Gesamtes Protokol
Meine Damen und Herren! Die Sitzung ist eröffnet.
Vor Eintritt in die Tagesordnung darf ich Ihnen mitteilen, daß die Fraktion DIE GRÜNEN fristgerecht beantragt hat, die Punkte 20 und 21 der Tagesordnung abzusetzen. Es ist ferner beantragt, eine Reihe von Vorlagen zum Umweltschutz, deren Beratung ursprünglich für heute geplant war, auf die Tagesordnung zu setzen.
Zur Klarstellung darf ich folgendes in Erinnerung rufen: In der 199. Sitzung am vergangenen Freitag hatte ich Sie darüber unterrichtet, daß die Fraktionen von CDU/CSU, SPD und FDP verbindlich vereinbart hätten, die Beratungen zum Paßgesetz und zum Personalausweisgesetz in den Ausschüssen erneut aufzunehmen und die zweite und dritte Lesung am heutigen Freitag durchzuführen. Die Fraktion der GRÜNEN ist dieser Vereinbarung nicht beigetreten.
Bei der Vorlage des stenographischen Protokolls zur Korrektur ist der benutzte Begriff „Rücküberweisung" verwaltungsintern gestrichen worden, um eine Wiederholung zu vermeiden, da ich erklärt hatte, die genannten Gesetzentwürfe sollten auf Grund der Vereinbarung erneut in Ausschüssen beraten werden. Aus der weiteren Formulierung:
Vorgesehen ist, diese Beratungen so abzuschließen, daß die Gesetzentwürfe am kommenden Freitag in zweiter und dritter Lesung beraten werden können.
ergibt sich eindeutig der Sinn der Vereinbarung. Der erklärte Wille der Mehrheit des Hauses war, diese Tagesordnung so zu beschließen.
Zur Geschäftsordnung erteilte ich dem Abgeordneten Volmer das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Namen der Fraktion DIE GRÜNEN im Bundestag beantrage ich die Absetzung der Überwachungsgesetze von der heutigen Tagesordnung.
Wir wollen den Schweinsgalopp aufhalten, mit dem die Bundesregierung die Überwachungsgesetze über die parlamentarischen Hürden jagen will. Es geht bei diesen Gesetzen nicht um irgendwelche EG-Vorschriften zur Normierung von Fischkonserven. Es geht um ein Maßnahmenpaket, das die Freiheitsräume der Bürger einengt und ihre Privatsphäre ausspionieren hilft.
Wir wollen eine Verschiebung der Debatte, weil die Gesetze zum maschinenlesbaren Personalausweis, Reisepaß und zur Schleppnetzfahndung mit den Polizei- und Geheimdienstgesetzen zusammen gesehen werden müssen, die die Regierung in einer zweiten Etappe durchpauken will.Mit den heute zur Debatte stehenden Gesetzen will sich der Staat die Möglichkeit verschaffen, jeden Bürger in Computern dingfest zu machen und dort lebenslänglich verhaftet zu halten.
Die späteren Gesetze sollen Polizei und Geheimdienst verpflichten, routinemäßig die Daten auszutauschen.Erst wer beide Gesetzespakete gemeinsam diskutiert, wird herausfinden, daß am Ende der Entwicklung die Gefahr einer Wiedereinführung einer geheimen Staatspolizei steht, die den Bürger tags und nachts überwachen kann.
Die klammheimliche Art, mit der die Koalition die Gesetze an der Öffentlichkeit vorbeischieben will, spiegelt genau die Heimlichkeit wider, mit der in Zukunft alle Bürger erkennungsdienstlich behandelt und ausgeschnüffelt werden.
An der parlamentarischen Opposition wollte die Regierung vorexerzieren, was allen Bürgern blühen wird, wenn die Gesetze verabschiedet sind. Von oben wird ein Ideal von Normalverhalten vorgeschrieben, an das sich jeder zu halten hat. Reibung, Opposition, Kritik soll es nicht mehr geben.Der Kanzler redet vom Abbau staatlicher Regulierung der Gesellschaft. Damit meint er den Sozial-
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Volmerstaat, den er abgebaut hat. Als Ersatz dafür forciert er die völlige Durchstaatlichung der Gesellschaft, die sich in dem Versuch widerspiegelt, auch das Parlament zu durchstaatlichen.
Von oben wird ein Impuls gegeben, und die Abgeordneten sollen marionettenhaft ihre Beine in Bewegung setzen, um auf Kommando die Hände heben zu können.
Auf diese Weise soll der Gesellschaft ein Menschenbild aufgezwungen werden, das sich reibungslos in die Logik der neuen Technologien einfügt. Hier heißt es funktionieren und nicht kritisieren. Hier heißt es, blind und roboterhaft abzuspulen, was von den Machern an den Schalthebeln verlangt wird.Meine Herrschaften von der Regierungskoalition, uns werden Sie nicht an Ihren Fäden zappeln lassen. Wir werden auch keine Geschäfte mit Ihnen machen wie die SPD, —
Herr Abgeordneter, bitte kommen Sie zur Sache, Sie haben sich zur Geschäftsordnung gemeldet und begründen einen Antrag zur Geschäftsordnung.
— die deshalb zu einer Absprache mit Ihnen bereit sein konnte, weil sie ja im Prinzip nicht viel gegen die Gesetze einzuwenden hat.
Werte Kolleginnen und Kollegen von der Koalition, wir sind keine Vasallen Ihrer unheiligen Drei Könige.
Strauß, Kohl und Bangemann wird es nicht gelingen, sich nach Belieben ihr eigenes Parlament zu schaffen.
Herr Abgeordneter, ich mahne Sie zum zweitenmal, zur Sache zu kommen und zu dem Geschäftsordnungsantrag zu sprechen.
Ich spreche zur Geschäftsordnung.
Ich begründe, warum die Debatte verschoben werden soll. — Sie benutzen Ihre Macht derart skrupellos, weil Sie wissen, wie schnell es um sie geschehen sein kann.
Ich möchte zum Schluß sagen: Auch wir erkennen an, daß es parlamentarische Mehrheiten gibt; aber es gelten zwei Einschränkungen.
Erstens. Wenn Sie, meine Herrschaften, dem Parlament ein Herr-Knecht-Verhältnis aufzwingen wollen, bei dem der Knecht nach der Pfeife des Herrn zu tanzen hat, dann werden Sie erleben, daß auch die Knechte ihre Macht haben, an denen die Herren sich die Zähne ausbeißen.
Zweitens. Eine parlamentarische Niederlage ist nicht das Ende der Geschichte. Auch außerhalb der Parlamente findet Politik statt. Gemeinsam mit der gesamten grünen Partei, gemeinsam mit den unterschiedlichen Bürgerrechtsgruppen in unserer Republik sagen wir Ihrem Extremismus der Mitte den Kampf an.
Das Wort zur Geschäftsordnung hat der Abgeordnete Bötsch.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Namens der CDU/CSU-Fraktion bitte ich Sie, dem Antrag der GRÜNEN auf Absetzung der einschlägigen Gesetzesvorhaben nicht zuzustimmen.
Ich werde mich bei meinem Beitrag entgegen den Ausführungen meines Vorredners streng an die Geschäftsordnung halten und nur zur Geschäftsordnung sprechen. Vorsorglich beantrage ich — weil dies jetzt nicht mehr vorgetragen wurde —, keinen der ursprünglich für heute vorgesehenen Tagesordnungspunkte zu beraten und diese Gesetzesvorhaben vorsorglich von der Tagesordnung abzusetzen.Meine Damen und Herren, unsere Fraktion hätte heute gern auf eine erneute Geschäftsordnungsdebatte in diesem Hause verzichtet, wie sie leider in letzter Zeit mehr zur Regel als zur Ausnahme geworden ist. Wir waren uns auch, Herr Kollege Conradi, am letzten Freitag mit der SPD einig, daß wir die Beratungen heute durchführen. Wir haben dies auch einvernehmlich beschlossen. Mein Herr Vorredner hatte bei der Beratung beim Präsidenten am letzten Freitag nicht mit solcher Verve gesprochen wie heute, sondern er saß — im Gegensatz zu seinem heute hier vor der Öffentlichkeit dargebotenen Redebeitrag — dort stummer, als ein Fisch es sein kann.
Wir sind deshalb überrascht, daß er jetzt plötzlich für seine Fraktion eine Absetzung beantragt. Wir gehen davon aus, es war einvernehmlich beantragt. Aber lassen wir das dahingestellt.Der Vorwurf der GRÜNEN, es sei nicht genügend Zeit zur Beratung gewesen, geht ins Leere. Auch mit so eigenartigen Ausdrücken wie „Schweinsgalopp" und ähnlichem kann man hier nicht das Gegenteil darstellen. Ich will mir ersparen, hier nochmals im Detail auszuführen, daß beispielsweise das Personalausweisgesetz bereits am 23. Oktober 1984 und das Paßgesetz am 7. Mai 1985 eingebracht wurden und in der Folgezeit eine Reihe von Beratungen und Anhörungen stattgefunden haben, an denen
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Dr. Bötschsich allerdings, um das vorsichtig auszudrücken, die GRÜNEN nur sehr zurückhaltend beteiligt haben.
Ende Januar haben wir dann nochmals einem Hearing zugestimmt, das stattgefunden hat, und wir haben uns am letzten Freitag zu weiteren Beratungen bereit erklärt, die in der letzten Woche stattgefunden haben. Der Innenausschuß hat die gesamte Problematik in dieser Woche nochmals einige Tage diskutiert und, wenn auch kontrovers, am Mittwoch darüber abgestimmt. Wir sind deshalb der Auffassung, daß die Gesetze heute verabschiedungsreif sind, und bitten, den Antrag der GRÜNEN abzulehnen.Vielen Dank.
Das Wort hat der Abgeordnete Porzner.
Herr Präsident! Meine verehrten Damen und Herren! Ich möchte dem Redner der Fraktion der GRÜNEN, Herrn Volmer, etwas sagen, was auch einen persönlichen Hintergrund hat. Mein Großvater war, weil er Demokrat, weil er Sozialdemokrat war, ein dutzendmal von der Gestapo inhaftiert. Er wurde von der Gestapo und Himmlers SS ins KZ nach Dachau gebracht. Sie wissen nicht, wovon Sie reden, wenn Sie im Zusammenhang mit dem Personalausweis- und dem Paßgesetz von Geheimer Staatspolizei, von Gestapo, reden.
— Gestapo haben Sie gesagt.
Herr Dr. Bötsch, meine Fraktion war bereit, schon in der vergangenen Woche das Personalausweis- und Paßgesetz zu lesen und abschließend zu beraten, weil diese beiden Gesetze schon 1984 eingebracht wurden und weil sie ausführlich beraten wurden. Wir hatten nur den Wunsch, daß der in der vorigen Woche plötzlich und ohne jede Beratungsmöglichkeit für uns hinzugefügte Artikel zur Änderung der Strafprozeßordnung nicht verabschiedet wird. Deshalb haben wir um zusätzliche Beratungszeit gebeten, und deswegen sind diese Gesetze in der letzten Woche nicht verabschiedet worden, sondern stehen erst heute auf der Tagesordnung. Auf Grund der Intervention der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion ist also Beratungszeit gewonnen worden.
Sie alle müssen dankbar sein, daß das so gemacht worden ist, denn dem Bundestag ist so die Blamage erspart worden, eine Berlin-Klausel für einen Bereich zu beschließen, für den er nicht zuständig ist; er hätte damit in alliierte Rechte in Berlin eingegriffen. Seien Sie dankbar, daß wir noch eine Woche Beratungszeit hatten.
Wir haben im Laufe dieser Woche erkannt, daß es keinen Sinn mehr hat, weiter zu beraten, weil die Koalition festgelegt ist, weil sie unbeweglich ist und weil wir nichts mehr verändern und nichts mehr verbessern könnten. Deswegen widersetzen wir uns nicht der Beratung am heutigen Tage, und deswegen stehen wir auch zu der Vereinbarung, die in der letzten Woche getroffen worden ist. Ich bitte Sie aber um Verständnis dafür, daß wir nicht den Eindruck erwecken wollen, als ob wir unbedingt Wert darauf legten, daß das heute geschieht. Deswegen enthalten wir uns bei diesem Geschäftsordnungsantrag der Stimme.
Eine Bitte möchte ich zum Schluß noch anschließen — es ist wirklich eine Bitte —: Meine verehrten Damen und Herren von der CDU/CSU-Fraktion, von der FDP-Fraktion und auch von der Bundesregierung, lernen Sie bitte aus den Erfahrungen mit der Beratung dieser beiden Gesetzentwürfe, und muten Sie dem Parlament nicht ein zweites Mal zu, unter solchem Zeitdruck verhandeln zu müssen. Muten Sie das dem Deutschen Bundestag bitte nicht ein zweites Mal zu! Ich weiß, wovon ich rede, wenn ich an Ausschußberatungen denke, die in dieser Woche stattgefunden haben, bei denen wir schon wieder darauf achten müssen, daß die Rechte des Parlaments — nicht nur der Minderheit — gewahrt werden.
Lernen Sie also bitte aus den gemachten Erfahrungen. Es macht nämlich keinen Spaß — glauben Sie mir das —, zur Geschäftsordnung reden zu müssen. Es wäre viel besser, man könnte immer gleich zur Sache kommen.
Das Wort zur Geschäftsordnung hat der Abgeordnete Wolfgramm.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Ich stimme dem Kollegen Porzner in dem letzten Punkt voll zu: Auch ich hätte mir gewünscht, daß wir heute gleich in die Sachdebatte eintreten könnten. Aber wir haben ja gesehen, wie der Einstieg zur Geschäftsordnung von den GRÜNEN auch schon wieder mißbraucht worden ist.Herr Kollege Porzner, ich kann der Bewertung, die Sie eben in bezug auf den Ablauf der Gesetzesberatung gegeben haben, nicht zustimmen. Die SPD hat bei den Beratungen, die j a nach der angesprochenen Vereinbarung in dieser Woche noch stattgefunden haben, keine Änderungsanträge zu § 163 d StPO gestellt; und um diese Vorschrift ging es ja wohl, wenn ich Sie recht verstanden habe. Ich meine, das macht deutlich, daß Ihre Position, hier seien die Dinge zu rasch behandelt worden, nicht schlüssig ist. Übrigens ist der § 163 d — das alles werden wir nacher in der Sachdebatte j a noch hören — der alte § 3 a des Personalausweisgesetzes, und das ist seit vielen, vielen Monaten bekannt und in der Dis-
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Wolfgramm
kussion, wie überhaupt das ganze Problem seit vielen Monaten, ja seit Jahren in der Diskussion ist.
Ich möchte mich aber noch mit der Frage beschäftigen, warum die GRÜNEN hier Absetzung beantragen. Sehen Sie, im Haushaltsausschuß ist in der Sitzung vom 19. Februar, als beide Gesetze, die heute beraten werden, gemäß § 96 der Geschäftsordnung behandelt worden sind, in Abwesenheit der GRÜNEN einstimmig Beschluß gefaßt worden. Warum, bitte schön, wollen Sie hier die Dinge eigentlich noch fortsetzen, wenn Sie selbst an den Beratungen nur partiell oder gar nicht teilnehmen?
Das läßt mich doch an die Bemerkung von Erich Kästner denken, der gesagt hat: Es gibt nicht nur die Ewiggestrigen, es gibt auch die Ewigmorgigen.
Meine Damen und Herren, wir kommen zur Abstimmung. Wer der Absetzung der Tagesordnungspunkte 20 und 21 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Antrag ist abgelehnt.
Wer der von den GRÜNEN beantragten Aufsetzung anderer Vorlagen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Antrag ist abgelehnt.
Ich rufe die Tagesordnungspunkte 20 und 21 auf.
20. a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Paßgesetzes
— Drucksache 10/3303 —
aa) Beschlußempfehlung und Bericht des
Innenausschusses
— Drucksachen 10/5059 , 10/5128 —
Berichterstatter: Abgeordnete Broll Dr. Hirsch
Tietjen
und Ströbele
bb) Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung
— Drucksache 10/5071
Berichterstatter:
Abgeordnete Gerster Kühbacher
und Frau Seiler-Albring
b) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Innenausschusses
zu der Unterrichtung durch das Europäische Parlament
Entschließung zum EuropaPaß
— Drucksachen 10/3620, 10/5059 , 10/5128 —
Berichterstatter: Abgeordnete Broll Dr. Hirsch
Tietjen
und Ströbele
21. a) Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und FDP eingebrachten Entwurfs eines Fünften Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über Personalausweise
— Drucksache 10/2177 —
Beschlußempfehlung und Bericht des Innenausschusses
— Drucksachen 10/5060 , 10/5129
Berichterstatter: Abgeordnete Broll Dr. Hirsch
Tietjen
und Ströbele
b) Zweite und dritte Beratung des von der Fraktion DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Fünften Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über Personalausweise
— Drucksache 10/1316 —
Beschlußempfehlung und Bericht des Innenausschusses
— Drucksachen 10/5060 , 10/5129
Berichterstatter: Abgeordnete Broll Dr. Hirsch
Tietjen
und Ströbele
Zu diesen Tagesordnungspunkten 20 und 21 liegen Änderungsanträge der Fraktion der SPD auf den Drucksachen 10/5124 bis 10/5126 sowie Änderungsanträge und ein Entschließungsantrag der Fraktion DIE GRÜNEN auf den Drucksachen 10/5117 bis 10/5123 vor.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind eine gemeinsame Beratung der Tagesordnungspunkte 20 und 21 und eine Aussprache von zweieinhalb Stunden vorgesehen. — Ich sehe keinen Widerspruch; dann ist so beschlossen.
Wird das Wort zur Berichterstattung gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Das Wort hat Herr Abgeordneter Clemens.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die CDU/CSU möchte im Interesse der Bürger die neuen fäl-
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Clemensschungssicheren und maschinenlesbaren Personalausweise nun endlich zum 1. April 1987 und den Europapaß Ende 1987 einführen. Diese Ausweise sind bürgerfreundlich und verbessern die Möglichkeiten der Verbrechensbekämpfung ganz erheblich. Verbrechern wird es nahezu unmöglich gemacht, gefälschte Ausweispapiere zu benutzen.
Einen Augenblick, Herr Kollege Clemens! Ich bitte die Kolleginnen und Kollegen, die stehen, entweder Platz zu nehmen oder den Saal zu verlassen. — Bitte, fahren Sie fort.
Dieser Auffassung, meine sehr verehrten Damen und Herren von der SPD, waren Sie noch bis zum Jahre 1982. Ich frage Sie, wie es sich eigentlich mit Ihrer heutigen Totalopposition verträgt, daß Sie 1980, aber auch noch am 15. Dezember 1982 der Einführung der fälschungssicheren und maschinenlesbaren Personalausweise im Deutschen Bundestag zugestimmt haben. Ich könnte nun eine ganze Reihe von Zitaten bringen, etwa von Herrn Pensky, Hugo Brandt, unserem derzeitigen Innenausschuß-Vorsitzenden Herrn Wernitz, die alle mit Verve die Einführung des maschinenlesbaren und fälschungssicheren Personalausweises gefordert haben. Ich möchte aber nicht versäumen, nachdem für die SPD-Opposition der hessische Staatssekretär von Schoeler zu einem Kronzeugen gegen die neuen Ausweise und insbesondere gegen die Maschinenlesbarkeit aufgebaut worden ist — oder er sich vielleicht auch selbst dazu aufgebaut hat —, ein Zitat aus der Erklärung eben dieses Herrn von Schoeler zu bringen, die er für den Bundesminister des Innern am 8. Februar 1980 im Bundesrat zu Protokoll gegeben hat:Die von der Bundesregierung geplante Einführung des neuen Personalausweissystems ist Bestandteil einer Sicherheitspolitik mit Augenmaß.Hervorragend dargelegt!Der neue Personalausweis ist kein Schritt zu übertriebenem Sicherheitsperfektionismus. Er ist ein Beitrag zum besseren Schutz des Bürgers, zum Schutz vor einer Kriminalität, die sich heute modernster Techniken bedient, zum Schutz aber auch vor den Gefahren der Datenverarbeitung für die Privatsphäre des Bürgers.Ich kann nur sagen, Herr von Schoeler: Gut gebrüllt, Löwe! Wenn Ihre Fraktion von der SPD heute noch so dächte, gäbe es hier keine größeren Probleme; wir wären mit diesen Gesetzen längst schon im Vollzug.
Meine Damen und Herren, was im Jahre 1980 und 1982 bei Ihnen richtig war, ist heute durch die umfangreichen datenschutzrechtlichen Verbesserungen in den beiden Gesetzentwürfen nur noch richtiger geworden. Aber offenbar haben Sie von der SPD in ihrer rot-grünen Schieflage die Belange der Kriminalitätsbekämpfung wie lästigen Ballast abgeschüttelt, wie man überhaupt feststellen muß: Alles, was einmal unter Schmidt gut war, ist heutebei Ihnen nicht mehr zitierfähig. Das ist ein entscheidender Punkt, wie Sie sich in Ihrer Politik gewandelt haben.
Die Beratung der vorliegenden Gesetzentwürfe war eingehend und sorgfältig. Nach maßlosen und unzutreffenden Angriffen auf das Gesetzgebungsverfahren möchte ich feststellen: Die Koalitionsfraktionen haben ihren Gesetzentwurf zur Einführung der neuen Personalausweise, mit dem sie den Feststellungen des Bundesverfassungsgerichts in seinem Volkszählungsurteil vom Dezember 1983 Rechnung tragen, im Oktober 1984 — ich wiederhole: im Oktober 1984 —, also vor 16 Monaten, eingebracht.
Der Regierungsentwurf für ein neues Paßgesetz ist in diesem Hohen Hause schon vor der Sommerpause 1985 in erster Lesung beraten worden. Am 20. Mai 1985 haben wir eine ganztägige Anhörung zum neuen Personalausweis gemacht und haben uns insbesondere über die Probleme unterhalten, die Sie dazu vorgebracht haben. Außerdem war bei dieser Anhörung eines der wesentlichen Themen die Nutzung der neuen Ausweise für Fahndungsmaßnahmen in besonderen und tatsächlich seltenen Fällen, wenn nämlich nach schwersten Verbrechen an der Grenze oder im Inland an sogenannten Kontrollstellen auch die Daten eines größeren Personenkreises vorübergehend gespeichert waren.Nach Auswertung dieser Anhörung sind wir damals in der Koalition übereingekommen, gerade diese Frage noch einmal zu überdenken, zumal auch aus den Ländern Bedenken wegen der Bundeszuständigkeit für die damals noch vorgesehene Speicherungsmöglichkeit mit dem neuen Ausweis zu präventiv-polizeilichen Zwecken geäußert worden sind. Am 15. Januar dieses Jahres haben wir dem Vorsitzenden des Innenausschusses, aber auch Ihnen von der SPD die neue, auf die Strafverfolgung beschränkte, jedoch für alle Ausweise geltende Lösung in Gestalt des neuen § 163 d der Strafprozeßordnung überreicht. Dann haben wir noch einmal eine ganztägige Anhörung gemacht. Ich kann nur sagen: Die Beteiligung der Opposition war nicht gerade sehr stark. Ich erinnere mich, zum Schluß habe ich überhaupt nur noch einen Vertreter, noch nicht einmal aus dem Innenausschuß, gesehen, nämlich den Kollegen Fischer aus dem Rechtsausschuß. Er war bis zum Schluß dabei, natürlich zusammen mit dem Vorsitzenden des Innenausschusses.
— Auch die GRÜNEN waren nicht immer dabei; zum Schluß waren Sie ausnahmsweise dabei, das ist richtig.Wir haben dann eine weiter präzisierte Form vorgelegt und diese noch einmal ausführlich beraten. Ich stelle daher fest, daß die heute in zweiter und dritter Lesung vorliegenden Gesetzentwürfe über-
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Clemensaus sorgfältig und eingehend beraten worden sind. Alle anderen abweichenden Behauptungen sind schlichte Verleumdung.Weil über manche hysterischen Äußerungen im Zusammenhang mit den neuen Ausweisen vielen die Wirklichkeit aus dem Bewußtsein geraten ist, möchte ich noch einmal kurz an die Notwendigkeit der neuen Personalpapiere erinnern. Mehr als 450 000 Personalausweise sind gegenwärtig als gestohlen oder abhanden gekommen gemeldet; nach fast 13 000 Blankopersonalausweisen, die bei Behörden gestohlen wurden, wird gefahndet. Ende 1982 wurden in den Erddepots der RAF-Bande 70 deutsche Personaldokumente, darunter zahlreiche verfälschte Personalausweise, aufgefunden. Die Terroristen Mohnhaupt und Dutzi führten bei ihrer Festnahme Bundespersonalausweise mit sich, die auf jeder Seite nummernverfälscht waren. Die am 2. Juli 1984 in Frankfurt festgenommenen Terroristen Eckes und Staub besaßen ebenfalls verfälschte Bundespersonalausweise. Bei ihnen wurden außerdem 26 Personalausweise gefunden, die in letzter Zeit gestohlen worden waren.
Bei Betrugsdelikten werden darüber hinaus vielfach total gefälschte oder verfälschte Ausweise eingesetzt. 1983 gab es allein 14 000 Fälle betrügerischer Einlösung von Euroschecks. Dabei wurden in einer beachtlichen Zahl von Fällen gefälschte Ausweise vorgelegt.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Mann?
Bitte.
Herr Kollege Clemens, ist Ihnen bekannt, daß der Chef des Hamburger Amtes für Verfassungsschutz, Ihr Parteifreund Lochte, noch in dieser Woche davon gesprochen hat — übrigens auch in der Anhörung am 20. Mai 1985 —, daß gerade in dem von Ihnen genannten Bereich der Verbrechensbekämpfung vom maschinenlesbaren Personalausweis keinerlei Erfolge zu erwarten sind und daß er das für seinen Erfahrungsbereich im einzelnen nachgewiesen hat?
Herr Mann, Sie wissen: In der Anhörung war Herr Lochte seinerzeit der einzige Außenseiter, wie ich einmal sagen möchte, der sich gegen die Fälschungssicherheit der neuen Ausweise ausgesprochen hat. Alle anderen waren in dieser Frage dafür. Soviel dazu.
— Richtig, auch die der SPD. Ich sage ganz bewußt: alle anderen. Auch die von den GRÜNEN haben nichts dagegen gesagt, o Wunder.
