Gesamtes Protokol
Meine Damen und Herren, ich eröffne die Sitzung.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf: Fragestunde
— Drucksache 10/4696 —
Zuerst wäre der Geschäftsbereich des Bundesministers für Bildung und Wissenschaft dran. Der Fragesteller der Frage 1, der Herr Abgeordnete Stiegler, hat aber um schriftliche Beantwortung gebeten. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt. Somit braucht der Geschäftsbereich nicht aufgerufen zu werden.
Ich komme zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft. Zur Beantwortung der Fragen steht der Parlamentarische Staatssekretär Grüner zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 4 des Abgeordneten Löffler auf:
Wie erklärt sich die Bundesregierung die über 19 000 Insolvenzen im Jahre 1985?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Ich würde gern, Herr Kollege, Ihre beiden Fragen im Zusammenhang beantworten.
Sind Sie einverstanden?
Ja, wenn dadurch die Anzahl meiner Zusatzfragen nicht beeinträchtigt wird.
Die Zusatzfragen stehen Ihnen zu, Herr Löffler.
Dann rufe ich auch die Frage 5 des Abgeordneten Löffler auf:
Ist die Bundesregierung bereit, in diesem Zusammenhang die Ausführungen des jetzigen Bundeskanzlers Dr. Kohl am 17. September 1981 vor dem Deutschen Bundestag auch auf sich zu beziehen?
Grüner, Parl. Staatssekretär: In der Vergangenheit reflektierten die Insolvenzen recht deutlich die Veränderungen der wirtschaftlichen Lage: Während sie in Rezessionsphasen regelmäßig anstiegen, sind sie in Zeiten guter Konjunktur entweder rückläufig gewesen oder haben zumindest stagniert. Die
damaligen Ausführungen des heutigen Bundeskanzlers Dr. Kohl waren deshalb zutreffend und bedürfen keiner nachträglichen Korrektur.
Die Gründe für Unternehmenszusammenbrüche und Insolvenzen sind vielfältig. Ich verweise diesbezüglich auf die Antworten der Bundesregierung auf frühere Anfragen, u. a. der Abgeordneten Schreiner, Plenarprotokoll 10/31, und Frau Dr. Martiny-Glotz, Drucksache 10/237.
Wichtiger ist jedoch die Frage, inwieweit Insolvenzen heute noch als ein aussagefähiger Indikator für gesamtwirtschaftliche Entwicklungen herangezogen werden können. In jedem Fall ist es notwendig, die Anzahl der Markteintritte mit ins Bild zu nehmen. Hier hat sich in den letzten Jahren ein regelrechter Existenzgründungsboom ergeben, mit zuletzt 318 000 Unternehmensneugründungen im Jahre 1985. Diese Zahl übertrifft bei weitem die der Unternehmensliquidationen. Die geschätzte Zahl — amtliche Daten für 1985 liegen noch nicht vor — der 19 000 Insolvenzen, davon ca. 13 800 Unternehmensinsolvenzen, ist auch vor diesem Hintergrund zu sehen, wobei hinzuzufügen wäre, daß mit steigender Zahl von Existenzgründungen auch eine steigende Zahl von Unternehmensinsolvenzen auftreten dürfte, weil nicht alle Existenzgründungen erfolgreich sind.
Eine erste Zusatzfrage, Herr Löffler.
Herr Staatssekretär, sind Sie in der Lage, anzugeben, wieviel junge Firmen, deren Gründer sich durch die psychologische Beeinflussung der Wendementalität dazu bekannt haben, ein selbständiges Unternehmen aufzubauen, mit in der Zahl von 19 000 Insolvenzen enthalten sind?Grüner, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich kann Ihnen hier aus dem Stand dazu keine zahlenmäßige Angabe machen. Aber es ist sicher richtig, daß gerade auch Unternehmensneugründungen in der Anfangsphase ihrer Existenz einem besonderen Risiko unterliegen. Wir wissen, daß insbesondere Unternehmensneugründungen, die nicht staatlich gefördert worden sind und die damit auch keine intensive begleitende finanzielle, kaufmännische
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14354 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 189. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. Januar 1986
Parl. Staatssekretär Grünerund technische Beratung erfahren haben, in den ersten fünf Jahren in beachtlichem Umfang vor der Gefahr stehen, wieder zugrunde zu gehen.
Eine zweite Zusatzfrage, Herr Löffler.
Herr Staatssekretär, liegen der Bundesregierung Erkenntnisse vor, wieviel Geldmittel dadurch verlorengegangen sind, daß diesen Unternehmungen Existenzgründungsdarlehen gewährt worden sind?
Grüner, Parl. Staatssekretär: Darüber liegen Zahlen vor, die ich Ihnen gern schriftlich übermitteln werde.
Ich bitte darum.
Zu einer weiteren Zusatzfrage Herr Löffler.
Liegen der Bundesregierung Erkenntnisse vor, wieviel Unternehmen in Insolvenz gegangen sind, die nur gegründet worden waren, um Steuern zu sparen oder Subventionen von der öffentlichen Hand zu kassieren?
Grüner, Parl. Staatssekretär: Darüber gibt es wie ich sagen möchte, naturgemäß keine Unterlagen. Ich halte es allerdings für einen extrem seltenen Fall, daß die Risiken und die Probleme, die mit einer Existenzgründung verbunden sind, etwa mit der Zielsetzung unternommen werden, anschließend den Laden dichtzumachen.
Zur letzten Zusatzfrage Herr Löffler.
Herr Staatssekretär, drückt sich in den vermehrten Insolvenzen ein Strukturprozeß innerhalb der Wirtschaft aus, der bedeutet, daß eine immer stärkere Konzentration in der Wirtschaft zu verzeichnen ist und damit die traditionelle Struktur der deutschen Wirtschaft bei Klein- und Mittelunternehmen Schaden erleidet?
Grüner, Parl. Staatssekretär: Nein, das wird sich diesen Zahlen nicht entnehmen lassen, vor allem auch deshalb nicht, weil die Zahl der Neugründungen — das habe ich erwähnt — in erheblichem Umfang — im Jahre 1985 war es geradezu ein Boom — zugenommen hat und wir im allgemeinen im statistischen Durchschnitt mit jeder Neugründung die Entstehung von vier Arbeitsplätzen verbunden sehen. Das ist also eine ausgesprochene Entwicklung in Richtung dezentraler, kleinerer Unternehmenseinheiten, die durch den Konzentrationsprozeß, den wir in einigen Bereichen feststellen, nicht etwa gebremst worden ist.
Zusatzfrage des Abgeordneten Jens.
Herr Staatssekretär, empfinden Sie es nicht wie ich als eine Art Verniedlichung, wenn immer die Rekordzahl an Unternehmenszusammenbrüchen mit den Neugründungen verglichen wird? Brauchten wir in unserer ökonomischen Lage nicht eigentlich eine niedrige Zahl an Konkursen und eine hohe Zahl an Unternehmensgründungen?
Grüner, Parl. Staatssekretär: Ja, das letzte ist richtig. Natürlich sind diese Insolvenzen keine erfreuliche Statistik — ohne jeden Zweifel. Sie sind auch Ausdruck einer nach wie vor von der Ertragslage her gegebenen unbefriedigenden Situation vieler Unternehmen. Das muß man hinzufügen; denn niemand liquidiert oder geht in Konkurs, wenn er ausreichende Gewinne hat. Das alles gehört mit ins Bild.
Aber es gehört eben auch eine erhebliche Gründungswelle ins Bild; und es gehört mit ins Bild, daß sich die Zahl der Konkurse beispielsweise in der Statistik auch deshalb gewaltig erhöht, weil Voraussetzung für den Erhalt des Konkursausfallgeldes ein entsprechender Konkursantrag der Krankenkassen ist. Die Hälfte aller Konkursanträge wird deshalb heute von den Krankenkassen gestellt, während vor diesem Gesetz viele Unternehmen ohne Konkurs in Liquidation gingen, weil dort nichts zu holen war.
Um ein weiteres Beispiel zu nennen: Wir rechnen auch damit, daß die Änderung des GmbH-Gesetzes — die Verpflichtung, das Kapital in diesem Bereich aufzustocken — zu einer größeren Zahl von Liquidationen, aber auch zu Konkursen führen wird, weil das ein Anlaß für die Unternehmen ist, sich Rechenschaft zu geben, ob sie noch in einer wirtschaftlichen Situation sind, die die Fortführung des Unternehmens rechtfertigt.
Es gibt also viele Gründe. Aber es bleibt dabei, daß diese Zahl von Insolvenzen gleichzeitig ein Anzeichen dafür ist, daß wir nicht etwa über den Berg sind, sondern daß es entscheidend darauf ankommt, auch jungen Selbständigen entsprechende Chancen einzuräumen. Dafür spielen die Rahmenbedingungen, die der Staat setzt, eine große Rolle, ohne daß man sagen könnte, diese Rahmenbedingungen seien heute — verglichen mit denen anderer Einkommensbezieher — bei uns optimal.
Weitere Zusatzfrage Herr Jens.
Herr Staatssekretär, können Sie denn der Aussage der Auskunftei Schimmelpfeng zustimmen, die festgestellt hat, daß für das verarbeitende Gewerbe die Konkurse insbesondere deshalb zustande kommen, weil es dort zuwenig Absatz, zuwenig Nachfrage gibt? Glauben Sie mit mir, daß die beste Hilfe gegen Konkurse eine anständige, vernünftige Konjunkturpolitik wäre?Grüner, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, die Konjunkturpolitik, die wir im Augenblick betreiben, und vor allem ihre Ergebnisse übertreffen alle Erwartungen. Wenn ich mir Ihre eigenen Prognosen vergegenwärtige, aber auch wenn ich mir meine eigene Einschätzung des Jahres 1986 in Erinnerung rufe, dann muß ich sagen, daß diese Erwartungen weit übertroffen werden von der positiven
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Parl. Staatssekretär Grünerwirtschaftlichen Entwicklung mit einem realen Wachstum für 1986 von wahrscheinlich 3 % und von der Meinung des Sachverständigenrats, daß es, wenn wir keine Fehler machten — insbesondere die Tarifvertragsparteien keine Fehler machten —, keinen Grund gebe, nicht anzunehmen, daß sich die positive wirtschaftliche Entwicklung fortsetze. Ohne eine entsprechende staatliche Konjunkturpolitik wären diese Ergebnisse nicht erzielt worden.Trotzdem bleibt es bedrückend, daß wir in einer so günstigen wirtschaftlichen Lage aus vielfältigsten Ursachen, die nicht auf einen Punkt gebracht werden können, eine so hohe Zahl von Unternehmensinsolvenzen zu verzeichnen haben.
Wir sind damit am Ende des Geschäftsbereichs des Bundesministers für Wirtschaft. Ich danke dem Staatssekretär für die Beantwortung der Fragen.
Ich rufe nun den Geschäftsbereich des Bundesministers für innerdeutsche Beziehungen auf. Herr Parlamentarischer Staatssekretär Dr. Hennig steht zur Beantwortung der Fragen zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 6 des Abgeordneten Hiller auf:
Mit welchen Zielvorstellungen führt die Bundesregierung mit der DDR Gespräche über eine Veränderung des Grenzkontrollpunktes Lübeck-Selmsdorf/DDR im Zusammenhang mit der Mülldeponie Schönberg/DDR?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Herr Kollege Hiller, die Bundesregierung hat den Wunsch des Landes Schleswig-Holstein zur Kenntnis genommen, im Zusammenhang mit einer Ortsumgehung von Lübeck-Schlutup für Abfalltransporte zur DDR-Mülldeponie Schönberg einen neuen Grenzübergang für Mülltransporte zur DDR zu eröffnen. Sie prüft gegenwärtig die Voraussetzungen für Gespräche mit der DDR.
Eine Zusatzfrage, Herr Hiller.
Hat es schon erste Kontakte mit Behörden oder Stellen der DDR gegeben?
Dr. Hennig, Parl. Staatssekretär: Unsererseits nicht, Herr Kollege Hiller. Das muß natürlich zunächst mit dem Land Schleswig-Holstein sehr eingehend besprochen werden.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Hiller.
Ist sich die Bundesregierung der Bedeutung bewußt, die sich ergäbe, wenn noch mehr Abfalltransporte über diesen Grenzkontrollpunkt nach Schönberg abgewickelt werden können, insbesondere was die Abfallbewirtschaftung in der Bundesrepublik und die dafür vorgesehenen Gesetze betrifft?
Dr. Hennig, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Hiller, die Belastung des Übergangs Schlutup und der Zufahrtstraße mit Müllfahrzeugen ist in der Tat sehr hoch. Es sind etwa 150 Lkw pro Tag. Die Kapazität der DDR-Deponie Schönberg reicht langfristig sicher aus. Es ist auch nicht abzusehen, daß es zu einer wirksamen Einschränkung der Mülltransporte kommt. Daher besteht grundsätzlich ein verkehrs- und umweltpolitisches Interesse an einer Umgehungsstraße mit neuem Übergang.
