvollziehen, dazu braucht man kein großer Experte zu sein. Das genau ist die Verweigerungshaltung der deutschen Sozialdemokraten.

(Dr. Ehmke [Bonn] [SPD]: Rühes Spieltrieb!)

Es ist festzuhalten, daß mit der politischen Unterstützung der amerikanischen Forschung jedoch noch keine politische oder strategische Entscheidung über das SDI-Projekt selbst gefallen ist; denn diese Entscheidung wird erst möglich sein, wenn die entsprechenden Forschungsergebnisse vorliegen.
Wer sich in den Vereinigten Staaten vor Ort informiert — ich kann das nur empfehlen —, und zwar in allen Bereichen, bei der Regierung, beim Kongreß, in den großen Atomlabors, aber auch an den kritischen Universitäten, überall — denn wir sind mit ganz Amerika verbündet und müssen den Verlauf der Diskussion dort sehr sorgfältig beobachten —, der kann feststellen, daß es natürlich zwischen SDI 83 und SDI 86 schon Unterschiede gibt.

(Dr. Ehmke [Bonn] [SPD]: Ja, eben!)

— Was heißt hier „ja, eben"? Diese Dinge muß man doch sorgfältig beobachten und beeinflussen. Deswegen ist Ihre Eckensteherhaltung so falsch, Herr Ehmke; deswegen ist Ihre Konfrontation mit Amerika in dieser Frage so falsch.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Deswegen ist es wichtig und verantwortliche Wahrnehmung deutscher Politik, wenn wir den weiteren Forschungsverlauf sehr sorgfältig und nüchtern beobachten,

(Dr. Ehmke [Bonn] [SPD]: Dagegen haben wir nichts!)

wenn die deutschen Firmen dort, wo es ihrem Interesse entspricht - das müssen sie selbst definieren —, daran mitarbeiten, wenn wir jetzt einen Informationskanal haben, der uns bessere Informationsmöglichkeiten gibt. Wir haben für sachliche Entscheidungen in der Zukunft und auch für eine sachliche Debatte eine gute Grundlage geschaffen.

(Zurufe von der SPD und den GRÜNEN)

— Sie stehen im Abseits; das tut mir leid. Das ist manchmal das Schicksal der Opposition; das muß es nicht sein,

(Zurufe von der SPD und den GRÜNEN)

wenn man z. B. eine so verantwortungsvolle Opposition macht, wie das die CDU unter Rainer Barzel in einer schwierigen Situation Anfang der 70er Jahre gemacht hat. Aber Sie haben diesen Weg selbst gewählt, und wenn Sie den Weg der Konfrontation mit unserem wichtigsten Bündnispartner weiter so führen, dann würden Sie den deutschen Einfluß auf Null bringen.

(Zurufe von der SPD)

Gott sei Dank ist es nur der Einfluß der Opposition, den Sie auf Null bringen.
Danke schön.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Zurufe von der SPD und den GRÜNEN)


Dr. Philipp Jenninger (CDU):
Rede ID: ID1021002200
Das Wort hat die Abgeordnete Frau Borgmann.

Annemarie Borgmann (GRÜNE):
Rede ID: ID1021002300
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Rühe hat uns mit seiner Rede wieder einmal deutlich vor Augen geführt, wie dick das Brett sein muß, das die SDI-Verfechter vor ihrem Kopf haben.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Es kommt mir so vor, als redeten wir hier in verschiedenen Sprachen; denn wir lassen uns nicht ein X für ein U vormachen, wenn Sie immer wieder behaupten, daß mehr Waffen und immer wahnwitzigere Waffensysteme den Frieden sicherer machen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Angesichts der wohl kaum zu überbietenden Unverfrorenheit, mit der unsere rührigen Regierungsvertreter in der Öffentlichkeit versucht haben, den SDI-Abschluß mit Washington zu verkaufen, würde ich vorschlagen, gebührt dem Herrn Bundeskanzler und seinem großen Gefolge eigentlich ein Oskar für Dickfelligkeit.

(Beifall bei den GRÜNEN — Dr. Ehmke [Bonn] [SPD]: Den hat er schon lange! — Bohl [CDU/CSU]: Das war ja noch nicht mal originell!)

Ein Abkommen von derart elementarem Charakter für unser aller Zukunft nach der Unterzeichnung als geheim zu erklären, das kann wohl nur Leuten einfallen, deren Wille zur Eigenständigkeit längst durch pathologische Anbiederungsreflexe verkümmert ist.

(Dr. Stercken [CDU/CSU]: Das ist die Sprache des Friedens, die Sie sprechen!)

Es war offenbar wenig zu holen, sowohl in politischer wie in wirtschaftlicher Hinsicht. Das Weiße Haus hat auch nie ein Hehl daraus gemacht, daß es die SDI-Kuh selber melken will.
Den Vogel in ministerialer Selbstgefälligkeit abgeschossen

(Dr. Vogel [SPD]: Was? Vogel [München] ist abgeschossen!)

hat vermutlich unser erprobter Verhandlungsleiter, Minister Bangemann, mit der Bemerkung: Mich überfährt man nicht. Martialisches Stammtischniveau ersetzt hier offenbar eine verantwortungsvolle Politik, die sich beispielsweise dadurch ausgedrückt hätte, eben nicht verschleiernd den Wirtschaftsminister, sondern den Verteidigungsminister in die Ver-



Frau Borgmann
handlungen zu schicken. Das wäre ehrlicher gewesen;

(Vogel [München] [GRÜNE]: Das wäre offen gewesen!)

denn daß es sich bei SDI natürlich nicht um beschichtete Bratpfannen als Forschungslegitimation, sondern um ein Militärprogramm, um knallharte Hegemonialansprüche handelt, steht für uns außer Zweifel. SDI ist zum Lebensnerv des militärischindustriellen Komplexes, zum Science-fiction-geschwängerten Wunschdenken führender amerikanischer Militärs geworden. Anders kann man es nicht sagen.
SDI wird uns immer wieder als ein rein defensives System verkauft, das langfristig die Atomwaffen überflüssig machen werde. Man kann darüber nur lachen, wenn es nicht so ernst wäre. Tatsächlich dient SDI der Raketenabwehr im Weltraum. Wenn es wirklich realisiert werden könnte, so gibt es große Zweifel, ob dabei mehr herauskommt, als die US-Rüstungskonzerne mit höchst profitablen Aufträgen zu versorgen.
Also: Wenn es wirklich technisch realisierbar wäre, dann ergäbe sich eine fatale Situation. Ich bitte Sie, gut zuzuhören. Dann würden nämlich die USA über einsatzfähige Erstschlagwaffen verfügen, die beliebige Ziele in der Sowjetunion zerstören könnten, über eine offensive und aggressive Militärstrategie, wie wir sie mit air/land-battle schon vorliegen haben, die den Angriff nahelegt, und über ein Raketenabwehrsystem im Weltraum, das die USA vor einem sowjetischen Vergeltungsschlag schützen könnte.

(Breuer [CDU/CSU]: Sie haben eben gesagt, es funktioniert nicht!)

SDI ist also nur der fehlende Mosaikstein, der aus einer alten Strategie der nuklearen Abschrekkung, die selbst schon irrwitzig genug ist, ein realistisches Konzept nuklearer Kriegführung macht.

(Kittelmann [CDU/CSU]: Sie sind nicht einmal ein Mosaikstein!)

Die US-Regierung ist offensichtlich nicht bereit, bei ihren Plänen umfassender Aufrüstung irgendwelche ernsthaften Kompromisse mit den europäischen Verbündeten einzugehen. Sie hat sich darauf versteift, ihr Programm insgesamt und ohne Abstriche durchzusetzen. Erwägungen der Rüstungskontrolle oder gar der Abrüstung spielen überhaupt keine Rolle. Sie sind lediglich propagandistische Pflichtübung, wie sich das immer wieder zeigt. Die Bereitschaft zu tatsächlicher Abrüstung wird von Washington offenbar nur als anachronistischer Ballast angesehen, den es abzuwerfen gilt. Die rüde Reaktion auf die weitreichenden Abrüstungsvorschläge von Staatschef Gorbatschow läßt auch den letzten Zweifel über die vormachtorientierte Stoßrichtung der amerikanischen Außenpolitik verschwinden.

(Hornung [CDU/CSU]: Daran sieht man, wes Geistes Kind Sie sind!)

Massive Indizien für diesen Kurs gibt es genug. So werden die Atomtests trotz des sowjetischen Moratoriums ungerührt fortgesetzt. Sowjetische Hoheitsgewässer im Schwarzen Meer werden von US- Einheiten in Halbstarkenmanier verletzt. Darüber spricht hier niemand von der Regierungskoalition. Die Anzahl der Pershings hier bei uns wird vertragswidrig um ca. 30 % aufgestockt, mit der dreisten Begründung eines „Mehrbedarfs". Auch das geht hier unter. Die Regierung nimmt dazu nicht Stellung.

(Breuer [CDU/CSU]: Für den Wahlkreis Nowosibirsk!)

Neue Chemiewaffen sollen produziert werden. Auch hierzu fehlen klare Aussagen unserer Regierung.
Nicaragua wird nach wie vor durch die USA in seiner Existenz bedroht. Shultz nannte erst vor einigen Tagen Nicaragua „ein Krebsgeschwür, das wir herausschneiden müssen". Wer zu solchen Äußerungen fähig ist, kann doch nicht unser Verbündeter sein. Durch die massive Unterstützung faschistischer Mudschahedingruppen mit Geld und Waffen verhindern die USA eine politische Lösung in Afghanistan.

(Zurufe von der [CDU/CSU]: Unglaublich!)

In Angola werden die UNITA-Rebellen mit neuen US-Raketen ausgerüstet.

(Kittelmann [CDU/CSU]: Läßt sich das Mikrophon nicht abschalten?)

— Sie müßten sich informieren. Ich erzähle hier die reine Wahrheit.
Der Luftangriff gegen Libyen schließlich hat die amerikanische Vorschlaghammerpolitik, die ihre Wurzeln auch im Vietnam-Trauma hat, in all ihrer erschreckenden Plattheit vor die Augen der Weltöffentlichkeit geführt. Ganz klar verfolgt der Überfall auf Libyen durch die Vereinigten Staaten sowohl ökonomische als auch militärstrategische Interessen der USA im Mittelmeerraum.

(Hornung [CDU/CSU]: Haben Sie jetzt in Berlin auch demonstriert?)

Nach wie vor bezeichnet Ronald Reagan die Sowjetunion als „Reich des Bösen". Es werden wohl kaum völkerrechtliche Bedenken sein, die ihn von einem „Kreuzzug" gegen eben dieses Böse abhalten werden, wenn er die Zeit für gekommen hält. Den Preis werden bekanntermaßen wir, die Verbündeten, zu zahlen haben.

(Broll [CDU/CSU]: Sind Sie deswegen gegen SDI?)

Mit der vollmundigen Unterzeichnung des SDI- Abkommens unterstützt die Bundesregierung diesen Kollisionskurs einer aus den Fugen geratenen Führungsmacht. — Anders kann ich das nicht bezeichnen. — Daher fordern wir die Bundesregierung erneut und mit Nachdruck auf, von einer Beteiligung am SDI-Vorhaben Abstand zu nehmen und die wie auch immer gearteten Vereinbarungen zu kündigen. Jetzt wäre noch Zeit dazu.

(Beifall bei Abgeordneten der GRÜNEN)




Frau Borgmann
Wer von Ihnen meine Ausführungen wieder als grüne Panikmache abtun will, wie ich das aus Ihren unqualifizierten Äußerungen höre,

(Hornung [CDU/CSU]: Das steht in Ihrem Konzept! Kein Mensch sagt das!)

den möchte ich daran erinnern, daß ich vor einigen Wochen an dieser Stelle, als die US-Manöver in der Großen Syrte begannen, anläßlich einer Aktuellen Stunde, die wir beantragt hatten, die Eskalationsgefahr deutlich aufgezeigt habe. Ich möchte das nur zu bedenken geben.

(Beifall bei den GRÜNEN)


Dr. Philipp Jenninger (CDU):
Rede ID: ID1021002400
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Laermann.

Prof. Dr.-Ing. Karl-Hans Laermann (FDP):
Rede ID: ID1021002500
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Ehmke, ich war heute morgen enttäuscht. Aber Sie haben ja die Begründung selbst schon gegeben, Sie seien wohl unausgeschlafen.

(Beifall bei der FDP)

Wenn Sie nämlich dem Bundeswirtschaftsminister vorwerfen, daß seine Rede belanglos gewesen sei, muß ich Ihre als zusammenhanglos bezeichnen.

(Kittelmann [CDU/CSU]: Das ist aber milde, sehr milde!)

Auch die Frage, ob Sie über genügend Sachkenntnis verfügen, zu diesem Thema überhaupt etwas zu sagen, möchte ich an nur einem einzigen Beispiel festmachen: Sie haben dem Bundesforschungsminister vorgeworfen, er könne sich bei der amerikanischen Administration noch nicht einmal in Sachen COLUMBUS durchsetzen. Herr Kollege Ehmke, wollen Sie bitte zur Kenntnis nehmen, daß COLUMBUS ein europäisches Projekt ist, in der Zuständigkeit der ESA liegt und sich Ihr Vorwurf dann an Europa insgesamt — —

(Dr. Ehmke [Bonn] [SPD]: Gucken Sie sich mal die Kabinettsvorlage von Herrn Riesenhuber an, und kommen Sie dann wieder!)

— Es geht hier nicht um die Kabinettsvorlage Herrn Riesenhubers. Es ist hier nicht der Punkt, dazu Äußerungen zu machen, ich bin aber gern bereit, Ihnen zu erläutern, worum es bei der Kabinettsvorlage ging.
Ich darf auf das zurückkommen, was der Herr Bundeswirtschaftsminister zur Begründung dieser Abmachungen im Zusammenhang mit SDI hier vorgetragen hat. Wir sind der Auffassung, daß die zunehmende internationale Kooperation in Forschung und Entwicklung es schon zur Sicherung der Verfügbarkeit von Erkenntniszugewinn, insbesondere auch der wirtschaftlichen Verfügbarkeit, notwendig macht, daß wir für diejenigen, die diese Leistungen schließlich erbracht haben und sie originär einbringen, diese absichern müssen, damit sie nach wie vor über den Ertrag ihrer geistigen Entwicklung verfügen können.

(Stahl [Kempen] [SPD]: Wie wollen Sie das denn machen?)

Dies ist auf Grund der Rechts- und Gesetzeslage in den USA, insbesondere in der Kooperation mit amerikanischen Unternehmen oder amerikanischen Institutionen, unverzichtbar. Ich glaube, darüber sind wir uns doch wohl einig.
Es geht auch darum, daß wir eine Garantie des wechselseitigen Transfers von Erkenntnissen herstellen, damit das nicht eine Einbahnstraße wird.

(Stahl [Kempen] [SPD]: Aber das wird es doch!)

Wir brauchen eine solche Vereinbarung, damit dieser wechselseitige Transfer gesichert ist.
Ich denke, wir sind uns auch darüber einig, daß wir eine Intensivierung des Ost-West-Kenntnis- und -Technologietransfers wollen. Wir wollen doch auch mehr Kooperation und mehr Öffnung.

(Zuruf des Abg. Dr. Ehmke [Bonn] [SPD])

— Lassen Sie mich dazu etwas sagen, Herr Ehmke.
Wir wollen auch mehr Kooperation mit den osteuropäischen Partnern. Aber gerade dann wird es zur politischen Aufgabe — ich sage das sehr bewußt —, generelle Einschränkungen im wissenschaftlichtechnischen Austausch zwischen westlichen Industrieländern zu verhindern.

(Stahl [Kempen] [SPD]: Gucken Sie sich doch mal die COCOM-Listen auf der einen und auf der anderen Seite an! Sagen Sie doch mal was dazu!)

Wir müssen verhindern, daß in dem Maße, wie sich ein Ost-West-Transfer entwickelt, Komplikationen und Schwierigkeiten im West-West-Transfer eintreten.
Ich meine auch, daß es gerade im Hinblick auf die Situation in West-Berlin mit der enormen Forschungskapazität — in Berlin sind sehr viele Forschungseinrichtungen, Forschungsinstitute — ganz wichtig war und ist, in dieser Vereinbarung auch festzulegen, daß West-Berlin mit einbezogen wird.

(Stahl [Kempen] [SPD]: Das war doch wohl eine Selbstverständlichkeit mit den USA, Herr Laermann!)

— Na ja, was die Selbstverständlichkeit betrifft, Herr Kollege Stahl, wissen Sie doch ganz genau, daß wir über solche Selbstverständlichkeiten nicht allein verfügen können, sondern daß dies auch im Ost-West-Dialog eine entscheidende Rolle spielt.

(Stahl [Kempen] [SPD]: Na also!)

Ich meine auch, daß wir Anlaß haben, diese Entwicklung positiv zu sehen, wenn wir einmal daran denken, was wir auf dem Gebiet der westeuropäischen Kooperation, insbesondere auf dem Gebiet der Raumfahrt an positiven Wirkungen durch internationalen Austausch von Erkenntnissen gewinnen. Wir kommen mehr und mehr gerade auf diesem Gebiet zu internationaler, globaler Zusammenarbeit und das nicht nur in bezug auf den Austausch von Meßdaten, die wir über Satelliten oder Sonden empfangen, wie gerade jetzt beim Halleyschen Kometen. Der Austausch von Meßdaten und



Dr.-Ing. Laermann
die internationale Kooperation setzen vielmehr auch zwingend die Kompatibilität der Hardware, der Technik und die Kenntnis über die Systemfunktionen voraus.
Ich möchte hier doch mal ganz nachdrücklich und positiv erwähnen und herausstellen,

(Stahl [Kempen] [SPD]: Und das alles kriegen Sie?)

daß gerade in der Raumfahrttechnik, die von SDI oder SDI-Überlegungen ja nicht zu lösen ist —„Science Fiction" hat die Kollegin von den GRÜNEN gesagt; in manchen Teilen mag das richtig sein; aber ich weiß nicht, warum Sie sich dann so aufregen —,

(Stahl [Kempen] [SPD]: Das ist auch richtig!)

Kooperation erfolgt, daß z. B. bei der sowjetischen Vega-Mission zwei deutsche Experimente und ein amerikanisches Experiment mitgeflogen sind und daß internationale Wissenschaftler — Japaner, Deutsche, Amerikaner, Engländer, Franzosen — in der sowjetischen Raumfahrtzentrale gesessen haben und die Ergebnisse mit ausgewertet haben. Daß wir die europäische GIOTTO-Mission so erfolgreich durchführen konnten, lag daran, daß uns die Sowjetunion über ihr Zentrum ihre Meßdaten übermittelt hat, die zur Kurskorrektur dienten.
Meine Damen und Herren, reden wir doch nicht nur auf der politischen Ebene; betrachten wir vielmehr einmal, was praktisch, was de facto auf der wissenschaftlichen Ebene gerade in bezug auf den Austausch von neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen in dem hier in Rede stehenden relevanten Gebiet geschieht.

(Stahl [Kempen] [SPD]: Das wird für geheim erklärt, und dann kann der Austausch stattfinden!)

Deswegen denke ich, daß das Angebot Reagans an Gorbatschow in Genf, Basiserkenntnisse aus der SDI-Forschung auszutauschen, keine bloße Floskel war, wie politische Äußerungen in West und Ost uns manchmal glauben machen wollen. Die schon jetzt praktizierte enge internationale Zusammenarbeit zwischen Wissenschaftlern belegt die Ernsthaftigkeit und auch die Realisierbarkeit einer solchen Zusage. Ich setze hier ganz nachdrücklich auf die Vernunft und das Verantwortungsbewußtsein der Science Community, ihre Leistungen heute mehr als in der Vergangenheit im positiven Sinne für die Menschheit einzusetzen. Hier sind Entwicklungen im Gange, die wir in die ganzen Überlegungen und Betrachtungen mit einbeziehen müssen.
Herr Ehmke, es ist nun einmal leider so, daß sich die Ambivalenz der neuen technischen Entwicklungen nicht leugnen läßt.

(Stahl [Kempen] [SPD]: Das tut doch keiner! Nun reden Sie doch mal über den Streit zwischen Bangemann und Genscher!)

Es kommt darauf an, welche Absichten sich hinter
der Nutzung neuer Entwicklungen verbergen. Aber
wir müssen feststellen, daß Laser-Technik sowohl zivil als auch militärisch, daß Sensorik sowohl zivil als auch militärisch, daß Computer sowohl zivil als auch militärisch, daß Kommunikationssysteme sowohl zivil als auch militärisch eingesetzt werden können.

(Stahl [Kempen] [SPD]: Sie reden am Thema vorbei!)

Im Zusammenhang mit diesen Forschungsanstrengungen haben wir noch einmal deutlich hervorgehoben, daß wir den ABM-Vertrag gewahrt wissen wollen. Das heißt: Wir wollen die Beschränkung auf den Forschungsbereich. Wenn wir gleichzeitig noch sicherstellen können, daß hier internationaler Austausch funktioniert und praktiziert wird, dann, denke ich, sind wir auf einem guten Wege. Herr Kollege Ehmke, in diesem Zusammenhang kann man nicht von einer stillen Demontage des ABM-Vertrages reden.

(Zustimmung bei der FDP und der CDU/ CSU — Dr. Ehmke [Bonn] [SPD]: Das muß man leider sehr wohl!)

Ich möchte Sie darauf hinweisen, daß die Sowjetunion hervorragende Leistungen in der Raumfahrt und in der Radartechnik aufzuweisen hat. Sie setzt ihre Forschungen intensiv fort. Sie startet jeden vierten Tag einen Satelliten. Drei Viertel dieser Satelliten haben rein militärische Missionen auszuführen. Das möchte ich Ihnen einmal sagen.

(Hört! Hört! bei der CDU/CSU)

Wir, die FDP, sind auch gegen Killersatelliten. Wir meinen, daß sich gerade auf Grund der Entwicklungen, die sich hier abzeichnen, positive Ansätze im Sinne von Abrüstung und Abrüstungskontrolle ergeben können. Wir wollen diese Entwicklungen, die zu einer verstärkten und wirkungsvollen Abrüstungskontrolle führen.
In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage nach den militärischen Beobachtungssatelliten: Warum sollen, wenn sie in einem weltumspannenden, international bezogenen Leitsystem betrieben werden, die Daten und Erkenntnisse nicht allgemein und öffentlich verfügbar gemacht werden? Derjenige, der glaubt, er habe etwas zu verbergen, der weiß es ja. Warum soll der andere, der ihn erwischt hat, dies nicht öffentlich und allgemein bekanntmachen? Ich denke, wir sollten in der WestWest-Kooperation durchaus etwas in dieser Richtung zur Sicherung des Ost-West-Transfers tun.

(Stahl [Kempen] [SPD]: Das hat doch mit dem Thema überhaupt nichts zu tun!)

In diesem Sinne danken wir der Bundesregierung, insbesondere dem Bundeswirtschaftsminister, dafür, daß er zur Sicherung solcher Entwicklungen eine derartige Vereinbarung getroffen hat.
Danke schön.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Stahl [Kempen] [SPD]: Zu dem Streit Bangemann-Genscher haben Sie nichts gesagt! Das verschweigen Sie!)





Dr. Philipp Jenninger (CDU):
Rede ID: ID1021002600
Ich erteile dem Herrn Bundeskanzler das Wort.

(Mann [GRÜNE]: Jetzt kommt der oberste Traumtänzer!)


Dr. Helmut Kohl (CDU):
Rede ID: ID1021002700
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe mit großer Aufmerksamkeit dem Beitrag des ersten Sprechers der SPD-Fraktion hier zugehört.

(Broll [CDU/CSU]: Obwohl es sich nicht gelohnt hat!)

In dieser Rede ist für mich eines bemerkenswert — ich finde, darüber sollten wir heute eingehend sprechen —: Herr Kollege Ehmke, Sie haben gesagt: Wir kritisieren nicht das amerikanische SDI-Programm

(Dr. Ehmke [Bonn] [SPD]: Das habe ich nicht gesagt!)

— Sie können es im Protokoll nachlesen; das haben Sie gesagt —, wir kritisieren die Beteiligung der Bundesregierung.
Meine Damen und Herren, was wollen Sie denn eigentlich? Seit vielen Monaten reden Sie hier in diesem Haus gegen das amerikanische SDI-Programm, bezichtigen uns mehr oder minder der Komplizenschaft, und draußen im Lande versuchen Sie, über Friedensbewegung, Ostermarschierer und viele andere Gelegenheiten die Bevölkerung in dieser Frage zu verwirren. In Wahrheit ist das eine gigantische Heuchelei, was Sie hier aufführen; ich muß das einmal so klar und deutlich aussprechen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Aber es ist schon wichtig, daß wir in der heutigen Debatte einmal klären, was Sie wirklich wollen. Wollen Sie überhaupt nur auf der Spur des Antiamerikanismus ein neues Kapitel aufführen, oder sind Sie wirklich bereit, Ihren Beitrag zu vernünftiger Abrüstungs- und Entspannungspolitik zu leisten?
Meine Damen und Herren, die Fragen der strategischen Verteidigung sind ein entscheidendes Thema der internationalen sicherheitspolitischen Diskussion. Es ist ganz natürlich, daß sie sich angesichts des Spannungsfeldes in der Welt auf die Ost-West-Beziehungen ganz besonders auswirken. Dennoch — ich darf das hier immer wieder betonen — wäre es aus meiner Sicht gänzlich falsch, die strategische Verteidigung und speziell das SDI-Programm zum Angelpunkt der West-Ost-Beziehungen schlechthin zu machen und alle anderen Fragen diesem Thema unterzuordnen. Wer die Diskussion zwischen den Weltmächten aufmerksam beobachtet, wird feststellen, daß diese Tendenz, die hier von Ihrer Seite in der Bundesrepublik gepflegt wird, dort keineswegs so präsent ist.
Meine Damen und Herren, eine solche verkürzende und vereinfachende Sicht der Dinge wird eben den tatsächlichen Gegebenheiten nicht gerecht. Herr Bahr, Sie werden ein Problem haben, dieses Zitat jetzt aus der Welt zu schaffen; ich kann das wohl verstehen.

(Zurufe von der CDU/CSU)

Ich habe immer die Auffassung vertreten, daß das West-Ost-Verhältnis nicht auf Sicherheitsfragen allein, auf Abrüstung und Rüstungskontrolle oder gar bloß auf SDI verengt werden darf. Aus der Sicht der Bundesrepublik Deutschland, aus der Sicht Deutschlands ist es ganz wichtig, immer wieder darauf hinzuweisen, daß West-Ost-Beziehungen vielfältiger Natur sind, daß diese Beziehungen politische, militärische, wirtschaftliche, wissenschaftlich-technologische und kulturelle Elemente enthalten, die für uns von allergrößter Bedeutung sind. Meine Damen und Herren, Vereinbarungen im Bereich der Abrüstung und Rüstungskontrolle werden auf Dauer nur möglich sein und sich als tragfähig erweisen, wenn auch diese anderen Bereiche, insbesondere die politischen Beziehungen, auf breiter Grundlage entwickelt werden und wenn das Gespräch auf allen Ebenen möglich bleibt.
Der aktuelle Stand der Rüstungskontrollverhandlungen beweist es. Heute liegen, gemessen an dem, was vor Jahren zu beobachten war, die weitreichendsten Verhandlungsvorschläge von beiden Seiten auf dem Tisch.
Dennoch stagnieren im Augenblick die Gespräche in wichtigen Bereichen. Sie bedürfen eines neuen politischen Impulses. Und wir alle denken und hoffen, daß dieser Impuls auch im Zusammenhang mit dem für dieses Jahr geplanten Treffen von Generalsekretär Gorbatschow und Präsident Reagan in den Vereinigten Staaten erfolgen kann.
Ein Grund für diese Entwicklung ist die Tatsache, daß der Prozeß der Vertrauensbildung zwischen beiden Seiten eben noch nicht weit genug fortgeschritten ist. Aber in dieses Bild gehört auch, daß sich erfreulicherweise in den letzten Monaten Anzeichen mehren, daß auch die sowjetische Führung der gesamten Breite der Beziehungen eine wichtigere Bedeutung beimißt. Ich habe mit großer Aufmerksamkeit verfolgt, daß Generalsekretär Gorbatschow in seiner Rede vor dem 27. Parteitag der KPdSU sein Abrüstungsprogramm ganz bewußt in den politischen Gesamtzusammenhang gestellt hat. Er spricht davon, daß Sicherheit mit militärischen Mitteln allein nicht mehr zu gewährleisten sei, sondern vor allem eine politische Aufgabe darstelle.
Meine Damen und Herren, wenn Fragen der strategischen Verteidigung behandelt werden, muß doch berücksichtigt werden, daß beide Weltmächte Forschungen durchführen. Niemand von uns kann sie daran hindern. Forschungen — auch das ist die Realität — sind eben nicht kontrollierbar. Aber wir werden und können nicht zulassen, daß in diesem Zusammenhang verschwiegen wird, was die Sowjetunion tut, während die amerikanischen Forschungen immer wieder in ein grelles propagandistisches Scheinwerferlicht gerückt werden.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Tatsache ist doch, daß die Sowjetunion der einzige
Staat ist, der tatsächlich ein Raketenabwehrsystem



Bundeskanzler Dr. Kohl
rund um seine Hauptstadt — Moskau — aufgebaut hat. Die Sowjetunion ist der einzige Staat, der über ein einsatzfähiges System von Antisatellitenwaffen verfügt und mit diesem einsatzfähigen System Tests im Weltraum durchgeführt hat. Wo war eigentlich Ihr Protest? Warum gingen Sie damals nicht auf die Straßen und Plätze?

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Die Sowjetunion modernisiert ihr strategisches Verteidigungssystem um Moskau. Sie wissen doch so gut wie ich, daß Tausende von sowjetischen Forschern auf diesem Gebiet tätig sind, daß die sowjetische Forschung — der Kollege von der FDP hat gerade darauf hingewiesen — in wichtigen Technologiebereichen wie Laserforschung und Erforschung von Teilchenstrahlen weit vorangeschritten ist. Es gibt Fachleute, die sagen, daß sie gegenwärtig weiter vorangeschritten ist als die Forschung in vielen westlichen Ländern. Und es ist doch auch wahr, daß die sowjetische Forschung seit über 15 Jahren andauert. Herr Abgeordneter Ehmke, ich bin jetzt mehr als drei Jahre im Amt; was haben Sie denn in der Zeit, als Sie die Regierungsgeschäfte führten, im Gespräch mit der Sowjetunion getan, um auf sie einzuwirken?

(Beifall bei der CDU/CSU — Klein [München] [CDU/CSU]: Dasselbe wie heute: dumm dahergeredet!)

Das alles zeigt, daß die Sowjetunion die systematische und ernsthafte Verwirklichung einer Abwehr strategischer Raketen sehr viel früher und aus ihrer Politik heraus konsequenter als die USA angestrebt hat. Die sowjetische Führung behauptet: Alles, was sie tut, geschieht im Rahmen des ABM-Vertrags. Niemand von uns — weder Sie noch wir — ist in der Lage, zu prüfen, ob diese Behauptung richtig ist. Der Sowjetunion und ihrer Propagandamaschinerie ist es jedenfalls gelungen, von ihren Forschungen, ihren Entwicklungen abzulenken. Wir haben nichts von Ihnen gehört, was Sie dagegen getan haben, um Aufklärung in die Bevölkerung zu bringen. Im Gegenteil: Sie sprechen nur von der amerikanischen Forschung und unterschlagen das, was die Sowjetunion getan hat.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Meine Damen und Herren von der SPD, ist es nicht erstaunlich: Die Vereinigten Staaten erklären immer wieder, daß sie sich beim SDI-Forschungsprogramm vertragskonform verhalten und den ABM-Vertrag einhalten. Sie versehen das dann mit ihren Fragezeichen. Warum schenken Sie der sowjetischen Beteuerung Glauben? Und warum halten Sie unserem wichtigsten Bündnispartner, der unsere Sicherheit und den Frieden in Europa für uns in diesen Jahrzehnten mit garantiert hat, unentwegt Ihre skeptischen Fragen entgegen? Das hat doch Gründe, über die man nachdenken muß. Die Amerikaner sind bereit, die Forschungseinrichtungen zu öffnen und Besuche zu gestatten. Die Sowjetunion denkt nicht daran, uns vergleichbare Möglichkeiten einzuräumen.

(Hornung [CDU/CSU]: Das ist es!)

Unsere Haltung zum amerikanischen SDI-Forschungsprogramm muß sich an unseren eigenen langfristigen Interessen und Zielorientierungen ausrichten. Es bleibt unser wichtigstes politisches Ziel, den Frieden zu sichern, Krieg auf Dauer zuverlässig zu verhindern und das Rüstungsniveau, besonders bei Nuklearwaffen, drastisch zu senken.
Wir stimmen der gemeinsamen Erklärung der USA und der Sowjetunion vom 8. Januar 1985 zu, wonach es heute darum geht, einen Rüstungswettlauf auf der Erde zu beenden und im Weltraum zu verhindern. Die Strategische Verteidigungsinitiative kann sich dabei als ein wichtiges Hilfsmittel erweisen. Einerseits müssen wir heute feststellen, daß die Sowjetunion drastische Reduzierungsvorschläge erst vorgelegt hat, nachdem der amerikanische Präsident im März 1983 seine Initiative verkündet hatte. Andererseits könnte es vielleicht sogar realistischer sein, auf ein Reduzierungsmodell zu setzen, das nukleare Angriffswaffen durch Verteidigungssysteme immer nutzloser werden ließe, als zu versuchen, das Ziel über Verhandlungen zu erreichen. Verteidigungssysteme werden darüber hinaus die Sicherheit geben, daß trotz verbleibender Fähigkeit, Nuklearwaffen zu bauen, es dann eben sinnlos wäre, dies zu tun.

(Hornung [CDU/CSU]: Sehr gut!)

Heute, meine Damen und Herren, deutet vieles darauf hin, daß ein totaler, von uns allen gewünschter Abbau aller Nuklearwaffen in einem vorhersehbaren Zeitraum wohl kaum zu erreichen sein wird. Dagegen ist es durchaus vorstellbar, ein neues System strategischer Stabilität zu errichten, bei dem sich beide Seiten auf eine drastische Reduzierung nuklearer Offensivsysteme, auf die Einrichtung einer begrenzten Zahl strategischer Verteidigungssysteme, die unter Umständen sogar nur bodengestützt sein könnten, auf ein gemeinsames Verständnis von strategischer Stabilität unter Einbeziehung des gesamten militärischen Kräfteverhältnisses einigen. Es gibt heute bei beiden Weltmächten — trotz der gegenwärtigen Auseinandersetzungen und Meinungsverschiedenheiten —, wie jeder von uns weiß, durchaus parallele Interessen und Sachzwänge — Sachzwänge, die auch zu einer Einigung führen könnten. Die ungeheuren Rüstungslasten und die Ungewißheit der technologischen und strategischen Entwicklungen bieten eine reelle Chance, Ost und West einander näherzubringen. Wenn man die Äußerungen aus Moskau betrachtet, dann ist doch durchaus, ohne daß man dabei zu große Hoffnungen investieren darf, eine zunehmende Flexibilität auch bei der sowjetischen Führung erkennbar.
Auf dem Weg vom heutigen Zustand der Überrüstung zu einem neuen System strategischer Stabilität mit weniger Waffen sind natürlich Risiken zu überwinden. Die Sicherheit des Bündnisses als Ganzes muß politisch und strategisch gewährleistet bleiben. Europas Sicherheit, d. h. auch die Sicherheit in Deutschland, darf nicht zweitrangig werden.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)




Bundeskanzler Dr. Kohl
Ungleichgewichte im konventionellen Bereich in Europa gewinnen an Gefährlichkeit und müssen eingegrenzt werden. — Herr Bahr, Sie nicken freundlich zustimmend. Dann stimmen Sie doch bitte diese Woche für die Verlängerung der Wehrpflicht. Das ist ja eine Voraussetzung dafür, daß wir Gleichgewicht schaffen können.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Aber Sie können nicht gegen die Verlängerung der Wehrpflicht sein und sich hier für den Abbau der Ungleichgewichte einsetzen. —

(Bindig [SPD]: Sie verstehen das nicht!)

Das Risiko eines neuen Rüstungswettlaufs muß und kann durch eine entschlossene Rüstungskontrollpolitik ausgeschlossen werden.

(Mann [GRÜNE]: Das hören wir jetzt schon seit Jahren, seit Jahren hören wir das!)

— Meine Damen und Herren, Ihre Präsenz in diesem Haus besteht eigentlich im wesentlichen darin, beleidigende Urlaute auszustoßen. Das ist im wesentlichen Ihr Beitrag.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Sie sind hier als die Vertreter des Pazifismus angetreten. Aber Sie haben in dieses Haus einen Ton hereingebracht, der an die schlimmsten Zeiten der Weimarer Republik erinnert.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Mann [GRÜNE]: Das ist eine Unverschämtheit! — Weitere Zurufe von den GRÜNEN)

Aber ich habe Ihnen schon einmal gesagt: Bonn ist nicht Weimar. Wir werden uns in dieser Republik weder dem linken noch dem rechten Faschismus beugen. —

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Mann [GRÜNE]: Das ist doch unglaublich! Und Sie wollen Historiker sein? — Lange [GRÜNE]: Sie sind eine absolute Null! — Pfui-Rufe von den GRÜNEN — Weitere anhaltende Zurufe von den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, für die Bundesregierung bleibt der wechselseitige Zusammenhang zwischen offensiver und defensiver Rüstung bestehen. Eine deutlich verringerte Zahl von Offensivsystemen bestimmt die Frage nach Notwendigkeit und Umfang weltraumgestützter Verteidigungssysteme, wie ich das ja schon in meiner Rede vom 20. März 1985 ausgeführt habe. Ich bin davon überzeugt, daß die Forschungen in der Sowjetunion und in den USA die strategischen Bedingungen, die uns den Frieden in Freiheit bisher gewahrt haben, tiefgehend verändern werden. Deutsche und europäische Sicherheitsinteressen, unsere Interessen sind davon ganz unmittelbar betroffen. Es ist daher ein zwingendes Gebot politischer Vernunft, sich auf solche, schon heute voraussehbare Entwicklungen rechtzeitig einzustellen.
Meine Damen und Herren, wenn wir unsere Sicherheitsinteressen auch zukünftig wahren wollen, müssen wir über diese Entwicklungen und Prozesse nicht nur informiert sein, sondern wir müssen auch versuchen, darauf Einfluß zu gewinnen.

(Zuruf von der SPD: Das haben wir gestern gesehen!)

Einfluß in dem Maße dessen, was uns möglich ist. Dies ist der Grund dafür, daß wir das ständige Gespräch mit den USA über Stand und Entwicklung des SDI-Programmes suchen. Das SDI-Programm darf uns Europäer nicht von den USA abkoppeln, weder technologisch noch strategisch noch politisch. Und, meine Damen und Herren: Ich weiß nicht, warum Sie über dieses Programm und über die Verhandlungen und den Erfolg des Kollegen Bangemann hier in dieser Form sprechen. In gleicher Weise verhandelt die gegenwärtige italienische Regierung unter Führung Ihres politischen Freundes Craxi. Die Italiener sind dabei, über ein durchaus vergleichbares Programm abzuschließen. Großbritannien hat das getan.

(Dr. Vogel [SPD]: Und was ist mit Spanien und Kanada?)

— Herr Kollege Vogel, es ist doch schon ziemlich abstrus, daß Sie jetzt den Vergleich mit Kanada bringen.

(Dr. Vogel [SPD]: Oder Frankreich oder Norwegen!)

Sie sollten doch wenigstens zur Kenntnis nehmen, daß Kanada auf dem amerikanischen Kontinent liegt und die fraglichen Firmen, die an SDI beteiligt sind, überwiegend Tochterfirmen amerikanischer Konzerne sind.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Sie sollten doch, wenn Sie über solche Dinge reden, wenigstens die einfachsten Sachverhalte kennen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Herr Kollege Vogel, der Zwischenruf Frankreich ist doch genauso abwegig.

(Zuruf des Abg. Dr. Vogel [SPD])

— Jetzt hören Sie doch erst einmal die Antwort.
Wenn Sie hier stünden, würden Sie sagen, Ihre Aufgeregtheit sei Zeichen Ihres schlechten Gewissens.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Ihre Aufgeregtheit zeigt mir nur Ihre Uninformiertheit. Das ist etwas ganz anderes.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Was nun das Stichwort Frankreich betrifft, Herr Kollege Vogel: Was hat Präsident François Mitterrand gesagt?

(Dr. Vogel [SPD]: Er hat sich nicht beteiligt!)

Er hat wörtlich gesagt — ich zitiere ihn —: Die französische Republik beteiligt sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht am SDI-Programm.

(Dr. Vogel [SPD]: Und Sie beteiligen sich! Das ist der Unterschied!)

— Herr Vogel, nun hören Sie doch erst einmal zu. —
Aber er hat gleichzeitig nichts dagegen unternom-



Bundeskanzler Dr. Kohl
men, daß französische Unternehmen, die zu 100 % im Staatsbesitz sind, als erste Kontrakte mit dem Pentagon über SDI-Programme abgeschlossen haben.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Dr. Vogel [SPD]: Das werfen Sie Herrn Mitterrand vor?)

— Entschuldigung, ich werfe ihm überhaupt nichts vor. Sie nehmen ihn nur zu Unrecht für sich in Anspruch. Das ist etwas ganz anderes. Sie gehen mit den Tatsachen in einer Weise um, die ziemlich bestürzend ist.
Ich will noch einmal sagen: Es ist doch für jedermann erkennbar, daß in der Bundesrepublik Deutschland und Frankreich unterschiedliche Wirtschaftsstrukturen bestehen. Wir haben keine verstaatlichte Industrie. Die deutsche Regierung, das deutsche Parlament haben keinerlei Einfluß etwa auf Auftragsannahme oder -vergabe deutscher Unternehmungen. In Frankreich ist ganz eindeutig eine Weisungsmöglichkeit der Regierung gegenüber den verstaatlichten Unternehmen gegeben. Die Franzosen brauchen sich über solche Abkommen überhaupt keine Gedanken zu machen, weil sie den ganz direkten Zugang haben. Das kann doch jedermann erkennen. Das wissen Sie doch so gut wie ich.

(Dr. Vogel [SPD]: Das ist dasselbe wie bei MBB! Das wissen Sie doch!)

— Entschuldigung, die Bundesrepublik Deutschland sitzt eben nicht in MBB.

(Dr. Vogel [SPD]: Aber Herr Strauß!)

— Aber Herr Strauß ist doch nicht die Bundesrepublik. Das geht doch zu weit.

(Heiterkeit bei der CDU/CSU und der FDP)

Herr Vogel, im übrigen ist auch Herr Strauß nicht MBB, auch der Freistaat Bayern nicht. Ist denn Ihr Staatsrechtsverständnis schon so, daß Sie die Personalisierung Ihrer Feindbilder so weit treiben, daß Sie die Verfassung nicht mehr begreifen können?

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Aber, ich denke, wir sollten uns von dem FranzJosef-Strauß-Komplex des Kollegen Vogel lösen und zu SDI zurückkommen.

(Sehr gut! bei der CDU/CSU)

Meine Damen und Herren, Information, Konsultation und Forschungsbeteiligung sind für uns unverzichtbare Elemente der langfristig angelegten, auf den Zusammenhalt des Bündnisses und auf die Sicherung des Friedens in Europa zielenden Politik der Bundesregierung. Sie, meine Damen und Herren von der SPD, haben das SDI-Forschungsprogramm verurteilt. Sie haben sich — Volker Rühe hat das mit Recht gesagt — damit aus einem Prozeß der Entscheidung ausgeschaltet, der in einem entscheidenden Maße auch unsere nationalen Sicherheitsinteressen berührt. Ich bedaure das.
Es ist ja überhaupt das Problem der Sozialdemokraten geworden, daß sie sich immer weiter von ihren früheren Vorstellungen entfernen. Das gilt nicht zuletzt und vor allem für die Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Wer die Rücknahme der Nachrüstung fordert, bevor, Herr Kollege Vogel, die Genfer Verhandlungen zum Ergebnis führen, weiß doch genau, daß er überhaupt nichts erreicht. Wer über eine kernwaffenfreie Zone in Mitteleuropa mit der SED in Ost-Berlin verhandelt, weiß doch, daß er damit weltweit überhaupt keinen positiven Einfluß ausüben kann.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Wer in dieser Situation, in der wir alle Kräfte zusammenfassen müssen, über eine chemiewaffenfreie Zone mit den kommunistischen Parteien der DDR und der CSSR verhandelt, während in Genf um ein weltweites Verbot gerungen wird, muß doch wissen, daß er seine Einflußnahme aufgibt.

(Widerspruch bei der SPD)

Meine Damen und Herren, wer sich mit der Forderung nach struktureller Nichtangriffsfähigkeit in direktem Gegensatz zur gemeinsamen NATO-Strategie setzt, der weiß genau, auf welchen Weg er sich begeben hat, und wir sprechen das aus. Derjenige — weil vorhin, Herr Ehmke, von Ehrlichkeit die Rede war —, der in Ihren Reihen am ehrlichsten ist, sympathisch ehrlich, ganz offen ist, das ist der Herr Lafontaine; der sagt, was Sie in weiten Teilen wirklich denken.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Er sagt, Sie wollen aus der NATO-Integration mit der Bundeswehr ausscheiden. Das ist die neue Politik der Mehrheit der deutschen Sozialdemokratie.

(Beifall bei der CDU/CSU — Zurufe von den GRÜNEN)

Dann sprechen Sie nicht von Zuverlässigkeit!
Dann hören wir, daß Sie, Herr Kollege Vogel, nach Peking reisen und dort berichten, daß die Staatsführung in Peking SDI verurteilt. Deswegen hätten Sie nicht hinreisen müssen; das hätte ich Ihnen hier versichern können.

(Heiterkeit bei der CDU/CSU)

Die Interessen der Volksrepublik China sind ganz anderer Art. Das Interesse der Volksrepublik China ist, daß die Deutschen und die Europäer etwa bei der SS-20-Debatte sagen: Wir lassen nicht zu, daß die Raketen aus dem europäischen Teil in den asiatischen Teil der Sowjetunion transportiert werden. Das ist ein Beitrag, den wir auch zugunsten der Volksrepublik China leisten.
Aber die Frage an Sie ist: Warum hat eigentlich Herr Rau, der zur gleichen Stunde in Israel war, in Israel weilte,

(Heiterkeit bei der CDU/CSU)

bei dieser Gelegenheit nicht mit Ihren israelischen politischen Freunden, mit Shimon Peres, einmal darüber gesprochen? Sie hätten so eine Menge erfahren können. Da Sie sich ja sonst bei jeder Gelegenheit als Gralshüter dieser Interessen aufwerfen, warum sagen Sie nicht, daß die Beteiligung an SDI für den Staat Israel eine elementare Frage ist? Es



Bundeskanzler Dr. Kohl
ist so, daß ich von dort lauter Ermutigungen bekomme, auch von Ihren sozialistischen Freunden und Partnern.

Dr. Philipp Jenninger (CDU):
Rede ID: ID1021002800
Herr Bundeskanzler, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Suhr?
Bundeskanzler Dr. Kohl: Nein.
Ich darf unsere Haltung noch einmal in wenigen Sätzen zusammenfassen.
Erstens. Sicherheitspolitische Fragen müssen im Gesamtzusammenhang des West-Ost-Verhältnisses gesehen und beurteilt werden. Dies gilt auch für das SDI-Forschungsprogramm.
Zweitens. Beide Weltmächte — Sowjetunion und Vereinigte Staaten — betreiben Forschungen auf dem Gebiet der Raketenabwehr. Die Ergebnisse dieser Forschung werden die strategischen Bedingungen in der Welt verändern. Strategischen Defensivsystemen kann damit eine neue Rolle und Aufgabe zuwachsen.
Drittens. Angesichts solcher Entwicklungen bedarf es politischer Anstrengungen, sie in ein neues kooperatives Sicherheitssystem zwischen den beiden Weltmächten einzubinden.
Viertens. Es sind Risiken da, und unser Auftrag ist, einen Beitrag zu leisten, daß diese Risiken kontrollierbar sind. Dies erfordert solidarisches Verhalten der Bündnispartner, aber auch, meine Damen und Herren, Nutzung gemeinsamer Interessen zwischen Ost und West.

(Zuruf von den GRÜNEN)

Das geht eben nur durch Dialog und — wo möglich — durch Zusammenarbeit. Die deutsche und europäische Interessenlage gebietet es, daß wir uns auf diese Entwicklung der Zukunft einstellen, daß wir politischen Einfluß nehmen, um unsere existentiellen nationalen Interessen zu wahren. Dies allein bestimmt unsere Politik.

(Anhaltender lebhafter Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Dr. Philipp Jenninger (CDU):
Rede ID: ID1021002900
Zu einer kurzen direkten Erwiderung bzw. Klarstellung erteile ich das Wort dem Abgeordneten Dr. Ehmke.

(Seiters [CDU/CSU]: Ob das eine Klarstellung wird? — Weitere Zurufe von der CDU/ CSU)


Dr. Horst Ehmke (SPD):
Rede ID: ID1021003000
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Daß die Kollegen Rühe und Kohl hier ein Scheinproblem konstruieren, um dann auf Pappkameraden zu schießen,

(Broll [CDU/CSU]: „Pappkamerad" war richtig! — Marschewski [CDU/CSU]: Ehmke, der Pappkamerad! — Lachen und weitere Zurufe von der CDU/CSU)

spricht nicht gerade für ihren Glauben an die Überzeugungskraft ihrer eigenen Argumente.

(Anhaltende Zurufe von der CDU/CSU)

Aber, Herr Bundeskanzler, vielleicht darf ich das gleich klarstellen, ehe Sie diese Scheinprobleme weiter verbreiten. Die SPD war und ist gegen Weltraumrüstungsprogramme in Ost und West. Ich weiß nicht, ob Sie noch selber lesen, Herr Bundeskanzler,

(Lachen und Zurufe von der CDU/CSU) aber wenn Sie etwa mal in dieses Papier — —


(Der Redner übergibt dem Bundeskanzler ein Schriftstück)


Dr. Philipp Jenninger (CDU):
Rede ID: ID1021003100
Herr Abgeordneter, Sie können nicht das Rednerpult verlassen.

(Heiterkeit und Zurufe)


Dr. Horst Ehmke (SPD):
Rede ID: ID1021003200
Wenn Sie einmal in dieses Papier der SPD-Bundestagsfraktion schauen, werden Sie feststellen, daß es mit einer Kritik an der sowjetischen Haltung beginnt. Wir sind allerdings auch gegen das SDI-Rüstungsprogramm. Nur, Herr Kollege Rühe, um jetzt auf die Forschung zu kommen: Uns ist natürlich — wie jedem anderen auch — klar, daß die Grundlagenforschung in Ost und West nicht zu kontrollieren ist und darum auch nicht verboten werden kann. Sie wissen — und sollten nicht wider besseres Wissen das Gegenteil sagen —, daß die SPD daher immer

(Klein [München] [CDU/CSU]: Ach, hören Sie doch auf!)

die sowjetische Forderung, die Amerikaner sollten die Grundlagenforschung einstellen, abgelehnt hat. Worum es geht, ist, eine harte Grenze zu ziehen,

(Klein [München] [CDU/CSU]: Erbärmlich!)

eine Grenze zwischen Grundlagenforschung auf der einen Seite,

(Klein [München] [CDU/CSU]: Wirklich erbärmlich, was Sie da von sich geben!)

Feldtests und Entwicklung auf der anderen Seite. Das SDI-Programm wird in Kürze diese Grenze überschreiten, und darum sind wir gegen dieses Programm, während Sie — der Bundeskanzler hat das ja gerade noch einmal erklärt —

(Broll [CDU/CSU]: Sie vernebeln alles! — Dr. Dregger [CDU/CSU]: Jetzt ist die letzte Klarheit beseitigt!)

politische Mitverantwortung für das Wettrüsten im Weltraum übernommen haben.

(Beifall bei der SPD — Zurufe von der CDU/CSU)

Ein letzter Satz zu Herrn Kollegen Laermann:

(Broll [CDU/CSU]: Herr Ehmke ist ein Nebelwerfer!)

Gerade weil Grundlagenforschung im zivilen Bereich durchgeführt wird, haben wir natürlich auch nichts dagegen, daß sich deutsche Firmen daran beteiligen. Wir haben nie etwas anderes gesagt.

(Hornung [CDU/CSU]: Doch, Sie waren immer dagegen! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)




Dr. Ehmke (Bonn)

— Meine Herren, Ihre Fähigkeit zur Differenzierung ist Ihnen in drei Jahren Kohl offensichtlich abhanden gekommen.

(Lachen bei der CDU/CSU)

Wohl aber sind wir gegen eine staatlich unterstützte Mitwirkung an Grundlagenforschung ausgerechnet in einem amerikanischen Rüstungsprogramm, weil das — das zeigt auch das Ergebnis der Verhandlungen von Herrn Bangemann — die Militarisierung der Grundlagenforschung weiter vorantreiben wird.

(Beifall bei der SPD — Zuruf von der CDU/ CSU: Üble Verdrehung!)


Dr. Philipp Jenninger (CDU):
Rede ID: ID1021003300
Das Wort hat der Abgeordnete Roth.

Wolfgang Roth (SPD):
Rede ID: ID1021003400
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Kern der Sache ist doch ganz einfach.

(Lachen bei der CDU/CSU)

Herr Bangemann hat in seinen letzten Sätzen das wiederholt, was der Bundeskanzler in seiner Regierungserklärung 1983 angetönt hat: Frieden schaffen mit immer weniger Waffen.

(Zuruf von der CDU/CSU: Und das gelingt uns wesentlich besser als Ihnen!)

Aber, meine Damen und Herren, jede Entscheidung der Bundesregierung in den letzten Jahren geht in Richtung auf mehr Waffen, mehr Rüstung und mehr Spannungen in dieser Welt. Das ist der Punkt!

(Beifall bei der SPD — Zuruf von der CDU/ CSU: Das träumen Sie!)

Die pauschale Zustimmung zum SDI-Rüstungsprogramm unterstützt natürlich diesen Weg ein weiteres Mal.
Herr Laermann, ich habe gedacht, Sie würden hier ein anderes Niveau einbringen, ein, was die technologiepolitischen Aspekte betrifft, sachliches Niveau. Sie haben aber so getan, als ging es um ein zweites Beobachtungsprogramm für den Halleyschen Kometen. In dieser Tonlage haben Sie über die technologiepolitischen Fragen dieser Angelegenheit geredet!
Meine Damen und Herren, worum handelt es sich wirtschaftspolitisch? Auch diese Sache ist doch sehr einfach: um ein gewaltiges Technologierüstungsprogramm in einer angekündigten Höhe von 30 Milliarden Dollar.

(Dr. Ehmke [Bonn] [SPD]: In der ersten Stufe!)

Das ist dann nicht mehr Grundlagenforschung, sondern da sind die Entwicklung eines neuen Waffensystems und gleichzeitig eine interne Technologieförderung der USA angelegt.
Meine Damen und Herren, wir sind der Auffassung, daß man — das ist der wesentliche Aspekt — dieses Geld der Amerikaner auch im Interesse der USA und auch im Interesse der Dritten Welt in anderen Forschungsbereichen weit besser anlegen könnte als in diesem Konzept. Wir lehnen also auch aus wirtschaftlichen Gründen das Hochdrehen der Rüstungsspirale ab, weil — das ist eine Tatsache — Hochrüstung die Gesundung der Weltwirtschaft blockiert.
Alle Experten, die das Programm analysiert haben, insbesondere der Verband amerikanischer Wissenschaftler, sagen, daß von den 30 Milliarden Dollar etwa 300 Millionen nach Europa gehen werden, also 1 %. Eine weitere Analyse, die übrigens von Herrn Kaske von Siemens unterstützt wurde, sagt, daß etwa 100 Millionen DM, egal, ob es Verträge gibt oder nicht, deshalb in die Bundesrepublik Deutschland kommen, weil es bestimmte Felder der Forschung gibt, beispielsweise Hochleistungsoptik, wo wir etwas haben, was die Amerikaner für ihr Programm dringend brauchen. Das heißt, aus diesen Gründen ist es überhaupt nicht notwendig, sich in ein gewaltiges Rüstungsprogramm einbeziehen zu lassen. Es ist also wirtschaftspolitisch unsinnig, und es ist sicherheitspolitisch unsinnig, in diesem Bereich tätig zu werden.
Ich habe schon Herrn Kaske von Siemens erwähnt. Ich müßte noch Herrn Skoludek von der Firma Zeiss erwähnen, einem Unternehmen, das in diesem Bereich wichtige Produkte anbietet. Beide haben eine derartige Vereinbarung abgelehnt. Herr Rodenstock, der frühere Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie, hat auch in den letzten Tagen vor diesen wirtschaftlichen Chancen, die angeblich bestehen, gewarnt und hat dagegengestellt, daß unser Osthandel durch diese Vereinbarung gefährdet wird. Darauf komme ich noch im Detail zurück.

(Beifall bei der SPD)

Ich zähle Ihnen die wirtschafts- und technologiepolitischen Nachteile in ein paar Punkten auf:
Erstens. Es gibt keinen zivilen Nutzen der Wirtschaft und der Gesellschaft aus SDI, der durch zivile Programme nicht gleichzeitig erreichbar wäre. Wir wissen inzwischen, daß die Nebennutzen für den zivilen Bereich bei der Militärforschung immer geringer werden, weil sich die Militärforschung immer stärker spezialisiert. Hören Sie doch auf, ein riesiges Rüstungsprogramm mit einer künftigen alternativen Teflonpfanne zu begründen!

(Beifall bei der SPD)

Es gibt keine wissenschaftlichen Erkenntnisse über einen speziell von SDI angestoßenen zivilen Innovationsschub. Das wundert auch nicht. Es gibt keinen substantiellen Unterschied des SDI-Forschungsprogramms von der typischen Militärforschung, für die ein sehr geringer Anteil an Basisinnovation typisch ist. Die entscheidenden technologischen Durchbrüche nach dem Zweiten Weltkrieg gehen bekanntlich nicht, Herr Laermann, auf Rüstungsprojekte zurück. Das zeigt nicht zuletzt der große Technologievorsprung von Japan, obgleich der Rüstungsforschung in Japan nur 5 % der gesamten Forschungsmittel zukommen. Wenn Japan mit der geringsten Rüstungsforschung technologiepolitisch in der Welt an der Spitze steht, dann frage ich mich: Wie lange müssen wir uns den Unfug noch



Roth
anhören, daß Rüstungsforschung für zivile Bereiche notwendig ist? Das Gegenteil ist richtig, wir verzögern zivilen Nutzen.

(Beifall bei der SPD — Klein [München] [CDU/CSU]: Herr Roth, davon verstehen Sie offenbar auch nichts!)

Es besteht in der gesamten Technologiefachwelt, Herr Klein, nicht in der Rüstungsfachwelt, Einstimmigkeit darüber, daß es wegen wachsender Komplexität und Spezialisierung militärischer Technologien einen Trend gegen zivilen Nutzen gibt. Das ist übrigens auch der Grund, weshalb in der deutschen Wirtschaft so wenig Begeisterung für SDI mit Ausnahme von MBB und ein paar spezialisierten Unternehmen vorhanden ist. Die Strategie, den zivilen Nutzen über einen militärischen Umweg anzugehen, bedeutet also einen übermäßigen, gewaltigen, hohen Finanzaufwand für neue Technologien. Eine solche forschungspolitische Strategie ist absurd und ist historisch widerlegt.
Im übrigen — das sage ich in Richtung auf die sogenannten Liberalen — reduziert natürlich die Geheimhaltung von Forschung, die mit der Militärforschung verbunden ist, den Transfer des Wissens, reduziert die Anwendungsmöglichkeiten, reduziert auch die Kreativität der Forschungseinrichtungen. Sie haben nur schwer Zugang zu neuen Informationen. In Amerika ist es jetzt so, meine Damen und Herren, daß schon wissenschaftliche Grundlagenkongresse unter Geheimhaltung gestellt werden und keiner, der teilgenommen hat, darüber in seiner Wissenschaftsgemeinschaft, in seiner Universität überhaupt berichten darf. Das ist eine Deformation der Freiheit der Wissenschaft, die wir prinzipiell ablehnen.

(Beifall bei der SPD)

Die Beteiligung an SDI und der Abschluß der Rahmenabkommen schaden darüber hinaus der deutschen Wirtschaft, weil ein großer, bisher ziviler Wirtschaftssektor der Hochtechnologie durch die Ankoppelung an SDI durch die Geheimhaltungsverpflichtung in eine Grauzone gerät. Damit werden weite Teile der Zusammenarbeit der deutschen Industrie untereinander, der Zusammenarbeit von Universitäten und Industrielabors lahmgelegt werden oder jedenfalls behindert. Dies wird zu einer Verschüttung ziviler Forschungsquellen im Lande führen. Wir werden also amerikanische Verhältnisse bekommen, von denen ich ein Beispiel gerade dargestellt habe.

(Vorsitz: Vizepräsident Westphal)

Drittens. Sie haben den entscheidenden Punkt bei einer möglichen Beteiligung der Wirtschaft an SDI-Aufträgen praktisch offengelassen, Herr Bangemann. Sie wollen zwar erreicht haben, daß bestehende Rechte von deutschen Unternehmen bei Beteiligungen in den USA gewahrt werden; aber dies ist doch bloß eine Selbstverständlichkeit, die im übrigen auch immer vertraglich vereinbart ist. Bei den unter Auftragsarbeiten neu entstehenden Rechten haben Sie die Firmen doch alleingelassen. Sie haben zwar eine Beteiligung zugesagt, aber für die
Firmen haben Sie unmittelbar nichts erreicht. Diese dürfen um ihre Rechte selber kämpfen.
Das zeigt sich auch bei der Geheimhaltungsvorschrift. Es ist so: Die Firmen verhandeln und sollen dann einen SDI-Teilvertrag vereinbaren. Wenn sie das fertig verhandelt haben, sollen sie anschließend zum Wirtschaftsminister oder zur deutschen Botschaft in Washington gehen und fragen: Ist dieser Vertrag in Übereinstimmung mit dem, was erreicht wurde?
Das ist eine groteske Vereinbarung und das Gegenteil einer Wahrung der Rechte der Unternehmen.

(Zustimmung bei der SPD)

Größere Nachteile kann eine Regierung in ihren Verträgen für die Privaten gar nicht vereinbaren.
Viertens. Unter diesen skandalösen Bedingungen haben Sie einen weiteren Nachteil für die deutsche Hochtechnologie vereinbart. Sie haben den Amerikanern in Sachen SDI mit Ihrem Abkommen die Möglichkeit eingeräumt, diejenigen europäischen Technologien, die den USA in ihrer SDI-Strategie fehlen, bei denen also ihre technologische Palette Lücken hat, billig bei uns einzukaufen. Diese Lücke besteht, wie ich schon gesagt habe, vor allem in der Hochleistungsoptik, in der Hochfrequenztechnik und bei bestimmten Materialforschungen, die in der Bundesrepublik voran sind.
Das heißt, in diesem Bereich wäre für die deutschen Firmen die Stellung im Verhandlungsprozeß stärker gewesen, wenn Sie überhaupt keine Vereinbarung getroffen hätten. Das zeigen auch die Äußerungen aus der Wirtschaft.
Fünftens. Die abgeschlossenen Technologievereinbarungen bedeuten eine Verschlechterung für unsere Ost-West-Handelsbeziehungen. Die USA haben mit den neuen Vereinbarungen einen besseren Hebel in der Hand, indirekt unsere Exporte im Bereich des Osthandels effektiver zu kontrollieren. Das ist wahr.
Es ist kein Zufall, Herr Bangemann, daß Sie uns gestern getäuscht haben. Im Ausschuß haben Sie gesagt, wir könnten alle Unterlagen der Vertragsverhandlungen in der Geheimschutzstelle einsehen. Ich war gestern dort und habe mich im Gegensatz zu Ihnen, Herr Rühe, informiert. Ich habe das gelesen. Dabei habe ich festgestellt, daß die Nebenpapiere, die von amerikanischer Seite her entscheidende Einschränkungen des Exports bedeuten, wie wir aus Veröffentlichungen wissen, nicht im Dokument enthalten sind. Ich halte es für einen Skandal, meine Damen und Herren, daß wir so getäuscht werden!

(Beifall bei der SPD — Zuruf des Abg. Rühe [CDU/CSU])

Im Osthandel nimmt die Bedeutung der Technologieprodukte zu. Das ist die gefährliche Sache. Sie haben für ein Linsengericht von 100 Millionen DM Beteiligung eine erhebliche Gefährdung unseres Milliarden-Osthandels herbeigeführt. Das ist die Wahrheit. Das war übrigens auch ein Hauptthema



Roth
von Gesprächen unter Unternehmern auf der Hannover-Messe in den letzten Wochen.
Meine Damen und Herren, der gesamte Maschinen- und Anlagenbau, die Lieferung von Komponenten für bestehende Anlagen, die Exporte von neuen Produkten leben von fortgeschrittenster Hochtechnologie. Wer hier aussteigt, öffnet natürlich den Weg zum Handel für andere. Sie wissen doch aus der Geschichte, wie eine CDU-Regierung bei einem Osthandelsgeschäft geleimt wurde, bei dem sie Loyalität im Bündnis zeigte, während andere sofort in das Geschäft eintraten. Ich denke an das Röhrengeschäft.
Meine Meinung ist: Die Franzosen und einige andere sind gar nicht so dumm, wenn sie einen offiziellen Staatsvertrag ablehnen, denn sie wissen ganz genau: Sie kommen sonst in das Geflecht der Handelsbeschränkungen, das die Amerikaner durch ihre eigene Gesetzgebung in den letzten Jahren bei Hochtechnologieprojekten geschaffen haben.

(Zustimmung bei der SPD)

Unser Osthandel wird also erheblich beeinträchtigt. Dies ist nun, Herr Bangemann, ein klassisches Eigentor. Ihre Kompetenz auf diesem Gebiet wird dadurch nachdrücklich charakterisiert, daß Sie dann in Amerika indirekten Beschränkungen des Osthandels zugestimmt und zehn Tage später in der Sowjetunion, in Moskau, die Liberalisierung und den Abbau von Handelsschranken zwischen West und Ost gefordert haben. Das geht politisch nicht zusammen.
Angesichts so vieler widersprüchlicher Punkte lautet für uns das Urteil: Das Ganze ist ein Stück ökonomischer und technologie-politischer Selbstkolonialisierung.

(Klein [München] [CDU/CSU]: Da blitzt der alte Juso durch!)

Aus der Unsicherheit dieser Regierung gegenüber den USA und aus mangelnder Orientierung in der europäischen Wirtschafts- und Technologiepolitik haben wir nur Nachteile.
Meine Damen und Herren, diese Regierung glaubt, unserem Volk vormachen zu können, ihr Verhandlungspaket und ihr Verhandlungsergebnis sei eine geschlossene, strategisch überlegte Sache gewesen. Das ist aber lächerlich. Die FDP wollte ursprünglich SDI eigentlich nicht. Ihr Vorsitzender Bangemann biß aus Koalitionstreue und Eitelkeit als geborener Außenpolitiker in diesen Apfel; man kann es auch Umfall nennen.

(Zurufe von der FDP)

So kam er dann auf die Idee, die SDI-Beteiligung unter zivilem Technologietransfer zu verbrämen. Wir bekommen den Fortschritt im zivilen Sektor nur, so war sein Argument, wenn wir bei SDI Zugeständnisse machen. Diese Absicht ist in den Verhandlungen, und zwar schon sofort in der ersten Verhandlungsrunde, geplatzt. Der US-Verteidigungsminister hat in der ersten Verhandlung den Schirm von Herrn Bangemann, den zivilen Schirm
von Herrn Bangemann sogleich eingeklappt und ihn im Regen stehen lassen.
Dann mußten plötzlich zwei Abkommen geschlossen werden, da so getan wurde, als gebe es da noch etwas Ziviles. Ich habe dieses Abkommen gelesen. Meine Damen und Herren, dieses Abkommen wird unter den Offentlichkeitsbedingungen der Bundesrepublik Deutschland irgendwann veröffentlicht. Über diesen zivilen Teil wird ein homerisches Gelächter beginnen. Darin steht nämlich überhaupt nichts, was irgendeine Sicherheit des Technologietransfers bedeutet.

(Beifall bei der SPD — Dr. Vogel [SPD]: Hört! Hört!)

Dort, wo die üble Sache steht, nämlich in dem Nebenbrief, ist die Exportbeschränkung indirekt angedeutet, und es könnte sogar sein, daß Sie wegen dieses Briefes und wegen der Rechtswirkung dieses Briefes irgendwann mit einem neuen Gesetz kommen müssen, das diese Geschichte gesetzlich abfedert.

(Dr. Rühe [CDU/CSU]: Völlig abenteuerlich!)

Ich lasse das mal offen, meine Damen und Herren.
Nachdem der US-Druck auf unsere politische Beteiligung an der Strategischen Verteidigungsinitiative so unverhüllt und so nackt durchgesetzt wurde, hätten wir vom Forschungsminister verlangt, daß er wenigstens aus seiner Sicht, aus der Sicht der Forschungsdiskussion der Bundesrepublik Deutschland, Stellung nimmt. Ich frage mich überhaupt: Kann man sich perfekter totstellen, wenn ein Technologietransferabkommen mit den USA vereinbart und im Deutschen Bundestag diskutiert wird, als daß der Herr Forschungsminister nicht nur während des gesamten Verhandlungsprozesses nicht anwesend ist, sondern wir selbst heute seine bewährte Fliege hier nicht sehen? Alle, die forschungspolitisch in der CDU-Verantwortung tragen, sind in dieser Debatte nicht zu sehen, und gleichzeitig verkauft Herr Bangemann das als großen Durchbruch des Technologietransfers zu den USA.

(Dr.-Ing. Laermann [FDP]: Wo sind denn Ihre Forschungsleute?)

Meine Damen und Herren, die schwierigen Fragen, die beim Technologietransfer wirklich zu lösen wären, liegen in der US-Gesetzgebung selbst, in einseitigen Rechtsakten der USA, im unerträglichen Anspruch, Exportkontrollen auch auf Gebiete jenseits des eigenen Staatsgebietes auszudehnen. Das ist ein Trend der amerikanischen Gesetzgebung.
Herr Ehmke hat zu Recht auf viele Eingriffe auf diesem Gebiet in den letzten Jahren hingewiesen. Sie wissen doch, daß es im Forschungsministerium eine Hein-Studie gibt, die diesen Trend der amerikanischen Begrenzung des Technologietransfers nachdrücklich bestätigt.
Zu diesem Thema hören wir dann die verschleierten Worte des Herrn Bangemann: Wir haben etwas durchgesetzt! und gleichzeitig die Feststellung, daß



Roth
die ganzen Materialien natürlich nicht veröffentlicht werden würden.
Zusammenfassend lautet mein Urteil über Herrn Bangemanns Ausflug in die Außen- und Technologiepolitik: Er hat Teile der deutschen Hochtechnologie zum Teil zum Nulltarif veräußert. Er hat unseren Osthandel aufs schwerste gefährdet . Er hat — das ist das Schlimmste — uns an den Weltraumrüstungswahn der USA angekoppelt. Das wird uns außenpolitische Nachteile bringen. Das wird uns wirtschaftspolitische Nachteile bringen. Die ersten technologiepolitischen Nachteile sind schon zu sehen. Sie waren die Befürchtung der Diskussion auf unserer zentralen Industrieexportmesse in Hannover.
Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1021003500
Das Wort hat der Abgeordnete Klein (München).

Hans Klein (CSU):
Rede ID: ID1021003600
Herr Präsident! Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen! „Ich glaube, Verteidigungssysteme, die einen Angriff abwenden sollen, bilden keine Ursache des Wettrüstens. Sie stellen vielmehr einen Faktor dar, der die Vernichtung von Menschen verhindert. Vielleicht ist ein Raketenabwehrsystem kostspieliger. Aber es ist nicht zum Menschenmord, sondern zur Erhaltung von Menschenleben bestimmt."

(Lange [GRÜNE]: Das ist aus einem Bilderbuch!)

— Meine Kolleginnen und Kollegen von den GRÜNEN, Sie waren ein bißchen vorschnell mit Ihrer Bemerkung, das sei aus einem amerikanischen Bilderbuch. Diese Sätze hat der ehemalige sowjetische Ministerpräsident Alexej Kossygin am 9. Februar 1967 auf einer Pressekonferenz in London gesprochen.

(Lange [GRÜNE]: Das ist genauso Quatsch! — Conradi [SPD]: Deswegen ist es noch nicht richtig!)

Was damals richtig war, ist auch heute noch richtig. Und was den Sowjets recht ist, kann den Amerikanern billig sein.

(Dr. Vogel [SPD]: Und uns teuer!)

Seit geraumer Zeit gibt es eine Vielzahl sowjetischer Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten im Bereich der Raketenabwehr. Der Bundeskanzler hat vorhin daran ausführlich erinnert. Seit den 60er Jahren bemühen sich die Sowjets vor allem unter Einsatz unvergleichlich höherer Finanzmittel, als die Amerikaner für diesen Zweck aufwenden, um Erforschung und Entwicklung von Laserwaffen. Weit fortgeschritten sind sie bei Systemen zur Erzeugung hochenergetischer Radiofrequenzstrahlung und der Teilchenstrahiwaffen. Seit 1971 bereits verfügen sie als einziger Staat der Erde über ein einsatzbereites Antisatellitensystem, sie sogenannten Killersatelliten. Ob die Großradaranlage bei Krasnojarsk den Bestimmungen des ABM-Vertrages entspricht, ist nie ganz einwandfrei geklärt worden. Das nährt den amerikanischen Verdacht, diese Anlage könnte Modell und Ausgangspunkt für ein landesweites strategisches Verteidigungssystem sein.
Also auch hier gibt es seit rund zwanzig Jahren eine sowjetische Vorrüstung. Sie ist wichtiger, wenn auch nicht einzige Grund für SDI, die Strategische Verteidigungsinitiative der USA. Dabei handelt es sich zunächst um ein Forschungsprogramm, von dem heute noch niemand genau sagen kann, ob die dabei erstrebten neuartigen Raketenabwehrsysteme kostengünstiger hergestellt werden können als das Offensivpotential der Gegenseite. Nur unter dieser Voraussetzung aber würde es überhaupt Sinn machen.
Heute schon steht fest, daß SDI dem Abrüstungsdialog entscheidende Impulse gegeben hat. Denn ohne diese technologisch-strategische Vision von Präsident Reagan wären die Sowjets vermutlich nicht so rasch an den Genfer Verhandlungstisch zurückgekehrt und hätte Generalsekretär Gorbatschow seinen zwar noch sehr allgemein gehaltenen, aber weitgehenden Abrüstungsvorschlag vom 15. Januar dieses Jahres wohl nicht unterbreitet.
Freilich, die Sowjetunion fürchtet, durch das mit bedeutenden amerikanischen Haushaltsmitteln ausgestattete SDI-Projekt technologisch abgehängt und strategisch überrundet zu werden. Aber warum geht sie nicht auf das Angebot von Präsident Reagan ein, die beiderseitigen Labors und Forschungsstätten füreinander zu öffnen? Warum konzentriert sie sich nicht auf die Anregung Reagans, nach Abschluß der Forschungsphase die Entwicklung strategischer Abwehrsysteme kooperativ, also gemeinsam zu betreiben?
Als Europäer dürfen wir nicht aus dem Auge verlieren, daß es uns um die Verhütung jeder Art von Krieg gehen muß. Die auf nukleare Abschreckung gestützte Strategie des Atlantischen Bündnisses balanciert die sowjetische konventionelle Überlegenheit und deren offensive Ausrichtung aus. SDI hat für die Bundesrepublik Deutschland mithin entscheidende strategische Aspekte, von denen der Bundeswehrgeneralinspekteur Altenburg, den ich übrigens gegen falsches Lob, Herr Kollege Ehmke, in Schutz nehmen will,

(Dr. Ehmke [Bonn] [SPD]: Das lassen Sie doch mal ihn sagen! Der ist doch erwachsen!)

zu Recht gesagt hat, wir könnten sie nur beeinflussen, indem wir nicht abseits stehen. Deshalb ist dieses weit in die Zukunft gerichtete Projekt, das den Einsatz von Waffen gegen Menschen durch den von Waffen gegen Waffen ersetzen und mit dessen Hilfe das globale Nuklearpotential drastisch reduziert werden soll, von technologischem und wirtschaftlichem Interesse für uns.
All diesen Gesichtspunkten hat die Bundesregierung verantwortungsbewußt Rechnung getragen durch die deutsch-amerikanischen Vereinbarungen über die Verbesserung des allgemeinen wechselseitigen Technologietransfers, dessen technologische Bedeutung der Kollege Lamers eindrucksvoll und



Klein (München)

kundig gewürdigt hat, und mit den Vereinbarungen über die Beteiligung deutscher Unternehmen, Forschungseinrichtungen und anderer Stellen an der Forschung im Zusammenhang mit der Strategischen Verteidigungsinitiative.
Dabei ist klar: Die Forschung wird zu einem militärischen Zweck betrieben. Dies hat Minister Bangemann vorhin noch einmal deutlich gemacht. Dazu gibt es mehrere unmißverständliche Regierungserklärungen des Bundeskanzlers. — Aber kein deutsches Unternehmen ist gezwungen, sich an dieser Forschung zu beteiligen — wenn ich mich, verehrter Herr Kollege Roth, auf diese Bemerkung zu Ihrer Linsengericht-und-Teflonpfannen-Rede beschränken darf.

(Vosen [SPD]: Na, na!)

Was Sie zur Geheimhaltung gesagt haben, war — der Kollege Ehmke wird mir das verzeihen — intelligenter, auch von der alten Juso-Schule geprägter als das, was er vorher dazu gesagt hatte.

(Dr. Vogel [SPD]: Das war auch schon wieder ein falsches Lob!)

Sie haben wenigstens nicht gleichzeitig behauptet, daß die Abmachungen unerheblich, belanglos seien, und ihre Geheimhaltung beklagt. Sie haben clevererweise auseinanderdividiert: Das eine ist völlig belanglos; das andere aber ist gefährlich, da stecken die ganz schlimmen Dinge drin, um der Öffentlichkeit vorzugaukeln, es gebe hier einen Geheimvertrag, der das Licht der Öffentlichkeit zu scheuen habe.

(Vosen [SPD]: Hat er auch!)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1021003700
Sie gestatten eine Zwischenfrage des Abgeordneten Roth?

Hans Klein (CSU):
Rede ID: ID1021003800
Bitte sehr, Herr Kollege Roth.

Wolfgang Roth (SPD):
Rede ID: ID1021003900
Ich stelle an den geborenen Außenpolitiker — Ihnen erkenne ich den Titel zu — Klein eine Frage.

(Klein [München] [CDU/CSU]: Schon wieder auseinanderdividieren!)

Ist es nicht wirklich ein politischer Skandal, daß ein Wirtschaftsminister hier erklärt, er habe eine Geheimhaltung verabredet, weil er die Sache vor den europäischen Partnern geheimhalten wolle,

(Frau Verhülsdonk [CDU/CSU]: Hat er nicht gesagt!)

und ist es nicht ein Skandal des Verstoßes gegen die Solidarität in Europa, wenn Ihr früherer Fraktionskollege Narjes vor einigen Monaten an diese Bundesregierung einen beschwörenden Brief geschrieben hat: Macht das bitte nicht, laßt euch nicht gegeneinander ausspielen, sondern macht gemeinsame Überlegungen in Europa?

Hans Klein (CSU):
Rede ID: ID1021004000
Herr Kollege Roth, Ihre Wortwahl ist Ihre Sache, aber einen Vorgang, der beispielsweise in der Zeit Ihrer Regierungsverantwortung ungezählte Male stattgefunden hat, als einen politischen Skandal zu bezeichnen — —

(Zurufe von der SPD)

— Ich werde mir jetzt doch den Spaß machen, den Wissenschaftlichen Dienst des Bundestages zu beauftragen, einmal herauszufinden, wie viele Abkommen und Vereinbarungen in Ihrer Zeit geheimgehalten wurden.

(Dr. Ehmke [Bonn] [SPD]: Das hättest du schon vor der Rede machen müssen!)

Wenn ein internationaler Partner — noch dazu die Vereinigten Staaten von Amerika — bei einem solchen Thema aus verschiedensten Gründen, u. a. um die Verhandlungen, die er noch mit anderen europäischen Staaten zu führen gedenkt, nicht zu behindern, an uns die Bitte richtet, das Papier nicht zu veröffentlichen, wodurch es kein Geheimpapier wird, dann halte ich es doch für die normalste Sache der Welt, so zu reagieren, wie Bundeswirtschaftsminister Bangemann reagiert hat, nämlich das zuzusagen. Man geht doch auf seinen Partner ein, oder sind Sie das in Ihrer Partei nicht mehr gewohnt?

(Roth [SPD]: Sind die Italiener keine Partner?)

Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen, der Kollege Ehmke hat vorhin in einer Zwischenfrage an den Kollegen Rühe erklärt, die SPD kritisiere nicht das amerikanische SDI-Programm, sondern die deutsche Beteiligung daran.

(Dr. Ehmke [Bonn] [SPD]: Nein, das Forschungsprogramm!)

— Gut, Forschungsprogramm. — Das entspricht, wie Ehmkes eigene — freilich eher unerhebliche — Rede von heute morgen, aber auch unzählige sozialdemokratische Bekundungen belegen, präzise dem Gegenstand des Tatbestandes. Herr Kollege Ehmke, weiß auch die Katze, daß Sie keine Maus sind? Weiß auch die SPD, daß das so ist, wie Sie es beschrieben haben? Natürlich nicht. Sie wurden in bester sozialistischer Manier sofort zur Selbstkritik gezwungen, sind hier erschienen und haben es umzudrehen versucht. Ein bißchen peinlich war dieser Vorgang schon.

(Zurufe von der SPD)

Ich würde sagen: Ihm ist die Wahrheit herausgerutscht. Ich nehme Ihnen ja ab, daß das Ihre wirkliche Meinung war. Kaum verspricht sich einmal auch ein so erfahrener und wichtiger Kollege Ihrer Fraktion, schon strömen die anderen mit Papieren zu ihm, und er muß ans Rednerpult, muß sich rechtfertigen und sagen: Nein, wir sind doch auch gegen die Forschung — aber ein bißchen für die Beteiligung.

(Dr. Ehmke [Bonn] [SPD]: Du hast wieder nicht zugehört! Was ist heute morgen mit dir los?)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1021004100
Herr Abgeordneter, ich muß Sie darauf aufmerksam machen, daß Ihre Redezeit verbraucht ist.




Hans Klein (CSU):
Rede ID: ID1021004200
Darf ich einen letzten Satz sagen, Herr Präsident. — Ich möchte an die Kolleginnen und Kollegen der Opposition nur noch eine Frage stellen: Was hätten Sie denn heute hier erklärt, wenn die Amerikaner gesagt hätten: Wir wünschen, ja, wir dulden keine Mitwirkung an SDI durch unsere Verbündeten?

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Dr. Vogel [SPD]: Dann hätten wir sie beglückwünscht!)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1021004300
Das Wort hat der Abgeordnete Lange.