Herr Mann, Ihre Frage gibt mir Anlaß, Ihnen einen interessanten Sachverhalt nicht vorzuenthalten, der sich mit den GRÜNEN beschäftigt. Da gab es bei dem Mitglied des Europäischen Parlaments der GRÜNEN, Herrn Schwalba-Hoth — irgendwo gibt es da noch sehr unangenehme Erinnerungen wegen des Angriffs auf einen amerikanischen General —, einen Fraktionsmitarbeiter namens Rudolf Raabe. Herr Raabe wurde Ende der 70er Jahre wegen des Verdachts terroristischer Aktivitäten der Roten Zellen mit Haftbefehl gesucht. Nachdem sich Raabe 1980 selbst gestellt hatte, wurde er wegen dieses Vorwurfs zwar freigesprochen, gleichzeitig aber vom Oberlandesgericht Koblenz zu einer empfindlichen Geldstrafe verurteilt, weil er seinen Personalausweis verfälscht hatte. Aus „Raabe" war „Baabe" geworden.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich meine, dieser Sachverhalt illustriert recht anschaulich den Hintergrund der von den GRÜNEN in diesem Hause vorgetragenen Polemik gegen die Einführung des fälschungssicheren und maschinenlesbaren Personalausweises und Europapasses.
Ich möchte Ihnen gleich deutlich sagen: Bürger, die nichts zu verbergen haben, brauchen die Einführung der neuen Personalausweise und Pässe nicht zu fürchten. Das scheint bei Ihnen anders zu sein.
Der Redner läßt keine Zwischenfrage mehr zu.
Abgesehen davon, daß die Maschinenlesbarkeit bei den Möglichkeiten der modernen Technik überhaupt nicht mehr der entscheidende Punkt ist, ist sie nach wie vor sinnvoll und notwendig. Ich könnte hier jetzt Herrn Schröder von der GdP zitieren, der gerade vor kurzem noch einmal festgestellt hat, daß ja nach der heutigen Technik unsere Personalausweise schon so vollständig maschinenlesbar sind. Dann kann ich nur sagen: Der neue Personalausweis mit nur einer kleinen Lesezone ist weitaus günstiger im Sinne des Datenschutzes für die Bürger. Ich weiß gar nicht, worüber Sie sich in dieser Frage eigentlich aufregen. Wohin kämen wir eigentlich, wenn wir Polizei und Strafverfolgungsbehörden auf überholtes Handwerkszeug festlegen wollten und die Sicherheitsbehörden angesichts der unverminderten Kriminalitätsbedrohung vom technischen Fortschritt abschnitten?Auf der einen Seite sind die Verbrecherbanden mit modernsten Techniken hervorragend organisiert, auf der anderen Seite wollen Sie, daß die Polizei mit herkömmlichen und überholten Methoden arbeiten muß, so nach dem Motto der GRÜNEN: Wir wollen den Nachtwächterstaat. Genau das werden wir zu verhindern wissen.
Auch für das hinter manchen Äußerungen der Datenschützer hervortretende Mißtrauen gegen-
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Clemensüber den Angehörigen unserer Sicherheitsbehörden habe ich überhaupt kein Verständnis. Schließlich haben sich die deutsche Polizei, die Staatsanwaltschaften und auch der Verfassungsschutz seit Bestehen unseres Staates als eine der loyalsten und zuverlässigsten Stützen von Demokratie und Rechtsstaat erwiesen.
Unsere Sicherheitsbehörden verfügen, wie Meinungsumfragen immer wieder bestätigen, über ein beachtliches und ungebrochenes Vertrauenskapital in der Bevölkerung. Um so schädlicher erscheint es uns, jetzt unsinnige Ängste schüren zu wollen und grundlos auf dem Vertrauensverhältnis zwischen unserer Bevölkerung und der Polizei herumzutrampeln.
Im übrigen ist es doch auch keineswegs so, als ob nur die Bundesrepublik Deutschland maschinenlesbare Personalausweise einführt. Das gleiche ist in Belgien der Fall. Das gleiche erleben wir in Großbritannien, jedenfalls in bezug auf den Europapaß. Desgleichen haben wir in Amerika automatisch lesbare Reisepässe. Ich sage Ihnen heute schon: Weitere Länder werden folgen. Man kann sich in bezug auf die innere Sicherheit nun wirklich nicht immer am schwächsten Glied ausrichten. Vielmehr muß man das Beste wollen. Daher müssen alle Länder zusammenarbeiten. Genau das ist das Ziel, nämlich auch in dieser Sache in Europa voranzukommen.Der immer wieder vorgetragene Hinweis auf den eingeleiteten Abbau der Grenzkontrollen innerhalb der Europäischen Gemeinschaften liegt absolut neben der Sache. Abgesehen davon, daß es sicherlich noch ein sehr langer Weg ist, bis die Grenzen einmal wegfallen, kann ich mir nicht vorstellen, daß das 1992 der Fall ist, wo es doch noch so viele zu harmonisierende Rechtsanpassungen geben muß, bevor wir die Grenzen aufmachen können. Die innere Sicherheit können wir nicht an der fehlenden Rechtsangleichung leiden lassen. Außerdem haben wir aber auch dann noch Außengrenzen der Europäischen Gemeinschaft. Auf den internationalen Flughäfen, z. B. in Frankfurt/Main, werden wir auf lange Sicht nicht ohne strenge Grenzkontrollen auskommen. Gerade auf den Flughäfen wird die Einführung der maschinenlesbaren Ausweise eine fühlbare Beschleunigung und Erleichterung der Grenzabfertigung im Interesse der Bürger mit sich bringen.
Herr Abgeordneter, die für Sie gemeldete Redezeit ist abgelaufen. Ich möchte Sie nur darauf hinweisen.
Mir wurde gerade gesagt, ich hätte 16 Minuten. Die Uhr hier zeigt allerdings immer etwas Falsches an, um das deutlich zu sagen, und zwar schon längere Zeit.
Die Uhren stimmen immer, Herr Kollege.
Entschuldigung, aber als ich meine Rede begann, stand die Uhr bei 3, jetzt steht sie bei — 04.Nicht von ungefähr hat die Internationale Zivilluftfahrtorganisation seit Jahren weltweit die Einführung automatisch lesbarer Personalpapiere gefordert.Die jetzt verabschiedeten Gesetze sind ein wichtiger Beitrag zur Verbrechensbekämpfung. Zugleich wird den Bürgern der nach der Verfassung gebotene Schutz ihrer personenbezogenen Daten im größtmöglichen Umfang garantiert. Das informationelle Selbstbestimmungsrecht eines jeden Bürgers ist durch die Ausweisgesetze gewährleistet.Allen, die in diesem Zusammenhang leichtfertig und unbegründet verfassungsrechtliche Bedenken äußern, möchte ich einen Gedanken des früheren Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts, Herrn Benda
— doch, ich möchte ihn ausnahmsweise noch einmal positiv zitieren —,
unter dessen Vorsitz das Gericht sein bekanntes Volkszählungsurteil gefällt hat, entgegenhalten. Er sagt:Das Recht auf die informationelle Selbstbestimmung und der ebenfalls verfassungsrechtlich anerkannte Rang der Sicherheit des Staates und seiner Bevölkerung müssen in der Praxis zu einem optimalen Ausgleich gebracht werden. Gegenüber der Aufklärung einer Straftat oder der Abwehr einer Gefahr muß aber das Selbstbestimmungsrecht des Rechtsbrechers oder des Störers zurücktreten.Datenschutz darf eben nicht zum Täterschutz werden. Genau das müssen wir mit der Einführung dieser Personalausweise erreichen.Lassen Sie mich abschließend noch zwei Gedanken deutschland- und europapolitischer Art zum Paßgesetz äußern. An dem Paßgesetz kann man ablesen, wie es mit der Freizügigkeit der Bürger bestellt ist. Vielleicht sind wir im freien Teil Deutschlands bereits zu sehr an unsere unbeschränkten Reisemöglichkeiten in andere Staaten gewöhnt, um den Wert unseres Paßgesetzes in dieser Richtung vollständig zu begreifen. Wesentlich ist jedenfalls, daß jeder Deutsche im Sinne des Art. 116 unseres Grundgesetzes, also auch Einwohner der DDR, einen Paß erhalten und damit im Ausland reisen können.Europapolitisch ist der neue weinrote Europapaß ein beachtliches Signal. Er ist ein Gewinn für die Sicherheit. Die dazu erlassenen Regelungen verwirklichen beispielhaft den Datenschutz. Sie sind ein beträchtlicher europapolitischer Fortschritt. Die Unionsparteien treten deshalb für ihre möglichst rasche Verwirklichung ein.Ich bedanke mich.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Tietjen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Clemens, auf Ihre oberflächlichen Ausführungen einzugehen lohnt sich nun wirklich nicht. Ich will Sie nur einmal fragen, wie Sie einen Mörder erwischen wollen, wenn dieser einen fälschungssicheren Personalausweis tragen muß. Wie wollen Sie einen Räuber mittels eines fälschungssicheren Personalausweises erwischen? Dasselbe gilt für einen Vergewaltiger. Was Sie hier gesagt haben, Herr Clemens, war so oberflächlich, daß es sich wirklich nicht lohnt, darauf einzugehen. Aber man kennt Ihre Oberflächlichkeit aus dem Innenausschuß.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren, die Bundesregierung und die sie tragenden Koalitionsfraktionen wollen mit der Verabschiedung des Personalausweis- und Paßgesetzes und der Einführung neuer Ausweisdokumente, die angeblich einen mehrfachen Zweck erfüllen sollen, zwei Dinge erreichen: Die Ausweise sollen zum einen fälschungs- und verfälschungssicher sein; zum anderen soll durch die Schaffung einer maschinenlesbaren Zone das automatische, das heißt das computermäßige Lesen des Personalausweises und des Europapasses ermöglicht werden.
Es ist zutreffend, daß dieses Gesetzgebungsvorhaben seit den 70er Jahren schon mehrfach beschlossen und wieder zurückgestellt wurde. Die SPD-Fraktion hat sich nicht dagegen gewehrt, daß am vergangenen, von Ihnen so hektisch gemachten Freitag in zweiter und dritter Lesung über den maschinenlesbaren Personalausweis und Europapaß entschieden werden sollte. Wir haben uns aber, meine Damen und Herren, entschieden dagegen gewehrt, daß gleichzeitig — sozusagen im Hand-streichverfahren — ein neuer, in seinen Konsequenzen bisher nicht absehbarer Paragraph, nämlich § 163 d, in die Strafprozeßordnung eingeführt werden sollte.
Diese Änderung der Strafprozeßordnung, meine sehr verehrten Damen und Herren, macht einen nahezu zügellosen Einsatz des neuen Europapasses und Personalausweises möglich.
Ich persönlich danke dem Herrn Präsidenten sehr herzlich dafür, daß er mit dafür gesorgt hat, seine Parteifreunde zur Raison zu bringen
und diese wichtige Änderung der Strafprozeßordnung nicht im Eilverfahren durchzupauken oder durchzupeitschen, wie das manche von Ihnen zu sagen beliebten.
Das ist ein schlimmer Akt, den Sie hier vorführen wollten.
Wir Sozialdemokraten bekennen uns dazu, daß wir Ende der 70er Jahre, als die Anschläge der Terroristen zwar nicht unseren demokratischen Staat, aber die Sicherheit unschuldiger Bürger gefährdeten, auch nachdrücklich einen fälschungssicheren Personalausweis gefordert haben.
Sicherheitsexperten haben uns damals versichert, daß die neuen Ausweisdokumente ein Beitrag zur Bekämpfung von Terrorismus und der Kriminalität sein würden. Heute, meine Damen und Herren — das scheinen Sie nicht begreifen zu wollen —, müssen wir feststellen, daß die Sicherheitsexperten, die den fälschungssicheren Personalausweis immer forderten, zum Teil eine viel differenziertere Meinung vertreten und den Sicherheitsgewinn dieser Ausweisdokumente in Abrede stellen.
Ich zitiere in diesem Zusammenhang den Leiter des Hamburger Landesamtes für Verfassungsschutz, das CDU-Mitglied Christian Lochte,
— das ist richtig, das können Sie nicht vertragen —,
der nämlich sagte:
Absolute Fälschungssicherheit als solche gibt es gar nicht. Natürlich ist auch in weiterer Zukunft ein falscher Ausweis herzustellen. Also hier wird so getan,
— das tun Sie dann ja —
als würde die angebliche Fälschungssicherheit einen Gewinn in der Verbrechensbekämpfung bringen. Ich kann darlegen, daß ein Sicherheitsgewinn damit nicht verbunden ist.
So das CDU-Mitglied Lochte, Herr Clemens.
Sprechen Sie mit ihm, streiten Sie mit ihm!
Die SPD-Fraktion hat in nachweisbarer Geradlinigkeit gefordert, daß mit der Einführung eines neuen Personalausweises auch datenschutzrechtliche Regelungen im Sicherheitsbereich geschaffen werden.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Clemens?
Nein. Ich habe Herrn Clemens vorhin klassifiziert und damit deutlich gemacht, daß es sich nicht lohnt, von ihm Zwischenfragen entgegenzunehmen.
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Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 202. Sitzung. Bonn, Freitag, den 28. Februar 1986 15517
TietjenWir stehen auch heute noch ohne jede Einschränkung zu der einstimmig angenommenen Entschließung des Deutschen Bundestages vom 17. Januar 1980, in der es heißt, daß anläßlich der Einführung neuer Personalausweise weitere Maßnahmen erforderlich sind, um einen ausreichenden Schutz der Persönlichkeitsrechte der Bürger gegen mißbräuchliche Verwendung ihrer persönlichen Daten zu gewährleisten. Aber, meine Damen und Herren, heute stehen wir vor der erschreckenden Tatsache, daß es die Bundesregierung, ihr Innenminister, der Herr Ankündigungsminister Zimmermann, und die Rechtskoalition sträflich — ich sage: sträflich — unterlassen haben, die datenschutzrechtlichen Bedenken und Anregungen aufzugreifen, in das Gesetzeswerk einzubauen und damit den Ausweis aus seinem Geruch, ein Instrument der Massendatenverarbeitung und der ungezügelten Kontrolle des Bürgers durch den Staat zu sein, herauszuholen.
Für uns Sozialdemokraten, meine Damen und Herren, sind Datenschutz und innere Sicherheit kein Gegensatz. Beide stehen in einem natürlichen Spannungsverhältnis wie Freiheit und Sicherheit und bedürfen in jedem Einzelfall der Abwägung und des Ausgleichs.
Beides ist Grundrechtsverwirklichung, sowohl Datenschutz als auch die Gewährleistung von innerer Sicherheit.Ich stelle fest, meine Damen und Herren, daß es die Bundesregierung bis heute unterlassen hat, für die Einführung eines maschinenlesbaren Personalausweises und des Europapasses eine sachlich zwingende und überzeugende Begründung zu liefern.
Wir Sozialdemokraten bestreiten die Notwendigkeit des neuen maschinenlesbaren Personalausweises und des Europapasses für die Beschleunigung der Grenzkontrollen. Ich habe schon wiederholt erklärt, daß ich die Maschinenlesbarkeit rechtsstaatlich nicht für einwandfrei begründet halte
ja, Sie denken zuwenig über den Rechtsstaat nach; das ist das Problem bei Ihnen —
und auch ihr praktischer Nutzen für die innere Sicherheit nicht schlüssig nachgewiesen ist. Bislang war immer nur die Rede davon, daß entsprechende Lesegeräte nur an der Grenze installiert werden sollten und aus Kostengründen in den Bundesländern nur — wenn überhaupt — eine geringe Stückzahl beschafft werden soll. Wenn dann noch nach erklärter politischer Absicht — ich denke an Ihren Bundeskanzler, der im Europawahlkampf die Öffnung aller Grenzen verkündet hat — Grenzkontrollen bis auf Stichproben abgeschafft werden sollen, vermag ich bei ganz simpler Kosten-Nutzen-Rechnung keinen Gewinn mehr zu erkennen. Im Gegenteil: Die mit der Maschinenlesbarkeit verbundenen Nutzungsmöglichkeiten werden eine Perfektionierung der Überwachungssysteme mit sich bringen. Das wird noch erhebliche Auswirkungen auf den gesetzestreuen Bürger haben, der mittels dieses Ausweises in Verdachtssituationen geraten kann, die er sich in seinen schlimmsten Alpträumen nie hätte vorstellen können.
Die Gefahren, meine Damen und Herren, die wir mit der Maschinenlesbarkeit des neuen Personalausweises verbunden sehen, hat in der Vergangenheit auch die FDP gesehen. Aber das ist lange, lange her, Herr Kollege Hirsch. Der innenpolitische Sprecher der FDP-Fraktion, der Kollege Burkhard Hirsch, hat noch am 23. Oktober 1984 in einer Presseerklärung vollmundig verkündet, daß die Koalitionsfraktionen von CDU/CSU und FDP übereingekommen seien, gleichlaufend mit dem Personalausweisgesetz weitere gesetzliche Datenschutzregelungen im Sicherheitsbereich „einzuläuten". Die FDP hat in der Vergangenheit gezeigt, daß sie ihren liberalen Grundsätzen immer wieder untreu geworden ist. Ich sage ganz deutlich, daß die FDP nicht mehr als das liberale, freiheitliche Korrektiv dieser Koalitionsregierung angesehen werden kann.
Unter dem Gesichtspunkt der inneren Sicherheit sind die neuen Ausweisdokumente entbehrlich; für die Überwachung des Bürgers sind sie aber leider ein hervorragend geeignetes Instrument. Dies ist aber auch die Absicht dieser Rechts-Regierung und der sie tragenden Koalitionsfraktionen.Während CDU/CSU und FDP die staatlichen Sicherheitsorgane allzuständig und allwissend machen wollen, gehen wir Sozialdemokraten nach wie vor den von der Verfassung vorgegebenen Weg, d. h. jedem Bürger ein Maximum an Freiheiten zu gewährleisten und der Staatsmacht nur so viel Eingriffsmöglichkeiten zu gestatten, wie sie zum Aufrechterhalten der Sicherheit und Ordnung benötigt.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich mit einem Zitat des Vorsitzenden meiner Gewerkschaft, der Gewerkschaft der Polizei, Günter Schröder, abschließen; er sagt: Nicht das technisch Machbare und Mögliche ist der Maßstab für die Arbeit der Polizei,
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Tietjensondern das von den Bürgern Gewünschte und Notwendige, ausgerichtet und beschränkt durch die Verfassung.
Der sogenannte fälschungssichere und maschinenlesbare Personalausweis und der Europapaß entsprechen diesem Grundsatz nicht. Deshalb lehnen wir Sozialdemokraten diese Gesetze ab.
— Und daß Sie hier so wie üblich in maßloser Weise Zwischenrufe machen,
zeigt, daß Sie sich schuldig fühlen an einem Gesetz,
das Sie machen mußten, weil die „Elefantenrunde" dies gefordert hat.Schönen Dank.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Hirsch.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Man kann sich, wenn man an Datenschutz interessiert ist, über das Aufsehen eigentlich freuen, das bei diesem Gesetz deutlich geworden ist, weil nämlich dadurch jedermann klargeworden ist, daß der Staat nicht jedes denkbare Machtmittel einsetzen darf, auch wenn er hier einen guten Zweck — Fragen der Strafverfolgung — erfüllen will.Ausdehnung staatlicher Machtmittel kann dann, wenn ein bestimmter Punkt überschritten wird, nicht zu mehr Sicherheit, sondern zu mehr Furcht führen.
Dieser Punkt ist um so eher erreicht, je mehr der einzelne glaubt, selbst betroffen zu sein, und je weniger er durchschaut, um was es sich handelt.Meine Damen und Herren von der SPD, wenn wir uns auf irgendeinem Gebiet um Gemeinsamkeit bemühen oder wenigstens unsere Meinungsverschiedenheiten sorgsam definieren müßten, dann wäre es auf dem Gebiet der inneren Sicherheit — oder besser: bei der sorgsamen liberalen Abwägung zwischen der Freiheit des einzelnen und seinen Pflichten, dem Staat die Durchsetzung des Rechts zu ermöglichen.
Das sollte ohne Polemik möglich sein. Es kann auch der SPD, es kann auch den von ihr gestellten Innenministern nicht gleichgültig sein, Herr Winterstein, wenn die Polizei plötzlich als eine Organisation dar-gestellt wird, die nur darauf aus ist, das Recht zu brechen, ihre Mittel zu mißbrauchen und den Bürger zu unterjochen. Damit entziehen Sie der Polizei das Vertrauen der Bürger. Ob wir eine demokratische und — ich sage — republikanische Polizei haben oder nicht, hängt nicht von einem Detail des Gesetzes ab, sondern von dem Geist, in dem die Polizei geführt wird.
Was Sie, Herr Minister Winterstein, vor wenigen Tagen in einer Sendung des Hessischen Fernsehens an Unterstellungen akzeptiert haben — Sie haben es mitgemacht, Sie haben dem nicht widersprochen —, das hat mich schon erschrocken. Das ist eigentlich ein Tiefstand politischer Kultur. Das muß ich Ihnen leider sagen.
Wir sollten also die maßlose Polemik den GRÜNEN überlassen
und sachlich prüfen, ob diese Gesetze die notwendigen Grenzen zwischen staatlicher Macht und bürgerlicher Freiheit sicher ziehen.Ob der Personalausweis und der Paß maschinenlesbar sein sollen oder nicht, dazu wird seit Jahren kein neuer Gedanke mehr vorgetragen. Solange die SPD, Herr Tietjen, an der Regierung beteiligt war, hat sie sich immer ausdrücklich dafür entschieden.
Mir ist unklar, Herr Minister Zimmermann, wie Sie in einer Presseerklärung sagen lassen können, daß Ihr Vorgänger zwar für den maschinenlesbaren Ausweis gewesen sei, sich dann aber dagegen gewendet habe. Derjenige, der Ihnen das aufgeschrieben hat, muß einen plötzlichen geistigen Aussetzer gehabt haben.
Wir haben gemeinsam schon lange vor dem Volkszählungsurteil die Bedingungen definiert, die auch heute noch Bestand haben, daß maschinenlesbar nämlich nur der Name, das Geburtsdatum und die Ausweisnummer sein dürfen, daß der Ausweis keine heimlichen Mitteilungen enthalten darf und daß die Maschinenlesbarkeit nur von der Polizei und an der Grenze vom Zoll zum Abruf aus dem polizeilichen Fahndungsbestand benutzt werden darf.Ihre Bedenken können nur darin liegen, daß ein zukünftiger Gesetzgeber über diese Schranken hinausgehen könnte. Das ist richtig. Aber die politischen Wertungen unserer Nachfolger oder der Landtage beeinflussen wir bestimmt nicht mit § 1 Abs. 3 des Personalausweisgesetzes, sondern möglicherweise mit der politischen Kultur, mit der wir unsere Auseinandersetzungen austragen.Ich halte auch nichts davon, den Leuten vorzugaukeln, daß die Maschinenlesbarkeit das Entscheidende sei, wenn wir doch wissen, daß der Unterschied nur darin liegt, daß die entsprechenden
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Dr. HirschDaten sonst mit der Hand des Polizeibeamten in die Datenverarbeitung eingegeben werden.
— Wollen Sie etwas zur Maschinenlesbarkeit fragen?
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Ja, wenn mir die Zeit nicht angerechnet wird.
Bitte sehr, Herr Kollege Mann.
Herr Kollege Dr. Hirsch, eine aufklärende Frage: Ist es richtig, daß nach wie vor alle Datenschutzbeauftragten der Länder und der Bundesdatenschutzbeauftragte die Maschinenlesbarkeit ablehnen, weil ihrer Meinung nach im Sinne des Volkszählungsurteils keine überwiegenden Interessen des Gemeinwohls zur Einführung dieses gefährlichen Systems dargelegt sind?
Herr Kollege Mann, wir haben uns mit den Datenschutzbeauftragten über diese Frage in mehreren Anhörungen auseinandergesetzt. Es ist richtig, daß einige von ihnen — nicht alle — in der Tat Bedenken erheben.
Ich glaube, daß die Datenschutzbeauftragten zwar ihren Bereich sehen, aber nicht alle Einzelheiten der polizeilichen Konsequenzen übersehen können.
Ich setze mich hier damit auseinander, daß sich die Sozialdemokraten über Jahre hinweg einmütig für die Maschinenlesbarkeit eingesetzt haben
und daß sie sich plötzlich davon abseilen, seitdem sie nicht mehr in der Regierung sind. — Lieber Herr Kollege Duve, auch nach dem Volkszählungsurteil ist von Ihrer Seite — ich meine jetzt nicht Sie persönlich, aber Ihre Fachleute — nicht ein einziger neuer Gedanke vorgetragen worden, der zu einer anderen Beurteilung führen müßte. Wir haben gesagt, daß wir die Bedingungen definieren müssen, und das tun wir allerdings mit äußerster Akribie.
Nun hat sich die Diskussion auf die Frage der Schleppnetzfahndung verlagert. Schon dieser Begriff zeigt das Problem: ob und in welchem Umfang wir einen Bürger polizeilich in Anspruch nehmen wollen, der nicht tatverdächtig ist, bei dem aber die Polizei zunächst nicht ausschließen kann, daß er als Täter in Betracht kommt. Nun rügen Sie das Verfahren; auch Herr Tietjen hat das getan. Sie sagen, Sie seien in dieser Frage überfallen worden. Dazu muß ich sagen, daß das nicht richtig ist.Das sogenannte Schleppnetz ist zum erstenmal in § 3 a des Gesetzentwurfs vom Oktober 1984 in allen Einzelheiten dargestellt und hier in der ersten Lesung am 25. Oktober 1984 behandelt worden. Am 20. Mai 1985 hat es eine Anhörung gegeben. Wir haben daraus Folgerungen gezogen und haben am 15. Januar 1986 im Innenausschuß neue Formulierungen eingebracht. Diese sind noch einmal einer Anhörung unterworfen worden. Daraufhin haben wir weitere Einschränkungen eingebracht.
Das Enttäuschende ist, daß Sie bei aller Opposition, die ich würdige, seit dem Oktober 1984 aus den Anhörungen und Formulierungen keine für uns erkennbare Konsequenz gezogen haben. Sie haben nicht einen einzigen Antrag dazu eingebracht, Sie lehnen es nur ab.