Ich bitte Sie nur um Verständnis, daß ich mich im gegenwärtigen Stadium der internen Prüfung zu Details, die ja kostenrelevant sind, noch nicht äußern kann.
Ich rufe die Frage 7 des Abgeordneten Hiller auf:
Welche Finanzierungsmöglichkeiten werden dabei ins Auge gefaßt, und welche Institutionen sollen auf bundesdeutscher Seite beteiligt werden?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Dr. Hennig, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Hiller, mit dem Land Schleswig-Holstein ist die Erörterung der technischen und finanziellen Fragen aufgenommen worden. Die Diskussion ist also in Gang.
Eine Zusatzfrage.
Denkt die Bundesregierung ausschließlich an eine Straße, oder wird auch überlegt, ob man diese Mülltransporte mit der Bahn durchführen kann?
Dr. Hennig, Parl. Staatssekretär: Auch das ist mit dem Land Schleswig-Holstein ganz sicher zu besprechen, Herr Kollege Hiller. Aber diese Prüfungen sind noch nicht so weit fortgeschritten, daß ich das schon jetzt abschließend beantworten könnte.
Eine letzte Zusatzfrage, Herr Hiller.
Stimmt die Bundesregierung mit der schleswig-holsteinischen Landesregierung darin überein, daß von der Mülldeponie Schönberg keine Gefährdungen des Trinkwassers in Lübeck zu erwarten sind?
Dr. Hennig, Parl. Staatssekretär: Nach unseren bisherigen Prüfungen ist diese Frage zu bejahen. Sie wissen, daß verschiedene Expertengruppen dort auch vor Ort gewesen sind; ich glaube, auch Sie selbst waren einmal mit dort. Aber eine abschließende Garantie dieser Art ist von hier aus natürlich sehr schwer abzugeben.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Löffler.
Herr Staatssekretär, halten Sie es angesichts der Fülle der Mülltransporte, die Sie eben in Ihrer Antwort auf die Frage 6 des Abgeordneten Hiller genannt haben, nicht für erwägenswert, für die Mülltransporte eventuell einen eigenen Übergang zu schaffen?
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Dr. Hennig, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Löffler, alle diese Überlegungen werden in das Gespräch mit der schleswig-holsteinischen Landesregierung einbezogen. Dieses ist seit Oktober im Gange. Hier ist zum erstenmal die OFD als zuständiges Organ der Bundesregierung einbezogen bzw. angesprochen worden. Es wird im weiteren Verfahren ganz sicher Gelegenheit sein, auch über diese Überlegung nachzudenken.
Herr Löffler, das geht nicht. Sie haben nur eine Zusatzfrage, weil wir die Fragen 6 und 7 nicht zusammen aufgerufen haben.
Wir sind am Ende der Fragen zum Geschäftsbereich des Bundesministers für innerdeutsche Beziehungen. Ich danke dem Staatssekretär für die Beantwortung der Fragen.
Bevor ich den nächsten Geschäftsbereich aufrufe, teile ich mit, daß wir festgestellt haben: Wir haben einen neuen Kollegen unter uns. Als neues Mitglied des Deutschen Bundestages begrüße ich den Kollegen Fischer von der Fraktion DIE GRÜNEN. Er ist für den Abgeordneten Kleinert (Marburg) hereingetauscht. Ich wünsche ihm eine gute Zusammenarbeit mit uns.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung. Der Parlamentarische Staatssekretär Würzbach steht zur Beantwortung der Fragen zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 8 des Abgeordneten Rusche auf:
Aus welchen Gründen hat der Bundesminister der Verteidigung Angehörigen der Bundeswehr Sonderurlaub gewährt, damit sie zu Fallschirmspringübungen nach Peru reisen konnten, und wie beurteilt die Bundesregierung in diesem Zusammenhang die Rolle der peruanischen Armee bei den Menschenrechtsverletzungen in Peru?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Herr Präsident! Kollege Rusche, es wurde kein Sonderurlaub gewährt.
Zusatzfrage, Herr
Rusche.
Herr Staatssekretär, war die Bundeswehr bzw. waren die entsprechenden Vorgesetzten über die Reise nach Peru informiert?
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Bundeswehrangehörige haben ihren Vorgesetzten, wenn sie privaten Urlaub auf eigene Kosten irgendwo verbringen, keine dienstliche Meldung abzugeben.
Weitere Zusatzfrage.
In keinem Fall? Ich glaube, Personen, die bei der Bundeswehr beschäftigt sind oder bei der Bundeswehr dienen, müssen sich, wenn sie in gewisse Länder fahren, abmelden oder ihren Vorgesetzten entsprechend Bescheid sagen.
Würzbach, Parl. Staatssekretär: In gewisse, ja. Dieses zählt nicht dazu.
Die Frage 9 des Abgeordneten Dr. Kübler soll auf Bitte des Fragestellers schriftlich beantwortet werden. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Wir kommen zur Frage 10 des Abgeordneten Pauli:
Wie gedenkt der Bundesminister der Verteidigung seiner Fürsorgepflicht gegenüber dem Hauptabteilungsleiter Rüstung nachzukommen, der in jüngster Zeit in mehreren Rundfunksendungen, einer Buchveröffentlichung sowie anderen Veröffentlichungen unwidersprochen mit dem Doppelmord von Pöcking an Dr. Praun und seiner Hausgehilfin im Jahre 1960, mit illegalem Waffenhandel und mit der Entgegennahme von Geldzahlungen durch Rüstungsfirmen in Verbindung gebracht wird, und wie beurteilt die Bundesregierung den diesen Veröffentlichungen zugrundeliegenden Sachverhalt?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Kollege Pauli, der Bundesminister der Verteidigung kommt seiner Fürsorgepflicht auch gegenüber dem Hauptabteilungsleiter Rüstung nach, wie dies auch seine Amtsvorgänger getan haben, so seit 1976 beispielsweise die Verteidigungsminister der SPD. Es handelt sich bei diesen Unterstellungen und Verdächtigungen nur um neu aufgelegte unseriöseste Verdächtigungen gegenüber diesem Beamten, die immer wieder geprüft und als völlig haltlos nunmehr durch drei Minister zurückgewiesen wurden.
Zusatzfrage, Herr Pauli.
Herr Staatssekretär, teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß der Sender Freies Berlin unter dem Intendanten Lothar Löwe, der Südwestfunk unter dem Intendanten Willibald Hilf und der Westdeutsche Rundfunk unter dem Intendanten Friedrich Nowottny seriöse Rundfunkanstalten sind, die sich auch einem seriösen Journalismus verpflichtet sehen; und, wenn ja, wie erklärt sich dann die Bundesregierung die Tatsache, daß diese Rundfunkanstalten erstmals im Jahr 1985 ganz bestimmte Vorwürfe einer breiten Öffentlichkeit zugänglich machten, wobei ich davon ausgehe, daß diese Rundfunkanstalten die Veröffentlichung dieser Vorwürfe zuvor auf ihre rechtliche Relevanz haben überprüfen lassen?
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich sehe keinen, überhaupt keinen Zusammenhang mit der Eingangsfrage.
Weitere Zusatzfrage des Abgeordneten Pauli.
Herr Staatssekretär, trifft es zu, wie es in diesen Veröffentlichungen heißt, daß weder die Hardthöhe noch die Münchener Staatsanwaltschaft, noch irgendeine Polizeidienststelle versucht habe, bestimmte Hinweise im Zusammenhang mit dem Doppelmord auf ihren Wahrheitsgehalt zu
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Pauliüberprüfen? Wenn aber doch: Mit welchem Ergebnis fanden diese Überprüfungen statt?Würzbach, Parl. Staatssekretär: Mit dem Ergebnis, daß alle diese Verdächtigungen und Behauptungen, wann und von wem und wo auch immer wieder neu aufgestellt, unbegründet, unseriös und unwahr sind.
Ich rufe die Frage 11 des Abgeordneten Pauli auf:
Ist der Hauptabteilungsleiter Rüstung mit dem Protokoll einer Vernehmung eines Zeugen durch zwei Beamte des Bundesministeriums der Verteidigung im Jahre 1976 konfrontiert worden, wonach er einen Betrag von 36 000 DM von der Firma Radio Air entgegengenommen hat, und wie beurteilt die Bundesregierung diesen Vorgang?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, angesichts auch des soeben geschilderten Sachverhalts bestand zu der Konfrontation, nach der Sie fragen, nach den Aussagen keinerlei Anlaß.
Zusatzfrage, Herr Pauli.
Herr Staatssekretär, ist die Erklärung des hier in Frage stehenden Ministerialdirektors Rüstung im BMVg vom 16. Juni 1968 vor dem 1. Untersuchungsausschuß des Deutschen Bundestages über das Referat ES — ich zitiere —
Damit hatte die Bundeswehr sich wieder eine Einrichtung geschaffen, wie sie bei der Wehrmacht bereits vorhanden gewesen war. Es gab eine entsprechende Einrichtung bei der Wehrmacht im Amt Auslandsabwehr. Früher bei der Wehrmacht war die Abwehr und das, was ich jetzt mache, im gleichen Amt und in den gleichen Händen.
so zu verstehen, daß der hier in Frage stehende Ministerialdirektor damals auch unmittelbare Geheimdiensttätigkeiten ausübte?
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich sehe auch hier nicht den geringsten Zusammenhang mit der Ausgangsfrage, die Sie mir gestellt haben.
Sie haben noch eine Zusatzfrage, Herr Pauli.
Herr Staatssekretär, können Sie mir dann wenigstens mitteilen, wann und wo die Bundesregierung die im vergangenen Jahr — im April durch den Sender Freies Berlin, im September durch andere Rundfunkanstalten und im November durch eine Buchveröffentlichung — erneut erhobenen Vorwürfe zurückgewiesen hat?
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, es bestand für uns kein aktueller Anlaß, das erneut zurückzuweisen. Da — ich zitiere eine Quelle; es gibt deren mehrere — Minister Apel diese unseriösen, unwahren, aus der Luft gegriffenen, von bestimmten Seiten zuweilen immer wieder genährten Dinge bereits im Dezember 1978 eindeutig als völlig haltlos zurückgewiesen hat und sich dieser Minister wie der jetzige in aller Klarheit vor diesen Beamten gestellt hat, besteht für die Regierung kein Anlaß, dazu Stellung zu nehmen, wenn — in welchen Medien auch immer; Sie werden das Buch kennen und wissen, daß eine der Mitautorinnen dieses Buches die Terroristin Meinhof gewesen ist — dieser längst abgeschlossene Vorgang nun aufgeregt oder hektisch aufgewärmt wird. Im übrigen ist der, der dies damals behauptet hat, von deutschen Gerichten wegen Falschaussage und wegen Verleumdung mehrmals rechtskräftig verurteilt worden.
Meine Damen und Herren, das war der Abschluß des Geschäftsbereichs des Bundesministers der Verteidigung. Ich danke dem Staatssekretär für die Beantwortung der Fragen.
Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Jugend, Familie und Gesundheit. Frau Staatssekretärin Karwatzki steht uns zur Beantwortung der Fragen zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 12 des Abgeordneten Dr. Freiherr Spies von Büllesheim auf. — Er ist nicht im Raum. Dann werden diese Frage und auch seine nächste Frage, die Frage 13, entsprechend der Geschäftsordnung behandelt.
Ich rufe nunmehr die Frage 14 des Abgeordneten Jaunich auf:
Ist es richtig, daß dem Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit eine zusätzliche A 15-Planstelle nur unter der Auflage bewilligt wurde, daß diese mit einem bestimmten externen Bewerber besetzt wurde?
Bitte schön, Frau Karwatzki.
Herr Kollege Jaunich, sind Sie damit einverstanden, daß ich Ihre beiden Fragen zusammen beantworte? — Ich bedanke mich.
Der Abgeordnete ist einverstanden. Ich rufe also auch die Frage 15 des Abgeordneten Jaunich auf:Wenn ja, hält die Bundesregierung eine solche Auflage für rechtmäßig, und gedenkt sie dieser Auflage zu entsprechen?Frau Karwatzki, Parl. Staatssekretär: Die Planstelle ist im Bundeshaushaltsplan nicht mit einer solchen Auflage bewilligt worden. In Gesprächen mit Abgeordneten des Bundestages vor der Haushaltsausschußsitzung wurde vom Ministerium neben der dringenden Notwendigkeit der zusätzlichen Stelle auch auf die Absicht hingewiesen, diese mit einem bestimmten, speziell für Fragen der Familienpolitik qualifizierten Bewerber zu besetzen. Dadurch werde der Bewältigung der anstehenden Aufgaben auf eine besonders wirksame und schnelle Weise gedient. Diese Hinweise waren nach dem im Ministerium gewonnenen Eindruck mitentscheidend dafür, daß die Stelle im Haushaltsausschuß beantragt und später auch bewilligt wurde. Dementsprechend hat das Ministerium dann auch diesen Bewerber eingestellt.