Torsten Lange (GRÜNE):
Rede ID: ID1021004400
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Klein, Sie haben die Opposition angesprochen. Ich kann Ihnen sagen: An diesem Fall hätte sich die Freundschaft der Amerikaner gegenüber der Bundesrepublik erwiesen, wenn sie uns Gelegenheit gegeben hätten, nein zu sagen und damit unsere Interessen zu wahren. Wir hätten das als einen sehr konstruktiven Beitrag empfunden.
Gestatten Sie mir drei Vorbemerkungen, in denen ich teilweise auch das ansprechen möchte, was Sie angeschnitten haben.
Sie haben vorhin völlig zu Recht darauf hingewiesen — das ist unbestreitbar —, daß die Sowjetunion wegen SDI an den Genfer Verhandlungstisch zurückgekommen sei. Das mag so sein, das wird auch so sein, nur: Ich glaube, Sie müssen die Frage etwas vertiefen. Sie müssen sich die Frage stellen: Wie sieht die Zukunft von Rüstungskontrollgesprächen aus, wenn Genf und wenn zukünftige Abrüstungsgespräche wegen der Androhung eines Projekts wie SDI zustande kommen? Das heißt, man hebt die Risikoschwelle, ob ein Rüstungskontrollgespräch erfolgreich sein kann oder nicht, höher, man wird aber dann erleben, daß, wenn SDI unbeirrt durchgeführt wird, der Fall von Rüstungskontrollgesprächen wesentlich tiefer als je zuvor sein wird. Das Risiko, das man mit einer solchen Verhandlungsstrategie eingeht, ist unbeschreiblich größer, als es bisher der Fall gewesen ist. Deshalb wende ich mich gegen das von Ihnen angebrachte Argument, um SDI zu rechtfertigen. Das wird die Geschichte erweisen und nicht Aussagen, die jetzt doch in einer recht allgemeinen Form im Bundestag gemacht werden.

(Klein [München] [CDU/CSU]: Okay, einigen wir uns hinüber und herüber!)

Die zweite Vorbemerkung. Meinen Sie es wirklich ernst — und ich würde den Bundeskanzler dasselbe fragen, wenn er noch hier wäre —, wenn Sie sagen: Wir machen ja der Sowjetunion ein Angebot, ab einer gewissen Stufe der Entwicklung gemeinsam in kooperative Lösungen einzumünden? Haben Sie wirklich ein realistisches Bild der Perzeption der Sowjetunion? Glauben Sie wirklich, daß die andere Supermacht auf diesem gleichen Interessenlevel agieren kann, auf Grund ihrer inneren Machtstruktur, die sie hat, auf Grund der Abläufe, die man im Laufe der letzten Jahrzehnte im Umgang zwischen den Supermächten untereinander gewohnt ist? Das heißt, ich kann ein solches Argument nur als ein vorgeschobenes Argument betrachten. Es hat doch keinerlei Aussicht auf irgendeine reale Umsetzung.

(Klein [München] [CDU/CSU]: Dann ist jedes gegenseitige Angebot obsolet, wenn Sie so reden!)

Der dritte Punkt. Der Bundeskanzler hat von der Opposition gesprochen und ihr vorgeworfen — er hat damit wahrscheinlich die SPD gemeint —, sie habe zu sowjetischen Aktivitäten im Weltraum überhaupt nichts gesagt. Also, die GRÜNEN kann er damit nicht gemeint haben. Ich selbst war davon vor einem Jahr betroffen. Ich habe in meinen ersten Sätzen davon gesprochen, daß wir die sowjetischen Aktivitäten im Weltraum überhaupt nicht außer acht lassen, und ich habe letzte Woche in Moskau gegenüber den sowjetischen Gesprächspartnern gesagt, daß die Kombination von Killersatelliten, von Frühwarnsystem, von Luftverteidigung und von Zivilschutz zumindest es dem Westen und der USA leichtmacht, gegenüber der eigenen Öffentlichkeit ihr SDI zu legitimieren, das heißt, daß auch die sowjetische Seite ihren Beitrag zu SDI auf eine indirekte Art und Weise geliefert hat. Also, da kann er die GRÜNEN jedenfalls nicht gemeint haben. Wir sind in diesem Punkt sehr ausgewogen, was Aufrüstung und Abrüstung anbelangt; darauf können Sie sich verlassen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich hoffe, daß hiermit das Argument, mit dem die FDP vor allen Dingen die letzten Monate durch die Lande gezogen ist, wir würden uns überhaupt nicht beteiligen, endgültig vom Tisch ist.
Ich werde mich natürlich niemals der Gefahr aussetzen, aus diesem Abkommen wörtlich zu zitieren. Aber ich möchte immerhin darauf hinweisen, daß das Wort „Beteiligung" schon auf der ersten Seite in dieser Vereinbarung zweimal vorkommt. Ich möchte auch darauf hinweisen, daß man mit Fug und Recht nicht bestreiten kann, daß hier eine Beteiligung der Bundesrepublik in dem Maße stattfindet, in dem die Verteidigungsminister der USA und der Bundesrepublik kommunikative Strukturen eröffnen, um Möglichkeiten im Bereich der konventionellen Rüstung und der Luftverteidigung herauszufiltern. Wenn das keine Beteiligung ist, dann weiß ich nicht, was überhaupt noch das Wort „Beteiligung" aussagen soll. Dann müssen wir einen neuen Duden erfinden. Aber den hat die CDU bisher offensichtlich noch nicht für sich allein gepachtet.

(Klein [München] [CDU/CSU]: Meinen Sie, das würden sie ohne den Vertrag nicht?)

Ich denke, wir können uns darauf einigen — Herr Bangemann hat es heute morgen gesagt oder ein anderer aus der Regierungskoalition —, man kann statt Beteiligung auch sagen: Es geht um eine politische Unterstützung. Daraus kann man mit Fug und Recht ableiten, politische Unterstützung heißt auch politische Mitverantwortung. Insofern ist das, was wir vor einem Jahr der Bundesregierung vorgeworfen haben, auf jeden Fall bewiesen.



Lange
Eine Frage noch zur Forschung, eine sehr interessante Frage, weil immer wieder gesagt wird, es gehe nur um ein Forschungsprogramm. Ich möchte mich in diese Diskussion aus Zeitgründen hier nicht intensiver einschalten. Ich möchte nur darauf hinweisen, daß es ein amerikanisches Budgetrecht gibt. Auf Grund dieses Budgetrechts werden SDI-Projekte aus zwei Kanälen finanziell gespeist, und zwar aus dem Kanal „basic research", also Grundlagenforschung, und aus dem Kanal „development", also Entwicklung und Bau. Wenn man davon ausgeht, daß bereits jetzt die Finanzkanäle aus diesen beiden Bereichen heraus laufen, kann man sich schon allein auf Grund dieser einfachen Tatsache wohl schlecht hier hinstellen und sagen, es handelt sich um ein reines Forschungsprogramm. So kann das nicht laufen.
Ich möchte noch zur Rüstungskontrolle ein Zitat bringen, das vielleicht inzwischen vergessen wurde, weil immer wieder gesagt wird: Wir können j a über SDI Hoffnung auf Abrüstung haben. Was gibt denn das für einen Sinn, Herr Kollege Klein, wenn Weinberger bei der Sitzung der Nuklearen Planungsgruppe der NATO in Würzburg gesagt hat — ich darf ihn zitieren —: „Ich habe meine Kollegen davon in Kenntnis gesetzt, daß die strategische Verteidigung eine der höchstrangigen Prioritäten unserer Regierung, unseres Präsidenten ist; es wird nicht zur Disposition gestellt werden wegen irgendeiner Forderung im Zusammenhang mit einer Rüstungskontrollvereinbarung, es ist kein Verhandlungsobjekt"? Wie kann man das jetzt hier im Deutschen Bundestag vor der Öffentlichkeit herbeiziehen als ein Argument, daß SDI in irgendeiner Form zur Abrüstung beitragen könne, wenn die Amerikaner selbst sagen, es steht nicht zur Disposition?

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die sicherheitspolitischen Konsequenzen: Ich bin dem Bundeskanzler dankbar, daß er hier heute noch einmal klargestellt hat, daß es vor allen Dingen um die sicherheitspolitischen Interessen der Bundesrepublik Deutschland geht. Er sagt, diese Konsequenzen seien heute noch gar nicht absehbar. Er sagt, es müßten dann erst Forschungsergebnisse vorliegen und eingehende Konsultationen im Bündnis stattfinden. Das mag sein.
Er hat die dritte Komponente vergessen. Wenn man von Sicherheitspolitik redet, muß diese dritte Komponente mit hinein, nämlich die Wahrnehmung der Sowjetunion: Wie wird die andere Seite diese Forschung und Entwicklung — von Stationierung gar nicht zu reden — aufnehmen? Die Gespräche des Unterausschusses „Abrüstung" in der letzten Woche in Moskau haben eindeutig gezeigt: Es kommt so, wie es kommen mußte. Die Sowjetunion wird über das Worst-Case-Denken — die Annahme des schlimmsten Falles — natürlich zu der Erkenntnis kommen — und sie tut es —, daß SDI nichts anderes sein wird als die Vorbereitung eines Erstschlags, eine flankierende Maßnahme, um damit eine bestimmte Druckpolitik gegen die Sowjetunion von seiten der USA in die Wege zu leiten.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das muß sie so sehen. Das kann sie nicht anders sehen. Das liegt in der Logik der Blöcke. Die Amerikaner haben ja mit demselben Argument die militärischen Aktivitäten der UdSSR im Weltraum am Anfang begleitet.
Das heißt, Weltraumrüstung plus permanente Modernisierung der ICBM- und SLBM-Potentiale der USA müssen für die Sowjetunion ein Auf-weis dafür sein, daß die Amerikaner hier den Erstschlag vorbereiten. Die Konsequenz für die Rüstungskontrolle ist völlig offensichtlich. Die Konsequenz der UdSSR — ich habe das schon vor fast einem Jahr gesagt, und es hat sich bestätigt — wird eine Erhöhung der Offensivpotentiale sein, weil das die einfachere und billigere Antwort sein wird.
Der Bundeskanzler hat auch heute von Chancen und Risiken des SDI-Projekts gesprochen. Er hat auch heute ein Risiko nicht genannt. Er hat kein einziges Risiko genannt, wohl aber Chancen in Hülle und Fülle. Er hat gesagt, SDI sei gerechtfertigt, politisch notwendig und im Sicherheitsinteresse des Westens. Aber liegt es wirklich in unserem Sicherheitsinteresse, Technologien zu entwikkeln, die jetzt oder später unausweichlich dazu führen, daß nicht einmal mehr menschliche Gehirne, sondern Computer die Verantwortung über Krieg und Frieden übernehmen? Liegt es wirklich in unserem Interesse, daß Systeme entwickelt werden, die die gesamte, ohnehin schon labile strategische Lage mit Gewißheit weiter destabilisieren?
Die Bundesregierung ist mit der Unterzeichnung dieser Vereinbarung über eine deutsche Beteiligung an SDI-Forschungen auf einen verhängnisvollen Weg gegangen. Es ist ein den Frieden gefährdender Weg. Weil es nicht nur um ein Forschungsprojekt, sondern um die Sicherheitspolitik für das Jahr 2000 und darüber hinaus geht, fordern wir, daß die Bundesregierung dieses Abkommen der gesamten Bevölkerung öffentlich zugänglich macht und daß dieses Abkommen sofort gekündigt wird.
Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1021004500
Das Wort hat der Parlamentarische Staatssekretär im Auswärtigen Amt, Herr Möllemann.

(Zurufe von der CDU/CSU und der FDP: „Staatsminister"!)

— Ich bitte um Entschuldigung: Herr Staatsminister Möllemann.

Jürgen W. Möllemann (FDP):
Rede ID: ID1021004600
Ja, also auf dem Ausweis, Herr Präsident, steht: Parlamentarischer Staatssekretär mit dem Recht, den Titel „Staatsminister" zu führen. Also ich bin wohl beides.

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1021004700
Das war auch eine gute Sache mit dem Parlamentarischen Staatssekretär.

Jürgen W. Möllemann (FDP):
Rede ID: ID1021004800
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Der Bundeswirtschaftsminister hat zwei Abkommen für die Bundesregierung ausge-



Staatsminister Möllemann
handelt, die die deutschen Interessen im Bereich der Zusammenarbeit bei Forschung und Technologie im allgemeinen und der Mitwirkung deutscher Firmen im Rahmen des SDI-Projekts im besonderen wahren sollen. Dies ist geschehen. Diese Abkommen sind gestern in den zuständigen Ausschüssen beraten und analysiert worden. Die Texte liegen in der Geheimschutzstelle aus. Herr Kollege Roth, ich sage der Klarstellung halber: Mit einer kleinen Verzögerung — zugegebenermaßen — sind mittlerweile auch die Briefe dabei.

(Zuruf des Abg. Roth [SPD])

Alle Side-letters sind dabei, sowohl der Briefwechsel Weinberger/Bangemann als auch der Briefwechsel Schomerus/Pearl. Es gibt kein Problem dabei.
Zweitens. Wir hätten auch kein Problem gehabt, diese Vereinbarungen offenzulegen. Wir waren dafür. Die amerikanische Seite hatte den Wunsch, sie vertraulich zu behandeln — nicht als Geheimabkommen, aber vertraulich —. So etwas kommt gelegentlich vor. Man muß dann einen gemeinsamen Standpunkt finden. Wir hatten kein Anliegen, das vertraulich zu behandeln. Wir haben da nichts zu verbergen.

(Dr. Vogel [SPD]: Die New York Times wird's schon erledigen!)

— Wer auch immer. Da gibt es ja auch hier Spezialisten.

(Dr. Vogel [SPD]: So ist es!)

Herr Kollege Ehmke, Sie waren so freundlich — wiewohl nicht ausgeschlafen oder zu spät geweckt —, einiges an Ruppigkeiten an die Adresse der Bundesregierung, speziell des liberalen Partners in der Regierung, zu sagen.

(Dr. Ehmke [Bonn] [SPD]: Ermunterung!)

Deswegen lese ich gern vor, was Sie wirklich gesagt haben. Ich habe das Protokoll vor mir liegen.
Herr Kollege Rühe, warum behaupten Sie so etwas wider besseres Wissen?
— Jetzt kommt es. —
Sie wissen, daß wir mehrfach im Bundestag dargelegt haben, daß wir das Forschungsprogramm der Amerikaner überhaupt nicht kritisieren, aber wohl die Teilnahme der Bundesrepublik an diesem Programm kritisieren. Das ist oft hier dargelegt worden.

(Zurufe: Das ist oft dargelegt worden!)

Ich stelle nur fest: Sie haben hier als stellvertretender Vorsitzender Ihrer Fraktion mitgeteilt, daß Sie das Forschungsprogramm nicht kritisieren.

(Zuruf des Abg. Dr. Ehmke [Bonn] [SPD])

— Nein, ich habe das hier doch gerade verlesen, das ist doch Ihre Stellungnahme. —

(Zustimmung bei der FDP und der CDU/ CSU)

Dann haben Sie unter dem Druck Ihrer Kollegen
den ebenso bemühten wie untauglichen Versuch
unternommen, klarzustellen, was Sie angeblich nicht gesagt haben wollen. Sie haben gesagt, Sie hätten ja nur sagen wollen, Sie kritisierten die staatliche deutsche Beteiligung, nicht aber kritisieren Sie, so haben Sie hinzugefügt, die Beteiligung deutscher Unternehmen.

(Dr. Ehmke [Bonn] [SPD]: Die können wir doch gar nicht verhindern!)

Ich frage mich, Herr Kollege: Worüber streiten wir dann denn eigentlich? Wenn Sie gegen das Forschungsprogramm nichts haben, wenn Sie eine staatliche deutsche Beteiligung nicht wollen, wohl aber die Beteiligung deutscher Firmen, dann wollen Sie das gleiche wie diese Regierungskoalition.

(Zustimmung bei der FDP und der CDU/ CSU — Dr. Ehmke [Bonn] [SPD]: Das ist ja lächerlich!)

Dann ist j a die ganze Debatte obsolet. Sie müssen sich schon überlegen, was Sie wollen.
Dann hat der Kollege Roth hier von den sogenannten Liberalen gesprochen.

(Zuruf von der SPD: Da hat er natürlich recht!)

— Also, wenn wir uns in einer solchen Debatte auf dieses Niveau begeben wollen, sehr geehrter sogenannter Herr Kollege: Ich habe vor kurzem gelesen, daß die Jungsozialisten, als sie Ihr Wirtschaftskonzept studierten, gesagt haben, Sie seien ein sogenannter Sozialdemokrat. Ich find', das bringt nicht sehr viel, wenn wir uns hier so behandeln. Wir haben unser politisches Konzept hier vorgestellt,

(Zuruf von der SPD: Na, na!)

und Sie sollten es in der Sache analysieren. Ich habe in Ihrem Beitrag kein sachliches Argument gefunden, das der Betrachtung standhielte.

(Abg. Voigt [Frankfurt] [SDP]: meldet sich zu einer Zwischenfragen)

— Herr Kollege Voigt, ich bin gerne bereit, anschließend eine Zwischenfrage zu gestatten. —
Ich möchte aus außenpolitischer Sicht zwei Bemerkungen machen: Jetzt beginnt — möglicherweise unter Beteiligung deutscher Firmen; das liegt bei denen — ein weiterer Abschnitt in der Forschungsphase. In dieser Phase wird — bei zunehmend vorliegenden Ergebnissen — in der WEU und in der NATO eine intensive Beratung über zwei Fragestellungen notwendig sein, eine Beratung, die gerade erst beginnt.
Erstens: Welche Implikationen, welche Auswirkungen hätte die Umsetzung möglicher Forschungsergebnisse auf das bestehende Verteidigungskonzept der NATO? Es kann doch heute seriöserweise niemand sagen, welche sie denn haben würde, solande die Forschungsergebnisse nicht bekannt sind. Die Bundesregierung selbst hat — das hat der Bundeskanzler dargestellt — die Fragen, die bis dahin zu beantworten sein werden, alle aufgezählt: Was bewirkt die mögliche Umsetzung etwa hinsichtlich der strategischen Stabilität? Was



Staatsminister Möllemann
bedeutet sie für die Kosteneffizienz, für die KostenNutzen-Analyse?

(Lange [GRÜNE]: Das muß man doch vorher wissen!)

Was bedeutet sie für das bestehende Abschrekkungskonzept? Es dürfen auf keinen Fall Zonen unterschiedlicher Sicherheit entstehen. Das alles sind Fragen, die diese Regierung formuliert hat und die wir in den Bündnisberatungen diskutieren wollen. Ja, hätten Sie sich hier heute diesen Fragen gewidmet, statt uns dauernd mit Unterstellungen zu konfrontieren, dann wäre das vielleicht hilfreich gewesen.
Die zweite Fragestellung, vor der wir stehen und die wir heute ebenfalls noch nicht beantworten können, ist: Was bewirkt eine mögliche Einbeziehung einer größeren Anzahl von strategischen Verteidigungssystemen für die Rüstungskontrollverhandlungen? Wir haben gesagt, meine sehr verehrten Damen und Herren, daß wir uns hierfür einen kooperativen Lösungsansatz vorstellen. Und da sagen Sie, die russische Perzeption lasse das gar nicht zu. Meine Güte! Sie haben offenbar nicht wahrnehmen wollen, daß die Sowjets Ihr Denken bereits überholt haben. Der frühere Außenminister Gromyko und Außenminister Shultz, Generalsekretär Gorbatschow und Präsident Reagan haben doch bereits gemeinsam vereinbart, daß man versuchen will, kooperative Lösungen zu finden.

(Lange [GRÜNE]: Doch nicht bei SDI!)

Sie haben wieder einmal, weil Sie Ihre miesen — pardon, negativen — Prophezeiungen gern erfüllt sehen möchten, verkannt, daß man im Ost-WestVerhältnis bereits weiter ist.
Meine herzliche Bitte wäre, daß wir uns in der Debatte in den nächsten Monaten und Jahren auf diese wirklichen Kernfragen konzentrieren und Begriffe wie Pappkameraden, sogenannte Liberale und ähnliches aus der Debatte herauslassen. Es lohnt sich wirklich, die Sache selbst zu diskutieren.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1021004900
Das Wort hat der Abgeordnete Bahr.

Prof. Egon Bahr (SPD):
Rede ID: ID1021005000
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn man die Debatte des heutigen Vormittages verfolgt, wird die doppelte Absicht der Bundesregierung klar. Erstens. Sie möchte ablenken von der Diskussion über die beiden Abkommen, und sie führt statt dessen eine Diskussion über Grundsatzfragen, über die schon oft diskutiert worden ist und über die noch weiter diskutiert werden wird. Zweitens. Auf der anderen Seite ist der Bundeskanzler bemüht, die wohl auch von ihm befürchteten negativen Auswirkungen dieser beiden Abkommen auf unser Verhältnis zu unseren östlichen Partnern abzumildern. Denn das, was er gesagt hat, als er den Generalsekretär Gorbatschow lobte, als er über kooperative Sicherheitssysteme sprach, daß keine Zonen unterschiedlicher Sicherheit geschaffen werden dürften, daß die Risiken kontrollierbar bleiben müßten, das alles zeigt, daß ihm in seiner Haut nicht so sehr wohl ist, auch nicht im Zusammenhang mit diesen Abkommen. Das kann man ja durchaus verstehen.
Ich wollte nur noch auf einen Punkt seiner Ausführungen eingehen. Dieser Punkt steht im Zusammenhang mit seinen offenbar nun einmal nicht vermeidbaren Angriffen auf die SPD. Die Bundesregierung sagt „Frieden schaffen mit immer weniger Waffen", beteiligt sich aber an einem Programm, dessen erklärtes Ziel es ist, neue Waffen zu schaffen. Das stimmt nicht miteinander überein.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Die Bundesregierung spricht von der Verantwortungsgemeinschaft der beiden deutschen Staaten, beklagt sich darüber, wenn die Opposition, die SPD, das praktisch wahrnimmt und Modelle der wirklichen Verantwortungsgemeinschaft mit weniger Waffen in Mitteleuropa vorlegt, aber geht dann gleichzeitig hin und spricht mit den Regierungen der DDR und der CSSR am Rande von Genf über eben das, was die Opposition — sicher dankenswerterweise — im Interesse unseres Landes vorgelegt hat.

(Hört! Hört! bei der SPD — Zuruf von der CDU/CSU)

Das alles stimmt nicht miteinander überein.
Ich möchte deshalb auch auf das zurückkommen, was uns heute eigentlich beschäftigt, nämlich die beiden Abkommen. Wenn man sich an die Geschichte von SDI und der deutschen Beteiligung erinnert, ist es schwer, keine Satire zu schreiben. Jedenfalls hat die Bundesregierung eine Sache hingelegt, die kabarettreif ist.
Es begann schon mit der ersten Unterrichtung der Amerikaner über das Programm, bei der auf der Hardthöhe gefragt wurde, wo denn eigentlich die sowjetischen Raketen ihren Platz finden und behandelt werden sollten, die Europa bedrohten. Die Amerikaner erklärten das für eine interessante Frage, die sie in ihre Überlegungen einbeziehen würden.
Von der Hardthöhe stammt das Wort von den unterschiedlichen Zonen der Sicherheit — zu Lasten Europas —, die durch SDI entstehen könnten, und die noch immer unbeantwortete Frage, was denn eigentlich mit den sowjetischen Marschflugkörpern geschehen solle, gegen die SDI keinen Schutz biete. Der Bundesverteidigungsminister hat die entsprechende Skepsis dann auch in Tschesme zum Ausdruck gebracht. Von dieser Skepsis ist heute natürlich kein Wort mehr zu hören. Er hat sich längst auf einen anderen Standpunkt begeben.
Der Bundeskanzler hat auf der Wehrkundetagung 1983 in München auf das Problem der unterschiedlichen Sicherheit, der Destabilisierung, der Notwendigkeit der Kooperation mit der Sowjetunion hingewiesen. Er hat dabei noch die Perspektive begrüßt, daß die Doktrin der Abschreckung überwunden werden könnte. Heute sagt der Bun-



Bahr
deskanzler, die offensiven Systeme würden wohl nicht abzuschaffen sein. Also kommen neue strategische Systeme hinzu.

(Zuruf von der SPD: So ist es!)

Das alles zeigt den Weg, den diese Bundesregierung gegangen ist. Von der Position 1983 ist fast nicht mehr die Rede. Wenn die Bundesregierung bei ihren damals verkündeten Einsichten geblieben wäre, hätte es eben keine deutsche Beteiligung an SDI geben dürfen. Aber wenn es darum geht, unser Verhältnis zu den Vereinigten Staaten zu pflegen, zeigt die Bundesregierung sehr viel mehr Lernfähigkeit als etwa beim § 116.
Es gab dann eine zweite, schon zurückgenommene Linie der deutschen Interessen. Sie wurde von der Teltschik-Mission definiert, wobei die hörbaren Auseinandersetzungen zwischen Kanzleramt und Auswärtigem Amt über den mangelnden Professionalismus des Kanzlerberaters unvergessene Begleitmusik waren. Herr Teltschik hat dann im September 1985 die Kriterien einer deutschen Beteiligung vor der Konrad-Adenauer-Stiftung formuliert. Er hat dort gesprochen von der fairen Partnerschaft im freien Austausch der Kenntnisse, Sicherung eines in sich geschlossenen Forschungsgebietes und damit Einfluß auf das Gesamtprojekt. Die Bundesregierung, sagte er, hat sich bewußt keinem Zeitdruck ausgesetzt.
Zu diesem Zeitpunkt war die erste Forderung des Bundeskanzlers schon fallengelassen worden, daß es nämlich auf diese amerikanische Herausforderung eine europäische Antwort geben müsse. Vor die Alternative:. entweder eine europäische Antwort mit Frankreich und ein entsprechendes europäisches Programm oder Erfüllung des amerikanischen Wunsches gestellt, entschied die Bundesregierung gegen die europäische Antwort und für Amerika. Aber auch von den anderen Kriterien, die von Herrn Teltschik genannt waren, blieb kaum etwa übrig. Vom Einfluß auf das Gesamtprojekt ist keine Rede mehr.
Herr Kollege Bangemann, wir kritisieren doch, daß die Bundesregierung keinen Einfluß auf die Gesamtarchitektur hat. Das ist ja nicht unsere Forderung. Sie haben doch das Kriterium aufgestellt.

(Klein [München] [CDU/CSU]: Bei Ihnen sagt doch jeder etwas anderes!)

— Sie hätten doch vorher überlegen müssen, ob Sie finanzieren wollen oder nicht, wenn Sie die Forderung nach der Beteiligung oder nach der Gestaltung am Gesamtprogramm aufstellen.

(Klein [München] [CDU/CSU]: Das war doch überlegt!)

Sie haben doch die Latte heruntergelegt, so tief, daß Sie gerade noch hinüberkommen können.
Die Bundesregierung hat sich ohne Not unter Zeitdruck gestellt. Den Zeitdruck hatte sie selbst abgelehnt. Bis Ostern sollte die Sache unter Dach und Fach sein. Dementsprechend war auch das Ergebnis. Es gibt wenige Abkommen, in denen die Vertragschließenden die Bedürftigkeit weiterer Ausfüllung schon bei Beginn feststellen. Das Ganze ist mit heißer Nadel genäht, um in dem selbstgesetzten Zeitplan zu bleiben, ergänzungsbedürftig, auslegungsbedürftig.
Wenn ich mich an die Maßstäbe erinnere, die Anfang der 70er Jahre von der CDU/CSU an die Ostverträge angelegt worden sind, dann müßten die jetzigen Abkommen zerrissen und in den Papierkorb geworfen werden.

(Beifall bei der SPD — Zuruf von der CDU/ CSU)

Das ist ein wirklich einsehbarer Grund, die Texte nicht zu veröffentlichen.
Ich habe gestern eine Stunde einen Blick darauf geworfen und auf Anhieb einige Punkte gefunden, die langer und nicht überzeugender Interpretation bedurften. Insofern ist alles, was heute in dieser Debatte von meiner Fraktion gesagt werden kann, unter dem Vorbehalt zu sehen, daß bisher eine sorgfältige Prüfung der Texte nicht möglich war. Die Texte der Begleitdokumente — meine Damen und Herren, das ist nicht eines, das sind auch nicht drei, das sind fünf an der Zahl — sind bisher dem Deutschen Bundestag nicht bekannt. Das macht es auch unmöglich, heute in eine genaue Prüfung einzutreten, wieweit denn nämlich die dann nochmals reduzierten Kriterien erfüllt worden sind, die das Kabinett am 18. Dezember letzten Jahres aufgestellt hat. Diese Punktation war schon sehr bescheiden geworden und enthielt von den großen Ursprungswünschen und Bedingungen der Bundesregierungen nichts mehr. Aber auch diese kleineren Brötchen wurden nicht gebacken, weil es die amerikanische Administration eben so nicht wollte.
Herr Bangemann, das unbestreitbare Aushängeschild des Zivilen schlechthin, wurde nicht einmal hinzugezogen,

(Vereinzelter Beifall bei der FDP)

als der Bundeskanzler im Kampfanzug auf dem Truppenübungsplatz mit Verteidigungsminister Weinberger den Durchbruch vereinbarte, wenn dieser militärische Ausdruck für eine so zivile Sache gestattet ist.

(Bohl [CDU/CSU]: Ist ja lächerlich! — Zuruf von der CDU/CSU: Hätte er vielleicht mit der Prinz-Heinrich-Mütze kommen sollen?)

Der Bundeswirtschaftsminister kam in der Frage, was er denn noch zu vereinbaren habe, in Profilierungsnöte.
In der Zwischenzeit vollzog sich auch die Neuorientierung der FDP. Die Kollegen von der FDP blieben länger bei den Kriterien des Kanzleramtes als das Kanzleramt; das muß man zugeben. Erst waren sie überhaupt dagegen, dann waren sie für ein allgemeines Abkommen über Technologietransfer, das dann auch auf SDI angewendet werden sollte. Von einem separaten SDI-Abkommen, das sie später auch noch schluckten, war lange nicht die Rede gewesen, noch nicht einmal in dem Kabinettsbeschluß vom Dezember vergangenen Jahres.



Bahr
Daraus erwuchs wiederum der Streit, ob das Ganze denn mehr militärisch oder mehr zivil sei. Dieser Streit in der Koalition hat jedenfalls eine Tabuzone nicht berührt: Es wurde nicht bestritten, daß der amerikanische Verteidigungsminister die ausschließliche Kompetenz hatte. In der Auseinandersetzung, ob der Kollege Genscher — „überwiegend zivil" — oder der Kollege Strauß — „überwiegend militärisch" — recht hat, muß ich dem Vorsitzenden der CSU recht geben. Ich hoffe, daß es kein Bruch der Geheimhaltungsvorschriften ist, wenn ich sage, daß das allgemeine Technologieabkommen dreieinhalb Seiten und das SDI-Abkommen 14 Seiten, also ziemlich genau das Vierfache, hat.
In diesem Zusammenhang muß noch ein Wort über Berlin gesagt werden.

(Dr. Vogel [SPD]: Sehr wahr!)

Ich denke, wir sind uns darüber einig, daß Berlin dort, wo es um wissenschaftlich-technologische Vereinbarungen geht, immer einbezogen werden muß,

(Dr. Vogel [SPD]: Bei militärischen nicht!)

daß Berlin aber dort nicht einbezogen werden darf, wo es sich um sicherheitsrelevante Fragen handelt.

(Dr. Vogel [SPD]: So ist es!)

Das gehört zu den Grundsätzen der Krisenunanfälligkeit, deren sich die Berliner, die Bundesregierung und die drei Westmächte erfreuen.
In Moskau hat der künftige Botschafter der Sowjetunion in unserem Lande bei den Besprechungen, die einige Kollegen aus dem Unterausschuß für Abrüstung und Rüstungskontrolle in der vorigen Woche hatten, auf die sicherheitspolitische Komponente von SDI aufmerksam gemacht, und es ist klar, daß das SDI-Programm in den Augen der Sowjetunion — ähnlich, wie wir es heute gehört haben — darauf gerichtet ist, Waffen zu produzieren.
Infolgedessen war die amerikanische Haltung logisch, daß der Verteidigungsminister in seiner Zuständigkeit unterschreibt und daß Washington deshalb von einer Berlin-Klausel für das SDI-Abkommen abgeraten hat. Das gegenteilige und teilweise erfolgreiche Beharren der Bundesregierung ist völlig unverständlich, gerade weil die Texte nicht veröffentlicht werden sollen.
Über die mit Berlin zusammenhängenden Fragen sollen heute Konsultationen mit den Briten und den Franzosen beginnen. Ich halte dieses ganze Verfahren für eine unverständliche Fahrlässigkeit, mit der Berliner Interessen behandelt werden.

(Beifall bei der SPD)

Nun hat Herr Bangemann — fast mit etwas Stolz — darauf aufmerksam gemacht, im Abkommen sei die Beachtung des ABM-Vertrages festgehalten. Darüber aber, was im einzelnen mit ABM konform ist, entscheidet Washington. Bisher wollen die Amerikaner diesen Vertrag eng auslegen. Dann, wenn sie das nicht mehr wollen, werden sie das im NATO- Rat konsultieren, und was eine solche Konsultation bedeuten kann, haben wir bei Libyen gesehen.

(Zustimmung des Abg. Gansel [SPD])

Die Bundesregierung hat in dem Vertrag keine Handhabe, sich einer erweiterten Auslegung des ABM-Vertrages durch die Amerikaner zu widersetzen. Wer den Wortlaut des Vertrages kennt, wird dies nicht bestreiten können.

(Zustimmung bei Abgeordneten der SPD)

Aber auch bei einem nur oberflächlichen Überblick muß man Herrn Weinberger das Kompliment machen, daß er die amerikanischen Interessen wirklich und wirksam durchgesetzt hat.

(Zustimmung des Abg. Lange [GRÜNE])


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1021005100
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Voigt?

Prof. Egon Bahr (SPD):
Rede ID: ID1021005200
Bitte.

Karsten D. Voigt (SPD):
Rede ID: ID1021005300
Herr Bahr, weil Sie gestern in der entsprechenden Sitzung des Ausschusses nicht dabei sein konnten: Sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, daß Herr Bundeswirtschaftsminister Bangemann ausdrücklich in einer Sitzung von Verteidigungsausschuß und Auswärtigem Ausschuß darauf hingewiesen hat, daß die Bundesregierung nicht die Absicht und nicht den Willen habe, die amerikanische ABM-Interpretation in bezug auf die deutsche Forschungsbeteiligung zu kontrollieren, und daß sie dabei grundsätzlich vom vollen Vertrauen in den amerikanischen Verbündeten ausgeht und jedes andere als Antiamerikanismus bezeichnet?

Prof. Egon Bahr (SPD):
Rede ID: ID1021005400
Entweder weist man hier mit Stolz darauf hin, daß ABM und seine Unverletzlichkeit im Vertrag sind, oder man weist darauf hin, daß Amerika in der Lage ist, in seiner Interpretation zu handeln, ohne daß die Bundesregierung dann eine Handhabe hat. Das ist der Fakt.

(Beifall bei der SPD — Zuruf von der CDU/ CSU: Was gibt es denn da zu klatschen?)

Die Vereinigten Staaten haben sich in der Auslegung vorbehalten, nicht nur nach der heutigen Gesetzeslage zu entscheiden, sondern auch nach dem, was nationale Politik ist. Die Bundesregierung will sich hingegen an die heutige Gesetzeslage halten und Gesichtspunkte der nationalen Politik als Kriterium nicht in Anspruch nehmen. Das bedeutet, daß Amerika entscheidet, daß Amerika auslegt, was jeweils geschehen soll. Es bedeutet, die Bundesregierung übernimmt eine Verantwortung ohne Einfluß.

(Klein [München] [CDU/CSU]: Da wäre es schon besser, die Sowjetunion, wie bei Ihren Verträgen!)

Die Weisheit aller anderen Regierungen in Europa ist zu loben, daß sie nicht den Versuch machen, einen so ungleichen Vertrag zu schließen. Statt die faire Behandlung deutscher Firmen zu sichern, die sich in ihrer Verantwortung um Aufträge beim Pentagon bemühen, hat die Bundesregierung ein Abkommen geschlossen, das unzweideutig auf die Beteiligung an einem Verteidigungsforschungsprogramm gerichtet ist und das den Zweck hat, dieses



Bahr
Verteidigungsforschungsprogramm wesentlich zu verbessern, was seine Qualität angeht, was seine Zeitplanung angeht, was seine Kosten angeht.
Es geht um eine Verpflichtung der Bundesregierung zu einer möglichst umfassenden Beteiligung deutscher Firmen, deutscher Forschungseinrichtungen und anderer Stellen an einem militärisch bestimmten Programm. Die Bundesregierung übernimmt damit eine politische Mitverantwortung für ein Programm, dessen erklärtes Ziel neue strategische Waffen sind. Dies ist ein Einschnitt in die Geschichte der Bundesrepublik Deutschland.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN)

Von Großbritannien abgesehen, das eine Nuklearmacht ist, begibt sich die Bundesregierung als Musterschüler in eine Situation, die Schwierigkeiten mit unseren europäischen Partnern hervorruft — ohne Not, ohne zu bedenken, was dies für politische Folgen haben kann.
Daß Moskau und Ost-Berlin trotz SDI ihr Interesse an der wirtschaftlichen Zusammenarbeit pflegen, ist nur eine Seite. Der Mensch lebt bekanntlich nicht vom Brot allein. Praktisch bedeutet das Abkommen entgegen dem, was die Sprecher der Koalition hier gesagt haben, daß die Bundesregierung eben keinen Einfluß auf das amerikanische Gesamtprogramm hat. Mitverantwortung ohne Mitbestimmung, das wird für die Bundesrepublik Deutschland noch politisch teuer werden.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Im übrigen ist klar, daß Amerika neue Einschränkungswünsche für eine vielleicht erweiterte COCOM-Liste für die gesamte Technologie angemeldet hat, die als Ergebnis dieses Abkommens unserer Wirtschaft zuwachsen soll und die dann für die wirtschaftliche Zusammenarbeit mit Osteuropa ausscheiden muß.

(Voigt [Frankfurt] [SPD]: Das ist der Kern dieses ersten Abkommens!)

Hier handelt es sich um einen politischen Fehler größter Tragweite. Statt die Selbstbehauptung Europas durch Zusammenarbeit mit Frankreich auf dem Gebiet der Hochtechnologie mit allen Kräften voranzutreiben, begibt sich die Bundesregierung mit dem SDI-Abkommen in eine zusätzliche Abhängigkeit von amerikanischen Vorschriften und erlegt sie auch unseren Firmen auf.

(Beifall bei der SPD)

Geschichte und Ergebnis des SDI-Abkommens rechtfertigen das Urteil: politisch, handwerklich dilettantisch. Das Beste, das man über dieses Abkommen sagen kann, ist, daß es mit einer Frist von drei Monaten gekündigt werden kann. Wir werden zu gegebener Zeit darauf zurückkommen.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1021005500
Das Wort hat der Bundesminister der Verteidigung.

Dr. Manfred Wörner (CDU):
Rede ID: ID1021005600
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Zeit erlaubt es bedauerlicherweise nicht, auf alle Behauptungen des Kollegen Bahr einzugehen. Ich greife einige wenige heraus.
Herr Kollege Bahr, Sie versuchen, das SDI-Programm als ein Programm darzustellen, durch das neue Waffen geschaffen werden sollen. Sie wissen, daß dies eine grobe Entstellung der Zielsetzung dieses Programms ist. Dieses Programm hat das erklärte Ziel, von der jetzt gültigen Strategie der Abschreckung durch gegenseitige Zerstörung mit Nuklearwaffen wegzukommen und auszuloten, ob es eine Möglichkeit gibt, gesicherte Verteidigungsfähigkeit mit nichtnuklearen Abwehrwaffen zu schaffen.
Ich kann nur sagen: Sie haben bisher fortlaufend gegen die Strategie der Abschreckung polemisiert; jetzt polemisieren Sie gegen den legitimen Versuch, nach Möglichkeiten zu suchen, den Frieden sicherer zu machen, die Strategie fundierter und sicherer zu machen und vor allen Dingen ein höheres Maß an Stabilität in diese Welt hineinzutragen. Das geht beides nicht zusammen, Herr Kollege Bahr.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Eine der Chancen dieses Programms liegt darin — das muß man aussprechen —, daß es das Offensivpotential entwertet, daß es damit einen Anreiz schafft, die Zahl der Offensivwaffen zu reduzieren. Was uns vorschwebt, wenn das machbar ist, ist in der Tat eine neue Stabilität, gegründet auf weniger Angriffswaffen und mehr Verteidigungswaffen. Das ist ein Ziel, das jeder Bürger unterschreiben könnte.

(Zuruf des Abg. Lange [GRÜNE])

Im Unterschied zu Ihnen, Herr Bahr, sind wir eben nicht einäugig und einseitig. Wir reden von den Chancen, die jetzt erforscht werden müssen. Aber wir wissen auch um die Fragen, die SDI aufwirft. Der Bundeskanzler hat sie genannt. Einige davon kann man ganz offen ansprechen: Ist SDI technologisch machbar? Ist es finanziell erschwinglich? Wie steht es um den Aufwand für diese Verteidigungssysteme? Entstehen Unstabilitäten?
Das sind Fragen, die auch wir sehen, die der Verteidigungsminister von Anfang an gesehen hat, die er als erster in die Debatte geworfen hat. Ich habe meine Meinung nicht zu ändern brauchen. Ganz im Gegenteil, ich habe von Anfang an gesagt: Hier werden — wie im übrigen auch schon in der Sowjetunion — Forschungen unternommen, die legitim sind, die aber das Sicherheitsinteresse Europas beeinflussen, die auf die Sicherheit Europas einwirken. Es geht also darum, das Interesse der Europäer geltend zu machen.
Was ist dieses Interesse? Europa muß auf diese Fragen der europäischen Sicherheit im Zusammenhang mit SDI Einfluß nehmen, es muß mitsprechen können. Europa muß darauf bestehen, daß schon in der Architektur dieser Systeme seine Interessen mit einbezogen werden. Es ist mit den europäischen Verteidigungsministern zu danken, daß die Amerikaner schon von Anfang an die Bekämpfung von



Bundesminister Dr. Wörner
Mittel- und Kurzstreckensystemen mit aufgenommen haben.
Meine Damen und Herren, hätten wir uns auf Ihren Standpunkt gestellt, dann wäre die Entwicklung an uns vorbeigegangen. So können wir mitreden und Einfluß nehmen und europäische Interessen zur Geltung bringen.

(Beifall bei der CDU/CSU — Roth [SPD]: Mitgefangen, mitgehangen! — Weitere Zurufe von der SPD)

Herr Bahr, Sie wissen doch: Wer die strategische und technologische Entwicklung bei beiden Supermächten beobachtet, der kann überhaupt keinen Zweifel daran haben, daß die Entwicklung auf strategische Defensivsysteme hinläuft. Das wissen Sie, das weiß ich; das weiß jeder, der sich damit beschäftigt. Das ist eine Entwicklung die gut und nicht schlecht ist. Ganz abgesehen davon: Wann hat es in der Weltgeschichte Verteidigungssysteme gegeben, die machbar, die finanzierbar waren und die nicht eingeführt wurden? Herr Bahr, wenn Sie schon wissen, daß das kommt, hat es keinen Sinn zu sagen: Ich bedaure das. Die Sowjets können Sie ohnehin nicht davon abhalten. Dann ist es besser, mitzumachen und dafür zu sorgen, daß die Entwicklung in eine Richtung läuft, die unsere europäischen Interessen berücksichtigt.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1021005700
Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Bahr?

Dr. Manfred Wörner (CDU):
Rede ID: ID1021005800
Nein, ich habe leider keine Zeit.

(Lachen bei der SPD)

— Ich habe ganz sechs Minuten Zeit. Herr Bahr weiß, daß ich Fragen nicht ausweiche.

(Conradi [SPD]: Sie wissen doch, daß die Zeit nicht angerechnet wird!)

Ein Letztes, Herr Bahr: Sie argumentieren damit, SDI und unsere Teilnahme an SDI würde die Ostpolitik erschweren. Ich kann dazu nur sagen, Sie haben aus der Geschichte der letzten Jahre nichts dazugelernt. Das war auch Ihr Argument beim Doppelbeschluß und bei der Stationierung dieser Waffen. Sie haben eine Eiszeit vorausgesagt; jetzt sitzen die Sowjets wieder am Verhandlungstisch.

(Zurufe von den GRÜNEN)

Herr Bahr, erstens haben die Sowjets auch die Deutschen nicht gefragt, als sie mit ihren Forschungen zu SDI angefangen haben,

(Beifall des Abg. Dr. Todenhöfer [CDU/ CSU] )

zweitens ist es eine Erfahrung im Umgang mit der Sowjetunion: Die Sowjetunion respektiert nur Partner, von denen sie weiß, daß sie ihre eigenen Interessen genauso wahrnehmen, wie auch die Sowjetunion ihre Interessen wahrnimmt.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Nicht derjenige macht vernünftige und bessere Ostpolitik, der vor der Sowjetunion kuscht, sondern derjenige, der seine eigenen Interessen wahrzunehmen versteht, seine Verteidigung zu sichern weiß und auf fester Basis der Sowjetunion die Hand zu vernünftigen Verhandlungen und vernünftigen Kompromissen entgegenstreckt. Das ist unsere Konzeption im Unterschied zu Ihrer vorweggenommenen Kapitulation vor sowjetischen Interessen.

(Beifall bei der CDU/CSU — Pfui-Rufe von der SPD)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1021005900
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.

(Unruhe)

— Ich bitte um Aufmerksamkeit und wäre dankbar, wenn die Kollegen ihre Plätze einnähmen, weil wir eine Abstimmung vor uns haben.
Wir kommen zur Abstimmung über die Entschließungsanträge der Fraktion der SPD. Wer dem Entschließungsantrag auf Drucksache 10/5321 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Wer stimmt dagegen? — Enthaltungen? — Der Entschließungsantrag ist bei einer Anzahl von Enthaltungen mit Mehrheit abgelehnt.
Wer dem Entschließungsantrag auf Drucksache 10/5322, auch SPD, zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Wer stimmt dagegen? — Enthaltungen? — Dieser Entschließungsantrag ist mit der gleichen Mehrheit abgelehnt worden.
Wir stimmen jetzt über den Entschließungsantrag der Fraktion DIE GRÜNEN auf Drucksache 10/5339 ab. Meine Damen und Herren, die Fraktion DIE GRÜNEN verlangt hierzu gemäß § 52 unserer Geschäftsordnung namentliche Abstimmung. Das Verfahren ist Ihnen bekannt.
Ich eröffne die namentliche Abstimmung.
Meine Damen und Herren, ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine Stimme nicht abgegeben hat? —
Ich darf feststellen, daß kein Mitglied des Hauses mehr an der Abstimmung teilzunehmen wünscht. Dann schließe ich die Abstimmung und bitte die Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen.
Meine Damen und Herren, ich wäre dankbar, wenn Sie Platz nähmen. Wir können in der Zeit der Auszählung die Punkte unserer Tagesordnung erledigen, die keiner Debatte bedürfen. Ich darf Einverständnis damit feststellen, daß wir den Punkt 16 der Tagesordnung, für den eine Aussprache von einer halben Stunde vereinbart ist, nach der Bekanntgabe des Abstimmungsergebnisses behandeln und ich inzwischen die Punkte 6 bis 9 der Tagesordnung und einige anschließende aufrufen kann. — Dazu gibt es keinen Widerspruch.
Ich rufe die Punkte 6 bis 9 der Tagesordnung auf:
6. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Ersten Geset-



Vizepräsident Westphal
zes zur Änderung des Pflichtversicherungsgesetzes
— Drucksache 10/5022 —
Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Rechtsausschuß
7. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Durchführung der Gemeinsamen Marktorganisationen
- Drucksache 10/5236 -
Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:
Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (federführend)

Haushaltsausschuß
8. Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr.-
Ing. Kansy, Niegel, Dr. Daniels, Dörflinger, Link (Frankfurt), Linsmeier, Magin, Dr. Möller, Pesch, Frau Rönsch, Frau Roitzsch (Quickborn), Ruf, Zierer, Grünbeck, Frau Dr. Segall, Frau Seiler-Albring und der Fraktionen der CDU/CSU und FDP
Umwelt und Gewerbe in der Städtebaupolitik
— Drucksache 10/4510 —
Überweisungsvorschlag:
Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau (federführend)

Innenausschuß
Ausschuß für Wirtschaft
Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten
9. Beratung des Antrags der Abgeordneten Büchler (Hof), Rapp (Göppingen), Dr. Hauchler, Amling, Ibrügger, Dr. Klejdzinski, Kretkowski, Lambinus, Frau Matthäus-Maier, Menzel, Dr. Mitzscherling, Oostergetelo, Frau Schmedt (Lengerich), Sieler, Frau Dr. Skarpelis-Sperk, Dr. Soell, Dr. Spöri, Stahl (Kempen), Stiegler, Dr. Wieczorek, Wolfram (Recklinghausen), Dr. Vogel und der Fraktion der SPD
Anschlußregelung zum Welttextilabkommen — Drucksache 10/5067 —
Überweisungsvorschlag:
Ausschuß für Wirtschaft (federführend) Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit
Eine Aussprache ist nicht vorgesehen.
Der Ältestenrat schlägt die Überweisung der Vorlagen auf den Drucksachen 10/5022, 10/5236, 10/4510 und 10/5067 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vor. Gibt es dazu anderweitige Vorschläge? — Das ist nicht der Fall. Dann sind die Überweisungen so beschlossen.
Ich rufe Punkt 10 der Tagesordnung auf:
Beratung der Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses (8. Ausschuß) zu dem Antrag des Bundesministers der Finanzen
Veräußerung der ca. 26,6 ha großen bundeseigenen Liegenschaft in Rheinstetten-Forchheim, Kutschenweg 10, an das Land BadenWürttemberg
— Drucksachen 10/4947, 10/5177 —
Berichterstatter:
Abgeordnete Wieczorek (Duisburg) Roth (Gießen)
Eine Aussprache ist nicht vorgesehen.
Der Ausschuß empfiehlt, der Veräußerung zuzustimmen.

(Unruhe)

— Meine Damen und Herren, wir befinden uns in einer Abstimmung.
Wer der Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses auf Drucksache 10/5177 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Wer stimmt dagegen? — Enthaltungen? — Dann ist die Beschlußempfehlung so angenommen.
Ich rufe die Punkte 11 und 12 der Tagesordnung auf:
Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft (9. Ausschuß) zu der Verordnung der Bundesregierung
Aufhebbare Verordnung zur Änderung des Deutschen Teil-Zolltarifs (Nr. 2/86 — Zollkontingent 1986 für Bananen)

— Drucksachen 10/4627, 10/5115 —
Berichterstatter: Abgeordneter Kittelmann
Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft (9. Ausschuß) zu der Verordnung der Bundesregierung
Aufhebbare Vierundneunzigste Verordnung zur Änderung der Einfuhrliste — Anlage zum Außenwirtschaftsgesetz —— Drucksachen 10/4628, 10/5116 —
Berichterstatter: Abgeordneter Kittelmann
Eine Aussprache ist nicht vorgesehen.
Die Beschlußempfehlungen sind im Ausschuß einvernehmlich verabschiedet worden. Der Ausschuß empfiehlt, die Aufhebung der Verordnung nicht zu verlangen.
Ich lasse über die Vorlagen gemeinsam abstimmen.

(Vogel [München] [GRÜNE]: Nein! Ich beantrage getrennte Abstimmung!)

— Sie bitten um getrennte Abstimmung der Vorlagen auf den Drucksachen 10/5115 und 10/5116. Habe ich das richtig verstanden?

(Vogel [München] [GRÜNE]: Ja!)

— Das ist akzeptiert.
Wer der Beschlußempfehlung auf Drucksache 10/5115 seine Zustimmung zu geben wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Wer stimmt dagegen? — Enthaltungen? — Dann ist diese Beschlußempfehlung mit großer Mehrheit angenommen.



Vizepräsident Westphal
Wer der Beschlußempfehlung auf Drucksache 10/5116 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Wer stimmt dagegen? — Enthaltungen? — Das ist einstimmig angenommen worden.
Ich rufe die Punkte 13 a und 13b der Tagesordnung auf:
a) Beratung der Sammelübersicht 140 des Petitionsausschusses (2. Ausschuß) über Anträge zu Petitionen
— Drucksache 10/5229 —
b) Beratung der Sammelübersicht 141 des Petitionsausschusses (2. Ausschuß) über Anträge zu Petitionen
— Drucksache 10/5230 —
Auch hier ist eine Aussprache nicht vorgesehen. Wir kommen zur Abstimmung.
Wer den Beschlußempfehlungen des Petitionsausschusses zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Wer stimmt dagegen? — Enthaltungen? — Bei einigen Enthaltungen sind die Beschlußempfehlungen des Petitionsausschusses angenommen worden.
Nun warte ich ab, bis das Abstimmungsergebnis bekanntgegeben werden kann. Ich sehe, daß es schon kommt. —
Ich gebe Ihnen das von den Schriftführern mitgeteilte Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion DIE GRÜNEN auf Drucksache 10/5339 bekannt. Es wurden 438 Stimmen abgegeben. Davon war keine Stimme ungültig. Mit Ja haben 18 Abgeordnete gestimmt. Mit Nein haben 415 Abgeordnete gestimmt. Es hat fünf Enthaltungen gegeben.
Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen 437, davon ja: 18 Abgeordnete
nein: 414 Abgeordnete enthalten: 4 Abgeordnete ungültig: 1
Ja
DIE GRÜNEN
Frau Borgmann
Bueb
Frau Dann
Frau Eid
Fischer (Bad Hersfeld) Fritsch
Lange Mann
Dr. Müller (Bremen) Schulte (Menden) Senfft
Ströbele
Suhr
Vogel (München) Volmer
Werner (Dierstorf)

Werner (Westerland) Frau Zeitler
Nein
CDU/CSU
Dr. Abelein Frau Augustin Austermann Bayha
Dr. Becker (Frankfurt) Berger
Frau Berger (Berlin) Dr. Berners
Biehle
Dr. Blank
Dr. Blens
Dr. Blüm
Böhm (Melsungen) Dr. Bötsch
Bohl
Bohlsen Borchert Boroffka Braun
Breuer
Broll
Brunner
Bühler (Bruchsal)

Dr. Bugl Buschbom
Carstensen (Nordstrand) Clemens
Dr. Czaja Dr. Daniels
Daweke
Frau Dempwolf
Deres
Dörflinger Dolata
Doss
Dr. Dregger
Echternach
Ehrbar
Eigen
Engelsberger
Erhard

(Bad Schwalbach)

Dr. Faltlhauser
Feilcke
Fellner
Frau Fischer
Fischer (Hamburg) Francke (Hamburg)
Dr. Friedmann
Funk
Ganz (St. Wendel)

Frau Geiger
Dr. Geißler
Gerlach (Obernau) Gerstein
Gerster (Mainz)

Glos
Dr. Göhner
Dr. Götz Götzer
Günther Dr. Häfele
von Hammerstein Haungs
Hauser (Esslingen) Hedrich
Freiherr Heereman
von Zuydtwyck Helmrich
Dr. Hennig
Herkenrath
Hinrichs Hinsken Höffkes Höpfinger Dr. Hoffacker
Frau Hoffmann (Soltau) Dr. Hornhues
Hornung
Frau Hürland
Dr. Hüsch Dr. Hupka
Graf Huyn
Jäger (Wangen)

Jagoda
Dr. Jahn (Münster)

Dr. Jenninger
Dr. Jobst
Jung (Lörrach)

Kalisch Dr.-Ing. Kansy
Frau Karwatzki
Keller
Kiechle Kittelmann
Klein (München)

Kolb
Kraus
Dr. Kreile Krey
Kroll-Schlüter
Dr. Kronenberg
Dr. Kunz (Weiden) Lamers
Dr. Lammert
Dr. Langner Lattmann Dr. Laufs Lenzer
Link (Diepholz)

Link (Frankfurt) Linsmeier Lintner
Dr. Lippold Löher
Lohmann (Lüdenscheid) Dr. h. c. Lorenz
Louven
Lowack
Maaß
Frau Männle
Magin
Marschewski
Dr. Meyer zu Bentrup Michels
Dr. Mikat Dr. Miltner Milz
Dr. Möller Dr. Müller Müller (Wadern)

Müller (Wesseling)

Nelle
Frau Dr. Neumeister Niegel
Dr.-Ing. Oldenstädt
Dr. Olderog Frau Pack Pesch
Petersen Pfeffermann Pfeifer
Dr. Pfennig Pöppl
Pohlmann
Dr. Pohlmeier
Dr. Probst Rawe
Reddemann Regenspurger
Repnik
Dr. Riesenhuber
Rode (Wietzen)

Frau Rönsch (Wiesbaden)

Frau Roitzsch (Quickborn)

Dr. Rose
Rossmanith Roth (Gießen)

Rühe
Ruf
Sauer (Salzgitter)

Sauer (Stuttgart)

Saurin
Sauter (Epfendorf) Sauter (Ichenhausen) Dr. Schäuble Scharrenbroich
Schartz (Trier) Schemken Scheu
Schlottmann Schmidbauer
Schmitz (Baesweiler) von Schmude
Schneider (Idar-Oberstein)




Vizepräsident Westphal
Dr. Schneider (Nürnberg) Freiherr von Schorlemer Schreiber
Dr. Schroeder (Freiburg) Schulhoff
Dr. Schulte

(Schwäbisch Gmünd) Schulze (Berlin)

Schwarz
Dr. Schwarz-Schilling
Dr. Schwörer Seehofer
Seesing
Seiters
Dr. Freiherr
Spies von Büllesheim Spilker
Dr. Sprung
Dr. Stark (Nürtingen)

Dr. Stavenhagen
Dr. Stercken Stockhausen Stommel
Straßmeir Strube
Stücklen
Stutzer
Susset
Tillmann
Dr. Todenhöfer
Dr. Unland
Frau Verhülsdonk
Vogel (Ennepetal)

Vogt (Düren)

Dr. Voigt (Northeim)

Dr. Voss
Dr. Waffenschmidt
Dr. Waigel
Graf von Waldburg-Zeil Dr. Warnke
Dr. Warrikoff
Dr. von Wartenberg Weiß
Werner (Ulm) Frau Will-Feld
Frau Dr. Wilms
Wilz
Wimmer (Neuss) Windelen
Frau Dr. Wisniewski Wissmann
Dr. Wittmann
Wittmann (Tännesberg) Dr. Wörner
Würzbach Dr. Wulff Zierer
Zink
SPD
Amling
Antretter Dr. Apel
Bachmaier Bahr
Becker (Nienberge) Bernrath
Bindig
Brück
Buckpesch Büchler (Hof)

Büchner (Speyer)

Dr. von Bülow
Buschfort Catenhusen Dr. Corterier Curdt
Frau Dr. Däubler-Gmelin Daubertshäuser
Delorme
Dr. Diederich (Berlin)

Dreßler
Dr. Ehmke (Bonn)

Dr. Ehrenberg Eickmeyer
Dr. Emmerlich
Dr. Enders
Esters Ewen Fiebig
Fischer (Homburg) Fischer (Osthofen) Franke (Hannover) Frau Fuchs (Köln) Gansel
Gerstl (Passau)

Gilges Glombig
Haar
Haase (Fürth)

Haehser
Hansen (Hamburg)

Frau Dr. Hartenstein Dr. Hauchler
Hauck
Dr. Hauff
Heistermann
Hettling
Heyenn
Hiller (Lübeck)

Frau Huber
Huonker
Immer (Altenkirchen) Jahn (Marburg) Junghans
Jungmann
Kastning
Kiehm Kirschner
Klein (Dieburg)

Dr. Klejdzinski
Klose Kolbow Kretkowski
Dr. Kübler
Kuhlwein
Lambinus
Leonhart
Frau Dr. Lepsius Liedtke
Löffler
Lohmann (Witten)

Lutz
Frau Luuk
Frau Dr. Martiny-Glotz Frau Matthäus-Maier Meininghaus
Menzel
Dr. Mertens (Bottrop) Dr. Mitzscherling Müller (Düsseldorf) Müller (Schweinfurt) Dr. Müller-Emmert Müntefering
Nagel Nehm
Neumann (Bramsche) Dr. Nöbel
Oostergetelo
Paterna
Pauli
Dr. Penner
Pfuhl Porzner
Poß
Purps
Rapp (Göppingen) Rappe (Hildesheim) Reimann
Frau Renger
Reuter
Rohde (Hannover) Roth
Sander
Schäfer (Offenburg) Schanz
Dr. Scheer
Frau Schmedt (Lengerich) Schmidt (München)
Frau Schmidt (Nürnberg) Schmitt (Wiesbaden)
Dr. Schmude Dr. Schöfberger Schreiner
Schröder (Hannover) Schröer (Mülheim) Schulte (Unna)
Dr. Schwenk (Stade) Sieler (Amberg) Frau Simonis
Frau Dr. Skarpelis-Sperk Dr. Soell
Dr. Spöri
Stahl (Kempen) Steiner
Stiegler
Dr. Struck
Frau Terborg Tietjen
Frau Dr. Timm Toetemeyer Frau Traupe Urbaniak
Vahlberg
Dr. Vogel
Vogelsang
Voigt (Frankfurt)

Vosen
Waltemathe Wartenberg (Berlin) Weinhofer
Weisskirchen (Wiesloch) Dr. Wernitz
Westphal
Frau Weyel Dr. Wieczorek Wiefel
von der Wiesche Wimmer (Neuötting) Wischnewski
Witek
Dr. de With Wolfram (Recklinghausen)

Würtz
Zander
Zeitler
Frau Zutt
FDP
Frau Dr. AdamSchwaetzer Baum
Beckmann
Cronenberg (Arnsberg) Eimer (Fürth) Engelhard
Dr. Feldmann Gallus
Gattermann
Frau Dr. Hamm-Brücher Dr. Haussmann
Dr. Hirsch Hoffie
Kohn
Dr.-Ing. Laermann Mischnick Möllemann Neuhausen Paintner
Ronneburger Dr. Rumpf Schäfer (Mainz)

Frau Dr. Segall
Frau Seiler-Albring
Dr. Solms
Dr. Weng (Gerlingen) Wolfgramm (Göttingen)
fraktionslos
Voigt (Sonthofen)

Enthalten
SPD
Frau Fuchs (Verl) Jansen
Peter (Kassel)

Sielaff
Ungültig
SPD
Frau Odendahl
Damit ist der Entschließungsantrag der Fraktion DIE GRÜNEN abgelehnt.
Ich rufe Punkt 16 der Tagesordnung auf:
Beratung der Beschlußempfehlung des Auswärtigen Ausschusses (3. Ausschuß) zu dem Antrag der Abgeordneten Neumann (Bramsche), Bernrath, Dr. Diederich (Berlin), Duve, Jahn (Marburg), Klose, Kuhlwein, Lambinus, Purps, Frau Renger, Schanz, Schmidt (München), Dr. Soell, Stiegler, Frau Dr. Timm, Wartenberg (Berlin), Westphal, Frau Zutt, Dr. Vogel und der Fraktion der SPD
Die Lage der Juden in der Sowjetunion — Drucksachen 10/4233, 10/5127 —
Berichterstatter:
Abgeordnete Neumann (Bramsche) Dr. Hupka



Vizepräsident Westphal
Schäfer (Mainz)

Fischer (Bad Hersfeld)

Meine Damen und Herren, nach einer Vereinbarung im Ältestenrat sind für die Aussprache 30 Minuten vorgesehen. — Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.
Wird das Wort zur Berichterstattung gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Dann eröffne ich die Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Neumann (Bramsche). — Ich wäre dankbar für Aufmerksamkeit.

Volker Neumann (SPD):
Rede ID: ID1021006000
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist das Verdienst der Parlamentarischen Versammlung des Europarates, daß sie sich ständig mit der Lage der Juden in der Sowjetunion befaßt. Der vorliegende Antrag der SPD-Fraktion greift die Anregung des Europarates auf, daß sich auch die nationalen Parlamente mit der Diskriminierung der Juden in der Sowjetunion befassen sollen.
In der Sowjetunion bilden Juden eine etwa gleich große Bevölkerungsgruppe wie die Deutschen. Beide Gruppen unterliegen insbesondere dann der Diskriminierung, wenn sie die Ausreise aus der Sowjetunion begehren.
Es gibt für uns Deutsche noch eine weitere Veranlassung, warum wir uns für die Rechte der jüdischen Minderheit in der Sowjetunion einsetzen müssen. Die schrecklichen Verbrechen der Vergangenheit gegen die Juden legen uns eine besondere Verpflichtung auf, uns für die jüdischen Minderheiten überall dort in der Welt einzusetzen, wo ihre Rechte beeinträchtigt werden.

(Zustimmung bei der FDP und bei Abgeordneten der GRÜNEN)

An die Sowjetunion gerichtet begründen wir unseren Antrag aus dem Völkerrecht. Der Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte und die Internationale Konvention über die Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung, die von der Sowjetunion ratifiziert worden sind, wie auch die Schlußakte von Helsinki geben uns das Recht und verpflichten uns, die Menschenrechte auch für die jüdische Minderheit in der Sowjetunion einzufordern.
Die Diskriminierung der jüdischen Minderheit zeigt sich in der Sowjetunion in vielfältiger Form. Wir haben in unserem Antrag nur einige Gesichtspunkte aufgeführt. So wird die jüdische Minderheit daran gehindert, ihre Religion uneingeschränkt auszuüben. Nur noch weniger als hundert Synagogen sind in der Sowjetunion für über zwei Millionen Juden vorhanden.
Die traditionelle jiddische Sprache, die noch vor 80 Jahren von 97 % der Juden als Muttersprache gesprochen worden ist, wird heute nur noch von 15 % als ihre Muttersprache bezeichnet und gerät infolge der restriktiven Maßnahmen der dortigen Regierung, insbesondere nach der kommunistischen Machtübernahme, in Vergessenheit.
Auch das Lehren und Lernen des Hebräischen wird den Juden von der sowjetischen Regierung untersagt. Da die Sprache als Ausdrucksmöglichkeit einer Volksgruppe ein wesentliches Merkmal ihrer kulturellen Identität ist, wird mit dem Angriff auf die Sprache auch der jüdischen Kultur der Krieg erklärt. Die Juden in der Sowjetunion, die in Privatkursen die hebräische Sprache lehren und lernen, verspüren in besonderem Maße die Diskriminierung. Sie müssen mit Hausdurchsuchungen, Benachteiligungen am Arbeitsplatz und willkürlichen Verhaftungen rechnen.
Die staatliche Diskriminierung wird durch eine gezielte Propaganda weitergeführt, die dann zu einer privaten Diskriminierung durch andere Sowjetbürger führt. Unter dem Begriff „antizionistische Kampagnen" wird in Presseveröffentlichungen und Erklärungen jeder Jude, der um seine Ausreise nachsucht, einem Verbrecher gleichgestellt.
350 000 Juden in der Sowjetunion haben einen Ausreiseantrag gestellt. Sie sind ohne Hoffnung auf baldige Ausreise. Die Ausreisezahlen sind von 51 000 im Jahre 1979 auf 1 139 im letzten Jahr zurückgegangen. Der Rückgang der Ausreisezahlen verläuft parallel zu dem Rückgang der Ausreisezahlen der Deutschen aus der Sowjetunion.

(Jäger [Wangen] [CDU/CSU]: Sehr wahr!)

Dies muß ein Thema der vorgestern in Bern eröffneten Expertenkonferenz über menschliche Kontakte im Rahmen des KSZE-Prozesses sein. Bereits jetzt hat sich in Bern eine Reihe von Bürgerinitiativen — auch aus der Bundesrepublik — für die Verbesserung der Lage der Juden in der Sowjetunion gegenüber den Regierungsvertretern eingesetzt.
Die Schlußakte von Helsinki, die die Unterschrift des Generalsekretärs des ZK der Sowjetunion Leonid Breschnew trägt, garantiert jeder Minderheit die Menschenrechte und die Grundfreiheiten. Ich frage: Dürfen wir es hinnehmen, wenn z. B. in dem Paßformular in der berühmt-berüchtigten fünften Rubrik jeder Bürger der Sowjetunion jüdischer Abstammung das Wort „Jude" eintragen muß? Führt dieses nicht zur Diskriminierung im Alltagsleben, die an dunkle Zeiten deutscher Vergangenheit erinnert?
Lassen Sie mich abschließend vier Punkte zusammenfassen, die eine Konferenz im letzten Monat in Köln über die Lage von Minderheiten in der Sowjetunion beschlossen hat und die nach meiner Einschätzung für die Behandlung von Minderheiten nicht nur in der Sowjetunion Maßstab sein kann:
erstens, daß die Freiheit, sich zu seiner eigenen ethnischen Minderheit zu bekennen, ein unveräußerlicher Teil der Würde des Menschen ist und daß diese Freiheit die Anerkennung der sprachlichen, kulturellen, religiösen und sonstigen Eigenheiten unbedingt einschließt,
zweitens, daß jede Form der Diskriminierung und Intoleranz gegenüber ethnischen Minderheiten und ihren Angehörigen deren Menschenrechte verletzt und dadurch das friedliche Zusammenleben der Bürger gefährdet,



Neumann (Bramsche)

drittens, daß eine wesentliche Bedingung für eine gedeihliche Entwicklung einer multinationalen Gesellschaft erst dann erfüllt ist, wenn jede ethnische Minorität über einen gesetzlich anerkannten und praktisch gesicherten Rechtsstatus verfügt, so daß ihre Angehörigen sich entsprechend ihrer nationalen Eigenart frei entfalten können, und
viertens, daß schließlich das Verhältnis eines Staates zu seinen ethnischen Minderheiten, das auf die Achtung vor der Menschenwürde, der Toleranz und der Nichtdiskriminierung gegründet ist, einen positiven Einfluß auf die internationalen Beziehungen ausübt und die Spannungen zu jenen Staaten vermeiden hilft, die sich den betreffenden Minderheiten in nationaler Solidarität eng verbunden fühlen und ihnen gegenüber eine besondere kulturelle, politische und — ich füge hinzu — geschichtliche Verantwortung empfinden.
Gerade diesen letzten Satz sage ich als Deutscher besonders betont.
Ich bitte Sie, unserem Antrag die Zustimmung zu geben.

(Beifall)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1021006100
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Hupka.

Dr. Herbert Hupka (CDU):
Rede ID: ID1021006200
Herr Präsident! Meine Damen, meine Herren! Vom 19. bis zum 21. März dieses Jahres — das wurde soeben auch schon vom Kollegen Neumann erwähnt — hat sich in Bonn eine Konferenz mit der „Lage der Minderheiten in der Sowjetunion und dem Völkerrecht" befaßt, in einer deutsch-amerikanischen Zusammenarbeit des Instituts für Ostrecht an der Universität Köln und dem American Jewish Committee. Gegenstand der Beratungen und einer zum Schluß angenommenen Resolution war das Schicksal der Juden und der Deutschen in der Sowjetunion.
Nach der Volkszählung der Sowjetunion aus dem Jahre 1979 nehmen die Deutschen mit 1,9 Millionen und die Juden mit 1,8 Millionen den 14. und 16. Platz in einer Liste von über 90 eigens aufgeführten Nationalitäten und Volksgruppen ein. Das entspricht einem Anteil von 0,74 % bei den Deutschen und von 0,69% bei den Juden, im Verhältnis zur gesamten Bevölkerung der Sowjetunion, die mit 262 Millionen Menschen angegeben wird.
Gemeinsam ist beiden Bevölkerungsgruppen die bittere Not, zum einen als Deutsche oder Juden in der Sowjetunion die eigene Identität zu wahren und zu behaupten, zum anderen vom Recht der Freizügigkeit Gebrauch zu machen und das Land zu verlassen. Es sind nahezu 100 000 Ausreisewünsche der Sowjetbürger deutscher Volkszugehörigkeit und über 350 000 Ausreisewünsche — man redet auch schon von 400 000 — der Sowjetbürger jüdischer Nationalität und Religionszugehörigkeit bekannt. In beiden Fällen sind wir Zeugen einer bewußt restriktiven Behandlung der Ausreisewünsche durch die sowjetischen Behörden. Für das Jahr 1985 wurden nur noch 460 Deutsche und 1 140 Juden mit der Erlaubnis zur Ausreise registriert, obwohl die Höchstziffern aus dem Jahre 1976 für die Deutschen bei 9 706 lagen und bei den Juden 1979 bei 51 333.
Wiederholt ist im Deutschen Bundestag über das Los der Deutschen in der Sowjetunion gesprochen worden und es wird sicherlich wohl noch des öfteren notwendig sein. Denn es sieht leider zur Stunde nicht danach aus, daß die Sowjetunion unter der Führung von Michail Gorbatschow in einem überschaubaren Zeitraum die Deutschen, die ausreisen wollen, ausreisen läßt, und den Deutschen, die daheim in Kasachstan oder Usbekistan, wo die Mehrzahl der Deutschen wohnt, bleiben wollen, ihre elementaren Menschenrechte, darunter das einer kulturellen Autonomie, einzuräumen bereit ist.
Es ist für uns jedoch eine Pflicht der Menschlichkeit und der Solidarität — hier kann ich mich den Worten des Kollegen Neumann nur anschließen —, daß wir uns entsprechend der Empfehlung der Parlamentarischen Versammlung des Europarats, die jetzt Gegenstand der gemeinsamen Beschlußempfehlung aller Fraktionen ist, engagieren und für das Schicksal der Juden in der Sowjetunion Partei ergreifen.

(Beifall bei der CDU/CSU, der FDP und der SPD)

Indem ich mich noch einmal auf die Bonner Konferenz beziehe, greife ich — nicht anders als Kollege Neumann — aus der Präambel der Schlußresolution einige Sätze heraus. Darin heißt es,
daß die Freiheit, sich zu seiner eigenen ethnischen Minderheit zu bekennen, ein unveräußerlicher Teil der Würde des Menschen ist, und daß diese Freiheit die Anerkennung der sprachlichen, kulturellen, religiösen und sonstigen Eigenheiten unbedingt einschließt, welche die Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit begründen ...
Ferner heißt es dort,
daß eine wesentliche Bedingung für eine gedeihliche Entwicklung einer multinationalen Gesellschaft
— auch der multinationalen Gesellschaft der Sowjetunion —
erst dann erfüllt ist, wenn jede ethnische Minorität über einen gesetzlich anerkannten und praktisch gesicherten Rechtsstatus verfügt, so daß ihre Angehörigen sich entsprechend ihrer nationalen Eigenart frei entfalten können.
In gleicher Weise hat man sich auf dem Kongreß in Bonn mit der Ausreise der Juden befaßt. Dabei ist gerade von den Vertretern des American Jewish Committee auch das Recht auf Rückkehr als ein Grundrecht mit eingeführt worden, ein Recht, von dessen Verweigerung eher die Juden denn die Deutschen betroffen sind.
Die vom Staat bewußt betriebene Entnationalisierung des jüdischen Bevölkerungsanteils läßt sich — wie Kollege Neumann schon festgestellt hat — am Rückgang des Jiddischen als Sprache der Juden deutlich machen. Heute sprechen nur noch höchstens 15 % Jiddisch. Entsprechend der Trennung



Dr. Hupka
von Kirche und Staat darf auch das Hebräische nicht als Ausdruck der nationalen und religiösen Identität gelehrt und gelernt werden. Denn das Hebräische — so sagt man offiziell — sei nur Ausdruck der religiösen Übung, und diese ist auf Grund der sowjetischen Gesetzgebung bekanntlich auf das engste eingeschränkt. Aber auch das Erlernen der lebenden Fremdsprache, des Iwrit, ist untersagt.
In einem Vortrag von Dr. Otto Luchterhandt, einem wissenschaftlichen Mitarbeiter der Kölner Universität, auf diesem Kongreß wurde ausgeführt,
daß Ende 1971 innerhalb der Fünften Hauptverwaltung des KGB die sogenannte „Jüdische Abteilung" geschaffen wurde. Offensichtlich wurde ihr die Aufgabe zugewiesen, die junge jüdische Dissidenten-, Kultur- und Ausreisebewegung unter scharfer Kontrolle zu halten und die Gegenoperationen der Behörden gegen die jüdischen Aktivitäten zentral zu koordinieren.
Der soeben zitierte Redner bediente sich auch noch eines Bildes von Scholem Alejchem, dem berühmten jüdischen Schriftsteller, mit dem dieser die Lage der Juden im Zarenreich beschrieben hat, und wollte es jetzt auf die sogenannten Refuseniks angewandt wissen. Das sind diejenigen Juden, denen die Ausreise nach der Antragstellung verweigert wird und die als „arbeitsscheues Gesindel" und „Verräter" behandelt, besser gesagt auf das gemeinste verfolgt werden.

(Jäger [Wangen] [CDU/CSU]: Leider wahr!)

Alejchem verglich seinerzeit die Juden mit einem Hund, „den man in eine Tür eingeklemmt hat und den man in dieser Lage nicht nur festhält, sondern auch noch mit Fußtritten und Stockschlägen traktiert".
Wir wollen hier und heute nicht nur die Situation schildern, wie sie bedauerlicherweise ist, sondern vor allem an die Sowjetunion appellieren, den Juden die Rechte der religiösen, nationalen und kulturellen Autonomie endlich zu gewähren, all denen, die das Land verlassen wollen, dies zu gestatten und alle Juden, die, nur weil sie Juden sind, inhaftiert sind, freizulassen. Jetzt in Bern und demnächst in Wien auf der KSZE-Expertenkonferenz und dem KSZE-Nachfolgetreffen muß mit allem Nachdruck auf die auch von der Sowjetunion übernommenen menschenrechtlichen Verpflichtungen verwiesen und diese an deren Einhaltung erinnert und gemahnt werden. Das, was wir hier für die Juden in der Sowjetunion sagen und fordern, gilt in gleicher Weise auch für die Deutschen. Juden und Deutsche handeln aus nur zu berechtigten Gründen in einer Solidargemeinschaft für ihre Glaubensbrüder und Landsleute.
Die CDU/CSU ist für die Annahme dieses Entschließungsantrages.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1021006300
Das Wort hat der Abgeordnete Fischer (Bad Hersfeld).

Ulrich Fischer (GRÜNE):
Rede ID: ID1021006400
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir befassen uns heute mit der Entschließung des Europarates über die Lage der Juden in der Sowjetunion, einer Entschließung, deren Substanz uns hier als Antrag der SPD zur Verabschiedung vorliegt. Wir hatten im Auswärtigen Ausschuß Gelegenheit, die Vorstellungen auch unserer Fraktion zu diesem Antrag zu beraten. Ich habe in der schriftlichen Stellungnahme wie auch in der Diskussion im Ausschuß betont, daß wir den Geist dieses Antrages nachhaltig unterstützen, daß auch wir als GRÜNE die Nationalitätenpolitik der Sowjetunion gegenüber den nichtrussischen Völkern, vor allem den Balten, den Letten, den Litauern, aber auch ganz besonders gegenüber den Juden verurteilen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Im Auswärtigen Ausschuß sind auch unsere Vorschläge diskutiert worden, durch Ausstellungen in Schulen, durch Seminare oder Schülerwettbewerbe hier bei uns in der Bundesrepublik auf das Schicksal der Juden in Osteuropa hinzuweisen: auf die Pogrome des 19. Jahrhunderts, auf die heutige Diskriminierung der Juden in der UdSSR, aber auch auf die nationalsozialistischen Verbrechen, die im Namen unseres Volkes an den Juden in den von den Deutschen besetzten Ländern begangen worden sind. Ich hoffe, wir werden gemeinsam darauf achten, daß Boche Vorschläge nicht im Sande verlaufen. Unsere Sorge bleibt aber, daß die mögliche Zustimmung aller Fraktionen zum Antrag der SPD eine reine Pflichtübung sein könnte. Diese Sorge bezieht sich auf folgendes:
Erstens. Wir haben bei verschiedenen fraktionsübergreifenden Gesprächen mit Besuchern aus der Sowjetunion erlebt, daß die lauten Töne gegenüber Menschenrechtsverletzungen in der Sowjetunion, die wir hier in diesem Hause hören, sehr schnell leise wurden, als es galt, diese Forderung den Vertretern der Sowjetunion klar ins Gesicht zu sagen. Die Furcht vor einer Klimaverschlechterung, vor Nachteilen bei der Vergabe von Wirtschaftsaufträgen erschien dann oft wichtiger als die Frage der Menschenrechte.
Zweitens. Der Europarat hat die Parlamente seiner Mitgliedstaaten aufgefordert, seine Entschließung zu übernehmen und die jeweiligen Regierungen aufzufordern, sich für das Schicksal der Juden in der UdSSR aktiv einzusetzen, und das ist auch gut so. Nur, der Europarat konnte nicht in Rechnung stellen, was es bedeutet, wenn ein deutsches Parlament diese Entschließung übernimmt und an eine deutsche Regierung richtet. Es ist für uns eben ein wichtiger Unterschied, ob die Regierung des Königreiches Dänemark, dessen Volk sich während der deutschen Besetzung schützend vor seine jüdischen Mitbürger gestellt hat, vom dänischen Reichstag aufgefordert wird, die Sowjetunion zur Einhaltung der Minderheitenrechte gegenüber den Juden zu drängen, oder ob wir unsere eigene Regierung dazu auffordern. Die Vernichtung des europäischen Judentums war ein Verbrechen, begangen von Deutschland. Solange der Kanzler der Bundesrepublik eine Gedenkstunde bei Bitburg feiert, in der Täter und Opfer auf die gleiche Stufe gestellt



Fischer (Bad Hersfeld)

werden, solange ein Film wie „Shoa" in der Bundesrepublik nur zu ungünstigsten Sendezeiten im Dritten Programm laufen kann, ist es uns außerordentlich unbehaglich, wenn diese Bundesregierung zur Wahrung der Rechte der Juden in einem anderen Land aufgefordert wird.
Kriterium der Aufarbeitung deutscher Vergangenheit bleibt für uns, ob die Rechte von Minderheiten, z. B. der Türken, in der Bundesrepublik heute wirklich geachtet werden, ob wir unser grundgesetzlich verbrieftes Recht auf Asyl wirklich großherzig und mit aufrichtiger Gastfreundschaft praktizieren, ob der aktuelle Antisemitismus in unserem Land entschlossen bekämpft

(Schwarz [CDU/CSU]: Und der Faschismus der GRÜNEN auch!)

und überhaupt erkannt wird.

(Beifall bei den GRÜNEN und der Abg. Frau Dr. Hamm-Brücher [FDP])

Drittens. Wir verurteilen die Unterdrückung und die Diskriminierung der Juden in der Sowjetunion und fühlen uns den Bewegungen zur Achtung der Menschenrechte in allen ihren Dimensionen weltweit verpflichtet. Wir werden aber besonders mißtrauisch, wenn diese Rechte nur im Lager des militärischen und politischen Gegners eingeklagt werden. Zu leicht kann die Verletzung der Menschenrechte im Lager des Gegners zur Rechtfertigung eigener Aufrüstungspolitik oder sogar zur Rechtfertigung eigener militärischer Aktionen herangezogen werden,

(Jäger [Wangen] [CDU/CSU]: Was soll denn diese Polemik bei dem Thema „Lage der Juden in der Sowjetunion"?)

wie wir es erst vorgestern im Falle des barbarischen Luftangriffs der USA auf Libyen erleben mußten.
Unsere Fraktion hat aus den erwähnten Gründen ihren Mitgliedern keine Beschlußempfehlung gegeben, ob sie sich bei der folgenden Abstimmung über den Antrag der SPD der Stimme enthalten oder dem Antrag zustimmen wollen. Ich selbst werde dem Antrag zustimmen, weil ich mich gerade als Deutscher für die Rechte der Juden in aller Welt, bei uns und auch in der Sowjetunion, verantwortlich fühle und mich dafür einsetzen möchte.
Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1021006500
Das Wort hat die Abgeordnete Frau Dr. Hamm-Brücher.