Was wir nun in dem Gesetzentwurf haben, geht nach meiner Überzeugung hinter den geltenden § 111 der Strafprozeßordnung zurück. Die Kontrollstellen werden nur bei wenigen Delikten der Schwerstkriminalität eingerichtet: Mord, Totschlag, Menschenraub, schwerer Raub.
Die richterliche Anordnung ist die Voraussetzung oder ist als unverzügliche Bestätigung erforderlich. Wenn sie nicht binnen dreier Tage folgt, wird alles gelöscht.
Wir haben eine absolute Höchstgrenze der Speicherung. Vorgeschrieben ist, daß die Auswertung der Daten nur bei der Polizei oder der Staatsanwaltschaft erfolgen kann, daß es keine Übermittlung an irgendwelche sonstigen Dienste gibt. Wir haben vorgeschrieben, daß die Auswertung der Daten ausschließlich zur Aufklärung der Straftat erfolgen darf, derentwegen eine Kontrollstelle eingerichtet wird,
allerdings einschließlich der Zufallsfunde. Dazu hat nur Herr Ströbele bisher die Meinung vertreten, daß man einem Täter, den man frisch an einer Kontrollstelle erwischt, sagen muß: Gute Fahrt, lieber Freund, wir haben dich nicht bei dieser Gelegenheit gesucht!
— Auch das haben wir Ihnen in epischer Breite erklärt.
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Dr. HirschDie Auswertung des Datenbestandes darf nur mit dem Ziel erfolgen, die Straftat, um die es sich handelt, festzustellen und aufzuklären.
Wollen Sie, wenn man bei dieser finalen, zweckgerichteten Aufklärung eine andere Straftat erkennt, meinetwegen feststellt, daß ein Auto, das durch die Kontrollstelle gefahren ist, gestohlen war, etwa dem Eigentümer dieses Autos sagen: Guter Mann, wir wissen zwar, wer deinen Wagen gestohlen hat, aber leider können wir nichts tun, weil Herr Ströbele dagegen ist? Wenn Sie so Datenschutz verstehen, bleibt nach kurzer Zeit vom Datenschutz nichts mehr übrig. Das muß ich Ihnen leider sagen.
Der Herr Kollege Winterstein kann ja nachher darstellen, in welcher Weise er die log-Bänder von HEPOLIS zu einer Schleppfahndung großen Umfanges benutzt.
Und da sollten Sie nicht sagen, Herr Winterstein, daß sie von der Staatsanwaltschaft gezwungen würden, wenn Sie nach dem Bericht von Herrn Simitis freiwillig die Bänder herausgeben, jedenfalls nichts Erkennbares getan haben, um die Herausgabe dieser log-Bänder zu verhindern.
Schließlich haben wir vorgesehen, daß derjenige, gegen den die Ermittlungen eingeleitet werden, möglichst bald informiert wird.Ich finde es wirklich interessant, daß Sie in unseren tagelangen Beratungen zwar im Zweifel darüber waren, ob die gewählten Formulierungen den beabsichtigten Inhalt treffen, daß Sie aber zum Inhalt selbst keine Anträge, außer natürlich auf völlige Ablehnung, gestellt haben.Wir denken, daß man diese computergestützte Ringfahndung — wer das Wort „Schleppnetz" erfunden hat, der war auch nicht ganz bei Trost —
bei Delikten der Schwerstkriminalität zulassen sollte. Und wir denken, daß der Bürger das auch akzeptiert.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Wernitz?
Ja, bitte schön.
Herr Kollege Hirsch, können Sie mir bestätigen, daß es der Vertreter der Bundesregierung selbst war, der in die Beratungen des Innenausschusses den Begriff „Schleppnetzfahndung" eingeführt hat?
Herr Kollege Wernitz, es ist zutreffend, daß ich im Innenausschuß zum erstenmal diesen Begriff gehört habe, und zwar von einem Mitarbeiter des Ministeriums.
Nur muß das ja nicht dazu führen, daß man diesen Begriff für richtig hält. Die Sprache ist eine Waffe. Und wer einen solchen Begriff erfindet, tut das mit einer Vorstellung, die ich nicht teilen kann. Und sie ist doch auch nicht sachgerecht.
Ursprünglich lagen Vorstellungen auf dem Tisch, die sehr viel weiter gingen. Wir haben gegen diese Vorschläge Widerstand geleistet und aus diesem Instrument das gemacht, was ich eine computergestützte Ringfahndung nenne. Das trifft die Sache besser.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Ströbele?
Herr Präsident, es hat keinen Sinn, mit Herrn Ströbele zu diskutieren, weil er stets erklärt: Was immer Sie vorschlagen, wir lehnen es ab. — Herr Kollege Ströbele, ich möchte also fortfahren.
Ich denke, daß der Bürger diese Art der Fahndung akzeptiert. Wir halten die jetzt gefundene Form für vertretbar.Ich möchte — Herr Vogel, das muß ich sagen — in meinem Leben — Herr Vogel, ich möchte Sie an Dinge erinnern, die wir gemeinsam erlebt haben — nicht noch einmal vor der Frage stehen, ob ich zur Aufklärung einer Straftat von höchstem öffentlichen Interesse und zur Rettung eines Menschen an die Grenzen der Legalität oder darüber hinaus gehen muß.
Ich möchte keine Regelung haben, bei der sich die Exekutive dann sehr leicht in den Notstand getrieben fühlt. Das heißt aber auch, daß wir als Gesetzgeber verpflichtet sind, für Fälle dieser äußersten Art Regelungen zur Verfügung zu stellen, die auch in diesen Dingen ein legales und strikt am Gesetz orientiertes Vorgehen erlauben.
Meine Damen und Herren, der Sinn der Gesetzgebung, die das Volkszählungsurteil ausfüllen soll, ist es, auch unter den Bedingungen der elektronischen Datenverarbeitung Vertrauen und Rechtsfrieden zu schaffen. Die bisherigen Erfahrungen waren nicht ermutigend. Darum müssen wir uns trotz des aufziehenden Wahlkampfes bemühen, die Auseinandersetzungen auf den Boden der Sachlich-
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Dr. Hirschkeit zurückzuführen. Wir wünschen uns, daß die Länder ihre Überlegungen zu einem neuen Polizeirecht endlich veröffentlichen und diese Entwürfe nicht länger der öffentlichen Diskussion entziehen. Wir möchten, daß Bund und Länder möglichst bald ihre Vorstellungen zur Strafprozeßordnung vorlegen. Dieser Wunsch bezieht sich auch auf das Gesetz über das Bundeskriminalamt und andere Gesetze. Es ist richtig, daß die Gesetzgebung nur schrittweise vorgehen kann, aber es muß der Gesamtplan erkennbar werden, nach dem wir unser Rechtssystem notwendigerweise den Grundsätzen des Volkszählungsurteils anpassen wollen.
Wir haben die Chance, den Eiferern aller politischen Richtungen abzusagen und den Versuch zu unternehmen, über die Grenzen der Fraktionen hinweg einen neuen, gemeinsamen Anfang der Zusammenarbeit in Fragen der inneren Sicherheit zu machen. Der Bürger erwartet es, und wir sind dazu bereit.
Das Wort hat der Abgeordnete Ströbele.
Herr Präsident! Liebe Bürgerinnen und Bürger! Nach 40 Stunden Beratung — davon über 20 Stunden im Innenausschuß — zu diesen beiden Gesetzen möchte ich zunächst einmal ganz kurz aus dem Kuddelmuddel der Paragraphen, der Artikel und der Absätze aussteigen und Ihnen hier einige grundsätzliche Gedanken vortragen.
Die Frage, die man in Deutschland doch auch einmal stellen müßte, lautet: Braucht man eigentlich unbedingt einen Personalausweis? Braucht man Anmeldungen? Wäre es nicht erstrebenswert, in Deutschland umziehen zu können, ohne sich umzumelden, wie das in anderen Ländern geht, und daß jedes Legitimationspapier ausreicht, um Ausweisbedürfnisse zu befriedigen?
Ist das nicht vielleicht das, was das Grundgesetz unter Freizügigkeit versteht? Wäre es nicht eine tolle Idee, in Deutschland so etwas möglich zu machen?
Oder ist das alles Quatsch, ist das irreal, ist das töricht?
— Diese Frage sollten Sie stellen. Dann sollten Sie, Herr Clemens, einmal in die USA und nach England und in die anderen westlichen Demokratien gukken. Dann würden Sie feststellen, daß es dort ge-nausowenig einen Personalausweiszwang wie ein Meldegesetz gibt.
Vielleicht würde es diesem 10. Deutschen Bundestag zur Ehre gereichen, wenn er den Personalausweiszwang, der von den nationalsozialistischen Behörden erstmals 1938 in Deutschland eingeführt worden ist, aufheben würde. Das wäre ein Ziel, für das zu kämpfen es sich lohnen würde.
In dieser Richtung sollten wir als Gesetzgeber denken. So verstehe ich eigentlich auch die Aufforderung des Bundesverfassungsgerichts im Volkszählungsurteil: mehr Persönlichkeitsrecht und mehr Datenschutz für die Bürger zu schaffen.Wenn man so etwas im Innenausschuß diskutieren will, dann läuft Herr Hirsch 'raus; dann denkt er überhaupt nicht darüber nach. Bei Herrn Hirsch und bei Herrn Baum merkt man eben den ehemaligen Polizeiminister. Sie können gar nicht mehr anders denken.
Sie können überhaupt nur denken: mehr Kontrolle, mehr Überwachung, mehr Zwang. Die einzige Frage, die Sie sich stellen, ist: Wieviel können Sie der Bevökerung im Augenblick zumuten, und wieviel macht das Verfassungsgericht gerade so eben noch mit? Das ist die einzige Grenze, die Sie beachten.
Sie schaffen an, Sie behalten bei: Ausweispflicht, Paßpflicht, Meldepflicht, Volkszählungspflicht, Mikrozensuspflicht. Überall nur Zwang, überall nur Pflichten! Das Wort Freiwilligkeit haben Sie völlig vergessen.
Das alles steht unter dem Motto: mehr Sicherheit. Sicherheit könnte eigentlich ein positiver Begriff sein, aber für Sie ist mehr Sicherheit immer nur mehr Staat, mehr Polizei, mehr Geheimdienste und mehr soziale Kontrolle der Bevölkerung.
Sie sehen die Bürgerinnen und Bürger nur noch als Störer, als potentielle Straftäter, eben als Sicherheitsrisiko. Das ist der Geist der Sicherheitsgesetze, mit denen wir uns insgesamt beschäftigen müssen. Das ist der Geist auch des maschinenlesbaren Personalausweises und Passes.Die ganze Bevölkerung, jeder Mann und jede Frau, soll ab 1987 den maschinenlesbaren Personalausweis und am besten auch noch den maschinenlesbaren Paß besitzen, beide mit Seriennum-
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Ströbelemern, Lesezonen, zwei zusätzlichen Karteien, zwei zusätzlichen Registern, in denen die Daten der Bürger gespeichert sind und die für die Behörden nahezu grenzenlos zugänglich sind.
Die Begründung, die immer wieder gebracht wird — von Herrn Zimmermann heute auch wieder —, ist die schnellere Abfertigung an der Grenze und bei Kontrollen. Wenn das richtig ist, Herr Zimmermann, warum geben Sie dann dem Bürger nicht die Wahlfreiheit? Warum nehmen Sie ihn nicht ernst als Individuum und sagen: Okay, wer das Ding haben möchte, kann es haben, und wer das nicht haben möchte, kann den Ausweis haben, den er haben will, so wie wir ihn vorgeschlagen haben?
Warum wollen Sie den Bürger zwangsweise verpflichten, nur noch mit maschinenlesbarem Paß ins Ausland reisen zu können, und ihn damit all den Risiken aussetzen, die hier beschrieben worden sind und zu denen ich gleich noch komme?
Dann wird von besserer Verbrechensbekämpfung gesprochen. Darum soll es gehen. Nicht nur Herr Lochte — der Kollege Mann hat darauf hingewiesen —, sondern Polizeibeamte, die wir im Hearing gehört haben — Herr Schröder hat das gesagt, andere Sachverständige haben das gesagt —, haben gesagt, daß das dazu überhaupt nicht erforderlich sei. In anderen Ländern gibt es keinen maschinenlesbaren Paß und keinen Personalausweis. Versinken die denn im Chaos von Verbrechen und Unordnung? Da geht es doch auch ohne diese zusätzlichen Kontrollmöglichkeiten. Das heißt, dieses Argument ist gesucht. Das ist eines der Argumente, die von dem ehemaligen Präsidenten des BKA gebracht worden sind und die Sie jetzt immer wieder nachbeten.
Die Gefahren aber, die von dieser Plastikkarte, die wir ab April 1987 alle haben sollen, ausgehen, sind kaum abzuschätzen.
— Genau darauf komme ich jetzt: Welche Gefahren? Als erstes können Sie mit diesen Plastikkarten nahezu alle Dateien erschließen. Als zweites ist die Mißbrauchsgefahr da. Ich rede aber gar nicht von der Mißbrauchsgefahr, sondern ich rede davon, wovon auch Herr Baumann, der Datenschutzbeauftragte, in der letzten Woche im Innenausschuß immer wieder, bis nach Mitternacht, geredet hat, daß dieses Instrument, das Sie schaffen, daß dieser Schlüssel, den Sie schaffen, die Begehrlichkeit allüberall, im privaten Bereich und im öffentlichen Bereich, wecken wird, ihn zu benutzen, dieses Instrument einzusetzen und immer mehr Möglichkeiten für die Anwendung zu schaffen.
§ 3 a dieses Gesetzes gibt den Länderbehörden, gibt den Ländergesetzgebern, gibt dem Bundesgesetzgeber die Möglichkeit, das grenzenlos auszuweiten. Sie haben selbst gehört, daß Herr Baumann im Innenausschuß darauf hingewiesen hat — er hat von seinen Mitarbeitern ein Szenario entwickeln lassen —, für was das alles benutzt werden kann:
für die Zugangskontrolle zu Banken, Zugangskontrolle zum Bundestag beispielsweise, Zugangskontrolle zu Fußballstadien, Zugangskontrolle zu einem Tennismatch von Boris Becker, für all das kann das gebraucht werden. Herr Baumann hat sich unseren Bitten verschlossen, uns das vorzulegen, was seine Mitarbeiter erarbeitet haben, mit der Begründung, er wolle die Angst, die dann noch zusätzlich komme, nicht vergrößern. Das Horrorgemälde, das sich da in den Akten befindet, würde zeigen, daß wir mit unseren Befürchtungen leider allzu recht haben.
Der maschinenlesbare Paß — ich habe Ihnen im Innenausschuß den Brief einer Bürgerin vorgelesen, die an mich geschrieben hat; Sie haben das einfach übergangen — kann in allen Staaten, in die Sie reisen, gebraucht werden. Sie zwingen diesen Paß den Bürgerinnen und Bürgern auf, die damit reisen müssen, wenn sie ins Ausland gehen. Im Ausland bei jeder x-beliebigen Militärdiktatur kann dieses Instrument gegen den Bürger, der sich dort aufhält, gebraucht werden, gegen den Deutschen und die Deutschen, die dort leben und die sich den Kontrollen aussetzen müssen. Sie zwingen ihnen diesen Paß auf; die haben keine andere Möglichkeit. Damit liefern Sie die Bürger solchen diktatorischen Regimen, die solche Lesegeräte längst haben, nahezu schonungslos, grenzenlos und schutzlos aus.
— Paraguay zum Beispiel. — Nicht zu vergessen die Sicherheitsbehörden selbst, die Polizei, die Geheimdienste sind in höchstem Maße daran interessiert, daß dieses Instrument geschaffen wird.Als ich im Innenausschuß darum gebeten habe, die Gesetzentwürfe der Länder, die Befugnisse der Polizei und das betreffend, was alles später mit dem maschinenlesbaren Personalausweis und dem Paß gemacht werden kann, vorzulegen, wurde ich selbst von der SPD fast überfallen; mir wurde gesagt, das habe hiermit überhaupt nichts zu tun, das gehe uns überhaupt nichts an, und das sei auch gar nicht so schnell beschaffbar.Am nächsten Morgen lagen die Gesetzentwürfe vor, z. B. der aus Hessen. Nach diesen Gesetzentwürfen plant die Polizei — das müssen Sie wissen, wenn Sie das verabschieden — die Speicherung personenbezogener Daten im Rahmen der vorbeugenden Verbrechensbekämpfung, nicht etwa nur
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Ströbeledann, wenn eine Straftat begangen worden ist, sondern für die vorbeugende Verbrechensbekämpfung, die Herr Herold immer im Kopf hatte. Diese Ausweise sollen nicht nur dazu benutzt werden, Daten aufzunehmen, sondern auch dazu, Daten zu speichern, und zwar zu Tatbeständen, die überhaupt nichts mit § 111 und mit Raub und mit Mord und mit all dem, wovon Sie immer reden, zu tun haben; vielmehr wird dafür nahezu jeder Paragraph des Strafgesetzbuches ausreichen, von der einfachen Körperverletzung bis dahin, daß sogar private Interessen geschützt werden. Die Polizei plant dies. Das Gesetz, das Sie hier heute verabschieden wollen, gibt der Polizei die Möglichkeit, das zu tun, und gibt den Ländern die Möglichkeit, dafür die Rechtsgrundlagen zu schaffen. Damit wird genau das getan, worauf der Kollege Volmer heute morgen hingewiesen hat: Der Bürger wird nahezu grenzenlos in den Dateien gespeichert, und damit soll soziale Kontrolle ermöglicht werden.
Während wir im Innenausschuß noch darüber gestritten haben, welche Gefahren von § 163d ausgehen könnten,
werden diese Gesetze in den Ländern geplant, vorbereitet und in naher Zukunft wahrscheinlich auch verabschiedet.
Der maschinenlesbare Personalausweis schafft das Instrumentarium, und alle, die es gebrauchen können, werden es nutzen. § 3 a schafft diese Möglichkeit ohne jede Begrenzung.
Wir brauchen diesen Personalausweis nicht. Wir brauchen den § 163d, die Schleppnetzfahndung, nicht. Herr Hirsch, Sie haben darauf hingewiesen, daß die Sprache vieles verrät. Die Sprache verrät hier auch den Geist der Leute, die den Begriff „Schleppnetzfahndung" geprägt haben. Wir im Innenausschuß haben dieses Wort von einem Herrn aus dem Bundesinnenministerium nicht nur gehört, sondern er hat uns auch gesagt, woher es kommt. Er hat es nicht selber erfunden, sondern das ist ein polizeilicher Begriff,
ein Begriff, der für die Polizei der maßgebliche ist,
und das zeigt, daß die Polizei den Bürger als Fischauffaßt, über den sie das Netz werfen kann, in demalle hängenbleiben, das Netz, mit dem sie dannversucht, sich die großen und die kleinen, die grünen Heringe und die anderen herauszufischen.
Durch diesen § 163 d wird der Verdacht vorverlagert, auf Grund dessen die Strafverfolgungsbehörden und die Polizei tätig werden können. Als Verdächtiger ist in Zukunft jeder anzusehen, der sich an einer Kontrollstelle, die eingerichtet worden ist, um die Daten der Bürger aufzunehmen, oder an einer Grenzstelle bewegt.
Sie sagen: Der Eingriff in die Rechte der Bürger
ist ja gar nicht so schlimm, denn wer nichts zu verbergen hat — das wird hier ja immer wieder gesagt —,
muß sich auch in die Dateien aufnehmen lassen. Das Bundesverfassungsgericht hat dankenswerterweise darauf hingewiesen, daß dieser lautlose Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Bürgers als genauso schwerwiegend zu bewerten ist wie ein Eingriff beispielsweise durch eine Hausdurchsuchung.Der Bürger, der befürchten muß, daß seine Daten aufgenommen werden und gespeichert werden, der sich deshalb in seiner politischen Betätigung beschränken läßt, der möglicherweise davon ausgeht, daß dann, wenn er zu einer Veranstaltung geht, seine Daten aufgenommen werden, und der damit rechnen muß, daß diese Daten dann gespeichert werden, wird sich dreimal überlegen, ob er von seinem Recht auf Meinungsfreiheit und politische Betätigung Gebrauch macht.
Das ist der Grund dafür, daß wir diesen Eingriff als mindestens genauso schwerwiegend ansehen wie den Eingriff in die Rechte der Bürger bei Durchsuchungen.
Das ist die unheimliche Sicherheit, die Sie uns mit diesem Ausweis bescheren wollen.
Der Bürger soll selber nicht mehr feststellen, soll selber eigentlich gar nicht mehr merken, was mit ihm und was mit seinen Rechten geschieht;
die Eingriffsqualität dieser Datenspeicherung soll er nicht erkennen.
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StröbeleWir setzen gegen diese Art von Sicherheit, die Sie immer wieder proklamieren, Freiwilligkeit und Vertrauen.
Wir wollen weniger Staat, wir wollen mehr Bürgerfreiheit. Deshalb wollen wir ein freiwilliges Identitätspapier. Wir wollen einen Ausweis, zu dem der Bürger selber entscheiden kann, ob er ihn haben will oder nicht, ob er ihn braucht oder nicht, ohne Seriennummer, ohne Registrierung in zusätzlichen Dateien, mit technischer Sicherheit, daß diese Daten nicht in automatischen Dateien gespeichert werden können, und damit mit konsequentem Datenschutz.
Wenn die Bürgerinnen und Bürger der Staat sind, dann können die Bürgerinnen und Bürger auch bestimmen, was für einen Ausweis und unter welchen Umständen sie ihn sich zubilligen wollen.
Wir können mit unseren paar Abgeordneten hier nicht verhindern, daß dieses Gesetz heute erlassen wird.
Aber wir können die Anwendung dieser Gesetze erschweren, und wir fordern die SPD auf, uns in den Ländern zu folgen und uns dabei zu unterstützen, daß diese Lesegeräte bei der Polizei nicht angeschafft werden, daß die neuen Gesetze nicht praktiziert werden.
Herr Abgeordneter, Ihre Redezeit ist abgelaufen. Bitte kommen Sie zum Schluß!
Wir werden die Bürger dabei unterstützen in ihren Aktionen des zivilen Ungehorsams, die dieses Gesetz unterlaufen werden.
Herr Abgeordneter, es ist unzulässig, von dem Rednerpult des Deutschen Bundestages aus zum Widerstand gegen ein Gesetz aufzufordern. Ich mahne Sie zur Ordnung.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Laufs.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Opposition sprach — ich muß nach den erneuten mehrtägigen Beratungen im Innenausschuß davon ausgehen — wider besseres Wissen von „uferlosen Massenspeicherungen" und „millionenfachen Totalkontrollen an den Grenzen". Das ist alles schlichte Vedrehung der Tatsachen und pure Demagogie. Es ist verantwortungslos, wie Sie hier auf Kosten der inneren Sicherheit unseres Landes und ohne Rücksicht auf das Ansehen von Polizei und Sicherheitsbehörden in der Bevölkerung, meine Damen und Herren von der SPD, Ihre Koalitionsfähigkeit mit den GRÜNEN unter Beweis stellen.
Herr Kollege Tietjen, mit Zitaten des Vorsitzenden der Gewerkschaft der Polizei, Herrn Schröder, sollte man vorsichtig sein. Heute lesen wir in der „Frankfurter Rundschau" von Schröders Kritik am Gesetzgebungsverfahren, die Polizei sei nicht einmal gefragt worden, welche Fahndungsmethode sie tatsächlich benötige. „Unser Rat war nicht gefragt", sagte er wörtlich. Die hier diskutierte und neu geregelte Fahndungsart stand im Mittelpunkt der Anhörungen des Innenausschusses vom 20. Mai 1985 und vom 12. Februar 1986. Bei der Anhörung am 20. Mai 1985 waren als Sachverständige eingeladen: der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, der Leiter der Kriminalpolizei Berlin, der Leiter der Polizeiabteilung des Bayerischen Staatsministeriums des Innern und der Präsident des Bundeskriminalamts. Bei der Anhörung am 12. Februar dieses Jahres waren anwesend der Präsident des Bundeskriminalamtes, ein Vertreter des Bundes deutscher Kripobeamter, der Leiter der Polizeiabteilung des Bayerischen Staatministeriums des Innern, der Leitende Polizeidirektor und Kommandeur der Schutzpolizei bei der Bezirksregierung Weser-Ems, der Leiter der für die Polizei zuständigen Abteilung des nordrhein-westfälischen Innenministeriums und wieder der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei.
Und da sagt nun Herr Schröder: „Der Rat der Polizei war nicht gefragt." Meine Damen und Herren, wir bedauern zutiefst, daß sich der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei mit seinen unzutreffenden Äußerungen an der Verunsicherung der Bevölkerung beteiligt.
Meine Damen und Herren, die neuen Ausweise dienen vor allem der besseren Verbrechensbekämpfung.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Tietjen?
Ja, bitte schön, Herr Tietjen.
Herr Kollege Laufs, können Sie mir zustimmen, daß der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei zwar bei der Anhörung auf Grund unse-
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Tietjenrer Einladung zugegen war, daß Sie aber im Gesetzgebungsverfahren überhaupt nicht bereit waren, auf die Argumente der Gewerkschaft der Polizei einzugehen?
Beides, was Sie hier sagen, ist unzutreffend. Zunächst einmal hatte der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei ausgiebig Gelegenheit, seine Gedanken zu äußern. Wir haben sie in die Beratungen eingeführt, wie Sie auch wissen. Wenn Sie nicht ausgezogen wären, hätten Sie das noch besser verfolgen können; denn wir haben noch eine ganze Reihe von Änderungen in die Formulierungen eingeführt, die Ihnen heute vorliegen.Meine Damen und Herren, der Sicherheitsgewinn durch die Fälschungssicherheit des neuen Passes und des Personalausweises ist unbestreitbar. Soll es denn auf einmal nicht mehr wahr sein, daß sich Straftäter in allen Bereichen der Kriminalität, insbesondere der Schwerstkriminalität, abhanden gekommener oder gestohlener Personalausweise und Pässe bedienen? Nach wie vor sind Terroristen auf die Verwendung falscher Personalpapiere angewiesen.