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Zusatzfrage, Herr Jaunich.
Frau Staatssekretärin, ist es zutreffend, daß Herr Staatssekretär Chory auf einer Personalversammlung Ihres Ministeriums die in meiner Frage enthaltene Feststellung zugegeben und gegen die Kritik der in Ihren Haus Beschäftigten verteidigt hat?
Frau Karwatzki, Parl. Staatssekretär: Das kann ich Ihnen nicht sagen. Ich weiß wohl, daß dem Vorsitzenden des Personalrats und dem Personalrat dieser Fakt geschildert worden ist.
Zweite Zusatzfrage, Herr Jaunich.
Frau Staatssekretärin, sind Sie bereit, mir darauf nach Rückfrage eine Antwort zu erteilen?
Frau Karwatzki, Parl. Staatssekretär: Welche Rückfrage meinen Sie? Wie Herr Chory geantwortet hat?
— Soweit ich davon in Kenntnis gesetzt wurde, ist dies nicht in der Personalversammlung verhandelt worden, sondern es ist dem Personalrat mitgeteilt worden.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Jaunich.
Herr Präsident, die Frau Staatssekretärin hatte um gemeinsame Beantwortung meiner beiden Fragen gebeten. Ich habe aber noch keine Antwort auf meine zweite Frage hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der Auflage erhalten. Ich wiederhole sie deshalb: Frau Staatssekretärin, halten Sie das, was dort gelaufen ist, für mit dem Grundsätzen des Beamtentums vereinbar? Halten Sie es in bezug auf das Beamtenrecht und das Haushaltsrecht für legitim?
Frau Karwatzki, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Jaunich, mir ist keine haushaltsrechtliche Bestimmung bekannt, die eine solche Bindung grundsätzlich verbieten würde. Ich erinnere einmal an die Berufung des Bundesbeauftragten für den Zivildienst, für die die Vorgängerregierung die Verantwortung getragen hat.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Jaunich.
Jaunich: : Frau Staatssekretärin, ich habe Sie soeben gefragt, ob Sie es sowohl beamtenrechtlich als auch haushaltsrechtlich für legitim halten.
Frau Karwatzki, Parl. Staatssekretär: Auch beamtenrechtlich ist es in Ordnung.
Frage 16 der Abgeordneten Frau Schmidt soll auf Wunsch der
Fragestellerin schriftlich beantwortet werden. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe Frage 17 des Abgeordneten Jäger auf:
Wie viele sogenannte Abtreibungskliniken gibt es in der Bundesrepublik Deutschland, und wie viele Abtreibungen sind in diesen Einrichtungen 1984 und 1985 vorgenommen worden?
Bitte schön, Frau Staatssekretär.
Frau Karwatzki, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Jäger, in der Statistik der Schwangerschaftsabbrüche werden nur Angaben darüber gemacht, ob der Abbruch in einem Fachkrankenhaus bzw. sonstigem Krankenhaus oder einer gynäkologischen Praxis vorgenommen wurde. Darüber hinaus liegen keine Zahlen über die an Schwangerschaftsabbrüchen beteiligten Fachkrankenhäuser, Krankenhäuser oder gynäkologischen Praxen vor.
Nach den Ergebnissen der Statistik der Schwangerschaftsabbrüche für 1984 wurden in Krankenhäusern rund 44 % und in gynäkologischen Praxen rund 56 % der Schwangerschaftsabbrüche durchgeführt. Die Gesamtzahl der statistisch erfaßten Schwangerschaftsabbrüche belief sich 1984 auf 86 298 Fälle. Die amtlichen Zahlen für 1985 liegen noch nicht vor.
Zusatzfrage, Herr Jäger.
Frau Staatssekretärin, da bei den Abtreibungskliniken — nach denen ich gefragt habe —, die ihre wirtschaftliche Grundlage j a überwiegend in dieser Tätigkeit haben, insofern eine besondere Situation gegeben ist, als ja die Besorgnis besteht, daß die ansonsten möglicherweise sorgfältig vorgenommenen Prüfungen dort mit Rücksicht auf diese wirtschaftliche Grundlage weniger sorgfältig durchgeführt werden, frage ich Sie: Wer übt denn die Aufsicht darüber aus, und kann die Bundesregierung nicht über die die Aufsicht wahrnehmenden Behörden nähere Angaben zur Beantwortung meiner Frage gewinnen?
Frau Karwatzki, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Jäger, ich sage zu, daß ich der Frage im Benehmen mit dem zuständigen Bundesarbeitsminister nachgehen werde.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Jäger.
Frau Staatssekretärin, besteht, da inzwischen bekannt ist, daß die offiziellen Meldungen zur Abtreibungsstatistik hinter der wirklichen Zahl der Fälle, die bei den Krankenkassen abgerechnet werden, weit zurückbleiben, ja vermutlich weniger als die Hälfte der wirklichen Abtreibungszahlen ausmachen, die Besorgnis, daß dies bei Häusern dieser Art in besonders starkem Maß der Fall ist, oder besteht nach Ihren Erkenntnissen oder nach den Erkenntnissen Ihres Hauses die Auffassung, daß dies dort durchschnittlich, wie allgemein üblich, gehandhabt wird?
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Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 189. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. Januar 1986 14359
Frau Karwatzki, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Jäger, das kann ich Ihnen nicht beantworten. Ich mache mich sachkundig; wenn Sie einverstanden sind, schicke ich es Ihnen zu.
Ich rufe Frage 18 des Abgeordneten Werner auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung den erneuten Versuch der Ärzteschaft, das Tätigkeitsfeld der Heilpraktiker einzuschränken durch den Antrag beim Bundesgesundheitsamt, Lokalanästhetika zur parenteralen Anwendung der Verschreibungspflicht zu unterstellen?
Bitte schön, Frau Staatssekretär.
Frau Karwatzki, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Werner, ich möchte auch Sie gerne bitten, damit einverstanden zu sein, daß ich die beiden von Ihnen eingereichten Fragen im Sachzusammenhang beantworte.
Dies ist eine logische Folge. — Ich rufe nunmehr auch Frage 19 des Abgeordneten Werner auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß die Vorlage des Bundesgesundheitsamtes zur Beratung im Sachverständigenausschuß für Verschreibungspflicht am 21. Januar 1986 von Zahlen aus dem Jahre 1951 ausgeht und daß der angeführte Todesfall in der Praxis eines Heilpraktikers nicht auf die Wahl des Mittels zurückzuführen war?
Bitte schön, Frau Staatssekretär.
Frau Karwatzki, Parl. Staatssekretär: Ich bedanke mich. — Im Rahmen der in Vorbereitung befindliche Änderung der Verordnung über verschreibungspflichtige Arzneimittel wurde geprüft, ob Lokalanästhetika zur parenteralen Anwendung der Verschreibungspflicht unterstellt werden sollen. Der Antrag, der diese Prüfung ausgelöst hat, wurde nicht von ärztlicher Seite gestellt. Der Sachverständigenausschuß hat in seiner Sitzung am 21. Januar 1986 die Problematik diskutiert. Er ist zu dem Ergebnis gekommen, daß nach der bisherigen Datenlage eine Unterstellung unter die Verschreibungspflicht nicht erforderlich und auch nicht geeignet ist, um Risiken auszuschließen, die sich bei falschen Anwendungstechniken ergeben und nicht auf die Wahl des Mittels zurückzuführen sind.
Zusatzfrage, Herr Werner.
Ist der Bundesregierung bekannt, daß die Behandlung mit procainhaltigen Präparaten im Rahmen der sogenannten Neuraltherapie ein wichtiger und sehr umfangreicher Bestandteil der seit langem gebräulichen Heilpraktikermethoden ist?
Frau Karwatzki, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich kann es nicht verbindlich beantworten. Ich gehe aber davon aus, daß das sehr unterschiedlich der Fall ist.
Weitere Zusatzfrage, Herr Werner.
Ist der Bundesregierung bekannt, daß es Lokalanästhetika gibt mit Zusätzen von Adrenalin und Adrenalinabkömmlingen, die ja bekanntlich der Verschreibungspflicht unterliegen, und daß gerade diese Mischpräparate Ursache vieler Zwischenfälle sind?
Frau Karwatzki, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Werner, ich gebe zu, daß ich das nicht weiß. Ich bin von Hause aus nicht Medizinerin. Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie mir freundlicherweise Ihre Fragen mitgeben. Dann sage ich Ihnen zu, daß sie Ihnen entsprechend schnell und hoffentlich auch gut beantwortet werden.
Darf ich Sie der Einfachheit halber zu Protokoll geben, so daß Sie festgehalten sind, und jetzt weitere Zusatzfragen stellen?
Ja.
An meine letzte Frage anschließend: Sind solche Zwischenfälle mit Adrenalin-Beimischungen möglicherweise mit eingeflossen in die Fallzahlen der Vorlage, die gestern dem BGA-Ausschuß vorgelegen haben? Falls ja: Sind möglicherweise gar keine Fälle von procainhaltigen Mitteln ohne solche Zusätze in dieser Statistik enthalten?
Ich bin einverstanden, wenn Sie das schriftlich be antworten.
Ich möchte die Frau Staatssekretärin in Schutz nehmen: Solche Fachfragen, die sicher nur Ärzte oder Fachkenner beantworten können, können wir bei dem Auswahlverfahren, das wir uns für Parlamentarische Staatssekretäre vorbehalten, nicht verlangen.Ich rufe die Frage 20 des Abgeordneten Dr. Rose auf:Sieht die Bundesregierung das Verbot des Krebsmittels „Carnivora" durch das Bundesgesundheitsamt als endgültig an, oder hält sie die Entscheidung für überprüfenswert?Bitte schön, Frau Karwatzki,Frau Karwatzki, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Dr. Rose, das Bundesgesundheitsamt hat mit Bescheid vom 14. Januar 1986 das Ruhen der Zulassung für die Injektionsform des Arzneimittels „Carnivora" bis zum 31. Dezember 1986 angeordnet. Grund für diese Entscheidung sind die in den letzten Monaten gehäuft berichteten Nebenwirkungen wie erhöhte Körpertemperatur, Schüttelfrost und Kreislaufreaktionen bis zum Kollaps und Schock.Diese Reaktionen treten nach Angaben des pharmazeutischen Unternehmers bei nahezu zwei Dritteln der behandelten Patienten auf. Davon ist die Hälfte der Fälle schwerwiegend.Angesichts dieses Risikos ist der Vertrieb dieses Arzneimittels im Hinblick auf die bisher nur begrenzten Erkenntnisse zur Wirksamkeit dieses pflanzlichen Präparates nicht zu rechtfertigen.
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14360 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 189. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. Januar 1986
Parl. Staatssekretär Frau KarwatzkiWährend des Zeitraums des Ruhens der Zulassung hat der pharmazeutische Unternehmer die Gelegenheit, Erkenntnisse zu erlangen, die die Wirksamkeit und Unbedenklichkeit dieses Arzneimittels belegen. Deshalb steht die Injektionsform von Carnivora im Rahmen der klinischen Prüfung unter den hierfür im Arzneimittelgesetz vorgesehenen Bedingungen weiterhin zur Verfügung. Eine klinische Prüfung, die bei der Anwendung an kranken Patienten eine Art „kontrollierte Therapie" darstellt, kann sowohl in Krankenhäusern als auch von niedergelassenen Ärzten durchgeführt werden. Nach Ablauf der Zeit des Ruhens der Zulassung wird das Bundesgesundheitsamt die vom pharmazeitischen Unternehmer vorgelegten Erkenntnisse über diese „kontrollierte Therapie" erneut überprüfen.Die andere Darreichungsform des Präparates, nämlich „Carnivora VF", ist als Preßsaft weiterhin im Verkehr. Hier hat ' das Bundesgesundheitsamt Änderungen der Packungsbeilage verfügt. Mit ihnen soll sichergestellt werden, daß dieses Arzneimittel nur dann eingesetzt wird, wenn nach dem derzeitigen Stand der Wissenschaft konventionelle Therapien gegen die Krankheit erfolglos geblieben sind.Mit der geänderten Packungsbeilage, insbesondere weiteren Angaben zu den Risiken des Arzneimittels, sollen auch übertriebene Erwartungen an Wirksamkeit und Verträglichkeit des Mittels gedämpft werden, wie sie durch Presseberichte im vergangenen Jahr geweckt worden sind. Auf keinen Fall sollen erfolgversprechende konventionelle Behandlungsmethoden wie die Gabe von Zytostatika oder Bestrahlungen versäumt werden.Ich fasse zusammen:Erstens. Carnivora steht in der oralen Form wie bisher uneingeschränkt zur Verfügung.Zweitens. Carnivora darf in der wesentlich risikoreicheren Injektionsform an Ärzte nur zu dem Zweck abgegeben werden, daß diese es in einer „kontrollierten Therapie" an ihren Patienten anwenden. Die Ergebnisse dieser kontrollierten Therapie werden ausgewertet, um definitive Entscheidungen über die Injektionsform treffen zu können.Das Bundesgesundheitsamt wird in einem Ärztebrief und in einem Patientenbrief Ärzte und Patienten über die Auswirkungen seiner Entscheidungen unterrichten und dabei die Möglichkeiten aufzeigen, unter welchen Voraussetzungen die beiden Darreichungsformen von Carnivora erworben und angewendet werden können.
Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Rose.
Frau Staatssekretärin, könnte es sein, daß auf Grund neuer Erkenntnisse, die sich gerade jetzt aus Gesprächen ergeben könnten, die Zeit des Ruhens der Zulassung abgekürzt werden kann, so daß es also nicht ein ganzes Jahr dauert?
Frau Karwatzki, Parl. Staatssekretär: Das ist durchaus möglich.
Keine weitere Zusatzfrage.
Ich rufe dann die Frage 21 des Herrn Abgeordneten Dr. Rose auf:
Wer übernimmt bei der laut Bild-Zeitung vom 17. Januar 1986 durch das Verbot bestehenden Gefahr eines baldigen Todes der bisher durch „Carnivora" behandelten Krebspatienten die Verantwortung?
Frau Karwatzki.
Frau Karwatzki, Parl. Staatssekretär: Die vom Verbot betroffene Injektionsform von Carnivora darf im Rahmen einer klinischen Prüfung auch weiterhin allen Ärzten zur Verfügung gestellt werden. Damit steht sie insoweit, wenn auch unter besonderen Bedingungen, für die Therapie von Krebspatienten zur Verfügung. Der allgemeine Vertrieb konnte jedoch auf Grund der bereits erwähnten Risiken für die Injektionsform bis zur Klärung von Wirksamkeit und Unbedenklichkeit nicht gestattet werden, zumal die orale Form, die sich nach dem derzeitigen Erkenntnisstand hinsichtlich ihrer Wirksamkeit von der Injektionsform nicht unterscheidet, für die Therapie weiterhin zur Verfügung steht. Diese Beurteilung wird auch von der beim Bundesgesundheitsamt bestehenden unabhängigen Sachverständigenkommission geteilt, die für Arzneimittel der Phytotherapie berufen worden ist. Die Zulassungsbehörde ist sich ihrer Verantwortung, möglicherweise wirksame Arzneimittel leidenden Patienten nicht grundlos vorzuenthalten, bewußt. Sie hat sich aber auch der Forderung zu stellen, schwerkranke Patienten vor zusätzlichen, vermeidbaren Risiken durch die Anwendung von Arzneimitteln zu schützen.
Zusatzfrage Herr Abgeordneter Dr. Rose.
Frau Staatssekretärin, kann ich aus Ihrer Antwort entnehmen, daß sich die Bundesregierung durchaus bewußt ist, daß es zu Anzeigen von Patienten gegen Ärzte wegen unterlassener Hilfeleistung kommen könnte, wenn diese Patienten bisher, zumindest nach ihrer eigenen Auffassung und nach ihrer eigenen Erfahrung, nur durch Carnivora ihr Leben verlängern konnten und das dann in Zukunft nicht mehr können?
Frau Karwatzki, Parl. Staatssekretär: Ich kann mir vorstellen, daß betroffene Patienten so denken und gegebenenfalls auch den Weg der Klage beschreiten. Dennoch meine ich, daß das Bundesgesundheitsamt und der zuständige Ressortminister, also wir, aus unserer Verantwortung so handeln müssen.
Keine weitere Zusatzfrage. Wir sind damit am Ende dieses Geschäftsbereichs. Ich danke Frau Karwatzki für die Beantwortung der Fragen.Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr auf. Zur Beantwortung der Fra-
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Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 189. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. Januar 1986 14361
Vizepräsident Westphalgen steht Herr Staatssekretär Bayer zur Verfügung.
Welche Erklärung hat die Bundesregierung für die mehrfachen Kollisionen auf der Bundeswasserstraße Elbe im Elbmündungsbereich zu Beginn dieses Jahres, und hält sie danach die Einrichtungen für die Kontrolle des Seeverkehrsweges für ausreichend und auf dem neuesten Stand der Technik?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Herr Abgeordneter, zu Beginn dieses Jahres haben sich auf der Elbe folgende Kollisionen ereignet:
Am 3. Januar das britische Motorschiff „Waylink" mit dem panamaischen Tankmotorschiff „Brady Maria"; es kam zu einem Ölaustritt bei der „Brady Maria".
Am 4. Januar stieß das dänische Küstenmotorschiff „Beatrines" mit dem zyprischen Massengutfrachter „Orange Coral" zusammen; die „Beatrines" ist gesunken und wurde später geborgen.
Am 10. Januar kam es zu einer Berührung des deutschen Tankmotorschiffs „Emstank 10" mit der Leuchttonne 32. Es kam zu einer leichten Beschädigung des Schiffes, es erfolgte kein Ladungsaustritt.
Am 11. Januar kam es zu einer leichten Kollision des deutschen Tankmotorschiffs „Bernd" mit dem liberianischen Erz- und Ölfrachter „Saar Ore". Es entstanden leichte Beschädigungen; kein Ladungsaustritt.
Am 11. Januar gab es eine Kollision des deutschen Küstenmotorschiffs „Hans Georg" mit der Baggerstation „Pagensand". Es kam zu einer Beschädigung von Landanlagen.
Die deutschen Seeschiffahrtsstraßen — einschließlich natürlich der Elbe — sind wasserbaulich, seezeichentechnisch und durch verkehrsregelnde Maßnahmen in einen außerordentlich hohen Sicherheitsstandard versetzt worden. Es ist anzumerken, daß die Anzahl der Unfälle eine insgesamt fallende Tendenz hat: Die Unfallrate auf dieser sehr stark befahrenen Wasserstraße betrug im Jahre 1970 pro 10 000 Schiffsbewegungen 2,8 und im vergangenen Jahr pro 10 000 Schiffsbewegungen 1,5. Trotzdem sind selbstverständlich Unfälle durch menschliches Fehlverhalten nicht auszuschließen.
Was die genannten Unfälle betrifft, so sind die Ursachen noch nicht bekannt. Die zuständigen Stellen — die Wasserschutzpolizei, die Staatsanwaltschaft und das zuständige Seeamt — untersuchen diese Vorfälle. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen bleiben abzuwarten. Die Untersuchungen sind noch nicht abgeschlossen. Nach den bisherigen Erkenntnissen kann in diesen Fällen menschliches bzw. nautisches Fehlverhalten nicht ausgeschlossen werden.
Die technischen Einrichtungen der Revierzentralen in Cuxhaven und Brunsbüttel reichen für die Überwachung und Regelung des Schiffsverkehrs auf der Elbe aus. Ein Zusammenhang zwischen der technischen Ausstattung und den Unfällen ist nicht erkennbar.
Im übrigen ist vorgesehen, die Landradarkette, die ja zusätzlich für schlechtes Wetter zur Sicherung installiert worden ist, in den nächsten Jahren durch neue technische Anlagen zu ersetzen. Die nach den Unfällen erforderlichen Maßnahmen wurden von der Wasser- und Schiffahrtsverwaltung des Bundes in Zusammenarbeit mit den beteiligten Stellen unverzüglich ergriffen.
Herr Staatssekretär, Sie sind, wenn ich das richtig sehe, noch nicht oft bei uns zur Beantwortung der Fragen gewesen. Deswegen erlaube ich mir folgenden Rat: Der ganze erste Teil der Beantwortung dieser Frage war für Sie zur Information, aber nicht vom Fragesteller gefragt. Das war nur der letzte Teil. Es kann auch kürzer gehen. Wir sind alle daran interessiert.
Jetzt ist Herr Schwenk mit seiner Zusatzfrage dran.
Herr Staatssekretär, auch wenn Sie jetzt gesagt haben, menschliches Fehlverhalten und Versagen sei nicht ausgeschlossen: Spricht nicht die Massierung der Unfälle zu Beginn dieses Jahres — entgegen der Unfallquoten der letzten Jahre — dagegen, daß sowohl alle modernen technischen Vorkehrungen an Land vorhanden — einschließlich des Bedienungspersonals — als auch die erforderlichen Anforderungen für die Schiffe vorhanden und gefordert sind? Es muß doch zu denken geben, daß sich eine solche Zahl von Unfällen innerhalb von wenigen Tagen auf dieser Seewasserstraße ereignet.
Bayer, Staatssekretär: Diese Massierung von fünf Unfällen in diesem Zeitraum — wobei es sich nicht um schwere Unfälle handelt — ist unserer Meinung nach eher zufällig. Einem Seelotsen ist Blut entnommen worden. Es wurden 2,0‰ Blutalkoholgehalt festgestellt. Das ist aber nur eine Sache, die vorweg bekannt geworden ist. Es deutet bei einem nicht lotsenpflichtigen Schiff einiges darauf hin, daß der Kapitän durch Übermüdung eingeschlafen ist.
Es ist wohl die einschlägige Untersuchung im Detail abzuwarten, um feststellen zu können: Warum ist diese Massierung da? Wahrscheinlich handelt es sich ja um das Gesetz der Serie, daß solche Dinge oft nicht allein — aus zufälligen Gründen — auftreten. Nirgendwo war das Wetter so schlecht, daß es für diese Unfälle hätte Ursache sein können.
Zusatzfrage, Herr Dr. Schwenk.
Herr Staatssekretär, beurteilen Sie tatsächlich einen Seeunfall, bei dem ein Schiff überrannt wird und auf Grund geht — und zwar ist es gekentert und mit dem Mast in den Grund gebohrt worden —, als nicht besonders schwerwiegend?
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14362 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 189. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. Januar 1986
Bayer, Staatssekretär: Es handelt sich um den Massengutfrachter „Orange Coral". Es ist hierbei zu keinen Personenschäden im Gegensatz zu einem Unfall zu ähnlicher Zeit in der Kieler Förde gekommen. Das wollte ich damit ausdrücken.
Ich rufe die Frage 23 des Abgeordneten Dr. Schwenk auf:
Waren bei den Kollisionen Fahrzeuge beteiligt, die nicht bundesdeutschen Besatzungs- und Sicherheitsvorschriften entsprechen, und welche Folgerungen ergeben sich daraus für die Bundesregierung?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Bayer, Staatssekretär: Auf Frage 23 möchte ich folgendes antworten.
Nach den Ermittlungen der Wasserschutzpolizei und der Seeberufsgenossenschaft waren die beteiligten deutschen Schiffe ordnungsgemäß besetzt. Bei den an den Kollisionen beteiligten Schiffen unter fremder Flagge wurde in einem Fall, nämlich beim Motorschiff „Beatrines", eine Unterbesetzung festgestellt. Dem betreffenden Flaggenstaat ist dieser Tatbestand zur weiteren Verfolgung mitgeteilt worden.
Zusatzfrage, Herr Dr. Schwenk.
Herr Staatssekretär, wenn dort eine Unterbemannung festgestellt worden ist, dann hätte sie doch bereits beim Einlaufen in die Deutsche Bucht festgestellt werden müssen, wo bereits ein Seelotse an Bord zu gehen hat, der auch die Verpflichtung hat, nachzuprüfen, ob das Schiff ausreichend bemannt ist. Ist es dann noch entschuldbar, daß ein unterbemanntes Schiff bis in dieses Fahrwasser einläuft, das, wie die Unfälle ergeben haben, ein schwieriges Fahrwasser ist und bei dem nach wie vor die Frage offen ist, ob alles, was an modernen Hilfsmitteln zur Verfügung steht, auch angewendet wird?
Bayer, Staatssekretär: Ich kann jetzt im Detail nicht sagen, ob ein Seelotse verpflichtet ist, die Unterbemannung durch Nachprüfung festzustellen, was bei großen Schiffen sicher eine langwierige und schwierige Aufgabe ist und während des im Fluß befindlichen Verkehrsgeschehens nicht möglich ist; so scheint es mir zu sein. Ich gehe aber der Sache nach, ob der Lotse verpflichtet ist, eine Unterbemannung festzustellen, und was er dann tun kann.
Weitere Zusatzfrage, Herr Dr. Schwenk.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß sich ein Lotse, wenn er an Bord geht, Ladelisten und Bemannungslisten vorlegen lassen muß und daß, wenn er feststellt, daß eine Unterbemannung vorliegt, dem Schiff verboten wird, weiterzulaufen, und ist die Bundesregierung bereit, auf die Einhaltung dieser Vorschriften und auf die nötige Sorgfalt angesichts der Schwere der Unfälle hinzuwirken, oder will sie das alles so laufen lassen? Zweitens: Was gedenkt die Bundesregierung eigentlich zu tun, um Schiffe, die mit derartigen Mängeln in die Deutsche Bucht einlaufen, zu stoppen oder gar nicht erst einlaufen zu lassen?