Dr. Hildegard Hamm-Brücher (FDP):
Rede ID: ID1021006600
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist immer ein schöner Augenblick, wenn alle Fraktionen eine Frage der Menschenrechte erörtern und gemeinsam an einem Strang ziehen wollen. Heute wollen wir an das Schicksal der jüdischen Minderheit in der Sowjetunion erinnern. Der Zeitpunkt, zu dem wir das tun, fällt mit dem Beginn des KSZE-Treffens über menschliche Kontakte in Bern zusammen. Wir hoffen sehr, Herr Kollege Fischer, daß das keine
Pflichtübung ist, sondern ein aufrichtiges Anliegen von uns allen.
Es geht darum, heute deutlich zu machen — das wollen wir sozusagen dorthin transportieren —, daß auf diesem Expertentreffen das Schicksal dieser Minderheit zum Gegenstand der Erörterung gemacht wird, weil sich die Sowjetunion ja durch die Unterzeichnung zahlreicher Pakte und Vereinbarungen verpflichtet hat, die kulturellen, die religiösen Grundfreiheiten des Menschen zu achten und auch Ausreisewünsche zu genehmigen.
Für meine Fraktion möchte ich feststellen, daß uns wie allen anderen Vorrednern das Schicksal der Juden in der Sowjetunion nicht gleichgültig sein kann und darf. Das gilt einmal deshalb, weil sich jeder Mitunterzeichner der internationalen Pakte und der KSZE-Vereinbarungen zur Einhaltung dieser Bestimmungen verpflichtet hat. Damit handelt es sich auch nicht mehr nur um eine innere Angelegenheit des Staates, wenn die Frage zur Erörterung steht, wie er mit seinen eigenen Minderheiten umgeht. Zweitens gilt das auch deshalb — das wurde ebenfalls gesagt —, weil uns natürlich nicht nur das Schicksal unserer eigenen deutschen Minderheit in der Sowjetunion am Herzen liegen muß. Vielmehr müssen wir uns auch für andere Minderheiten in der Sowjetunion und überall in der Welt kümmern. Das müssen wir vor allem auch deshalb tun, weil wir als Deutsche eine besondere Verpflichtung haben, dort zu helfen, wo immer Menschen aus politischen, rassischen oder religiösen Gründen verfolgt werden. Ich habe mir in den vergangenen Jahren oft gewünscht, daß das auch während der Zeit des Dritten Reiches von westlichen Parlamenten öfter zum Ausdruck gebracht worden wäre.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich möchte einen besonderen Dank und eine besondere Anerkennung aussprechen im Hinblick auf den zweiten Bericht der Parlamentarischen Versammlung des Europarates. Ich glaube, das kann ich in Ihrer aller Namen tun. Die erste Berichterstatterin, Frau Gradin — das war 1983 —, und der zweite Berichterstatter, Herr Hugosson — das war 1985 —, sollten dankbar in das Protokoll des Deutschen Bundestages aufgenommen werden; denn diese Berichte enthalten eine Fülle von Fakten und Daten, mit denen eigentlich zum erstenmal das ganze Problem in seiner erschütternden Dimension offengelegt wird.

(Jäger [Wangen] [CDU/CSU]: Sehr richtig!)

Bei dieser Gelegenheit möchte ich auch einmal sagen — Sie sind ja ebenfalls Mitglied der Parlamentarischen Versammlung, Herr Kollege Jäger —: Es ist wirklich bedauerlich, daß die segensreiche Arbeit dieser Versammlung eigentlich immer nur unter Ausschluß der Öffentlichkeit erfolgt und so wenig Anerkennung findet.
Einige Tatsachen aus diesem Bericht: Im Zusammenhang mit der Ausreisesituation der jüdischen Minderheit — die Zahlen wurden genannt; ich wiederhole sie nicht — möchte ich sagen, daß Art. 12



Frau Dr. Hamm-Brücher
des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte die Ausreise garantiert. Jede Ablehnung eines Antrages auf Ausreise ist ein Verstoß gegen diesen Pakt. Praktisch sind die Ausreisen jüdischer Bürger aus der Sowjetunion zum Erliegen gekommen. Sehen Sie sich die Zahlen noch einmal an. Die Repressionen nach abgelehnten Anträgen erinnern mich auch an Maßnahmen der Nazis. Da werden Telefonanschlüsse gesperrt, da wird den Antragstellern gekündigt, da werden Familien diskriminiert und was dergleichen Sanktionen mehr sind.
Es ist wichtig, die sprachliche und kulturelle Identität von Minderheiten zu erhalten und zu schützen. Man stelle sich vor, daß es heute in der Sowjetunion keine einzige jüdische Schule mehr gibt, daß auf 1,8 Millionen Juden noch fünf Rabbiner kommen. Die Synagogen sind überwiegend nicht mehr benutzbar. Das Verbot des Erlernens der hebräischen Sprache wurde erwähnt. Das große Interesse für Iwrit, das vorhanden ist, wird verfolgt, wo immer man in kleinen Zirkeln versucht, sich diese lebende Sprache anzueignen. Die antisemitischen Diskriminierungen werden ja nicht nur staatlich sanktioniert, sondern auch noch staatlich initiiert.
All dies, meine Damen und Herren, ist ein glatter Verstoß gegen Abschnitt 27 des internationalen Paktes, den ich bereits erwähnt habe.
Was können wir qua Bundestag tun, meine Damen und Herren? Wir können zunächst einmal und vor allem die Initiative der SPD-Fraktion begrüßen und unterstützen und unsere Regierung, die dankenswerterweise hier auch vertreten ist, bitten und auffordern — das sollten wir sehr nachdrücklich tun —, wie bisher und verstärkt bei jeder geeigneten Gelegenheit, insbesondere jetzt in Bern, auf die Einhaltung der Vereinbarungen und auf eine Verbesserung der Lage der jüdischen Minderheit zu drängen. Wir sollten aber auch alle anderen internationalen Bemühungen unterstützen — die amerikanischen Bemühungen vor allem —, die dazu beitragen, das Schicksal nicht nur der jüdischen, sondern auch aller anderen kulturellen und sprachlichen Minderheiten zu verbessern, wie es kürzlich erfreulicherweise auch der internationale PEN- Kongreß in New York mit einer eindrucksvollen Resolution gefordert hat.
Ich fasse für die FPD-Fraktion zusammen. Wir danken den Berichterstattern und der Parlamentarischen Versammlung des Europarates für die wichtige Anregung. Wir hoffen, daß sie von Regierung und Diplomaten aufgegriffen wird und daß es allen Bemühungen gemeinsam am Ende doch gelingt, eine Verbesserung der Lage der jüdischen Minderheit in der Sowjetunion herbeizuführen. — Vielen Dank.

(Beifall bei allen Fraktionen)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1021006700
Das Wort hat der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Herr Stavenhagen.

Dr. Lutz G. Stavenhagen (CDU):
Rede ID: ID1021006800
Herr Präsident! Meine Damen und Herren!
Ich begrüße die breite Übereinstimmung in der Bewertung der Lage der Juden in der Sowjetunion, die hier in der Debatte zum Ausdruck gekommen ist. Zurückweisen muß ich allerdings die unzulässige Gleichsetzung des Schicksals von Juden und Deutschen in der Sowjetunion mit der Situation von Asylanten und Türken bei uns in der Bundesrepublik Deutschland.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Zurückweisen muß ich auch, was Sie, Herr Fischer, über Bitburg gesagt haben. In Bitburg liegen keine Täter, sondern Opfer begraben.

(Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der FDP — Zuruf von den GRÜNEN)

Die Bundesregierung ist sich ihrer Verpflichtungen voll bewußt. Sie hat sich bereits in der Vergangenheit in bilateralen Kontakten mit der sowjetischen Führung, aber auch etwa durch Interventionen beim KSZE-Menschenrechtstreffen in Ottawa für die Juden in der Sowjetunion eingesetzt. Dieser Einsatz ist und bleibt ein grundsätzliches Anliegen der Bundesregierung. Wir sehen darin eine moralische Verpflichtung und eine politische Aufgabe. Jeder wird verstehen, daß unsere humanitären Bemühungen in erster Linie den vielfältigen Problemen der Deutschen in der Sowjetunion gelten müssen. Wenn wir trotzdem nachdrücklich auch für die Juden in der Sowjetunion eintreten, so vor allem deshalb, weil beide Minderheiten sich in einer ähnlich schwierigen Lage befinden. Juden wie Deutsche bilden in mehrfacher Hinsicht eine Schicksalsgemeinschaft. Beide unterliegen einem starken Assimilierungsdruck, wie er hier in deutlichen Beispielen geschildert worden ist. Beiden wird die Wahrung ihrer sprachlichen, kulturellen und religiösen Identität weitgehend verwehrt. Beiden wird die völkerrechtlich verbriefte Ausreisefreiheit vielfach vorenthalten.
Zugleich sind wir uns jener Schicksalsgemeinschaft bewußt, die uns mit dem jüdischen Volk verbindet, die tiefe historische und geistige Wurzeln hat, die aber auch vom Grauen der Verfolgung und Vernichtung der Juden in der Hitlerzeit geprägt ist.
Letztlich geht es um Fragen der Einhaltung der Menschenrechte. Deren Schutz ist heute nicht mehr allein Angelegenheit der einzelnen Staaten, er ist vielmehr Gegenstand der gemeinsam internationalen Verantwortung.
Nach dem Inkrafttreten des Menschenrechtspaktes der Vereinten Nationen und seit Verabschiedung der KSZE-Schlußakte bestehen allgemeingültige, auch von der Sowjetunion akzeptierte Rechtsgrundlagen, die wir auch bei unserem Einsatz für die Juden in Anspruch nehmen. Sowjetische Versuche, sich demgegenüber auf das Nichteinmischungsgebot zu berufen, sind deshalb nicht gerechtfertigt und völkerrechtlich nicht haltbar.

(Frau Dr. Hamm-Brücher [FDP]: Sehr gut!)




Staatsminister Dr. Stavenhagen
Lassen Sie mich noch einmal sagen: Bei einem Gesamtbevölkerungsanteil von knapp 2 Millionen haben seit 1968 mehr als 250 000 Juden das Land verlassen. Aus offiziellen Unterlagen geht aber hervor, daß mehr als 350 000, die sich ebenfalls um die Ausreise bemüht haben, bisher zurückgehalten werden. Diese Zahlen sprechen eine deutliche Sprache.
Die sowjetische Seite muß wissen, daß angesichts dessen jeder Versuch, das Problem durch beschönigende und verfälschende Medienbehandlung zu verschleiern, ihrem Ansehen und ihrer Glaubwürdigkeit nur schaden kann. Die Bundesregierung erwartet von der sowjetischen Führung ernsthafte Anstrengungen der Hilfe für alle, die zum Teil seit mehr als zehn Jahren deshalb Verfolgung erleiden, weil sie sich zum Judentum, zur jüdischen Sprache und Religion, bekennen und weil sie aus einem Land, in dem sie für sich und ihre Familien keine Zukunft sehen, ausreisen wollen.
Allerdings müssen wir uns im klaren darüber sein, daß die Verwirklichung der Menschenrechte nur in Zusammenarbeit mit anderen Staaten, nicht gegen deren Willen möglich ist. Es ist eine bittere, aber unausweichliche Einsicht, daß wir jenseits unserer Grenzen die Verwirklichung der Menschenrechte nicht erzwingen können. Wir müssen Überzeugungsarbeit leisten und verhindern, daß das Weltgewissen gleichgültig wird. Diesen Zweck sollte die Entschließung, die wir hier behandelt haben, erfüllen.
Wie schwierig es ist, den Menschenrechten Geltung zu verschaffen, zeigen die langjährigen Bemühungen im Fall von Anatoli Schtscharanski, dessen Freilassung Ergebnis großer gemeinsamer Anstrengungen u. a. des amerikanischen Präsidenten und des Bundeskanzlers Helmut Kohl war.
Es bleibt zu hoffen, daß die sowjetische Führung in ihrem eigenen Interesse erkennt, daß Abbau und Beendigung von Gewalt und Unterdrückung Voraussetzungen für dauerhafte Zusammenarbeit und künftige Friedensgestaltung sind. Generalsekretär Gorbatschow hat mehrfach, z. B. auf dem Parteitag der KPdSU, erklärt, die Sowjetunion messe der Gewährleistung der Menschenrechte grundlegende Bedeutung bei. Wir erwarten, daß er diesen Worten in seinem Lande auch die Taten folgen läßt.

(Beifall bei der CDU/CSU, der FDP und der SPD)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1021006900
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über die Beschlußempfehlung des Auswärtigen Ausschusses auf Drucksache 10/5127 zu dem Antrag der SPD auf Drucksache 10/4233. Wer der Beschlußempfehlung des Ausschusses zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Danke schön. Wer stimmt dagegen? — Stimmenthaltungen? — Ich stelle fest, daß diese Beschlußempfehlung des Ausschusses einstimmig angenommen worden ist.

(Zustimmung bei der SPD)

Wir treten nun in die Mittagspause ein. Die Sitzung wird um 14 Uhr mit der Fragestunde fortgesetzt. Ich unterbreche die Sitzung.

(Unterbrechung von 12.54 bis 14.00 Uhr)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1021007000
Wir fahren in den Beratungen fort.
Tagesordnungspunkt 1:
Fragestunde
— Drucksache 10/5309 —
Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern: Zur Beantwortung steht Herr Parlamentarischer Staatssekretär Spranger zur Verfügung.
Frage 65 des Herrn Abgeordneten Dr. Müller:
Kann die Bundesregierung den Bericht einer Schweizer Tageszeitung bestätigen, daß die bisher durch Demonstrationen gegen Kernkraftanlagen entstandenen Schäden durch Verzögerung des Bauablaufes und Beschädigungen von Einrichtungen einen Schaden von 100 Milliarden DM verursacht haben?
Bitte sehr, Herr Staatssekretär.

Carl-Dieter Spranger (CSU):
Rede ID: ID1021007100
Herr Kollege Dr. Müller, es trifft zu, daß im Zusammenhang mit Demonstrationen gegen kerntechnische Anlagen Verzögerungen beim Bauablauf und Sachbeschädigungen entstanden sind. Der unmittelbare und mittelbare volkswirtschaftliche Schaden ist beträchtlich. Die in der Schweizer Tageszeitung genannte Summe von 100 Milliarden DM kann allerdings nicht bestätigt werden, weil die Bundesregierung keine diesbezüglichen Erhebungen anstellt. Es würde auch kaum möglich sein, verläßliche Angaben über die tatsächlich entstandenen Aufwendungen, die den Anlagebetreibern durch Demonstrationen entstanden sind, zu erlangen.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1021007200
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1021007300
Herr Staatssekretär, wie beurteilen Sie die Äußerungen in dem gleichen Zeitungsartikel, daß ein deutsches Kernkraftwerk im Schnitt um 700 % teurer ist als ein französisches Kernkraftwerk?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Ich kann hier keine Aussagen dergestalt machen, daß ich sage, das sei eine richtige Zahl. Ich kann aber nicht ausschließen, daß Schätzungen in der Richtung auch zutreffend sein könnten.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1021007400
Zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1021007500
Welche Belastungen hatte denn der Bund z. B. bei den großen Demonstrationen in Brokdorf oder anderswo oder kürzlich in Wackersdorf unmittelbar zu tragen, wo in erheblichem Umfang Bundeskräfte — sprich: Bundesgrenzschutz — eingesetzt werden mußten?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Das ist ein anderer Bereich der im Verlauf solcher Aktionen entste-



Parl. Staatssekretär Spranger
henden Unkosten. Ich habe hier auf die Frage nach Unkosten durch die Verzögerung des Bauablaufs und Beschädigungen zu antworten gehabt. Daß durch den Einsatz von Polizeikräften zusätzliche Kosten entstehen, ist klar.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1021007600
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe Frage 66 des Herrn Abgeordneten Dr. Müller auf:
Wie wirken sich die Proteste gegen Kernkraftanlagen auf die Entwicklung der Strompreise aus?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Dr. Müller, soweit sich hierdurch die Kosten der Stromerzeugung erhöht haben, hat sich dies auch in höheren Strompreisen niedergeschlagen, ohne daß allerdings eine Quantifizierung möglich wäre.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1021007700
Zusatzfrage? — Bitte sehr.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1021007800
Herr Staatssekretär, können Sie bestätigen, daß die Entwicklung der Kosten in Frankreich durch den erhöhten Einsatz von Kernenergie dort zu Senkungen, bei uns in der Bundesrepublik dagegen zu Erhöhungen der Strompreise geführt hat?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Wir haben durch die Erhöhung des Anteils der Kernenergie beispielsweise auch im Bereich des Freistaates Bayern eine Senkung der Kosten. Insofern ist das eine dekkungsgleiche Entwicklung zu der in Frankreich.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1021007900
Zweite Frage, bitte.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1021008000
Wie beurteilt die Bundesregierung die Frage der Konkurrenzfähigkeit? Es ist j a bekannt, daß sich z. B. Frankreich in verstärktem Maße um den Export von Strom, sprich: Kernenergiestrom, gerade auch in den südlichen Raum der Bundesrepublik bemüht.
Spranger, Parl. Staatssekretär: Ich bitte um Verständnis, wenn ich vom Innenministerium aus auf diese mehr wirtschaftlich-wettbewerbsmäßig orientierte Frage keine Antwort geben kann.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1021008100
Keine Zusatzfrage.
Ich rufe Frage 71 des Herrn Abgeordneten Mann auf:
Ist die Bundesregierung der Auffassung, daß die im Vorfeld der Wackersdorfer Demonstration erfolgten Polizeieinsätze und polizeilichen Überwachungsmaßnahmen (Süddeutsche Zeitung vom 1. April 1986 und DER SPIEGEL vom 7. April 1986) insbesondere auf dem Anwesen des Bauern Fischer in Kölbldorf geeignet sind, den Rechtsfrieden zu fördern?
Bitte, Herr Staatssekretär.
Spranger, Parl. Staatssekretär: Herr Abgeordneter Mann, polizeiliche Vollzugsmaßnahmen sind Angelegenheit des jeweiligen Landes und werden nach dem dortigen Landespolizeirecht geregelt. Das gilt auch für den Polizeieinsatz in Wackersdorf. Die Bundesregierung enthält sich grundsätzlich einer
Beurteilung der in der Länderkompetenz liegenden Polizeimaßnahmen.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1021008200
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Mann.

Norbert Mann (GRÜNE):
Rede ID: ID1021008300
Herr Parlamentarischer Staatssekretär, Frau Präsidentin, gestatten Sie mir die Vorbemerkung: Wenn wir das natürlich alles auf der Zuständigkeitsebene abhandeln, was in diesem Bereich an Fragen kommt, können wir uns weitere Fragen in Zukunft sparen.
Aber ich frage Sie, ob Sie nicht angesichts der intensiven Amtshilfe, die beispielsweise durch den Bundesgrenzschutz erfolgt, aber auch angesichts der Tatsache, daß es — das war Gegenstand der letzten Fragestunde vor den Osterferien — von der Bundeswehr eine ähnliche Hilfestellung gibt, und zwar schon über viele Monate hinweg, verpflichtet sind, sich als Bundesregierung zu einer solchen Frage, wie ich sie gestellt habe, nämlich auch zu der Frage, inwieweit der Rechtsfrieden in der Oberpfalz noch gesichert ist, eine Meinung zu bilden, ungeachtet der natürlich in erster Linie bestehenden Zuständigkeit des Freistaats Bayern für die Polizei.
Spranger, Parl. Staatssekretär: Herr Abgeordneter Mann, ich glaube, Ihre Vorbemerkung war richtig. Deswegen möchte ich es dabei belassen, mich auf meine Antwort zu beschränken. Ich möchte nochmals betonen, daß es uns nicht zusteht, hier in irgendeiner Form eine Beurteilung abzugeben.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1021008400
Zweite Zusatzfrage, bitte.

Norbert Mann (GRÜNE):
Rede ID: ID1021008500
Herr Parlamentarischer Staatssekretär, gibt es Ihnen nicht zu denken, daß in den von mir erwähnten Artikeln in der „Süddeutschen Zeitung" vom 1. April 1986 und im „Spiegel" vom 7. April 1986 geschildert wird, daß gerade auch Menschen, die Ihnen ja besonders nahestehen, nämlich Landwirte, in der Einschätzung des Baus der WAA durch den massiven Polizeieinsatz, von dem sie bei der Ausübung ihrer Tätigkeit unmittelbar betroffen sind, nämlich auf ihrem landwirtschaftlichen Anwesen, von vielleicht unentschiedenen Menschen zu strikten Gegnern des Baus der Wiederaufbereitungsanlage werden?
Das ist zugegebenermaßen eine lange Frage. Gibt Ihnen das nicht zum Nachdenken und zu einer eigenen Willensbildung Anlaß?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Es ist keine Frage des eigenen Nachdenkens oder des Nicht-Nachdenkenwollens, sondern es ist die Frage, ob der Bund hier eine Bewertungszuständigkeit hat. Das ist nicht festzustellen.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1021008600
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Schulte (Menden).

Stefan Schulte (GRÜNE):
Rede ID: ID1021008700
Herr Staatssekretär, sind Sie denn bereit, eine Verantwortung für die Bundesgrenzschutztruppen mit zu übernehmen, die



Schulte (Menden)

ja in Wackersdorf immer verstärkter zum Einsatz kommen?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Der Bund hat seine Verantwortung für den Bundesgrenzschutz nie abgestritten. Aber Sie wissen genau, daß hier der Bundesgrenzschutz der Einsatzleitung der zuständigen Polizeibehörde unterstellt war und deswegen nicht auf Geheiß oder auf Anweisung des Bundes gehandelt hat.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1021008800
Zusatzfrage, Dr. Müller.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1021008900
Herr Staatssekretär, sind der Bundesregierung Erkenntnisse bekannt, daß der Rechtsfrieden in Wackersdorf u. a. dadurch gestört wurde, daß sich in Wackersdorf Chaoten, die dort versammelt waren, abgesprochen haben, um am nächsten Wochenende wieder einmal am Frankfurter Flughafen zuzuschlagen?

(Mann [GRÜNE]: Das steht nicht im Sachzusammenhang!)

Spranger, Parl. Staatssekretär: Der Bundesregierung ist das bekannt, was allgemein in der Öffentlichkeit in diesem Bereich bekanntgemacht wurde.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1021009000
Herr Abgeordneter Ströbele.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1021009100
Herr Parlamentarischer Staatssekretär, können Sie dem Hohen Hause Ihre Definition für den Begriff „Chaoten" übermitteln?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Ich sehe hier keinen Zusammenhang mit der gestellten Frage.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1021009200
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich darf noch darauf hinweisen, daß die Fragen 67 des Abgeordneten Grünbeck, 68 des Abgeordneten Stiegler und 69 und 70 des Abgeordneten Gansel auf Wunsch der Fragesteller schriftlich beantwortet werden. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich rufe die Frage 72 des Herrn Abgeordneten Mann auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung die Rechtmäßigkeit des Einsatzes von CS-Gas bei der Demonstration am 31. März 1986 in Wackersdorf vor allem im Hinblick darauf, daß es sich um einen völkerrechtlich geächteten chemischen Kampfstoff handelt?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Herr Abgeordneter Mann, gegen den polizeilichen Einsatz des Reizmittels CS bestehen unter völkerrechtlichen Gesichtspunkten keine Bedenken. Zu diesem Ergebnis ist bereits die seinerseits von SPD und FDP getragene Bundesregierung in der Beantwortung vom 15. Januar 1982 der Kleinen Anfrage vom 17. November 1981 gekommen. Im übrigen richtet sich die Zulässigkeit nach Landesrecht.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1021009300
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Mann

Norbert Mann (GRÜNE):
Rede ID: ID1021009400
Herr Parlamentarischer Staatssekretär, das Giftgasabkommen ist ja von 1925. Meines Wissens gab es damals das CS-Gas in dieser Form noch nicht. Ist es nicht merkwürdig, daß bei Polizeieinsätzen — wie man hinzufügen muß: in einigen Bundesländern — „Kampfstoffe" gegen Mitbürgerinnen und Mitbürger, gegen viele Unbeteiligte eingesetzt werden dürfen, wie der Einsatz in Wackersdorf zeigt, während zumindest im Völkerrecht, wenn man Ihrer Auffassung folgt, unterschiedliche Meinungen über die rechtliche Zulässigkeit eines solchen Einsatzes in einem Kriegsfall bestehen?
Ist es nicht ein sehr merkwürdiger Gegensatz, daß man gegen die eigenen Bürger mit Mitteln vorgehen darf, die man nach Auffassung vieler und auch nach unserer Auffassung völkerrechtlich nicht einmal in einem Kriegsfall anwenden darf?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Herr Abgeordneter Mann, den Zusammenhang zwischen Wackersdorf und Kriegsfall haben Sie hergestellt.

(Mann [GRÜNE]: Ich spreche von CSGas!)

Ich kann Ihnen nur zitieren, was hier in der oben erwähnten Antwort der Bundesregierung vom Januar 1982 festgestellt wurde: „Gegen den polizeilichen Einsatz der Reizmittel CS und CN bestehen unter völkerrechtlichen Gesichtspunkten keine Bedenken." Ich bin gern bereit, Ihnen die ausführliche Antwort zu übermitteln.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1021009500
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Mann.

Norbert Mann (GRÜNE):
Rede ID: ID1021009600
Ist die Bundesregierung bereit, sich mit den gesundheitlichen Auswirkungen eines solch massiven und meines Wissens bisher beispiellosen Einsatzes von chemischen Kampfstoffen, auch im Zusammenhang mit der von Ihnen zumindest im Koordinationswege verfolgten Zusammenarbeit der Bundesländer in der Innenministerkonferenz, mit gutachtlicher und wissenschaftlicher Beratung auseinanderzusetzen?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Herr Abgeordneter Mann, es handelt sich hier, wie ich schon betont habe, nicht um chemische Kampfstoffe, sondern um Reizmittel, die zu einem Zweck eingesetzt werden, wie es die Polizei für notwendig erachtet hat. Dem habe ich keine zusätzliche Bewertung hinzuzufügen.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1021009700
Keine weitere Zusatzfrage. Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramts auf. Der Herr Staatsminister Vogel steht zur Beantwortung zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 5 des Herrn Abgeordneten Ströbele auf:
Welche Verabredungen zur Zusammenarbeit und welche sonstigen Vereinbarungen hat der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundeskanzler, Dr. Lorenz, als damaliger CDU-Landesvorsitzender in Berlin (West) Anfang der 70er Jahre mit Funktionären der NPD oder anderen rechtsradika-



Vizepräsident Frau Renger
len Gruppen getroffen, und was wurde insbesondere bei dem Treffen im „Prälat" in Berlin (Schöneberg) 1971 zwischen dem CDU-Vorsitzenden und NPD-Funktionären besprochen und vereinbart?
Bitte, Herr Staatsminister.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1021009800
Herr Abgeordneter Ströbele, zur Meldung über angebliche Gespräche mit der NPD in Berlin hat der Parlamentarische Staatssekretär Peter Lorenz folgendes erklärt:
Von den von einem Herrn Pahlow behaupteten Vorgängen aus dem Jahre 1971 weiß ich nichts. Ich kann mich an keinerlei Treffen oder Gespräche mit NPD-Mitgliedern erinnern. Absprachen über eine Zusammenarbeit zwischen der CDU und der NPD in Berlin habe ich zu keiner Zeit getroffen.
Die Bundesregierung verweist auf diese Erklärung des Parlamentarischen Staatssekretärs Lorenz.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1021009900
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Ströbele.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1021010000
Herr Staatssekretär, hat sich der Parlamentarische Staatssekretär Lorenz bei dem Berliner CDU-Landesvorstand und insbesondere bei dem derzeit noch amtierenden Berliner Innensenator Lummer danach erkundigt, ob die von Herrn Pahlow behaupteten Vorgänge so stattgefunden haben?
Vogel, Staatsminister: Ich habe ja die Frage beantwortet: Kollege Lorenz hat sich dazu erklärt, Herr Ströbele. Dieser Erklärung von Herrn Lorenz habe ich nichts hinzuzufügen.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1021010100
Eine zweite Zusatzfrage.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1021010200
Ist die Bundesregierung bereit, bei dem Parlamentarischen Staatssekretär Lorenz darauf hinzuwirken, sich bei den damals nach Auskunft des Herrn Pahlow an den Besprechungen Beteiligten kundig zu machen, insbesondere bei seinen damaligen Kollegen in der CDU-Landesleitung und insbesondere bei Herrn Lummer?
Vogel, Staatsminister: Herr Ströbele, die Bundesregierung stützt sich auf die Erklärung des Kollegen Lorenz, und sie übernimmt auch diese Erklärung des Kollegen Lorenz. Sie muß sich darauf verlassen. Im übrigen ist die Bundesregierung keine Ermittlungsbehörde.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1021010300
Ich rufe die Frage 6 des Herrn Abgeordneten Ströbele auf:
Welche Bundesbehörden haben Anfang der 70er Jahre dem CDU-Politiker Lummer Reisen in den Libanon bezahlt, und welchen Einfluß haben Bundesbehörden auf die Gestaltung der Reise des Herrn Lummer und des Wuppertaler Geschäftsmannes Putsch im Frühjahr 1973 in den Libanon genommen?
Bitte sehr, Herr Staatsminister.
Vogel, Staatsminister: Herr Abgeordneter Ströbele, auf die Frage 6 gebe ich folgende Antwort: Das
Presse- und Informationsamt der Bundesregierung hat 1970 und 1971/72 zur Jahreswende zwei Reisen des damaligen CDU-Fraktionsvorsitzenden im Berliner Abgeordnetenhaus, Heinrich Lummer, in den Libanon und nach Syrien finanziell unterstützt. Für eine Reise im März 1970 wurden für Herrn Lummer und drei ihn begleitenden Berliner Journalisten die Flugkosten und das übliche Tagegeld bereitgestellt. Weitere Nebenkosten wurden von den Teilnehmern selber getragen. 1971/72 erhielt Herr Lummer die Flugkosten und das übliche Tagegeld. 1973 hat das Presse- und Informationsamt der Bundesregierung keine Reise von Herrn Lummer in den Libanon finanziert. Nach Auskunft der drei in Frage kommenden Bundesressorts — Auswärtiges Amt, Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen — wurde von diesen in den 70er Jahren ebenfalls keine Reise von Herrn Lummer in den Libanon finanziert.
Bundesministerium und Presse- und Informationsamt der Bundesregierung haben, soweit wir feststellen konnten, keinen Einfluß auf die Gestaltung der Reise 1973 genommen. Nicht auszuschließen, aber nicht mehr nachprüfbar ist, ob die wiedereröffnete deutsche Botschaft im Libanon 1973 Programmhilfe geleistet hat, wie dies bei Reisen deutscher Politiker üblich ist.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1021010400
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1021010500
Herr Staatsminister, ist der Bundesregierung bekannt, daß Herr Putsch, der Geschäftsmann aus Wuppertal, behauptet, Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes — das ist ja auch eine Bundesbehörde — gewesen zu sein und daß der Bundesnachrichtendienst Einfluß auf die Reise genommen haben soll, die Herr Putsch gemeinsam mit Herrn Lummer im Jahre 1973 in den Libanon unternommen hat?
Vogel, Staatsminister: Herr Ströbele, die Bundesregierung gibt — das ist Ihnen bekannt — auf solche, den BND betreffende Fragen grundsätzlich keine Auskünfte.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1021010600
Zusatzfrage, bitte.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1021010700
Heißt das, daß die Bundesregierung nicht dementiert, daß Herr Putsch Mitarbeiter des BND gewesen ist und der BND sich an der Gestaltung dieser Reise beteiligt hat?
Vogel, Staatsminister: Das heißt, daß die Bundesregierung grundsätzlich keine Auskünfte gibt, Herr Ströbele.

(Feilcke [CDU/CSU]: Was haben Sie für Freunde, Herr Ströbele? Ist Herr Putsch Ihr Freund?)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1021010800
Ich danke Ihnen, Herr Staatsminister.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers des Auswärtigen auf. Herr Staatsminister Möllemann steht zur Beantwortung zur Verfügung.



Vizepräsident Frau Renger
Ich rufe die Frage 43 des Herrn Abgeordneten Dr. Rose auf:
Erwartet die Bundesregierung nach der Entscheidung des höchsten mexikanischen Arbeitsgerichtes und der darauf erfolgten Streichung des deutschen Sprachunterrichts in den Zweigstellen des Goethe-Instituts in Mexiko-Stadt und in Guadalajara ähnliche Konsequenzen auch in anderen Ländern?
Bitte schön, Herr Staatsminister.

Jürgen W. Möllemann (FDP):
Rede ID: ID1021010900
Herr Kollege Dr. Rose, auf Ihre Frage antworte ich: Nein, die Bundesregierung erwartet nicht, daß die von den zuständigen Gremien des Goethe-Instituts nach eingehender Prüfung beschlossene Schließung der Sprachkurse der beiden Zweigstellen in Mexiko zum 31. Dezember dieses Jahres Präjudizwirkung in anderen Ländern haben wird.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1021011000
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Rose? — Nein.
Dann rufe ich die Frage 44 des Herrn Abgeordneten Dr. Rose auf:
Welche Pläne hat die Bundesregierung mit den durch die Streichung des Sprachunterrichts in Mexiko freiwerdenden Geldern?
Bitte, Herr Staatsminister.
Möllemann, Staatsminister: Herr Dr. Rose, mit der Schließung der Sprachkurse der beiden Zweigstellen in Mexiko zum 31. Dezember 1986 ist die Entlassung von insgesamt 19 in diesem Bereich beschäftigten Lehrkräften verbunden. Ihre Stellen sind nach dem Wirtschaftsplan des Goethe-Instituts nicht an die Zweigstellen in Mexiko gebunden. Das Goethe-Institut beabsichtigt daher, sie zur Verstärkung von Sprachabteilungen an anderen Orten zu verwenden, insbesondere in solchen Ländern, in denen eine starke Nachfrage nach Deutschunterricht besteht, aber bisher wegen fehlender Stellen nicht oder nur teilweise befriedigt werden konnte.
Im übrigen bedeutet die Entscheidung zur Schließung der Sprachkurse in Mexiko-Stadt und Guadalajara nicht, daß sich das Goethe-Institut aus der deutschen Spracharbeit in Mexiko zurückzieht. Vielmehr beabsichtigt es, die zahlreichen anderen Einrichtungen, die in Mexiko Deutschunterricht erteilen, in Zukunft verstärkt im Rahmen der Pädagogischen Verbindungsarbeit zu unterstützen, z. B. durch Beratung und Fortbildung von Lehrern, durch die Abnahme von Prüfungen oder durch Materialerstellung für Lehrbücher.
Die Schließung der Sprachkurse in Mexiko wird zu einer beträchtlichen Verringerung des in den Sprachkursen des Goethe-Instituts entstandenen Defizits führen. Die Differenz zwischen Lehrergehältern und Sprachkursgebühren war in Mexiko besonders hoch. Das Defizit belief sich zuletzt auf jährlich ca. 800 000 DM. Es werden also nicht etwa Gelder frei, sondern ein Defizit wird beseitigt.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1021011100
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Rose.

Dr. Klaus Rose (CSU):
Rede ID: ID1021011200
Herr Staatsminister, könnte es sein, daß in anderen Ländern ebenfalls ein Defizit beim Goethe-Institut besteht und daß man froh sein müßte, wenn sich eine derartige Entwicklung in Mexiko einstellt?
Möllemann, Staatsminister: Nein, das kann man so pauschal nicht sagen. Sie wissen, daß sich die Höhe der Bezahlung für Ortskräfte nach den Ortsüblichkeiten richtet — hierum geht es in diesem Fall — und daß sich auch die Höhe der Gebühren nach den Möglichkeiten vor Ort richtet.
Eine pauschale Bewertung, daß das Defizit überall so hoch sei, kann ich nicht vornehmen. Ich kann Ihnen eine Übersicht darüber zukommen lassen, wie das aussieht.
Im übrigen möchte ich kein Hehl daraus machen, daß die Bundesregierung nicht froh darüber ist, angesichts von Bemühungen um die Ausweitung des deutschsprachlichen Unterrichts eine solche Entscheidung treffen zu müssen. Aber sie war wegen der sonst natürlich folgenden präjudiziellen Wirkung unvermeidbar.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1021011300
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Rose.

Dr. Klaus Rose (CSU):
Rede ID: ID1021011400
Werde ich einige Monate, nachdem es im Dezember 1986 zu der Neuregelung gekommen sein wird, eine Übersicht bekommen, ob die deutsche Sprache in Mexiko, in Guadalajara, trotzdem durch das Wirken dieser anderen Stellen, die Sie angedeutet haben, verstärkte Verbreitung erfahren haben und wie stark sich das bei einzelnen Teilnehmern ausgewirkt haben wird?
Möllemann, Staatsminister: Das würde ich Ihnen gerne zuleiten, Herr Kollege Rose und will gleich hinzufügen, daß ich nicht so optimistisch bin, zu glauben, daß man den durch das Nicht-mehr-Tätigsein von 19 Kräften wegfallenden Unterricht so leicht wird kompensieren können. Es gibt, wie ich mir habe berichten lassen, dort Überlegungen, daß sich die früher für uns, für das Goethe-Institut Tätigen zusammenschließen, um eine Art private Sprachenschule mit privatem Angebot zu offerieren. Wir überlegen, ob wir mit dieser dann auf der Grundlage unserer eigenen Kostenkalkulation zusammenarbeiten können. Ich werde Sie darüber informieren.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1021011500
Keine Zusatzfrage mehr.
Die Fragen 45 und 46 des Abgeordneten Weiß und 47 und 48 des Abgeordneten Dr. Hupka werden auf Wunsch der Fragesteller schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich rufe die Frage 49 des Herrn Abgeordneten Jäger (Wangen) auf:
Welche konkreten Zusagen, Zusicherungen oder In-Aussicht-Stellungen hinsichtlich der Erfüllung menschenrechtlicher Verpflichtungen durch die Volksrepublik Polen gegenüber den unter polnischer Staatsgewalt lebenden Deutschen sowie gegenüber Vereinigungen, die von diesen Deutschen gebildet werden, deren Anerkennung die polnischen Behörden jedoch bisher ablehnen, hat der polnische Außenminister Orzechowski der Bundesregierung gegenüber bei seinem Besuch in Bonn abgegeben?



Vizepräsident Frau Renger Bitte, Herr Staatsminister.
Möllemann, Staatsminister: Herr Kollege Jäger, der Bundeskanzler und der Bundesminister des Auswärtigen haben die kulturellen und sprachlichen Wünsche der in der Volksrepublik Polen lebenden deutschen Volkszugehörigen gegenüber Außenminister Orzechowski mehrmals und eindringlich zur Sprache gebracht. Sie haben die Bedeutung unterstrichen, die der Deutsche Bundestag, die Bundesregierung und auch die Öffentlichkeit dieser Frage beimessen. Sie haben darauf hingewiesen, daß diese deutschen Volkszugehörigen ihre kulturelle Identität erhalten und entfalten sollten und daß ein Eingehen der Volksrepublik Polen auf diese Wünsche die menschlichen Beziehungen zwischen Deutschen und Polen festigen und zu der aus der Vielfalt lebenden europäischen Kultur beitragen würde.
Der Bundesminister des Auswärtigen und der Außenminister der Volksrepublik Polen stimmten in der festen Absicht überein, die deutsch-polnischen Beziehungen nach den Hindernissen der vergangenen Jahre zu entwickeln und auszubauen. Sie erklärten ihre Bereitschaft, zusätzliche Anstrengungen zu unternehmen, um auch schwierige Fragen konstruktiv zu behandeln, die gegenseitiges Verständnis erfordern.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1021011600
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Jäger.

Claus Jäger (CDU):
Rede ID: ID1021011700
Herr Staatsminister, nach diesen Ihren Ausführungen über die eindringlichen Darlegungen der Bundesregierung gegenüber dem polnischen Außenminister möchte ich Sie fragen, ob der Außenminister auf diese eindringlichen Vorbringen hin nun eine positivere Einstellung als früher zum Minderheitenschutz für die Deutschen zum Ausdruck gebracht hat, insbesondere ob er von dem starren bisherigen Standpunkt abgerückt ist, es gebe gar keine deutsche Minderheit im Bereich der Volksrepublik Polen?
Möllemann, Staatsminister: Herr Kollege Jäger, es gibt einige Fragen im deutsch-polnischen Verhältnis, die in ihrer Behandlung eine besondere Beharrlichkeit einerseits, aber auch eine besondere Behutsamkeit andererseits erforderlich machen.
Ich erwähnte, daß alle Gesprächspartner des polnischen Außenministers eindringlich nicht nur auf den Sachverhalt, sondern auch auf seine Bedeutung für die Betroffenen, aber auch für die gesamte Öffentlichkeit hingewiesen haben und daß beide Seiten, also auch der polnische Außenminister, darin übereingestimmt haben, daß es zweckmäßig und möglich ist, bei Fragen, die im Moment noch nicht gelöst sind, jetzt voranzukommen. Das wird in entscheidendem Maße — das ist mein Eindruck — davon abhängig sein, wie beharrlich einerseits und behutsam andererseits wir vorgehen, zum anderen auch davon, wie sich das deutsch-polnische Verhältnis insgesamt entwickelt. Es ist ja unsere Erfahrung, daß wenn sich dieses Verhältnis insgesamt positiv entwickelt, am ehesten auch bei solchen speziellen und sehr schwierigen Fragen Fortschritte möglich sind. Wir haben aus den Unterredungen den Eindruck gewonnen, daß sie jetzt wieder eher möglich sind.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1021011800
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Jäger.

Claus Jäger (CDU):
Rede ID: ID1021011900
Herr Staatsminister, um auf den Nebenteil meiner Frage zurückzukommen, zu dem Sie auch nur ganz nebenbei etwas gesagt haben: Hat die deutsche Botschaft in Warschau das Auswärtige Amt darüber informiert, daß sich — nach meiner Kenntnis — inzwischen mindestens vier deutsche Vereinigungen in Oberschlesien, nämlich in Loslau, Heydebreck/Cosel, in Odertal sowie in Rypnik, vergebens mit der Bitte um Hilfe und Unterstützung an die deutsche Botschaft gewandt haben? Und wie hat sich Außenminister Orzechowski — in der Annahme, daß ihm dies vorgetragen worden ist — zu diesen Beschwerden geäußert?
Möllemann, Staatsminister: Wie ich schon sagte: Zum einen argumentiert der Bundesaußenminister natürlich immer auch auf der Grundlage der Berichte unserer Botschaft, und zum anderen hat er den Problemkomplex dargestellt. Da ich an dem Gespräch nicht beteiligt war, kann ich Ihnen nun nicht sagen, in welchem Umfang er die Tätigkeit und die Beschwerden der von Ihnen angesprochenen Gruppen abgehandelt hat. Aber das in Ihrer Frage zum Ausdruck kommende eigentliche Anliegen ist dort behandelt worden. Ich sagte: Es ist unser Eindruck, daß die Bereitschaft, sich über dieses schwierige Thema zu verständigen, d. h. auch eine positive Veränderung zu erreichen, jetzt wieder größer ist.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1021012000
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Czaja.

Dr. Herbert Czaja (CDU):
Rede ID: ID1021012100
Herr Staatsminister, Sie haben mehrmals wiederholt, Sie erwarteten auch seitens der Volksrepublik Polen zusätzliche Anstrengungen im Hinblick auf die Verbesserung der Beziehungen. Welchen Anlaß haben Sie, dies auch in bezug auf die Einhaltung der Verpflichtungen des Art. 27 des politischen Menschenrechtspaktes der Vereinten Nationen gegenüber Deutschen zu vermuten, nachdem der polnische Außenminister massiv der Auffassung entgegengetreten ist, es befinde sich noch eine größere Zahl von Deutschen im Machtbereich der Volksrepublik Polen oder in den Gebieten östlich von Oder und Neiße, und was haben Sie getan, um auf die deutsche Staatsangehörigkeit dieser Personen, die doch von Verfassungs wegen einen Schutz verdienen, hinzuweisen?
Möllemann, Staatsminister: Herr Kollege Dr. Czaja, wie ich bereits sagte — Sie haben recht: Ich habe das schon mehrmals gesagt; aber was richtig ist, kann man ja ruhig mehrmals sagen —, haben wir in diesen Unterredungen auf die von Ihnen angesprochenen Sachverhalte und die damit zusammenhängenden Problemfälle hingewiesen. Wir haben bei diesen Unterredungen den Eindruck gewonnen, daß es eine Chance zu Verbesserungen gibt. Mein Ein-
Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 210. Sitzung. Bonn, .Donnerstag, den 17. April 1986 16099
Staatsminister Möllemann
druck ist, daß wir uns hier sozusagen in einem ganz offenen Wettbewerb befinden, nämlich einerseits dem Wunsch, unserem System entsprechend jede nur denkbare politische Frage auf offenem Markt auszutragen, und andererseits dem Wunsch, möglichst viel zu erreichen. Ich neige auch im Interesse der Betroffenen dazu, mich für letzteres zu entscheiden, wiewohl ich vom Naturell her eher zu ersterem tendiere.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1021012200
Graf Huyn zu einer Zusatzfrage.

Graf Hans Huyn (CSU):
Rede ID: ID1021012300
Herr Staatsminister, hat die Bundesregierung, hat das Auswärtige Amt auch die deutsche Botschaft in Warschau angewiesen, in den Fragen der Menschenrechte für Deutsche im polnischen Machtbereich laufend einzutreten, und in welcher Form tut unsere Botschaft dies?
Möllemann, Staatsminister: Die Botschaft führt Weisungen aus; selbstverständlich erhält sie Weisungen, die zur Umsetzung der von uns gewollten politischen Ziele notwendig sind. Wir glauben aber, daß die entscheidende Aufgabe des Bewegens, des Veränderns wohl nur auf der politischen Ebene bewältigt werden kann. Die Botschaft kann im Anschluß daran praktisch umsetzen. Ich setze von daher eigentlich darauf, daß die vielen Gespräche, die wir laufend auf der Ebene der Regierungen, der Parlamentarier aller Fraktionen führen, Bewegungen herbeigeführt haben und weiter herbeiführen werden, so daß die Botschaft es bei konkreten Interpellationen in einzelnen Fällen leichter haben wird, ein Klima vorzufinden, bei dem die Behörden auf Wünsche eingehen.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1021012400
Danke sehr, Herr Staatsminister.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen auf. Herr Parlamentarischer Staatssekretär Dr. Voss steht zur Beantwortung der Fragen zur Verfügung.
Ich rufe Frage 73 des Herrn Abgeordneten Dr. Spöri auf:
Teilt die Bundesregierung die Auffassung der CDU-Sozialausschüsse und des Bundesparteitags der CDU vom Frühjahr 1985 in Essen, daß eine Senkung des Spitzensteuersatzes bei der Einkommensteuer und des Thesaurierungssatzes bei der Körperschaftsteuer abzulehnen ist?
Bitte sehr, Herr Staatssekretär.

Dr. Friedrich Voss (CSU):
Rede ID: ID1021012500
Herr Kollege Spöri, die Bundesregierung hat ihre steuerpolitischen Leitgedanken für die kommende Legislaturperiode in Textziffer 26 des Jahreswirtschaftsberichts 1986 dargelegt. Danach steht der Lohn- und Einkommensteuertarif auch künftig im Mittelpunkt von Überlegungen zur Steuerentlastung. Auch die Höhe des Spitzensteuersatzes soll überprüft werden, weil er Bestandteil der Gesamtentscheidung über den Progressionsverlauf ist und in einer Wechselwirkung mit dem Körperschaftsteuersatz steht. Eine Senkung des Körperschaftsteuersatzes soll angestrebt werden. Im übrigen ist auf dem Bundesparteitag der
CDU vom März 1985 eine Senkung des Spitzensteuersatzes bei der Einkommensteuer nicht abgelehnt worden. In Zusammenhang mit der damals in Vorbereitung befindlichen Steuersenkung 1986/88 wurde lediglich festgestellt, daß ein Entscheidungserfordernis über den Spitzensteuersatz nicht bestehe.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1021012600
Eine Zusatzfrage, Herr Dr. Spöri.

Dr. Dieter Spöri (SPD):
Rede ID: ID1021012700
Herr Staatssekretär, ist nicht Ihre Aussage, daß die Bundesregierung sich für eine Absenkung des Körperschaftsteuersatzes entschieden hat, gleichbedeutend mit einer Entscheidung für die Senkung des Spitzensteuersatzes bei der Einkommensteuer, wenn man berücksichtigt, daß der Körperschaftsteuersatz nicht gesenkt werden kann, ohne daß der Spitzensteuersatz bei der Einkommensteuer gesenkt wird?
Dr. Voss, Parl. Staatssekretär: Es ist zuzugeben, Herr Kollege Spöri, daß eine gewisse Relation zwischen Körperschaftsteuersatz und Einkommensteuersatz besteht. Aber die Schlußfolgerung, daß eine Entscheidung in Richtung auf Senkung des Körperschaftsteuersatzes automatisch eine entsprechende Senkung des Einkommensteuerspitzensteuersatzes zur Folge hätte, würde ich nicht ziehen.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1021012800
Eine Zusatzfrage, Herr Dr. Spöri.

Dr. Dieter Spöri (SPD):
Rede ID: ID1021012900
Herr Staatssekretär, Sie haben eben ausgesagt, daß die Bundesregierung eine Senkung des Spitzensteuersatzes bei der Einkommensteuer zumindest erwägt, sich aber noch nicht festgelegt habe. Sie haben in diesem Zusammenhang behauptet, daß der Bundesparteitag der CDU sich nicht gegen eine Senkung des Spitzensteuersatzes festgelegt habe. Ist Ihnen die Aussage des Herrn Soenius vor den CDU-Sozialausschüssen bekannt, der eindeutig erklärt hat, daß der Essener CDU-Parteitag sich klipp und klar gegen eine Senkung des Spitzensteuersatzes ausgesprochen hat?
Dr. Voss, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Spöri, Einzelstimmen kann ich nicht in der Weise werten, wie Sie das soeben getan haben.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1021013000
Dann kann ich die Frage 74 des Abgeordneten Spöri aufrufen:
Trifft es zu, daß eine Linearisierung der Progressionszone des heutigen Tarifs 26,3 Milliarden DM und eine Senkung des Spitzensteuersatzes auf 49 v. H. sogar 36,3 Milliarden DM kosten würde (vgl. Handelsblatt vom 21. März 1986 über eine Vorlage von Bundesfinanzminister Dr. Stoltenberg für eine Klausursitzung der CDU/CSU-Steuerpolitiker), und wenn nein, wie lauten die richtigen Zahlen?
Bitte sehr.
Dr. Voss, Parl. Staatssekretär: Der Klausurtagung der Arbeitsgruppe Finanzen der CDU/CSU-Bundestagsfraktion lag keine Vorlage über bestimmte Tarifmodelle zugrunde. Bundesfinanzminister Dr. Stoltenberg hat mündlich auf Fragen an Hand vorläufiger Modellrechnungen die Steuerausfallzahlen



Parl. Staatssekretär Dr. Voss
für verschiedene Alternativen umrissen. Die in der Frage genannten Zahlen sind rein rechnerisch zutreffend, müssen aber erklärt werden. Eine Senkung des Einkommensteuerspitzensatzes von 56 auf 55 % würde zu einem Steuerausfall von rund 300 Millionen DM führen.
Der von Ihnen aufgezeigte Unterschied von 10 Milliarden DM ergibt sich aber nicht durch eine Senkung des Spitzensteuersatzes, sondern kommt ganz überwiegend als Folge des von uns angestrebten sanft ansteigenden linear-progressiven Tarifs allen progressiv Besteuerten zugute. Der Löwenanteil dieser Entlastung entfällt also auf die breite Masse der Steuerzahler.
Zu berücksichtigen ist ferner, daß bei den angesprochenen Steuerausfallzahlen es sich wegen der Unsicherheiten über die Entwicklung der gesamtwirtschaftlichen Eckdaten nur um erste, grobe Schätzungen handelt. Der Spitzensteuersatz ist dabei nur ein Faktor in der Tarifformel bei verschiedenen Annahmen über den Tarifverlauf.
Politische Entscheidungen über den Einkommensteuertarif werden in der laufenden Periode nicht mehr getroffen.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1021013100
Sie haben eine Zusatzfrage, Herr Dr. Spöri.

Dr. Dieter Spöri (SPD):
Rede ID: ID1021013200
Herr Staatssekretär, wenn der Herr Bundesfinanzminister Stoltenberg mündlich Steuerausfallschätzungen im Zusammenhang mit einem neuen Tarifverlauf vorgetragen hat, kann man ja davon ausgehen, daß er dies auf der Basis fundierter Zahlen getan hat. Deshalb möchte ich an Sie die Frage richten, ob nunmehr die volkswirtschaftlichen Eckdaten vorliegen, deren Fehlen immer der Grund dafür war, daß das Bundesfinanzministerium zu diesen Steuerausfallschätzungen keine Auskunft gegeben hat.
Dr. Voss, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Spöri, Sie wissen ebenso gut wie ich, daß volkswirtschaftliche Eckdaten, die weit in die Zukunft hineingehen, im Moment nur einer Schätzung zugänglich sind, daß sie also de facto nicht vorliegen, sondern erst im Rahmen der wirtschaftlichen Entwicklung, die wir vor uns haben und die noch in der Zukunft liegt, sich ergeben werden.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1021013300
Zusatzfrage, Herr Dr. Spöri.

Dr. Dieter Spöri (SPD):
Rede ID: ID1021013400
Herr Staatssekretär, wenn der Bundesfinanzminister den Kollegen von der Unionsfraktion und von der Fraktion der FDP wohl inzwischen derartige Daten zur Steuerausfallschätzung weitergegeben hat, richte ich an Sie die Frage, ob Sie nicht bereit sind oder Ihr Haus nicht bereit ist, dem gesamten Haus diese Berechnungen über Steuerausfallschätzungen zugänglich zu machen.

(von Hammerstein [CDU/CSU]: Das stimmt nicht, Herr Spöri!)

Dr. Voss, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Spöri, ich habe in meiner Antwort klarzumachen versucht, daß auf Grund von Modellrechnungen hier natürlich gewisse Zahlen im Gespräch sind. Beispielsweise wissen Sie: Wenn man den sogenannten Mittelstandsbauch durch eine lineare Progressionssteigerung ersetzen will, wird das rund 26 Milliarden DM kosten. Wenn man zusätzlich vom jetzigen Spitzensteuersatz um soundsoviel Punkte heruntergeht, ergibt sich ein zusätzlicher Milliardenbetrag. Das ist ja das, was Sie in Ihrer Frage auch angesprochen haben. Hier sind ja Ausfallszahlen bereits da, die aber definitiv und allgemeinverbindlich zur Zeit nicht vorliegen, weil halt die Eckdaten noch nicht bekannt sind, die in einem späteren Zeitpunkt den endgültigen Steuerausfall bestimmen werden.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1021013500
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Jung (Lörrach).

Wilhelm Jung (CDU):
Rede ID: ID1021013600
Herr Staatssekretär, sind Ihnen die Pläne der SPD zum Einkommensteuertarif bekannt? Gegebenenfalls: Wir beurteilt die Bundesregierung die Auswirkungen der generellen Änderung der zweiten Stufe der Steuersenkung 1988?
Dr. Voss, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Jung, der Bundesregierung sind natürlich die Pressemitteilungen und Verlautbarungen bekannt, die sich auf Grund von Überlegungen führender Politiker der SPD ergeben haben. Beispielsweise erinnere ich mich, daß der Kollege Roth in seinem Wirtschaftsprogramm, das er für die SPD vorgestellt hat, von einer Begrenzung des Ehegattensplittings und von einer Ergänzungsabgabe spricht. Der Fraktionsvorsitzende der SPD im nordrhein-westfälischen Landtag, Herr Farthmann, spricht davon, daß alle seit 1983 erfolgten Steuersenkungen zurückgenommen werden sollen. Es gibt weitere Beispiele. Der Kanzlerkandidat der SPD, Herr Rau, spricht von einem Solidarbeitrag, der erhoben werden soll. Und wenn die Pressemeldungen richtig sind, hat der Parteivorstand der SPD am 3. März einen Vorschlag gemacht, daß die zweite Stufe der Entlastung 1988 ganz fortfallen oder durch andere Maßnahmen ersetzt werden soll — alles Maßnahmen, Herr Kollege Jung, die letztlich zum Ziel haben, die Steuern nicht, wie es die jetzige Bundesregierung will, zu senken, sondern zu erhöhen oder die erfolgten Senkungen rückgängig zu machen.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1021013700
Da sage noch einer, die Bundesregierung ist nicht gut informiert.
Herr Abgeordneter Jäger (Wangen).

Claus Jäger (CDU):
Rede ID: ID1021013800
Herr Staatssekretär, können Sie mir bestätigen, daß bei der von dem Kollegen Spöri erwähnten Klausurtagung der finanzpolitischen Arbeitsgruppe der CDU/CSU die Frage des Spitzensteuersatzes eine völlig untergeordnete und nebensächliche Rolle spielte und die Entlastung der breiten Bevölkerungsschichten und des Mittelstands im Vordergrund der Diskussion stand und daß es eine dogmatische Festlegung weder für noch gegen die ganze Frage eines Spitzensteuersatzes gegeben hat?



Dr. Voss, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Jäger, ich kann Ihre Ausführungen ausdrücklich bestätigen. Aber das war auch der Sinn der Antwort, die ich eben dem Herrn Kollegen Spöri gegeben habe.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1021013900
Ich rufe die Frage 75 des Herrn Abgeordneten Senfft auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung Absichten der britischen Streitkräfte in Berlin (West), gepanzerte Mannschaftstransportwagen des Typs TM 170 von der Firma Thyssen auf Besatzungskosten zu beschaffen, und aus welchen Gründen sind Verhandlungen zwischen den britischen Streitkräften, dem Amt für Besatzungslasten und der Firma Thyssen inzwischen unterbrochen oder abgeschlossen worden?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Dr. Voss, Parl. Staatssekretär: Über die Absicht der britischen Streitkräfte, die Beschaffung von gepanzerten Mannschaftstransportwagen aus dem Besatzungskostenhaushalt zu finanzieren, finden zur Zeit Gespräche mit der britischen Botschaft statt. Bevor nicht feststeht, ob die Briten an ihrer Absicht festhalten werden, wird die Bundesregierung zu diesem Vorhaben nicht öffentlich Stellung nehmen.
Der Stand der Verhandlungen mit der Firma Thyssen ist der Bundesregierung nicht bekannt, da bei Beschaffungen der Besatzungsmächte deutsche Behörden grundsätzlich nicht mitwirken.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1021014000
Zusatzfrage? — Keine Zusatzfrage.
Dann rufe ich die Frage 76 des Herrn Abgeordneten Senfft auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung die im Berliner Abgeordnetenhaus geäußerte Auffassung, daß die Ausrüstung der britischen Streitkräfte mit gepanzerten Mannschaftstransportwagen des Typs TM 170 gegen die bisher gewahrten Grundsätze der Bestimmungen der Haager Konvention und des Völkergewohnheitsrechts verstößt, nach denen die Alliierten für die Besoldung, Bewaffnung, Ausrüstung und Verpflegung ihrer Streitkräfte selbst aufzukommen haben?
Bitte schön.
Dr. Voss, Parl. Staatssekretär: Die Ausrüstung der britischen Streitkräfte mit gepanzerten Mannschaftstransportwagen verstößt nicht gegen Völkerrecht.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1021014100
Zusatzfrage? — Keine Zusatzfragen.
Danke sehr, Herr Staatssekretär.
Ich rufe jetzt den Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft auf.
Vorher möchte ich eine Bemerkung machen: Die Fragen 33 und 34 des Abgeordneten Reimann sind in der gestrigen Fragestunde beim Geschäftsbereich des Bundesministers für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau aufgerufen worden. Die Beantwortung hatte jedoch der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft übernommen. Deshalb brauchte der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Jahn in der gestrigen Fragestunde nicht zur Beantwortung zur Verfügung zu stehen. Die im Protokoll enthaltenen Bemerkungen über seine Abwesenheit sind aus diesem Grunde gegenstandslos geworden. *)
Die Frage 77 des Abgeordneten Rapp (Göppingen), die Fragen 78 und 79 des Abgeordneten Dr. Emmerlich, die Frage 80 des Abgeordneten Dr. Feldmann, die Fragen 81 und 82 des Abgeordneten Dr. Schierholz werden gemäß Ziffer 2 Abs. 2 der Richtlinien für die Fragestunde schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Die Fragen 83 und 84 werden auf Wunsch des Fragestellers, des Abgeordneten Hinsken, die Fragen 85 und 86 des Abgeordneten Lange werden gemäß Ziffer 2 Abs. 2 der Richtlinien für die Fragestunde schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Danke schön, Herr Staatssekretär. Sie sind leider umsonst hier gewesen.
Ich rufe dann den Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten auf. Der Parlamentarische Staatssekretär Gallus steht zur Verfügung.
Die Fragen 87 und 88 werden auf Wunsch des Fragestellers, der Abgeordneten Frau Geiger, schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 89 des Herrn Abgeordneten Dr. Weng auf:
Hält die Bundesregierung die sogenannte Vermischungsregelung der Futtermittel-Verordnung nicht schon deshalb für bedenklich, weil einige der Pestizide, die als Rückstände in Futtermitteln und dann auch in Lebensmitteln auftauchen, im menschlichen Körper nicht abgebaut, sondern angereichert werden, so daß die Aufnahme auch kleinster Mengen vermieden werden müßte?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.

Georg Gallus (FDP):
Rede ID: ID1021014200
Herr Kollege Dr. Weng, die Bundesregierung ist wie Sie der Meinung, daß ein Vorkommen auch kleinster Rückstandsmengen von gesundheitlich bedenklichen Stoffen in und auf Lebensmitteln vermieden werden muß und daher der Übergang bedenklicher Stoffe in die Nahrungskette möglichst frühzeitig unterbunden werden sollte. Ziel futtermittelrechtlicher Regelungen war es daher immer schon, der Bildung und möglichen Anreicherung gesundheitlich nicht unbedenklicher Stoffrückstände in tierischen Erzeugnissen vorzubeugen.
Überhöhte Gehalte an unerwünschten Stoffen in und auf Futtermitteln lassen sich — wie die Erfahrungen gezeigt haben — nicht völlig vermeiden; dies gilt sowohl für Importe als auch für inländische Erzeugnisse. Da dies im übrigen nicht nur in unserem Land, sondern auch in anderen Ländern so ist,
*) Die Fragen 33 und 34 des Abgeordneten Reimann, ferner die Fragen 30 des Abgeordneten Magin und die Fragen 31 und 32 des Abgeordneten Dr. Sperling sollen auf Wunsch schriftlich beantwortet werden. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.



Parl. Staatssekretär Gallus
sind EG-Regelungen und internationale Vereinbarungen zur Problemlösung anzustreben.
Unabhängig davon sind bereits seit dem Jahre 1974 im Futtermittelrecht Regelungen über chlorierte Kohlenwasserstoffe getroffen und in der Folgezeit auf der Grundlage gesicherter Erkenntnisse ständig fortentwickelt worden. Daß diese Bemühungen nicht ohne Wirkung geblieben sind, zeigen die Ergebnisse der amtlichen Futtermittelüberwachung. Danach sind Höchstgehaltsüberschreitungen im Verkehr mit Futtermitteln zur Zeit nur noch vereinzelt und begrenzt auf wenige Substanzen anzutreffen. Daher erscheint ein Vermischen von Futtermitteln mit überhöhten Gehalten an unerwünschten Stoffen unter bestimmten Begrenzungen noch vertretbar. Gleichwohl ist die Bundesregierung bemüht, das zur Gefahrenabwehr im Futtermittelrecht vorgeschriebene abgestufte System von Höchstgehalten und Verkehrs- sowie Verwendungsvorschriften noch wirksamer zu gestalten. Möglichkeiten dazu — u. a. freiwillige, zusätzliche Maßnahmen, Eingrenzung der Vermischung — werden in engem Kontakt mit den Ländern und den betroffenen Wirtschaftskreisen zur Zeit geprüft.
Da der Handelsaustausch in der EG einen immer größeren Umfang annimmt und die deutschen Produzenten diesem Wettbewerb in zunehmendem Maße ausgesetzt sind, sollten Maßnahmen im Bereich des Futtermittelrechts zur Eingrenzung des Eintrags von chlorierten Kohlenwasserstoffen in die Nahrungskette auch aus diesen Gründen möglichst EG-einheitlich getroffen werden. Auf Drängen der Bundesregierung hat die EG-Kommission Vorschläge für Höchstgehalte an Schädlingsbekämpfungsmitteln in Futtermitteln sowie in Lebensmitteln — Getreide und tierische Erzeugnisse — vorgelegt. Die Vorlagen der Kommission betrachtet die Bundesregierung als Einstieg in eine einheitliche Regelung auf diesem Gebiet im Lebensmittel- und Futtermittelbereich. Sie wird sich weiterhin mit Nachdruck für eine zügige Beratung und alsbaldige Verabschiedung EG-einheitlicher Vorschriften einsetzen.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1021014300
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Weng.

Dr. Wolfgang Weng (FDP):
Rede ID: ID1021014400
Herr Staatssekretär, kann ich davon ausgehen, daß die Bundesregierung noch im laufenden Jahr über mögliche Fortschritte bei diesen von Ihnen genannten Gesprächen berichten wird?
Gallus, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich gehe davon aus, daß unsere Gespräche, die wir zur Zeit führen, von Erfolg gekrönt sein werden und daß wir dann auf Antrag berichten können.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1021014500
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten von Hammerstein.

Freiherr Carl-Detlev von Hammerstein (CDU):
Rede ID: ID1021014600
Herr Staatssekretär Gallus, ist es richtig, daß die Futtermittelüberwachung in der Bundesrepublik die schärfste in der Europäischen Gemeinschaft ist, und bemüht sich die Bundesregierung, in den anderen Ländern der
Europäischen Gemeinschaft in puncto schärfere Futtermittelüberwachung etwas zu tun?
Gallus, Parl. Staatssekretär: Zum ersten Teil Ihrer Frage, Herr Kollege von Hammerstein, darf ich sagen: Es ist tatsächlich so, daß wir das schärfste Futtermittelrecht und Lebensmittelrecht in der EG haben. Meiner Antwort auf die Frage des Herrn Weng konnten Sie entnehmen, daß wir im Augenblick dabei sind, auf EG-Ebene fortschrittliche Lösungen zu erzielen.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1021014700
Ich rufe die Frage 90 des Herrn Abgeordneten Jäger (Wangen) auf:
Welche konkreten Ausgleichsmaßnahmen zugunsten der betroffenen Landwirte plant die Bundesregierung angesichts der schweren Nachteile, die als Folge der Aufwertung der DM gegenüber dem französischen Franc der deutschen Landwirtschaft allgemein und besonders den nach Frankreich exportierenden Bauern drohen?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Gallus, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Jäger, der Frage liegt eine Unterstellung zugrunde, die ich nicht teilen kann. Durch die Systemänderung im Jahre 1984 entstand bei dieser Paritätsänderung kein neuer positiver deutscher Währungsausgleich, so daß für uns auch nicht die Notwendigkeit eines späteren Abbaus eintritt. Der nach den neuen bilateralen Wechselkursen sich rein rechnerisch ergebende Wettbewerbsvorteil für die französische Landwirtschaft wird durch den wieder eingeführten negativen Währungsausgleich in Frankreich ausgeglichen.
Der spätere Abbau dieses negativen Währungsausgleichs wird mit einer Erhöhung der Marktordnungspreise in Frankreich verbunden sein. Steigende Erzeugerpreise in anderen Mitgliedstaaten und damit steigende Preise bei den Ernährungsgütern führen aber eher zu einer Verbesserung als zu einer Verschlechterung der Wettbewerbsposition der deutschen Agrarwirtschaft. Es gibt einzelne Produkte, bei denen es keinen Währungsausgleich gibt. Hier kann die Währungskorrektur Auswirkungen haben. Dabei kommt es jedoch darauf an, ob diese Vorteile im Preis weitergegeben werden. In der Vergangenheit wurde häufig beobachtet, daß das nicht der Fall war.
Ich räume ein, daß unsere Verhandlungsposition in den laufenden Preisverhandlungen durch das Währungsereignis nicht leichter geworden ist. Ich habe schon vor der Paritätsänderung darauf hingewiesen, daß es vom Gesamtergebnis bei den Preisverhandlungen abhängt, ob und in welchem Umfang zusätzliche nationale Hilfsmaßnahmen für die deutsche Landwirtschaft erforderlich werden.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1021014800
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Jäger.

Claus Jäger (CDU):
Rede ID: ID1021014900
Herr Staatssekretär, da Sie sicher nicht bestreiten werden — Sie haben es ja auch nicht getan —, daß es in mancherlei Bereichen tatsächlich zu zusätzlichen Wettbewerbserschwernissen für den deutschen Erzeuger kommen wird, frage ich Sie: Ist die Bundesregierung



Jäger (Wangen)

zunächst einmal grundsätzlich bereit, anzuerkennen, daß Ausgleiche, die dem deutschen Erzeuger zum Ausgleich von Nachteilen, Gefahren usw. gewährt werden, eben keine zusätzlichen Subventionen sind, sondern durch eine solche Änderung der Währungssituation veranlaßt sind, d. h. sozusagen eine ausgleichs- und entschädigungspflichtige Maßnahme der Bundesregierung darstellen?
Gallus, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, wenn Sie Bezug nehmen auf den Abbau des positiven Währungsausgleichs und die Einführung der 5 %-Vorsteuerpauschale, kann ich dem ersten Teil Ihrer Frage voll zustimmen, daß es sich hier nicht um Subventionen handelt. Als solche sind sie vom Finanzminister auch nicht ausgewiesen worden. Vielmehr handelt es sich um eine Entschädigung, die eben durch Verluste bei den Preisen erforderlich geworden ist.
Zum zweiten Teil Ihrer Frage — wie es in Zukunft sein werde — kann ich nur sagen: Die Situation im Verhältnis Bundesrepublik — EG ist so, daß nur im Bereich der Sozialpolitik und der benachteiligten Gebiete etwas geschehen kann, wenn national etwas gemacht werden sollte.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1021015000
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Jäger (Wangen), bitte.

Claus Jäger (CDU):
Rede ID: ID1021015100
Herr Staatssekretär, sieht die Bundesregierung die besonderen Probleme, die vor allen Dingen für die deutschen Milcherzeuger im Allgäu entstehen, die bei ihren Käseexporten nach Frankreich in zusätzliche Schwierigkeiten geraten, und was gedenkt die Bundesregierung hier zu tun?
Gallus, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich kann das bis jetzt nicht bestätigen. Sie müssen mir schon einen konkreten Fall nennen, in dem auf Grund des Währungsrealignment jetzt schon entsprechende Schwierigkeiten aufgetreten sind. Bisher ist ja lediglich ein negativer Grenzausgleich in Frankreich eingeführt worden, der dem deutschen Export zugute kommt. Eine andere Situation würde dann entstehen, wenn ein Teil dieses negativen Währungsausgleichs in höhere Preise in Frankreich umgewandelt würde, die Frankreich seinerseits dann im Marktgeschehen nicht ausnützen würde.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1021015200
Zusatzfrage, Herr von Hammerstein.

Freiherr Carl-Detlev von Hammerstein (CDU):
Rede ID: ID1021015300
Herr Staatssekretär, Sie haben in Ihren Ausführungen gesagt, daß die Franzosen gedenken, in Anbetracht dessen, daß die Disparitäten im Währungsausgleich ja jetzt geschaffen worden sind, die Marktordnungspreise zu erhöhen. Können Sie sich an die letzten Worte des neuen Landwirtschaftsministers Herr Guillaume erinnern, der vor wenigen Tagen gesagt hat: Ich denke gar nicht daran, bei den nächsten Agrarministerverhandlungen dies zu tun?
Gallus, Parl. Staatssekretär: Ja nun, wir wollen sehen. Es gibt von dem neuen Landwirtschaftsminister in den letzten Wochen verschiedenartige Äußerungen. Es kommt jetzt darauf an, wie sich die Dinge vollziehen. Tatsache ist, daß die Finanzminister beschlossen haben, daß die Landwirtschaftsminister darüber verhandeln und befinden sollen, wieviel von den negativen Währungsausgleichen jeweils in den einzelnen Ländern umgewandelt werden kann.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1021015400
Ich rufe die Frage 91 des Abgeordneten Funk auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, wieviel Getreide bei der BALM in der Bundesrepublik Deutschland eingelagert ist?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Gallus, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Funk, die deutsche Interventionsstelle, die Bundesanstalt für landwirtschaftliche Marktordnung, die sogenannte BALM, in Frankfurt verfügte am 4. 4. 1986 über 5,170 Millionen t Getreide, das sie im Rahmen der Intervention nach der EG-Getreidemarktordnung gekauft hatte. Diese Menge verteilt sich auf die Getreidearten wie folgt: Brotweizen 1 404 454 t, Futterweizen 1 511 077 t, Gerste 1 521 508 t, Roggen 732 630 t.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1021015500
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Funk.

Honor Funk (CDU):
Rede ID: ID1021015600
Herr Staatssekretär, wieviel von diesem Getreide, das in deutschen Lägern lagert, ist aus anderen EG-Staaten eingeführt worden?
Gallus, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, danach hatten Sie nicht gefragt. Sie werden verstehen, daß ich Ihnen diese Frage jetzt aus der Lamäng nicht beantworten kann. Ich werde aber bemüht sein, Ihnen das schriftlich zukommen zu lassen.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1021015700
Noch eine Zusatzfrage, Herr Funk, zu dieser Frage?

Honor Funk (CDU):
Rede ID: ID1021015800
Ja. — Mir ist bekannt, daß z. B. die anderen Mitgliedstaaten bei Butter und bei Fleisch sehr große Mengen in Deutschland einlagern. Ich möchte Sie fragen: Aus welchem Grund geschieht das eigentlich? Sind die Einlagerungsbedingungen in Deutschland günstiger als in Frankreich und in Holland? Es wäre meiner Meinung nach hier doch sehr wichtig, daß sich die Bundesregierung um solche Dinge kümmert.
Gallus, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, da gibt es einen ganz plausiblen Grund. Die Zahlungsziele, die wir in der Bundesrepublik Deutschland für die Einlagerung gewährt haben, um den deutschen Landwirten entgegenzukommen, haben sich hier zwar positiv für die deutschen Landwirte ausgewirkt, weil die Organisationen, die das einlagern, das Geld schneller bekommen. Das hat aber auch den Negativeffekt hervorgerufen, daß, nachdem die anderen Länder längere Zahlungsziele haben, wir vermehrt Interventionsware auf die Bundesrepublik Deutschland gezogen haben, und im Verkehr zwischen Holland und der Bundesrepublik Deutschland auf dem Buttersektor führt diese Differenz



Parl. Staatssekretär Gallus
dazu, daß unsere Buttermärkte unterlaufen werden.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1021015900
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter von Hammerstein.

Freiherr Carl-Detlev von Hammerstein (CDU):
Rede ID: ID1021016000
Herr Staatssekretär, stimmt es, daß erstens die Lagerkapazitäten im Getreidebereich in der Bundesrepublik Deutschland restlos ausgeschöpft sind und daß es zweitens dringend erforderlich ist, diese Getreideüberschußmengen jetzt auf dem Weltmarkt zu verkaufen, um von der neuen Ernte überhaupt etwas einlagern zu können?
Gallus, Parl. Staatssekretär: Ob die Getreidelagerkapazitäten völlig ausgeschöpft sind, kann ich im Augenblick nicht bestätigen. Auch dies bekommen Sie schriftlich beantwortet, Herr Kollege. Die dringende Notwendigkeit, auf dem Weltmarkt etwas zu verkaufen, besteht nicht nur im Bereich des Getreides, sondern auch noch in einigen anderen Bereichen. Die Frage ist, ob man auf dem Weltmarkt etwas unterbringen kann und ob auf der anderen Seite die EG im Augenblick in der Lage ist, die horrenden Ausgleichsbeträge zur Verfügung zu stellen.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1021016100
Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Hürland.

Agnes Hürland (CDU):
Rede ID: ID1021016200
Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung verpflichtet, ausländische Güter einzulagern und dafür die gleichen Zahlungsziele zu geben wie bei der Einlagerung deutscher Güter?
Gallus, Parl. Staatssekretär: Ja. Wir haben nur eine Alternative, Frau Kollegin: daß wir uns keinen Vorteil mehr für unsere eigenen Landwirte herausnehmen und uns in den Zahlungszielen den anderen Ländern angleichen. Dann entsteht hier für die anderen kein Vorteil mehr. Das müssen wir wahrscheinlich auch tun.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1021016300
Ich rufe Frage 92 des Herrn Abgeordneten Funk auf:
Durch welche Maßnahmen kann die Bundesregierung bewirken, daß die Milchfutterindustrie und die bäuerlichen Veredelungsbetriebe Überschußgetreide alsbald kaufen können?
Bitte, Herr Staatssekretär.
Gallus, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Funk, wenn die Marktsituation auf dem Binnenmarkt es erfordert, kann nach der EG-Getreidemarktordnung Getreide aus der Intervention für den Verkauf auf dem Binnenmarkt freigegeben werden. Das Getreide darf grundsätzlich nicht unter dem zum Zeitpunkt des Verkaufs geltenden Interventionspreis abgegeben werden.
Der Markt für Futtergetreide war im laufenden Wirtschaftsjahr bisher gut versorgt, und zur Zeit der Ernte waren große Mengen zu sehr günstigen Preisen erhältlich. Im April 1986 haben die Preise für Futterweizen gerade das Interventionspreisniveau erreicht; für Gerste liegen sie noch deutlich darunter. Es ist zu erwarten, daß zum Ende des Wirtschaftsjahres noch weitere Mengen Gerste in die Intervention übernommen werden müssen. Aus diesen Gründen hat die Bundesregierung es bisher im Interesse der deutschen Landwirte, bei denen noch Getreide lagert, vermieden, Getreide aus Interventionsbeständen auf dem Binnenmarkt zu verkaufen.
Nach Auffassung der Bundesregierung würde der Markt auch heute gestört, wenn aus der Intervention zusätzliche Mengen abgegeben würden. Der Staat kann den Futtermittelfirmen die Lagerhaltung nicht abnehmen.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1021016400
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Funk.

Honor Funk (CDU):
Rede ID: ID1021016500
Herr Staatssekretär, ist der Bundesregierung bekannt, daß kleinere Mühlen, die weniger als 200 t Getreide kaufen wollen, aus der Einlagerungsmenge der BALM überhaupt nichts kaufen können, und was will die Bundesregierung dagegen tun?
Gallus, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, es sind in allen Bereichen gewisse Mindestmengen festgelegt. Es ist unser dauerndes Bestreben, diese Mindestmengen abzusenken. Die Kommission steht aber auf dem Standpunkt, daß die Kontrollen und alles, was dazugehört, um so schwieriger werden, je weiter man heruntergeht. Im Grundsatz jedoch ist die Bundesregierung Ihrer Auffassung, und wir werden dieses Ziel weiterverfolgen.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1021016600
Die zweite Zusatzfrage, bitte sehr.

Honor Funk (CDU):
Rede ID: ID1021016700
Finden Sie nicht, Herr Staatssekretär, daß es für die Großmühlen ein Wettbewerbsvorteil ist, wenn kleinere Mühlen durch die BALM nicht bedient werden können?
Gallus, Parl. Staatssekretär: Nein, das glaube ich nicht, weil die Situation ja die ist, daß am Markt genügend Getreide vorhanden ist und daß sie sich jederzeit am Markt bedienen können.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1021016800
Eine Zusatzfrage, Herr Kollege Jäger (Wangen).

Claus Jäger (CDU):
Rede ID: ID1021016900
Herr Staatssekretär, ist denn das tatsächlich unrichtig, was ich zur Zeit von zahlreichen Landwirten zu hören bekomme, nämlich daß es im Augenblick schlicht und einfach nicht möglich ist, Getreide von der BALM zu bekommen, daß dies zu einem Zeitpunkt, zu dem man von Preisdruck, von Preisverfall und von Übererzeugung redet, grotesk wirken muß und daß das deswegen natürlich auch die argumentative Position unserer Landwirte erschweren muß?
Gallus, Parl. Staatssekretär: Die Situation ist natürlich sehr differenziert. Ich bin ja auch dauernd draußen, und je nachdem, in welcher Gegend der Bundesrepublik Deutschland man sich befindet, kommen mehr oder weniger deutlich solche Argumente. Nur müssen wir von den Zahlen ausgehen,



Parl. Staatssekretär Gallus
die uns vorliegen und die besagen, wieviel Getreide noch bei den Landwirten lagert. Gerade beim Futtergetreide, da wir wissen, daß draußen noch viel Gerste lagert, die vielleicht überhaupt nicht verkauft werden kann, hat es wenig Sinn, daß wir jetzt die Interventionsläger öffnen, auf der anderen Seite aber damit rechnen müssen, daß in wenigen Wochen noch am Markt vorhandene Gerste wieder in die Intervention übernommen werden muß, zumal ja diese Gerste am Markt heute noch einen sehr niedrigen, unter dem Interventionspreis liegenden Preis hat, so daß durchaus auch die Möglichkeit gegeben ist, daß man sich über entsprechende Frachtstrecken hinweg, wobei ja noch die Fracht hinzukommt, am Markt mit Gerste eindeckt.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1021017000
Keine weiteren Zusatzfragen; dann danke ich Ihnen, Herr Staatssekretär.
Beim Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung, der jetzt aufgerufen werden würde, haben die Fragesteller — bei Frage 93 die Abgeordnete Frau Steinhauer, bei den Fragen 94 und 95 der Abgeordnete Pohlmann — um schriftliche Beantwortung gebeten. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Im Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung haben die Fragesteller — bei Frage 96 der Herr Abgeordnete Müntefering, bei den Fragen 97 und 98 der Herr Abgeordnete Steiner — ebenfalls um schriftliche Beantwortung gebeten. Auch hier werden die Antworten als Anlagen abgedruckt.
Meine Damen und Herren, damit sind wir am Ende der Fragestunde. Wir müssen jetzt die Sitzung leider bis 15.30 Uhr unterbrechen, weil die Abgeordneten nicht wissen konnten, daß die Fragestunde früher zu Ende gehen würde. Das tut mir für die Zuhörer leid, die nun leider Gottes eine halbe Stunde ohne Aktion im Bundestag hier warten müssen, bis es weitergeht.
Ich unterbreche die Sitzung bis 15.30 Uhr.

(Unterbrechung von 14.59 bis 15.30 Uhr)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1021017100
Meine Damen und Herren, wir fahren in den Beratungen fort.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung soll Punkt 15 der heutigen Tagesordnung abgesetzt werden. — Das Haus ist damit einverstanden; dann ist so beschlossen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 14 auf:
a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Tierschutzgesetzes
— Drucksache 10/3158 —
aa) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (10. Ausschuß)

— Drucksache 10/5259 —
Berichterstatter: Abgeordnete Sander
Michels Herkenrath
bb) Bericht des Haushaltsausschusses

(8. Ausschuß) gemäß § 96 der Geschäftsordnung

— Drucksache 10/5330 —
Berichterstatter:
Abgeordnete Schmitz (Baesweiler) Frau Zutt
Suhr

(Erste Beratung 137. Sitzung)

b) Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Frau Schmidt (Nürnberg), Dr. Hauff, Dr. Holtz, Müller (Schweinfurt), (Munich, Frau Blunck, Bachmaier, Egert, Schmitt (Wiesbaden), Antretter, Frau Dr. Hartenstein, Dr. Hauchler, Oostergetelo, Stiegler, Reuter, Dr. Vogel und der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verringerung der Tierversuche
— Drucksache 10/2703 —
aa) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (10. Ausschuß)

— Drucksache 10/5259 —
Berichterstatter:
Abgeordnete Sander Michels
Herkenrath
bb) Bericht des Haushaltsausschusses

(8. Ausschuß) gemäß § 96 der Geschäftsordnung

— Drucksache 10/5331 —
Berichterstatter:
Abgeordnete Schmitz (Baesweiler) Frau Zutt
Suhr

(Erste Beratung 137. Sitzung)

c) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (10. Ausschuß) zu dem Antrag der Abgeordneten Frau Dr. Bard und der Fraktion DIE GRÜNEN
Tierversuche im wehrmedizinischen Bereich
— Drucksachen 10/1307, 10/5259 —
Berichterstatter:
Abgeordnete Sander Michels
Herkenrath
d) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (10. Ausschuß) zu dem Antrag der Abgeordneten Frau Dr. Vollmer und der Fraktion DIE GRÜNEN



Vizepräsident Frau Renger
Verbot der Käfighaltung von Hühnern
— Drucksachen 10/1885, 10/5259 —
Berichterstatter:
Abgeordnete Sander Michels
Herkenrath
e) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (10. Ausschuß) zu dem Antrag der Fraktion der SPD
Tierschutzgerechte Nutztierhaltung — Drucksachen 10/2704, 10/5259 —
Berichterstatter:
Abgeordnete Sander Michels
Herkenrath
f) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (10. Ausschuß) zum Antrag der Abgeordneten Frau Dr. Bard und der Fraktion DIE GRÜNEN
Importstopp für Froschschenkel — Drucksachen 10/2868, 10/3423 —
Berichterstatter: Abgeordneter Schartz (Trier)

Zu Tagesordnungspunkt 14a liegen Änderungsanträge der Fraktion DIE GRÜNEN auf den Drucksachen 10/5348 bis 10/5352 sowie ein Entschließungsantrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 10/5354 (neu) und ein Änderungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und der FDP auf Drucksache 10/5355 vor.
Nach einer Vereinbarung im Ältestenrat sind eine gemeinsame Beratung der Punkte 14a bis 14 f und eine Aussprache von zwei Stunden vorgesehen. Erhebt sich dagegen Widerspruch? — Das ist nicht der Fall; dann ist so beschlossen.
Wird das Wort zur Berichterstattung erbeten? — Das ist nicht der Fall.
Dann treten wir in die Aussprache ein. Das Wort hat der Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1021017200
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Seit 1972 hat unser jetziges Naturschutzgesetz, das damals im Bundestag von SPD, FDP und CDU/CSU gemeinsam und einstimmig beschlossen wurde, bei vielen Bürgern und Bürgerinnen trotzdem in den folgenden Jahren zu teilweise leidenschaftlichen und auch emotionsgeladenen Protesten geführt. In Tausenden von Briefen wurde ein besserer Tierschutz gefordert. Meine Damen und Herren, kein Zweifel, die Sensibilisierung der Bevölkerung in Tierschutzfragen ist gestiegen.