Der deutsche Terrorismus hätte sich in den Jahren 1974 bis 1977 nicht in diesem schrecklichen, mörderischen Ausmaß entwickelt, hätten sich die Terroristen nicht falscher Papiere bedienen können. Es war schließlich vor Jahren Andreas Baader, der Chef und Mitbegründer der RAF-Bande, der seine Gesinnungsfreunde damals dazu aufrief, sich ihr eigenes Paßamt zu schaffen. Von dieser Empfehlung haben die Terroristen dann ja bis heute reichlich Gebrauch gemacht. Im übrigen zeigt die kriminalpolizeiliche Praxis tagtäglich bis heute, daß zur Vorbereitung oder Flucht, etwa nach Eigentumsdelikten, wie Diebstahl, Raub und dergleichen, gefälschte Personaldokumente zum Anmieten von Fahrzeugen, bei der Anmeldung in Hotels, zu Scheckbetrügereien usw. benutzt werden.
Gleichfalls sollte unter vernünftig denkenden Menschen der Punkt Maschinenlesbarkeit längst abgehakt sein. Diese technische Qualität hat ihren eindeutigen Nutzen für die Bürger. Das automatische Lesen ist bürgerfreundlich, zweckmäßig und entspricht dem Stand der Technik, wie wir ihn von unseren Bankscheckkarten oder Firmenausweisen kennen. Das heute umständliche und personalaufwendige Verfahren bei Ausweiskontrollen geht schneller und fehlerfrei, ohne daß sich an der Kontrolle und der anschließenden Datenverarbeitung auch nur das geringste ändert. Warum sollen z. B. die Passagiere eines angekommenen Großraumflugzeuges lange warten, bis die Ausweisdaten umständlich von Hand und vielfach fehlerhaft eingetastet sind, wenn es automatisch schneller und fehlerfrei geht?
Die Art und Zahl der polizeilichen Kontrollen und die Verwendung der dabei erhobenen Daten sind völlig unabhängig von der Maschinenlesbarkeit der kontrollierten Ausweise.
Intensität und Anzahl der Kontrollen hängen in einem Rechtsstaat nicht von der technischen Beschaffenheit des Ausweises, sondern von Gesetzen, Rechtsverordnungen, Dienstvorschriften ab. Im übrigen bräuchte ein Ausweis gar nicht computergerecht zu sein; die moderne Elektronik kann jedes Schriftstück lesen.
Es kommt also nicht auf die maschinell lesbare Zone von Personalausweis und Paß,
sondern entscheidend darauf an, ob die Verwendung der bei Ausweiskontrollen gewonnenen Daten präzise und unter Berücksichtigung des Datenschutzes geregelt ist.Genau das hat die Koalition in diesen Gesetzen getan. Paß- und Personalausweisgesetz enthalten wirksame Vorkehrungen für den Persönlichkeitsschutz, wie sie im Bereich der inneren Sicherheit noch nie, weder im Bund noch in irgendeinem noch so „fortschrittlichen" Bundesland vorhanden waren. Wir entsprechen in vollem Umfang den Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts an den Umgang mit personenbezogenen Daten durch staatliche Behörden.
— Wir werden in Ruhe abwarten, Herr Kollege, ob sich die Opposition mit einer mutwilligen Klage gegen diese Gesetze eine Abfuhr beim Bundesverfassungsgericht holen will.
Von der angeblich so berechtigten Klage gegen das von den Koalitionsfraktionen durchgesetzte Vermummungsverbot haben wir bis heute nichts gesehen.Wer sich einmal die Mühe macht, die im Frühjahr 1984 von den Datenschutzbeauftragten nach dem Volkszählungsurteil erhobenen Forderungen nachzulesen, wird feststellen, daß sie in den vorliegenden Gesetzentwürfen berücksichtigt sind. So sind z. B. der Inhalt der Lesezone und die Möglichkeiten des Zugriffs auf das Personalausweisregister genau umschrieben, und das Anlegen von Bewegungsbildern mit Hilfe des neuen Ausweises ist sowohl im öffentlichen als auch im privaten Bereich ausgeschlossen und unter Strafe gestellt.Durch eine Ergänzung der Strafprozeßordnung um den neuen § 163d schaffen wir erstmals eine präzise gesetzliche Grundlage für größere Fahndungsmaßnahmen, z. B. die sogenannte Ringfahn-
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Dr. Laufsdung, bei der zur Aufklärung schwerster Straftaten auch die Daten von Personen, deren Tatbeteiligung zunächst noch offen ist, mit Computerhilfe vorübergehend gespeichert werden.Von allen Sachverständigen, auch von denen, die den neuen Ausweisen im übrigen ablehnend gegenüberstanden, wurde bei der Anhörung am 12. Februar eingeräumt, daß die Strafverfolgungsbehörden für Fälle schwerster Kriminalität die Fahndungsmöglichkeit in Gestalt der vorübergehenden Speicherung eines größeren Personenkreises haben müssen.Die Unionsparteien treten mit aller Entschiedenheit dafür ein, daß die Persönlichkeit des Menschen in unserer hochtechnisierten Welt zuverlässig geschützt wird. Für uns ist die innere Sicherheit kein Selbstzweck, sondern unabdingbare Voraussetzung für Freiheit und Entfaltung der Bürger. Polizei, Staatsanwaltschaft oder Verfassungsschutz müssen notwendigerweise mit personenbezogenen Daten umgehen. Das geschieht nicht aus Neugier oder um Bürger "zu reglementieren, sondern ausschließlich zur Wahrung von Leben, Freiheit und Eigentum aller Bürger und zur Aufrechterhaltung unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung.
Wir wollen keinen allwissenden Staat. Wir sind uns aber gleichfalls unserer Verantwortung für den Schutz der Bürger vor Kriminalität bewußt. Schließlich wird der Gesamtbestand der bürgerlichen Freiheiten nicht dadurch größer, daß man Straftaten nicht verfolgt oder die Sicherheitsbehörden lähmt.Mit dem neuen Personalausweisgesetz und dem neuen Europapaßgesetz tragen wir den Prinzipien unserer Verfassung Rechnung. Das wird von der überwiegenden Mehrheit der Bürger verstanden, wie die überaus hohe Zustimmung zu den neuen Ausweisen bei Umfragen zeigt. Es besteht deshalb kein Grund, mit der Einführung der neuen Ausweise im nächsten Jahr länger zu warten.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Fischer .
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Laufs, ich glaube, es erübrigt sich, sich mit Ihren Auffassungen hier auseinanderzusetzen.
Die CDU/CSU hat bei den Beratungen im Rechtsausschuß gezeigt, daß sie ideologisch so festgefahren ist, daß sie weder diskussionsbereit noch diskussionsfähig ist.
Viel lohnender erscheint es mir, sich mit dem auseinanderzusetzen, was Herr Kollege Dr. Hirsch hier vorgetragen hat, auch wenn Sie heute vormittag versucht haben, Herr Dr. Hirsch, durch polemische Angriffe auf meine Fraktion von dem skandalösen Verfahren — ich weiß, wie Sie darüber denken — abzulenken, mit dem dieses Gesetz beraten worden ist.
Die Art und Weise, wie dieser Gesetzentwurf und insbesondere die Vorschrift über die Schleppnetzfahndung beraten wurde, dürfte nach meiner Meinung in der Geschichte des deutschen Parlamentarismus beispiellos sein.
In der vergangenen Woche nutzte die Koalition ihre Geschäftsordnungsmehrheit und beendete die Beratungen im Rechtsausschuß durch einen Maulkorbbeschluß.
In dieser Woche wurde gemauert. CDU/CSU hüllten sich in Schweigen, und die Kollegen der FDP nahmen an den inhaltlichen Beratungen noch nicht einmal körperlich teil.
Es wurde abgestimmt, obwohl nur zwei der fünf Absätze des § 163d der Strafprozeßordnung überhaupt angesprochen werden konnten. Sie, meine Damen und Herren von der Koalition, haben aus Ihrem sattsam bekannten skandalösen Verhalten der letzten Woche und aus der begrüßenswerten Initiative des Herrn Bundestagspräsidenten nichts, aber auch gar nichts gelernt,
ganz einfach deshalb nichts, weil Sie nichts lernen wollen.
Sie benutzen Ihre Mehrheit als Keule, und Sie schleudern diese Keule gegen die parlamentarische Opposition. Aber Sie treffen und beschädigen die parlamentarische Demokratie.
Sie, meine Damen und Herren von der Koalition, wollen mit Ihrer Mehrheit ein Gesetz durchpeitschen, das tief in die Persönlichkeitssphäre des Bürgers eingreift und das zu einer tiefen Verunsicherung der Bürger in unserem Lande führen wird.
Selbst in der Hochzeit des Terrorismus, als die gesetzgeberischen Beratungen wahrlich unter Zeitdruck erfolgen mußten, ist es zu Verfahrensabläu-
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fen, die den jetzigen auch nur annähernd vergleichbar wären, nicht gekommen.
— Ich weiß, wovon ich spreche.
Hinweise der Sachverständigen bei der Anhörung, Hinweise des früheren Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts, Herrn Bendas, daß die Verfassung den Gesetzgeber verpflichte, schwierige und komplexe Gesetzesmaterien gründlich und in der erforderlichen Zeit zu beraten, schlagen Sie in den Wind.
Den Fachverstand der Richter, der Staatsanwälte, der Rechtsanwälte haben Sie trotz unserer eindringlichen Mahnungen von den Beratungen ausgegrenzt.
Man muß sich fragen, Herr Kollege Clemens, warum Sie das tun. Es gibt keinen sachlichen Grund dafür. Das wissen Sie genau. Es besteht auch kein Zeitdruck.
Auch das wissen Sie. Wer daran bisher noch gezweifelt haben mag, der müßte es seit dem vergangenen Mittwoch besser wissen; denn im Rechtsausschuß hat der Vertreter des Herrn Innenministers erklärt, daß die Speicherung maschinengelesener Daten noch Zukunftsmusik sei.
Ich frage mich: Weshalb also diese Eile?
— Warum verabschieden Sie denn dieses Gesetz, wenn Sie es nicht anwenden können?
Ich sage Ihnen nur eins: Der § 163 d — über den rede ich — muß und kann grundrechtskonformer gestaltet werden. Anregungen und Vorschläge liegen auf dem Tisch. Auch das wissen Sie. Und wenn Sie schon nicht auf uns hören wollen, dann hören Sie wenigstens auf den Bundesdatenschutzbeauftragten und koppeln Sie § 163d der Strafprozeßordnung ab, damit endlich gründlich und sorgfältig darüber geredet werden kann.
Es gibt nur eine Erklärung für Ihre Hast, für Ihre Hektik, für Ihre Oberflächlichkeit, mit der Sie dieses Gesetz beraten haben:
Auch Sie hat das Elefantenfieber gepackt. Die Parteivorsitzenden von CDU, CSU und FDP haben den Marschbefehl gegeben, und die unabhängigen, an Weisungen nicht gebundenen Abgeordneten der Koalitionsparteien folgen diesem Befehl, getrieben von ihren Peitschenschwingern, kritik- und bedingungslos.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Hirsch?
Bitte sehr.
Herr Kollege, ich kann das Verfahren im Rechtsausschuß nicht beurteilen. Aber räumen Sie denn ein, daß wir die Materie, um die es geht, zwei Anhörungen unterworfen haben, nämlich am 20. Mai 1985
und am 12. Februar 1986? Warum wird denn von Ihrer Fraktion aus dieser Anhörung keine Konsequenz gezogen? Warum stellen Sie keine Anträge zur Sache, wenn Sie meinen, daß da noch etwas zu ändern sei?
Herr Kollege Dr. Hirsch, zu der Frage, was die Haltung unserer Fraktion angeht, werde ich noch kommen. Nur eines sollten Sie bedenken: Wir kritisieren deshalb das Anhörungsverfahren, weil uns die Koalition nach der zweiten Anhörung, von der Sie sprachen, einen völlig veränderten Entwurf auf den Tisch gelegt hat — einen völlig veränderten Entwurf! —
und wir der Meinung waren, daß die Sachverständigen, die gegen den ersten Entwurf verfassungsrechtliche Bedenken geäußert hatten, zumindest dazu noch einmal gehört werden sollten. Das ist unser Anliegen.
Meine Damen und Herren, ich sage Ihnen nur eins: Mit dem von Ihnen praktizierten Verfahren hat die parlamentarische Kultur in diesem Hause einen Tiefststand erreicht.
Meine Damen und Herren, hier geht es nicht umdie Änderung eines 08/15-Gesetzes; hier geht es um
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die Änderung der Strafprozeßordnung in einem rechtspolitisch zentralen Punkt, nämlich um die Legalisierung der Nutzung der elektronischen Datenverarbeitung durch die Strafverfolgungsorgane. Es geht darum, das Spannungsverhältnis von staatlichem Sicherheitsinteresse auf der einen Seite und Selbstbestimmungsrecht der Bürger auf der anderen Seite in einer verfassungsgerechten Weise aufzulösen. Hier, meine Damen und Herren, steht deutsche Rechtskultur auf der Tagesordnung.
Wir Sozialdemokraten wollen eine funktionsfähige Strafrechtspflege; wir wollen, daß rechtstreue Bürger vor Rechtsbrechern geschützt werden;
wir wollen, daß die Strafverfolgungsorgane ihre Aufgabe erfüllen können; wir wollen, daß sie auch moderne technische Möglichkeiten nutzen können; aber wir wollen auch, daß Staatsanwaltschaft und Polizei, und nicht zuletzt in ihrem eigenen Interesse, sich in dem gesetzlichen Rahmen bewegen, der ihnen durch das Grundgesetz und durch das Bundesverfassungsgericht vorgegeben ist.
In einer freiheitlichen Gesellschaftsordnung muß jeder Bürger wissen können, wer was wann und bei welcher Gelegenheit über ihn weiß. Das muß er deshalb wissen können, weil das freiheitlich-demokratische Gemeinwesen vom Vertrauen seiner Bürger in die Institutionen des Staates lebt,
weil es auf die Handlungs- und Mitwirkungsfähigkeit seiner Bürger angewiesen ist. Dieses Vertrauen läßt sich aber nur dann gewinnen und bewahren, wenn der Staat in den Freiheitsraum und die Persönlichkeitssphäre des einzelnen nicht weiter eindringt, als dies zum Schutze anderer Rechtsgüter und anderer Verfassungswerte unumgänglich ist.
Diesen Anforderungen, meine Damen und Herren, genügt § 163d in keiner Weise. Sie haben das Schleppnetz noch enger geknüpft. Auch die kleinsten Fische werden sich jetzt darin verfangen, auch Ladendiebe, auch Zechpreller, auch Schnapsschmuggler; alle werden sie darin hängenbleiben.
Durch die Einbeziehung der Daten, die bei polizeilichen Grenzkontrollen anfallen, werden bei jährlich etwa 870 Millionen Grenzübertritten auch bei noch so enger Fassung der Speicherungsanordnung Hunderttausende unbescholtene und unverdächtige Bürger in die polizeilichen Datentöpfe gelangen. Wie Sie dies mit dem Verfassungsgebot der Verhältnismäßigkeit vereinbaren wollen, bleibt das Geheimnis der Erfinder dieses Gesetzentwurfs.
Das Schleppnetz, meine Damen und Herren, entfaltet auch dann noch seine volle Wirkung, wenn die ursprüngliche Speicherungsanordnung vom Richter für rechtswidrig erklärt wird. Für diese Fälle sieht der Entwurf weder ein Löschungsgebot noch ein Verwertungsverbot für die angefallenen Daten vor.
Auch das vom Bundesverfassungsgericht geforderte Zweckbindungsgebot wird durchbrochen. Daten, die ursprünglich nur zur Verfolgung von Schwerstkriminalität erhoben wurden, dürfen zur Verfolgung jeder anderen Straftat, unabhängig von ihrem Gewicht, weitergegeben werden.
Nun, Herr Kollege Dr. Hirsch, berufen Sie sich zur Rechtfertigung dieser Regelung — wenn ich das richtig gelesen habe — gerne auf das in der Strafprozeßordnung verankerte Legalitätsprinzip, das die Staatsanwaltschaft verpflichtet, strafbare Handlungen zu verfolgen. Sie verkennen jedoch, daß dem Legalitätsprinzip kein Verfassungsrang zukommt und daß die Strafprozeßordnung selber eine Reihe von Durchbrechungen des Legalitätsprinzips enthält.
Nach meiner Meinung verkennen Sie auch, daß das Legalitätsprinzip jedenfalls dann zurückzutreten hat, wenn der staatliche Strafanspruch nur unter unverhältnismäßiger Beeinträchtigung von Grundrechten durchgesetzt werden kann.
So ist es aber hier.
— Ich kenne den Text des § 163d StPO besser als Sie, Herr Laufs; davon können Sie ausgehen.
Aber ich habe manchmal den Eindruck, daß manche, die hier darüber sprechen, noch nicht einmal einen Satz davon gelesen haben.
Entscheidend, meine Damen und Herren, aber ist, daß § 163d StPO nicht in eine Gesamtkonzeption für eine Novellierung der Strafprozeßordnung eingebettet ist. Fast zweieinviertel Jahre nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts wäre es eigentlich an der Zeit, daß die Bundesregierung die vom Bundesverfassungsgericht geforderte Gesamtregelung für die Strafprozeßordnung vorlegt. Die
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Folge dieser isolierten Regelung ist Rechtsunsicherheit, Rechtsunsicherheit vor allem für die Polizei und für die Strafverfolgungsorgane, weil eine Reihe von Maßnahmen, z. B. die Rasterfahndung, z. B. die polizeiliche Beobachtung, wenn es zu dieser isolierten Regelung kommt, nicht mehr toleriert werden können, weil keine gesetzliche Grundlage mehr dafür vorhanden sein wird.
Die Koalition muß sich den Vorwurf gefallen lassen, daß sie den Versuch für vorrangig hält, einwandfreie gesetzliche Grundlagen für die Speicherung von Daten völlig unbescholtener Bürger zu schaffen, statt endlich die Erhebung und Speicherung von Daten verdächtiger oder sogar angeklagter Bürger auf eine sichere gesetzliche Grundlage zu stellen.Aus diesen wenigen Beispielen — ich könnte sie beliebig ergänzen — wird zweierlei deutlich: Erstens. Dieser § 163 d der Strafprozeßordnung ist derart unausgereift, ist mit so erheblichen verfassungsrechtlichen Risiken behaftet, daß es völlig sinnlos wäre, Worte oder Sätze zu verändern. Notwendig ist eine Gesamtkonzeption, und diese läßt sich nur durch eine sorgfältige und umfassende Beratung des Gesamtkomplexes erreichen.
Und ein Zweites sage ich Ihnen: Man braucht kein Prophet zu sein, um vorauszusagen, daß dieser § 163d beim Bundesverfassungsgericht landen wird.
— Wir nicht, aber ich sagte, man brauche kein Prophet zu sein. —
Wer einen Gesetzentwurf so schludrig erarbeitet, wer offenkundige verfassungsrechtliche Probleme einfach verdrängt, wer mit Minderheitenrechten so umspringt, wie das hier geschehen ist, wer Sachdebatten durch Geschäftsordnungsbeschlüsse abwürgt, braucht sich nicht zu wundern, wenn das Bundesverfassungsgericht — bedauerlicherweise — immer häufiger zum Ersatzparlament umfunktioniert wird.
Manche von Ihnen, meine Damen und Herren in der Koalition, werden sich ob Ihrer so erfolgreichen Demonstration der Macht und der zur Schau gestellten Pseudohandlungsfähigkeit gegenseitig auf die Schultern klopfen. In Wahrheit, meine Damen und Herren — das müssen Sie sich sagen lassen —, haben Sie, und zwar ohne Not — ohne Not! —, dem Parlamentarismus und dem Rechtsstaat schweren Schaden zugefügt.
Das Wort hat der Abgeordnete Baum.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte mich zunächst bei Ihnen, Herr Präsident, dafür bedanken, daß Sie in der letzten Woche zur Beruhigung des Beratungsklimas beigetragen haben, wie wir heute erleben. Auch wenn sich die Argumente nicht geändert haben, haben wir die Gelegenheit doch genutzt — ich sage das für alle Seiten des Hauses —, uns in intensiver Debatte im Innenausschuß und auch im Rechtsausschuß mit der Sache zu befassen.
Das ist das Ergebnis auch des Engagements des Bundestagspräsidenten und des Präsidiums. Das möchte ich hervorheben.
Herr Kollege Fischer, bei Ihrer Argumentation fällt zunächst auf, daß Sie sagen: Dieser Entwurf ist zu kritisieren. Sie üben heftige Kritik, aber so, als handle es sich noch um den alten Entwurf. Dann sagen Sie wörtlich, wenn Sie auf die Verfahrensfrage kommen, „dieser Entwurf habe sich völlig verändert", und fügen hinzu: Mit diesem völlig veränderten Entwurf haben wir uns gar nicht befassen können. Was stimmt denn nun? Beides paßt doch nicht zueinander.Der Entwurf ist in einem schwierigen Beratungsprozeß in der Koalition geändert worden. Wir haben, sehr sorgfältig und intensiv, Konsequenzen aus der Anhörung gezogen,
und Sie haben Ihre Konsequenzen nicht konkretisiert. Man kann ja der Meinung sein, daß dieses ganze Verfahren nicht akzeptabel ist. Aber Sie können sich doch aus einer so wichtigen Diskussion nicht in der Sache ausklinken!
Sie müssen doch wenigstens hilfsweise sagen, was Sie anders machen wollen.
Und, mit Verlaub gesagt: Sie müssen uns, die Regierung, doch auch stellen, Sie müssen uns doch deutlich machen, wo wir Ihnen dann möglicherweise nicht folgen. Sie als Opposition haben uns aus dieser Verantwortung einfach entlassen.
Ich finde das nicht so gut; ich hätte das an Ihrer Stelle anders gemacht.
Ich habe wieder nur Bedenken gehört — —
— Ich habe j a nun mit einigen Kollegen in derKoalition versucht, dieser Verantwortung gerecht
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Baumzu werden, und ich habe hier eine Offenheit für die Änderungen gefunden.
Ich muß eine weitere Bemerkung machen: Wir diskutieren über die Sicherheitsgesetze, und die werden so dargestellt, als solle nun auf Kosten der Freiheit der Bürger den Sicherheitsbehörden eine Unmenge neuer Kompetenzen gegeben werden. Erinnern wir uns doch gemeinsam, daß der Ausgangspunkt der Debatte das Volkszählungsurteil und die Forderung des Gerichtes ist — die auch immer unsere politische Forderung war —, daß Datenschutz konkretisierter Grundrechtsschutz sein muß.
Das heißt, der Ausgangspunkt ist nicht die innere Sicherheit, nicht die Sorge um die innere Sicherheit und das Funktionieren der Sicherheitsorgane, sondern die Sorge um den Schutz der Privatheit, die Freiheit des einzelnen, den konkretisierten Grundrechtsschutz.
Wir müssen also von der Datenschutzseite an die Sache herangehen, und wir tun das auch. Das ist der Ausgangspunkt. Ich werde nicht zulassen, daß diese Bemühung in der hier von mir genannten Form diffamiert wird.Es ist so — auch das wird uns langsam bewußt; es ist ja alles gesetzgeberisches Neuland, meine Kollegen —: Die gesamten Gesetze zur inneren Sicherheit in Bund und Ländern müssen nicht nur irgendwo geändert werden, sondern sie müssen grundlegend durchdacht werden.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Es ist nicht einfach festzuschreiben, was geschieht, sondern es muß auch immer überprüft werden, was geschehen darf und was geschehen muß. Ich kenne keine vergleichbare Operation im Sicherheitsbereich, seit diese Gesetze in Kraft getreten sind. Es ist eine gewaltige Kraftanstrengung, der wir uns hier unterziehen.
Das bedeutet, Herr Kollege Winterstein, daß Bund und Länder in einem Boot sitzen. Sie haben in Hessen ein Verfassungsschutzgesetz aus dem Jahre 1951. Das ist nicht sehr modern, entspricht dem Volkszählungsurteil überhaupt nicht, nicht wahr! Wir erwarten Ihre Vorschläge; wir haben welche gemacht. Wir haben die Schwierigkeit der Materie zu bewältigen versucht. Kritisieren kann nur, wer sich der gleichen Bemühung unterzieht.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. de With? — Bitte sehr.
Herr Kollege Baum, wollen Sie zur Kenntnis nehmen, daß der Schleppnetzparagraph, wie er jetzt zur Debatte steht, für die Opposition erst vor zehn Tagen das Licht der Welt erblickt hat und deswegen im Rechtsausschuß nicht genügend Beratungszeit vorhanden war, so daß wir unsere Fragen, ohne daß sie noch beantwortet werden konnten, einfach zu Protokoll geben mußten, und daß deswegen schon keine Alternativvorschläge gemacht werden konnten? Sie brauchen nur das Protokoll nachzulesen, dann werden Sie es feststellen.
Ich könnte es mir jetzt sehr einfach machen und mache es mir auch einfach: Ihr Kollege, der neben Ihnen steht, Herr Ströbele, hat eine ganze Reihe von Änderungsvorschlägen vorgelegt, die ich zwar alle ablehne; aber er hat sich konkret an der Debatte beteiligt.
Wissen Sie: Dieser Eindruck, den Sie hier machen, ist doch der Eindruck einer Hilflosigkeit.
Wenn Sie so stark gegen die Sache vorgehen, dann müssen Sie auch, wie wir das in der Koalition selbstkritisch getan haben,
die Dinge beim Namen nennen. Sie müssen uns klipp und klar sagen, was Sie ändern wollen. Das haben Sie leider nicht getan.
Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage des Abgeordneten Ströbele? — Bitte sehr.
Herr Kollege Baum, ich gebe Ihnen recht, daß das Urteil des Bundesverfassungsgerichts mehr Datenschutz fordert. Aber geben Sie mir dann auch recht, daß Sie mit der geplanten Regelung durch die Einführung der Maschinenlesbarkeit bei Paß und Personalausweis zusätzliche Datenrisiken schaffen, also das Gegenteil von dem tun, was das Bundesverfassungsgericht gefordert hat?
Herr Kollege Ströbele, wenn Sie die Debatte so führen, wie Sie sie heute früh geführt haben, erwecken Sie in der Tat bei dem Zuhörer den Eindruck, wir würden uns über diese Grundsätze hinwegsetzen. Das geschieht einfach aus dem Grunde, weil Sie alle diese vielen Sicherungen verschweigen, die im Gesetz stehen.