Bayer, Staatssekretär: Ich höre gerade: Bei Tankern findet diese detaillierte Nachprüfung statt. Das angesprochene Schiff war nicht lotsenpflichtig, und darum ist hier das Ganze auch nicht erfolgt.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Duve. Bitte schön.
Herr Staatssekretär, es ist im Deutschen Bundestag des öfteren diskutiert worden, was wir in solchen Fällen tun. Niemand von uns will ja die Leistung der Lotsen insgesamt mindern. Aber mich würde doch interessieren, in wie vielen Fällen bei Tankern in den letzten Jahren die Lotsen nach Abgabe des Schiffes einen Bericht an die zuständigen Behörden — in diesem Fall in Hamburg — gegeben haben, um ihre Feststellungen weiterzugeben, daß — ein scheußliches Wort — eine Unterbemannung vorlag.
Bayer, Staatssekretär: Sind Sie einverstanden, wenn ich Ihnen diese Frage schriftlich beantworte, weil dazu Erhebungen notwendig sind, die hier natürlich nicht ad hoc stattfinden können?
Einen Augenblick, Herr Schwenk. Sie hatten — —
Herr Präsident, der zweite Teil meiner Frage war aber nicht beantwortet worden. Nur weil Herr Duve drängte, hatte ich ihn zu einer Frage vorgelassen. Die weitere Frage war: Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um derartigen Schiffen, die nicht unserem Standard entsprechen oder unterbemannt sind, das Einlaufen in die Deutsche Bucht zu verweigern?
Bayer, Staatssekretär: Es ist selbstverständlich, daß alle Vorschriften eingehalten werden müssen und daß, wenn gravierende Mängel festgestellt werden, die beim Einlaufen ein Sicherheitsrisiko darstellen, dann das Einlaufen untersagt wird.
Das war eine sehr großzügige Handhabung meinerseits.Jetzt kommt die Frage 24 des Abgeordneten Duve:Haben bei den Kollisionen auf der Unterelbe — und aus welchem Grund — mangelnde Einsatzfähigkeit bei den Verantwortlichen an Bord vorgelegen, und welche Folgerungen wird die Bundesregierung daraus ableiten?Bitte schön, Herr Staatssekretär.Bayer, Staatssekretär: Nach den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft hatte der Seelotse des britischen Motorschiffes „Waylink" einen Blutalkoholgehalt von etwa 2,0 Promille. Die Wasser- und Schiffahrtsdirektion Nord als Aufsichtsbehörde hat veranlaßt, daß der Lotse bis zur Klärung der Ange-
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Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 189. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. Januar 1986 14363
Staatssekretär Bayerlegenheit im seeamtlichen und im Strafverfahren nicht mehr lotsen darf.Nach den Ermittlungen der Wasserschutzpolizei soll der Kapitän des Motorschiffs „Hans Georg" über elf Stunden im Einsatz gewesen sein, obwohl der Einsatz nach einer Auflage der See-Berufsgenossenschaft auf zehn Stunden beschränkt war. Ob gegen den Kapitän ein Straf- oder Bußgeldverfahren eingeleitet wird, haben die zuständigen Stellen noch nicht entschieden.
Zusatzfrage, Herr Duve.
Herr Staatssekretär, Sie werden zustimmen: Daß bei einer der belebtesten und schwierigsten Wasserstraßen der Welt solche Zustände nur dann erkannt werden, wenn ein Unfall vorgezeichnet ist, ist schon eine dramatische Feststellung. Denken wir einmal daran, wie häufig die Verkehrsteilnehmer zu Lande auf Alkohol — —
Herr Abgeordneter, es geht um Fragen; es geht nicht um Diskussionsbeiträge.
Ich brauchte einen gewissen dramaturgischen Einstieg in die Frage, Herr Präsident.
Wir sind nicht im Bereich der Literatur.
Kann uns die Bundesregierung keinen Bericht über ähnliche Vorfälle vorlegen, und wie gedenkt die Bundesregierung künftig schneller, nämlich vor einem Unfall, an solche Erkenntnisse zu geraten als bisher?
Bayer, Staatssekretär: Wir werden Ihnen diesen Bericht selbstverständlich vorlegen. Wir werden prüfen, ob eine noch schnellere Erfassung — in all diesen Fällen ist das Nötige unverzüglich erfolgt —, Behandlung und Beseitigung und auch ein noch schnelleres Eingreifen möglich ist.
Zusatzfrage, Herr Duve? — Keine weitere Zusatzfrage.
Dann sind Sie aber trotzdem dran, weil Sie auch noch die Frage 25 gestellt haben:
Waren bei den Kollisionen Fahrzeuge mit gefährlichen Gütern oder Gütern beteiligt, die beim Auslaufen zu gefährlichen oder erheblichen Umweltbelastungen führten oder geführt hätten, die mit den vorhandenen Mitteln nicht sofort wirksam und umweltschützend bekämpft werden könnten oder können, und was gedenkt die Bundesregierung zur Abwendung zukünftiger vergleichbarer Gefahrenlagen zu tun?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Bayer, Staatssekretär: An der Kollision waren folgende Fahrzeuge beteiligt: mit gefährlicher Ladung Tankmotorschiff „Brady Maria", 986 Tonnen schweres Heizöl, davon ausgelaufen 240 Tonnen, Tankmotorschiff „Emstank 10", 206 Tonnen leichtes Heizöl, kein Ladungsaustritt, Tankmotorschiff „Bernd", 447 Tonnen Schmieröl geladen und 445 Tonnen Wachs, kein Ladungsaustritt.
Die durch das Tankmotorschiff „Brady Maria" verursachte Ölverschmutzung konnte durch sofort
eingeleitete Leichterungs- und Bekämpfungsmaßnahmen in Grenzen gehalten werden. Durch die Einberufung der Einsatzleitungsgruppe als gemeinsames Entscheidungsgremium von Bund und Ländern ist die Koordinierung der Bekämpfungsmaßnahmen sichergestellt worden. Die Bekämpfungseinsätze wurden durch zeitweisen Nebel und Eisgang stark behindert, so daß es zu Uferverschmutzungen im Unterelbebereich kam. Die größeren Ölbekämpfungsfahrzeuge „Mellum" und „Scharhörn" waren bis zum 9. Januar 1986, weitere drei kleinere, flachgehende Schiffe bis zum 10. Januar 1986 im Einsatz. Die Reinigungsarbeiten vom Ufer aus sind noch nicht abgeschlossen. Bisher konnten insgesamt 123 Tonnen des ausgelaufenen Öls wieder aufgenommen werden.
Das vom Bund und von den Küstenländern gemeinsam getragene Programm zur Beschaffung von Ölbekämpfungsgeräten wird fortgesetzt. In diesem Rahmen sind insbesondere Beschaffungen für Maßnahmen im Flachwasser- und Uferbereich vorgesehen.
Zusatzfrage, Herr Duve.
Über hundert Tonnen noch nicht eingesammelt zeigt ja, daß das technische Gerät, das dort zur Verfügung steht, für diesen Typ von schwerem Heizöl, der sich zusammenballt, eben das falsche Gerät ist. Ist die Bundesregierung bereit, daraus auch technische — nicht nur finanzielle, sondern auch technische — Lehren zu ziehen und hier anderes Gerät anzuschaffen, und in welchem Zeitrahmen könnte das geschehen?
Bayer, Staatssekretär: Es ist noch notwendig, Gerät für flache Wasserstellen zu beschaffen. Ich habe gerade angedeutet, daß das geplant ist. Es müssen noch kleinere Fahrzeuge mit geringerem Tiefgang beschafft werden, um die Flachwasserstellen vom Öl reinigen zu können.
Weitere Zusatzfrage, Herr Duve.
Ich bin nicht zufrieden. Wir haben es nur einem Zufall zu verdanken, daß von den beiden anderen Schiffen, die auch Öl geladen hatten, nichts ausgetreten ist. Es geht auch nicht nur um die ufernahen Flachgebiete. Man kann diese Klumpen mit dem jetzigen Gerät nicht einsammeln. Ist die Bundesregierung bereit, auch hier die Technik, die bisher da ist, zu überprüfen?
Bayer, Staatssekretär: Wir haben ein Beschaffungsprogramm, das noch einige Jahre läuft. In diesem Beschaffungsprogramm sind weitere, zusätzliche Ölreinigungsvorrichtungen, Fahrzeuge und Einbauten in vorhandenes Gerät geplant.
Herr Dr. Schwenk möchte noch eine Zusatzfrage stellen.
Denkt die Bundesregierung vor dem Hintergrund der Gefahrensituation, die hier bestanden hat — insbesondere wegen der gefährlichen Güter —, darüber nach, den Öl-
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14364 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 189. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. Januar 1986
Dr. Schwenk
1 transport von Wilhelmshaven, das Ölhafen ist und noch ausgebaut werden wird, nach Hamburg aufrechtzuerhalten und eventuell Stützungsmaßnahmen durchzuführen, oder ist sie bereit, wieder verstärkt Öltransport und Transport anderer gefährlicher Güter auf der Elbe zuzulassen?Bayer, Staatssekretär: Es handelt sich hier nicht um große Tanker, sondern um Kümos, die der örtlichen Versorgung dienen und die Transporte mit den Auflagen, die für solche gefährlichen Güter vorgesehen sind, durchführen. Wir sind aber gerne bereit, noch einmal zu überprüfen, ob eine Einschränkung zugunsten eines anderen Transportmittels möglich ist.
Damit sind wir am Ende der Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr. Ich danke dem Herrn Staatssekretär für die Beantwortung der Fragen.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers für das Post- und Fernmeldewesen. Zur Beantwortung der Fragen steht der Herr Parlamentarische Staatssekretär Rawe zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 26 des Herrn Abgeordneten Dr. Solms auf:
Wie begründet die Bundesregierung das Berechnen von Gebühren für das Entstören von Telefonanschlüssen, wenn die Störung nicht in das Verschulden des Benutzers fällt?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Herr Kollege Dr. Solms, die Kosten für die Entstörung von Telefonanschlüssen werden im allgemeinen nicht besonders in Rechnung gestellt. Sie sind in den monatlichen Gebühren, die Telefonkunden der Deutschen Bundespost entrichten, enthalten.
Die Deutsche Bundespost erhebt allerdings einen Kostenbeitrag in Höhe von 40 DM für Entstörungsleistungen an Telefonanschlüssen, die auf Wunsch des Kunden außerhalb der täglichen Dienstzeit, z. B. abends, nachts oder am Wochenende, unverzüglich ausgeführt werden. Diese Gebühr ist ein Kostenbeitrag für die unvermeidlichen Mehraufwendungen, die zwangsläufig bei Entstörungseinsätzen außerhalb der planmäßigen Arbeitszeiten entstehen. — In einigen Fällen, z. B. bei Sozialanschlüssen, entfällt auch diese Gebühr.
Zusatzfrage, Herr Dr. Solms.
Herr Staatssekretär, stimmen sie mir zu, daß es angemessen wäre, Störungen, die eindeutig in die Verantwortung der Deutschen Bundespost fallen, schnellstmöglich und immer kostenfrei für den Telefonbenutzer zu beseitigen, da der Telefonbenutzer, erstens, die Anlage 24 Stunden am Tag gemietet und deshalb einen Anspruch auf störungsfreie Verbindungen hat und, zweitens, die Telefonanlage heute Sicherheitsgesichtspunkte für den Bürger beinhaltet, insbesondere wenn es um Krankheitsfälle oder ähnliches geht?
Rawe, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Dr. Solms, ich bitte um Verständnis, daß ich Ihnen dies nicht so uneingeschränkt zusagen kann; denn diese Fragen sind durch eine Gebührenordnung geregelt, an die sich das Unternehmen Deutsche Bundespost halten muß.
Da ich aber den genauen Sachverhalt, der Ihrer Anfrage zugrunde liegt, im Moment nicht kenne, darf ich Ihnen vorschlagen, daß wir uns vielleicht über diesen Sachverhalt austauschen. Ich bin gerne bereit, dann Ihrer Anregung nachzugehen und zu prüfen, ob wir in dem Fall diese Gebühr erlassen können.
Sie haben noch eine Zusatzfrage, Herr Dr. Solms.
Herr Staatssekretär, unabhängig vom Einzelfall interessiert mich, ob Sie bereit wären, bei einer anstehenden Änderung der Gebührenordnung die Anregung aufzunehmen, solche Störungen immer auf Kosten der Bundespost zu beheben.
Rawe, Parl. Staatssekretär: Ich bin bereit, diese Frage sorgfältig zu prüfen. Aber Sie wissen, daß wir als Unternehmen Deutsche Bundespost gehalten sind, unseren Betrieb nach wirtschaftlichen Grundsätzen zu führen. Und wenn wir auf Wunsch von Kunden Mehraufwendungen durch Mehrleistungen haben, werden Sie Verständnis dafür haben, daß wir uns, wie das jeder Privatunternehmer auch tut, die Kosten dafür ausgleichen lassen.