(Dr. Emmerlich [SPD]: Gott sei Dank!)

Oftmals angeregt durch unrichtige und unvollständige Darstellungen in den Medien sind manche
Auffassungen extremer, kompromißloser, ja, man
darf und muß leider sagen: auch fanatischer geworden.

(von Hammerstein [CDU/CSU]: Genauso ist es!)

Die Union hat von Beginn ihrer Regierungsverantwortung an den Tierschutz als wichtigen Teil ihrer Politik gesehen, wobei sie sich sehr wohl bewußt war, wie schwierig die Lösung der Probleme ist. Die Parteien und der Deutsche Bundestag haben zusammen mit den Tierschutzorganisationen, der Wissenschaft und der Wirtschaft lange, intensiv und mit größter Sorgfalt um Verbesserungen gerungen.
Tierschutz, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist ein langer historischer Prozeß, ein von Menschen geprägter Prozeß. Tiere haben ihre Rechte nicht in Freiheitskämpfen errungen. Von der Philosophie eines Descartes, der Tiere als seelenlose Reflexmaschinen ansah, über die neuen ethischen Anregungen eines Albert Schweitzer bis hin zu dem vorliegenden Gesetzentwurf war es ein langer, mühsamer Weg. Die Bundesregierung und der Deutsche Bundestag haben sich nie gescheut, für den Tierschutz einzutreten. Sie haben allerdings auch stets die notwendigen Interessen der Menschen berücksichtigt, wenn es darum ging, z. B. die Wirkungen von Arzneimitteln zu prüfen, das Risiko umweltschädlicher Substanzen einzuschätzen oder neue Operationsmethoden in der Medizin zu erproben. Denn nach dem heutigen Stand der Wissenschaft sind Tierversuche nicht ohne unvertretbares Risiko zu ersetzen.
Für den Tierschützer stellt sich die zentrale Frage der Rechtfertigung von Schmerzen, Leiden, Schäden oder der Tötung von Tieren. Er tritt mit Nachdruck für einen stärkeren Schutz der Tiere, für die Abschaffung von Tierversuchen oder, etwas gemäßigter, für deren drastische Einschränkung ein.
Niemand wird bestreiten, daß Versuche, bei denen Tiere stellvertretend für Menschen zu Tests benutzt werden und oftmals auch leiden müssen, schwierige ethische und moralische Fragen aufwerfen. Unbestritten ist aber auch, daß Tierversuche letztlich der Sicherheit des Menschen dienen. Ein völliges Verbot von Tierversuchen würde diese Sicherheit radikal verhindern.
Wir Menschen stehen in der Schuld der Tiere. Vor diesem Hintergrund ist die Novelle zum Tierschutzgesetz zu sehen. Das Tier wird erstmals als Mitgeschöpf betrachtet, dessen Leben und Wohlbefinden geschützt werden müssen. Eine entsprechende Ergänzung des § 1 in der Gesetzesnovelle verdeutlicht diesen Bewußtseinswandel.

(Mann [GRÜNE]: Bleibt leider ohne Folgen!)

Das Tier ist nicht nur Sache im juristischen Sinn, sondern ein Lebewesen, daß die Fähigkeit zu Schmerzempfindungen und zum Leiden hat, — mit uns Menschen übrigens gemeinsam hat.
Alle Beteiligten haben sich bemüht, sorgfältig abzuwägen zwischen der ethischen Verpflichtung zum



Bundesminister Kiechle
Schutz der Tiere und der Verantwortung für den Schutz des Lebens und der Gesundheit unserer Bevölkerung.
Die Gesetzesänderung wird dazu führen, die Anzahl der Tierversuche ganz erheblich zu senken. Schmerzen und Leiden der Tiere werden soweit als irgend möglich verringert. So dürfen Tierversuche künftig nur noch durchgeführt werden, wenn sie aus gesundheitlichen Gründen, zur Erkennung von Umweltgefährdungen oder für die Grundlagenforschung unerläßlich sind und der verfolgte Zweck nicht durch sogenannte Alternativmethoden erreicht werden kann. Es muß abgewogen werden, ob die zu erwartenden Schmerzen, Leiden oder Schäden der Versuchstiere im Hinblick auf den Versuchszweck ethisch vertretbar sind. Bei Tierversuchen zur Entwicklung oder Erprobung von Waffen ist dies nicht der Fall; sie werden ausnahmslos verboten. Grundsätzlich gilt ein solches Verbot auch für die Prüfung von Tabakerzeugnissen, Waschmitteln und dekorativen Kosmetika.
Das Genehmigungsverfahren für Tierversuche wird verschärft. Genehmigungen gibt es nur noch, wenn die Tierversuche unerläßlich sind, alle Informationsmöglichkeiten zur Vermeidung unnötiger Wiederholungsversuche ausgeschöpft wurden und die personellen und technischen Voraussetzungen erfüllt sind, um Schmerzen, Leiden oder Schäden der Tiere auf ein Mindestmaß zu beschränken.
Vor der Durchführung von Tierversuchen, die nur einer Anzeigepflicht unterliegen, müssen der Behörde genaue Angaben über Einzelheiten gemacht werden. Zur Unterstützung der Behörden bei der Genehmigung von Tierversuchen werden Kommissionen berufen. In ihnen müssen auch Mitglieder vertreten sein, die von Tierschutzorganisationen vorgeschlagen wurden.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1021017300
Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Werner (Dierstorf)?

Ignaz Kiechle (CSU):
Rede ID: ID1021017400
Bitte schön.

Helmut Werner (GRÜNE):
Rede ID: ID1021017500
Herr Bundesminister, Sie haben eben gesagt, daß die Tierversuche durch das neue Gesetz drastisch eingeschränkt werden sollten. Man kann auch hier Zweifel anmelden. Meine Frage an Sie ist: Welche Verbesserungen wird dieses Gesetz für die landwirtschaftliche Nutztierhaltung, für die Tiere, die in der Landwirtschaft gehalten werden, bringen?

Ignaz Kiechle (CSU):
Rede ID: ID1021017600
Ich komme nachher gleich darauf, Herr Kollege.
Es werden unabhängige Tierschutzbeauftragte in den Tierversuchseinrichtungen eingesetzt, und zwar Tierschutzbeauftragte, die auf die Einhaltung tierschutzrechtlicher Vorschriften zu achten haben und die mit Tierversuchen oder mit der Haltung von Versuchstieren befaßte Personen beraten.
Weitere Maßnahmen zur Einschränkung von Tierversuchen sind vom Kabinett beschlossen worden. Sie entsprechen in vielen Punkten Beschlußempfehlungen des Ernährungsausschusses. Im wesentlichen geht es hierbei um eine Intensivierung der Erforschung sogenannter Alternativmethoden, durch die Tierversuche eingeschränkt oder ersetzt werden können. Auf meine Anregung hin ist zu diesem Zweck unlängst eine Stiftung gegründet worden, in der Industrieverbände, Tierschutzorganisationen sowie Bund und Länder mit dieser Zielsetzung zusammenarbeiten werden.
Alle diese Verbesserungen beim Tierschutz sollten es eigentlich auch der SPD möglich machen, dem vorliegenden Gesetzentwurf zuzustimmen, vor allem dann, wenn sie ihr Selbstverständnis als alte Arbeitnehmerpartei ernst nimmt. Es darf ja wohl nicht wahr sein, daß sich z. B. der Vorsitzende der IG Chemie, Kollege Rappe, für ein völliges Verbot von Tierversuchen ausspricht

(Frau Schmidt [Nürnberg] [SPD]: Das sagt doch kein Mensch! — Weiterer Zuruf von der SPD: Was sind denn das für Märchen?)

und damit auch Arbeitsplätze gefährdet.
Für das gewerbsmäßige Züchten von Tieren und den Tierhandel ist künftig eine behördliche Erlaubnis erforderlich. Sie wird an die Sachkunde und Zuverlässigkeit des Züchters oder Händlers gebunden sein.

(Zustimmung bei Abgeordneten der CDU/ CSU und der FDP)

Dadurch und durch eine verschärfte Kennzeichnungs- und Aufzeichnungspflicht wird es auch möglich sein, den Diebstahl von Hunden und Katzen, die bisweilen auch über dunkle Kanäle in Versuchseinrichtungen gelangten, weitgehend zu unterbinden.
Das Problem des Schächtens wird künftig bundeseinheitlich gelöst. Mit Rücksicht auf das Recht der ungestörten Religionsausübung können Ausnahmegenehmigungen für das rituelle Schlachten aus religiösen Gründen erteilt werden. Das Schächten z. B. zu Exportzwecken bleibt verboten.
Abschließend noch ein Wort zur Tierhaltung — und damit darf ich Ihre Frage, Herr Kollege, beantworten —: Mir wird als Landwirtschaftsminister immer wieder der Vorwurf gemacht, ich hätte bei der Novellierung des Tierschutzgesetzes zuwenig an den Schutz landwirtschaftlicher Nutztiere gedacht. Verlangt wird in diesem Zusammenhang die Abschaffung der Intensivtierhaltung. Wer die Produktionsbedingungen kennt, unter denen die Landwirtschaft heute weltweit betrieben wird, weiß, daß diese Forderung so nicht erfüllt werden kann. Wir haben uns aber bemüht, die Grundsatznormen für die Tierhaltungsgesetze klarer zu fassen und auf die Bedürfnisse auch der Tiere abzustellen. Jede Bewegungseinschränkung, mit der einem Tier Schmerzen zugefügt werden kann, ist künftig untersagt. Technische Einzelheiten über eine tiergerechte Haltung lassen sich nicht im Gesetz, sondern nur durch Rechtsverordnungen regeln. Da wir ei-



Bundesminister Kiechle
nen gemeinsamen Markt haben, können im wesentlichen nur EG-einheitliche Regelungen getroffen werden. Das fordern der Deutsche Bundestag und der Bundesrat.
Meine Damen und Herren, der vorliegende Gesetzentwurf ist abgewogen und versucht einen Interessenausgleich zwischen allen hiervon betroffenen gesellschaftlichen Gruppen. Ich appelliere an alle Tierschützer, die guten Willens sind, den großen Fortschritt pro Tierschutz in diesem Gesetz zu würdigen und anzuerkennen. Sie können darauf vertrauen, daß die Bundesregierung bei Anwendung des Gesetzes im Rahmen ihrer Verordnungskompetenz dem Gedanken des Tierschutzes hohe Priorität einräumt.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Dabei werden wir die Gesundheit des Menschen und das grundgesetzlich geschützte Prinzip der Freiheit von Forschung und Lehre berücksichtigen.
Ich bitte Sie, die Mitglieder des Hohen Hauses, um Ihre Zustimmung, weil ich der festen Überzeugung bin, daß die Bundesrepublik Deutschland mit diesem novellierten Tierschutzgesetz im internationalen Vergleich unbestritten eine Spitzenstellung einnimmt.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1021017700
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Sander.

Engelbert Sander (SPD):
Rede ID: ID1021017800
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wohl kaum ein Gesetz ist in der letzten Zeit so heftig umkämpft worden wie das heute zu verabschiedende neue Tierschutzgesetz. Es gab eine Flut von Eingaben und Stellungnahmen, und es gab auch massiven psychologischen Druck auf die Abgeordneten. Das wollen wir an diesem Tage nicht verschweigen.

(Hört! Hört! bei der CDU/CSU)

All das möchte ich zunächst werten als den Ausdruck eines größeren inneren Engagements und der Zunahme des Bewußtseins, daß der Mensch auch gegenüber dem Tier eine besondere Verantwortung trägt.

(Sehr wahr! bei der SPD)

Dieses veränderte Bewußtsein hat die Gesellschaft mitgeprägt. Darum ist es natürlich, daß sich ein verantwortungsbewußter Tierschutz nicht nur an den einzelnen richtet, sondern sozusagen auch an die Gesellschaft.
Deshalb stellt sich heute für jede Gesellschaft, die Anspruch darauf erhebt, eine humane und eine verantwortungsvolle zu sein, die Aufgabe, einen umfassenden Tierschutz zu verwirklichen.

(Beifall bei der SPD)

Die Gesellschaft als solche hat erkannt, daß auch das Tier als ein dem Menschen anvertrautes Gut zu schützen ist.

(Beifall bei der SPD)

Übersteigerte Reaktionen, Polemiken und Emotionen dürfen den Gesetzgeber nicht veranlassen, einseitig den Forderungen von Gruppen nachzugeben, die sich am lautstärksten Gehör zu verschaffen wissen.

(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der FDP)

Er muß vielmehr einen Weg finden, der den Interessen aller Betroffenen in etwa gerecht wird.

(Zuruf von den GRÜNEN: Wer ist denn betroffen?)

Mit der Durchsetzung von extremen Positionen, so verlockend das hier und da erscheinen mag, ist keinem gedient.
Die Schwierigkeit, einen Konsens zwischen Tierschutz, Wirtschaft und Wissenschaft zu finden, drückt sich auch darin aus, daß uns alle Seiten auffordern, das neue Gesetz abzulehnen. Dem einen geht das Gesetz nicht weit genug, dem anderen geht es praktisch schon zu weit. Der erste sieht das Tier durch das neue Gesetz noch mehr „sinnlos gequält", der zweite sieht die Forschung in Gefahr, und der dritte sieht seine wirtschaftliche Existenz bedroht. In dieser Situation müssen wir entscheiden.
Wir erkennen an, daß die Tierschützer und ihre Organisationen weltweit große Erfolge errungen haben. Das gewachsene Bewußtsein für die Notwendigkeit eines noch besseren Tierschutzes ist hauptsächlich ihr Verdienst.

(Tatge [GRÜNE]: Eine traurige Rede! — Gegenruf des Abg. Eigen [CDU/CSU]: Die ist hervorragend!)

Trotzdem sei mir die kritische Anmerkung gestattet, daß durch übertriebene Darstellungen auch der Blick für die Wirklichkeit verstellt werden kann.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Es ist ja nicht so — lassen Sie mich das einmal sagen —, daß in den letzten Jahren die Zahl der Tierversuche ständig zugenommen hätte,

(Zuruf von der SPD: Richtig!)

daß kaum oder gar nicht mit Ersatz- und Ergänzungsmethoden gearbeitet würde, daß von der Bevölkerung Tierversuche gänzlich abgelehnt würden usw. usw. Ich sage Ihnen eines: Wer die Wirklichkeit aus den Augen verliert, der kann nicht damit rechnen, daß er auf Dauer ernstgenommen wird.

(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der FDP)

Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang noch eine andere grundsätzliche Feststellung treffen. Bei aller Überzeugung, daß es keine schrankenlose Verfügbarkeit über tierisches Leben geben kann, darf jedoch kein Zweifel daran bestehen, daß es einen absoluten Tierschutz im Sinne der Unantastbarkeit tierischen Lebens nicht geben kann.

(Zustimmung bei der CDU/CSU)

Wer so etwas fordert, müßte sowohl den Verzehr von Fleisch wie auch die Bekämpfung tierischer Schädlinge verbieten. Er dürfte übersetzte Wildbestände nicht dezimieren usw. usw.



Sander
Ich sage Ihnen bei allem Respekt: Wer dem Tier menschliche Würde verleiht, muß sich zwangsläufig für die Unantastbarkeit seines Lebens einsetzen. Die Verantwortung gegenüber dem Tier findet aber ihre Grenze in der Verantwortung gegenüber dem Menschen. Diese hat Vorrang.
Aus diesem Vorrang ergeben sich aber auch Verpflichtungen. Die Erhaltung von Gesundheit, die Überwindung von Hunger und sonstigem Elend sind solche Verpflichtungen.

(Sehr gut! bei der SPD und der CDU/CSU)

Aus der Verpflichtung, menschliches Leben zu schützen und zu erhalten, ergibt sich vielfach noch — ich möchte sagen, leider — die Notwendigkeit von Tierversuchen. Es kann keinen Zweifel darüber geben, daß ohne Tierversuche die Medizin den heutigen Stand nicht erreicht hätte.

(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der FDP)

Lassen Sie mich eines hinzufügen. Wenn Tiere mehr oder weniger ohne Skrupel in den Dienst der menschlichen Ernährung und der Arbeit gestellt werden, kann es nicht unmoralisch sein, sie in dem unbedingt notwendigen Maße auch in den Dienst der Erforschung menschlicher und tierischer Krankheiten zu stellen.

(Zuruf von den GRÜNEN: Sind sie deshalb zu quälen?)

— Dazu sage ich etwas. — Ich verwahre mich deshalb ausdrücklich dagegen, daß forschende Wissenschaftler in diesem Zusammenhang als Tiermörder disqualifiziert und kriminalisiert werden;

(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der FDP — von Hammerstein [CDU/CSU]: Ausgezeichnete, hervorragende Rede!)

sie sind keine Barbaren im weißen Kittel. Hier vermisse ich etwas. Lassen Sie mich das auch einmal in aller Offenheit sagen. Ich vermisse das Eintreten für jene, die sich gerade durch ihre forschende Tätigkeit in den Dienst der Menschheit stellen. Auch der Wissenschaftler hat einen Anspruch auf den Schutz seiner menschlichen Würde.

(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der FDP)

Meine Damen und Herren, ein Vergleich der dem Parlament vorliegenden Gesetzentwürfe zeigt, daß der SPD-Entwurf den Anliegen und Forderungen der Tierschutzorganisationen mehr entspricht als der Regierungsentwurf. Beiden Gesetzentwürfen gemeinsam ist jedoch das Bemühen, neben der Verbesserung des Tierschutzes schlechthin — dies gilt vor allem für den Bereich der Massentierhaltung — zu einer weiteren Einschränkung der Tierversuche zu kommen. Beiden Entwürfen gemeinsam ist auch der Mangel, daß die Beseitigung der in zahlreichen Gesetzen zwingend vorgeschriebenen Tierversuche nicht erreicht werden konnte. Hier richten sich unsere Hoffnungen auf die vorliegende Entschließung, in der die Bundesregierung aufgefordert wird, zu untersuchen, inwieweit künftig auf diese Tierversuche verzichtet werden kann.
Wir Sozialdemokraten werden den Regierungsentwurf ablehnen, weil er Hauptforderungen aus dem SPD-Gesetzentwurf nicht erfüllt.

(Beifall bei der SPD — Zuruf von den GRÜNEN)

Diese Hauptforderungen sind:
Erstens. Wir fordern ein grundsätzliches Verbot von Tierversuchen mit streng geregelten Ausnahmen. Ein solches Verbot würde die Wirklichkeit sicher nicht von heute auf morgen verändern; aber es hätte eine Signalwirkung weit über unsere Grenzen hinaus.

(Beifall bei der SPD)

Zweitens. Wir fordern eine andere Besetzung der Tierschutzkommissionen, und zwar in der Gestalt, daß ein Drittel der Mitglieder der Kommissionen Naturwissenschaftler, ein Drittel Geisteswissenschaftler und ein Drittel Tierschützer sind.
Hier gilt übrigens auch das, was ich vorhin in einem anderen Zusammenhang gesagt habe. Tierschützer und SPD halten die im Regierungsentwurf vorgesehene Zusammensetzung, nämlich zwei Drittel Naturwissenschaftler und ein Drittel Mitglieder von Tierschutzorganisationen, für nicht ausreichend. Die Naturwissenschaftler ihrerseits erheben bereits gegen das eine Drittel der Tierschützer — erst recht gegen das weitere Drittel der Geisteswissenschaftler — erhebliche Bedenken, weil sie die Durchführung von Tierversuchen für die Zukunft gefährdet sehen.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1021017900
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Hirsch?

Engelbert Sander (SPD):
Rede ID: ID1021018000
Bitte sehr.

Dr. Burkhard Hirsch (FDP):
Rede ID: ID1021018100
Verehrter Herr Kollege, entspricht denn das grundsätzliche Verbot von Tierversuchen, das in Ihrem Gesetzentwurf enthalten ist, den allgemeinen Grundsätzen, die Sie bisher in Ihrer Rede dargelegt haben?

(Frau Hönes [GRÜNE]: Das frage ich mich auch! Das war eine gute Frage!)


Engelbert Sander (SPD):
Rede ID: ID1021018200
Ich komme darauf zu sprechen.
Die SPD-Fraktion hat erhebliche Bedenken dagegen, daß zu Tierschutzbeauftragten auch Personen bestellt werden können, die selber Tierversuche durchführen.

(Sehr wahr! bei der SPD)

Die geforderte Unabhängigkeit ist nicht dadurch gewährleistet, daß Wissenschaftler bei eigenen Versuchsvorhaben als Tierschutzbeauftragte nicht tätig sein dürfen.
Viertens. Mit dem Wegfall des Verbots der dauernden Bewegungseinschränkung in § 2 sieht die SPD die Gefahr, daß die Massentierhaltung in Zukunft noch mehr tierschutzwidrig ausgeweitet wird. Hier ist die Formulierung im alten Gesetz besser.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN)




Sander
Fünftens. Auch das im Regierungsentwurf vorgesehene Verbot von Tierversuchen zur Entwicklung oder Erprobung von Waffen hält die SPD für nicht ausreichend, wenn auch der positive Aspekt der neuen Regelung anerkannt wird; zumindest ist diese ein Haltesignal für den Fall, daß jemand auf den Gedanken kommen sollte, zur Entwicklung von Waffen doch Tierversuche durchzuführen.
Meine Damen und Herren, der Redlichkeit halber muß ich jedoch feststellen, daß eine ganze Reihe sozialdemokratischer Forderungen Eingang in den Regierungsentwurf bzw. in die dem Bundestag vorliegende Entschließung gefunden hat.

(Dr. Meyer zu Bentrup [CDU/CSU]: Deshalb haben Sie im Ernährungsausschuß ja auch zugestimmt!)

Das gilt — wenn auch für uns nicht ausreichend — für das soeben erwähnte Verbot von Tierversuchen zur Entwicklung oder Erprobung von Waffen und Munition; das gilt weiter für das grundsätzliche Verbot von Tierversuchen zur Prüfung von Tabakerzeugnissen, Waschmitteln und dekorativen Kosmetika, und es gilt auch für das Verbot der Ausfuhr von geschächtetem Fleisch. Die Anforderungen für die Erteilung von Tierversuchsgenehmigungen sind meines Erachtens auch dadurch verschärft worden, daß die Voraussetzungen glaubhaft gemacht bzw. nachgewiesen werden müssen.
In das Gesetz erneut aufgenommen wurde ein Verbot des Nachnahmeversands von Tieren. Sie wissen, das Bundesverfassungsgericht hatte diese Bestimmung seinerzeit aufgehoben, weil sie zu pauschal gefaßt war. Mit besonderen Ausnahmeregelungen soll jetzt dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts entsprochen werden, aber an dem Grundsatz des Nachnahmeversendungsverbots wollen wir festhalten. Hinzufügen darf ich, daß die Aufhebung des Nachnahmeverbots in keinem Gesetzentwurf gefordert worden war.
Die Bundesregierung hat dem Bundestag alle zwei Jahre einen Bericht über den Stand der Entwicklung des Tierschutzes zu erstatten.
Lassen Sie mich jetzt eine Bemerkung zur vorliegenden Entschließung anschließen. Diese Entschließung halte ich durchaus für bedeutsam; gleichwohl sieht sich die SPD-Fraktion nicht in der Lage, ihr zuzustimmen, da die in Ziffer III 1, betreffend die Massentierhaltung, enthaltenen Forderungen hinter den Forderungen der SPD in ihrem Antrag zu einer tierschutzgerechten Nutztierhaltung weit zurückbleiben. Wir werden uns, wie gesagt, bei der Abstimmung über die Entschließung deshalb der Stimme enthalten. Wir begrüßen, daß die in der Entschließung enthaltenen Forderungen zum Teil — das muß man sagen — weit über das Gesetz hinausgehen.
Der Aufbau einer Datenbank für Tierversuche war eine zentrale Forderung des SPD-Gesetzentwurfs. Sie soll die Zahl der Doppelversuche für die Zukunft entscheidend verringern. In der Entschließung wird die Bundesregierung aufgefordert, bis zum 1. Januar 1988 einen Gesetzentwurf über die Errichtung dieser Datenbank vorzulegen.
Die Forderung an die Bundesregierung, innerhalb von drei Monaten Vorschläge dazu zu machen, wie die Zahl der Tierversuche verringert bzw. wie auf Tierversuche ganz verzichtet werden kann, wird von uns begrüßt. Daß dem Bundestag innerhalb dieses Zeitraums auch ein Vorschlag über ein Verbot des LD-50-Tests und des Draize-Tests unterbreitet werden soll, findet unsere Zustimmung.
Ferner begrüßen wir, daß alternative Methoden bei Tierversuchen verstärkt gefördert werden sollen und daß so bald wie möglich ein Fonds zur Förderung dieser alternativen Methoden als Stiftung errichtet wird. Wie wir erfahren konnten, sind die Vorbereitungen für die Errichtung dieser Stiftung sehr weit gediehen.
Wenn wir auch der Passage über die Massentierhaltung in der Entschließung nicht zustimmen können, so begrüßen wir doch, daß die Bundesregierung aufgefordert wird, bis zum 31. Dezember 1987 durch Rechtsverordnung Vorschriften über Mindestanforderungen bei der Massentierhaltung zu erlassen. Wir wissen, daß dies auch im Rahmen der Europäischen Gemeinschaft eine Frage von besonderer Bedeutung ist.
Zu der Kritik, die allgemein an Entschließungen des Parlaments geübt wird und die sicher auch hier zu erwarten ist, möchte ich sagen, daß es eine Frage der Selbstachtung und des Durchsetzungsvermögens gegenüber der Regierung ist, inwieweit Forderungen und Beschlüsse des Parlaments erfüllt werden.
Ein zweites Wort zur Massentierhaltung: Seit langem können uns bestimmte Formen dieser Tierhaltung nicht befriedigen. Wir müssen für die Zukunft, notfalls im Alleingang innerhalb der EG, zu Lösungen kommen, die dem Geist der neuen Tierschutzgesetzgebung entsprechen. Dabei müssen wirtschaftliche Interessen und Auswirkungen berücksichtigt werden, aber nur insoweit, als sich dies guten Gewissens vertreten läßt. Hier muß der Tierschutz Vorrang haben.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, eine Schlußbemerkung. Wir stehen am Ende der Beratungen über ein neues Tierschutzgesetz. Bei aller Kritik, die wir Sozialdemokraten an dem neuen Gesetz zu üben haben, hoffen wir doch, daß es dem Gedanken eines ethisch fundierten Tierschutzes mehr Raum und Geltung verschafft. Entscheidend ist, daß der Inhalt des neuen Gesetzes mit dem Geist erfüllt und praktiziert wird, den sich eine humane Gesellschaft wünscht. Neben der Verbesserung des Tierschutzes allgemein — hier darf ich die Bemühungen auf dem Gebiet der Massentierhaltung noch einmal hervorheben — ging es vor allem darum, zu einer weiteren Einschränkung der Tierversuche zu kommen. Alle Gesetzentwürfe — und hier meine ich nicht nur die Entwürfe von Opposition und Koalition, sondern auch die der Verbände und anderen Organisationen und Kreise — hatten diese gemeinsame Zielsetzung. Worum in den letzten Monaten gerungen wurde, war nicht das Ziel, sondern der beste Weg zu diesem Ziel.



Sander
Erlauben Sie mir eine allerletzte Bemerkung, ganz zum Schluß. Als jemand, der dem neuen Deutschen Bundestag nicht mehr angehören wird, möchte ich mich für die sachliche Atmosphäre und für die faire Art der Begegnung bei den zahlreichen Gesprächen, die ich als Berichterstatter mit den Verbänden, den wissenschaftlichen Instituten, der Bundesregierung sowie den Kolleginnen und Kollegen auch der anderen Fraktionen zu führen hatte, an dieser Stelle herzlich bedanken. Namentlich möchte ich mich bei meinem Mitberichterstatter, Herrn Kollegen Michels, für die Fairneß und für die gute Unterstützung bedanken. Möge dieser Arbeit ein guter Erfolg beschieden sein.
Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der FDP)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1021018300
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Michels.

Meinolf Michels (CDU):
Rede ID: ID1021018400
Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Unser zur Zeit gültiges Tierschutzgesetz aus dem Jahre 1972 galt bei seiner Verabschiedung vor 14 Jahren und gilt auch heute noch im internationalen Vergleich als eines der fortschrittlichsten auf dem Gebiet des Tierschutzes. Die mit der Verabschiedung des Tierschutzgesetzes von 1972 erfolgte Betonung des ethischen Tierschutzes hat an der grundsätzlichen Stellung des Tieres in der Rechtsordnung nichts geändert.
Die Grundkonzeption des heute vorliegenden Tierschutzgesetzes ist auf Initiative meiner Fraktion über die Regierungsvorlage hinausgehoben worden, und zwar wurde § 1 wie folgt geändert. Es heißt dort jetzt:
Zweck dieses Gesetzes ist es, aus der Verantwortung des Menschen für das Tier als Mitgeschöpf dessen Leben und Wohlbefinden zu schützen.
Diese Ethik der Mitgeschöpflichkeit, von dem Züricher Theologen Fritz Blank entwickelt, mißt dem Leben des Tieres einen besonders hohen Wert zu, die es grundsätzlich von der bisher im abendländischen Recht üblichen Einstufung als Sache unterscheidet.
Auf Grund der durch Verantwortungsbewußtsein geprägten Sonderstellung des Menschen hat sich die christliche Einstellung manifestiert, daß der Mensch eine Treuhandschaft für das Tier übernimmt. Schon Franz von Assisi trat für die christliche Idee der Rücksichtnahme des Menschen gegenüber dem Tier ein. Albert Schweitzer fordert die Ethik der Ehrfurcht vor dem Leben. Das entscheidende Argument für eine besondere Verantwortung des Menschen gegenüber dem Tier liegt in dessen Schmerzfähigkeit sowie in dem Vermögen, früheren Schmerz im Gedächtnis zu behalten. Somit haben sich alle Vorhaben des Menschen hinsichtlich der Nutzung des Tieres an dieser Norm der Mitschöpflichkeit zu orientieren.
Herr Sander und ich haben im Bericht der Berichterstatter festgehalten, daß solche Versuche, die beim Menschen zu unerträglichen Schmerzen führen würden, auch beim Tier nicht durchgeführt werden dürfen. Mit dieser Einstellung verläßt das deutsche Tierschutzrecht die bisher gültige Vorstellung, daß das Tier seine Existenzberechtigung schwerpunktmäßig auf seinem Nutzen für den Menschen begründet.
Ich möchte mich an dieser Stelle für die gute und intensive Zusammenarbeit im Rahmen dieser Gesetzesberatung bei der Bundesregierung, bei Frau Scherenberger, bei den Kollegen Susset, Riedl und Stutzer, insbesondere aber auch bei dem Berichterstatterkollegen, Herrn Sander, bedanken.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)

Die Tatsache, daß im federführenden Ausschuß die Entschließungsanträge einstimmig verabschiedet werden konnten, läßt deutlich werden, daß im Grunde ein Konsens zwischen allen Fraktionen dieses Hauses erreicht wurde.
Meine Damen und Herren, wir alle haben während der letzten Jahre zu dem gesamten Bereich des Tierschutzes von unseren Mitbürgern mehr Briefe bekommen als zu irgendeinem anderen Gesetzesvorhaben. Das zeigt, welche Bedeutung möglicherweise die Öffentlichkeit dem Tierschutzgesetz beimißt. Die vielen Gespräche, die wir mit den Vertretern der Tierschutzverbände führen konnten, waren für uns eine unverzichtbare Hilfe. Wenn heute einige Tierschutzverbände mit dem vorliegenden Gesetzentwurf nicht voll einverstanden sind, so bedauere ich das.

(Tatge [GRÜNE]: Welche sind denn einverstanden?)

Andererseits liegen uns Interventionen aus anderen Kreisen unserer Bevölkerung vor, denen zufolge wir für Wissenschaft, Forschung und Industrie zu gravierende Einschränkungen auferlegen würden.
Meine Damen und Herren, wir haben uns bemüht, in der Verantwortung vor Mensch und Tier bis an die Grenze des Vertretbaren zu gehen. Mit diesem Gesetz wird sichergestellt, daß der gesamte Komplex der Tierhaltung und die reale Situation der Versuchstiere alle zwei Jahre Gegenstand einer öffentlichen Verhandlung vor diesem Hohen Hause sind.
Wie ich schon bei der ersten Lesung dieses Gesetzes von dieser Stelle aus angekündigt habe, ist die zweijährige Berichtspflicht der Bundesregierung auf unser Betreiben hin in das Gesetz aufgenommen worden. In § 16c heißt es jetzt:
Die Bundesregierung erstattet dem Deutschen Bundestag alle zwei Jahre einen Bericht über den Stand der Entwicklung des Tierschutzes.
Meine Damen und Herren, hiermit wollen wir das Thema Tierschutz gemäß der ethischen Verantwortung des Menschen für das Tier zu einer bleibenden Aufgabe für die Öffentlichkeit und die Vertreter dieses Hohen Hauses machen. Forderungen, die im Interesse des Tierschutzes stehen und heute noch nicht erfüllbar sind, werden durch die bleibende Be-



Michels
handlung dieses Themas sehr schnell der Vergangenheit angehören.
Wir sollten es aber auch nicht zulassen, daß die Angehörigen von Forschung und Wissenschaft in eine falsche, eben tierschutzwidrige Ecke hineindiskutiert werden. Ohne die Erkenntnisse von Wissenschaft und Forschung hätten wir für die meisten Krankheiten, mit denen die Menschheit heute zu kämpfen hat, keine wirksamen Gegen- und Heilmittel. Ohne die Ergebnisse der medizinischen Forschung gäbe es z. B. nicht die heute bekannten Mittel gegen Malaria, kein Streptomycin gegen Tuberkulose, kein Insulin gegen Zuckerkrankheit usw.
Auch der Entwurf der SPD ist in der Erkenntnis verfaßt, daß in Zukunft noch Tierversuche nötig sind.
Mit unserem Entschließungsantrag betreten wir auf dem Gebiet der Datensammlung und Datennutzung in gewissem Umfang Neuland. Unter Ziffer III. 3 der Beschlußempfehlung heißt es:
Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf, bis zum 1. Januar 1988 einen Gesetzentwurf über die Errichtung einer zentralen Datenbank für die Sammlung von Daten über Tierversuche vorzulegen. In diesem Gesetzentwurf sind Lösungen der rechtlichen Fragen, insbesondere hinsichtlich der Geheimhaltung, ... des Patentrechts, der Zweitanmelderproblematik sowie der Entschädigung vorzusehen.
Wir beabsichtigen hiermit, Doppelversuche zu vermeiden und schon gewonnene Erkenntnisse ohne erneute Tierversuche für geplante Vorhaben nutzbar zu machen.
Weiterhin wird die Bundesregierung aufgefordert, innerhalb von drei Monaten eine Übersicht über alle nationalen und internationalen Regelungen, in denen Tierversuche vorgeschrieben und vorgesehen sind, dem Bundestag vorzulegen und Vorschläge zu machen, wie die Zahl der Tierversuche verringert oder auf Tierversuche ganz verzichtet werden kann.
Auf Grund der wissenschaftlichen Erkenntnisse kann auf den herkömmlichen LD-50-Test zur Ermittlung der Giftigkeit chemischer Substanzen verzichtet werden, und er kann durch die approximative Bestimmung ersetzt werden. Wir wollen nicht mehr warten, bis 50 % der Tiere bei der Verabreichung einer entsprechenden Dosis verendet sind, sondern ein Versuch soll abgebrochen werden, sobald erkennbar ist, daß das Tier an diesem Mittel sterben würde.
Wir erwarten, daß sich die Bundesregierung die Überprüfung aller Gesetze, in denen Tierversuche gefordert werden, ebenfalls zur Daueraufgabe macht.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Die Bundesrepublik Deutschland gehört zu den Ländern mit dem höchsten wissenschaftlichen und technischen Niveau. Ich bin sicher, daß unsere Wissenschaftler das Angebot der Bundesregierung zur Entwicklung von alternativen Methoden annehmen werden. Die vor wenigen Wochen durch unseren Minister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten gegründete Stiftung zur Förderung von Alternativmethoden sollte von allen, insbesondere aber von der Wirtschaft, unterstützt werden, damit die Stiftung ihrerseits bei der Erforschung von Alternativmethoden auch finanziell behilflich sein kann.
Im Bereich der Tierhaltung müssen wir zwischen der landwirtschaftlichen Tierhaltung und der Zilchtung und Haltung von Versuchstieren unterscheiden. Versuchstiere dürfen in Zukunft nur noch in genehmigten und behördlich überwachten Zuchtbetrieben gezüchtet, gehalten und in kontrollierter Weise an die Forschungseinrichtungen weitergegeben werden. Der Handel mit Heim- und Versuchstieren unterliegt ab jetzt einer behördlichen Erlaubnis. Damit ist den Tierfängern im rechtlichen Rahmen in Zukunft absolut das Handwerk gelegt.

(Werner [Dierstorf] [GRÜNE]: Bis auf Ausnahmen!)

Die Öffentlichkeit soll wissen, daß sich Bilder, wie wir sie noch vor wenigen Wochen im Fernsehen vorgeführt bekommen haben, in Zukunft in der Praxis nicht mehr wiederholen können.
Die landwirtschaftliche Tierhaltung unterliegt ebenfalls der Tierhalternorm, wie sie in § 2 festgelegt ist. Nach der Tierhalternorm sollen die Haltungsbedingungen klarer gefaßt und auf die besonderen Bedürfnisse der Tiere abgestellt werden.

(Eigen [CDU/CSU]: Sehr gut!)

Dann wird der Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ermächtigt, durch Rechtsverordnung die besonderen Anforderungen für die Haltung der einzelnen Nutztierarten genauer zu bestimmen.
Einer der in Europa bekanntesten Ethologen, Professor Tschanz aus der Schweiz, hat die im Gesetz verwendeten Begriffe „artgemäß" und „verhaltensgerecht" in etwa wie folgt ausgelegt: „Die Haltungsart für Tiere sollte so sein, daß dadurch Schmerz, Leiden oder Schäden für das Tier selbst oder durch ein so gehaltenes Tier an einem anderen nicht entstehen." Ich bitte die Bundesregierung, bei der Erarbeitung der diesbezüglichen Verordnung diese ethologischen Erkenntnisse mit einfließen zu lassen.
Der Forderung nach einer europaweiten Regelung der Legehennenhaltung ist der Rat der EG inzwischen nachgekommen. Die Käfighaltung für Legehennen könnte meiner Meinung nach wie in der Schweiz innerhalb einer gewissen Frist total auslaufen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und bei Abgeordneten der GRÜNEN)

Dies kann aber nur europaweit geschehen. Ein einseitiges Verbot der Käfighaltung würde den Legehennen nicht helfen, sondern nur den deutschen Haltern schaden, und das kann niemand, der Verantwortung trägt, wollen.

(Zurufe von den GRÜNEN)




Michels
Eine europaweite Umstellung der Legehennenhaltung würde auch dazu beitragen, daß die Legehennenhaltung in Volierenform wieder auf die Bauernhöfe zurückwandern würde. Die Hennen würden artgerechter gehalten, und den bäuerlichen Betrieben erschlösse sich wieder ein ihnen ohnehin zustehendes Feld der wirtschaftlichen Betätigung, was für sie eine entsprechende finanzielle Stärkung bedeuten würde.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Selbstverständlich ist dann der jetzige Preis pro Ei, der sich seit 1952 auf der gleichen Höhe bewegt, nicht mehr zu halten.
In unserem Grundgesetz ist die Freiheit der Religionsausübung garantiert. Auf die Freiheit der Religionsausübung berufen sich z. B. die Angehörigen der mosaischen Glaubenshaltung bei ihrer Forderung, das Schächten zuzulassen, weil von ihnen nur Fleisch von geschächteten Tieren gegessen werden darf. Nach zwei Anhörungen und genauer Analyse aller Vorschriften sahen wir keine andere Möglichkeit, als im Fall der religiösen Forderung auf besonderen Antrag und in entsprechenden Schlachthäusern das Schächten vorerst noch weiter zuzulassen. Für den Export wird das Schächten verboten. Ich bitte aber die Bundesregierung, vor Erteilung einer solchen Ausnahmegenehmigung noch einmal zu prüfen, ob nicht dieser Forderung auch nach vorausgegangener Betäubung nachgekommen werden kann.
Meine Damen und Herren, das Anliegen dieses Gesetzes ist zu wichtig und unsere Verantwortung vor dem Mitgeschöpf Tier ist zu groß, als daß Grenzsituationen des zur Zeit Erreichbaren auf billige und entwürdigende Weise parteitaktisch eventuell mißbraucht werden dürften.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Ich möchte noch einmal, sozusagen in Kurzform, herausstellen, was meiner Meinung nach gegenüber dem geltenden Gesetz an entscheidenden Verbesserungen, bezogen auf mehr Tierschutz, erreicht werden konnte.
Tierversuche dürfen hiernach nur noch durchgeführt werden, wenn sie nicht durch ein anderes Verfahren ersetzt werden können. Es besteht in Zukunft grundsätzlich Anzeige- und Aufzeichnungspflicht bei der Durchführung von Tierversuchen. Im Genehmigungsverfahren muß das Vorhaben glaubhaft gemacht werden. Glaubhaft machen liegt zwischen Beweis und wissenschaftlicher Begründung.
Es dürfen nur noch Tiere verwandt werden, die in speziellen Zuchtanstalten für Tierversuche gezüchtet sind. Tierversuche aller Art können nur noch unter vorausgegangener Betäubung erfolgen.
Grundsätzlich muß ein Tierschutzbeauftragter bestellt werden, der die Einhaltung der Tierschutzbestimmungen überwacht. Es sind Tierschutzkommissionen zu berufen, denen auch bei der Bundeswehr Entsandte der Tierschutzorganisationen angehören müssen.
Tierversuche zur Entwicklung von Tabakerzeugnissen, Waschmitteln und dekorativer Kosmetika sind in Zukunft grundsätzlich verboten.

(Werner [Dierstorf] [GRÜNE]: Mit Ausnahmeregelungen!)

Tierversuche zur Entwicklung oder Erprobung von Waffen oder Munition sind verboten.
Für die Beförderung der Tiere mit der Bahn oder Post sind unter Einhaltung gewisser Auflagen besondere Verordnungen zu erlassen. Die Verwendung von Dopingmitteln bei Tieren bei deren Einsatz in sportlichen Wettkämpfen wird verboten. Die Zucht von sowie der Handel mit Tieren unterliegen in Zukunft einem Sachkundenachweis und Genehmigungsvorbehalt.
Die Bundesregierung wird aufgefordert, alle tangierenden Gesetze daraufhin zu überprüfen, ob die vorgeschriebenen Tierversuche auch nach den Maßgaben dieses Gesetzes noch nötig sind, und innerhalb eines Jahres einen Gesetzentwurf für die Errichtung einer Datenbank vorzulegen.
Meine Damen und Herren, in dem Gesetzentwurf gibt es einen Schreibfehler, den ich hier korrigieren möchte. In § 9 Abs. 2 Nr. 4 heißt es dreimal „einem unbetäubten Wirbeltier". Es muß jeweils heißen „einem nicht betäubten Wirbeltier".
Ich möchte auch noch einen mit den Fraktionen abgesprochenen Entschließungsantrag kurz begründen, der als Nr. 6 mit in den vorgelegten Entschließungsantrag aufgenommen werden soll. Er lautet:
Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem in der Bundesrepublik Deutschland noch den Beruf des praktischen Kastrierers ausübenden Personenkreis die Existenzgrundlage zu erhalten unter folgenden Auflagen:
a) Registrierungspflicht der noch im Beruf stehenden Kastrierer,
b) Befähigungsnachweis für Bezug und Anwendung bestimmter Betäubungsmittel hinsichtlich eines fachgerechten Eingriffs,
c) Auslauf der Übergangsregelung zum 31. Dezember 1999.
Meine Damen und Herren, es stelle sich bitte niemand hier hin und sage, wir seien mit diesem Gesetz nicht bis an die Grenzen des zur Zeit Vertretbaren gegangen.

(Lachen bei den GRÜNEN)

Ich darf darauf hinweisen, daß die Regierung unter Führung der SPD mit ihrem Entwurf aus der Diskussionsphase nicht herausgekommen ist. Und es ist auch gegenüber der Öffentlichkeit nicht fair, wenn sich der eine Teil der SPD inhaltlich voll hinter unseren Entwurf stellt, während der andere Teil mit Forderungen an die Öffentlichkeit tritt, die sie



Michels
weder zu Ihrer Regierungszeit erfüllen wollte noch heute erfüllen würde.

(Zuruf von der CDU/CSU: Sehr richtig! Opportunistisch nennt man so was!)

Es ist dieser Bundesregierung zu verdanken, daß das Anliegen gerade der Tierschutzverbände aufgegriffen wurde und ein neues Tierschutzgesetz nach gründlichster Vorbereitung heute zur Verabschiedung vorliegt. Für meine Fraktion erkläre ich mit nochmaligem Dank an alle, die hier mit Rat und Tat beteiligt waren, daß wir die Gesetzesvorlage unterstützen.
Schönen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1021018500
Meine Damen und Herren, der Abgeordnete Senfft hat das Wort nach § 42 der Geschäftsordnung erbeten.

Hans-Werner Senfft (GRÜNE):
Rede ID: ID1021018600
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Fraktion DIE GRÜNEN beantragt gemäß § 42 unserer Geschäftsordnung die Herbeirufung des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten.

(Beifall bei den GRÜNEN — Kroll-Schlüter [CDU/CSU]: Der Staatssekretär ist doch da!)

Es hat — das wurde hier schon am Anfang der Debatte gesagt — in letzter Zeit kaum einen Gesetzentwurf, kaum ein anderes Thema gegeben, wo wir so viele Zuschriften von den Bürgern, von den Tierschutzorganisationen, von den Tierschutzgruppen bekommen haben. Es ist aus unserer Sicht schon sehr dreist, wenn der federführende Minister hier kurz seine Meinung sagt und dann noch nicht einmal anwesend ist, um sich die Argumente der folgenden Redner anzuhören.

(Beifall bei den GRÜNEN)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1021018700
Zur Geschäftsordnung hat der Abgeordnete Seiters das Wort.

Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1021018800
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Bundesernährungsminister hat die Einbringungsrede gehalten, ist auch bei der ersten Oppositionsrede dabeigewesen, ist jetzt zu einer wichtigen Besprechung abgerufen worden,

(Senfft [GRÜNE]: Der Termin stand doch lange fest!)

wird gegen fünf Uhr wieder hier sein, an der weiteren Beratung teilnehmen. Der Minister wie auch sein Staatssekretär, der hier auf der Regierungsbank sitzt, haben sich in den ganzen vorangegangenen Monaten aktiv in die Diskussion eingeschaltet und die Eingaben der engagierten Bürger, der Tierschutzorganisationen und der Verbände wirklich maßgeblich mitbegleitet und diese Eingaben auch mitgeprüft,

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

so daß ich herzlich darum bitte, diesen Antrag abzulehnen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1021018900
Das Wort hat der Abgeordnete Porzner.

Konrad Porzner (SPD):
Rede ID: ID1021019000
Frau Präsidentin! Meine verehrten Damen und Herren! Der Bundeslandwirtschaftsminister hat sich bei uns entschuldigt, daß er aus einem dringenden und überzeugenden Grund kurz weg sein muß. Deswegen lehnen wir diesen Antrag ab.

(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der FDP)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1021019100
Meine Damen und Herren, ich lasse über den Antrag der Fraktion DIE GRÜNEN abstimmen.
Wer dem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Antrag ist abgelehnt.
Wir fahren in den Beratungen fort. Das Wort hat Frau Abgeordnete Hönes.

Hannegret Hönes (GRÜNE):
Rede ID: ID1021019200
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren!
Zweck dieses Gesetzes ist es, aus der Verantwortung des Menschen für das Tier als Mitgeschöpf dessen Leben und Wohlbefinden zu schützen.
In letzter Minute wurde dieser Satz dem vorliegenden Gesetzentwurf bei den Beratungen im Ausschuß vorangestellt.

(Eigen [CDU/CSU]: Waren Sie denn dabei?)

Welcher Hohn für ein Käfighuhn, ein Mastkalb in enger Einzelbox oder ein Versuchstier im LD-50-
Test; welcher Hohn aber auch für das ganze Gesetz.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Sollte der vorliegende Entwurf — zumal mit den vom Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten vorgenommenen Verschlechterungen — Gesetz werden, hat der Bundestag die Chance vertan, aus dem Tiernutzgesetz ein Tierschutzgesetz zu machen.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Dann wurde die Novellierung lediglich dazu genutzt, die über die Mißstände empörte Öffentlichkeit zu beruhigen und irrezuführen, indem der unzutreffende Eindruck erweckt wird, es werde sich etwas zugunsten der Tiere verändern. In Wahrheit aber wurde von den verantwortlichen Politikern nicht den Anliegen des Tierschutzes, sondern den Interessen der finanzstarken und einflußreichen Lobby vor allem der Chemie- und Pharmaindustrie, bestimmter Wissenschaftskreise sowie der industriellen Landwirtschaft Rechnung getragen.

(Beifall bei den GRÜNEN — Schulte [Menden] [GRÜNE]: So ist es leider!)

Das beabsichtigte Tierschutzgesetz, das de facto nichts weiter als ein Tiernutzungsgesetz ist,

(Eigen [CDU/CSU]: Was haben Sie denn dazu beigetragen?)




Frau Hönes
stellt daher nicht nur ein Armutszeugnis für die Regierungskoalition dar, sondern auch, um es mit zwei Begriffen zu verdeutlichen, Betrug am Bürger und Verrat an den Tieren.

(Zuruf von der CDU/CSU: Ungeheuerlich!)

Mit der industriellen Massentierhaltung und dem Tierversuch hat der Mensch die Grenze überschritten, die ein friedliches Umgehen mit den Überflüssen der Natur beinhaltet. Im millionenfachen Leid, das Tieren in unserer Gesellschaft tagtäglich zugefügt wird, kommt das ausbeuterische und herrschaftliche Verhältnis der Menschen zur Natur und die Gewissenlosigkeit der modernen experimentellen Naturwissenschaft exemplarisch zum Ausdruck.

(Abg. Boroffka [CDU/CSU] meldet sich zu einer Zwischenfrage)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1021019300
Frau Abgeordnete, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Hannegret Hönes (GRÜNE):
Rede ID: ID1021019400
Nein, ich möchte in meiner Rede fortfahren.

(Zurufe von der CDU/CSU)

Die Natur wird geplündert und zerstört. Die Tiere werden den Profitinteressen der Massentierhalter, der Tierhändler, der chemischen und pharmazeutischen Industrie geopfert. Die Folgen sind anstatt der vielgepriesenen Verbesserungen der Lebensqualität aller Menschen eine vergiftete Umwelt, eine millionenfach gequälte Kreatur und vielfache, zum Teil erst längerfristig sichtbar werdende Schäden für den Menschen.
Wir GRÜNEN lehnen daher die industrielle Massentierhaltung und die Tierversuche ab.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Wir verlangen von einem Tierschutzgesetz mindestens — mit uns verlangen das Millionen von Tierschützern —, daß die Schutzbedürfnisse der Tiere vor Quälereien im Gesetz verankert werden. Nicht einmal das wird im folgenden Entwurf gemacht.
§ 2 — Allgemeine Haltungsbedingungen — bringt in der zu verabschiedenden Gesetzesfassung Verschlechterungen für die Tiere gegenüber dem geltenden Recht. Dazu haben Sie alle, meine Damen und Herren, ein Schreiben des Vorsitzenden einer bei der Anhörung zugelassenen Tierschutzorganisation bekommen. Ich zitiere:
Bitte ändern Sie den § 2 des Tierschutzgesetzes nicht. Der Entwurf sieht hier eine effektive Verschlechterung der Gesetzesvorschriften für die Nutztierhaltung vor. Damit würden nicht artgemäße Haltungsformen, die derzeit eindeutig gesetzeswidrig sind, legalisiert.
Meine Damen und Herren, Sie haben den § 2 verändert.
§ 2, der die Nutztierhaltung regeln soll, regelt nichts, aber auch gar nichts auf diesem Gebiet. Weder werden die Massentierhaltung in ihrem ungeheuren Ausmaß noch die oft extrem tierfeindlichen Haltungsformen von Tieren verändert oder gar abgeschafft. Im Gegenteil, die intensive Massentierhaltung mit ihren tierquälerischen Haltungssystemen wird wie bisher weiterbetrieben werden.

(Eigen [CDU/CSU]: Sie haben doch keine Ahnung!)

Der bei diesen unwürdigen Haltungsformen unerläßliche prophylaktische Einsatz von Medikamenten

(Eigen [CDU/CSU]: Keine Stunde mitgearbeitet!)

und die oft illegalen Fütterungspraktiken (Zuruf von der CDU/CSU: Keine Ahnung!)

— sehr verehrter Herr Kollege, Sie wissen genau, was ich damit meine — werden unsere Lebensmittel weiter mit Rückständen belasten und unsere Gesundheit gefährden. Gleichzeitig verdrängt diese industrielle Tierproduktion bäuerliche Existenzen.
Die GRÜNEN können in diesem Gesetz keine Verbesserungen im Hinblick auf die Qualen unserer Tiere in der Massentierhaltung sehen. Wir haben deshalb einen Antrag zur artgerechten Haltung von Nutztieren eingebracht,

(von Hammerstein [CDU/CSU]: Was ist „artgerecht"?)

der für die einzelnen Arten genaue Mindestanforderungen vorschreibt. In einem zusätzlichen Antrag fordern wir das Verbot der Käfighaltung von Hühnern. Weiter treten wir für eine an die Fläche gebundene Tierhaltung in bäuerlichen Händen ein, in der das Tier wieder artgerecht gehalten und gefüttert wird.
Daß der Regierungsentwurf keine Verbesserung für die Versuchstiere darstellt, hat sich inzwischen herumgesprochen. Deshalb liefert der Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten eine Beschlußempfehlung nach, nach der — erstens — Tierversuche zur Prüfung von Tabakerzeugung und dekorativer Kosmetika und — zweitens — zur Entwicklung und Erprobung von Waffen, Munition und dazugehörigem Gerät verboten sind. Aber, meine Damen und Herren, das grundsätzliche Verbot von Tierversuchen zur Prüfung von Tabakerzeugnissen, Waschmitteln und dekorativen Kosmetika greift nicht; denn Ausnahmen werden laut dem neuen Gesetzestext per Rechtsverordnung bestimmt. Die Parallele zum Chemikaliengesetz, das am 1. Januar 1982 in Kraft getreten ist und bei dem auch die nachträglich erlassene Rechtsverordnung Tierversuche zwingend vorschreibt, ist offenkundig und bedarf keiner weiteren Kommentierung. Außerdem werden in der Praxis kosmetische Fertigprodukte in relativ geringem Umfang an Tieren erprobt, dagegen in großem Ausmaß die dafür notwendigen Rohstoffe sowie die Farb- und Konservierungszusätze. Das wissen Sie sehr genau, meine Damen und Herren.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das in der Gesetzesvorlage beinhaltete Verbot von Tierexperimenten zur Entwicklung oder Erprobung von Waffen, Munition und dazugehörigem Gerät zielt ebenfalls ins Leere. Denn nach Aussagen des Bundesverteidigungsministeriums werden



Frau Hönes
keine Versuche zur Entwicklung und Erprobung von Waffen gemacht, sondern nur zur angeblichen Abwehr. Die zirka 20 000 Tierversuche pro Jahr in der Militärforschung können also alle nach wie vor stattfinden. Das ist ein Paradebeispiel, wie durch Tatsachenentstellung und spitzfindige Formulierungen ein gesetzliches Verbot unterlaufen und die Öffentlichkeit arglistig getäuscht wird.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Nun werden also weiterhin Tiere — schmerzempfindende und leidensfähige Lebewesen — bei Sprengstoffexplosionen und Schußversuchen sowie bei Bestrahlungs- und Vergiftungsexperimenten vernichtet werden.
Nach Meinung der GRÜNEN ist die uns vorliegende Novellierung nicht nur eine Verschlechterung des geltenden Tierschutzgesetzes von 1972, sondern eine Vortäuschung falscher Tatsachen und nicht zuletzt ein politisches Verbrechen, meine Damen und Herren, nicht nur an den Tieren, die unmittelbar betroffen sind, sondern an unserer gesamten Gesellschaft.

(Zuruf von der CDU/CSU: Unerhört!)

Deshalb haben wir ein Moratorium mit ausgewähltem Bericht als Grundlage für eine fundamentale Umorientierung unseres gesamten Gesundheitswesens verlangt: weg vom unzulänglichen Körperreparaturbetrieb, der das Tier zum bloßen Meßinstrument und den Menschen zur manipulierbaren Maschine degradiert, hin zu einer Medizin, für die nicht die Krankheitssymptome, sondern der kranke Mensch im Mittelpunkt wissenschaftlichen und ärztlichen Interesses steht.
Leider wurde unser Antrag im Ausschuß abgelehnt. Man sah sich tragischerweise nicht in der Lage abzuwarten, sondern versucht nun, dieses unerträgliche Gesetz hier durchzupeitschen. Deshalb müsen wir uns auf einige Änderungsanträge beschränken, die Verbesserungen einleiten können und wenigstens den Minimalforderungen der Tierschutzorganisationen entsprechen:
Erstens völliges Verbot der Tierversuche ohne Ausnahme für die Bereiche Militärforschung, Kosmetika, Tabak, Alkohol und andere Suchtmittel.
Zweitens völliges Verbot ohne Ausnahme für alle Tierversuche in der Forschung und wissenschaftlichen Lehre, die mit Schmerzen oder erheblichen Beeinträchtigungen des Wohlbefindens der Tiere verbunden sind.

(von Hammerstein [CDU/CSU]: Aber denken Sie auch an die Menschen!)

Drittens grundsätzliches Verbot von Tierversuchen im medizinischen Bereich. Für Untersuchungen, die dem Schutz oder dem Wohl des Menschen oder der Natur dienen, können von der Aufsichtsbehörde Ausnahmen zugelassen werden, sofern der Antragsteller die Notwendigkeit der Tierversuche nachweist und eine mit Tierschützern paritätisch besetzte Ethikkommission dem Antrag zustimmt. Der Nachweis der Notwendigkeit umfaßt neben der Begründung, inwiefern der Versuch dazu dient, Schäden von Mensch und Natur abzuwenden, auch den Nachweis, daß gleichgerichtete Versuche nicht
schon gemacht sind und daß die gewünschten Ergebnisse ohne Tierversuche nicht zu ereichen sind.
Viertens. Tierversuche am unbetäubten Tier, die erhebliche Schmerzen erleiden, dürfen nicht erlaubt werden. Auf Erkenntnisgewinn muß dann verzichtet werden.

(Zurufe von der CDU/CSU)

— Protestieren Sie nicht, meine Damen und Herren!
Im letzten Punkt — Sie werden es kaum glauben
— stimmen wir mit der Münchener CSU überein. Wir hoffen, daß in der namentlichen Abstimmung über unsere Anträge nicht nur die GRÜNEN und hier die CSU-Abgeordneten in Bonn zustimmen werden, sondern wir fordern Sie alle, meine Damen und Herren, auf, die verfehlte Vorlage zu verwerfen und die politische Chance zu nutzen, unverzüglich ein Tierschutzgesetz zu erarbeiten, das diesen Namen auch verdient.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir verlangen deshalb eine namentliche Abstimmung,

(Zuruf des Abg. von Hammerstein [CDU/ CSU])

weil die Tierschutzverbände erwarten können, daß jeder einzelne Abgeordnete und daß jede einzelne Abgeordnetin ihre Position persönlich rechtfertigt. Es soll hier niemand die Gelegenheit haben, sich hinter Parteidisziplin zu verstecken. Hier hat jeder seinem eigenen Gewissen verantwortlich zu sein.

(Beifall bei den GRÜNEN — Eigen [CDU/ CSU]: Vor allem die, die nicht mitgearbeitet haben! Nicht mitarbeiten und dann so eine Rede halten!)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1021019500
Das Wort hat der Abgeordnete Bredehorn.

Günther Bredehorn (FDP):
Rede ID: ID1021019600
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Nach monatelanger, nein, jahrelanger Diskussion haben wir heute ein novelliertes Tierschutzgesetz zu beraten, das für den Schutz der uns anvertrauten Tiere einen großen Schritt nach vorn bedeutet. In § 1 des Tierschutzgesetzes steht: „Zweck dieses Gesetzes ist es, aus der Verantwortung des Menschen für das Tier als Mitgeschöpf dessen Leben und Wohlbefinden zu schützen." Damit schaffen wir ein Recht für Tiere.
Die FDP hat sich frühzeitig um die Tierproblematik gesorgt. Wir haben als erste Bundestagsfraktion bereits im Juni 1985 eine Anhörung zu diesem Thema durchgeführt. Die erheblichen Verbesserungen des Regierungsentwurfs im federführenden Ausschuß tragen wesentlich die Handschrift der FDP.

(Beifall bei der FDP)

Ich bedanke mich an dieser Stelle bei den engagierten Bürgern, die sich in unzähligen Briefen an



Bredehorn
uns Abgeordnete für den Schutz der Tiere einsetzten.

(Beifall bei der Abg. Frau Schmidt [Nürnberg] [SPD])

Ich bedanke mich auch bei den Sachverständigen aus den Bereichen Tierschutz, Wissenschaft und Wirtschaft. Ich bedanke mich bei den Beamten des BML.

(Beifall bei der FDP und Beifall des Abg. Dr. Meyer zu Bentrup [CDU/CSU])

Ihre konstruktiven Vorschläge waren uns eine wertvolle Hilfe.
Nicht zuletzt ist es der guten und intensiven Zusammenarbeit mit den Kollegen der Koalition und
— das möchte ich hier sagen — den Kollegen der SPD im Ernährungsausschuß zu verdanken, daß wir heute ein verabschiedungsreifes Gesetz vorlegen können.

(Beifall bei der FDP — Dr. Meyer zu Bentrup [CDU/CSU]: Und was ist mit den GRÜNEN?)

— Da geben Sie mir ein Stichwort. DIE GRÜNEN wollen zwar unseren Bundesminister, der in einer wichtigen Besprechung ist, herbeizitieren. Im Ausschuß — kann ich nur sagen — fehlten sie meist.

(von Hammerstein [CDU/CSU]: Aha! — Eigen [CDU/CSU]: So ist das!)

Das zeigt ja ganz eindeutig auch die Rede der Frau Kollegin Hönes hier. Ich meine, das kann man nur als Märchenstunde bezeichnen.

(von Hammerstein [CDU/CSU]: Hochinteressant! — Tatge [GRÜNE]: Daß wir nicht im Ausschuß waren, glaubt Ihnen doch keiner!)

Wenn Sie, Frau Kollegin Hönes, hier sagen, das Gesetz bedeute eine Verschlechterung des bestehenden Tierschutzgesetzes, dann sagen Sie — mit Verlaub gesagt — die Unwahrheit. Wenn Sie hier von Verrat am Tier sprechen, muß ich Ihnen sagen: Sie haben dieses Gesetz nicht eingehend gelesen.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP und der CDU/CSU)

Natürlich bleiben zwischen den Extrempositionen — auf der einen Seite die Tierschützer, auf der anderen Seite Wissenschaft und Forschung oder Wirtschaft — sicher einige Wünsche offen. Damit komme ich auf die entgegengesetzten Standpunkte in unserer Bevölkerung zum Tierschutz zu sprechen. In einer emotionsgeladenen Atmosphäre wird Sachverstand, welcher Art auch immer, auf eine harte Probe gestellt.

(Boroffka [CDU/CSU]: Das kann man wohl sagen!)

Wir als Gesetzgeber stehen vor der Schwierigkeit, ein wohlabgewogenes, sachgerechtes Gesetz zu schaffen. Gleichzeitig stößt unsere Suche nach tragbaren Kompromissen, unser Abwägen von Sachargumenten immer wieder auch auf die Kompromißlosigkeit einzelner Gruppen. Ich kenne kaum ein anderes Gesetz, bei dem die emotionellen Wellen so hoch schlagen wie beim Tierschutzgesetz. Jeder von uns hat selbstverständlich eine andere Beziehung zum Tier. Viele Mitbürger halten sich ein Heimtier. Für diese Menschen ist dieses Tier oft auch ein guter Lebenskamerad. Bei Landwirten gehört der Umgang mit Tieren zum beruflichen Alltag. Für die Wissenschaftler ist das Versuchstier auch Mittel zum Zweck, um die Forschung voranzutreiben. Jäger, Ornithologen und Verhaltensforscher unterscheiden sich in ihrer Einstellung zum Tier sicher vom Pferdehändler, Tierarzt oder Hundefrisör — um nur einige zu nennen. Andere Menschen haben weder persönlich noch beruflich etwas mit Tieren zu tun. Wir alle sind aber dem Tier auf die eine oder die andere Weise verpflichtet. Der Anspruch auf ethisch verankerte Verantwortung für die Tiere prägt auch unseren Umgang mit ihnen.
Wir haben, wie ich schon gesagt habe, in der Neufassung des § 1 die Zielsetzung des Gesetzes verankert, nämlich besondere Verantwortung des Menschen für das Tier als Mitgeschöpf. Die Anerkennung des Tieres als dem Menschen anvertrautes Lebewesen, also die Ablehnung des Tieres als eines reinen Sachwertes, prägt das gesamte Tierschutzgesetz.

(Zustimmung bei der FDP)

Tierversuche werden zukünftig auf das unerläßliche Maß beschränkt. Sie dürfen nur noch dann durchgeführt werden, wenn glaubhaft gemacht wird, daß sie für Wissenschaft und Forschung unerläßlich sind. Über die Rückführung der Zahl der Tierversuche bestehen hier sicher keine Differenzen, weil wir ja alle weniger Tierversuche wollen; über die augenblickliche Zahl der gebrauchten Tiere klaffen die Meinungen aber sehr auseinander. Dies wurde besonders deutlich, als heute vor einigen Wochen zwei profilierte Verbände wie der Bundesverband der Tierversuchsgegner und der Verband der Pharmazeutischen Industrie am gleichen Tag auf zwei verschiedenen Pressekonferenzen Statistiken vorlegten, wonach die Tierversuche im ersten Fall schwindelerregende Höhen erreichten, während ihre Anzahl im zweiten Fall nur noch eine geringe Größe darstellte. Die Tatsache, daß die Bundesregierung dem Parlament zukünftig alle zwei Jahre einen ausführlichen Bericht über den Stand der Entwicklung des Tierschutzes und mithin der Tierversuche geben muß, wird dazu beitragen, daß es zu einer größeren Transparenz hinsichtlich der Anzahl der Tierversuche kommen wird und diese nach Angaben der Länder systematisch zusammengefaßt werden können.
Wir haben uns im Vorfeld dieser Debatte auf ein grundsätzliches Verbot von Tierversuchen zur Prüfung von Tabakwaren, Waschmitteln und dekorativen Kosmetika geeinigt. Ich füge hinzu: nach besonders langwierigen, schwierigen und hartnäckigen Diskussionen. Nur bei konkreten Gesundheitsgefährdungen sind Ausnahmen per Rechtsverordnung zugelassen.
Zur Entwicklung oder Erprobung von Waffen, Munition und dazugehörigem Gerät werden Tierversuche zukünftig verboten. Außerdem dürfen künftig grundsätzlich keine Versuche an unbetäub-



Bredehorn
ten Wirbeltieren mehr durchgeführt werden, die zu schweren Verletzungen führen.
Die einzurichtenden Tierschutzkommissionen werden viel dazu beitragen, daß die Unerläßlichkeit von beantragten Tierversuchen nicht nur auf dem Papier steht. Vielmehr werden sachkundige Entscheidungen die Einhaltung dieses Grundsatzes gewährleisten. Tierschutzkommissionen sind ein neues demokratisches Kontrollorgan, über deren Empfehlung die Entscheidungsorgane in den Ländern nicht einfach hinweggehen können. Ein Drittel ihrer Mitglieder sollen aus den Reihen erfahrener Tierschützer, zwei Drittel aus naturwissenschaftlichen Fachrichtungen mit der notwendigen Sachkompetenz zur Beurteilung von Forschungsvorhaben benannt werden. Ich meine, daß mit der Besetzung zwei Drittel/ein Drittel gewährleistet wird, daß Kommissionsgutachten, die die Länderbehörden in ihre Entscheidung über einen beantragten Tierversuch mit einfließen lassen müssen, von dem notwendigen wissenschaftlichen Sachverstand geprägt werden und daß andererseits das eine Drittel Tierschützer aus seiner Sicht Überlegungen beiträgt, durch die die Verhältnismäßigkeit des Versuchs hinsichtlich des Tierschutzes abgewogen werden kann.
Ich meine, daß die Bedenken aus Wissenschaft und Forschung hinsichtlich unangemessener zeitlicher Verzögerungen bei der Antragsgenehmigung grundlos sind. Arbeitet die Kommission verantwortungsvoll, so dürfte es zu keiner Verschleppungstaktik kommen.
Einrichtungen, in denen Tierversuche durchgeführt werden, haben zukünftig einen oder mehrere Tierschutzbeauftragte zu bestellen; in einigen Institutionen ist das j a auch heute schon der Fall.
Im Sinne eines verbesserten Tierschutzes sind weitere Einschränkungen in die Gesetzesnovellierung aufgenommen worden. Diese betreffen z. B. Personen, die Tiere gewerbsmäßig halten oder mit ihnen handeln wollen. Sie benötigen zukünftig einen Sachkundenachweis, um Versuchstiere zu züchten oder den Tierhandel auszuüben.
Das Schächten von Tieren, also das Schlachten ohne Betäubung, ist für Exportzwecke zukünftig nicht mehr möglich.
Bereits in dem jetzt gültigen Gesetz ist der Nachnahmeversand von Tieren verboten. Dieses Verbot wurde allerdings durch eine Gerichtsentscheidung Mitte der 70er Jahre aufgehoben. Die damalige Begründung war, ein grundsätzliches Nachnahmeverbot sei zu undifferenziert. Wir haben das Verbot des Nachnahmeversands in die jetzige Novellierung wieder aufgenommen, wobei Ausnahmen per Ermächtigung zugelassen werden können.
In unserem Entschließungsantrag, der im federführenden Ausschuß einmütig verabschiedet worden ist, fordern wir u. a.: Die Erforschung von Alternativmethoden muß stärker gefördert werden, um die Zahl der Tierversuche weiter deutlich zu vermindern. Dabei erwarten wir konkrete Vorschläge für ein Verbot des LD-50-Tests und des DraizeTests.

(Beifall bei der FDP)

Wenn der Bund z. B. 1984 nur 8,5 Millionen DM für Projekte ausgab, mit denen Ersatzmethoden gefördert wurden, so gehe ich davon aus, daß die Mittel deutlich aufgestockt werden.
Des weiteren sollen alle Gesetze, die Tierversuche vorschreiben, daraufhin überprüft werden, ob diese Versuche weiterhin notwendig sind.
Wir wollen, daß bis zum 1. Januar 1988 ein Gesetzentwurf über die Errichtung einer zentralen Datenbank für die Sammlung von Daten über Tierversuche vorgelegt wird. Weiterhin wollen wir, daß die Harmonisierung tierschutzrechtlicher Vorschriften innerhalb der Europäischen Gemeinschaft intensiv vorangetrieben wird. Im Bereich der Käfighühnerhaltung ist das ja gerade erfolgt. Ich als Landwirt habe immer ein ungutes Gefühl, wenn ich die Hühner in diesen Ställen sehe. Aber ich muß Sie daran erinnern, daß schon der damalige Landwirtschaftsminister Ertl die Forderung in Brüssel erhoben hat, 600 cm2 vorzuschreiben. Jetzt, nach Jahren, sind wir bei 450 cm2 — das ist ja der Beschluß — angekommen. Hieran wird deutlich, wie schwierig es ist, das im Interesse der Tiere Notwendige, Wünschenswerte und Richtige durchzusetzen.
Abgesehen von den Forderungen bezüglich des Geflügelbereichs wird die Bundesregierung aufgefordert, durch Rechtsverordnung Vorschriften über tierschützerische Mindestanforderungen für die Massenhaltung von Kälbern, Schweinen und Pelztieren zu erlassen.
Meine Damen und Herren, mit dieser Novelle ist es uns gelungen, zahlreiche Verbesserungen im Sinne von mehr Tierschutz in diesem Gesetz zu verankern.

(Dr. Kübler [SPD]: Auch durch Initiativen der SPD!)

— Auch durch Initiativen der SPD. Selbstverständlich. Das habe ich doch deutlich gesagt.

(Dr. Kübler [SPD]: In erster Linie!)

Wir haben uns bemüht, Textunklarheiten soweit wie möglich zu vermeiden. Ich meine auch, daß uns das gelungen ist. Wir haben heute ein Tierschutzgesetz zu verabschieden, das zeigt, daß die Zeichen der Zeit, d. h. die größere Verantwortung des Menschen für das Tier als Lebewesen, erkannt worden sind. Dieses Gesetz ist zukunftsweisend.
Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1021019700
Nach § 30 der Geschäftsordnung hat das Wort der Abgeordnete Werner (Dierstorf).

Helmut Werner (GRÜNE):
Rede ID: ID1021019800
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Bredehorn von der



Werner (Dierstorf)

FDP hat eben behauptet, DIE GRÜNEN seien im Ausschuß praktisch nicht anwesend gewesen.

(von Hammerstein [CDU/CSU]: Sie waren da, aber Frau Hönes nicht!)

— Herr Bredehorn hat behauptet, DIE GRÜNEN seien im Ausschuß nicht anwesend gewesen. Es mußte der Eindruck entstehen, als wenn wir nur hier eine Rede hielten und uns sonst nicht um Tierschutz gekümmert hätten. Ich muß dem widersprechen und dazu ein paar grundsätzliche Dinge sagen.

(Zuruf von der CDU/CSU: Das ist doch keine Erklärung nach § 30 der Geschäftsordnung!)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1021019900
Meine Damen und Herren, einen Moment!
Herr Abgeordneter, seien Sie so freundlich und begründen Sie, warum der Vorwurf, der Ihnen gegenüber gemacht worden ist, nicht zutreffend ist, und weisen Sie ihn gegebenenfalls zurück. Erklären Sie, weshalb die Teilnahme Ihrerseits im Ausschuß gegebenenfalls nicht erfolgt ist.

Helmut Werner (GRÜNE):
Rede ID: ID1021020000
Im Ausschuß bin ich jedesmal anwesend gewesen. Ich habe mich intensiv an den Beratungen beteiligt. Von daher ist der Vorwurf nach meiner Meinung unbegründet.

(Beifall bei den GRÜNEN)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1021020100
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Kübler.

Dr. Klaus Kübler (SPD):
Rede ID: ID1021020200
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich spreche als Mitglied des Forschungsausschusses. Vielleicht sollte aus dieser Sicht etwas mehr diskutiert werden.
Ich bedaure ein bißchen, daß der Herr Forschungsminister oder ein Vertreter nicht da ist. Ich begrüße es, daß der Gesundheitsminister vertreten ist, auch der Verteidigungsminister vertreten war. Ich bedaure deshalb um so mehr die Abwesenheit des Forschungsministers. Aber wir werden das nicht zum Anlaß einer Herbeizitierung nehmen.
Nachdem Herr Bredehorn und auch andere Urheberrechte in Anspruch genommen haben, lassen Sie mich noch einmal kurz in Erinnerung bringen, daß die Fortschreibung des 72er-Gesetzes in starkem Maße auf einer Initiative der SPD und auch der hessischen Landesregierung beruht. Ich sage — auch für die Öffentlichkeit —, daß es nicht verwunderlich ist, wenn heute hier im Plenum die Wogen insgesamt nicht so hoch gehen, weil die lange Diskussion dieses Themas hier unter den Betroffenen zu vielen Klärungen geführt hat, so daß man sich heute größere emotionale Auseinandersetzungen sparen kann.
Herr Kollege Michels, Sie hatten gemeint, die SPD würde nicht völlig einer Meinung sein. Dazu ist zu sagen, daß die SPD in der Tat den relativ allgemein gefaßten Entschließungsantrag mitträgt. Diese Entschließung ist übrigens — ich habe mich gerade noch einmal darüber abgestimmt — in wesentlichen Teilen im Forschungsausschuß, Frau Neumeister, erarbeitet worden und wohl auch übernommen worden. Übrigens haben sich die GRÜNEN im Forschungsausschuß bei den wesentlichen Punkten dieses Entschließungsantrages der Stimme enthalten. Die Änderungen im Regierungsentwurf entspringen alle den Initiativen der SPD. Ich spreche mal die Bereiche Kosmetika, Waffen usw. an.

(Dr. Meyer zu Bentrup [CDU/CSU]: Und trotzdem stimmen Sie dagegen?)

— Es ist so; wir sind da natürlich dankbar. Herr Sander hat dies in seinen versöhnenden, ausgleichenden, ausgewogenen Ausführungen zum Ausdruck gebracht. Wir stehen natürlich zu dem, was wir vorher gesagt haben und was wir dann auch bei Ihnen durchgesetzt haben. Insofern ist dies völlig eindeutig.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1021020300
Gestatten Sie eine Zwischenfrage Herr Kollege, des Herrn Abgeordneten Stutzer?

Dr. Klaus Kübler (SPD):
Rede ID: ID1021020400
Herr Stutzer, bitte.

Hans-Jürgen Stutzer (CDU):
Rede ID: ID1021020500
Herr Kollege Kübler, darf ich die Frage stellen, ob Ihnen bekannt ist, daß Ihr Entschließungsantrag 10/5354 (neu), in dem es heißt, daß der Deutsche Bundestag der Auffassung ist, daß Tierversuche zur Erprobung von chemischen und bakteriologischen Kampfstoffen sowie der Wirkung von Waffen zu verbieten sind, nach dem neuen Text erledigt ist, der das beinhaltet?

Dr. Klaus Kübler (SPD):
Rede ID: ID1021020600
Ich würde die Antwort, sage ich mal ganz bewußt, gerne Frau Schmidt überlassen. Darf ich Ihnen das so weitergeben? Frau Schmidt wird mit Sicherheit dazu Stellung nehmen.
Lassen Sie mich sagen, daß die Tierversuche ja nur einen Teil des riesigen Forschungsbereichs ausmachen, den wir insgesamt in der Bundesrepublik sowohl in der Wissenschaft wie in der Industrie haben. Ich sage dies bewußt, um die Dimension dieser Frage auch einzudämmen. Wir haben sowohl im öffentlichen Bereich, im Universitätsbereich, auch im Bereich der Bundesoberbehörden wie auch im privaten gewerblichen Bereich zur Zeit noch Tierversuche. Ich sage dies deshalb, weil man Wissenschaftler und Forscher, seien sie in öffentlichen Einrichtungen oder in der Industrie tätig, bis zu einer eventuellen Änderung des Gesetzes hier und heute nicht zu sehr verdammen soll. Wenn man an Tierversuchen Kritik üben kann — und dies kann man ganz zweifellos —, so ist in der Tat in erster Linie der Gesetzgeber gefordert. Deshalb waren auch die entsprechenden Initiativen notwendig.
Lassen Sie mich auch noch folgendes sagen. Ich fühle mich in der Tat durchaus beeindruckt von den vielen Eingaben, Briefen, Publikationen und auch Fernsehsendungen. Aber ich möchte genauso deutlich sagen, daß ich mich überhaupt nicht unter



Dr. Kübler
Druck gesetzt fühle, weder von Tierschützern oder Tierschutzverbänden noch von der Wissenschaft oder von der Industrie. Ich glaube, wir müssen in der Tat lernen, von dem Gefühl wegzukommen, unter Druck zu stehen. Ich meine, daß in einer pluralistischen Demokratie und einem entsprechend zusammengesetzten Parlament Interessen intensiv vertreten werden können und dürfen. Ich möchte deshalb auch an dieser Stelle sehr nachdrücklich die Bürgerinitiativen, das Engagement von vielen Tierschützern und ihren Organisationen begrüßen. Ich kritisiere auch keineswegs nachhaltige Vorstellungen von seiten der Wissenschaft, sei es der Wissenschaft im öffentlichen Bereich oder sei es der Wissenschaft im privaten Bereich. Wir haben deshalb auch Verständnis für die Anliegen und die Bedenken der wissenschaftlichen Seite, und ich wiederhole: Angriffe gegen diese Bereiche bringen uns thematisch nicht weiter.
Ich glaube, ich bin auch mit den GRÜNEN, Frau Hönes, darin einer Meinung, daß die große Zahl der Wissenschaftler ihre Pflichten, auch soweit Tierversuche noch zugelassen sind, ordentlich erfüllen; in bezug auf die große Zahl der Wissenschaftler möchte ich dies hier heute ganz ausdrücklich betonen. Deshalb ist es notwendig, daß wir in Fortschreibung der alten Bestimmungen klare neue gesetzliche Regelungen erlassen.

(Frau Hönes [GRÜNE]: Aber Regelungen, die greifen!)