Sie erwecken den Eindruck, als könne der Ausweis privat im Parkhaus genutzt werden. Alles ist ausgeschlossen und verboten!Ich berate über das Gesetz seit Mitte der 70er Jahre. Ich kenne kein Gesetz, das so intensiv in Anhörungen mit Praktikern, Datenschützern und Wissenschaftlern behandelt worden ist und derart nach allen Seiten abgeklopft worden ist. Nach dem
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Baumjetzigen Gesetz sind alle Ihre Befürchtungen gegenstandslos.
Ich kann doch die Hand nicht für irgendeinen künftigen Gesetzgeber ins Feuer legen. Ich beschließe das Gesetz im Vertrauen darauf, daß die Schranken, die ich will, bestehenbleiben. Das ist die Grundlage, für die ich mich einsetzen werde.Es ist nur eine enge Handhabung des Ausweises möglich. Das müßten Sie der Redlichkeit halber bei jeder Diskussion, die Sie draußen führen, den Bürgern neben Ihrer Kritik sagen.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage des Abgeordneten Schulte ?
Es wird langsam ein bißchen viel, Herr Präsident. Ich möchte doch im Zusammenhang vortragen.Die Gesetze, die wir in der Koalition vorgelegt haben, sind nur ein Teilstück der bevorstehenden Gesetzgebung. Es ist mit Recht gesagt worden, es fehlten Regelungen für den BGS, das BKA, die Strafprozeßordnung, die Verfassungsschutzgesetze und die Polizeigesetze der Länder.
Wir werden von einigen Überlegungen ausgehen, die uns immer geleitet haben. Computer ermöglichen nicht nur rationelle Verwaltungsarbeit, sie schaffen auch eine neue Qualität staatlichen Handelns. Es gibt Bedenken und Sorgen der Bürger gegen die Anonymität des Staates und seiner Apparaturen. Viele Bürger fühlen sich einer unüberschaubaren staatlichen und sonstigen Bürokratie ausgeliefert.Wir als Liberale werden nicht nur in der Wirtschaftspolitik, sondern auch hier immer wieder die Grenzen der Staatstätigkeit aufzeigen. Wir werden uns fragen, was der Staat unbedingt braucht, und werden ihm das geben, aber nicht mehr. Die staatliche Verwaltung muß eine Unvollständigkeit ihrer Information in Kauf nehmen und ihren Aufgaben auch in Kenntnis von Informationsgrenzen nachgehen. Die Effektivität staatlichen Handelns ist sicher wichtig. Aber Effektivität muß sich im Rechtsstaat auch an der Gewährleistung der Grundrechte orientieren.Wir setzen uns für Transparenz und Offenheit der Datenverarbeitung ein. Wir wissen, daß Eingriffe auch heimlich geschehen müssen, dann aber in klaren rechtlichen Grenzen und immer kontrolliert. Die Weitergabe der mit nachrichtendienstlichen Mitteln gewonnenen Erkenntnisse an andere Behörden darf nie selbstverständlich werden. Sie darf nur unter klaren und eng umschriebenen Voraussetzungen erfolgen. Die rechtliche Trennung zwischen Polizei und Verfassungsschutz darf nicht aufgehoben werden. Da die Amtshilfepflicht im Grundgesetz verankert ist, können ihre Grenzen nur durch intensive Rechtsprüfung bestimmt werden. Nach diesen Grundsätzen werden wir uns auch bei den weiteren Beratungen verhalten.Ich habe schon auf die Eingrenzung des Personalausweisgesetzes hingewiesen und möchte noch einmal folgendes zu überlegen geben: Die Fälschungssicherheit ist unbestritten. Ich habe schon in meinem früheren Amt davor gewarnt, anzunehmen, der Ausweis sei absolut fälschungsfest. Dafür kann ich keine Hand ins Feuer legen. Aber er ist fälschungssicherer, das wird man annehmen können.
— Verfälschungssicherer.Die Maschinenlesbarkeit ist umstritten. Aber bitte verengen Sie das Problem doch nicht auf die Maschinenlesbarkeit! Das Wichtige, was uns in jedem Fall zum Handeln zwingt, auch wenn es den neuen Ausweis gar nicht gäbe, ist die zunehmende Computerisierung der Verwaltung. Die Ausbreitung, Verfeinerung und Dezentralisierung der Datenverarbeitung macht alle diese Vorkehrungen notwendig.
Der Ausweis ist ein Instrument. Das Entscheidende ist, wie man mit diesem Instrument umgeht. Gerade dazu versuchen wir Regelungen aufzustellen. Wenn wir sie nicht träfen, würde sich der Rechtsschutz des Bürgers verschlechtern, unabhängig davon, ob der Ausweis eingeführt wird oder nicht.Noch einige Worte zu § 163d der Strafprozeßordnung: Diese Materie war im Entwurf vom 23. Oktober 1984 enthalten, im übrigen, meine Damen und Herren von der SPD, auch in dem umstrittenen § 100a der Strafprozeßordnung. Darüber hat es keine Diskussion gegeben. Sie ist erst aufgekommen, nachdem diese Vorschrift durch die Übernahme in die Strafprozeßordnung eine andere Dimension bekommen hat, die auch ich nicht übersehen habe. Wir haben dann Bedenken vorgebracht und wichtige Änderungen vorgenommen.Es ist eine neue Form der Speicherung von Daten. Es ist richtig, daß sie in Zusammenhang mit noch nicht geregelten Formen der Speicherung bei der Rasterfahndung und der Beobachtenden Fahndung steht. Dieser Zusammenhang muß hergestellt und auch bei der späteren Gesetzgebung beachtet werden.Bei der Einordnung des § 163d StPO ist wichtig, daß es sich nicht um den Regelfall polizeilicher oder grenzpolizeilicher Praxis handelt, sondern daß es nur um Fälle in extremen Situationen gehen kann. Aus dem Bundesgrenzschutz ist uns im letzten Jahr zum Beispiel keine solche Situation bekannt. Und immer muß auch sicher sein, daß eine Auswertung möglich ist. Die Polizei kann und wird kein Interesse an einer Menge von Daten haben, die sie gar nicht auswerten kann. Sie wird also immer auf die Aufwertung achten.Vergessen wir bei alledem nicht: Der Computer kann vieles, aber er kann nicht den Menschen, den
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BaumPolizeibeamten, mit seiner Erfahrung und mit seiner Menschenkenntnis ersetzen.Mein Schlußwort: Kehren wir bei dieser schwierigen Materie, die den Bürger eher verwirrt, untereinander, die wir alle diese Gesetzgebungsarbeit leisten müssen, zur Sachlichkeit zurück, und gehen wir weg von der Emotionalität, die die Dinge erschwert und auch der Polizei die Arbeit nur erschwert.
Ich erteile das Wort dem Herrn Bundesminister des Innern.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Hier muß man einmal einen Blick in die Vergangenheit zurück werfen, um zu erkennen, wie lange sich der Deutsche Bundestag mit dieser Materie eigentlich schon befaßt. Es ist lehrreich: Es sind fast zehn Jahre.20. September 1979:Mit allen, die für die innere Sicherheit in unserem Staate Verantwortung tragen, besteht Einigkeit darüber: Unser gegenwärtig verwendeter Personalausweis, der vor etwa 30 Jahren eingeführt wurde, genügt nicht mehr den Sicherheitsanforderungen, die ein staatliches Identitätspapier erfüllen muß. Im Gegenteil, nach den Erkenntnissen des Bundeskriminalamtes dient der Personalausweis Schwerkriminellen, die heute über ein Arsenal raffiniertester Fälschungstechniken verfügen, als Tarnungsmittel.Das stammt nicht von mir, das ist von meinem Amtsvorgänger, dem Kollegen Baum, am 20. September 1979 im Deutschen Bundestag gesagt worden.
Meine Länderkollegen und ich
— fuhr er fort —sind davon überzeugt, daß dieses Sicherheitsdefizit nur durch einen völlig neuen Ausweis ausgeglichen werden kann. Hierbei muß die moderne Technik gezielt in den Dienst der inneren Sicherheit gestellt werden.Die Ständige Konferenz der Innenminister der Länder— schauen Sie bitte nach, wer 1979 Innenminister war —hat mich im Juni vergangenen Jahres — das heißt 1978 —gebeten, unverzüglich alle Vorbereitungen für die Einführung neuer Personalausweise zu treffen.
Hierbei wurde als unverzichtbar angesehen,daß der neue Ausweis fälschungssicher, verfälschungssicher, verwahrungssicher und automatisch lesbar sein muß ... Die Innenministerkonferenz hat dieses System am 27. April dieses Jahres gebilligt und einmütig beschlossen, den neuen Personalausweis so rasch wie möglich einzuführen.
So war das.
Und jetzt kommt der Hauptredner der SPD in dieser Debatte vom 20. September 1979, der Kollege Pensky:Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion begrüßt diese Vorlage, die die Grundlage dafür bildet, einen fälschungs- und verfälschungssicheren Personalausweis einzuführen.— Der Kollege Pensky fährt fort:... war es auch notwendig, ein Personaldokument zu entwickeln, das erstens eine Fälschung oder Verfälschung ein für allemal ausschließt, das zweitens zur Erleichterung der Kontrolle, insbesondere der Grenzkontrolle, eine automatische Lesbarkeit ermöglicht ...So der Hauptredner der SPD-Bundestagsfraktion am 20. September 1979.
Jetzt wollen Sie auf einmal Bedenken gegen die Verfälschungssicherheit, gegen die automatische Lesbarkeit, gegen die Grenzkontrollen geltend machen? Was hat sich denn seither geändert? Sagen Sie einen einzigen stichhaltigen Punkt, der heute anders ist als im Jahre 1979.
Und jetzt kommt das Schönste: Dann klappte die Sache bei den Innenministern nicht, und zwar deswegen, weil die Herstellungskosten zu hoch waren, aber da hatte die Bundesdruckerei schon längst, nämlich im Sommer 1980, für 20 Millionen DM Maschinen angeschafft, um diesen Ausweis drucken zu können.Am 19. Januar 1982 hat der Vorsitzende des Arbeitskreises Inneres der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion, der Kollege Hugo Brandt, folgendes erklärt:Ich stelle fest: Die Einführung fälschungssicherer Personalausweise ist ein wirklicher Beitrag zur Erhöhung der innere Sicherheit. Die SPD fordert die für die innere Sicherheit verantwortlichen Minister auf, den 1977 gemeinsam eingeschlagenen Weg fortzusetzen und nicht aus Bequemlichkeit auf halbem Wege stehen zu bleiben. Abschließend darf ich darauf hinweisen,— sagte Hugo Brandt —
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Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 202. Sitzung. Bonn, Freitag, den 28. Februar 1986 15533
Bundesminister Dr. Zimmermanndaß der Gesetzgeber das Personalausweisgesetz, das die Einführung fälschungssicherer Personalausweise am 1. Oktober 1981 vorsah, nicht deshalb in seiner Terminbildung im Sommer 1981 geändert hat, damit einige Monate später die Innenministerkonferenz die ganze Maßnahme sang- und klanglos sterben läßt. Die Entscheidung der Innenministerkonferenz ist auch ein Affront gegen den Gesetzgeber.
Sehen Sie, meine Damen und Herren, wenn ich mir vor Augen führe, was ich jetzt, in der letzten Woche im Ausschuß und im Plenum gehört habe,
was da alles an Phantomen beschworen worden ist, dann kann ich nur sagen: Es ist wirklich ein großes Stück Heuchelei, was hier stattgefunden hat.
Die Bundesregierung begrüßt, daß es jetzt — nach fast zehn Jahren — möglich ist, die vorliegenden Gesetze zu verabschieden. Ich danke insbesondere all denen in den Koalitionsfraktionen, die die intensiven Vorarbeiten auf diesem schwierigen Gebiet geleistet haben und damit die heutige Verabschiedung der beiden Gesetze ermöglichen.
Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Nein.
Nein, Herr Abgeordneter.
Im übrigen möchte ich Ihnen sagen — damit höre ich auf mit der Historie —: Es gab einen einstimmigen Beschluß des Deutschen Bundestages vom 15. Dezember 1982.
— Jawohl, nach dem Volkszählungsurteil des Verfassungsgerichts. In diesem Beschluß kommt die einhellige Auffassung von CDU/CSU, FDP und SPD zum Ausdruck, die das für notwendig gehalten haben. Meine Damen und Herren, deswegen bitte keine Phantome, keine Geisterbeschwörung. — Herr Schäfer, Sie könnte ich auch noch zitieren. Ich will mir diese Ausflüge sparen. Was hier an Heuchelei in den letzten zehn Jahren zusammengekommen ist, habe ich Ihnen vorgelesen. Ich will mir diese Ausflüge sparen.
Meine Damen und Herren, darf ich um die notwendige Ruhe für den Redner bitten.
Sie haben recht: Das Volkszählungsurteil war später. Das, was ich zitiert habe, war immerhin noch nach dem Regierungswechsel.Aber um was geht es denn jetzt? Was ist denn der Unterschied zwischen dem, was in § 3 a stand, und was jetzt im neuen § 163d steht? Jeder hat das j a miteinander vergleichen können. Es gab dann einen Vorschlag des Justizministeriums, einen § 163 d einzufügen. Was ist dort jetzt bestimmt? Bei bestimmten schwerwiegenden Straftaten sieht das geltende Recht in § 111 StPO vor, daß die Polizei Kontrollstellen einrichten kann, und zwar mit richterlicher Anordnung zur Überprüfung von jedermann; jedermann kann natürlich in eine solche Fahndung kommen.Natürlich ist es notwendig, daß dort Daten gespeichert werden, wenn nicht sofort an Ort und Stelle ein Täter ergriffen wird. Sie müssen in ganz kurzen Fristen wieder gelöscht werden, wie wir wissen.Wir tragen allen Bedenken, die vorgetragen worden sind, in einem außerordentlich weitgehenden Maße Rechnung. Die Polizei wird es schwer haben, mit so restriktiven Gesetzen überhaupt zurechtzukommen.Wir haben den Katalog auf schwerwiegende Straftaten beschränkt. Ich glaube, es wäre im Interesse aller — auch aller Innenminister der Länder, die für ihre Polizeien verantwortlich sind und die damals vor sieben, sechs Jahren in einer nicht sehr verschiedenen parteipolitischen Zusammensetzung keine Bedenken gehabt haben —, wenn heute nicht gesagt würde, daß keine Lesegeräte angeschafft würden, daß man das Gesetz nicht exekutieren wolle. Ich glaube, das sollten Innenminister nicht tun. Soweit sollte eine parteipolitische Verblendung nicht gehen.
Bis zur Einführung des neuen Ausweises und des Europapasses — das wird erst 1987 ff. sein — werden auch die weiteren Gesetze im Sicherheits- und Datenschutzbereich hoffentlich in Kraft sein.
Ziel unserer gemeinsamen Arbeit sollte es sein, die Datenschutzinteressen zu den Sicherheitsinteressen in ein vernünftiges, ausgewogenes und praktikables Verhältnis zu bringen. Diesem Ziel dient auch das neue Paßgesetz und das novellierte Personalausweisgesetz.Danke schön.
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15534 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 202. Sitzung. Bonn, Freitag, den 28. Februar 1986
Das Wort hat Herr Minister Winterstein.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bundesländer sind durch den maschinenlesbaren Ausweis und durch die Verankerung der Schleppnetzfahndung in der Strafprozeßordnung ganz unmittelbar betroffen. Es ist unsere Polizei, die in Zukunft mit diesen Instrumenten arbeiten soll. Ich möchte unserer Polizei solche Instrumente ersparen.
Sie sind auch geeignet, das Ansehen der Polizei zu schädigen,
das Ansehen einer Polizei, die unsere Freiheit behüten und nicht gefährden soll.
Wer der Polizei rechtsstaatlich bedenkliche Instrumente an die Hand gibt, leistet ihr einen schlechten Dienst.
Herr Kollege Dr. Hirsch, ich mißtraue nicht der Polizei. Ich bin als Innenminister des Landes Hessen — und dies sehr bewußt — auch der Minister der hessischen Polizei. Ich habe mein klares Verhältnis zur Rechtsstaatlichkeit, ich habe mein klares Verhältnis zum Gewaltmonopol des Staates, und ich habe mein klares Verhältnis zur Verhältnismäßigkeit der Mittel.
Ich mißtraue nicht der Polizei, sondern ich mißtraue Leuten, die verfassungsrechtlich so bedenkliche Gesetze machen, wie Sie dies heute tun.
Ich habe Angst vor Leuten, die diese Gesetze, wenn sie verabschiedet sind, bis zum bitteren Exzeß ausführen.
Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Ströbele?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Bitte, lassen Sie mich zunächst einmal meinen Gedanken zu Ende führen.
Meine Damen und Herren von der Koalition, Sie wollen unser Land mit dem maschinenlesbarenAusweis sicherer machen. Inzwischen wissen wir aber alle, die Fälschungssicherheit bringt einen kleinen, die Maschinenlesbarkeit überhaupt keinen sicherheitspolitischen Gewinn, zumal in einem Europa der offenen Grenzen. Warum fällt es Ihnen eigentlich so ungeheuer schwer, auf die Lesezone zu verzichten?Herr Kollege Clemens, Sie haben vorhin meinen Staatssekretär Andreas von Schoeler zitiert, welche Meinung er dazu vor Jahren geäußert habe und welche Meinung er heute äußere. Ich muß Ihnen dazu sagen, ich schlafe sehr ruhig, weil ich weiß, daß mein Staatssekretär — wie auch ich selbst — sich die Tugend der Lernfähigkeit erhalten hat.
Es ist keine Schande, klüger zu werden, und Sie sollten sich gelegentlich auch dieser Tugend erinnern.
Meine Damen und Herren, jeder sollte sich darüber im klaren sein, mit der Lesezone und den dazugehörenden Lesegeräten schaffen wir eine technische Infrastruktur, die tatsächlich die totale Kontrolle der Bürger möglich macht.
Es geht doch hier beileibe nicht nur um die Grenzkontrollen, es geht doch auch um die Kontrollen im Binnenland. Technisch ist es überhaupt kein Problem, die Polizei schon heute mit mobilen Lesegeräten auszurüsten. Damit wären aber tatsächlich alle technischen Voraussetzungen für eine flächendekkende Kontrolle gegeben, stationär an den Grenzen und mobil im Binnenland. Zugegeben, die technischen Möglichkeiten müssen nicht unbedingt genutzt werden — wer will schon die totale Kontrolle —, aber wissen wir nicht alle aus Erfahrung, daß neue Möglichkeiten auch neue Begehrlichkeiten wecken?
Deshalb sollten wir die technischen Möglichkeiten erst gar nicht schaffen, sollten wir den Schlüssel zur totalen Kontrolle erst gar nicht bereitlegen.
Meine Damen und Herren, ich sage Ihnen eines: Wer schneller liest, liest mehr, und wer leichter kontrollieren kann, will auch mehr Kontrolle.
Die Pläne zum Schleppnetz-Paragraphen sind doch ein einziger Beleg für diese Erfahrung.
Hier werden die rechtlichen Möglichkeiten geschaffen, um die Kontrolltechnik von morgen besser nutzen zu können.
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Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 202. Sitzung. Bonn, Freitag, den 28. Februar 1986 15535
Staatsminister Winterstein
Der § 163d funktioniert zwar auch ohne automatisch lesbare Ausweise,
doch der Fang mit dem Schleppnetz ist natürlich viel ergiebiger, wenn die technische Infrastruktur komplett ist.
Wir wären, denke ich, alle gemeinsam gut beraten, wenn wir auf eine Technik verzichten würden, die erwiesenermaßen die Sicherheit nicht erhöht, aber die Freiheit der Bürger gefährdet.
Ich sage Ihnen hier in aller Klarheit: Die Innenminister der SPD-regierten Länder haben jedenfalls bekundet und entschieden, daß in ihren Ländern keine Lesegeräte angeschafft werden.
Meine Damen und Herren, ich weiß, daß die Koalition entschlossen ist, die Ausweisgesetze zu verabschieden. Sie werden Ihre Mehrheit sicherlich auch dazu nutzen, die Schleppnetzfahndung zu legalisieren. Dennoch halte ich es — auch im Hinblick auf die Diskussion über die übrigen Sicherheitsgesetze — für wichtig, daß hier noch einmal dargelegt wird, auf welche Weise die Bonner Regierungskoalition in diesem Gesetzgebungsverfahren mit den Bundesländern umgegangen ist.
Herr Minister, der Abgeordnete Ströbele unternimmt einen erneuten Versuch, eine Zwischenfrage an Sie zu richten. Wenn Sie das grundsätzlich ablehnen, können wir das Verfahren vereinfachen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich bitte um Nachsicht. Mir ist eine beschränkte Redezeit eingeräumt worden, und die möchte ich nutzen. Das heißt, ich beantworte keine Zwischenfragen.
Herr Abgeordneter Ströbele, der Minister ist nicht bereit, eine Frage zuzulassen, und ich nehme an, daß das auch für zukünftige Fragen von Ihnen zutrifft. Somit können wir das Verfahren vereinfachen.
Herr Minister, gilt Ihre Ablehnung von Zwischenfragen für das ganze Haus, oder konzentriert sie sich auf einzelne Abgeordnete? Es wird nämlich schon die nächste Zwischenfrage gewünscht.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident, ich bin keineswegs ängstlich; das kann der
Herr Kollege Bohl, der lange im Hessischen Landtag war, sehr wohl bestätigen.
Ich habe gleichermaßen Respekt vor Landtagsabgeordneten und vor Bundestagsabgeordneten, aber ich bitte, jetzt jegliche Frage ablehnen zu dürfen, weil ich mit meiner Zeit hinkommen will.
Ich bitte das Haus, den Wunsch des Ministers zu respektieren!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine Damen und Herren, ich sprach von dem Gesetzgebungsverfahren, das hier praktiziert worden ist, und von der Mitwirkung der Länder. Vielleicht können wir daraus für die Zukunft lernen. Sie, meine Damen und Herren von der Koalition, haben den § 163 d der Strafprozeßordnung zusammengebastelt, ohne den Sachverstand der Länder auf irgendeine Weise zu nutzen.
Dabei sind es doch die Länder, die dieses Gesetz auszuführen haben. Auch haben Sie Regelungen für die Polizeiarbeit geschaffen, ohne die Polizei zu befragen. Wir waren in keiner Phase beteiligt!
Sie haben darüber mit den Ländern bis heute nicht gesprochen; ja, wir als Landesinnenminister waren gezwungen, uns die Entwürfe zu § 163d sozusagen auf konspirative Weise zu beschaffen.
Das ganze Verfahren war ein einziger Verstoß gegen die Prinzipien und den Geist des Föderalismus.
Ich beklage das sehr, denn die innere Sicherheit verlangt wie kaum ein anderes Gebiet nach vertrauensvoller Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern. Ich denke, Sie haben die Regeln dieser Zusammenarbeit sträflich vernachlässigt.
Deshalb ist es auch kein Wunder, daß bei einem solchen Verfahren nunmehr ein solches Produkt herausgekommen ist. Zwar haben Sie unter dem Druck der Öffentlichkeit jetzt einige Nachbesserungen vorgenommen — das will ich ohne weiteres einräumen —, aber ohne diesen massiven Druck auf die Koalition wäre der § 163d in seiner alten Fassung bereits am 31. Januar verabschiedet worden.
Allein damit ist doch schon bewiesen, wie wichtig eine öffentliche Diskussion in dieser Frage ist,
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15536 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 202. Sitzung. Bonn, Freitag, den 28. Februar 1986
Staatsminister Winterstein
und es wäre wichtig, wenn wir diese Diskussion noch weiterführen würden und sie heute nicht durch eine Abstimmung mit Mehrheiten beenden würden. Denn trotz aller Verbesserungen: Der Entwurf ist nicht ausgereift, die grundsätzlichen Bedenken bleiben bestehen. Nach wie vor werden Unverdächtige gespeichert. Der § 163d ist auch in der jetzt vorliegenden Fassung ein Verdachtschöpfungsinstrument gegen jedermann.
Nach wie vor werden die gespeicherten Daten als Zufallsfunde zweckentfremdet, und bei allem ist mehr als fraglich, ob die Regelungen überhaupt geeignet sind, mehr Fahndungserfolge erzielen zu helfen. Sie laufen Gefahr, meine Damen und Herren, Riesenschleppnetze zu werfen
und dabei allenfalls und per Zufall Fische zu fangen, und dann auch noch solche, nach denen Sie gar nicht gesucht haben. Das ist die Fahndung für alle Fälle und auf gut Glück.Was nottut ist ein ordnungsgemäßes Gesetzgebungsverfahren unter Nutzung des Sachverstandes der Länder und ihrer Polizei.
Dazu gehört als allererstes eine Analyse der polizeilichen Praxis; dies ist nicht geschehen.
Wir brauchen eine Bestandsaufnahme der Fahndungsmethoden in den Ländern.
Der Gesetzgeber muß zuerst genau wissen, was polizeilich notwendig ist, und dieses Wissen liegt hier offenbar nicht vor. Das hat auch der Hinweis von Herrn Kollegen Dr. Hirsch gezeigt, der auf die Verhältnisse hingewiesen hat, daß dort eine Schleppnetzfahndung in irgendeiner Form durchgeführt werde. Daran zeigt sich, Herr Kollege Dr. Hirsch, daß Sie in den Ländern nie Verbindung aufgenommen haben, so daß Sie die Praxis nicht kennen und keine Ahnung von dem haben, was in den Ländern läuft;
denn Sie haben sich ausschließlich auf eine überregionale Zeitung berufen, in der solches stand. Sie wissen aber doch ebenso genau, daß der hessische Datenschutzbeauftragte selbst — und der hessische Datenschutzbeauftragte ist ein sehr kritischer Mann — diese Vorwürfe in der Zwischenzeit zurückgewiesen hat.
Erst wenn diese Praxis der Länder bekannt ist, kann man auf Grund dieser Kenntnisse ein stimmiges Konzept zur Novellierung der Strafprozeßordnung schaffen. Alles andere bleibt Stückwerk. WasSie hier vorgeführt haben, meine Damen und Herren, ist ein Lehrstück für unsolide Gesetzgebungsarbeit.