Herr Duve hat noch eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, es ehrt Sie sehr, daß Sie von „unserem Unternehmen" im Sinne eines Unternehmers sprechen, aber sind Sie nicht mit mir der Auffassung, daß die Sprache einer Staatsperson, wie Sie es sind, bei der Bezeichnung der Post eigentlich auch zum Ausdruck bringen müßte, daß es sich um ein Unternehmen des ganzen deutschen Volkes und nicht nur des Unternehmers handelt?
Rawe, Parl. Staatssekretär: Aber verehrter Herr Kollege Duve, wenn ich in diesem Sinne von „unserem" gesprochen habe, dann meine ich damit natürlich: von dem Unternehmen der Bürger dieses Landes.
So klärt sich manches.Die Fragen 27 und 28 der Abgeordneten Frau Dr. Däubler-Gmelin und die Frage 29 des Abgeordneten Grünbeck werden auf Wunsch der Fragesteller schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.Damit sind wir am Ende dieses Geschäftsbereichs. Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär, für die Beantwortung der Fragen.Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau. Zur Beantwortung der Fragen steht der Parla-
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Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 189. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. Januar 1986 14365
Vizepräsident Westphalmentarische Staatssekretär Dr. Jahn zur Verfügung.Ich rufe die Frage 30 der Abgeordneten Frau Dr. Lepsius auf.Wie steht die Bundesregierung zu der in der Öffentlichkeit gestellten Forderung, bei der Konzeption der beiden geplanten Geschichtsmuseen in Bonn und Berlin müsse von vornherein jeder Verdacht vermieden werden, es sei eine Präsentation deutscher Geschichte aus der Perspektive der jeweils amtierenden Bundesregierung („Regierungsmuseum") beabsichtigt, und der Erfolg hänge wesentlich von der Einbeziehung des ganzen Parlaments, des Bundesrates als Vertretung der Länder und — soweit möglich — auch des Bundespräsidenten ab, und welche Anstrengungen unternimmt die Bundesregierung, um diesen Konsens im Parlament herzustellen?Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident, wenn die Fragestellerin einverstanden ist, würde ich gern die beiden Fragen im Zusammenhang beantworten.
Sind Sie einverstanden? Frau Dr. Lepsius : Ja.
Dann rufe ich auch die Frage 31 der Abgeordneten Frau Dr. Lepsius auf.
Wird die Bundesregierung der in Berlin erhobenen Forderung nach einer breiten Beteiligung der Öffentlichkeit an der Diskussion um die zentralen inhaltlichen Prinzipien sowie der damit verfolgten historisch-politischen Intentionen für das Projekt „Deutsches Historisches Museum" entsprechen, und wie wird sie die Einbeziehung von Anregungen in die Rahmenplanung sicherstellen, wenn die eingesetzte Expertengruppe ihren Entwurf bis zum 1. März 1986 vorlegen und auf dieser Grundlage der Architektenwettbewerb ausgeschrieben werden soll?
Dr. Jahn, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin Lepsius, die Bundesregierung hat wiederholt erklärt, die geplanten Einrichtungen zur deutschen Geschichte in Bonn und Berlin werden keine „regierungsamtliche" Geschichtsdarstellung enthalten. Eine solche Darstellung läge nicht im Interesse der Bundesrepublik Deutschland und entspricht deshalb auch nicht der Auffassung der Bundesregierung.
Die Grundkonzeption für das Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland in Bonn ist von einer Kommission unabhängiger Wissenschaftler erarbeitet und über hundert gesellschaftlichen Gruppen, Institutionen, Einzelpersonen, einschließlich Parteien und Fraktionen des Deutschen Bundestages, zur Stellungnahme zugeleitet worden. Viele der eingegangenen Anmerkungen und Ergänzungswünsche wurden, soweit dies im Rahmen der nur Leitlinien enthaltenden Grundkonzeption möglich war, von der Kommission übernommen. Die Bundesregierung hat auf die inhaltliche Gestaltung keinen Einfluß genommen.
Träger des Hauses der Geschichte soll eine rechtsfähige Stiftung des öffentlichen Rechts sein. Über das hierfür erforderliche Bundesgesetz wird der Deutsche Bundestag entscheiden.
Die bis zum Inkrafttreten des Gesetzes geplante unselbständige Stiftung des öffentlichen Rechts soll ein Kuratorium erhalten, das insbesondere über die Grundzüge der Programmgestaltung des Hauses der Geschichte zu entscheiden hat. In dieses Kuratorium werden nach den Vorstellungen der Bundesregierung der Deutsche Bundestag, die Länder und die Bundesregierung Vertreter entsenden. Über ihre Vorstellungen führt die Bundesregierung zur Zeit Gespräche mit den Vertretern aller Fraktionen des Deutschen Bundestages.
Auch bei den Vorarbeiten für das Vorhaben eines Deutschen Historischen Museums in Berlin wird die Bundesregierung die interessierte Öffentlichkeit beteiligen. Sobald die von der Bundesregierung im Einvernehmen mit Berlin berufene unabhängige Sachverständigenkommission ihren Entwurf einer Grundkonzeption vorgelegt hat, soll dieser Vertretern und Institutionen der Wissenschaft, der Politik und der gesellschaftlich relevanten Kräfte zur Diskussion zugeleitet werden. Dabei wird auch an die Veranstaltung eines Symposiums gedacht. Die Ergebnisse werden in die weiteren Überlegungen einbezogen werden.
Eine Zusatzfrage, Frau Dr. Lepsius.
Herr Staatssekretär, teilt die Bundesregierung meine Auffassung, daß die Geschichtsauffassung des Bundespräsidenten in seiner Rede vom 8. Mai 1985 bestens geeignet wäre, Grundlage einer gemeinsamen Entschließung aller Fraktionen im Deutschen Bundestag zu werden, und hat die Bundesregierung den Aufbaustab, auf den Sie soeben hingewiesen haben, zum Haus der Geschichte veranlaßt, in die konzeptionelle Vorbereitung des Hauses diese Gedanken des Bundespräsidenten aufzunehmen und eine Korrektur der Überlegungen und Vorschläge zur Errichtung eines Hauses der Geschichte im Sinne der Ansprache des Bundespräsidenten zu bewirken?
Dr. Jahn, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin Lepsius, dem Herrn Bundespräsidenten sind die Vorstellungen der Bundesregierung bekannt. Ich glaube, daß es nicht meine Aufgabe ist, die Vorstellungen des Bundespräsidenten vor diesem Haus zu werten. Sie wissen, welche Anerkennung und Zustimmung der Herr Bundespräsident mit seiner Ansprache zum 8. Mai gefunden hat.
Im übrigen sollen die von Ihnen angeschnittenen Fragen in einem Gespräch mit Beauftragten der Fraktionen und dem für diese Angelegenheit zuständigen Wohnungsbauminister — wenn ich jetzt richtig informiert bin — noch am Freitag dieser Woche in einem ersten Gespräch erörtert werden, es sei denn, daß dieses Gespräch wegen einer Parlamentsdebatte noch einmal verschoben werden muß.
Eine weitere Zusatzfrage, Frau Dr. Lepsius.
Herr Staatssekretär, wird es auch Inhalt dieses Gespräches sein, daß man
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14366 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 189. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. Januar 1986
Frau Dr. Lepsiusdavon abgeht, ein rein chronologisch gegliedertes museales Konzept aufzustellen, und daß man zu neuen Ordnungsprinzipien ganz in dem Sinne kommt, daß nicht altbekannte nationalstaatliche Traditionen zum Ansatz für ein Museumskonzept führen, die unserer zeitgeschichtlichen Bewertung im Grunde genommen nicht mehr entprechen?Dr. Jahn, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin Lepsius, es ist den Mitgliedern des Deutschen Bundestages unbenommen, in dem von mir eben erwähnten Gespräch alle diese Vorstellungen einzubringen.Ich kann heute für die Bundesregierung noch einmal erklären — und das war Gegenstand Ihrer Fragestellung —: Von der Gefahr einer regierungsamtlichen Geschichtsdarstellung kann in keiner Weise die Rede sein.
Weitere Zusatzfrage, Frau Dr. Lepsius.
Herr Staatssekretär, wie können Sie sicherstellen, daß für das von der Bundesregierung in Berlin vorgesehene Haus auch die Gedanken der sozialdemokratischen Opposition, insbesondere soweit sie von einer Gruppe von Historikern und Sozialwissenschaftlern unter der Leitung des sehr angesehenen Professors Dr. Hans Mommsen vorgelegt wurden, Berücksichtigung finden und der Anspruch auf größere Beteiligung der Öffentlichkeit verwirklicht wird?
Dr. Jahn, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin Lepsius, Sie wissen, daß die Sachverständigenkommission zur Zeit bei der Arbeit ist. Ich habe auch eben zum weiteren Vorgehen der Bundesregierung Stellung genommen.
Die Bundesregierung wird die interessierte Öffentlichkeit — ich sagte es — in breiter Form beteiligen. Die Konzeption der Sachverständigen soll Vertretern und Institutionen der Wissenschaft, der Politik und gesellschaftlich relevanten Kräften zur Diskussion zugeleitet werden.
Ich bitte um Verständnis, daß ich jetzt nicht auf die Beteiligung bestimmter Persönlichkeiten eingehen kann.
Zu einer Zusatzfrage Frau Dr. Lepsius.
Herr Staatssekretär, ich habe natürlich noch viele offene Fragen, aber ich möchte mich jetzt auf ein Faktum beschränken, das wohl von seiten Ihres Ministeriums gesetzt worden ist: daß der 31. März dieses Jahres der Ausschreibungstermin für das Berliner Haus werden soll.
Meine Frage bezieht sich nun auf das, was Sie inhaltlich konzeptionell geäußert haben. Wie kann Ihr Ministerium oder wie kann die Bundesregierung sicherstellen, daß in diesem wirklich kurzen Zeitraum die Konzeption im Sinne des Hauses des Parlamentes verändert wird?
Dr. Jahn, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin Lepsius, für die Errichtung — und das wissen Sie — des Deutschen Historischen Museums auf dem Gelände der ehemaligen Kroll-Oper sind nach Auskunft der Stadt Berlin die städtebaulichen Rahmenbedingungen geklärt. Diese sind und werden verbindlich dem städtebaulichen Wettbewerb und dem Ideenwettbewerb zugrunde gelegt. Daher ist es sachlich vertretbar, während der Laufzeit des städtebaulichen und landschaftlichen Ideenwettbewerbs für den zentralen Bereich auch den Ideenwettbewerb für den Neubau des Deutschen Historischen Museums auszuloben.
Jetzt habe ich noch eine Zusatzfrage des Abgeordneten Kansy zu diesem Thema.
Herr Staatssekretär, nachdem Sie eben der Kollegin Dr. Lepsius die Auskunft gegeben haben, daß Sie in dem Konzept Ideen, wie sie in der Rede des Bundespräsidenten angesprochen wurden, würdigen wollen, darf ich Sie fragen — und dabei bin ich völlig entgegengesetzter Meinung gegenüber meiner Kollegin, die von überholten nationalstaatlichen Traditionen in Deutschland redet —: Ist denn in dem Konzept sichergestellt, daß die große nationale Tradition Deutschlands im weitesten Sinne berücksichtigt wird?
Dr. Jahn, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Kansy, ich beantworte Ihre Frage mit Ja.
Zusatzfrage des Abgeordneten Tatge.
Herr Staatssekretär, inwieweit ist sichergestellt, daß bei der Konzeption der Bundesregierung die Tradition der deutschen Demokraten, die Tradition auch einer außerparlamentarischen Opposition, anfangend bei den Bauernkriegen über die Gründung der ersten Freien Republik in Mainz und Bergzabern über die deutsche Revolution im Hambacher Fest 1832 über die deutsche Revolution 1848/49 bis hin zur Münchener Räterepublik 1918 und hin zur außerparlamentarischen Ökologie- und Friedensbewegung unserer Tage berücksichtigt wird?
Dr. Jahn, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, es steht Ihnen frei, in dem parlamentarischen Gespräch, an dem Ihre Fraktion auch beteiligt ist, dieses noch einmal zur Sprache zu bringen. Ich habe eben die großen Leitlinien vorgetragen, und dabei möchte ich es heute bewenden lassen.