Die SPD-Bundestagsfraktion spricht sich ganz eindeutig für ein grundsätzliches Verbot der Tierversuche aus. In diesem Punkte gibt es sehr grundsätzliche Unterschiede gegenüber den Kolleginnen und Kollegen von CDU/CSU und FDP. Wir vertreten diese Position aus einer ganzen Reihe von Gründen, nicht nur aus christlichem Verständnis, nicht nur aus moralisch-ethischen Gründen; vielmehr muß man dann, wenn man Tierversuche wirklich konsequent — und ich sage auch: radikal — reduzieren will, zu einem Verbot mit Ausnahmevorbehalt kommen, denn dies zeigt die politische Richtung des Gesetzgebers auf ganz andere Weise an. Deshalb habe ich vorher nicht zufällig davon gesprochen, wie wichtig es ist, hier Vorgaben für die Wissenschaft im öffentlichen Bereich und im privaten Bereich zu machen.
Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang übrigens darauf aufmerksam machen, daß es eine juristisch nicht uninteressante Frage wäre, ob nicht durch die Formulierung des § 1 des Tierschutzgesetzes von 1972 im Grunde genommen sogar schon ein Verbot mit Ausnahmevorbehalt geregelt war, weil darin stand: Niemand darf, wenn nicht ... Aber dies ist jetzt eine akademische Diskussion.
Die Deutsche Physiologische Gesellschaft hat ganz zum Schluß noch einmal den Versuch unternommen, den § 1 mit folgendem Formulierungsvorschlag zu modifizieren:
Eingriffe an vollnarkotisierten Tieren, die noch in Narkose getötet werden, fallen als schmerzlose Tötung nicht unter Tierversuche im Sinne dieses Gesetzes.
Dies ist natürlich ganz konsequent abzulehnen; dies würde es ja ermöglichen, die Vorschriften zu umgehen.
Lassen Sie mich auch etwas zu der umstrittenen Frage der sogenannten Ethik-Kommissionen sagen. Die SPD hat ganz bewußt die Zusammensetzung der Ethik-Kommissionen aus einem Drittel Naturwissenschaftlern, einem Drittel Geisteswissenschaftlern und einem Drittel Vertreter des Tierschutzes — ich sage nicht: der Tierversuchsgegner, sondern: des Tierschutzes — hereingenommen und bleibt auch bei diesem Vorschlag, weil in der Tat — ich formuliere es einmal so — diese naive Komponente bei der Entscheidungsfindung ganz bewußt drinstehen sollte, auch wenn deshalb einmal eine falsche Entscheidung fallen sollte.
Wir sprechen uns entschieden dafür aus, daß diese Ethik-Kommissionen — die ja nur Beratungskommissionen sind — wissenschaftsnah und dezentral organisiert werden. Das ist ein ganz wichtiger Punkt. Wir sprechen uns auch dafür aus, daß nach wie vor, soweit Tierversuche in ganz reduziertem Umfange noch möglich sind, an diesen Versuchen auch das bisherige nichtwissenschaftliche Personal mitwirken kann, sicherlich ganz zweifellos unter der Verantwortung der durch Abschlüsse entsprechend wissenschaftlich Ausgewiesenen.
Lassen Sie mich zum Schluß sagen: Ich weiß, daß die CDU/CSU es hier sehr schwer hat; ich weiß auch, daß die CDU der SPD in vielen Teilen, auch in prinzipielleren Teilen, entgegengekommen ist, daß sie aber unserer Auffassung nach den entscheidenden Schritt zum konsequenten Tierschutz im Bereich der Tierversuche wohl nicht getan hat. Ich kann Ihnen nicht helfen, wenn Sie jetzt im Blick auf die Tierschützer und auf die Wissenschaftler zwischen beiden Stühlen sitzen; ich habe das schon bei anderer Gelegenheit angedeutet. Wir gehen davon aus, daß unser Entwurf ein ausgesprochen ausgewogener Entwurf ist, ausgewogen zwischen den Bedürfnissen der Tierschützer und den Bedürfnissen von Wissenschaft und Forschung im öffentlichen Bereich und in der Industrie.
Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1021020700
Meine Damen und Herren, das Wort hat der Abgeordnete Stutzer.

Hans-Jürgen Stutzer (CDU):
Rede ID: ID1021020800
Frau Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Kollege Sander, Sie wissen, daß ich Sie sehr schätze. Ich fand zumindest den ersten Teil Ihrer Rede ausgewogen; man kann vieles unterstreichen. Ich erinnere mich auch, daß Sie — nicht nur Sie, sondern auch Ihre Fraktionskollegen im federführenden Ausschuß — vielen Dingen zugestimmt haben. Nur war ich dann natürlich überrascht, im zweiten Teil Ihrer Rede zu hören, daß Sie alles — und zwar nicht Sie, sondern die SPD-Fraktion — ablehnen, auch die Entschließung. In der Entschließung stehen ja nun wirklich Dinge — das haben Ihre Kollegen, Sie und auch der Vertreter der GRÜNEN bestätigt —, die eine tolle Sache sind. Denen haben Sie alle zugestimmt, auch



Stutzer
die GRÜNEN. Ich meine, man kann doch nicht zwiespältig sein. Wenn man im Ausschuß einer Sache zustimmt, sollte man ihr auch im Plenum zustimmen.

(Vorsitz : Vizepräsident Westphal)

Herr Dr. Vogel, ich hatte Sie angeschrieben und eine Antwort erwartet, da ich dachte, daß der Tierschutz für Sie eine Bedeutung hat. Das hat er scheinbar nicht; denn die Antwort ist nicht gekommen.

(Dr. Vogel [SPD]: Ein bißchen fairer, mein Lieber!)

Ich frage mich nur: Wer hat denn hier die Richtung vorgegeben? Ich dachte immer, der Tierschutz wäre keine parteipolitische Frage, sondern eine Gewissensentscheidung.

(Dr. Hauff [SPD]: Was heißt denn Glaubwürdigkeit? — Dr. Vogel [SPD]: Peinliches Benehmen!)

Dann wundere ich mich, daß der Vertreter Ihrer Fraktion sagt: Die SPD stimmt so und so ab. Wer gibt denn die Richtung an?

(Zuruf von den GRÜNEN: Das werden wir ja bei der Abstimmung sehen! — Zurufe von der SPD)

— Ich weiß, daß Sie sich aufregen; Sie haben auch allen Grund dazu, Herr Vogel.
Meine Damen und Herren, auf den heutigen Tag, an dem der Bundestag das Tierschutzgesetz novelliert, haben Millionen Tierschützer und Tierfreunde viele Jahre warten müssen.

(Zurufe von der SPD)

Schon sehr bald zeigte es sich, daß in der Praxis die Zielvorstellungen des Gesetzgebers von 1972 nicht im vollen Umfange verwirklicht werden konnten.

(Dr. Vogel [SPD]: Solche Frechheit!)

An Hand praktischer Beispiele hatten seit 1977 meine Freunde und ich — hören Sie gut zu, Herr Dr. Vogel, anstatt immer dazwischenzureden — die Regierung Helmut Schmidt immer wieder auf die Mißstände und die damit verbundenen notwendigen Änderungen des Tierschutzgesetzes hingewiesen. Von der Regierung Schmidt bekam ich immer wieder zu hören, daß sie keinen Handlungsbedarf sähe. Sozialdemokraten und Freie Demokraten, die dem Tierschutz nahestehen, Herr Dr. Vogel, konnten diese Haltung der von ihnen gestellten Bundesregierung vor ihrem Gewissen nicht mehr verantworten

(Dr. Hauff [SPD]: Wer hat denn geantwortet? Wer hat Ihnen den Brief geschrieben?)

und fanden sich im Rahmen der Interparlamentarischen Arbeitsgemeinschaft mit den Christdemokraten zusammen, um eine Novellierung vorzubereiten, die eigentlich Aufgabe der Regierung Helmut Schmidt gewesen wäre.

(Sehr richtig! bei der CDU/CSU)

Hier haben dann alle Fraktionen hervorragend zusammengearbeitet und kamen auch zu einstimmigen Beschlüssen.

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1021020900
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Müller?

Hans-Jürgen Stutzer (CDU):
Rede ID: ID1021021000
Ja, bitte.

Rudolf Müller (SPD):
Rede ID: ID1021021100
Herr Kollege Stutzer, ist Ihnen noch geläufig, daß es während der Regierungszeit von Helmut Schmidt sogar eine Anhörung zum Tierschutzgesetz gegeben hat?

Hans-Jürgen Stutzer (CDU):
Rede ID: ID1021021200
Auf Grund unserer Vorlage von der IPA! Das sollten Sie doch eigentlich wissen. Wir haben das doch angeleiert — und nicht die Regierung Helmut Schmidt. Daraufhin gab es die Anhörung.

(Zuruf von den GRÜNEN: Zur Sache!)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1021021300
Sind Sie denn bereit, noch eine Zusatzfrage zuzulassen? — Bitte schön, Herr Müller.

Rudolf Müller (SPD):
Rede ID: ID1021021400
Herr Kollege Stutzer, ist Ihnen weiterhin bekannt, daß wir einen einstimmigen Beschluß im Ausschuß hatten, alle Probleme, die mit dem Tierschutz zusammenhängen, noch im Ausschuß zu diskutieren — während der Regierungszeit von Helmut Schmidt?

Hans-Jürgen Stutzer (CDU):
Rede ID: ID1021021500
Nachdem wir in der IPA den Anstoß gegeben haben.

(Müller [Schweinfurt] [SPD]: Das stimmt doch überhaupt nicht, mein lieber Mann! — Zuruf von der SPD: Was heißt denn IPA?)

Wegen vorzeitigen Ablaufs der Legislaturperiode kam es nicht mehr zum Abschluß dieser Arbeit.

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1021021600
Herr Kollege Stutzer, der Kollege Riedl wollte auch noch eine Frage stellen. — Bitte schön, Herr Kollege.

Dr. Erich Riedl (CSU):
Rede ID: ID1021021700
Herr Kollege Stutzer, ich kann es wegen der Geschäftsordnung jetzt nicht anders machen: Hätten Sie die Liebenswürdigkeit, die Kollegen der sozialdemokratischen Fraktion einmal zu fragen, warum sie in den zehn Jahren von 1972, nämlich der Verabschiedung des ersten Tierschutzgesetzes, bis 1982, ihrem Abschied aus der Regierungsverantwortung, nicht das durchgesetzt haben, was sie unmittelbar nach Eintritt in die Opposition hier so mutigen Herzens fordern.

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1021021800
Herr Kollege Riedl, Dreiecksverhältnisse gibt es im Film, aber nicht bei uns hier.

Hans-Jürgen Stutzer (CDU):
Rede ID: ID1021021900
Herr Kollege Riedl, die Kollegen der SPD können Frau Dr. Hartenstein und andere fragen, die eifrig in der IPA mitgearbeitet haben.
Erst nach Abgabe der Regierungsverantwortung drehte sich die SPD-Fraktion plötzlich um 180 Grad



Stutzer
— ich habe Ihnen das geschrieben, Herr Dr. Vogel —,

(Dr. Hauff [SPD]: 160, nicht 180!)

indem sie plötzlich einen Handlungsbedarf sah und einen Änderungsentwurf vorlegte, gegen den erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken bestehen, die am 23. Oktober vorigen Jahres Professor Dr. Klöpfer beim Hearing in Bonn überzeugend darlegte. Ein Tierschutzgesetz, das vor dem Bundesverfassungsgericht keinen Bestand hat, nützt keinem, am wenigsten hilft es aber den Tieren.
Ich bin Bundeskanzler Helmut Kohl dankbar, daß er unmittelbar nach der Regierungsübernahme das heiße Eisen angefaßt hat, an dem Helmut Schmidt sich nicht die Hände verbrennen wollte. In den Dank möchte ich aber auch Bundesminister Kiechle und die Beamten seines Hauses einbeziehen, die hier eine schwere Arbeit auf sich nahmen, vor der sich seine Vorgänger gedrückt hatten.
Heute ist nun kein Tag zum Jubeln, aber doch ein Tag, an dem bei der Fortentwicklung eines ethischen Tierschutzes ein Ziel erreicht wurde, was ich zu Beginn der parlamentarischen Beratungen noch nicht für möglich hielt. Das kann ich auch für meinen Kollegen Dr. Erich Riedl sagen, der ganz wesentlich dazu beigetragen hat, daß heute zur Abstimmung eine Fassung vorliegt, die den berechtigten Forderungen des Tierschutzes im Bereich des politisch Möglichen weitgehend nahekommt. Bis zum heutigen Tage war die emotionsbelastete Diskussion begleitet von vielen Tausenden von Zuschriften, die die Bundesregierung, der Bundestag, die Fraktionen, die Ausschüsse und auch jeder einzelne Abgeordnete erhalten haben.
Der Regierungsentwurf wurde vom federführenden Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten im Sinne eines ethischen Tierschutzes wesentlich verbessert. Hieran hatte der Kollege Erich Riedl einen erheblichen Anteil. Aber auch dem Ausschußvorsitzenden, Dr. Martin Schmidt, möchte ich dafür danken, daß die Beratungen in einer ausgesprochen sachlichen und harmonischen Atmosphäre verliefen. Bei den sehr sorgfältigen Beratungen wurden nicht nur die Ergebnisse des zweitägigen Hearings, sondern alle Eingaben der Interessierten und Betroffenen und natürlich auch die Voten der mitberatenden Ausschüsse berücksichtigt.
Natürlich gibt es bei dieser Materie unterschiedliche Auffassungen in allen Fraktionen, Herr Dr. Vogel. Bei Ihnen scheinbar nicht; denn Sie haben einstimmig abgestimmt. Den einen geht das, was jetzt hier zur Abstimmung steht, zu weit; den anderen geht es nicht weit genug. Dabei möchte ich keinem in diesem Hohen Hause unterstellen, daß er etwas gegen den Tierschutz hat. Für eine Ablehnung des hier zur Abstimmung stehenden Entwurfs aus Gewissensgründen kann es also ganz unterschiedliche Motive geben. Wir haben hart gerungen, um einen für alle Seiten tragfähigen Kompromiß zu finden, der auch politisch mehrheitsfähig ist. Alle müssen wir zurückstecken. Weder Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft auf der einen Seite noch der Tierschutz auf der anderen Seite konnten all das durchsetzen, was sie sich zu Beginn der Beratungen gewünscht hatten. Nach Abschluß der Beratungen im federführenden Ausschuß — und hier möchte ich noch einmal unserem Berichterstatter Meinolf Michels danken, der hier wirklich kein leichtes Amt gehabt hat — habe ich in der Öffentlichkeit nicht nur Zustimmung, sondern zum Teil auch harte Kritik erfahren. Ich möchte hier nur beispielhaft zwei gegensätzliche kritische Stimmen zitieren.
So schreibt mir das Max-Planck-Institut für Biophysik in Frankfurt:
„Wir sehen die biomedizinische Forschung in Gefahr, so wie es die deutschen Nobelpreisträger und die Präsidenten der Wissenschaftsorganisationen befürchtet hatten."
Hingegen schreibt mir der Landesverband Schleswig-Holstein des Deutschen Tierschutzbundes — also mein eigener Landesverband — u. a. folgendes:
„Trotz einiger weniger, jedoch völlig unzureichender Verbesserungen, die noch in die Gesetzesvorlage aufgenommen worden sind, stellt die Novelle auch weiterhin eine massive Verschlechterung gegenüber dem geltenden Tierschutzgesetz von 1972 dar."
Daß Erich Riedl und ich schon seit Jahren in Bonn an der vordersten Front für den Tierschutz kämpfen, und zwar nicht als Parteipolitiker, sondern als engagierte Tierschützer, hat sich allmählich in unserem Land herumgesprochen. Bei den Kolleginnen und Kollegen der Opposition haben wir immer wieder — das hat auch der Brief an Herrn Dr. Vogel, der jetzt andere Gespräche zu führen hat, zum Ausdruck gebracht — Gemeinsamkeiten im Interesse der gequälten und geschundenen Kreatur gesucht.
Meine Damen und Herren, wir stehen heute auch nicht mit leeren Händen da. Wer hätte denn zu Beginn der parlamentarischen Beratungen erwartet — um hier aus Zeitgründen nur einige ganz wenige Beispiele zu nennen —, daß in bestimmten Bereichen ein Verbot von Tierversuchen durchgesetzt wird? Hiervon hatten in der sozialliberalen Koalition die Kolleginnen und Kollegen nur geträumt. Wer hätte gedacht, daß künftig Wirbeltiere als Versuchstiere grundsätzlich nur noch verwendet werden dürfen, wenn sie in überwachten Zuchteinrichtungen gezüchtet worden sind? Damit wird dem Tierdiebstahl und dem kriminellen, illegalen Handel, insbesondere mit Hunden und Katzen, ein Ende bereitet. Ist es nicht im Interesse eines ethischen Tierschutzes, wenn Tierversuche ausnahmslos verboten werden, bei denen unbetäubten Versuchstieren schwere Verletzungen zugefügt werden? Wird jetzt nicht eine alte Forderung aller Tierschützer erfüllt, indem für Tierzüchter, Tierhändler und Schausteller ein Sachkundenachweis vorgeschrieben wird und im übrigen diese Berufe einer entsprechenden behördlichen Erlaubnis bedürfen?
Ist nicht die Verbesserung der behördlichen Überwachung, die Bestellung von Tierschutzbeauftragten und die Berufung von Kommissionen auch



Stutzer
bei der Bundeswehr — mit Mitgliedern, die von den Tierschutzorganisationen vorgeschlagen werden — ein Fortschritt im Sinne des ethischen Tierschutzes?
Ich weiß und respektiere, daß das alles dem Bundesgeschäftsführer der SPD, unserem Kollegen, Dr. Peter Glotz, zu weit geht. Er hat nämlich in einem Vortrag bei der Carl-Friedrich-von SiemensStiftung am 25. April 1985 in München u. a. wörtlich erklärt:
Auf der anderen Seite halte ich aber auch die Beteiligung von Tierschützern an solchen Kornmissionen nicht für sachgerecht.

(Hört! Hört! bei den GRÜNEN)

Mir blutet als Tierschützer das Herz, wenn ich so manches lese, was in dem Buch von Benno Hess und Peter Glotz „Mensch und Tier — Grundlagen biologisch-medizinischer Forschung" steht. Daraus schließe ich, daß vielleicht bei der Opposition Kolleginnen und Kollegen zu der Vorlage nein sagen, weil sie ihnen zu weit geht. Im übrigen stellt die Novelle auch klar, daß der Tierschutz auch dort nicht aufhören darf, wo wirtschaftliche Interessen im Vordergrund stehen.
Auch hierfür, meine Damen und Herren, ein Beispiel: Nach Auskunft der Sachverständigen ist das betäubungslose Schlachten, das sogenannte Schächten, eine scheußliche Tierquälerei. Leider müssen wir nach der im Grundgesetz garantierten Freiheit der Religionsausübung das Schächten im Inland zulassen, wenn es aus religiösen Gründen zwingend ist. Nach dem Ergebnis des Hearings darf bei uns nur für orthodoxe Juden geschächtet werden. Diese verlangen es für den Export, der wesentlich zu einem Abbau unseres Fleischberges beitragen würde. Damit hätten wir der Landwirtschaft, die sich heute in einer Krise befindet, geholfen. Ein Export von Fleisch, das so erzeugt wurde, ist künftig verboten.
Lassen Sie mich noch etwas zu der Ihnen vorliegenden Entschließung sagen, die im federführenden Ausschuß einstimmig — also auch mit den Stimmen der Opposition — angenommen wurde. Ich will hier nur einige Punkte herausstellen, die für mich von besonderer Bedeutung sind. So wird die Bundesregierung aufgefordert, bis zum 31. Dezember 1987 Rechtsvorschriften über Mindestanforderungen an die Haltung von Kälbern, Schweinen, Geflügel und Pelztieren zu erlassen. Daß es hier auch um tiergerechte Haltungssysteme gehen muß, ist für mich eine Selbstverständlichkeit.
Mit dieser Entschließung wird die Bundesregierung auch verpflichtet, bis zum 1. Januar 1988 ein Gesetz über die Errichtung einer zentralen Datenbank für die Sammlung von Daten über Tierversuche vorzulegen, die das Ziel hat, Doppelversuche zu vermeiden. Nach Einrichtung dieser Datenbank wird die Zahl der jetzt schon verringerten Tierversuche noch weiter drastisch reduziert werden.
Wie Sie wissen, werden die meisten Tierversuche durch Gesetze und Verordnungen vorgeschrieben, die noch unter der sozialliberalen Koalition erlassen wurden. Wir fordern daher die Bundesregierung auf, innerhalb von drei Monaten dem Bundestag Vorschläge zu unterbreiten, wie die Zahl der durch diese Gesetze und Verordnungen vorgeschriebenen Tierversuche verringert oder aber wie auf Tierversuche ganz verzichtet werden kann. Dabei erwartet der Bundestag, daß ihm ein Vorschlag für das Verbot verschiedener schmerzhafter Testmethoden — ich denke insbesondere an den LD-50-
Test und an den Draize-Test — unterbreitet wird.
Die Entwicklung von Alternativmethoden liegt mir, meine Damen und Herren, besonders am Herzen. Deshalb begrüße ich, daß der Bundestag mit seiner Entschließung zum Ausdruck bringt, daß er eine beträchtlich verstärkte Förderung von Alternativmethoden erwartet. Die Entwicklung solcher Methoden soll aus dem vorhin dargestellten Fonds gespeist werden.
Erlauben Sie mir zum Abschluß noch ein Wort in eigener Sache. Als engagierter Tierschützer

(Frau Hönes [GRÜNE]: Was?)

habe ich mir sehr gründlich überlegt, ob ich dem vorliegenden Entwurf in der Ausschußfassung zustimmen kann.

(Schulte [Menden] [GRÜNE]: Das kann man nämlich nicht!)

Ich bin zu dem Ergebnis gekommen, daß der Kollege Riedl und ich soviel an Verbesserungen im Sinne des ethischen Tierschutzes durchgesetzt haben — ein solches Gesetz muß mit Herz und Verstand gemacht werden —, daß es gegenüber der gequälten Kreatur unverantwortlich wäre, die Vorlage abzulehnen.

(Frau Hönes [GRÜNE]: Passen Sie auf, was Sie sagen!)

Jeder, der sich mit dem Gedanken trägt, hier nein zu sagen — letzten Endes ist das eine Gewissensentscheidung —, muß sich die Frage stellen, ob er die Tierquälereien, die das heutige Recht noch zuläßt, fortdauern lassen will oder ob er es nicht vorzieht, für die von mir genannten Verbesserungen zu stimmen,

(Senfft [GRÜNE]: Sie können sich überlegen, ob Sie für unsere Verbesserungen stimmen wollen!)

selbst wenn nicht alle Wünsche erfüllt sein sollten.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich mache keinen Hehl daraus, daß auch ich mir manches anders vorgestellt und gewünscht habe. Ich bin aber Realist und erkenne die Grenzen, was politisch machbar ist und was nicht. Jeder, der heute hierzu nein sagt, muß wissen, daß es dann in dieser Legislaturperiode nicht mehr zu einer Änderung und damit zu einer Verbesserung des Tierschutzrechts kommt. Jedermann in diesem Hause war aufgerufen, an einer Verbesserung unseres Tierschutzrechts mitzuwirken. So hätte ich kein Verständnis für die Kolleginnen und Kollegen, die jetzt alles kritisieren, am Ende womöglich noch



Stutzer
nein sagen, selbst aber nicht bereit waren, hier mitzuarbeiten.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1021022000
Herr Abgeordneter, Ihre Redezeit ist abgelaufen. Ich muß Sie bitten, zum Schluß zu kommen.

Hans-Jürgen Stutzer (CDU):
Rede ID: ID1021022100
Ich könnte mich hier „mannhaft" hinstellen und alles kritisieren, am Ende nein sagen und mich anschließend als der große Tierschützer feiern lassen. Aber gerade weil ich ein engagierter Tierschützer bin, könnte ich es mit Blick auf die gequälte Kreatur mit meinem Gewissen nicht vereinbaren, den Tieren all diese Verbesserungen vorzuenthalten.

(Schulte [Menden] [GRÜNE]: Das sagten Sie schon!)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1021022200
Herr Abgeordneter, dies war ein guter Schlußsatz.

Hans-Jürgen Stutzer (CDU):
Rede ID: ID1021022300
Ein letzter Satz: Nach meiner Überzeugung nehmen wir mit diesem Änderungsgesetz wieder eine Spitzenstellung auf dem Gebiet des Tierschutzes nicht nur in Europa, sondern auch in der Welt ein.
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Schulte [Menden] [GRÜNE]: Damit haben Sie Ihr Engagement verloren!)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1021022400
Das Wort hat der Abgeordnete Handlos.

Franz Handlos (CSU):
Rede ID: ID1021022500
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe die ganze Zeit aufmerksam zugehört. Ich habe den Eindruck, den Versuchstieren ist es noch nie so gut gegangen wie jetzt, wenn hier alles verabschiedet wird.

(Beifall der Abg. Frau Schmidt [Nürnberg] [SPD])

Herr Kollege Stutzer, ich schätze Sie sehr. Dialektik ist die Kunst, sich zu widersprechen. Das haben Sie hier gemacht. Große Teile Ihres Beitrags waren hervorragend. Aber was Sie zum Schluß gesagt haben, kann man wirklich nicht billigen. Ich habe bei meiner Rede am 14. Mai 1985 gesagt, daß der vorliegende Gesetzentwurf kein Tierschutzgesetz, sondern ein Tiernutzungsgesetz ist. Ich hatte gehofft, daß im Laufe der Beratungen grundsätzliche Verbesserungen vorgenommen würden. Leider ist dies nicht der Fall, abgesehen von einigen nicht entscheidenden Korrekturen.
Das Gesetz hat nach wie vor viel zuviele Unklarheiten bei wichtigen Begriffen. Da wird z. B. von „unnötigem Schmerz", „schweren Leiden", „schweren Schmerzen" oder „jeweiligem Stand der Wissenschaft" gesprochen. Was soll das heißen? Solche Begriffe sind dehnbar wie ein Kaugummi. Was der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie in verschiedenen Schreiben zu den Notwendigkeiten von Tierversuchen sagt, ist nichts anderes als eine
Ablenkung von den Tatsachen. Da heißt es z. B. in dem Schreiben vom 7. März 1986:
Auf dem Gebiete des Tierschutzes nehmen die deutschen Arzneimittelhersteller eine führende Stellung in der Welt ein. Für die Haltung, Ernährung und Betreuung der Versuchtstiere gibt es genaue Standards, die ihnen eine hohe Lebenserwartung garantieren.
So etwas kann man nur als zynisch bezeichnen.
Zurück zum Gesetzentwurf: Mit diesem Gesetz werden die Tierversuche, meine Damen und Herren, auf Jahre hinaus festgeschrieben, obwohl es in der Zwischenzeit genügend alternative Möglichkeiten gibt.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Wir von der Freiheitlichen Volkspartei lehnen deshalb alle Tierversuche konsequent ab.

(Schulte [Menden] [GRÜNE]: Wie heißt die Partei?)

Es wird auch nach wie vor die systematische Tierquälerei im Bereich der Massentierhaltung erlaubt, obwohl die Schweiz bewiesen hat, daß es bei der Käfigtierhaltung auch anders geht. Darauf wurde heute bereits von Kollegen der GRÜNEN hingewiesen. Es ist eine Farce, meine Damen und Herren, in § 1 das Tier als Mitgeschöpf anzuerkennen und zugleich diesen Tieren, wenn ein sogenannter „vernünftiger Grund" vorliegt, Schmerzen, Leiden und Schäden zuzufügen. Was ist ein „vernünftiger Grund"? Das ist nicht faßbar. Deswegen kann mit dieser Generalklausel praktisch alles gemacht werden, so wie mit dem § 1 der Straßenverkehrsordnung. Auch das kennen Sie.
Für uns von der Freiheitlichen Volkspartei — ich sage es noch einmal; ich habe es schon vor einem Jahr gesagt — sind Tiere keine Sachen im Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuches, sondern Geschöpfe Gottes, die Angst und Schmerzen verspüren wie wir Menschen auch.
Es wurde heute schon auf das grundsätzliche Verbot von Tierversuchen zur Prüfung von Kosmetika, Tabakerzeugnissen, Waschmitteln hingewiesen. Ich sage nur: Das Ganze ist das Papier nicht wert, auf dem es steht; denn hinterher wird dann eine Rechtsverordnung gemacht, und im Rahmen dieser Rechtsverordnung kann dann genau das geschehen, was die Industrie will. Ich sage noch einmal: Es ist kein Tierschutzgesetz, es ist nach wie vor ein Tiernutzungsgesetz. Das muß ganz klar herausgestellt werden.

(Beifall bei den GRÜNEN sowie der Abg. Frau Schmidt [Nürnberg] [SPD])

Das, was hier vorgenommen wurde, sind nur kosmetische Operationen, um sich hier als besonders tierlieb hinzustellen. Genau das Gegenteil ist der Fall.
Zwei Punkte muß man positiv herausstellen. Einer davon ist, daß alle zwei Jahre ein Bericht erstattet werden soll, so daß dieses Thema Tierschutz nach wie vor in der Diskussion bleiben wird.



Handlos
Der zweite ist, daß das Verteidigungsministerium — Staatssekretär Würzbach — den Bau einer neuen Tierversuchsanlage gestoppt hat. Auch dies sollte man hier einmal dankbar anerkennen. Von daher ist das ganze Reden hier nicht umsonst, sondern hat in gewissen Bereichen doch Erfolg.
Noch ein Wort zu den Tierversuchen und zu den Arzneimittelschädigungen, meine Damen und Herren. Das Beispiel für viele kennen wir: Contergan. Contergan wurde in unzähligen Tierversuchen getestet, und wir kennen die verheerenden Folgen dieses Medikaments. Jährlich widerruft das Bundesgesundheitsamt nach eigenen Angaben die Zulassung von 400 Medikamenten, die in Tierversuchen getestet wurden. Krebs, Rheuma und viele andere Krankheiten gibt es trotz unzähliger — nutzloser — Tierversuche.
Deshalb mein Appell, vor allem an die Kollegen der Regierungsparteien, der Christlich Demokratischen und der Christlich Sozialen Union. Dieser Gesetzentwurf, meine lieben Kollegen, ist in zahlreichen Passagen nicht christlich, sondern scheinheilig.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Und weil das so ist, bitte ich Sie: Haben Sie als Kollegen der CDU/CSU-Fraktion einmal den Mut, und stimmen Sie dagegen. Wenn Sie einmal den Mut hätten, nein zu sagen, stürzte doch die Regierung noch nicht; denn es wären dann in neuen Beratungen Verbesserungen möglich. Ich betone noch einmal: Die Regierung würde nicht erschüttert, wenn die Mehrheitsfraktion einmal sagte: Nein, da machen wir nicht mit. — Ich bitte Sie dringend, das zu tun. Auf diese Art und Weise kann jeder seine Unabhängigkeit als Vertreter des Volkes dokumentieren. Sie wissen, es gibt Millionen von Tierfreunden, die mit der Vorlage nicht einverstanden sind. Sie würden Millionen von Tierfreunden ein Geschenk machen, wenn Sie sagten: Jawohl, das Ganze zurück, wir werden noch einmal darüber beraten. Sie würden damit beweisen, meine lieben Kollegen, auch von den Sozialdemokraten und von der FDP, daß Sie mündige Bürger und Abgeordnete sind. Die Ablehnung dieses Tiernutzungsgesetzes wäre ein besonderer Ausdruck unserer Menschlichkeit.
Herzlichen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN sowie des Abg. Voigt [Sonthofen] [fraktionslos])


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1021022600
Das Wort hat die Frau Abgeordnete Schmidt (Nürnberg).

Renate Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1021022700
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Herren! Meine Damen! Wenn ich heute hier begründe, warum meine Fraktion dem Entwurf der Bundesregierung in namentlicher Abstimmung nicht zustimmen kann und wird, dann haben wir in der SPD uns diese Entscheidung nicht leicht gemacht. Nach jahrelanger Arbeit, die übrigens in der 9. Legislaturperiode ihren Anfang nahm, hätten auch die Sozialdemokraten lieber einen gemeinsamen Erfolg gesehen, zumal die vielen Beteuerungen, man wolle wirklich eine Reform des Tierschutzes, darauf hindeuteten, daß es tatsächlich zu Verbesserungen kommen soll.
Lieber Kollege Stutzer, lassen Sie mich an dieser Stelle sagen: Ich würde die Probleme, die Sie persönlich jetzt mit einer Vielzahl von Tierschutzorganisationen vielleicht haben, nicht den Sozialdemokraten aufzuladen versuchen.

(Beifall bei der SPD)

Lassen Sie mich aber auch folgendes in vollem Ernst sagen: Sie haben moniert, wir hätten in zehn Jahren, also zwischen 1972 und 1981, als die Debatten wieder begannen, nichts gemacht.

(Dr. Riedl [München] [CDU/CSU]: Sehr wahr!)

Ich glaube, wir sollten vielleicht doch sehen, daß sich in diesen zehn Jahren das Bewußtsein an vielen Stellen ganz nachhaltig verändert hat. Wir Politiker, wir Abgeordnete sind Bestandteil dieser Gesellschaft. Wir sind nicht etwa mit einer prophetischen Gabe ausgestattet. Wir müssen jetzt, heute versuchen, dieses veränderte Bewußtsein aufzunehmen und in Politik umzusetzen.

(Beifall bei der SPD)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1021022800
Frau Abgeordnete, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Riedl?

Renate Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1021022900
Ich habe sehr wenig Zeit. Ich kann Ihre Zwischenfrage jetzt nicht zulassen. Vielleicht am Schluß, falls ich noch Zeit habe, lieber Kollege Riedl.

(Schulte [Menden] [GRÜNE]: Das wird nicht auf die Zeit angerechnet!)

Auf den ersten Blick sieht der durch das gemeinsame Bemühen aller Fraktionen verbesserte Regierungsentwurf ja auch ganz gut aus: beginnend mit der Präambel, in der das Tier nicht als Sache, sondern als Mitgeschöpf bezeichnet wird — wegen dieser Forderung bin ich übrigens vom Kollegen Eigen in der ersten Lesung noch ausgelacht worden — über vorgebliche Verbote für Tierversuche für Kosmetika, Waffenerprobung und Genußmittel, die Einsetzung von Tierschutzbeauftragten bis zu den Ethikkommissionen.
Aber der zweite Blick belehrt uns eines Besseren: Der in der Fassung der Beschlußempfehlung vorliegende Entwurf der Bundesregierung hat es geschafft, sämtliche Reizworte — das ist schon eine Leistung — der derzeitigen Tierschutzdiskussion aufzunehmen. In ihm wird der Eindruck zu erwekken versucht, man sei tatsächlich wesentlichen Forderungen der Tierschützer, Tierversuchsgegner und ihrer Organisationen nachgekommen, während man in Wirklichkeit nichts anderes als Kosmetik betreibt, angefangen mit dem Verbot der Tierversuche für Kosmetika.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN)

Meine sehr geehrten Herren und Damen, wir haben uns in der Diskussion um das Tierschutzgesetz, das nur den Anfang macht in einer Reihe von Ge-



Frau Schmidt (Nürnberg)

setzen, die auf uns zukommen werden — wie z. B. bezüglich der Forschung mit Embryonen, der neuen Techniken in der Humangenetik usw. — zwei grundsätzliche Fragen zu stellen.
Erstens. Darf der Mensch alles, wozu ihn die Wissenschaft befähigt? Sind menschlicher Neugier ethische Grenzen zu setzen?
Die zweite Frage lautet: Sind wir bereit, unsere Umwelt — Natur, Pflanzen und Tiere — nicht länger als Selbstbedienungsladen zu benutzen und damit in wichtigen Bereichen anders zu wirtschaften?
Es kommt eine dritte Frage hinzu: Ist es richtig, daß Tierschutz und Gesundheitsschutz des Menschen Gegensätze sind, oder haben wir unseren Gesundheitsbegriff zu verändern, also Krankheitsursachen anzugehen — wie z. B. zu schlechte Atemluft —, statt Medikamente zu entwickeln, die die daraus entstehenden Schäden beheben?

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN)

Wir sind ausweislich unseres Gesetzentwurfs der Meinung, daß gerade vor dem Hintergrund immenser wissenschaftlicher und technologischer Möglichkeiten menschlichem Wissensdurst, Forscherdrang und Handeln gerade auch durch den Gesetzgeber Grenzen gesetzt werden müssen. Wir sind der Meinung, daß ebenso wirtschaftlichem Streben Grenzen gesetzt werden müssen, wenn es zum Schaden unseres und anderen Lebens ist. Wir sind ferner der Meinung, daß das ursächliche Angehen von Krankheiten und ein vernünftiger Tierschutz keine Interessengegensätze sind.
Damit, meine sehr verehrten Kollegen, sind wir auch schon bei vollkommen unterschiedlichen Lösungsansätzen. Ich beschränke mich bei der folgenden Aufzählung auf die Punkte, die uns unterscheiden.
Erstens. Wir fordern ein grundsätzliches Verbot von Tierversuchen und definieren Ausnahmemöglichkeiten in engen Grenzen, wohl wissend, daß es derzeit noch Ausnahmen geben muß.
Sie, meine Damen und Herren von der Koalition, erklären Tierversuche für grundsätzlich erlaubt und definieren als Ausnahme eine Reihe von Verboten. Dies bedeutet im Umkehrschluß: Alles, was bei uns nicht erlaubt ist, ist verboten; alles, was bei Ihnen nicht verboten ist, ist erlaubt.
Sie haben nun wie auch ein nicht geringer Teil der angehörten Wissenschaftler damit argumentiert, unsere Formulierung sei verfassungswidrig. Ich freue mich deshalb, daß der Rechtsausschuß, und zwar einstimmig, beschlossen hat, daß gegen beide Gesetzentwürfe keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen und ebenfalls keine rechtsförmlichen Bedenken gegen einzelne Bestimmungen.
Der zweite Unterschied. Wir sehen ein absolutes Verbot von Tierversuchen für Kosmetika, für Genußmittel und zur Erprobung chemischer und bakteriologischer Kampfstoffe sowie der Wirkung von Waffen vor. Wir halten in diesem Bereich Tierversuche generell nicht für vertretbar. Sie definieren für diese Bereiche ebenfalls Verbote, relativieren diese aber dann so weit, daß damit kein einziger Tierversuch verhindert wird.
Auch dazu einige Beispiele. Wenn Sie schreiben, Tierversuche für die Entwicklung dekorativer Kosmetika sind verboten, und gleichzeitig eine Rechtsverordnung ankündigen, die dieses Verbot aushöhlt, dann ist das schlicht und einfach keine Beschränkung. Denn mit jedem neuen Produkt sind Gesundheitsgefährdungen gegeben. Deshalb müssen wir die Frage stellen — nicht etwa so, wie Sie sie stellen —: Brauchen wir in diesem Bereich in einem unübersehbaren Markt tatsächlich neue Produkte? Unsere Antwort heißt: Nein, wenn dazu auch nur ein einziger Tierversuch notwendig ist.

(Beifall bei der SPD)

Wohin die Reise führt, wird deutlich, wenn ich Ihnen einen Vorfall anläßlich einer offiziellen Tagung des Bundesverbandes der Pharmazeutischen Industrie schildere. Dort hielt ein angesehener Professor unter ausdrücklicher Zustimmung der Kollegin Adam-Schwaetzer Tierversuche im Bereich der kosmetischen Industrie nach wie vor für notwendig. Seine Begründung — man höre und staune —: Solange graue Schläfen einen Mann interessant, eine Frau aber alt machen, seien Tierversuche im kosmetischen Bereich auch als Mittel der Emanzipation der Frau notwendig.

(Oho-Rufe von der SPD)

Eine solche Betrachtungsweise ist hanebüchen, läßt ethische Maßstäbe vollkommen vermissen und zeigt darüber hinaus ein vollkommen falsches Emanzipationsverständnis.

(Beifall bei der SPD)

Emanzipiert ist frau nämlich, wenn sie das Alter und seine Begleiterscheinungen selbstbewußt annimmt.
Auch das Verbot von Tierversuchen für die Entwicklung und Erprobung von Waffen bedeutet nichts, weil die Bundeswehr dauernd explizit behauptet, daß sie hierfür keine Versuche durchführt.

(Abg. Stutzer [CDU/CSU] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

— Ich kann keine Zwischenfragen zulassen. — Eine Einschränkung kann also nur dann erfolgen, wenn Tierversuche auch für die Wirkungsweise von Waffen ausgeschlossen werden. Deshalb ist unser Antrag mitnichten erledigt und mitnichten gegenstandslos.
Und ein weiteres: Es darf künftig keine bundeswehrinterne Genehmigungsverfahren mehr geben. Versuche zur Krankheitserkennung und -heilung bedürfen nicht der Geheimhaltung, können denselben Ethikkommissionen und Genehmigungsbehörden vorgelegt werden wie jeder andere Tierversuch auch.
Der Bonner Generalanzeiger vom 15./16. Februar berichtet, wie derzeit im Bereich des Zentralen Instituts des Sanitätsdienstes der Bundeswehr in Ko-



Frau Schmidt (Nürnberg)

blenz Tierschutzvorschriften gehandhabt werden. Der Richter in einem Verfahren gegen einen Oberstarzt und einen Biologen, der Tuberkulose-tests mit Meerschweinchen durchgeführt hat — in den meisten Fällen überflüssige Tests, weil hier längst Alternativmethoden vorhanden sind —, spricht von unsäglichen Schlampereien in diesem ganzen Bundeswehrbereich und kann nicht fassen, wie sich die Bundeswehr über gesetzliche Bestimmungen hinwegsetzt. Hier müssen Änderungen eintreten.

(Beifall bei der SPD)

Drittens. Wir wollen Tierschutzbeauftragte, die selbst keine Tierversuche in einem Betrieb oder in einer Forschungseinrichtung durchführen. Sie halten diesen Ausschuß nicht für notwendig. Tierschutzbeauftragter könnte nach Ihrem Gesetzentwurf selbstverständlich auch der Leiter der Tierversuchsabteilung werden. Dies kann auch nicht im Interesse der Wissenschaft sein, weil so vorhandenes Mißtrauen nicht abgebaut, sondern erhöht wird.
Viertens. Für mich sind neben dem grundsätzlichen Verbot wichtigstes Instrument zur Verringerung von Tierversuchen die Ethikkommissionen. Wir wollen eine Besetzung von einem Drittel Wissenschaftlern, die Tierversuche durchführen, einem Drittel Sachverständigen aus den Organisationen der Tierschützer und Tierversuchsgegner und einem Drittel Geisteswissenschaftlern, also eine paritätische Besetzung. Sie sind nur bereit, ein Drittel der Kommissionen mit Vertretern der Tierschutzorganisationen zu besetzen. Damit haben die Tierversuchsbefürworter eine erdrückende Mehrheit. Damit werden Tierversuche garantiert nicht verringert.

(Eigen [CDU/CSU]: Woher wissen Sie das?)

Zudem schreiben Sie das Einschalten der Ethikkommission nicht zwingend vor.
Für mich bestehen in der Errichtung paritätisch besetzter Kommissionen mehrere Chancen. Zum einen kann der Gesetzgeber nicht alle Eventualitäten im Gesetz berücksichtigen. Es muß also eine Einzelfallentscheidung geben. Zum zweiten besteht in der paritätischen Besetzung ebenso wie in der Bestellung wirklich unabhängiger Tierschutzbeauftragter ebenfalls die Chance, Mißtrauen abzubauen. Zum dritten zwingt die paritätische Besetzung beide Seiten zur Einigung. Die Tierschützer können, müssen und werden zeigen, daß sie in der Lage sind, tatsächlich abzuwägen und derzeit wirklich unumgänglichen Tierversuchen zuzustimmen.
Diese Notwendigkeit ist mit der von Ihnen vorgesehenen Minderheitenposition für die Tierschützer in keinem Fall mehr gegeben. Eine Befriedung der emotional aufgeladenen Diskussion ist damit auch nach Verabschiedung des Regierungsentwurfs nicht absehbar, ein Aufeinanderzugehen von Tierschützern und Wissenschaftlern erschwert, wenn nicht ausgeschlossen, und eine weitere Chance verspielt.
Der fünfte Punkt. Wir wollen Datenbanken im Gesetz und nirgendwoanders festgelegt haben. Die Entschließung ist uns zuwenig.
Der sechste Punkt. Die Anhörung hat ergeben, daß rund 30 bis 40 % aller Tierversuche im Bereich der Forschung durchgeführt werden, 60 bis 70 % aber durch Gesetze oder aus diesen Gesetzen resultierenden Verordnungen vorgeschrieben sind.
Beide Gesetzentwürfe — auch unserer — kranken daran, dies nicht rechtzeitig erkannt zu haben. Wir haben deshalb im Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit, der für einen Großteil der Gesetze zuständig ist, die Tierversuche vorschreiben, den Vorschlag formuliert, daß auch gesetzlich vorgeschriebene Versuche daraufhin zu überprüfen sind, ob sämtliche Alternativ- und Ersatzmethoden, um Tierversuche zu vermeiden, nachgewiesenermaßen durchgeführt wurden und ob der Versuchszweck Tierversuche rechtfertigt.
Damit würde — worauf Sie, Frau Hönes, vorhin hingewiesen haben — auch der Intention des Gesetzgebers z. B. beim Chemikaliengesetz endlich Rechnung getragen; damit würden Tierversuche für die neueste Klarsichtfolie, die die Ware noch appetitlicher verpackt, und für neue Wirkstoffe für Kosmetika nicht mehr zugelassen werden. Leider ist auch diese Forderung nicht berücksichtigt worden.
Es gäbe noch vieles anzumerken: zum Versuchstierhandel, zur Leidensbegrenzung und zu vielem anderen. Ich beschränke mich auf diese sechs Punkte. Ohne eine Veränderung in dem von mir geschilderten Sinn in diesen Punkten ist der Regierungsentwurf für uns unannehmbar.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Genauso unannehmbar ist es, wenn es bei der Formulierung des § 2 bleibt, der die Massentierhaltung sanktioniert und die Handlungsspielräume der Bundesländer, quälerische industrieartige Massenproduktion von Geflügel, Schweinen und Kälbern zumindest zu begrenzen, beseitigt.
Wir haben es inzwischen satt, daß 450 Quadratzentimeter — das ist die Fläche dieses Papierbogens hier — Lebensraum für ein Huhn während seines gesamten Lebens als Erfolg gefeiert werden.

(Beifall bei der SPD)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1021023000
Frau Kollegin, gestatten Sie nun noch eine Zwischenfrage?

Renate Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1021023100
Nicht mehr.
Ich möchte auch ein Wort zu den Anträgen der GRÜNEN sagen. Wir haben im Ausschuß vermißt — das kann ich nachweisen —, daß jemand von den GRÜNEN Anträge zu den Tierversuchen gestellt hat. Wir haben Ihre umfangreichen Anträge gestern abend bekommen, auch wenn es von der Intention her vielleicht viel Übereinstimmung gibt, ist es nicht möglich, dies so abzustimmen, wie es für einen Gesetzentwurf ordentlich und richtig wäre.



Frau Schmidt (Nürnberg)

Deshalb können wir Ihren Änderungsanträgen nicht zustimmen.

(Beifall bei der SPD — Schulte [Menden] [GRÜNE]: Bei der zweiten und dritten Beratung!)

Leider ist in den vergangenen Jahren die Anzahl der Tierversuche nicht oder bestenfalls geringfügig zurückgegangen. Eine Kleine Anfrage aus Hessen nennt für die Jahre 1981/82 insgesamt 2 325 089 verbrauchte Tiere, für die Jahre 1983/84 nach der gleichen statistischen Erfassung 2 271 490. Dies ist innerhalb zwei Jahren ein Rückgang von sage und schreibe 2,3 %. Wenn wir so weitermachen, brauchen wir Zeit über die Jahrtausendwende hinaus, um tatsächliche Erfolge zu erzielen.
Deshalb sind die Aussagen der Lobbyisten über einen drastischen Rückgang der Tierversuche falsch. Deshalb ist eine wirkliche Reform des Tierschutzes notwendig, um der staatlich sanktionierten und tolerierten Tierquälerei bei nicht notwendigen Tierversuchen und der Massentierhaltung entgegenzutreten. Wir werden deshalb das Tierschutzgesetz im Falle einer SPD-Regierung umgehend in unserem Sinn ändern.
Die Diskussion ist mit dem heutigen Tag nicht abgeschlossen, und der heutige Tag darf auch nicht zu Resignation führen. Unsere Frage darf nicht mehr heißen: Nützt es — kurzfristig — dem Menschen?, sondern sie muß heißen: Nützt es dem Leben auf diesem Planeten? Diejenigen, die diese Frage stellen, werden Gott sei Dank immer mehr.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1021023200
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Hirsch.

Dr. Burkhard Hirsch (FDP):
Rede ID: ID1021023300
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Kollegin Schmidt, ich will Ihnen persönlich gar nichts nachsagen, aber ich habe das Gefühl, daß Sie sich bei einem Teil dessen, was Sie sagen, so etwas wie einen schlanken Fuß machen wollen. Sie stellen Forderungen auf, von denen Sie genau wissen, daß sie — trotz jahrelanger Bemühungen der früher von uns gemeinsam getragenen Bundesregierung — nicht durchgesetzt werden können. Sie erwecken nun den Eindruck, als ob das mit einem Zauberstab verändert werden könne.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Frau Schmidt [Nürnberg] [SPD]: Versuchen wir es doch wenigstens!)

Ich halte das nicht für korrekt.
Ich glaube, daß die Beratung des Tierschutzgesetzes tiefgehende Emotionen offengelegt hat. Man muß sich fragen, woran das liegt. Es liegt in der Tat an dem Wandel der Einstellung des Menschen gegenüber der Umwelt. Er verfährt nicht mehr nach dem Motto: Macht euch die Erde untertan. Vielmehr haben wir verstanden, daß wir mit der Fähigkeit, unsere Umwelt unwiderruflich zu verändern, auch eine weit größere Verantwortung haben, als sie früher empfunden worden ist.
Ein weiteres ist, daß Emotionen darauf zurückzuführen sind, daß Fehler gemacht worden sind. Frau Kollegin Schmidt, es ist nicht so, als ob der Wunsch nach mehr Tierschutz im Laufe der letzten Monate wie eine Urgewalt über uns gekommen wäre, sondern das Tierschutzgesetz von 1972 ist, als es erlassen wurde, international als eine Großtat des Tierschutzes verstanden worden. Nur, es hat die Erwartungen im Vollzug nicht erfüllt, die wir gemeinsam daran geknüpft haben.
Wir alle kennen die Bilder der Massentierhaltung, die Sie erwähnt haben, von Tierversuchen. Wir müssen zur Kenntnis nehmen, daß die ökonomischen Gesetze in der Massentierhaltung alles andere in der Tat überwuchert haben. Das ist allerdings nicht nur eine Folge der Haltung der Bundesländer im Bundesrat, das ist nicht nur eine Folge zwingender Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft — gerade das, was Sie zur Hühnerhaltung vorgetragen haben, beruht ja auf zwingenden EG-Vorschriften, die wir seit vielen Jahren zu ändern versuchen —, sondern das ist auch eine Folge des Verhaltens der Verbraucher, die schlicht ökonomischen Gesetzen folgen, indem sie eben das Ei — oder ein anderes Produkt — kaufen, das schmackhaft und billig ist, und sich im übrigen einen Teufel darum scheren, ob das nun von freilaufenden Hühnern oder nicht freilaufenden Hühnern gelegt worden ist.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Das ist der Punkt: das eigene Verhalten.

Was die Tierversuche angeht, so gibt es natürlich wachsende Zweifel, die ich auch habe, hinsichtlich der Transparenz der Tierversuche: Wie viele werden gemacht? Ich glaube nicht mehr an die Harmlosigkeit, mit der uns die Übertragung von Ergebnissen von Tierversuchen auf die Menschen als unproblematisch vorgegaukelt wird. Ich bin nicht der Überzeugung, daß die Tierversuche in der Vergangenheit auf das unumgänglich notwendige Maß reduziert worden sind. Und ich beklage, daß die Wissenschaftler nicht in der Lage waren, diese Fragen überzeugend zu beantworten. Den Tierschützern schlagwortartig Unkenntnis oder Demagogie vorzuwerfen, damit allein ist überhaupt nichts erreicht.
Nun muß man aber auch eines sagen: Dieses Gesetz bringt, auch wenn es auch nicht alles erreicht, was wir wollen, entscheidende Fortschritte.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Die sind hier mehrfach dargestellt worden: Begrenzung der Tierversuche, ihre inhaltliche Beschränkung, das Verbot von Tierversuchen zum Zwecke der Erprobung, der Entwicklung von Waffen und Munition — das ist etwas, was über Ihren Antrag, Herr Kollege Vogel, über den SPD-Antrag hinausgeht, weil damit natürlich auch die chemischen Kampfstoffe erfaßt sind —, das Verbot von Tierversuchen mit Blick auf Tabak, Waschmittel und dekorative Kosmetika.
Natürlich wollen wir eine Datenbank einrichten. Nur haben die Beratungen gezeigt, daß die gesetzlichen Voraussetzungen dafür nicht so schnell geschaffen werden können, wie wir das wollten.



Dr. Hirsch
Die Pflicht, die Tierschutzkommissionen wenigstens zu einem Drittel mit Vertretern der Tierschutzorganisationen zu besetzen, und die Pflicht, sie von allen Genehmigungsanträgen zu unterrichten, das ist ein entscheidender Durchbruch zu mehr Transparenz.
Natürlich ist es richtig, daß auf Grund der Berichtspflicht der Bundesregierung das Thema damit nicht mehr von der Tagesordnung kommt. Das wollen wir. Kein Gesetz ist besser als seine Durchführung. Es hängt von der Durchführung ab. Die Bundesregierung weiß, daß wir sie aus dieser Verantwortung nicht entlassen wollen, nicht entlassen werden.

(Beifall bei der FDP)

Es bleibt mir nur übrig, zu sagen: Heute ist kein schwarzer Tag für den Tierschutz. Dies ist nicht das Endstadium, das wir wollen, sondern es ist ein wesentlicher Schritt. Ich bedanke mich bei dem Minister, auch bei dem Staatssekretär Gallus, daß sie dieses heiße Eisen angepackt haben. Ich bedanke mich bei den Kollegen, die alles getan haben, um bei diesem Zwiespalt der Emotionen zu vernünftigen Ergebnissen zu kommen.
Wir werden dem Gesetz zustimmen. Wir wissen, daß wir mit diesem Thema hier wieder erscheinen werden, wenn die Durchführung des Gesetzes nicht dem entspricht, was wir uns von ihm erhoffen.
Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1021023400
Bevor ich der letzten Rednerin unserer Debatte das Wort gebe, darf ich um ein bißchen mehr Aufmerksamkeit bitten. Gleichberechtigung muß j a nicht heißen, daß man eine Rednerin genauso wie die männlichen Kollegen vorher in bezug auf die Unruhe behandelt.
Frau Dr. Neumeister, bitte schön.

Dr. Hanna Neumeister (CDU):
Rede ID: ID1021023500
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist außerordentlich bedauerlich, daß die sehr sorgfältig erarbeiteten Vorschläge und die Entschließung des Forschungsausschusses so wenig Eingang in die gesamte Gesetzgebung gefunden haben. Wir bedauern das außerordentlich.
Es ist selbstverständlich, daß auch eine große Zahl von Wissenschaftlern diese Nichtbeachtung sehr bedauert und in unterschiedlichen Stellungnahmen ihre Sorge über die Zukunft der medizinischen Forschung zum Ausdruck bringt. Es geht z. B. um die nicht gerade sehr präzise Definition des Begriffes Tierversuch, die sicherlich dazu führen wird, daß auch in Zukunft ähnliche Zahlenspiele über die wirkliche Zahl von Tierversuchen üblich sein werden, die durchgeführt werden, aber in der Öffentlichkeit nicht erscheinen. Das haben wir heute ja auch in der Debatte gehört.
Es ist z. B. eigentlich auch gar nicht einzusehen, warum aus dem Tierversuchslabor der Laborant oder der technische Assistent verdrängt und statt dessen hochqualifizierte Wissenschaftler genommen werden sollen. Damit helfen wir den Tieren keineswegs und können andererseits natürlich auch nicht die soviel besungene Akademikerschwemme abbauen. Es gibt also wirklich einige Dinge, die man sich überlegen sollte.
Ich habe leider nicht die Zeit, auf alle Punkte einzeln einzugehen. Es ist mir z. B. unverständlich, daß man die sowohl von der Bundesregierung wie vom Bundesrat vorgeschlagene Formulierung, daß Tierversuche nach wissenschaftlich begründeter Darlegung der geforderten Voraussetzungen überhaupt erst genehmigt werden dürfen, ersetzen will durch die Formulierung „nach der Glaubhaftmachung". Bei der Grundlagenforschung würde man seherische Fähigkeiten brauchen, um schon vor einem Versuch glaubhaft machen zu können, daß all die Voraussetzungen, die erforderlich sind, erfüllt werden.

(Unruhe)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1021023600
Frau Kollegin Neumeister, ich darf Sie einen Moment unterbrechen. Ich möchte Ihnen ein bißchen mehr Ruhe verschaffen.
Ich darf diejenigen, die zur Zeit nicht auf ihren Plätzen sitzen, bitten, sich jetzt hinzusetzen und zuzuhören. Zu Ihnen spricht eine Kollegin.
Bitte schön, Frau Dr. Neumeister.

Dr. Hanna Neumeister (CDU):
Rede ID: ID1021023700
Alle bisherigen Redner haben sich dafür eingesetzt, zu einer Förderung der Alternativmethoden zu kommen. Es ist ja erfreulich, daß die Stiftung, die gerade in den letzten Tagen mit Unterstützung der Industrie gegründet wurde, in Zukunft dafür sorgen wird, daß in dieser Richtung etwas getan wird. Nur, all diese Möglichkeiten von alternativen oder, besser gesagt, Ersatzversuchen, sollten uns nicht zu der Utopie verleiten, daß mit dieser Forschung schließlich alle Tierversuche ersetzt werden könnten. Ergänzungsmethoden haben schließlich immer eine ganz große Schwäche; sie werden doch niemals die komplizierten Gesamtvorgänge und die auch etwas vernebelten Wechselwirkungen in einem intakten Körper nachvollziehen können. Meine Damen und Herren, eine isolierte Leber kriegt keine Depressionen, eine Zellkultur kann keinen Durchfall kriegen und eine Bakterienkolonie keinen Kreislaufkollaps. Überlegen Sie sich das doch bitte einmal.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir müssen doch vom gesamten Körper ausgehen. Sie reden alle von Ganzheitsmedizin, aber hier wollen Sie auf einzelne Zellkulturen ausweichen. So wichtig diese sind, so muß ich, wenn andererseits immer wieder betont wird, der Tierversuch sei nicht maßgeblich für die Anwendung am Menschen, sagen: Die Zellkulturen kriegen wir auch von Tieren; das sind auch Tierzellen. Da nehmen Sie sie automatisch in Kauf.
Ich meine also schon, wir müssen uns klarmachen, daß wir, wenn wir diese ganzen Ersatzmethoden alleine machen, wenig für die Menschen tun. Oder wir kommen dann endlich zum systematischen Menschenversuch. Wollen Sie das? Ich kann



Frau Dr. Neumeister
mir nicht vorstellen, daß das einer von uns hier will.
Aus der Sicht von Wissenschaft und Forschung ist es einfach notwendig, diese Gedanken und Schwachstellen des Gesetzentwurfs heute einmal anzusprechen. Wir müssen verhindern, daß Wissenschaft und Forschung durch gesetzliche Bestimmungen in solchen Bereichen, die für die Menschheit von vitaler Bedeutung sind — und das ist die medizinische Forschung —, behindert werden. Denken Sie einmal an AIDS, woran geforscht wird. Was wollten wir da machen, wenn keine Tierversuche möglich wären oder wenn durch bürokratische Hemmnisse die schnelle Durchführung solcher Versuche verhindert würde? Ohne Tierversuche kann es eben einfach in vielen Bereichen der Gesundheitsforschung nicht gehen.
Ich hoffe immer noch, daß das Gesetz in der gegenwärtigen Form Interpretationsmöglichkeiten erlaubt, die trotz erheblicher Einschränkung der Tierversuche den Belangen der Forschung genügend zum Durchbruch verhelfen können. Die Ermächtigung zur Präzisierung des Gesetzes in der Praxis durch Verordnung bietet hierzu sicherlich eine Möglichkeit. Es darf nicht dazu kommen, daß die deutsche Forschung bei der Bekämpfung von Krankheiten durch künstliche bürokratische Hemmnisse behindert wird.
Ich meine, daß dieses Gesetz insgesamt anzuerkennen ist, weil es — auch bei den Schwächen, die ich eben aufgeführt habe — sicherlich in die richtige Richtung weist, aber auch dazu beiträgt, Mißbräuche und Auswüchse, die in der Vergangenheit zweifellos zu beobachten waren, in Zukunft zu verhindern.
Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1021023800
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.

(Unruhe)

— Ich muß um Ihre Aufmerksamkeit bitten, weil wir eine ganze Reihe schwieriger Abstimmungsprozeduren vor uns haben. Es ist besser, hier zuzuhören, als zwischendurch die Geschäftsführer fragen zu müssen.
Wir kommen zuerst zur Einzelberatung und Abstimmung über den Tagesordnungspunkt 14b, den von der Fraktion der SPD eingebrachten Gesetzentwurf zur Verringerung der Tierversuche auf Drucksache 10/2703. Der Ausschuß empfiehlt in seiner Beschlußempfehlung auf Drucksache 10/5259 unter II, diesen Gesetzentwurf abzulehnen.
Ich rufe Art. 1 bis 6, Einleitung und Überschrift auf. Wer den aufgerufenen Vorschriften zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Damit ist der Gesetzentwurf in zweiter Beratung mit Mehrheit bei einer Reihe von Stimmenthaltungen abgelehnt. Damit unterbleibt nach § 83 Abs. 3 unserer Geschäftsordnung die weitere Beratung.
Wir kommen jetzt zur Einzelberatung und Abstimmung über den Tagesordnungspunkt 14 a, den von der Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurf zur Änderung des Tierschutzgesetzes auf Drucksache 10/3158 in der Ausschußfassung. Hierzu liegen eine Reihe von Änderungsanträgen sowie Entschließungsanträgen vor, zu denen in drei Fällen namentliche Abstimmung verlangt wird. Außerdem ist zur Schlußabstimmung namentliche Abstimmung angekündigt worden.
Ich schlage vor, daß wir über die Änderungsanträge, für die namentliche Abstimmung verlangt wird, vor Aufruf der Einzelvorschriften, also jetzt unmittelbar, hintereinander abstimmen. — Ich sehe und höre keinen Widerspruch; dann wird so verfahren.
Wir kommen zunächst zur Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion DIE GRÜNEN auf Drucksache 10/5348. Das Verfahren ist bekannt. Ich eröffne die namentliche Abstimmung.
Meine Damen und Herren, ist noch jemand im Saal, der seine Stimme abgeben möchte? — Dann tun Sie das bitte jetzt.
Ich habe den Eindruck, daß jetzt alle Stimmen, die abgegeben werden sollten, abgegeben worden sind.
Ich schließe die Abstimmung und bitte die Schriftführer, die Urnen auszuleeren und sofort mit den Urnen wiederzukommen, damit die zweite Abstimmung aufgerufen werden kann.*)
Meine Damen und Herren, ich bitte um Aufmerksamkeit. Wir kommen zur Abstimmung über den nächsten Änderungsantrag, den Antrag der Fraktion DIE GRÜNEN auf Drucksache 10/5350. Ich eröffne die namentliche Abstimmung.
Meine Damen und Herren, darf ich fragen, ob noch jemand die Absicht hat, sich an der zweiten namentlichen Abstimmung zu beteiligen; dann soll er das jetzt tun.
Kann ich feststellen, daß alle Kollegen, die abzustimmen wünschen, sich an der Abstimmung beteiligt haben? — Das scheint der Fall zu sein. Dann schließe ich die Abstimmung und bitte um die gleiche Prozedur, d. h. die Urnen gleich wieder herzubringen für die dritte Abstimmung.**)
Kann ich feststellen, daß die Urnen wieder an ihren Plätzen stehen und die Schriftführer an ihren Plätzen sind ? — Das scheint der Fall zu sein.
Ich bitte um Aufmerksamkeit. Wir kommen jetzt zur namentlichen Abstimmung über den dritten Änderungsantrag der Fraktion DIE GRÜNEN auf Drucksache 10/5352. Ich eröffne die namentliche Abstimmung.
Meine Damen und Herren, gibt es noch Abgeordnete im Saal, die an der Abstimmung teilzunehmen wünschen? — Das scheint nicht der Fall zu sein.
*) Ergebnis Seite 16131A **) Ergebnis Seite 16132 D



Vizepräsident Westphal
Dann schließe ich die Abstimmung und bitte die Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen.*)
Ich darf nun die Kollegen bitten, Platz zu nehmen. Wir können nämlich in der Zwischenzeit erstens schon Ergebnisse mitteilen und zweitens mit den anderen Abstimmungen, die nicht namentlich sind, fortfahren. Ich bitte, Platz zu nehmen.
Meine Damen und Herren, ich gebe die Ergebnisse der ersten zwei namentlichen Abstimmungen bekannt. Es handelt sich zunächst um das von den Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion DIE GRÜNEN auf Drucksache 10/5348. Abgegebene Stimmen: 450, davon keine ungültig. Mit Ja haben gestimmt 24, mit Nein 423. Es hat 3 Enthaltungen gegeben.
Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen 446, davon
ja: 22 Abgeordnete
nein: 421 Abgeordnete
enthalten: 3 Abgeordnete
Ja
DIE GRÜNEN
Auhagen
Bueb
Frau Dann
Fritsch
Frau Hönes
Lange
Mann
Dr. Müller (Bremen) Rusche
Schmidt

(Hamburg-Neustadt) Schulte (Menden) Senfft

Ströbele
Suhr
Tatge
Vogel (München)

Volmer
Werner (Dierstorf) Werner (Westerland) Frau Zeitler
fraktionslos
Handlos
Voigt (Sonthofen)

Nein
CDU/CSU
Dr. Abelein Frau Augustin Austermann Bayha
Dr. Becker (Frankfurt) Berger
Frau Berger (Berlin)

Dr. Berners Biehle
Dr. Blank
*) Ergebnis Seite 16135A
Dr. Blens Dr. Blüm Böhm (Melsungen)

Dr. Bötsch Bohl
Bohlsen Borchert Boroffka Braun
Breuer
Broll
Brunner
Bühler (Bruchsal)

Dr. Bugl Buschbom Carstens (Emstek)

Carstensen (Nordstrand) Clemens
Dr. Czaja Dr. Daniels
Daweke
Frau Dempwolf
Deres
Dörflinger Dolata
Doss
Dr. Dregger
Echternach
Ehrbar
Eigen
Engelsberger
Erhard

(Bad Schwalbach) Eylmann

Dr. Faltlhauser
Feilcke
Fellner
Frau Fischer
Fischer (Hamburg)

Dr. Friedmann
Funk
Ganz (St. Wendel)

Frau Geiger
Dr. von Geldern
Gerlach (Obernau) Gerstein
Gerster (Mainz)

Glos
Dr. Göhner
Dr. Götz Götzer
Günther Dr. Häfele
von Hammerstein
Hanz (Dahlen)

Haungs
Hauser (Esslingen) Hedrich
Freiherr Heereman
von Zuydtwyck
Frau Dr. Hellwig Helmrich
Dr. Hennig
Herkenrath
Hinrichs Hinsken Höffkes Höpfinger
Dr. Hoffacker
Frau Hoffmann (Soltau) Dr. Hornhues
Hornung
Frau Hürland
Dr. Hüsch
Dr. Hupka
Graf Huyn
Jäger (Wangen)

Jagoda
Dr. Jahn (Münster)

Dr. Jenninger
Dr. Jobst
Jung (Lörrach)

Kalisch Dr.-Ing. Kansy
Frau Karwatzki
Keller
Kiechle Kittelmann
Klein (München)

Dr. Köhler (Duisburg) Kolb
Kraus
Krey
Kroll-Schlüter
Dr. Kronenberg
Dr. Kunz (Weiden) Lamers
Dr. Lammert
Dr. Langner
Lattmann
Dr. Laufs Lenzer
Link (Diepholz)

Link (Frankfurt) Linsmeier
Lintner
Dr. Lippold
Löher
Lohmann (Lüdenscheid) Dr. h. c. Lorenz
Louven Lowack Maaß
Frau Männle
Magin
Marschewski
Metz
Dr. Meyer zu Bentrup Michels
Dr. Miltner
Milz
Dr. Möller
Dr. Müller
Müller (Remscheid) Müller (Wadern)
Müller (Wesseling) Nelle
Frau Dr. Neumeister Niegel
Dr.-Ing. Oldenstädt
Dr. Olderog Frau Pack Pesch
Petersen Pfeffermann Pfeifer
Dr. Pfennig Dr. Pinger Pöppl
Pohlmann
Dr. Pohlmeier
Dr. Probst Rawe
Reddemann Regenspurger
Repnik
Dr. Riedl (München)

Dr. Riesenhuber
Rode (Wietzen)

Frau Rönsch

(Wiesbaden)

Frau Roitzsch

(Quickborn)

Dr. Rose
Rossmanith Roth (Gießen)

Rühe
Ruf
Sauer (Salzgitter)

Sauer (Stuttgart)

Saurin
Sauter (Epfendorf)

Sauter (Ichenhausen)

Dr. Schäuble Scharrenbroich
Schemken Scheu
Schlottmann
Schmidbauer
Schmitz (Baesweiler)

von Schmude
Schneider (Idar-Oberstein)

Dr. Schneider (Nürnberg) Freiherr von Schorlemer Schreiber
Dr. Schroeder (Freiburg) Schulhoff
Dr. Schulte

(Schwäbisch Gmünd) Schultz (Wörrstadt)

Schulze (Berlin)

Schwarz
Dr. Schwarz-Schilling
Dr. Schwörer
Seehofer Seesing
Seiters
Spilker
Dr. Sprung
Dr. Stark (Nürtingen)

Dr. Stavenhagen Stockhausen
Stommel Straßmeir Strube
Stücklen Stutzer
Susset
Tillmann
Dr. Todenhöfer
Uldall
Dr. Unland
Frau Verhülsdonk
Vogel (Ennepetal)

Vogt (Duren)

Dr. Voigt (Northeim)

Dr. Voss
Dr. Waffenschmidt
Dr. Waigel
Graf von Waldburg-Zeil



Vizepräsident Westphal
Dr. Warnke Dr. Warrikoff
Dr. von Wartenberg
Weiß
Werner (Ulm) Frau Will-Feld Frau Dr. Wilms Wilz
Wimmer (Neuss) Windelen
Frau Dr. Wisniewski Wissmann
Dr. Wittmann Wittmann (Tännesberg) Dr. Wörner
Würzbach
Dr. Wulff
Zierer
Zink
SPD
Antretter
Dr. Apel
Bachmaier
Becker (Nienberge) Bernrath
Bindig
Brück
Büchler (Hof) Büchner (Speyer)
Dr. von Bülow Buschfort
Catenhusen Dr. Corterier Curdt
Frau Dr. Däubler-Gmelin Daubertshäuser
Delorme
Dreßler
Dr. Ehmke (Bonn)

Dr. Ehrenberg Eickmeyer
Dr. Emmerlich Dr. Enders
Esters
Ewen
Fiebig
Fischer (Homburg) Fischer (Osthofen)
Frau Fuchs (Köln) Gansel
Gerstl (Passau) Gilges
Glombig
Dr. Glotz
Grunenberg Haar
Haase (Fürth) Hansen (Hamburg)
Frau Dr. Hartenstein
Dr. Hauchler Hauck
Dr. Hauff
Heistermann Herterich
Hettling
Heyenn
Hiller (Lübeck) Dr. Holtz
Frau Huber Huonker
Ibrügger
Immer (Altenkirchen) Jahn (Marburg) Jaunich
Dr. Jens
Jung (Düsseldorf) Junghans
Jungmann
Kastning
Kiehm
Kirschner
Dr. Klejdzinski
Klose
Kolbow Kretkowski Dr. Kübler Kühbacher Kuhlwein Lambinus Lennartz Leonhart Frau Dr. Lepsius
Liedtke Löffler
Lohmann (Witten)

Lutz
Frau Luuk
Frau Dr. Martiny-Glotz Frau Matthäus-Maier Meininghaus
Menzel
Dr. Mertens (Bottrop)

Dr. Mitzscherling
Müller (Düsseldorf) Müller (Schweinfurt)
Dr. Müller-Emmert Müntefering
Nagel
Nehm
Neumann (Bramsche)

Dr. Nöbel Oostergetelo
Paterna Pauli
Dr. Penner Peter (Kassel)

Pfuhl
Porzner Poß
Ranker
Rapp (Göppingen)

Frau Renger
Reschke Reuter
Rohde (Hannover)

Roth
Sander
Schäfer (Offenburg) Schanz
Schlatter
Schmidt (München)

Frau Schmidt (Nürnberg) Schmitt (Wiesbaden)
Dr. Schmude
Dr. Schöfberger Schreiner
Schröder (Hannover) Schulte (Unna)
Dr. Schwenk (Stade) Sielaff
Sieler (Amberg)

Frau Dr. Skarpelis-Sperk Dr. Soell
Dr. Sperling
Dr. Spöri
Stahl (Kempen)

Steiner
Frau Steinhauer
Stiegler Dr. Struck
Frau Terborg
Tietjen
Frau Dr. Timm Toetemeyer
Frau Traupe
Urbaniak Vahlberg Dr. Vogel Vogelsang Voigt (Frankfurt)

Vosen
Waltemathe
Walther
Wartenberg (Berlin) Weisskirchen (Wiesloch) Dr. Wernitz
Westphal
Frau Weyel
Dr. Wieczorek Wieczorek (Duisburg) Wiefel
Wimmer (Neuötting) Wischnewski
Witek
Dr. de With
Wolfram (Recklinghausen) Würtz
Zander
Zeitler
Frau Zutt
FDP
Frau Dr. Adam-Schwaetzer Baum
Beckmann
Bredehorn
Cronenberg (Arnsberg) Eimer (Fürth) Engelhard
Gallus
Gattermann Grünbeck Dr. Hirsch Hoffie
Hoppe
Kohn
Dr.-Ing. Laermann Mischnick Möllemann Neuhausen Paintner
Ronneburger
Dr. Rumpf Schäfer (Mainz)

Frau Dr. Segall
Frau Seiler-Albring
Dr. Solms
Dr. Weng (Gerlingen) Wolfgramm (Göttingen)
Enthalten
SPD
Conradi Jansen
FDP
Frau Dr. Hamm-Brücher
Damit ist der Änderungsantrag der Fraktion DIE GRÜNEN abgelehnt.
Die zweite namentliche Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion DIE GRÜNEN auf Drucksache 10/5350 hatte folgendes von den Schriftführern ermittelte Ergebnis. Abgegebene Stimmen: 439, davon keine ungültigen. Mit Ja haben 20 Abgeordnete, mit Nein haben 413 Abgeordnete gestimmt. Es hat 6 Enthaltungen gegeben.
Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen 439, davon
ja: 20 Abgeordnete
nein: 413 Abgeordnete
enthalten: 6 Abgeordnete
Ja
DIE GRÜNEN
Auhagen Bueb
Frau Dann
Fischer (Bad Hersfeld) Fritsch
Lange
Dr. Müller (Bremen) Rusche
Schulte (Menden)

Senfft Ströbele Suhr
Tatge
Vogel (München)

Volmer
Werner (Dierstorf) Werner (Westerland) Frau Zeitler
fraktionslos
Handlos
Voigt (Sonthofen)

Nein
CDU/CSU
Dr. Abelein Frau Augustin Austermann



Vizepräsident Westphal
Bayha
Dr. Becker (Frankfurt) Berger
Frau Berger (Berlin)

Dr. Berners
Biehle
Dr. Blank Dr. Blens Dr. Blüm Böhm (Melsungen)

Dr. Bötsch Bohl
Bohlsen Borchert Boroffka Braun
Breuer
Broll
Brunner
Bühler (Bruchsal)

Dr. Bugl Buschbom Carstens (Emstek)

Carstensen (Nordstrand) Clemens
Dr. Czaja Dr. Daniels
Daweke
Frau Dempwolf
Deres
Dörflinger Dolata
Doss
Dr. Dregger
Echternach
Ehrbar
Eigen
Engelsberger
Erhard

(Bad Schwalbach) Eylmann

Dr. Faltlhauser
Feilcke Fellner Frau Fischer
Fischer (Hamburg)

Dr. Friedmann
Funk
Ganz (St. Wendel)

Frau Geiger
Dr. von Geldern Gerlach (Obernau) Gerstein
Gerster (Mainz)

Glos
Dr. Göhner
Dr. Götz Götzer
Günther Dr. Häfele
von Hammerstein
Hanz (Dahlen)

Haungs
Hauser (Esslingen) Hedrich
Freiherr Heereman
von Zuydtwyck
Frau Dr. Hellwig Helmrich
Dr. Hennig
Herkenrath
Hinrichs Hinsken Höffkes Höpfinger Dr. Hoffacker
Frau Hoffmann (Soltau) Dr. Hornhues
Hornung
Frau Hürland
Dr. Hüsch Dr. Hupka
Graf Huyn
Jäger (Wangen) Jagoda
Dr. Jahn (Münster)

Dr. Jenninger Dr. Jobst
Jung (Lörrach) Kalisch
Dr.-Ing. Kansy Frau Karwatzki Keller
Kittelmann
Klein (München)

Dr. Köhler (Duisburg) Kolb
Kraus
Krey
Kroll-Schlüter Dr. Kronenberg
Dr. Kunz (Weiden) Lamers
Dr. Lammert Dr. Langner Lattmann
Dr. Laufs
Lenzer
Link (Diepholz) Link (Frankfurt) Linsmeier
Lintner
Dr. Lippold
Löher
Lohmann (Lüdenscheid) Dr. h. c. Lorenz
Louven
Lowack
Maaß
Frau Männle Magin
Marschewski Metz
Dr. Meyer zu Bentrup Michels
Dr. Miltner
Milz
Dr. Möller
Müller (Remscheid) Müller (Wadern) Müller (Wesseling) Nelle
Frau Dr. Neumeister Niegel
Dr.-Ing. Oldenstädt
Dr. Olderog
Frau Pack
Pesch
Petersen
Pfeffermann Pfeifer
Dr. Pfennig
Dr. Pinger
Pöppl
Pohlmann
Dr. Pohlmeier Dr. Probst
Rawe
Reddemann Regenspurger Repnik
Dr. Riesenhuber Rode (Wietzen) Frau Rönsch

(Wiesbaden) Frau Roitzsch


(Quickborn) Dr. Rose

Rossmanith Roth (Gießen) Rühe
Ruf
Sauer (Salzgitter) Sauer (Stuttgart)
Saurin
Sauter (Epfendorf) Sauter (Ichenhausen)
Dr. Schäuble Scharrenbroich Schemken Scheu
Schlottmann Schmidbauer
Schmitz (Baesweiler)

von Schmude
Schneider (Idar-Oberstein)

Dr. Schneider (Nürnberg) Freiherr von Schorlemer Schreiber
Dr. Schroeder (Freiburg) Schulhoff
Dr. Schulte

(Schwäbisch Gmünd) Schultz (Wörrstadt) Schulze (Berlin)

Schwarz
Dr. Schwarz-Schilling Dr. Schwörer
Seehofer Seesing Seiters
Dr. Freiherr
Spies von Büllesheim Spilker
Dr. Sprung
Dr. Stark (Nürtingen) Dr. Stavenhagen Stockhausen
Stommel Straßmeir Strube
Stücklen Stutzer
Susset
Tillmann
Dr. Todenhöfer
Uldall
Dr. Unland
Frau Verhülsdonk
Vogel (Ennepetal)

Vogt (Duren)

Dr. Voigt (Northeim)

Dr. Voss
Dr. Waffenschmidt
Dr. Waigel
Graf von Waldburg-Zeil Dr. Warnke
Dr. Warrikoff
Dr. von Wartenberg Weiß
Werner (Ulm)

Frau Will-Feld
Frau Dr. Wilms
Wilz
Wimmer (Neuss) Windelen
Frau Dr. Wisniewski Wissmann
Dr. Wittmann
Wittmann (Tännesberg) Dr. Wörner
Würzbach Dr. Wulff Zink
SPD
Antretter Dr. Apel Bachmaier
Becker (Nienberge) Bernrath
Bindig
Brück
Büchler (Hof)

Büchner (Speyer)

Dr. von Bülow
Buschfort Catenhusen Dr. Corterier
Curdt
Daubertshäuser
Delorme Dreßler
Dr. Ehmke (Bonn)

Dr. Ehrenberg Eickmeyer
Dr. Emmerlich
Dr. Enders Esters
Ewen
Fiebig
Fischer (Homburg)

Fischer (Osthofen)

Frau Fuchs (Köln) Gansel
Gerstl (Passau)

Gilges
Glombig Dr. Glotz Grunenberg Dr. Haack
Haase (Fürth)

Hansen (Hamburg)

Dr. Hauchler
Hauck
Dr. Hauff Heistermann
Herterich Hettling Heyenn
Hiller (Lübeck)

Dr. Holtz Frau Huber Huonker Ibrügger
Immer (Altenkirchen) Jahn (Marburg)
Jaunich
Dr. Jens
Jung (Düsseldorf) Junghans Kastning
Kiehm
Kirschner
Dr. Klejdzinski
Klose
Kolbow
Kretkowski Dr. Kübler Kühbacher Kuhlwein Lambinus Lennartz Leonhart Frau Dr. Lepsius
Liedtke
Löffler
Lohmann (Witten)

Lutz
Frau Luuk
Frau Matthäus-Maier Meininghaus
Menzel
Dr. Mertens (Bottrop)

Dr. Mitzscherling
Müller (Düsseldorf) Müller (Schweinfurt)
Dr. Müller-Emmert Müntefering
Nagel
Nehm
Neumann (Bramsche) Dr. Nöbel
Oostergetelo
Paterna



Vizepräsident Westphal
Pauli
Dr. Penner Peter (Kassel)

Pfuhl
Porzner Poß
Ranker
Rapp (Göppingen)

Frau Renger
Reschke Reuter
Rohde (Hannover)

Roth
Sander
Schäfer (Offenburg) Schanz
Schlatter
Schmidt (München)

Frau Schmidt (Nürnberg) Schmitt (Wiesbaden)
Dr. Schmude
Dr. Schöfberger Schreiner
Schröder (Hannover) Schulte (Unna)
Dr. Schwenk (Stade) Sielaff
Sieler
Frau Dr. Skarpelis-Sperk Dr. Soell
Dr. Sperling
Dr. Spöri
Stahl (Kempen)

Steiner
Frau Steinhauer
Stiegler Dr. Struck
Frau Terborg
Tietjen
Frau Dr. Timm Toetemeyer
Frau Traupe
Urbaniak Vahlberg Dr. Vogel Vogelsang Voigt (Frankfurt)

Vosen
Waltemathe
Walther
Wartenberg (Berlin) Weisskirchen (Wiesloch) Dr. Wernitz
Westphal Frau Weyel
Dr. Wieczorek
Wieczorek (Duisburg)

Wiefel
Wimmer (Neuötting) Wischnewski
Witek
Damit ist auch dieser Änderungsantrag 10/5350 (neu) abgelehnt.
Ich komme nun zur Einzelberatung auf der Basis der Ausschußfassung des Gesetzes. Ich rufe zunächst Art. 1 in der Ausschußfassung und dort die Nummern 01 bis 2 auf. Wer wünscht diesen Bestimmungen zuzustimmen? — Wer stimmt dagegen? — Enthaltungen? — Dann sind die aufgerufenen Vorschriften mit Mehrheit angenommen.
Ich rufe die Nr. 3 auf. Hierzu liegt auf Drucksache 10/5349 unter Ziffer 1 ein Änderungsantrag der Fraktion DIE GRÜNEN vor. Wer stimmt für den Änderungsantrag? — Wer stimmt dagegen? — Enthaltungen? — Dann ist dieser Änderungsantrag mit großer Mehrheit abgelehnt.
Wer stimmt nun für Nr. 3 in der Ausschußfassung? — Wer stimmt dagegen? — Enthaltungen? — Dann ist die Nr. 3 in der Ausschußfassung mit Mehrheit angenommen.
Ich rufe die Nummern 4 bis 6 auf. Wer für diese Bestimmungen stimmt, den bitte ich um das Handzeichen. — Wer stimmt dagegen? — Enthaltungen? — Die aufgerufenen Vorschriften sind mit Mehrheit angenommen.
Ich rufe Nr. 7 auf. Hierzu liegt auf Drucksache 10/5349 unter Ziffer 2 ein Änderungsantrag der Fraktion DIE GRÜNEN vor. Wer für den Änderungsantrag stimmt, den bitte ich um das Handzeichen. — Wer stimmt dagegen? — Enthaltungen? — Dann ist dieser Änderungsantrag mit großer Mehrheit abgelehnt.
Wer stimmt nun für Nr. 7 in der Ausschußfassung? — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Die Ausschußfassung der Nr. 7 ist mit Mehrheit angenommen.
Ich rufe die Nr. 8 auf. Wer für Nr. 8 stimmt, den bitte ich um das Handzeichen. — Wer stimmt dagegen? — Enthaltungen? — Nr. 8 in der Ausschußfassung ist mit Mehrheit angenommen.
Ich rufe die Nr. 9 auf. Hierzu liegt auf der Drucksache 10/5351 unter Ziffer 1 ein Änderungsantrag der Fraktion DIE GRÜNEN vor. Wer für den Änderungsantrag stimmt, den bitte ich um das Handzeichen. — Wer stimmt dagegen? — Enthaltungen? — Der Änderungsantrag ist mit großer Mehrheit abgelehnt.
Wer stimmt für Nr. 9 in der Ausschußfassung? — Wer stimmt dagegen? — Enthaltungen? — Nr. 9 in der Ausschußfassung ist mit Mehrheit angenommen.
Ich rufe die Nr. 10 auf. Hierzu liegt auf Drucksache 10/5351 unter Ziffer 2 ein Änderungsantrag der Fraktion DIE GRÜNEN vor. Wer stimmt für den Änderungsantrag? — Wer stimmt dagegen? — Enthaltungen? — Der Änderungsantrag ist mit der gleichen großen Mehrheit abgelehnt.
Wer stimmt für Nr. 10 in der Ausschußfassung? — Wer stimmt dagegen? — Die Ausschußfassung der Nr. 10 ist mit Mehrheit angenommen.
Ich rufe die Nummern 11 bis 15 auf. Wer stimmt diesen Vorschriften zu? — Wer stimmt dagegen? — Enthaltungen? — Die aufgerufenen Vorschriften sind mit Mehrheit angenommen.
Ich rufe die Nr. 16 auf. Hierzu liegt auf Drucksache 10/5351 unter Ziffer 3 ein Änderungsantrag der Fraktion DIE GRÜNEN vor. Wer stimmt für den Änderungsantrag? — Wer stimmt dagegen? — Enthaltungen? — Der Änderungsantrag ist mit großer Mehrheit abgelehnt.
Wer stimmt für Nr. 16 in der Ausschußfassung? Ich bitte um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Die Ausschußfassung der Nr. 16 ist mit Mehrheit angenommen.
Dr. de With
Wolfram