Herr Minister, ich muß Sie noch einmal unterbrechen, um Ihnen den Wunsch des Abgeordneten Hirsch nahezubringen, eine Zwischenfrage zu stellen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Würde ich dem einen die Frage beantworten, hätte ich alle anderen verprellt.
Weil dieses Verfahren so lief, ist natürlich mit dem Ergebnis des Gesetzgebungsverfahrens auch die Gefahr verbunden, daß Sie den verfassungsrechtlichen Maßstäben des Grundgesetzes nicht gerecht werden.
Meine Herren, Ihre Zwischenrufe ersetzen nicht die Zwischenfragen. Ich bitte Sie höflich, aber nachhaltig, die notwendige Ruhe herzustellen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine Damen und Herren, was Sie heute hier verabschieden wollen, ist sicherheitspolitisch fragwürdig und datenschutzpolitisch bedenklich. Als das Bundesverfassungsgericht sein Urteil zum Volkszählungsgesetz verkündete, da sprachen viele von einer „Sternstunde des Datenschutzes". Das scheint lange her zu sein. Ich befürchte, daß der 28. Februar 1986 ein schwarzer Tag in den Annalen des Datenschutzes sein wird.
Meine Damen und Herren, dies war meine Premiere im Deutschen Bundestag. Ich danke Ihnen für den Applaus und zugleich für Ihre Widerstände.
Das Wort hat der Abgeordnete Fellner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es war der Chef von HEPOLIS, der eben diese erbärmliche Vorstellung gegeben hat.
HEPOLIS ist das Hessische Polizei-Informationssystem.
Über dieses Hessische Polizei-Informationssystem hat im Dezember des vergangenen Jahres der von mir zwar nicht besonders geliebte, aber ernst zu nehmende hessische Datenschutzbeauftragte Simitis in seinem Bericht folgendes festgehalten. Er spricht über dieses Hessische Polizei-Informationssystem, erläutert es, was auch ich hier tun möchte, und er schreibt:
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Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 202. Sitzung. Bonn, Freitag, den 28. Februar 1986 15537
FellnerGerät etwa ein Bürger in eine Polizeikontrolle und überprüft die Polizei, ob seine Daten in HEPOLIS enthalten sind,— also ob er als gesucht dort gespeichert ist —so wird dieser Vorgang einschließlich der personenbezogenen Daten des Betroffenen auf dem Protokollband festgehalten, und zwar auch dann, wenn die polizeiliche Überprüfung zu dem Ergebnis geführt hat, daß der Betroffene nicht gespeichert ist, also ein Unbeteiligter ist
— sogenannte Negativfrage —, und auch dann, wenn kein Anlaß für ein weiteres polizeiliches Tätigwerden besteht.Weiter im Text:Selbst die personenbezogenen Daten, die in HEPOLIS nach den Richtlinien für die Führung kriminalpolizeilicher Sammlungen bereits gelöscht wurden, sind noch auf den Protokollbändern enthalten.
Diese Praxis hat der hessische Datenschutzbeauftragte gerügt.Das hessische Innenministerium in Form von Herrn Winterstein hat es dann auch eingesehen, hat zunächst eine Vereinbarung getroffen, daß es künftig die Protokolldaten nicht mehr für kriminalpolizeiliche Zwecke verwendet, hat aber dann wieder mitgeteilt, daß er sich an diese Vereinbarung doch nicht halten will.
Da muß ich Sie dann wirklich mal fragen, wie Sie, Herr Winterstein, es sich erlauben, hier unsere Gesetze zu rügen und dem Kollegen Hirsch, der Sie schon vor Tagen und Wochen darauf aufmerksam gemacht hat, welchen Dreck Sie am Stecken haben, jetzt auch noch eine persönliche Frage zuschlagen.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Mann?
Herr Kollege Mann, ich möchte meine Redezeit in Anspruch nehmen. Wir haben uns am letzten Dienstag bis nachts kurz vor 1 Uhr unterhalten können.
Ich möchte durchaus noch auf verschiedenes eingehen, was Sie hier gesprochen haben.
Ich möchte mich zunächst mit den Kollegen der SPD auseinandersetzen. Meine Kolleginnen und Kollegen, ich habe auf Grund der vorangegangenen Diskussion wirklich das, was ich zunächst sagen wollte, beiseite gelegt und setze mich jetzt nur mit dem auseinander, was Sie heute bisher veranstaltet haben. Sie haben sich erlaubt, das zu veranstalten; deshalb erlaube ich mir auch, mich damit auseinanderzusetzen. Ich beginne mit den beiden Kollegen von der SPD; ich glaube, zu den GRÜNEN kann man sich ohnehin weitere Reden sparen.
Die beiden Kollegen von der SPD haben das Verfahren gerügt.
Der Kollege Hirsch hat darauf hingewiesen, daß wir verschiedene Anhörungen gemacht haben, daß wir ausführlich beraten haben, daß wir auch zu dem von Ihnen so gerügten § 163 d eine Anhörung gemacht haben, obwohl wir auch der Ansicht hätten sein können, daß die dort geregelte Materie bereits seit langer Zeit im Personalausweisgesetz geregelt war, daß Sie sich damit also hätten inhaltlich auseinandersetzen können.
Wir haben diese Anhörung gemacht und haben auch kurzfristig Konsequenzen daraus gezogen. Sie haben sich einer weiteren Beratung verweigert, und zwar — das bitte ich zu bemerken — mit auch heute hier vorgetragenen unterschiedlichen Argumenten. Sie waren sich nur darin einig, daß Sie sich verweigern und daß Sie nicht an einer konkreten Gesetzgebungsarbeit mitarbeiten wollen. Der Kollege Tietjen hat erklärt, wir hätten aus dieser Anhörung keine Konsequenzen gezogen und dasselbe wieder vorgelegt. Der Kollege Fischer hat dann erklärt, man habe sich mit unserer Vorlage nicht auseinandersetzen können, weil — das habe ich mitgeschrieben — wir einen völlig veränderten Entwurf vorgelegt hätten. Jetzt kann ich nur noch die Frage stellen: Wie war es jetzt, liebe Freunde?
Ich möchte auf einen Punkt eingehen, den der Kollege Ströbele angesprochen hat. Er hat moniert, daß wir die Entwürfe der Polizeigesetze so lange nicht und dann nach seiner Forderung plötzlich auf den Tisch bekommen hätten. Kollege Ströbele, was wir da bekommen haben, sind die bestehenden, jetzt gültigen Polizeigesetze der Länder.
Ich lese Ihnen aus diesen Polizeigesetzen, auch aus dem hessischen Polizeigesetz, die einschlägige Regelung vor, wo es nämlich um Polizeikontrollen geht.
Ich bitte, sich das wirklich auf der Zunge zergehenzu lassen. Da heißt es im hessischen Polizeigesetz
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15538 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 202. Sitzung. Bonn, Freitag, den 28. Februar 1986
Fellnerim ersten Titel: „Personenfeststellungen und Vorladung", § 16, „Feststellung von Personalien", Abs. 1:
Die Polizei ist berechtigt, die Identität einer Person festzustellen, wenn dies zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlich ist.Herr Kollege Ströbele, wenn Sie die Verdächtigungen, die Sie gegen unsere Gesetzentwürfe hier geäußert haben, auf dieses Gesetz anwenden
und wenn der Bundestag in Hessen wäre, würden Sie nicht zur Tür hinauskommen, ohne von der Polizei festgenommen zu werden.
Ich finde es wirklich ungeheuerlich, wie Sie mit einem Gesetzentwurf, speziell mit § 163d, umgehen, was Sie an Verdächtigungen hier aussprechen, weil Sie sich entweder geweigert haben, die Gesetze zu lesen, oder aber einfach nicht zur Kenntnis nehmen wollen, was in ihnen steht, nur um Ihre Politikverweigerung hier zu rechtfertigen.
Es ist erstaunlich, wieviel Herren jetzt nicht mehr wissen wollen, was sie früher gesagt haben, auch diejenigen, die jetzt noch in derselben verantwortlichen Position stehen.
Ich bleibe bei Hessen. Bei der dortigen jetzigen Regierung kann man immer Negativbeispiele finden. Ich komme noch einmal auf das Paradebeispiel zu sprechen, nämlich den Kollegen von Schoeler, der seine Identität völlig gewechselt hat. Er ist nur Staatssekretär geblieben, was er früher auch schon war. Ansonsten hat er alles anders gemacht.
Zwei Beispiele aus dem hessischen Polizeigesetz und für die Art, wie man dort mit Datenschutzregelungen umgeht, habe ich schon genannt. Es sind auch noch Zitate von früher anzuführen. Über den damaligen Gesetzentwurf für einen neuen Personalausweis, der einvernehmlich hier im Bundestag beschlossen wurde, den wir aber nicht in Kraft treten ließen, weil wir wußten, daß wir nach dem Volkszählungsurteil datenschutzrechtliche Regelungen anbringen müssen und dies auch wollten, hat er am 8. Februar 1980 im Bundesrat gesagt:Das vorliegende Gesetz ist ein Beleg dafür, daß mehr Sicherheit keineswegs zu Lasten der Freiheit geht. Wer an dieses Gesetz die Schrekkensvision des gläsernen und total überwachten Menschen knüpft, wird dem Gesetz in seiner jetzigen Fassung in keiner Weise gerecht.Ich erspare es mir, weiterzulesen. Es ging um die damalige Fassung, die wir jetzt geändert haben und die Sie nun so verteufeln. Das sind die Fakten.
Ich möchte auch noch einen Satz zu Herrn Schröder sagen, der heute schon erwähnt wurde. Er sagte über die Maschinenlesbarkeit, die er jetzt offenbar ablehnt, vor fast genau einem Jahr, nämlich auf einer Tagung der Politischen Akademie Tutzing in Würzburg vom 22. bis 24. Februar 1985 — ich glaube, der Kollege Wernitz und ich waren dort —:Diese Diskussion ist tatsächlich überflüssig, weil sie an einem völlig falschen Punkt ansetzt. Inzwischen ist nämlich die Technik soweit fortgeschritten, daß die technische Entwicklung über kurz oder lang dazu führt, daß jedes Schriftstück mit Maschinen gelesen werden kann. Die Diskussion muß also vielmehr dahin gehen, welche Sicherheiten zur Verhinderung eines technisch möglichen Mißbrauchs einzurichten sind.
Genau damit haben wir uns in den letzten Monaten und Wochen in intensiver Arbeit beschäftigt. An diejenigen Kollegen in der SPD, die mitberaten haben — die meisten waren nicht da, auch wenn sie begierig waren, etwas Neues zu erfahren —, appelliere ich, wirklich einmal zu sagen, weil es um die Sorgen des Bürges geht, die Sie immer an die Wand malen, daß wir große Verbesserungen in datenschutzrechtlicher Hinsicht vorgenommen und daß wir uns die Arbeit wirklich nicht leichtgemacht haben.Zu der in § 163d vorgesehenen Ausnahmemöglichkeit von dem im Personalausweisgesetz fixierten Grundsatz, daß in der Regel nicht gespeichert werden darf, möchte ich wiederum Herrn Schröder zitieren. Er sagte auf derselben Tagung:Es muß Ausnahmemöglichkeiten für die Polizei vom allgemeinen Verbot eines automatischen Abrufens und automatischen Speicherns von Daten mittels des neuen Personalausweises geben.Ich zitiere weiter:Die Betonung liegt auf dem Wort „Ausnahme", weil niemand dafür Verständnis haben kann, Millionen von Bürgern bei der Ein- oder Ausreise oder bei sonstigen Kontrollen zu registrieren, aber ebenso kein Verständnis dafür aufzubringen ist, weshalb bei der Verfolgung schwerer und schwerster Verbrechen wie z. B. der organisierten Kriminalität mit Milliardenschäden, darunter auch der internationale Rauschgiftschmuggel, oder zur Fahndung nach Terroristen nicht die technischen Möglichkeiten genutzt werden sollen.
So weit Herr Schröder. Ich stimme dem zu und bedanke mich für die Aufmerksamkeit.
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Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 202. Sitzung. Bonn, Freitag, den 28. Februar 1986 15539
Das Wort hat der Abgeordnete Emmerlich.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vorab eine Berner-kung zum Verfahren — nicht um nachzukarten, sondern um für die Zukunft vorzubeugen —: CDU/ CSU und FDP konnten sich nach der Anhörung zum Personalausweisgesetz am 20. Mai 1985 über die auf Grund der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts erforderliche Novellierung der Sicherheitsgesetze nicht einigen. Deshalb traten die Parteivorsitzenden von CDU, CSU und FDP auf den Plan und einigten sich am 9. Januar 1986 nicht nur über die streitigen inhaltlichen Fragen, sondern sie legten auch fest, bis wann der Deutsche Bundestag seine Beratungen abzuschließen habe.
Die Fraktionen von CDU/CSU und FDP haben versucht, das Personalausweis- und Paßgesetz mit der in letzter Minute eingeführten Schleppnetzfahndung entsprechend diesem Termindiktat im Hauruckverfahren durch den Deutschen Bundestag zu peitschen.
Wir verwahren uns noch einmal dagegen, daß die Beratungen des Deutschen Bundestages unter politische Vorgaben der Parteivorsitzenden von CDU, CSU und FDP gestellt werden und daß infolgedessen eine ordnungsgemäße parlamentarische Beratung bei so wichtigen Gesetzgebungsvorhaben wie dem vorliegenden nicht mehr stattfindet.
Es ist in höchstem Maße sachwidrig, den Sachverstand unseres Landes, die Fachverbände und selbst die Bundesländer bei der Gesetzgebung auszuschalten.
Meine Damen und Herren, ich bitte, die notwendige Ruhe herzustellen.
Herr Abgeordneter, der Abgeordnete Ströbele möchte gerne eine Zwischenfrage stellen. Gestatten Sie das?
Ich möchte meine Ausführungen im Zusammenhang machen. Außerdem habe ich nur so wenig Zeit, daß ich bedaure, Zwischenfragen nicht zulassen zu können.
Herr Abgeordneter Emmerlich, darf ich das so verstehen, daß Sie generell keine Zwischenfragen zulassen? — Danke schön.
Eine Mißachtung des Parlaments und ein Schaden für den Parlamentarismus liegen darin, daß zentrale politische Entscheidungen aus dem Parlament herausgenommen und von Parteivorsitzenden getroffen werden,
daß dem Deutschen Bundestag insonderheit vonParteivorsitzenden Zeitpläne übergestülpt werdenund ihm infolgedessen keine ausreichende Gelegenheit zur Beratung gelassen wird.
Zu diesem Stil paßt, daß der Bundesinnenminister vom Rednerpult des Deutschen Bundestages seine Kritiker heute als Heuchler bezeichnet hat. Das ist ein Stil, der diesem Bundesinnenminister in der Tat entspricht und seiner würdig ist.
Daß sich ausgerechnet Herr Fellner herausnimmt, einem Länderinnenminister vorzuwerfen, er habe Dreck am Stecken, ist wirklich die Spitze und ein Skandal für sich.
Wer dem Parlament die Rolle eines Notars zuweist, der die Entscheidungen anderer nur noch protokollarisch festzustellen hat, stellt die parlamentarische Demokratie in Frage.So wie die CDU/CSU und FDP die Notwendigkeit eines ordentlichen parlamentarischen Beratungsverfahrens nicht respektieren, so berücksichtigen sie nicht die Bedeutung, die der Schutz persönlicher Daten in unserer Zeit hat. Der Schutz persönlicher Daten ist heute zur Bewahrung der Freiheit so nötig wie der Schutz der klassischen Bürgerrechte, z. B. die Unverletzlichkeit der Wohnung und das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis. Die elektronische Datenspeicherung, die Zahl der privaten und öffentlichen Dateien, die immer noch zunimmt, und die Möglichkeit des Datenabrufs, des Datenverbundes und des Datenabgleichs belegen das hinreichend. Bei ungehindertem Datenverbund und Datenabgleich zwischen den in unserem Land bereits vorhandenen Dateien wäre der gläserne Mensch längst rauhe Wirklichkeit.Der erforderliche Datenschutz wird durch maschinenlesbare Personalausweise und Pässe unerträglich verringert, weil die Maschinenlesbarkeit den massenhaften Datenabgleich und Datenzugriff ermöglicht und dadurch eine weitere Voraussetzung für eine totale Erfassung und totale Überwachung der Bürger geschaffen wird.
Die Maschinenlesbarkeit, die die Bundesregierung und die Regierungsfraktionen wollen, führt im übrigen dazu, daß Daten von Bürgern, die sich nichts haben zuschulden kommen lassen, die nicht im Verdacht einer Straftat stehen, die die öffentliche Sicherheit und Ordnung nicht gefährden, in polizeilichen Dateien landen und dort verarbeitet werden, und zwar nicht nur bei wenigen Einzelpersonen und in Ausnahmefällen, sondern massenhaft, so daß über Jahre und Jahrzehnte hinweg fast jeder Bürger unseres Landes davon erfaßt wird.
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15540 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 202. Sitzung. Bonn, Freitag, den 28. Februar 1986
Dr. Emmerlich— Mit der Vokabel „Unsinn" entziehen Sie sich jeder argumentativen Auseinandersetzung; Sie sollten sich das, Herr Laufs, merken.
Die Schleppnetzfahndung die CDU/CSU und FDP heute verabschieden, ist von Sachverständigen als uferlose Massenspeicherung von persönlichen Daten bezeichnet worden, als Verdachtschöpfungsinstrument, als Paradefall einer vom Bundesverfassungsgericht für unzulässig erklärten Datenspeicherung auf Vorrat.
Von einer solchen Schleppnetzfahndung werden zum weitaus überwiegenden Teil — ich wiederhole das noch einmal — Bürger betroffen, die nichts getan haben, was Eingriffe in ihre geschützten Rechtspositionen rechtfertigt.
Das Bundesverfassungsgericht hat früher als andere erkannt, welche Bedeutung der Schutz persönlicher Daten zur Bewahrung der Freiheit hat. Im Volkszählungsurteil hat es die verfassungsrechtlichen Voraussetzungen für den Zugriff auf persönliche Daten festgelegt. Auf Grund dieser Entscheidung sind Novellierungen der Strafprozeßordnung, der Verfassungsschutzgesetze und der Polizeigesetze erforderlich, gesetzliche Regelungen über die Befugnisse des BND und des MAD, für die Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden und für Sicherheitsüberprüfungen.Wir Sozialdemokraten fordern, daß die vom Bundesverfassungsgericht festgelegten Kriterien für die Zulässigkeit der Erhebung persönlicher Daten dabei strikt berücksichtigt werden.
Die Gesetze, welche die Bundesregierung und CDU/ CSU/FDP bisher vorgelegt haben, setzen sich über die Ansprüche des Bundesverfassungsgerichts hinweg. Das Bundesverfassungsgericht wollte mehr Datenschutz als bisher.
Die Gesetze der Bundesregierung und der CDU/ CSU/FDP führen nicht zu mehr, sondern zu weniger Datenschutz;
sie führen dazu, daß die Möglichkeiten des Staates zu Eingriffen in das informationelle Selbstbestimmungsrecht der Bürger in alarmierender Weise ausgeweitet werden.Wir Sozialdemokraten fordern die Bundesregierung und die Regierungsfraktionen auf, diese Absicht zur Minimalisierung des Datenschutzes im Interesse der Sicherung unserer freiheitlichen Ordnung nicht weiter zu verfolgen. Bundesregierung und Regierungsfraktionen tun so, als sei jeder gesetzlich angeordnete Zugriff auf persönliche Daten zulässig.
Wir weisen darauf hin, daß Einschränkungen des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung nach dem Bundesverfassungsgericht nur im überwiegenden Allgemeininteresse zulässig sind und daß sich aus dem Gesetz Anlaß und Ausmaß des Eingriffs eindeutig ergeben müssen. Ferner weisen wir darauf hin, daß der Gesetzgeber alle Möglichkeiten wahrnehmen muß, um durch organisatorische sowie verfahrensrechtliche Vorkehrungen den Schutz des informationellen Selbstbestimmungsrechts zusätzlich zu gewährleisten.Von besonderer Bedeutung ist aber folgendes: Persönliche Daten dürfen aus anderen als den für die Erhebung maßgebenden Gründen weder gespeichert noch verarbeitet noch weitergegeben werden. Dieses Verbot der zweckfremden Verwendung persönlicher Daten hat verfassungsrechtliche Qualität. Die Bundesregierung und die Regierungsfraktionen setzen sich darüber in den von ihnen vorgelegten Gesetzentwürfen in bedenklicher Weise hinweg. Besonders beim Zusammenarbeitsgesetz wird das Gebot der Zweckbindung bei der Weitergabe persönlicher Daten weitgehend außer acht gelassen.
Auch die konservativen Sicherheitsbürokraten müssen endlich erkennen, daß im Zeitalter der elektronischen Datenverarbeitung an die Stelle des in früheren Zeiten als selbstverständlich angesehenen Datenverbundes und -austausches zwischen staatlichen Behörden das Verbot der zweckfremden Verwendung persönlicher Daten treten muß.Konservative Sicherheitspolitik, meine Damen und Herren, ist von jeher von einem Mißtrauen gegen Freiheits- und Bürgerrechte gekennzeichnet.
Heute geht die konservative Sicherheitspolitik der CDU/CSU von einem Gegensatz zwischen innerer Sicherheit und Datenschutz aus, davon, daß bei vollem Datenschutz die Sicherheit des Staates und der Bürger leide. Die FDP, die Wende-FDP, unterwirft sich dieser konservativen Sicherheitspolitik nahezu widerstandslos und begnügt sich mit verbalen Protesten.
Der Bundesjustizminister hält es nicht einmal für nötig, zu einer Änderung der StPO von solchem Gewicht in der Öffentlichkeit Stellung zu nehmen und hier im Deutschen Bundestag eine Aussage zu machen, die der Rechtsstaatlichkeit und der Freiheitlichkeit unseres Gemeinwesens Rechnung trägt.
Die Annahme der Konservativen, daß Datenschutz und Sicherheit in einem unauflöslichen Gegensatz stehen, ist aus mehreren Gründen unzutreffend. Sie
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Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 202. Sitzung. Bonn, Freitag, den 28. Februar 1986 15541
Dr. Emmerlichberuht vor allem auf der Prämisse, daß die Sicherheitsbehörden ihre Aufgaben um so besser erfüllen könnten, je weitreichender und tiefgreifender ihre Eingriffsbefugnisse gegenüber den Bürgern sind. Gewiß müssen die Sicherheitsbehörden auch die Möglichkeit haben, in die Rechtspositionen der Bürger im äußersten Falle eingreifen zu können.Aber nicht jede zusätzliche Eingriffsermächtigung für die Sicherheitsbehörden liegt im Interesse der inneren Sicherheit. Die Sicherheitsbehörden sind nämlich in besonderer Weise auf eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den Bürgern angewiesen. Wenn die Sicherheitsorgane persönliche Daten der Bürger über das notwendige Maß hinaus erheben, speichern und weitergeben, dann treten an die Stelle des Vertrauens der Bürger in die Sicherheitsorgane Mißtrauen und Angst. Ein mißtrauischer und ängstlicher Bürger wird den Kontakt mit den Sicherheitsbehörden meiden. Er wird sich ihnen gegenüber nicht öffnen, sondern verschließen.Die Demokratie, meine sehr geehrten Damen und Herren, braucht den selbstbewußten Bürger, den Bürger, der dem Staat nicht mißtrauisch und ängstlich gegenübersteht, den Bürger, der sich mit dem Staat identifiziert, weil er weiß, daß es sich um seinen Staat handelt, daß er in diesem Staat der Souverän ist, von dem die Staatsgewalt ausgeht, daß dieser Staat nicht ihn kontrolliert, sondern daß er es ist, der die vom Volk auf Zeit bestellten Träger der Staatsgewalt kontrolliert.Datenschutz und Sicherheit bedingen sich wechselseitig und setzen einander voraus. Die Politik darf dem einen keinen Vorrang vor dem anderen geben. Sie muß beiden gleichermaßen gerecht werden.
Ich möchte in diesem Zusammenhang an das erinnern, was der große sozialdemokratische Jurist und Politiker Adolf Arndt hierzu erklärt hat, und zwar vor vielen, vielen Jahren — ich zitiere wörtlich —:
Der belauschte Bürger ist der geängstigte Bürger. Er ist der aus dem Dunkeln geröntgte Mensch, der von Blicken durchdrungen wird, die er nicht sieht. Sein Staat liegt nicht mehr verläßlich im Hellen. Man könnte die Staaten danach einteilen, inwieweit sie das, was die Allgemeinheit angeht, im Geheimen verbergen, aber den Menschen veröffentlichen — so verfährt der totale Staat —, oder inwieweit sie von Rechts wegen als das Öffentliche erscheinen, aber den Menschen ihr Geheimnis lassen.
Ich komme zum Schluß, meine sehr geehrten Damen und Herren: Die Demokratie erfordert einen Grundkonsens der Demokraten. Dieser Grundkonsens sollte sich auch auf die Rechtsgrundlagen für die Tätigkeit der Sicherheitsorgane erstrecken. Ich bedaure, daß Regierung und Koalition sich darum nicht bemühen, sondern die Konsensbildung durch die „politischen Vorgaben" ihrer Parteivorsitzenden zum Inhalt und zum Verfahren der hier vorliegenden und der weiteren Gesetze kaum noch möglich machen.
Wer bei den Rechtsgrundlagen für die Sicherheitsbehörden keine breite Mehrheit anstrebt, sondern glaubt, nach dem Prinzip „Mehrheit ist Mehrheit" verfahren zu können,
handelt nicht verantwortungsbewußt und dient nicht dem Wohl unseres Volkes.Vielen Dank.
Das Wort hat der Abgeordnete Eylmann.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Als die Opposition am Mittwoch letzter Woche die von den Koalitionsfraktionen in sehr sorgfältigen Beratungen entwikkelte neue Formulierung des § 163d StPO zu Gesicht bekam,
befand sie sich in der unangenehmen Lage eines Mannes, der sich mit aller Gewalt gegen eine Tür wirft, die er verschlossen wähnt, die dann aber nur angelehnt ist.
Sie hatte sich darauf eingerichtet, der Koalition alle die Bedenken zu präsentieren, die in den vorangegangenen Anhörungsverfahren lautgeworden waren, und mußte nun zu ihrer großen Enttäuschung erleben, daß in der neuen Formulierung all diesen Bedenken schon weitgehend Rechnung getragen war. Von diesem Sturz auf die eigene Nase hat sich die Opposition bis heute nicht erholt.