Herr Staatssekretär, wenn sich die Deutschen ein Museum bauen, ist es in einer Demokratie wohl ein Unding, daß man von der Bundesregierung, von der Exekutive freundlicherweise, gnädigerweise die Mitwirkung erlaubt bekommt. Deshalb frage ich Sie, ob Ihnen bekannt ist, daß es im Deutschen Bundestag eine grundsätzliche Auffassung gibt, die sagt: Wir meinen, daß in einer Demokratie alle Verfassungsorgane gemeinsam eine solche Anstalt errichten müssen, d. h. es darf nicht so vonstatten gehen, daß die Regierung sie baut und
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Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 189. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. Januar 1986 14367
Duvedas Verfassungsorgan Parlament dann die in anderen Bereichen üblichen Kontrollfunktionen ausüben darf. Wir haben es hier mit einer Frage der nationalen Identität der Deutschen zu tun, bei der die Exekutive nicht das alleinige Handlungsrecht haben darf.Dr. Jahn, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Duve, Sie sagten eingangs: wenn sich die Deutschen ein Museum bauen. Ich möchte klarstellen, daß dieses Deutsche Historische Museum in Berlin, das Sie ansprechen, nicht nur für die Deutschen gebaut wird, sondern für alle, die an diesem Museum interessiert sind.Ich möchte hinzufügen, daß vorgesehen ist, in einer Aufbauphase einen Rechtsträger zu schaffen. Dieser selbständige Rechtsträger bildet ein Gremium, in dem die Vertreter des Parlaments, des Landes Berlin, vielleicht auch anderer Länder, Wissenschaftler und die gesellschaftlich relevanten Kräfte, alle zusammen, mitwirken. Ich glaube, daß Ihrem Wunsche damit Rechnung getragen werden kann.
Eine weitere Zusatzfrage des Abgeordneten Duve.
Herr Staatssekretär, sind Sie denn bereit, zur Kenntnis zu nehmen, daß Ihre Auskunft, was unsere Fraktion anbelangt, überhaupt nicht befriedigen kann? Es kann nicht darum gehen, daß die Bundesregierung über den Sprecher des Bauministeriums gnädig bereit ist, uns mitwirken zu lassen. Vielmehr geht es um die Frage, welche Verfassungsorgane so etwas im Grundsatz errichten und einrichten oder nicht errichten und einrichten.
Dr. Jahn, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Duve, Sie wissen, daß in diesem Hause eine Reihe von Fragen kontrovers diskutiert werden. Das ist ja auch der Anlaß, dieses umfassende Gespräch in den nächsten Tagen zu führen. Sie werden verstehen, daß in einer Fragestunde des Deutschen Bundestages diese detaillierten Fragen von mir nicht in extenso beantwortet werden können. Ich möchte allerdings auch nicht die Fragestellungen und die Antworten des kommenden Gesprächs vorwegnehmen, bei dem Ihre Fraktion ja vertreten ist.
Ich rufe die Frage 32 des Abgeordneten Dr. Sperling auf:
Welche Auswirkungen hat der Rückzug des Bundes aus der Förderung des Baus von Mietwohnungen auf die Stadtsanierung und den Ersatzwohnungsbau, wenn die Länder die fehlenden Bundesmittel nicht voll kompensieren?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Dr. Jahn, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Sperling, wenn Sie einverstanden sind möchte ich beide Fragen im Zusammenhang beantworten.
Der Abgeordnete ist einverstanden. Dann rufe ich auch die Frage 33 des Abgeordneten Dr. Sperling auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß Städten und Gemeinden dadurch Mittel entzogen werden, die im Rahmen der Städtebauförderung und ihrer Begleitmaßnahmen bisher zur Verfügung standen?
Dr. Jahn, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Sperling, was Sie als „Rückzug des Bundes aus der Förderung des Baus von Mietwohnungen" bezeichnen, ist in Wirklichkeit eine Konzentration der Finanzhilfen des Bundes auf die Eigentumsförderung im sozialen Wohnungsbau. Dafür stellt der Bund in diesem Jahr nahezu 1 Milliarde DM zur Verfügung.
Diese Konzentration der Bundesmittel für den Wohnungsbau auf die Eigentumsförderung beeinträchtigt die Länder im Bereich der Förderung des Städtebaus und des damit im Zusammenhang stehenden Ersatzwohnungsbaus nicht; denn auch in diesem Bereich stehen 1986 wesentlich höhere Mittel zur Verfügung als früher. 1982 waren es noch 220 Millionen DM. 1985 waren es 330 Millionen DM. 1986 und 1987 sind es jeweils 1 Milliarde DM. Wir haben die Mittel für den Städtebau also um nahezu das Fünffache angehoben. Davon, daß den Städten und Gemeinden durch den Bund Mittel entzogen worden wären — wie Sie in Ihrer Frage unterstellen —, kann also keine Rede sein.
Eine Zusatzfrage, Herr Dr. Sperling.
Herr Staatssekretär, stimmt es, daß bisher bei Sanierungsvorhaben in Städten der Ersatzwohnungsbau mit Mitteln des sozialen Wohnungsbaus ebenfalls gefördert wurde?
Dr. Jahn, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Sperling, da die Bundesmittel und Landesmittel der Städtebauförderung bis 1985 nur sehr begrenzt waren, haben die Länder von der Möglichkeit des § 45 des Städtebauförderungsgesetzes, ersatzweise oder zusätzlich für den Wohnungsbau auch Städtebauförderungsmittel einzusetzen, in nur geringem Umfang Gebrauch gemacht. Nur wenige Länder sind erst in den letzten Jahren auf diese Möglichkeit ausgewichen. Eine Quantifizierung ist mir zur Zeit nicht möglich.
Weitere Zusatzfrage, Herr Dr. Sperling.
Sind Ihnen Städte bekannt, in denen es .bisher so war, daß Mittel des sozialen Wohnungsbaus gleichzeitig die Sanierungsvorhaben mit gestützt haben?
Dr. Jahn, Parl. Staatssekretär: Es gibt solche Städte. Eine genaue Aufstellung, Herr Kollege Sperling, müßte ich Ihnen zukommen lassen.
Weitere Zusatzfrage, Herr Dr. Sperling.
Herr Staatssekretär, wenn Ihnen dies bekannt ist, haben Sie sich darum gekümmert, ob die Mittel für die Sanierungsvorhaben dieser Städte trotz der einseitigen Entscheidung des Bundes, das zu tun, was Sie die Konzentration der Finanzhilfen auf die Eigentumsmaßnahmen genannt haben, ausgeglichen werden konnten und ob nicht zusätzliche bürokratische Schwierigkeiten bei der Durchführung der bisherigen Städtebauförderungsvorhaben entstanden?
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14368 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 189. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. Januar 1986
Dr. Jahn, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Sperling, die Bundesregierung hat die Städtebauförderungsmittel verdreifacht. Es steht jährlich 1 Milliarde DM zur Verfügung. Sie wissen, daß die Länder sich an dieser Städtebauförderung mit den Gemeinden in gleicher Höhe beteiligt haben, und Sie wissen, daß dieses Investitionsvolumen von jährlich 2 Milliarden DM ein Gesamtinvestitionsvolumen — unter Beteiligung der privaten Investitionen — von 6 Milliarden DM auslöst. Das heißt, all das, was Sie eben als Folge des Rückzugs des Bundes im Mietwohnungsbau kritisieren, wird durch die größere Palette der Städtebauförderungsmittel bei weitem ausgeglichen.
Weitere Zusatzfrage, Herr Dr. Sperling.
Verstehe ich Sie richtig, Herr Staatssekretär: Auf dem Weg der Städtebauförderungsmittel beteiligt sich der Bund bei der Förderung von Mietwohnungen?
Dr. Jahn, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Sperling, der Bund hat erklärt, daß er sich aus dem Mietwohnungsbau aus guten Gründen zurückzieht, weil er der Auffassung ist, daß der Mietwohnungsbau dort, wo Angebot und Nachfrage in ein Gleichgewicht geraten sind, nicht eine Angelegenheit des Bundes ist, sondern eine punktuelle Angelegenheit bestimmter Gemeinden und Länder. Die Länder haben uns erklärt, daß sie sich dieser Verantwortung nicht entziehen. Der Bund geht weiter davon aus, daß auch weiterhin Mietwohnungsbau erfolgt, aber in der Zuständigkeit der Länder. In der Verwaltungsvereinbarung, die wir zur Zeit mit den Ländern schließen, wird dies festgeschrieben.
Zusatzfrage des Abgeordneten Kansy.
Herr Staatssekretär, wir können also davon ausgehen, daß auch bei veränderter Rechtslage die einzelnen Bundesländer jederzeit die Möglichkeit haben, im Bedarfsfall auch im Rahmen der Städtebauförderung sozialen Mietwohnungsbau zu fördern?
Dr. Jahn, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Kansy, Ihre Frage ist eindeutig mit Ja zu beantworten. Die Bundesregierung geht weiter davon aus, daß auch Mietwohnungsbauten dort, wo es erforderlich ist, künftig gefördert werden, dies aber in der Kompetenz der Länder. In der Verwaltungsvereinbarung werden die Länder gebeten, in der Höhe, in der Bundesmittel zur Verfügung stehen, für Eigentumsmaßnahmen auch Landesmittel zur Verfügung zu stellen. Da die Länder aber jetzt schon einen wesentlich höheren Betrag jährlich zur Verfügung haben, steht es den Ländern frei, wie bisher Mietwohnungsbau dort zu fördern, wo es noch erforderlich ist.
Weitere Zusatzfrage, Herr Kansy.
Herr Staatssekretär, ich interpretiere Ihre Antwort so, daß Sie sagen:
Auch bisher ist der größte Teil der öffentlichen Mittel, die für den sozialen Mietwohnungsbau bereitgestellt wurden, von den Bundesländern bereitgestellt worden, so daß sich die Problematik, die hier der Kollege Sperling anzureißen versucht, damit im Grund erledigt. Ist das richtig?
Dr. Jahn, Parl. Staatssekretär: Es ist richtig, daß die Länder schon immer in großem Umfang den Mietwohnungsbau gefördert haben. Das Problem, das Herr Sperling hier aufgreift, ist nur noch in ganz bestimmten Ballungsgebieten ein Problem, das gelöst werden muß. Die Bundesregierung sagt: Mietwohnungsbau j a, wo notwendig. Aber die Notwendigkeit beschränkt sich auf ganz wenige Ballungsgebiete.
Die Frage 34 des Abgeordneten Austermann soll auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet werden. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Wir sind damit am Ende der Fragen zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau. Ich danke dem Staatssekretär für die Beantwortung der Fragen.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern auf. Zur Beantwortung der Fragen steht Herr Staatssekretär Kroppenstedt zur Verfügung.
Die Frage 41 des Abgeordneten Volmer, die Frage 42 des Abgeordneten Stiegler, die Frage 43 des Abgeordneten Dr. Weng und die Frage 44 der Frau Abgeordneten Eid sollen auf Wunsch der Fragesteller schriftlich beantwortet werden. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich rufe die Frage 45 der Frau Abgeordneten Borgmann auf:
Kann die Bundesregierung bestätigen, daß vom 3. bis 22. Februar 1986 eine Sonderreise für Polizeibeamte mit Spezialprogramm bei der südafrikanischen Polizei in der Mitgliedszeitung der International Police Association, Deutsche Sektion, ausgeschrieben wurde und daß sich Beamte des Bundeskriminalamtes an der Organisation der Reise beteiligt haben?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich gehe davon aus, daß sich Ihre Frage auf die Anzeige bezieht, die in Heft 6/1985 der Mitgliedszeitung der IPA erschienen ist. Wie der Präsident der IPA mitgeteilt hat, ist die Reise das Angebot eines privaten Reiseunternehmers und fällt allein in dessen Verantwortungsbereich. Die IPA hat an ihrer Planung nicht mitgewirkt und beteiligt sich auch nicht an der Reise.
Bei der IPA handelt es sich im übrigen um eine rein privatrechtliche Vereinigung von Polizeibeamten der ganzen Welt. Staatliche Stellen sind hieran nicht beteiligt. An der Organisation dieser Reise war kein Beamter des Bundeskriminalamtes beteiligt.
Zusatzfrage, Frau Borgmann.
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Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 189. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. Januar 1986 14369
Herr Staatssekretär, teilen Sie meine Auffassung, daß es der Öffentlichkeit angesichts der zugespitzten Lage in Südafrika und der dort täglich stattfindenden eklatanten Menschenrechtsverletzungen überhaupt nicht zu vermitteln ist, wenn Polizeibeamte — ob nun dienstlich oder privat — in dieser Form eine Reise mit einem Spezialprogramm für Polizeibeamte nach Südafrika zum jetzigen Zeitpunkt antreten?
Kroppenstedt, Staatssekretär: In dieser Form kann ich das nicht bestätigen. Ich glaube nicht, daß es Aufgabe der Bundesregierung ist, zu privaten Reisen — ganz egal, von wem — eine Meinung zu äußern.
Weitere Zusatzfrage, Frau Borgmann.