(Recklinghausen) Würtz

Zander
Zeitler
Frau Zutt
FDP
Frau Dr. AdamSchwaetzer Baum
Beckmann Bredehorn
Cronenberg (Arnsberg) Eimer (Fürth)
Gallus
Gattermann Grünbeck Dr. Hirsch Hoffie
Hoppe
Kohn
Dr.-Ing. Laermann Mischnick Möllemann Neuhausen Paintner
Ronneburger Dr. Rumpf Schäfer (Mainz)

Frau Dr. Segall
Frau Seiler-Albring
Dr. Solms
Dr. Weng (Gerlingen) Wolfgramm (Göttingen)
Enthalten
CDU/CSU
Dr. Müller
Dr. Riedl (München)

SPD
Conradi
Frau Dr. Hartenstein Jansen
FDP
Frau Dr. Hamm-Brücher



Vizepräsident Westphal
Ich rufe die Nummern 17 bis 24 auf. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Wer stimmt dagegen? — Enthaltungen? — Die aufgerufenen Vorschriften sind mit Mehrheit angenommen.
Ich habe jetzt nach diesem Beratungsteil Ihnen zunächst einmal das von den Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion DIE GRÜNEN auf Drucksache 10/5352 mitzuteilen. 446 Abgeordnete haben ihre Stimme abgegeben. Keine Stimme war ungültig. Mit Ja haben gestimmt 24, mit Nein 416 Abgeordnete; sechs Abgeordnete haben sich der Stimme enthalten.
Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen 445, davon
ja: 24 Abgeordnete
nein: 415 Abgeordnete
enthalten: 6 Abgeordnete
Ja
SPD
Jansen
DIE GRÜNEN
Auhagen Bueb
Frau Dann
Fischer (Bad Hersfeld) Fritsch
Frau Hönes
Lange Mann
Dr. Müller (Bremen)

Rusche
Schmidt (Hamburg-Neustadt) Schulte (Menden)
Senfft Ströbele Suhr
Tatge
Vogel (München)

Volmer
Werner (Dierstorf)

Werner (Westerland)

Frau Zeitler
fraktionslos
Handlos
Voigt (Sonthofen)

Nein
CDU/CSU
Dr. Abelein
Frau Augustin
Austermann
Bayha
Dr. Becker (Frankfurt) Berger
Frau Berger (Berlin)

Dr. Berners
Biehle
Dr. Blank Dr. Blens Dr. Blüm
Böhm (Melsungen)

Dr. Bötsch Bohl
Bohlsen Borchert Boroffka Braun
Breuer
Broll
Brunner
Bühler (Bruchsal)

Dr. Bugl Buschbom Carstens (Emstek)

Carstensen (Nordstrand) Clemens
Dr. Czaja Dr. Daniels
Daweke
Frau Dempwolf
Deres
Dörflinger Dolata
Doss
Dr. Dregger
Echternach
Ehrbar
Eigen
Engelsberger
Erhard

(Bad Schwalbach) Eylmann

Dr. Faltlhauser
Feilcke
Fellner
Frau Fischer
Fischer (Hamburg)

Dr. Friedmann
Funk
Ganz (St. Wendel)

Frau Geiger
Dr. von Geldern
Gerlach (Obernau) Gerstein
Gerster (Mainz)

Glos
Dr. Göhner
Dr. Götz Götzer
Günther Dr. Häfele
von Hammerstein
Hanz (Dahlen)

Haungs
Hauser (Esslingen) Hedrich
Freiherr Heereman
von Zuydtwyck
Frau Dr. Hellwig Helmrich
Dr. Hennig Herkenrath Hinrichs Hinsken
Höffkes
Höpfinger
Dr. Hoffacker
Frau Hoffmann (Soltau) Dr. Hornhues
Hornung
Frau Hürland
Dr. Hüsch Dr. Hupka Graf Huyn Jäger (Wangen)

Jagoda
Dr. Jahn (Münster)

Dr. Jenninger
Dr. Jobst
Jung (Lörrach)

Kalisch
Dr.-Ing. Kansy
Frau Karwatzki
Keller
Kittelmann
Klein (München)

Dr. Köhler (Duisburg) Kolb
Kraus
Krey
Kroll-Schlüter
Dr. Kronenberg
Dr. Kunz (Weiden) Lamers
Dr. Lammert
Dr. Langner Lattmann Dr. Laufs Lenzer
Link (Diepholz)

Link (Frankfurt) Linsmeier Lintner
Dr. Lippold Löher
Lohmann (Lüdenscheid) Dr. h. c. Lorenz
Louven
Lowack
Maaß
Frau Männle
Magin
Marschewski
Metz
Dr. Meyer zu Bentrup Michels
Dr. Miltner Milz
Dr. Möller
Müller (Remscheid) Müller (Wadern)
Müller (Wesseling)

Nelle
Frau Dr. Neumeister Niegel
Dr.-Ing. Oldenstädt
Dr. Olderog Frau Pack Pesch
Petersen Pfeffermann Pfeifer
Dr. Pfennig Dr. Pinger Pöppl
Pohlmann
Dr. Pohlmeier Dr. Probst
Rawe
Reddemann Regenspurger Repnik
Dr. Riesenhuber Rode (Wietzen) Frau Rönsch

(Wiesbaden) Frau Roitzsch


(Quickborn) Dr. Rose

Rossmanith Roth (Gießen) Rühe
Ruf
Sauer (Salzgitter)

Sauer (Stuttgart) Saurin
Sauter (Epfendorf)

Sauter (Ichenhausen)

Dr. Schäuble Scharrenbroich Schemken
Scheu
Schlottmann Schmidbauer Schmitz (Baesweiler)

von Schmude Schneider

(Idar-Oberstein)

Dr. Schneider (Nürnberg) Freiherr von Schorlemer Schreiber
Dr. Schroeder (Freiburg) Schulhoff
Dr. Schulte

(Schwäbisch Gmünd) Schultz (Wörrstadt)

Schulze (Berlin) Schwarz
Dr. Schwarz-Schilling
Dr. Schwörer Seehofer
Seesing
Seiters
Dr. Freiherr
Spies von Büllesheim Spilker
Dr. Sprung
Dr. Stark (Nürtingen)

Dr. Stavenhagen Stockhausen Stommel
Straßmeir
Strube
Stücklen
Stutzer
Susset
Tillmann
Dr. Todenhöfer Uldall
Dr. Unland
Frau Verhülsdonk
Vogel (Ennepetal)

Vogt (Düren)

Dr. Voigt (Northeim)

Dr. Voss
Dr. Waffenschmidt
Dr. Waigel
Graf von Waldburg-Zeil
Dr. Warnke Dr. Warrikoff
Dr. von Wartenberg
Weiß
Werner (Ulm) Frau Will-Feld Frau Dr. Wilms Wilz
Wimmer (Neuss)




Vizepräsident Westphal
Windelen
Frau Dr. Wisniewski Wissmann
Dr. Wittmann Wittmann (Tännesberg) Dr. Wörner
Würzbach Dr. Wulff Zierer
Zink
SPD
Antretter Dr. Apel Bachmaier
Becker (Nienberge) Bernrath
Bindig
Brück
Büchler (Hof)

Büchner (Speyer)

Dr. von Bülow Buschfort Catenhusen
Dr. Corterier
Curdt
Daubertshäuser Delorme
Dreßler
Dr. Ehmke (Bonn)

Dr. Ehrenberg Eickmeyer
Dr. Emmerlich
Dr. Enders Esters
Ewen
Fiebig
Fischer (Homburg) Fischer (Osthofen) Frau Fuchs (Köln) Gansel
Gerstl (Passau)

Gilges
Glombig Dr. Glotz Grunenberg
Haar
Haase (Fürth)

Hansen (Hamburg) Hauck
Dr. Hauff Heistermann
Herterich Hettling Heyenn Hiller (Lübeck)

Dr. Holtz Frau Huber
Huonker Ibrügger
Immer (Altenkirchen) Jahn (Marburg) Jaunich
Dr. Jens
Jung (Düsseldorf) Junghans Jungmann Kastning
Kiehm
Kirschner
Dr. Klejdzinski
Klose
Kolbow Kretkowski Dr. Kübler Kühbacher Kuhlwein Lambinus Lennartz Leonhart Frau Dr. Lepsius
Liedtke
Löffler
Lohmann (Witten)

Lutz
Frau Luuk
Frau Matthäus-Maier Meininghaus
Menzel
Dr. Mertens (Bottrop) Dr. Mitzscherling
Müller (Düsseldorf) Müller (Schweinfurt)
Dr. Müller-Emmert Müntefering
Nagel
Nehm
Neumann (Bramsche) Dr. Nöbel
Oostergetelo Paterna
Pauli
Dr. Penner Peter (Kassel) Pfuhl
Porzner
Poß
Ranker
Rapp (Göppingen)

Frau Renger Reschke
Reuter
Rohde (Hannover)

Roth
Sander
Schäfer (Offenburg) Schanz
Schlatter
Schmidt (München)

Frau Schmidt (Nürnberg) Schmitt (Wiesbaden)
Dr. Schmude Dr. Schöfberger Schreiner
Schröder (Hannover) Schulte (Unna)
Dr. Schwenk (Stade) Sielaff
Sieler
Frau Dr. Skarpelis-Sperk Dr. Soell
Dr. Sperling Dr. Spöri
Stahl (Kempen) Steiner
Frau Steinhauer
Stiegler
Dr. Struck
Frau Terborg Tietjen
Frau Dr. Timm Toetemeyer Frau Traupe Urbaniak
Vahlberg
Dr. Vogel
Vogelsang
Voigt (Frankfurt)

Vosen
Waltemathe Walther
Wartenberg (Berlin) Weisskirchen (Wiesloch) Dr. Wernitz
Westphal
Frau Weyel Dr. Wieczorek
Wieczorek (Duisburg)

Wiefel
Wimmer (Neuötting) Wischnewski
Witek
Dr. de With
Wolfram (Recklinghausen) Würtz
Zander
Zeitler
Frau Zutt
FDP
Frau Dr. AdamSchwaetzer
Baum
Beckmann Bredehorn
Cronenberg (Arnsberg) Eimer (Fürth) Engelhard
Gallus
Gattermann Grünbeck Dr. Hirsch Hoffie
Hoppe
Kohn
Dr.-Ing. Laermann Mischnick Möllemann
Neuhausen
Paintner
Ronneburger
Dr. Rumpf
Schäfer (Mainz)

Frau Dr. Segall
Frau Seiler-Albring
Dr. Solms
Dr. Weng (Gerlingen)

Wolfgramm (Göttingen)

Enthalten
CDU/CSU
Dr. Müller
Dr. Riedl (München)

SPD
Conradi
Frau Dr. Hartenstein Dr. Hauchler
FDP
Frau Dr. Hamm-Brücher
Dieser Änderungsantrag ist damit auch abgelehnt.
Ich rufe nun Art. 1 bis 5 in der Ausschußfassung, Einleitung und Überschrift mit der in der Aussprache vorgetragenen redaktionellen Berichtigung auf. Das ist also das Ende der zweiten Lesung. Wer diesen Vorschriften zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Wer stimmt dagegen? — Enthaltungen? — Die aufgerufenen Vorschriften sind mit Mehrheit angenommen. Damit ist die zweite Beratung abgeschlossen.
Wir treten in die
dritte Beratung
ein. Dazu gibt es den Wunsch nach mehreren persönlichen Erklärungen. Die Abgeordneten Dr. Riedl, Gattermann und Jäger (Wangen) haben gemäß § 31 Abs. 1 der Geschäftsordnung schriftliche Erklärungen zu Protokoll gegeben.*)
Zu einer persönlichen Erklärung hat der Abgeordnete Enders das Wort.

Dr. Wendelin Enders (SPD):
Rede ID: ID1021023900
Herr Präsident, meine sehr verehrten Kolleginnen, meine sehr verehrten Kollegen! Für mich und für meinen Fraktionskollegen Klaus Immer da rf ich eine Erklärung abgeben und dazu eine kurze Begründung vortragen.
Jahrtausende hat das Tier den Menschen begleitet. Es hat ihn bewacht und geschützt, es hat ihn ernährt und verteidigt. Das Tier hat den Menschen geholfen die Erde zu besiedeln und ins All vorzustoßen. Der Mensch pflegte es, gab ihm Behausung, ernährte es, ja, verehrte es teilweise als Gottheit. Zwischen den Menschen und den Tieren haben sich Gefühle entwickelt, die man mit den Attributen Treue, Liebe, Vertrauen, Zuversicht und Verantwortung umschreiben darf. Es darf aber nicht verhehlt werden, daß auch Tiere ausgebeutet, gequält, getötet und massakriert wurden.
*) Anlagen 2, 3 und 4



Dr. Enders
Wo sind da die Tierversuche einzuordnen, die von der Kreatur den letzten Dienst verlangen? Argumente für die Notwendigkeit der Tierversuche im Dienst der Gesundheit, der Forschung und des Fortschritts gibt es zuhauf. Es gibt aber auch schlimme Vorwürfe über Tierquälerei, über unsachgemäße Massentierhaltung und über Leiden und Schmerzen in Verbindung mit Tierversuchen. In diesem Zusammenhang kritisiere ich die verwerflichen Diebstähle von Tierfängern zugunsten von Versuchsinstituten und die unnötigen Parallelversuche.

(Beifall der Abg. Frau Dr. Hamm-Brücher [FDP] und des Abg. Dr. Weng [Gerlingen] [FDP])

Vor der heutigen Debatte haben wir eine Flut von Zuschriften und Resolutionen, von Tierliebhabern und Angehörigen der Tierverbände und -organisationen erhalten. Ihr Einsatz für ihre Pflegebefohlenen hat weithin ein offenes Ohr gefunden. Freilich kann auch die Spanne zwischen Wunsch und Wirklichkeit nicht ganz überbrückt werden. Künftig wird es einen Ausschuß der Bundesregierung geben, der alle zwei Jahre einen Bericht zum Tierschutz abgibt. Auch wenn ich dann, wie meine Kollegen Sander und Immer, nicht mehr dem Bundestag angehören werde, vertrauen wir darauf, daß die Parlamentarier in Verantwortung aus Liebe zum Tier ihren ethischen Verpflichtungen nachkommen und vielleicht die Verbesserungen erreichen, die wir heute noch nicht erzielen konnten.
Der Grund für das Nein meines Kollegen Immer und von mir zum Entwurf der Bundesregierung liegt darin, daß wir Tierversuche nicht, wie vorgesehen, als unbedingte Notwendigkeit ansehen — mit gewissen Ausnahmen —, sondern daß wir umgekehrt grundsätzlich gegen Tierversuche sind und sagen, nur in äußerst begründeten Fällen kann eine Ausnahme erlaubt werden.
Ich danke Ihnen, Herr Präsident.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der GRÜNEN und der FDP)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1021024000
Zu einer weiteren persönlichen Erklärung nach § 31 unserer Geschäftsordnung hat der Abgeordnete Dr. Müller das Wort.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1021024100
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Wort der Bibel „Macht euch die Erde untertan" kann und darf kein grundsätzlicher Freibrief für den Menschen sein, alles wissenschaftlich Mögliche ohne Rücksicht auf seine Mitgeschöpfe durchzusetzen. Der Literatur-Nobelpreisträger Elias Canetti hat 1981 über Tiere folgendes gesagt:
In der Geschichte ist viel zu wenig von Tieren die Rede. Die Wissenschaft hat sich verraten, indem sie sich zum Selbstzweck gemacht hat. Sie ist zur Religion geworden, zur Religion des Tötens; sie will weismachen, daß von den traditionellen Religionen des Sterbens zu dieser Religion des Tötens ein Fortschritt ist. Es ist nicht gut, daß Tiere so billig sind.
Die ethischen Ansprüche, die aus der Menschenwürde abgeleitet werden können und die z. B. die Philosophen Spaemann und Teutsch, aber auch Kardinal Höffner formuliert haben, veranlassen mich, diesem Gesetzentwurf in seiner gegenwärtigen Formulierung nicht zuzustimmen.
Ich fürchte, daß die Widersprüche, die vielen Konditionalsätze und juristischen Schlupflöcher keine wirkliche Verbesserung der Lage der Tiere in unserem Lande bringen.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Die Realität ist, daß z. B. Rechtsverordnungen, wie sie das Tierschutzgesetz von 1972 vorgesehen hat, bis heute nicht erlassen worden sind. Das Vollzugsdefizit von 14 Jahren kann meine Skepsis gegenüber entsprechenden Formulierungen im neuen Entwurf nur bestätigen. Wer z. B. am 12. April 1986 in der „Hannoverschen Allgemeinen Zeitung" einen Bericht des Niedersächsischen Landwirtschaftsministers Glup gelesen hat, in dem die Situation der Mastkälber in den Agrarfabriken geschildert wird, kann nur mit Abscheu eine Entwicklung betrachten, die sich nicht zuletzt auch gegen den bäuerlichen Familienbetrieb richtet.

(Zuruf des Freiherrn von Schorlemer [CDU/CSU]: Der muß sich erst mal informieren, und dann kann er richtig darüber reden!)

— Ich kenne das, lieber Herr von Schorlemer, ich habe Hühner aus einer Geflügelfarm befreit. Sie sind bei mir auf meinem Hof und sind inzwischen glückliche Hühner im Gegensatz zu Ihren.

(Heiterkeit — Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Reizen Sie mich nicht!

(Anhaltende Heiterkeit — Erneuter Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Über Sinn und Sinnlosigkeit von Tierversuchen ist viel geredet worden. Niemand wird bestreiten, daß der Tierversuch nicht grundsätzlich aus dem Leben der Menschen verschwinden wird. Trotzdem sind mehr Einschränkungen notwendig, und trotzdem muß man alles tun, um die Leichtfertigkeit im Umgang mit demselben gesetzlich einzuschränken.
Es muß aufhorchen lassen, wenn der Leiter der Produktionsentwicklung eines großen Pharmakonzerns auf dem 5. Internationalen Kongreß der Ärzte in der pharmazeutischen Industrie ausführte, daß in der deutschen pharmazeutischen Industrie doppelt und dreifach so viele Tierversuche unternommen würden, wie für die sichere Überprüfung eines Medikaments notwendig sind.

(Zurufe von den GRÜNEN: Pfui! — Ein Skandal ist das!)

Auch der Tätigkeitsbericht des Bundesgesundheitsamtes spricht für sich, in dem festgestellt wird, daß vergleichende Untersuchungen zur exakten Bestimmung der LD-50 den schon lange diskutierten Verdacht bestätigen, daß diese Kenngröße pseudoexakte Daten liefere. Trotzdem wird diese Versuchsanordnung weiter angewandt.



Dr. Müller
Ich habe eigene Erfahrungen: Bei der Vorbereitung eines Berichts für die Parlamentarische Versammlung des Europarates über die Gefährlichkeit des Boxens verwertete ich eine Untersuchung des sportwissenschaftlichen Instituts in Heidelberg, in der von Tierversuchen an Primaten berichtet wird, denen man beständig auf den Kopf geschlagen hat, um die Wirkung des Boxens zu erforschen. Das Ergebnis war eindeutig: Die Ergebnisse des Tierversuchs sind auf den Menschen nicht übertragbar.
Was soll ich von der Rechtsvorschrift der Europäischen Gemeinschaft halten, die am 19. September 1984 im Amtsblatt abgedruckt ist und in der es bei den Methoden zur Bestimmung der Toxizität schlicht und einfach heißt: „Es muß beachtet werden, daß Rückschlüsse auf den Menschen bei der Bewertung und Interpretation von Tierversuchen nur begrenzt möglich sind?" Man kann dem Marburger Physiologen Professor Herbert Hensel nur beipflichten, wenn er sagt, die Verhältnisse bei Tierversuchen seien ungünstiger als bei einem Glücksspiel, da bei diesem die Erfolgschancen abschätzbar seien.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Selbst eine Mißachtung unserer Rechtsordnung wird von Tierversuchsfanatikern vorgenommen, wenn z. B. ein Professor in München erklärte, daß er auch dann einen Tierversuch vornehmen werde, wenn er sich dadurch strafbar mache. Es ist übrigens der gleiche Mann gewesen, der dazu aufforderte, Patienten in Krankenhäusern mit Flugblättern zu versehen, damit sie sich als Lobby für Tierversuche mißbrauchen ließen.

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1021024200
Herr Abgeordneter, Ihre Redezeit ist abgelaufen.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1021024300
Alle diese Mißstände und Verwirrungen hätten vielleicht unter Kontrolle gebracht werden können, wenn wir wirkliche Ethikkommissionen bekommen hätten, in denen die Tierversuchsanhänger nicht wie heute von vornherein über die Mehrheit verfügen.
Ich bitte um Verständnis dafür, daß ich bei meinem Engagement für den Tierschutz, das ich auch auf der Ebene des Europarates in der Vergangenheit beweisen konnte, diesem Gesetz nicht zustimmen kann, auch deswegen nicht, weil ich unter den drei Hunden, die ich besitze, auch einen habe, den ich einem Versuchstierhändler gerade noch vor der Nase weggeschnappt habe.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der GRÜNEN)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1021024400
Meine Damen und Herren, wir sind jetzt in der dritten Beratung und kommen zur Schlußabstimmung. Die Fraktion der SPD und auch die Fraktion DIE GRÜNEN verlangen nach § 52 unserer Geschäftsordnung namentliche Abstimmung. Ich eröffne die namentliche Abstimmung.
Ist noch ein Kollege im Saal, der seinen Abstimmungswunsch noch nicht erfüllt hat? Der sollte das jetzt tun. —
Ich sehe: Wir können abschließen. Ich schließe die namentliche Abstimmung und bitte, mit der Auszählung zu beginnen.*)
Ich bitte die Kollegen, wieder Platz zu nehmen. Wir haben zu diesem Tagesordnungspunkt — Tierschutz — noch eine Reihe von Abstimmungen vorzunehmen, die nicht namentlich sind. Ich kann das Ergebnis der vorausgegangenen namentlichen Abstimmung nachher mitteilen.

(Unruhe)

Wir kommen zunächst — ich bitte um Aufmerksamkeit — zu dem Entschließungsantrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 10/5354 (neu). Wer diesem Entschließungsantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Wer stimmt dagegen? — Enthaltungen? — Dieser Entschließungsantrag ist mit Mehrheit abgelehnt.
Wir stimmen jetzt über den Tagesordnungspunkt 14 c ab, und zwar über die Beschlußempfehlung des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten auf Drucksache 10/5259. Der Ausschuß empfiehlt in seiner Beschlußempfehlung auf Drucksache 10/5259 unter II, den Antrag der Fraktion DIE GRÜNEN auf Drucksache 10/1307 abzulehnen. Wer dieser Empfehlung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Wer stimmt dagegen? — Enthaltungen? — Diese Beschlußempfehlung des Ausschusses ist mit Mehrheit angenommen worden.
Wir kommen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 14d. Der Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten empfiehlt in seiner Beschlußempfehlung auf Drucksache 10/5259 unter II, den Antrag der Fraktion DIE GRÜNEN auf Drucksache 10/1885 abzulehnen. Wer dieser Beschlußempfehlung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Wer stimmt dagegen? — Enthaltungen? — Die Beschlußempfehlung des Ausschusses ist mit Mehrheit angenommen.
Wir stimmen jetzt über Tagesordnungspunkt 14 e, die Beschlußempfehlung des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, ab. Der Ausschuß empfiehlt in seiner Beschlußempfehlung auf Drucksache 10/5259 unter II, den Antrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 10/2704 abzulehnen. Wer dieser Beschlußempfehlung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Wer stimmt dagegen? — Enthaltungen? — Die Beschlußempfehlung des Ausschusses ist mit Mehrheit angenommen.
Der Ausschuß empfiehlt weiter auf Drucksache 10/5259 unter III die Annahme einer Entschließung.
Hierzu liegt ein Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU und der Fraktion der FDP auf Drucksache 10/5355 vor. Wer dem Änderungsantrag der beiden Fraktionen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Wer stimmt dagegen? — Enthaltungen? — Dieser Änderungsantrag ist
*) Ergebnis Seite 16139



Vizepräsident Westphal
bei einer Reihe von Enthaltungen mit Mehrheit angenommen.
Wer der Entschließung mit den soeben beschlossenen Änderungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Wer stimmt dagegen? — Enthaltungen? — Dieser Entschließungsantrag ist bei einer größeren Anzahl von Enthaltungen angenommen.
Wir kommen nun zu Tagesordnungspunkt 14f, dem Antrag der Fraktion DIE GRÜNEN auf Drucksache 10/2868. Der Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten empfiehlt in seiner Beschlußempfehlung auf Drucksache 10/3423, den Antrag der Fraktion DIE GRÜNEN auf Drucksache 10/2868 abzulehnen. Wer dieser Beschlußempfehlung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Wer stimmt dagegen? — Enthaltungen? — Dann ist die Beschlußempfehlung des Ausschusses mit Mehrheit angenommen.
Meine Damen und Herren, ich möchte nun abwarten, bis das Ergebnis der Schlußabstimmung über den Entwurf der Bundesregierung — dritte Lesung — vorliegt, das ich Ihnen dann mitteilen will. Ich glaube nicht, daß ich vorher schon den nächsten Tagesordnungspunkt aufrufen sollte. Es kann ja nur noch einige Minuten dauern.
Ich unterbreche für kurze Zeit.

(Unterbrechung von 18.41 bis 18.43 Uhr)

Meine Damen und Herren, ich kann Ihnen jetzt das von den Schriftführern ermittelte Schlußergebnis der namentlichen Abstimmung über den Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Änderung des Tierschutzgesetzes auf Drucksache 10/3158 in der Fassung der Beschlußempfehlung des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten auf Drucksache 10/5259 mitteilen.
Von den voll stimmberechtigten Mitgliedern des Hauses haben 427 ihre Stimme abgegeben; davon war keine ungültig. Mit Ja haben 246 Abgeordnete, mit Nein 179 Abgeordnete gestimmt; es hat zwei Enthaltungen gegeben.
18 Berliner Abgeordnete haben ihre Stimme abgegeben; davon war keine ungültig. Mit Ja haben zwölf Abgeordnete, mit Nein haben sechs Abgeordnete gestimmt; Enthaltungen hat es nicht gegeben.
Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen 426 und 18 Berliner Abgeordnete; davon
ja: 245 und 12 Berliner Abgeordnete
nein: 179 und 6 Berliner Abgeordnete
enthalten: 2
Ja
CDU/CSU
Frau Augustin Austermann
Bayha
Dr. Becker (Frankfurt)

Berger
Dr. Berners Dr. Blank Dr. Blens Dr. Blüm Böhm (Melsungen)

Dr. Bötsch
Bohl
Bohlsen Borchert Braun
Breuer
Broll
Brunner
Bühler (Bruchsal)

Dr. Bugl
Carstens (Emstek) Carstensen (Nordstrand) Clemens
Dr. Czaja Dr. Daniels
Daweke
Frau Dempwolf
Deres
Dörflinger Doss
Dr. Dregger
Echternach
Ehrbar
Eigen
Engelsberger
Erhard

(Bad Schwalbach) Eylmann

Dr. Faltlhauser
Fellner
Frau Fischer
Fischer (Hamburg)

Dr. Friedmann
Funk
Ganz (St. Wendel)

Frau Geiger
Dr. von Geldern
Gerlach (Obernau) Gerstein
Gerster (Mainz)

Glos
Dr. Göhner
Dr. Götz Götzer
Günther Dr. Häfele
von Hammerstein
Hanz (Dahlen)

Haungs
Hauser (Esslingen) Hedrich
Freiherr Heereman
von Zuydtwyck
Frau Dr. Hellwig Helmrich
Dr. Hennig
Herkenrath
Hinrichs Hinsken Höffkes Höpfinger Dr. Hoffacker
Frau Hoffmann (Soltau) Dr. Hornhues
Hornung
Frau Hürland
Dr. Hüsch
Dr. Hupka
Graf Huyn
Jäger (Wangen)

Jagoda
Dr. Jahn (Münster)

Dr. Jenninger
Dr. Jobst
Jung (Lörrach)

Dr.-Ing. Kansy
Frau Karwatzki
Keller
Klein (München)

Dr. Köhler (Duisburg) Kolb
Kraus
Krey
Kroll-Schlüter Dr. Kronenberg Dr. Kunz (Weiden)

Lamers
Dr. Lammert Dr. Langner Lattmann
Dr. Laufs
Lenzer
Link (Diepholz) Link (Frankfurt) Linsmeier
Lintner
Dr. Lippold
Löher
Lohmann (Lüdenscheid) Louven
Lowack
Maaß
Frau Männle Magin
Marschewski Metz
Dr. Meyer zu Bentrup
Michels
Dr. Miltner
Milz
Dr. Möller
Müller (Remscheid)

Müller (Wadern) Müller (Wesseling)
Nelle
Frau Dr. Neumeister
Niegel
Dr.-Ing. Oldenstädt
Dr. Olderog
Frau Pack
Pesch
Petersen
Pfeffermann Pfeifer
Dr. Pinger
Pöppl
Pohlmann
Dr. Pohlmeier Dr. Probst
Rawe
Reddemann Regenspurger Repnik
Dr. Riedl (München)

Dr. Riesenhuber Rode (Wietzen) Frau Rönsch

(Wiesbaden) Frau Roitzsch


(Quickborn) Dr. Rose

Rossmanith Roth (Gießen) Rühe
Ruf
Sauer (Salzgitter)

Sauer (Stuttgart) Saurin
Sauter (Epfendorf)

Sauter (Ichenhausen)

Dr. Schäuble Scharrenbroich Schemken
Scheu
Schlottmann Schmidbauer Schmitz (Baesweiler)

von Schmude Schneider

(Idar-Oberstein)

Dr. Schneider (Nürnberg) Freiherr von Schorlemer Schreiber
Dr. Schroeder (Freiburg) Schulhoff



Vizepräsident Westphal
Dr. Schulte

(Schwäbisch Gmünd) Schultz (Wörrstadt) Schwarz

Dr. Schwarz-Schilling
Dr. Schwörer Seehofer
Seesing
Seiters
Dr. Freiherr
Spies von Büllesheim Spilker
Dr. Sprung
Dr. Stark (Nürtingen)

Dr. Stavenhagen Stockhausen Stommel
Strube
Stücklen
Stutzer
Susset
Tillmann
Dr. Todenhöfer
Uldall
Dr. Unland
Frau Verhülsdonk
Vogel (Ennepetal)

Vogt (Duren)

Dr. Voigt (Northeim)

Dr. Voss
Dr. Waffenschmidt
Dr. Waigel
Graf von Waldburg-Zeil Dr. Warrikoff
Dr. von Wartenberg
Weiß
Werner (Ulm) Frau Will-Feld
Frau Dr. Wilms
Wilz
Wimmer (Neuss) Windelen
Frau Dr. Wisniewski Wissmann
Dr. Wittmann
Wittmann (Tännesberg) Dr. Wörner
Würzbach Dr. Wulff
Zierer
Zink
Berliner Abgeordnete
Frau Berger (Berlin) Boroffka
Buschbom Dolata
Feilcke
Kalisch
Kittelmann
Dr. h. c. Lorenz
Dr. Pfennig Schulze (Berlin) Straßmeir
SPD Eickmeyer
FDP
Frau Dr. AdamSchwaetzer
Baum
Beckmann Bredehorn
Cronenberg (Arnsberg) Eimer (Fürth)
Engelhard Gallus
Grünbeck
Frau Dr. Hamm-Brücher
Dr. Hirsch Hoffie
Kohn
Dr.-Ing. Laermann Mischnick Möllemann Paintner
Ronneburger
Dr. Rumpf Schäfer (Mainz)

Frau Dr. Segall
Frau Seiler-Albring
Dr. Solms
Dr. Weng (Gerlingen) Wolfgramm (Göttingen)
Berliner Abgeordneter Hoppe
Nein
CDU/CSU
Dr. Abelein Dr. Müller
SPD
Amling
Antretter Dr. Apel Bachmaier
Becker (Nienberge) Bernrath
Bindig
Brück
Büchler (Hof)

Büchner (Speyer)

Dr. von Bülow Buschfort Catenhusen
Conradi
Dr. Corterier
Curdt
Daubertshäuser
Delorme Dreßler Dr. Ehmke (Bonn)

Dr. Ehrenberg
Dr. Emmerlich
Dr. Enders Esters
Ewen
Fiebig
Fischer (Homburg) Fischer (Osthofen)
Frau Fuchs (Köln) Gansel
Gerstl (Passau)

Gilges
Glombig Dr. Glotz Grunenberg
Haar
Haase (Fürth)

Hansen (Hamburg) Frau Dr. Hartenstein Dr. Hauchler
Hauck
Dr. Hauff Heistermann
Herterich Hettling Heyenn Hiller (Lübeck)

Dr. Holtz Frau Huber
Huonker Ibrügger
Immer (Altenkirchen) Jahn (Marburg)
Jansen Jaunich
Dr. Jens
Jung (Düsseldorf) Junghans Jungmann Kastning
Kiehm
Kirschner
Dr. Klejdzinski
Klose
Kolbow
Kretkowski Dr. Kübler Kühbacher Kuhlwein Lambinus Lennartz Leonhart Frau Dr. Lepsius
Liedtke
Lohmann (Witten)

Lutz
Frau Matthäus-Maier Meininghaus
Menzel
Dr. Mertens (Bottrop) Müller (Düsseldorf) Müller (Schweinfurt)
Dr. Müller-Emmert Müntefering
Nagel
Nehm
Neumann (Bramsche)

Dr. Nöbel Oostergetelo
Paterna
Pauli
Dr. Penner Peter (Kassel)

Pfuhl
Porzner
Poß
Ranker
Rapp (Göppingen)

Frau Renger
Reschke Reuter
Rohde (Hannover)

Roth
Sander
Schäfer (Offenburg) Schanz
Schlatter
Schmidt (München)

Frau Schmidt (Nürnberg) Schmitt (Wiesbaden)
Dr. Schmude
Dr. Schöfberger Schreiner
Schröder (Hannover) Schulte (Unna)
Dr. Schwenk (Stade) Sielaff
Sieler (Amberg)

Frau Dr. Skarpelis-Sperk Dr. Soell
Dr. Sperling Dr. Spöri
Stahl (Kempen)

Steiner
Frau Steinhauer
Stiegler
Dr. Struck Frau Terborg
Tietjen
Frau Dr. Timm Toetemeyer Frau Traupe
Urbaniak
Vahlberg
Voigt (Frankfurt)

Vosen
Waltemathe Weisskirchen (Wiesloch) Dr. Wernitz
Westphal
Frau Weyel Dr. Wieczorek
Wieczorek (Duisburg) Wiefel
Wimmer (Neuötting) Wischnewski
Witek
Dr. de With Wolfram

(Recklinghausen) Würtz

Zander
Zeitler
Frau Zutt
Berliner Abgeordnete
Löffler
Frau Luuk
Dr. Mitzscherling Dr. Vogel
Wartenberg (Berlin)

FDP
Gattermann Neuhausen
DIE GRÜNEN
Auhagen
Bueb
Frau Dann
Fischer (Bad Hersfeld) Fritsch
Frau Hönes Lange
Mann
Dr. Müller (Bremen) Rusche

(HamburgNeustadt)

Suhr
Tatge
Vogel (München) Volmer
Werner (Dierstorf) Werner (Westerland) Frau Zeitler
Berliner Abgeordneter Ströbele
fraktionslos
Handlos
Voigt (Sonthofen)

Enthalten
CDU/CSU Biehle
SPD Vogelsang
Damit ist der Gesetzentwurf in dritter Lesung angenommen.



Vizepräsident Westphal
Ich rufe nun den Tagesordnungspunkt 3 auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verbesserung der Wehrgerechtigkeit und Verlängerung der Dauer des Grundwehrdienstes
— Drucksache 10/4591 —
a) Beschlußempfehlung und Bericht des Verteidigungsausschusses (12. Ausschuß)

— Drucksache 10/5299 —
Berichterstatter:
Abgeordnete Hauser (Esslingen) Jungmann
b) Bericht des Haushaltsausschusses (8. Ausschuß) gemäß § 96 der Geschäftsordnung
— Drucksache 10/5338 —
Berichterstatter:
Abgeordnete Löher Dr. Weng (Gerlingen) Frau Traupe

(Erste Beratung 187. Sitzung)

Meine Damen und Herren, nach einer Vereinbarung des Ältestenrates sind für die Aussprache zwei Stunden vorgesehen. — Ich sehe dazu keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.
Wird das Wort zur Berichterstattung gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Dann eröffne ich die allgemeine Aussprache. Als erster hat das Wort der Abgeordnete Hauser.

Otto Hauser (CDU):
Rede ID: ID1021024500
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Problem der Wehrgerechtigkeit ist so alt wie die Bundeswehr. Im Laufe der Jahre wurde eine Vielzahl von Wehrdienstausnahmen — oftmals auf administrativem Wege — geschaffen, die in der Summe zu Wehrungerechtigkeiten geführt haben.
Die Situation in der Gründungszeit der Bundeswehr war allerdings anders als heute. Teilweise waren die Jahrgänge so stark, daß gar nicht alle wehrdienstfähig gemusterten Männer eines Jahrgangs zur Bundeswehr eingezogen werden konnten. Ausnahmeregelungen waren daher in dieser Situation angemessen und gerechtfertigt. So wundert es nicht, daß über viele Jahre hinweg nur annähernd 80 % der wehrdienstfähig Gemusterten Wehrdienst oder einen vergleichbaren Dienst geleistet haben, also kaum mehr als 60 % der Gesamtzahl eines Jahrgangs. Für den Jahrgang 1956 z. B. bedeutet dies, daß 55 000 wehrdienstfähige Wehrpflichtige keinen Dienst geleistet haben.
Sie alle kennen auch die Diskussionen, die wir in der Vergangenheit ständig zu führen hatten. Viele bekannte Spitzensportler wurden bei der Musterung für angeblich untauglich für den Dienst in der Bundeswehr befunden. Es entstand der Eindruck, daß hier etwas nicht mit rechten Dingen zugehen konnte. Es ging das Wort um: Während die einen dienen, verdienen die anderen. Das gilt es abzustellen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ein anderes Problem, das im Vergleich zu den Anfangsjahren der Bundeswehr eine neue Dimension gewann, ist die Heranziehung von Reservisten zu Wehrübungen. Naturgemäß spielte diese Frage in den Aufbaujahren der Bundeswehr eine untergeordnete Rolle. Seit vielen Jahren sind wir jedoch dabei, eine einsatzfähige Mobilmachungsreserve für unsere Streitkräfte aufzubauen. Im Verteidigungsfall würden sehr viel mehr Reservisten in der Bundeswehr dienen als aktive Soldaten.
Der Umfang der Wehrübungen hat seit Jahren stark zugenommen. Es hat sich gezeigt, daß die ursprünglich getroffenen Regelungen über die soziale Absicherung der Wehrübenden nicht klar genug oder nicht ausreichend sind. Wir mußten aus diesen dargelegten Gründen für mehr Wehrgerechtigkeit sorgen.
Hinzu kommt, daß der starke Rückgang der Jahrgangsstärken in den 90er Jahren Maßnahmen verlangt, um die Präsenzstärke unserer Streitkräfte von 495 000 Mann zu erhalten. Dieser Beitrag zur konventionellen Verteidigung im NATO-Bereich Mitteleuropa ist für uns unverzichtbar.

(Zustimmung des Abg. Berger [CDU/ CSU])

Wir alle wünschen uns weniger Atomwaffen. Wir wollen aber unsere Verteidigungsfähigkeit erhalten. Das bedeutet, daß die konventionellen Kräfte der NATO so viel Abschreckungsfähigkeit besitzen müssen, daß ein möglicher Angreifer keine Chance hat, eine Aggression erfolgreich durchzuführen.

(Sehr gut! bei der CDU/CSU)

Wir erteilen daher den Hirngespinsten selbsternannter Strategen, insbesondere auf der linken Seite dieses Hauses, eine klare Absage.

(Beifall bei der CDU/CSU und des Abg. Ronneburger [FDP])

Unser Land ist nicht so groß, daß wir einen Aggressor — getreu von Bülow — einmaschieren lassen können, um ihn dann irgendwo im Hinterland durch — hoffentlich dann schon mobilisierte — Milizen abzufangen. Ein Aggressor kann nur durch sofortigen und massiven Gegenangriff daran gehindert werden, unser Land zu erobern. Eine solche Abwehr im Grenzbereich kann nur durch starke, sofort verfügbare Streitkräfte bewerkstelligt werden.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Solange Sie, meine Damen und Herren von der SPD, an der Regierung waren, war das auch Ihnen klar. In letzter Zeit hören wir jedoch ständig Reden wie die von der sogenannten „strukturellen Nichtangriffsfähigkeit", von „alternativer Wehrstruktur."

(Zuruf von der CDU/CSU: Herr Ehmke, zuhören!)




Hauser (Esslingen)

Wenn Sie von „alternativer Wehrstruktur" sprechen, meinen Sie damit womöglich die soziale Verteidigung, bei der Sie den Aggressor dann in Diskussionen verwickeln wollen, um ihn von seiner Eroberungsabsicht abzubringen,

(Sehr gut! bei der CDU/CSU — Wilz [CDU/ CSU]: Mit Küßchen!)

oder die Ergüsse des Herrn Lafontaine, der einen Beitrag zur Abschreckung dadurch leisten will, daß die Bundesrepublik Deutschland aus der militärischen Integration der NATO austritt.

(Lange [GRÜNE]: Das ist ja ein Skandal! Gotteslästerung! — Zuruf von der CDU/ CSU: Das ist Kapitulation!)

Das wird so nicht laufen. Sie sollten aufhören, sich durch dieses unverantwortliche Gerede um den letzten Rest an Vertrauen zu bringen.

(Beifall bei der CDU/CSU und des Abg. Ronneburger [FDP] — Repnik [CDU/CSU]: Der letzte Rest ist leicht verspielt!)

Wir von der Union sind überzeugt, daß die einzig sachgerechte Lösung in einer Verlängerung des Grundwehrdienstes auf 18 Monate liegt. Die Präsenzstärke muß gehalten werden.
Bundesverteidigungsminister Dr. Manfred Wörner und wir haben dafür gesorgt, daß es, wenn es zur Verlängerung um drei Monate auf 18 Monate kommt, zu keinen Problemen des Übergangs vom Beruf bzw. von der Schule und nach der Entlassung zum Studium kommt. Der Einberufungstermin wird auf den 1. Juni vorverlegt. Die Schulen werden die Abiturienten einen Monat früher als bisher aus der Schule entlassen. Die Bundeswehr wird das Ende der Dienstzeit durch Gewährung von Sonderurlaub flexibel gestalten, und die Hochschulen werden bestimmte Seminare für die Studienanfänger so legen, daß die nach dem 1. November eintreffenden ehemaligen Grundwehrdienstleistenden ordnungsgemäß ihr Studium beginnen können.

(Jäger [Wangen] [CDU/CSU]: Sehr gut!)

Bei Studienanfängern, für die diese Regelungen nicht greifen können, etwa für Studenten bestimmter Fachhochschulen, werden die Wehrersatzbehörden die Einberufung zum Grundwehrdienst erst nach Abschluß des Studiums bzw. nach der Ausbildung veranlassen.
Ich möchte gerade vor diesem Plenum ausdrücklich Manfred Wörner und den CDU-geführten Landesregierungen danken, die dies so ermöglicht haben,

(Beifall bei der CDU/CSU und des Abg. Ronneburger [FDP])

und appelliere hier auch an die SPD und an die SPD-geführten Landesregierungen, dem so nachzustreben, daß auch die jungen Menschen, die in diesen Hochschulen studieren wollen, wo die SPD Verantwortung trägt, ebenso rechtzeitig mit ihrem Studium beginnen können.
Meine Damen und Herren, wir haben durch gezielte Maßnahmen bereits den größeren Teil der sogenannten administrativen Wehrdienstausnahmen beseitigt und haben damit bereits ein Mehr an Wehrgerechtigkeit erreicht. Die Tauglichkeitskriterien für die Musterung wurden so geändert, daß eine größere Zahl der jungen Männer eines Jahrgangs nun wehrdienstfähig ist. Es handelt sich um die Beseitigung von mehr formalistischen Regelungen.
Wir haben auch der Erkenntnis Raum gegeben, daß es viele Dienstposten in den Streitkräften gibt, die auch von eingeschränkt tauglichen Soldaten ausgefüllt werden können. Soldaten mit Einschränkungen in der Tauglichkeit werden deshalb entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit eingesetzt.
Wir haben veranlaßt, die Einberufungshindernisse für verheiratete Wehrpflichtige ohne Kinder sowie für dritte und weitere Söhne zum Jahresbeginn 1988 aufzuheben. Wir haben die Wehrerfassung vorverlegt, um einer Übersiedlung nach Berlin im Zusammenhang mit der Ableistung des Wehrdienstes vorzubeugen.
Wir stehen auch voll und ganz zu der Reduzierung der Freistellungsquote für Dienstleistende im Zivil- und Katastrophenschutz. Diese Quote wurde in der Zeit der geburtenstarken Jahrgänge auf 17 000 festgelegt. Sie muß jetzt an die Gegebenheiten in den 90er Jahren schrittweise herangeführt werden.
Eines möchte ich hier klarstellen. Mit dem Herunterfahren der Freistellungsquoten sind keine Einschränkungen der Funktionsfähigkeit des Zivil- und Katastrophenschutzes verbunden. Vielmehr muß auch in diesem Bereich eine kritische Bestandsaufnahme einer langjährigen Entwicklung durchgeführt werden. Alte Regelungen, meine Damen und Herren, müssen nicht ewig Bestand haben. Der Bericht des Bundesrechnungshofes hat in dieser Richtung Hinweise gegeben, die beachtet werden sollen.
Ich darf für meine Fraktion ausdrücklich feststellen, daß Verteidigungsfähigkeit nicht auf die militärische Komponente beschränkt sein darf, sondern wesentlich die Zivilverteidigung beinhalten muß. Es ist zwar richtig, daß die Zivilverteidigung gegenüber der militärischen einen Nachholbedarf hat. Allerdings ist es auf diesem Gebiet mit vielfältigen Zuständigkeiten, Aufgabenteilung und Organisationsformen schwieriger, einen Konsens zu erreichen, als es meinetwegen im straff gegliederten militärischen Bereich der Fall ist.
Meine Damen und Herren, ich möchte hier noch auf eine Gesetzesänderung hinweisen. In § 43 des Wehrpflichtgesetzes haben wir eine Präzisierung vorgenommen. Die Kinder von im Ausland lebenden Deutschen sind bisher von der Wehrdienstleistung ausgenommen. Für den größten Teil dieses Personenkreises wird dies auch in Zukunft so bleiben. So wird also niemand im Ausland seine Koffer packen müssen, um in der Bundeswehr zu dienen. Wir wollen jedoch in Zukunft sicherstellen, daß Kinder von Deutschen im Ausland, die im Bundesgebiet leben oder sich hier zeitweilig — etwa zur Berufsausbildung oder zum Studium — aufhalten, ihren Wehrdienst ableisten müssen. Wie wollen wir



Hauser (Esslingen)

eigentlich eine solche Privilegierung begründen? Es kann doch nicht angehen, daß mit Hilfe einer formalen Auslegung des Melderechts die Wehrpflicht umgangen wird.
Unsere Bemühungen für mehr Wehrgerechtigkeit berücksichtigen auch die materiellen Belange. Die Erhöhung des Wehrsoldes 1987 um 1 DM täglich und 1989 um 2 DM täglich, die Verdoppelung des Verpflegungsgeldes für dienstfreie Tage und die Erhöhung des Entlassungsgeldes auf 2 500 DM werden die materielle Situation unserer Wehrpflichtigen spürbar verbessern, auch vor dem Hintergrund der Verlängerung der Wehrpflicht. Der Soldat wird also im Durchschnitt monatlich rund 135 DM mehr zur Verfügung haben. Das Entlassungsgeld wird gegenüber der jetzigen Regelung 1 400 DM mehr betragen.
Auch die Situation der Reservisten muß verbessert werden. Mit 15 000 Wehrübungsplätzen werden wir in Zukunft eine sehr viel höhere Zahl von Wehrübenden haben als bisher. Wir sind daher verpflichtet, nun endlich dafür zu sorgen, daß Wehrübende keine Nachteile gegenüber denjenigen erleiden, die keine Wehrübungen leisten müssen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Bisher erhalten nicht im öffentlichen Dienst beschäftigte Wehrübende Leistungen nach dem Unterhaltssicherungsgesetz in Höhe von 90 bzw. 70% ihres Nettolohns; allerdings kann der Einkommensausfall lohnsteuermindernd geltend gemacht werden. Wir möchten in Zukunft für klare Verhältnisse sorgen. Das heißt, die Wehrübenden sollen ihren Lohnausfall zu 100 % ersetzt erhalten und somit eine Behandlung erfahren, wie sie im öffentlichen Dienst längst üblich ist.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Meine Damen und Herren, es darf nicht zwei Klassen von Reservisten geben!
Ein weiteres Gebiet, das für die Reservisten von Bedeutung ist, sollte von uns baldmöglichst bearbeitet werden: Vor einigen Jahren wurde die Bemessungsgrundlage für die Leistungen des Bundes zur Rentenversicherung der Wehrübenden auf 70 % des durchschnittlichen Einkommens aller Versicherten abgesenkt. Mit der fortschreitenden Konsolidierung der Staatsfinanzen werden wir auch dafür sorgen müssen, daß die Bemessungsgrundlage nach und nach wieder angemessen angehoben wird, so daß es zu keinen Benachteiligungen kommt.

(Zustimmung des Abg. Wimmer [Neuss] [CDU/CSU])

Meine sehr verehrten Damen und Herren Kollegen, das sind wir unseren Reservisten schuldig.

(Wimmer [Neuss] [CDU/CSU]: Sehr gut!)

Diejenigen von ihnen, die für einen Mobilisierungstruppenteil oder für die aktive Truppe eingeplant sind, werden in Zukunft vermehrt zu Dienstleistungen herangezogen. Es muß daher selbstverständlich sein, daß diese Belastung, mit der die Reservisten zu rechnen haben, nicht noch durch verringerte
Rentenversicherungsleistungen des Staates verschärft wird.
Meine Damen und Herren, mit diesem Gesetz haben wir einen Meilenstein auf dem Wege zu unserem Ziel, mehr Wehrgerechtigkeit zu schaffen, gesetzt.

(Zustimmung des Abg. Berger [CDU/ CSU])

Wir sind auch unserer Pflicht nachgekommen, die Präsenzstärke unserer Streitkräfte durch gezielte Maßnahmen auch in den 90er Jahren zu sichern. Wir müssen den wehrpflichtigen jungen Bürgern unseres Landes ab Juni 1989 das Opfer abverlangen, 18 Monate Wehrdienst zu leisten. Diese jungen Männer leisten diesen Dienst für unser aller Freiheit. Wir haben klargestellt, daß es für diesen verlängerten Dienst eine materielle Verbesserung der Situation der Wehrpflichtigen geben wird. Die neuen Regelungen, die in diesem Zusammenhang noch durch Gesetzesbeschlüsse von uns getroffen werden müssen, werden Geld kosten. Wir wissen, daß wir unseren Wehrpflichtigen diese vermehrten Kosten schuldig sind. Es sind Ausgaben, die für unsere Sicherheit und Freiheit getätigt werden. Dieser Preis darf uns, meine Damen und Herren, nicht zu hoch sein.

(Beifall bei der CDU/CSU und des Abg. Ronneburger [FDP])


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1021024600
Das Wort hat der Abgeordnete Jungmann.

Horst Jungmann (SPD):
Rede ID: ID1021024700
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Hauser, auf Ihre polemischen Angriffe einzugehen lohnt sich überhaupt nicht, weil sie unter Ihrem eigenen Niveau waren. Zur Sache haben Sie eigentlich auch nicht gesprochen; Sie haben nur von Wehrgerechtigkeit gesprochen und die Nachteile, die auf die jungen Menschen zukommen, völlig unter den Tisch gekehrt und hier so getan, als wenn es eine Wohltat wäre, die Wehrpflicht auf 18 Monate zu verlängern.
Auch bei der abschließenden Beratung dieses Gesetzes muß ich feststellen, daß Sie, Herr Wörner, Ihre Schularbeiten nicht ordentlich gemacht haben.

(Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Trotz der vielen, während der Beratungen in den Ausschüssen, nachgeschobenen Änderungen und trotz des Rates, das Gesetz gründlich vorzubereiten, kam es Ihnen darauf an, das Gesetz unbedingt vor der Sommerpause durchzuziehen. In diesem Verfahren, die parlamentarischen Regeln nicht zu beachten, haben Sie j a Übung.
Die Befragung vieler hochrangiger Fachleute hat schlüssig nachgewiesen, daß durch dieses Gesetz die Verteidigungsfähigkeit der Bundesrepublik nicht verbessert wird und die Sicherheit unseres Landes nicht erhöht wird. Im Gegenteil, Sie schaffen Vertrauensschwund und Unsicherheit über die



Jungmann
Ehrlichkeit unserer Rüstungskontroll- und Abrüstungsbemühungen im Osten,

(Wimmer [Neuss] [CDU/CSU]: Das ist ja nun abenteuerlich!)

und Sie erzeugen auch Unzufriedenheit unter den Wehrpflichtigen im eigenen Lande.

(Zustimmung des Abg. Kuhlwein [SPD])

Auch schadet dieses Gesetz unserer Glaubwürdigkeit im Bündnis, weil die Rechnung des Verteidigungsministers am Ende nicht aufgehen wird.

(Zustimmung bei Abgeordneten der SPD)

Herr Wörner, Sie haben in der ersten Lesung hier behauptet, daß bei einer Reduzierung auf 400 000 aktive Soldaten die Streitkräfte des Warschauer Paktes in der Lage seien, aus dem Stand anzugreifen. Mit dieser Aussage stehen Sie im Widerspruch zu Ihrem Generalinspekteur, der bei der Befragung im Verteidigungsausschuß ausgesagt hat: „Die Fähigkeit zum Angriff hängt auch im Warschauer Pakt in erster Linie von der Vorbereitung ab."
Herr Wörner, Sie sollten sich einmal von einem Hauptfeldwebel erklären lassen, welche Vorbereitungen notwendig sind, um nur mit einer Kompanie ins Manöver zu ziehen.
Der Generalinspekteur hat einmal gesagt, daß es wohl eine Möglichkeit des Warschauer Pakts gebe, nach 48 Stunden eine Aggression zu machen — Herr Wörner, nicht aus dem Stand, sondern nach 48 Stunden. Weiter hat er gesagt: „Die größte Wahrscheinlichkeit liegt aber vier bis 13 Tage nach Beginn der Vorbereitung, weil hier das Zwischenspiel zwischen Überraschung und Stärkeaufwuchs wohl am optimalsten für die Sowjetunion wäre. Kommen Sie uns also nicht mit den alten Kamellen, daß die russischen Soldaten jeden Augenblick in der Bundesrepublik Deutschland an Mutters Haustür klopfen könnten.
Herr Minister, über die Darstellung des Generalinspekteurs hinaus hat der General a. D. Krause

(Lachen und Zurufe von der CDU/CSU)

sehr überzeugend im Verteidigungsausschuß klargemacht, daß es undenkbar ist, daß die Sowjetunion einen Weltkrieg entfesselt, ohne ausreichende strategische und nichtmilitärische Vorbereitungen zu treffen. Der Krieg wäre schon für sie verloren, ehe er begonnen hat.
Hinzu kommt, daß Sie, Herr Minister, Präsenz und Einsatzbereitschaft völlig durcheinander bringen. Angenommen — ich will einmal der absurden Vorstellung folgen —, daß die Sowjetunion innerhalb von 48 Stunden angreifen könnte, so dürften Sie morgen am Freitag, dem 18. April, überhaupt keinen Soldaten in den Wochenendurlaub fahren lassen. Er wäre ja nicht aus dem Wochenende zurück, bevor die Russen bei uns eingefallen sind. Sie hätten also selbst mit einer präsenten Armee von 495 000 Mann dieser angenommenen Gefahr nicht begegnen können.

(Zuruf von der CDU/CSU: Das sind die Kriegsspiele von klein Fritzchen!)

Sie glauben doch selbst nicht, daß Sie unserer Bevölkerung heute weismachen können, daß die Möglichkeit eines solchen überraschenden Angriffs durch den Warschauer Pakt auf die Bundesrepublik Deutschland und auf die NATO-Staaten gegeben wäre. Die Absicht dazu lasse ich einmal völlig außer acht. Denken Sie nur einmal daran, wieviel Menschen täglich in den Warschauer Pakt reisen, wieviel Flugzeuge aus Warschauer-Pakt-Staaten auf unseren Flughäfen stehen, wieviel Schiffe in westlichen Häfen aus den Warschauer-Pakt-Staaten liegen. Und all dies soll so weiterlaufen, ohne daß wir von irgendwelchen Kriegsvorbereitungen auf der anderen Seite irgend etwas merken, ganz zu schweigen von den Möglichkeiten unserer Aufklärung? Wenn das die einzige Begründung für die Verlängerung der Wehrpflicht ist, dann nimmt Ihnen die aber auch niemand in der Bevölkerung ab.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Aber in Ihrer Planung finden sich noch mehrere Unbekannte. Ihr Konzept steht doch nur, wenn Sie auch den Anteil der Längerdiener erhöhen können. Bislang ist der Bundeswehr dies — zumal auch in weit günstigeren Zeiten der demographischen Entwicklung — noch nie gelungen. Ich zitiere noch einmal den Generalinspekteur: „Auf dem Gebiet der Längerdiener ist es mit Imponderabilien und Schwierigkeiten belastet und bedarf ganz großer Anstrengungen und auch der Bereitschaft, das Portemonnaie zu ziehen." Welches Portemonnaie wollen Sie denn, Herr Minister, ziehen? Doch nur das der Steuerzahler. Ihre Kostenschätzung kann man im Bericht nachlesen.
Weitere Unsicherheiten Ihrer Rechenkünste können Sie nicht ausschalten. Die Änderung der Tauglichkeitskriterien und die Verringerung der Einberufungshindernisse sind zwei weitere Rechenfehler in Ihrer Planung. Sicherlich werden Sie den einen oder anderen Fuß- oder Sitzkranken noch heranziehen können. Nur, ist das Ziel, das wir erreichen wollen, damit erreicht? Wir haben dann zwar mehr Personal auf dem Papier stehen, aber wir werden die Kampfkraft der Bundeswehr nicht erhalten.
Der ehemalige Wehrbeauftragte Karl-Wilhelm Berkhan hat dem Verteidigungsausschuß in beeindruckender Weise vorgetragen, welche Schwierigkeiten auf die Truppe zukommen werden, Schwierigkeiten, die die Vorgesetzten mit Untergebenen haben, bei denen die ärztlich festgestellten Einschränkungen einen vernünftigen Dienstablauf nahezu unmöglich machen. Jetzt wollen Sie durch weitere — aus heutiger Sicht Untaugliche — dieses Spektrum an Schwierigkeiten noch weiter erhöhen. Glauben Sie wirklich, daß Sie damit den von Ihnen gewünschten Abschreckungseffekt erzielen?
Zuletzt, Herr Minister: Wie sieht es eigentlich nach 1995 aus? Hier muß ich unterstellen, daß Sie bewußt eine bekannte Tatsache verschweigen. Wir können genau hochrechnen, daß all Ihre Maßnahmen nach 1995 nicht ausreichen, um den Personalstand von 495 000 zu erhalten. Sie müssen dann erneut Maßnahmen ergreifen. Wenn Sie ehrlich sind, geben Sie zu, daß Sie mit Ihrer Art von Pla-



Jungmann
nung heute schon den Grundstein für eine neue Verlängerung der Wehrpflicht legen.

(Zuruf von der CDU/CSU: Das wollt ihr doch! — Wimmer [Neuss] [CDU/CSU]: Das ist übelste Panikmache!)

Den Beweis meiner Aussage können Sie in Ihren Geheimunterlagen, nämlich dem Bundeswehrplan 1987, Ziffer 429, auf Seite 223 nachlesen.

(Wilz [CDU/CSU]: Das gehört in ein Witzblatt! — Weitere Zurufe von der CDU/ CSU)

— Wenn Sie den gelesen hätten, meine Damen und Herren, dann wüßten Sie, was darin steht.

(Wimmer [Neuss] [CDU/CSU]: Das ist nur Panikmache!)

— Der Minister wird das nachlesen können. Aber aus Angst, heute schon solche unpopuläre Ankündigungen zu machen, haben Sie den Generalinspekteur beauftragt, nur eine Planung bis 1995 vorzulegen. Erneut zitiere ich den Generalinspekteur: „Mein Auftrag war es, bis 1995 vorzutragen. Das habe ich getan." Was ist das eigentlich für ein Führungsstil, der dem Generalinspekteur vorschreibt, das Denken über 1995 hinaus nachzulassen?

(Heiterkeit bei der SPD)

10 000 Jugendliche kämpfen mit dem Problem, einen Arbeitsplatz zu finden. Die Bundeswehr trägt dazu bei, daß Jugendliche nicht eingestellt werden, wenn sie den Wehrdienst noch nicht abgeleistet haben. Jetzt soll ihnen zugemutet werden, noch länger zu dienen.
Und wie wollen Sie eigentlich mit Ihrer Parole „Frieden schaffen mit weniger Waffen", Herr Wörner, immer mehr Motivation erzeugen? Ihre Maßnahme der Wehrdienstverlängerung spricht doch diesem Werbeslogan Ihrer Partei hohn; ganz zu schweigen von den nicht eingehaltenen Versprechungen, die Arbeitslosigkeit gerade unter den Jugendlichen abzubauen.
Herr Wörner, Sie haben Ihre Aufgabe nicht gelöst. Ich bin froh, daß ich kein Lehrer bin und Ihnen dafür Zensuren geben muß.

(Wilz [CDU/CSU]: Das wäre ja auch schlimm!)

— Das werde ich den Jugendlichen überlassen, die betroffen sind. Die Quittung werden Sie bei den Wahlen am 25. Januar 1987 erhalten.

(Beifall bei der SPD)

Die SPD-Fraktion fordert das Bundesministerium der Verteidigung deshalb auf, unverzüglich über eine Strukturreform der Bundeswehr nachzudenken, die der zukünftigen Personalsituation Rechnung trägt. Es ist schon zuviel Zeit verloren, aber es ist noch nicht zu spät. Die Wehrstrukturkommission hat Wege aufgezeigt, die möglich sind und eine andere Planung ermöglichen. Wenn eine vernünftige Planung vorgelegt wird, sind wir als SPD auch zu unpopulären Maßnahmen bereit.

(Wilz [CDU/CSU]: Das ist ja ganz was Neues!)

Um die wirtschaftlich Schwächsten, die Wehrpflichtigen, nicht noch stärker zu benachteiligen, werden wir noch vor der Sommerpause eine Erhöhung des Wehrsolds im Bundestag beantragen. Wir sind aber nicht bereit, unsere Jugend erneut eine schlechte Politik dieser Regierung ausbaden zu lassen.

(Beifall bei der SPD)

Es gibt zu all Ihren Schreckensvisionen, bedrohlichen Darstellungen und Angsterzeugungen eine Alternative: Wir werden die Zukunft unserer Gesellschaft nur meistern und glücklicher gestalten, wenn wir fortfahren, das Mißtrauen zwischen den Völkern, zwischen Ost und West konsequent abzubauen,

(Wimmer [Neuss] [CDU/CSU]: Sehr gut! Dann sagt das mal dem Gorbatschow!)

wenn wir den Weg einer konsequenten sozialdemokratischen Sicherheitspolitik und Entspannungspolitik verfolgen und neue Initiativen — auch von unserer Seite,

(Wilz [CDU/CSU]: Ihr seid doch Utopisten!)

auch von dieser Regierung — ergreifen, damit endlich Rüstungskontrolle und Truppenabbau realisierbar werden und die Bevölkerung wieder Glauben an eine Sicherheitspolitik und eine Politik, die tatsächlich reduzieren will, bekommt.
Schönen Dank.

(Beifall bei der SPD — Zuruf von der CDU/ CSU: Da kann man nur heulen!)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1021024800
Das Wort hat Herr Abgeordneter Ronneburger.

Uwe Ronneburger (FDP):
Rede ID: ID1021024900
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Kollege Jungmann hat dem Kollegen Hauser vorgeworfen, er habe nicht zur Sache gesprochen.

(Jungmann [SPD]: So ist es!)

Ich habe sehr aufmerksam zugehört, als Herr Kollege Hauser sprach; vielleicht haben Sie es nicht getan, Herr Kollege Jungmann. Er hat eine Aneinanderreihung von Fakten und Begründungen für Entscheidungen gebracht, die wirklich auf den Inhalt dieses heute zur Behandlung anstehenden Gesetzes Bezug nahmen, während Sie eine politische und nun tatsächlich in manchen Punkten polemische Aussage gemacht haben.
Ich will das nicht alles im einzelnen wieder zitieren, Herr Kollege Jungmann, aber ich habe noch sehr im Ohr, was Sie in der ersten Lesung und in anderen Debatten zu diesem Gesetz gesagt haben. Vielleicht erinnern Sie sich einmal daran, daß Sie selbst, Herr Kollege Jungmann, von den Maßnahmen, über die wir heute im Zusammenhang mit die-



Ronneburger
sem Gesetz reden, wörtlich gesagt haben, alle diese Maßnahmen gingen nicht weit genug.

(Berger [CDU/CSU]: So ist es!)

Ich bin bereit, Ihnen das nachzuweisen und Ihnen die Protokolle vorzulegen, wenn Sie es jetzt abstreiten.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Biehle [CDU/CSU]: Genauso war es!)

Meine Damen und Herren, lassen Sie uns einmal alle die Fakten durchgehen, zwischen denen wir uns bewegen, wenn wir heute zu einer Entscheidung über dieses Gesetz kommen.
Das erste Faktum: Erhaltung der Verteidigungsfähigkeit zur Bewahrung des Friedens. Hierzu gehört natürlich auch der Verteidigungswille. Den Verteidigungswillen aufrechtzuerhalten, setzt voraus, daß man den jungen Bürgern unseres Landes ehrlich sagt, was von ihnen verlangt werden muß und was ihr Anteil daran sein muß, den freiheitlichen Staat Bundesrepublik Deutschland in seiner Substanz zu erhalten.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Das Gesetz, das wir heute beschließen werden, ist ein Stück von dieser Ehrlichkeit.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Es ist der Verzicht darauf, eine notwendige Maßnahme vor sich herzuschieben und sie erst dann zu verabschieden, wenn der Zwang so unüberwindlich geworden ist, daß man auch um unpopuläre Maßnahmen nicht herumkommt.
Das zweite Faktum: Es geht um die Frage der Präsenz zur Verlängerung der Vorwarnzeit. Herr Kollege Jungmann, was Sie hier zu diesem Zusammenhang gesagt haben, ist unzusammenhängend und unlogisch.

(Jungmann [SPD]: Die Logik haben Sie gepachtet, das weiß ich!)

Sie werden nicht bestreiten können, daß es einen Zusammenhang zwischen der Größe der Friedenspräsenz der Bundeswehr, der Friedenspräsenz unserer NATO-Partner

(Berger [CDU/CSU]: So ist das!)

und der Zeit gibt, die ein potentieller Gegner zur Vorbereitung eines Angriffs braucht. Wir wollen eine Friedenspräsenz, die diese Vorwarnzeit verlängert, die sie in dem heutigen Ausmaß aufrechterhält und die damit auch ausreichend Zeit zur Verfügung stellt, um in einem Spannungsfall für eine politische Beilegung eines Konfliktes einzutreten und die Auseinandersetzung der Waffen zu verhindern.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Drittes Faktum: Vorneverteidigung als unser strategisches Ziel für den Fall — den wir verhindern wollen und den Gott verhüten möge —, daß die beiden ersten Punkte in der Zielsetzung versagen sollten, einen Krieg unter allen Umständen zu vermeiden. Vorneverteidigung heißt aber, daß Friedenspräsenz in dem Umfang erforderlich ist, wie wir sie heute haben.

(Zurufe von der SPD)

— Herr Kollege Jungmann, seien Sie jetzt an dieser Stelle vorsichtig mit Zwischenrufen! Ich werde nachher mit Zitaten arbeiten, die Ihnen diese Zwischenrufe vielleicht ersparen könnten.

(Gilges [SPD]: Begründen Sie doch mal die Präsenz, logisch, sachlich für jeden Bürger nachvollziehbar!)

— Wissen Sie, so logisch und so sachlich wie Ihr Zwischenruf oder wie die Rede von Jungmann soeben, dies schaffe ich aus dem Handgelenk.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Vorneverteidigung hat zwei ganz entscheidende Begründungen: Erstens. Wir wollen unser Land nicht mit einer raumdeckenden Verteidigung zum Gefechtsfeld werden lassen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

In diesem zu vermeidenden Fall würde nämlich die Walze des Krieges über unser Land hin- und hergehen und es unabhängig davon vernichten, ob Nuklearwaffen eingesetzt werden oder nicht.
Es gibt einen zweiten Grund für die Vorneverteidigung. Es ist meine und die Überzeugung meiner Fraktion, daß wir den jungen Soldaten unseres Landes ihren Auftrag überhaupt nur als sinnvoll zumuten können, wenn wir an diesem Prinzip der Vorneverteidigung festhalten

(Beifall bei der CDU/CSU)

und damit dem einen Sinn geben, was wir von ihnen verlangen.
Ein weiteres Kriterium ist die Stärkung der konventionellen Komponente in unseren Verteidigungsanstrengungen. Ich glaube, ich brauche dies nicht weiter zu erläutern. Wir wollen die nukleare Schwelle anheben, wir wollen nicht, daß irgendeine Strategie gefahren wird, die davon ausgeht, nach wenigen Tagen eines Krieges möglicherweise Nuklearwaffen einsetzen zu müssen. Wenn wir aber konventionell stark genug sein wollen, dann brauchen wir auch die entsprechenden Stärken der Friedenspräsenz und des Aufwuchses im Verteidigungsfall.

(Beifall bei der FDP)

Dem gegenüber, meine Damen und Herren, steht als anderes Faktum die Tatsache des Sinkens der Jahrgangsstärken, das sich zunächst bei den Wehrpflichtigen, aber in ganz kurzer Zeit natürlich auch bei den Soldaten auf Zeit und bei den Berufssoldaten auswirken wird. Aus diesem Gegenüber von Notwendigkeiten und dem Zwange, der sich aus der Reduzierung der Jahrgangsstärken ergibt, leitet sich eine Aufgabe ab, die wir gemeinsam zu erfüllen haben, und zwar bei geringeren Zahlen von Wehrdienstleistenden und einer unveränderten und uneingeschränkten Notwendigkeit, Herr Kollege Jungmann. Niemand sollte vor der Öffentlichkeit unseres Landes auftreten und vorgeben, diese Aufgabe könne gelöst werden, ohne die Angehörigen



Ronneburger
der in Frage stehenden Jahrgänge stärker in die Pflicht zu nehmen als bisher. Offen ist allenfalls die Frage, wie, auf welchem Wege das geschehen soll, nicht aber die Frage, ob wir eine stärkere Inanspruchnahme vornehmen müssen.

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1021025000
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Klejdzinski?

Uwe Ronneburger (FDP):
Rede ID: ID1021025100
Herr Kollege, bitte sehr.

Dr. Karl-Heinz Klejdzinski (SPD):
Rede ID: ID1021025200
Herr Kollege, stimmen Sie mir zu, daß die Erhöhung auf achtzehn Monate nur höchstens 35 000 Mann in der Gesamtrechnung bringt und daß auch mit diesen zusätzlichen 35 000 Mann 1995 das angestrebte Ziel, eine Stärke von 456 000 oder 495 000 zu halten, nicht zu erreichen ist?

Uwe Ronneburger (FDP):
Rede ID: ID1021025300
Erste Antwort auf die erste Frage: Ich stimme Ihnen zu; die Zahl, die Sie angegeben haben, ist richtig. Aber Sie verschweigen dabei, Herr Kollege Klejdzinski, daß die Verlängerung der Wehrdienstzeit um drei Monate nur eine der Maßnahmen in einem ganzen Katalog von Maßnahmen ist und nur in diesem Zusammenhang sinnvoll gesehen werden kann.
Zweite Antwort. Mitte der 90er Jahre — wir haben uns darüber bereits bei der ersten Lesung dieses Gesetzentwurfes unterhalten — wird es, wie wir hoffen, andere weltpolitische und rüstungspolitische Umstände geben, die wir aber nur erreichen, wenn wir nicht freiwillig auf unserer Seite eine Reduzierung unserer Streitkräfte vornehmen.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1021025400
Herr Abgeordneter, der Abgeordnete Berger möchte auch noch eine Zwischenfrage stellen. Sie sind einverstanden? — Bitte schön, Herr Berger.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1021025500
Herr Kollege Ronneburger, erinnern Sie sich der Ausführungen, die der damalige Verteidigungsminister Apel gemacht hat, als er die Untersuchungsergebnisse der Langzeitkommission vorstellte:
Der Grundwehrdienst wird verlängert werden müssen. Das Gesetzgebungsverfahren wird Mitte der 80er Jahre einzuleiten sein. Es ist dafür zu sorgen, daß durch geeignete Information der Öffentlichkeit, besonders der betroffenen Altersgruppen, die Einsicht in diese gravierende, aber unumgängliche Maßnahme gefördert wird.

Uwe Ronneburger (FDP):
Rede ID: ID1021025600
Herzlichen Dank, Herr Kollege, daß Sie mir das Zitat abgenommen haben. Ich habe es auch vor mir. Sie haben es jetzt ohne Anrechnung auf meine Redezeit vorgelesen. Das ist ein Vorteil für mich.

(Heiterkeit und Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zu den Fakten zurückkommen. Alle diese Fakten sind seit langem bekannt. Da ist keine Überraschung. Wir haben es mit einer Reihe von Tatsachen und Entwicklungen zu tun, deren Richtung wir seit Jahren verfolgt haben. Ich zitiere zusätzlich gerne noch aus dem Weißbuch 1979. Dort heißt es:
Nach dem bis 1983 sogar noch wachsenden Überhang an jährlich verfügbaren wehrdienstfähigen Männern wird von 1988 an, falls nichts geändert wird, ein Mangel entstehen, so daß die Bundeswehr ihr Soll nicht mehr erreichen kann.
Aus dem Zitat, das Sie, Herr Kollege Berger, eben gebracht haben, möchte ich gern den Kollegen Jungmann noch einmal mit der letzten Aussage konfrontieren: „Es muß dafür Sorge getragen werden, daß durch geeignete Information der Öffentlichkeit, besonders der betroffenen Altersgruppen, die Einsicht in diese gravierende, aber unumgängliche Maßnahme gefördert wird."
Das, was Sie bisher als Beitrag zu der Debatte über dieses Gesetz geleistet haben, entspricht nicht dem, was der damals von Ihrer Fraktion gestellte Verteidigungsminister von Ihnen und von uns allen gefordert hat.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Ich sage noch einmal: Es geht um Ehrlichkeit in dieser Frage. Und ich wäre sehr dankbar, wenn niemand von uns behauptete, daß er ohne Verlängerung der Wehrdienstzeit und ohne eine stärkere Inanspruchnahme der Reservisten das Problem lösen könne, vor das uns sinkende Jahrgangszahlen stellen. Ich wäre sehr dankbar, wenn von seiten der SPD-Fraktion hier deutlicher als bisher gesagt werden könnte, worum es denn eigentlich geht.
Die Fakten — ich sage es noch einmal — waren seit langem bekannt. Das gilt auch für die Frage der Strategie, mit der wir es zu tun haben. Sie erinnern sich vielleicht daran, daß wir in einer ganzen Reihe von Sitzungen Anhörungen von Experten zur Frage alternativer, besserer Konzeptionen und Strategien vorgenommen haben. Herr Kollege Jungmann, ich gebe Ihnen gern zu: Ich bin in diese Debatte um die Frage der Wehrpflichtverlängerung, auch in die Debatte über andere Konzepte und Strategien hineingegangen immer auf der Suche nach einem Wege, der es uns möglich machen würde, Verteidigungsfähigkeit, Vorneverteidigung ohne eine Verlängerung der Wehrdienstzeit, ohne eine stärkere Inanspruchnahme der jungen Menschen aufrechtzuerhalten. Aber Sie werden sich daran erinnern, daß wir gemeinsam die Konzepte der Raumverteidigung verworfen haben und daß wir darauf verzichtet haben, ein Risiko einzugehen, das unser Land zum Gefechtsfeld machen würde.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Aus den verschiedenen Konzepten können gewiß Teile übernommen werden, aber eine Veränderung des Prinzips der Vorneverteidigung ermöglichen sie nicht.

(Zustimmung des Abg. Biehle [CDU/CSU])

Wenn wir an der Vorneverteidigung festhalten und damit auch unseren Verbündeten die Erfüllung



Ronneburger
einer für sie selbst nicht notwendigen, sondern allein in unserem Interesse liegenden Verteidigungskonzeption abverlangen, dann müssen wir zunächst einmal selbst unsere Verpflichtungen erfüllen. Und hier geht es um die Frage der Erhaltung der Präsenz. Es geht genauso um die Frage der Erfolge auf Abrüstungskonferenzen, ob in Wien, ob in Genf, ob in Stockholm.
Ich wiederhole hier noch einmal ausdrücklich: Der einseitige Verzicht auf unserer Seite oder die einseitige Reduzierung unserer Präsenzstärke der Bundeswehr werden die Erfolge, die sich möglicherweise auf diesen drei Konferenzen einstellen können und die wir gemeinsam wollen, nicht nur im Sinne von Rüstungskontrolle, sondern von Rüstungsabbau, in Frage stellen, wenn nicht unmöglich machen.

(Jungmann [SPD]: Die Politik, die gemacht wird, stellt die Erfolge in Frage!)

— Lernen wir doch auch mal aus Erfahrungen, Herr Kollege Jungmann. Warum kommt es denn jetzt zu Verhandlungen über den Abbau der Mittelstreckenwaffen? Etwa weil wir darauf verzichtet hätten oder weil wir konsequent und unmißverständlich unsere Haltung durchgehalten haben?

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Wir haben in der Vergangenheit in der Bundesrepublik schon eine ganze Reihe von Änderungen des Wehrpflichtgesetzes und der Wehrdienstzeiten gehabt. Wir wissen, daß wir hier einen Gesetzentwurf vor uns haben, der den jungen Bürgern unseres Landes zusätzliche Leistungen abverlangt. Wir wissen aber auch, daß diese zusätzlichen Leistungen für eine Sache erbracht werden müssen, für die es sich lohnt, einzutreten nämlich für den Frieden und die Freiheit in Europa und in unserem Land. Dies, meine ich, können wir guten Gewissens tun. Wir wollen es nicht auf dem Wege einer immer stärkeren Rüstung, sondern wir wollen es, um endlich einmal dorthin zu kommen, daß in vernünftigen Vereinbarungen das Gleichgewicht der Rüstungen in Ost und West — und Gleichgewicht meint nicht mathematische Gleichstellung — auf einem immer niedrigeren Niveau gefunden und damit der Frieden in Zukunft sicherer wird, als er unter dem Konzept der NATO und unserer Wehrpflicht schon bis heute gewesen ist.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1021025700
Das Wort hat der Abgeordnete Lange.

Torsten Lange (GRÜNE):
Rede ID: ID1021025800
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber erweiterter Verteidigungsausschuß und interessierte Gäste! Herr Kollege Ronneburger, wenn ich Sie so höre, dann muß ich Ihnen sagen: Gerade weil ich glaube, Sie zu kennen, fällt es mir wirklich schwer anzunehmen, daß Sie wirklich der Meinung sind, der Frieden könne in der heutigen Zeit mit mehr Militär, mit mehr Waffen und mit mehr Menschen tatsächlich besser gesichert werden als in der umgekehrten Richtung.

(Wimmer [Neuss] [CDU/CSU]: Sie hätten auch zuhören sollen!)

— Ich habe zugehört; sonst käme ich ja nicht dazu, das zu sagen. So gewagt, wie sie das manchmal tun, nämlich eine Aussage zu machen, ohne Kenntnisse zu haben, handele ich nicht.

(Wimmer [Neuss] [CDU/CSU]: Dann dürfen Sie nicht das sagen, was Sie gerade festgestellt haben!)

Noch eine Bemerkung zum Kollegen Hauser. Vielleicht gelingt es mir deutlich zu machen, daß wir in zwei völlig verschiedenen Welten leben. Ich lebe in der Bundesrepublik und mit ihren Menschen — mit allen Stärken und Schwächen - mehr recht und schlecht. Ich fühle mich hier eigentlich recht wohl. Ich möchte hier vieles erhalten, ich möchte aber auch vieles verändern, wenn es notwendig ist.

(Beifall bei den GRÜNEN — Zurufe von der CDU/CSU)

Herr Hauser, Sie haben gesagt, Sie lebten in dem — wie haben Sie es genannt?; ich muß mir den Begriff noch einmal direkt vor Augen führen, denn er war mir neu; er ist in der Tat nachdenkenswert — NATO-Bereich Mitteleuropa.