Sie haben zunächst so getan, als wenn die Tür nicht weit genug geöffnet gewesen sei: Sie haben ausdrücklich wesentliche Verbesserungen anerkannt, haben aber dies bekrittelt und jenes problematisiert und haben in zwei stundenlangen Ausschußsitzungen immer wieder dasselbe gefragt. Dann haben wir auf Ihre Alternativen, auf Ihre Änderungsvorschläge gewartet, und selbst in zwei langen Ausschußsitzungen sind Sie nicht dazu gekommen, auch nur einen einzigen Änderungsantrag zu stellen.
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15542 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 202. Sitzung. Bonn, Freitag, den 28. Februar 1986
EylmannSie sind — das haben Sie damit eindeutig bewiesen — unfähig zur Alternative.Dann sind Sie auf den Gedanken gekommen, in der Öffentlichkeit so zu tun, als wenn die Tür nach wie vor verschlossen sei: Sie beantragen, den § 163 d völlig abzukoppeln und erst einmal nicht zu verabschieden. Dieses Verhalten der Opposition ist völlig unlogisch und widersprüchlich.
— Ich möchte meine Ausführungen ohne Zwischenfragen zu Ende bringen.Die neue Vorschrift — Herr Kollege de With, Sie werden mir zustimmen — soll ja gerade die zur Zeit sehr weit gefaßte, nach Auffassung einiger auch etwas diffuse gesetzliche Grundlage für das Speichern von personenbezogenen Daten im Rahmen der Verbrechensbekämpfung präzisieren und enger fassen. Wir schaffen ja keine neuen Tatbestände der Datenspeicherung, sondern wir wollen im Gegenteil die Rechtslage präzisieren, die Möglichkeiten der Speicherung personenbezogener Daten einengen. Daran müßten eigentlich alle interessiert sein, die das vom Bundesverfassungsgericht statuierte informationelle Selbstbestimmungsrecht ernst nehmen.Da Sie offensichtlich in Argumentationsschwierigkeiten sind, sind Sie nun darauf verfallen, vage von einer systemwidrigen Teillösung zu sprechen
und eine umfassende Neuregelung aller strafprozessualen Fahndungsmöglichkeiten zu verlangen.Nun lohnt es sich j a zuweilen, etwas zurückzublättern und den Akteuren der Opposition von heute ihre eigenen Äußerungen und Handlungen während ihrer Regierungszeit vorzuhalten. 1978 schrieb der damalige Justizminister Dr. Vogel in einem Aufsatz in der „Neuen Juristischen Wochenschrift", in dem er die gesetzgeberischen Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus würdigte und sich selbst auf die Schulter klopfte — ich zitiere mit Erlaubnis des Präsidenten —:Die Neuregelung der Eingriffsbefugnisse ist eine dringenden Bedürfnissen folgende Sofortmaßnahme punktueller Art. Sie macht eine generelle Überrüfung des gesamten Systems der strafprozessualen Eingriffsbefugnisse nicht entbehrlich.Einige Zeilen weiter hebt er in demselben Aufsatz lobend hervor, daß der Gesetzgeber den Erfordernissen dogmatischer Perfektion und systematischer Vollständigkeit keine Priorität zuerkannt habe.Es besteht nun hinreichender Anlaß, die Opposition von heute an diese Worte zu erinnern. Die Neuordnung des Gesamtsystems der strafprozessualen Eingriffsbefugnisse hat die SPD während ihrer Regierungszeit nicht mehr zustande gebracht. Heute wird im Justizministerium daran gearbeitet.Ungeachtet dessen wollen wir aber eine gesetzliche Regelung für die Speicherung von Daten vorziehen, um damit allen möglichen Gefahren, die mit der Einführung des maschinenlesbaren Personalausweises unter Umständen verbunden sein könnten, von vornherein zu begegnen. Es ist doch absurd, Herr Kollege Fischer, wenn Sie sagen: Wir möchten erst einmal den Ausweis einführen und dann die gesetzlichen Regelungen schaffen. Umgekehrt muß doch der Weg verlaufen, den ein verantwortungsbewußter Gesetzgeber einhält.
Wenn die Opposition schlechthin § 163d verhindern will,
so beweist sie damit, daß sie taktische Verzögerungsmanöver und Blockaden der Regierung für wichtiger hält als die Mitarbeit an der Sicherung des informationellen Selbstbestimmungsrechts der Bürger.
Herr Abgeordneter, entschuldigen Sie, daß ich Sie unterbreche! — Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie die Unterhaltungen im Saal einstellen würden, damit der Redner im ganzen Saal verständlich ist.
Herr Kollege Fischer, angesichts dieses Sachverhalts reden Sie von parlamentarischer Kultur! Eine Opposition, die sich nicht mehr mit dem eigentlichen Beratungsgegenstand auseinandersetzt, sondern den Bürgern nur noch Horrorgemälde vorhält, die mit Wahrheit und Wirklichkeit nichts mehr gemein haben, nähert sich der politischen Subkultur.
Alle Einwendungen, die die Opposition gegen § 163d in der jetzt vorliegenden Fassung erhebt, sind unbegründet. Die Behauptung, die Anknüpfung an die bei der Grenzkontrolle anfallenden Daten würde zu einer massenhaften Speicherung von personenbezogenen Daten in der Größenordnung von Millionen führen, ist falsch. Sie vernachlässigen fortlaufend den fundamentalen Unterschied zwischen Datenerhebung und Datenspeicherung. Letztere ist nur unter ganz besonders engen Voraussetzungen zulässig.Außerdem kommt es geradezu einem skandalösen Mißtrauen gegenüber den deutschen Richtern gleich, wenn Sie meinen, diese würden einem zügellosen Einsatz der Datenspeicherung zustimmen. Das wäre angesichts der engen gesetzlichen Voraussetzungen eine klare Rechtsbeugung.
— Sie wissen, die Hilfsbeamten der Staatsanwaltschaft dürfen nur dann tätig werden, wenn Gefahr in Verzug ist.
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Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 202. Sitzung. Bonn, Freitag, den 28. Februar 1986 15543
EylmannWir haben das eindeutige Richterprivileg in das Gesetz aufgenommen.Hier wird immer wieder über die Zufallsfunde gesprochen. Die Regelung über Zufallsfunde am Ende von Absatz 4 enthält keineswegs einen Verstoß gegen das Zweckbestimmungsgebot des Bundesverfassungsgerichts. Die gespeicherten Daten dürfen keineswegs bewußt und systematisch zur Aufklärung anderer Straftaten verwertet werden. Entnimmt man den gespeicherten Daten aber zufällig Hinweise, die eine andere Straftat aufklären könnten, so würde es schon gegen das Legalitätsprinzip verstoßen, wenn man diesen Hinweisen nicht nachgehen dürfte.Gesetzt den Fall, man kommt bei der Gelegenheit der Auswertung der gespeicherten Daten einem Autodieb auf die Spur, soll man diesen Diebstahl unaufgeklärt lassen und den Täter laufenlassen? Welcher Bürger würde es verstehen, wenn Staatsanwaltschaft und Polizei von Rechts wegen gezwungen würden, beide Augen zuzudrücken. Im übrigen beweist schon § 108 StPO, daß z. B. bei Beschlagnahmen dasselbe Prinzip gilt und Zufallsfunde verwertet werden können.Meine Damen und Herren von der Opposition, Sie haben den Gang nach Karlsruhe angekündigt. Nun ist es zwar ein Armutszeugnis für die Opposition, im Zuge der Gesetzgebung keine Alternativen aufzuzeigen und statt dessen später nach dem Verfassungsrichter zu rufen; aber ich bitte Sie, wenn Sie auch sonst häufig Ihre Versprechen nicht halten: Machen Sie wenigstens diese Ankündigung wahr! Ich prophezeie Ihnen, daß das Bundesverfassungsgericht die Verfassungsmäßigkeit dieses Gesetzes bestätigen wird. Vielleicht wird das dazu beitragen, Ihr vollmundiges Gerede über angebliche Verfassungsverstöße als das zu entlarven, was es in Wahrheit ist: viel heiße Luft, die nur Ihre Unfähigkeit zur Alternative verschleiern soll.Vielen Dank!
Meine Damen und Herren! Wir haben jetzt noch einen Redner zur Sache. Ich möchte allerdings dem Redner das Wort erst erteilen, wenn die Damen und Herren Abgeordneten Platz genommen haben. — Ich mache Sie darauf aufmerksam, daß wir das Verfahren verkürzen können, wenn Sie Platz nehmen. Wir haben noch einen Sachbeitrag von ganz wenigen Minuten.
Herr Abgeordneter Schäfer, jetzt können wir es versuchen!
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Es ist hier von Koalitionsabgeordneten, vor allem vom Abgeordneten Laufs, die Gewerkschaft der Polizei in einer Art und Weise angegriffen worden, die es notwendig macht, dazu wenige Ausführungen zu machen.
Sie haben, Herr Kollege Laufs, hier vor dem Deutschen Bundestag die Klage des Vorsitzenden der Gewerkschaft der Polizei, Günter Schröder, er sei am Gesetzgebungsverfahren nicht beteiligt worden, als falsch zurückgewiesen.
Es gibt, meine Damen und Herren, eine Gemeinsame Geschäftsordnung der Bundesregierung. Danach wird jeder Gesetzentwurf der Bundesregierung von Bedeutung den beteiligten oder interessierten Kreisen zugänglich gemacht. Wenn demnächst das Besoldungserhöhungsgesetz zugeleitet wird, werden der Beamtenbund und die anderen Gewerkschaften von der Bundesregierung, von dem Bundesministerium des Innern dazu gehört werden. Wenn das Abwasserabgabengesetz oder ein anderes Umweltschutzgesetz verabschiedet wird, wird dasselbe Verfahren gewählt.
Bei dem Gesetzesbündel, das wir heute beraten, bei Gesetzen, die in besonderem Umfang das Vertrauensverhältnis zwischen Bürger und Polizei berühren, hat es der Bundesminister des Innern unterlassen, der Gewerkschaft der Polizei, überhaupt den Fachleuten der Polizei das Gesetzgebungsvorhaben zur Stellungnahme zuzuleiten.
Das ist der Vorwurf der Gewerkschaft der Polizei. Dieser Vorwurf ist in der Sache begründet. Es ist unerhört, daß die Bundesregierung bei solchen Gesetzesvorhaben die sachkundigen Polizeibeamten und ihre Vertreter nicht hört. Das ist der Punkt des Vorwurfs, Kollege Laufs.
Herr Abgeordneter Schäfer, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Laufs?
Wir als SPD-Fraktion des Deutschen Bundestages haben dies insoweit korrigiert, als wir von den uns parlamentarisch gegebenen Möglichkeiten Gebrauch gemacht haben, wenigstens in den Anhörungen des Deutschen Bundestages die Gewerkschaft der Polizei noch zur sachkundigen Stellungnahme kommen zu lassen.
Jetzt gestatte ich Ihre Zwischenfrage.
Bitte sehr, Herr Abgeordneter.
Herr Kollege Schäfer, sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, daß wir hier einen Gesetzentwurf beraten, der von den Fraktionen der CDU/CSU und der FDP eingebracht worden ist?
Der Gesetzentwurf ist im Bundesministerium des Innern vorbereitet worden. Der Entwurf zum Paßgesetz ist eine Regierungsvorlage. Und ich sage noch einmal: Im Gegen-
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Schäfer
Satz zu anderen Gesetzentwürfen ist hier die Gewerkschaft der Polizei zu dem Vorgang nicht gehört worden.Wenn Ihnen das aber nicht reicht, Herr Kollege Laufs, füge ich hinzu: Die Änderung, der § 163d der Strafprozeßordnung, der die Schleppnetzfahndung betrifft und von besonderer Bedeutung für das Vertrauensverhältnis zwischen Polizei und Bürger ist, ist von den Koalitionsfraktionen auch ohne Beteiligung des Sachverstandes der Polizei des Bundes,
was beispielsweise den Präsidenten des Bundeskriminalamtes oder den Vizepräsidenten des Bundeskriminalamtes, Herrn Boge und Herrn Boeden angeht, von Ihnen beraten worden.Kurzum: Meine Damen und Herren, wir weisen Ihren Angriff auf die Gewerkschaft der Polizei als unbegründet und unsachlich zurück.
Wir sind wie viele Bürger froh, eine Interessenvertretung der Polizei in der Bundesrepublik Deutschland zu haben, die es mit den Geboten der inneren Sicherheit ebenso ernst meint wie mit der Wahrung der Freiheitsrechte der Bürger. Statt die Gewerkschaft zu beschimpfen, Herr Kollege Laufs, sollten Sie mit uns zumindest in der Frage übereinstimmen, daß es nach den Erfahrungen des Dritten Reiches gut ist, heute eine derartige Gewerkschaftsvertretung der Polizei zu haben.
Meine Damen und Herren, ich erteile nunmehr nach § 82 Abs. 3 der Geschäftsordnung dem Abgeordneten Mann das Wort. Herr Abgeordneter, ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie Ihre Ausführungen auf die Geschäftsordnung beschränkten.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Bürgerinnen und Bürger! Die Fraktion DIE GRÜNEN beantragt nach den Begründungen und Ausführungen — insbesondere der Koalition — zu den unter Punkt 21a und 21 b auf die heutige Tagesordnung gesetzten Gesetzesentwürfen Rückverweisung an die Ausschüsse, vor allem an den Innenausschuß und den Rechtsausschuß.
Ich darf für unsere Fraktion an dieser Stelle feststellen — und das ist in der Debatte dankenswerterweise von den Kollegen Fischer und Dr. Emmerlich von der SPD-Fraktion ausgeführt worden —, daß insbesondere im Rechtsausschuß, aber auch im Innenausschuß bisher keine ordnungsgemäße parlamentarische Beratung stattgefunden hat.
In der letzten Woche, am vergangenen Freitag, soll-
ten diese Gesetzentwürfe hier verabschiedet wer-
den. Heute sollen sie als erster Teil eines umfassen-
den Paketes von Sicherheitsgesezten, wie Sie sie nennen — wir nennen sie Überwachungsgesetze —, hier nun endgültig durchgepaukt werden. Wir als der 10. Deutsche Bundestag sollten auf Grund der heutigen Debatte die vielzitierte Lernfähigkeit beweisen und diese mit heißer Nadel gestrickten Gesetze hier heute nicht verabschieden.
Das Parlament sollte sachgerecht beraten können, und zwar im Zusammenhang der Sicherheitsgesetze. Das ist ja heute nur der erste Teil des Horrorszenarios, das Sie zu bieten haben.
— Herr Kollege, gestern sind im Innenausschuß drei Anhörungen innerhalb von acht Tagen beschlossen worden, um den zweiten Teil hier durchzupeitschen. Das ist unsäglich! In dieser Woche konnte im Rechtsausschuß — der Kollege Fischer hat es gesagt — überhaupt nicht abschließend zur Sache beraten werden. Die Richter und Staatsanwälte als von der Änderung der Strafprozeßordnung betroffene Fachverbände sind im Gesetzgebungsverfahren nicht gehört worden. Die Strafprozeßordnung — das ist sehr wohl zur Geschäftsordnung, Herr Präsident — soll hier auf Grund eines „Quereinstiegs" in ein Gesetzgebungsverfahren im Januar geändert werden, obwohl, Herr Kollege Seiters, überhaupt keine erste Lesung stattgefunden hat.
Jedenfalls unsere Fraktion — das ist an die Adresse der SPD gerichtet — möchte hier nicht nur parlamentarische Krokodilstränen weinen, wie Sie das tun, indem Sie davon reden, die Rechtskultur unseres Landes stehe auf der Tagesordnung und sich, wie Herr Winterstein, hier als Gralshüter der bürgerlichen Freiheitsrechte darstellen. Wir möchten, daß dieses Gesetz nicht verabschiedet wird. Deswegen bitten wir Sie um Zustimmung zu unserem Antrag auf eine ordnungsgemäße parlamentarische Beratung.
Ich darf abschließend sagen — ich zitiere die baden-württembergische Datenschutzbeauftragte Ruth Leuze —: „Der maschinenlesbare Personalausweis und der Europapaß
führt zu einer qualitativen Veränderung unseres Staatswesens." Einer solchen Veränderung wird die bisherige parlamentarische Beratung in keiner Weise gerecht.
Danke sehr.
Meine Damen und Herren, mir liegt jetzt noch eine Wortmeldung zur Geschäftsordnung vor; der Abgeordnete Seiters hat
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Vizepräsident Cronenbergsich zur Geschäftsordnung gemeldet. — Ich möchte die Kolleginnen und Kollegen — einschließlich der Parlamentarischen Staatssekretäre — bitten, Platz zu nehmen und diesen letzten Wortbeitrag vor der Abstimmung in Ruhe anzuhören. Danke schön. — Herr Abgeordneter.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es lohnt nun wirklich nicht, immer und immer wieder zu wiederholen, wie lange wir über dieses Gesetz beraten haben. Das Gesetz liegt hier seit Herbst, seit Oktober 1984 vor. Wir haben in der Geschäftsordnungsdebatte heute morgen schon darüber gesprochen. Irgendwann nach langen Beratungen und langen Anhörungen kommt einmal der Zeitpunkt, in dem das Parlament entscheiden muß.
Dann müssen Sie es ertragen, daß die Mehrheit dieses Hauses, das vom Volke gewählt worden ist, auch darauf drängt, daß ein Gesetz so verabschiedet wird, wie sie es für richtig hält.
Wir bitten, Ihren Antrag abzulehnen.
Meine Damen und Herren, ich lasse nunmehr über den Geschäftsordnungsantrag des Abgeordneten Mann nach § 82 Abs. 3 unserer Geschäftsordnung — Rückverweisung in die Ausschüsse — abstimmen. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Wer stimmt dagegen? — Wer enthält sich? — Damit ist dieser Geschäftsordnungsantrag abgelehnt.Wir kommen nunmehr zur Abstimmung. Meine Damen und Herren, ich möchte Sie darauf aufmerksam machen, daß wir insgesamt acht namentliche Abstimmungen zu vollziehen haben. Wir haben zunächst einmal fünf namentliche Abstimmungen hintereinander über Änderungsanträge zu vollziehen. Ich bitte deswegen zunächst einmal die Schriftführer, nach der Abstimmung an den Urnen zu verbleiben. Die Urnen werden ausgetauscht, damit die weiteren Einzelabstimmungen über die Änderungsanträge stattfinden können.Im übrigen wird gebeten, daß sich alle Schriftführer für die Auszählung zur Verfügung stellen. Ich wäre auch dankbar, wenn Sie das nunmehr folgende Verfahren mit Ruhe und Geduld über sich ergehen lassen würden, denn dann ist die Wahrscheinlichkeit, daß es schneller geht, sehr viel größer.Wir kommen zur Einzelberatung und Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Paßgesetzes auf Drucksache 10/3303 in der Ausschußfassung. Dazu liegt, wie schon gesagt, eine Reihe von Änderungsanträgen vor, über die zum Teil namentlich abgestimmt wird.Ich schlage vor, die Änderungsanträge, über die namentlich abgestimmt wird, wie eben schon dargelegt, hintereinander zur Abstimmung zu stellen. Ich muß hierzu formal die Zustimmung des Hauses einholen. — Widerspruch erhebt sich nicht. Dann ist dies beschlossen.Wir kommen nunmehr zum Änderungsantrag der Fraktion DIE GRÜNEN auf Drucksache 10/5118. Hierzu ist ordnungsgemäß nach § 52 der Geschäftsordnung namentliche Abstimmung beantragt worden. Das Verfahren ist Ihnen hinreichend bekannt. Ich eröffne die Abstimmung.Ich möchte die Geschäftsführer bitten mir mitzuteilen, ob wir die Abstimmung schließen können.Ich frage nochmals, ob ein Mitglied des Hauses anwesend ist, das seine Stimme noch nicht abgegeben hat. — Das ist nicht der Fall; dann ist die Abstimmung geschlossen.Meine Damen und Herren, es dauert jetzt einen kleinen Moment; dann werden wir die nächste Abstimmung vornehmen können.Meine Damen und Herren, ich bitte um Ihre Aufmerksamkeit. Wir kommen nunmehr zur nächsten namentlichen Abstimmung. Es geht um den Antrag auf Streichung des Art. 2, der gleichlautend von der Fraktion DIE GRÜNEN auf Drucksache 10/5120 und von der Fraktion der SPD auf Drucksache 10/5125 gestellt wird. Wir können deswegen über beide Vorlagen in einer Abstimmung befinden. Das Verfahren haben Sie eben schon geübt; wir können nach dem gleichen Verfahren abstimmen.Die namentliche Abstimmung über die beiden genannten Änderungsanträge ist eröffnet.Ich frage, ob wir die Abstimmung schließen können. Ist ein Mitglied anwesend, das seine Stimme noch nicht abgegeben hat? — Das ist nicht der Fall. Dann kann ich die zweite namentliche Abstimmung schließen. Ich bitte, die Urnen zu leeren und die neuen Urnen zu bringen. — Alle drei neuen Urnen sind aufgestellt.Meine Damen und Herren, ich bitte wiederum um Ihre Aufmerksamkeit, und zwar für die dritte namentliche Abstimmung. Es handelt sich um den Anderungsantrag der SPD-Fraktion auf Drucksache 10/5124. Das Verfahren ist hinreichend bekannt. Ich eröffne die Abstimmung.Meine Damen und Herren, nur zu Ihrer Information: Nach dieser namentlichen Abstimmung müssen wir über eine Vielzahl von Änderungsanträgen normal abstimmen. Sie müssen also im Saal bleiben.Befindet sich noch jemand im Saal, der nicht abgestimmt hat? — Das ist offensichtlich nicht der Fall. Dann ist die Abstimmung geschlossen.Bevor ich das Ergebnis der ersten namentlichen Abstimmung bekanntgebe und mit den weiteren Abstimmungen beginne, möchte ich Sie bitten, Platz zu nehmen. Wir können nicht abstimmen, bevor Sie wirklich Platz genommen haben.Ich gebe nunmehr das von den Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion DIE GRÜ-
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15546 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 202. Sitzung. Bonn, Freitag, den 28. Februar 1986
Vizepräsident CronenbergNEN auf Drucksache 10/5118 bekannt *): Abgegebene Stimmen: 467, ungültig: keine. Mit Ja haben 24, mit Nein haben 442 Abgeordnete gestimmt; ein Mitglied des Hauses hat sich der Stimme enthalten, Der Antrag ist abgelehnt.Wir kommen nunmehr zu Art. 1 in der Ausschußfassung. Ich rufe § 1 auf. Hierzu liegt ein Änderungsantrag der Fraktion DIE GRÜNEN auf Drucksache 10/5117 unter den Nummern 1 bis 7 vor. Wer stimmt für diesen Änderungsantrag? — Wer stimmt dagegen? — Enthaltungen? — Der Antrag ist mit Mehrheit abgelehnt.Ich rufe § 2 auf. Hierzu liegt auf Drucksache 10/5117 unter Ziffer 8 ein Änderungsantrag der Fraktion DIE GRÜNEN vor. Wer stimmt für diesen Änderungsantrag? — Wer stimmt dagegen? — Enthaltungen? — Damit ist der Antrag mit überwiegender Mehrheit abgelehnt.Ich rufe § 3 auf. Hierzu liegt auf Drucksache 10/5117 unter Ziffer 9 ein Änderungsantrag der Fraktion DIE GRÜNEN vor. Wer stimmt für diesen Änderungsantrag? — Wer stimmt dagegen? — Enthaltungen? — Mit überwiegender Mehrheit abgelehnt.Ich rufe § 4 auf. Hierzu liegt auf Drucksache 10/5117 unter Ziffer 10 ein Änderungsantrag der Fraktion DIE GRÜNEN vor. Wer stimmt für diesen Änderungsantrag? — Wer stimmt dagegen? — Enthaltungen? — Mit überwiegender Mehrheit abgelehnt.Ich rufe § 15 auf. Hierzu liegt auf Drucksache 10/5119 unter den Ziffern 1 bis 3 ein Änderungsantrag der Fraktion DIE GRÜNEN vor. Wer stimmt für diesen Antrag? — Wer stimmt dagegen? — Enthaltungen? — Mit überwiegender Mehrheit abgelehnt.Ich rufe § 16 auf. Hierzu liegt auf Drucksache 10/5119 unter Ziffer 4 ein Änderungsantrag der Fraktion DIE GRÜNEN vor. Wer stimmt für diesen Änderungsantrag? — Dagegen? — Enthaltungen? — Der Änderungsantrag ist mit großer Mehrheit abgelehnt worden.Ich rufe § 17 auf. Hierzu liegt auf Drucksache 10/5119 unter Ziffer 5 ein Änderungsantrag der Fraktion DIE GRÜNEN vor. Wer stimmt für diesen Änderungsantrag? — Wer stimmt dagegen? — Enthaltungen? — Ebenfalls mit großer Mehrheit abgelehnt.Ich rufe § 18 auf. Hierzu liegt auf Drucksache 10/5119 ein Änderungsantrag der Fraktion DIE GRÜNEN unter Ziffer 6 vor. Wer stimmt für diesen Änderungsantrag? — Wer stimmt dagegen? — Enthaltungen? — Mit überwiegender Mehrheit abgelehnt.Ich rufe § 20 auf. Hierzu liegt auf Drucksache 10/5119 unter Ziffer 7 ein Antrag der Fraktion DIE GRÜNEN vor. Wer stimmt für diesen Änderungsantrag? — Dagegen? — Enthaltungen? — Mit überwiegender Mehrheit abgelehnt.*) Das endgültige Ergebnis mit Namensliste folgt in einem Nachtrag zu diesem Stenographischen Bericht.Ich rufe § 21 auf. Hierzu liegt auf Drucksache 10/5119 unter Ziffer 7 ein Änderungsantrag der Fraktion DIE GRÜNEN vor. Wer stimmt für diesen Antrag? — Wer stimmt gegen diesen Antrag? — Wer enthält sich? — Mit überwiegender Mehrheit abgelehnt.Ich rufe nunmehr § 23 auf. Hierzu liegt auf Drucksache 10/5119 unter Ziffer 7 ein Änderungsantrag der Fraktion DIE GRÜNEN vor. Wer stimmt für diesen Änderungsantrag? — Wer stimmt dagegen? — Enthaltungen? — Mit überwiegender Mehrheit abgelehnt.Ich rufe § 24 auf. Hierzu liegt auf Drucksache 10/5119 unter Ziffer 8 ein Änderungsantrag der Fraktion DIE GRÜNEN vor. Wer stimmt für diesen Änderungsantrag? — Wer stimmt dagegen? — Enthaltungen? — Mit überwiegender Mehrheit abgelehnt.Ich rufe nunmehr § 25 auf. Hierzu liegt auf Drucksache 10/5119 unter Ziffer 9 ein Änderungsantrag der Fraktion DIE GRÜNEN vor. Wer stimmt für diesen Änderungsantrag? — Dagegen? — Enthaltungen? — Damit ist auch dieser Änderungsantrag mit überwiegender Mehrheit abgelehnt.Ich gebe nunmehr das von den Schriftführern ermittelte Ergebnis der zweiten namentlichen Abstimmung bekannt.*) Es handelte sich um Änderungsanträge der Fraktion DIE GRÜNEN und der Fraktion der SPD auf den Drucksachen 10/5120 und 10/5125. Abgegebene Stimmen 461. Ungültig keine. Mit Ja haben 192, mit Nein haben 269 Abgeordnete gestimmt. Enthaltungen keine. Der Antrag ist abgelehnt.Dann gebe ich das von den Schriftführern ermittelte Ergebnis der Abstimmung über den Änderungsantrag der SPD auf Drucksache 10/5124 bekannt.*) Abgegebene Stimmen 468. Ungültig keine. Mit Ja haben 192, mit Nein 276 Abgeordnete gestimmt. Enthaltungen keine. Damit ist dieser Änderungsantrag abgelehnt.Nachdem ich Ihnen die Abstimmungsergebnisse bekanntgegeben habe, können wir nunmehr im Abstimmungsverfahren fortfahren.Ich rufe die Art. 1 bis 4, Einleitung und Überschrift in der Ausschußfassung auf. Wer den aufgerufenen Vorschriften zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Damit sind die aufgerufenen Vorschriften angenommen. Damit ist die zweite Beratung abgeschlossen.Wir treten nunmehr in diedritte Beratungein und kommen zur Schlußabstimmung über das Paßgesetz. Die Fraktion DIE GRÜNEN hat hierzu namentliche Abstimmung verlangt. Das Verfahren haben wir nun eingehend geübt. Ich eröffne die namentliche Abstimmung.*) Die endgültigen Ergebnisse mit Namenslisten folgen in einem Nachtrag zu diesem Stenographischen Bericht.