Kann die Bundesregierung ausschließen, daß sich beispielsweise ein BKA-Beamter namens Landes — wir haben da konkrete Hinweise —, dessen Pro-Apartheid-Engagement offenbar amtsbekannt ist, in die Vorbereitung der Reise helfend eingeschaltet hat, deswegen auch in Südafrika war und damals beim Besuch von Botha eben auf Grund seiner Pro-Apartheid-Einstellung nicht zur Abschirmung herangezogen wurde?
Kroppenstedt, Staatssekretär: Wir haben über die Unterstellungen, die Ihrer Frage zugrunde liegen, keinerlei Informationen.
Zusatzfrage des Abgeordneten Vogel .
Herr Staatssekretär, es handelt sich bei der Reise, die in dieser Zeitung ausgeschrieben worden ist, ja um eine Sonderreise für Polizeibeamte mit einem Spezialprogramm bei der südafrikanischen Polizei. Sie sagen, das sei eine Privatsache, da rede die Bundesregierung nicht mit. Wollen Sie das allen Ernstes so aufrechterhalten? Ich stelle mir da die Frage: Wurde in dieser Frage einmal Kontakt mit dem Außenministerium aufgenommen? Denn ich kann mir vorstellen, daß das eine Sache ist, die nicht nur das Innenministerium betrifft, insofern eben, als deutsche Polizeibeamte dort hinfahren — wie Sie sagen, praktisch in privater Mission —, sondern die auch außenpolitische Wirkung zeigen könnte.
Kroppenstedt, Staatssekretär: Ich habe soeben gesagt, daß es sich um eine Veranstaltung eines privaten Veranstalters handelt, und zwar um eine Erlebnisreise nach Südafrika. Ich kann also diesen polizeilichen Hintergrund, den Sie unterstellen, nicht bestätigen.
Zusatzfrage des Abgeordneten Fischer .
Herr Staatssekretär, hat die Bundesregierung den Beschluß der Jungen Gruppe Nordrhein-Westfalen in der Gewerkschaft der Polizei zur Kenntnis genommen, in dem die International Police Association aufgefordert wird, alle Kontakte zur südafrikanischen Polizei abzubrechen, solange die Mehrheit der südafrikanischen Bevölkerung von der Teilnahme an einer demokratischen Staatsform ausgeschlossen ist, und teilt die Bundesregierung diese Auffassung?
Kroppenstedt, Staatssekretär: Es ist ein Unterschied, ob sich Vereinigungen oder sonstige Organisationen eine Meinung bilden oder ob die Bundesregierung sie zu einer Meinung veranlaßt oder zu ihrer Meinungsbildung Stellung nimmt.
Weitere Zusatzfrage des Abgeordneten Tatge.
Herr Staatssekretär, wie stellt sich die Bundesregierung zu der Meinung des Bundesvorsitzenden der Jungen Gruppe in der Gewerkschaft der Polizei, Herrn Gerd Diefenthaler, der erklärt hat, die Aufrechterhaltung von Kontakten zur südafrikanischen Polizei könne nicht dazu dienen, Einfluß auf diese auszuüben, sondern werde von der südafrikanischen Regierung vielmehr als Bestätigung ihrer Apartheid-Politik dargestellt?
Kroppenstedt, Staatssekretär: Aus meinen früheren Antworten hat sich ergeben, daß die Bundesregierung zu privaten Meinungsäußerungen nicht Stellung nimmt.
Ich rufe nun die Frage 46 der Abgeordneten Frau Borgmann auf:
Haben in den vergangenen drei Jahren Beamte des Bundeskriminalamtes dienstliche Reisen nach Südafrika unternommen, und welches waren die Gründe für diese Reisen?
Kroppenstedt, Staatssekretär: In den vergangenen drei Jahren haben zwei Beamte des Bundeskriminalamts Dienstreisen nach Südafrika durchgeführt.
Im Juni 1983 hat ein Beamter an einer internationalen Konferenz der Universität Pretoria teilgenommen und über Fragen der Terrorismusbekämpfung in der Bundesrepublik Deutschland referiert.
Im August 1985 wurden von einem Beamten Ermittlungen in Südafrika und Sambia in einem staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren wegen Verdachts des organisierten Rauschgifthandels durchgeführt.
Zusatzfrage, Frau Borgmann.
Ich möchte noch einmal die Frage stellen, ob sich die Bundesregierung angesichts dieser Situation nicht dazu berufen fühlt, solche Reisen zu verhindern, indem sie den Veranstaltern zumindest nahelegt, daß das zum jetzigen Zeitpunkt politisch nicht gewünscht wird.Kroppenstedt, Staatssekretär: Das eine ist ja ein Untersuchungsverfahren der Staatsanwaltschaft gewesen. Es ist selbstverständlich, daß die Bundesregierung ihre Beamten im Rahmen ihrer Zuständigkeit zu solchen Verfahren entsendet. Das andere war eine Veranstaltung zu dem Thema Terrorismus. Daß auch mit der Polizei Südafrikas in diesem
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14370 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 189. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. Januar 1986
Staatssekretär KroppenstedtBereich ein gewisser Austausch stattfindet, ist, glaube ich, auch nicht zu beanstanden.
Sie haben noch eine Zusatzfrage, Frau Borgmann.
Wie vereinbaren sich Ihre Antworten mit der Stellungnahme von Herrn Staatsminister Möllemann heute im Auswärtigen Ausschuß, daß es eine Zusammenarbeit zwischen den hiesigen Polizeistellen und denen in Südafrika nicht gebe?
Kroppenstedt, Staatssekretär: Vielleicht bezieht sich Herr Möllemann auf den Stand von 1986. Meine Antwort auf die Frage bezog sich auf 1983. 1983 gab es in diesem Rahmen auf jeden Fall eine Zusammenarbeit.
Zusatzfrage des Abgeordneten Tatge.
Herr Staatssekretär, teilt die Bundesregierung die Befürchtung der GRÜNEN, daß es für bundesdeutsche Polizeibeamte schon deshalb ganz normal ist, nach Südafrika zu fahren, weil sie sich auf Grund der Ausrüstung der südafrikanischen Polizei mit MBB-Hubschraubern, mit Gewehren von Heckler & Koch und Fahrzeugen von Daimler-Benz dort praktisch wie zu Hause fühlen können?
Kroppenstedt, Staatssekretär: Mir ist diese Äußerung der Bundesregierung, auf die Sie sich beziehen, im Augenblick nicht bekannt.
Zusatzfrage des Abgeordneten Vogel .
Herr Staatssekretär, soweit ich weiß, ist es bei der Bundeswehr gang und gäbe, daß Reisen in Ostblock-Staaten vorher gemeldet und genehmigt werden müssen. Ich kann mir vorstellen, daß Ähnliches bei der Polizei auch der Fall ist. Wäre es nicht denkbar und sinnvoll, daß Polizisten, die nach Südafrika reisen wollen, auch so einen Genehmigungsvorbehalt bekommen, und zwar insbesondere dann, wenn solche zweifelhaften Erlebnisreisen angestrebt werden?
Kroppenstedt, Staatssekretär: Herr Abgeordneter, Sie wissen, daß die Bundesregierung ein Höchstmaß an persönlicher Freiheit anstrebt und natürlich nicht daran denkt, private Reisen unter diesem Gesichtspunkt zu kontrollieren.
Frage 47 des Herrn Abgeordneten Dr. Kübler soll auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet werden. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Wir sind damit am Ende des Gechäftsbereichs des Bundesministers des Innern. Ich danke dem Staatssekretär für die Beantwortung der Fragen.
Ich rufe noch den Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen auf. Herr Häfele steht zur Beantwortung der Fragen zur Verfügung.
Die Fragen 48 des Herrn Abgeordneten Dr. Weng sowie 50 und 51 des Herrn Abgeordneten Kroll-Schlüter sollen auf Wunsch der Fragesteller schriftlich beantwortet werden. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich rufe als einzige Frage aus diesem Geschäftsbereich Frage 49 des Abgeordneten Dr. Apel auf:
Sieht die Bundesregierung die von Bundesminister Bangemann gegenüber der Presse in Washington am 16. Januar 1986 gemachten Äußerungen über von den USA angestrebte international koordinierte Zinssenkungsbemühungen als einen sinnvollen Beitrag zur Stabilisierung der internationalen Geld- und Devisenmärkte an, oder treffen Pressemeldungen zu , daß die Äußerungen des Bundesministers für Wirtschaft vom Bundesministerium der Finanzen als „schockierend" empfunden wurden?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Herr Kollege Dr. Apel, die Antwort lautet: Der Bundeswirtschaftsminister hat auf Fragen von Journalisten nach koordinierten Zinssenkungen geantwortet, daß die Bundesregierung Zinssenkungen grundsätzlich für richtig halte, zumal sie die Lage der hochverschuldeten Länder erleichtern würden. Allerdings könnten Zinssenkungen nicht durch einen Regierungsbeschluß verkündet werden, vielmehr bedürfe es einer entsprechenden Haushalts- und Wirtschaftspolitik. Anderslautende Presseberichte sind vom Bundeswirtschaftsministerium als nicht zutreffend bezeichnet worden. Das Bundesfinanzministerium hat zu den in der Frage erwähnten Pressemeldungen nicht Stellung genommen.
Zusatzfrage, Herr Dr. Apel.
Herr Staatssekretär, meint die Bundesregierung wirklich, sie könne mit diesem läppischen Dementi aus dem Bundeswirtschaftsministerium den schweren Schaden, der dadurch eingetreten ist, daß der Bundeswirtschaftsminister vorübergehende Turbulenzen an der Währungsfront und auf den Finanzmärkten ausgelöst hat, vom Tisch bekommen?
Dr. Häfele, Parl. Staatssekretär: Das Bundeswirtschaftsministerium hat eindeutig erklärt, daß die Meldung nicht zutreffend war. Es passiert uns allen einmal, daß wir von einer Meldung falsch erfaßt werden.
Zusatzfrage, Herr Dr. Apel.
Herr Staatssekretär, ich habe sehr wohl die feine Nuancierung Ihrer Antwort zur Kenntnis genommen, indem Sie sich auf das Bundeswirtschaftsministerium und nicht auf Ihr eigenes Haus berufen haben. Ich frage Sie dennoch: Sind Sie nicht mit mir der Meinung, daß ein amtierender Wirtschaftsminister vor einer wichtigen Konferenz wie der Konferenz der Fünfer-Gruppe in London am letzten Wochenende seine Worte besser
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Dr. Apelwägen muß, weil er sonst die Verantwortung für Schwierigkeiten auf der Konferenz selbst zu übernehmen hat, und wie wollen Sie dem amtierenden Wirtschaftsminister das eigentlich beibringen?Dr. Häfele, Parl. Staatssekretär: Nach Erklärung des Wirtschaftsministeriums sind diese Worte vom Wirtschaftsminister eben so nicht gesprochen worden. So, wie das Wirtschaftsministerium die Erklärung abgibt, ist sie nicht zu beanstanden. Das ist eine Meinung, die wir selbst überall verkünden. Wir wünschen alle — Sie ja wohl auch — Zinssenkungen. Aber sie müssen natürlich durch entsprechende finanz- und wirtschaftspolitische Maßnahmen herbeigeführt werden. Das ist die Erklärung des Wirtschaftsministeriums. Wir können sie nur begrüßen.
Zusatzfrage des Abgeordneten Jens.
Herr Staatssekretär, nach Ihren Darlegungen gehe ich davon aus, daß der Bundeswirtschaftsminister in dem Gespräch mit den Journalisten doch die Meinung vertreten hat, es könnte zu einer Zinssenkung kommen. Sind Sie der Ansicht, daß die Journalisten falsch berichtet haben? Muß man davon ausgehen, daß in Zukunft alle Mitteilungen über Äußerungen des Bundeswirtschaftsministers, die durch die Presse gehen, möglicherweise nicht dem entsprechen, was wirklich gesagt wurde?
Dr. Häfele, Parl. Staatssekretär: Ich kann nur noch einmal wiederholen, was der Sprecher des Wirtschaftsministeriums darüber gesagt hat, wie sich der Vorgang abgespielt hat. Er erklärte, der Bundeswirtschaftsminister sei auf die Frage nach dem berühmten Baker-Plan eingegangen und habe geantwortet, „daß die Bundesregierung, daß er, Zinssenkungen grundsätzlich für richtig hielte", daß sie durchaus geeignet seien, gerade die Situation der Entwicklungs- und der hochverschuldeten Länder zu erleichtern. Er hat dann hinzugefügt, daß nach deutscher Auffassung Zinssenkungen allerdings nicht durch einen Regierungsbeschluß verkündet werden könnten, sondern daß es dazu einer entsprechenden Haushalts- und Wirtschaftspolitik bedürfe.
Ich glaube, das ist eine völlig zutreffende Antwort.
Meine Damen und Herren, wir sind damit am Ende der Fragestunde. Ich danke dem Herrn Staatssekretär für die Beantwortung der Fragen.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 23. Januar 1986, 8 Uhr ein.
Die Sitzung ist geschlossen.