(Heiterkeit und Beifall bei den GRÜNEN)

Ich glaube, besser kann man den Graben, der uns trennt, wirklich nicht definieren. Von daher gesehen muß man eben eine entsprechende Politik betreiben. Das ist auch vollkommen logisch.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich mit einem sehr aufschlußreichen Zitat aus dem Bundesministerium für Verteidigung beginnen. Zu dem vorliegenden Gesetzentwurf heißt es in der Mitteilung für die Presse vom 2. Oktober 1985 — ich zitiere —:
Mit der Gesamtheit der Maßnahmen wird erreicht, daß künftig ein so hoher Anteil jedes Jahrgangs zum Grundwehrdienst herangezogen wird, wie es in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland noch nie zuvor der Fall gewesen ist.
Der Zusammenhang dieses Zitats macht deutlich, wie sich der Bundesminister für Verteidigung voller Stolz mit dieser geplanten Entwicklung brüstet. Wie schmal ist der Horizont der Bundesregierung, daß sie dieses eher beklagenswerte Ergebnis ihrer Politik als besonderen Erfolg ausgibt. Dabei ist der Rückgriff auf die Geschichte besonders peinlich, denn die Historie würde die Bundesregierung doch eigentlich auf das Ziel verpflichten, durch Abrüstung zu erreichen, daß künftig ein so geringer Anteil jedes Jahrgangs zum Grundwehrdienst herangezogen werden müßte wie nie zuvor in der Geschichte der Bundesrepublik.
Meine Damen und Herren, nach unserer Überzeugung muß die politische Auseinandersetzung um die Verlängerung des Grundwehrdienstes, die Herstellung der sogenannten Wehrgerechtigkeit und die Anforderungen der allgemeinen Wehrpflicht auf mehreren Ebenen geführt werden:
Erstens: die immanente, den Gesetzen der Logik und Statistik verpflichtete Überprüfung bzw. Widerlegung der offiziellen Begründungsversuche für



Lange
das geplante Maßnahmenbündel, das heute vor uns liegt. Zweitens: die Strategiekritik und die kritische Hinterfragung der dahintersteckenden Bedrohungsanalyse. Drittens: die Konsequenzen für die Friedensfähigkeit und Friedfähigkeit dieser Gesellschaft.
Zum ersten Punkt, der immanenten Analyse. Die GRÜNEN im Bundestag haben im Januar 1986 eine Studie vorgelegt, in der der amtliche Personalbedarfsplan analysiert wird. Unsere Berechnungen gehen dabei von folgenden Voraussetzungen aus, nämlich daß a) eine gezieltere Einplanung der Wehrpflichtigen erfolgt, daß b) die Musterung der vergangenen Jahre den Werten von 1984 angepaßt werden, also erhöht werden müssen, daß c) eine Reduzierung der Wehrdienstausnahmen und Freistellungen erfolgt und daß d) der sogenannte bundeswehrexterne Bedarf, also Polizei, Bundesgrenzschutz, Zivil- und Katastrophenschutz sowie Entwicklungsdienst, bei den Zahlenansätzen für den Grundwehrdienst eingerechnet werden, da auch diese Personen vom BMVg als prinzipiell für den Grundwehrdienst verfügbar betrachtet werden.
Auf dieser Basis kamen wir und kommen wir zu dem Ergebnis, daß bereits bei geltendem Wehrrecht keine Veränderungen der Dienstzeit bis weit in die 90er Jahre hinein nötig ist und daß selbst eine sogenannte Friedenspräsenzstärke der Bundeswehr von 495 000 Soldaten mindestens bis zum Jahre 1995 mit dem vorhandenen und noch zu erwartenden Aufkommen an Wehrpflichtigen gedeckt werden kann. Unsere Beurteilung wurde durch die Anhörung des Verteidigungsausschusses zum vorliegenden Gesetzentwurf am 4. und 5. März 1986 ausdrücklich bestätigt. Erst nach 1995 wird der Bestand verfügbarer wehrdienstfähiger junger Männer unter den sogenannten Ergänzungsbedarf von 225 000 Mann absinken. Diese Problematik trifft ebenfalls — wenn auch mit zeitlicher Verzögerung — für eine Wehrdienstzeitdauer von 18 Monaten zu.
Interessanterweise geht die Personalbedarfsplanung des Verteidigungsministers über das Jahr 1995 nicht hinaus. Würde diese Bundesregierung in den folgenden Legislaturperioden im Amt bleiben — der Wähler bewahre uns vor dieser Perspektive —,

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

dann würden wir die permanente Diskussion um eine abermalige Wehrdienstverlängerung, Frauen in die Bundeswehr und Erhöhung des längerdienenden Anteils erleben. Das letztere würde zu einem steilen Anstieg der Personalkosten und damit zu einer weiteren Erhöhung des Rüstungshaushalts führen. Wir GRÜNEN werden diese vorhersehbare Entwicklung mit allen politischen Mitteln zu bekämpfen suchen.
Und was das Argument Wehrgerechtigkeit anlangt, mit dem die Regierungsparteien und die Regierung an dieses Thema herangehen: Das ist ein Täuschungsmanöver für die Öffentlichkeit. Es geht im Prinzip nicht um Wehrgerechtigkeit. Seien Sie doch lieber gerecht in dem Sinne, daß Sie die Zivildienstleistenden genauso behandeln wie die Soldaten! Dann reden wir von Wehrgerechtigkeit. Aber nicht in diesem Zusammenhang.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Zu Punkt 2 der Strategiekritik: Die auf Grund der demographischen Lücke ab Mitte bis Ende der 90er Jahre zu erwartenden Rekrutierungsprobleme der Bundeswehr entstehen doch erst, wenn weiterhin die Zahl von 456 000 bis 495 000 Soldaten als Präsenzstärke im gegenwärtigen Zustand des Nichtkrieges unangetastet bleibt. Sie muß jedoch in mehrfacher Weise in Frage gestellt werden.
Erstens. Die sogenannte Präsenzstärke geht immer noch von einer aus den 50er Jahren stammenden Planungsgrundlage der NATO mit der Bezeichnung MC 161 aus, die die einzureichende Vorwarnzeit auf 48 Stunden festlegte. Auf Grund moderner Aufklärungsmittel ist dieses Datum jedoch heute völlig überholt. Einmal abgesehen davon, daß jeder militärischen Krise eine politische Spannungszeit vorausgeht, muß heute — ich denke, auch nach Aussage des Generalinspekteurs Altenburg — von einer militärischen Vorwarnzeit von rund 4 bis 13 Tagen ausgegangen werden.
Zweitens. Die Zahl von 495 000 geht jedoch von weiteren unausgesprochenen falschen Prämissen aus: von einer Streitkräfte- und Bewaffnungsstruktur in den 80er und 90er Jahren, die entsprechend neuen Gefechtsfeldkonzepten — wir sagen dazu besser „Kriegsführungskonzepte" — in unserem Lebensraum auf Offensivierung und konventionelle Aufrüstung setzt. Was bestenfalls im Kriegsfall herauskommt, meine Damen und Herren: der Einsatz atomarer Gefechtsfeldwaffen statt nach wenigen Stunden in wenigen Tagen. Eine wahrhaft tröstliche Perspektive!
Drittens die Konsequenzen für die Friedensfähigkeit und Friedfertigkeit einer Gesellschaft: Die Verlängerung des Grundwehrdienstes und die Maßnahmen zur, wie es heißt, Verbesserung der Wehrgerechtigkeit — gedacht ist an eine Herabsetzung der Tauglichkeitskriterien; wir sagen: zu Lasten der Gesundheit junger Menschen, und die stärkere Einberufung junger Ehemänner mit dem Ergebnis von belasteten und manchmal auch zerrissenen Ehen — bedeuten im Ergebnis nichts anderes, als daß mehr junge Menschen dem Umgang mit Waffen, Tötungstraining, Feindbilderziehung und blindem Gehorsam unterworfen werden als zuvor.
Die sozialpsychologischen Folgen dieser Politik sind gewollt. Eine Gesellschaft, die vorgeblich zur Kriegsverhinderung auf Kriegsführung konditioniert wird, wird zum Frieden, verstanden im positiven Sinne des innergeselischaftlichen Gewaltabbaus, der Abschaffung von Herrschaft und Unterdrückung, des menschlichen Umgangs und der Solidarität miteinander strukturell unfähig. Diese sozialpsychologischen Grundlagen braucht die Bundesregierung zur Durchsetzung ihrer Rüstungs- und Aufrüstungspolitik. Sie folgt damit alten preußischen Grundsätzen, wobei ich aus dem Gesetz über die Verpflichtung zum Kriegsdienst von 1814 zitieren darf: „Die stehende Armee ist beständig bereit, ins Feld zu rücken. Sie ist die Hauptbildungsschule



Lange
der ganzen Nation für den Krieg." Im heutigen Sprachgebrauch nennt man das Erhaltung der Verteidigungsbereitschaft oder, wie Herr Ronneburger sagt, Verteidigungswilligkeit. Dabei scheut man sich übrigens beim BMVg inzwischen nicht einmal mehr, sich mit Hilfe modernster werbepsychologischer Methoden an Minderjährige, 14- bis 16jährige, heranzumachen und ihnen die Segnungen unserer Armee anzupreisen.

(Dr. Wittmann [München] [CDU/CSU]: Besser als Sex!)

— Das sich sicherlich eine Sache des persönlichen Bedarfs, verehrter Herr.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich setze dieser zum Frieden unfähigen Politik unsere Alternativen entgegen. Wir lehnen den vorliegenden Gesetzentwurf ab. Statt dessen verweisen wir auf unseren Antrag zur Realisierung des Grundrechts der Gewissensfreiheit gegenüber den Anforderungen der allgemeinen Wehrpflicht, in dem wir uns gegen die Glorifizierung der allgemeinen Wehrpflicht, gegen die Verlängerung des Grundwehrdienstes und statt dessen — Sie sehen, wir sind auch manchmal für etwas und nicht immer gegen etwas — für eine drastische Reduzierung der Grundwehrdienstzeit einsetzen.
Zweitens lautet unsere Forderung: Personelle und materielle Abrüstung sind heute als das Gebot gefordert. Das Konzept des Abbaus von offensiv verwendbaren Rüstungspotentialen, die Umorientierung auf die offensichtliche Unfähigkeit zum Angriff, macht die vorliegende Personalbedarfsplanung der Bundesregierung überflüssig.
Meine Damen und Herren, die plumpeste Formel von Sicherheitspolitik heute lautet: mehr Soldaten, mehr Waffen. Die intelligenteste, weil im Ernstfall das Überleben eher gewährleistende Formel muß heute lauten: Militärische Rüstung abbauen, militärische Blöcke verlassen, soziale Verteidigung aufbauen!

(Beifall bei den GRÜNEN — Biehle [CDU/ CSU]: Sechs GRÜNE waren gerade bei der Rede da, das war alles!)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1021025900
Das Wort hat der Bundesminister der Verteidigung.

Dr. Manfred Wörner (CDU):
Rede ID: ID1021026000
Herr Präsident, meine verehrten Kolleginnen und Kollegen! Zu Herrn Lange nur so viel: Er lebt gern hier; das nehme ich Ihnen gern ab. Wenn Sie intellektuell redlich wären, Kollege Lange, was Sie bei meinem Freund und Kollegen Hauser eben bestritten haben, dann müßten Sie zugeben, daß die Tatsache, daß Sie hier in Freiheit leben können, eben jenem NATO-Europa-Bezirk Mitte und den hier stationierten deutschen und alliierten Truppen zu danken ist. Sie genießen die Früchte der Abwehrbereitschaft der NATO, Sie sind aber nicht bereit, die Voraussetzungen zu erhalten, auf denen der Friede und die Freiheit beruhen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Mit der Verabschiedung des Gesetzes zur Verbesserung der Wehrgerechtigkeit und Verlängerung der Dauer des Grundwehrdienstes vollzieht das deutsche Parlament heute einen entscheidenden Schritt für die Glaubhaftigkeit unserer Verteidigung und unseres Verteidigungswillens und damit auch einen entscheidenden Schritt für die Erhaltung der Freiheit und des Friedens in unserem Land.
Welche Entwicklung die Strategie in den nächsten Jahren auch immer nehmen wird, eines ist sicher: Die Bedeutung des konventionellen Elements wird zunehmen. Auch die sowjetischen Überlegungen, die sowjetischen Planungen, die Rüstungsentscheidungen der Sowjetunion gehen ganz offensichtlich in diese Richtung. Die Bundeswehr ist — das wissen Sie — die stärkste konventionelle Armee in Westeuropa. Ohne diese Bundeswehr, ohne diesen unseren Verteidigungsbeitrag gäbe es weder den atomaren Schutz der Amerikaner für unser Land, noch gäbe es alliierte Truppen auf unserem Territorium, die zusammen mit uns diese Freiheit schützen und einen Krieg verhindern.
Das heißt aber nichts anderes, als daß von der Stärke und der Einsatzbereitschaft dieser Bundeswehr unser Einfluß nach Ost genauso wie nach West ganz entscheidend abhängt. Ohne diese Bundeswehr, ohne diese Stärke, ohne ihre Einsatzbereitschaft könnten wir unserem Volk den Frieden nicht garantieren.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Senfft [GRÜNE]: Dann seid ihr politikunfähig!)

Das ist der Grund, warum diese Bundesregierung diese unpopuläre Entscheidung trift und dieses Opfer unseren jungen Bürgern zumutet. Kein anderer! Das ist der Preis, den wir für unsere Sicherheit zahlen müssen. Ich sage also: Wer einen Krieg nicht führen, sondern wer den Krieg verhindern will, der muß bereit sein, diesen Preis auch in Zukunft zu zahlen, selbst dann, wenn er etwas höher ist.
Im Bündnis übrigens findet diese unsere Entscheidung Respekt und Anerkennung. Ich bin sicher, daß sie auch in der Sowjetunion registriert wird.
Lieber Kollege Jungmann, ich will mir versagen, auf Ihre Polemik einzugehen. Eines allerdings nehme ich gern auf: den Rat, mich mit einem Hauptfeldwebel der Bundeswehr zu unterhalten. Im Unterschied zu Ihnen habe ich vor den Hauptfeldwebeln in der Bundeswehr großen Respekt. Würde ich die fragen, dann weiß ich, was ich zur Antwort bekäme — etwas, was Sie offensichtlich nicht mehr wissen: den Zusammenhang zwischen Präsenz der Bundeswehr auf der einen Seite und der Vorwarnzeit auf der anderen Seite. Je weniger präsente Truppen wir haben, desto geringer ist die Vorwarnzeit, weil desto weniger Angriffsvorbereitungen auf der anderen Seite nötig sind. Wenn Sie diese Binsenweisheit nicht mehr wissen, steht es



Bundesminister Dr. Wörner
Ihnen schlecht an, die Hauptfeldwebel der Bundeswehr hier ins Feld zu führen.

(Lange [GRÜNE]: Wie lang ist die Vorwarnzeit?)

Es führt kein Weg daran vorbei: Wir müssen die Friedenspräsenz unserer Streitkräfte trotz der rückläufigen Jahrgangsstärken erhalten. Dabei war von vornherein klar, daß eine Verlängerung des Grundwehrdienstes erst dann durchgeführt werden kann, wenn vorher alle anderen Maßnahmen ausgeschöpft sind. Daher haben wir geplant, schon für den Friedensumfang in weit stärkerem Maße als bisher auf Reservisten zurückzugreifen, einen hohen Bestand an Berufs- und Zeitsoldaten auch in Zukunft sicherzustellen und Wehrgerechtigkeit in einem bisher nicht gekannten Ausmaß zu verwirklichen. Der erklärten Absicht der Bundesregierung entsprechend — ich betone das noch einmal — hat die Herstellung der Wehrgerechtigkeit Vorrang vor der Verlängerung des Grundwehrdienstes. Alle Maßnahmen, die der Wehrgerechtigkeit dienen, werden wirksam sein, bevor der erste Soldat 18 Monate dient.
Mit der Verlängerung des Wehrdienstes werden wir künftig die Wehrpflichtigen finanziell deutlich besser stellen als bisher. Auch dies ist eine Maßnahme, die der Wehrgerechtigkeit dient. Das wird dazu führen, daß die Grundwehrdienstleistenden während des Grundwehrdienstes im Durchschnitt 135 DM mehr im Monat erhalten als heute und daß sich ihr Entlassungsgeld mehr als verdoppeln wird.
Zu Ihrer Kritik, was das bildungspolitische Umfeld anbelangt: Im Hearing haben Sie es vom Präsidenten der Westdeutschen Rektorenkonferenz hören müssen — sogar mit einem Lob für die Bundesregierung verbunden —,

(Dr. Klejdzinski [SPD]: Wobei das uns gegenwärtig sehr schwer fällt!)

daß es uns gelungen ist, in Gesprächen mit Kultusministern und mit der Westdeutschen Rektorenkonferenz sicherzustellen, daß der Übergang von Schule und Berufsausbildung in den Grundwehrdienst und der Übergang vom Grundwehrdienst in den Hochschulbereich und in das Berufsleben möglichst verzugslos erfolgt.

(Berger [CDU/CSU]: Das hat es noch nie gegeben!)

Das hätten Sie vorher nicht geglaubt; ich sage noch einmal: jetzt haben Sie es bestätigt vom Präsidenten der Westdeutschen Rektorenkonferenz.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Die allerdings haben die Vernunft gezeigt, die ich bei Ihnen vermisse. Dabei werden — wie Sie wissen — Bundeswehr, Schule und Hochschule ihren Beitrag leisten. Dieser Kompromiß ist für alle Seiten zumutbar. Ich möchte mich aus diesem Anlaß für dieses Entgegenkommen bei allen ausdrücklich bedanken.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Gleichzeitig möchte ich — mit Blick auf etwas, was hier jetzt nicht zum Ausdruck gekommen ist, was ich aber in der öffentlichen Debatte gelegentlich gelesen habe — doch darauf hinweisen, daß es sich hier nicht etwa um eine Privilegierung der Abiturienten handelt. Das ist ein falscher Zungenschlag. Jeder andere Wehrpflichtige, der in der gleichen Lage ist und durch zusätzliche Wartezeit bis zum Beginn der Berufsausbildung weitere Monate verlieren würde, wird von der Bundeswehr entsprechende Möglichkeiten zugebilligt erhalten. Außerdem — auch das bitte ich zu berücksichtigen — erwarten wir von denen, die hier begünstigt werden, daß sie einen Teil ihres Urlaubs mit einbringen. Also handelt es sich insofern nicht um eine Privilegierung.
Unsere Planungen sind realistisch. Der Generalinspekteur hat das im Hearing im einzelnen nachgewiesen; jeder kann es nachlesen. In den Ausschußberatungen hat die Opposition zwar weiterhin mit der Behauptung gearbeitet, die Planungen seien unseriös — gerade hat sie das wieder versucht —, den Nachweis hat sie aber nicht geführt.

(Jungmann [SPD]: Gucken Sie doch mal in Ihren Personalbedarfsplan '87!)

— Lieber Herr Jungmann, ich werde Ihnen jetzt nachweisen, warum unsere Planungen seriös sind. Ich weiß, daß der Generalinspekteur Ihnen erst gestern die Planungen noch einmal auseinandergesetzt hat. Sie haben sie gehört. Heute haben Sie wieder so argumentiert, als ob er sie Ihnen nicht auseinandergesetzt hätte.

(Zuruf des Abg. Klejdzinski [SPD]: Die Zahlen haben wir gestern genannt!)

Das läßt nur erkennen, daß es Ihnen nicht auf die Fakten ankommt, sondern daß Sie Ihre Ideologie belegt haben wollen, und damit kann man sich leider nicht auseinandersetzen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1021026100
Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Dr. Manfred Wörner (CDU):
Rede ID: ID1021026200
Ich bin gerne bereit, wenn Sie einen Moment Geduld haben, damit ich Ihnen die Planungen auseinandersetze. Herr Kollege Jungmann, Ihre Behauptung, im Jahre 1995 müsse der Wehrdienst auf 24 Monate verlängert werden, wenn die Friedenspräsenz weiterhin erhalten werden soll, ist unrichtig. Das haben Sie gesagt; ich kann es Ihnen im Protokoll der ersten Lesung nachweisen.
Ich stelle deswegen hier noch einmal ausdrücklich fest: Wenn im Jahre 1989 — wie in diesem Gesetz, das wir jetzt beraten, vorgesehen — die Wehrpflicht von 15 auf 18 Monate verlängert wird, dann reicht das aus, um bis zum Ende dieses Jahrhunderts, also bis zum Jahre 1999,

(Gilges [SPD]: Diese Sprache haben wir oft genug gehört!)




Bundesminister Dr. Wörner
die nötige Zahl an Grundwehrdienstleistenden aufzubringen.

(Zurufe von der SPD)

Deswegen betone ich: Eine Verlängerung auf 24 Monate ist weder beabsichtigt noch notwendig.
Nun zu der Frage, warum sich unsere Personalplanung, obwohl die Grundwehrdienstleistenden mit 18 Monaten bis 1999 reichen, nur bis 1995 erstreckt, während unsere Materialplanung bis ins Jahr 2000 geht. Unsere Materialplanung orientiert sich, wie Sie wissen, am Streitkräfteumfang im Verteidigungsfall. Das hat einen einzigen schlichten Grund, der Ihnen wiederholt erklärt worden ist. Sie nehmen es nur nicht zur Kenntnis. Ich wiederhole es Ihnen: Das eigentliche Problem liegt darin, daß wir gezwungen werden, heute für einen Zeitraum von zehn Jahren zu prognostizieren, wie viele Freiwillige sich zur Bundeswehr melden. Nun wissen Sie ganz genau, daß das von so vielen einzelnen Faktoren abhängt, daß mit bestem Willen eine sichere Prognose über zehn Jahre hinaus — von heute gerechnet — gar nicht möglich ist.

(Dr. Klejdzinski [SPD]: Von welcher Zeit gehen Sie denn dabei aus?)

Alles andere wäre Spekulation. Da ist der einzige Grund, warum ich gesagt habe, unsere Personalplanung werde auf ein Jahrzehnt im voraus gemacht. Dazu stehe ich. Wollen Sie mir und unserem Volk etwa erzählen, daß Sie wüßten, wie viele sich im Jahre 1998 freiwillig zur Bundeswehr melden?
Was würde es denn bedeuten, wenn ich Ihren Spekulationen folgen würde?

(Dr. Klejdzinski [SPD]: Sollen wir denn Ihren Spekulationen folgen?)

— Hören Sie doch mit Ihren Zwischenrufen auf, Herr Klejdzinski; Sie blamieren sich doch nur. Jetzt hören Sie einmal gut zu. Vielleicht begreifen auch Sie das.

(Hauser [Esslingen] [CDU/CSU]: Er begreift das nie!)

Was würde es denn bedeuten, wenn ich Ihnen folgen würde? Dann müßte ich heute, im Jahre 1986, gestützt auf eine unsichere Prognose, die Bundeswehr reduzieren, während es nach unserer Meinung bei den nötigen Anstrengungen auch über das Jahr 1995 hinaus sehr wohl möglich ist, die nötige Zahl von Freiwilligen zu gewinnen. Das hängt allerdings davon ab, ob wir die Bundeswehr attraktiv genug machen. Das bedarf Anstrengungen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Herr Kollege Jungmann, bitte. — Herr Präsident, ich bitte aber, daß das nicht auf meine Redezeit angerechnet wird.

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1021026300
Ich finde, daß das bei Regierungsmitgliedern, die eine Redezeit von 20 Minuten haben, schon untergebracht werden muß.
Bitte schön, Herr Jungmann.

Horst Jungmann (SPD):
Rede ID: ID1021026400
Herr Minister, sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, daß ich überhaupt nicht über die Diskrepanz zwischen Material- und Personalplanung gesprochen habe, daß ich auch überhaupt nicht von 24 Monaten Wehrdienst gesprochen habe

(Hauser [Esslingen] [CDU/CSU]: Aber in der ersten Lesung!)

— ich rede von heute und nicht vom 16. Januar —, und sind Sie auch bereit, zur Kenntnis zu nehmen, daß die Bundeswehrplanung geheim ist und ich deshalb hier in öffentlicher Sitzung nicht zitieren darf? Aber sind Sie bereit, mit mir gemeinsam im Bundeswehrplan die Ziffer 294 auf Seite 223 zu lesen, um dann festzustellen, daß Sie bereits in der zweiten Hälfte 1988 für die Zeit nach 1995 neue Personalplanungen vornehmen wollen?

(Beifall bei der SPD)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1021026500
Herr Minister, ich rechne Ihnen die Zeit doch nicht an.

Dr. Manfred Wörner (CDU):
Rede ID: ID1021026600
Der Bundeswehrplan hat mir vorgelegen, ehe er Ihnen vorgelegen hat. Ich kenne ihn, ich habe ihn gebilligt. Da ich zwar nicht jede Seite genau im Gedächtnis habe, aber die Passage, die Sie meinen, sehr genau kenne, kann ich Ihnen nur sagen, Herr Kollege Jungmann: Sie täuschen sich. Ich bin bereit, Ihnen das in einer Sitzung des Verteidigungsausschusses auch im einzelnen nachzuweisen. Wir werden ja darüber reden.

(Horn [SPD]: Das können wir ja noch nachbestellen!)

Wir haben den Nachweis geführt, daß die Verlängerung des Grundwehrdienstes unumgänglich ist. Im übrigen registriere ich, lieber Kollege Horn, mit größtem Interesse, daß sich der Kollege Jungmann offensichtlich korrigiert hat. Ich habe seine Behauptungen in der ersten Lesung zur Grundlage meiner Aussage gemacht. Wenn er das nicht mehr aufrechterhält, fordere ich Sie auf: Hören Sie bitte auf, unserer Bevölkerung draußen zu erzählen, man müsse binnen kurzem auf 24 Monate gehen. Es genügt nicht, wenn Sie sich hier korrigieren.

(Hauser [Esslingen] [CDU/CSU]: Er erinnert sich ja nicht einmal mehr! — Berger [CDU/CSU]: Sie wollen ja beides sagen!)

Außerdem: Wenn Sie schon von der Meinung Ihrer eigenen Regierung abweichen

(Horn [SPD]: Auch das ist ein Märchen!)

und wenn Sie schon nicht mehr in der Lage sind, das, was mein Amtsvorgänger, als er noch die Verantwortung als Verteidigungsminister hatte, als unumgänglich notwendig bezeichnet hat,

(Zuruf von der SPD: Rumpelstilzchen!) sollten Sie doch wenigstens darauf verzichten,


(Horn [SPD]: Ein Maßnahmenkatalog, von dem Sie selber heruntersteigen!)

mit widersprüchlichen Argumenten zu operieren. Wenn Sie sich dann wenigstens redlich an Argumente hielten, die sich nicht widersprechen.



Bundesminister Dr. Wörner
Ich will Ihnen nur ein Beispiel geben, an dem das ganz klar wird.

(Jungmann [SPD]: Diffamierer!)

In der ersten Lesung hat der Kollege Jungmann die Erhöhung der Zahl der Wehrübungsplätze, die Verfügungsbereitschaft als einen Griff in die Trickkiste bezeichnet.

(Jungmann [SPD]: Das bleibt es auch!)

Der Kollege Heistermann hat in derselben Debatte die Erhöhung der Zahl der Wehrübungsplätze auf 15 000 kritisiert und gefragt, wie man denn eigentlich die Situation des Arbeitsmarktes Mitte der 90er Jahre einschätze, ob dann tatsächlich so viele Menschen aus dem Arbeitsprozeß herausgezogen werden könnten. Was finde ich jetzt zu meiner großen Überraschung im Leitantrag der SPD, vom Präsidium verabschiedet? Da haben doch einige von Ihnen mitgewirkt.

(Horn [SPD]: Natürlich!)

Da finde ich die Forderung, daß Präsenzlücken durch Verfügungsbereitschaft und Reservisten abgedeckt werden müssen. Also, wenn Logik noch eine Rolle spielt, dann bedeutet das doch wohl, daß Sie noch mehr Verfügungsbereitschaft und noch mehr Reservisten wollen als wir; ein anderer Widerspruch, lieber Kollege Horn.

(Horn [SPD]: Sie haben doch die Verfügungsbereitschaft abgelehnt!)

Sie fordern, es solle weiter gekadert werden.

(Zuruf von der SPD: Richtig!)

Sie bleiben uns die Antwort auf die Frage schuldig, wie dann mit den verbleibenden Soldaten die gewaltige Anzahl von Reservisten gemeistert werden soll. Das ginge gar nicht. Wieder einer Ihrer Widersprüche!
Dann kommen Sie mit der Rüstungskontrolle. Sie behaupten, die Wehrpflichtverlängerung ließe sich durch Maßnahmen der Rüstungskontrolle vermeiden.

(Sehr richtig! bei der SPD)

Andererseits entziehen Sie durch Ihre Bereitschaft zu einseitigen Vorleistungen nach dem Prinzip Hoffnung seriösen Rüstungskontrollvereinbarungen von vornherein den Boden. Wieder einer Ihrer Widersprüche!

(Zurufe von der SPD)

Ich kann nur sagen: Alle diese Widersprüche spiegeln sich im Leitantrag des SPD-Präsidiums zur Friedens- und Sicherheitspolitik wider. Das ist ein Dokument; das muß man gelesen haben.

(Dr. Klejdzinski [SPD]: Sie sind ein Minister ohne Widersprüche!)

Jetzt sollten Sie klatschen. In diesem Leitantrag wird einerseits gefordert — jetzt zitiere ich einmal —, daß die Bundeswehrplanung den Erfordernissen der Vorneverteidigung wieder gerecht werden müsse, daß die Fähigkeit zur politischen Krisenbewältigung gestärkt werden müsse, daß der personelle Friedensumfang eine grenznahe Dekkung ermöglichen müsse, daß er ausreichen müsse, um in einer Krise die Heranführung alliierter Streitkräfte zu sichern. — Alles richtig; dem kann ich nur zustimmen. Genau das sind die Kriterien, nach denen wir unseren Bedarf errechnet haben, nach denen der Generalinspekteur seinen Bedarf errechnet hat, auf den wir uns stützen. Aber was kommt dann? Dann kommt der Satz: Eine Verlängerung des Grundwehrdienstes auf 18 Monate lehnen wir ab. Dazu wollen Sie auch noch die Verteidigungsausgaben schrittweise senken. Jetzt erklären Sie mir doch einmal, wie das zusammenpassen soll, wie Sie mit weniger Streitkräften und weniger Geld all den Kriterien gerecht werden wollen, die Sie hier selber aufstellen!

(Jungmann [SPD]: Das geht natürlich in Ihren Kopf nicht hinein! Das ist klar!)

Also schlimmer und unredlicher geht es nicht mehr. In Wahrheit ist dieser Leitantrag nichts anderes als der sicherheitspolitische Offenbarungseid der SPD von heute, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU/CSU — Horn [SPD]: In Wahrheit wollen Sie keine Rüstungskontrollvereinbarung! Das ist der Punkt!)

Sie zeigen nur eines — nur keine Aufregung — mit diesem entschlossenen „sowohl als auch": daß man Ihnen die Verantwortung für die Sicherheit der Bürger — jedenfalls in der gegenwärtigen Verfassung der SPD — nicht übertragen kann.

(Beifall bei der CDU/CSU — Dr. Ehmke [Bonn] [SPD]: Die kann man nur Wörner übertragen!)

Diese Widersprüche, das Fehlen jeglicher Alternative — auch heute war die Alternative wieder nicht da — machen doch eines deutlich: Sie haben sich aus der ernsthaften sicherheitspolitischen Debatte schlicht und einfach verabschiedet und gehen der Verantwortung, die auch eine Opposition trägt, aus dem Wege.

(Zuruf der Abg. Frau Traupe [SPD])

— Wir stellen uns, Frau Traupe, dieser Verantwortung. Natürlich gibt es auch Risikofaktoren, Unsicherheitsfaktoren in unserer Planung.

(Jungmann [SPD]: Wie denn das?)

Die Frage ist, ob wir genügend Freiwillige finden. Bis jetzt ist uns das gelungen, auch wiederum entgegen Ihrer Prophezeiung.

(Jungmann [SPD]: Wie ist das gelungen?)

Wir haben aufgestockt, wir haben die nötigen Freiwilligen gewonnen. Ich bin überzeugt, wir werden das erreichen. Aber hier liegt ein gewisses Risiko, und ich spreche es offen an.

(Lange [GRÜNE]: Da gibt es ja auch noch die Minderjährigen!)

Auch die Reservistenplanung ist anspruchsvoll; aber auch das kann mit den nötigen Anstrengungen geleistet werden.

(Lange [GRÜNE]: Kinder, Frauen, ältere Menschen!)




Bundesminister Dr. Wörner
Ich jedenfalls meine, das Ziel, Frieden für unser Land aufrechtzuerhalten, die Freiheit für unsere Bürger zu erhalten, rechtfertigt diese Anstrengung. Ich sage noch einmal: Frieden und Freiheit gibt es nicht umsonst. Wir werden der jungen Generation zusätzliche Belastungen auferlegen und abverlangen. Aber ich für meinen Teil bin jedenfalls nach vielen, vielen Gesprächen mit jungen Menschen sicher, daß sich unsere jungen Bürger dieser Aufgabe stellen werden,

(Lange [GRÜNE]: Stellen müssen!)

weil sie wissen, daß sie das für sich selbst und für uns alle tun, und weil sie wissen, daß ohne die Einsatzbereitschaft dieser Bundeswehr, daß ohne diese Allianz ein Leben in Freiheit und Frieden auch in Zukunft nicht möglich ist.
Danke schön.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Zurufe von der SPD und den GRÜNEN)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1021026700
Herr Kollege Jungmann, den Ausdruck „Diffamierer" weise ich als unparlamentarisch zurück;

(Lange [GRÜNE]: Er ist aber richtig!) den möchten wir hier nicht hören.

Der Abgeordnete Heistermann hat als nächster das Wort.

Dieter Heistermann (SPD):
Rede ID: ID1021026800
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn ich das, was der Kollege Wörner hier vorgetragen hat, aufgreifen darf, dann möchte ich an Sie die Frage richten, wie das eigentlich zu verstehen ist, zu welchem Konsens Sie als Minister eigentlich beitragen, um die gemeinsame Basis dessen zu erhalten, was diesem Land guttut.

(Francke [Hamburg] [CDU/CSU]: Sie haben doch die Basis verlassen!)

— Wir können ja gleich argumentieren!
Deshalb würde ich Sie herzlich bitten, endlich einmal Ihre Polemik beiseite zu lassen

(Zuruf von der CDU/CSU: Wo war denn da Polemik?)

und sich statt dessen an dem zu orientieren — und jetzt kommen wir zu den Fakten —, was 1995 Fakt ist.

(Zustimmung bei der SPD)

Sie unterstellen uns hier ein Modell der Bundeswehr, das auf der Basis von 495 000 Mann — was aber nur Ihre Vorstellung ist — steht, und stellen die Aussagen, die wir in unserem Leitantrag gemacht haben, auf die Basis von 495 000 Mann. Das ist nicht nur polemisch;

(Jungmann [SPD]: Unredlich!)

das ist auch eine bewußte Fälschung, und die weisen wir in aller Deutlichkeit zurück.

(Beifall bei der SPD)

Herr Dr. Wörner, wenn Sie schon Denken und Nachdenken als falsch ansehen, sage ich Ihnen angesichts dessen, was Sie hier vorgetragen haben, deutlich: Wir werden Sie zwingen, noch mehr über das nachzudenken, was Sie hier heute gesetzlich verankern wollen, und das tun nicht nur wir, sondern auch andere in dieser Gesellschaft.
Ich muß sagen, das, was Sie als Regierungskoalition aus CDU/CSU und FDP hier bisher vorgetragen haben, reicht nicht als Nachweis dafür aus, daß Ihr Gesetzentwurf geeignet ist, zur Verbesserung der Wehrgerechtigkeit beizutragen und die von Ihnen vielfach beschworene, angeblich notwendige Präsenzstärke der Bundeswehr zu sichern, ganz abgesehen davon, daß weder die Fragen, die wir Ihnen in der 187. Sitzung des Deutschen Bundestages gestellt hatten, abschließend beantwortet noch die erbetenen Kostenübersichten vorgelegt worden sind.
Der Hohlklang Ihrer Argumentation fällt selbst dem politischen Laien auf. Ohne Not halten die Koalitionsfraktionen an einem starren und sturen Gerüst einer Friedensstärke der Bundeswehr von 495 000 Mann fest, das allen anderen Aspekten, allen anderen Bedingungen und allen anderen Gegebenheiten gesellschaftspolitischer Art nicht gerecht wird. Wenn die Koalition schon keinen politischen Konsens sucht, so hätte man zumindest erwarten können, daß sie den sozialen Konsens mit anderen gesellschaftlichen Gruppen im Hinblick auf deren Probleme in den 90er Jahren gesucht hätte, aber auch hier: Fehlanzeige.
Mit der Realisierung dieses Gesetzesvorhabens wird praktisch wahllos und rücksichtslos in alle Bereiche persönlicher Lebensplanung junger Menschen und des öffentlichen Lebens in unserem Staat eingegriffen, so z. B. in schulische Ausbildung, Berufsausbildung, karitative Organisationen, Polizei, Bundesgrenzschutz, Katastrophen- und zivilen Bevölkerungsschutz. All diese Aufgaben haben sich dem militärischen Primat unterzuordnen. Das ist Ihr Motiv dafür, hier und heute dieses Gesetz vorzulegen. Sie wollen mit diesem Gesetz den Primat des militärischen Denkens durchsetzen. So will es diese Bundesregierung, aber diesen Weg halten wir schlicht und einfach für falsch.
Allen Warnungen zum Trotz hält die Bundesregierung an einer Friedensstärke von 495 000 Mann fest, wohl wissend, wie tief die Einschnitte in das gesellschaftspolitische Leben dieser Bundesrepublik in Anbetracht der demographischen Entwicklung sein werden. CDU/CSU und FDP dürfen den zweifelhaften Ruhm an ihre Fahnen heften, Erfinder einer statistischen Bundeswehr zu sein, die zwar alle Kriterien und Einzelmaßnahmen des BMVg-Katalogs erfüllt, die es aber nur als statistische Größe gibt und die als solche sozusagen abgehakt wird.

(Vorsitz : Vizepräsident Cronenberg)

Das Sammelsurium von Maßnahmen zur Erreichung der Präsenzstärke von 495 000 Mann belegt geradezu exemplarisch, mit welchen krampfhaften Klimmzügen diese Regierung arbeiten muß. Sie mutet der Bundeswehr ein Verfahren zu, dessen Auswirkungen längst noch nicht durchschaubar sind. Die Herabsetzung der gesundheitlichen Eignungskriterien, die Reduzierung von Einberufungs-



Heistermann
hindernissen, die Begrenzung der Wehrdienstausnahmen werden eine andere Bundeswehr zur Folge haben. Da werden nicht mehr so ganz junge Männer im Alter von 28 bis 32 Jahren Grundwehrdienst zu leisten haben, die zu einem beträchtlichen Teil verheiratet und Familienväter sein werden.

Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1021026900
Herr Abgeordneter Heistermann, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Ronneburger?

Dieter Heistermann (SPD):
Rede ID: ID1021027000
Herr Kollege Ronneburger, ich bin gleich bereit.
Diese Gruppe von Grundwehrdienstleistenden wird andere persönliche Probleme haben und einbringen als die Ledigen. Diese Probleme werden sich am Arbeitsplatz Bundeswehr negativ auswirken. Das wird erhöhte Anforderungen an die menschlichen Führungsqualitäten stellen, an Fürsorge und Zuwendung durch die Vorgesetzten,

(Berger [CDU/CSU]: Sehr richtig!)

die schon heute wegen Überlastung, Überstunden und vorgegebenen Abläufen keine Zeit mehr für die ihnen unterstellten Wehrpflichtigen haben. Das nehmen Sie so zur Kenntnis, dazu sagen Sie überhaupt nichts.
Bitte, Herr Kollege Ronneburger.

Uwe Ronneburger (FDP):
Rede ID: ID1021027100
Herr Kollege Heistermann, da wir ja wohl gemeinsam unter einem Erfinder denjenigen verstehen, der eine bestimmte Sache zum erstenmal sagt oder tut, frage ich Sie, ob es Ihnen bekannt ist, daß in der Stellungnahme des Bundesverteidigungsministers Apel zum Bericht der Langzeitkommission folgendes steht: „Die Musterung der Wehrpflichtigen der Geburtsjahrgänge 1959 bis 1961 ergab im Durchschnitt ... Wehrdienstfähige"; und jetzt kommt es: „Durch Änderung der Tauglichkeitsbestimmungen — nichttaugliche Wehrpflichtige der Tauglichkeitskategorie IV könnten als eingeschränkt verwendungsfähig eingestuft werden — könnte eine optimalere Ausnutzung des Wehrpflichtigenpotentials erzielt werden. Die Rechnung, die sich daraus ergibt: 6000 Wehrpflichtige mehr"? Ist es so, oder wer ist der Erfinder?

(Zurufe von der CDU/CSU)


Dieter Heistermann (SPD):
Rede ID: ID1021027200
Ich gebe eine offene Antwort dazu.

(Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

— Ich sage jetzt einmal deutlich, hier und heute steht Ihr Gesetzentwurf zur Beratung und Abstimmung an.

(Erneute Zurufe von der CDU/CSU)

— Hören Sie erst einmal zu. Bevor Sie mit dem Kropf reden, sollten Sie erst einmal mit dem Kopf denken. Vielleicht ist das der einfachere Vorgang.

(Beifall bei der SPD — Lachen bei der CDU/CSU)

Herr Kollege Ronneburger, ich möchte Ihnen in aller Deutlichkeit sagen, selbst wenn Sie in dieser Frage den Konsens mit uns gesucht hätten und wenn Sie bereit gewesen wären, mit uns über eine andere Präsenzstärke der Bundeswehr zu reden, hätten Sie das gar nicht tun können, weil Ihnen der Bundeskanzler durch seine Rede vor den Kommandeuren die 495 000 Mann vorgesetzt hat. Deshalb war Sie nicht mehr konsensfähig, und deshalb ist das, was Sie heute hier zitieren, nicht mehr geeignet, befruchtend auf die politische Debatte zu wirken.

(Zuruf von der CDU/CSU: Wer ist jetzt also der Erfinder?)


Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1021027300
Herr Abgeordneter Heistermann, nun wünscht der Abgeordnete Horn eine Zwischenfrage zu stellen.

Dieter Heistermann (SPD):
Rede ID: ID1021027400
Ja, bitte, Herr Kollege Horn.

Erwin Horn (SPD):
Rede ID: ID1021027500
Eine ganz kurze Zwischenfrage, Herr Kollege Heistermann. Finden Sie es nicht ausgesprochen seltsam, daß genau an dem Ort und an der Stelle, wo das Parlament gefordert ist, hier eine Aussage des Ministeriums bzw. des Ministers gegen das Parlament zitiert wird? Ich bin der Auffassung, Gesetzesänderung ist eine Sache des Parlaments und nicht Vorgabe nur durch ein Ministerium.

Dieter Heistermann (SPD):
Rede ID: ID1021027600
Ich kann das nur bestätigen. Vielleicht werden die anderen Kollegen eines Tages zwischen Parlament und Regierung unterscheiden.

(Beifall bei der SPD)

Herr Wörner, ich frage Sie ganz schlicht und einfach: Wie paßt das eigentlich zusammen: immer jüngere Offiziere und immer ältere Grundwehrdienstleistende? Wir haben hier erlebt, daß die „knackigen Opas", wie Sie das selbst eingeführt haben, für Führungsaufgaben nicht mehr geeignet waren, aber 32jährige Wehrpflichtige halten sie für geeignet, noch Grundwehrdienst abzuleisten. Dieses Bild müssen Sie der Gesellschaft draußen mal verkaufen!

(Beifall bei der SPD)

Bei dem jetzt beabsichtigten Modell „Bundeswehr der 90er Jahre" werden auch vermehrt gesundheitlich nur eingeschränkt wehrtaugliche Wehrpflichtige einberufen. Es ist sicher nichts Neues, wenn ich hier feststelle: Die vielen Zugführer, Kompaniechefs und Bataillonskommandeure stöhnen schon heute über dieses Problem.

Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1021027700
Herr Abgeordneter Wörner möchte gern eine Zwischenfrage stellen, Herr Abgeordneter Heistermann.

Dieter Heistermann (SPD):
Rede ID: ID1021027800
Dem Minister antworte ich selbstverständlich.

(Zuruf von der CDU/CSU: Aber diesmal ehrlich!)


Dr. Manfred Wörner (CDU):
Rede ID: ID1021027900
Das ist sehr nett. Herr Kollege Heistermann, sind Sie bereit, wenn Sie es nicht wissen, das nachzusehen, daß genau durch die Verlängerung der Wehrdienstzeit erreicht werden kann, daß eben nicht, einem Vorschlag des Kollegen Jungmann aus der ersten Lesung folgend, nur Äl-



Dr. Wörner
tere eingezogen werden müssen, sondern daß es uns gelingt, in einer vernünftigen Mischung zwischen Jüngeren und etwas Älteren — die im Regelfall nicht älter sind als 26/27 Jahre — genau das zu verhindern, was Sie eben als Gefahr dargestellt haben?

(Zuruf von der SPD: Nein, das stimmt so nicht!)


Dieter Heistermann (SPD):
Rede ID: ID1021028000
Herr Minister, wenn das alles so wäre, wie Sie das hier darstellen, dann fragen wir uns, warum Sie das bis auf 32 Jahre ausgedehnt haben, wenn die Begründung nur sein sollte, jene, die nach Berlin gehen, einzufangen.

(Dr. Wörner [CDU/CSU]: So ist es!)

Sie werden eine Reihe von Leuten bei der Einberufungspraxis nach Ihrem Modell einfangen müssen, da auch derjenige, der 30 oder unter Umständen 32 Jahre alt ist — wenn er eine entsprechende berufliche Ausbildung, so wie Sie es selbst vorhaben, einplant —, dann immer noch Wehrdienst ableisten muß, obwohl er überhaupt nicht in Berlin gewesen ist.

(Zuruf von der CDU/CSU: Er könnte aber ohne weiteres früher kommen!)


Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1021028100
Es wird eine weitere Zwischenfrage gewünscht.

Dieter Heistermann (SPD):
Rede ID: ID1021028200
Ich bin gern bereit, auf Fragen zu antworten, möchte aber diesen Komplex zunächst einmal behandeln.
Herr Wörner, Sie rühmen sich j a gerade, daß Sie auf Grund Ihrer häufigen Truppenbesuche ein inniges Verhältnis zur Truppe haben und sie genau kennen. Nun frage ich Sie: Ist Ihnen das mit dem berühmten Fünf-Kilo-Soldaten nie vorgetragen worden, dem Soldaten nämlich, der eben nicht voll einsatz- und verwendungsfähig ist? Wenn Sie die Tauglichkeitskriterien ändern, dann werden Sie auch vermehrt jene Soldaten einzuberufen haben.
Wenn Sie es wissen, dann muß man sagen, daß es nicht nur unverantwortlich ist, sondern im Grunde verantwortungslos — und das in einer Zeit, wo Sie als Oberbefehlshaber unserer Streitkräfte im Frieden dieses veranlassen. Das heißt, Sie schaffen einen Typ Bundeswehr, der nicht mehr mit der bisherigen militärischen Praxis übereinstimmt.
Sie sprechen auch unzulässigerweise in Ihrem Gesetzentwurf von Verbesserungen der Wehrgerechtigkeit. Wie aber sind die Fakten? Studenten werden nur 17 Monate zu dienen und vier Wochen ihres Urlaubes einzubringen haben und opfern müssen, alle anderen 18 Monate. Zivildienstleistende können nach 24 Monaten Zivildienst ein Studium im Wintersemester beginnen, erst ein volles Jahr später als die gleichaltrigen Wehrdienstabsolventen. Ihr zusätzliches Opfer: sechs Monate längerer Dienst und ein Jahr verspäteter Studienbeginn.
Nun will ich Ihnen vorlesen, was der Bayerische Philologenverband, dem man wahrhaftig wohl nicht sozialdemokratische Tendenzen unterstellen kann, noch gestern in einer Pressekonferenz erklärt hat. Dort heißt es:
Der ins Auge gefaßte Abschlußtermin 1. Juni bedeutet, daß sieben Unterrichtswochen unter den Tisch fallen, davon allein fünf mehr als in den anderen Ländern, weil auf Grund des Beginns in Bayern hier eine andere Wirkung erzielt wird.
Und Sie stellen sich hin und sagen, alle Kultusminister hätten zugestimmt, ohne zu vermerken, daß die betroffenen Schüler- und Elternorganisationen, die Sie sonst immer zitieren, eine andere Einstellung haben.

(Zuruf von der CDU/CSU: Die SPD hat ja nicht zugestimmt!)

Dann sagt dieser Philologenverband, daß von den über 20 000 bayerischen Abiturienten einschließlich Mädchen höchstens 4 000 betroffen sind. An anderer Stelle heißt es: Nur 15% eines Altersjahrgangs stellen die Abiturienten, aber von der Vorverlegung des Wehrdienstes werden gerade jene 3 % erreicht. Alle anderen 97 % müssen sich diesen militärischen Vorstellungen beugen. Das kann nicht richtig sein, das kann nur falsch sein.
Deshalb sage ich in aller Deutlichkeit: Der Andrang von jugendlichen Arbeitslosen, die heute in die Bundeswehr drängen, um ihren Personalbestand sicherzustellen, kann nicht als Erfolg der Bundesregierung gewertet werden. Er ist vielmehr das Ergebnis der anhaltenden Jugendarbeitslosigkeit. Diese tritt ein nach Beendigung der Schule, vor Eintritt in die Berufsausbildung, und sie tritt auch nach Abschluß der beruflichen Ausbildung ein, weil die Einberufung zum Grundwehrdienst noch bevorsteht, oder sie tritt nach Abschluß des Grundwehrdienstes ein, weil der frühere Arbeitgeber heute mit Hilfe der nach dem Beschäftigungsförderungsgesetz möglichen legalen Umgehung des Arbeitsplatzschutzgesetzes nicht mehr verpflichtet ist, seinen Arbeitnehmer erneut einzustellen. Wenn es hier für diese Bundesregierung Handlungsbedarf gegeben hätte, dann wäre es der gewesen, die Umgehung des Arbeitsplatzschutzgesetzes durch die Arbeitgeber zu verhindern und nicht nur dafür zu sorgen, daß die militärische Präsenzstärke bei einer imaginären Zahl von 495 000 Mann gehalten wird.
Zusammengefaßt: Dieses Gesetz löst keine Probleme, es schafft neue. Deshalb werden wir diesem Gesetz nicht zustimmen.
Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)


Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1021028300
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Wittmann.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1021028400
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe manchmal das Gefühl, die Opposition ärgert sich darüber, daß wir mit diesem Gesetz etwas mehr getan haben, als die Wehrpflicht nur um 18 Monate zu verlängern, daß wir ein Bündel von Maßnahmen zur Wiederherstellung bzw. Herstellung der Wehrgerechtigkeit er-



Dr. Wittmann
greifen, die jetzt schon wirken. Sie hätten lange genug Zeit gehabt, auch hierüber nachzudenken, als Sie den Verteidigungsminister stellten.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Meine Damen und Herren, die Rede des Herrn Kollegen Heistermann hat jetzt eines deutlich gemacht: Die SPD nimmt jetzt — bewußt oder unbewußt — von dem Konzept der Vorneverteidigung Abschied; denn es wurde ganz klar zum Ausdruck gebracht: 495 000 Mann wollen wir nicht. Es ist aber klar: Wir brauchen 495 000 Mann

(Jungmann [SPD]: Die hat der Wörner doch auch nicht!)

— ich komme noch darauf zu sprechen —, um die Vorneverteidigung aufrechtzuerhalten.

Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1021028500
Herr Abgeordneter Wittmann, der Abgeordnete Klejdzinski möchte eine Zwischenfrage stellen.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1021028600
Gern, Herr Klejdzinski.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1021028700
Herr Kollege, können Sie sich vorstellen, daß man auf Grund von Verbesserung von Waffentechnik und modernerer Waffen beispielsweise nicht statisch festmachen kann, daß eine bestimmte Taktik wie die Vorneverteidigung nur möglich ist, wenn man von 495 000 Mann ausgeht?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1021028800
Lieber Herr Kollege Klejdzinski, für diese Frage danke ich Ihnen. Gerade für moderne Waffensysteme bedarf es einer besseren Ausbildung und auch einer personellen Flexibilität, und dafür brauche ich auch — das ist alles errechnet — diese Mannschaftsstärken. Wir brauchen die zusätzlichen drei Monate — das sollte man im Hinterkopf behalten, wobei wir es nicht deshalb machen wollen — auch für eine verteidigungsgerechte Ausbildung, sei es an modernen Waffensystemen, sei es für die Verwendung als Reservisten.
Meine Damen und Herren, eine Armee, die zwar gute Waffensysteme hat, wie Herr Klejdzinski fordert, aber zuwenig Personal, ist ein Armeemuseum, und ein Armeemuseum ist nicht in der Lage, unsere Verteidigungsfähigkeit und damit unsere Sicherheit zu gewährleisten. Das ist eine Tatsache.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Wir können noch so intelligente Waffensysteme haben, ohne den Menschen, der sie handhabt und überwacht, wird es letzten Endes nicht gehen.
Die Opposition — ich meine hier die SPD — schlägt vor, eine Wehrstrukturkommission einzusetzen. Kommissionen haben wir meistens viel zuviele, und dabei kommt meistens wenig heraus. Sie hätten schon bei der Bestandsaufnahme durch Herrn Verteidigungsminister Apel Gelegenheit gehabt, dies zu fordern. Statt dessen haben Sie seine Feststellungen, seine Forderungen, die Sie heute ablehnen, wie Sie jetzt sagen, zur Kenntnis genommen und nichts getan.
Sie bauen auf vertragliche Vereinbarungen bei den Abrüstungs- und Rüstungskontrollverhandlungen. Wir wünschen sie auch, aber die Konsequenzen, die Sie vorher ziehen wollen, können wir erst ziehen, wenn wir wissen, wohin solche Kontrollverhandlungen oder Abrüstungsverhandlungen führen. Das geht nicht umgekehrt; der Verteidigungsminister hat es bereits dargelegt.
Dieses Gesetz enthält nicht nur einen Regelungsbereich, sondern ein Bündel von Maßnahmen, das auch die Wehrgerechtigkeit sicherstellen soll. Es wird administrativ und gesetzlich noch viel zu erledigen sein, und wir werden uns noch über manches beim Haushalt zu unterhalten haben.
Ich wäre sehr dankbar, wenn Sie, wenn Sie die Wehrsolderhöhung zum 1. Januar 1987 ablehnen, zustimmen könnten, wenn wir das mit dem Haushaltsgesetz dieses Jahres einbringen. Ich hoffe, Sie werden dann zustimmen und das nicht wie jetzt ablehnen.
Meine Damen und Herren, zusätzliche Belastungen ab 1. Juni 1989 wird es nicht nur für die längerdienenden Wehrpflichtigen geben. Sie wird es auch für die Reservisten geben, deren Anteil von 6 600 auf 15 000 aufwächst. Mit der Verfügungsbereitschaft zusammen werden das 40 000 junge Männer sein, die zusätzliche Opfer zu dem bereits geleisteten Wehrdienst bringen müssen. Wir sehen das. Mich hat die Bemerkung des Wehrbeauftragten in seinem Bericht sehr nachdenklich gemacht, wonach es Fälle gibt, daß junge Wehrpflichtige den Einberufungsbescheid für eine Mobilmachungsübung schon erhalten, wenn sie ihre Wehrdienstzeit noch gar nicht absolviert haben. Ich bitte die militärische und die Verwaltungsseite darüber nachzudenken, ob es nicht möglich wäre, daß man die ausscheidenden Wehrpflichtigen zunächst einmal ein oder zwei Jahre in Wehrleitersatzbataillonen ruhen läßt und sie nach dieser Pause in die Verfügungsbereitschaft oder zu Mobilmachungsübungen holt. Ich glaube, dann werden auch die Anträge auf uk-Stellung weniger, weil eine bestimmte berufliche Sicherheit gegeben ist und das Bedürfnis, wieder unter Kameraden bei der Bundeswehr sein zu können, in diesem Abstand von zwei Jahren vielleicht größer ist.
Die Mehrbelastung der Kreiswehrersatzbehörden wird meines Erachtens dadurch ausgeglichen, daß es weniger Anträge auf uk-Stellung gibt. Das Defizit an Ausbildung und Kenntnissen wird meines Erachtens dadurch ausgeglichen, daß wir dank der guten Planung jetzt eine bessere Ausstattung mit Unterführern haben.
Man sollte auch überlegen, ob man beim Wehrübungsrhythmus nicht mindestens zwei Jahre vorsieht und nicht darunter geht. Das ist meines Erachtens eine Frage der Motivation, die wir einmal bedenken müssen. Ich wäre dankbar, wenn eines Tages im Ausschuß zur Reservistenplanung — sie ist ja noch nicht endgültig abgeschlossen — etwas gesagt würde.
Zur Wehrgerechtigkeit gehört auch, daß Reservisten gleichmäßig herangezogen werden. Das ist leider nicht der Fall. Angehörige der öffentlichen Verwaltung und insonderheit der Bundeswehrverwal-



Dr. Wittmann
tung — ich muß das offen sagen — stellen verhältnismäßig mehr Anträge auf uk-Stellung als Arbeitnehmer aus der privaten Wirtschaft, obwohl die Angehörigen des öffentlichen Dienstes die bereits vom Kollegen Hauser geschilderten Nachteile nicht haben, wenn sie zu Wehrübungen eingezogen werden. Ich appelliere daher an alle öffentlichen Verwaltungen, zumindest jetzt für eine Übergangszeit bis zur Konsolidierung auch der wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse für die Reservisten, die nicht aus dem öffentlichen Dienst kommen, etwas großzügiger zu sein.
Herr Kollege Heistermann, Sie haben den Bayerischen Philologenverband zitiert. Herr Kollege Bötsch und einige andere Kollegen hatten Gespräche mit dem Philologenverband. Sie hatten auch Gespräche mit den Leitern der Kreiswehrersatzämter in Bayern. Das Problem stellt sich in der Tat nur in Bayern, weil wir dort ein Zentralabitur haben. Wenn man mit den Leuten spricht, ist es nicht so dramatisch wie in Pressekonferenzen. Die Leiter der Kreiswehrersatzämter haben uns versichert, daß es möglich ist, auf dem administrativen Wege den bayerischen Sonderverhältnissen Rechnung zu tragen. Wir haben auch den § 12 der Soldatenurlaubsverordnung. Das kann alles flexibel gehandhabt werden. Überhaupt wird es in den nächsten drei Jahren unsere Aufgabe sein, erkannte Mängel, erkannte Notwendigkeiten sehr flexibel und sehr kooperativ anzugehen, damit am 1. Juni 1989 auch die Wehrgerechtigkeit nach Möglichkeit stimmt.
Ich bedanke mich.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Heistermann [SPD]: Auch in Bayern!)


Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1021028900
Das Wort hat der Abgeordnete Voigt.

Ekkehard Voigt (CSU):
Rede ID: ID1021029000
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Haben Sie sich einmal überlegt, was es für die jungen Wehrpflichtigen bedeutet, ab 1989 anstatt 15 Monate dann 18 Monate ableisten zu müssen? Können Sie sich überhaupt in die Situation versetzen, nachvollziehen, welche zeitlichen, finanziellen und beruflichen Opfer, wie der Herr Minister sagte, diese Wehrpflichtigen schon jetzt und in Zukunft noch mehr auf sich zu nehmen bereit sind? Ich frage Sie, was würden Sie, wenn Sie sich in der gleichen Situation wie diese Wehrpflichtigen befänden, vom Staat, vom Parlament, von der Gesellschaft als Gegenleistung für diesen Dienst an der Gemeinschaft erwarten? Ich frage Sie: Reicht es dann aus, zur Sicherstellung des personellen Bedarfs — sicher wichtig —, über strategische oder bündnisrelevante Dinge zu diskutieren, und kann man dabei den zeitlichen Aspekt, aber auch den Aspekt der Wehrgerechtigkeit außer acht lassen?
Ich meine, es kommt entscheidend darauf an, heute, parallel zu diesem Beschluß, sofort konkrete Schritte zu unternehmen, um das Problem der Wehrgerechtigkeit zu lösen, heißt doch der Gesetzentwurf „Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Wehrgerechtigkeit und Verlängerung der Dauer des Grundwehrdienstes".
Ich behaupte, unsere heutige Entscheidung wird von den Wehrpflichtigen in der Zukunft daran gemessen werden, ob es gerecht zugeht, wenn sie dienen müssen und andere nicht, ob dieser Wehrdienst inhaltlich sinnvoll ausgestaltet oder Leerlauf ist und ob sie für ihre Leistungen für den Staat endlich angemessen entschädigt oder nur weiter vertröstet werden. Wir wissen alle, meine Damen und Herren, daß die Lösung des Problems der Wehrgerechtigkeit an sich von der Öffentlichkeit, von der Bundesregierung, vom Wehrbeauftragten und vom Parlament einschließlich des Bundeswehr-Verbandes voll unterstützt wird. Für die Mehrheit der Bevölkerung und den Großteil der Wehrpflichtigen ist die Wehrpflicht immer noch Ausdruck unseres Selbstbehauptungswillens. Aber wird dieser Zustand auch dann noch anhalten, meine Damen und Herren, wenn die Wehrpflichtigen ihren Dienst zunehmend angesichts der großen Zahl nichtdienender junger Männer als ungerecht empfinden, solange es keine Wehrgerechtigkeit gibt?
Wenn es also das Ziel des Parlaments ist, zur Sicherung unserer Freiheit den Wehrdienst zu verlängern, haben wir alle auch die Verantwortung für die Anerkennung der persönlichen Opfer der Wehrpflichtigen, um alles zu tun, um Wehrgerechtigkeit zu verwirklichen. Wenn Herr Minister Wörner sagt, Wehrgerechtigkeit habe absolut den Vorrang, wie er es hier heute getan hat, müssen wir uns die Frage stellen: Legen wir Wert auf die Verlängerung des Wehrdienstes, oder wollen wir mehr Wehrgerechtigkeit? Wir wollen beide Ziele. Aber wenn wir beide Ziele wollen, muß die Bundesregierung verschiedene Vorschläge auch in die Tat umsetzen, d. h. finanzielle, steuerliche, soziale, organisatorische Maßnahmen ergreifen, um eben Wehrgerechtigkeit zu schaffen.
Ich möchte Ihnen hier einige Vorschläge unterbreiten:
1. Ich glaube, es ist eine konsequente Verfolgung des Willens des Parlaments, wenn auch Männer zum Wehrdienst herangezogen werden, die auf Zeit in Berlin oder im Ausland leben.
2. Erschwerung aller Wehrdienstausnahmen.
3. Jährliche Anpassung des Wehrsoldes, und zwar nicht erst gemäß diesem Stufenplan linear und strukturell ab 1. Januar 1987, sondern gebündelt.
4. Sofortige Erhöhung des Entlassungs- und Weihnachtsgeldes, auch nicht erst ab 1. Juni 1989 mit Wirkung zum 30. November 1990, sondern sofort.
5. Anhebung der Leistungen nach dem Unterhaltssicherungsgesetz.
6. Die ganze Problematik der Sparpauschale muß diskutiert werden, und es sind Beschlüsse zu fassen.
7. Erhöhung der Mietbeihilfen.



Voigt (Sonthofen)

8. Soziale Absicherung der Wehrpflichtigen gerade im Bereich der Krankenversicherung und Arbeitslosenversicherung.
9. Streichung der Kürzung nach dem Haushaltsstrukturgesetz.
10. Abbau der Benachteiligung von Familienangehörigen bei dienenden Wehrpflichtigen.
11. Einführung eines Steuerfreibetrages in voller Höhe des Verdienstausfalls. Wenn „die einen dienen und die anderen verdienen", dann soll später der umgekehrte Weg möglich sein; es soll ein Steuerausgleich gewährt werden.

(Zurufe von der CDU/CSU)

12. Verhinderung der Umgehung des Arbeitsplatzschutzgesetzes. Wehrpflichtige sollen nicht durch Zeitverträge benachteiligt werden.
13. Berufsnahe Verwendung in der Bundeswehr.
14. Einbeziehung der Wehrpflichtigen in die Maßnahmen des Berufsförderungsdienstes, und zwar gerade unter dem Aspekt der Arbeitslosigkeit.
15. Kostenfreie Heimfahrt.
16. Die gesamte Problematik der Freizeit und des Freizeitangebotes.
17. Sofortige Abschaffung der Rundfunk- und Fernsehgebühren.
18. Mehr Ehrenzeichen der Bundeswehr für Wehrpflichtige und Reservisten.
19. Verringerung der Dienstzeitbelastung. Wenn eine zu hohe Dienstzeitbelastung im Wachdienst beklagt wird, dann frage ich: Warum wird nicht die modernste auf dem Markt befindliche Technik eingesetzt, um die Dienstzeit entsprechend zu verringern?
20. Anpassung der Zulagen an die wirtschaftlichen Gegebenheiten.
21. Individuelle finanzielle Regelung der Anrechnung von Spitzendienstzeiten.
22. Verbesserungen für Auslandsaufenthalte bzw. Dienst im Ausland.
Lassen Sie mich zum Schluß sagen: Überprüfung aller Dienstposten von Wehrpflichtigen und keine Verwendung von Wehrpflichtigen z. B. auf Stabs-, Schul- oder Verwaltungsposten. Wehrpflicht ist nach meinem Verständnis Auftragserfüllung im Sinne des Verteidigungsauftrages. Wehrpflicht soll und darf kein Verwaltungsdienst sein.
Meine Damen und Herren, in den vorhergehenden Redebeiträgen ist gesagt worden, es sei ein Bündel von Maßnahmen beschlossen worden. Mit diesem Maßnahmenbündel ist die Problematik der Wehrgerechtigkeit noch längst nicht gelöst. Ich meine, der Forderungskatalog wird, wenn ihm entsprochen wird, auch die Akzeptanz der Wehrpflicht erhöhen. Ich rufe alle Verantwortlichen in der Bundesregierung und im Parlament auf, mit der Wehrgerechtigkeit ernst zu machen. Setzen Sie Ihre Ankündigungen in die Tat um. Dann wird dieses Gesetz einen Sinn bekommen.
Ich danke Ihnen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP sowie des Abg. Handlos [fraktionslos])


Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1021029100
Das Wort hat der Abgeordnete Steiner.

Heinz-Alfred Steiner (SPD):
Rede ID: ID1021029200
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist schon eine ganze Menge über die Verlängerung des Grundwehrdienstes gesagt worden. Aber der uns vorliegende Gesetzentwurf ist mit einem noch ganz anderen Anstrich versehen worden: Es soll der Eindruck erweckt werden, als gehe es vornehmlich um die Verbesserung der Wehrgerechtigkeit. Nach Aussage der Bundesregierung sollen gesetzlich geregelte Wehrdienstausnahmen auf das unverzichtbare Maß reduziert werden, um mehr Wehrgerechtigkeit zu schaffen. Damit wird unterstellt, als sei es um die Wehrgerechtigkeit bisher schlecht bestellt gewesen, als müsse man endlich grobe Mißstände durch eine Änderung des Gesetzes abstellen. Warum machen Sie diese Klimmzüge, noch dazu so krampfhaft? Warum suchen Sie nach solchen Hilfsargumenten? Inzwischen weiß doch jeder auch nur oberflächlich interessierte Bundesbürger, worum es wirklich geht.
Herr Kollege Hauser, Sie haben hier darauf hingewiesen, bisher hätten nicht alle tauglichen Wehrpflichtigen zum Wehrdienst einberufen werden können. Das liegt doch nicht an mangelnder Wehrgerechtigkeit, sondern das liegt einfach daran, daß das Aufkommen größer war als der Bedarf. Darin lag die Ungerechtigkeit.

(Beifall bei der SPD)

Sie haben hier wieder die Story von den Spitzensportlern erzählt. Ich meine, das wird dem Thema, das wir hier behandeln, nicht gerecht.

(Hauser [Esslingen] [CDU/CSU]: Das ist doch leider wahr!)

— Das ist wohl wahr, aber — Herr Kollege Hauser, darüber sind wir uns ja wohl einig — Unzulänglichkeiten im menschlichen Bereich werden Sie durch noch so viele Änderungen und Verbesserungen im gesetzlichen Bereich nicht ausschließen können. Es wird infolge von Fehlentscheidungen sicherlich auch künftig Spitzensportler geben, die keinen Wehrdienst leisten müssen.
Also worum geht es wirklich? Es geht der Bundesregierung, insbesondere dem Verteidigungsminister ausschließlich darum, die von ihm selbst vorgegebene Phantasiezahl von 495 000 Soldaten für die Bundeswehr, solange es eben geht, und koste es, was es wolle, zu halten.
Sie, Herr Dr. Wörner, haben am 16. Januar 1986 anläßlich der ersten Beratung der Gesetzesvorlage hier ausgeführt:
Wir
— damit meinten Sie die Bundesregierung —
werden Freistellung vom Wehrdienst auf ein
Mindestmaß reduzieren. Freistellung von dem



Steiner
für die Gesamtverteidigung unverzichtbaren Zivil- und Katastrophenschutz nach § 13a des Wehrpflichtgesetzes werden wir beibehalten. Diese Dienste müssen jedoch
— so der Minister Wörner —
wie die Streitkräfte ihren Ergänzungsbedarf dem verringerten Aufkommen anpassen.
Weiter stellen Sie fest:
Die Folge dieser Maßnahmen wird sein, daß die Belastung der freiwilligen Helfer im Zivil- und Katastrophenschutz ebenso wie die der Grundwehrdienstleistenden steigen wird.
Herr Minister Wörner, welch eine Fehleinschätzung, die Sie mit dieser Feststellung eingenommen haben, ist in den Sitzungen des Verteidigungsausschusses vom 4. und 5. März 1986, deutlich geworden, die als öffentliche Informationssitzungen mit der Anhörung von Sachverständigen auf Antrag der SPD-Fraktion stattgefunden haben. Sie, Herr Dr. Wörner, haben sich auf Anhörungsergebnisse berufen. Ich tue das jetzt auch.
Die Anhörung und Befragung der geladenen Sachverständigen hat eindeutig ergeben, daß nach der von Ihnen vorgesehenen drastischen Reduzierung der Freistellungsquoten für den Zivil- und Katastrophenschutz ein wirkungsvoller Schutz für die Bevölkerung nicht mehr gewährleistet sein wird.

(Horn [SPD]: Hört! Hört!)

In einem hochindustrialisierten Land wie dem unseren, in einem so dicht besiedelten Land wie dem unseren bedarf die Notwendigkeit des Katastrophenschutzes wohl keiner besonderen Begründung.

(Zustimmung bei der SPD)

Das gilt in ganz besonderem Maße für Ballungsgebiete, in denen sich nicht nur viele Menschen, sondern auch zahlreiche problematische Industrieanlagen befinden. Wenn die Sachverständigen übereinstimmend darauf hinweisen, daß die Funktionsfähigkeit des Katastrophen- und Zivilschutzes ganz wesentlich auf der gegenwärtigen Freistellungsquote beruht, dann ist Ihre dazu gemachte Aussage von grober Fahrlässigkeit im Umgang mit dem vorbeugenden Zivil- und Katastrophenschutz geprägt.

(Beifall bei der SPD)

Diese meine Feststellung, Herr Minister, wird nachhaltig dadurch gestützt, daß die Reduzierung der Freistellungsquoten nicht behutsam, sondern drastisch erfolgen soll, nämlich von 17 000 auf 10 000. Das geschieht in dem Wissen, daß der Zivil-und Katastrophenschutz schon jetzt nicht dem tatsächlichen Bedarf entspricht. Und es gibt ernstzunehmende Stimmen, die eine weitere Reduzierung mit einem Ausstieg des Bundes aus seiner Mitverantwortung für diesen Bereich gleichsetzen.
Auch die Landesregierungen sind zu Recht beunruhigt. Die Stellungnahme des Bundesrats spricht eine sehr deutliche Sprache, wenn darin ausgeführt wird — ich zitiere —:
Ein Wegfall oder eine Beschränkung der Freistellungsmöglichkeit für den Zivil- und Katastrophenschutz liefe allen Bemühungen und Investitionen in diesem Bereich zuwider. Sinnvolle Zivilverteidigung wäre nicht mehr möglich, da entsprechend geschultes, ausgebildetes Personal in ausreichender Zahl nicht mehr zur Verfügung stünde, und das bewährte Konzept der Gesamtverteidigung wäre in Frage gestellt.

Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1021029300
Herr Abgeordneter Steiner, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Biehle?

Heinz-Alfred Steiner (SPD):
Rede ID: ID1021029400
Bitte.

Alfred Biehle (CSU):
Rede ID: ID1021029500
Herr Kollege Steiner, würden Sie mir beipflichten, wenn ich erstens feststelle, daß in dem Gesetzentwurf die Reduzierung von 17 000 auf 10 000 nicht in dem Sinne aufgeführt ist, daß exakte Zahlen genannt werden, sondern daß man sich darauf beruft, entsprechend dem Rückgang der Jahrgangsstärken diese Reduzierung vorzunehmen, angesichts der Tatsache, daß jetzt a) bei der Polizei übereinstimmend in den Ländern festgestellt worden ist, daß zu dem Zeitpunkt, an dem dies in Kraft treten soll, die Quote, die benötigt wird, nur noch die Hälfte beträgt — statt 8 000 4 000 —, und daß b) bei der Inanspruchnahme der Freistellungsquote die Zahl schon jetzt nicht voll ausgeschöpft wird?

Heinz-Alfred Steiner (SPD):
Rede ID: ID1021029600
Herr Kollege Biehle, ich gebe zu, daß das, was ich hier ausgeführt habe, nicht im Gesetzentwurf steht. Es steht bewußt deshalb nicht drin, weil es bisher nicht möglich war, zwischen Verteidigungsminister und Innenminister diesbezüglich eine Einigung zu erzielen.

(Beifall bei der SPD — Immer [Altenkirchen] [SPD]: Ein wahres Chaos! — Dr. Klejdzinski [SPD]: Wo bleibt die Zusammenarbeit! — Zuruf des Abg. Horn [SPD] — Heiterkeit bei der SPD)

Der Bundesrat hat zu Recht auch die Gesamtverteidigung angesprochen. Was bleibt denn noch übrig von dem Konzept der Gesamtverteidigung? Glauben Sie etwa, Herr Minister, daß der Abschrekkungswert der Bundeswehr erhöht wird, wenn Sie die Funktionsunfähigkeit des Zivil- und Katastrophenschutzes herbeiführen und damit das wenige ruinieren, was zum Schutz der Bevölkerung überhaupt getan wird? Wie, glauben Sie, wird sich im Spannungsfall oder gar im Verteidigungsfall das auf die Moral der Soldaten auswirken, wenn diese wissen, daß ihre Familien fast ohne Schutz sind?
Abschließend noch einige Bemerkungen zur stärkeren Heranziehung von Reservisten, zur Erhöhung der Zahl der Wehrübungsplätze von — der Kollege Dr. Wittmann hat es ja gesagt — 6600 auf 15000. Auch zu diesem Themenbereich hat die Anhörung wertvolle Hinweise gebracht. Sie hat aber auch unsere Bedenken bestätigt. 15000 Wehrübungsplätze bedeuten ca. 450 000 Wehrübungen pro Jahr. Das bedeutet natürlich auch eine zusätzli-



Steiner
che Belastung der Unteroffiziere und Offiziere in den Kampfunterstützungstruppen.
Dabei sind die Dienstzeitbelastungen schon jetzt unerträglich hoch. Statt ernsthaft um eine angemessene Dienstzeitreduzierung bemüht zu sein, wie es die Fürsorgepflicht gebietet, halsen Sie der Truppe mit Blick auf die für Sie magische Zahl 495 000 weitere Aufgaben auf.
Des weiteren schaffen Sie neue Probleme, nämlich zum einen für die Wirtschaft und zum anderen für die Vielfachübenden. Eine Verdoppelung der Fallzahl wird von den Firmen, der Industrie nicht so einfach hingenommen werden. Bei allem Verständnis der Wirtschaft für die Landesverteidigung und für Ihre Wünsche, Herr Dr. Wörner, ist den Firmen trotzdem das Hemd näher als der Rock. Es ist doch naiv zu glauben, es werde alles so reibungslos funktionieren, wie Sie sich das vorstellen. Die Zahl der Fälle wird zunehmen, in denen Arbeitgeber auf grundsätzlicher Unabkömmlichkeit, zumindest aber auf zeitlicher Zurückstellung bestehen werden. Es wird auch Widerstände gegenüber Arbeitnehmern geben, die häufiger zu Wehrübungen herangezogen werden. Und bei denen wird die Angst, den Arbeitsplatz zu verlieren, wachsen.

Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1021029700
Herr Abgeordneter Steiner, der Abgeordnete Wörner möchte eine Zwischenfrage stellen.

Heinz-Alfred Steiner (SPD):
Rede ID: ID1021029800
Bitte sehr, Herr Minister.

Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1021029900
Bitte sehr, Herr Abgeordneter.

Dr. Manfred Wörner (CDU):
Rede ID: ID1021030000
Herr Kollege, wenn Sie diese Überzeugung haben, frage ich, warum Sie Ihre Partei nicht davon abhalten, in ihrem Leitantrag zu fordern, daß Präsenzlücken durch Verfügungsbereitschaft und mehr Reservisten gedeckt wird.

Heinz-Alfred Steiner (SPD):
Rede ID: ID1021030100
Herr Minister, ich darf Sie bitten, sich einen Augenblick zu gedulden.

(Schwarz [CDU/CSU]: „Herr Abgeordneter"! — Immer [Altenkirchen] [SPD]: „Herr Abgeordneter"!)

— Herr Abgeordneter. Na gut. Wollen wir nicht so kleinlich sein.

(Dr. Soell [SPD]: „Herr Kollege"!)

Gedulden Sie sich bitte noch einen Augenblick. Sie haben vorhin nach Alternativen gefragt. Ich werde zum Schluß eine nennen. Ich glaube, sie wird das abdecken, was in Ihrer Frage enthalten war.

(Dr. Wörner [CDU/CSU]: Dann darf ich mich aber setzen!)

— Sie dürfen sich bitte setzen.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD — Immer [Altenkirchen] [SPD]: Bravo! Setzen! Fünf!)

In diesem Zusammenhang hat selbst der Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, der Kollege Biehle, während der Anhörung nicht nur Bedenken geäußert, sondern auch Fragen gestellt, Fragen, die — möchte ich sagen — diese Bedenken wiedergeben. Er hat gefragt: Was ist, wenn ein Handwerksmeister nur einen Gesellen hat und er selber oder sein Geselle oder in Abständen beide häufiger zu Wehrübungen herangezogen werden? Was ist, wenn in einer kleinen Baufirma der Kranführer übt und es keinen Ersatz gibt?
Herr Minister, Sie haben nach Alternativen gefragt. Sie müssen natürlich alles lesen, was in unserem Leitantrag steht. Und ich sage Ihnen das, was da auch noch drin steht, weil das nicht oft genug gesagt werden kann.

(Zuruf von der CDU/CSU: Das ist das Papier nicht wert!)

Wir kleben nicht fest an der für Sie magischen Zahl von 495 000. Wir haben des öfteren vorgeschlagen: Denken Sie mit uns gemeinsam über eine Struktur für die Bundeswehr nach, die von einer realistischen Größenordnung ausgeht und damit die Konflikte, über die wir hier Ausführungen gemacht haben, vermeidet.

(Beifall bei der SPD — Biehle [CDU/CSU]: Und was ist jetzt die Alternative? Er hat rechtzeitig die Kurve gekratzt, weil die Alternative ausgeblieben ist!)


Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1021030200
Das Wort hat der Abgeordnete Berger.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1021030300
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In den meisten europäischen Nachbarländern gibt es zwischen den politischen Parteien in der Sicherheitspolitik eine weitgehende Übereinstimmung. Die SPD als Opposition versagt sich auf diesem Feld,

(Widerspruch bei der SPD — Zuruf von der CDU/CSU: Aber sicher!)

und das, obwohl sie ihrerseits, als sie noch den Verteidigungsminister stellte, die Wehrpflichtverlängerung, die wir heute hier beschließen, gefordert hatte.
Als wir in der Opposition waren, haben wir die damalige Regierung in diesen politischen Kernfragen unterstützt. Wir sind ihr damals nicht in den Rücken gefallen, im Gegenteil: Wir haben damals zur Festigkeit gemahnt.

(Horn [SPD]: Sie haben sämtliche Haushalte abgelehnt!)

Als die damalige Regierung z. B. mit der im wahrsten Sinne des Wortes verheerenden PostkartenNovelle das Instrument der Wehrpflicht, das unsere Verteidigungsfähigkeit im Bündnis allein garantieren kann, aushöhlte, haben wir opponiert und geklagt, und zwar mit Erfolg. Wir sind nicht den leichten Weg des Laisser-faire gegangen. Wir haben zur Pflicht gemahnt, wo andere nur noch Rechte gewähren wollten. Hätten wir doch heute eine solche Opposition!

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)





Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1021030400
Herr Abgeordneter, der Herr Abgeordnete Horn möchte eine Zwischenfrage stellen.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1021030500
Natürlich. Vizepräsident Cronenberg: Bitte.

Erwin Horn (SPD):
Rede ID: ID1021030600
Vielen Dank, Herr Kollege Berger. — Herr Kollege Berger, können sie sich noch dessen entsinnen, daß beispielsweise der damalige Obmann der Union, Herr Dr. Kraske, zurückgetreten ist, weil er im Unterschied zur Mehrheit seiner Fraktion für den von dem damaligen SPD-Verteidigungsminister vorgelegten Haushaltsplan stimmen wollte, während seine Fraktion dagegen war und dies als ausgesprochen obstruktiv bezeichnet hat?

(Dr. Kunz [Weiden] [CDU/CSU]: Das stimmt j a gar nicht!)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1021030700
Ich kann mich an diesen Vorgang sehr wohl erinnern, Herr Kollege Horn; es war dies im siebten Jahr unserer Opposition. Wir hatten den Verteidigungshaushalt damals abgelehnt, weil er den Ansprüchen nicht genügte.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Das unterstreicht die These nur, die ich soeben vorgetragen habe. —

(Lachen und Widerspruch bei der SPD)

Ich möchte noch einmal sagen: Wir wünschen uns eine Opposition, die bei aller Meinungsverschiedenheit im einzelnen mit uns den Bürgern zu sagen bereit wäre, daß man Freiheit ohne Verantwortung, daß man Rechte ohne Pflichten auf Dauer nicht haben kann.

Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1021030800
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Klejdzinski?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1021030900
Nein, ich möchte in meinem Gedankengang fortfahren.

Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1021031000
In Ordnung.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1021031100
Doch Sie gaukeln unseren Bürgern die Illusion einer heilen Welt vor, in der man sich nicht mehr des Übergriffs oder auch der politischen Bedrohung durch einen äußeren Gegner erwehren müßte.
Meine Damen und Herren von der SPD, in Ihrem Programmentwurf für die nächste Bundestagswahl ist zwar sehr viel die Rede von angeblicher Sicherheitspartnerschaft mit der Sowjetunion. Immer wieder gehen Sie dort auf Äquidistanz zu beiden Supermächten.

(Dr. Klejdzinski [SPD]: Man soll nur von etwas reden, was man versteht!)

Sie reduzieren damit den fundamentalen Ost-WestKonflikt auf ein quasi nationales Problem der USA mit Rußland. Das soll und muß in die Irre führen. Sie sagen aber in diesem Programmentwurf zu der prinzipiellen Bedrohung, die für das freie Westeuropa und das freie Deutschland von der totalitären
kommunistischen und imperialistischen Sowjetmacht ausgeht, kein einziges Wort.

Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1021031200
Herr Abgeordneter, entschuldigen Sie bitte, wenn ich Sie unterbreche. — Ich wäre dankbar, wenn die Kollegin Fuchs den Kreis, den sie um sich sammelt, auflösen würde und die Damen und Herren Abgeordneten wieder Platz nehmen würden. — Sie können fortfahren, Herr Abgeordneter.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1021031300
Dabei wissen Sie doch sehr genau, meine Damen und Herren, daß an der Wiege der Wehrpflichtigen-Armee Bundeswehr, über deren Fortbestand wir heute wie in den letzten Monaten diskutiert haben, der Zugriff dieser Sowjetmacht auf das freie Westeuropa gestanden hat. Sie wissen auch, daß sich daran seit damals prinzipiell nichts geändert hat.

(Dr. von Bülow [SPD]: Das war verfälscht!)

Geändert hat sich nur eines: Die Sowjetmacht ist militärisch stärker geworden.

(Lachen und Zurufe bei der SPD)

Wenn wir also frei bleiben wollen, wenn wir wollen, daß auch unsere Nachkommen die Chance zur Freiheit und das Glück der Freiheit behalten, dann müssen wir mit unseren wirklichen Sicherheitspartnern in Europa, mit unseren Freunden in der Wertegemeinschaft des nordatlantischen Bündnisses diesen höchsten aller Werte schützen, schützen durch Verteidigungsfähigkeit, Herr Kollege von Bülow, und durch eine kluge Sicherheitspolitik, die uns Freiheit und Souveränität bewahrt, ohne uns verteidigen zu müssen.

(Immer [Altenkirchen] [SPD]: Ja, siehe Libyen!)

Zu beiden gehört als elementare Voraussetzung der Wille zur Verteidigung, das heißt die Verteidigungsbereitschaft des Volkes, deren überzeugendster Ausdruck die allgemeine Wehrpflicht ist.
Meine Damen und Herren, der große Franzose de Gaulle hat einmal gesagt, erst komme der entschlossene Wille für die eigene — ich füge hinzu: freie — Existenz, und erst dann kämen die Bündnisse. — Auf unsere Situation als Frontstaat zu dem von der Sowjetunion beherrschten Warschauer Pakt angewendet heißt dies:

(Dr. von Bülow [SPD]: Frontsoldat!)