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Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 202. Sitzung. Bonn, Freitag, den 28. Februar 1986 15547
Vizepräsident CronenbergIst noch jemand im Saal, der seine Stimme nicht abgegegen hat? — Das ist offensichtlich nicht der Fall. Dann schließe ich die Abstimmung.Da einige Rückfragen waren, meine Damen und Herren: Sie haben über das Paßgesetz abgestimmt. Sie werden gleich noch Gelegenheit haben, über das Personalausweisgesetz abzustimmen.Da ich noch weitere Abstimmungen vornehmen muß, bitte ich Sie eindringlich, die Plätze einzunehmen, denn wir können das Verfahren nur praktizieren, wenn Sie sich hingesetzt haben. Da alle an einer Verkürzung interessiert sind, bitte ich Sie, meinem Wunsch aus eigenem Interesse Folge zu leisten.Wir kommen nun zum Tagesordnungspunkt 20b. Hierzu liegt eine Beschlußempfehlung des Innenausschusses vor. Der Ausschuß empfiehlt Ihnen auf Drucksache 10/5059 — ich werde darauf aufmerksam gemacht, daß es sich bei Buchstabe b um eine neue Vorlage handelt —, die Entschließung des Europäischen Parlaments zum Europapaß, Drucksache 10/3620, zur Kenntnis zu nehmen. Wer dieser Beschlußempfehlung des Innenausschusses zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Wer stimmt dagegen? — Enthaltungen? — Damit ist diese Beschlußempfehlung angenommen.Wir kommen nunmehr zur Einzelberatung und Abstimmung über den Tagesordnungspunkt 21 b, zu dem von der Fraktion DIE GRÜNEN eingebrachten Gesetzentwurf zur Änderung des Gesetzes über Personalausweise auf Drucksache 10/1316. Der Innenausschuß empfiehlt Ihnen auf Drucksache 10/5060 — wiederum neu — unter Nr. 2, diesen Gesetzentwurf abzulehnen. Ich rufe Art. 1 bis 3, Einleitung und Überschrift auf. Wer den aufgerufenen Vorschriften zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Wer stimmt dagegen? — Enthaltungen? Der Gesetzentwurf ist in zweiter Beratung abgelehnt. Damit unterbleibt nach § 83 unserer Geschäftsordnung eine weitere Beratung.Wir kommen nunmehr zur Einzelberatung und Abstimmung über Tagesordnungspunkt 21 a, den von den Fraktionen der CDU/CSU und FDP eingebrachten Gesetzentwurf zur Änderung des Gesetzes über Personalausweise auf Drucksache 10/2177 in der Ausschußfassung auf Drucksache 10/5060 . Hierzu liegen Änderungsanträge der Fraktion der SPD sowie der Fraktion DIE GRÜNEN vor, zu denen teilweise namentliche Abstimmung verlangt wird.Ich gehe davon aus, daß Sie wie eben damit einverstanden sind, daß über die Änderungsanträge, für die namentliche Abstimmung verlangt worden ist, vor Aufruf der Einzelvorschriften abgestimmt werden kann. Ich möchte hierzu die formale Zustimmung des Hauses einholen. — Das ist offensichtlich der Fall; dann können wir so verfahren.
Ich kann Ihnen die erfreuliche Mitteilung machen, daß die Fraktion DIE GRÜNEN darauf verzichtet, über den Änderungsantrag auf Drucksache 10/5121 eine namentliche Abstimmung zu verlangen, und daß nunmehr nur über § 1 c des Gesetzes, wenn ich das richtig lese, namentlich abgestimmt werden soll. In Ordnung.Dann können wir also die namentliche Abstimmung hierüber eröffnen.
— Entschuldigung, Herr Abgeordneter Ströbele.
Herr Präsident, das ist jetzt etwas durcheinandergegangen. Das ist der § 1 Abs. 3 oder die Nr. 1 Buchst. c. Nur, damit das nicht durcheinanderkommt.
Aha, das ist natürlich ein Unterschied. Dann ist es also richtig, wenn ich sage: § 1 Abs. 3 in Art. 1 in der Fassung des Ausschusses beschließe auf Drucksache 10/5060 . Ich hoffe, das Haus hat das ebenso verstanden wie ich.
Das ist wichtig.Meine Damen und Herren, dann kann ich somit die namentliche Abstimmung hierüber eröffnen. —Es gab hier Unklarheit: Es geht natürlich um den Artikel in der Ausschußfassung. Das heißt, wer der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, nehme freundlicherweise die blaue, wer dem Antrag der GRÜNEN zuzustimmen wünscht, freundlicherweise die rote Abstimmungskarte. —Meine Damen und Herren, Sie dürfen den Saal noch nicht verlassen. Wir haben anschließend eine namentliche Abstimmung über einen Änderungsantrag der SPD-Fraktion. —Meine Damen und Herren, ich habe die Meldung von den Fraktionen, daß wir die Abstimmung schließen können. Ich frage aber noch einmal: Ist jemand im Saal, der nicht abgestimmt hat? — Das ist offensichtlich nicht der Fall; dann schließe ich die Abstimmung.Meine Damen und Herren, inzwischen liegt mir das von den Schriftführern ermittelte Ergebnis der Schlußabstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Paßgesetzes in der Fassung der Ausschußbeschlüsse auf Drucksache 10/5059 vor*). Von den stimmberechtigten Mitgliedern des Hauses haben 447 abgestimmt, davon ungültige Stimmen keine, mit Ja 263, mit Nein 184; enthalten hat sich niemand. Die 19 Berliner Abgeordneten haben ihre Stimme wie folgt abgegeben: ungültig keine, mit Ja 11, mit Nein 8, Enthaltungen keine. Das Gesetz ist angenommen.Wir kommen nunmehr zur nächsten namentlichen Abstimmung. Es handelt sich um die Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 10/5126. Ich glaube, das Ver-*) Das endgültige Ergebnis mit Namensliste folgt in einem Nachtrag zu diesem Stenographischen Bericht.
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15548 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 202. Sitzung. Bonn, Freitag, den 28. Februar 1986
Vizepräsident Cronenbergfahren brauche ich nicht mehr zu erklären; ich kann damit die Abstimmung eröffnen.Meine Damen und Herren, bevor ich die Abstimmung schließe, darf ich fragen, ob noch jemand im Saal ist, der seine Stimme nicht abgegeben hat? — Dann kann ich die Abstimmung schließen.Meine Damen und Herren, ich bitte Sie nunmehr, Platz zu nehmen, damit wir weitere Abstimmungen vollziehen können.Wir haben jetzt über den Änderungsantrag der Fraktion DIE GRÜNEN — Drucksache 10/5121 —, für den ursprünglich namentliche Abstimmung vorgesehen war, durch Handzeichen abzustimmen.Wer dem Änderungsantrag der GRÜNEN auf Drucksache 10/5121 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Wer stimmt dagegen? — Enthaltungen? — Damit ist dieser Antrag abgelehnt.Bevor wir nunmehr zur Abstimmung über die Einzelvorschriften des Personalausweisgesetzes kommen, möchte ich das von den Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstimmung über § 1 Abs. 3 des Art. 1 in der Fassung der Ausschußbeschlüsse auf Drucksache 10/5060 bekanntgeben*). Von den vollstimmberechtigten Mitgliedern des Hauses haben 442 ihre Stimme abgegeben. Ungültig: keine. Mit Ja haben 260, mit Nein haben 182 Abgeordnete gestimmt. Enthalten hat sich niemand. 20 Berliner Abgeordnete haben ihre Stimme abgegeben. Ungültig: keine. Mit Ja haben 11, mit Nein 9 Abgeordnete gestimmt, enthalten hat sich niemand. Damit ist diese Vorschrift angenommen.Nun kommen wir also zur Abstimmung über die Einzelvorschriften des Personalausweisgesetzes, zunächst zu Art. 1 in der Ausschußfassung.Ich rufe § 3 auf.Hierzu liegt Ihnen auf Drucksache 10/5122 unter I Ziffern 1 und 2 ein Änderungsantrag der Fraktion DIE GRÜNEN vor.Wer diesem Änderungsantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Wer stimmt dagegen? — Enthaltungen? — Damit ist dieser Änderungsantrag mit großer Mehrheit abgelehnt.Ich rufe § 4 auf.Hierzu liegt auf Drucksache 10/5122 unter I Ziffer 3 ein Änderungsantrag der Fraktion DIE GRÜNEN vor.Wer stimmt diesem Änderungsantrag zu? — Wer stimmt dagegen? — Enthaltungen? — Damit ist dieser Änderungsantrag mit großer Mehrheit abgelehnt.Ich rufe nunmehr § 5 auf.*) Das endgültige Ergebnis mit Namensliste folgt in einem Nachtrag zu diesem Stenographischen Bericht.Hierzu liegt auf Drucksache 10/5122 unter I Ziffer 4 ein Änderungsantrag der Fraktion DIE GRÜNEN vor.Wer stimmt diesem Änderungsantrag zu? — Wer stimmt dagegen? — Enthaltungen? — Damit ist auch dieser Änderungsantrag mit großer Mehrheit abgelehnt.Ich rufe nunmehr Art. 2 auf.Hierzu liegt auf Drucksache 10/5122 unter II ein Änderungsantrag der Fraktion DIE GRÜNEN vor.Wer diesem Änderungsantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Wer stimmt dagegen? — Enthaltungen? — Der Änderungsantrag ist mit großer Mehrheit abgelehnt.Ich rufe Art. 4 auf.Hierzu liegt auf Drucksache 10/5122 unter III ein Änderungsantrag der Fraktion DIE GRÜNEN vor.Wer stimmt diesem Änderungsantrag zu? — Wer stimmt dagegen? — Enthaltungen? — Damit ist dieser Änderungsantrag mit großer Mehrheit abgelehnt worden.Ich rufe nunmehr die Art. 1 bis 4, Einleitung und Überschrift in der Ausschußfassung auf.Wer den aufgerufenen Vorschriften zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Wer stimmt dagegen? — Enthaltungen? — Diese Vorschriften sind angenommen, und damit ist die zweite Beratung abgeschlossen.Nunmehr muß ich warten, bis ich das Ergebnis der letzten der namentlichen Abstimmungen vorliegen habe. Da ich aber mitgeteilt bekommen habe, daß das relativ schnell gehen wird, lohnt es sich nicht, zwischendurch mit der Fragestunde, wie schon einmal vorgesehen, zu beginnen. Ich bitte Sie daher um Geduld. Wir haben noch zwei namentliche Abstimmungen durchzuführen. Bleiben Sie also bitte im Saal.Ich unterbreche die Sitzung für eine kurze Zeit. —
Die Sitzung ist wieder eröffnet.
Ich kann Ihnen das von den Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 10/5126 bekanntgegeben *). Abgegebene Stimmen 462; ungültig keine. Mit Ja haben gestimmt 192; mit Nein haben gestimmt 270; Enthaltungen keine. Der Antrag ist abgelehnt.Meine Damen und Herren, wir kommen nunmehr zurdritten Beratungund Schlußabstimmung über das Personalausweisgesetz.Die Fraktion DIE GRÜNEN hat gemäß § 52 unserer Geschäftsordnung namentliche Abstimmung verlangt. Das Verfahren ist Ihnen bekannt. Ich er-*) Das endgültige Ergebnis mit Namensliste folgt in einem Nachtrag zu diesem Stenographischen Bericht.
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Vizepräsident Cronenbergöffne die namentliche Abstimmung. — Ich werde noch einmal darauf aufmerksam gemacht: Nach dieser namentlichen Abstimmung erfolgt noch eine namentliche Abstimmung über einen Entschließungsantrag. Sie sind also noch nicht entlassen.Ich frage, ob noch ein Mitglied im Hause ist, das seine Stimme noch nicht abgegeben hat. — Da kommt noch jemand.Ich frage noch einmal: Ist jemand da, der seine Stimme noch nicht abgegeben hat? — Ich schließe die Abstimmung und bitte, mit der Auszählung zu beginnen.Während der Auszählung können wir über einen Entschließungsantrag der GRÜNEN abstimmen. Bevor ich aber damit beginne, bitte ich die Damen und Herren, Platz zu nehmen.Meine Damen und Herren, die GRÜNEN haben einen Entschließungsantrag auf der Drucksache 10/5123 eingebracht. Auch für diesen Entschließungsantrag ist namentliche Abstimmung beantragt worden. Das Verfahren ist bekannt. Wir können mit der namentlichen Abstimmung beginnen. Ich eröffne die Abstimmung.Zu Ihrer Information teile ich Ihnen mit, daß ich noch zwei Meldungen zur Geschäftsordnung vorliegen habe, anschließend das Abstimmungsergebnis bekanntgebe und daß anschließend mit der Fragestunde begonnen wird.
Sind alle Stimmkarten abgegeben? — Dann schließe ich die Abstimmung und bitte um Auszählung.
Meine Damen und Herren, in der Zwischenzeit gebe ich Ihnen das von den Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen Schlußabstimmung über das Fünfte Gesetz zur Änderung des Gesetzes über Personalausweise in der Fassung der Ausschußbeschlüsse auf Drucksache 10/5060 bekannt*). Von den stimmberechtigten Mitgliedern des Hauses wurden 445 Stimmen abgegeben, davon ungültige Stimmen: keine. Mit Ja haben 261 Mitglieder des Hauses gestimmt, mit Nein 184 Mitglieder des Hauses. 20 Berliner Abgeordnete haben ihre Stimme abgegeben; keine Stimme war ungültig. Mit Ja haben 11, mit Nein haben 9 Berliner Mitglieder des Hauses gestimmt. Das Gesetz ist damit in dritter Lesung angenommen.
Meine Damen und Herren, nach § 32 der Geschäftsordnung wünscht der Herr Abgeordnete Volmer eine persönliche Erklärung abzugeben. Bitte.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Parlamentarische Geschäftsführer der CSU, der Kollege Bötsch, hat es bei der Geschäftsordnungsdebatte heute morgen für tunlich befunden, ein wenig über die Vorgänge bei der Sitzung der Fraktionsvorsitzenden am letzten Frei-*) Das endgültige Ergebnis mit Namensliste folgt in einem Nachtrag zu diesem Stenographischen Bericht.tagmorgen zu plaudern. Er hat in dem Zusammenhang eine Aussage über mich gemacht, nämlich ich sei die ganze Zeit dabeigesessen, stumm wie ein Fisch. Dazu möchte ich zwei Anmerkungen machen, Herr Kollege.Erstens. Ich bestätige Ihre Beobachtung: Ich habe die ganze Zeit dabeigesessen, stumm wie ein Fisch.Zweitens. Die Hintergründe sind folgende:Die GRÜNEN im Bundestag waren zu dieser Versammlung der Fraktionsvorsitzenden nicht eingeladen gewesen.
Wir erfuhren davon rein zufällig, als wir morgens hier warteten und auf den Sitzungsbeginn harrten, durch den Vizepräsident Cronenberg, der dem Plenum mitteilte, daß die Fraktionsvorsitzenden dort oben tagten.Ich habe mich dann als Fraktionsvorsitzender uneingeladenerweise ebenfalls dorthin begeben und habe mich der Runde zugesellt. Zu dem Zeitpunkt wurde gerade ein Kompromißvorschlag der Kollegen von der SPD verhandelt, und der Bundestagspräsident hat die Meinung der einzelnen Fraktionsvorsitzenden bzw. Geschäftsführer dazu abgefragt. In dem Moment, als die GRÜNEN an der Reihe gewesen wären, wurde unsere Meinung allerdings nicht abgefragt.
Ich muß natürlich davon ausgehen, daß der Bundestagspräsident damit nicht signalisieren wollte, daß er auf die Meinung der GRÜNEN dazu keinen Wert lege oder daß die GRÜNEN an Verhandlungen gar nicht beteiligt werden müßten. Ich gehe davon aus, daß der Bundestagspräsident ganz genau wußte, daß dies ein Verhandlungsgegenstand war, zu dem die GRÜNEN tatsächlich nicht reden wollten, weil das ein reiner Infight war zwischen der CDU/CSU, FDP und der SPD. Ich kann dies bestätigen. Der Kompromiß, der dort über die Frage ausgehandelt wurde, ob die Gesetze heute oder erst nächste Woche verabschiedet werden sollten, interessierte uns tatsächlich nicht, weil wir die Verabschiedung nämlich überhaupt nicht wollen.
Von daher gab es für mich nicht die geringste Notwendigkeit, zu dem Kompromiß, den Sie aushandelten, während des Verhandlungsprozesses Stellung zu nehmen. Ich habe nach Abschluß der Verhandlung dem Bundestagspräsidenten mitgeteilt, daß wir der Vereinbarung nicht beiträten, und der Bundestagspräsident hat dies im Protokoll zur 199. Sitzung und auch heute morgen noch einmal ausdrücklich bestätigt. Er hat gesagt: „Die Vereinbarung ist zwischen den Fraktionen der CDU/CSU/ FDP und der SPD getroffen worden." Unser Name fehlte. Ich bin sicher, daß dies nicht darauf zurückzuführen ist, daß der Bundestagspräsident einen plötzlichen Blackout hatte, sondern daß er unseren Namen weggelassen hat, weil wir tatsächlich der Vereinbarung nicht beigetreten sind.
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15550 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 202. Sitzung. Bonn, Freitag, den 28. Februar 1986
VolmerZum Abschluß, Herr Bötsch: Auch Schweigen kann eine Verhandlungsstrategie sein, und ich glaube, es hätte Ihnen ganz gut angestanden, um den Einigungsprozeß zu beschleunigen, daß Sie vielleicht während der Verhandlung öfters mal den Mund gehalten hätten.
Nach § 31 der Geschäftsordnung hat der Abgeordnete Ströbele das Wort zur Abstimmung.
Frau Präsident! Ich habe gegen die Gesetzentwürfe gestimmt. Die Gründe dafür habe ich bereits vor einigen Stunden hier ausführlich dargelegt. Ich möchte dem nur ein Zitat hinzufügen aus der Debatte des Deutschen Bundestages vom 20. Juni 1979. Da hat der Abgeordnete Dr. Dregger folgende drei Sätze gesagt: Der Innenminister
hat nicht nur Staat und Bürger gegen Verbrechen, Extremismus und Terrorismus zu schützen, er hat auch dafür Sorge zu tragen, daß die Freiheit nicht zu Tode geschützt wird ... Wir waren der Ansicht, daß die ... grenzenlose Ausweitung staatlicher Kontrollmöglichkeiten gegenüber jedem Bürger unter keinem Gesichtspunkt zu rechtfertigen ist, auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Sicherheit.
Der letzte Satz:
Es war nicht Herr Baum, es war die Opposition, die vor der Computergläubigkeit des Präsidenten des BKA warnte, der immer neue Daten sammeln wollte und von automatisierter Verdachtsgewinnung träumte, mit der er den Sieg über die Kriminalität gewinnen wollte.
Meine Damen und Herren, ich gebe Ihnen das von den Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion DIE GRÜNEN auf Drucksache 10/5123 bekannt — die Berliner Abgeordneten sind voll stimmberechtigt —*): Abgegebene Stimmen 462, keine ungültigen Stimmen. Mit Ja haben 24 Mitglieder des Hauses, mit Nein haben 438 Mitglieder des Hauses gestimmt. Der Entschließungsantrag ist abgelehnt.
Ich rufe jetzt Punkt 1 der Tagesordnung auf: Fragestunde
— Drucksache 10/5081 —
Ich darf Ihnen schon sagen, daß sie sehr kurz sein wird. Wir warten einen Moment, bis sich der Plenarsaal geleert hat, wie ich annehme. — Wir können jetzt mit der Fragestunde beginnen.
Wir beginnen mit dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Jugend, Familie und Gesundheit.
*) Das endgültige Ergebnis mit Namensliste folgt in einem Nachtrag zu diesem Stenographischen Bericht.
Für seine Fragen 14 und 15 hat der Abgeordnete Tatge um schriftliche Beantwortung gebeten. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Die Fragen 16 und 17 der Abgeordneten Frau Schmidt und 18 und 19 des Abgeordneten Peter (Kassel) sind von den Fragestellern zurückgezogen worden.
Die Frage 20 des Abgeordneten Dr. Weng wird auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Die Fragen 21, 22 des Abgeordneten Kroll-Schlüter, 23 des Abgeordneten Götzer und die Fragen 24 und 25 des Abgeordneten Dolata werden gemäß Nr. 2 Abs. 2 der Richtlinien schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Die Fragen 26 und 27 des Abgeordneten Müller und 28 und 29 der Abgeordneten Frau Dann werden auf Wunsch der Fragesteller schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und Bundeskanzleramts.
Die Frage 42 des Abgeordneten Mann wird nach den Richtlinien schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Für seine Fragen 43 und 44 hat der Abgeordnete Duve um schriftliche Beantwortung gebeten. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Wir kommen jetzt zum Geschäftsbereich des Auswärtigen.
Ich rufe die Frage 48 des Herrn Abgeordneten Hupka auf:
Warum bezeichnet das Auswärtige Amt die 280 000 Deutschen, die als Aussiedler aus dem polnischen Bereich zu uns gekommen sind, in der Broschüre „Unsere Auswärtige Politik" einmal als „Deutschstämmige", ein anderes Mal als „Übersiedler"?
Herr Staatsminister, bitte.
Herr Kollege, die Bezeichnungen „Deutschstämmige" und „Übersiedler" sind in einer Reportage von einem Journalisten in umgangssprachlichem Sinne verwandt worden. Sie drücken keine willentliche Abweichung von den Definitionen des Grundgesetzes und des Bundesvertriebenengesetzes aus. Die Bezeichnung „Aussiedler" wäre in beiden Fällen treffender gewesen.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter.
Herr Staatsminister, unabhängig davon, daß es sich um keine Reportage, sondern um eine offizielle Broschüre des Auswärtigen Amtes handelt, möchte ich Sie fragen, warum man sich scheut, den Ausdruck „Deutsche" zu gebrauchen, denn wenn Gerhart Hauptmann heute in Schlesien leben würde und sich aussiedeln lassen müßte, wäre er ein Deutscher und kein Deutschstämmiger.
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Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 202. Sitzung. Bonn, Freitag, den 28. Februar 1986 15551
Dr. Stavenhagen, Staatsminister: Herr Kollege, es ist in der Tat eine Broschüre des Auswärtigen Amtes, in der eine Reihe von Reportagen von freien Journalisten — selbstverständlich in der Verantwortung des Auswärtigen Amtes — zusammengestellt worden sind. Die Definition „Deutscher" ergibt sich eindeutig aus Art. 116 des Grundgesetzes, und wer die Voraussetzungen des Art. 116 des Grundgesetzes erfüllt, kann selbstverständlich — er wird dies auch — als Deutscher bezeichnet werden.
Eine weitere Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatsminister, steht vielleicht eine Neuauflage dieser Broschüre ins Haus, und bestünde da die Möglichkeit, diese unzutreffenden Ausdrücke wieder in Ordnung zu bringen?
Dr. Stavenhagen, Staatsminister: Herr Kollege, ich kann im Moment noch nicht übersehen, ob und wann eine Neuauflage ins Haus steht. Wenn das der Fall sein sollte, werde ich Ihre Anregung gern aufgreifen.
Keine weitere Zusatzfrage.
Die Fragen 45, 46 des Abgeordneten Dr. Schroeder und 47 des Abgeordneten Immer (Altenkirchen) werden auf Wunsch der Fragesteller schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich danke Ihnen, Herr Staatsminister.
Die Fragen 97 bis 107 der Abgeordneten Reimann, Kirschner, Stiegler, Heistermann, Uldall und Fiebig aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung werden auf Wunsch der Fragesteller schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich danke den Vertretern der Bundesregierung für ihre Anwesenheit.
Wir sind damit am Ende der Sitzung angekommen. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Mittwoch, den 12. März 1986, 13 Uhr ein.
Die Sitzung ist geschlossen.