Wenn wir nicht dafür sorgen, daß wir weiterhin für die in unserer Lage unerläßliche Vorneverteidigung die Masse der präsenten Landstreitkräfte, einen Großteil der Luftverteidigung und den weitaus größten Teil der dazu notwendigen schwimmenden Verbände von Anfang an verfügbar hätten, dann wäre diese Vorneverteidigung nicht mehr möglich. Und dann verlöre, Herr von Bülow — Sie wissen das so wie ich —, eine die ganze Bundesrepublik Deutschland schützende Sicherheitspolitik ihr Fundament.
Das aber könnte den Frieden nicht sicherer machen, nein, es gefährdete ihn. Das könnte uns nicht



Berger
in Gelassenheit und Ruhe und im Vertrauen auf unsere eigene Kraft unseren privaten und öffentlichen Dingen nachgehen lassen; nein, das würde uns veranlassen, mit ängstlichem Blick auf die eurasische Hegemonialmacht Sowjetunion unsere Verhältnisse nach deren Willen auszurichten.

(Immer [Altenkirchen] [SPD]: Ja, und jetzt?)

Das ist doch der tiefere Sinn der allgemeinen Wehrpflicht. — Herr Immer, daß Sie das nicht verstehen, ist für mich nicht neu.
Der Sinn der Wehrpflicht ist nicht, daß wir einen Verteidigungskrieg vorbereiteten, um ihn zu gewinnen, nein, wir wollen auf diese Weise Wachsamkeit und Entschlossenheit zur kollektiven Selbstverteidigung unserer Freiheit so überzeugend darstellen, daß wir in Ruhe gelassen werden.
Und es ist doch besser, meine sehr geehrten Damen und Herren, unsere jungen Männer dienen 18 Monate — bei Wehrübungen noch ein bißchen mehr — und wir alle leben in Freiheit und ohne Angst, als daß wir ihnen dieses Opfer ersparten und wir möglicherweise Stück für Stück morgen unsere Sicherheit und damit auch sie die Chance einer freien und menschenwürdigen Existenz verlören.

(Beifall bei der CDU/CSU — Lange [GRÜNE]: So einfach ist die Welt!)

— Die meisten jungen Männer in unserem Land, Kollege Lange, begreifen dies übrigens und sind zu diesem Dienst für sich und für die Allgemeinheit bereit, jedenfalls solange sie dabei sinnvoll gefordert und auch sinnvoll geführt werden. Sie werden allenfalls daran irre, wenn ihnen scheinbare oder vorgebliche Autoritäten der Öffentlichkeit Sinn und Notwendigkeit dieses Dienstes absprechen. Hier versagen viele, am meisten die Opposition.
Ihre Wende, meine Damen und Herren von der SPD, geht zurück hinter 1959, ja, sogar zurück hinter 1956, als Sie sich vor dem Hintergrund der durch die damalige Mehrheit geschaffenen Tatsache der Wiederbewaffnung und der Westintegration zu jener großartigen Kooperation bereit gefunden haben, aus der unsere heutige demokratische Wehrverfassung entstanden ist. Sie gehen zurück zu Ihrem kategorischen Nein der fünfziger Jahre: Nein zum Bündnis, Nein zur Wehrpflicht, Nein zur Westintegration.

(Dr. von Bülow [SPD]: Wo steht denn das? Dummes Zeug! — Weiterer Zuruf von der SPD: Nein zu Wörner!)

Ihr sogenannter Fachmann Krause empfahl in dem von Ihnen erzwungenen Anhörungsverfahren im Verteidigungsausschuß — ich zitiere ihn nur —: Die Konventionalisierung unserer Sicherheitspolitik mit weniger Truppen bei kürzerer Dienstzeit, allerdings — wie er zugegeben hat — unter Aufgabe der Vorneverteidigung, das ist keine Politik der Sicherheit für unser Land. Das wäre eine Politik der Gefährdung, eine Politik des fortgesetzten Risikos.
Ich sage Ihnen, meine Damen und Herren von der Opposition, Ihr Verhalten in dieser Lebensfrage, Ihre verschiedenen Einlassungen dazu, die sich auch noch überwiegend widersprechen, und Ihre Debattenbeiträge heute beweisen nur eines: Sie werden noch einen weiten Weg gehen müssen, bevor Sie wieder als Opposition von heute die Regierung von morgen sein können.
Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1021031400
Das Wort hat der Abgeordnete Kuhlwein.

Eckart Kuhlwein (SPD):
Rede ID: ID1021031500
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Berger, wenn ich Sie so reden höre, frage ich mich, warum die Sowjets noch nicht in Bonn sind.

(Beifall bei der SPD)

Ich habe mich als Bildungspolitiker in dieser Debatte zu Wort gemeldet, weil ich auf die vielen bildungs- und jugendpolitischen Probleme hinweisen will, die mit der Verlängerung des Wehrdienstes zusätzlich geschaffen werden.
Wenn es richtig ist, was Willi Berkhan in der Anhörung zu diesem Gesetz gesagt hat, daß nämlich der Kampfwert der Streitkräfte nicht nur von der Zahl, sondern vor allem von der Motivation der Soldaten abhängt — und es spricht eine Menge dafür, daß das so richtig ist —, dann werden Sie durch die Verlängerung des Dienstes den Kampfwert mit Sicherheit nicht erhöhen, weil die Motivation und der Verteidigungswille erheblich darunter leiden werden; ich will das belegen.
Sie muten den jungen Männern eine Verlängerung des Wehrdienstes zu. Sie muten dies einer Jugend zu, der Sie sonst an vielen Stellen den Einstieg in die Erwachsenenwelt verweigern.

(Beifall bei der SPD)

Sie predigen Leistung und sorgen gleichzeitig dafür, daß noch mehr junge Männer im Wartestand ihren Eltern auf der Tasche liegen.

(Beifall bei der SPD)

Was soll eigentlich eine Jugend von diesem Staat halten, die zwar gut genug ist, 18 Monate beim Bund zu dienen, aber leider nicht qualifiziert genug, einen Ausbildungsplatz zu bekommen?

(Zuruf von der CDU/CSU: Das ist j a Blödsinn!)


Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1021031600
Herr Abgeordneter Kuhlwein, der Herr Abgeordnete Wörner möchte eine Zwischenfrage stellen.

Eckart Kuhlwein (SPD):
Rede ID: ID1021031700
Der Herr Abgeordnete Wörner darf eine Zwischenfrage stellen.

Dr. Manfred Wörner (CDU):
Rede ID: ID1021031800
Angesichts des großen moralischen Pathos darf ich Sie doch fragen, warum eine sozialdemokratisch geführte Bundesregierung den 18monatigen Wehrdienst bis zum Jahre 1973 beibehalten und ihn lediglich mit dem Argument abgeschafft und auf 15 Monate verkürzt hat, jetzt kämen die geburtenstarken Jahrgänge und deswegen müsse man um der Gerechtigkeit willen



Dr. Wörner
verkürzen. Warum also jetzt dieses Pathos, wo Sie es doch selber bis 1973 gehabt haben?

Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1021031900
Herr Abgeordneter Wörner, würden Sie sich an die Gepflogenheiten des Hauses (bezugnehmend darauf, daß der Fragesteller wieder Platz genommen hat) halten?

Eckart Kuhlwein (SPD):
Rede ID: ID1021032000
Ich kann ihn auch im Sitzen ertragen. — Herr Kollege Wörner, im Gegensatz zu Ihnen ist die Sozialdemokratie jederzeit bereit und in der Lage, aus der Geschichte ihre Erkenntnisse zu ziehen und zu lernen.

(Beifall bei der SPD — Lachen bei der CDU/CSU — Zuruf von der CDU/CSU: Das sind doch Hetztiraden!)

Was sollen eigentlich junge Menschen davon halten, daß sie zur Verteidigung westlicher Werte aufgerufen sind, ihr Arbeitgeber ihnen aber nach der Ausbildung bedeutet, sie könnten ohne gesetzlichen Arbeitsplatzschutz nach dem Wehrdienst j a mal wieder anfragen? Wie soll eigentlich derjenige, der bereits Warteschleifen im Bildungssystem hinter sich hat, Motivation entwickeln, wenn er erneut auf die Warteliste gesetzt wird, um nunmehr 18 Monate dem Vaterland zu dienen, das sich um ihn bisher herzlich wenig gekümmert hatte?

(Immer [Altenkirchen] [SPD]: Sehr richtig!)

Herr Kollege Wörner, Sie glauben doch nicht im Ernst, daß Sie bei solchen konkreten Lebenslagen junger Menschen die notwendige Motivation, und dann auch noch für 18 Monate, werden erzeugen können?
Nun gibt es eine ganze Reihe konkreter bildungspolitischer Probleme, die Sie mit der Verlängerung des Wehrdienstes zusätzlich aufgeworfen haben. In Ihrer Selbstherrlichkeit, Herr Kollege Wörner, hatten Sie völlig übersehen, daß Sie sehr frühzeitig die Abstimmung mit Schule, Berufsausbildung und Hochschule hätten suchen müssen. So ist es denn bisher auch bei einem, wie es in dem Entschließungsentwurf heißt, „Lösungsansatz" geblieben, der als Frankfurter Modell zwischen dem Bundesverteidigungsministerium und den unionsregierten Ländern ausgekungelt worden ist. Sie haben dafür noch nicht einmal die Zustimmung der SPD-regierten Länder bekommen.

(Beifall bei der SPD)

Sie wollen den Übergang zwischen Bildungssystem und Wehrdienst bzw. zwischen Wehrdienst und Bildungssystem möglichst verzuglos gestalten. Konkrete Lösungen haben Sie allerdings bisher nur für die Abiturienten erarbeitet, und auch die sind widersprüchlich und lückenhaft. Die Sorge um den Menschen, Herr Kollege Wörner, in der Bundeswehr fängt bei Ihnen offenbar erst beim angehenden Akademiker an.

(Beifall bei der SPD — Zuruf von der CDU/ CSU: Nun lächeln Sie doch mal!)

— Wenn Sie mich anlächeln, lächele ich gern zurück. — Sie wollen die Schulzeit im 13. Schuljahr
verkürzen und einen Teil der jungen Männer bereits zum 1. Juni einberufen. Die könnten dann zum 1. November des darauffolgenden Jahres mit einem Studium anfangen. Sie lassen offen, ob für den einen Monat Urlaub aufgespart werden muß oder ob es Sonderurlaub gibt. Es gibt auch keinen Rechtsanspruch auf Einberufung zum 1. Juni. In der Vorlage, im Entschließungsentwurf, heißt es „Urlaub bzw. Sonderurlaub". Lesen Sie selber nach, was Sie unterschrieben haben.
Es interessiert Sie auch wenig, daß damit junge Leute zwei Jahre auf einen längeren, zusammenhängenden Jahresurlaub verzichten sollen. Es interessiert Sie auch nicht, daß die Verkürzung des 13. Schuljahres durchaus umstritten ist und daß — wir haben das heute schon gehört — in Bayern der Bildungsauftrag der Gymnasien gefährdet gesehen wird. Sie kümmern sich nicht darum, daß die Schulzeitverkürzung auch diejenigen trifft, die nicht am 1. Juni eingezogen werden, d. h. die Mädchen und die vielen jungen Männer, die künftig noch einige Wochen länger warten müssen, bis sie mit der Ausbildung anfangen können.
Die Westdeutsche Rektorenkonferenz hat Ihren Überlegungen im Prinzip zugestimmt. Das ist richtig. Sie wird das Wintersemester für die Studienanfänger am 1. November beginnen lassen. Dort wird es im Detail sicher noch Schwierigkeiten geben. Aber das kann man doch nicht — wie der Kollege Wörner — zu einem Lob der WRK für seine Maßnahmen hochstilisieren. Was bleibt denn den Hochschulen im Interesse der Studenten anderes übrig, als sich flexibel zu verhalten?

(Beifall bei der SPD — Jungmann [SPD]: Weil die so unflexibel sind!)

An den Fachoberschulen läßt sich die Schulzeit nicht verkürzen. Die Fachhochschulen, deren Studiengänge in der Regel im Winter beginnen, können auch nicht erst am 1. November anfangen. Sie wollen diese Gruppe erst nach dem Studium einziehen, d. h. im Alter von 24 oder 25 Jahren. Dann gehen gerade für diese Gruppe die Kontakte zur Arbeitswelt verloren, die die Fachhochschule besonders auszeichnen und die die Chancen der Fachhochschulabsolventen auf dem Arbeitsmarkt verbessern. Dasselbe wollen Sie dann mit denjenigen machen, die nach dem Schulabschluß eine Lehre im dualen System suchen. Diese können dann zwischen Scharlach und Diphtherie wählen. Sie gammeln entweder zu Hause herum und warten auf die Einberufung, oder sie verlieren nach der Ausbildung erst einmal ihren Job, weil sie zum Bund müssen.
Meine Damen und Herren, eines ist ja immerhin anzuerkennen: Die Koalition hat sich für die Studenten, die den Wehrdienst absolvieren, schon den Kopf zerbrochen.

(Zuruf von der CDU/CSU: So ein Blödsinn!)

Als Sie den Zivildienst auf 20 Monate verlängert haben, war an Frankfurter Modelle nicht im geringsten zu denken. Und wenn Sie der Logik dieses Gesetzes folgen, werden Zivis in der Zukunft ein



Kuhlwein
ganzes Jahr mehr daransetzen als ihre Alterskollegen bei der Bundeswehr.
Nun haben einige Koalitionskollegen das Ei des Kolumbus gefunden, während der Wehrdienstzeit sollten Kurse angeboten werden, die es den künftigen Studenten ermöglichen, ihren Wissensstand präsent zu halten.

(Zuruf von der CDU/CSU: Ja, um Grundrechte zu lernen!)

Das hieße sozusagen, daß die Bildungszeit in Schule und Hochschule verkürzt und die Bundeswehr dafür partiell zur Schule der Nation gemacht werden könnte. In der Entschließung des Verteidigungsausschusses findet sich allerdings nichts mehr davon.
Einen Rechtsanspruch für Wehrpflichtige auf Berufsförderung gibt es auch nicht. Die Anhörung hat gezeigt, daß auch im verlängerten Wehrdienst kaum die Chance besteht, erworbene Qualifikationen und besondere fachliche Interessen zu pflegen.
Um so gravierender ist die Kritik des Vertreters der DGB-Jugend im Hearing zu bewerten, der verlängerte Wehrdienst bedeute für die jungen Männer noch mehr Qualifikationsverfall und noch mehr Eingliederungsprobleme in den Arbeitsmarkt.
Lassen Sie mich zusammenfassen: Diese Wehrpflichtverlängerung verschärft die Probleme junger Menschen im Bildungs- und im Beschäftigungssystem. Sie richtet bildungspolitischen Flurschaden an. Ich kann mir nicht vorstellen, daß sie der einzige Weg zur Erhaltung der Verteidigungsfähigkeit sein sollte. Meine Damen und Herren, ich weiß, daß die Bereitschaft der jungen Männer, sich für diesen Staat einzusetzen, eher schwinden wird, wenn von ihnen unsinnige Opfer gefordert werden.

(Beifall bei der SPD — Zuruf von der CDU/ CSU: Das ist doch kein unsinniges Verlangen!)

Sie werden mit dieser Wehrdienstverlängerung einen Beitrag zur Förderung der Staatsverdrossenheit unter jungen Menschen leisten.

(Zuruf von der CDU/CSU: Durch solche Beiträge!)

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD)


Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1021032100
Das Wort hat der Abgeordnete Kalisch.

Joachim Kalisch (CDU):
Rede ID: ID1021032200
Herr Präsident! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich wollte eigentlich etwas zum Zivilschutz sagen, aber lassen Sie mich zuvor ein Wort zum Kollegen Kuhlwein sagen.

(Zuruf von der CDU/CSU: Das lohnt nicht!)

Herr Minister Wörner, der Verteidigungsminister dieser Bundesregierung, war der erste Minister, der einmal bei der Kultusministerkonferenz und im Lande herumgefragt hat, wie man den jungen Menschen nach dem Dienst in der Bundeswehr den
Einstieg in Schule und Beruf ermöglichen kann. Das sollten Sie zumindest einmal zur Kenntnis nehmen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Meine Damen und Herren, der Kollege Steiner, der sozusagen diesen Beitrag provoziert hat, hat vom Fehlen des Zivilschutzes und der zivilen Verteidigung gesprochen. Ich habe nur drei Minuten und möchte einige Worte dazu sagen. Es rührt mich immer, wenn man draußen hört, wie Sie über den Zivilschutz und über die zivile Verteidigung denken. Draußen ist das die Vorbereitung für den Krieg, draußen wird der Schutzraumbau abgelehnt, darüber wird überhaupt kein Wort verloren, und hier weinen Sie Tränen, wenn überhaupt nur besprochen wird, ob die Möglichkeit besteht, eine Gleichbehandlung von Wehrpflichtigen und Freigestellten herzustellen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Die CDU/CSU-Fraktion hat ihre politische Position wie folgt definiert: Verlängerung des Grundwehrdienstes um drei Monate, Beibehaltung des Konzepts der Gesamtverteidigung unter angemessener Berücksichtigung der Belange des Zivilschutzes, Überprüfung der Wehrdienstausnahmen zur Herstellung eines Höchstmaßes an Wehrgerechtigkeit. Die öffentliche Anhörung vor dem Verteidigungsausschuß des Deutschen Bundestages Anfang März dieses Jahres

(Dr. Klejdzinski [SPD]: Da waren Sie doch gar nicht da!)

— aber lieber Kollege Klejdzinski, bei dem Punkt, von dem ich jetzt rede, war ich da, da haben wir uns noch ins Antlitz gesehen — hat gezeigt, daß unser Konzept von den Hilfsorganisationen anerkannt und auch befolgt wird. Die Verbände haben bekundet, im Hinblick auf das Gebot der Wehrgerechtigkeit und der Sicherstellung der personellen Einsatzbereitschaft unserer Streitkräfte alle Möglichkeiten eines ausgewogenen Maßnahmenkataloges zu prüfen. Erlauben Sie mir an dieser Stelle insbesondere nach dieser Diskussion, den im Katastrophenschutz und im Zivildienst tätigen Verbänden einschließlich ihrer Helfer für ihre bisherige von viel Idealismus, Einsatz- und Kooperationsbereitschaft geprägte Arbeit zu danken. Dieses hat die Diskussion und hat auch die Anhörung gezeigt.
Wir haben uns trotz unserem Interesse an der Sicherung unserer Fähigkeit zur Gesamtverteidigung nicht zu einer starren Regelung bei der Neufestsetzung der Freistellungsquote für den Zivilschutz entschlossen. Der Kollege Biehle hat schon darauf hingewiesen. Vielmehr wird es, sobald die Maßnahme der Wehrdienstverlängerung Ende der 80er Jahre greift, zur flexiblen sukzessiven Anpassung auf Grund zu treffender Absprachen zwischen Innenminister, Verteidigungsminister und Ländern kommen, und zwar ohne daß eine Seite dabei bevorzugt wird oder daß Härten ungewöhnlicher Art eintreten werden. Die Funktionsfähigkeit des Zivilschutzes bleibt somit gewährleistet.



Kalisch
Ich darf zum Schluß feststellen, die Maßnahmen zum Schutz unserer Bevölkerung sind bei uns in guten Händen, während Sie bisher keine Alternativen aufgezeigt haben.
Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1021032300
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor, so daß wir zur Einzelberatung und Abstimmung kommen können.
Ich rufe Art. 1 bis 7, Einleitung und Überschrift in der Ausschußfassung auf. Wer diesen aufgerufenen Vorschriften zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Wer stimmt dagegen? — Enthaltungen? — Damit sind die aufgerufenen Vorschriften angenommen.
Wir treten nunmehr in die
dritte Beratung
ein und kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetzentwurf als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Wer dagegen stimmt, kann sich nunmehr erheben. — Enthaltungen? — Keine. Damit ist der Gesetzentwurf angenommen.
Der Verteidigungsausschuß empfiehlt weiter unter Nr. 2 auf Drucksache 10/5299 die Annahme von zwei Entschließungsanträgen, über die auf Wunsch der SPD-Fraktion getrennt abgestimmt werden soll.
Wer also dem Entschließungsantrag unter dem Buchstaben a zuzustimmen wünscht, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. — Wer stimmt dagegen? — Enthaltungen? — Damit ist dieser Teil, Buchstabe a, angenommen.
Wer der Entschließung unter dem Buchstaben b zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Wer stimmt dagegen? — Bei einigen Gegenstimmen ist auch dieser Teil, Buchstabe b, angenommen.
Meine Damen und Herren, wir kommen nunmehr zu den Tagesordnungspunkten 4 a bis 4 c:
a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Kriegsdienstverweigerungs- Neuordnungsgesetzes
— Drucksache 10/4489 —
Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Jugend, Familie und Gesundheit (13. Ausschuß)

— Drucksache 10/5183 —
Berichterstatter:
Abgeordnete Sauer (Stuttgart) Gilges

(Erste Beratung 187. Sitzung)

b) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Jugend, Familie und Gesundheit (13. Ausschuß) zu dem Entschließungsantrag der Abgeordneten Frau Nickels und der Fraktion DIE GRÜNEN
zur Großen Anfrage der Abgeordneten Frau Nickels und der Fraktion DIE GRÜNEN
Neuregelung des Rechts der Kriegsdienstverweigerung aus Gewissensgründen (Durchführungsprobleme)

— Drucksache 10/2738, 10/5183 —
Berichterstatter:
Abgeordnete Sauer (Stuttgart) Gilges
c) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Jugend, Familie und Gesundheit (13. Ausschuß) zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Schierholz, Lange, Mann, Frau Wagner und der Fraktion DIE GRÜNEN
Realisierung des Grundrechts der Gewissensfreiheit gegenüber den Anforderungen der Allgemeinen Wehrpflicht
— Drucksachen 10/4294, 10/5183 —
Berichterstatter:
Abgeordnete Sauer (Stuttgart) Gilges
Darüber hinaus liegt Ihnen auf der Drucksache 10/5323 ein Entschließungsantrag der Fraktion der SPD vor.
Meine Damen und Herren, ich kann Ihnen nunmehr eine höchst erfreuliche Mitteilung machen: Den Geschäftsführern der Fraktionen ist es gelungen, Übereinstimmung dahin gehend herzustellen, daß es nicht zu den Reden von insgesamt 75 Minuten, wie vereinbart, kommt, sondern daß die vorgesehenen Beiträge zu Protokoll gegeben werden können.*)

(Beifall)

Wir können damit gleich in das Abstimmungsverfahren eintreten unter der Voraussetzung, daß niemand das Wort zur Berichterstattung wünscht. — Das ist nicht der Fall, so daß wir damit abstimmen können.
Wir kommen nunmehr zur Einzelberatung und Abstimmung über den Tagesordnungspunkt 4 a, den von der Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurf. Der Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit empfiehlt in seiner Beschlußempfehlung auf Drucksache 10/5183 unter Nr. 1, diesen Gesetzentwurf unverändert anzunehmen.
Ich rufe die Art. 1 und 2, Einleitung und Überschrift auf. Wer diesen Vorschriften zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Danke schön. Wer stimmt dagegen? — Danke schön. Enthaltungen? — Dann sind die aufgerufenen Vorschriften angenommen.
Wir kommen nunmehr zur
dritten Beratung.
Wer dem Gesetzentwurf als Ganzem zustimmen
möchte, den bitte ich, sich vom Platz zu erheben. —
*) Anlage 5



Vizepräsident Cronenberg
Wer stimmt dagegen? — Damit ist dieser Gesetzentwurf angenommen.
Wir stimmen nunmehr über den Entschließungsantrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 10/ 5323 ab. Wer diesem Entschließungsantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Wer stimmt dagegen? — Enthaltungen? — Damit ist dieser Entschließungsantrag abgelehnt.
Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Tagesordnungspunkt 4 b. Der Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit empfiehlt in seiner Beschlußempfehlung auf Drucksache 10/5183 unter der Nr. 2, den Entschließungsantrag der Fraktion DIE GRÜNEN auf der Drucksache 10/2738 abzulehnen. Wer dieser Beschlußempfehlung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Wer stimmt dagegen? — Damit ist die Beschlußempfehlung des Ausschusses angenommen.
Wir kommen sodann zur Abstimmung über den Tagesordnungspunkt 4 c. Der Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit empfiehlt Ihnen in seiner Beschlußempfehlung auf Drucksache 10/5183 unter Nr. 3, den Antrag der Fraktion DIE GRÜNEN, der Ihnen auf der Drucksache 10/4294 vorliegt, abzulehnen. Wer dieser Beschlußempfehlung des Ausschusses zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Wer die Beschlußempfehlung ablehnen möchte, den bitte ich nun um das Handzeichen. — Danke schön. Damit ist die Beschlußempfehlung des Ausschusses angenommen.
Ich rufe nunmehr Tagesordnungspunkt 5 auf: Beratung des Antrags der Fraktion der SPD 25 Jahre Zivildienst
— Drucksache 10/5219 —
Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:
Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit (federführend)

Verteidigungsausschuß
Hier ist eine Aussprache von 45 Minuten vereinbart worden. — Dagegen ergibt sich kein Widerspruch.
Wird das Wort zur Begründung erwünscht? — Das ist offensichtlich nicht der Fall.
Dann hat die Abgeordnete Frau Fuchs das Wort.

Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1021032400
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vor 25 Jahren, am 10. April 1961, haben die ersten Kriegsdienstverweigerer in der Bundesrepublik Deutschland ihren zivilen Ersatzdienst aufgenommen.

(Unruhe)


Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1021032500
Frau Kollegin Fuchs, entschuldigen Sie, daß ich Sie unterbreche. Ich habe den Eindruck, daß einige Kollegen den Saal verlassen möchten. Ich wäre dankbar, wenn das kurzfristig geschähe, damit die nötige Ruhe für Sie hergestellt wird.

Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1021032600
Es entspricht im übrigen der Wertigkeit zwischen Bundeswehr und Zivildienst, daß die Herren jetzt den Raum verlassen und wir mit einem kleinen Häufchen am Abend über Zivildienstleistende sprechen.

(Beifall bei der SPD, den GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Seit 25 Jahren haben mehr als 300 000 junge Männer Zivildienst geleistet. Mit unserem Antrag, meine Damen und Herren, wollen wir ihnen für die geleistete Arbeit Dank sagen.

(Beifall bei der SPD)

Wir haben für Hilfe für die Menschen zu danken, die in Krankenhäusern, Altenheimen, Behindertenwerkstätten leben, für Arbeiten in den mobilen sozialen Hilfsdiensten, für den Einsatz, um Schwerstbehinderten ihr Leben zu erleichtern, und für viele andere Dienste, die die Zivildienstleistenden für die Gesellschaft und für uns alle erbracht haben.

Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1021032700
Frau Abgeordnete, der Abgeordnete Biehle möchte eine Zwischenfrage stellen.

Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1021032800
Im Moment lasse ich keine Zwischenfragen zu. Vielen Dank.
Ich gehe davon aus, daß sich alle Mitglieder des Deutschen Bundestages diesem Dank anschließen. Das 30jährige Bestehen der Bundeswehr — darauf habe ich hingewiesen — wurde landauf, landab, meine Damen und Herren, mit viel Aufwand gewürdigt.

(Zuruf von der CDU/CSU: Zu Recht!)

Eigentlich sollte der gemeinsame Dank für 25 Jahre Zivildienst nicht geringer ausfallen, Herr Kollege.

(Beifall bei der SPD)

Auch die Bundesregierung hat in der letzten Woche des 25jährigen Jubiläums des Zivildienstes in einer Feierstunde gedacht. Meine Damen und Herren, es wurde mit kleiner Münze gezahlt: Ganze 75 Minuten nahm sich die Bundesregierung Zeit für eine Feierstunde, auf der die Betroffenen, nämlich die Zivildienstleistenden selbst, nicht sprechen durften.

(Kuhlwein [SPD]: Hört! Hört!)

Eine solche Feierstunde haben die Zivildienstleistenden nicht verdient.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Die SPD-Bundestagsfraktion, erzwang mit dem Antrag zu „25 Jahre Zivildienst" diese 45 Minuten zu dieser Stunde. Die Koalitionsfraktionen erstatten den Dank auf besonders geschmackvolle Weise ab, indem sie mit dem Tagesordnungspunkt zuvor zunächst eine Verlängerung des Zivildienstes um sechs Monate auf 24 Monate als beschlossen dargestellt haben.

(Beifall bei der SPD)

Ich frage mich: Was soll eigentlich ein Zivildienstleistender davon denken, der die feinen Worte von
Frau Süssmuth noch im Ohr hat und heute erleben



Frau Fuchs (Köln)

muß, daß die Verlängerung auf 24 Monate als beschlossene Sache anzusehen ist?

(Zuruf von der SPD: Frau Süßholz! — Zurufe von der CDU/CSU)

Mit der heutigen Entscheidung, meine Damen und Herren, stellen Sie unter Beweis, daß die hehren Worte vom Zivildienst reine Lippenbekenntnisse waren.

(Beifall bei der SPD)

Ihnen geht es nicht darum, den unverzichtbaren Beitrag des Zivildienstes auszubauen, Ihnen geht es ausschließlich darum, über eine längere Dauer des Zivildienstes von der Inanspruchnahme dieses Grundrechtes abzuschrecken.

(Beifall bei der SPD)

Wie anders soll man die Äußerungen von Frau Süssmuth verstehen, die am letzten Donnerstag — man höre — von der Hoffnung der Bundesregierung sprach, daß die Zahl der Kriegsdienstverweigerer abnehmen werde. Genau das wollen Sie mit dem Beschluß, den wir gerade gefaßt haben, erreichen. Deswegen haben wir diesen Beschluß abgelehnt.

(Zustimmung bei der SPD)

Für uns ist der Zivildienst nicht nur ein Thema für Sonntagsreden, wir sehen im Zivildienst einen unverzichtbaren Dienst am Mitmenschen. Die Zivildienstleistenden sind in vielen sozialen Einrichtungen nicht mehr wegzudenken, ob in der Pflegehilfe oder im Betreuungsdienst, ob beim Krankentransport oder im Rettungswesen. Zahlreiche Aufgaben im sozialen Bereich könnten ohne Zivildienstleistende nicht erfüllt werden.
Viele fragen sich: Wird den jungen Männern nicht zuviel zugemutet? Die Anforderungen psychischer und physischer Art gehen weit über das hinaus, was jungen Männern in diesem Alter sonst abverlangt wird. Die Begegnung mit menschlichem Leid, mit Krankheit und Tod ist für Zivildienstleistende auch eine schwere seelische Belastung. Das sollten all die nicht vergessen, die im Zivildienst noch immer die leichtere Alternative zum Wehrdienst sehen.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN — Zuruf von der CDU/CSU: So ist es!)

So manchen von uns möchte ich fragen, wie wir wohl in jungen Jahren oder heute auf solche Belastungen reagieren würden.
Nicht jede Art von Zivildienst ist gleich schwer, aber diese Unterschiede gibt es beim Wehrdienst genauso. Nur eines hat es beim Zivildienst nie gegeben: Vom „Gammeldienst" war niemals die Rede.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Für mich ist deswegen unverständlich, daß der Zivildienst jetzt auf 24 Monate verlängert wird, wobei für mich die Haltung der FDP an Unglaubwürdigkeit nicht zu überbieten ist.

(Beifall bei der SPD)

Je länger der Zivildienst dauert, um so größer und problematischer wird auch die Belastung in bestimmten Einsatzfeldern. Schon heute zeigen viele Erkrankungen, Selbstmordfälle und Versetzungsgesuche, daß viele junge Männer überfordert werden. Diesen jungen Männern müssen Sie, Frau Süssmuth, in der Zukunft stärker helfen. Der Staat hat gegenüber diesen jungen Männern eine Fürsorgepflicht, der er in Zukunft gerecht werden muß.

(Abg. Breuer [CDU/CSU] meldet sich zu einer Zwischenfrage)


Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1021032900
Sie bleiben bei Ihrer Ablehnung?

Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1021033000
Nein, bitte sehr.

Paul Breuer (CDU):
Rede ID: ID1021033100
Frau Kollegin Fuchs, wenn Sie insbesondere darauf hinweisen, daß eine Verlängerung des Zivildienstes auf 24 Monate bei 18 Monaten Grundwehrdient beabsichtigt ist, sind Sie bereit, einzuräumen, daß in all den von der SPD vorgelegten Gesetzentwürfen in der Vergangenheit immer von einer Verlängerung des Zivildienstes ausgegangen worden ist und daß im letzten Gesetzentwurf von 1982 eine Verlängerung von vier Monaten gegenüber dem Grundwehrdienst vorgesehen war, so daß in der Summe bei 18 Monaten Grundwehrdienst auch 22 Monate entstanden wären?

Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1021033200
Nein, das ist falsch. Wir haben keiner automatischen Verlängerung des Wehrdienstes zugestimmt.

(Beifall bei der SPD — Zuruf von der CDU/ CSU: Das war nicht die Frage!)

Das hielte ich auch für falsch. Wenn ich Ihnen erzähle, wozu die FDP damals nicht bereit gewesen ist, dann weiß die FDP ganz genau, wovon ich spreche. Wir hätten einen moderaten, festen Weg gehen können, wenn die FDP damals nicht so großspurig jegliche andere Regelung vergessen hätte.

(Lambinus [SPD]: Deshalb kommt das Zeitgesetz! — Beckmann [FDP]: Es ist an Ihnen gescheitert! — Eimer [Fürth] [FDP]: Es waren nur SPD-Leute!)

— Eine automatische Verlängerung des Zivildienstes bei Verlängerung des Wehrdienstes hätten und haben wir niemals mitgemacht. Sie waren damals nicht bereit, einer moderaten Verlängerung des Zivildienstes zuzustimmen.

(Beifall bei der SPD)


Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1021033300
Aus diesem Grunde meldet sich jetzt der Abgeordnete Eimer zu Wort.

Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1021033400
Er kann es nachher sagen. Ich würde gern meinen anderen Gedanken zu Ende führen.

(Lebhafte Zurufe von der FDP) — Herr Abgeordneter Eimer, bitte sehr.


Norbert Eimer (FDP):
Rede ID: ID1021033500
Frau Kollegin Fuchs, soll ich Ihnen die Namen Ihrer Kollegen vorlesen, die am 3. Juli 1980 das von uns gemeinsam eingebrachte



Eimer (Fürth)

Gesetz abgelehnt haben? Es war eine namentliche Abstimmung. Wenn Sie wollen, lese ich die Kollegen aus Ihrer Fraktion vor, die dem Gesetz nicht zugestimmt haben. Bei uns war keiner dabei.

Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1021033600
Darf ich Ihnen die Liste derer aus Ihrer Fraktion nennen, die im Jahre 1982 nicht bereit waren, einer moderaten Verlängerung des Zivildienstes zuzustimmen

(Eimer [Fürth] [FDP]: Sie weichen aus!)

und kurz nach dem Regierungswechsel dieser schrecklichen Verlängerung um fünf Monate zugestimmt haben?

(Beifall bei der SPD — Breuer [CDU/CSU]: Das ist falsch!)

— Das ist nicht falsch. Das weiß ich ganz genau. Ich könnte Ihnen die Namen nennen. Die Dame ist nicht da. Deswegen lasse ich es. Herr Mischnick weiß ganz genau, wovon ich rede, weil wir damals über diesen Punkt miteinander verhandelt haben.

(Eimer [Fürth] [FDP]: Das ist doch nicht wahr! — Mischnick [FDP]: Das ist falsch!)

— Das ist wahr. Sie waren nicht bereit, einer moderaten Verlängerung des Zivildienstes zuzustimmen. Sie haben kurz nach dem Regierungswechsel der Verlängerung auf 20 Monate zugestimmt. Dazu waren Sie vorher im Rahmen unserer Koalition nie bereit.

(Abg. Breuer [CDU/CSU] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

Sie sehen, meine Damen und Herren, die Erregung ist groß. Woher kommt das wohl? Es kommt daher: Die FDP fühlt sich der Unglaubwürdigkeit überführt.

(Beifall bei der SPD)

Denn sie hat jetzt zugestimmt, daß der Zivildienst automatisch um ein Drittel länger als der Wehrdienst ist. Das ist für uns nicht akzeptabel.

(Beifall bei der SPD — Schlottmann [CDU/ CSU]: Heuchelei!)


Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1021033700
Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage?

Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1021033800
Ich gestatte jetzt keine weiteren Zwischenfragen mehr, weil ich ein paar andere Gedanken zu diesem Thema noch erläutern möchte.
Ich habe gerade zu Frau Süssmuth gesagt, daß die Frage auftaucht: Wie gehen wir mit den jungen Männern um, denen Belastungen zugemutet werden, die für dieses Lebensalter besonders stark sind? Ich möchte diesen Gedanken deswegen betonen, Frau Süssmuth, weil Sie in Ihrer Rede in Köln selbst darauf hingewiesen haben, daß die jungen Männer mit der besonderen inneren Einstellung von gewaltfreiem Miteinander besondere Erwartungen an den Zivildienst haben und die gehegten Hoffnungen sich in der Realität oft nicht erfüllen. Aus dieser Ihrer Aussage folgt für mich eine besondere Fürsorgepflicht diesen jungen Männern gegenüber. Dieser Fürsorgepflicht werden Sie überhaupt nicht gerecht, wenn die erste Maßnahme die Verlängerung des Zivildienstes auf 24 Monate ist.

(Schlottmann [CDU/CSU]: Was ist das für eine Folgerung!)

— Ja, das verstehen Sie nicht:

(Schlottmann [CDU/CSU]: Sie sind kaum verständlich!)

daß junge Männer eine Belastung auf sich nehmen, die sehr viel größer ist, als man sonst jungen Männern in diesem Alter zumutet,

(Schlottmann [CDU/CSU]: Das gilt für alle! Das gilt für die Bundeswehr genauso!)

und daß dann die Frage: Wie lange mute ich diesen jungen Männern diese Arbeit zu? ein wichtiges Kriterium auch für die Frage ist, wie lange so ein Zivildienst eigentlich sein kann.

(Beifall bei der SPD)

Daß Sie davon keine Ahnung haben, ist mir klar; denn für Sie ist der Zivildienst die Abschreckung davor, dieses Grundrecht überhaupt in Anspruch zu nehmen.

(Schlottmann [CDU/CSU]: Unterstellung! Weise ich zurück!)

Worum geht es? Ich möchte zwei Punkte herausgreifen.
Erstens. Es muß ein qualifizierter Dienst im sozialen Bereich mit der inneren Bereitschaft der Zivildienstleistenden einhergehen. Deswegen ist es wichtig, daß die Zivildienstleistenden selbst über ihre eigene Beschäftigungsstelle mitentscheiden können.
Zweitens. Die Zivildienstleistenden müssen besser noch als bisher auf ihre Tätigkeit vorbereitet werden. Dabei ist es sicherlich wichtig und notwendig, Zivildienstleistende in staatlichen Lehrgängen über ihre Rechte und Pflichten zu informieren. Aber genauso wichtig ist es, sie fachlich auf ihre konkrete Arbeit vorzubereiten. Diese Vorbereitung kann sicherlich am besten in der Zusammenarbeit mit den Wohlfahrtsverbänden geschehen.
Heute ist der Zivildienst dank der Zivildienstleistenden und ihres Einsatzes bei den Menschen in der Öffentlichkeit weitgehend akzeptiert. Wir erinnern uns, meine Damen und Herren: Als die ersten Wehrpflichtigen ihren Dienst in der Bundeswehr verweigerten, mußten sie gegen große Vorurteile ankämpfen.

(Lambinus [SPD]: So ist es!)

Es war die Rede von „Drückebergern", „Faulenzern", „pazifistischen Träumern". Diese Vorurteile sind heute weitgehend überwunden. Die Ernsthaftigkeit der Gewissensentscheidung, den Dienst mit der Waffe zu verweigern und statt dessen den Zivildienst zu leisten, wird kaum noch in Zweifel gezogen. Daß dies so ist, meine Damen und Herren, ist j a wohl keineswegs selbstverständlich. Es war das Verdienst einer Politik, die in den 70er Jahren die Einsatzfelder des Zivildienstes im sozialen Bereich erweiterte und über diesen Bereich hinaus aus-



Frau Fuchs (Köln)

dehnte. Immer mehr Menschen konnten persönlich erfahren, daß Zivildienstleistende gesellschaftlich nützliche Arbeiten verrichten. Im täglichen Umgang mit kranken und behinderten Menschen haben sich die jungen Männer Respekt und Anerkennung erworben. Und es ist das Verdienst des ersten Bundesbeauftragten für den Zivildienst, Hans Iven, diese Entwicklung in den 70er Jahren vorangetrieben zu haben. Dafür möchte ich ihm an dieser Stelle besonders herzlich danken.

(Beifall bei der SPD)

Hans Iven war es auch, der sich in vielen kritischen Situationen mit den Zivildienstleistenden auseinandergesetzt hat. Das Wort vom Dialog mit der Jugend war für ihn keine leere Hülse. Und wir hätten uns gewünscht, daß sich diese offene Haltung gegenüber dem Zivildienst und seinen Zivildienstleistenden auch in den 80er Jahren fortgesetzt hätte. Aber leider haben wir nach dem Regierungswechsel wieder ganz andere Töne gehört. Da war plötzlich wieder die Rede von „Jolly Jobs", von „Sonnenschein-Plätzen", und die Zivildienstleistenden wurden als „Bonbonverkäufer in der Jugendherberge" oder als „Blockflötenlehrer" diffamiert und herabgesetzt.

(Zuruf von der CDU/CSU: Das hatten Sie doch schon vorher abgeschafft!)

Dies alles war Teil einer politischen Strategie, meine Damen und Herren, die den Zivildienst als lästigere Alternative zum Wehrdienst verstanden wissen wollte.

(Beifall bei der SPD — Götzer [CDU/CSU]: So steht es im Urteil des Bundesverfassungsgerichts!)

Das Ergebnis dieser Politik tritt offen zutage: Der Zivildienst dauert länger. Wir haben das schon gesagt. Im Zivildienst selbst gibt es zusätzliche Erschwerungen.
Wir Sozialdemokraten lehnen die Verschlechterungen ebenso wie die Verlängerung des Zivildienstes ab. Sie mag ja verfassungsrechtlich zulässig sein, meine Damen und Herren,

(Zuruf von der CDU/CSU: Das ist sie!)

verfassungsrechtlich geboten ist sie überhaupt nicht. Es ist nach wie vor unerträglich, daß es eine automatische Verlängerung gibt.

(Beifall bei der SPD)

Immer wieder wird versucht, den Verteidigungsauftrag der Bundeswehr und das Grundrecht auf Kriegsdienstverweigerung gegeneinander auszuspielen.

(Breuer [CDU/CSU]: Wer versucht das?)

Diesem Versuch treten wir mit Nachdruck entgegen. Beide Dienste verlangen unseren Respekt und unsere Anerkennung. Weder der Soldat der Bundeswehr noch der Zivildienstleistende ist ein besserer oder schlechterer Bürger oder Demokrat.

(Götzer [CDU/CSU]: Aber den Frieden sichert nur der Soldat!)

Ich möchte daher Frau Süssmuth zustimmen, wenn sie sagt, daß Zivildienstleistende für die Allgemeinheit einen anderen, aber keinen geringeren Dienst leisten als die Soldaten. Mit Ihnen, Frau Süssmuth, kann ich nur unterstreichen: Diese jungen Männer haben den gleichen Dank der Allgemeinheit verdient wie ihre Kameraden bei der Bundeswehr.

(Beifall bei der SPD)

Im Gegensatz zu Ihnen sind wir deswegen der Auffassung: Das muß nun nicht damit belohnt werden, daß die Zivildienstzeit als erstes verlängert wird; denn — das war doch wohl der Grund — eine Verlängerung des Zivildienstes gegenüber dem Wehrdienst ließe sich, wenn überhaupt, nur rechtfertigen, wenn die unwürdige Gewissensprüfung abgeschafft würde. Genau das ist aber nicht geschehen. Der Erfahrungsbericht der Bundesregierung weist aus, daß immer noch jeder sechste Antrag auf Kriegsdienstverweigerung vor den Ausschüssen entschieden wird.

(Breuer [CDU/CSU]: Sie wissen doch selbst, daß das falsch ist!)

Trotz verlängertem Zivildienst müssen sich Soldaten, gediente, einberufene und vorbenachrichtigte Wehrpflichtige sowie Zweitantragsteller nach wie vor einer inquisitorischen Gewissensprüfung unterziehen. Das rechtfertigt gerade nicht die Verlängerung des Zivildienstes, wie Sie sie jetzt vorschlagen.

(Breuer [CDU/CSU]: Alle Ihre Gesetzentwürfe beinhalteten das auch! — Lambinus [SPD]: Reden Sie doch nicht so einen Stuß!)

— Sie haben eine wirklich sagenhafte Ahnung von diesem Problem.
Meine Damen und Herren, es bleibt dabei: Die angebliche Rechtfertigung einer Verlängerung des Zivildienstes ist durch die immer noch vorhandene Gewissensprüfung bei diesen Personengruppen nicht gerechtfertigt.
In einer Studie war zu lesen, daß die Bundesrepublik Deutschland im internationalen Vergleich eine liberale Regelung des Kriegsdienstverweigerungsrechtes hat. Ich wünschte mir, daß wir diese Liberalität nicht nur gegenüber anderen Staaten, sondern auch nach innen unter Beweis stellten. Ihre Zwischenrufe zeigen mir, daß diese Liberalität nach innen noch sehr zu wünschen bleibt.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN)

Wir brauchen doch wohl den selbstbewußten kritischen Zivildienstleistenden, auch wenn er manchmal unbequem sein mag. Wir brauchen ihn, damit der Zivildienst das bleibt, was er bisher war: ein positiver Dienst am Menschen.

(Beifall bei der SPD)


Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1021033900
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Kroll-Schlüter.

Hermann Kroll-Schlüter (CDU):
Rede ID: ID1021034000
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Frau Fuchs,



Kroll-Schlüter
zur Liberalität gehören auch Aufrichtigkeit und Ehrlichkeit.

(Frau Fuchs [Köln] [SPD] und Lambinus [SPD]: Sehr wahr!)

Dazu wiederum hätte es gehört, zu erwähnen, daß unter Ihrer Verantwortung als Bundesministerin für Jugend, Familie und Gesundheit ein Entwurf vorgelegt wurde, in dem die Verlängerung des Zivildienstes auf 20 Monate vorgeschlagen wurde. Ich möchte ganz nüchtern daran erinnern. Ich habe nie von Ihnen gehört, daß Sie sich je davon distanziert hätten.

(Lambinus [SPD]: Das ist doch kein Alibi! — Weitere Zurufe von der SPD)

— Selbstverständlich ist es wichtig, darauf hinzuweisen, ganz nüchtern und mit wenigen Worten.
Zuvor möchte ich aus dem Arbeitskreis „Sicherung des Friedens" zitieren. Dort heißt es:
Die Entscheidung für den Dienst des Soldaten zur Erhaltung des Friedens ist nicht nur ein staatliches Gesetz, sondern eine der christlichen Ethik entsprechende Gewissensentscheidung.

(Zustimmung bei der CDU/CSU)

Wer aus seinem Verständnis des christlichen Glaubens oder aus anderen Gewissensgründen heraus meint, diesen so verstandenen Wehrdienst nicht leisten zu dürfen, kann in unserem Staat das im Grundgesetz verankerte Recht auf Kriegsdienstverweigerung für sich in Anspruch nehmen.

(Vogel [München] [GRÜNE]: Wenn er anerkannt wird! — Lambinus [SPD]: Hervorragend!)

Die Inanspruchnahme dieses Rechts ist eine persönliche Gewissensentscheidung, die von unserer freiheitlich-demokratischen Verfassung zugestanden und geschützt wird.

(Lambinus [SPD]: Hervorragend!)

Ich möchte dieses Zitat auch für die gesamte Fraktion der CDU/CSU unterstreichen.

(Zustimmung bei der CDU/CSU)

Diese Worte machen auch deutlich, daß die allgemeine Wehrpflicht ihre Rechtfertigung darin findet, daß der Staat, der Menschenwürde, Leben, Freiheit, Eigentum als Grundrechte anerkennt und schützt, dieser verfassungsrechtlichen Schutzpflicht gegenüber seinen Bürgern überhaupt nur mit Hilfe dieser Bürger und ihres Engagements und ihrer Verantwortung nachkommen kann.

(Dr. Emmerlich [SPD]: Wie ist das mit der allgemeinen Wehrpflicht in den Vereinigten Staaten?)

Das Grundgesetz verlangt — ich beziehe mich jetzt einmal auf das Grundgesetz —,

(Dr. Emmerlich [SPD]: Gehen Sie mal darauf ein, Herr Kroll-Schlüter!)

daß ein Wehrpflichtiger grundsätzlich Wehrdienst leistet, und läßt die Ableistung eines Zivildienstes nur bei Verweigerung aus Gewissensgründen zu. Daher — lassen Sie mich das noch einmal betonen
— muß ein Wahlrecht zwischen den beiden Diensten ausdrücklich abgelehnt werden.

(Zustimmung bei der CDU/CSU)

Es gehört auch zur Ehrlichkeit gegenüber den jungen Menschen, dies ausdrücklich zu betonen.

(Dr. Emmerlich [SPD]: Hören Sie auf, von Ehrlichkeit zu reden!)

Der Ausdruck „unliebsame Alternative"

(Lambinus [SPD]: So ist es doch!)

oder der Ausdruck „Scheinalternative" in Ihrem Entwurf sind daher nicht angebracht; diese Ausdrücke sind polemisch.

(Lambinus [SPD]: Das ist nicht Polemik, das ist die Wahrheit! Die Wahrheit ist bei euch Polemik!)

— Schreien Sie doch nicht so, das ist ja schrecklich.

(Lambinus [SPD]: Ich bin Betroffener! Ich weiß, warum ich schreie! — Lachen bei der CDU/CSU und der FDP)

Der Zivildienst ist für diejenigen, die den Wehrdienst aus Gewissensgründen ablehnen, der einzig gangbare Weg. Wer diesen Weg ehrlich geht, der hat das gleiche Recht, respektiert zu werden, wie der Soldat, der in der Bundeswehr dem Frieden dienen will.

(Dr. Emmerlich [SPD]: Sie triefen geradezu vor Ehrlichkeit!)

Die Entscheidung der SPD, den Wehrdienst per Postkarte verweigern zu können, war nicht nur falsch, er war auch eine große Irreführung. Er brachte auch leider die Zivildienstleistenden in Verruf. Da ging es erst richtig los. Erst diese Bundesregierung leistete mit dem Neuordnungsgesetz das Notwendige, um die Zivildienstleistenden von dem Ruf des Drückebergertums zu befreien. Wenn Sie in die Diskussionen hineinhören, wenn Sie sich umschauen, stellen Sie fest: Der Zivildienst hat heute ein bedeutend höheres Ansehen, nämlich das, das ihm zukommt, nicht zuletzt infolge der klaren und
— jetzt zu Ihrer Verwunderung noch einmal — ehrlichen und aufrichtigen Entscheidung, die wir getroffen haben.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Der Zivildienstleistende findet wieder die angemessene Anerkennung in der Bevölkerung. Der Zivildienst ist geprägt von der aufopferungsvollen Arbeit junger Menschen für das Allgemeinwohl. Sie leisten ihren Dienst aus Überzeugung und stellen gleichzeitig die Ernsthaftigkeit ihrer Gewissensentscheidung mit der Ableistung des Dienstes unter Beweis.

(Lambinus [SPD]: Und werden dafür bestraft!)

Unter Punkt 2 des SPD-Antrages wird von der unzulässigen Zielsetzung gesprochen, Wehrpflichti-



Kroll-Schlüter
gen die Gewissensentscheidung zu erschweren. Also, liebe Kolleginnen und Kollegen, was Sie hier geschrieben haben, was Sie hier suggerieren wollen, ist nach meiner Meinung wirklich absurd. Denn glauben Sie wirklich, daß eine derart schwerwiegende Gewissensentscheidnung, die sich die jungen Männer sicherlich nicht leichtgemacht haben, von der zeitlichen Dauer des Dienstes abhängig ist? Sie unterschätzen diese jungen Menschen, Sie unterschätzen den ernsthaften Willen und die ernsthafte Prüfung der Zivildienstleistenden.

(Lambinus [SPD]: Warum dann die Drittelautomatik? Sie widersprechen sich doch!)

Es gibt kaum einen Staat, nur wenige in der Welt, die sich in mehr Toleranz gegenüber der Gewissensentscheidung des einzelnen üben, als die Bundesrepublik Deutschland.

(Frau Schmidt [Nürnberg] [SPD]: Aus gutem Grund mit unserer Vergangenheit!)

— Eben, das wollen wir mal gemeinsam festhalten.
Nach 25 Jahren wechselvoller Geschichte haben wir heute eine Situation, bei der sich der Zivildienst auf eine gesicherte gesetzliche Grundlage stützen kann. Gerade dies hat entscheidend dazu beigetragen, daß die Diskriminierung von Zivildienstleistenden aufgehört hat. Diesen Weg der Anerkennung und Respektierung müssen wir weitergehen. Wir sollten so weit kommen, daß sich Soldaten und Zivildienstleistende mit gutem Gewissen die Hand geben können, obwohl sie unterschiedliche Entscheidungen, auch Gewissensentscheidungen getroffen haben. Auch der Soldat hat eine Gewissensentscheidung getroffen. Die eindeutige Anerkennung der Gewissensentscheidung in diesem Bereich ist auch ein Baustein für die Würde der Gewissensentscheidung allgemein. Ich möchte mal ein Wort des Paderborner Erzbischofs zitieren, der sagt: „Es muß für uns alle klar sein, daß Maßstab für unser Handeln unser Gewissen ist und bleibt. Nur so können wir immer wieder neu Verantwortung für unser Leben und das Leben anderer übernehmen." Diejenigen, die nur den Zivildienst als Friedensdienst darstellen und den Dienst in der Bundeswehr als Kriegsdienst, ich glaube, die verunglimpfen auch das Grundrecht der Gewissensfreiheit. Wir erteilen dieser Gegenüberstellung eine klare Absage.

(Lambinus [SPD]: Dann müßt Ihr das Grundgesetz ändern!)

Unser Bekenntnis zur Wehrdienstverweigerung oder, wie es im Grundgesetz heißt, zur Kriegsdienstverweigerung aus Gewissensgründen steht nicht im Widerspruch zu unserer Entschlossenheit, die Verteidigungsbereitschaft unseres Landes zu erhalten und zu stärken. Heute, wenn wir auf 25 Jahre Zivildienst zurückschauen, geht es jedoch nicht nur darum, zu respektieren, daß junge Menschen ein Grundrecht in Anspruch nehmen. Es geht auch darum, die Bereitschaft der einzelnen jungen Männer zu würdigen, die einen solch aufopferungsvollen Dienst am Mitmenschen bewußt auf sich nehmen. Er ist oft ein harter Dienst. Kranken, Behinderten, Alten usw. zu helfen erfordert schon höchsten Einsatz. Die Zivildienstleistenden haben in vielfältiger Art und Weise dazu beigetragen, daß Menschen, die sich nicht selbst helfen können, wieder ein lebenswürdiges Leben bekommen. Gerade die Schwere des Dienstes, die unmittelbare Betroffenheit durch den Umgang mit den Menschen

(Zuruf von der SPD: Macht eine Gewissensprüfung überflüssig!)

ist es, die für die Zivildienstleistenden den Sinn ihrer Tätigkeit unmittelbar klarmacht. Hier haben sie es nicht einfach.
Deshalb vergessen wir nicht — jetzt einmal auch in bezug auf den Soldaten —, daß es ohne Bundeswehr und ohne NATO keine Gewissensfreiheit und auch keinen Zivildienst und keinen zivilen Ersatzdienst gäbe.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Dieser Zusammenhang erst macht deutlich, was wir vorher gesagt haben. Darin findet alles überhaupt erst seine Grundlage und weitreichende, ich möchte sagen: geschichtliche Bedeutung.
Über 300 000 junge Männer haben in den letzten 25 Jahren Zivildienst geleistet. Sie haben viel geholfen, viel Gutes getan. Wir möchten Ihnen dafür danken. Wir danken auch den Wohlfahrtsverbänden. Sie seien nicht vergessen. Sie haben viel dazu beigetragen, daß es überhaupt so möglich war,

(Frau Karwatzki [CDU/CSU]: Sehr wahr!)

nicht erst jetzt auf der klaren gesetzlichen Grundlage, sondern schon weit vorher, als es eben nicht so eindeutig war. Ihre klare Haltung, ihr Entgegenkommen, ihre Fähigkeit, zu organisieren, den Dienst richtig zu begreifen, gab vielen jungen Menschen erst die Möglichkeit, diesen Dienst zu leisten.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich spreche sicher im Namen aller Mitglieder dieses Hauses, wenn ich den Zivildienstleistenden für ihren Einsatz herzlichen Dank ausspreche und ihnen verspreche, daß wir diese Grundlage stets neu festigen wollen, auch in dem Geist, den wir diesen Entscheidungen zugrunde gelegt haben, nicht das eine gegen das andere ausspielen, sondern je in ihrer Bedeutung anerkennen, würdigen und dafür auch die entsprechende politische Haltung einnehmen, die nicht von Opportunismus bestimmt sein sollte, sondern, wie gesagt, von Klarheit, Liberalität und Ehrlichkeit.
Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1021034100
Der Herr Abgeordnete Rusche hat das Wort.

Herbert Rusche (GRÜNE):
Rede ID: ID1021034200
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! 25 Jahre Zivildienst bieten für uns vor allem Anlaß, Hunderttausenden von jungen Männern Dank zu sagen. Unser Dank gilt ihnen besonders, weil sie den Dienst am Frieden dem Dienst an der Waffe vorgezogen haben.

(Beifall bei den GRÜNEN — Aha! bei der CDU/CSU)




Rusche
Sie haben einen Einsatz im sozialen Bereich den militärischen Trockenübungen für einen Krieg, den es hoffentlich nie wieder geben wird, vorgezogen. Jeder einzelne von ihnen zeigte persönliche Zivilcourage, weil er einen beschwerlichen Weg gehen mußte, um ein Grundrecht wahrzunehmen, was eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein sollte.

(Schlottmann [CDU/CSU]: Was für ein Unfug!)

Es gibt das Grundrecht der Verweigerung des Dienstes an der Waffe, des Kriegsdienstes. Das ist im Grundgesetz festgehalten.

(Schlottmann [CDU/CSU]: Ihr Vergleich beleidigt alle Soldaten!)

— Melden Sie sich, wenn Sie eine Zwischenfrage haben! — Aber Sie haben ja keine.
Wäre dieser Staat wirklich so friedliebend, wie er nach seinem Grundgesetz sein müßte, würde er nicht die Gewissensentscheidung für den Friedensdienst überprüfen, sondern die Gewissensentscheidung derer, die sich an den Waffen ausbilden lassen.

(Zuruf des Abg. Schlottmann [CDU/CSU] — Gegenruf des Abg. Lambinus [SPD]: Sie sollten nicht so dumm daherreden!)

Die Mehrheit derer, die zum Waffendienst gehen, glaubt sich von jeder Gewissensprüfung befreit.

(Zuruf von der CDU/CSU: Ein Skandal!)

Wünschen wir diesen jungen Menschen, daß sie von einer plötzlichen Notwendigkeit, ihr Gewissen zu befragen, befreit bleiben!

(Breuer [CDU/CSU]: Wer hat Ihnen diesen Unsinn aufgeschrieben!)

Untersuchungen, die nach dem Korea-Krieg bei jungen US-Soldaten angestellt wurden, haben ergeben, daß die Mehrheit dieser Soldaten in der damaligen Frontsituation bewußt über die Köpfe des sogenannten Feindes hinweggezielt hat.

(Beifall der Abg. Frau Hönes [GRÜNE])

Dieses Beispiel belegt, daß Zivildienstleistende zu dem Teil unserer Jugend gehören, der sich schon heute Gedanken über die Konsequenzen macht, die ein Dienst an der Waffe mit sich bringt.
In diesem Zusammenhang danke ich auch der Selbsthilfeorganisation der Zivildienstleistenden und dem DFG/VK, die sich oft als einzige der legitimen Interessen der Zivildienstleistenden angenommen haben.

(Beifall bei den GRÜNEN)


Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1021034300
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Herbert Rusche (GRÜNE):
Rede ID: ID1021034400
Von wem?

Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1021034500
Von Herrn Abgeordneten Würzbach.

Herbert Rusche (GRÜNE):
Rede ID: ID1021034600
Bitte, Herr Würzbach.

Peter Kurt Würzbach (CDU):
Rede ID: ID1021034700
Herr Kollege, ich möchte Sie bitten und fragen, ob Sie nicht dazu bereit sind, Ihre Aussage zu korrigieren, die Sie eben machten, an das Ohr nämlich von etwa sechs Millionen jungen Männern, die in der Bundeswehr inzwischen Wehrdienst getan haben.

(Schlottmann [CDU/CSU]: Sehr richtig!)

Bisher sind hier alle davon ausgegangen, daß jeder einzelne von ihnen — dieser auch — gründlich sein Gewissen geprüft hat, wie auch die anderen. Es wäre schon der Sache dienlich, wenn Sie Ihre Aussage korrigierten.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Zuruf des Abg. Vogel [München] [GRÜNE] — Frau Hönes [GRÜNE]: Das ist doch keine Gewissensprüfung!)


Herbert Rusche (GRÜNE):
Rede ID: ID1021034800
Das ist keine Gewissensprüfung. Sie prüfen das Gewissen von Menschen, die sich für den Frieden entscheiden. Sie prüfen das Gewissen von Menschen, die sich für den Zivildienst entscheiden. Sie prüfen nicht das Gewissen der Menschen, die an Waffen ausgebildet werden.

(Beifall bei den GRÜNEN — Breuer [CDU/ CSU]: Heißt das, daß Soldaten kein Gewissen haben? — Kroll-Schlüter [CDU/CSU]: Schlicht und einfach Unsinn! Haarsträubend! — Abg. Breuer [CDU/CSU] meldet sich zu einer Zwischenfrage — Zuruf von der CDU/CSU: Lohnt sich nicht!)

Es war schon immer eine Zumutung, daß die Inanspruchnahme eines Grundrechts erschwert wurde. Aber es ist unerträglich, daß sich dieser Zustand im Zuge ihrer geistig-moralischen Wende noch verschlimmert hat.

Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1021034900
Sie gestatten eine weitere Zwischenfrage des Abgeordneten Breuer?

Herbert Rusche (GRÜNE):
Rede ID: ID1021035000
Nein, ich möchte meine Rede jetzt zu Ende führen.
Die Verschlechterung der Bedingungen sowie die zunehmende Militarisierung des Zivildienstes führen verständlicherweise immer häufiger zu Totalverweigerungen.

(Vogel [München] [GRÜNE]: Richtig!)

Hierbei handelt es sich nicht einfach um eine Dienstleistungsverweigerung, wie das im Beamtendeutsch so schön heißt, sondern um eine verständliche, konsequente und adäquate Reaktion auf das, was friedliebenden jungen Menschen in diesem Lande zugemutet wird.
Wir sind für eine konsequente Anerkennung und Unterstützung von Kriegsdienstverweigerern sowie von Totalverweigerern.

(Beifall bei den GRÜNEN — Sauer [Stuttgart] [CDU/CSU]: Sie beleidigen damit alle Zivildienstleistenden!)

Wir sind stolz auf all jene, die trotz vieler Erschwernisse jeglichen Kriegsdienst ablehnen. Wir werden
nach Kräften dazu beitragen, daß vielen jungen



Rusche
Männern der Frieden auch künftig wichtiger ist als das Kriegsspielzeug von Herrn Wörner.

(Beifall bei den GRÜNEN — Sauer [Stuttgart] [CDU/CSU]: Unverschämtheit!)

Noch kurz zum Antrag: Wir hoffen, daß der Antrag nach den Ausschußberatungen so ausschaut, so formuliert ist, daß wir ihm zustimmen können. Gute Ansätze haben wir darin bereits jetzt entdeckt.
Ich danke.

(Beifall bei den GRÜNEN — Erhard [Bad Schwalbach] [CDU/CSU]: Pfui Deibel! — Frau Hönes [GRÜNE]: Halten Sie sich bloß zurück! — Erhard [Bad Schwalbach] [CDU/ CSU]: Pfui Deibel!)


Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1021035100
Nun hat der Abgeordnete Eimer das Wort.

Norbert Eimer (FDP):
Rede ID: ID1021035200
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bedaure es außerordentlich, daß der Tagesordnungspunkt, bei dessen Beratung das Parlament den Dank für die Arbeit der Zivildienstleistenden gemeinsam hätte aussprechen können, von der Opposition so schamlos für Polemik ausgenutzt worden ist.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Lambinus [SPD]: Seien Sie nicht so selbstgerecht! — Weitere Zurufe von der SPD)

Wir jedenfalls wollen den Zivildienstleistenden der letzten 25 Jahre und denen, die heute Zivildienst leisten, unseren Dank aussprechen.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Sie leisten einen wesentlichen Beitrag in unserem gesellschaftlichen Leben. In vielen Pflegeeinrichtungen, karitativen Organisationen und anderen Institutionen sind Zivildienstleistende nicht mehr wegzudenken. Die hohe Akzeptanz in der Bevölkerung ist im wesentlichen ein Verdienst des Einsatzes dieser jungen Menschen.
So freue ich mich, feststellen zu können, daß sich die Situation für die Zivildienstleistenden in den letzten 25 Jahren verbessert hat. War der Kriegsdienstverweigerer in den 60er Jahren in den Augen vieler noch der Drückeberger, ein Aufmüpfiger und wurde ihm damit nur geringe gesellschaftliche Anerkennung entgegengebracht, so hat sich die Situation heute grundlegend verändert. Wenngleich die Belastungen von Wehr- und Zivildienst sicherlich unterschiedlich zu werten sind, so will ich hier dennoch festhalten, daß der Dienst am kranken oder am schwerstpflegebedürftigen Mitbürger den jungen Menschen oft außerordentlich viel abverlangt. Ich meine damit nicht nur die Verantwortung, die auch im pflegerischen Bereich zu tragen ist, sondern ich denke hierbei vor allem auch an die menschlich schwierige Situation, in der sich Hilfsbedürftige und Hilfeleistende — oftmals über mehr als eine Generation Altersunterschied hinweg — begegnen. Ohne pathetisch werden zu wollen, kann ich doch wohl feststellen, daß die betreffenden Zivildienstleistenden diese Herausforderungen angenommen und bestanden haben.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Die konkrete Arbeit als Zivildienstleistender ist heute vielfältiger geworden. Im Umweltschutz sind mittlerweile rund 1 000 Zivildienstplätze vorhanden; auch dies ist eine positive Entwicklung. Ich bin überzeugt, daß der Anteil dieser Plätze in den nächsten Jahren noch zunehmen wird. Kommunen und Länder sind aufgefordert, in diesem Bereich zusätzliche Plätze zur Verfügung zu stellen. Ich bin sicher, daß diese Arbeit bei den jungen Menschen großen Anklang findet.
Der Zivildienst muß sich seit seinem Bestehen mit dem Vorwurf auseinandersetzen, er nehme anderen Arbeitsplätze weg. Ich teile diese Auffassung nicht. Ich glaube vielmehr, daß viele soziale Dienste gar nicht erst geschaffen worden wären, wenn nicht Zivildienstleistende für diese Arbeit zur Verfügung gestanden hätten. So haben sich oftmals Arbeitsplätze erst aus der Tätigkeit von Zivildienstleistenden entwickelt.
Zusammengefaßt: Ich bin überzeugt, daß wir eine sehr positive Bilanz von 25 Jahren Zivildienst ziehen können. In diesem Dienst für die Gemeinschaft drückt sich nicht zuletzt der Respekt dieser Gesellschaft vor der persönlichen Gewissensentscheidung junger Menschen aus. Die Möglichkeit, den Kriegsdienst mit der Waffe zu verweigern, ist ein elementares Grundrecht. Das, was organisatorisch daraus gemacht wurde, verdient Anerkennung und Dankbarkeit.

(Beifall bei der FDP — Lambinus [SPD]: Warum wird das dann bestraft?)

An dieser Stelle möchte ich den Dank und die Anerkennung auch den Mitarbeitern beim Bundesamt für den Zivildienst aussprechen. In aller Stille leisten sie gute Arbeit. In diesen Dank schließe ich selbstverständlich auch den jetzigen und die bisherigen Bundesbeauftragten für den Zivildienst ein.
Zum Schluß gestatten Sie mir noch einige Worte zum Antrag der SPD-Fraktion. In vielen Punkten stimmen wir überein. Nicht akzeptabel ist jedoch die Wertung des Kriegsdienstverweigerungs-Neuordnungsgesetzes und die der Neufassung des Zivildienstgesetzes vom 1. Januar 1984. Ich bedaure, daß die SPD meint, diese Wertung vornehmen zu müssen. Einer sachlichen Betrachtungsweise unter Berücksichtigung der jetzigen Situation hält sie aber auch nicht stand. Ich hoffe sehr, daß sich die Opposition in Zukunft mehr an den sachlichen Gegebenheiten und nicht so sehr an einer vermeintlichen und vordergründigen Pflicht zur Oppositionskritik orientiert. Die Opposition würde damit der Sache weitaus mehr dienen. Sie würde damit aber auch dem Zivildienst und den Zivildienstleistenden einen besseren Dienst tun.
Ein gemeinsamer Antrag ohne Polemik wäre der Leistung der Zivildienstleistenden gerechter geworden. So müssen wir den SPD-Antrag ablehnen.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)





Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1021035300
Das Wort hat die Frau Bundesministerin Dr. Süssmuth.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1021035400
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Mischung von Anerkennung für die Zivildienstleistenden und massiver Kritik an dem, was jetzt mit dieser Reform geschieht, wie Sie es von der Opposition vorgetragen haben, hat bei mir den Eindruck erweckt, daß wir uns zwischen Polemik und Anbiederung befinden.

(Sehr richtig! bei der CDU/CSU)

Ich frage mich ernsthaft, was es eigentlich soll, in dieser Weise zwischen Wehrdienstleistenden und Zivildienstleistenden zu polarisieren. Ich frage Sie: Was sollen die jungen Menschen eigentlich glauben: das, was Sie 1982 gesagt haben, oder das, was Sie jetzt, 1986, sagen?

(Beifall bei der CDU/CSU — Zurufe von der SPD)

— Entschuldigung, Sie haben immer 20 Monate gefordert.

(Zuruf von der SPD: Automatik!)

— Entschuldigen Sie, wenn Sie mit dem Wort Automatik draußen Punkte sammeln wollen, bin ich sicher, daß die jungen Menschen nicht so dumm sind, nicht zu wissen, daß Sie damals vier Monate mehr gefordert haben,

(Widerspruch bei der SPD — Dr. Soell [SPD]: Sie haben doch geklagt!)

während Sie jetzt erklären, daß die gleiche Dauer für beide Dienste gelten solle. Mich überzeugt das überhaupt nicht.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich bin davon überzeugt, daß die jungen Menschen Ihnen das nicht abnehmen.
Sie haben als zweites gesagt, diese neue Regelung diene zu nichts anderem, als junge Menschen davon abzuhalten, ihr Grundrecht auf Kriegsdienstverweigerung in Anspruch zu nehmen. Ich möchte Sie heute abend nicht an das erinnern, was vorher gewesen ist. Ich kann heute nur sagen, daß das Verfahren so ist, daß es den jungen Menschen keine Angst macht. Es hält den Hauptschüler nicht davon ab, einen Antrag zu stellen.

(Jaunich [SPD]: Wer hat denn das vorherige Verfahren zu verantworten gehabt? Doch wir nicht!)

— Wollen Sie auch noch das Verfassungsgerichtsurteil der heutigen Regierungskoalition anlasten?

(Vogel [München] [GRÜNE]: Wer hat denn geklagt? Doch nicht die GRÜNEN! — Weitere Zurufe von den GRÜNEN)

Ich möchte Ihnen sagen, daß heute unter denjenigen, die die Anträge stellen, jedenfalls weit mehr Hauptschüler und Realschüler sind, als es je vorher waren,

(Sehr richtig! bei der CDU/CSU)

und daß junge Menschen nicht abgeschreckt werden, sondern ihre Rechte in Anspruch nehmen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1021035500
Zunächst einmal möchte ich empfehlen, nicht mehr als einen Zwischenruf zur gleichen Zeit zu machen; sonst sind sie nicht verständlich.
Frau Ministerin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Kuhlwein?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1021035600
Nein, gestatte ich nicht.

(Kuhlwein [SPD]: Dann müssen wir leider Zwischenrufe machen! — Weitere Zurufe von der SPD und den GRÜNEN)

Zum anderen möchte ich Ihnen sagen, daß das, was ich eben gehört habe — Dienst an der Waffe und Dienst am Frieden als Gegensatz —, eine Unmöglichkeit gegenüber allen Menschen ist, über die Sie urteilen, von denen Sie aber bei keinem wissen, wie er jeweils seinen Dienst versteht. Ich billige den Wehrdienstpflichtigen genausoviel Gewissensfähigkeit zu wie allen anderen. Es ist eine Unverfrorenheit, wenn wir hier sagen, die einen tun Dienst an der Waffe und dienen damit dem Krieg und nicht dem Frieden.

(Beifall bei der CDU/CSU — Lambinus [SPD]: Wem werfen Sie diese Argumentation vor? — Weitere Zurufe von der SPD)

Sie wissen ganz genau, daß ich dafür bin, daß wir uns nicht wechselseitig die Dinge um die Ohren schlagen; aber wenn das so geschieht wie heute abend, daß Sie sagen, diese Regierung fahre fort, den Zivildienst zu diskriminieren, dann möchte ich Sie daran erinnern: Wer hat denn von den „jolly jobs" gesprochen?

(Zurufe von der SPD)

— Entschuldigen Sie, das war der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesministerium der Verteidigung zur SPD-Regierungszeit. Sie müssen nicht alles miteinander vermischen. Sie haben damals selber in dem Zehn-Punkte-Programm gefordert, daß eine Reihe von Plätzen — Trainerstellen in Sportvereinen und Verwaltungsplätze — abgebaut werden. Heute kritisieren Sie in Ihrem Antrag, daß dies geschieht.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Sie sagen, daß die Mitgliedschaft in einem Verein den Zivildienst in einer Einrichtung dieses Vereins nicht ausschließen soll.

(Zurufe von der SPD)

Gerade in der Zeit seit Inkrafttreten der Reform sind sehr viele Plätze nicht nur hinzugewonnen worden, sondern sie sind auch angemessen für die Zivildienstleistenden eingerichtet worden.
Fürsorgepflicht haben Sie angefragt.

(Zuruf von der SPD)

— Die Zivildienstleistenden werden in ihren Dienst
eingeführt; es sind heute immer noch nicht alle,



Bundesminister Frau Dr. Süssmuth
aber die Einführungsdienste sind ausgebaut worden.

(Kuhlwein [SPD]: Aber es stimmt doch, daß die Plätze in den Einführungslehrgängen verlost werden! — Weitere Zurufe von der SPD)

— Die Plätze werden zunächst von zwei Dritteln der heutigen Zivildienstleistenden für die Einführung wahrgenommen. Es fehlt uns noch für ein Drittel die Kapazität für eine Einführung.

(Frau Schmidt [Nürnberg] [SPD]: Dann kenne ich nur welche aus dem einen Drittel!)

— Gut, ich sage hier nicht, daß die Einführungslehrgänge nicht noch zu erweitern sind; aber wenn wir von Fürsorgepflicht sprechen und darüber beraten, dann muß ich auch gleichzeitig sagen, in wie vielen Einrichtungen sich die Vorgesetzten und andere, die dort tätig sind, der Zivildienstleistenden annehmen. Ich hätte es weit wichtiger gefunden, wir hätten heute nicht diesen Antrag behandeln müssen, sondern uns interfraktionell darüber geeinigt, wie wir der Einrichtung des Zivildienstes angemessener entsprechen.

(Beifall bei der CDU/CSU — Zuruf von der CDU/CSU: Das wollen die gar nicht! — Zuruf von den GRÜNEN: Durch eine kürzere Zivildienstzeit!)

— Die Zivildienstzeit? Ich sage jetzt in aller Klarheit: Wenn Sie in der Regierungsverantwortung stünden, würden Sie solche Anträge nicht stellen,

(Frau Fuchs [Köln] [SPD]: Unglaublich, was Sie da sagen!)

weil Sie vorher überhaupt nichts anderes getan haben und genau wissen, daß von der Verfassung her eine Alternative nicht möglich ist.

(Zurufe von der SPD)

Sie versprechen, alles rückgängig zu machen. Sie versprechen, daß Sie alles, was im Augenblick in der Meinung des Volkes Probleme bringt, rückgängig machen. Ich frage Sie, wer Ihnen das glaubt?

(Beifall bei der CDU/CSU — Zurufe von der SPD)

Schon im Blick auf diese Regelung möchte ich erst einmal fragen, was für ein besseres Verfahren Sie einführen wollen, ob Sie weiterhin den Zivildienstleistenden unzumutbare Wartezeiten aufbürden wollen oder Verfahren, die Sie heute kritisieren, die wir abgeschafft haben.
Sie haben eben gesagt: jeder Sechste — tatsächlich durchlaufen nur noch 10 % die Ausschußverfahren. Das sind Soldaten und Reservisten. Es sind von den 119 Ausschüssen 91 abgebaut worden.

(Zuruf des Abg. Lambinus [SPD])

— Die Ausschüsse sind in Ihrer Regierungszeit für die Soldaten nie in Frage gestellt worden. — —

(Lambinus [SPD]: Aber natürlich! — Weitere Zurufe von der SPD)

— Dann belegen Sie es mir. Ich muß Ihnen sagen, es ist eindeutig, daß Sie genau wußten, daß es mit den Aufgaben der Bundeswehr nicht vereinbar ist, daß man sich durch einen Brief abmelden kann.
Ich möchte zum Abschluß kommen und sagen: Diese Beschlußvorlage der SPD liegt heute zur ersten Lesung vor. Sie wird im Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit beraten werden. Vielleicht wird dabei aus diesem Antrag noch das, als was er sich nach seiner Überschrift gibt und was er leider ganz und gar nicht ist. Ich meine, daß Sie mit diesem Antrag das mißbraucht haben, was eigentlich in Verbindung mit 25 Jahren Zivildienst angemessen gewesen wäre.
Danke schön.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1021035700
Der Abgeordnete Mischnick wird nun eine Erklärung nach § 31 der Geschäftsordnung abgeben.

(Mischnick [FDP]: Nach § 30!)

— Gut, nach § 30 der Geschäftsordnung. Bitte schön.

Wolfgang Mischnick (FDP):
Rede ID: ID1021035800
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Kollegin Fuchs hat über die Entscheidungen von 1980 und danach und über die entsprechenden Beratungen Ausführungen gemacht.

(Zuruf von der SPD: 1982!)

— Sie hat über 1980 und danach Ausführungen gemacht!

(Zuruf von der SPD: Nur über 1982!)

Zu der Entscheidung von 1980 stelle ich fest, daß damals 210 Abgeordnete der Koalition für den Gesetzentwurf gestimmt haben. 217 Abgeordnete haben dagegen gestimmt; von diesen 217 waren 10 Kollegen von der SPD. Einer hat sich der Stimme enthalten. Wenn diese Kollegen von der SPD mit der Koalition gestimmt hätten, wäre damals der Gesetzentwurf durchgegangen.
Danke schön.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU/CSU — Zuruf von der CDU/CSU: So wird das Volk getäuscht!)


Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1021035900
Das Wort hat die Abgeordnete Frau Fuchs; ich nehme an, auch nach § 30 der Geschäftsordnung, nicht nach § 31, also zur Aussprache. Bitte sehr.

Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1021036000
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu den Beratungen des Jahres 1982 stelle ich fest, daß es mit der FDP nicht gelungen war, eine Verlängerung des Wehrdienstes moderat zu formulieren,

(Zustimmung bei der SPD)




Frau Fuchs (Köln)

und daß die FDP kurz nach dem Regierungswechsel einer sehr großen Verlängerung des Zivildienstes zugestimmt hat.

(Zustimmung bei der SPD — Kroll-Schlüter [CDU/CSU]: Was heißt „formulieren"? Sie haben „20 Monate" formuliert!)


Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1021036100
Bitte sehr, jetzt Herr Abgeordneter Breuer, aber ich möchte nicht, daß auf diesem Umweg die Debatte neu eröffnet wird; zumindest wäre das mit der eben propagierten Ehrlichkeit nicht vereinbar.

Paul Breuer (CDU):
Rede ID: ID1021036200
Herr Präsident, eine Erklärung nach der gleichen Bestimmung der Geschäftsordnung: Der Gesetzentwurf der SPD aus dem Jahre 1982 sah folgendes vor: Erstens — ich zitiere —:
Die Dauer des Zivildienstes wird verlängert. Sie beträgt in Zukunft vier Monate mehr als der Grundwehrdienst.

(Zurufe von der CDU/CSU: Aha!)

Das war also eine Automatik, keine Festlegung auf eine Gesamtmonatszahl.

(Widerspruch bei der SPD)

Zweitens. Ich zitiere wiederum, und zwar die Regelung über Soldaten, einberufene, vorbenachrichtigte und gediente Wehrpflichtige:
Über den Antrag eines Soldaten oder ungedienten Wehrpflichtige, der zum Wehrdienst einberufen oder schriftlich benachrichtigt ist ...

Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1021036300
Herr Abgeordneter, ich mache Sie darauf aufmerksam, daß Sie den § 30 nunmehr mißbrauchen, denn er läßt nur die Möglichkeit zu, auf Äußerungen, die die eigene Person betreffen, einzugehen. Davon haben der Abgeordnete Mischnick und - bei großzügiger Auslegung — auch noch die Abgeordnete Fuchs Gebrauch gemacht. Auch bei großzügigster Beurteilung kann ich nicht sehen, wie Sie diesen Zusammenhang herstellen wollen. Ich würde Sie also bitten, zum Schluß zu kommen.

Paul Breuer (CDU):
Rede ID: ID1021036400
Herr Präsident, Frau Kollegin Fuchs hat auf meine Zwischenfrage hinsichtlich der
Verlängerung und hinsichtlich der Einrichtung von Ausschüssen und Kammern im Gesetzentwurf der SPD von 1982 die Meinung vertreten,

(Zuruf von der CDU/CSU: So war es!)

daß beides, sowohl die Verlängerung um vier Monate mit dieser Automatik

(Lambinus [SPD]: Nein, das ist falsch!)

als auch die Einrichtung von Ausschüssen und Kammern, nicht vorgesehen war.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Lambinus [SPD]: Sie sagen doch die Unwahrheit!)


Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1021036500
Meine Damen und Herren, ich befürchte, daß der Wunsch der Frau Bundesministerin, das Ganze in einem Ausschuß zu beraten, nicht zu erfüllen sein wird, denn die SPD- Fraktion hat Abstimmung über diesen Entschließungsantrag hier im Plenum verlangt.
Zunächst einmal liegt mir ein Änderungsantrag der Fraktion DIE GRÜNEN vor. Die Fraktion der GRÜNEN beantragt, in dem Entschließungsantrag der SPD auf Drucksache 10/5219 den ersten Abschnitt in Punkt 3 zu streichen. Wer diesem Streichungsantrag von dem Wort „Anläßlich" bis „zu würdigen" zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Wer stimmt dagegen? — Abgelehnt.
Somit kann ich den Antrag der SPD auf Drucksache 10/5219 als Ganzes zur Abstimmung stellen. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Wer stimmt dagegen? — Wer enthält sich? — Ich bitte, nicht doppelt abzustimmen, meine Herren aus der GRÜNEN- Fraktion. — Damit ist der Entschließungsantrag abgelehnt.
Meine Damen und Herren, wir sind nunmehr am Ende unserer Tagesordnung. Ich wünsche Ihnen einen angenehmen Abend und rufe die nächste Sitzung für morgen um 8 Uhr ein.
Die Sitzung ist geschlossen.